Bleibeprämien in der Insolvenz des Arbeitgebers 9783814557731

Um in Krisenzeiten wichtige Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten, besteht die Möglichkeit, ihnen Prämien im Gegenzug fü

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Bleibeprämien in der Insolvenz des Arbeitgebers
 9783814557731

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Steinhauser Bleibeprämien in der Insolvenz des Arbeitgebers

Bleibeprämien in der Insolvenz des Arbeitgebers

von Friederike Steinhauser

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH · Köln

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Meiner Familie

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Moritz Brinkmann, LL.M. (McGill), der mit großem Interesse, Engagement und konstruktiver Kritik an den richtigen Stellen die Entstehung der Arbeit begleitet hat. Ebenfalls danke ich Professor (em.) Dr. Eberhard Schilken für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herzlich danken möchte ich außerdem meinem Vater, meiner Großmutter und meiner Tante Alice, die mich immer unterstützt haben. Ganz besonders danken möchte ich schließlich meiner Mutter, ohne deren Rückhalt und Zuspruch die Fertigstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre.

Bonn, im Januar 2016

Friederike Steinhauser

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Inhaltsverzeichnis Rn.

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Danksagung ....................................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. XIX Literaturverzeichnis ..................................................................................... XXIII Einleitung ................................................................................................. 1 ........ 1 Kapitel 1: Bleibeprämien als Mittel zur effektiven Bindung von Mitarbeitern in Krise und Insolvenz ................................... 6 ........ 3 A. Zweck der Vereinbarung und Auszahlung einer Bleibeprämie .......... 7 ........ 3 B. Zielgruppe der Bleibeprämie ............................................................ 10 ........ 4 C. Zeitpunkt für die Vereinbarung einer Bleibeprämie ......................... 12 ........ 5 D. Überlebensfähigkeit als übergeordnetes Ziel auch im Interesse der übrigen Gläubiger ....................................................................... 14 ........ 6 E. Effektivität der Bleibeprämie ........................................................... 15 ........ 6 F. Missbrauchsgefahr ............................................................................ 16 ........ 7 Kapitel 2: Arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Bleibeprämie .......... 17 ........ 9 A. Bindung durch Einfügen einer Stichtagsklausel ............................... 18 ........ 9 B. Prämie als Sonderzahlung ................................................................. I. Ausgestaltung als Sonderzahlung mit Mischcharakter? ............. 1. Vorantreiben der Sanierungsbemühungen ........................... 2. Vermeidung von Risiken auf Seiten des Arbeitnehmers ...... 3. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Unzulässigkeit von Stichtagsklauseln ........................................................... II. Reine Bleibeprämie .................................................................... 1. Zulässigkeit von Stichtagsklauseln ...................................... 2. Höhe der Bleibeprämie ........................................................

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C. Kündigung aus Sphäre des Arbeitgebers .......................................... 37 ...... 14 D. Berücksichtigung des Einsatzes für die Sanierung ........................... 39 ...... 15 I. Berücksichtigung bei der Höhe der Prämie ................................ 40 ...... 15

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Inhaltsverzeichnis Rn.

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II. Aufteilung in zwei Zahlungen .................................................... 41 ...... 16 E. Ergebnis ............................................................................................ 42 ...... 16 Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen ........................................................................ 43 ...... 17 A. Wirksamkeit der Vereinbarung von Bleibeprämien in der Krise ...... I. § 138 BGB – Gläubigerbenachteiligung .................................... II. § 134 BGB .................................................................................. III. Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund der Einschränkung seiner Berufsfreiheit .............................................................................. IV. § 119 InsO .................................................................................. V. Wegfall der Geschäftsgrundlage ................................................ VI. Ergebnis ......................................................................................

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ....... 64 I. Bedeutung der Einordnung für den Arbeitnehmer ..................... 65 II. Entstehung des Anspruchs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ................................................................................... 68 1. Einordnung in der Rechtsprechung ...................................... 69 a) 10. und 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München: Insolvenzforderung ....................................... 70 b) 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München: Masseverbindlichkeit ..................................................... 73 c) Bundesarbeitsgericht: Masseverbindlichkeit ................. 74 2. Stellungnahme ...................................................................... 77 a) Begründung des Anspruchs auf Auszahlung der Bleibeprämie ............................................................ 78 b) Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis .................. 84 aa) Behandlung von Sonderzahlungen .......................... 87 (1) Vergütung zusätzlicher Arbeitsleistung ............. 88 (2) Sonstige Stichtagsregelungen, die an Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen (außer Bleibeprämie) ......................................... 89 (3) Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit? ........... 90 bb) Reichweite § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ................ 92 (1) Leistung mit Entgeltcharakter ........................... 94 (2) Sonstiger Anspruch, der sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt ............. 97 cc) „Erfolgen muss“ .................................................... 102 dd) Vergleich mit Abfindungsansprüchen ................... 105

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Inhaltsverzeichnis Rn.

ee) Art der Verbindlichkeit von Zufall abhängig/ Einflussmöglichkeit ............................................... ff) Missbrauchsgefahr ................................................. gg) Effektive Mitarbeiterbindung? ............................... hh) Ergebnis ................................................................. 3. Ergebnis ............................................................................. III. Entstehung des Anspruchs vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ................................................................................. IV. Ergebnis .................................................................................... C. Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO? ..... I. Aufwertung zur Masseverbindlichkeit als Anreiz zum Verbleib im Unternehmen? ...................................................... II. Nutzen eines Wahlrechts für den Insolvenzverwalter? ............. III. Rechtliche Bedenken gegen eine Anwendbarkeit von § 103 InsO ................................................................................ 1. Verdrängung durch § 108 InsO als lex specialis? .............. 2. Keine synallagmatische, sondern konditionale Verknüpfung der Hauptleistungspflichten ......................... IV. Ergebnis .................................................................................... D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers ................................. I. Zweck der Sicherung ................................................................ II. Rechtsgeschäftliches Pfandrecht .............................................. 1. Pfandrecht als akzessorisches Sicherungsmittel ................. 2. Sicherung der bedingten Forderung des Arbeitnehmers .... 3. Verpfändungsgegenstand ................................................... 4. Erforderliche Mitwirkung der Arbeitnehmer als Nachteil? ....................................................................... III. Sicherungsübereignung/Sicherungszession .............................. 1. Vorteile für den Arbeitgeber .............................................. 2. Interessenlage des Arbeitgebers – bedingte Sicherheitengewährung .......................................................................... IV. Doppeltreuhand ........................................................................ 1. Konstruktion ....................................................................... 2. Insolvenzfestigkeit ............................................................. a) Kein Erlöschen der Sicherungstreuhand ...................... b) Absonderungsrecht ...................................................... 3. Vor- und Nachteile ............................................................. V. Ergebnis ....................................................................................

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie ....................... 183 ...... 58 I. Objektive Gläubigerbenachteiligung durch Abschluss der Prämienvereinbarung ......................................................... 186 ...... 59 XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

II. § 134 Abs. 1 InsO ..................................................................... 1. Prämienzusage als Leistung i. S. d. § 134 InsO? ................ 2. Unentgeltlichkeit der Prämienzusage ................................. a) Beurteilung der Frage der Unentgeltlichkeit in der Rechtsprechung – Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts ............. aa) 10. und 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München, 5. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts: Unentgeltlichkeit .......................... bb) 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München: Entgeltlichkeit ........................................................ cc) 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts: Entgeltlichkeit ................................................................... dd) Stellungnahme ....................................................... b) Nichtausübung des Kündigungsrechts als Gegenleistung ......................................................................... aa) Hinreichende rechtliche Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung .................................. bb) Ermittlung der Gegenleistung – objektiver Maßstab ................................................................. cc) Gegenstand der Gegenleistung .............................. (1) Vermögensopfer des Arbeitnehmers ............... (a) Nichtausübung eines Rechts ...................... (b) Nichtausübung des Kündigungsrechts als Vermögensopfer .................................. (aa) Heranziehung des „Stehenlassens eines Darlehns“ zum Vergleich ........ (bb) Übertragbarkeit dieser Erwägungen auf die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer .............................................. (cc) „Hypothetischer Vorgang“? – Erforderlichkeit einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit .............. (dd) Ergebnis ............................................ (2) Zufluss eines Gegenwerts in die Masse ........... (a) Zufluss eines Gegenwerts in die Masse als Voraussetzung im Zweipersonenverhältnis ................................................... (b) Verbleib im Unternehmen als Zufluss zur Masse .................................................. (aa) Wirtschaftlicher Vorteil ....................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

(bb) Wirtschaftlicher Vorteil auch im Fall einer betriebsbedingten Kündigung ........................................ (cc) Ergebnis ............................................ (3) Ergebnis ........................................................... dd) Gleichwertigkeit der Gegenleistung – Teilanfechtung ....................................................... (1) Objektive Gleichwertigkeit ............................. (2) Bewertungsspielraum der Parteien .................. (3) Teilweise unentgeltliche Leistung ................... c) Ergebnis ....................................................................... 3. Im Regelfall keine Anfechtbarkeit der Prämienvereinbarung nach § 134 Abs. 1 InsO ................................ III. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO und § 131 Abs. 1 InsO ................ IV. § 133 Abs. 1 InsO ..................................................................... 1. Benachteiligungsvorsatz .................................................... a) Keine inkongruente Deckung ....................................... b) Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit ........... c) Sanierungsversuch – Entkräftung einer Indizwirkung ........................................................................ aa) Schlüssiges Sanierungskonzept ............................. bb) Besonderheiten bei der Vereinbarung einer Bleibeprämie .......................................................... (1) Entscheidende Rolle des Leistungsträgers im Sanierungsvorhaben ................................... (2) Angemessene Höhe der Prämie ....................... d) Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung ......................................................... e) Ergebnis ....................................................................... 2. Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes ............................ a) Kenntnis des Arbeitnehmers ........................................ b) Widerlegen der Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO durch schlüssiges Sanierungskonzept? ........................ c) Ergebnis ....................................................................... 3. § 133 Abs. 2 InsO Beweislastumkehr ................................ a) Arbeitnehmer als nahestehende Person i. S. d. § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO ............................................... b) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ...................... V. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO ............................................................ VI. Ergebnis ....................................................................................

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XIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie (Entstehung des Anspruchs vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) ................ I. Objektive Gläubigerbenachteiligung durch Auszahlung der Bleibeprämie ...................................................................... II. § 131 Abs. 1 InsO ..................................................................... III. § 130 Abs. 1 S. 1 InsO .............................................................. 1. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO – Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ......................................................................... 2. Voraussetzungen § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO .................. 3. Vermutung der Kenntnis gemäß § 130 Abs. 3 InsO .......... 4. Bargeschäftsausnahme § 142 InsO .................................... a) Nichtausübung des Kündigungsrechts als gleichwertige Gegenleistung ................................................. aa) Vergleichbarkeit mit Honorarzahlungen an Sanierungsberater .................................................. bb) Nichtausübung des Kündigungsrechts als Gegenleistung ........................................................ cc) Gleichwertigkeit von Prämie und erbrachter Betriebstreue .......................................................... b) Unmittelbarkeit ............................................................ aa) Unmittelbarkeit der Honorarzahlung an einen Sanierungsberater ......................................... bb) Unmittelbarkeit der Lohnzahlung an Arbeitnehmer ......................................................... cc) Unmittelbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie .................................................... (1) Maßgeblicher Bezugspunkt ............................. (2) Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Stichtag und Auszahlung der Prämie ............... (a) Übertragung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Lohnanfechtung: drei Monate? .......................... (b) Verkehrsauffassung hinsichtlich Bleibeprämie ............................................. c) Ergebnis ....................................................................... IV. § 134 Abs. 1 InsO ..................................................................... V. § 133 Abs. 1 InsO ..................................................................... 1. Benachteiligungsvorsatz hinsichtlich Prämienauszahlung als kongruente Deckung nach geltendem Recht ................. a) Benachteiligungsvorsatz bei kongruenten Deckungen – Ansicht der Rechtsprechung ........................................ b) Kritik der Literatur und vorgeschlagene Einschränkungsmöglichkeiten ........................................... XIV

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Inhaltsverzeichnis Rn.

c) Ablehnung der in der Literatur vorgeschlagenen Einschränkungen .......................................................... d) Praktische Notwendigkeit einer Einschränkung .......... e) Lösung auf Beweisebene: Gesamtbetrachtung von Indizien ................................................................ f) Bedeutung für die Auszahlung der Bleibeprämie ........ aa) kongruente Deckungen .......................................... bb) Sanierungsvorhaben ............................................... cc) bargeschäftsähnlicher Charakter ............................ dd) Insiderstellung ....................................................... ee) Ergebnis ................................................................. 2. Kenntnis des Arbeitnehmers vom Benachteiligungsvorsatz ................................................................................ 3. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung ... VI. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO ............................................................ VII. Gesamtergebnis ....................................................................... G. Anfechtbarkeit der Sicherung ......................................................... I. Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung ................................ II. Gläubigerbenachteiligung ......................................................... III. Sicherheit als kongruente oder inkongruente Deckung ............ IV. Bargeschäft ............................................................................... V. Entgeltlichkeit .......................................................................... VI. Benachteiligungsvorsatz ...........................................................

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H. Ergebnis .......................................................................................... 449 .... 155 Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren ................... 450 .... 157 A. Keine Unwirksamkeit des Versprechens einer Bleibeprämie durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter aufgrund offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit .............................................................. 459 .... 159 B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit ................... I. Insolvenzverwalter – Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO .............................................................. II. Vorläufiger Insolvenzverwalter ................................................ 1. „Starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – Masseverbindlichkeit § 55 Abs. 2 S. 1 InsO ................................ 2. „Schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter ..................... a) Prämienanspruch grundsätzlich Insolvenzforderung ... b) Anspruch auf Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit in Folge insolvenzgerichtlicher Einzelanordnung ........

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XV

Inhaltsverzeichnis Rn.

c) Treuhand(konten)modell zur Sicherung der Prämienzusage des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters? ................................................................... aa) Zulässigkeit des Treuhand(konten)modells? ......... bb) Jedenfalls Anfechtbarkeit der Sicherung der Prämienzusage durch ein Treuhand(konten)modell ....................................................... cc) Ergebnis ................................................................. III. Altmasseverbindlichkeit bei Masseunzulänglichkeit ................ 1. Kein Wahlrecht § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO ........................... 2. Keine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 InsO ................................. 3. „Vorrang-Ermächtigung“ des vorläufigen Insolvenzverwalters? ......................................................................... 4. Ergebnis .............................................................................

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C. Erfordernis der Mitwirkung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses – Zustimmungsbedürftigkeit des Prämienversprechens gemäß § 160 Abs. 1 S. 1 InsO ................................... 506 .... 176 D. Haftungsfragen ............................................................................... I. Haftung des Insolvenzverwalters .............................................. 1. § 60 Abs. 1 InsO ................................................................ a) Bleibeprämie ex ante im Interesse der Insolvenzmasse ............................................................................ b) Höhe der Prämie .......................................................... c) Keine Entlastung bei Zustimmungsbedürftigkeit der Bleibeprämie .......................................................... 2. § 61 InsO ............................................................................ a) Haftungsbegründende Pflichtverletzung und Exkulpationsmöglichkeit ............................................. b) Ersatzfähiger Schaden des Arbeitnehmers? ................. II. Haftungsrisiko des vorläufigen Insolvenzverwalters ................ 1. § 60 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO ................ 2. § 61 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO ...........................

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Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner .................................................................... 540 .... 189 A. Bleibeprämienversprechen als Masseverbindlichkeit ..................... 545 .... 190 I. Begründungskompetenz des Schuldners .................................. 545 .... 190 II. Keine Anfechtbarkeit des Prämienversprechens als Masseverbindlichkeit .......................................................... 548 .... 191

XVI

Inhaltsverzeichnis Rn.

B. Mitwirkung des Sachwalters ........................................................... I. § 275 Abs. 1 InsO ..................................................................... II. § 277 InsO ................................................................................ III. Ermächtigung des Schuldners unter Zustimmungsvorbehalt im Verfahren nach § 270a InsO? ..............................................

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C. Mitwirkung des Gläubigerausschusses §§ 276, 160 InsO .............. 557 .... 195 D. Haftungsfragen ............................................................................... I. Haftung des Schuldners ............................................................ II. Haftung des Geschäftsleiters .................................................... III. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters ....................................

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Kapitel 6: Besonderheiten bei Prämienversprechen gegenüber Geschäftsleitern ................................................................. 573 .... 201 A. Anspruch des Geschäftsleiters auf Auszahlung der Prämie: Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung .............................. 575 .... 202 I. Bleibeprämienversprechen im Rahmen außergerichtlicher Sanierungsbemühungen ............................................................ 576 .... 202 II. Bleibeprämienversprechen durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder den eigenverwaltenden Schuldner .................... 580 .... 203 B. Anfechtbarkeit unter erleichterten Voraussetzungen ...................... 583 .... 205 C. Herabsetzung der Bleibeprämie nach § 87 Abs. 2 AktG? .............. 585 .... 205 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................... 591 .... 209 Stichwortverzeichnis ........................................................................................ 215

XVII

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AG Alt. AltTzG AnfG Anh.

andere Ansicht Absatz Amtsgericht Alternative Altersteilzeitgesetz Anfechtungsgesetz Anhang

ArbG ArbRAktuell

Arbeitsgericht Arbeitsrecht Aktuell

BAG BAGE

Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BB BeckOK BeckRS BerlKommInsO

Betriebsberater Beck’scher Online-Kommentar Beck’sche Rechtsprechungssammlung Berliner Kommentar Insolvenzrecht

BetrAV BFH BGB BGH BGHZ BT-Drucks.

Betriebliche Altersversorgung Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Drucksache des Bundestags

DB ders.

Der Betrieb derselbe

d.h. DStR DtZ DZWIR

das heißt Deutsches Steuerrecht Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

ErfKomm EWiR

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht XIX

Abkürzungsverzeichnis

f. FA ff. FK-InsO FS

folgende Fachanwalt Arbeitsrecht fortfolgende Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung Festschrift

GmbHR GWR

GmbH Rundschau Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

HambKommInsO Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht HeidelbergerKommInsO Heidelberger Kommentar Insolvenzordnung h.M. herrschende Meinung InsO InsVV

Insolvenzordnung Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung

jurisPR-ArbR jurisPR-HaGesR jurisPR-InsR

juris PraxisReport Arbeitsrecht juris PraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht juris PraxisReport Insolvenzrecht

KO KölnerKommAktG

Konkursordnung Kölner Kommentar zum Aktiengesetz

K/P/B KTS

Kübler/Prütting/Bork Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen

LAG LG L/S/Z

Landesarbeitsgericht Landgericht Leonhardt/Smid/Zeuner

MAH MünchKommAktG MünchKommBGB MünchKommGmbHG

Münchener Anwaltshandbuch Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung mit weiteren Nachweisen

MünchKommInsO m. w. N.

XX

Abkürzungsverzeichnis

NJOZ

Neue Juristische Online-Zeitschrift

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift RechtsprechungsReport Zivilrecht

Nr.

Nummer

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZA-RR

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – RechtsprechungsReport Arbeitsrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

NZI

Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

RdA

Recht der Arbeit

RegE

Gesetzesentwurf der Bundesregierung

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.

Randnummer

Rz.

Randziffer

S.

Seite

SGB

Sozialgesetzbuch

Urt.

Urteil

v.

vom

VersR

Versicherungsrecht

vgl.

vergleiche

VW

Versicherungswirtschaft

WM

Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschaftsund Bankrecht

ZInsO

Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess

XXI

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LIII

Einleitung Die weltweite Wirtschaftskrise ebenso wie fehlerhaftes Management oder Fehlin- 1 vestitionen sind immer häufiger Grund dafür, dass Unternehmen in eine finanzielle Krise geraten und sich nach geraumer Zeit gezwungen sehen, Insolvenzantrag zu stellen. Im Jahr 2014 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 24.085 Unternehmensinsolvenzen verzeichnet.1) Diese Zahl liegt zwar deutlich unter dem Höchststand von 2003 (39.320)2), ist aber dennoch beträchtlich. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das auf eine Zerschlagung des Unternehmens gerichtet ist, sollte nicht nur in Hinblick auf die schlechten Befriedigungsaussichten der Gläubiger des Unternehmens vermieden werden. Auch gesamtgesellschaftlich ist die Liquidation eines Unternehmens nicht wünschenswert, nicht zuletzt weil sie den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze mit sich bringt. Als Mittel zur Überwindung der Krise oder der bereits eingetretenen Insolvenzreife 2 kommt eine Sanierung des Unternehmens in Betracht. Mit Hilfe eines Sanierungskonzepts soll dadurch kurzfristig die akute Bedrohung gestoppt und langfristig die Überlebens- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt werden.3) Eine Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens kann zudem ein geeignetes Mittel darstellen, um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erzielen. Aus einer eingetretenen Krise kommt ein Unternehmen jedoch nicht so einfach wie- 3 der heraus. Selbst wenn ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegt, das erfolgversprechende Sanierungsmaßnahmen vorsieht, sind vor allem qualifizierte Mitarbeiter erforderlich, um eine effiziente Umsetzung zu ermöglichen. In Krise und Insolvenz gestaltet sich die Anwerbung neuer qualifizierter Fachkräfte und Leistungsträger allerdings zumeist schwierig. Niemand möchte auf ein bereits „sinkendes Schiff“ aufspringen. Umso wichtiger ist es, die im Unternehmen vorhandenen Fachkräfte zu halten. Diese Dissertation beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Bleibeprämien sich 4 eignen, qualifizierte Mitarbeiter an das krisengeschüttelte Unternehmen zu binden und diese zur Mitarbeit an der Sanierung zu motivieren. Es sollen die arbeitsrechtliche Ausgestaltung solcher Prämienzahlungen sowie die sich aus ihnen ergebenden insolvenzrechtlichen Probleme beleuchtet werden. Zu diesen gehören insbesondere die Frage, ob der Forderung der Charakter einer Masseverbindlichkeit zukommt oder ob es sich lediglich um eine Insolvenzforderung handelt, sowie deren Anfechtbarkeit. ___________ 1) 2) 3)

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Insolvenzen/Irins01.html (zuletzt besucht am 22.1.2016). https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Insolvenzen/Irins01.html (zuletzt besucht am 22.1.2016). Kindler/Nachmann/Mintzlaff, Deutschland Rn. 185; Buth/Hermanns/Kraus, RSI, § 4 Rn. 3, 11.

1

Einleitung

5 Anlass zu einer Beschäftigung mit der insolvenzrechtlichen Behandlung von Bleibeprämien gaben sich in diesen Punkten widersprechende Entscheidungen verschiedener Kammern des Landesarbeitsgerichts München. Zwischenzeitlich hatte sich auch das Bundesarbeitsgericht4) mit diesen insolvenzrechtlichen Fragestellungen zu befassen. Im Folgenden soll im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit den einschlägigen Entscheidungen aufgezeigt werden, warum ihnen in einigen Punkten entgegen zu treten ist. Darüber hinaus will diese Dissertation auch die Zulässigkeit und die Risiken von Bleibeprämienversprechen aufzeigen, die erst nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Aussicht gestellt werden.

___________ 4)

2

BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, dazu Klasen, GWR 2014, 64 und Abele, FA 2014, 105; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38.

Kapitel 1: Bleibeprämien als Mittel zur effektiven Bindung von Mitarbeitern in Krise und Insolvenz Befindet sich ein Unternehmen in der Krise oder ist die Insolvenzreife bereits einge- 6 treten, sehen sich Arbeitnehmer und Geschäftsleiter dem Risiko ausgesetzt, mittelbis langfristig ihre Anstellung zu verlieren. Für das Unternehmen besteht daher die Gefahr, dass wichtige Arbeitnehmer oder Geschäftsleiter von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen und mit Blick auf eine sicherere finanzielle und berufliche Zukunft ein anderweitiges Arbeits-/Dienstverhältnis eingehen. Außergerichtliche Sanierungsbemühungen, die darauf gerichtet sind, das Entstehen eines Insolvenzgrundes zu verhindern5), ebenso wie Sanierungspläne innerhalb eines Insolvenzverfahrens können durch solche Abwanderungsbewegungen massiv erschwert werden. Diese Gefahr kann durch Zusagen individueller Bleibeprämien verringert werden.

A. Zweck der Vereinbarung und Auszahlung einer Bleibeprämie Das Versprechen von Bleibeprämien in Insolvenz und Krisenzeiten erscheint auf 7 den ersten Blick kontraproduktiv. Im Regelfall sind, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und Geschäftsabläufe zu optimieren, Einsparungen erforderlich, die sich gegenüber den Mitarbeitern in Form von Entlassungen und Lohnkürzungen bemerkbar machen. Anstatt die Ausgaben zu senken, werden durch Bleibeprämienversprechen allerdings neue Verbindlichkeiten  häufig in nicht unerheblichem Umfang  begründet. Der Verbleib bestimmter Mitarbeiter ist jedoch geeignet, sich entscheidend auf die Sanierungschancen außerhalb und innerhalb eines Insolvenzverfahrens auszuwirken. Die Fortführung des Geschäftsbetriebs oder die Entwicklung von Produkten kann unter Umständen maßgeblich davon abhängen, dass das im Unternehmen vorhandene Know-how erhalten bleibt. Für ein Sanierungsvorhaben ist es außerdem von Vorteil, wenn diejenigen Mitarbeiter, die über wichtige geschäftliche Kontakte verfügen, diese weiterhin pflegen, insbesondere um das Vertrauen der Geschäftspartner in die Erfolgsaussichten des Sanierungsplans zu stärken. Hinzu kommt, dass ein Wechsel dieser Mitarbeiter zu Konkurrenzunternehmen die schlechte wirtschaftliche Situation noch weiter verschärfen könnte. Bleibeprämienversprechen verfolgen daher den Zweck, den fortdauernden Verbleib dieser Arbeitnehmer oder Geschäftsleiter zu erwirken, um mit deren Hilfe die geplante Sanierung zum Erfolg zu führen. Die Prämie bietet einen Anreiz für die Bereitschaft, weiterhin für das Unternehmen zu arbeiten. Ein solcher Anreiz zur weiteren Betriebstreue erweist sich auch als notwendig, 8 weil anderweitige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung in einer akuten Krise nicht geeignet sind, den gewünschten Effekt zu erzielen.6) Als anderweitige Maßnahmen ___________ 5) 6)

Kölner Schrift/Jaffé, Kap. 23 Rn. 10; Vallender, NZI 2007, 129, 136. Siehe dazu ausführlich Mückl, ZIP 2012, 1642 f.

3

Kapitel 1: Bleibeprämien zur effektiven Bindung von Mitarbeitern in Krise und Insolvenz

kommen Wettbewerbsverbote, Rückzahlungsklauseln oder Mitarbeiterbeteiligungsmodelle in Betracht. Aus §§ 60, 61 HGB ergibt sich während des laufenden Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot. Dieses erlischt jedoch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.7) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können zwar individualvertraglich ein nachträgliches Wettbewerbsverbot vereinbaren8), es ist jedoch fraglich, ob die Aussicht, infolge einer Kündigung nicht für die Konkurrenz arbeiten zu dürfen, ausreicht, um im krisengeschüttelten Unternehmen zu verbleiben. Ferner müsste das Unternehmen gemäß § 74 II HGB eine Entschädigung zahlen. Es entstehen daher Kosten, ohne dass der betreffende Mitarbeiter an der Sanierung mitwirkt.9) Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sowie die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln sind zumeist ungeeignet, weil sie voraussetzen, dass der Arbeitgeber so vorausschauend war, diese Maßnahmen im Vorfeld der Krise auf den Weg zu bringen, was regelmäßig nicht der Fall sein wird.10) Auch das Insolvenzgeld und eine etwaige Vorfinanzierung stellen zwar die Gehaltszahlung sicher. Die bloße Gehaltszahlung allein ist jedoch nicht geeignet, Leistungs- und Know-how-Träger davon abzuhalten, sich nach langfristig sichereren Arbeitsplätzen umzusehen.11)

9 Auf die rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit eines Bleibeprämienanspruchs wird jedoch noch einzugehen sein.

B. Zielgruppe der Bleibeprämie 10 Die Zielgruppe von Bleibeprämienvereinbarungen umfasst nur einen eingeschränkten Kreis von Arbeitnehmern und Geschäftsleitern. Solche Prämienzusagen sind nur dann sinnvoll, wenn sie sich an die sogenannten „Leistungsträger“ des Unternehmens richten, d. h. an diejenigen, die durch die weitere Erbringung ihrer Arbeitsleistung entscheidend zum Gelingen des Sanierungsvorhabens beitragen können.12) Denkbare Adressaten dieser Prämien sind demnach Mitarbeiter, mit deren Weiterbeschäftigung das Sanierungsvorhaben steht und fällt. Als Leistungsträger in diesem Sinne sind Mitarbeiter anzusehen, die über ein besonderes Know-how oder eine spezielle Qualifikation verfügen, der es für die Betriebsfortführung – unter Umständen entscheidend – bedarf; ferner solche, die in bestimmten Tätigkeitsfeldern arbeiten, mit konkreten Projekten befasst sind oder unternehmensinterne Abläufe gut kennen. Zur Zielgruppe gehören auch solche Arbeitnehmer, die Einfluss auf den Aufgabenbereich anderer Beschäftigter haben, sei es auch nur dergestalt, ___________ 7) 8) 9) 10) 11) 12)

4

Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 60 Rn. 1. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 74 Rn. 2. Mückl, ZIP 2012, 1642. Mückl, ZIP 2012, 1642 f. Mückl, ZIP 2012, 1642, 1643. Im Duden ist ein Leistungsträger definiert als „jemand, der durch die eigene Leistung entscheidend zu einer Gesamtleistung, zu einem Gesamterfolg beiträgt“.

C. Zeitpunkt für die Vereinbarung einer Bleibeprämie

dass sie als Leiter eines Teams die Zusammenarbeit koordinieren und die Teamfähigkeit stärken. Diese Mitarbeiter sind insbesondere dann potenzielle Adressaten von Bleibeprämienversprechen, wenn sie bereits unter Außerachtlassung der wirtschaftlich schlechten Situation des Unternehmens schwer zu ersetzen wären und sie im Unternehmen nicht entbehrt werden könnten, weil die übrigen Mitarbeiter nicht in der Lage wären, das Fehlen ihres Know-hows aufzufangen. Auch Geschäftsleiter können unter Umständen zur Zielgruppe gezählt werden. Wer- 11 den Bleibeprämien im Gegenzug für den weiteren Verbleib von Vorständen einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführern einer GmbH in Aussicht gestellt, stellt sich in besonderem Maße die Frage, ob die weitere Tätigkeit besagter Geschäftsleiter sinnvoll ist. Schließlich waren sie nicht in der Lage, die momentane Krise bzw. Insolvenzreife des Unternehmens abzuwenden. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass das Vertrauen der Geschäftspartner in deren Leitungsqualitäten erschüttert ist, sondern auch dass die Geschäftsleiter sich am verbleibenden Vermögen des Schuldners „selbst bedienen“, in dem sie sich selbst Prämien versprechen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Geschäftsleiter in der Regel diejenigen sind, die den besten Überblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens haben. Sie verfügen über Kenntnisse der Unternehmensstruktur, der Zuständigkeiten und der Abläufe, in die sich ein etwaiger Nachfolger erst zeitintensiv einarbeiten müsste.

C. Zeitpunkt für die Vereinbarung einer Bleibeprämie Das Versprechen von Bleibeprämien an diese wichtige Gruppe von Mitarbeitern ist 12 zu verschiedenen Zeitpunkten erwägenswert. Zunächst kann eine solche Maßnahme zur Mitarbeiterbindung außerhalb einer Krise sinnvoll erscheinen, um den Erfolg des Unternehmens zu sichern und langfristig den Eintritt einer Krise zu vermeiden. Das Versprechen von Bleibeprämien kommt jedoch insbesondere auch als Mittel zur außergerichtlichen Sanierung in Betracht, nämlich dann wenn sich die wirtschaftliche Krise des Unternehmens abzeichnet, d. h. wenn erkennbar ist, dass ohne Ergreifen geeigneter Maßnahmen der Eintritt eines Insolvenzgrundes überwiegend wahrscheinlich ist. Zu diesem Zeitpunkt besteht noch eine realistische Möglichkeit, die sich schon abzeichnende Insolvenz des Unternehmens durch außergerichtliche Sanierungsbemühungen zu verhindern. Solche außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen haben zudem den Vorteil, dass sie weniger Aufmerksamkeit auf die kritische wirtschaftliche Lage des Unternehmens lenken und dadurch eine schlechte „Publicity“ vermieden wird, die das Misstrauen etwaiger Geschäftspartner in die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens noch verstärken kann.13) Es empfiehlt sich, die Bleibeprämien zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu versprechen, da sich

___________ 13) Gottwald/Drukarczyk/Schöntag, § 3 Rn. 1; Kölner Schrift/Undritz, Kap. 29 Rn. 26.

5

Kapitel 1: Bleibeprämien zur effektiven Bindung von Mitarbeitern in Krise und Insolvenz

ansonsten das Anfechtungsrisiko im Falle eines Scheiterns der Bemühungen erhöht.14)

13 Bleibeprämien können aber auch dann sinnvoll sein, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“, sprich ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits gestellt wurde. Soll das Unternehmen bis zum Berichtstermin (§§ 156 f. InsO) fortgeführt werden bzw. ist eine Sanierung innerhalb des Verfahrens angestrebt, kann ein Verbleib der Leistungsträger ebenfalls für das Gelingen ganz besonders wichtig sein. Die Vereinbarung einer Bleibeprämie ist daher auch im vorläufigen und eröffneten Insolvenzverfahren sowie im Eigenverwaltungs-, Eigenverwaltungseröffnungs- oder Schutzschirmverfahren erwägenswert.

D. Überlebensfähigkeit als übergeordnetes Ziel auch im Interesse der übrigen Gläubiger 14 Obwohl eine solche Bleibeprämie die Passiva des Schuldners vermehrt, kann sie im Interesse der Gläubigergesamtheit liegen. Denn ihre Befriedigungsaussichten erhöhen sich, wenn dem Unternehmen ein außergerichtliches Sanierungsvorhaben gelingt und die drohende Insolvenz abgewendet werden kann. Dass die Leistungsträger des Unternehmens an dieser Sanierung mitwirken, um sie zum Erfolg zu führen, entspricht daher auch dem Interesse der Gläubiger. Auch können sie von einer erfolgreichen Sanierung innerhalb des Verfahrens profitieren, weil eine Vergrößerung der zur Verfügung stehenden Haftungsmasse erzielt werden kann.

E. Effektivität der Bleibeprämie 15 Eine Bleibeprämie, die einem Arbeitnehmer oder Geschäftsleiter in Aussicht gestellt wird, ist nur dann geeignet, den mit ihr bezweckten Verbleib des Arbeitnehmers/Geschäftsleiters zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer/Geschäftsleiter davon ausgehen kann, die Bleibeprämie in der vereinbarten Höhe zum vereinbarten Zeitpunkt auch tatsächlich ausgezahlt zu bekommen.15) Nur dann entfaltet sie die gewünschte Anreizwirkung. Andernfalls wird der Betreffende nicht gewillt sein, das Risiko einer ungewissen beruflichen und finanziellen Zukunft in Kauf zu nehmen, insbesondere wenn die konkrete Möglichkeit eines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen besteht. Sind die Sanierungsaussichten auch noch so vielversprechend, besteht gleichwohl die Gefahr des Scheiterns. Vor diesem Hintergrund ist relevant und untersuchenswert, ob derartige Prämienversprechen überhaupt insolvenzfest sind. Zu erörtern ist auch, ob diese Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten begründen, ob etwaige Sicherungsmöglichkeiten bestehen und welchen Anfechtungsrisiken sich der Arbeitnehmer/Geschäftsleiter ausgesetzt sieht. ___________ 14) Siehe dazu unten unter Kapitel 3 E. 15) Vgl. Mestwerdt, ArbRAktuell 2012, 547.

6

F. Missbrauchsgefahr

F. Missbrauchsgefahr Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass Bleibeprämienversprechen, die in der 16 wirtschaftlichen Krise des Unternehmens bzw. in der Insolvenz abgegeben werden, dazu missbraucht werden können, noch vorhandenes Vermögen des Schuldners beiseite zu schaffen.16) Bleibeprämienversprechen sind jedoch nicht per se verdächtig oder missbräuchlich. Vielmehr kommt es auf eine Betrachtung des Einzelfalles an. Fälle der Zahlung horrender Prämien an den Geschäftsführer, der erheblich zur wirtschaftlichen Misere des Unternehmens beigetragen hat, sind in einem anderen Licht zu betrachten als Prämien, die an Leistungsträger des Unternehmens erbracht werden, die schon geraume Zeit gute Arbeit geleistet haben und ohne deren Know-how die Sanierungsbemühungen erheblich erschwert würden. Missbräuchen kann dadurch begegnet werden, dass solche Prämienvereinbarungen der Anfechtung unterliegen17) oder  sofern sie nach Verfahrenseröffnung zugesagt wurden  eine Haftung des Insolvenzverwalters oder des eigenverwaltenden Schuldners begründen.18)

___________ 16) Zum Negativbeispiel USA siehe LoPucki, Courting failure, S. 151 – 156. 17) Dazu unten unter Kapitel 3 E. 18) Siehe Kapitel 4 D. und Kapitel 5 D.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Bleibeprämie Der Arbeitgeber  nach Verfahrenseröffnung der Insolvenzverwalter  möchte die 17 Leistungsträger effektiv an das krisenbedrohte Unternehmen binden. Ihm ist primär daran gelegen, von dem im Unternehmen vorhandenen Know-how weiterhin profitieren zu können. Es liegt ebenfalls in seinem Interesse, die Leistungsträger zu engagierter Mitarbeit anzuspornen, um das Sanierungsvorhaben voranzutreiben.

A. Bindung durch Einfügen einer Stichtagsklausel Eine Bindung des Arbeitnehmers kann durch das Einfügen einer Stichtagsklausel 18 in die Prämienvereinbarung hergestellt werden. Eine Stichtagsklausel führt je nach Vereinbarung dazu, dass die Zahlung der Prämie davon abhängt, ob das Arbeitsverhältnis zu einem festgelegten Zeitpunkt noch besteht oder sich sogar in ungekündigtem Zustand befindet.19) Um eine langfristige Bindung zu erreichen, bietet es sich an, den ungekündigten 19 Bestand des Arbeitsverhältnisses vorauszusetzen und so eine auch zukünftige Bindungswirkung hervorzurufen.20) So bleibt der Arbeitnehmer über den Stichtag hinaus jedenfalls für die Dauer seiner Kündigungsfrist dem Unternehmen erhalten. Sofern der Arbeitnehmer eine Auszahlung der Prämie erreichen will, darf er bis zu dem vereinbarten Stichtag sein Kündigungsrecht nicht ausüben, da ansonsten sein Anspruch nicht entsteht.21)

B. Prämie als Sonderzahlung Bei der Prämie handelt es sich um eine Einmalzahlung, die nicht mit dem monatli- 20 chen Arbeitsentgelt gezahlt wird. Sie stellt eine Sonderzahlung seitens des Arbeitgebers dar.22) Eine solche Sonderzahlung kann hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung und ihren Anspruchsvoraussetzungen verschieden ausgestaltet sein. Bisher wurde zwischen drei Arten von Sonderzahlungen unterschieden: Sonderzuwendungen, die reinen Entgeltcharakter aufweisen, Sonderzuwendungen zur Belohnung von Betriebstreue und solche mit Mischcharakter.23) ___________ 19) ErfKomm/Preis, § 611 BGB Rn. 534; Moll/Melms, MAH Arbeitsrecht § 10 Rn. 145. 20) BAG, Urt. v. 24.10.1990 – 6 AZR 156/89, BAGE 66, 169 = NZA 1991, 318, 320; Lindemann, ArbRAktuell 2012, 446; Urban, ArbRAktuell 2011, 528; Salamon, NZA 2010, 314, 316; ders., NZA 2011, 1328; Heiden, RdA 2012, 225, 228; Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1573. 21) König, NZA-RR 2012, 449, 451. 22) Vgl. zum Wesen einer Sonderzahlung ErfKomm/Preis, § 611 BGB Rn. 527; Lakies, ArbRAktuell 2012, 306; Heiden, RdA 2012, 225, 226. 23) Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572; ErfKomm/Preis, § 611 BGB Rn. 534 f.

9

Kapitel 2: Arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Bleibeprämie

I.

Ausgestaltung als Sonderzahlung mit Mischcharakter?

21 Der Arbeitgeber könnte die Prämie derart ausgestalten, dass sie nicht nur an die Betriebstreue, sondern zusätzlich an die vom Arbeitnehmer im Rahmen der Sanierungsbemühungen erbrachte Leistung oder an den Sanierungserfolg anknüpft. Es würde sich dann um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handeln, weil die Prämienzahlung sowohl auf die Leistung als auch auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem späteren Stichtag abstellt.24)

1.

Vorantreiben der Sanierungsbemühungen

22 Durch eine Anknüpfung des Anspruchs auf Auszahlung der Prämie an den Sanierungserfolg würde ein größtmöglicher Einsatz des Arbeitnehmers für den Erhalt des Unternehmens gewährleistet: je motivierter der Arbeitnehmer desto größer die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Einbeziehung der Leistung des Arbeitnehmers auf den ersten Blick vorteilhaft.

2.

Vermeidung von Risiken auf Seiten des Arbeitnehmers

23 Gegen eine solche Ausgestaltung als Sonderzahlung mit Mischcharakter spricht allerdings, dass es das primäre Ziel des Arbeitgebers ist, das Know-how der Leistungsträger im Unternehmen zu halten, um eine Sanierung zu ermöglichen. Wenn die Auszahlung der Prämie an bestimmte Leistungsziele oder gar den Erfolg einer Sanierung geknüpft wäre, würde dies für den Arbeitnehmer einen zusätzlichen Risikofaktor darstellen. Der Verbleib im Unternehmen muss aber für ihn lukrativ ausgestaltet werden. Das dem Sanierungsversuch immanente Risiko wird der Leistungsträger nur auf sich nehmen, wenn er sich der Prämienzahlung sicher sein kann und diese nicht zusätzlich von für ihn unvorhersehbaren Umständen abhängt. Schon aus diesem Grund spricht viel dafür, die Prämie nicht als Sonderzahlung mit Mischcharakter auszugestalten.

3.

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Unzulässigkeit von Stichtagsklauseln

24 Die jüngste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lässt zudem Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen Ausgestaltung aufkommen.

___________ 24) Vgl. Salamon, NZA 2011, 1328; Lindemann, ArbRAktuell 2012, 446; Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, § 77 Rn. 6.

10

B. Prämie als Sonderzahlung

Während die Rechtsprechung Stichtagsregelungen, die an den ungekündigten Be- 25 stand des Arbeitsverhältnisses anknüpften, früher als zulässig erachtete25), vertritt das Bundesarbeitsgericht inzwischen die Ansicht, dass Sonderzahlungen, die im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung stehen, nicht von weiteren Anspruchsvoraussetzungen abhängig gemacht werden dürfen.26) Sie könnten nicht unter die Bedingung gestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis am vereinbarten Stichtag ungekündigt fortbesteht.27) Dies wird der Wertung von § 611 Abs. 1 BGB entnommen.28) Prämien, die einerseits auf die individuelle Leistung des Arbeitnehmers abstellen, zusätzlich aber in Gestalt einer Stichtagsregelung an das Verbleiben im Unternehmen anknüpfen, führen danach zu einem unzulässigen Entzug bereits verdienten Lohnes.29) Ferner werde die Ausübung des Kündigungsrechts erschwert, weswegen ein Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit anzunehmen sei.30) Die vorstehenden Erwägungen gelten sowohl für Sonderzahlungen mit Mischcha- 26 rakter, die vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums der Sonderzahlung abhängig sind31), als auch für Sonderzahlungen mit Mischcharakter, bei denen der Stichtag zwar noch im Bezugszeitraum liegt, allerdings wegen des Erfordernisses eines ungekündigten ___________ 25) BAG, Urt. v. 4.5.1999 – 10 AZR 417/98, NZA 1999, 1053, 1054; BAG, Urt. v. 8.3.1995 – 10 AZR 208/94, NZA 1996, 418, 419 bezogen auf Stichtagsregelungen auf einzelvertraglicher Grundlage und BAG, Urt. v. 25.4.1991 – 6 AZR 532/89, BAGE 68, 32 = NZA 1991, 763, 764 hinsichtlich solcher Stichtagsregelungen, die sich aus Betriebsvereinbarungen ergeben; vgl. auch BAG, Urt. v. 13.3.1964 – 5 AZR 293/63, BAGE 15, 300 = NJW 1964, 1690, 1691; BAG, Urt. v. 18.6.1960 – 5 AZR 31/59, NJW 1960, 1973 (Jahresabschlussvergütung – Sonderzahlung pro rata temporis der Beschäftigungsdauer). 26) BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370, Rz. 20 ff.; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 9; BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, BAGE 137, 300 = NZA 2011, 989, 991, Rz. 25; BAG, Urt. v. 5.7.2011 – 1 AZR 94/10, BeckRS 2011, 77830, Rz. 35. 27) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, 1533, Rz. 22; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 11; vgl. auch BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, BAGE 137, 300 = NZA 2011, 989, 991, Rz. 27 f.; Salamon, NZA 2011, 1328, 1331. 28) BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370 f., Rz. 29; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, 1533 f., Rz. 23, 28; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 11; BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, BAGE 137, 300 = NZA 2011, 989, 990, Rz. 21. 29) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, 1534, Rz. 28; Reinecke, BB 2008, 554, 556; ders., BB 2013, 437, 438. 30) BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 371, Rz. 31; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, 1534, Rz. 23; vgl. BAG, Urt. v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784 f., Rz. 13; BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, BAGE 137, 300 = NZA 2011, 989, 991, Rz. 29; zur erfolgsabhängigen Vergütung BAG, Urt. v. 5.7.2011 – 1 AZR 94/10, BeckRS 2011, 77830, Rz. 39; zustimmend König, NZA-RR 2012, 449, 451. 31) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, Leitsatz.

11

Kapitel 2: Arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Bleibeprämie

Bestands des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt faktisch Betriebstreue über den Bezugszeitraum hinaus vorausgesetzt wird.32)

27 Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist es ratsam, die Prämie nicht vom Erfolg der Sanierung oder dem Erreichen bestimmter Ziele abhängig zu machen, weil ansonsten eine Unwirksamkeit der Stichtagsregelung droht.33) Dem Arbeitnehmer würde dann ein ungekürzter Zahlungsanspruch zustehen, obwohl das Arbeitsverhältnis am Stichtag nicht mehr in ungekündigter Form besteht.34) Damit würde der Zweck der Bindung an das Unternehmen verfehlt.

II. Reine Bleibeprämie 28 Die Prämie sollte daher als reine Bleibe-/Halteprämie ausgestaltet werden, die lediglich den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt und somit den Verbleib im Betrieb honoriert.

1.

Zulässigkeit von Stichtagsklauseln

29 Reine Bleibeprämien weichen nicht von § 611 BGB ab, weil sie nicht im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung stehen.35) Auch die neuere Rechtsprechung sieht Sonderzahlungen, die nur an das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses anknüpfen, daher als zulässig an.36)

2.

Höhe der Bleibeprämie

30 In Zeiten der Krise besteht die Gefahr, dass Leistungsträger durch Konkurrenzunternehmen abgeworben werden. Angesichts der Unsicherheit hinsichtlich des Fortbestandes ihres Arbeitsplatzes im krisengeschüttelten Unternehmen wird es für viele interessant und jedenfalls erwägenswert sein, rechtzeitig neue Wege zu gehen. Die angebotene Bleibeprämie muss daher geeignet sein, dass vorhandene Risiko des Arbeitsplatzverlustes auszugleichen. Ob die Prämie einen Anreiz zum Verbleib im Unternehmen schafft, hängt  naturgemäß  von ihrer Höhe ab. ___________ 32) BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, 370, Rz. 21 ff. 33) Siehe dazu BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, 1534, Rz. 29. 34) Lakies, ArbRAktuell 2012, 306. 35) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 12; Mestwerdt, ArbRAktuell 2012, 547. 36) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NJW 2012, 1532, 1534, Rz. 28; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 8; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39 f., Rz. 22 ff., dazu Lingemann, ArbRAktuell 2014, 20; Lakies, ArbRAktuell 2012, 306. Siehe auch Lakies, DB 2014, 659, 661.

12

B. Prämie als Sonderzahlung

Die Höhe der versprochenen Prämie kann sich allerdings auf ihre Einordnung als 31 reine Bleibeprämie auswirken. Für die Frage, ob es sich um eine Bleibeprämie oder doch um im vertraglichen Synallagma stehendes Arbeitsentgelt handelt, ist nämlich grundsätzlich nicht die gewählte Bezeichnung, sondern die Auslegung der festgelegten Anspruchsvoraussetzungen und etwaiger Kürzungsmöglichkeiten maßgeblich.37) Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts tendiert in neuerer Rechtsprechung dazu, 32 Sonderleistungen, die ausschließlich auf die Belohnung der Betriebstreue abstellen, der Höhe nach zu begrenzen. Der 10. Senat hat zunächst angedeutet, dass, falls die Zahlung mindestens 25 % der Gesamtvergütung entspricht, vieles dafür spreche, dass die Belohnung der Treue hinter dem Zweck einer zusätzlichen Vergütung zurücktrete.38) In seiner Entscheidung vom 18.1.2012 führt er aus, ein reiner Gratifikationscharakter sei nur dann anzunehmen, wenn die Höhe der Prämie sich im Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen halte und keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung ausmache.39) Es bleibt offen, was der 10. Senat als wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung erachtet. In einer darauffolgenden Entscheidung, die am 14.11.2012 erging, hatte sich der 33 10. Senat mit einer Prämie zu beschäftigen, die dem Arbeitnehmer in einer wirtschaftlich schwierigen Situation des Unternehmens für seine Betriebstreue auch im Fall einer einseitigen Arbeitgeberkündigung in Aussicht gestellt worden war. Trotz der vereinbarten Prämienhöhe von 82.900 Euro (aufgeteilt auf drei Zahlungen im Abstand von je 4 Monaten) bei einem Jahreszieleinkommen von 118.400 Euro brutto hat der Senat keine Zweifel an dem Charakter der Sonderzahlung als reine Bleibeprämie geäußert. Er hat die Anreizwirkung der Prämie für den Arbeitnehmer anerkannt, sein Kündigungsrecht trotz der schwierigen finanziellen Lage des Arbeitgebers nicht auszuüben.40) Auf diese Entscheidung verweist der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen 34 Urteilen vom 12.9.2013, in denen er sich mit Bleibeprämienversprechen zu be___________ 37) BAG, Urt. v. 24.10.1990 – 6 AZR 156/89, BAGE 66, 169 = NZA 1991, 318, 319; Salamon, NZA 2011, 1328, 1331; Lakies, ArbRAktuell 2012, 306; Lindemann, ArbRAktuell 2012, 446; Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1573. 38) BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40, 43, Rz. 28; offen gelassen von BAG, Urt. v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784, Rz. 10; Heiden, RdA 2012, 225, 230, 235, unterwirft die Stichtagsklausel zwar nicht der AGB- sondern einer Inhaltskontrolle nach §§ 138, 242 BGB, bejaht aber auch die Unzulässigkeit der Klausel, sofern das Entgelt mehr als 25 % des Gesamtentgelts ausmacht. 39) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 622, Rz. 15; so auch Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221; Reinecke, BB 2013, 437, 440; Maiß, GWR 2012, 233, hält den Gratifikationscharakter nur dann für gegeben, wenn die Höhe der Zuwendung ein Bruttomonatsgehalt nicht übersteigt. 40) BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 363, Rz. 32.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Bleibeprämie

schäftigen hatte. Auch er sieht in einer derart ausgestalteten Sonderzahlung eine reine Bleibeprämie.41)

35 Diese Sichtweise erscheint sachgerecht. Die Tendenz des Bundesarbeitsgerichts, hohen Sonderzahlungen den Charakter einer reinen Bleibeprämie abzusprechen, ist verständlich und nachvollziehbar. Diese Rechtsprechung möchte verhindern, dass der Arbeitgeber Zahlungen, mit denen er eigentlich auch die Leistung vergüten möchte, unter dem Deckmantel einer Treueprämie verspricht, um so der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommenen Unzulässigkeit von Stichtagsoder Rückzahlungsklauseln, die an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, vorzubeugen.

36 Eine Bleibeprämie im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens wird aber nicht regelmäßig sondern nur in der Krisensituation über einen bestimmten Zeitraum zugesagt. Aufgrund der wirtschaftlich schlechten Situation des Unternehmens, mit der seine Insolvenz und daraus folgend der Verlust des Arbeitsplatzes einhergehen könnten, können Arbeitnehmer nur dann effektiv an das Unternehmen gebunden werden, wenn im Vergleich zu der Höhe sonst üblicher Gratifikationen ein „erheblicher Zuschlag“ geleistet wird.42) In der wirtschaftlichen Krise steigt „der Preis für die Betriebstreue“ (insbesondere bei am Markt gefragten Leistungsträgern) aufgrund des höheren Risikos, dem sich der Arbeitnehmer aussetzt. Es kann daher in diesen Fällen nicht allein aufgrund der Höhe der Sonderleistung davon ausgegangen werden, dass von Seiten des Arbeitgebers neben den Zweck der Honorierung von Betriebstreue zugleich auch der Zweck einer Vergütung geleisteter Arbeit tritt.

C. Kündigung aus Sphäre des Arbeitgebers 37 Eine Stichtagsregelung, die das Entstehen des Anspruchs vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Datum abhängig macht, ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch dann zulässig, wenn der Grund für die Kündigung aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt.43)

38 Für eine effektive Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen erscheint es jedoch auch aus Sicht des Arbeitgebers sinnvoll, den Anspruch auf die Prämien___________ 41) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 39, Rz. 27; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 27; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 141, Rz. 27; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 40, Rz. 31. 42) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 145, Rz. 61 zu der Frage, ob die Parteien hinsichtlich der Gleichwertigkeit bei § 134 InsO ihren Bewertungsspielraum bereits überschritten oder noch gewahrt haben. 43) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 14; kritisch sofern 25 % der Gesamtvergütung BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40, 43, Rz. 27 f.; a. A.: ErfKomm/Preis, § 611 BGB Rn. 534e.

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D. Berücksichtigung des Einsatzes für die Sanierung

zahlung selbst im Falle einer betriebsbedingten Kündigung vor Ablauf des Stichtags zu gewähren. Ansonsten würde sich der Arbeitnehmer der Gefahr aussetzen, im Betrieb zu verbleiben und kurz vor Erreichen des Stichtags seinen Anspruch aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung zu verlieren. Aufgrund der daraus resultierenden Unsicherheit wäre das Prämienversprechen dann nicht geeignet, den Arbeitnehmer von der Ausübung seines Kündigungsrechts abzuhalten. Im Regelfall wird der Arbeitgeber die Prämienzahlung deswegen konkret von der Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers abhängig machen.

D. Berücksichtigung des Einsatzes für die Sanierung Wird die Prämie als reine Bleibeprämie ausgestaltet, ist dem Interesse des Arbeit- 39 gebers, die Leistungsträger zu Höchstleistungen und zum Einsatz für die Sanierung zu motivieren, allerdings noch nicht Rechnung getragen worden.

I.

Berücksichtigung bei der Höhe der Prämie

In der Literatur wird vorgeschlagen, die Höhe der Prämie von der wirtschaftlichen 40 Situation des Unternehmens am Stichtag abhängig zu machen. Die Prämie in einer bestimmten Höhe soll danach nicht „für“ das Erreichen, sondern „bei“ Erreichen bestimmter Ziele gezahlt werden.44) Hiergegen spricht jedoch nach meinem Dafürhalten, dass sofern sich die Höhe der versprochenen Prämie an der Situation des Unternehmens am Stichtag orientiert, durch die Hintertür wiederum leistungsbezogene Kriterien Berücksichtigung finden. Der Unternehmenserfolg ist nicht zuletzt durch die Leistung der Arbeitnehmer bedingt. Durch die Zusage von Zahlungen, die an den Unternehmenserfolg anknüpfen, soll ein Anreiz zur Leistungssteigerung geschaffen werden. Es wird daher regelmäßig erbrachte Leistung vergütet.45) Hat der Unternehmenserfolg Auswirkungen auf die Höhe der Zahlung, führt das unabhängig davon, ob die Prämie in dieser Höhe „bei“ oder „für“ Erreichen eines Ziels gezahlt wird, zu einer Vermischung der Zwecke. Dies könnte die Rechtsprechung dazu verleiten, auch in diesem Fall eine Sonderzahlung mit Mischcharakter anzunehmen, die nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden kann. Die Höhe sollte deshalb nicht an leistungsbezogene Faktoren wie den Unternehmenserfolg anknüpfen.46)

___________ 44) Boemke, jurisPR-ArbR 43/2011 Anm. 4 und Mückl, ZIP 2012, 1642, 1644 verweisen auf eine dahingehende Differenzierung in BAG, Urt. v. 13.4.2011 – 10 AZR 88/10, BAGE 137, 339 = NZA 2011, 1047, 1049, Rz. 20. 45) BAG, Urt. v. 5.7.2011 – 1 AZR 94/10, BeckRS 2011, 77830, Rz. 35. 46) BAG, Urt. v. 5.7.2011 – 1 AZR 94/10, BeckRS 2011, 77830, Rz. 35.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Bleibeprämie

II. Aufteilung in zwei Zahlungen 41 Einen gangbaren Weg stellt insofern die Aufteilung in zwei Zahlungen47) dar. Der Arbeitgeber könnte mit ausgewählten Leistungsträgern zwei von einander unabhängige Sonderleistungen vereinbaren, wobei er die verfolgten Zwecke klar voneinander trennt48): einerseits eine reine Bleibeprämie die eine Auszahlung in von Anfang an festgesetzter Höhe als Gegenleistung für die Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zu einem bestimmten Stichtag vorsieht; daneben könnte andererseits bei Bedarf zusätzlich eine leistungsbezogene Sonderzahlung in variabler oder festgesetzter Höhe treten, die für den Fall einer erfolgreichen Sanierung zu zahlen ist. Dadurch wird auf Seiten des Arbeitnehmers ein finanzielles Interesse am Erfolg des Sanierungsvorhabens geschaffen, sodass er zur Mitwirkung animiert wird. Im Falle eines Ausscheidens vor dem Eintritt des Sanierungserfolgs könnte dann allerdings ein anteiliger Anspruch des Arbeitnehmers entsprechend seiner Teilhabe am Sanierungsprozess bestehen.

E. Ergebnis 42 Unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten kann eine effektive Bindung von Leistungsträgern an das Unternehmen in der Krise durch die Vereinbarung einer Prämienzahlung erreicht werden, die lediglich an die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers bis zu einem bestimmten Stichtag als Voraussetzung anknüpft.49) Zur Honorierung einer erfolgreichen Sanierung kann daneben eine leistungsabhängige Sonderzahlung in Aussicht gestellt werden.

___________ 47) Vgl. Grau/Sittard, NZA 2009, 1396, 1400, die zwei getrennte Zahlungen als Alternative zu einer Zweckvermischung von Honorierung der geleisteter Sanierungsbeiträge und Betriebstreue vorschlagen, um einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorzubeugen. 48) Vgl. ErfKomm/Preis, § 611 BGB Rn. 534c. 49) Zur Frage, ob und inwieweit Bleibeprämienvereinbarungen einer Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen, siehe Mückl, ZIP 2012, 1642, 1644 f.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen Verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Ermöglichung eines außergericht- 43 lichen Sanierungsvorhabens eine Prämie für den Verbleib im Betrieb, wirft dies im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen und der sich anschließenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschiedene rechtliche Fragen auf. Vor dem Hintergrund der Interessen der Gläubigergesamtheit bedürfen die nachfolgenden Punkte einer Erörterung: die Wirksamkeit der Prämienvereinbarung, die Einordnung des Arbeitnehmeranspruchs als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit sowie die Anfechtbarkeit des Prämienversprechens, einer eventuell erfolgten Auszahlung vor Verfahrenseröffnung oder einer bestellten Sicherheit.

A. Wirksamkeit der Vereinbarung von Bleibeprämien in der Krise Vor Erörterung der speziell insolvenzrechtlichen Fragestellungen ist das Augen- 44 merk zunächst auf die Wirksamkeit einer Bleibeprämie im Vorfeld der Insolvenzeröffnung zu richten.

I.

§ 138 BGB – Gläubigerbenachteiligung

Die Vereinbarung einer Bleibeprämie im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbe- 45 mühungen benachteiligt die Gläubiger, weil das Entstehen eines neuen Anspruchs gegen den Arbeitgeber zu einer Verringerung der Haftungsmasse führt.50) Die von Seiten des Arbeitgebers in Aussicht gestellte Bleibeprämie ist dennoch 46 nicht nach § 138 BGB unwirksam.51) Liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor, greifen gegebenenfalls die Anfechtungstatbestände der §§ 129 ff. InsO ein. Besteht die Möglichkeit einer Anfechtung des Rechtsgeschäfts nach den Vorschriften der Insolvenzordnung, ist dieses nicht ohne weiteres wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Die Anfechtungsvorschriften stellen insoweit vorrangige und abschließende Sonderregelungen dar.52) Ein Verstoß gegen die guten Sitten wäre nur anzunehmen, ___________ 50) Siehe dazu ausführlich unten Kapitel 3 E. I. 51) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592; Mückl, ZIP 2012, 1642, 1645. 52) BGH, Urt. v. 9.7.1987 – IX ZR 89/86, NJW-RR 1987, 1401; BGH, Urt. v. 23.4.2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359, 1361; BeckOK BGB/Wendtland, § 138 Rn. 12 f.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 6; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 40; MünchKommInsO/ Kirchhof, Vor § 129 – 147 Rn. 50. Das gilt auch für den Fall, dass die objektiven oder subjektiven Voraussetzungen des Anfechtungstatbestands nicht gegeben sind. Ist das Rechtsgeschäft bei Erfüllung des Anfechtungstatbestands nicht nichtig, muss die Rechtsfolge der Nichtigkeit erst recht ausgeschlossen sein, wenn die Anfechtungsvoraussetzungen nicht vorliegen (Armbrüster, FS Canaris, S. 23, 41 f.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 6; MünchKommInsO/ Kirchhof, Vor § 129 – 147 Rn. 50, 54).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

wenn weitere Umstände hinzukommen, die über die Voraussetzungen der Anfechtung hinausgehen und für eine Sittenwidrigkeit sprechen.53)

47 Gewährt beispielsweise eine Bank dem Schuldner gegen die Bestellung von Sicherheiten einen Kredit, sind der Kreditvertrag, der Kreditsicherungsvertrag und die Sicherheitenbestellung sittenwidrig aufgrund einer Gefährdung der Gläubiger, wenn die Bank ein Aufschieben der Zahlungsunfähigkeit aus eigensüchtigen Beweggründen bezweckt54), dadurch die übrigen Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden können und der Kreditgeber sich dieser Kenntnis zumindest leichtfertig verschlossen hat.55) Die Möglichkeit der Täuschung neuer Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners birgt Gefahren für eine Vielzahl von Gläubigern. Sie geht über die bloße Benachteiligung der Gläubiger durch eine Verringerung der Haftungsmasse hinaus. Hinzu kommt die gewissenlose Einstellung des Sicherungsnehmers.56) Deswegen verdrängen die insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände in einem so gelagerten Fall § 138 BGB nicht. Die Rechtsgeschäfte sind in Folge der Gläubigergefährdung nichtig.

48 Ein der Gläubigergefährdung vergleichbarer Umstand, der die Sittenwidrigkeit begründet, ist bei der Vereinbarung einer Bleibeprämie für zu erbringende Betriebstreue jedoch nicht ersichtlich.

II. § 134 BGB 49 Die wirksame Vereinbarung einer Bleibeprämie scheitert auch nicht an § 134 BGB.57) Die Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung sind keine Verbotsge___________ 53) BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZR 285/01, NJW-RR 2005, 1361, 1362; BGH, Urt. v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990, 991; BGH, Urt. v. 23.4.2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359, 1361; Jauernig/Mansel, BGB, § 138 Rn. 5; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 6; Schulze/Dörner, BGB, § 138 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 129 Rn. 12; MünchKommInsO/Kirchhof, Vor § 129 – 147 Rn. 54; zu den Anforderungen an solche besonderen Umstände siehe Armbrüster, FS Canaris, S. 23, 29 ff. 54) BGH, Urt. v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657, 658; Buth/Hermanns/Kemper, RSI, § 3 Rn. 28; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.32; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 108. 55) BGH, Urt. v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668; BGH, Urt. v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 = NJW 1953, 1665, 1666; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.32, Schimansky/Bunte/Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 108; Armbrüster, FS Canaris, S. 23, 35 f.; kritisch dazu Vuia, Die Verantwortlichkeit von Banken in der Krise von Unternehmen, S. 173 f. Anders liegt der Fall, wenn der Kredit zur Ermöglichung eines ernsthaften Sanierungsversuchs gewährt wird, siehe dazu Schimansky/Bunte/ Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 108a. 56) Schimansky/Bunte/Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 107. 57) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39, Rz. 24.

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A. Wirksamkeit der Vereinbarung von Bleibeprämien in der Krise

setze. Eine eventuell gegebene Anfechtbarkeit der Vereinbarung einer Bleibeprämie nach den §§ 129 ff. InsO würde für sich genommen nicht dessen Nichtigkeit nach § 134 BGB begründen.58) Auch für die Annahme einer Nichtigkeit nach § 134 BGB müssten weitere über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände vorliegen.59) Das Bundesarbeitsgericht weist darauf hin, dass ein solcher Umstand in einer für 50 den Arbeitgeber unzumutbaren Erschwerung der Ausübung des Kündigungsrechts liegen kann.60) Eine solche Erschwerung liegt allerdings, wie das Bundesarbeitsgericht zutreffend 51 feststellt, bei Vereinbarung einer Bleibeprämie nicht vor. Der Anspruch auf die Bleibeprämie setzt nur voraus, dass bis zum festgesetzten Stichtag keine Eigenkündigung des Arbeitnehmers erfolgt. Eine vom Arbeitgeber übernommene Verpflichtung zur Zahlung der Prämie im Fall der Kündigung von seiner Seite stellt keine Anspruchsvoraussetzung, sondern einen Einwendungsausschluss dar.61) Ausschlaggebend für die Anspruchsentstehung ist allein der Wille des Arbeitnehmers, denn ihm steht  sofern er sein Kündigungsrecht nicht ausübt  der Anspruch unabhängig davon zu, ob der Arbeitgeber oder der Insolvenzverwalter die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Die Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich zu beenden, wird deswegen durch die Bleibeprämie nicht beeinträchtigt.62)

___________ 58) Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 39; MünchKommInsO/Kirchhof, Vor §§ 129 – 147 Rn. 45. 59) BGH, Urt. v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, NZI 2007, 42, 43, Rz. 13; BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZR 285/01, NJW-RR 2005, 1361, 1362; BGH, Urt. v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990, 991; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 129 Rn. 12; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 39. 60) Die Ausübung des Kündigungsrechts wird in unzumutbarer Weise erschwert, wenn mit dieser die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung auch für den Fall einhergeht, dass der gekündigte Arbeitnehmer den Kündigungsgrund selbst schuldhaft herbeigeführt hat (BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39, Rz. 24; BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, NZG 2008, 471, 472, Rz. 16; BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983, 2984; BAG, Urt. v. 8.8.1963 – 5 AZR 395/62, BAGE 14, 294; MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 81). 61) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39, Rz. 24; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 363, Rz. 33. 62) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 20; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39, Rz. 24.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

III. Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund der Einschränkung seiner Berufsfreiheit 52 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfen mit Sonderzahlungen verbundene einzelvertragliche Bindungs- und Rückzahlungsklauseln einen Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG verletzen. Sie unterliegen insoweit einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB.63)

53 Bei der Vereinbarung einer Bleibeprämie kann es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln, wenn der verwendete Text in mindestens drei Fällen zur Grundlage von Vertragsbedingungen gemacht wird. Bereits dann ist von der Verwendungsabsicht für eine Vielzahl von Verträgen, wie sie § 305 Abs. 1 S. 1 BGB fordert, auszugehen.64) Je nach Größe des Unternehmens wird ein erfolgversprechendes Sanierungsvorhaben den Verbleib mehrerer Leistungsträger (ggf. aus verschiedenen Unternehmensbereichen) erforderlich machen. Ansonsten kommt die Anwendung von § 307 BGB gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB in Betracht.65) Regelmäßig ist das Inaussichtstellen der Prämie daher an § 307 BGB zu messen.

54 Im Versprechen einer Bleibeprämie ist jedoch keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund eines Verstoßes gegen die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers gemäß Art. 12 GG66) zu erblicken. Bei einer Bleibeprämie handelt es sich nämlich nicht um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die durch Einfügen einer auflösenden Bedingung die Ausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers erschwert, da ihm so bereits verdiente Arbeitsvergütung vorenthalten werden kann67), sondern es soll lediglich die Betriebstreue des Arbeitnehmers in finanziell schwierigen Zeiten belohnt werden, unabhängig von der vereinbarten Höhe der Bleibeprämie. Es handelt sich gerade nicht um

___________ 63) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NZA 2012, 561, 562, Rz. 20; BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40, 42, Rz. 24; BAG, Urt. v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, BAGE 122, 174 = NZA 2007, 875, 877, Rz. 25; BAG, Urt. v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687, 689, Rz. 25. 64) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38 f., Rz. 23; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 23; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 23; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 40, Rz. 27; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NZA 2012, 561, 562, Rz. 14; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NJW 2005, 3305, 3310. 65) Siehe dazu BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111, 1115. 66) Liegt ein solcher Verstoß vor, ist die Klausel unwirksam (BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40, 42, Rz. 24). 67) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NZA 2012, 561, 562, Rz. 22 f.

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A. Wirksamkeit der Vereinbarung von Bleibeprämien in der Krise

Arbeitsentgelt.68) Eine solche Sonderzahlung in Aussicht zu stellen, die ausschließlich die Betriebstreue honoriert, steht dem Arbeitgeber frei. Darin ist keine unzulässige Beeinträchtigung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers und somit auch keine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu sehen.69) Zwar ist die Prämie darauf gerichtet, den Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten; es steht aber im Ermessen des Arbeitnehmers, ob er das Arbeitsverhältnis trotz des Risikos der drohenden Insolvenz des Arbeitgebers fortsetzt, um die Bleibeprämie zu erhalten, oder ob er für einen anderen ihm angebotenen Arbeitsplatz auf diese verzichtet.70) Übt der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht aus, verzichtet er auf die Prämie, aber nicht auf eine Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeit. Obwohl er keine Prämie erhält, steht er nicht schlechter, als wenn ihm die Prämie niemals in Aussicht gestellt worden wäre. Anders als bei Rückzahlungsklauseln besteht bei einer Stichtagsklausel auch kein 55 psychischer Druck durch die Pflicht, im Falle einer Eigenkündigung den bereits erhaltenen Betrag zurückerstatten zu müssen.

IV. § 119 InsO Die Vereinbarung einer Bleibeprämie im Vorfeld der Insolvenzeröffnung ist auch 56 nicht nach § 119 InsO unwirksam.71) Denn die Vereinbarung einer Bleibeprämie zugunsten des Arbeitnehmers, nach der eine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers auch in Folge einer betriebsbedingten Kündigung entsteht, wirkt sich nicht unmittelbar auf das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters aus. Durch die Vereinbarung wird weder das Kündigungsrecht abbedungen noch werden zusätzliche Vorausset-

___________ 68) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 39, Rz. 27; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 27; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 141, Rz. 27; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 40, Rz. 31. Siehe oben Kapitel 2 B. 69) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38 f., Rz. 22, 26; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 22, 26; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 22, 26; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 40, Rz. 26, 30. 70) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 17; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 17; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 17; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39, Rz. 21; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NZA 2012, 561, 562, Rz. 28; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 623, Rz. 25 f. 71) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 21; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 21; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 21; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39 f., Rz. 25; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 586; Mückl, ZIP 2012, 1642, 1645; Gottwald/Huber, § 35 Rn. 13c.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

zungen für die Ausübung des Kündigungsrechts geschaffen.72) Dem Insolvenzverwalter ist es nach wie vor unbenommen, im Insolvenzfall dem betreffenden Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 113 InsO zu kündigen.

57 Auch werden an die Ausübung des Kündigungsrechts selbst keine rechtlichen Konsequenzen geknüpft. Der Anspruch entsteht nicht wegen, sondern trotz der erklärten Kündigung. Übt der Arbeitnehmer das ihm zustehende Kündigungsrecht nicht aus, entsteht sein Anspruch auf Auszahlung der Bleibeprämie unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis am Stichtag von Arbeitgeberseite noch (ungekündigt) fortbesteht.73)

V. Wegfall der Geschäftsgrundlage 58 Scheitert das Sanierungsvorhaben und wird in Folge dessen das Insolvenzverfahren eröffnet, wird hinsichtlich der Prämienzusage von der Rechtsprechung teilweise ein Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB angenommen.74) Die Zusage einer Bleibeprämie sei dann aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage und der Insolvenzeröffnung nicht mehr in der ursprünglichen Form einhaltbar.75)

59 Dieser Auffassung kann indes nicht gefolgt werden. Das Arbeitsgericht München begründet den aus seiner Sicht „typischen“76) Wegfall der Geschäftsgrundlage mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers. Möglicherweise hatte das Arbeitsgericht München bei seiner Entscheidungsfindung die inzwischen schon ältere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Gratifikationen  damals noch gestützt auf § 242 BGB  vor Augen. Das Bundesarbeitsgericht hatte mehrfach entschieden, dass die rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Gratifikationen in Folge freiwilliger mehrfacher vorbehaltloser Zahlungen aufgrund der Pflicht zur gegenseitigen Treue und Rücksichtnahme jedenfalls bei Fortführung des Betriebs nach § 242 BGB auf ein erträgliches Maß reduziert werden oder vorübergehend ganz entfallen sollte, sofern die ___________ 72) Das in § 113 InsO garantierte Recht zur ordentlichen Kündigung kann aufgrund von § 119 InsO weder abbedungen noch seine Ausübung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden (Andres/Leithaus/Andres, § 119 Rn. 2; Braun/Kroth, § 119 Rn. 5; MünchKommInsO/Huber, § 119 Rn. 14, 16). 73) Vgl. BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 38, Rz. 21; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 21; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 140, Rz. 21; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 39 f., Rz. 25. 74) ArbG München, Urt. v. 20.6.2008 – 19a Ca 16202/07. 75) In dem zu entscheidenden Fall nahm das ArbG München eine Vertragsanpassung vor, weil der beklagte Insolvenzverwalter in Kenntnis der zugesagten Bleibeprämie das Arbeitsverhältnis mit dem klagenden Arbeitnehmer zunächst noch aufrecht erhielt und diesen somit von einer schnelleren Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhielt. 76) ArbG München, Urt. v. 20.6.2008 – 19a Ca 16202/07.

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A. Wirksamkeit der Vereinbarung von Bleibeprämien in der Krise

Gratifikationsleistungen im Laufe der Zeit eine dem Arbeitgeber zumutbare Belastung überstiegen.77) Ob dieser Rechtsprechung zuzustimmen ist, kann allerdings offen bleiben, denn jeden- 60 falls im Fall des Versprechens einer Bleibeprämie liegt bei Scheitern der Sanierungsbemühungen und der sich daran anschließenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vor.78) Ein solcher kann nämlich nur angenommen werden, wenn sich nach Vertragsschluss Umstände schwerwiegend geändert haben, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind.79) Dies würde im Fall der Bleibeprämie voraussetzen, dass die Parteien bei Vertragsschluss die Vorstellung hatten, das Sanierungsvorhaben werde erfolgreich sein und diese Vorstellung als Vertragsgrundlage angesehen werden kann.

___________ 77) BAG, Urt. v. 18.12.1964 – 5 AZR 262/64, NJW 1965, 1347, 1348; BAG, Urt. v. 26.10.1961 – 5 AZR 470/58, BAGE 11, 346 = NJW 1962, 173; BAG, Urt. v. 17.4.1957 – 2 AZR 411/54, BAGE 4, 13 = NJW 1957, 1005 f.; a. A.: LAG Hamm, Urt. v. 13.9.2004 – 8 Sa 721/04, NZA-RR 2005, 237, 240 f. Das LAG ist der Auffassung, dass auch im Arbeitsverhältnis jede Vertragspartei das Risiko der eigenen Leistungsfähigkeit selber trage. Für den Arbeitnehmer sei ohne einen besonderen Hinweis nicht erkennbar, dass sich der Arbeitgeber nur unter dem stillschweigenden Vorbehalt seiner Leistungsfähigkeit verpflichten will. Die frühere Rechtsprechung ging noch in einem weiteren Fall vom Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers aus. Im Falle einer vorbehaltlosen Versorgungszusage sei der Arbeitgeber unter Umständen zur Verweigerung der Versorgungsleistung berechtigt, wenn und solange bei ungekürzter Weiterzahlung der Bestand des Unternehmens gefährdet wird und die Aussicht darauf besteht, dass dem Unternehmen mit Hilfe der Einsparung eine Sanierung ermöglicht wird. Jede Versorgungszusage, die mangels Sicherung durch eine außerhalb des Unternehmens stehende selbständige Einrichtung aus den Erträgen des Unternehmens geleistet werden muss, basiere auf der unausgesprochenen Grundlage, dass das Unternehmen noch in der Lage ist, diese Leistungen zu erbringen. Der Pensionär müsse dieses Opfer allerdings nur solange erbringen wie die Sanierung laufe. Schlage die Sanierung fehl, könne er seine Ansprüche wieder unbeschränkt geltend machen wegen der für ihn lebensnotwendigen Bedeutung der Altersversorgung (BAG, Urt. v. 10.12.1971 – 3 AZR 190/ 71, BAGE 24, 63 = NJW 1972, 733 f. zu § 242 BGB; BAG, Urt. v. 10.11.1981 – 3 AZR 1134/ 78, NJW 1982, 1829, 1830; Boemke, NJW 2009, 2491, 2494 f.; Diller, ZIP 1997, 765, 772 f.; a. A.: BAG, Urt. v. 31.7.2007 – 3 AZR 372/06, NJOZ 2008, 713, 716, Rz. 23; MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 224). Im Fall der Zusage einer Bleibeprämie ist die Ausgangslage allerdings eine andere. Die soeben beschriebene Rechtsprechung zu den Versorgungsleistungen hat zum Ziel, dass ein Unternehmen, welches sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, nicht durch bestehende Versorgungsverpflichtungen in die Insolvenz getrieben wird. Durch die Annahme, dass die Geschäftsgrundlage weggefallen ist, soll eine Sanierung ermöglicht werden. Das Versprechen einer Bleibeprämie hingegen wird gerade als Mittel eingesetzt, um bestehende Sanierungschancen zu verbessern und eine drohende Insolvenzeröffnung abzuwenden. 78) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 39, Rz. 29; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 29; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 141, Rz. 29; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592. 79) Palandt/Grüneberg, § 313 Rn. 17 f.; Boemke, NJW 2009, 2491, 2493.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

61 Unabhängig davon, ob man die Frage, welche Umstände zur Vertragsgrundlage geworden sind, subjektiv80) oder objektiv81) bestimmt, kann im Fall der Bleibeprämie grundsätzlich nicht angenommen werden, dass eine erfolgreiche Sanierung zur Vertragsgrundlage geworden ist. Der Arbeitgeber verspricht die Bleibeprämie zwar, um die Sanierungschancen durch den Verbleib des Arbeitnehmers zu verbessern, im Zeitpunkt der Prämienzusage ist die drohende Zahlungsunfähigkeit und die sich anschließende Insolvenzeröffnung jedoch regelmäßig absehbar oder sogar schon eingetreten. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept vorliegt, mit dessen Hilfe die Krise abgewendet werden sollte, liegt darin keine Garantie für ein Gelingen des Sanierungsvorhabens. Im Zeitpunkt der Prämienzusage ist somit regelmäßig zu befürchten, dass sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens weiterhin verschlechtert.82) Der Arbeitgeber kennt die Gefahr des Scheiterns des Sanierungsvorhabens und der darauffolgenden Insolvenz; er muss dieses Risiko auch tragen.83) Dies gilt erst recht, wenn die Vereinbarung derart ausgestaltet ist, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auch im Fall einer betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers entstehen soll. Durch eine solche Ausgestaltung wird deutlich, dass die Parteien ein Scheitern der Sanierungsbemühungen einkalkulieren.84)

62 Hinzu kommt, dass auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Leistungsträger im Unternehmen für die Abwicklung oder bestenfalls für die Sanierung innerhalb des Verfahrens gebraucht werden.85) Das vorhandene Know-how oder bedeutsame geschäftliche Kontakte der betreffenden Arbeitnehmer sind dann weiterhin nutzbar. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt die Prämienvereinbarung daher meines Erachtens weder ex ante noch ex post per se sinnlos erscheinen. ___________ 80) Die Rechtsprechung beurteilt die Geschäftsgrundlage subjektiv. Danach sind Geschäftsgrundlage die bei Abschluss des Vertrags zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf beruht. BGH, Urt. v. 1.2.2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, 1720, Rz. 26; BGH, Urt. v. 28.4.2005 – III ZR 351/04, BGHZ 163, 42 = NJW 2005, 2069, 2071; BAG, Urt. v. 15.9.2004 – 4 AZR 9/04, BAGE 112, 50 = NZA 2005, 691, 693; BAG, Urt. v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, BAGE 95, 171 = NJW 2001, 1297, 1300. Siehe auch MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 13 ff. 81) Andere bestimmen die Geschäftsgrundlage objektiv. Zur objektiven Geschäftsgrundlage gehören solche Umstände, deren Vorhandensein oder Fortdauer objektiv erforderlich ist, damit der Vertrag im Sinne der Intentionen beider Parteien noch als sinnvolle Regelung bestehen kann (Larenz, Schuldrecht I, § 21 II, S. 324). Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 564 ff., unterscheidet zwischen objektiver und subjektiver Geschäftsgrundlage. 82) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 586. 83) Vgl. MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 74. 84) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592. 85) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 54; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 586.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

VI. Ergebnis Bleibeprämien können im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen mate- 63 riellrechtlich wirksam zugesagt werden.

B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit Gerät ein Unternehmen in die Krise, gelingt es in vielen Fällen trotz eines anfangs 64 erfolgversprechenden Sanierungskonzepts nicht, das Ruder wirtschaftlich noch herumzureißen. Die Stellung eines Insolvenzantrags ist dann gerade im Hinblick auf die in § 15a InsO normierte Insolvenzantragspflicht unvermeidbar. Sofern die Auszahlung der Prämie noch nicht erfolgt ist, stellt sich für einen Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber eine Bleibeprämie vereinbart hat, die Frage, inwieweit er seinen Anspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch realisieren kann. Im Rahmen der Einordnung erlangt der Umstand Bedeutung, in welchen Zeitraum der Stichtag fällt, d. h. ob der Anspruch vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung gelangt.

I.

Bedeutung der Einordnung für den Arbeitnehmer

Die Einordnung des Anspruchs auf Auszahlung einer Bleibeprämie ist für den Leis- 65 tungsträger als Anspruchsinhaber von entscheidender Bedeutung. Ob er nur ein Anrecht auf quotale Befriedigung oder auf Begleichung der Forderung in voller Höhe hat, ist davon abhängig, ob der Anspruch aus der Vereinbarung einer Bleibeprämie eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit darstellt. Falls es sich um eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 InsO handeln sollte, würde 66 die Forderung des Leistungsträgers nach § 53 InsO vorweg und vorbehaltlich einer Masseunzulänglichkeit in voller Höhe befriedigt.86) In dogmatischer Hinsicht ist zu beachten, dass Masseschulden nach der Insolvenzordnung begrenzt sind87); die Insolvenzordnung enthält eine abschließende Regelung von Masseverbindlichkeiten. Falls die dort normierten Voraussetzungen nicht vorliegen, ist eine Einordnung als Masseverbindlichkeit nicht möglich, weil ansonsten der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz verletzt würde.88) Sollte er danach mit seiner Forderung lediglich als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO anzusehen sein, müsste er seinen Anspruch zur Tabelle anmelden (§ 174 InsO) und könnte nur quotale Befriedigung erlangen. Im Falle der Einordnung als Insolvenzforderung sähe sich der Arbeitnehmer

___________ 86) MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 1, 13. 87) BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, NZI 2006, 293, 294, Rz. 14. 88) MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 20.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

deswegen dem Risiko ausgesetzt, nur einen Bruchteil seiner Prämie oder schlechtestenfalls gar nichts ausgezahlt zu bekommen.

67 Diese Gefahr beeinflusst ex ante die Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er im Unternehmen bleibt. Müsste der Leistungsträger fürchten, die Prämie nicht zu erhalten, könnte der mit ihr verfolgte Zweck der Bindung an das Unternehmen leer laufen.

II. Entstehung des Anspruchs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 68 Zunächst soll die umstrittene Konstellation betrachtet werden, in der der vereinbarte Stichtag in den Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt.

1.

Einordnung in der Rechtsprechung

69 Mit der Qualifizierung des Anspruchs auf Zahlung der Bleibeprämie als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit hatte sich das Landesarbeitsgericht München bereits mehrfach zu befassen. Die Frage wurde von verschiedenen Kammern unterschiedlich beurteilt. Es folgte eine Revision zum Bundesarbeitsgericht.

a) 10. und 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München: Insolvenzforderung 70 Die 10. und 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München stehen auf dem Standpunkt, es sei auf den Zeitpunkt der Begründung der Forderung abzustellen. Die Forderung müsse als Insolvenzforderung qualifiziert werden, da sie auf dem anspruchsbegründenden Tatbestand der Vereinbarung der Prämie beruhe89), unabhängig davon, ob es sich um eine auflösende oder aufschiebende Bedingung handele.90)

71 Die Gegenauffassung, die Stichtagsregelungen wie Jubiläumsgratifikationen oder Sonderzuwendungen als Masseverbindlichkeiten einordnet, ist nach Ansicht dieser Kammern nicht zutreffend; sie verkenne, dass das Entstehen des Anspruchs gerade nicht maßgeblich sei.91) Unter Hinweis darauf, dass das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit Stichtagsregelungen als auflösende Bedingungen angesehen habe92),

___________ 89) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 55; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 61; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587 f.; LAG München, Urt. v. 3.8.2011 – 10 Sa 183/11, Rz. 74. 90) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 57; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 63; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587. 91) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 59; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587. 92) BAG, Urt v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, BAGE 137, 300 = NZA 2011, 989, Rz. 27.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

sei kein Grund ersichtlich, von der allgemeinen Einordnung bedingter Forderungen als Insolvenzforderungen abzuweichen.93) Für eine Qualifizierung als Insolvenzforderung spreche auch, dass Masseverbind- 72 lichkeiten nur dann vorlägen, wenn der Insolvenzmasse eine Gegenleistung zufließe. Eine Mehrung der Masse sei aber gerade nicht gegeben. Gegenstand der Vereinbarung sei nur die Nichtausübung des Kündigungsrechts; diese führe nicht zu einer Mehrung der Insolvenzmasse. Eine darüber hinaus gehende Arbeitsleistung sei nicht geschuldet. Die Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer erbringt, sei durch die im Arbeitsvertrag festgesetzte Vergütung abgegolten.94)

b) 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München: Masseverbindlichkeit Dieser Auffassung tritt die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München entgegen 73 und ordnet den Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung der Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit ein.95) Masseverbindlichkeiten seien danach Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfolgen hat. Darunter fielen nicht nur alle aus der Beschäftigung nach Verfahrenseröffnung erwachsenden Ansprüche, sondern auch alle sonstigen Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren. Es käme nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer die konkrete Arbeitsleistung erbringt. Ansprüche auf das vereinbarte regelmäßige Arbeitsentgelt seien Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, sofern sie in der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Es sei jedoch nicht ausreichend, dass die Verbindlichkeiten in der Zeit nach Eröffnung des Verfahrens erfüllt werden müssen.96) Zusätzlich setze § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO für eine Einordnung als Masseverbindlichkeit voraus, dass es sich um eine Leistung mit Entgeltcharakter handelt, d. h. es müsse Entgelt im weitesten Sinne für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet sein.97) Bei einer Bleibeprämie seien diese Voraussetzungen gegeben,

___________ 93) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 65; LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 59. 94) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 65; LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 59. 95) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 52; zustimmend K/P/B/Moll, § 113 Rn. 20 f.; so auch ErfKomm/ Müller-Glöge, Insolvenzordnung, Einführung, Rn. 41. 96) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 53. 97) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 54.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

da es sich nicht um eine Abfindungszahlung, sondern um eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistung handele. Die Gegenleistung bestünde in der Betriebstreue bis zum vereinbarten Stichtag. Der Entgeltcharakter könne daher angenommen werden.98)

c)

Bundesarbeitsgericht: Masseverbindlichkeit

74 Das Bundesarbeitsgericht hat sich zwischenzeitlich der von der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München vertretenen Auffassung angeschlossen.

75 Sofern der Anspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, stuft das Bundesarbeitsgericht diesen als Masseverbindlichkeit ein. Der Anspruch auf die Prämie entstehe im Rahmen des nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis. Der Anspruch des Arbeitnehmers entstehe am Stichtag nur, wenn dieser bis zu diesem Zeitpunkt Betriebstreue erwiesen habe. Der Anspruch auf die Bleibeprämie sei somit abhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und stehe im weiteren Sinn im Synallagma.99) Die Bleibeprämie sei keine Abfindung100); die Zahlung werde nicht für den Verlust des Arbeitsplatzes sondern für den Verbleib des Arbeitnehmers zugesagt.101)

76 Nach dem Bundesarbeitsgericht steht die Bedingung einer Einordnung als Masseverbindlichkeit nicht entgegen. Die Prämie entlohne die zugesagte Betriebstreue. Das Entstehen des Anspruchs setze nicht einen bloßen Zeitablauf, sondern die Erbringung der Betriebstreue voraus. Der Arbeitnehmer bleibe bis zum Stichtag und damit für die Zeit nach Insolvenzeröffnung betriebstreu, sodass der Gegenwert erst am vereinbarten Stichtag erbracht werde.102) Der Arbeitnehmer erbringe daher eine Leistung zur Masse.103) Folglich sei der am Stichtag entstehende Anspruch insol-

___________ 98) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 55. 99) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 39, Rz. 31, dazu Wißmann, ArbRAktuell 2014, 49; Abele, FA 2014, 105, 106; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 31; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 141, Rz. 31. 100) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 40, Rz. 38; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 38. 101) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 40, Rz. 39; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 39; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 142, Rz. 38. 102) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41, Rz. 42; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 42; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 142 f., Rz. 40. 103) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41, Rz. 43; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 43; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 143, Rz. 41.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

venzrechtlich dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt. Er sei in vollem Umfang Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.104)

2.

Stellungnahme

Die Argumentation der 10. und 11. Kammer, wonach für eine Einordnung als Insol- 77 venzforderung spreche, dass es auf das Entstehen des Anspruchs gerade nicht ankomme105), überzeugt nicht. Vielmehr dürfte entscheidend sein, ob es sich bei dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie – sofern der Stichtag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt – um eine Verbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO handelt und deswegen ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt der Begründung der Forderung abzustellen ist.

a) Begründung des Anspruchs auf Auszahlung der Bleibeprämie Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit richtet sich 78 grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Begründung der Forderung.106) Der Zeitpunkt der Begründung ist von dem Zeitpunkt der Entstehung eines Anspruchs und dessen Fälligkeit zu unterscheiden. Eine Forderung wird begründet, wenn die Grundlage des Schuldverhältnisses gelegt, d. h. der anspruchsbegründende Tatbestand materiellrechtlich abgeschlossen wird.107) Wird der Rechtsgrund der Forderung in diesem Sinne im Vorfeld der Verfahrenseröffnung gelegt, handelt es sich um eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO.108) Auch wenn die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, ist sie als Insolvenzforderung einzuordnen109),

___________ 104) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41, Rz. 43; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 43; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 143, Rz. 41; zustimmend Mückl, EWiR 2014, 55, 56. 105) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 59; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587. 106) BFH, Urt. v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286, 1287, Rz. 16; BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, Rz. 15; Begründung RegE InsO zu § 64 RegE (entspricht wörtlich § 55 InsO) abgedruckt in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, S. 133; MünchKommInsO/Ehricke, § 38 Rn. 16; Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 26; Nerlich/Römermann/ Andres, § 38 Rn. 13; K/P/B/Holzer, § 38 Rn. 7; a. A. BFH, Urt. v. 26.3.1971 – VI R 285/69, BFHE 102, 339 = BB 1971, 999, der damals noch auf die Entstehung der Forderung abstellte. 107) BGH, Urt. v. 6.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263 = NJW 1979, 310; BFH, Urt. v. 11.11.93 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286; Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 30; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 15. 108) BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, Rz. 15; OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2014 – 11 U 215/12, NZI 2014, 819, 820. 109) Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 26; vgl. zu § 3 KO BFH, Urt. v. 27.8.1975 – II R 93/70, BFHE 117, 176 = WM 1976, 646, Rz. 14.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

sofern der „Schuldrechtsorganismus“ schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand.110)

79 Für eine Masseforderung ist hingegen charakteristisch, dass die Verbindlichkeit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens „begründet“ wurde.111)

80 Im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung wird eine Bleibeprämie eingesetzt, um die drohende Insolvenz des Unternehmens abzuwenden. Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Auszahlung der Prämie bei Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zu einem bestimmten Stichtag wird daher im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen. Unabhängig davon, in welchen Zeitraum der Stichtag fällt, haben die Parteien schon im Zeitpunkt der Vereinbarung die Rahmenbedingungen abgesteckt. Sie haben bereits den Stichtag festgesetzt und sich darüber geeinigt, wie hoch die in Aussicht gestellte Prämie ist. Der materiellrechtliche Tatbestand ist abgeschlossen. Das Rechtsgeschäft an sich ist damit vollständig, nur dessen Wirkung ist von Erreichen des Stichtags abhängig. Der Anspruch ist bedingt.112)

81 Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie in der vereinbarten Höhe ist trotz der Bedingung bereits mit Abschluss der Vereinbarung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden, denn der Begründung der Forderung steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Forderung unter eine Bedingung gestellt wird.113) Die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München, die als Abgrenzungskriterium auf den Zeitpunkt der Begründung abstellt, hat die Frage, ob es sich um eine auflösende oder aufschiebende Bedingung handelt, konsequenterweise offen gelassen.114) Ob es sich um eine aufschiebende oder auflösende Bedingung handelt, ist für den Zeitpunkt der Begründung der Forderung irrelevant. § 191 InsO regelt die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen im Insolvenzverfahren. Diese Norm findet sich im fünften Teil der Insolvenzordnung, der sich mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger befasst. Daraus lässt sich entnehmen, dass das Gesetz die Inhaber einer aufschiebend bedingten Forderung als Insolvenzgläubiger einstuft. Wenn man die Bedingung wie das Bundesarbeitsgericht als auflösend erachtet, findet sich eine diesbezügliche Regelung in § 42

___________ 110) BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, BAGE 108, 1 = NZI 2005, 122, 123; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 15; MünchKommInsO/Ehricke, § 38 Rn. 16. 111) MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 3, 15; Andres/Leithaus/Leithaus, § 55 Rn. 3. 112) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587. 113) Vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1962 – V ZR 190/60, BGHZ 38, 369 = NJW 1963, 709, 710; Uhlenbruck/ Sinz, § 38 Rn. 33; MünchKommInsO/Ehricke, § 38 Rn. 17; Braun/Bäuerle, § 38 Rn. 5; Nerlich/ Römermann/Andres, § 38 Rn. 14. 114) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 587.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

InsO. Bis zum Eintritt der Bedingung werden solche Forderungen wie unbedingte Insolvenzforderungen betrachtet und ins Verfahren einbezogen.115) Diese Frage, ob es sich um eine aufschiebende oder auflösende Bedingung handelt, 82 erlangt erst dann Bedeutung, wenn man auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung abstellt.116) Würde man auf den Zeitpunkt der Begründung abstellen, um eine Einordnung als 83 Insolvenzforderung oder als Masseverbindlichkeit vorzunehmen, hat dies zur Folge, dass es sich bei der Forderung des Arbeitnehmers um eine Insolvenzforderung

___________ 115) MünchKommInsO/Ehricke, § 38 Rn. 17, § 42 Rn. 1, 4; Nerlich/Römermann/Andres, § 38 Rn. 14; Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 33; Bitter, NZI 2000, 399, 400. 116) In den von ihm entschiedenen Fällen geht das Bundesarbeitsgericht unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung zu Gratifikationen davon aus, dass es sich wegen der Anknüpfung an den Bestand des Arbeitsverhältnisses um eine auflösende Bedingung handelt, sodass das Rechtsgeschäft zunächst uneingeschränkte Rechtswirkungen entfaltet und Verpflichtungen der Parteien begründet (BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 40, Rz. 34; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 34; siehe auch Gottwald/Huber, § 37 Rn. 5b). Es erscheint jedoch sachgerechter, den Anspruch auf Auszahlung einer Bleibeprämie erst mit Erreichen des Stichtags entstehen zu lassen und somit von einer aufschiebend bedingten Forderung auszugehen (Zur aufschiebenden Bedingung siehe MünchKommBGB/ Westermann, § 158 Rn. 1, 9; Jauernig/Mansel, BGB, § 158 Rn. 2, 7). Das Bundesarbeitsgericht lässt nämlich außer Betracht, dass in der Entscheidung, in der es eine auflösende Bedingung angenommen hatte, der Fall anders lag. Der Anspruch war dort zwar ebenfalls durch das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Stichtag bedingt, es handelte sich jedoch um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die zugleich bereits erbrachte Arbeitsleistung vergüten sollte (BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 = NZA 2012, 561, 563, Rn. 27; so auch BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, BAGE 137, 300 = NZA 2011, 989). Der Stichtagsregelung kam die Wirkung einer auflösenden Bedingung zu, durch die dem vorleistungspflichtigen Kläger der bereits entstandene Anspruch auf die Gegenleistung für die Arbeitsleistung im Fall der Kündigung rückwirkend entzogen werden sollte (BAG, Urt. v. 5.7.2011 – 1 AZR 94/10, BeckRS 2011, 77830, Rz. 37 f.). Im Fall einer reinen Bleibeprämie kommt es den Parteien jedoch nicht darauf an, dem Arbeitnehmer für eine von ihm erbrachte Gegenleistung Ansprüche zuzusagen, die bei Bedingungseintritt rückwirkend wieder beseitigt werden können. Vielmehr wird die Leistung seitens des Arbeitgebers dafür versprochen, dass die Bedingung erfüllt wird. Es ist deshalb richtigerweise davon auszugehen, dass die Parteien die Entstehung des Anspruchs bis zum Bedingungseintritt hinauszögern wollen (siehe zur Abgrenzung von auflösender und aufschiebender Bedingung MünchKommBGB/ Westermann, § 158 Rn. 12). Im Übrigen widerspricht sich das Bundesarbeitsgericht. Würde man die Prämienvereinbarung nämlich als auflösend bedingt erachten, würde die Forderung des Arbeitnehmers bereits im Zeitpunkt der Zusage der Prämie entstehen (Ein auflösend bedingter Anspruch entsteht uneingeschränkt. MünchKommBGB/Westermann, § 158 Rn. 41) und bei Eintritt der auflösenden Bedingung – d. h. bei Ausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers vor Erreichen des Stichtags – rückwirkend entfallen. Im weiteren Verlauf der Urteilsbegründung geht das Bundesarbeitsgericht jedoch davon aus, dass der Anspruch auf die Prämie erst mit Erreichen des Stichtags (und daher im zu entscheidenden Fall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) entsteht (BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 40 f., Rz. 37, 42; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 37, 42). Es nimmt im Ergebnis demnach ebenfalls eine aufschiebende Bedingung an.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

handelt. Unabhängig davon, ob der Stichtag in den Zeitraum vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, ist der Anspruch jedenfalls bereits vor Verfahrenseröffnung begründet worden.

b) Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis 84 Die vorstehenden Ausführungen nehmen allerdings noch nicht in den Blick, dass zwischen den beiden Parteien ein Arbeitsverhältnis und somit ein Dauerschuldverhältnis besteht.

85 Die Insolvenzordnung legt in §§ 54, 55 fest, welche Forderungen als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fallen darunter Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO bestehen Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Masse fort. In Bezug auf Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis macht der Gesetzgeber daher eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Begründung der Forderung maßgeblich ist, weil der aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Entgeltanspruch vor Verfahrenseröffnung begründet wurde. Handelt es sich um einen Anspruch, der § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO unterfällt, kommt es daher ausnahmsweise nicht auf die Begründung des Anspruchs an.117) Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitsvertrag als anspruchsbegründender Tatbestand zwar vor Verfahrenseröffnung geschlossen wurde, dass es sich im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen jedoch um Einzelansprüche handelt, die von einer jeweils neu zu erbringenden Gegenleistung abhängig sind.118)

86 Sähe man den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Auszahlung der Bleibeprämie als eine Verbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO an, würde der Anspruch  obwohl er im Vorfeld der Verfahrenseröffnung begründet wurde  demnach eine Masseverbindlichkeit darstellen.

aa) Behandlung von Sonderzahlungen 87 Ob eine Sonderzuwendung eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO darstellt, hängt von dem mit der Sonderzahlung verfolgten Zweck ab. Es wird danach unterschieden, ob die Zuwendung zusätzlich die Arbeitsleistung vergüten soll und somit bestimmten Zeiträumen zugeordnet werden kann oder ob sie nur an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen an einem bestimmten Stichtag anknüpft.

___________ 117) Lakies, ArbRAktuell 2013, 148; Schelp, NZA 2010, 1095. 118) Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 62; Rinösl, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers in der Insolvenz des Arbeitgebers und sein Verhältnis zu Bestandsschutz und Vergütung, S. 79.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

(1) Vergütung zusätzlicher Arbeitsleistung Soll die Sonderzuwendung vom Arbeitnehmer in einem bestimmten Bezugsraum 88 erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten, entsteht der Anspruch auf die Sonderzuwendung während des Bezugsraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“); die Fälligkeit des Anspruchs tritt zu einem bestimmten Zeitpunkt ein.119) Solche arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendungen sind insolvenzrechtlich dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind, d. h. die Sonderzuwendung ist anteilig für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.120)

(2) Sonstige Stichtagsregelungen, die an Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen (außer Bleibeprämie) Anders verhält es sich bei sonstigen Stichtagsregelungen, die nicht an die Arbeits- 89 leistung sondern nur an den reinen Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen. Der Anspruch auf die Prämie entsteht erst mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am Stichtag.121) Die Einordnung soll hier nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur davon abhängen, in welchen Zeitraum der Stichtag fällt. Um eine Masseverbindlichkeit handele es sich dann, wenn der Stichtag zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.122)

(3) Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit? Eine dem Arbeitgeber versprochene Prämie für die Nichtausübung seines Kündi- 90 gungsrechts bis zu einem festgelegten Stichtag stellt eine reine Bleibeprämie dar. Würde man die soeben dargestellten in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze übernehmen, käme man wie das Bundesarbeitsgericht und die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München123) zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Prämie um eine Masseverbind___________ 119) BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 361 f., Rz. 19; BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 = NZA 2012, 620, 621, Rz. 10; BAG, Urt. v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687, 688, Rz. 17. 120) BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 361 f., Rz. 19; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 181; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 67. 121) MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 182. 122) BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 362, Rz. 20; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 793/11, NZI 2013, 357, 358, Rz. 15; BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 459/00, NZA 2002, 975, 976; LAG Nürnberg Urt. v. 3.2.2010 – 4 Sa 367/09, Rn. 42, ZIP 2010, 1189; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 12.3.2008 – 6 Sa 411/07, Rn. 30, NZA-RR 2008, 594, m. Anm. Oesterle, JurisPR-ArbR 37/2008, Anm. 5; für eine Jubiläumsprämie LAG Düsseldorf Urt. v. 1.9.2006 – 17 (14) Sa 436/06, 4. Leitsatz; Lakies, NZA 2001, 521, 522; Schelp, NZA 2010, 1095, 1101; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 182; im Umkehrschluss MünchKommInsO/Ehricke, § 38 Rn. 72; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 67; Braun/ Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 56; Nerlich/Römermann/Andres, § 55 Rn. 104. 123) Siehe oben unter Kapitel 3 B. II. 1) b), c).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

lichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO handelt, sofern der Stichtag in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt.

91 Betrachtet man die Ausführungen der Rechtsprechung sowie den Sinn und Zweck von § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO genauer, erscheinen allerdings Zweifel an einer dahingehenden Einordnung angebracht.

bb) Reichweite § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO 92 § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO erfasst Verbindlichkeiten, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Darunter fallen alle Entgeltansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben.124)

93 Demnach fallen zwei Anspruchsgruppen unter die Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.125)

(1) Leistung mit Entgeltcharakter 94 In Anbetracht des Ausnahmecharakters von §§ 53, 55 InsO hält es die Rechtsprechung für nicht ausreichend, dass eine Verbindlichkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden muss. Aus dem Sinn und Zweck von § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO und dessen Zusammenhang mit § 108 Abs. 3 InsO ergibt sich, dass nur solche Leistungsansprüche als Masseverbindlichkeit anerkannt werden können, die in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zu der nach Insolvenzeröffnung erbrachten Arbeitsleistung stehen. Die Forderung muss eine Gegenleistung für Arbeitsleistung darstellen, die der Masse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist. Entscheidend ist, ob Entgelt im weitesten Sinn für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet wird.126) Andernfalls würde die Masse zum Nachteil der anderen Gläubiger geschmälert.127) ___________ 124) BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, NZI 2013, 546, 548, Rz. 27; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 361, Rz. 17; BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, BAGE 124, 150 = NZA 2009, 89, 90, Rz. 18; Lakies, ArbRAktuell 2013, 148; Eisenbeis/ Mues, Arbeitsrecht in der Insolvenz, Rn. 413; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, Rn. 760; Obermüller/Hess, InsO Eine systematische Darstellung des neuen Insolvenzrechts, Rn. 533, 782; so auch schon zu § 59 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 KO Hess/Knöring, Das Arbeitsrecht bei Sanierung und Konkurs, C Rn. 624, S. 216. 125) Vgl. BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, NZI 2013, 546, 549, Rz. 30. 126) BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, NZI 2013, 546, 548 f., Rz. 29; BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, BAGE 124, 150 = NZA 2009, 89, Rz. 20; BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 10 AZR 600/03, Rz. 15; BAG, Urt. v. 19.10.2004 – 9 AZR 645/03, NZA 2005, 527, 528; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 54; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 14. 127) BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, BAGE 123, 269 = NJOZ 2009, 60, 66 f., Rz. 24; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 14; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 51.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

Auch die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München möchte diese Einschrän- 95 kung vornehmen. Sie hält das Versprechen der Betriebstreue für ausreichend, um einen Entgeltcharakter anzunehmen.128) Diese Annahme verkennt jedoch, dass ein Entgeltcharakter nur dann angenommen werden kann, wenn sich aus den Anspruchsvoraussetzungen ergibt, dass im Bezugsraum tatsächlich geleistete Arbeit zusätzlich belohnt werden soll.129) Der dem Arbeitnehmer zustehende Anspruch soll  sofern es sich um eine reine Bleibeprämie handelt  doch gerade nicht die von ihm erbrachte Arbeitsleistung vergüten. Die Bleibeprämie soll nur die Nichtausübung des Kündigungsrechts bzw. den bloßen Bestand des Arbeitsverhältnisses honorieren.130) Die Prämie wird nicht für die vom Arbeitnehmer nach Eröffnung des Verfahrens geleistete Arbeit, sondern für den Verbleib im Unternehmen gezahlt.131) Es fehlt an einer synallagmatischen Verknüpfung der Forderung des Arbeitnehmers mit nach Insolvenzeröffnung erbrachter Arbeitsleistung. Es handelt sich deshalb nicht um einen Entgeltanspruch, der aus der Beschäftigung 96 von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwächst.

(2) Sonstiger Anspruch, der sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts ordnet den Anspruch auf Auszahlung einer 97 Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit ein, weil er ihn als einen sonstigen Anspruch, der sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt, ansieht. Der Anspruch auf die Prämie entsteht danach im Rahmen des nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis nur, wenn der Arbeitnehmer bis zum Stichtag keine Eigenkündigung erklärt habe. Der Prämienanspruch sei somit abhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.132) Eine Leistung, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängt, kann Masseverbindlichkeiten sein, wenn der Anspruch in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zu der erbrachten Arbeitsleistung steht.133) ___________ 128) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 55; so auch K/P/B/Moll, § 113 Rn. 21. 129) Eisenbeis/Mues, Arbeitsrecht in der Insolvenz, Rn. 333; Stiller, NZI 2005, 77, 80. 130) Vgl. BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 363, Rz. 39. 131) Das LAG München (Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 588; Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 65; Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 59) weist zutreffend darauf hin, dass die Arbeitsleistung bereits durch das vereinbarte Arbeitsentgelt abgegolten wird. 132) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 39, Rz. 31; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 31; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 141, Rz. 31. 133) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 39 f., Rz. 32; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 32; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 141 f., Rz. 32.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

98 Dabei verkennt das Bundesarbeitsgericht meines Erachtens, dass der Anspruch auf Auszahlung der Prämie nicht notwendigerweise vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt. In den von ihm zu entscheidenden Fällen kam es für den Bedingungseintritt darauf an, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis bis zum Stichtag nicht von sich aus gekündigt hat. Bei vergleichbaren Vereinbarungen ist eine Fallkonstellation denkbar, in der der betreffende Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht bis zum Stichtag zwar nicht ausgeübt hat, das Arbeitsverhältnis aber in Folge einer betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers oder nach Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter und nach Ablauf der Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Stichtags nicht mehr fortbesteht. Da der Arbeitnehmer seinerseits Betriebstreue erwiesen hat, steht ihm der Anspruch auf die Prämie zu, obwohl das Arbeitsverhältnis nicht mehr andauert. Der Anspruch ist demnach vom tatsächlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unabhängig. Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus einem Verhalten des Arbeitnehmers, nämlich der Nichtausübung seines Kündigungsrechts.

99 Insoweit unterscheidet sich eine Bleibeprämie, die im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung versprochen wird, von regelmäßigen Bleibe-, Jubiläums- oder Weihnachtsgratifikationen134), welche außerhalb einer finanziellen Krise zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder tarifvertraglich vereinbart wurden. Diese setzen voraus, dass das Arbeitsverhältnis am Stichtag tatsächlich noch (ungekündigt) besteht. Der Anspruch resultiert in diesen Fällen aus dem in § 108 Abs. 1 InsO gesetzlich angeordneten Andauern des Arbeitsverhältnisses.

100 Das Ergebnis des Bundesarbeitsgerichts könnte also dazu führen, dass nach Verfahrenseröffnung Ansprüche auf Prämienzahlungen als Masseverbindlichkeiten entstünden, obwohl gegebenenfalls vor Monaten das Arbeitsverhältnis in Folge betriebsbedingter Kündigung beendet wurde. Der Anspruch ist dann zwar im Zuge des Arbeitsverhältnisses begründet worden, aber nicht in dessen Rahmen entstanden. Eine Ausweitung des § 55 InsO auf Ansprüche, die vom Bestand des Arbeitsverhältnisses unabhängig sind, widerspricht dem Ausnahmecharakter der Masseverbindlichkeit, die nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen angenommen werden kann.135) ___________ 134) BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 459/00, BB 2002, 890, 891 ordnet Weihnachtsgeld als Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ein. BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, NZI 2013, 360, 361 ff., Rz. 18 ff. beschäftigt sich mit der Frage unter welchen Voraussetzungen eine Sonderzuwendung als Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO angesehen werden kann, bezieht sich dabei jedoch auf jährliche Sonderzuwendungen. Auch der Entscheidung des LAG Nürnberg, Urt. v. 3.2.2010 – 4 Sa 367/09, ZIP 2010, 1189, die den Anspruch als Masseverbindlichkeiten einordnet, liegt eine Sonderzahlung je Kalenderjahr (13. Monatsgehalt) zugrunde. 135) Vgl. MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 147; § 55 Abs. 1 InsO verfolgt den Zweck der Begrenzung von Masseverbindlichkeiten BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252 = NJW 2001, 2966; BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, NJW-RR 2006, 989, 990.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie ist demzufolge 101 nicht als Anspruch anzusehen, der sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt.

cc) „Erfolgen muss“ Auch die Zwecksetzung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO spricht für eine Einord- 102 nung als Insolvenzforderung. Diese Norm trägt dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitnehmer trotz der Insol- 103 venz des Arbeitgebers seine vertraglich geschuldete Leistung erbringen muss. Im Gegenzug sollen ihm die vertraglich vereinbarten Ansprüche zustehen, um eine Bereicherung der Masse auf seine Kosten zu verhindern.136) Es wäre unbillig, dem Arbeitnehmer die Pflicht ohne entsprechende Gegenleistung aufzuerlegen. Entscheidend ist daher nicht die tatsächliche Möglichkeit der Erfüllung einzelner Forderungen, sondern deren rechtliche Notwendigkeit.137) Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Bleibeprämie, soll der Arbeitnehmer davon abgehalten werden, das ihm zustehende Kündigungsrecht auszuüben. Der Arbeitnehmer wird allerdings nicht verpflichtet, vom Gebrauch seines Kündigungsrechts abzusehen. Vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann er jederzeit kündigen. Der Anspruch erwächst demnach aus der frei gewählten Nichtausübung eines Rechts. Der Arbeitnehmer muss seine Leistung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 104 nicht erbringen, sodass der Grundgedanke des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO im Falle der Vereinbarung einer solchen Bleibeprämie nicht passt.

dd) Vergleich mit Abfindungsansprüchen Ein Vergleich mit Arbeitnehmern zustehenden Abfindungsansprüchen legt eben- 105 falls eine Einordnung als Insolvenzforderung nahe. Abfindungsansprüche, die individuell oder tarifvertraglich im Vorfeld der Eröff- 106 nung der Insolvenz vereinbart worden sind, aber erst im Nachhinein entstehen, hat die Rechtsprechung als Insolvenzforderungen eingeordnet.138) Das Versprechen einer Bleibeprämie ist mit der Zusage einer Abfindung vergleichbar. Die Vereinbarung ___________ 136) BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, BAGE 123, 269 = NJOZ 2009, 60, 65, Rz. 19; BAG, Urt. v. 27.4.2006 – 6 AZR 364/05, BAGE 118, 115 = NZA 2006, 1282, 1284, Rz. 21; BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 10 AZR 600/03, NJOZ 2005, 3568, 3570; Lakies, ArbRAktuell 2013, 148. 137) Vgl. BAG, Urt. v. 19.1.2006 – 6 AZR 529/04, BAGE 117, 1 = NZI 2007, 58, 59, Rz. 18. 138) BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, BAGE 124, 150 = NZA 2009, 89, 90 f., Rz. 21; BAG, Urt. v. 27.4.2006 – 6 AZR 364/05, BAGE 118, 115 = NZA 2006, 1282, 1283, Rz. 15; zustimmend Lakies, ArbRAktuell 2013, 121; Stiller, NZI 2005, 77, 80; Schelp, NZA 2010, 1095, 1101; Uhlenbruck/Sinz, § 38 Rn. 63; Eisenbeis/Mues, Arbeitsrecht in der Insolvenz, Rn. 486; Zwanziger, BB 2006, 946.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

der Abfindung bzw. der Bleibeprämie als Grundlage für den Anspruch wurde vor Verfahrenseröffnung getroffen. Zwar entstehen beide Ansprüche erst nach Insolvenzeröffnung, es handelt sich in beiden Fällen aber um aufschiebend bedingte Forderungen, die bereits im Vorfeld des Verfahrens begründet wurden. Die Rechtsprechung stellt hinsichtlich Abfindungsansprüchen auf den Zeitpunkt der Begründung ab139), mit der Erwägung, dass die Abfindung in keiner unmittelbaren Beziehung zur Arbeitsleistung steht, sondern gerade einen Ausgleich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaffen solle.140)

107 Zwar weisen das Bundesarbeitsgericht und die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München zutreffender Weise darauf hin, dass die Zahlung einer Bleibeprämie keine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsverhältnisses darstellt.141) Allerdings handelt es sich bei der Bleibeprämie um eine Risikoentschädigung, die mit einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes vergleichbar ist. Die Prämie stellt einen Ausgleich für das Risiko dar, dem sich der Arbeitnehmer durch Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses aussetzt. Durch Zahlung der Bleibeprämie möchte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht „abkaufen“. Die Zahlung knüpft ebenfalls nicht ausschließlich an den Bestand des Arbeitsverhältnisses am Stichtag an, denn der Anspruch gelangt auch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zur Entstehung.

ee) Art der Verbindlichkeit von Zufall abhängig/Einflussmöglichkeit 108 Für eine Einordnung des Anspruchs auf Zahlung der Bleibeprämie als Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO spricht meiner Ansicht nach darüber hinaus, dass es ansonsten vom Zufall abhängen würde, ob der Forderung die Qualität einer Insolvenzforderung oder die einer Masseverbindlichkeit zukommt.

109 Vertritt man die Auffassung, wonach die Forderung des Arbeitnehmers eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO darstellt, sofern der Stichtag in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, hängt die Einordnung allein vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ab. Sie erfolgt daher zufällig. Für den Arbeitnehmer ist im Vorfeld nicht ersichtlich, welche Qualität seiner Forderung im Entstehungszeitpunkt zukommt. Entscheidend ist dann, wann sich die Mitglieder des Vertretungsorgans gezwungen sehen, Insolvenzantrag zu stellen und zu welchem Zeitpunkt der Eröffnungsbeschluss ergeht.

___________ 139) BAG, Urt. v. 27.4.2006 – 6 AZR 364/05, BAGE 118, 115 = NZA 2006, 1282, 1283, Rz. 15. 140) BAG, Urt. v. 27.4.2006 – 6 AZR 364/05, BAGE 118, 115 = NZA 2006, 1282, 1284, Rz. 22. 141) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41, Rz. 39; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 39; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 142, Rz. 38; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 591.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

Außerdem besteht die Gefahr, dass auf die Forderungsqualität Einfluss genommen 110 wird. Seitens des Unternehmens oder des vorläufigen Insolvenzverwalters könnte durch taktische Einflussnahme auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleichzeitig auf die Befriedigungsaussichten der Forderung eingewirkt werden.

ff) Missbrauchsgefahr Eine Einordnung als Insolvenzforderung ist auch aufgrund des Gleichbehandlungs- 111 grundsatzes geboten. Würde man Bleibeprämien als Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO erachten, hätten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Möglichkeit, in Krisenzeiten durch entsprechende Vereinbarungen eine Vielzahl von Masseverbindlichkeiten zu schaffen, ohne dass der spätere Insolvenzverwalter darauf Einfluss nehmen könnte. Arbeitnehmer würden in einem Maße bevorzugt, das mit dem Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger nicht vereinbar ist.142) Ferner stünde es ihnen offen, die Masse zum Nachteil der anderen Gläubiger mutwillig zu schmälern. Es bestünde die Möglichkeit einer gezielten Verringerung der Insolvenzmasse unter dem Deckmantel eines Sanierungsvorhabens.143)

gg) Effektive Mitarbeiterbindung? Für eine Einordnung als Masseverbindlichkeit wird angeführt, das Inaussichtstellen 112 einer Bleibeprämie würde nur dann zu einer effektiven Mitarbeiterbindung beitragen, wenn der Anspruch als Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO qualifiziert würde.144) Für den Arbeitnehmer/Leistungsträger wäre es in der Tat vorteilhaft, wenn seine 113 Forderung als Masseverbindlichkeit eingestuft wird. Nur in diesem Fall kann er mit einer vollständigen Befriedigung rechnen. Die Aussicht auf eine nur anteilige Begleichung ihres Anspruchs wird viele Leistungsträger in Zeiten der Krise nicht im Unternehmen halten, insbesondere wenn sie Angebote von der Konkurrenz erhalten. Das Problem einer fehlenden Anreizwirkung stellt sich aber auch dann, wenn die 114 Forderung – sofern der Stichtag in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt – als Masseverbindlichkeit angesehen wird, denn der Leistungsträger

___________ 142) Vgl. zu Abfindungsansprüchen BAG, Urt. v. 27.4.2006 – 6 AZR 364/05, BAGE 118, 115 = NZA 2006, 1282, 1284, Rz. 23; siehe auch Stiller, NZI 2005, 77, 80. 143) Zum negativ Beispiel USA siehe LoPucki, Courting failure, S. 151 – 156. 144) Mückl, ZIP 2012, 1642, 1645.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

setzt sich der Gefahr aus, dass der Stichtag vor Verfahrenseröffnung liegt. Dann stünde ihm in jedem Falle nur eine Insolvenzforderung zu.145)

115 Das Risiko einer nur quotalen Befriedigung trifft ihn deswegen ebenfalls, wenn man den Prämienanspruch unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fassen würde. Der Zweck einer effektiven Mitarbeiterbindung würde auch dann verfehlt.

116 Zu der Frage, ob durch die Stellung von Sicherheiten eine effektive Bindung der Mitarbeiter trotz Einordnung als Insolvenzforderung erzielt werden kann, wird in Kapitel 3 D. noch Stellung genommen werden.

hh) Ergebnis 117 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Prämie, wenn der Stichtag nach Verfahrenseröffnung liegt, entgegen dem Bundesarbeitsgericht keine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO darstellt. Weder handelt es sich um eine Leistung mit Entgeltcharakter noch um einen Anspruch, der sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt. Hinzu kommt, dass der Zweck der Kompensation der gesetzlich vorgesehen weiteren Verpflichtung zur Arbeitsleistungserbringung nicht einschlägig ist. Durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts entscheidet sich der Arbeitnehmer bewusst, die Arbeitsleistung weiterhin erbringen zu wollen.

118 Ordnete man die Ansprüche als Masseverbindlichkeiten ein, würde die Möglichkeit der Begründung von Masseverbindlichkeiten im Vorfeld des Insolvenzverfahrens gegen das Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger verstoßen und zu Missbrauch einladen.

119 Die Qualität der Forderung würde vom Zufall oder vom Einfluss der Beteiligten abhängen.

120 Ferner ist auch die Einordnung als Masseverbindlichkeit kein adäquates Mittel, um eine effektive Bindung an das krisengeschüttelte Unternehmen zu erreichen. ___________ 145) Dazu sogleich unter III. Selbst wenn der Anspruch auf Zahlung der Bleibeprämie vom Insolvenzgeld gemäß § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III erfasst sein sollte, ist zu bedenken, dass solche Sonderzahlungen gemäß § 167 Abs. 1 SBG III nur bis zum Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Eine Bleibeprämie, die geeignet sein soll, leistungsfähige Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, wird i. d. R. höher anzusetzen sein, sodass die Prämie jedenfalls nicht in voller Höhe durch das Insolvenzgeld abgesichert ist. Ferner wird der Anspruch dadurch begrenzt, dass der Stichtag innerhalb der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses liegen muss. Ein etwaiger Anspruch auf Insolvenzgeld ist daher nicht geeignet, das Risiko der Leistungsträger auszuschließen. Zur Berücksichtigung von Sonderzahlungen beim Insolvenzgeld siehe Lakies, ArbRAktuell 2012, 134; Gagel/Peters-Lange, SGB III, § 165 Rn. 108; Beck/Depré/Braun/Wierzioch, § 29 Rn. 56; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 182; Eisenbeis/Mues, Arbeitsrecht in der Insolvenz, Rn. 342.

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B. Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit

3.

Ergebnis

Fällt der Stichtag in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist 121 folglich auf die Begründung der Forderung abzustellen, sodass es sich um eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO handelt. Der Arbeitnehmer kann nur auf eine anteilige Befriedigung seiner Forderung hoffen.

III. Entstehung des Anspruchs vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Das Bundesarbeitsgericht hatte sich jüngst mit einem Fall zu beschäftigen, in dem 122 der Anspruch auf die Bleibeprämie kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden war. Es klassifizierte den Anspruch des Arbeitnehmers zu Recht als Insolvenzforderung.146) Wie in Kapitel 3 B. II. 2) a) festgestellt, ist der Anspruch bereits vor Eröffnung des 123 Insolvenzverfahrens durch die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet worden. Selbst wenn man der Sichtweise des Bundesarbeitsgerichts folgt und auf den Zeit- 124 punkt der Entstehung des Anspruchs abstellt, gelangt man über § 108 Abs. 3 InsO zu einer Einordnung als Insolvenzforderung.147) Es handelt sich schon deswegen nicht um eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO148), weil der Stichtag in den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt.149) Der Arbeitnehmer hat die ihm obliegende Leistung  den Verbleib im Unternehmen bzw. die Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zum vereinbarten Datum  bereits erbracht. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die Schuldnerin vor 125 Erreichen des Stichtags bereits einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Das Gericht hat erwogen, ob es sich in Folge dessen bei dem Anspruch um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO handeln könnte, dies aber richtigerweise unter Hinweis darauf verneint, dass eine solche Einordnung die Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters voraussetzt; dies war in dem betreffenden Fall nicht gegeben.150) ___________ 146) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 40, Rz. 33; dazu Lingemann, ArbRAktuell 2014, 20; Froehner, GWR 2014, 21. 147) LAG München, Urt. v. 20.7.2011 – 10 Sa 198/11, Rz. 48; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 182; das gilt laut LAG München, Urt. v. 30.6.2011 – 3 Sa 85/11, Rz. 46 ff. selbst dann, wenn das Insolvenzverfahren neun Stunden später eröffnet wird und der vereinbarte Auszahlungszeitpunkt erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt. 148) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 40, Rz. 35. 149) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 41, Rz. 39. 150) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, NZI 2014, 38, 41, Rz. 40 ff.; zustimmend Froehner, GWR 2014, 21; ders., NZA 2012, 1405, 1406. Siehe auch BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NZI 2002, 543; BGH, Beschluss v. 4.12.2014 – IX ZR 166/14, BeckRS 2014, 23592, Rz. 3; BAG, Beschluss v. 9.12.2009 – 7 ABR 90/07, BAGE 132, 333 = NZA 2010, 461, 464 f., Rz. 35.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

126 Das Bundesarbeitsgericht hat offen gelassen, ob  sofern der Stichtag in den Zeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens fällt  bei Einsetzung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 2 S. 2 InsO angenommen werden kann.151)

127 Auch wenn ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, handelt es sich richtigerweise nicht um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO. Voraussetzung für die Annahme einer solchen Masseverbindlichkeit ist die Inanspruchnahme der Leistung für die Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter.152) Eine Inanspruchnahme ist gegeben, wenn der Insolvenzverwalter die geschuldete Gegenleistung nutzt, obwohl er dies pflichtgemäß hätte verhindern können.153) Eine Inanspruchnahme ist folglich zu verneinen, sofern es sich um eine oktroyierte Nutzung handelt.154) Gerade um eine solche Nutzung handelt es sich aber im Falle eines Prämienversprechens. Die Gegenleistung, die der Arbeitnehmer erbringt, ist in der Nichtausübung des Kündigungsrechts zu sehen und nicht in der Arbeitsleistung, auf deren Nutzung der Insolvenzverwalter durch Freistellung verzichten könnte155). Auch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung und anschließender Freistellung ist es dem Arbeitnehmer ungenommen, von seinem Kündigungsrecht selbst keinen Gebrauch zu machen und seine Arbeitskraft weiterhin zur Verfügung zu stellen. Der starke vorläufige Insolvenzverwalter kann nicht verhindern, dass der Arbeitnehmer von sich aus betriebstreu bleibt und seine Leistung somit erbringt. Er kann sich nicht bewusst für oder gegen eine Nutzung der Betriebstreue entscheiden. Die Betriebstreue wird dem vorläufigen Insolvenzverwalter daher aufgedrängt, sodass er diese nicht in Anspruch nimmt.156) ___________ 151) Zum Erfordernis der Einsetzung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NZI 2002, 543, 544; Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 73, 78; ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter kann ausnahmsweise dann eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO begründen, wenn er im Einzelfall durch gerichtliche Anordnung dazu ermächtigt worden ist (MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 229; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 95). 152) Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 78 f.; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 231; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 95. 153) BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, NZI 2004, 209, 212; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = NJW 2003, 2454, 2455; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 231; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 97; HeidelbergerKommInsO/Lohmann, § 55 Rn. 31. A. A.: K/P/B/Pape/Schaltke, § 55 Rn. 222, entscheidend sei die tatsächliche Inanspruchnahme der Gegenleistung. 154) MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 231; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 97. 155) Dazu Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 78 f.; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 233; K/P/B/Pape/Schaltke, § 55 Rn. 221. 156) Selbst wenn die Parteien trotz der oben in Kapitel 2 C. getätigten Erwägungen vereinbart haben, dass der Bedingungseintritt durch betriebsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers verhindert werden kann, nimmt der starke vorläufige Insolvenzverwalter bei Weiterbeschäftigung die Betriebstreue des Arbeitnehmers nicht in Anspruch. Will er die Arbeitskraft des Arbeitnehmers weiter nutzen, ist er gezwungen gleichzeitig auch die Betriebstreue bis zum Stichtag entgegen zu nehmen. Diese kann nicht unabhängig von der Arbeitskraft genutzt oder ausgeschlagen werden.

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C. Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO?

IV. Ergebnis Unabhängig davon, in welchem Zeitraum der Prämienanspruch zur Entstehung 128 gelangt, steht dem Arbeitnehmer entgegen dem Bundesarbeitsgericht lediglich eine Insolvenzforderung zu.

C. Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO? Geht man davon aus, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Auszahlung der 129 Bleibeprämie nicht als Masseverbindlichkeit i. S. v. §§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 108 Abs. 1 S. 1 InsO angesehen werden kann, ist zu überlegen, ob dem Insolvenzverwalter hinsichtlich der Prämienvereinbarung ein Wahlrecht i. S. d. § 103 Abs. 1 InsO zukommt. Gemäß § 103 Abs. 1 InsO steht dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zu, ob er 130 gegenseitige Verträge, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil noch nicht oder nicht vollständig erfüllt sind, selbst erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen will. In den nachfolgenden Ausführungen soll dargestellt werden, warum ein Wahlrecht 131 des Insolvenzverwalters auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, sein Nutzen bei genauerer Betrachtung jedoch fraglich ist, und warum einer Anwendbarkeit des § 103 Abs. 1 InsO auf eine solche Prämienvereinbarung erhebliche Bedenken entgegenstehen.

I.

Aufwertung zur Masseverbindlichkeit als Anreiz zum Verbleib im Unternehmen?

Nach der hier vertretenen Auffassung stellt der Anspruch des Leistungsträgers auf 132 Zahlung der Bleibeprämie – unabhängig davon wann dieser Anspruch zur Entstehung gelangt – nur eine Insolvenzforderung dar. Der Arbeitnehmer, der im Zeitraum nach der Prämienvereinbarung bis hin zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens abwägt, ob er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen soll, sieht sich der Gefahr ausgesetzt, im Falle der Insolvenzeröffnung nur eine quotale Befriedigung, d. h. nur einen Bruchteil seiner Forderung, zu erhalten. Aus seiner Sicht wird es vorteilhaft erscheinen, sich vorsichtshalber um eine andere Arbeitsstelle zu bemühen. Die Anreizwirkung der Prämie ist gefährdet oder entfällt sogar ganz. Stünde dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zu, obläge es ihm, die Verbindlich- 133 keit zu einer Masseverbindlichkeit aufzuwerten. Sofern sich der Insolvenzverwalter für die Erfüllung des Vertrages entschiede, stellt der Anspruch des Vertragspartners gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO eine Masseverbindlichkeit dar. Dieser wäre vorweg und in voller Höhe zu befriedigen. Durch die Aussicht auf eine vollständige Befriedigung könnte der Anreiz für den Arbeitnehmer wiederhergestellt werden.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

134 Allerdings ist zu bedenken, dass der Anwendungsbereich von § 103 InsO nur eröffnet ist, wenn beide Seiten noch nicht vollständig erfüllt haben.157) Ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters käme daher nur für den Fall in Betracht, dass der Stichtag in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, denn bei Erreichen des Stichtags vor Insolvenzeröffnung hat der Arbeitnehmer seine Leistung bereits vollständig erbracht. Ihm steht dann in jedem Fall nur eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zu. Da der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Prämienvereinbarung in der Regel nicht absehen kann, ob der Stichtag in den Zeitraum vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, wäre auch ein eventuelles Wahlrecht des Insolvenzverwalters nicht geeignet, das Risiko des Arbeitnehmers, auf seine Forderung letztendlich nur die Quote zu erhalten, vollständig auszuschließen.

II. Nutzen eines Wahlrechts für den Insolvenzverwalter? 135 Der Insolvenzverwalter kann ein Interesse daran haben, ausgewählte Mitarbeiter für einen bestimmten Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Unternehmen zu halten, um entweder eine Sanierung innerhalb des Verfahrens zu verwirklichen oder mit deren Hilfe eine reibungslose und aussichtsreiche Liquidation zu ermöglichen. Der Verbleib der Mitarbeiter kann zu einem Gewinn für die Masse führen, beispielsweise wenn eine Fortführung des Betriebs ohne sie nicht oder nur schwer möglich wäre.

136 Allerdings bringt das Zugeständnis eines Wahlrechts an den Insolvenzverwalter für ihn keinen Mehrwert. Denn wird das Insolvenzverfahren eröffnet und steht der vereinbarte Stichtag noch aus, besteht für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, mit ausgewählten Arbeitnehmern, die er im Rahmen der Liquidation oder der Sanierung des Unternehmens weiterhin einsetzen möchte, eine neue Prämienvereinbarung abzuschließen. Ein Neuabschluss der Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Arbeitnehmer hat die gleiche Wirkung wie die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters, weil in beiden Fällen Masseverbindlichkeiten entstehen.

137 Diese Vorgehensweise birgt Vorteile für beide Seiten. Einerseits kann der Insolvenzverwalter die Konditionen neu aushandeln; andererseits ist der Arbeitnehmer nicht auf die Quote für seine ursprüngliche Forderung verwiesen, sondern erhält im Gegenzug für weitere Betriebstreue eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO.

___________ 157) BGH, Urt. v. 10.8.2006 – IX ZR 28/05, BGHZ 169, 43 = NJW 2006, 2919, 2921, Rz. 13; BGH, Urt. v. 15.11.1999 – II ZR 98/98, NZI 2000, 126, 128; BGH, Urt. v. 24.10.1974 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226, 227; MünchKommInsO/Huber, § 103 Rn. 60; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 57.

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C. Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO?

Ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters hätte im Vorfeld der Insolvenzeröffnung 138 auch keine höhere Anreizwirkung für den Arbeitnehmer im Unternehmen zu verbleiben. Denn in beiden Fällen kann sich der betroffene Arbeitnehmer nicht sicher sein, dass auch der Insolvenzverwalter von seinem Wert für das Unternehmen überzeugt ist und ihm deshalb einen Neuabschluss der Prämienvereinbarung anbietet bzw. dass der Insolvenzverwalter Erfüllung wählt. Dem Argument, durch den Rückgriff auf die bestehende Vereinbarung werde einer 139 ansonsten zusätzlich drohenden Anmeldung der Forderung aus der ursprünglichen Prämienvereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entgegengewirkt158), kann in der Praxis dadurch begegnet werden, dass Insolvenzverwalter und Arbeitnehmer diesbezüglich einen Verzicht vereinbaren und somit die neue Prämienvereinbarung die vorher bestehende „ablöst“.

III. Rechtliche Bedenken gegen eine Anwendbarkeit von § 103 InsO Liegen der Stichtag und somit die Entstehung des Anspruchs nach Eröffnung des 140 Insolvenzverfahrens, lassen zudem folgende Punkte an der Anwendbarkeit des § 103 InsO auf die Prämienvereinbarung zweifeln:

1.

Verdrängung durch § 108 InsO als lex specialis?

Gegen eine Anwendbarkeit von § 103 InsO bestehen im Ergebnis keine Bedenken 141 aufgrund der Tatsache, dass die Bleibeprämienvereinbarung in Zusammenhang mit dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnis steht. Für das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis ist die vorrangige Sonderrege- 142 lung des § 108 InsO einschlägig. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO ordnet den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung für und gegen die Masse an; dem Verwalter ist es nicht möglich, die Erfüllung abzulehnen.159) Sofern § 108 InsO eingreift, ist § 103 InsO unanwendbar.160) Die Bleibeprämienvereinbarung wird zwar im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses 143 geschlossen. Es handelt sich jedoch um eine Vereinbarung, die zu einem nachfolgenden Zeitpunkt getroffen wird und das bereits bestehende Arbeitsverhältnis nicht modifiziert. Vielmehr beinhaltet sie eine zusätzliche Regelung (einmalige Leistung für den Verbleib im Unternehmen bis zum Stichtag). Die Bleibeprämie kann des___________ 158) Vgl. Stamm, KTS 2011, 421, 430. 159) Henkelmann, Schwebende Verträge in der Insolvenz, S. 32, 120. 160) Andres/Leithaus/Andres, § 103 Rn. 6, 9; MünchKommInsO/Huber, § 103 Rn. 64, 103; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 53; HeidelbergerKommInsO/Marotzke, § 103 Rn. 19. Es handelt sich um eine Ausnahmeregelung zu § 103 InsO (Zwanziger, Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung, § 108 InsO Rn. 1; Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, Rn. 6.1).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

wegen isoliert betrachtet werden. Ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nur in Bezug auf die Bleibeprämie würde den in § 108 InsO vorgesehenen Fortbestand des Arbeitsverhältnissen und die Bindung des Insolvenzverwalters an die Kündigungsfristen nicht tangieren. Unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter die Erfüllung wählen oder ablehnen würde, hätte seine Wahl keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis als solches.

144 Ferner ist § 108 Abs. 1 S. 1 InsO im Zusammenhang mit § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO zu sehen. So weit §§ 108 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO reichen, soll es kein Wahlrecht des Insolvenzverwalters geben161), damit diese Regelung nicht durch § 103 InsO unterlaufen werden kann. Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Prämie allerdings nicht um eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 108 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.162) Würde man dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zugestehen, könnte er dieses mangels des Charakters einer Masseverbindlichkeit nicht dazu nutzen, durch die Ablehnung der Erfüllung eine Forderung zu einer Insolvenzforderung zu degradieren. Er könnte durch die Erfüllungswahl lediglich eine Insolvenzforderung zu einer Masseverbindlichkeit aufwerten. Eine Anwendung von § 103 InsO auf die Bleibeprämie würde § 108 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO somit nicht zuwider laufen.

145 Das Bleibeprämienversprechen unterliegt nicht der Spezialregelung des § 108 InsO, sodass es der Auffangnorm des § 103 InsO unterliegen könnte.163)

2.

Keine synallagmatische, sondern konditionale Verknüpfung der Hauptleistungspflichten

146 Der Anwendbarkeit von § 103 InsO auf die Prämienvereinbarung steht jedoch entgegen, dass es sich bei der Vereinbarung der Bleibeprämie nicht um einen gegenseitigen Vertrag handelt.

147 § 103 InsO statuiert ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters für gegenseitige Verträge. Eine direkte Anwendbarkeit des § 103 InsO würde voraussetzen, dass die Prämienvereinbarung – isoliert von dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis betrachtet – als gegenseitiger Vertrag angesehen werden kann, der als Hauptleistungspflichten die Verpflichtung zur Zahlung der Prämie und die Nichtausübung des Kündigungsrechts statuiert. § 103 InsO findet nur Anwendung auf gegenseitige Ver-

___________ 161) Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, Rn. 6.6. 162) Siehe oben Kapitel 3 B. II. 2). 163) Vgl. Sinz/Hiebert, Unternehmensinsolvenz, Rn. 481; MünchKommInsO/Huber, § 103 Rn. 97; Gundlach, NJW 2007, 3719.

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C. Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO?

träge i. S. d. §§ 320 ff. BGB.164) Somit fallen in den Anwendungsbereich des § 103 InsO nur vollkommen zweiseitige Verträge, deren Hauptleistungspflichten synallagmatisch verknüpft sind165); nur solche Verträge werden von §§ 320 ff. BGB erfasst.166) Stellt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Bleibeprämie für seine Betriebs- 148 zugehörigkeit über einen bestimmten Zeitraum in Aussicht, sind die Leistungspflichten hingegen nur konditional miteinander verknüpft167), denn durch eine solche Vereinbarung wird lediglich der Arbeitgeber verpflichtet unter der Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass der Arbeitnehmer betriebstreu bleibt.168) Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, auf die Ausübung seines Kündigungsrechts für den benannten Zeitraum zu verzichten, besteht nicht. Bei einer konditionalen Verknüpfung stellt die Gegenleistung wirtschaftlich gesehen zwar das Entgelt für die erbrachte Leistung dar, sie ist dennoch nicht ausreichend, um einen gegenseitigen Vertrag i. S. d. §§ 320 ff. BGB anzunehmen.169) § 103 InsO kann auf die Vereinbarung einer Bleibeprämie deshalb im Ergebnis nicht direkt angewendet werden. Eine analoge Anwendung des § 103 InsO auf den hier diskutierten Fall scheitert 149 bereits am Fehlen einer vergleichbaren Interessenlage. § 103 InsO verfolgt zunächst den Zweck, die Masse zu schützen und diese in Hinblick auf eine gleichmä___________ 164) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, NZI 2009, 235, 237, Rz. 15; BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226, 227; Andres/Leithaus/Andres, § 103 Rn. 6; Braun/Kroth, § 103 Rn. 5; MünchKommInsO/Huber, § 103 Rn. 55; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 103 Rn. 8; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 25; Jaeger/Jacoby, § 103 Rn. 63. Dies wird damit begründet, dass erst die §§ 320 ff. BGB die Regelung des § 103 InsO erforderlich machten, damit das Synallagma in der Insolvenz geschützt sei (K. Schmidt/Ringstmeier, § 103 Rn. 13). 165) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, NZI 2009, 235, 237, Rz. 15; BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226, 227; Andres/Leithaus/Andres, § 103 Rn. 6; Braun/Kroth, § 103 Rn. 5; MünchKommInsO/Huber, § 103 Rn. 55; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 103 Rn. 8; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 25; Jaeger/Jacoby, § 103 Rn. 62 f.; K. Schmidt/ Ringstmeier, § 103 Rn. 13; K/P/B/Tintelnot, § 103 Rn. 40. 166) Jauernig/Stadler, BGB, § 320 Rn. 7; MünchKommBGB/Emmerich, § 320 Rn. 22 f.; SchulzBGB/ Schulz, § 320 Rn. 3; BeckOK BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 2; Erman/H. P. Westermann, Vor § 320 Rn. 4. 167) Vgl. MünchKommBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 8; Erman/H. P. Westermann, 12. Aufl., Vor § 320 Rn. 9. 168) Siehe zur konditionalen Verknüpfung BGH, Urt. v. 16.6.2010 – VIII ZR 259/09, NJW 2010, 3226 f., Rz. 13; BeckOK BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 5; Schulze/Grziwotz/Lauda/Prasse/ Steinbach-Martens, § 320 Rn. 6; MünchKommBGB/Emmerich, Vor § 320 Rn. 8; Palandt/ Grüneberg, Einf v § 320 Rn. 7. 169) Siehe BGH, Urt. v. 16.6.2010 – VIII ZR 259/09, NJW 2010, 3226 f., Rz. 13; BGH, Urt. v. 11.11.1981 – IV a ZR 182/80, NJW 1982, 436; BeckOK BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 5; Erman/ H. P. Westermann, Vor § 320 Rn. 9; Soergel/Gsell, Vor § 320 Rn. 6. A. A.: Soergel/Wiedemann, 12. Aufl., Vor § 320 Rn. 12; Schulze/Grziwotz/Lauda/Prasse/Steinbach-Martens, § 320 Rn. 6: Gegenseitiger Vertrag auch bei konditionaler Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

ßige Befriedigung der Gläubiger zu mehren.170) Dem Insolvenzverwalter soll die Möglichkeit eröffnet werden, einen Anspruch auf die von ihm als vorteilhaft erachtete Leistung zu erhalten.171) Darüber hinaus dient § 103 InsO dem Schutz des Vertragspartners, indem diese Norm die Insolvenzfestigkeit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags anerkennt.172)

150 Diese beiden Zwecksetzungen des § 103 InsO passen nicht auf die Vereinbarung einer Bleibeprämie, denn die Erbringung der Gegenleistung liegt im Belieben des Arbeitnehmers. Dem Insolvenzverwalter stünde auch nach der Erfüllungswahl kein Anspruch auf den Verzicht der Eigenkündigung seitens des Arbeitnehmers zu. Die Erfüllungswahl würde für sich genommen nicht zu einer Mehrung der Masse durch Verbleib des Arbeitnehmers im Unternehmen führen, sondern hinge zusätzlich vom Willen des Arbeitnehmers ab. Ob der Arbeitnehmer auch in Zukunft auf die Ausübung seines Kündigungsrechts verzichten wird, bliebe für den Insolvenzverwalter ungewiss. Er stünde sich mit dem Wahlrecht nicht besser als bei einem Neuabschluss zu vergleichbaren Konditionen.

IV. Ergebnis 151 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters bezüglich des Bleibeprämienversprechens nicht in Betracht kommt. Die Bedenken, die sich aufgrund der vorrangigen Sonderregelung § 108 InsO ergeben, lassen sich zwar zerstreuen; der Anwendungsbereich von § 103 InsO ist dennoch nicht eröffnet, weil die Bleibeprämienvereinbarung kein gegenseitiger Vertrag in diesem Sinne ist.

152 Außerdem ist – sofern dem Insolvenzverwalter an einem weiteren Verbleib des Arbeitnehmers gelegen ist – beiden Seiten in gleicher Weise mit einem Neuabschluss der Prämienvereinbarung gedient.

___________ 170) Siehe BGH, Urt. v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282, 1284; BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348 = NJW 2013, 1159, 1161, Rz. 13; BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, NZI 2012, 76, 79, Rz. 38; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 1; Andres/Leithaus/Andres, § 103 Rn. 5; Braun/Kroth, § 103 Rn. 2. 171) BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138 = NZI 2002, 380, 382; BGH, Urt. v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, BGHZ 135, 25 = DtZ 1997, 196, 197; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 2. 172) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, NZI 2012, 76, 79, Rz. 38; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138 = NJW 2002, 2313, 2316; Andres/Leithaus/Andres, § 103 Rn. 5; Braun/Kroth, § 103 Rn. 2; Jacoby, ZIP 2014, 649, 651. Stamm, KTS 2011, 421, 438, billigt § 103 InsO hingegen nur deklaratorischen Charakter zu. Die Norm umschreibe „zivilrechtliche Selbstverständlichkeiten“.

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D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers

D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers Da der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Prämie als Insolvenzfor- 153 derung i. S. d. § 38 InsO zu klassifizieren ist, besteht das Bedürfnis, den Anspruch insolvenzfest zu sichern. In der Praxis dürfte die Sicherung jedoch nicht selten daran scheitern, dass keine unbelasteten Gegenstände mehr vorhanden sind.

I.

Zweck der Sicherung

Durch den Verbleib im Unternehmen geht der Arbeitnehmer das Risiko ein, seinen 154 Arbeitsplatz in Folge des Scheiterns des Sanierungsvorhabens und die sich daran anschließende Insolvenzeröffnung zu verlieren. Indem der Arbeitgeber bestimmten Leistungsträgern eine Bleibeprämie in Aussicht stellt, möchte er sie dazu veranlassen, dieses Risiko sehenden Auges in Kauf zu nehmen. Ein Anreiz, im Unternehmen zu verbleiben, wird in der Regel aber nur dann geschaffen, wenn der Arbeitnehmer darauf vertrauen kann, im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die ihm versprochene Prämie in voller Höhe zu erhalten. Ein dahingehendes Vertrauen der betroffenen Leistungsträger – und dadurch eine effektive Bindung an das Unternehmen in Krisenzeiten – kann hergestellt werden, indem die Forderung des Arbeitnehmers gesichert wird, sodass dieser im Insolvenzfall zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist. Dann erhält er auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung in voller Höhe.

II. Rechtsgeschäftliches Pfandrecht Zunächst besteht die Möglichkeit, zu Gunsten des Arbeitnehmers ein rechtsge- 155 schäftliches Pfandrecht zu bestellen. Dem Arbeitnehmer stünde dann gemäß § 50 Abs. 1 InsO ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zu. Er wäre daher nicht mehr nur Insolvenzgläubiger, sondern zugleich zur abgesonderten Befriedigung aus dem Erlös der Verwertung des verpfändeten Gegenstands berechtigt.173)

1.

Pfandrecht als akzessorisches Sicherungsmittel

Im Gegensatz zu Sicherungsübereignung und Sicherungszession174) ist das rechtsge- 156 schäftliche Pfandrecht ein akzessorisches Sicherungsmittel.175) Im Falle der Sicherung von Prämienansprüchen ist ein akzessorisches Sicherungsmittel sinnvoll, da der Anspruch des Arbeitnehmers durch die Nichtausübung seines Kündigungsrechts bis zu einem bestimmten Stichtag bedingt ist. Der Anspruch entsteht erst, wenn der Arbeit___________ 173) MünchKommInsO/Ganter, Vorbemerkungen vor §§ 49 bis 52 Rn. 1. 174) Bei der Sicherungszession ist der Bestand der zur Sicherheit abgetretenen Forderung vom Bestand der gesicherten Forderung unabhängig (Skorczyk/Klups/Jacobsen, BB Beilage 2007, Nr. 004, 2, 11). 175) Mitlehner, Mobiliarsicherheiten, Rn. 879; Palandt/Bassenge, § 1204 Rn. 1; MünchKommBGB/Damrau, § 1204 Rn. 15; Jauernig/Chr. Berger, BGB, § 1204 Rn. 2; Schulze/SchulteNölke, BGB, § 1204 Rn. 5.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

nehmer die Bedingung eintreten lässt. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens besteht ein hohes Risiko, dass sich die betreffenden Arbeitnehmer beruflich neu orientieren und die Bedingung ausfällt. Es liegt daher im Interesse des Arbeitgebers, ein Sicherungsmittel zu wählen, das – sofern feststeht, dass die Forderung nicht mehr zur Entstehung gelangen wird – schnell und unkompliziert wieder beseitigt werden kann, sodass der Sicherungsgegenstand unmittelbar wieder frei wird und gegebenenfalls erneut als Sicherungsmittel für einen anderen Gläubiger verwendet werden kann. Bei der Wahl eines akzessorischen Sicherungsmittels ist dies gewährleistet, weil der Bestand des Sicherungsmittels vom Bestand der Forderung abhängig ist.176)

2.

Sicherung der bedingten Forderung des Arbeitnehmers

157 Der Umstand, dass der durch die Prämienvereinbarung begründete Anspruch des Arbeitnehmers bedingt ist, steht der Bestellung eines Pfandrechts gemäß § 1204 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Das Pfandrecht soll allein diesen Anspruch des Arbeitnehmers sichern, sodass die Voraussetzung der Bestimmbarkeit177) erfüllt ist.

158 Obwohl das Pfandrecht die bedingte Forderung auf Auszahlung der Bleibeprämie sichern soll, entsteht es bereits zum Zeitpunkt der Bestellung (in der Regel wird das Pfandrecht gleichzeitig mit der Vereinbarung der Bleibeprämie bestellt werden) und nicht erst mit Entstehung der gesicherten Forderung am Stichtag.178)

159 Erst wenn der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht bis zum Stichtag nicht ausgeübt hat, steht ihm ein Recht zur Verwertung des Pfandgegenstands zu.179) Macht er hingegen von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, vereitelt er den Bedingungseintritt und das Pfandrecht erlischt, weil die Forderung nicht mehr zur Entstehung gelangen kann.180) ___________ 176) Mitlehner, Mobiliarsicherheiten, Rn. 879; MünchKommInsO/Ganter, § 50 Rn. 26b; Palandt/ Bassenge, § 1204 Rn. 10. 177) Zum Erfordernis der Bestimmtheit bzw. der Bestimmbarkeit der Forderung BGH, Urt. v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 = NJW 1983, 1123, 1125; MünchKommBGB/ Damrau, § 1204 Rn. 23; Schulze/Schulte-Nölke, BGB, § 1204 Rn. 6; Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, § 127 Rn. 19. 178) Vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 = NJW 1983, 1123, 1125; BGH, Beschluss v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, NZI 1999, 116, 117; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 Rn. 13; a. A.: MünchKommBGB/Damrau, § 1204 Rn. 22. Die Bestellung ist auch für den Rang gemäß § 1209 BGB maßgebend. BGH, Urt. v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71 = NJW 1985, 863, 864; BGH, Beschluss v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, NZI 1999, 116, 117; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 Rn. 13, § 62 Rn. 11; Palandt/Bassenge, § 1209 Rn. 2, § 1204 Rn. 11; Jauernig/Chr. Berger, BGB, § 1204 Rn. 14; Schulze/SchulteNölke, BGB, § 1204 Rn. 6; MünchKommInsO/Ganter, § 50 Rn. 54. 179) Dem Pfandgläubiger steht ein Verwertungsrecht erst mit Entstehen der gesicherten Forderung zu (BGH, Urt. v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 = NJW 1983, 1123, 1125; BGH, Urt. v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71 = NJW 1985, 863, 864; Jauernig/Chr. Berger, BGB, § 1204 Rn. 14). 180) Vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 = NJW 1983, 1123, 1125; RG, Urt. v. 9.11.1934 – VII 185/34, RGZ 145, 328, 336; Palandt/Bassenge, § 1252 Rn. 1; MünchKommBGB/Damrau, § 1204 Rn. 22; Jauernig/Chr. Berger, BGB, § 1204 Rn. 14.

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D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers

3.

Verpfändungsgegenstand

Regelmäßig bietet sich eine Verpfändung von Forderungen des Arbeitgebers gegen 160 Drittschuldner an (§§ 1273 ff, 1280 ff. BGB), da die im Unternehmen vorhandenen Betriebseinrichtungen im Regelfall für die Fortführung des Betriebs benötigt werden. Die Verpfändung bereits entstandener Forderungen181) des Arbeitgebers gegen Drittschuldner an den Arbeitnehmer eignet sich grundsätzlich dazu, den Anspruch des Arbeitnehmers aus der Prämienvereinbarung zu sichern. Von Arbeitgeberseite ist jedoch zu bedenken, dass aufgrund des Publizitätserfordernisses der Drittanzeige gemäß § 1280 BGB182) die Gefahr besteht, dass die Gläubiger Kenntnis von der finanziellen Krise des Unternehmens erhalten,183) wodurch sich die Chancen der außergerichtlichen Sanierungsbemühungen unter Umständen nachhaltig verschlechtern könnten.

4.

Erforderliche Mitwirkung der Arbeitnehmer als Nachteil?

In Zusammenhang mit Altersteilzeitguthaben und Arbeitszeitkonten wird darauf 161 hingewiesen, dass in Anbetracht der Unwirksamkeit von Verfügungen zu Gunsten Dritter184), ein Verpfändungsmodell als ungeeignet erscheine, weil hier eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen sei.185) Die erforderliche Mitwirkung der Arbeit___________ 181) Um ein Absonderungsrecht zu begründen, muss das Pfandrecht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des verpfändenden Gläubigers entstanden sein, da ansonsten § 91 InsO dem Erwerb des Pfandrechts entgegensteht (BGH, Urt. v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, NJW-RR 2009, 755, 756, Rz. 27; BGH, Beschluss v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04, BGHZ 162, 187, 190 = NJW 2005, 1505, 1506; BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363, 365 = NJW 2006, 2485; MünchKommInsO/Ganter, § 50 Rn. 41a, Vorbemerkungen vor §§ 49 bis 52 Rn. 23; Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 37; Soergel/Habersack, § 1273 Rn. 7; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Merkel, Bankrechts-Handbuch, § 93 Rn. 50; Passarge, NZI 2006, 20, 22; a. A.: Nerlich/Kreplin/Riering, MAH InsO, § 32 Rn. 141). 182) Um die Sicherung der Forderung des Arbeitnehmers herbeizuführen, ist der Arbeitgeber gehalten, die Verpfändung unmittelbar nach der Einigung dem Drittschuldner anzuzeigen. Ein Absonderungsrecht des Arbeitnehmers kann nur dann zur Entstehung gelangen, wenn die Anzeige zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits vorgenommen worden ist, weil das Absonderungsrecht die wirksame Bestellung des Pfandrechts voraussetzt (MünchKommInsO/Ganter, § 50 Rn. 37; Nerlich/Römermann/Andres, § 50 Rn. 13; Mitlehner, Mobiliarsicherheiten, Rn. 908; Braun/Bäuerle, § 50 Rn. 4). Zum Zeitpunkt der Anzeige muss der Verpfänder hinsichtlich der Forderung noch verfügungsbefugt sein. Zeigt der Verpfänder die Verpfändung erst nach Eröffnung des Verfahrens an, steht § 91 Abs. 1 InsO dem Rechtserwerb entgegen (BGH, Urt. v. 10.3.2010 – IV ZR 207/08, NZI 2010, 702, 704; BGH, Urt. v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 = NJW 1958, 1286, 1288; ArbG Paderborn, Urt. v. 25.3.2011 – 4 Ca 924/10, BeckRS 2011, 74750, I. 1. d); Palandt/Bassenge, § 1280 Rn. 1; Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 44). 183) Andersen/Freihalter, Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz, Rn. 418; MünchKommInsO/Ganter, § 50 Rn. 4. 184) BGH, Urt. v. 8.7.1993 – IX ZR 222/92, BGHZ 123, 178 = NJW 1993, 2617; BGH, Urt. v. 17.4.1986 – IX ZR 54/85, NJW-RR 1986, 848, 849; Palandt/Bassenge, Einl v § 854 Rn. 12. 185) Küppers/Louven, BB 2004, 337, 340 f.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

nehmer an der Verpfändung führe zu einem erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand.186)

162 Bleibeprämien, die im Rahmen eines außergerichtlichen Sanierungsvorhabens in Aussicht gestellt werden, sollen gewöhnlich dazu dienen, einzelne Leistungsträger des Unternehmens, denen bei der Durchführung des Sanierungsvorhabens eine entscheidende Rolle zukommt, an das Unternehmen zu binden. Es handelt sich dabei um bestimmte Mitarbeiter, die ein spezielles Know-how oder eine bestimmte Position im Unternehmen besitzen. Anders als bei Altersteilzeitguthaben und Arbeitszeitkonten ist hier – abhängig vom Einzelfall, insbesondere von der Größe des Unternehmens und der Zahl der dort beschäftigten Fachkräfte – nur ein kleiner und überschaubarer Kreis an Mitarbeitern betroffen, sodass – auch wenn deren Mitwirkung zur Bestellung der Sicherheit erforderlich ist – der Verwaltungs- und Kostenaufwand relativ gering ausfallen dürfte.

163 Dieses Argument spricht daher nicht generell gegen die Eignung der Bestellung eines Pfandrechts zur Sicherung der aus der Prämienvereinbarung resultierenden Ansprüche.

III. Sicherungsübereignung/Sicherungszession 164 Als Sicherungsmittel kommen außerdem die Sicherungsübereignung oder die Sicherungszession in Betracht, welche ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO begründen.

1.

Vorteile für den Arbeitgeber

165 Eine Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers mittels einer Sicherungsübereignung oder einer Sicherungszession ist für den Arbeitgeber aufgrund der folgenden Aspekte vorteilhaft: Die Sicherungsübereignung ermöglicht es dem Arbeitgeber unmittelbarer Besitzer des Sicherungsgegenstands zu bleiben.187) Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn Gegenstände (bspw. Maschinen oder Fahrzeuge) als Sicherheit dienen sollen, diese aber für die Fortführung des Betriebs unentbehrlich und somit für das Gelingen des außergerichtlichen Sanierungsvorhabens entscheidend sind. Im Rahmen einer Sicherungszession besteht anders als bei der Verpfändung einer Forderung zudem keine Anzeigepflicht gegenüber dem Dritten.188) Forderungen können also als Sicherungsmittel verwendet werden, ohne dass Geschäftspartner und Lieferanten von den finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens erfahren. ___________ 186) Neumeier/Schaumann/Wiese, VW 2006, 1518; Skorczyk/Klups/Jacobsen, BB Beilage 2007, Nr. 004, 2, 11; Passarge, NZI 2006, 20, 23; Schietinger, Die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben, S. 70. 187) Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 6; BeckOK BGB/Kindl, § 930 Rn. 12. Der Sicherungsübereignung kommt daher die Funktion eines „besitzlosen Pfandrechts“ zu (MünchKommInsO/Ganter, § 51 Rn. 50; Schulze/Schulte-Nölke, BGB, § 930 Rn. 8). 188) Braun, DStR 1995, 1592, 1595.

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D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers

2.

Interessenlage des Arbeitgebers – bedingte Sicherheitengewährung

Es ist allerdings zu beachten, dass Sicherungsübereignung und Sicherungszession 166 nicht akzessorisch sind.189) Gelangt die zu sichernde Forderung nicht zur Entstehung, berührt dies nicht die Wirksamkeit der Sicherungsübereignung190) oder der Sicherungszession.191) Bei Vereinbarung einer Bleibeprämie ist es aufgrund der schwierigen finanziellen 167 Lage des Unternehmens nicht unwahrscheinlich, dass der aufschiebend bedingte Anspruch des Arbeitnehmers infolge seiner Eigenkündigung nicht zur Entstehung gelangt. Es liegt im Interesse des Arbeitgebers (insbesondere wenn das Inaussichtstellen einer Bleibeprämie nicht nur vereinzelt, sondern in mehreren Fällen als Mittel zur Mitarbeiterbindung eingesetzt wird), dass ihm bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung des Sicherungsmittels zusteht. Einen solchen müsste er gegebenenfalls zwangsweise gegen die jeweiligen Arbeitnehmer durchsetzen.192) Um diesem Interesse gerecht zu werden, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Sicherungsübereignung oder Sicherungszession unter eine Bedingung stellen.193) Zunächst kommt eine Vereinbarung der auflösenden Bedingung der Kündigung 168 seitens des Arbeitnehmers vor Erreichen des Stichtags in Betracht. Mit Bedingungseintritt würde die sicherungsübereignete Sache oder die zur Sicherheit abgetretene Forderung ohne Zutun des Sicherungsnehmers, d. h. automatisch, an den Sicherungsgeber zurückfallen (§ 158 Abs. 2 BGB).194) Es erscheint jedoch vorzugswürdig, die Übertragung des Eigentums oder die Abtre- 169 tung der Forderung195) unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass die zu sichernde Forderung entsteht196), sodass das Eigentum zunächst beim Arbeitgeber verbleibt, denn als nicht akzessorisches Sicherungsrecht gewähren Sicherungsübereignung und Sicherungszession mehr Befugnisse als nach dem verfolgten Sicherungszweck nötig wäre. Der Sicherungsnehmer hätte ansonsten die Möglichkeit, entgegen

___________ 189) 190) 191) 192) 193) 194) 195) 196)

Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Handbuch, § 90 Rn. 25. BeckOK BGB/Kindl, § 930 Rn. 22. MünchKommInsO/Ganter, § 51 Rn. 38. Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Handbuch, § 90 Rn. 35, 121, 619; § 95 Rn. 165. Vgl. HeidelbergerKommInsO/Lohmann, § 51 Rn. 15. MünchKommInsO/Ganter, § 51 Rn. 16; Braun, DStR 1995, 1592, 1594. BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87= NJW 2003, 2744, 2746. BGH, Urt. v. 30.10.1990 – IX ZR 9/90, NJW 1991, 353, 354; Schulze/Schulte-Nölke, BGB, § 930 Rn. 17. So wird quasi ein „Akzessorietätsersatz“ geschaffen (Schimansky/Bunte/Lwowski/ Ganter, Bankrechts-Handbuch, § 90 Rn. 31; MünchKommInsO/Ganter, § 51 Rn. 14; BeckOK BGB/Kindl, § 930 Rn. 14).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

des Sicherungsvertrags vertragswidrige Verfügungen vorzunehmen.197) Selbst wenn der vereinbarte Stichtag in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, gehören der Gegenstand oder die Forderung nicht zur Masse, denn solche bedingt begründeten Rechte werden im Insolvenzfall als bereits bestehend behandelt.198)

170 Es ist dem Arbeitgeber somit möglich, mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren, dass der Gegenstand bzw. die Forderung nur für den Fall auf den Arbeitnehmer übertragen wird, dass dieser bis zum Stichtag keinen Gebrauch von seinem Kündigungsrecht gemacht hat. Dabei ist es unschädlich, dass der Bedingungseintritt ausschließlich von der Willensentschließung des Arbeitnehmers abhängig ist.199)

IV. Doppeltreuhand 171 Eine weitere Möglichkeit, dem Anspruch des Arbeitnehmers zur Insolvenzfestigkeit zu verhelfen, besteht darin, einen Dritten als Treuhänder einzusetzen. Durch die Übertragung bestimmter Vermögenswerte auf einen Treuhänder können diese aus dem Vermögen des Unternehmens ausgegliedert und so vor einem Zugriff seitens der übrigen Gläubiger geschützt werden. Im Insolvenzfall könnten diese Vermögenswerte dann zur Erfüllung der Prämienansprüche der betroffenen Leistungsträger dienen.200)

1.

Konstruktion

172 Das Modell der Doppeltreuhand wird in der Praxis zur Sicherung von Altersteilzeit-201) oder Arbeitszeitkonten202) verwendet. Das Unternehmen überträgt Vermö___________ 197) Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Handbuch, § 90 Rn. 30; BeckOK BGB/ Kindl, § 930 Rn. 13; Braun, DStR 1995, 1592, 1595. Der Sicherungseigentümer wird Eigentümer mit allen Rechten des § 903 BGB (Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, BankrechtsHandbuch, § 95 Rn. 11). 198) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, NZI 2006, 229, 230, Rz. 13; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87= NJW 2003, 2744, 2746; BGH, Urt. v. 30.11.1977 – VIII ZR 26/76, BGHZ 70, 75 = NJW 1978, 642, 643; MünchKommInsO/Breuer, § 91 Rn. 36; Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 52; HeidelbergerKommInsO/Kayser, § 91 Rn. 8; K/P/B/ Lüke, § 91 Rn. 18. Das ergibt sich aus § 161 Abs. 1 S. 2 BGB (Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 52; MünchKommInsO/Breuer, § 91 Rn. 36; HeidelbergerKommInsO/Kayser, § 91 Rn. 8; K/P/B/Lüke, § 91 Rn. 19). Dies setzt voraus, dass nur noch der Bedingungseintritt aussteht (HeidelbergerKommInsO/Kayser, § 91 Rn. 8; K/P/B/Lüke, § 91 Rn. 18). 199) Der BGH (Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, NZI 2006, 229, 230, Rz. 17, 19) hat dies für den Fall entschieden, dass als aufschiebende Bedingung die Ausübung eines vertraglichen Kündigungsrechts vereinbart wurde. Für die Nichtausübung des Kündigungsrechts kann nichts anderes gelten. 200) Vgl. BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, BAGE 108, 1 = NZA 2004, 980, 982. 201) Siehe dazu BAG, Urt. v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, BAGE 112, 214 = NZA 2005, 408; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, BeckRS 2012, 73356; ArbG Paderborn, Urt. v. 25.3.2011 – 4 Ca 924/10, BeckRS 2011, 74750; Rüger, NZI 2012, 488. § 8a AltTzG schreibt eine spezielle Insolvenzsicherung verbindlich vor; in der Gesetzesbegründung wird das Modell der doppelseitigen Treuhand als ein mögliches Sicherungsmittel aufgeführt (BT-Drucks. 15/1515, S. 134). 202) BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, BAGE 108, 1 = NZA 2004, 980, 981.

54

D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers

gen auf einen Treuhänder, der dieses sowohl für den Treugeber als auch für den Dritten hält.203) Der Treuhandvertrag zwischen dem Unternehmen und dem Treuhänder stellt eine Verwaltungstreuhand dar.204) Daneben schließen das Unternehmen und der Treuhänder einen echten Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 Abs. 1 BGB zugunsten der betreffenden Arbeitnehmer. Dadurch wird ein Sicherungstreuhandverhältnis zwischen dem Treuhänder und dem oder den Arbeitnehmern begründet.205) Dem Arbeitnehmer steht daraus im Sicherungsfall ein unmittelbarer Zahlungsanspruch in Höhe seines Anspruchs gegen den Treuhänder zu.206) Trotz dieser Konstruktion bleibt das Unternehmen Schuldner des Anspruchs des Arbeitnehmers.207) Der Sicherungsfall ist so zu definieren, dass er dann eintritt, wenn das Unterneh- 173 men seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt und bis zum Stichtag keine Arbeitnehmerkündigung vorliegt. Vereinbaren das Unternehmen und der Treuhänder, dass eine Rückübertragung des 174 Vermögens nur in Betracht kommt, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers in Folge seiner Kündigung nicht entsteht oder der entstandene Anspruch durch das Unternehmen beglichen wurde, sodass eine Sicherung nicht mehr erforderlich ist, wird der Rückübertragungsanspruch des Unternehmens beschränkt, wodurch dem Nichtigkeits- und Anfechtungsrisiko vorgebeugt wird.208)

2.

Insolvenzfestigkeit

Das Modell der Doppeltreuhand ist grundsätzlich geeignet, Ansprüche von Arbeit- 175 nehmern gegen ihre Arbeitgeber abzusichern.

___________ 203) Küppers/Louven, BB 2004, 337, 342 f. 204) Vgl. Küppers/Louven, BB 2004, 337, 340. 205) LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, NZI 2012, 282, 284; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, BeckRS 2012, 73356; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, Rz. 71; vgl. Bork, NZI 1999, 337, 339; Rüger, NZI 2012, 488, 489 f.; Passarge, NZI 2006, 20, 23; Rößler, BB 2010, 1405, 1408; a. A.: Thole, KTS 2014, 45, 47 ff., der davon ausgeht, dass es nur ein Treuhandverhältnis (die Abrede zwischen Treuhänder und Treugeber) gebe. Dieses Treuhandverhältnis sei eine Kombination zwischen Verwaltungs- und Sicherungstreuhand. 206) LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, NZI 2012, 282, 284; LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2011 – 14 Sa 1338/10, Rz. 141; Rüger, NZI 2012, 488, 489; Grewe/ Schneider, BB 2012, 2380; Küppers/Louven/Schröder, BB 2005, 763 f.; Küppers/Louven, BB 2004, 337, 340; Bork, NZI 1999, 337, 339; Rößler, BB 2010, 1405, 1408. 207) Küppers/Louven, BB 2004, 337; Rößler, BB 2010, 1405, 1408 f. 208) Vgl. Küppers/Louven, BB 2004, 337, 340.

55

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

a) Kein Erlöschen der Sicherungstreuhand 176 Bei der zwischen Arbeitgeber und Treuhänder vereinbarten Verwaltungstreuhand handelt es sich in der Regel um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der gemäß §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt, sodass der Treuhänder grundsätzlich zur Herausgabe des auf ihn übertragenen Vermögens verpflichtet ist (§§ 675, 667 BGB)209). Daneben tritt jedoch die durch den Vertrag zugunsten Dritter begründete Sicherungstreuhand im Interesse des Arbeitnehmers. Diese stellt ein eigenständiges Rechtsverhältnis dar, welches von der Verwaltungstreuhand unabhängig ist.210) Auf dieses finden die §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO keine Anwendung.211)

___________ 209) BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 171, Rz. 44 f., dazu EWiR 2013, 733 (Mückl); Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 83. 210) BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 171, Rz. 48; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 = NJW 1990, 45, 47; LAG BerlinBrandenburg, Urt. v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, NZI 2012, 282, 284; LAG BerlinBrandenburg, Urt. v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, BeckRS 2012, 73356; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, Rz. 71; Küppers/Louven/Schröder, BB 2005, 763, 764; Passarge, NZI 2006, 20, 23; Bitter, FS Ganter, S. 101, 127; a. A.: MünchKommInsO/Ott/Vuia, § 116 Rn. 25. Thole, KTS 2014, 45, 56, der davon ausgeht, dass nur ein Treuhandverhältnis (eine Kombination aus Verwaltungs- und Sicherungstreuhand) besteht, ist der Auffassung, dass im Rahmen dieses einen Treuhandverhältnisses die Sicherungstreuhand im Vordergrund stehe, weswegen die §§ 115, 116 InsO nicht passten. 211) Die Frage, warum die §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO keine Anwendung auf das Sicherungstreuhandverhältnis finden, wird unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird angenommen, der Treuhänder sei insoweit nicht Geschäftsbesorger des Unternehmens, sondern des Arbeitnehmers (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, NZI 2012, 282, 284; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, BeckRS 2012, 73356; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, Rz. 71). Rüger, NZI 2012, 488, 491 stellt auf den Sinn und Zweck von § 115 Abs. 1 InsO ab. Dieser sei darin zu sehen, dass die Verwaltungsbefugnis über die Insolvenzmasse ab Verfahrenseröffnung beim Insolvenzverwalter liege. Im Rahmen der Sicherungstreuhand hielte der Treuhänder aufgrund der Sicherungsabrede Zweckvermögen zur Sicherung der Ansprüche Dritter. Dessen Verwertung greife nicht in die Verwaltungstätigkeit des Insolvenzverwalters ein, weswegen die §§ 115, 116 InsO hier teleologisch zu reduzieren und daher nicht anzuwenden seien; vgl. auch BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 172, Rz. 49. Bork, NZI 1999, 337, 341 ist der Auffassung, der Treugeber habe dem Treuhänder die Anweisung erteilt, bei Eintritt des Sicherungsfalls das Sicherungsgut auf den Dritten zu übertragen, welche der Treuhänder auch angenommen habe. Für eine bereits angenommene Anweisung habe § 115 InsO keine Geltung, sodass diese unabhängig vom Schicksal des Auftragsverhältnisses bestehen bliebe. Nach Ansicht von Passarge, NZI 2006, 20, 23 hat die Insolvenz des Unternehmens, gleich ob das Deckungsverhältnis zwischen Unternehmen und Treuhänder in den Anwendungsbereich der §§ 115, 116 InsO fällt, jedenfalls keine Auswirkungen auf das zwischen Treuhänder und Arbeitnehmer bestehende Valutaverhältnis.

56

D. Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers

b) Absonderungsrecht Das Modell der Doppeltreuhand in der Insolvenz des Unternehmens begründet 177 lediglich ein Absonderungsrecht,212) da das übertragene Vermögen wirtschaftlich gesehen zur Insolvenzmasse gehört.213) Dieses steht dem Treuhänder – nicht dem Dritten – zu.214) Das Bestehen eines Aussonderungsrechts würde voraussetzen, dass das Vermögen der 178 endgültigen Befriedigung dienen soll und somit aus dem Vermögen ausscheidet.215) Bei der Doppeltreuhand sollen die Ansprüche des Begünstigten dinglich gesichert 179 werden. Sofern der Sicherungszweck entfällt, kommt es zu einer Rückübertragung des Vermögens auf den Treugeber. Bei wirtschaftlicher Betrachtung steht das Doppeltreuhandmodell der Verpfändung daher näher als der Übereignung.216) Dies wird insbesondere in dem hier erörterten Fall deutlich. Die Entstehung des Anspruchs des Arbeitnehmers ist vom Bedingungseintritt abhängig und somit im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung ungewiss. Sollte der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht ausüben, bevor der Stichtag erreicht ist, besteht ein Rückübertragungsanspruch des Unternehmens. Das Vermögen soll daher nicht endgültig aus dem Unternehmensvermögen ausgegliedert werden, sondern nur einen eventuell zur Entstehung gelangenden Anspruch sichern. ___________ 212) Für Altersteilzeitverhältnis BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 169 f., Rz. 24; LAG Hamm, Urt. v. 6.3.2013 – 6 Sa 976/12, BeckRS 2013, 68225; Bork, NZI 1999, 337, 341; Passarge, NZI 2006, 20, 23; Laier, GWR 2010, 184, 185; Bitter, FS Ganter, S. 101, 133; Küppers/Louven, BB 2004, 337, 343; Küppers/Louven/Schröder, BB 2005, 763, 765; Rüger, NZI 2012, 488, 490; anders LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.10.2011 – 5 Sa 1310/11, NZI 2012, 282, 286 und Urt. v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, BeckRS 2012, 73356, das ein Aussonderungsrecht in den von ihm zu entscheidenden Fällen annimmt, weil es davon ausgeht, dass der auf einem Depotkonto hinterlegte Betrag nicht zur Insolvenzmasse gehört (Altersteilzeitentgeltansprüche im Blockmodell). 213) Hess/Weis/Wienberg/Weis, § 47 Rn. 236. Der Vergleich der doppelseitigen Treuhand mit einer Sicherungszession oder einer Sicherungsübereignung stützt dieses Ergebnis. Gemäß § 51 Nr. 1 InsO begründen sie lediglich ein Absonderungsrecht. Sie können ebenfalls als Sicherungstreuhandverhältnisse angesehen werden, bei denen der Gläubiger Inhaber und zugleich Treuhänder des Sicherungsgutes ist. Der Fall, dass ein neutraler Dritter statt dem Gläubiger selbst das Sicherungsgut für diesen verwaltet, kann nicht anders behandelt werden (BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 = NJW 1990, 45, 47; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, Rz. 72; Küppers/Louven, BB 2004, 337, 343. Siehe auch BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 169 f., Rz. 24). Hinzu kommt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Geld gerichtet ist. Nach Verwertung des Vermögensgegenstands kann der Anspruch aus dem Erlös befriedigt werden. Die Annahme eines Absonderungsrechts ist deswegen ausreichend, um den Interessen des Arbeitnehmers gerecht zu werden (Rüger, NZI 2012, 488, 490; vgl. MünchKommInsO/Ganter, § 47 Rn. 381). 214) BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 = NJW 1990, 45, 47; LAG Nürnberg, Urt. v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, Rz. 72; Bitter, FS Ganter, S. 101, 133. 215) LAG Hamm, Urt. v. 6.3.2013 – 6 Sa 976/12, BeckRS 2013, 68225; Rüger, NZI 2012, 488, 490. 216) Rüger, NZI 2012, 488, 490; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 125 zu § 58 RegE InsO; vgl. MünchKommInsO/Ganter, § 51 Rn. 9.

57

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

3.

Vor- und Nachteile

180 Zwar ist eine doppelseitige Treuhand zur Sicherung des Prämienanspruchs des Arbeitnehmers geeignet; diese Konstruktion dürfte in den meisten Fällen aus Kostengründen wohl nicht sinnvoll sein. Da die Doppeltreuhand über einen Vertrag zugunsten Dritter zustande kommt (§ 328 BGB), ist die Mitwirkung des Arbeitnehmers als Begünstigtem nicht erforderlich.217) Anders als bei Arbeitszeit- oder Altersteilzeitkonten sollen durch die Bleibeprämie im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsversuchs die Leistungsträger zum Verbleib im Unternehmen motiviert werden. Je nach Größe und Mitarbeiterzahl des Unternehmens handelt es sich nur um eine geringe Anzahl der zu bindenden Mitarbeiter. Eine Mitwirkung an der Sicherheitenbestellung ist daher nicht mit einem erhöhten Arbeits- und Verwaltungsaufwand verbunden. Anders ist dies bei der Konstruktion der Doppeltreuhand, die die Einschaltung eines Dritten als Treuhänder erforderlich macht. Dies führt zu einer zusätzlichen Kostenbelastung. Ferner hat die Übertragung von Vermögen auf den Treuhänder einen sofortigen Liquiditätsabfluss zur Folge218), was ein nicht unerhebliches Argument gegen die Praktikabilität dieser Konstellation darstellen dürfte.

181 Ein solches Modell erscheint daher nur für den Fall sinnvoll, dass aufgrund der Größe des Unternehmens und der Komplexität der Abläufe der Verbleib einer Vielzahl der vorhandenen Arbeitnehmer für eine erfolgversprechende Durchführung des Sanierungsvorhabens notwendig ist.

V. Ergebnis 182 Die soeben dargelegten Sicherungsmöglichkeiten haben jedenfalls allesamt zur Folge, dass im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers abgesonderte Befriedigung verlangt werden kann. Sie sind folglich geeignet, die Chancen auf den Verbleib des Arbeitnehmers im Unternehmen zu erhöhen, da er bei Bedingungseintritt Befriedigung in voller Höhe erwarten darf.

E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie 183 Anfechtungsrechtliche Fragen stellen sich insbesondere in dem Fall, dass die Prämie vor Verfahrenseröffnung nach Ablauf des Stichtags bereits gezahlt wurde. Dem Insolvenzverwalter wird in der Regel daran gelegen sein, erfolgte Zahlungen anzufechten. Auf die Anfechtbarkeit der Erfüllungshandlung wirkt es sich jedoch aus, ob die Vereinbarung der Bleibeprämie und somit die Begründung des Anspruchs des Arbeitnehmers der Anfechtung unterliegt. Die Anfechtungsrisiken hinsichtlich Bleibeprämienvereinbarungen sollen deswegen zunächst in den Blick genommen werden. ___________ 217) Siehe Küppers/Louven, BB 2004, 337, 342. 218) Schietinger, Die Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben, S. 69.

58

E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

Eine Bleibeprämienvereinbarung wird regelmäßig in Krisenzeiten oder zu einem 184 Zeitpunkt abgeschlossen, in dem sich die Krise bereits abzeichnet. Wird in Folge des Scheiterns des Sanierungsvorhabens das Insolvenzverfahren eröffnet, ist dem Insolvenzverwalter daran gelegen, die Insolvenzmasse zu vergrößern. Er wird daher versuchen, die bestehende(n) Prämienvereinbarung(en) anzufechten. Dabei sollte folgende Überlegung im Hinterkopf behalten werden: Sofern sich die 185 betroffenen Arbeitnehmer im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gefahr der Anfechtbarkeit der Prämienvereinbarung ausgesetzt sähen, würde das einer effektiven Mitarbeiterbindung in Krisenzeiten entgegenstehen. Die Bleibeprämie soll den Leistungsträger dafür entschädigen, dass er sich dem Risiko des Scheiterns der Sanierungsbemühungen und den für ihn damit verbundenen Folgen bewusst aussetzt. Ist die Entschädigung für die Inkaufnahme eines Risikos jedoch selbst für den Arbeitnehmer mit Risiken behaftet  namentlich mit dem Risiko, dass infolge einer Anfechtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Anspruch auf Auszahlung mehr besteht , verfehlt die Prämienvereinbarung ihren Zweck. Die Bereitschaft der für die Durchführung des Sanierungsplans notwendigen Know-howTräger, das Sanierungsvorhaben mitzutragen, würde sinken und so eine außergerichtliche Sanierung erschweren. Allerdings müssen auch die Interessen der übrigen Gläubiger in angemessener Weise berücksichtigt werden. Auch der Gläubigergesamtheit dürfte ex ante daran gelegen sein, dass die Zahlungsfähigkeit ihres Schuldners in Folge einer erfolgreichen außergerichtlichen Sanierung erhalten bleibt. Scheitert das Sanierungsvorhaben jedoch, führen die Ansprüche der Leistungsträger aus den bestehenden Prämienvereinbarungen zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse und wirken sich somit negativ auf die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger aus.

I.

Objektive Gläubigerbenachteiligung durch Abschluss der Prämienvereinbarung

Zur Frage, ob der Abschluss der Prämienvereinbarung die Gläubiger objektiv be- 186 nachteiligt, führt das Bundesarbeitsgericht aus, der Arbeitgeber schaffe dadurch eine neue Verbindlichkeit und vermehre somit die Passiva. Die Begründung einer Forderung, die im späteren Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit zu befriedigen sei, verringere die Befriedigungsaussichten der anderen Gläubiger des Unternehmens, sodass jedenfalls eine mittelbare objektive Gläubigerbenachteiligung anzunehmen sei.219)

___________ 219) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 42, Rz. 48; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 48; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 143, Rz. 46.

59

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

187 Im Ergebnis ist dem Bundesarbeitsgericht zuzustimmen. Auch wenn man die begründete Verbindlichkeit lediglich als Insolvenzforderung qualifiziert, erhöhen sich für den Insolvenzfall die Passiva. Auch die Begründung einer weiteren Insolvenzforderung hat Auswirkungen auf die Quote, die die Gläubiger im späteren Insolvenzverfahren erhalten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung lässt sich daher problemlos bejahen.

188 Eine solche ist für die meisten Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung ausreichend.220)

II. § 134 Abs. 1 InsO 189 Als Anfechtungstatbestand kommt zunächst § 134 Abs. 1 InsO in Betracht. Die Prämienvereinbarung wird als Teil eines Sanierungsvorhabens in der Regel innerhalb des für § 134 Abs. 1 InsO relevanten Vierjahreszeitraums liegen.

1.

Prämienzusage als Leistung i. S. d. § 134 InsO?

190 Die Zusage der Prämie durch den Arbeitgeber stellt das Verpflichtungsgeschäft dar. Durch die Vereinbarung einer Bleibeprämie verpflichtet sich der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer eine Prämie in vereinbarter Höhe zu zahlen, sofern der Arbeitnehmer bis zu einem festgesetzten Stichtag im Unternehmen verbleibt.

191 Es ist umstritten, ob die Übernahme von Verpflichtungen unter den Leistungsbegriff des § 134 InsO fällt und somit der Anfechtbarkeit nach diesem Tatbestand unterliegt. Henckel vertritt unter Verweis auf § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO die Auffassung, § 134 InsO finde keine Anwendung auf Verpflichtungsgeschäfte.221) Die vorherr-

___________ 220) Im Rahmen der Anfechtung nach § 134 InsO kann es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlen, sofern der Anfechtungsgegner die ihm zustehende Forderung unentgeltlich erlangt hat. Die Forderung ist dann gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nachrangig. Sind keine anderen nachrangigen Insolvenzgläubiger vorhanden, fehlt es an einer Beeinträchtigung der übrigen Gläubiger. Siehe K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 12. 221) Henckel argumentiert, es bedürfe keiner Erstreckung der Anfechtbarkeit nach § 134 InsO auf Verpflichtungen. Zwar könnten die Forderungen dann nicht durch den Insolvenzverwalter nach § 146 Abs. 2 InsO abgewehrt werden, dies sei jedoch in Anbetracht von § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO unschädlich. Unentgeltliche Verpflichtungen benachteiligten lediglich Gläubiger, die im Rang nachfolgen. Aufgrund der Rangfolge von § 39 InsO müssten diese Gläubiger solche Forderungen jedoch hinnehmen, weil ansonsten die Rangordnung des § 39 InsO untergraben würde. Die Frage, ob eine Leistung als entgeltlich oder unentgeltlich zu bewerten sei, bestimme sich nach dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft, sodass die Erfüllung eines Schenkungsversprechens immer eine unentgeltliche Verfügung sei. Das Kausalgeschäft bliebe unangefochten weiter bestehen; anfechtbar sei nur die Erfüllungshandlung (Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 37). Siehe auch Schlinkmann, Der Begriff der Unentgeltlichkeit im Insolvenzrecht, S. 187 ff.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

schende Auffassung geht allerdings davon aus, dass auch Verpflichtungsgeschäfte unter den Tatbestand des § 134 Abs. 1 InsO subsumiert werden können.222) Folgt man der Auffassung Henckels würde die Anfechtung der Prämienzusage nach 192 § 134 Abs. 1 InsO bereits an der fehlenden Anwendbarkeit dieser Norm auf Verpflichtungsgeschäfte scheitern. In den bisher ergangenen Entscheidungen der Rechtsprechung ist die Prämienzu- 193 sage des Arbeitgebers dagegen durchweg als Leistung i. S. d. § 134 Abs. 1 InsO angesehen worden.223) Dies ist insoweit konsequent, als dass die Argumentation Henckels nicht greift, wenn man den Anspruch des Arbeitnehmers mit dem Bundesarbeitsgericht und der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München als Masseverbindlichkeit einordnet, weil Masseverbindlichkeiten nicht unter § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO fallen. Wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt und davon ausgeht, dass es sich 194 bei dem durch die Prämienvereinbarung begründeten Anspruch um eine Insolvenzforderung handelt, kommt es auf diesen Streit jedenfalls dann nicht an, wenn die Tatbestandsvoraussetzung der Unentgeltlichkeit zu verneinen ist. ___________ 222) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 38; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 48; Prütting, KTS 2005, 253, 255; Braun/de Bra, § 134 Rn. 7; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 134 Rn. 5; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 6; K/S/W/Schäfer, § 134 Rn. G23; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 14; von Campe, Die Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 203; L/S/Z/Zeuner, § 134 Rn. 7; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 17; Gottwald/Huber, § 49 Rn. 10; Andres/Leithaus/Leithaus, § 134 InsO Rn. 3; HeidelbergerKommInsO/Thole, § 134 Rn. 6, HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 3; Graf-Schlicker/Huber, InsO, § 134 Rn. 3; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 10, 12; so schon zur KO BGH, Urt. v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121/79 = NJW 1993, 663; siehe auch BGH, Urt. v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 = NJW 1972, 48 zu § 3 AnfG. Der Zweck von § 134 InsO gebiete eine weite Auslegung des Leistungsbegriffs (BGH, Urt. v. 8.11.2012 – IX ZR 77/11, BeckRS 2012, 23763, Rz. 29; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 37; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 48; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 5; Graf-Schlicker/ Huber, InsO, § 134 Rn. 3; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 9). Der Abschluss von Verträgen mit Übernahme von Leistungspflichten durch den Schuldner sei folglich als Leistung im Sinne des § 134 InsO anzusehen. Ausreichend sei, dass durch die Handlung des Schuldners eine Minderung des Schuldnervermögens eintrete; dies sei bei der Übernahme vertraglicher Verpflichtungen der Fall (BGH, Urt. v. 8.11.2012 – IX ZR 77/11, BeckRS 2012, 23763, Rz. 30; BGH, Urt. v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 = NJW 1993, 663; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 38). Zwar seien Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nachrangige Insolvenzforderungen, dies habe aber keine Auswirkungen auf den Anwendungsbereich von § 134 Abs. 1 InsO sondern führe lediglich dazu, dass es mangels weiterer nachrangiger Gläubiger an dem Merkmal der Gläubigerbenachteiligung nach § 129 InsO fehlen könne (K/S/W/Schäfer, § 134 Rn. G 23; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 6; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 17; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 3; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 12). 223) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 48; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 588; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

2.

Unentgeltlichkeit der Prämienzusage

195 Maßgeblich für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit224) ist trotz der aufschiebenden Bedingung gemäß § 140 Abs. 1, 3 InsO der Zeitpunkt, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass die künftige Betriebstreue durch eine Prämie honoriert werden soll.225)

196 Es kommt darauf an, ob der Einräumung der Forderung gegen den Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß eine Gegenleistung gegenübersteht. Es handelt sich um ein Zweipersonenverhältnis, weswegen der Arbeitnehmer eine Gegenleistung erbringen muss, die der durch den Arbeitgeber eingegangenen Prämienverpflichtung entspricht.226) Hierbei muss es sich jedoch nicht um eine Gegenleistung i. S. d. § 320 BGB handeln.227)

a) Beurteilung der Frage der Unentgeltlichkeit in der Rechtsprechung – Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts 197 Zur Frage der Unentgeltlichkeit einer Prämienvereinbarung haben bisher verschiedene Kammern des Landesarbeitsgerichts München, die 5. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts und zuletzt auch der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts Stellung bezogen. Die Gerichte kamen zu teils unterschiedlichen Ergebnissen.

aa) 10. und 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München, 5. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts: Unentgeltlichkeit 198 Die 10. und 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München sowie die 5. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts sehen in der Zusage, eine Bleibeprämie auszuzahlen, eine unentgeltliche Leistung des späteren Insolvenzschuldners, sodass eine Anfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO in Betracht kommt.228) Als Begründung ___________ 224) Der BGH hat bereits entschieden, dass es sich bei einer freiwilligen Weihnachtszuwendung um eine entgeltliche Leistung handelt, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 zu § 32 KO. Siehe auch K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 40; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 208. Diese Leistung sollte aber besonderen Diensteifer belohnen und stellt somit eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit dar. 225) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41 f., Rz. 47; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 47; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 143, Rz. 45. 226) Siehe zu Verpflichtungsgeschäften BGH, Urt. v. 8.11.2012 – IX ZR 77/11, BeckRS 2012, 23763, Rz. 31 f.; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 39 f. 227) K/P/B/Bork, § 134 Rn. 37. 228) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 53, 62; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 67; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 588 f.; LAG München, Urt. v. 3.8.2011 – 10 Sa 183/11, Rz. 73; so ebenfalls Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 5.6.2012 – 5 Sa 303/11, Rz. 45 ff.; dazu tendiert auch Fuhst, GWR 2012, 254.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

wird angeführt, dass eine solche Zahlung ausschließlich den Verbleib im Betrieb und nicht etwa eine zusätzliche Arbeitsleistung voraussetze.229) Dies gelte insbesondere dann, wenn nach der getroffenen Vereinbarung ein Anspruch auch für den Fall der Freistellung oder der Kündigung durch den Arbeitgeber bestehen bleiben solle.230) Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sei ohnehin geschuldet und bereits durch den Arbeitslohn abgegolten, sodass diese nicht als Gegenleistung für die Bleibeprämie gesehen werden könne.231) Ferner setze eine solche Vereinbarung i. d. R. keine Präsenz im Unternehmen voraus. Ein Anspruch bestünde auch für Urlaubsoder Elternzeit und somit müsse überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht werden.232) Als Gegenleistung käme daher nur die Nichtausübung des Kündigungsrechts in Betracht. Der reine Verbleib im Betrieb habe aber keinen Vermögenswert.233) Dies ergebe sich auch daraus, dass es sich nicht um einen Verzicht handele, weil der Arbeitnehmer weiterhin von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen könne.234) Teilweise wird argumentiert, dass für die Unentgeltlichkeit der Leistung gemäß 199 § 140 InsO der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs maßgeblich sei. Abzustellen sei auf das Verpflichtungsgeschäft und somit auf den Zeitpunkt der Zusage der Leistung, sofern es noch nicht zur Erfüllungshandlung gekommen ist. Aus diesem Blickwinkel käme dem bloßen Verbleib in der Firma jedoch kein messbarer Gegenwert zu.235) Es handele sich außerdem „um einen rein hypothetischen Vorgang“, denn die Auszahlung der Prämie sei unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer eine andere Stelle in Aussicht hatte und somit wirklich bewusst auf die Ausübung seines Kündigungsrechts verzichtete.236)

bb) 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München: Entgeltlichkeit Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München spricht sich indes für die An- 200 nahme einer entgeltlichen Leistung aus.237) Die Betriebstreue des Arbeitnehmers ___________ 229) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 64; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 70; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 588. 230) LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 70; LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 64. 231) Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 5.6.2012 – 5 Sa 303/11, Rz. 47; so auch ArbG München, Schlussurteil v. 8.12.2010 – 37 Ca 6586/09, BeckRS 2013, 66467. 232) Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 5.6.2012 – 5 Sa 303/11, Rz. 50. 233) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589. 234) Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 5.6.2012 – 5 Sa 303/11, Rz. 49. 235) LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 66 f.; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 73 f.; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589. 236) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589. 237) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592 f.; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 65; Nungeßer, NZI 2012, 877, 879.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

stelle einen Vermögensvorteil dar, der dem späteren Insolvenzschuldner zugute komme.238) Durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sei ein Rückgriff auf die Arbeitskraft des Leistungsträgers möglich, worin ein objektiver Gegenwert liege.239) Die Kammer führt weiter aus, dass zwar keine rechtliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Verbleib im Betrieb begründet werde, die Auszahlung der Bleibeprämie aber erst nach erbrachter Betriebstreue erfolge, sodass es sich nicht nur um eine bloße Hoffnung oder Erwartung handele.240) Der Verbleib von Leistungsund Know-how-Trägern im Betrieb stelle einen Vermögensvorteil für eine geplante Sanierung und Restrukturierung dar.241)

cc) 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts: Entgeltlichkeit 201 Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts schließt sich im Ergebnis der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München an und kommt zu dem Schluss, die Zusage einer Bleibeprämie sei keine unentgeltliche Leistung i. S. v. § 134 Abs. 1 InsO.242) Dem Insolvenzschuldner fließe eine objektiv werthaltige Gegenleistung für die Zusage der Bleibeprämie zu.243) Die Gegenleistung liege nicht in der Arbeitsleistung sondern in der vom Arbeitnehmer geleisteten Betriebstreue.244) In wirtschaftlichen Krisensituationen sei der Verbleib von Führungskräften und Leistungsträgern von entscheidender Bedeutung für die Fortentwicklung des Unternehmens, insbesondere bei der Suche nach Investoren. Bei solchen könne im Falle der Abwanderung von Mitarbeitern der Eindruck entstehen, dass Führungskräfte und Leistungsträger das Sanierungsbemühen für wenig erfolgversprechend halten. Ferner bliebe ein Rückgriff auf das bereits vorhandene Know-how möglich.245) Der betroffene Arbeitnehmer nehme auch finanzielle Risiken in Kauf, um weiterhin betriebstreu zu bleiben. So setze er sich der Gefahr eines insolvenzbedingten Ausfalls von Vergütungsan___________ 238) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592. 239) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 593; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 68; zustimmend Mückl, ZIP 2012, 1642, 1647, der darauf hinweist, dass § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG dafür spreche, dass der Gesetzgeber die Werthaltigkeit der Leistung qualifizierter Arbeitnehmer anerkenne. 240) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 593; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 69; so auch Mückl, ZIP 2012, 1642, 1647. 241) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 67; Krings, BB 2012, 831 nimmt eine Entgeltlichkeit zumindest im Falle einer bestehenden Sanierungschance an. 242) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 49; zustimmend Mückl, EWiR 2014, 55, 56. 243) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 52; zustimmend Gottwald/ Huber, § 49 Rn. 14; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 43. 244) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 55 f.; Uhlenbruck/Ede/ Hirte, § 134 Rn. 156. 245) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 57.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

sprüchen aus. Er nehme nicht wie ein Beschenkter lediglich etwas entgegen, sondern erbringe eine eigene Leistung, nämlich die Betriebstreue in Krisenzeiten.246) Bezüglich der Frage, ob diese Gegenleistung den Wert der Leistung erreicht, stehe 202 den Beteiligten ein angemessener Bewertungsspielraum zu.247) Zur Klärung der Frage, ob sich die Beteiligten innerhalb ihres angemessenen Bewertungsspielraums hinsichtlich der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung bewegen, könnten nicht die Grundsätze herangezogen werden, die das Bundesarbeitsgericht zu der zulässigen Bindungsdauer einer Rückzahlungsklausel in Abhängigkeit von der Gratifikationshöhe entwickelt hat. In Krisenzeiten sei ein erheblicher Zuschlag erforderlich um Führungskräfte und Leistungsträger zum Verbleib im Unternehmen zu bewegen, da die Zahlung gleichzeitig eine wirtschaftliche Kompensation für eingegangene finanzielle Risiken darstellen müsse.248) Das Bundesarbeitsgericht hat insofern ein Jahresfixgehalt für eine elfmonatige 203 Bindungsdauer als angemessen erachtet.249)

dd) Stellungnahme Der erstgenannten Ansicht und dem Bundesarbeitsgericht ist meines Erachtens inso- 204 weit zuzustimmen, als dass nicht die erbrachte oder zu erbringende Arbeitsleistung als die die Entgeltlichkeit begründende Gegenleistung anzusehen ist. Wie bereits in Kapitel 2 B. ausgeführt, soll nicht die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sondern lediglich seine Betriebstreue honoriert werden. Einer solchen Treueprämie steht es nicht entgegen, dass die Arbeitszeit durch Krankheit, Urlaub oder Elternzeit unterbrochen wird. Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München und das Bundesarbeitsgericht 205 differenzieren nach meinem Dafürhalten nicht klar zwischen der Gegenleistung für das Eingehen der Verbindlichkeit und der Gegenleistung für die Auszahlung der Prämie. Sie gehen davon aus, dass mit der geleisteten Betriebstreue dem Insolvenzschuldner ein objektiv werthaltiger Gegenwert zugeflossen sei.250) Die bereits erbrachte Betriebstreue kann jedoch nur die Gegenleistung für die Auszahlung des Anspruchs darstellen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist – wie es das

___________ 246) 247) 248) 249)

BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 58. BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 60. BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 145, Rz. 61. BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 145, Rz. 62; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 134 Rn. 43. 250) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 56 ff.; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 593.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

Bundesarbeitsgericht selbst auch zu Recht feststellt251) – gemäß § 140 Abs. 1 InsO die Vereinbarung der Prämienzahlung. Im Rahmen der Prüfung der Anfechtbarkeit der Prämienvereinbarung, kann es daher nur darauf ankommen, ob ex ante, d. h. aus Sicht des Zeitpunkts der Prämienzusage, eine Gegenleistung in Aussicht gestellt wird.252)

206 Entscheidend ist daher, ob im Zeitpunkt der Prämienzusage der zukünftige Verbleib im Betrieb infolge der Nichtausübung des Kündigungsrechts ein Vermögensopfer darstellt, das geeignet ist, eine Entgeltlichkeit i. S. v. § 134 InsO zu begründen.

b) Nichtausübung des Kündigungsrechts als Gegenleistung 207 Für die Frage der Unentgeltlichkeit kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer im Gegenzug (dazu unter aa) eine Gegenleistung (dazu unter bb und cc) verspricht.

aa) Hinreichende rechtliche Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung 208 Die Tatsache, dass der Arbeitgeber durch die Prämienvereinbarung keinen Anspruch auf den Verbleib des Leistungsträgers erhält, steht der Tauglichkeit als eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung per se nicht entgegen. Zwar muss, um die Entgeltlichkeit einer Leistung zu begründen, die Gegenleistung „für“ die Leistung erfolgen. Die vom späteren Insolvenzschuldner erbrachte Leistung und die Gegenleistung des Leistungsempfängers müssen hinreichend miteinander verknüpft sein.253) Nicht erforderlich ist jedoch eine synallagmatische Verknüpfung.254) Vielmehr ist auch eine konditionale Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung ausreichend.255)

209 Die Vereinbarung einer Bleibeprämie steht unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) des Verbleibs des Arbeitnehmers im Unternehmen bis zu einem fest___________ 251) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 143, Rz. 45; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41 f., Rz. 47; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 47. 252) So auch LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 66 f.; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 73 f.; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589. Vgl. MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 20; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 36 f. 253) MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 17a; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 19; Heim, Schenkungsanfechtung bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 120. 254) K/P/B/Bork, § 134 Rn. 37. 255) Ahrens, NZI 2001, 456, 457; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 37; Heim, Schenkungsanfechtungen bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 121; zu § 516 BGB: RG, Beschluss v. 30.1.1940 – V 76/38, RGZ 163, 348, 356; MünchKommBGB/J. Koch, § 516 Rn. 27; Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, S. 456, dieser geht aber von einem einheitlichen Unentgeltlichkeitsbegriff aus.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

gesetzten Stichtag. Der aus der Prämienvereinbarung resultierende Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie entsteht nach der Vereinbarung der Parteien erst mit Bedingungseintritt. Die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers ist somit Wirksamkeitsvoraussetzung für die Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers.256) Der Arbeitnehmer verbleibt regelmäßig im Unternehmen, um den Anspruch zur Entstehung gelangen zu lassen. Er übt sein Kündigungsrecht daher „für“ die Leistung des Schuldners nicht aus.

bb) Ermittlung der Gegenleistung – objektiver Maßstab Das Motiv des Arbeitgebers, eine Bleibeprämie in Aussicht zu stellen, ist nicht 210 seine Freigiebigkeit, sondern er erwartet im Gegenzug Betriebstreue des Arbeitnehmers. Aus der Vereinbarung ergibt sich auch für den Arbeitnehmer, dass er den Anspruch nur nach bereits erbrachter Betriebstreue erhält. Wie gerade festgestellt, haben die Parteien den Anspruch auf Auszahlung der Prämie mit dem Verbleib im Betrieb konditional verknüpft. Die Parteien sehen den Verbleib im Betrieb daher als Gegenleistung für den Erhalt des Anspruchs an. Die subjektive Vorstellung der Parteien hat jedoch nur eine nachgeordnete Bedeu- 211 tung. Die Frage der Unentgeltlichkeit bestimmt sich grundsätzlich anhand einer objektiven Betrachtung.257) Erst wenn feststeht, dass objektiv eine Gegenleistung vorliegt, kommt es darauf an, ob die Parteien diese auch als Gegenleistung angesehen haben258), d. h. dass sofern aus objektiver Sicht eine ausgleichende Gegenleistung zu verneinen ist, die Leistung des späteren Insolvenzschuldners unentgeltlich

___________ 256) Nicht ausreichend wäre es, wenn jemand seine Leistung verspricht unter der Bedingung, dass ein anderer seinerseits leistet. Entscheidend ist, dass eine finale Bindung zwischen Eigen- und Gegenleistung existiert, d. h. zwar kein Anspruch auf die Gegenleistung besteht, diese aber Wirksamkeitsbedingung für die eigene Leistungspflicht ist. Siehe MünchKommBGB/J. Koch, § 516 Rn. 27; Staudinger/Wimmer-Leonhardt, § 516 Rn. 33. 257) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 39; BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, NZI 2008, 556; BGH, Urt. v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 = NJW 2005, 1867, 1868; BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263, 264; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 = NJW 1991, 560, 561; BGH, Urt. v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 = NJW 1991, 1610; BGH, Urt. v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, NZI 2009, 429, 430, Rz. 16; BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506, Rz. 11; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 11; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 17; a. A.: Henckel, ZIP 1990, 137, 139 zu § 32 KO; Jaeger/Henckel, § 32 KO Rn. 7, 12; K/P/B/ Brinkmann, Anh. I zu § 145 Rn. 50, 94; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 208; Ganter, NZI 2015, 249, 258. 258) BGH, Urt. v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 = NJW 2005, 1867, 1868; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 = NJW 1991, 560, 561; BGH, Urt. v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 = NJW 1991, 1610; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 11; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 17; Thole, KTS 2011, 219, 222.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

ist, selbst wenn die Parteien vom Vorliegen einer Gegenleistung ausgegangen sind.259)

cc) Gegenstand der Gegenleistung 212 Worin die besagte Gegenleistung besteht, wird unterschiedlich beurteilt. In den oben dargestellten Entscheidungen stellen die Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht  unabhängig davon, ob sie eine Unentgeltlichkeit der Prämienvereinbarungen annehmen oder nicht  hauptsächlich darauf ab, ob die Nichtausübung des Kündigungsrechts einen Gegenwert bildet, der der Masse zufließt.260) Dies ist jedoch nicht das einzig maßgebende Kriterium.

213 Der Bundesgerichtshof unterscheidet im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit einer Leistung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen.261)

214 Bei Dreipersonenverhältnissen stellt der Bundesgerichtshof auf die Wertung von § 134 Abs. 1 InsO ab. Entscheidend ist nach seiner Ansicht nicht ein der Masse zufließender Gegenwert, sondern ein Vermögensopfer auf Seiten des Zuwendungsempfängers.262) In Bezug auf Zweipersonenverhältnisse  ein solches liegt im Fall der Vereinbarung einer Bleibeprämie vor  formuliert der Bundesgerichtshof in einigen Urteilen, Unentgeltlichkeit sei anzunehmen, wenn dem Verfügenden keine gleichwertige Gegenleistung zufließen soll.263) ___________ 259) Die Gegenauffassung geht davon aus, dass sich die Frage der Unentgeltlichkeit nach objektiven und subjektiven Kriterien bestimmt. Falls der Gegenleistung objektiv kein Wert zukäme, sei sie zwar objektiv unentgeltlich, die Schenkungsanfechtung habe aber auch eine subjektive Voraussetzung. Sollte im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags eine objektiv wertlose Gegenleistung erbracht werden, sei die Vorstellung der Parteien maßgeblich für die Frage der Unentgeltlichkeit. Die Gegenleistung sei dann nicht unentgeltlich, wenn ihr die Parteien wirklich einen der Leistung entsprechenden Wert beigemessen haben. Siehe Henckel, ZIP 1990, 137, 139 zu § 32 KO; Jaeger/Henckel, § 32 KO Rn. 7, 12; K/P/B/Brinkmann, Anh. I zu § 145 Rn. 50, 94; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 208. 260) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 52; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 593; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589. 261) Auch Ganter, NZI 2015, 249, 254, spricht sich für eine unterschiedliche Behandlung von Zwei- und Dreipersonenverhältnissen aus. 262) BGH, Beschl. v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, NZI 2014, 564, Rz. 4; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065, Rz. 6; BGH, Urt. v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, NZI 2006, 524, 525, Rz. 10; BGH, Urt. v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 = NJW 2005, 1867; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 = NJW 2008, 655, Rz. 8; BGH, Urt. v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, NZI 2006, 399, 400, Rz. 10; a. A.: Gundlach/Frenzel, NZI 2006, 399, 401, sind der Auffassung, dass bei Dreipersonenverhältnissen die Unentgeltlichkeit der Leistung des späteren Insolvenzschuldners aus Sicht der Masse beurteilt werden müsse. 263) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 = NJW 2008, 655, Rz. 8; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421, 2422; BGH, Urt. v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 = NZI 1999, 188; siehe auch BGH, Urt. v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, NZI 2009, 429, 430, Rz. 16; BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506, Rz. 11.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

Dies wird teilweise so interpretiert, dass es im Zweipersonenverhältnis ausschließ- 215 lich darauf ankommt, ob der Masse eine Gegenleistung zufließt – von wem auch immer.264) Selbst wenn man den Zufluss eines Gegenwerts in die Masse für erforderlich hält, 216 kann das jedoch nicht bedeuten, dass ein Vermögensopfer auf Seiten des Empfängers entbehrlich ist. § 134 InsO folgt der Überlegung, dass derjenige, der unentgeltlich einen Vermögensgegenstand erlangt, weniger schutzwürdig ist.265) Ein Gegenwert in der Masse allein ist kein hinreichender Anhaltspunkt um auf die Schutzwürdigkeit des Zuwendungsempfängers zu schließen. Die Schutzwürdigkeit bestimmt sich – wie der Bundesgerichtshof in seinen Erwägungen zur Unentgeltlichkeit im Dreipersonenverhältnis zutreffend feststellt266) – danach, ob vom Anfechtungsgegner ein Vermögensopfer erbracht wurde. Die Schutzbedürftigkeit auf Seiten des Empfängers ist nur dann gemindert, wenn sein Vermögen vermehrt und im Gegenzug nicht auch geschmälert worden ist.267) Auch im Zweipersonenverhältnis muss ein Vermögensopfer auf Seiten des Leistungsempfängers vorliegen.268) Erst wenn man ein solches bejaht (dazu unter (1)), gelangt man zu der Frage, ob die Masse einen Gegenwert erhält und ob dies überhaupt vorausgesetzt ist (dazu unter (2)).

___________ 264) Wazlawik, NZI 2010, 881, 885. 265) BT-Drucks. 12/2443 zu § 149 InsO-E, S. 161; OLG Koblenz, Urt. v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZInsO 2004, 552, 553; Wiester/Kranz, NZI 2010, 541, 542; Wittig, NZI 2005, 606; Berger, ZIP 2010, 2078; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 207. Der BGH, Urt. v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421, 2423 und Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 1, charakterisieren § 134 InsO als Rückforderungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen. Prütting, KTS 2005, 253, 254, 259, greift nicht auf allgemeine Billigkeitserwägungen zurück, sondern sieht § 134 InsO als einen Teilaspekt der grundlegenden gesetzgeberischen Wertung an, „wonach jeglicher wirksame unentgeltliche Rechtserwerb nur einem eingeschränkten Bestandsschutz unterliegt“; so auch K/S/W/Schäfer, § 134 Rn. G2; Burchard, Die Insolvenzanfechtung im Dreieck, S. 103; Heim, Schenkungsanfechtungen bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 36 f. 266) BGH, Urt. v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421, 2423. 267) K/P/B/Bork, § 134 Rn. 39; K/S/W/Schäfer, § 134 Rn. G33; auch Prütting, KTS 2005, 253, 259, weist darauf hin, dass der schwächere Bestandsschutz des Rechtserwerbs aus der fehlenden Vermögensaufwendung des Erwerbers resultiere. 268) Das geht auch aus einigen anderen Urteilen des BGH hervor: BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 39; BGH, Hinweisbeschluss vom 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107, Rz. 10; BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506, Rz. 11; BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263, 264, Rz. 15; BGH, Urt. v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379, 1381; OLG Koblenz, Urt. v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZInsO 2004, 552, 553; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 211; K/P/B/ Bork, § 134 Rn. 39; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 9; K/S/W/Schäfer, § 134 Rn. G28, G33.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

(1) Vermögensopfer des Arbeitnehmers 217 Der Arbeitnehmer stellt im Zuge der Prämienvereinbarung in Aussicht, während des genannten Zeitraums keinen Gebrauch von seinem Kündigungsrecht zu machen. Ziel der Vereinbarung ist es, das Arbeitsverhältnis bis zum Stichtag oder darüber hinaus aufrecht zu erhalten (solange keine Kündigung von Arbeitgeberseite erfolgt).

(a) Nichtausübung eines Rechts 218 Das Sächsische Landesarbeitsgericht argumentiert, die Nichtausübung des Kündigungsrechts stelle keine Gegenleistung dar, weil es sich nicht um einen Verzicht handele; der Arbeitnehmer könne weiterhin von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen.269) Diese Überlegung ist insoweit zutreffend, als dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses der Prämienvereinbarung nicht im Rechtssinne darauf verzichtet, von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen; ihm steht es nach wie vor frei, sein Kündigungsrecht nach Belieben auszuüben. Die Ansicht verkennt aber den Charakter des Anspruchs des Arbeitnehmers. Dieser ist aufschiebend bedingt. Im Falle der Kündigung steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Auszahlung der Prämie zu. Die Zahlungsverpflichtung des späteren Schuldners entsteht erst mit Bedingungseintritt, d. h. wenn der Arbeitnehmer bereits tatsächlich sein Recht nicht ausgeübt hat.

(b) Nichtausübung des Kündigungsrechts als Vermögensopfer 219 Der Bundesgerichtshof hat sich in der Vergangenheit bereits mit der Frage der Unentgeltlichkeit der Nichtausübung eines Kündigungsrechts befasst. Zwar handelte es sich in diesen Fällen um ein auf ein Darlehen bezogenes Kündigungsrecht, die Erwägungen des Bundesgerichtshofs sollen im Folgenden jedoch kurz dargestellt und daraufhin untersucht werden, ob sie für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit einer Bleibeprämie herangezogen werden können.

(aa) Heranziehung des „Stehenlassens eines Darlehns“ zum Vergleich 220 Der Bundesgerichtshof hat sich schon mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob das „Stehenlassen eines Darlehns“ durch den Leistungsempfänger als ein die Entgeltlichkeit begründendes Vermögensopfer angesehen werden kann. Gemeint ist der Fall, dass der Leistungsempfänger durch den Schuldner ohne entgeltlich begründete Verpflichtung eine nachträgliche270) Sicherung einer eigenen oder fremden Schuld erhält ___________ 269) Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 5.6.2012 – 5 Sa 303/11, Rz. 49. 270) Hier geht es nur um den Fall einer nachträglichen Besicherung. Bei anfänglicher Besicherung stellt die Kreditgewährung an den Dritten die Gegenleistung dar, weswegen die Sicherheitenbestellung als entgeltlich anzusehen ist. Siehe Henkel, NZI 2006, 526 mit weiteren Nachweisen.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

und im Gegenzug von einer sofortigen Kündigung des Darlehns absieht, d. h. die ihm zustehende Darlehnsrückzahlungsforderung stehen lässt. Auch hier übt der Leistungsempfänger ein ihm zustehendes Kündigungsrecht nicht aus. Im Zweipersonenverhältnis stellt sich der Bundesgerichtshof die Frage nicht, da er 221 auf die Entgeltlichkeit der gesicherten Forderung abstellt und davon ausgeht, dass die nachträgliche Besicherung einer eigenen entgeltlichen begründeten Verbindlichkeit ebenfalls als entgeltlich anzusehen ist.271) Er wirft die Frage jedoch im Dreipersonenverhältnis auf, wenn der spätere Insolvenzschuldner eine fremde Schuld nachträglich besichert.272) Hier betrachtet er anders als im Zweipersonenverhältnis die Sicherungsabrede und kommt zu dem Ergebnis, dass – unabhängig davon, ob es sich um eine wertlose (undurchsetzbare)273) oder eine werthaltige (durchsetzbare)274) Forderung des Leistungsempfängers gegen den Dritten handelt – die nachträgliche Besicherung im Dreipersonenverhältnis stets unentgeltlich ist. Er begründet das, indem er auf eine Entscheidung zu § 142 InsO zurückgreift.275) Damals ___________ 271) BGH, Urt. v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 = NJW 1990, 2626 zu § 32 KO. Der BGH begründet die Entgeltlichkeit damit, dass die Sicherung einer bestehenden Forderung nicht in weiterem Maße anfechtbar sein könne, als die Erfüllung selbst. Bei einer Sicherung handele es sich lediglich um ein Hilfsgeschäft, welches nur zusammen mit dem Hauptgeschäft angefochten werden könne. Ferner erhielte der Leistungsempfänger immer nur das, was er auch zu fordern hatte, wenn auch sicherer. Wäre die Schenkungsanfechtung auf bloße Sicherungsgeschäfte anwendbar, würde das zu schwer lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Für § 134 InsO bestätigt durch BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623, 624. Hier führt der BGH weiterhin aus, der Wert der Gegenleistung sei häufig objektiv nicht bewertbar, sodass für die Beteiligten nicht feststellbar sei, ob die Gegenleistung entgeltlich ist. Außerdem gebiete der Schutzzweck von § 134 InsO keine Anfechtbarkeit, weil jedenfalls eine Anfechtung nach den §§ 130, 131, 133 InsO möglich sei. Im Ergebnis zustimmend Kayser, WM 2007, 1, 7; Wittig, NZI 2005, 606, 611. A. A.: Ganter, WM 2006, 1081, 1084; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Ganter, § 90 Rn. 180a, der es für entscheidend hält, ob im Sicherungsvertrag eine Gegenleistung versprochen worden ist. Die Besicherung sei nicht nur ein minus oder bloßes Hilfsgeschäft sondern ein aliud zur Erfüllung. 272) Bei der Bleibeprämie liegt ein Zweipersonenverhältnis vor. Die Tatsache, dass es sich hier um ein Dreipersonenverhältnis handelt und die Leistung des Schuldners in der Bestellung einer Sicherheit besteht, steht der vergleichsweisen Heranziehung allerdings nicht entgegen. Denn in dem hier dargestellten Fall geht es im Kern ebenfalls um die Frage, ob die Nichtausübung eines Rechts ein Vermögensopfer des Leistungsempfängers darstellt. 273) BGH, Urt. v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, NZI 2006, 524, 525, Rz. 12; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065, Rz. 6. Vgl. auch BGH, Urt. v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 = NJW 2005, 1867, 1868 und BGH, Urt. v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, NZI 2006, 399, 400, Rz. 11 zur Unentgeltlichkeit von Leistungen auf eine fremde Schuld bei Wertlosigkeit der Forderung. 274) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065, 2066, Rz. 12, dazu EWiR 2009, 487 (Henkel). Die Gegenauffassung hält das Stehenlassen eines Darlehns für entgeltlich, sofern der Leistungsempfänger zu dieser Zeit noch Rückzahlung hätte erlangen können: OLG München, Urt. v. 8.7.2004 – 19 U 1980/04, Rz. 29; LAG Hamm, Urt. v. 29.4.1986 – 10 (9) Sa 1099/84, ZIP 1986, 1262, 1265; Ganter, WM 1998, 2081, 2084; Kayser, WM 2007, 1, 7; Grell/ Schormair, NZI 2009, 625, 628; Cranshaw, jurisPR-InsR 19/2006 Anm. 2. 275) BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 = NZI 2008, 89.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

hatte der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass das Stehenlassen einer Darlehnsforderung keine ausgleichende Gegenleistung – wie für ein Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO erforderlich – darstelle, weil dem Schuldner durch das bloße Unterlassen einer Rückforderung kein neuer Vermögenswert zugeführt werde.276) Diese Erwägung zieht er nun ebenfalls für § 134 InsO heran.277)

222 Der Bundesgerichtshof stellt also nicht darauf ab, ob der Leistungsempfänger ein Vermögensopfer erbracht hat, sondern darauf, ob dem Dritten ein neuer Vermögenswert zugeflossen ist.278) Dies ist insofern überraschend, als er in der gleichen Entscheidung ausführt, dass aus der Wertung von § 134 InsO resultiere, dass es im Dreipersonenverhältnis auf das Vorliegen eines Vermögensopfers auf Seiten des Leistungsempfängers ankommen müsse.279) Konsequenterweise hätte er die Frage stellen müssen, ob der Leistungsempfänger ein Vermögensopfer erbracht hat.

223 Im Ergebnis ist dem Bundesgerichtshof dennoch zuzustimmen. Die Nichtausübung des der Bank zustehenden Kündigungsrechts ist mangels eines Vermögensopfers als unentgeltlich anzusehen.

224 Anders als bei der Tilgung einer fremden Forderung geht die Forderung des Leistungsempfängers nämlich nicht in Folge der Erfüllung unter, sondern bleibt bestehen; sie wird lediglich gestundet. Indem der Leistungsempfänger sein Kündigungsrecht nicht ausübt, nimmt er die Gefahr in Kauf, seine Forderung gegen den Dritten später nicht mehr geltend machen zu können. Man könnte daher argumentieren, der Leistungsempfänger nehme ein Risiko auf sich und erbringe damit ein Vermögensopfer. Ist die Forderung gegen den Dritten zu diesem Zeitpunkt bereits wertlos, hat sich die Gefahr der Undurchsetzbarkeit jedoch bereits realisiert. Das Stehenlassen eines Darlehns ist dann für den Leistungsempfänger nicht mit einem Risiko verbunden. Aber auch wenn die Forderung zum Zeitpunkt des Stehenlassens noch werthaltig war, setzt sich der Leistungsempfänger keinem zusätzlichen Risiko aus. Selbst wenn die Forderung gegen den Dritten in der darauffolgenden Zeit wertlos werden sollte, kann der Leistungsempfänger in diesem Fall auf die vom späteren Insolvenzschuldner gestellte Sicherheit zurückgreifen. Der mögliche Verlust der Werthaltigkeit der Forderung gegen den Dritten führt dann zum Eintritt

___________ 276) BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 = NZI 2008, 89, 93, Rz. 41; so auch Mitlehner, ZIP 2007, 1925, 1930; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 13c; a. A.: LG Chemnitz, Urt. v. 22.12.2006 – 2 O 208/06, ZIP 2007, 1332, 1333; Molitor, ZInsO 2006, 23, 25; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1463. 277) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065, 2066, Rz. 12; zustimmend Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2009 Anm. 3. 278) Vgl. Berger, ZIP 2010, 2078, 2081. 279) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065, Rz. 6; siehe auch Grell/Schormair, NZI 2009, 625, 627 f.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

des Sicherungsfalls, sodass sich die Bank durch Verwertung der Sicherheit befriedigen kann. In wirtschaftlicher Hinsicht verliert die Bank deswegen nichts.280) Die Nichtausübung des Rechts schützt also nicht vor einer Anfechtbarkeit nach 225 § 134 InsO.

(bb) Übertragbarkeit dieser Erwägungen auf die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer Auch in Bezug auf den Arbeitnehmer könnte die Auffassung vertreten werden, die 226 Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses stelle für ihn kein als Vermögensopfer zu qualifizierendes Risiko dar. Dafür spricht, dass im Falle des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses, der Arbeit- 227 nehmer wie bisher sein Gehalt bezieht. Auch im Falle des Scheiterns des Sanierungsvorhabens und der sich daran anschließenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Arbeitnehmer durch verschiedene Vorschriften geschützt. Gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 InsO besteht das Arbeitsverhältnis trotz Insolvenzeröffnung fort und die aus der Zeit danach resultierenden Lohn- und Gehaltsansprüche stellen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO Masseverbindlichkeiten dar, werden also in voller Höhe befriedigt. Die Ansprüche des Arbeitnehmers, die aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung stammen, sind zwar nach § 108 Abs. 3 InsO als Insolvenzforderungen zu klassifizieren, sie sind aber unter Umständen durch das Insolvenzgeld (§§ 165 bis 172 SGB III) abgesichert. Allerdings zieht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Regel eine Liquida- 228 tion des Unternehmens oder Personalabbau im Zuge eines Sanierungsvorhabens innerhalb des Verfahrens nach sich. Der Arbeitnehmer muss daher damit rechnen, dass im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis gemäß § 113 InsO aufkündigt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Prämienvereinbarung ist für den Arbeitnehmer daher ungewiss, ob sein Arbeitsverhältnis langfristig Bestand haben wird. Durch die Nichtausübung seines Kündigungsrechts setzt sich der Arbeitnehmer dem Risiko aus, dass das Sanierungskonzept trotz seiner Mitarbeit nicht erfolgreich ist und er im weiteren Verlauf seinen Arbeitsplatz im Unternehmen verliert. Durch den Verbleib im Unternehmen nimmt er somit eine drohende Arbeitslosigkeit in Kauf. Durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts verzichtet der Arbeitnehmer auf die Aufnahme einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit und dadurch auf eine sicherere berufliche und finanzielle Zukunft.281) Dieses Risiko wird nicht bereits durch das Arbeitsentgelt und ___________ 280) Vgl. Ganter, WM 2006, 1081, 1084; Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 90 Rn. 180a. 281) So auch BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 58; vgl. auch Schlinkmann, Der Begriff der Unentgeltlichkeit im Insolvenzrecht, S. 48.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

dessen zeitweise Sicherung vor und Fortzahlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kompensiert.

229 Das Risiko einer unsicheren beruflichen und finanziellen Zukunft nehmen auch die sogenannten Leistungsträger in Kauf, die über spezielle Kenntnisse und Qualifikationen verfügen und an die sich Bleibeprämienversprechen in der Regel richten werden. Man könnte zwar argumentieren, dass diesen Mitarbeitern aufgrund ihres Know hows auch nach einer betriebsbedingten Kündigung in Folge des Scheiterns der Sanierungsbemühungen regelmäßig vergleichbare Beschäftigungsmöglichkeiten offen stünden. Dabei würde jedoch außer Acht gelassen, dass am Arbeitsmarkt gefragte Qualifikationen zwar die Chancen verbessern aber keine Garantie dafür bieten, dass der Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an seine Beschäftigung im Unternehmen eine Stelle mit einem vergleichbaren Tätigkeitsfeld und einer vergleichbaren Bezahlung findet. Der Arbeitnehmer befände sich in einer besseren und sichereren Position, wenn er sich bei finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens zu einem möglichst frühen Zeitpunkt um einen anderen Arbeitsplatz bemüht, weil er sich dann über einen längeren Zeitraum nach einer Stelle umschauen kann, die seinen Vorstellungen entspricht.

230 Zudem setzt sich der Arbeitnehmer der Gefahr aus, dass er mit Vergütungsansprüchen, die außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums entstehen, insolvenzbedingt ausfällt.282)

231 Anders als im Fall des „Stehenlassens eines Darlehns“ geht der Arbeitnehmer durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts ein wirtschaftliches Risiko ein, denn im Gegensatz dazu wird das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht wie das Risiko der Undurchsetzbarkeit der Forderung durch eine Besicherung von dritter Seite begrenzt.

(cc) „Hypothetischer Vorgang“? – Erforderlichkeit einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit 232 Den soeben getätigten Erwägungen liegt die Überlegung zugrunde, dass mit der Nichtausübung des Kündigungsrechts der Verzicht auf die Aufnahme einer anderen beruflichen Tätigkeit einhergeht. Aus Sicht des Arbeitnehmers verspricht eine andere Tätigkeit eine sicherere finanzielle und berufliche Zukunft. Das Vermögensopfer liegt nicht nur in der Nichtausübung des Kündigungsrechts, sondern gleichzeitig in der Nichtaufnahme einer anderen Tätigkeit. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer überhaupt die Möglichkeit hatte, einer anderen Tätigkeit nachzugehen.

233 Standen dem Arbeitnehmer keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten offen, ist die Nichtausübung seines Kündigungsrechts nicht werthaltig und stellt ___________ 282) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 58; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 156.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

somit kein Vermögensopfer dar, weil der Arbeitnehmer dann das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht bewusst, sondern gezwungenermaßen in Kauf nimmt. Im Zweifel ist es jedoch in der Rückschau schwer festzustellen, ob für den betref- 234 fenden Arbeitnehmer in dem Zeitraum zwischen Vereinbarung und vereinbartem Stichtag konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden, insbesondere weil die in Aussicht gestellte Prämie den Arbeitnehmer eventuell davon abgehalten hat, sich um andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu bemühen. Diesen Gedankengang verfolgt wohl auch die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München, wenn sie ausführt, es handele sich um einen „rein hypothetischen Vorgang“.283) Diese Überlegungen führen meiner Einschätzung nach dazu, dass es nicht entschei- 235 dend sein kann, ob sich dem betreffenden Arbeitnehmer eine konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit eröffnet hat. Vielmehr muss es darauf ankommen, ob er im Zeitpunkt der Prämienvereinbarung abstrakt gesehen die Möglichkeit gehabt hätte, künftig einer anderen Beschäftigung nachzugehen. Maßgeblich ist also nicht, ob er in dem genannten Zeitraum ein konkretes Jobangebot erhalten hat, sondern ob er aufgrund seiner beruflichen Qualifikation und seiner Leistungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt so gefragt ist, dass er ohne Weiteres in anderen Unternehmen in vergleichbarer Position einsetzbar gewesen wäre. Bei solchen Arbeitnehmern besteht generell die Gefahr, dass sie ihr derzeitiges Arbeitsverhältnis kündigen, um einer für sie lukrativeren Arbeit nachzugehen. Die Nichtausübung des Kündigungsrechts stellt also dann ein Vermögensopfer dar, 236 wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Prämienvereinbarung abstrakt über andere Beschäftigungsmöglichkeiten verfügte. Die Zusage einer Bleibeprämie im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsvor- 237 habens verfolgt den Zweck, die Leistungsträger des Unternehmens zu halten, um deren Arbeitskraft für die Durchführung der Sanierung nutzbar zu machen. Eine solche richtet sich in der Regel an qualifizierte und leistungsstarke Mitarbeiter, die über spezielle Kenntnisse verfügen und das Unternehmen mittragen. Diese Mitarbeiter sind regelmäßig am Arbeitsmarkt gefragt und haben grundsätzlich gute Chancen, andere und langfristig sicherere Arbeitsverhältnisse einzugehen. Kein Vermögensopfer liegt dagegen vor, wenn andere Beschäftigungsmöglichkei- 238 ten nicht ersichtlich waren. Der Insolvenzverwalter trägt die Beweislast dafür, dass eine unentgeltliche Leistung 239 seitens des Schuldners vorliegt.284) Er muss beweisen, dass es aufgrund fehlender ___________ 283) LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589. 284) Braun/de Bra, § 134 Rn. 36; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 49; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 163.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

Qualifikation oder Leistungsfähigkeit für den Arbeitnehmer schwierig war, eine vergleichbare Position in einem anderen Unternehmen zu erlangen. Dieser Nachweis dürfte allerdings schwierig sein. Das steht der hier vertretenen Ansicht jedoch nicht entgegen, weil der Gefahr eines Missbrauchs des Prämienversprechens im Rahmen des Anfechtungstatbestands des § 133 InsO Rechnung getragen werden kann.285)

(dd) Ergebnis 240 Die Nichtausübung des Kündigungsrechts während des in der Prämienvereinbarung festgelegten Zeitraums ist als Vermögensopfer des Arbeitnehmers als Leistungsempfänger anzusehen, sofern abstrakt die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung in vergleichbarer Position bestand. Der Arbeitnehmer nimmt dann ein wirtschaftliches Risiko in Kauf, seinen Arbeitsplatz in Folge des Scheiterns der Sanierungsbemühungen zu verlieren und dadurch finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen.

(2) Zufluss eines Gegenwerts in die Masse (a) Zufluss eines Gegenwerts in die Masse als Voraussetzung im Zweipersonenverhältnis 241 Die Frage, ob die Annahme der Entgeltlichkeit im Zweipersonenverhältnis zusätzlich voraussetzt, dass der Masse ein Gegenwert zufließen soll, wird unterschiedlich beantwortet – je nachdem ob man die Schutzwürdigkeit des Empfängers286) oder spezifische anfechtungsrechtliche Wertungen in den Vordergrund rückt287). ___________ 285) Siehe unten Kapitel 3 E. IV. 286) Teilweise wird angenommen, entscheidend sei nicht, ob etwas in die Masse fließt – der Insolvenzschuldner also seinerseits eine Leistung erhält –, sondern allein das Vorliegen eines korrespondierenden Vermögensopfers auf Seiten des Leistungsempfängers (Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 211; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 39; Wittig, NZI 2005, 606), denn das Fehlen eines wirtschaftlichen Gegenopfers sei der Grund für die mangelnde Schutzwürdigkeit des Empfängers (Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 334 zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB). 287) Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, objektive Entgeltlichkeit sei nur dann gegeben, wenn ein Gegenwert in das Vermögen des Schuldners gelangt (BGH, Urt. v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 = NZI 2005, 323; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 = NJW 1991, 560, 561; BGH, Urt. v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 = NJW 1999, 1549, 1550; BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, VersR 2010, 1371, 1372; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 50; Heim, Schenkungsanfechtungen bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 113). Maßgeblich sei ein Rückfluss in das Vermögen des Insolvenzschuldners, wobei der Gegenwert nur in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert bestehen könne (Heim, Schenkungsanfechtungen bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 113; so auch Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, S. 380 f., der eine „Entgelttauglichkeit“ der Gegenleistung fordert). Auch die 6. und 11. Kammer des LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 592 und Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 588, halten es – obwohl sie zu konträren Ergebnissen kommen – für primär entscheidend, ob ein Gegenwert in das Vermögen des Gemeinschuldners fließt.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

Dieser Streit hat jedoch, wie sich im Folgenden zeigen wird, keine Auswirkungen 242 auf die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Bleibeprämie.

(b) Verbleib im Unternehmen als Zufluss zur Masse Durch den Verbleib eines bestimmten Arbeitnehmers im Unternehmen erfolgt zwar 243 keine greifbare Mehrung der Vermögensmasse in Form des Zuflusses von Geld, Forderungen oder Sachgegenständen. Die Weiterarbeit der Leistungsträger birgt für das angeschlagene Unternehmen aber andere Vorteile. Sofern ein Zufluss zur Masse vorausgesetzt wird, wird ein entsprechender wirtschaftlicher Vorteil als ausreichend angesehen288), ausgenommen sind jedoch nicht unmittelbar mit der Rechtshandlung in Zusammenhang stehende, lediglich mittelbar intendierte wirtschaftliche Vorteile.289)

(aa) Wirtschaftlicher Vorteil Ob ein wirtschaftlicher Vorteil besteht, ist wegen § 140 Abs. 1, 3 InsO wiederum 244 aus der Sicht des Zeitpunkts der Prämienzusage zu beurteilen. Maßgeblich ist daher eine objektive ex ante-Betrachtung. Der wirtschaftliche Vorteil des Verbleibs einzelner Arbeitnehmer im Unternehmen 245 ist aus Sicht des Zeitpunkts der Prämienvereinbarung darin zu sehen, dass das Unternehmen auf deren Arbeitskraft und Know-how weiterhin zurückgreifen kann.290) Die bis zum Stichtag noch zu erbringende Arbeitsleistung selbst resultiert zwar aus dem Arbeitsverhältnis und ist Ausgleich für das vom Arbeitgeber zu entrichtende Entgelt. Die Zusage einer Prämienzahlung führt jedoch dazu, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung aufgrund der Fortführung des Arbeitsverhältnisses überhaupt verlangen kann. Der wirtschaftliche Vorteil liegt damit in der zukünftigen Nutzbarkeit der Arbeitskraft und somit der Leistungsfähigkeit und des Wissens der betreffenden Arbeitnehmer. Warum diese zukünftige Nutzbarkeit als wirtschaftlicher Vorteil angesehen werden 246 kann, wird insbesondere deutlich, wenn man in den Blick nimmt, an wen sich die Zusagen von Bleibeprämien richten. Die Zielgruppe der hier thematisierten Prämienversprechen sind die Leistungs- und Know-how-Träger des Unternehmens. Deren Mitarbeit im Betrieb wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit des Unterneh___________ 288) MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 17a; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 12. 289) BGH, Urt. v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136, 1137, Rz. 14; MünchKommInsO/Kayser, § 134 InsO Rn. 17a; Braun/de Bra, § 134 Rn. 15; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 32. 290) So auch BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 57; a. A.: LAG München, Urt. v. 10.10.2012 – 11 Sa 505/12, Rz. 66 f.; LAG München, Urt. v. 13.6.2012 – 10 Sa 1150/11, Rz. 73 f.; LAG München, Urt. v. 5.10.2011 – 11 Sa 112/11, ZIP 2012, 585, 589; siehe auch Mückl, GWR 2014, 427, 432.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

mens insgesamt aus und kann sich in den erzielten Gewinnen niederschlagen. Teilweise verfügen die Leistungsträger – abhängig davon in welcher Position sie arbeiten und abhängig von ihrem konkreten Tätigkeitsfeld – über Wissen und Fähigkeiten, die für die Betriebsfortführung unverzichtbar sind. Natürlich könnte sich das Unternehmen im Falle einer Kündigung des Leistungsträgers darum bemühen, jemand anderen mit vergleichbaren Qualifikationen anzuwerben. Dabei sind jedoch die Kosten und Schwierigkeiten eines solchen Austausches zu beachten.291) Zunächst muss das Unternehmen einen potenziellen Arbeitnehmer mit diesem Ausbildungsund Berufserfahrungsstand finden. Diesen zu verpflichten, könnte sich aufgrund der finanziellen Krisensituation, in der sich der Betrieb befindet, ebenfalls schwierig gestalten. Niemand möchte auf ein „bereits sinkendes Schiff“ aufspringen. Um trotz Krisensituation das Arbeitsverhältnis attraktiv zu machen, müsste ein höheres Arbeitsentgelt in Aussicht gestellt werden, was ebenfalls zu einer Schmälerung der Vermögensmasse führen würde. Hinzu kommt, dass der neu eingestellte Arbeitnehmer erst in die Betriebsabläufe eingearbeitet werden müsste, was zu Zeitverlust oder einem vorübergehenden Abfall der Leistungsfähigkeit des Unternehmens führen könnte.

247 Ferner hat das Unternehmen ein Interesse daran, die Leistungsträger gerade in Krisenzeiten an sich zu binden, um zu verhindern, dass diese zu Konkurrenzunternehmen abwandern und dort zu einer Leistungssteigerung beitragen. Dies könnte sich wiederum negativ auf die Umsatzzahlen des krisengeschüttelten Unternehmens auswirken.

248 Zu Recht weist das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass sich die Kündigung der vorhandenen Arbeitnehmer negativ auf die Suche nach Investoren auswirken kann, weil bei einer Abwanderung der Leistungsträger und Fachkräfte der Eindruck entstehen könnte, die Mitarbeiter hätten die Hoffnung auf den Erfolg des Sanierungsvorhabens bereits aufgegeben.292)

249 Um das Unternehmen zu sanieren, müssen die vorhandenen Potenziale ausgeschöpft werden. Dazu gehören auch die leistungsstarken Mitarbeiter. Ihr Verbleib trägt zu einer Verbesserung der Sanierungschancen bei. Gleichzeitig erhöhen sich dadurch die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger. Eine erfolgreiche Sanierung wäre auch in deren Interesse.

250 Aber nicht nur im Rahmen eines erfolgversprechenden Sanierungsvorhabens kann der Verbleib von Leistungsträgern als vorteilhaft angesehen werden. Auch wenn das Insolvenzverfahren später eröffnet wird, kann der Verbleib der Arbeitnehmer von Vorteil sein, um bis zur Liquidation oder Sanierung innerhalb des Verfahrens die Funktionsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. ___________ 291) Lindemann, ArbRAktuell 2012, 446. 292) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144, Rz. 57.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

Der gerade beschriebene Vorteil ist auch nicht nur mittelbar intendiert, denn der 251 Verbleib des Leistungsträgers für einen bestimmten Zeitraum ist – wie bereits in Kapitel 3 C. III. 2) und E. II. 2) b) aa) erörtert – konditional mit der Entstehung des Anspruchs verknüpft.

(bb) Wirtschaftlicher Vorteil auch im Fall einer betriebsbedingten Kündigung Der wirtschaftliche Vorteil fließt dem Unternehmen aus ex ante-Sicht auch dann 252 zu, wenn das Arbeitsverhältnis in der Folgezeit von Arbeitgeberseite betriebsbedingt gekündigt wird. Ziel der Bleibeprämienvereinbarung ist es, im Rahmen der Sanierung auf das Know-how der Mitarbeiter zurückgreifen zu können.293) Diese Möglichkeit wird durch den Arbeitnehmer auch eröffnet. Der Arbeitgeber erhält die Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich des Wissens und der Fähigkeiten des Leistungsträgers, auch wenn er von dieser keinen Gebrauch macht.

(cc) Ergebnis Die weitere Zugriffsmöglichkeit auf das Wissen und die Fachkenntnisse der für die 253 Fortführung des Unternehmens wichtigen Leistungsträger stellt aus der ex anteSicht einen wirtschaftlichen Vorteil dar. Die ex ante-Beurteilung bleibt auch dann maßgeblich, wenn sich das Unternehmen in der Folgezeit zu einer betriebsbedingten Kündigung veranlasst sieht.

(3) Ergebnis Aus objektiver Sicht liegt eine Gegenleistung des Arbeitnehmers für die Entste- 254 hung des Prämienanspruchs unabhängig davon vor, ob man für die Annahme einer Gegenleistung ein Vermögensopfer auf Seiten des Leistungsempfängers genügen lässt oder zusätzlich einen Zufluss in die Vermögensmasse des späteren Insolvenzschuldners fordert.

dd) Gleichwertigkeit der Gegenleistung – Teilanfechtung Aber auch wenn man die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeit- 255 nehmers grundsätzlich als eine die Unentgeltlichkeit der Leistung ausschließende Gegenleistung anerkennt, muss dem Interesse der übrigen Gläubiger, nämlich vor einer missbräuchlichen Verminderung der Vermögensmasse geschützt zu werden, Rechnung getragen werden. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass man eine Entgeltlichkeit der Leistung nur annimmt, wenn die Höhe der Prämienzahlung in einem angemessenen Verhältnis zur erbrachten Gegenleistung steht, d. h. die Prämienhöhe und der Verbleib des Leistungsträgers müssen gleichwertig sein. ___________ 293) So auch Mückl, ZIP 2012, 1642, 1647.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

256 In der Prämienzusage vereinbaren die Parteien, dass der Verbleib des Arbeitnehmers mit einer Prämienzahlung in einer festgelegten Höhe honoriert werden soll. Durch die Vereinbarung bringen sie zum Ausdruck, dass sie dem Verbleib des Arbeitnehmers im Unternehmen während des festgesetzten Zeitraums diesen Wert beimessen.

257 Aber auch in Hinblick auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ist zunächst auf einen objektiven Maßstab abzustellen. Dazu ist ein objektiver Vergleich der ausgetauschten Werte vorzunehmen.294) Allerdings wird die subjektive Beurteilung der Parteien in Form eines angemessenen Beurteilungsspielraums berücksichtigt, sofern es an der objektiven Gleichwertigkeit fehlt.295)

(1) Objektive Gleichwertigkeit 258 Ob der Prämienzahlung und dem Verbleib im Unternehmen objektiv der gleiche Wert zukommt, ist schwierig zu beurteilen. Um den Wert der Gegenleistung zu bestimmen, muss man sich zunächst noch einmal vor Augen führen, worin die Gegenleistung überhaupt besteht. Hält man das Vorliegen eines Vermögensopfers seitens des Leistungsempfängers für ausreichend, ist lediglich zu fragen, mit welchem Wert die Risikoübernahme durch den Leistungsträger beziffert werden kann. Verlangt man zusätzlich den Zufluss eines Gegenwerts zur Masse, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob auch ein der Höhe der Prämie entsprechender wirtschaftlicher Vorteil des Unternehmens gegeben ist.

259 Welcher Wert der Risikoübernahme des Arbeitnehmers und dem wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmens zukommt, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. Dazu zählen insbesondere das monatliche Einkommen des betreffenden Arbeitnehmers, sein genaues Tätigkeitsfeld, die vorhandene Qualifikation und Leistungsfähigkeit, eventuell bestehende Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Investoren, die Rolle des Arbeitnehmers im Rahmen des Unternehmens und des Sanierungsvorhabens, der vereinbarte Bindungszeitraum sowie seine abstrakten anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten. Außerdem ist der Aufwand zu berücksichtigen, der betrieben werden müsste, um einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Qualifikation anzuwerben und diesen einzuarbeiten. Entscheidend ist, wie ein vernünftiger Fachkundiger im Zeitpunkt ___________ 294) BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 22; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 29; Andres/Leithaus/Leithaus, § 134 Rn. 4. 295) BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; BGH, Urt. v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 = NJW 1978, 1326, 1327; BGH, Urt. v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379, 1381; Andres/Leithaus/Leithaus, § 134 Rn. 4; Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 20, ist hingegen der Ansicht, über die Unentgeltlichkeit entscheide nicht allein das objektive Wertverhältnis, sondern auch die Auffassung der Beteiligten. Gingen die Parteien davon aus, Leistung und Gegenleistung hätten den gleichen Wert, obwohl die Gegenleistung tatsächlich von geringerem Wert ist, handele es sich um eine entgeltliche Leistung; so auch K/P/B/ Brinkmann, Anh. I zu § 145 Rn. 50, 94.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

der Prämienvereinbarung das Risiko des Leistungsträgers und dessen Nutzen im Betrieb einschätzen würde.

(2) Bewertungsspielraum der Parteien Zwar steht den Parteien ein angemessener Bewertungsspielraum zu, die Vorstellun- 260 gen der Parteien und die objektiven Verhältnisse dürfen aber grundsätzlich nicht allzu weit auseinanderfallen.296) Das Bundesarbeitsgericht gibt jedoch berechtigterweise zu bedenken, dass der Arbeitgeber in Krisenzeiten gegebenenfalls einen erheblichen Zuschlag zahlen muss, um den Anreiz zur Nichtausübung des Kündigungsrechts zu schaffen, weil damit gleichzeitig finanzielle Risiken kompensiert werden müssen.297) Dieser Umstand und die Tatsache, dass eine Bezifferung des objektiven Werts des Verbleibs des Arbeitnehmers ausgesprochen schwierig ist, sind bei der Festlegung des Bewertungsspielraums zu Gunsten der Parteien zu berücksichtigen.

(3) Teilweise unentgeltliche Leistung Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Einzelfall den ihnen zustehenden Bewer- 261 tungsspielraum überschreiten, die Prämienhöhe und die weitere Nutzbarkeit der Arbeitskraft also nicht als in vollen Umfang gleichwertig anzusehen sind, liegt eine teilweise unentgeltliche Leistung vor. In diesem Fall unterliegt nur der Teil, der den Wert der Gegenleistung übersteigt und jenseits des den Parteien zustehenden Bewertungsspielraums liegt, der Anfechtung.298) Die fehlende Gleichwertigkeit ändert nämlich nichts daran, dass der Nutzbarkeit der Arbeitskraft grundsätzlich ein (wenn auch geringerer) Gegenwert zukommt.

c)

Ergebnis

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Begründung des Anspruchs auf die 262 Prämienzahlung als entgeltlich anzusehen ist, weil die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers die entsprechende Gegenleistung darstellt, es sei denn es besteht für den betroffenen Arbeitnehmer abstrakt keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (ein dahingehender Nachweis, der dem Insolvenzverwalter obliegt, dürfte sich allerdings schwierig gestalten). Eine Anfechtung des Prämienanspruchs des Arbeitnehmers insgesamt nach § 134 Abs. 1 InsO kommt folglich mangels Unentgeltlichkeit in der Regel nicht in Betracht. Gegebenenfalls ___________ 296) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 144 f., Rz. 60; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 40. 297) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 145, Rz. 61. 298) BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; BGH, Urt. v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057, 1061 f.; BGH, Urt. v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421, 2423; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 41 ff; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 = ZIP 1980, 618, 2. Leitsatz; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.4.1989 – 12 U 81/88, ZIP 1989, 1072, 1074 f.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

ist im Einzelfall eine Teilanfechtung möglich, sofern die Prämienhöhe unangemessen hoch und somit nicht gleichwertig mit der erbrachten Gegenleistung ist. Aufgrund des Umstands, dass die Ermittlung des genauen objektiven Werts von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise Gehalt, Bindungsdauer und anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten abhängt und sich daher schwierig gestaltet, darf der Bewertungsspielraum der Parteien nicht zu eng sein.

3.

Im Regelfall keine Anfechtbarkeit der Prämienvereinbarung nach § 134 Abs. 1 InsO

263 Selbst wenn man entgegen Henckels Auffassung § 134 InsO für grundsätzlich anwendbar hält, scheitert eine Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie gemäß § 134 Abs. 1 InsO im Regelfall daran, dass die Leistung als entgeltlich anzusehen ist.

III. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO und § 131 Abs. 1 InsO 264 Die Vereinbarung der Bleibeprämie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst kann nicht nach den §§ 130, 131 InsO angefochten werden. Diese Paragraphen erfassen lediglich Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren.299) Dies setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Deckung bereits eine Forderung bestand.300)

265 Diesen Umstand verkennend, sieht das Bundesarbeitsgericht die Zusage einer Bleibeprämie als eine inkongruente Deckung an.301) Inkongruenz soll danach immer dann gegeben sein, wenn die Deckungshandlung vom Inhalt des Schuldverhältnisses abweicht. Dies soll durch einen Vergleich des rechtlich geschuldeten und tatsächlichen Handelns des Schuldners zu ermitteln sein. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Bleibeprämie habe der Arbeitnehmer bei weiterer Betriebstreue lediglich einen Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Gegenleistung. Durch die Zusage der Prämie werde das „arbeitsvertragliche Leistungsprogramm“ abgeändert, ohne dass der Arbeitnehmer hierauf einen Anspruch gehabt hätte.302)

266 Dabei sei unerheblich, dass die Parteien über die Bleibeprämie eine eigene Vereinbarung getroffen haben. Eine solche könne nur die Kongruenz der Bleibeprämie ___________ 299) Dies ergibt sich auch daraus, dass § 132 InsO einen Auffangtatbestand für Rechtsgeschäfte darstellt, die nicht unter die §§ 130, 131 InsO fallen; Andres/Leithaus/Leithaus, § 132 InsO Rn. 1. 300) Jaeger/Henckel, § 130 Rn. 12, § 132 Rn. 5. 301) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 44, Rz. 72; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 72; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 145, Rz. 63. Siehe auch HeidelbergerKommInsO/Thole, § 133 Rn. 23; Mückl, GWR 2014, 427, 429; Mückl/Krings, ZIP 2015, 1714, 1716. 302) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 44 f., Rz. 73; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 73.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

begründen. Weil das Versprechen aber seinerseits inkongruent sei, könne die Vereinbarung nicht als kongruenzbegründender Schuldgrund fungieren. Die Parteien dürften nicht in der Lage sein, durch den Abschluss einer Vereinbarung neue Ansprüche des Arbeitnehmers zu begründen und so die Anfechtungstatbestände des §§ 131, 133 InsO zu umgehen.303) In diesem Punkt ist dem Bundesarbeitsgericht entgegen zu treten. Durch die Prä- 267 mienvereinbarung wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Prämie erst begründet. Die Vereinbarung stellt daher ein Kausalgeschäft und somit keine „Deckung“ i. S. d. §§ 130, 131 InsO dar. Zwar handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Parteien, die aus dem 268 zwischen ihnen bereits bestehenden Arbeitsverhältnis resultiert, jedoch soll sie nicht einen bereits bestehenden Anspruch etwa auf Entlohnung der Arbeitsleistung modifizieren oder sichern. Die Vereinbarung soll vielmehr die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer als eigenständige Leistung vergüten.304) Darüber hilft auch eine in der Literatur vertretene Ansicht nicht hinweg, die sich 269 das Bundesarbeitsgericht zu nutze machen will.305) Danach unterfallen rechtsgeschäftliche Abreden dann der Anfechtung nach § 131 InsO, wenn sie darauf zielen, Kongruenz herzustellen.306) Eine solche Abrede ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Parteien durch eine Vereinbarung innerhalb der einschlägigen Frist einen bereits bestehenden Anspruch und die diesbezügliche Befriedigung oder Sicherung einander anpassen wollen.307) Um so eine Abrede ging es auch in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2006308), auf das das Bundesarbeitsgericht Bezug nimmt309). Der Verweis geht fehl. Entscheidungsgegenstand war nämlich eine Vereinbarung, die vorsah, dass die Zahlung einer Verbindlichkeit durch Wechsel möglich sein sollte. Es handelte sich also um eine Regelung hinsichtlich der Kongruenz der Deckungshandlung für eine bereits bestehende Verbindlichkeit, nicht aber um die Übernahme einer neuen Verpflichtung. Zudem überzeugt die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts nicht. Das Bundes- 270 arbeitsgericht führt selbst aus, Inkongruenz sei immer dann gegeben, wenn die ___________ 303) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 45, Rz. 74; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 74. 304) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 595; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 74/11, Rz. 86 f.; zustimmend Mückl, ZIP 2012, 1642, 1649. Siehe auch Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rn. 100. 305) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 44 f., Rz. 73; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 73. 306) K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 9; Jaeger/Henckel, § 131 Rn. 4. 307) Jaeger/Henckel, § 131 Rn. 4. 308) BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 = NJW 2006, 1800, 1803, Rz. 38 ff. 309) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 45, Rz. 74; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 74.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

Deckungshandlung nicht geschuldet ist.310) Ob eine Deckungshandlung geschuldet wird, bestimmt sich nach dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis, hier der Prämienvereinbarung. Das Kausalverhältnis begründet die Kongruenz einer späteren Auszahlung, kann aber nicht selbst in kongruent oder inkongruent unterteilt werden, weil diese Frage gerade aus ihm heraus beantwortet werden soll.311)

271 Würde man – wie das Bundesarbeitsgericht – die Prämienvereinbarung und somit das Verpflichtungsgeschäft als inkongruent erachten, müsste man daraus die logische Konsequenz ziehen, dass sämtliche Verpflichtungsgeschäfte inkongruent sind, weil im Vorfeld grundsätzlich kein Anspruch des Vertragspartners auf Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts besteht. Es existierten dann faktisch keine kongruenzbegründenden Schuldgründe, sodass auch sämtliche Sicherungen und Befriedigungen als inkongruent angesehen werden müssten. Dies würde § 130 InsO überflüssig machen.

272 Die Einordnung als inkongruente Deckung durch das Bundesarbeitsgericht resultiert wohl daraus, dass das Bundesarbeitsgericht die Gefahr sieht, durch den Abschluss der Prämienvereinbarung könnten ansonsten die Anfechtungstatbestände des §§ 131, 133 Abs. 1 InsO umgangen werden. Anscheinend will es verhindern, dass die Prämienvereinbarung die Kongruenz der Bleibeprämie begründet, um eine Anfechtung nach § 131 InsO in Bezug auf die Auszahlung der Prämie zu ermöglichen. Eine solche Konstruktion ist jedoch gar nicht notwendig, um den Interessen der übrigen Gläubiger Rechnung zu tragen. § 133 InsO wird nicht umgangen. Wenn man für die Frage, ob der Schuldner bei Zusage der Prämie mit Benachteiligungsvorsatz handelte, das Beweisanzeichen der Inkongruenz nicht heranziehen kann, können dennoch andere Indizien Beachtung finden und eine Anfechtbarkeit nach § 133 InsO begründen, wie beispielsweise die Kenntnis des Schuldners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit. Auch hinsichtlich der Auszahlung der Prämie kommt § 133 InsO in Betracht. Zwar kann diese dann nicht nach § 131 InsO angefochten werden, allerdings verbleibt noch § 130 InsO.

273 Man gewinnt den Eindruck, das Bundesarbeitsgericht ist im Nachhinein mit dem von ihm gefundenen Ergebnis der Einordnung der Forderung des Arbeitnehmers als Masseverbindlichkeit unzufrieden und versucht dieses Ergebnis durch eine Ausdehnung der Anfechtbarkeit nach § 133 InsO zu korrigieren.

IV. § 133 Abs. 1 InsO 274 Da die Vereinbarung einer Bleibeprämie regelmäßig in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 InsO fallen wird, besteht die Gefahr, dass die Bleibeprä___________ 310) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 42 f., Rz. 56; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 56. 311) Vgl. auch BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

mienvereinbarung im Falle eines Scheiterns des Sanierungsvorhabens der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterliegt.

1.

Benachteiligungsvorsatz

Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners zum Zeitpunkt des Abschlusses 275 der Prämienvereinbarung (§ 140 InsO)312) ist anzunehmen, wenn er mit dem Vorsatz handelte, die Gläubiger durch die von ihm vorgenommene Rechtshandlung im Allgemeinen zu benachteiligen.313) Es ist ausreichend, dass er die Benachteiligung der übrigen Gläubiger als unvermeidbare Folge billigend in Kauf nimmt, d. h. dass er mit bedingtem Vorsatz handelt.314) Diese subjektive Voraussetzung des § 133 Abs. 1 InsO kann gewöhnlich nur mittelbar aus objektiven Tatsachen im Wege tatrichterlicher Würdigung von Indizien geschlossen werden.315) Als Indizien, die für einen bestehenden Benachteiligungsvorsatz sprechen, kommen insbesondere eine Inkongruenz der Rechtshandlung sowie die Kenntnis des Insolvenzschuldners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit in Betracht. Solche Indizien können allerdings auch entkräftet werden.

a) Keine inkongruente Deckung Das Vorliegen einer inkongruenten Deckung wird allgemein als starkes Indiz für den 276 Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gewertet.316) Die Begründung des Anspruchs ___________ 312) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 41 f., Rz. 47; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 47; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139, 143, Rz. 45. 313) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NJW 2012, 1959, 1960, Rz. 17; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, NZI 2011, 589, 590, Rz. 8; BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZInsO 2007, 819, 820, Rz. 8; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 12; HeidelbergerKommInsO/Thole, § 133 Rn. 13. 314) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 470, Rz. 14; BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NZI 2007, 462, 464, Rz. 26; BGH, Urt. v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, NZI 2009, 171, 176, Rz. 45; BGH, Urt. v. 25.7.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = NJW 2003, 3347, 3349; BGH, Urt. v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145; Paulus, BB 2001, 425, 427; ders., WM 2000, 2225, 2230. 315) BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142, Rz. 9; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 23; Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 80 f.; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 606. 316) Zur inkongruenten Deckung als Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz siehe BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142, Rz. 10; BGH, Urt. v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 = NZI 2009, 372, 373, Rz. 17; BGH, Urt. v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, NZI 2002, 486, 489; BGH, Urt. v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, NZI 2004, 372, 373; BGH, Urt. v. 25.7.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = NJW 2003, 3347, 3349; BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, NJW-RR 1993, 238, 240; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 42 f., Rz. 56; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 56; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 29; Bork, ZIP 2004, 1684, 1688 f.; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 345; Kayser, WM 2013, 293, 296 f.; Priebe, ZInsO 2012, 1589, 1592; Lau, DB 2013, 1219, 1221.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

auf die Bleibeprämie durch die Prämienvereinbarung stellt aus den in Kapitel 3 E. III. genannten Gründen keine inkongruente Deckung dar. Eine solche kann folglich entgegen dem Bundesarbeitsgericht nicht als Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners bei Zusage der Bleibeprämie herangezogen werden.

b) Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit 277 Da das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung – wie soeben gezeigt – bei der Prämienvereinbarung nicht einschlägig ist, kommt der Indizwirkung der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit entscheidende Bedeutung zu.

278 Ein außergerichtlicher Sanierungsversuch wird nur dann unternommen, wenn sich das Unternehmen in einer finanziellen Krisensituation befindet. Der Sanierungsversuch verfolgt den Zweck, eine ansonsten eintretende Zahlungsunfähigkeit und somit die Eröffnung eines Insolvenzerfahrens zu vermeiden. Durch die Vereinbarung von Bleibeprämien zugunsten bestimmter Leistungsträger im Rahmen des Sanierungsvorhabens hofft das Unternehmen sein Sanierungschancen zu verbessern. Zu diesem Zeitpunkt ist dem Unternehmen bzw. seinen Vertretern der Ernst der Lage und folglich i. d. R. die drohende Zahlungsunfähigkeit317) bewusst.318) Nach allgemeiner Lebenserfahrung müssen die für das Unternehmen Handelnden sich bei Abschluss der Prämienvereinbarung ebenfalls darüber im Klaren sein, dass – sofern die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich eintritt – die übrigen Gläubiger durch die neu begründeten Verbindlichkeiten benachteiligt werden.

279 Bei Abschluss der Prämienvereinbarung hat das Unternehmen demnach im Regelfall bereits Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbe___________ 317) Dem Schuldner droht gemäß § 18 Abs. 2 InsO die Zahlungsunfähigkeit, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. 318) Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird nicht nur bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit angenommen (BGH, Urt. v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, NZI 2015, 369, 370, Rz. 12; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 470, Rz. 14; BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 = NJW 2008, 1067, 1069, Rz. 32; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, NZI 2011, 589, 590, Rz. 8; HeidelbergerKommInsO/Thole, § 133 Rn. 16) sondern vom BGH bereits dann vermutet, wenn dem Schuldner die drohende Zahlungsunfähigkeit bewusst ist (BGH, Urt. v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, NZI 2015, 369, 370, Rz. 12; BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, DStR 2014, 1559, 1560, Rz. 15; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 470, Rz. 14; a. A.: Ganter, WM 2009, 1441, 1443, 1452) Zur Begründung wird § 133 Abs. 1 S. 2 InsO angeführt. Für die dort normierte Vermutung reiche hinsichtlich des anderen Teils Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit aus. Für den Vorsatz des Schuldners selbst könne kein strengerer Maßstab gelten (BGH, Urt. v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, NZI 2015, 369, 370, Rz. 12; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, NZI 2011, 589, 590, Rz. 8; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 194 = NJW 2006, 2701, 2702, Rz. 14; BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 = NJW 2008, 1067, 1069, Rz. 32).

86

E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

nachteiligung. Diese Kenntnis stellt ein starkes Beweisanzeichen319) für das Vorliegen von Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Unternehmens dar.

c)

Sanierungsversuch – Entkräftung einer Indizwirkung

Würde man allein auf das Beweisanzeichen der Kenntnis der drohenden Zahlungs- 280 unfähigkeit abstellen, wäre die Prämienvereinbarung bei Kenntnis des Arbeitnehmers nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Sofern sich im Unternehmen vorhandene Leistungsträger dem Risiko ausgesetzt sehen, dass etwaige getroffene Prämienvereinbarungen der Vorsatzanfechtung unterliegen, wird die Bereitschaft zum Verbleib im Unternehmen sinken, insbesondere wenn Angebote von Konkurrenzunternehmen vorliegen.320) Ein Verbleib dieser Leistungsträger in Krisenzeiten ist für das Unternehmen jedoch 281 von entscheidender Bedeutung. Der Erfolg eines Sanierungsversuchs hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu zählt auch die Einbringung des Know-hows qualifizierter Fachkräfte, das sich auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens insgesamt auswirkt. Ohne dieses Know-how wird die Sanierung erschwert oder sogar unmöglich. Eine Anfechtbarkeit der Bleibeprämienvereinbarung könnte eine Sanierung des Unternehmens daher „ausbremsen“.321) Die Gläubiger haben nach einer erfolgreichen Sanierung höhere Chancen auf Be- 282 friedigung der ihnen zustehenden Forderungen. Die Sanierung kann daher ebenfalls in ihrem Interesse liegen. Bei außergerichtlichen Sanierungsbemühungen wird gewöhnlich der Zweck ver- 283 folgt, die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden oder die Zahlungsfähigkeit ___________ 319) Zwar benutzt der BGH in vielen diesbezüglichen Entscheidungen die Formulierung „wird vermutet“ (BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, NZI 2011, 589, 590, Rz. 8; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 194 = NJW 2006, 2701, 2702, Rz. 14; BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 = NJW 2008, 1067, 1069, Rz. 32), einem neueren Urteil vom 22.11.2012 lässt sich jedoch entnehmen, dass der BGH die drohende Zahlungsunfähigkeit lediglich als starkes Beweisanzeichen (also als eine tatsächliche Vermutung) für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erachtet, das im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, NJW-RR 2013, 558 f., Rz. 7, 14; so auch Fischer, NZI 2008, 588, 589, 592 f.; HambKommInsO/ Rogge/Leptien, § 133 Rn. 30. Andere gehen davon aus, dass entsprechend § 133 Abs. 1 S. 2 InsO der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, sofern Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit und Gläubigerbenachteiligung vorlag (OLG Dresden, ZIP 2003, 1716, 1717; Stiller, ZInsO 2003, 595, 596; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 26; Braun/de Bra, § 133 Rn. 17). Dem lässt sich entgegenhalten, dass der Gesetzgeber ausweislich BT-Drucks. 12/ 2443, S. 265 f. die Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes der gerichtlichen Praxis überlassen wollte, sodass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Siehe auch Bork, ZIP 2004, 1684, 1691; Jaeger/Henckel, § 133 Rn. 53). 320) Vgl. zum Parallelproblem bei Sanierungsberatern Ganter, WM 2009, 1441, 1450. 321) Vgl. Paulus, BB 2001, 425, 429, der § 133 InsO als „Nuklearwaffe“ bezeichnet, die jede Sanierungsvereinbarung bedroht.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

wiederherzustellen. Das Unternehmen handelt daher auch im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger.322) Es versucht, die Insolvenz zu verhindern und den Gläubigern eine vollständige Befriedigung zu ermöglichen. Bemüht sich der Schuldner ernsthaft um die Sanierung, handelt er demnach subjektiv redlich und nimmt die Gläubigerbenachteiligung gerade nicht billigend in Kauf.323)

284 Aus diesem Grund ist ein Sanierungsversuch unter Umständen geeignet, vorhandene Beweisanzeichen zu entkräften. Die Rechtsprechung hat bereits mehrfach entschieden, dass die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung aufgehoben wird, wenn diese Deckung Bestandteil eines ernsthaften, wenn auch schließlich gescheiterten Sanierungsversuchs ist.324) Wenn ein solches Sanierungsvorhaben geeignet ist, das von der Rechtsprechung als „stark“325) bezeichnete Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung zu entkräften, muss es ebenso die Indizwirkung der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit widerlegen können.326)

285 So förderungswürdig ein außergerichtlicher Sanierungsversuch erscheint, darf dennoch das Risiko für die übrigen Gläubiger nicht außer Acht gelassen werden. Eine Widerlegung des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners nach momentaner Gesetzeslage kann deswegen nicht bei jeglichen Sanierungsbemühungen angenommen werden. Im Folgenden soll daher untersucht werden, welche Anforderungen an einen solchen ernsthaften Sanierungsversuch zu stellen sind.

286 Um die Indizwirkung der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, muss das geplante Sanierungsvorhaben bestimmten Anforderungen genügen.

287 Das bloße Einleiten von Sanierungsmaßnahmen kann nicht geeignet sein, den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auszuschließen, ansonsten wäre es dem Schuldner möglich, durch Ergreifen von halbherzigen und willkürlichen Sanierungsmaß___________ 322) Vgl. BGH, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147; BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 = NJW 1980, 1962 zur Zahlung der Vergütung an einen Sanierungsberater. 323) BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1564; siehe auch BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, NJW-RR 1993, 238, 241; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 11; BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 596. 324) BGH, Urt. v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 = NZI 2009, 372, 373, Rz. 17; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 11; BGH, Beschluss v. 20.6.1996 – IX ZR 314/95, ZIP 1996, 1475; BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; BGH, Urt. v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, NZI 2007, 517, 518, Rz. 18; siehe auch OLG Hamm, Urt. v. 17.5.1999 – 31 U 118/98, ZInsO 1999, 574, 576. 325) BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; BGH, Urt. v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 = NZI 2009, 372, 373, Rz. 17; BGH, Urt. v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093, 1094. 326) Davon geht auch der BGH aus. Siehe BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142, 143, Rz. 18. Siehe auch BGH, Urt. v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, NZG 2014, 791, 794 f., Rz. 40.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

nahmen eine Anfechtbarkeit nach § 133 InsO auszuschließen. Allerdings muss der Schuldner vom Gelingen des Sanierungsvorhabens auch nicht sicher überzeugt sein.327) Eine sichere Überzeugung wird wohl niemals vorliegen können, da ein Sanierungsversuch immer mit Risiken und Unwägbarkeiten verbunden ist, selbst wenn er nach sachkundiger Beurteilung als erfolgversprechend gilt.328) Auch wenn das Sanierungsvorhaben für den Schuldner erkennbar mit Risiken verbunden ist, kann es den Benachteiligungsvorsatz ausschließen, wenn aufgrund konkreter Umstände eine positive Einschätzung des Schuldners nachvollziehbar und vertretbar erscheint.329) Mit der Frage, welche konkreten Umstände das sind, hatte sich der Bundesgerichts- 288 hof bereits mehrfach zu beschäftigen. Nach seiner Ansicht, der sich das Bundesarbeitsgericht in seinen zu den Bleibeprämien ergangenen Entscheidungen angeschlossen hat330), ist eine Indizwirkung für den Benachteiligungsvorsatz ausgeschlossen, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. Die bloße Hoffnung des Schuldners ist nicht ausreichend. Die Bemühungen dürfen sich daher nicht in der Entwicklung von Plänen und der Erörterung von Hilfsmöglichkeiten erschöpfen. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung muss ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegen, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt worden ist, sodass es beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.331)

aa) Schlüssiges Sanierungskonzept Ein Sanierungskonzept ist schlüssig, wenn es die Bereinigung sämtlicher Verbind- 289 lichkeiten des Schuldners vorsieht und erkennbar ist, welche tatsächlichen Grundlagen dem Konzept zugrunde liegen und was die Annahme rechtfertigt, eine Um___________ 327) LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 596; MünchKommInsO/ Kayser, § 133 Rn. 37. 328) Cranshaw, jurisPR-InsR 4/2012 Anm. 2. 329) BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893, 1899; Weber, ZInsO 2011, 904, 906. 330) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 43, 45, Rz. 58, 76, dazu Abele, FA 2014, 105, 108; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 58, 76. 331) BGH, Urt. v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, NZG 2014, 791, 794 f., Rz. 40; BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, NJW 2013, 611, 613, Rz. 17 f.; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 11; BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, NJW-RR 1993, 238, 241; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893, 1899; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 f.; BGH, Urt. v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, NZI 2009, 171, 177, Rz. 52; siehe auch BGH, Urt. v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093, 1094; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 596; vgl. Jacoby, KTS 2009, 3, 18 f.; siehe zu den Anforderungen auch Ganter, NZI 2014, 673, 678. A. A.: van Marwyk, ZInsO 2014, 1734, 1737 f. Er ist der Ansicht, eine falsche Beurteilung der Erfolgsaussichten der Sanierung ex ante seitens des Schuldners sei unschädlich.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

setzung des Konzepts ziehe eine Befriedigung der übrigen Gläubiger nach sich.332) Das Sanierungskonzept muss auf einer objektiv fachkundigen und gründlichen Prüfung eines branchenkundigen Wirtschaftsfachmanns beruhen.333) Erforderlich ist eine intensive Sanierungsprüfung in Form einer Analyse der wirtschaftlichen Lage, der Krisenursachen sowie der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage.334) In Betracht kommt, sich an den in dem IDW S 6 formulierten Standardanforderungen zur Erstellung von Sanierungskonzepten zu orientieren.335) IDW S 6 ist ein Regelungswerk, dass vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. erstellt wurde und die allgemeine Berufsauffassung der Wirtschaftsprüfer darlegen soll. Solche IDWStandards sind allerdings keine Rechtsnormen und fallen auch nicht unter das Gewohnheitsrecht.336) Laut IDW S 6 muss ein Sanierungskonzept Folgendes beinhalten: eine Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang, eine Analyse der wirtschaftlichen Lage einschließlich Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, eine Feststellung des Krisenstadiums, die Festlegung des „Leitbilds“ eines sanierten Unternehmens, Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und Abwendung einer Insolvenzgefahr, einen integrierten Sanierungsplan, eine Einschätzung der Sanierungsfähigkeit, Angaben zur Nachhaltigkeit der Sanierung sowie ggf. Sofortmaßnahmen.337)

___________ 332) BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 14; Priebe, ZInsO 2012, 1589, 1593; Lau, DB 2013, 1219, 1222. 333) BGH, Urt. v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 = NJW 1953, 1665, 1666 zu der Sittenwidrigkeit von Sicherungsverträgen; siehe auch Rümker, KTS 1981, 493, 509. So auch BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, BGHZ 165, 106 = NJW 2006, 1283, 1285, Rz. 14 und OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05 zum Sanierungsprivileg aus § 32 Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F. Das OLG Köln führt weiterhin aus, ein solches Sanierungskonzept müsse die folgenden Kriterien beinhalten: eine Beschreibung des Unternehmens, eine Analyse des Unternehmens (Krisenursachenanalyse und Lagebeurteilung), das Leitbild des sanierten Unternehmens, die zu ergreifenden Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens und eine Planverprobungsrechnung. Hagemann, NZI 2014, 210, 213, ist der Auffassung, für die Erstellung des Sanierungskonzepts sei es nicht erforderlich, einen externen Sanierungsexperten oder Wirtschaftsprüfer einzuschalten. 334) BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1564 (noch zu § 31 Nr. 1 KO) zur Frage, ob eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliegt; so auch Wittig, NZI 1998, 49, 52. Dies gelte wegen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der Gläubiger auch für kleine Unternehmen. Siehe auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.117. 335) Siehe auch Hagemann, NZI 2014, 210, 212. Das OLG München, Urt. v. 16.12.2014 – 5 U 1297/13, ZInsO 2015, 1848, 1850, geht davon aus, dass der Sanierungsplan nicht zwingend den formalen Anforderungen nach IDW S 6 entsprechen muss. 336) Siehe Prütting, ZIP 2013, 203, 204. 337) Die Meinungen zu der Frage, ob diese Standardanforderungen überhaupt geeignet sind, den Mindestanforderungen des BGH gerecht zu werden, sind jedoch geteilt. Prütting, ZIP 2013, 203, 204, glaubt, die Anforderungen orientierten sich stark an der Rechtsprechung des BGH. A. A.: Pohl, ZInsO 2011, 207, 211, nach dessen Auffassung die Anwendung von IDW S 6 nicht sicherstellt, dass die vom BGH aufgestellten Mindestanforderungen erfüllt seien.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

Der Bundesgerichtshof und das sich dieser Auffassung anschließende Bundesarbeits- 290 gericht stellen somit strenge Anforderungen an ein Sanierungskonzept auf338), damit dieses Konzept die Indizwirkung für den Benachteiligungsvorsatz entkräften kann.339) Für einen solch strengen Maßstab spricht, dass ein außergerichtliches Sanierungsvorhaben und die im Zuge dessen vorgenommenen Maßnahmen ein hohes Risiko der Masseverringerung für die übrigen Gläubiger mit sich bringen. Es liegt demnach im Interesse der Gläubiger, einen Benachteiligungsvorsatz nur dann als ausgeschlossen anzusehen, wenn ein unvoreingenommener fachkundiger Dritter das Unternehmen nach Vornahme der erforderlichen Sanierungsprüfungen als sanierungsfähig einstuft. Ein solcher fundierter Sanierungsplan indiziert die Ernsthaftigkeit des Unternehmens, die Sanierung betreiben zu wollen. Diese strengen Anforderungen erleichtern außerdem die tatrichterliche Würdigung.

bb) Besonderheiten bei der Vereinbarung einer Bleibeprämie Das bloße Vorliegen eines schlüssigen Sanierungskonzepts allein ist nicht ausrei- 291 chend. Die Prämienzusage muss darüber hinaus als Bestandteil des Sanierungsvorhabens anzusehen sein.340) Denn das Sanierungsvorhaben darf keinen Freibrief darstellen, neue Verbindlichkeiten anfechtungsfest zu begründen. Im Interesse des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes kann ein schlüssiges Sanierungskonzept hinsichtlich der Zusage einer Bleibeprämie nur dann als Indiz gegen den Benachteiligungsvorsatz gewertet werden, wenn tatsächlich das Wohlergehen des Unternehmens im Vordergrund steht. Das Sanierungsvorhaben darf nicht als Deckmantel dafür dienen, einzelnen Mitarbeitern ohne entsprechende Qualifikation oder mitverantwortlichen Geschäftsführern noch Gelder zukommen zu lassen. Damit eine Bleibeprämienvereinbarung nicht der Anfechtung unterliegt, ist es notwendig, dass das Unternehmen das Ziel verfolgt, gerade mit Hilfe der Prämienzusage bestimmte Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und dadurch das Sanierungsvorhaben voran

___________ 338) Mückl, EWiR 2014, 55, 56. 339) Anders BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1564. In dieser Entscheidung hat der BGH ausdrücklich zwischen den Anforderungen an ein Sanierungskonzept um den unmittelbaren Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszuschließen und den Voraussetzungen zur Widerlegung des Benachteiligungsvorsatzes differenziert. Um eine zu starke Objektivierung des Merkmals der Benachteiligungsabsicht zu vermeiden, sei nicht die objektive Bewertung durch das Gericht sondern die Auffassung des Schuldners über seine wirtschaftliche Lage entscheidend. So auch BGH, Urt. v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, NZI 2003, 253, 258. 340) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 45, Rz. 78 und BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 78. Vgl. BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 11; BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, NJW-RR 1993, 238, 241; BGH, Urt. v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376, 378; BGH, Urt. v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 = NZI 2009, 372, 373, Rz. 17.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

zu treiben, um durch den fortlaufenden Geschäftsbetrieb alle vorhandenen und künftigen Gläubiger befriedigen zu können.341)

292 Auch ein sachgerechter Sanierungsversuch kann keine Zahlungen in beliebiger Höhe rechtfertigen.

293 Damit die Prämienvereinbarung als Bestandteil eines sachgerechten Sanierungsvorhabens angesehen werden kann und somit das Beweisanzeichen der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu entkräften geeignet ist, bedarf es der folgenden Voraussetzungen.

(1) Entscheidende Rolle des Leistungsträgers im Sanierungsvorhaben 294 Zunächst ist zu fordern, dass der betroffene Arbeitnehmer für die geplante Sanierung auch tatsächlich von Wert ist, er also eine entscheidende Rolle im Rahmen des Sanierungsplans einnimmt. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass er eine wichtige Funktion im Unternehmen besetzt und dadurch nicht ohne Weiteres ersetzbar ist. Darunter fallen beispielsweise Mitarbeiter, die über eine besondere Qualifikation, notwendige geschäftliche Beziehungen, wertvolle Erfahrungen oder eine Schlüsselposition im Unternehmen verfügen. Die Sanierungschancen müssten nach Ausscheiden des Mitarbeiters schlechter stehen als bei dessen Verbleib.

295 Damit die Bedeutung des Arbeitnehmers für das Sanierungsvorhaben in einem etwaigen späteren Anfechtungsprozess nachvollzogen werden kann, empfiehlt es sich, in das Sanierungskonzept aufzunehmen, inwieweit der betreffende Arbeitnehmer den Verlauf der Sanierungsbemühungen positiv beeinflussen kann.342)

(2) Angemessene Höhe der Prämie 296 Ferner muss die Höhe der Prämie angemessen sein. Sofern keine gleichwertige Gegenleistung versprochen worden ist, bildet dieser Umstand ein Indiz für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes.343) Bei der Festsetzung der Prämienhöhe müssen Kosten und Nutzen einander entsprechen. Welche Prämienhöhe aus objektiver Sicht als angemessen, d. h. gleichwertig anzusehen ist, ist schwierig zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung sind im Einzelfall das übliche Gehalt des betreffenden Arbeitnehmers sowie dessen Qualifikationen und Leistungsfähigkeit, eventuell bestehende Geschäftsbeziehungen und seine Rolle im Rahmen des Unternehmens und im Rahmen des Sanierungsvorhabens zu berücksichtigen. In die Bewer-

___________ 341) Vgl. Vallender, NZI 2007, 129, 136. 342) Mückl, ZIP 2012, 1642, 1647. 343) BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563; vgl. auch Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 341.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

tung können ebenfalls Angebote von Konkurrenzunternehmen sowie die Nachfrage nach Mitarbeitern mit vergleichbarem Know-how am Arbeitsmarkt einfließen. Vor dem Hintergrund, dass der Wert der Gegenleistung im Fall der Zusage einer Blei- 297 beprämie schwer zu beziffern ist, steht den Parteien auch bei der Frage nach der Gleichwertigkeit der Gegenleistung im Rahmen von § 133 Abs. 1 InsO ein angemessener Bewertungsspielraum zu. Indem der Arbeitgeber bereits im Rahmen der Aufstellung des Sanierungsvorhabens festlegt, aufgrund welcher Umstände er eine bestimmte Prämienhöhe als gerechtfertigt ansieht, kann er verdeutlichen, dass die Höhe nicht willkürlich bestimmt wurde, sondern sich an der Unternehmenssituation und den Umständen des Einzelfalls orientiert.

d) Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 16.3.2015 298 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vor.344) Dieser Entwurf sah eine dahingehende Neufassung von § 133 Abs. 1 InsO vor, dass eine Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn der Schuldner diese mit dem Vorsatz vornimmt, seine Gläubiger „unangemessen“ zu benachteiligen. § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RefEInsO bestimmte, dass eine unangemessene Benachteiligung dann nicht vorliege, wenn „die Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist“. Wäre der Entwurf in dieser Fassung beschlossen worden, hätte bei Vorliegen eines ernsthaften Sanierungsversuchs bereits objektiv keine Gläubigerbenachteiligung vorgelegen.345) Ein Rückgriff auf entkräftende Indizien im subjektiven Tatbestand wäre dann nicht mehr erforderlich gewesen. Die Verfasser des Entwurfs führten in der Begründung aus, diese Norm solle an 299 die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anknüpfen.346) Deswegen hätte ein objektiv „ernsthafter Sanierungsversuch“ in diesem Sinne ebenfalls nicht bei jeglichen Sanierungsbemühungen angenommen werden können, sondern es hätte ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegen müssen, das von den tatsächlichen Gegebenhei___________ 344) RefE v. 16.3.2015, abrufbar unter http://www.bmjv.de (letzter Abruf 22.1.2016); kritisch dazu Hölzle, ZIP 2015, 662; Jacobi/Böhme, ZInsO 2015, 721; Frind, ZInsO 2015, 1001; Huber, ZInsO 2015, 713; siehe auch Brinkmann, NZG 2015, 697; Dahl/Linnenbrink/Schmitz, NZI 2015, 441; Willemsen/Kühn, BB 2015, 1474; Stellungnahme des DAV, ZInsO 2015, 1258; Stellungnahme des BV ESUG, ZInsO 2015, 1252. 345) Brinkmann, NZG 2015, 697, 699. Zur Frage der dann geltenden Beweislastverteilung siehe Begründung des Referentenentwurfs S. 19 f.; Brinkmann, NZG 2015, 697, 699 f.; Jacobi/ Böhme, ZInsO 2015, 721, 723; Willemsen/Kühn, BB 2015, 1474, 1481; Frind, ZInsO 2015, 1001, 1008; a. A. Jungclaus/Keller, NZI 2015, 297, 298. Siehe auch Stellungnahme des BV ESUG, ZInsO 2015, 1252, 1254. 346) Begründung des Referentenentwurfs S. 19.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

ten ausgeht und zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt worden ist, sodass es beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. Die oben aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Sanierungskonzept hätten also auch dann gegolten, wenn der Referentenentwurf Gesetz geworden wäre. § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RefE-InsO sah explizit vor, dass die Rechtshandlung Bestandteil des ernsthaften Sanierungsvorhabens sein muss. Um eine Anfechtbarkeit der Bleibeprämienvereinbarung nach § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RefE-InsO auszuschließen, hätte der Arbeitnehmer deswegen ebenfalls eine entscheidende Rolle innerhalb des Sanierungsvorhabens spielen und für seinen Verbleib eine Prämie in angemessener Höhe zugesagt bekommen müssen.

300 Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung am 29.9.2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz347) beschlossen, der in einigen Punkten von dem vorherigen Referentenentwurf abweicht. Anders als im Referentenentwurf vorgesehen, bleibt § 133 Abs. 1 InsO hiernach unverändert.348) Die zur Vorsatzanfechtung der Bleibeprämienvereinbarung nach § 133 Abs. 1 InsO getätigten Ausführungen bleiben deswegen von der Neuregelung unberührt.

e)

Ergebnis

301 Auch im Hinblick auf den Regierungsentwurf zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts ist festzuhalten, dass zwar das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung nicht einschlägig ist, dem Unternehmen aber in der Regel im Zeitpunkt, in dem es Bleibeprämien verspricht, seine (drohende) Zahlungsunfähigkeit bewusst ist. Zwar bildet diese Kenntnis ein Indiz für das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatzes auf Seiten des Schuldners, allerdings kann dieses – um ein Ausbremsen jeglicher Sanierungschancen zu verhindern – wieder entkräftet werden, wenn die Prämienvereinbarung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts ist. Um Missbrauch vorzubeugen ist es erforderlich, dass der betreffende Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle im Zuge des Sanierungsvorhabens spielt, d. h. dass er für das Gelingen des Versuchs unabkömmlich ist. Außerdem muss die Prämienhöhe unter Berücksichtigung eines Bewertungsspielraums der Parteien angemessen erscheinen.

2.

Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes

302 Falls die gerade erarbeiteten Kriterien nicht vorliegen und Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Einzelfall angenommen werden kann, könnte eine Anfechtbarkeit ___________ 347) BT-Drucks. 18/7054. Siehe dazu Wagner, ZInsO 2015, 2171; Hacker, NZI 2015, 873; K. Schmidt, ZIP 2015, 2104; Willemsen/Kühn, BB 2015, 3011; Huber, ZInsO 2015, 2297; Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1; Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001. 348) Dies befürwortend Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001; Hacker, NZI 2015, 873, 874.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

nach § 133 Abs. 1 InsO noch an der fehlenden Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz seitens des Anfechtungsgegners scheitern.

a) Kenntnis des Arbeitnehmers Für die Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitnehmer Kenntnis von Benachteiligungs- 303 vorsatz349) hat, kann das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung350) aus den oben dargestellten Gründen351) nicht herangezogen werden. Somit kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der 304 Prämienzusage (§ 140 InsO) Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hatte.352) Teilweise wird für die Annahme der Kenntnis darauf abgestellt, dass Mitarbeiter in 305 bestimmten Positionen über Insiderkenntnisse verfügen und somit Einblick in die ___________ 349) Die Kenntnis seitens des Anfechtungsgegners setzt voraus, dass ihm die mit der Rechtshandlung einhergehende Gläubigerbenachteiligung bewusst war und dass er wusste, dass der Schuldner die Rechtshandlung als gläubigerbenachteiligend erachtet oder die Benachteiligung billigend in Kauf nimmt (BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NJW 2003, 3560, 3561; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 19). Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird die Kenntnis widerleglich vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Hierbei handelt es sich um eine Beweislastumkehr. Sofern der Vermutungstatbestand gegeben ist, obliegt es dem Anfechtungsgegner einen Gegenbeweis zu erbringen. Er muss daher darlegen und beweisen, dass entweder der Schuldner nicht mit Benachteiligungsabsicht gehandelt hat oder dass ihm der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war (BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZInsO 2007, 819, 820). 350) HeidelbergerKommInsO/Thole, § 133 Rn. 29; K/P/B/Bork, § 133 Rn. 59. 351) Siehe oben Kapitel 3 E. III. 352) Die Kenntnis von Umständen, die eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit nahelegen, ist mit der Kenntnis von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen (BGH, Urt. v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, NZI 2015, 369, 371, Rz. 25; BGH, Urt. v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, NZI 2009, 768, Rz. 8; BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, Rz. 25; BGH, Urt. v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07, NZI 2009, 168, 169, Rz. 10; Priebe, ZInsO 2012, 1589, 1595). Der Anfechtungsgegner muss daher Umstände kennen, die bei zutreffender Bewertung auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (BGH, Urt. v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, NZI 2009, 768, Rz. 8; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 43, Rz. 62; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 62; HeidelbergerKommInsO/Thole, § 133 Rn. 27). Solche Tatsachen können allerdings lediglich als mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen gewertet werden, sodass im Einzelfall eine Gesamtwürdigung vorgenommen werden muss (BGH, Urt. v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, NZI 2009, 768, Rz. 8; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 44, Rz. 67; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 67). Hat der Anfechtungsgegner Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, ist ihm in der Regel auch bewusst, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, alle seine Verbindlichkeiten zu erfüllen (BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, NZI 2008, 231, 233, Rz. 37; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 44, Rz. 65; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 65; K/P/B/Bork, § 133 Rn. 55).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

finanzielle Lage des Unternehmens haben.353) Dem stellt sich das Bundesarbeitsgericht entgegen und führt aus, die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen sei per se nicht entscheidend für die Frage, ob der Arbeitnehmer Umstände kannte, aus denen er auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners habe schließen müssen. Der Arbeitnehmer habe keine Beobachtungs- und Erkundigungspflicht, unabhängig davon, ob er über Einblicke in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens verfüge. Dem Insolvenzverwalter obliege im Einzelfall der Nachweis, dass der Arbeitnehmer Zugriff auf die notwendigen Informationen hatte.354)

306 Selbst wenn man diese Kriterien zugrunde legt, wird der Nachweis im Einzelfall häufig dann erbracht werden können, wenn die betreffenden Leistungsträger bestimmte Positionen bzw. Funktionen im Unternehmen inne haben. Bekleidet der Arbeitnehmer eine bestimmte Position oder arbeitet er in einem Tätigkeitsfeld, in dem er mit innerbetrieblichen Abläufen oder finanziellen Angelegenheiten betraut ist, wird er im Zweifel im Rahmen seiner Tätigkeit Kenntnis von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners erlangen und ein Nachweis dieser Kenntnis nicht schwer fallen.

307 Leistungsträger als potenzielle Empfänger von Bleibeprämien werden häufig in der Führungsetage zu finden oder mit geschäftspolitischen und finanziellen Aufgaben befasst sein. Diesen Arbeitnehmern dürfte im Normalfall die finanzielle Lage des Unternehmens bewusst sein. Anders liegt der Fall dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer in einem Bereich des Unternehmens tätig ist, in dem er keine Berührungspunkte mit der Liquiditätslage des Unternehmens hat, z. B. Forschung und Entwicklung.355)

308 Eine Kenntnis der finanziellen Lage käme außerdem dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche Situation seitens des Arbeitgebers offenbart wird.356) Es ist daher im Einzelfall fraglich, ob nicht bereits das Angebot seitens des Arbeitgebers zum Abschluss der Prämienvereinbarung als Offenbarung der finanziellen Situation angesehen werden kann. Dies ist davon abhängig, inwieweit der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in die wirtschaftliche Lage eingeweiht wird und wie der Arbeitgeber die Zusage der Prämie begründet. Klärt er den Arbeitnehmer über die Hintergründe vollumfänglich auf, wird man davon ausgehen müssen, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Prämienvereinbarung über Kenntnis von der drohenden ___________ 353) Zu § 130 Abs. 2 InsO Bork, ZIP 2007, 2337, 2338; siehe auch BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1204, Rz. 17; zustimmend Dahl, NJW-Spezial 2010, 661, 662; siehe dazu auch Schulz, DZWIR 2009, 256, 257; Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1673 f.; Ries/Doebert, ZInsO 2009, 2367, 2369. 354) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 43 f., Rz. 64; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 64; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZI 2011, 981, 986, Rz. 32; zustimmend Mückl, ZIP 2012, 1642, 1648. 355) Wroblewski, NJW 2012, 894, 897; Bork, ZIP 2007, 2337, 2339. 356) Bork, ZIP 2007, 2337, 2340.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

Zahlungsunfähigkeit verfügt, weswegen die Beweislastumkehr des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO zum Zuge käme.

b) Widerlegen der Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO durch schlüssiges Sanierungskonzept? Einige Stimmen in Rechtsprechung und Literatur meinen, ein schlüssiges Sanierungs- 309 konzept des Unternehmens könne die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO widerlegen, auch wenn der betroffene Arbeitnehmer Umstände kenne, die grundsätzlich auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens schließen lassen.357) Ist die Zusage der Bleibeprämie Bestandteil eines Sanierungsversuchs, der den Anforderungen des Bundesgerichtshofs genügt, stellt sich diese Frage gar nicht, weil die Anfechtbarkeit schon an dem fehlenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners scheitert. Entspricht das Sanierungsvorhaben diesen Anforderungen nicht, ist es auch nicht 310 geeignet, die Vermutung außer Kraft zu setzen. Teilweise wird zwar vertreten, dass im Rahmen der Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO bezüglich der Anforderungen an einen ernsthaften Sanierungsversuch nicht dieselben Maßstäbe gelten könnten wie für die Schuldnerin oder deren Geschäftsführer, weil die einzelnen Arbeitnehmer nicht über den gleichen Informationsstand verfügten.358) Dem ist allerdings nicht zu folgen. Sofern der Arbeitnehmer Kenntnis von einem Sanierungsvorhaben hat, ist ihm die kritische Lage des Unternehmens bewusst, weil ansonsten ein Sanierungsvorhaben überflüssig wäre.359) Wenn er keinen Zugang zu den wesentlichen Informationen betreffend der Sanierung hat oder davon nichts versteht, kann dies nicht dazu führen, dass er blind darauf vertrauen darf, das Sanierungsvorhaben sei aussichtsreich. Die strengen Anforderungen, die an ein Sanierungskonzept gestellt werden, sind den Interessen der übrigen Gläubiger geschuldet. Es soll ein beiden Seiten gerecht werdender Ausgleich zwischen dem Sanierungsinteresse des Unternehmens und dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen eines Insolvenzverfahrens geschaffen werden. Fehlt es an einem diesen Anforderungen entsprechenden Sanierungskonzept und 311 hat der betroffene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Prämienvereinbarung tiefere Einblicke in die finanzielle Lage des Unternehmens, ist seine Kenntnis daher gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO zu vermuten.

___________ 357) So LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 596; Mückl, ZIP 2012, 1642, 1648 f.; Priebe, ZInsO 2012, 1589, 1591. 358) BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 176/08, Rz. 3; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2014 – I-12 U 91/13, NZI 2015, 73, 74, Rz. 11. 359) Vgl. Paulus, BB 2001, 425, 428.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

c)

Ergebnis

312 Die Vereinbarung der Bleibeprämie ist demnach nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn es an einem schlüssigen Sanierungskonzept fehlt und der Arbeitnehmer zusätzlich Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hat.

3.

§ 133 Abs. 2 InsO Beweislastumkehr

313 Das Bundesarbeitsgericht hat in den von ihm getroffenen Entscheidungen die Frage aufgeworfen, ob § 133 Abs. 2 InsO einschlägig sein könnte. Eine Anwendbarkeit dieser Norm hält es für nicht von vornherein ausgeschlossen, hat die Frage jedoch nicht abschließend entscheiden können, weil diesbezüglich seitens des Landesarbeitsgerichts keine Feststellungen getroffen wurden.360) Ein Eingreifen der Beweislastumkehr des § 133 Abs. 2 InsO361) ist im Einzelfall durchaus denkbar. Wie bereits in Kapitel 3 E. II. 2) festgestellt, handelt es sich bei der Vereinbarung einer Bleibeprämie im Regelfall um einen entgeltlichen Vertrag. Die Beweiserleichterung des § 133 Abs. 2 InsO greift allerdings nur ein, wenn der betreffende Arbeitnehmer als nahestehende Person i. S. d. § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO qualifiziert werden kann und eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung gegeben ist.

a) Arbeitnehmer als nahestehende Person i. S. d. § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO 314 Ob der Arbeitnehmer als nahestehende Person i. S. v. § 138 InsO angesehen werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

315 In Betracht kommt ein Näheverhältnis aufgrund dienstvertraglicher Verbindung gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Dies setzt voraus, dass ein dienstvertragliches Verhältnis besteht, welches mit der in § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO erfassten Stellung vergleichbar ist.362) Damit ein solches bejaht werden kann, muss der Arbeitnehmer über Unterrichtungsmöglichkeiten verfügen, die denen eines Organmitglieds ver___________ 360) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 46, Rz. 85; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 85. 361) § 133 Abs. 2 InsO ist nicht als eigene Anfechtungsnorm sondern nur als Beweiserleichterung anzusehen (BGH, Urt. v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, NZI 2010, 738, 739, Rz. 11; Andres/ Leithaus/Leithaus, § 133 InsO Rn. 8; Braun/de Bra, § 133 Rn. 35; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 39; a. A.: Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 157 Rn. 251). Gelingt es dem Insolvenzverwalter zu beweisen, dass es sich beim Anfechtungsgegner um eine nahestehende Person handelt und dass eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliegt (Braun/de Bra, § 133 Rn. 34; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 46; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rn. 195), so wird gemäß § 133 Abs. 2 InsO der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis der nahestehenden Person hiervon vermutet (Braun/de Bra, § 133 Rn. 33; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rn. 196). 362) BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, VIZ 1998, 164, 165; MünchKommInsO/Gehrlein, § 138 Rn. 33.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

gleichbar sind.363) Er muss einer Tätigkeit nachgehen, im Zuge derer364) er Einsicht in die finanzielle Lage des Schuldners erhält.365) Dabei ist die bloße Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse ausreichend, eine tatsächliche Informationsziehung seinerseits ist nicht erforderlich.366) Der betreffende Arbeitnehmer muss im normalen Geschäftsgang Zugang zu den über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erheblichen Daten haben.367) Bei dem Arbeitnehmer, dem eine Bleibeprämie in Aussicht gestellt wird, müsste es sich beispielsweise um einen Prokuristen368), einen leitenden Angestellten, einen Chefsekretär369) oder einen Mitarbeiter, der eine andere Tätigkeit in der Buchhaltung oder der Verwaltung ausübt, handeln370). Hat der Arbeitnehmer jedoch keinen Zugriff auf die einschlägigen Daten und In- 316 formationen, ist ein Näheverhältnis gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 2 zu verneinen.371) So dürfte der Fall liegen, wenn der Arbeitnehmer in der Entwicklung, Forschung oder Herstellung arbeitet, weil er in solchen Positionen im Normalfall nicht mit finanziellen Fragen in Berührung kommt.

b) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung § 133 Abs. 2 InsO setzt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus.372) 317 Das Bleibeprämienversprechen benachteiligt die Gläubiger unmittelbar373), wenn ___________ 363) Kirchhof, ZInsO 2001, 825, 828; MünchKommInsO/Gehrlein, § 138 Rn. 33; K/P/B/Ehricke, § 138 Rn. 23; FK-InsO/Dauernheim, § 138 Rn. 18. 364) Eine zufällige Unterrichtungsmöglichkeit reicht nicht (Uhlenbruck/Hirte, § 138 Rn. 37). 365) BT-Drucks. 12/2443, S. 163 zu § 155; BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, BGHZ 195, 358 = NZG 2013, 262, 263, Rz. 10; BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, VIZ 1998, 164, 165; Braun/Riggert, § 138 Rn. 15. Nerlich/Römermann/Nerlich, § 133 Rn. 71, § 138 Rn. 21; MünchKommInsO/Gehrlein, § 138 Rn. 34; Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 90 Rn. 158. 366) Kirchhof, ZInsO 2001, 825, 827; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 138 Rn. 21; Uhlenbruck/ Hirte, § 138 Rn. 36; Plathner, DStR 2013, 1349, 1354. Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 99 Rn. 167, möchte nicht auf die individuelle sondern lediglich auf die typische Informationsmöglichkeiten der Person abstellen, um den Nachweis einer solchen Informationsmöglichkeit zu erleichtern. 367) Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, BGHZ 195, 358 = NZG 2013, 262, 263, Rz. 11. 368) Nerlich/Römermann/Nerlich, § 133 Rn. 71, § 138 Rn. 21; MünchKommInsO/Gehrlein, § 138 Rn. 34; K/P/B/Ehricke, § 138 Rn. 23. Der Prokurist wird ausdrücklich in BT-Drucks. 12/2443 zu § 155, S. 163 genannt. 369) Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, S. 91 Rn. 158. 370) Andres/Leithaus/Leithaus, § 138 Rn. 6; Uhlenbruck/Hirte, § 138 Rn. 47; Hirte, ZInsO 1999, 429, 434. 371) Nerlich/Römermann/Nerlich, § 133 Rn. 71, § 138 Rn. 21. 372) K/P/B/Ehricke, § 129 Rn. 91; Braun/de Bra, § 129 Rn. 26. Vgl. zum Begriff der Gläubigerbenachteiligung K/P/B/Ehricke, § 129 Rn. 64 ff. 373) Auch das BAG hält eine Anwendung von § 133 Abs. 2 InsO nicht für ausgeschlossen (BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 46, Rz. 85; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 85).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger bereits durch den Abschluss der Prämienvereinbarung beeinträchtigt werden.374) Entscheidend ist zunächst, ob der Arbeitnehmer seinerseits eine gleichwertige Gegenleistung erbringen muss.375) Die Nichtausübung des dem Arbeitnehmer zustehenden Kündigungsrechts stellt den Gegenwert für die Eingehung der Verpflichtung des Arbeitgebers dar. Kann dieser Gegenwert aufgrund des Bewertungsspielraums der Parteien als gleichwertig angesehen werden376), kann keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung wegen des Fehlens einer gleichwertigen Gegenleistung seitens des Arbeitnehmers angenommen werden.377) Allerdings ist zu beachten, dass Bleibeprämien im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsversuchs versprochen werden und somit mit der Gewährung eines Sanierungskredits und dem Einschalten von Sanierungsberatern vergleichbar sind. Bei Sanierungskrediten wird zunächst darauf abgestellt, ob Leistung und Gegenleistung einander nominell entsprechen. Liegt eine nominelle Gleichwertigkeit vor, wird eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung dennoch angenommen, wenn der wirtschaftliche Wert des Kredits für das Unternehmen in Folge eines von vornherein378) aussichtslosen Sanierungsversuchs geringer ausfällt.379) Entsprechendes gilt hinsichtlich der Einstellung von Sanierungsberatern. Auch hier wird trotz grundsätzlicher Angemessenheit des Honorars eine unmittel-

___________ 374) Zu den Voraussetzungen einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung BGH, Urt. v. 8.11.2012 – IX ZR 77/11, BeckRS 2012, 23763, Rz. 20; BGH, Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, NZI 2009, 512, Rz. 18; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 564, Rz. 28; Braun/de Bra, § 133 Rn. 29; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 44; Nerlich/Römermann/ Nerlich, § 133 Rn. 59, § 129 Rn. 71; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rn. 192; Andres/Leithaus/ Leithaus, § 129 Rn. 10. 375) Dazu ausführlich Kapitel 3 E. II. 2). Ein Verpflichtungsgeschäft, welches den Austausch gleichwertiger Leistungen beinhaltet, benachteiligt die übrigen Gläubiger nicht unmittelbar (Raschke, Funktion und Abgrenzung des Bargeschäftstatbestandes in § 142 InsO, S. 58; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 341). 376) Siehe oben Kapitel 3 E. II. 2) b) dd) (2). 377) BGH, Urt. v. 15.12.1995 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 = NJW 1995, 659, 660; MünchKommInsO/Kayser, § 129 Rn. 114. 378) Zur Notwendigkeit einer ex ante Beurteilung vgl. Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, S. 98. Dieser weist zu Recht darauf hin, dass eine Bewertung ex post immer zu dem Ergebnis gelangen wird, dass keine Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens bestanden, da die Frage nur im Falle des Scheiterns Bedeutung erlangt. 379) Nerlich/Römermann/Nerlich, § 132 Rn. 17; Braun/de Bra, § 132 Rn. 7; Jaeger/Henckel, § 142 Rn. 42; Obermüller, ZIP 1980, 1059; Westermann, KTS 1982, 165, 167 f.; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, S. 100; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 132 Rn. 12 fordert für eine Anfechtbarkeit zusätzlich einen verkehrsunüblichen Zinssatz; a. A.: MünchKommInsO/Kayser, § 132 Rn. 15 hält hier lediglich die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung für entscheidend.

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E. Anfechtbarkeit der Vereinbarung der Bleibeprämie

bare Benachteiligung angenommen, wenn der Sanierungsversuch von vorneherein aussichtslos ist.380) Die Zusage einer Bleibeprämie im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsvor- 318 habens benachteiligt die übrigen Gläubiger folglich nicht nur dann unmittelbar, wenn die versprochene Prämie unangemessen hoch ist381) sondern auch dann, wenn es trotz grundsätzlicher Angemessenheit der Prämie zum Zeitpunkt der Zusage an einem aussichtsreichen Sanierungsvorhaben fehlt. Bezüglich der Anforderungen an ein solches Vorhaben greift der Bundesgerichtshof auf die von ihm zur Sittenwidrigkeit von Sanierungskrediten entwickelten Grundsätze zurück.382) So ist ein in sich schlüssiges Sanierungskonzept, das von erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist, geeignet eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung objektiv selbst dann auszuschließen, wenn es letztlich scheitert.383) Hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage und der Durchführbarkeit ist ein unvoreingenommener – nicht notwendigerweise unbeteiligter – branchenkundiger Fachmann hinzuzuziehen, dem die vorgeschriebenen und üblichen Buchhaltungsunterlagen vorliegen. Voraussetzung ist eine Analyse der wirtschaftlichen Lage, der Krisenursachen sowie der Vermögens-, Ertragsund Finanzlage.384) Die Benachteiligung tritt dann nicht schon durch den Vertragsschluss selbst, sondern erst in Folge des Scheiterns der Sanierungsbemühungen und der sich daran anschließenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein. Sie ist nur mittelbar.385)

___________ 380) BGH, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147 f.; BGH, Urt. v. 28.1.1988 – IX ZR 102/87, NJW-RR 1988, 571 f.; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 132 Rn. 18; Braun/de Bra, § 132 Rn. 7; MünchKommInsO/Kayser, § 132 Rn. 14; HambKommInsO/ Rogge/Leptien, § 132 Rn. 11. 381) Vgl. zum Sanierungsberater: MünchKommInsO/Kayser, § 132 Rn. 14; HambKommInsO/ Rogge/Leptien, § 132 Rn. 11; Biernat, ZVI 2004, 276, 278; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 341. 382) BGH, Urt. v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 = NJW 1953, 1665, 1666. 383) BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563 f. Vgl. auch BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 = NJW 1980, 1962, 1963; BGH, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147 f.; BGH, Urt. v. 28.1.1988 – IX ZR 102/87, NJW-RR 1988, 571, 572; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.117; K/P/B/ Ehricke, § 129 Rn. 89; MünchKommInsO/Kayser, § 129 Rn. 163a; siehe auch Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 341. 384) BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1564; MünchKommInsO/Kayser, § 129 Rn. 163a; so auch Wittig, NZI 1998, 49, 52. Dies gelte wegen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der Gläubiger auch für kleine Unternehmen. 385) Das OLG Köln, Urt. v. 30.11.2000 – 18 U 147/00, NZI 2001, 252, 253 verneint in Hinblick auf Beraterhonorare eine Gläubigerbenachteiligung. Ernsthafte und nicht von vorneherein aussichtslose Sanierungsbemühungen seien in gleicher Weise zu privilegieren wie Bargeschäfte i. S. d. § 142 InsO. Sie lägen im Interesse der übrigen Gläubiger und führten deswegen selbst dann nicht zu einer Benachteiligung der Gläubiger wenn die Sanierungsbemühungen im Nachhinein scheiterten.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

V. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO 319 Unternimmt das Unternehmen einen ernsthaften Sanierungsversuch, wird es die im Zuge dessen ergriffenen Sanierungsmaßnahmen meist zu einem früheren Zeitpunkt einleiten, sodass eine Anfechtung nach § 132 InsO in einem solchen Fall bereits am Zeitmoment scheitern würde.

320 Wird die Prämienvereinbarung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag abgeschlossen, kann sie als Verpflichtungsgeschäft386) allerdings der Anfechtung nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegen.387) Die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestands liegen vor, wenn das Unternehmen im Zeitpunkt der Zusage bereits zahlungsunfähig war und der betreffende Arbeitnehmer hiervon positive Kenntnis388) hatte bzw. gemäß § 132 Abs. 3 i. V. m. § 130 Abs. 2 InsO Umstände kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen.389) Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist auch eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch den Abschluss der Prämienvereinbarung zu bejahen. War das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig, kommt ein außergerichtlicher Sanierungsversuch nicht mehr in Betracht. Die Prämienzusage ist dann nicht mehr Teil eines schlüssigen Sanierungskonzepts, weil sich dieses bereits als aussichtslos entpuppt hat. Das Sanierungsvorhaben ist deswegen nicht mehr geeignet, eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung auszuschließen.390)

VI. Ergebnis 321 Wird im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsvorhabens ein Bleibeprämienversprechen seitens des Arbeitgebers abgegeben, besteht für den Arbeitnehmer insbesondere das Risiko der Anfechtung der Vereinbarung nach § 133 Abs. 1 InsO. Eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO ist jedoch dann nicht gegeben, wenn ein ernsthaftes Sanierungsvorhaben durchgeführt wird, dem Arbeitnehmer im Rahmen dessen eine entscheidende Rolle zukommt, und ihm hierfür eine Prämie in angemessener Höhe in Aussicht gestellt wird. Da die weitere Nutzbarkeit der Arbeitskraft des Arbeitnehmers aus ex ante Sicht einen wirtschaftlichen Vorteil darstellt und der Arbeitnehmer, indem er eine ungewisse finanzielle und berufliche Zukunft in Kauf nimmt, ein Vermögensopfer erbringt, wenn er sein Kündigungsrecht nicht ausübt, erfolgt die Begründung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie regelmäßig auch entgeltlich i. S. d. § 134 InsO. Eine Anfechtung ___________ 386) Unter den Begriff des Rechtsgeschäfts fallen vor allem Verpflichtungsgeschäfte (MünchKommInsO/Kayser, § 132 Rn. 7; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rn. 2; K/P/B/Schoppmeyer, § 132 Rn. 20). 387) Das gilt selbst dann, wenn die erfüllende Verfügung ebenfalls vor Verfahrenseröffnung vorgenommen wird (Jaeger/Henckel, § 130 Rn. 9). 388) K/P/B/Schoppmeyer, § 132 Rn. 51, § 130 Rn. 106, 110. 389) Siehe zur Kenntnis des Arbeitnehmers ausführlich unten Kapitel 3 F. III. 1). 390) Siehe die Ausführungen zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung Kapitel 3 E. IV. 3) b).

102

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

des Bleibeprämienversprechens gemäß §§ 130, 131 InsO kommt nicht in Betracht, weil es sich entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht um eine Deckung in diesem Sinne handelt.

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie (Entstehung des Anspruchs vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) Fällt der Stichtag in den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, tritt bei 322 ungekündigtem Bestand des Arbeitsverhältnisses von Seiten des Arbeitnehmers die Bedingung ein und der Anspruch des Arbeitnehmers gelangt zur Entstehung. Zahlt der Arbeitgeber die versprochene Prämie in Folge dessen an den Arbeitnehmer aus, stellt sich die Frage, ob die Auszahlung anfechtbar ist, wenn das Insolvenzverfahren später eröffnet wird. Dann müsste der Arbeitnehmer den erhaltenen Betrag gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO an die Insolvenzmasse zurückzahlen. Eine Anfechtbarkeit der Prämienzahlung würde für den Arbeitnehmer ein erhebliches Risiko darstellen, welches er sehenden Auges wohl kaum auf sich nehmen würde.

I.

Objektive Gläubigerbenachteiligung durch Auszahlung der Bleibeprämie

Die Auszahlung der Prämie benachteiligt die übrigen Gläubiger grundsätzlich mit- 323 telbar.391) Weil es sich bei der Arbeitnehmerforderung um eine Insolvenzforderung handelt, würde der Arbeitnehmer hierauf im eröffneten Insolvenzverfahren nur die Quote erhalten. Erfolgt die Auszahlung seitens des Arbeitgebers bereits im Vorfeld, erlangt der Arbeitnehmer hingegen Befriedigung in voller Höhe. Hierdurch wird die Aktivmasse geschmälert, sodass die Quote für die übrige Gläubiger noch geringer ausfällt.392) Allerdings unterliegt eine Auszahlung der Prämie nach Erreichen des Stichtags vor 324 Insolvenzeröffnung mangels Gläubigerbenachteiligung dann nicht der Anfechtung, wenn für die Arbeitnehmerforderung eine insolvenzfeste Sicherung bestellt worden ist393), denn durch die Befriedigung wird die gleichwertige Sicherheit wieder frei, aufgrund derer der Arbeitnehmer im eröffneten Verfahren in gleicher Höhe hätte vorweg befriedigt werden müssen.394) ___________ 391) Vgl. MünchKommInsO/Kayser, § 129 Rn. 122; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 343. 392) Vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252, 3253; MünchKommInsO/ Kayser, § 129 Rn. 165a; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 343. 393) Vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NZI 2012, 667, 669, Rz. 22; BGB, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, NZI 2004, 492, 494. Siehe die Erwägungen zur Anfechtung der Sicherung unter Kapitel 3 G. 394) Vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315 = NJW 1991, 2147, 2149; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, NZI 2000, 364; FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rn. 43; MünchKommInsO/Kirchhof, § 144 Rn. 10b; Jaeger/Henckel, § 144 Rn. 15; MünchKommInsO/ Kayser, § 130 Rn. 23, § 129 Rn. 142a; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 211; Ganter, WM 2011, 245, 247.

103

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

II. § 131 Abs. 1 InsO 325 Da es sich bei der Auszahlung der Prämie um eine Befriedigung und somit um eine Deckung handelt, kommt eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO in Frage.395) Grundsätzlich ist in der Prämienvereinbarung ein kongruenzbegründender Schuldgrund zu sehen. Der Anspruch auf die Auszahlung der Bleibeprämie wird dem Arbeitnehmer durch die mit dem Arbeitgeber abgeschlossene Prämienvereinbarung verschafft. Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Verpflichtungsgeschäft und nicht bloß um die Modifizierung des bereits bestehenden Arbeitsvertrags.396)

326 Eine Vereinbarung kann jedoch dann nicht die Kongruenz einer Leistung begründen, wenn sie ihrerseits anfechtbar ist.397) Ist die Prämienvereinbarung mangels eines schlüssigen Sanierungskonzepts beispielsweise nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, ist die Auszahlung der Prämie als inkongruent anzusehen. Auch die Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie nach § 131 Abs. 1 InsO steht und fällt folglich mit der Ernsthaftigkeit des Sanierungsversuchs.

327 Selbst wenn dem Arbeitnehmer aufgrund einer unanfechtbaren Prämienvereinbarung ein Anspruch auf die Prämie zustand, kann sich die Inkongruenz der Leistung noch aus der Art der Zahlung oder der Leistungszeit ergeben. Um eine Inkongruenz der Leistung zu vermeiden, muss die Zahlung nach Erreichen des festgesetzten Stichtags398), ab Fälligkeit399), in der vereinbarten Form und nicht von dritter Seite erfolgen.400) ___________ 395) Das Verhältnis von § 130 InsO und § 131 InsO ist umstritten. Teilweise wird darauf abgestellt, dass § 130 InsO nicht nur kongruente sondern sämtliche Deckungen erfasse, weswegen – sofern die Voraussetzungen des § 130 InsO vorlägen – irrelevant sei, ob die Deckung kongruent oder inkongruent ist. Erst wenn die Anfechtung nach § 130 InsO an den subjektiven Voraussetzungen scheitere, sei zu prüfen, ob aufgrund der Inkongruenz der Deckung eine Anfechtung nach § 131 InsO möglich ist (Jaeger/Henckel, § 130 Rn. 13; Braun/de Bra, § 130 Rn. 9). Andere erachten § 130 InsO als Auffangtatbestand falls keine inkongruente Deckung gegeben ist (Schumacher-Hey, RNotZ 2004, 544, 550; MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 5). 396) A. A.: BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37, 44 f., Rz. 73; BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 981/11, Rz. 73 f. Siehe oben Kapitel 3 E. III. 397) BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142, Rz. 10; BGH, Urt. v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668, 1671; MünchKommInsO/Kayser, § 131 Rn. 14a; MünchKommInsO/Kirchhof, § 143 Rn. 54; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 51; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rn. 5; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 15. 398) Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rn. 8; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 131 Rn. 31. 399) Bei einer Auszahlung vor Fälligkeit handelt es sich um eine inkongruente Deckung, weil der spätere Anfechtungsgegner die Befriedigung nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (Heidbrink, BB 2008, 958, 959; Wroblewski, NJW 2012, 894, 895; Utsch, DZWIR 2013, 353, 355; Andres/ Leithaus/Leithaus, § 131 Rn. 6; Braun/de Bra, § 131 Rn. 16; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 41). 400) Vgl. Heidbrink, BB 2008, 958, 959. Zur Inkongruenz der Deckung bei mittelbarer Zuwendung siehe auch BAG, Urt. v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 = NZI 2014, 276, dazu EWiR 2014, 187 (Würdinger).

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

Die Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO birgt für den Arbeitnehmer eine besondere 328 Gefahr. Ist die Auszahlung der Prämie als inkongruent anzusehen und liegen die weiteren Voraussetzungen der Nr. 1 – 3 vor401), stehen auch etwaige Sanierungsbemühungen einer Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 InsO nicht entgegen.402) Hinzu

___________ 401) § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO lässt es genügen, dass die Befriedigung bis zu einem Monat vor Stellung des Eröffnungsantrags oder danach vorgenommen wird. Eine etwaige Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu diesem Zeitpunkt ist irrelevant (MünchKommInsO/Kayser, § 131 Rn. 46; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 143). Nr. 2 erfasst Deckungshandlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt objektiv zahlungsunfähig ist (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Lediglich § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO normiert subjektive Voraussetzungen. Hiernach sind Deckungshandlungen anfechtbar, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag erfolgten und bei deren Vornahme der Gläubiger die benachteiligende Wirkung der Deckungshandlung kannte. Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes Wissen, dass die Befriedigungshandlung zur Schmälerung des Vermögens des Schuldners führt und dieses nicht mehr zur Befriedigung aller übrigen Gläubiger ausreichen wird (BGH, Urt. v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 = NJW 2004, 1385, 1386 f.; BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NJW-RR 2004, 1563, 1565; MünchKommInsO/Kayser, § 131 Rn. 53). Der Kenntnis steht gemäß § 131 Abs. 2 S. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Es müssen also Tatsachen bekannt sein, die bei zutreffender rechtlicher Bewertung darauf schließen lassen, dass der Schuldner aufgrund seiner finanziellen Lage seine Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit nicht mehr in vollen Umfang begleichen kann und deswegen die Insolvenzgläubiger zumindest teilweise leer ausgehen (BGH, Urt. v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 = NJW 2004, 1385, 1387; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rn. 22; MünchKommInsO/Kayser, § 131 Rn. 54; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 153; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 131 Rn. 100). Sofern der Anfechtungsgegner Kenntnis von der schwierigen finanziellen Lage des Schuldners hat, bildet die Inkongruenz der Deckungshandlung ein Beweisanzeichen für eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligung der übrigen Gläubiger (BGH, Urt. v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 = NJW 2004, 1385, 1387; BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NJW-RR 2004, 1563, 1565; MünchKommInsO/Kayser, § 131 Rn. 63; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rn. 23; K/P/B/ Schoppmeyer, § 131 Rn. 159; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 101). Bekleidet der Arbeitnehmer im Unternehmen eine Position, im Zuge derer er Einblicke in die Wirtschafts- und Vermögenslage des Unternehmens erhält, wird eine solche Kenntnis häufig zu bejahen sein. Ebenso wenn die wirtschaftliche Situation seitens des Arbeitgebers offen gelegt wird. Auch wenn beides nicht zutrifft, ist zu bedenken, dass § 131 InsO lediglich einen Zeitraum von drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung erfasst. In diesem kurzen Zeitraum tritt die Krise in der Regel bereits offen zu Tage, sodass ein vernünftiger Arbeitnehmer sich vor der Erkenntnis, wie schlecht es um das Unternehmen steht, nicht mehr wird verschließen können. Ist der Arbeitnehmer als nahestehende Person i. S. d. § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO anzusehen, greift die Beweislastumkehr des § 131 Abs. 2 S. 2 InsO, sodass der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, dass ihm die gegebenen Umstände, die zwingend auf eine Kenntnis schließen lassen, unbekannt waren (Vgl. Nerlich/Römermann/ Nerlich, § 131 Rn. 74; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 160; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 105). 402) Biernat, ZVI 2004, 276, 278.

105

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

kommt, dass das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO auf inkongruente Deckungen keine Anwendung findet.403)

III. § 130 Abs. 1 S. 1 InsO 329 Ist die Prämienvereinbarung selbst nicht anfechtbar und die Auszahlung der Prämie in der vereinbarten Höhe somit als kongruente Deckung zu klassifizieren, kommt eine Anfechtung allenfalls nach § 130 Abs. 1 S. 1 InsO in Betracht.

1.

§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO – Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit

330 § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO wird dem Arbeitnehmer nur dann gefährlich, wenn er die Bleibeprämie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgezahlt bekommen hat. War der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie an den Arbeitnehmer bereits objektiv zahlungsunfähig404), spielt für die Beurteilung der Frage, ob der betroffene Arbeitnehmer positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hatte bzw. ihm Umstände bekannt waren, aus denen er zwingend auf eine solche hätte schließen müssen (§ 130 Abs. 2 InsO), sein Tätigkeitsbereich im Unternehmen eine entscheidende Rolle.

331 Um eine tatsächliche Kenntnis405) von der Zahlungsunfähigkeit zu bejahen, ist es nach der Rechtsprechung erforderlich, dass der Anfechtungsgegner die Liquidität ___________ 403) BAG, Urt. v. 13.11.2014 – 6 AZR 868/13, NZI 2015, 325, 327, Rz. 19 ff.; BAG, Urt. v. 8.5.2014 – 6 AZR 722/12, NZG 2014, 1434, 1435, Rz. 16; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 = NZI 2002, 311, 313; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 28; BGH, Urt. v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, NZI 2007, 456, 457, Rz. 10; BGH, Urt. v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, NZI 2007, 337, 338, Rz. 22; BGH, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, NZI 2004, 492, 493; BGH, Urt. v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, NZI 2005, 497, 498; BGH, Urt. v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 = NJW 1993, 3267, 3268 f. noch zu §§ 30, 31 KO; MünchKommInsO/Kayser, § 131 Rn. 5, § 142 Rn. 7; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 142 Rn. 9; Andres/Leithaus/Leithaus, § 142 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 142 Rn. 10; Braun/Riggert, § 142 Rn. 16; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rn. 6; Henckel, Kölner Schrift, 2. Aufl., S. 813, 834 Rn. 47; Kayser, ZIP 2007, 49, 50; ders., FS Fischer, S. 267, 272; Biernat, ZVI 2004, 276, 278; Thole/Schmidberger, BB 2014, 3, 4. HeidelbergerKommInsO/ Kreft, § 142 Rn. 9 kommt zu diesem Ergebnis im Wege einer teleologischen Extension dahingehend, dass die dort genannten Leistungen nicht nur nach § 133 Abs. 1 InsO sondern auch nach § 131 InsO anfechtbar seien. Für eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auch auf inkongruente Deckungen: K/S/W/Wagner, § 142 Rn. O12; Marotzke/Kick, JR 1995, 106, 108; Lwowski/ Wunderlich, FS Kirchhof, S. 301, 304 ff.; Bork, FS Kirchhof, S. 57, 67 unter Hinweis auf die Zwecksetzung der weiteren Teilnahmemöglichkeit des Schuldners am Geschäftsverkehr. 404) Der in § 130 Abs. 1 InsO verwendete Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist gleich bedeutend mit dem in § 17 Abs. 2 S. 1 InsO (BGH, Beschluss v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, NJW-RR 2006, 1422, 1423, Rz. 6; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, NZI 2011, 589, 590, Rz. 10; Braun/de Bra, § 130 Rn. 16; MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 28; FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rn. 42; Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1668; Pieper, ZInsO 2009, 1425, 1432; Kayser, WM 2013, 293, 295). 405) Kenntnis bedeutet für sicher gehaltenes Wissen (BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1203, Rz. 13; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 334, Rz. 24).

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

oder das Zahlungsverhalten des Schuldners laienhaft als Zahlungsunfähigkeit einstuft.406) Das Bundesarbeitsgericht meint einschränkend, um Kenntnis annehmen zu können, brauche der Anfechtungsgegner Informationen über die vorhandenen Verbindlichkeiten und das zur Verfügung stehende Vermögen des Schuldners. Aus diesen müsse er den Schluss ziehen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, alle diese Verbindlichkeiten zu erfüllen.407) Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, müsste der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit Einblicke in die Liquiditäts- und Vermögenslage des Unternehmens haben. Dies wird regelmäßig auf Mitarbeiter in der Buchhaltung und Verwaltung des Unternehmens sowie auf Führungspositionen zutreffen. Der Position des Arbeitnehmers im Unternehmen kommt auch bei der rechtlichen 332 Bewertung, ob der Arbeitnehmer aus dem ihm bekannten Umstand auf die Zahlungsunfähigkeit schließen musste408), Bedeutung zu. Der Bundesgerichtshof geht nämlich davon aus, dass die Kenntnis der Nichtzah- 333 lung der eigenen und anderer Löhne einen Arbeitnehmer nur dann auf die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hinweise, wenn er auch einen Gesamtüberblick über die Liquiditäts- und Zahlungslage des Unternehmens habe und somit wisse, dass ___________ 406) BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1203, Rz. 13; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 334, Rz. 24; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 27; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 27. 407) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 334, Rz. 24; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 27; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 27; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 27; Priebe, ZInsO 2012, 1589, 1597; Laws, ZInsO 2009, 1465, 1466. Kritisch dazu Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 624, die darauf hinweisen, ein Nachweis könne bei diesen hohen Anforderungen praktisch nicht gelingen. 408) Eine grob fahrlässige Unkenntnis solcher Umstände reicht nicht aus (BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1203, Rz. 13; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 335, Rz. 28; Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1669; im Umkehrschluss Laws, ZInsO 2009, 1465, 1467). Damit sind solche tatsächlichen Umstände gemeint, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung eines redlich Denkenden die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zweifelsfrei folgt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende aus den Umständen den Schluss der Zahlungsunfähigkeit tatsächlich zieht (BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1203, Rz. 13 f.; BGH, Urt. v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, NZI 2009, 892, 893, Rz. 11; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 335, Rz. 28; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 31; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 32; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 31). In der Literatur werden als solche Umstände beispielsweise angesehen: die Kenntnis des Anwachsens von Rückständen, die Kenntnis der Nichteinhaltung von Zahlungszusagen, die Kenntnis der Nichtzahlung oder schleppenden Zahlung von Löhnen und Gehältern, die Kenntnis der Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen, Informationen durch den Schuldner sowie Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens (Plathner/Sajogo, ZInsO 2012, 581, 583; Ries/Doebert, ZInsO 2009, 2367, 2370; Huber, NJW 2009, 1928, 1930; siehe auch MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 38 ff.).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

der Arbeitgeber einen wesentlichen Teil seiner Verbindlichkeiten derzeit nicht erfüllen kann.409) Einen solchen Überblick würden Arbeitnehmer, die nicht in der Finanzbuchhaltung tätig sind oder keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich inne haben, regelmäßig nicht aufweisen. Diese könnten aus der unterbliebenen Lohnzahlung nur auf eine Zahlungsstockung oder Zahlungsschwierigkeiten schließen.410) Anders liege der Fall, wenn der Arbeitnehmer über Insiderkenntnisse verfüge. Entscheidend sei, auf welcher Stufe der „Informationshierarchie“ er angesiedelt sei.411)

334 Das Bundesarbeitsgericht412) vertritt demgegenüber die Ansicht, entscheidend sei nicht allein die Position im Betrieb, sondern es komme auf die Kenntnis bestimmter Tatsachen an, aus denen sich die Zahlungsunfähigkeit ergebe.413) § 130 Abs. 2 InsO beinhalte keine Vermutung dahingehend, dass Arbeitnehmer in solchen Bereichen Umstände kennen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Umgekehrt könnten aber auch Arbeitnehmer in anderen Positionen Kenntnis solcher Umstände haben.414) Unabhängig von seiner Position treffe den Arbeitnehmer auch keine Erkundigungspflicht.415) ___________ 409) BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1204, Rz. 18; BGH, Hinweisbeschluss v. 4.2.2010 – IX ZR 32/09, NZI 2010, 444, Rz. 7; a. A.: Zwanziger, BB 2007, 42, 45, der annimmt, dass der Umstand, dass der Arbeitgeber in erheblichem Umfang Arbeitsentgelt nicht zahlt, zwingend auf dessen Zahlungsunfähigkeit hindeute. 410) BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1204, Rz. 17; zustimmend Dahl, NJW-Spezial 2010, 661, 662; Pieper, ZInsO 2009, 1425, 1430; diese Differenzierung ablehnend Schulz, DZWIR 2009, 256, 257 f.; Wegener, NZI 2009, 225, 226, geht davon aus, dass wiederholte und längere Zahlungsrückstände entgegen der Ansicht des BGH ausreichen, um die Kenntnis des Arbeitnehmers anzunehmen. 411) Zustimmend Laws, ZInsO 2009, 1465, 1471; das Ergebnis einer hohen Schwelle zur Annahme von § 130 Abs. 2 InsO begrüßend Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1674. 412) Das BAG hatte sich mit dieser Frage zu beschäftigen, nachdem der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden hat, die Arbeitsgerichtsbarkeit sei zuständig für Klagen eines Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr von Vergütung; GmS-OGB, Beschluss v. 27.9.2010 – 1/09, BGHZ 187, 105 = NZI 2011, 15. 413) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 335, Rz. 32; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 35; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 36; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 35; zustimmend Wroblewski, NJW 2012, 894, 897; so auch schon Schulz, DZWIR 2009, 256, 258; kritisch Plathner/Sajogo, ZInsO 2012, 581, 584 f.; a. A.: Bork, ZIP 2007, 2337, 2338. 414) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 335, Rz. 32; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 35; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 36; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 35; zustimmend Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 211. 415) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 335, Rz. 32; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 35; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 36; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 35. Der BGH hingegen bejaht eine Erkundigungspflicht für Großgläubiger, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, NJW 2009, 1202, 1204, Rz. 21.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

Das Bundesarbeitsgericht stimmt dem Bundesgerichtshof aber insoweit zu, als dass 335 der Arbeitnehmer über Informationen verfügen müsse, die es ihm erlauben, eine Liquiditätsprognose zu erstellen, und erkennt zutreffend, dass Arbeitnehmer in bestimmten höheren Positionen die Möglichkeit haben, sich über die finanzielle Lage des Unternehmens zu informieren, und über Insiderkenntnisse verfügen, etwa wenn sie in der Finanzbuchhaltung tätig oder mit Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich betraut sind.416) Neben der Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern können auch Presseberichte 336 einen Umstand i. S. d. § 130 Abs. 2 InsO darstellen – selbst wenn sie keine amtliche Verlautbarung enthalten –, sofern es sich um eine seriöse Berichterstattung aufgrund einer zuverlässigen und glaubwürdigen Quelle handelt.417) Ob von dem Bericht zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens geschlossen werden muss, hängt von dessen Inhalt ab. Den Arbeitnehmer treffen jedenfalls keine Erkundigungspflichten.418) Hinzu kommt, dass das Bundesarbeitsgericht hohe Anforderungen an den Nachweis der Kenntnis stellt. Der Insolvenzverwalter muss nicht nur beweisen, dass der entsprechende Bericht in einer Zeitung veröffentlicht wurde, sondern auch dass und wann der Arbeitnehmer diesen gelesen hat.419) Ob der einzelne Arbeitnehmer Kenntnis hat, hängt auch davon ab, inwiefern der Ver- 337 lauf der Sanierungsbemühungen und deren Scheitern im Unternehmen kommuniziert werden. Teilt ihm der Arbeitgeber mit, dass das Sanierungsvorhaben nicht erfolgreich war und deswegen die Zahlungsunfähigkeit nicht vermieden werden konnte420), bzw. gibt der Arbeitgeber Informationen preis, aus denen der betreffende Arbeitnehmer den zweifelsfreien Schluss der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ziehen kann421), erlangt der Arbeitnehmer Kenntnis. Von Bedeutung ist auch, inwieweit der betreffende Arbeitnehmer in das Sanierungs- 338 vorhaben eingebunden ist und so dessen Verlauf selbst verfolgen kann. Nimmt er eine entscheidende Rolle innerhalb des Vorhabens ein, kann er aus dem Umstand, ___________ 416) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 335, Rz. 32; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 35; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 36; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 35. 417) BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1204, Rz. 21. So auch BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 41; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 39. 418) BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 = NJW 2009, 1202, 1204, Rz. 22; zustimmend Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 625. 419) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 41; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 39; Brinkmann, ZZP 2012, 197, 211 äußert Bedenken hinsichtlich der strengen Beweisanforderungen. 420) Vgl. Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1670. 421) Pieper, ZInsO 2009, 1425, 1435.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

dass bestimmte Zielvorgaben nicht erreicht werden, unter Umständen schließen, dass das Sanierungsvorhaben zum Scheitern verurteilt ist und dies eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nach sich zieht.422) Dieser Schluss setzt aber wiederum voraus, dass der Arbeitnehmer einen Einblick in die finanzielle Gesamtlage des Unternehmens und die Auswirkungen der verschiedenen Sanierungsmaßnahmen auf diese hat.

339 Den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts lag jeweils die Anfechtung von Lohnzahlungen zugrunde. Die Auszahlung von Löhnen und Gehältern trotz Eintritts der Zahlungsunfähigkeit betrifft sämtliche Arbeitnehmer eines Unternehmens. Indem die Rechtsprechung für die Kenntnis einen Gesamtüberblick über die Liquiditätslage des Unternehmens fordert, stellt sie für eine Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 InsO hohe Anforderungen auf.

340 Dass für Empfänger einer Bleibeprämie dennoch eine ernste Gefahr der Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 InsO besteht, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, welche Arbeitnehmer üblicherweise Zielgruppe einer solchen Prämie sind. Anders als bei der Anfechtung der Zahlung von Löhnen und Gehältern, die sämtliche Arbeitnehmer eines Unternehmens betreffen, werden Bleibeprämien nur solchen Arbeitnehmern in Aussicht gestellt und ausgezahlt, die für die Fortführung des Unternehmens und die Durchführung des Sanierungsvorhabens von entscheidender Bedeutung sind. Solche Arbeitnehmer werden häufig in Positionen zu finden sein, die ihnen einen Einblick in die finanzielle Lage des Unternehmens ermöglichen. Handelt es sich um einen Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber als essentiell für das geplante Sanierungsvorhaben ansah, wird dieser nicht selten auch mit einzelnen Sanierungsmaßnahmen betraut worden sein und den Verlauf des Vorhabens begleiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass der betreffende Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung der Prämie Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit besitzt, ist daher groß.

2.

Voraussetzungen § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO

341 Zahlt der Arbeitgeber oder der vorläufige Insolvenzverwalter423) die Prämie nach Stellung des Eröffnungsantrags aber noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Arbeitnehmer aus, könnte diese der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO unterliegen. Eine Anfechtbarkeit der Prämienauszahlung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung entweder Kenntnis vom Eröffnungsantrag oder Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hat. Hinsichtlich der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird auf die soeben getätigten Ausführungen verwiesen. ___________ 422) Vgl. LG Duisburg, Urt. v. 8.5.2014 – 4 O 451/12, ZInsO 2015, 903, 908. 423) Zur Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters siehe MünchKommInsO/Kayser, § 129 Rn. 43 ff., Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 138 ff.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

Neben dem sicheren Wissen um die Stellung eines Eröffnungsantrags beim Insol- 342 venzgericht genügt für die Kenntnis des Eröffnungsantrags gemäß § 130 Abs. 2 InsO auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf einen solchen Antrag schließen lassen.424) Legt der Arbeitgeber beispielsweise gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer offen, dass er einen Insolvenzantrag gestellt hat oder muss der Arbeitnehmer aus dem Bewusstsein, dass eine Sicherungsmaßnahme i. S. d. § 21 InsO erlassen wurde, auf einen solchen schließen425), ist Kenntnis zu bejahen. Ebenso liegt es wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit im Unternehmen von der Antragstellung unterrichtet ist.

3.

Vermutung der Kenntnis gemäß § 130 Abs. 3 InsO

Die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Antragstellung wird gemäß § 130 Abs. 3 343 InsO vermutet, wenn er als nahestehende Person i. S. d. § 138 InsO anzusehen ist. Im Einzelfall kann ein Näheverhältnis aufgrund dienstvertraglicher Verbindung gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO vorliegen.426) Ist ein solches Näheverhältnis aufgrund der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen zum Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie gegeben, obliegt es dem Arbeitnehmer zu beweisen, dass er die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Zahlungsunfähigkeit oder das Vorliegen des Eröffnungsantrags ergibt, nicht kannte.427)

4.

Bargeschäftsausnahme § 142 InsO

Könnte die Auszahlung einer Bleibeprämie als Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO qua- 344 lifiziert werden, stünde dies einer Anfechtung nach § 130 InsO entgegen. Die Einordnung als Bargeschäft hat aber auch Bedeutung im Rahmen von § 133 InsO.428) § 142 InsO trägt der wirtschaftlichen Überlegung Rechnung, dass der Schuldner ohne 345 eine solche Vorschrift praktisch nicht mehr am Geschäftsverkehr teilnehmen könnte.429) Ein Bargeschäft liegt vor, wenn der Schuldner eine gleichwertige Gegenleistung erhält, die aufgrund vertraglicher Vereinbarung in engem zeitlichem Zusammenhang mit der eigenen Leistung erbracht wird.430) Einer Einordnung als Bargeschäft ___________ 424) 425) 426) 427) 428) 429) 430)

MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 56. MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 56. Zur Frage, wann ein solches Näheverhältnis vorliegt siehe oben Kapitel 3 E. IV. 3) a). Vgl. MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 67. Dazu unten Kapitel 3 F. V. 1) f) cc). BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE. BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NZI 2010, 897, 899, Rz. 24; BGH, Urt. v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, NZI 2010, 985, 988, Rz. 30. Der Anfechtungsgegner muss darlegen und beweisen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des § 142 InsO erfüllt sind (BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 = NZI 2010, 339, 340, Rz. 15; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 346; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 25; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rn. 33; Braun/Riggert, § 142 Rn. 25; Kayser, FS Fischer, S. 267, 271).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

i. S. d. § 142 InsO steht nicht entgegen, dass es sich bei der Bleibeprämienvereinbarung nicht um einen gegenseitigen verpflichtenden Vertrag i. S. d. § 320 BGB handelt. Eine synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist nicht erforderlich.431)

a) Nichtausübung des Kündigungsrechts als gleichwertige Gegenleistung 346 Die Gegenleistung des Arbeitnehmers für die Auszahlung der Bleibeprämie könnte in der Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zum vereinbarten Stichtag und somit in der bereits erbrachten Betriebstreue zu sehen sein. Ist der Stichtag zum Zeitpunkt der Auszahlung erreicht bzw. verstrichen, hat der Arbeitnehmer seine in der Prämienvereinbarung zugesagte Leistung bereits vollständig erbracht. Allerdings zeichnet sich die Betriebstreue nicht sichtbar in der Vermögensmasse des Schuldners ab. Sie führt nicht zu einem Zufluss von Geld oder eines Sachwerts, sodass sich das Aktivvermögen des Schuldners durch die Erfüllungshandlung verringert. Durch den Verbleib des Arbeitnehmers erspart sich das Unternehmen auch keine Aufwendungen, sondern höchstens die Mühe, einen ähnlich qualifizierten Mitarbeiter zu finden, was sich in Zeiten einer finanziellen Krise schwierig gestalten könnte.

aa) Vergleichbarkeit mit Honorarzahlungen an Sanierungsberater 347 Die Auszahlung einer Bleibeprämie ist insofern mit dem Fall der Honorarzahlung an einen Sanierungsberater für letztlich dann doch fehlgeschlagene Sanierungsversuche vergleichbar. Auch bezüglich solcher Honorarzahlungen ist problematisch, ob eine gleichwertige Gegenleistung i. S. d. § 142 InsO gegeben ist. Denn auch in diesem Fall gelangt nichts in das Vermögen des Schuldners, auf das die übrigen Gläubiger zugreifen könnten und es werden auch keine Aufwendungen erspart.432) Würde man der Beraterleistung aus diesem Grund den Charakter einer gleichwertigen Gegenleistung per se versagen, würde sich niemand mehr bereit finden, als Berater für ein krisengeschütteltes Unternehmen tätig zu werden.433) Die h. M. geht deswegen davon aus, dass ein Bargeschäft auch bei letztendlichem Scheitern eines Sanierungsvorhabens vorliegen könne, sofern es sich um ernsthafte und nicht von Anfang an aussichtslose Sanierungsbemühungen handele und an den Berater ein an___________ 431) MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 5. 432) Raschke, Funktion und Abgrenzung des Bargeschäftstatbestandes in § 142 InsO, S. 89 f. zieht daraus den Schluss, dass es an einer tauglichen Gegenleistung fehle und kongruente Honorarzahlungen für fehlgeschlagene Sanierungsversuche daher keine Bardeckungen i. S. d. § 142 InsO seien. 433) Ganter, ZIP 2012, 2037, 2041.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

gemessenes Honorar gezahlt werde.434) Der Bundesgerichtshof führt aus, dass hinsichtlich Beraterhonoraren nicht entscheidend sei, ob ex post ein bleibender Wert bestünde, sondern ob die Leistung des Beraters im Rahmen einer zweckmäßigen Sacherledigung zu erbringen und deswegen ex ante von Wert gewesen sei.435) Er fordert eine zumindest teilweise Gegenleistung.436) Im Fall des Sanierungsberaters bedeutet das, dass der Berater eine für den Auftraggeber nützliche Tätigkeit entfaltet haben muss. Verbessert sich durch die Leistung des Sanierers die Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung, ist darin ein Wert zu sehen, der in das Schuldnervermögen zurückfließt.437)

bb) Nichtausübung des Kündigungsrechts als Gegenleistung Diese Überlegungen zur Honorarzahlung an einen Sanierungsberater sind auf die 348 Auszahlung einer Bleibeprämie übertragbar. Dahinter steht die entsprechende Überlegung, dass im Falle einer Anfechtbarkeit der Prämienauszahlung nach § 130 Abs. 1 InsO kein Arbeitnehmer bereit wäre, trotz der drohenden Insolvenz dem Unternehmen die Treue zu halten. Der Verbleib bestimmter Arbeitnehmer kann jedoch essentiell für das Gelingen oder Scheitern eines geplanten Sanierungsvorhabens sein. Diesem Problem kann man begegnen, wenn man auch hier nicht darauf abstellt, ob zum Zeitpunkt der Auszahlung ein bleibender Wert in die Insolvenzmasse gelangt, sondern vielmehr darauf, ob die vom Arbeitnehmer zugesagte Leistung einen Nutzen hat. Die Gegenleistung ist in der Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zum verein- 349 barten Stichtag zu sehen. Es handelt sich um die Nichtausübung eines Gestaltungsrechts und somit um ein Unterlassen, welches grundsätzlich eine Gegenleistung i. S. d. § 142 InsO darstellen kann.438) Der Verbleib des Arbeitnehmers im Betrieb führt dazu, dass der Arbeitgeber die Arbeitskraft des betreffenden Arbeitnehmers

___________ 434) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rn. 51; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rn. 43; FK-InsO/Dauernheim, § 142 Rn. 3; K/P/B/ Ehricke, § 142 Rn. 8; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 14; Utsch, DZWIR 2013, 353, 355; Mock, ZIP 2014, 445, 451. 435) BGH, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147; siehe bereits RG, Urt. v. 5.1.1940 – VII 125/39, RGZ 162, 292, 296 f. 436) BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659, 661, Rz. 23; dazu Zeuner, jurisPRInsR 7/2008 Anm. 1. 437) BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659, 661, Rz. 24; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2041; Mock, ZIP 2014, 445, 451; siehe auch Utsch, DZWIR 2013, 353, 355 und Ganter, NZI 2014, 673, 678. 438) K/S/W/Wagner, § 142 Rn. O30.

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weiterhin nutzen kann.439) Diese Nutzbarkeit der Arbeitskraft kann für das Unternehmen unter verschiedenen Gesichtspunkten von Vorteil sein. Zum einen profitiert es innerhalb des vereinbarten Zeitraums bis zum Stichtag von dessen Knowhow und Leistungsfähigkeit. Zum anderen verfügt der Arbeitnehmer je nach Tätigkeitsfeld gegebenenfalls über Kontakte zu Kunden und Geschäftspartnern, die es im Rahmen der Sanierung zu halten gilt. Verlassen die qualifizierten Arbeitnehmer das Unternehmen, wird auch die Bereitschaft potenzieller Investoren sinken, in das Unternehmen zu investieren. Lassen sich für das Unternehmen wichtige Arbeitnehmer von der Fortsetzung ihrer Arbeit überzeugen, kann der Betrieb als funktionale Einheit weiterwirtschaften.440)

350 Der Verbleib einzelner Arbeitnehmer kann daher durchaus geeignet sein, die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger zu verbessern. Dies setzt allerdings – vergleichbar den Beraterhonoraren – voraus, dass das geplante Sanierungsvorhaben nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Ferner muss der einzelne Arbeitnehmer im Rahmen dieses Vorhabens eine entscheidende Rolle spielen. Es muss plausibel dargelegt werden, warum gerade dieser Arbeitnehmer geeignet ist, zum Gelingen des Vorhabens beizutragen. Ist eine dieser beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, hat der Verbleib des Arbeitnehmers keine positiven Auswirkungen auf die Befriedigungschancen der Gläubiger und somit keinen Nutzen. Das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO würde dann mangels einer gleichwertigen Gegenleistung nicht eingreifen.

351 Für die Beurteilung der Frage, ob eine Gegenleistung i. S. d. § 142 InsO vorliegt, ist eine ex ante-Sicht maßgeblich. Es kommt darauf an, ob zum Zeitpunkt der Prämienvereinbarung das Sanierungskonzept erfolgversprechend war und zu dieser Zeit davon ausgegangen werden konnte, dass der betreffende Arbeitnehmer für die Durchführung des Sanierungsvorhabens unabkömmlich ist. Dies ist zwingend, wenn man wie der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass ein Bargeschäft auch dann vorliegen könne, wenn es sich um einen nicht von Anfang an aussichtslosen Sanierungsversuch handelt, selbst wenn dieser scheitert.441) Würde man die Erfolgsaus___________ 439) Siehe auch BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 780, Rz. 44, der im Hinblick auf Entgeltzahlungen die Tätigkeit der Arbeitnehmer als für die Betriebsfortführung unverzichtbare Gegenleistung erachtet. Vgl. auch Wroblewski, NJW 2012, 894, 895 f., der sich mit der Frage befasst, ob Zahlungen auf Entgeltrückstände aus Zeiten vor dem vom BAG festgelegten 3-Monats-Zeitraum unter das Bargeschäftsprivileg fallen können. Er bejaht dies bis zum durch das Insolvenzgeld gesicherte Gesamtvolumen, indem er die „Weiterarbeit“ als Gegenleistung seitens des Arbeitnehmers ansieht. Die Weiterarbeit erfolge dann als unmittelbare Gegenleistung für die Zahlung des Schuldners. Windel, ZIP 2014, 2167, 2169, misst der Weiterarbeit in der Krise objektiv einen höheren Wert bei als der Weiterarbeit in einem gesunden Betrieb. 440) Vgl. Windel, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14 unter III. 3. 441) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252; BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659, 661, Rz. 23; siehe auch BGH, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147; BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 = NJW 1980, 1962, 1963.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

sichten des Sanierungsversuchs und den Nutzen des Verbleibs des Arbeitnehmers im Betrieb ex post beurteilen, müsste man diese immer verneinen, denn die Frage der Anfechtbarkeit der Auszahlung stellt sich nur dann, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und somit feststeht, dass das Sanierungsvorhaben gescheitert ist und der Verbleib des Arbeitnehmers letztendlich nicht den gewünschten Effekt erzielen konnte.442) Es empfiehlt sich daher, die Erwägungen, warum der einzelne Arbeitnehmer den 352 Verlauf der Sanierungsbemühungen positiv beeinflussen kann, in das Sanierungskonzept oder die Prämienvereinbarung aufzunehmen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass es für die Frage, ob die Nichtausübung des 353 Kündigungsrechts eine Gegenleistung i. S. d. § 142 InsO darstellt, maßgeblich ist, ob zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Bleibeprämie ein nicht aussichtsloses Sanierungskonzept vorliegt, zu dessen Gelingen der zukünftige Verbleib des Arbeitnehmers  sei es aufgrund seines besonderen Know-hows oder aufgrund wichtiger geschäftlicher Kontakte etc.  beitragen kann. Dann führt die Nichtausübung des Kündigungsrechts im vorgesehenen Zeitraum aus Sicht des Zeitpunkts der Prämienvereinbarung zu einer Verbesserung der Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger. Das Risiko des Scheiterns der Sanierungsbemühungen trägt somit nicht der Arbeitnehmer, vielmehr tragen dies die Gläubiger.443) Diese Risikozuweisung ist jedoch gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass eine Sanierung des Unternehmens zur Abwendung einer möglichen Insolvenz ebenfalls im Interesse der Gläubiger liegt. Im Falle erfolgreicher Sanierungsbemühungen verfügen sie über deutlich bessere Befriedigungsaussichten, als wenn sie im eröffneten Insolvenzverfahren lediglich die Quote erhalten.444) Erst wenn sich ein Scheitern der Sanierungsbemühungen abzeichnet, fällt dieses Interesse der Gläubiger weg und wird durch das Interesse ersetzt, dass die Aktivmasse nicht in Folge der Auszahlung der Prämie geschmälert wird. Das Risiko des Scheiterns einseitig dem Arbeitnehmer aufzubürden, erscheint deshalb unbillig, zumal wenn man bedenkt, dass an das Vorliegen einer Gegenleistung hohe Anforderungen gestellt werden, indem der Arbeitnehmer nachweisen muss, dass er im Sanierungsvorhaben eine entscheidende Rolle spielte und sein Verbleib die Erfolgsaussichten verbesserte. So wird einer missbräuchlichen Schmälerung der Haftungsmasse durch Auszahlungen von Prämien vorgebeugt. ___________ 442) Siehe auch Heidbrink, BB 2008, 958, 961, der kritisiert, dass der BGH seine eigenen Erwägungen missachtet und in seinem Urteil v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 eine ex post-Betrachtung vornimmt. 443) Vgl. Biernat, ZVI 2004, 276, 277. 444) Vgl. die Erwägungen des BGH zur Gläubigerbenachteiligung bei Beauftragung eines Sanierers mit der Antragstellung auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens BGH, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147 und BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 = NJW 1980, 1962, 1963.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

cc) Gleichwertigkeit von Prämie und erbrachter Betriebstreue 354 Von der soeben bejahten Frage, ob die Nichtausübung des Kündigungsrechts überhaupt eine taugliche Gegenleistung darstellen kann, ist die Frage zu unterscheiden, ob die Höhe der ausgezahlten Prämie und die Nichtausübung des Kündigungsrechts über den festgelegten Zeitraum als gleichwertig angesehen werden können. Um eine Gleichwertigkeit anzunehmen, müssten sie sich nach objektiven Maßstäben445) wirtschaftlich entsprechen.446) Damit der Arbeitnehmer sich keinem Anfechtungsrisiko ausgesetzt sieht, müssten sich die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger also ex ante in Höhe der gezahlten Prämie verbessert haben.447)

355 Welche Prämienhöhe vor diesem Hintergrund noch als angemessen angesehen werden kann, ist schwer zu beziffern448) und von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Hierbei ist zu berücksichtigen, über welche herausstechenden Qualifikationen der Arbeitnehmer verfügt und welchen Beitrag er innerhalb des Sanierungsvorhabens leisten kann bzw. welche Nachteile seine Kündigung nach sich ziehen würde.

356 Der Bundesgerichtshof hat bezogen auf die Auszahlung eines Beraterhonorars nicht nur die gesetzlich oder tariflich vorgesehene Vergütung als angemessen angesehen, sondern auch eine sonstige übliche Honorarvereinbarung. Damit soll dem Schuldner zum einen ermöglicht werden, eine Person seines Vertrauens zu beauftragen und zum anderen überhaupt jemanden zu finden, der über die notwendigen Fähigkeiten verfügt.449) Dieser Gedanke greift auch bei der Bleibeprämie ein. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Prämienhöhe ist daher auch zu berücksichtigen, welche Prämienzahlungen für den Verbleib im Betrieb üblicherweise an Arbeitnehmer in vergleichbaren Positionen für einen entsprechenden Bindungszeitraum gezahlt werden. Der Arbeitgeber möchte ganz bestimmte Arbeitnehmer aufgrund ihres Know-hows an das Unternehmen binden. Um diese Bindung bei Arbeitnehmern zu erreichen, die auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Qualifikation gefragt sind, muss es ihm möglich sein, dem betreffenden Arbeitnehmer finanzielle Anreize zu bieten.

357 Ist die Höhe der Prämie im Einzelfall dennoch als unangemessen zu erachten, weil sie evident von sonst üblichen Zahlungen abweicht, unterliegt nur der überschießende Teil der Anfechtung.450) ___________ 445) Braun/Riggert, § 142 Rn. 3; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 9; Nerlich/Römermann/ Nerlich, § 142 Rn. 6; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rn. 23; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2038; Utsch, DZWIR 2013, 353, 355. 446) Vgl. Andres/Leithaus/Leithaus, § 142 Rn. 5. 447) Vgl. Utsch, DZWIR 2013, 353, 355. 448) Vgl. Ganter, ZIP 2012, 2037, 2044; Utsch, DZWIR 2013, 353, 355. 449) BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 = NJW 1980, 1962, 1963. 450) Vgl. zu Beraterhonoraren Heidbrink, BB 2008, 958, 961; Biernat, ZVI 2004, 276, 277; Utsch, DZWIR 2013, 353, 355; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rn. 42; FK-InsO/Dauernheim, § 142 Rn. 3; a. A.: Stiller, ZInsO 2015, 825, 831.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

b) Unmittelbarkeit Um der Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen bei der Auszahlung der 358 Bleibeprämie für die Nichtausübung des Kündigungsrechts von einem unmittelbaren Leistungsaustausch gesprochen werden kann, näher zu kommen, können von der Rechtsprechung bereits entschiedene Fallgestaltungen herangezogen werden, die Parallelen aufweisen: zum einen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anfechtung der Vergütung von Sanierungsberatern – auch hier handelt es sich um eine Auszahlung im Rahmen eines gescheiterten Sanierungsversuchs – und zum anderen die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anfechtung von Lohnnachzahlungen an Arbeitnehmer.

aa) Unmittelbarkeit der Honorarzahlung an einen Sanierungsberater Ob ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Dienstleistung eines Rechts- 359 anwalts und der Auszahlung seines Honorars besteht, bemisst sich laut Bundesgerichtshof nicht nach dem zeitlichen Abstand zwischen der Beendigung der Dienstleistung und dem Zahlungszeitpunkt, sondern anhand des Zeitraums zwischen dem Beginn der Beratertätigkeit und dem Zahlungszeitpunkt.451) Zwar gewähre der Rechtsanwalt keinen Kredit, wenn er sein Honorar alsbald nach dessen Fälligkeit erhalte, aber er als Dienstverpflichteter erbringe eine Vorleistung, sofern die Vergütung erst nach Beendigung der Dienste fällig werde. Solche Vorleistungen würden lediglich Insolvenzforderungen i. S. v. § 38 InsO begründen. Die gesetzgeberische Erwägung für § 142 InsO, eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu ermöglichen, betreffe nicht derartige Fälle, in denen über einen längeren Zeitraum vorgeleistet werde.452) Ein Bargeschäft scheide daher aus, wenn zwischen dem Beginn der Beratertätigkeit und dem Zeitpunkt der Honorarauszahlung mehr als 30 Tage lägen.453) Diesen Zeitraum entnimmt der Bundesgerichtshof mangels anderer An-

___________ 451) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 33; zustimmend Utsch, DZWIR 2013, 353, 354; kritisch Heidbrink, BB 2008, 958, 961; a. A.: Lwowski/Wunderlich, FS Kirchhof, S. 301, 313; Meyer, DZWIR 2003, 6, 7, entscheidend sei der Abstand zwischen der vereinbarten Fälligkeit und dem Zahlungszeitpunkt; siehe auch BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NZI 2002, 602, 603 der das Vorliegen eines Bargeschäfts verneint, weil bereits der Abstand zwischen Fälligkeit und Zahlungszeitpunkt zu groß sei. 452) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 33. 453) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 35; BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659, 661, Rz. 23; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 344; Laws, ZInsO 2009, 1465, 1469; Pieper, ZInsO 2009, 1425, 1431. In einer früheren Entscheidung hatte der BGH einen Zeitraum von drei Wochen als engen zeitlichen Zusammenhang angesehen, Urt. v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 = NJW 1959, 147.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

haltspunkte § 286 Abs. 3 BGB.454) Dies führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung, weil es Rechtsanwälten offen stehe, einen Vorschuss zu verlangen.455)

bb) Unmittelbarkeit der Lohnzahlung an Arbeitnehmer 360 Unter welchen Voraussetzungen verspätete Lohnzahlungen noch unter das Kriterium der Unmittelbarkeit subsumiert werden können, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Die vorgeschlagenen Zeitspannen reichen beispielsweise von wenigen Tagen456) über höchstens 2 Wochen457), bis zu 3 Wochen458) oder bis hin zu 30 Tagen459) oder sogar 2 Monaten460).

361 Das Bundesarbeitsgericht erachtet diese vorgeschlagenen Zeiträume allesamt als zu kurz. Auch einen Rückgriff auf 30 Tage gemäß § 286 Abs. 3 S. 1 BGB hält es hinsichtlich verspäteter Entgeltzahlungen nicht für passend.461) Vielmehr sei ein enger zeitlicher Zusammenhang noch gegeben, wenn es sich um eine Entgeltzahlung für Arbeitsleistungen handelt, die der Arbeitnehmer in den letzten 3 Monaten erbracht hat. Das Bundesarbeitsgericht führt somit für Entgeltzahlungen eine Dreimonatsfrist ab Tätigkeitserbringung ein.462) Dafür spreche zunächst ein „rechtstatsächliches Argument“: In einigen Branchen seien verspätete Zahlungen üblich. Die schlechte ___________ 454) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 35; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 344; Biernat, ZVI 2004, 276, 277. Windel, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14 unter III. 3., ist hingegen der Ansicht, ein Rückgriff auf die Verzugsfrist des § 286 Abs. 3 BGB laufe mangels Rechnungsstellung im Arbeitsverhältnis leer. Ganter, ZIP 2012, 2037, 2040, meint aus der Anwendung von § 286 Abs. 3 BGB ergebe sich ein Zeitraum von einem Monat und 30 Tagen, weil der Verzug erst am 30. Tag des auf den zu vergütenden Zeitabschnitt folgenden Monats eintrete. 455) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 35. 456) Zwanziger, BB 2007, 42, 43, 44. 457) Wollweber, DStR 2010, 1801, 1806. 458) Wegener, NZI 2009, 225; Huber, NJW 2009, 1928, 1929. 459) Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1668. 460) Windel, ZIP 2014, 2167, 2170. 461) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 332 f., Rz. 16; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 16; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 16; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 16; zustimmend Wroblewski, NJW 2012, 894, 895; so bereits Windel, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14 unter III. 3. 462) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 333, Rz. 17 f.; bekräftigend Fischermeier, ZInsO 2015, 1237, 1238 f.; Windel, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14 unter III. 3., schlug zuvor zwei, höchstens drei Monate vor; a. A.: Bork, ZIP 2007, 2337, 2339, der die vom BGH festgelegten 30 Tage auch auf das Arbeitsverhältnis übertragen möchte; so auch Thole/Schmidberger, BB 2014, 3, 4. Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 624, sprechen sich für einen Monat ab Fälligkeit aus. Plathner/Sajogo, ZInsO 2012, 581, 584, kritisieren den Zeitraum von 3 Monaten als „willkürlich und ergebnisorientiert“. Wroblewski, NJW 2012, 894, 895 f., begrüßt die Ausdehnung des Bargeschäftsprivilegs auf 3 Monate. Ihm geht diese Ausweitung jedoch noch nicht weit genug. Er spricht sich dafür aus, im Falle der Weiterarbeit der Beschäftigten jede Zahlung von Lohnrückständen als Bargeschäft zu qualifizieren.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

Zahlungsmoral der Schuldner des Arbeitgebers führe dann zu einer Verzögerung der Lohn- und Gehaltszahlungen.463) Hinzu komme, dass im Arbeitsverhältnis nicht abschnittsweise, sondern dauernd geleistet werde464); die Masse erlange nicht nur durch die erbrachten Arbeitsleistungen, sondern vor allem durch den Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit einen Vorteil. Die Begleichung von Lohnrückständen würde die Arbeitnehmer motivieren, bei der Stange zu bleiben. Sinn und Zweck des § 142 InsO sei die Ermöglichung einer weiteren Teilnahme des Schuldners am Geschäftsverkehr. Dieser Zweck könne nur dann erreicht werden, wenn der Betrieb als funktionale Einheit erhalten bliebe. Müsse der Arbeitnehmer die Anfechtung der Entgeltzahlung fürchten, würde schon im Vorfeld die Perspektive der sanierenden Insolvenz zerstört werden.465) Diese Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist in der Literatur und seitens des 362 Bundesgerichtshofs auf Kritik gestoßen.466) Der Bundesgerichtshof erachtet demgegenüber den erforderlichen Unmittelbarkeitszusammenhang nur dann als gegeben, wenn die Entgeltzahlung innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit vorgenommen wird.467) ___________ 463) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 333, Rz. 17; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 17; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 17; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 17. 464) A. A.: Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 621. 465) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 333, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 18; Windel, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 14 unter III. 3. 466) Gegen das so bezeichnete „rechtstatsächliche Argument“ des BAG wird angeführt, dieses könne nicht generell sondern nur im Einzelfall in den einzelnen Branchen gelten (Jacobs/ Doebert, ZInsO 2012, 618, 623). Ferner spreche eine Zahlungsverzögerung für das Vorliegen einer Krise, da es für eine solche außer einer Liquiditätslücke keine Veranlassung gebe (Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 208). Das Problem einer schlechten Zahlungsmoral betreffe nicht nur Arbeitnehmer, sodass der Bargeschäftszeitraum konsequenterweise generell erweitert werden müsste (Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 209). Zwar sei zutreffend, dass Arbeitnehmer nicht bei der Stange blieben, sofern sie die Anfechtung von Lohnzahlungen fürchten müssten, dies sei aber keine Rechtfertigung „die Konturen des Bargeschäfts bis zur Unkenntlichkeit aufzulösen“ (Ganter, ZIP 2012, 2037, 2041). Das Argument, den Betreffenden bei der Stange zu halten, um den Fortbestand des Betriebs als funktionale Einheit zu ermöglichen, passe zudem auch auf bedeutende Lieferanten, Miet- oder Lizenzverträge (Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 624; Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 209). Die Lohnansprüche des Arbeitnehmers würden einem Schutz unterstellt, der auf Kosten der par conditio creditorum ginge. Außerdem sei diese Sichtweise contra legem, da der Gesetzgeber die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers erkannt und diesem eine über den Anspruch auf Insolvenzgeld hinausgehende Bevorzugung nicht gewährt habe (Plathner/Sajogo, ZInsO 2012, 581, 584; Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 212). Dieser in der Literatur geäußerten Kritik hat sich der BGH jüngst angeschlossen (Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 777 f., Rz. 17 ff.). 467) BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 779, Rz. 37; dazu EWiR 2014, 561 (Ries).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

363 Um diesem Streit ein Ende zu bereiten, sieht der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz468) (wie auch bereits der Referentenentwurf des BMJV vom 16.3.2015469)) in § 142 Abs. 2 S. 2 InsO-E vor, dass – sofern der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt gewährt – ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Entwurf soll die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts somit positivieren.470)

cc) Unmittelbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie 364 Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, können die soeben dargelegten Fallgestaltungen nicht unbesehen auf die Auszahlung einer Bleibeprämie übertragen werden.

365 Ob ein enger zeitlicher Zusammenhang vorliegt, hängt von zwei Faktoren ab. Zunächst ist zu ermitteln, welcher Zeitpunkt für die Berechnung maßgeblich ist (dazu unter (1)). Erst wenn dieser festgelegt ist, stellt sich die Frage, wie viel Zeit zwischen diesem Bezugspunkt und der Auszahlung der Prämie verstrichen sein darf, um das Unmittelbarkeitskriterium zu erfüllen (dazu unter (2)).

(1) Maßgeblicher Bezugspunkt 366 Zieht man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Honorarzahlungen an Sanierungsberater zu Rate, könnte man auf die Idee kommen, äquivalent zum Beginn der Beratertätigkeit im Falle der Bleibeprämie auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Prämie als Beginn des Zeitraums, in welchem auf die Ausübung des Kündigungsrechts verzichtet wird, als maßgeblichen Bezugspunkt abzustellen. Ist zum Vereinbarungszeitpunkt eine langfristige Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen gewünscht, sodass die Zeit bis zum festgelegten Stichtag beispielsweise mehrere Monate oder ein Jahr beträgt, wäre eine Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs dann immer zu verneinen, sodass das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO auf die Prämienauszahlung nicht anwendbar wäre. Ein Bargeschäft könnte dann nur bei einer sehr kurzen Bindungsdauer angenommen werden. Eine derart kurze Bindungsdauer widerspricht jedoch der Intention des zu sanierenden Unternehmens, welches ein Interesse daran hat, das vorhandene Know-how nicht nur über wenige Wochen, sondern während der gesamten Sanierungsbemühungen, mithin langfristig, nutzen zu können. ___________ 468) BT-Drucks. 18/7054, S. 7 f. 469) § 142 S. 3 RefE-InsO; RefE v. 16.3.2015, abrufbar unter http://www.bmjv.de (letzter Abruf 22.1.2016). 470) BT-Drucks. 18/7054, S. 20. Siehe auch Begründung des Referentenentwurfs S. 12; kritisch hierzu Brinkmann, NZG 2015, 697, 702.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

Den beiden Fallgestaltungen ist gemeinsam, dass Zahlungen in Aussicht gestellt 367 werden, um mithilfe der vom späteren Anfechtungsgegner zu erbringenden Leistung Sanierungsbemühungen zu ermöglichen und voranzutreiben, welche letztendlich dennoch scheitern. Der Arbeitnehmer bekommt die Prämie vereinbarungsgemäß erst ausgezahlt, wenn 368 der Stichtag erreicht ist und er bis dahin selbst keine Kündigung erklärt hat. Erhält er die Prämie zum vereinbarten Stichtag, handelt es sich  wie auch bei der durch den Sanierungsberater erbrachten Dienstleistung471)  mangels Stundung nicht um eine Kreditgewährung. Allerdings hat der Arbeitnehmer seine Leistung am Stichtag bereits erbracht, sodass er wegen seines Anspruchs auf die Prämienzahlung nur eine Insolvenzforderung geltend machen kann. Im Arbeitsrecht sind Arbeitnehmer in den Fällen, in denen § 614 S. 2 BGB nicht abbedungen ist, zur Vorleistung verpflichtet, weswegen auch in der Krise trotz Vorleistung seitens des Arbeitnehmers die Entgeltzahlung bei Fälligkeit als Bargeschäft einzuordnen ist.472) Bei der Bleibeprämie handelt es sich jedoch nicht um eine Entgeltzahlung, die die erbrachte Arbeitsleistung des vorangegangenen Monats vergüten soll. Vielmehr vereinbaren die Parteien, dass der Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers erst nach Erreichen des Stichtags fällig werden soll. Die Festsetzung der Fälligkeit nach Leistungserbringung ist sachgerecht. Um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer vorleistet, müssten Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren, dass die Prämie schon im Vorfeld, d. h. zum Zeitpunkt der Vereinbarung an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Dann würde das Unternehmen jedoch „auf gut Glück“ die Prämienzahlung tätigen. Zu diesem Zeitpunkt ist noch ungewiss, ob der Arbeitnehmer zukünftig tatsächlich von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen wird.473) In Betracht käme dann allenfalls die Vereinbarung eines Rückzahlungsvorbehalts für den Fall, dass von dem Kündigungsrecht vor Erreichen des Stichtags Gebrauch gemacht wird. Darauf wird sich der Arbeitgeber jedoch nicht einlassen, da er dann – bzw. bei Scheitern der Sanierungsbemühungen die übrigen Gläubiger – das Insolvenzrisiko des Arbeitnehmers tragen müsste. Anders als den Sanierungsberater wird man den Arbeitnehmer demnach nicht darauf verweisen können, er habe die Möglichkeit, einen Vorschuss zu verlangen.474) Im Gegensatz zu den von einem Rechtsanwalt erbrachten verschiedenen Dienst- 369 leistungen ist die Leistung des Arbeitnehmers, die in der Nichtausübung seines Kündigungsrechts besteht, auch nicht teilbar. Es handelt sich um eine Leistung, die ___________ 471) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 33. 472) BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 779, Rz. 36; Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 622; Wroblewski, NJW 2012, 894, 895; Huber, NJW 2009, 1928, 1929. 473) Aufgrund von Art. 12 GG kann sich der Arbeitnehmer nämlich nicht rechtlich verpflichten, in Zukunft auf sein Kündigungsrecht zu verzichten, vgl. oben unter Kapitel 3 A. III. 474) So für den Sanierungsberater BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 35.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

erst bei erfolgtem Unterlassen der Ausübung des Kündigungsrechts am vereinbarten Stichtag erbracht wird. Setzten die Parteien einen Stichtag fest, gilt das Allesoder Nichts-Prinzip. Selbst wenn die Kündigung erst einen Tag vor Erreichen des Stichtags ausgesprochen wird, tritt die vertraglich vereinbarte Bedingung nicht ein, sodass dem Arbeitnehmer keinerlei Ansprüche zustehen. Es ist dem Arbeitnehmer somit nicht möglich, Teilleistungen zu erbringen. Eine Ausgestaltung, die Teilleistungen ermöglicht, würde dem Zweck der effektiven Mitarbeiterbindung widersprechen. Die Prämienvereinbarung soll gerade nicht jeden Monat neu abgeschlossen werden, sondern über einen längeren Zeitraum gelten.

370 Aus den genannten Gründen kann es für die Frage, ob ein unmittelbarer Leistungsaustausch vorliegt, nicht darauf ankommen, wie viel Zeit zwischen der Prämienvereinbarung als Beginn des Zeitraums, in dem das Kündigungsrecht nicht ausgeübt werden soll, und der Auszahlung der Prämie verstrichen ist.475)

371 Den maßgeblichen Bezugspunkt bildet vielmehr der von Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgesetzte Stichtag. Macht der Arbeitnehmer von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch, hat er zu diesem Zeitpunkt die ihm obliegende Leistung erbracht. Insofern ist auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen.476)

(2) Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Stichtag und Auszahlung der Prämie 372 Erfolgt die Auszahlung der Bleibeprämie in der vereinbarten Höhe am Stichtag selbst, erfolgt der Leistungsaustausch unmittelbar. Aber auch ein längerer Zeitabstand kommt in Betracht, da ein sofortiger Leistungsaustausch Zug-um-Zug für die Annahme der Unmittelbarkeit nicht erforderlich ist.477) Wie lange ein Bargeschäft noch angenommen werden kann, lässt sich allerdings nicht allgemeingültig bestim___________ 475) Vgl. für die Unmittelbarkeit von Entgeltzahlungen an Arbeitnehmer BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 779, Rz. 34 ff. 476) Der vereinbarte Fälligkeitszeitpunkt ist nicht maßgeblich. Dieser könnte je nach Vereinbarung zu einem erheblich späteren Zeitpunkt eintreten. Hat der Arbeitnehmer seine Leistung bereits erbracht, wird sein Anspruch jedoch erst später fällig, kommt dem Geschäft der Charakter einer Kreditgewährung zu, was dem Zweck von § 142 InsO widersprechen würde (siehe BTDrucks. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE). In der Regel werden bei Bleibeprämienvereinbarungen ohnehin der Zeitpunkt der Leistungserbringung und der Fälligkeitszeitpunkt am Stichtag zusammenfallen. Siehe auch BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 779, Rz. 37, der hinsichtlich Entgeltforderungen zwar auf die Fälligkeit abstellt, ein Bargeschäft jedoch nur dann annimmt, wenn der Fälligkeitszeitpunkt nicht länger als bis zum 15. Tag des Folgemonats hinausgeschoben wird. 477) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 31; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 14; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 14; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 14; Heidbrink, BB 2008, 958, 960; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2039; Laws, ZInsO 2009, 1465, 1469; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 16.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

men, sondern richtet sich danach, was bei den Umständen des Einzelfalls der Verkehrsauffassung entspricht.478)

(a) Übertragung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Lohnanfechtung: drei Monate? Der Arbeitgeber zahlt die Bleibeprämie im Anschluss an die erbrachte Betriebstreue 373 an einen Arbeitnehmer. Wie oben dargelegt, stellt das Bundesarbeitsgericht für die Auszahlung rückständigen Lohns an Arbeitnehmer auf einen Zeitraum von drei Monaten ab Tätigkeitserbringung ab.479) Würde man die von diesem Gericht festgelegte Zeitspanne auf den Fall der Bleibeprämie übertragen, hätte das zur Folge, dass Auszahlungen, die in den auf den Stichtag folgenden drei Monaten vom Arbeitgeber getätigt werden, noch als unmittelbar angesehen werden könnten. Zweifel an einer Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Auszahlung einer 374 Bleibeprämie ergeben sich zunächst daraus, dass der Arbeitnehmer in diesem Fall eine andere Gegenleistung erbringt. Das Bundesarbeitsgericht sieht als Gegenleitung des Arbeitnehmers für die Lohnzahlung in neuerer Rechtsprechung zwar nicht nur die erbrachte Arbeitsleistung an, sondern auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und somit auch des Betriebs als funktionaler Einheit480); darin ist aber nur ein für die Sanierung wünschenswerter Nebeneffekt zu sehen. Es handelt sich nicht um eine Gegenleistung des Arbeitnehmers, die laut Arbeitsvertrag im Gegenzug für das Entgelt geschuldet wird. Die Gegenleistung für die Lohnzahlung bildet nur die geleistete Arbeit. Bei der Bleibeprämie im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens wird hingegen die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers belohnt. Es kommt daher nicht auf die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs bezüglich laufender Lohnzahlungen an, sondern darauf, wann der Austausch von erbrachter Betriebstreue und einer diesbezüglichen Honorierung nach der Verkehrsanschauung noch als unmittelbar angesehen werden kann. ___________ 478) BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 776, Rz. 15; BGH, Urt. v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, NZI 2010, 985, 988, Rz. 31; BGH, Urt. v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZInsO 2007, 816, 819; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 471, Rz. 31; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 332, Rz. 14; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 14; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 14; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 14; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 343; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2039; Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618, 622; Meyer, DZWIR 2003, 6, 7; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 16. 479) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 333, Rz. 17 f.; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, Rz. 17 f.; zustimmend LG Dresden, Urt. v. 9.5.2014 – 10 O 2237/13, NZI 2014, 654, 655. 480) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 333, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 18.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

375 Ferner passt die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts, die Berichtigung von Lohnrückständen führe dazu, dass die Arbeitnehmer „bei der Stange“ blieben, sodass der Betrieb als funktionale Einheit fortbestehen könne481), – unabhängig davon, ob man diese als plausibel erachtet482) – nicht im Fall der Bleibeprämie. Das Bundesarbeitsgericht wählt einen Zeitraum von drei Monaten mit der Intention, dass sich der Arbeitnehmer bei ausbleibender Zahlung am Fälligkeitszeitpunkt nicht gezwungen sieht, von sich aus zu kündigen. Eine Bereitschaft des Arbeitnehmers trotz Ausbleibens der Zahlung dem Unternehmen in den darauffolgenden Monaten die Treue zu halten, soll durch ein weites Verständnis der Unmittelbarkeit und somit einer Ausweitung des Bargeschäftsprivilegs erreicht werden. Ein solches Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals schafft eine Anreizwirkung für künftige Betriebstreue. Die Bleibeprämie wird jedoch ausgezahlt, um bereits erbrachte Betriebstreue zu vergüten. Die Prämie hat somit einen Beitrag zum Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit bis zu diesem Zeitpunkt geleistet, hat allerdings keine Auswirkung darauf, ob der Arbeitnehmer auch zukünftig im Unternehmen verbleibt.

376 Das Bundesarbeitsgericht argumentiert ergebnisorientiert. Augenscheinlich möchte es Arbeitnehmer möglichst umfassend vor einer Anfechtung der an sie erbrachten Lohnzahlungen schützen, um sie nicht aufgrund einer etwaigen Rückzahlungspflicht in existenzielle Nöte zu bringen.483) Diese sozialpolitische Erwägung lässt ___________ 481) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330, 333, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10, BeckRS 2011, 79275, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10, BeckRS 2011, 79276, Rz. 18; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, BeckRS 2011, 79277, Rz. 18. 482) Siehe die kritischen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur in Fn. 466. 483) Das BAG erwägt in einer neueren Entscheidung (Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 162 = NZI 2014, 372, 378, Rz. 75 f.) sogar, ob die Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs der KO gegen das Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) verstößt. Die Anfechtungsbestimmungen der § 129 ff. InsO ließen den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminimum für den festgelegten Zeitraum uneingeschränkt zu. Dem Arbeitnehmer könne so der durch die eigene Arbeitsleistung verdiente und zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche Betrag wieder entzogen werden, was für diesen verheerende Folgen bis hin zur Privatinsolvenz nach sich ziehen könnte. Um dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums gerecht zu werden, könne es daher geboten sein, die §§ 129 ff. InsO verfassungskonform auszulegen und das Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen (Siehe auch Fischermeier, ZInsO 2015, 1237, 1240 f. Diese Auffassung ablehnend BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZI 2014, 775, 778 f., Rz. 28 ff.; kritisch dazu auch Lütcke, NZI 2014, 350, 351 f.; Niesert, NZI 2014, 252, 255, äußert ebenfalls Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Anfechtung von Lohnzahlungen; siehe zu inkongruenten Deckungen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung BAG, Urt. v. 27.2.2014 – 6 AZR 367/13, NZI 2014, 559, 562, Rz. 34). Letztlich hat das BAG die Frage, ob und in welcher Weise das Existenzminimum bei der Ermittlung des der Anfechtung unterliegenden Betrags zu berücksichtigen ist, offen gelassen, da es im konkreten Fall das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint hat. Die Erwägungen des BAG betreffen jedoch nicht die Auszahlung einer Bleibeprämie. Bei der Anfechtung einer solchen ist die Existenz des Arbeitnehmers nicht in dem Maße gefährdet. Anders als bei den laufenden Entgeltzahlungen, wird diese nicht zur Bestreitung des monatlichen Lebensunterhalts genutzt, da es sich um eine einmalige zusätzliche Prämie handelt. Das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist deswegen nicht berührt.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

sich ebenfalls nicht auf Bleibeprämien übertragen. Anders als laufende Lohnzahlungen dienen diese nicht der Bestreitung des monatlichen Lebensunterhalts, sondern stellen einen zusätzlichen einmaligen Bonus dar. Eine Rückzahlungspflicht trifft die Arbeitnehmer daher nicht in gleicher Härte wie die Anfechtung einer regulären Lohnzahlung. Die Ausdehnung des Unmittelbarkeitskriteriums auf einen Zeitraum von drei Monaten ist deshalb nicht angebracht, auch nicht aus Billigkeitserwägungen. Diese Erwägungen würden auch dann tragen, wenn der im Regierungsentwurf eines 377 Geseztes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz484) vorgesehene § 142 Abs. 2 S. 2 InsO-E Gesetz würde. Diese Regelung soll ausweislich der Begründung die – wie soeben gezeigt auf die Auszahlung einer Bleibeprämie nicht passende í Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts positivieren485) und somit die Rechtssicherheit für Arbeitnehmer erhöhen486), d. h. ihre Existenzgrundlage sichern. Der im Entwurf verwendete Begriff „Arbeitsentgelt“ soll im sozialversicherungs- 378 rechtlichen Sinn verstanden werden, und somit alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer abhängigen Beschäftigung erfassen.487) Die Bleibeprämie fällt dennoch nicht hierunter; sie ist dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Anders als beispielsweise eine Weihnachtsgratifikation ist der Anspruch nicht vom tatsächlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig. Er kann ebenso zur Entstehung gelangen, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich betriebsbedingt gekündigt wird. Der Anspruch ergibt sich aus einem Verhalten des Arbeitnehmers, nämlich der Nichtausübung seines Kündigungsrechts.

(b) Verkehrsauffassung hinsichtlich Bleibeprämie Da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folglich nicht auf den hier disku- 379 tierten Fall übernommen werden kann, ist entscheidend, welche Zeitspanne zwi___________ 484) BT-Drucks. 18/7054. Siehe dazu Wagner, ZInsO 2015, 2171; Hacker, NZI 2015, 873; K. Schmidt, ZIP 2015, 2104; Willemsen/Kühn, BB 2015, 3011; Huber, ZInsO 2015, 2297; Wimmer, jurisPRInsR 1/2016 Anm. 1; Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001. 485) BT-Drucks. 18/7054, S. 20; grundsätzlich zustimmend Jäger, ZVI 2015, 401, 411. Siehe auch Begründung des Referentenentwurfs S. 12; kritisch dazu Dahl/Linnenbrink/Schmitz, NZI 2015, 441, 445. 486) BT-Drucks. 18/7054, S. 20. Siehe auch den Änderungsvorschlag des Bundesrats, BT-Drucks. 18/ 7054, S. 30, den die Bundesregierung jedoch für nicht zielführend hält (BT-Drucks. 18/7054, S. 33). Auch der Begründung des Referentenentwurfs (S. 12) lässt sich entnehmen, dass der Neuregelung das Bestreben zugrunde liegt, die Belastungen von Arbeitnehmern durch die Vorsatzanfechtung auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Außerdem findet sich im Referentenentwurf ebenfalls die Überlegung wieder, dass mit den Entgeltzahlungen die Arbeitnehmer an das Unternehmen gebunden werden sollen, um die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen (Begründung des Referentenentwurfs S. 19). 487) BT-Drucks. 18/7054, S. 20. Siehe auch Begründung des Referentenentwurfs S. 22.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

schen Stichtag und Erfüllung des Arbeitnehmeranspruchs nach der Verkehrsanschauung noch als unmittelbar gilt.

380 Gegen die Annahme eines vergleichbar langen Zeitraums wie ihn das Bundesarbeitsgericht bezüglich Lohnzahlungen annimmt, sprechen generelle Bedenken gegen eine solche Ausdehnung des Unmittelbarkeitszeitraums. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „unmittelbar“, dass etwas durch keinen oder kaum einen zeitlichen Abstand getrennt ist.488) Drei Monate bilden einen beträchtlichen Zeitraum, der vom allgemeinen sprachlichen Verständnis nicht mehr gedeckt ist. Im Fall der Bleibeprämie finden sich anders als beispielsweise bei Grundstücksgeschäften489) auch keine triftigen Gründe, einen so langen Zeitraum zu befürworten. Als Grund für eine derart lange Verzögerung der Zahlung durch den Arbeitgeber kommt nur mangelnde Liquidität in Betracht.

381 Auch eine Zeitspanne von 30 Tagen vergleichbar einer Honorarzahlung an einen Rechtsanwalt/Sanierungsberater erscheint im Fall der Bleibeprämie nicht geboten. Hinsichtlich dieser Honorarzahlungen wird nämlich an einen anderen Bezugspunkt angeknüpft. Die dem § 286 Abs. 3 BGB entnommenen 30 Tage laufen ab Beginn der Beratertätigkeit. Die versprochene Leistung wird daher erst innerhalb dieses Zeitraums erbracht. Dem Rechtsanwalt/Sanierungsberater muss demgemäß genügend Zeit eingeräumt werden, um seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Die in der Prämienvereinbarung zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Leistung ist hingegen am Stichtag bereits abgeschlossen.

382 Der Zeitraum, in dem ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Stichtag als Zeitpunkt der Leistungserbringung des Arbeitnehmers und der Auszahlung der Prämie seitens des Arbeitnehmers noch gegeben ist, ist folglich kürzer zu bemessen. Hierbei sind die Umstände zu berücksichtigen, die eine kurzfristige Verzögerung nach sich ziehen können. So ist zu bedenken, dass die Prämie in der Regel nicht bar an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird, sondern mittels Überweisung des festgesetzten Betrags erfolgt. Diese kann vernünftigerweise frühestens am Stichtag selbst veranlasst werden, weil sich der Arbeitgeber erst zu diesem Zeitpunkt sicher sein kann, dass eine Ausübung des Kündigungsrechts tatsächlich unterblieben ist. Bis der Betrag auf dem Konto des Arbeitnehmers eingeht, können einige Tage vergehen, je nachdem ob ein Wochenende dazwischen liegt. Hinzu kommt der bürokratische Aufwand. Abhängig davon, wie viele Zahlungen zu leisten sind bzw. wer für diese verantwortlich ist, kann es, bereits bevor die Zahlung veranlasst wird, einige Tage ___________ 488) Vgl. entsprechende Eintragung im Duden. 489) Bei Grundstücksgeschäften kommt es wegen der Notwendigkeit der Eintragung der Rechtsänderung ins Grundbuch häufig zu Verzögerungen, weswegen der BGH einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten noch als unmittelbar erachtet, sofern der verfügende Schuldner noch nicht als Berechtigter aus dem Grundbuch hervorgeht und deswegen eine Voreintragung erforderlich ist (BGH, Urt. v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 f.).

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

dauern, bis die im Unternehmen zuständige Stelle aktiv wird. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist unter Berücksichtigung dieser Erwägungen nach der Verkehrsauffassung dann noch zu bejahen, wenn zwischen Stichtag und Auszahlung höchstens zwei Wochen liegen.

c)

Ergebnis

Das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO schließt eine Anfechtung der Auszahlung 383 der Bleibeprämie nach § 130 InsO aus, wenn der Arbeitnehmer als Anfechtungsgegner darlegen und beweisen kann, dass die Nichtausübung seines Kündigungsrechts zu einer Verbesserung der Sanierungschancen und somit gleichzeitig der Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger geführt hat, die Prämienhöhe vor dem Hintergrund seiner Bedeutung für das Unternehmen und im Vergleich mit sonst üblichen Bleibeprämien als angemessen angesehen werden kann und er die Zahlung innerhalb von zwei Wochen nach dem in der Prämienvereinbarung vereinbarten Stichtag erhalten hat.

IV. § 134 Abs. 1 InsO Eine Anfechtung der Auszahlung einer Bleibeprämie nach § 134 Abs. 1 InsO kommt 384 zumeist nicht in Betracht. Die Nichtausübung des Kündigungsrechts und die daraus resultierende Nutzbarkeit der Arbeitskraft stellt aus Sicht des Zeitpunkts der Prämienvereinbarung in der Regel eine gleichwertige Gegenleistung dar.490) Das Kausalverhältnis ist somit – bis auf einige Ausnahmefälle, in denen es dem Insolvenzverwalter gelingt nachzuweisen, dass für den betroffenen Arbeitnehmer abstrakt keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden – entgeltlich. Daraus folgt ebenfalls die Entgeltlichkeit der Erfüllung desselben in Form der Auszahlung der Prämie. Zu diesem Ergebnis gelangt man unabhängig davon, ob man den Gegenwert in der Befreiung von einer entgeltlich begründeten Verbindlichkeit sieht491) ___________ 490) Siehe oben Kapitel 3 E. II. 2) b). 491) Teilweise wird angenommen, eine Verfügung, die der Schuldner zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit tätigt, sei für sich betrachtet entgeltlich. Die Entgeltlichkeit begründende Gegenleistung liege in der Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit (BGH, Urt. v. 24.3.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841; BGH, Urt. v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 = NJW 1990, 2626; BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439, Rz. 9; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 134 Rn. 12; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 220; Wittig, NZI 2005, 606, 607). Dagegen wird vorgebracht, dass diese Sichtweise im Fall des Schenkungsversprechens nicht funktioniere, weil bei konsequenter Anwendung ebenfalls die Erfüllung einer Schenkung als entgeltlich qualifiziert werden müsse (Henckel, ZIP 1990, 137, 138; Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 3; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 47; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 206). Dieses Problem erkennen auch einige Vertreter dieser Ansicht. Um die Erfüllung eines Schenkungsversprechens auszunehmen, fordern sie daher zusätzlich, dass das Verpflichtungsgeschäft entgeltlich ist (Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 220; Wittig, NZI 2005, 606, 607).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

oder auf das zugrunde liegende Kausalverhältnis abstellt und die in der Prämienvereinbarung vereinbarte Nutzbarkeit der Arbeitskraft als Gegenleistung erachtet492).

385 Im Einzelfall könnte der Arbeitgeber jedoch, um andere Anfechtungstatbestände zu umgehen (beispielsweise um einer Kenntniserlangung seitens des Arbeitnehmers zuvor zu kommen), auf die Idee kommen, die Prämie schon im Vorfeld des Stichtags auszuzahlen. Hierbei ist zu beachten, dass Leistung und Gegenleistung nur konditional verknüpft sind. Eine Leistung auf eine aufschiebend bedingte entgeltliche Verpflichtung ist unentgeltlich, solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist, weil diese bis dahin noch nicht rechtswirksam entstanden ist.493) Eine Anfechtbarkeit wird beseitigt, wenn die Bedingung nachträglich eintritt, allerdings erst ab diesem Zeitpunkt.494)

V. § 133 Abs. 1 InsO 386 Eine erhebliche Anfechtungsgefahr für den Arbeitnehmer geht nach aktueller Rechtslage von § 133 Abs. 1 InsO aus. Nach dieser Vorschrift können aufgrund der ZehnJahres-Frist auch Auszahlungen an den Arbeitnehmer zurückgefordert werden, die vor Eintritt der Krise erfolgen und somit nicht in den Anwendungsbereich der §§ 130, 131 InsO fallen.

387 Zunächst soll das Anfechtungsrisiko nach geltendem Recht beleuchtet werden. Im Anschluss daran werden etwaige Änderungen der Gesetzeslage in den Blick genommen, die der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz495) vorsieht. ___________ 492) Die Gegenauffassung geht davon aus, dass sich die Unentgeltlichkeit grundsätzlich nach dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft richtet. Nach diesem bestimme sich, ob die Verfügung mit einer ausgleichenden Leistung verknüpft sei (MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 19; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 15; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 47; Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 3, 9; Henckel, ZIP 1990, 137, 138 zu § 32 KO; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 22 f.; Heim, Schenkungsanfechtungen bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 139; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 206; so auch für das Dreipersonenverhältnis Prütting, KTS 2005, 253, 258; Kritik an dieser Sichtweise übt Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 445 ff.). Auch der BGH stellt in neuerer Rechtsprechung für die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung im Zweipersonenverhältnis auf das Kausalverhältnis ab. Dies lässt sich der von ihm verwendeten Definition entnehmen: Eine Verfügung ist demnach unentgeltlich, „wenn einer Zuwendung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll“ (BGH, Urt. v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 = NZI 1999, 188; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 = NJW 2008, 655, Rz. 8; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 40; siehe auch BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 f.). 493) K/S/W/Schäfer, § 134 Rn. G46; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 215; Heim, Schenkungsanfechtungen bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, S. 121 f.; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 26; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 134 Rn. 22; Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 11; a. A.: Jaeger/Henckel, § 32 KO Rn. 7; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 46. 494) Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 215. 495) BT-Drucks. 18/7054.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

1.

Benachteiligungsvorsatz hinsichtlich Prämienauszahlung als kongruente Deckung nach geltendem Recht

Bedeutung erlangt die Frage der Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO insbeson- 388 dere in der folgenden Fallgestaltung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen eine Prämienvereinbarung ab, die den in Kapitel 3 E. IV. 1) c) bb) aufgestellten Kriterien genügt, sodass die Vereinbarung selbst nicht nach § 133 Abs. 1 InsO (oder einem anderen Anfechtungstatbestand) anfechtbar ist. Mit der Zahlung erfüllt der Arbeitgeber dann nur die ihm nach der Prämienvereinbarung obliegende Verpflichtung, weswegen die Auszahlung der Prämie eine kongruente Deckung darstellt.496) In vielen Fällen ist für den Arbeitgeber die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Auszahlung – als dem nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkt – ersichtlich. Um zu klären, ob der Arbeitgeber in solchen Fallgestaltungen de lege lata mit Benach- 389 teiligungsvorsatz handelt, müssen zunächst einige generelle Überlegungen angestellt werden.

a) Benachteiligungsvorsatz bei kongruenten Deckungen – Ansicht der Rechtsprechung Die frühere Rechtsprechung ging davon aus, die Benachteiligungsabsicht i. S. v. 390 § 31 Nr. 1 KO erfordere ein unlauteres Handeln.497) Gewähre der Schuldner dem Anfechtungsgegner nur das, was dieser zu beanspruchen hatte, seien erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht zu stellen. Im Falle einer kongruenten Deckungshandlung bestünde die Motivation des Schuldners regelmäßig darin, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. Das Bewusstsein, in Folge dessen nicht alle Verbindlichkeiten bedienen zu können, sei für die Annahme eines unlauteren Handelns nicht ausreichend.498) Unlauteres Handeln setze voraus, dass es dem

___________ 496) Handelt es sich bei der Auszahlung der Bleibeprämie hingegen um eine inkongruente Deckung – entweder aufgrund einer Anfechtbarkeit der zugrundeliegenden Vereinbarung oder einer Abweichung von den festgelegten Zahlungsmodalitäten –, ist darin ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes auf Seiten des Arbeitgebers zu sehen. Siehe zur Inkongruenz als Beweisanzeichen die Nachweise in Fn. 316. 497) BGH, Urt. v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 und BGH, Urt. v. 18.2.1993 – IX ZR 129/92, BB 1993, 1688, 1689 zu § 31 Nr. 1 KO; BGH, Urt. v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 = NJW 1993, 663, 664 zu § 3 Abs. 1 AnfG a. F.; a. A.: OLG Hamm, Urt. v. 16.4.1996 – 27 U 197/95, WM 1996, 1929, 1930: § 31 KO setzte weder ein arglistiges oder betrügerisches Verhalten voraus, noch sei erforderlich, dass eine Gläubigerbenachteiligung bezweckt wird oder ausschließliches Motiv ist. 498) BGH, Urt. v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145. Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.7.1969 – VIII ZR 109/67, NJW 1969, 1719.

129

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

Schuldner weniger auf die Erfüllung der Verpflichtung als vielmehr auf die Schädigung der übrigen Gläubiger angekommen sei.499)

391 In neuerer Rechtsprechung geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass auch bei einer kongruenten Deckung bedingter Vorsatz ausreiche.500) Ein unlauteres Zusammenwirken sei nicht erforderlich.501) Anders als § 31 Nr. 1 KO fordere § 133 Abs. 1 InsO lediglich Benachteiligungsvorsatz. Eine Benachteiligung der Gläubiger billige der Schuldner nicht nur bei einem unlauteren Zusammenwirken.502) Sei dem Schuldner die eigene Zahlungsunfähigkeit bewusst, müsse ihm auch klar sein, dass er die übrigen Gläubiger benachteilige503) und er wolle die Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich auch dann, wenn er sich durch dieses Wissen nicht von seinem Vorhaben abbringen lasse, sodass er die Gläubigerbenachteiligung billigend in Kauf nehme.504) Bei kongruenten Deckungsgeschäften seien jedoch erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Benachteiligungsvorsatzes zu stellen.505) Der Schuldner müsse mittelbar auch die Begünstigung des betreffenden Gläubigers bezwecken. Nur dann käme es ihm hauptsächlich nicht auf die Erfüllung seiner vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten, sondern auf die Besserstellung des einzelnen Gläubigers an.506) Nichts desto trotz spreche der Umstand, dass der Schuldner im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtshandlung zahlungsunfähig ist und hiervon Kenntnis hat, für einen Be___________ 499) BGH, Urt. v. 4.2.1954 – IV ZR 164/53, BGHZ 12, 232 = NJW 1954, 673; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893, 1898. 500) BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598; BGH, Urt. v. 25.7.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = NJW 2003, 3347, 3349; BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692, 693; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, NZI 2008, 231, 232, Rz. 18; BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZR 221/11, ZInsO 2014, 496, Rz. 3. 501) BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692, 693; BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, NZI 2008, 231, 232, Rz. 18; BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, NZI 2008, 488, 489, Rz. 20; zustimmend Thole, KTS 2007, 293, 318. 502) BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598. 503) BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598. 504) BGH, Urt. v. 25.7.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = NJW 2003, 3347, 3349; BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692, 693; BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, Rz. 8; BGH, Urt. v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, NZI 2006, 159, 161, Rz. 20. 505) BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598; BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692, 693; BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, 513, Rz. 19; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, NZI 2008, 231, 232, Rz. 19; siehe auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.117. 506) BGH, Urt. v. 25.7.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = NJW 2003, 3347, 3349; BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NZI 2003, 597, 598; BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692, 693. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags (BGH, Urt. v. 25.7.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = NJW 2003, 3347, 3349) oder einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung abhalten will (BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692, 693; BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 215/02, NZI 2004, 87, 88; a. A.: Fischer, NZI 2008, 588, 593).

130

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

nachteiligungsvorsatz.507) Ein solch starkes Beweisanzeichen wird bisher auch in der Kenntnis des Schuldners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit gesehen.508)

b) Kritik der Literatur und vorgeschlagene Einschränkungsmöglichkeiten In der Literatur stößt diese Rechtsprechung auf Kritik. Bei kongruenten Deckungen 392 könne die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit allein den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht begründen, ansonsten erfasse § 133 Abs. 1 InsO auch redliche Schuldner. Dies widerspreche der Wertung von § 130 InsO, wonach kongruente Deckungen nur unter bestimmten Voraussetzungen anfechtbar seien. Ferner würde die zeitliche Schranke von § 130 InsO unterlaufen, wenn eine Anfechtung nach § 133 InsO lediglich aufgrund der Kenntnis des Schuldners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich wäre.509) Es wird daher eine Beschränkung des Anwendungsbereichs gefordert. Einige Stim- 393 men in der Literatur nehmen an, die Vorsatzanfechtung erfasse nur zu missbilligende Rechtshandlungen. Zu diesem Zweck wird auf ein unlauteres Handeln des Schuldners oder ein kollusives Zusammenwirken510) bzw. auf einen betrügerischen ___________ 507) BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, 513, Rz. 19; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, NZI 2008, 231, 232, Rz. 19; BGH, Urt. v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 = NZI 2005, 215, 217; BGH, Urt. v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, NZI 2006, 159, 162, Rz. 25; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 470, Rz. 14; BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, NZI 2008, 488, 489, Rz. 18; zustimmend Fischer, NZI 2008, 588, 592. 508) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469, 470, Rz. 14; BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, NJW-RR 2013, 558 f., Rz. 7, 14; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 26. 509) Bork, ZIP 2004, 1684, 1692; Jensen, NZI 2013, 471; siehe auch Foerste, NZI 2006, 6, 7, der darauf hinweist, dass ansonsten der „in § 130 InsO e contrario normierte Gläubigerschutz“ unterlaufen würde. So auch Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 106. Paulus, FS Fischer, S. 445, 458, führt aus, ein solch weites Verständnis von § 133 InsO lasse die übrigen Anfechtungstatbestände obsolet werden. 510) Foerste, NZI 2006, 6, 7 f., begründet eine solche Einschränkung mit dem Prioritätsprinzip. Er wirft die Frage auf, in welchen Fällen eine solche Unlauterkeit überhaupt angenommen werden kann. Seiner Auffassung nach jedenfalls nicht bei Druckzahlungen des Schuldners in Folge der Drohung mit Zwangsvollstreckung oder Insolvenzantrag; siehe auch ders., ZInsO 2013, 897, 898 ff.; Jensen, NZI 2013, 471, hält Vermögensverschiebungen an Personen, die im Insolvenzverfahren keine oder allenfalls nachrangige Befriedigung erlangen können, für unlauter. Laut Jacoby, KTS 2005, 371, 399, ist für eine Unlauterkeit erforderlich, dass die Deckung über die bloße Befriedigung einer fälligen Verbindlichkeit aus verfügbaren Mitteln hinausgeht. Als Beispiele werden u. a. die Ermöglichung des Zugriffs auf Rücklagen, die für andere Gläubiger verdeckt sind oder der Verkauf von Vermögensgegenständen zwecks Befriedigung genannt. Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 113 f., schlägt eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 133 InsO dahingehend vor, dass die Deckungshandlung als „sozial inadäquat“ angesehen werden müsse. Darunter versteht er, dass die Begleitumstände der Deckungshandlung diese als Verstoß gegen den im Geschäftsverkehr zu erwartenden Treu und Glauben erscheinen ließen. Für eine solche soziale Inadäquanz könne man aber auch weiterhin den Terminus der „Unlauterkeit“ verwenden. Kirchhof, FS Fischer, S. 285, 291, hingegen hält den Begriff der Unlauterkeit für ein unnützes Schlagwort, welches nicht selbständig zum Verständnis des Benachteiligungsvorsatzes beitragen könne.

131

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

Vorsatz des Schuldners511) abgestellt. Andere wollen § 133 InsO teleologisch reduzieren.512)

c)

Ablehnung der in der Literatur vorgeschlagenen Einschränkungen

394 Die in der Literatur aufgezeigten Bedenken gegen ein solch weites Verständnis des Tatbestands des § 133 InsO sind berechtigt. Nichts desto trotz sind die vorgeschlagenen materiell-rechtlichen Beschränkungen auf „unlauteres“ oder sozial inadäquates Verhalten aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 133 InsO, der lediglich Vorsatz (und somit einen dem bedingten Vorsatz des Strafrechts entsprechenden bedingten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz513)) verlangt, abzulehnen.514) Welches Verhalten unter ein solch einschränkendes Merkmal subsumiert werden kann, ist außerdem schwer zu definieren.515) Hinzu kommt, dass die schwierige Nachweisbarkeit den Masseschutz nicht in ausreichendem Maße gewährleisten würde.516)

d) Praktische Notwendigkeit einer Einschränkung 395 Allerdings würde es in der Praxis zu unerträglichen Ergebnissen führen, würde man von der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit direkt auf den Benachteiligungsvorsatz bei Vornahme einer kongruenten Deckung schließen. Sanierungsversuche würden so faktisch unmöglich gemacht. Zum einen wäre es dem Schuldnerunternehmen unmöglich, einen Sanierungsberater zu verpflichten. Einen solchen engagiert der Schuldner lediglich, wenn er sich des Ernstes seiner Lage bewusst ist. Auch dem Sanierungsberater selbst ist die finanzielle Lage des Schuldners schnell ___________ 511) Paulus, FS Fischer, S. 445, 457, hält eine solche Einschränkung für geboten, um die Funktionsfähigkeit der Privatautonomie zu gewährleisten. Diese könne nur hinter den Interessen der Gläubigergesamtheit zurücktreten, wenn die Rechthandlung des Schuldners mit betrügerischem Vorsatz vorgenommen worden sei. Darunter versteht er eine „fraudulös>e@“ Aktion. 512) Bork, ZIP 2008, 1041, 1046, möchte eine normative Einschränkung dahingehend vornehmen, dass sich der Anwendungsbereich des § 133 InsO auf sozial inadäquates Verhalten beschränkt. Die bargeschäftliche Bezahlung eines Sanierungs- oder Insolvenzberaters hält er beispielsweise für sozial adäquat. Jacoby, KTS 2009, 3, 17, 20 f. hingegen, möchte eine teleologische Reduktion des § 133 InsO dahingehend, dass diese Vorschrift keine Anwendung findet, wenn ex ante schutzwürdiges Vertrauen des Anfechtungsgegners auf die Beständigkeit der Schuldnerhandlung vorlag. Für die Anfechtung von Deckungen bedeutet das, dass eine solche nach § 133 InsO nur möglich ist, wenn das Prioritätsprinzip keine Geltung mehr entfaltet, was seiner Meinung nach ab Eintritt der materiellen Insolvenz des Schuldners der Fall ist, d. h. wenn ein Eröffnungsgrund vorliegt. Dann könne eine Anfechtbarkeit nur noch im Einzelfall entfallen, sofern sich die Gebotenheit der Rechtshandlung aus „den Zwecken einer gebilligten Sanierung“ ergibt. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Ansichten Borks und Jacobys findet sich bei Schwartz, Der subjektive Tatbestand der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, S. 229 ff. 513) BT-Drucks. 12/2443 zu § 148 RegE, S. 160. 514) Kayser, NJW 2014, 422, 425; ders., WM 2013, 293, 296; Fischer, NZI 2008, 588, 591; Jaeger/Henckel, § 133 Rn. 31; siehe auch Bork, ZIP 2014, 797, 804. 515) Lütcke, ZInsO 2013, 1984, 1991. Siehe auch Windel, ZIP 2014, 1823, 1825. 516) Kayser, NJW 2014, 422, 425; Fischer, NZI 2008, 588, 592.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

klar, weswegen kein vernünftig wirtschaftender Sanierungsberater seine Dienste trotz des bei einem solch weiten Verständnis erheblichen Anfechtungsrisikos nach § 133 InsO erbringen würde. Zur Fortführung des Betriebs ist erforderlich, dass das Unternehmen weiterhin am Geschäftsverkehr teilnehmen kann. Potenzielle Anfechtungsgegner würden durch die Anfechtungsgefahr, die von § 133 InsO ausginge, abgeschreckt, Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner aufzunehmen oder weiterzuführen, sodass der Schuldner faktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen wäre. Auch die Leistungsträger des Unternehmens, deren Verbleib im Rahmen einer Sanierung wichtig ist, werden das finanzielle Risiko, welches aus einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses resultiert, nicht auf sich nehmen, wenn die ihnen dafür in Aussicht gestellte Prämie einem solch erheblichen Anfechtungsrisiko unterläge. Vor dem Hintergrund, Sanierungsvorhaben überhaupt zu ermöglichen, ist es des- 396 halb erforderlich, dass aus der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit nicht per se auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden kann, insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass Sanierungsbemühungen bzw. die weitere Teilnahme des Schuldners am Geschäftsverkehr ex ante im Interesse der Gläubiger liegen.517)

e)

Lösung auf Beweisebene: Gesamtbetrachtung von Indizien

Diese Problematik erkennend hat der Bundesgerichtshof in neuerer Rechtsprechung 397 klargestellt, dass das Indiz der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden darf, sondern nur ein mehr oder weniger gewichtiges Beweisanzeichen darstellt, welches im Zuge der Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen ist (§ 286 ZPO).518) Diese Indizwirkung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit kann durch Darlegung gegenläufiger Indizien entkräftet werden.519) Dieser Rechtsprechung hat sich inzwischen auch das Bundesarbeitsgericht angeschlossen. Es argumentiert, ein pauschales Anknüpfen an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit werde weder dem Wesen des Rückschlusses aus Indizien auf die subjektiven Voraussetzungen noch dem ___________ 517) Jacoby, KTS 2009, 3, 18. 518) BGH, Urt. v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, NZI 2014, 23, 24 Rz. 8; BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, NZI 2013, 133, 135, Rz. 25; BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 28/12, NZI 2013, 253, 255 f., Rz. 27; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NZI 2012, 453, 455, Rz. 20; BGH, Urt. v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, BeckRS 19843, Rz. 9; BGH, Urt. v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, NZI 2009, 768 f., Rz. 8; zustimmend Schwartz, Der subjektive Tatbestand der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, S. 85. 519) So bereits Fischer, NZI 2008, 588, 590. Siehe auch Thole, KTS 2007, 293, 299, 324 ff., der sich dafür ausspricht, einschlägige Beweisanzeichen zusammenzustellen und herauszubilden, die die Feststellung des Vorsatzes des Schuldners erleichtern sollen. Dazu sollte seiner Meinung nach auch die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Schuldners zählen sowie der Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

Normzweck des § 133 InsO gerecht.520) § 133 InsO schütze anders als § 130 InsO nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern missbillige bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners, die die Chancengleichheit der Gläubiger beeinträchtigten.521)

398 Diesem von der Rechtsprechung verfolgten Ansatz ist zuzustimmen.522) Für die grundsätzliche Anerkennung einer Indizwirkung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit spricht zunächst die allgemeine Lebenserfahrung. Dem Schuldner, der seine (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt, muss klar sein, dass er durch die  wenn auch kongruente  Deckungshandlung seine übrigen Gläubiger benachteiligt, indem er die Haftungsmasse schmälert. Nimmt er die Handlung trotz dieses Wissens vor, nimmt er die Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich auch billigend in Kauf. Darüber hinaus geht die Insolvenzordnung davon aus, dass man von der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf andere Umstände schließen kann.523) So erlaubt es § 133 Abs. 1 S. 2 InsO, die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners anzunehmen, wenn dieser die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Gläubigerbenachteiligung kannte. Kommt diesem Wissensstand des Anfechtungsgegners sogar eine Vermutungswirkung zu, muss es möglich sein, bei gleicher Kenntnislage des Schuldners diese jedenfalls als Indiz für den Benachteiligungsvorsatz heranzuziehen.

399 Umstände, die im Einzelfall gegen das Wissen um eine eintretende Gläubigerbenachteiligung und deren billigende Inkaufnahme sprechen (Sanierungsbemühungen, Aufrechterhaltung der für die Betriebsfortführung notwendigen Geschäftsbeziehungen), können als gegenläufige Indizien herangezogen werden. So werden im Einzelfall sachgerechte Ergebnisse erzielt524), und eine Sanierung ist nicht von vornherein ausgeschlossen.

400 Wertet man die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit als ein Indiz im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, ergibt sich auch kein Problem hinsichtlich des Verhältnisses von § 133 InsO und § 130 InsO.525) Bei der Prüfung des Anfechtungstatbestands des § 133 InsO kann dieses Indiz durch gegenläufige Indizien entkräftet werden, sodass eine redliche Gesinnung des Schuldners Berücksichtigung findet. ___________ 520) BAG, Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 162 = NZI 2014, 372, 378, Rz. 75, dazu EWiR 2014, 291 (Huber). 521) BAG, Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 162 = NZI 2014, 372, 379, Rz. 81 f. 522) A. A.: Bork, ZIP 2014, 797, 808. Er ist der Meinung, der subjektive Tatbestand sei nur bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners indiziert; die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit sei hingegen nicht ausreichend, weil es dann an der sozialen Inadäquanz der Schuldnerhandlung fehle. 523) Kayser, WM 2013, 293, 294. 524) Kayser, NJW 2014, 422, 427; ders., WM 2013, 293, 295; siehe auch Bork, ZIP 2014, 797, 807. 525) Zur Notwendigkeit der Berücksichtigung einer bargeschäftsähnlichen Lage, um einen Wertungswiderspruch zu §§ 130, 142 InsO zu vermeiden siehe unten Kapitel 3 F. V. 1) f) cc).

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

Bei § 130 InsO hingegen kommt es nur objektiv auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners an. Die Motivation des Schuldners ist hier irrelevant. Durch die notwendige Benachteiligungsabsicht des Schuldners, die aufgrund der Gesamtbetrachtung nicht automatisch bei Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit angenommen werden kann, stellt § 133 InsO höhere Anforderungen auf526), sodass die Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO nicht praktisch auf einen Zeitraum von 10 Jahren ausgedehnt wird.527) Hinzu kommt, dass die rein objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit des § 130 InsO für den Insolvenzverwalter leichter zu beweisen ist.528)

f)

Bedeutung für die Auszahlung der Bleibeprämie

Demzufolge muss der Tatrichter im Anfechtungsprozess gegen den Arbeitnehmer 401 eine Gesamtwürdigung aller Umstände vornehmen. Die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit seitens des Arbeitgebers deutet zwar zunächst auf dessen Benachteiligungsvorsatz hin. In der Gesamtschau sind jedoch gegebenenfalls noch andere Umstände zu berücksichtigen, die für oder gegen einen Benachteiligungsvorsatz des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Auszahlung der Prämie sprechen. In Betracht hierfür kommen der Charakter der Leistung als kongruente Deckung, ein Sanierungsvorhaben, eine bargeschäftsähnliche Lage sowie auch eine etwaige Insiderstellung des Arbeitnehmers.529)

aa) kongruente Deckungen In der Literatur wird teilweise angenommen, die Kongruenz der Deckungshandlung 402 stelle ein Beweisanzeichen gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar.530) Der Umstand, dass es sich um eine kongruente Deckung handelt, ist allerdings allein 403 nicht ausreichend, die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit als Indiz zu entkräften. Zwar stellt die Inkongruenz der Deckung ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz dar531), daraus kann aber nicht im Umkehrschluss geschlossen werden, dass die kongruente Deckung einen solchen ausschließt. Dass ___________ 526) Vgl. Kayser, WM 2013, 293, 295; Bork, ZIP 2014, 797, 806. 527) Das BAG, Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 162 = NZI 2014, 372, 379, Rz. 83 führt zu Recht aus, dass in einer solch faktischen Ausdehnung ein klarer Widerspruch zum Wortlaut des § 130 InsO, der eine Beschränkung auf 3 Monate vorsieht, zu sehen wäre. 528) Fischer, NZI 2008, 588, 594. 529) Ist bereits die Prämienvereinbarung erfolgreich angefochten worden oder hat sich der Arbeitgeber bei Auszahlung der Prämie nicht an die vereinbarten Zahlungsmodalitäten gehalten, kann als starkes Indiz für einen Benachteiligungsvorsatz die Inkongruenz der Leistung herangezogen werden, vgl. oben Fn. 316. 530) Kirchhof, FS Fischer, S. 285, 295; ders., ZInsO 2005, 340, 344; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 607 f.; HeidelbergerKommInsO/Kreft, 6. Aufl., § 133 Rn. 14. 531) Siehe Fn. 316.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

der Anfechtungsgegner einen Anspruch auf das an ihn Geleistete hat, ändert nichts an der Kenntnis des Schuldners von seiner finanziellen Lage und der durch die Leistung eintretenden Verminderung der Vermögensmasse. Anders als die sogleich diskutierten Beweisanzeichen rechtfertigt die Kongruenz der Deckung nicht die Vorstellung des Schuldners, es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung.

bb) Sanierungsvorhaben 404 Die Durchführung eines erfolgversprechenden Sanierungsversuchs ist geeignet, das Indiz der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu entkräften532), auch wenn dieser letztendlich scheitert.533) Voraussetzung ist jedoch ein in sich schlüssiges Sanierungskonzept, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und zumindest schon in den Anfängen in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.534) Wird eine Bleibeprämie ausgezahlt, ist zusätzlich erforderlich, dass der betreffende Mitarbeiter innerhalb des Sanierungsvorhabens eine entscheidende Rolle spielt und die Prämienhöhe angemessen ist.535)

405 Dass man einem erfolgversprechenden Sanierungsversuch diese Indizwirkung zugesteht, resultiert daraus, dass bei Aufnahme von Sanierungsbemühungen seitens des Schuldners davon ausgegangen werden kann, dass er die Insolvenz und somit eine Benachteiligung der Gläubiger gerade verhindern will.536) Erfüllt das in Rede stehende Sanierungskonzept die gerade genannten Voraussetzungen, spricht dies dafür, dass der Schuldner glaubt, die Krise noch abwenden und somit alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können.

406 Das Sanierungsvorhaben bildet demnach ein Indiz gegen die Inkaufnahme der Gläubigerbenachteiligung, allerdings nur solange es Aussicht auf Erfolg hat.537) Erfolgt die Auszahlung zu einem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber bereits erkennt, dass ___________ 532) BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142, 143, Rz. 18; Fischer, NZI 2008, 588, 593; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.265 und Rn. 6.117. 533) Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.117. 534) BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, NJW 2013, 611, 613, Rz. 17 f.; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 11; BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, NJW-RR 1993, 238, 241; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893, 1899; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 f.; BGH, Urt. v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, NZI 2009, 171, 177, Rz. 52; siehe auch BGH, Urt. v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093, 1094; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 596; vgl. Jacoby, KTS 2009, 3, 18 f.; Thole/Schmidberger, BB 2014, 3, 5. 535) Siehe dazu oben Kapitel 3 E. IV. 1) c) bb). 536) Biernat, ZVI 2004, 276, 278; Kayser, WM 2013, 293, 299; siehe auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.265. 537) BGH, Urt. v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, NZI 2003, 253, 258; BGH, Urt. v. 28.9.2004 – IX ZR 158/03, BeckRS 10518; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 37a; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2041; ders., WM 2009, 1441, 1452.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

der ursprünglich verfolgte Sanierungszweck unerreichbar geworden ist, kann das Sanierungsvorhaben – auch wenn es den Verbleib des Arbeitnehmers als für den Sanierungserfolg essentiell ansah – den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Arbeitgebers nicht mehr ausschließen. Versucht der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum an das Unternehmen zu binden, verstreicht naturgemäß einige Zeit zwischen der Aufnahme der Sanierungsbemühungen und dem Auszahlungszeitpunkt. In vielen Fällen wird sich am vereinbarten Stichtag bereits abzeichnen, dass die Sanierungsbemühungen nicht den gewünschten Erfolg erzielen. Für den Arbeitgeber ist die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Auszahlung  als dem nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkt  daher regelmäßig ersichtlich. Er wird dann nicht mehr davon ausgehen können, dass es ihm möglich ist, letztlich alle Verbindlichkeiten zu tilgen. Ihm ist bewusst, dass er, indem er dem Arbeitnehmer Befriedigung verschafft, zum Nachteil der übrigen Gläubiger handelt. Die Durchführung eines Sanierungsvorhabens wird den Arbeitnehmer deswegen 407 zwar vor einer Anfechtung der Prämienvereinbarung, häufig aber nicht vor einer Anfechtung der Auszahlung der Prämie nach § 133 Abs. 1 InsO schützen können.

cc) bargeschäftsähnlicher Charakter Kann das Indiz der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit nicht durch ein 408 zum Zeitpunkt der Prämienauszahlung noch aussichtsreiches Sanierungsvorhaben entkräftet werden, hängt die Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO davon ab, ob der Auszahlung der Charakter eines Bargeschäfts zukommt. Eine bargeschäftsähnliche Lage kann als Indiz gegen den Benachteiligungsvorsatz 409 des Schuldners gewertet werden.538) § 142 InsO findet zwar seinem Wortlaut nach keine Anwendung auf § 133 InsO. Es geht jedoch nicht darum, § 142 InsO entgegen dessen Wortlaut auf § 133 InsO anzuwenden und bei Vorliegen eines Bargeschäfts eine Anfechtbarkeit nach § 133 InsO per se zu verneinen; sondern die bargeschäftsähnliche Lage wird vielmehr als Indiz gegen einen Benachteiligungsvorsatz in die Gesamtbetrachtung der Umstände einbezogen.539) Handelt es sich um eine barge___________ 538) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320, 323, Rz. 22; BGH, Urt. v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956, 2959, Rz. 29; BGH, Beschluss v. 24.9.2009 – IX ZR 178/07, BeckRS 2009, 27542, Rz. 4; BGH, Beschluss v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723, Rz. 2; BGH, Urt. v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028, 3029; Gehrlein, WM 2011, 577, 584; Utsch, DZWIR 2013, 353, 357; Thole/Schmidberger, BB 2014, 3, 5; Lütcke, ZInsO 2013, 1984, 1990; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2041; van Marwyk, ZInsO 2014, 1734, 1737. Siehe auch BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, ZIP 2014, 37, Rz. 69; BAG, Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 162 = NZI 2014, 372, 379, Rz. 84 f.; zustimmend Lütcke, NZI 2014, 350, 352. Kritisch Foerste, FS Schilken, S. 261, 268; ders., WM 2014, 1213, 1216. 539) Fischer, NZI 2008, 588, 593 f.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

schäftsähnliche Lage, spricht dies dafür, dass dem Schuldner die eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung wegen des gleichwertigen Leistungsaustausches nicht bewusst geworden ist.540) Eine solche Berücksichtigung der bargeschäftsähnlichen Lage bei der Ermittlung des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldner ist auch erforderlich541), weil sich ansonsten ein Wertungswiderspruch zu §§ 130, 142 InsO ergeben würde. Ließe man die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit für die Annahme des Benachteiligungsvorsatzes genügen und die bargeschäftsähnliche Lage außen vor, wäre eine kongruente Deckung, deren Anfechtbarkeit nach §§ 130 Abs. 1 InsO durch § 142 InsO ausgeschlossen wäre, nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.542) § 142 InsO liefe dann weitgehend leer.543) Fällt die Deckungshandlung in den Dreimonatszeitraum und handelt es sich um ein Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO, ist für die Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes folglich neben der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit ein weiteres Indiz notwendig, das auf einen Benachteiligungsvorsatz hindeutet. Gleiches gilt auch für kongruente Deckungshandlungen, die zu einem früheren Zeitpunkt vorgenommen wurden. § 142 InsO bezweckt es, dem Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr auch innerhalb der Krise zu ermöglichen.544) Wären kongruente Deckungshandlungen, die vor der Krise vorgenommen wurden, ohne Weiteres bei Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit anfechtbar, wäre der Schuldner, der ein Sanierungsvorhaben verwirklicht, faktisch schon zu einem früheren Zeitpunkt vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen, weil das Anfechtungsrisiko des § 133 Abs. 1 InsO Geschäftspartner von ___________ 540) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320, 323, Rz. 22; Fischer, NZI 2008, 588, 593 f.; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 609; Kayser, WM 2013, 293, 298; Schwartz, Der subjektive Tatbestand der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, S. 167. 541) A. A.: Kayser, FS Fischer, S. 267, 283, hält einen Rückgriff auf bargeschäftsähnliche Handlungen für nicht erforderlich, da eine Anfechtbarkeit nach § 133 InsO nur gegeben sei, wenn es dem Schuldner im Einzelfall weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als auf die Schädigung der übrigen Gläubiger ankam. Verwirkliche der Schuldner ein aussichtsreiches Sanierungsvorhaben, dürfe er berechtigterweise erwarten, dass er die Insolvenz noch abwenden kann, und wolle die übrigen Gläubiger daher nicht schädigen. Bei der Erfüllung fehle trotz Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit das Wollenselement für die Gläubigerbenachteiligung. Diese Ansicht lässt außer Acht, dass sich zum Zeitpunkt der Erfüllung, der gemäß § 140 Abs. 1 InsO für die Anfechtbarkeit der Erfüllungshandlung maßgeblich ist, die Ausgangslage geändert haben kann. Zu dieser Zeit kann sich die finanzielle Lage des Schuldners in dem Maße verschlechtert haben, dass er erkennen muss, dass das Sanierungsvorhaben bereits gescheitert ist. Er darf dann gerade nicht mehr erwarten, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Erfüllt er dennoch, nimmt er die Gläubigerbenachteiligung billigend in Kauf. Verspricht das Sanierungsvorhaben zum Zeitpunkt der Deckungshandlung keinen Erfolg mehr, spricht das ursprüngliche Sanierungsvorhaben nicht mehr gegen einen Benachteiligungsvorsatz. 542) Schwartz, Der subjektive Tatbestand der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, S. 168. 543) BAG, Urt. v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 162 = NZI 2014, 372, 379, Rz. 83; Lütcke, ZInsO 2013, 1984, 1990. 544) BT-Drucks. 12/2443, zu § 161 RegE, S. 167.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

einer weiteren Zusammenarbeit abhalten würde.545) Ist dem Gesetzgeber daran gelegen, dass der Schuldner sogar in Krisenzeiten weiter am Geschäftsverkehr teilnehmen kann, so wird es erst recht in seinem Sinne liegen, dass zu einem früheren Zeitpunkt die Teilnahme am Geschäftsverkehr nicht durch die Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung faktisch zunichte gemacht wird.546) Dass die Deckungshandlung den Charakter eines Bargeschäfts aufweist, muss im Hinblick auf § 133 Abs. 1 InsO auch deshalb außerhalb des Dreimonatszeitraums berücksichtigt werden, weil es ansonsten vom Zufall abhinge, ob man diesen Umstand in die Gesamtbetrachtung zur Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes miteinbeziehen müsste oder nicht. Teilweise wird gefordert, das entkräftende Indiz der bargeschäftsähnlichen Lage solle 410 in zeitlicher Hinsicht großzügiger sein als beim Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO. Eine bargeschäftsähnliche Lage könnte dann auch angenommen werden, wenn keine Unmittelbarkeit i. S. d. § 142 InsO mehr vorliegt. Dies wird damit begründet, dass § 133 InsO nicht dem Schutz der Gläubigergleichbehandlung diene.547) Dieser Ansicht ist jedoch nicht zuzustimmen. Eine entkräftende Indizwirkung kann nur angenommen werden, wenn die Voraussetzungen eines Bargeschäfts i. S. d. § 142 InsO vorliegen, d. h. wenn unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Andernfalls bestünde der für die Berücksichtigung der bargeschäftsähnlichen Lage im Rahmen der Gesamtbetrachtung angeführte Wertungswiderspruch gar nicht. Würde man bei der Prüfung des § 133 InsO den zulässigen zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung ausdehnen, könnte man die Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO auch für solche kongruenten Deckungen verneinen, die nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar sind, weil es für die Anwendung des § 142 InsO an dem Kriterium der Unmittelbarkeit fehlt. Ferner ergäbe sich das praktische Problem, welcher zeitliche Zusammenhang dann noch als ausreichend angesehen werden kann. Schon die Voraussetzung des engen zeitlichen Zusammenhangs i. S. d. § 142 InsO ist im Einzelfall schwer zu bestimmen. Erfüllt die Rechtshandlung der Auszahlung der Bleibeprämie die Voraussetzungen 411 eines Bargeschäfts, spricht dies gegen den Benachteiligungsvorsatz des Arbeitgebers, unabhängig davon, ob die Auszahlung innerhalb des für § 130 InsO relevanten Dreimonatszeitraums erfolgte. Der Prämienauszahlung kommt unter den im Rahmen der Ausführungen zu § 130 InsO in Kapitel 3 F. III. 4) genannten Voraussetzungen der Charakter eines Bargeschäfts i. S. d. § 142 InsO zu.

___________ 545) Lütcke, ZInsO 2013, 1984, 1991. 546) Siehe auch Schwartz, Der subjektive Tatbestand der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, S. 167. 547) Lütcke, ZInsO 2013, 1984, 1991.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

412 Die Rechtsprechung stellt zusätzlich die Voraussetzung auf, dass der vorgenommene Leistungsaustausch zur Fortführung des Unternehmens notwendig sein muss.548) Der Arbeitnehmer stellt im Gegenzug seine Arbeitskraft zur Verfügung. Spielen die Adressaten der Bleibeprämie innerhalb eines Sanierungsvorhabens eine entscheidende Rolle und haben sie eine wichtige Position im Unternehmen inne, ist während der Sanierungsbemühungen die Nutzbarkeit ihrer Arbeitskraft zur Fortführung des Unternehmens unentbehrlich. Wird die Prämie am Stichtag ausgezahlt, war die erbrachte Gegenleistung notwendig, um die Fortführung des Unternehmens bis zu diesem Zeitpunkt und darüber hinaus zu ermöglichen.

413 In einer neueren Entscheidung549) schränkt der Bundesgerichtshof das Beweisanzeichen der bargeschäftsähnlichen Lage allerdings ein. Das aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit abgeleitete Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz werde dann nicht entkräftet, wenn zwar eine bargeschäftsähnliche Situation vorläge, dem Schuldner die mittelbare Gläubigerbenachteiligung dennoch bewusst sei, weil er wisse, dass mit der Fortführung des Unternehmens weitere Verluste anfallen, die für die Gläubiger auch auf längere Sicht ohne Nutzen sind.550) Im entschiedenen Fall ging es um die Belieferung mit Produktionsmitteln zu marktgerechten Preisen. Da der Schuldner unrentabel arbeite, häufe er bei der Fortführung des Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste an, die die Befriedigung der Gläubiger weiterhin minderten, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich bestehe. Dem Schuldner fehle die berechtigte Erwartung, die eigene Insolvenz durch die Fortsetzung der Produktion noch verhindern oder einen anderen Nutzen für ihre Gläubiger erreichen zu können.551)

414 Ob dieser Entscheidung vor dem Hintergrund eines etwaigen Wertungswiderspruchs zwischen § 133 InsO und §§ 130, 142 InsO zuzustimmen ist, kann dahinstehen. Selbst wenn im Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie das Sanierungsvorhaben nicht mehr erfolgversprechend ist, können die Erwägungen des Bundesgerichtshofs nicht dergestalt auf die Bleibeprämie angewendet werden, dass mangels noch bestehender aussichtreicher Sanierungschancen die weitere Fortführung des Unternehmens unwirtschaftlich sei und der Verbleib des Arbeitnehmers bis zum Stichtag ___________ 548) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320, 323, Rz. 22; BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 280/13, NZI 2014, 863, 865, Rz. 24; BGH, Urt. v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NZI 2014, 762, 765, Rz. 29. 549) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320; dazu EWiR 2015, 251 (Cranshaw); Hiebert, ZInsO 2015, 621; Foerste, ZInsO 2015, 832; Kunz, DB 2015, 854. Dieser Entscheidung erteilt der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz allerdings eine Absage (BT-Drucks. 18/7054, S. 19). 550) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320, 323, Rz. 25. 551) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320, 323, Rz. 25.

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F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

für die Gläubiger keinen Nutzen mehr habe. Es kann nicht entscheidend sein, ob im Zeitpunkt der Auszahlung die Fortführung des Unternehmens noch in dem Sinne erfolgversprechend ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch Sanierungschancen bestehen. Auch hier muss es wie bei der gleichwertigen Gegenleistung im Rahmen des § 142 InsO auf eine ex ante-Sicht ankommen. Die Bleibeprämie wird im Rahmen eines außergerichtlichen Sanierungsversuchs versprochen. Bestand zu diesem Zeitpunkt ein aussichtsreiches Sanierungskonzept innerhalb dessen dem Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle zukam, war der Verbleib des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt für die weitere Fortführung des Unternehmens notwendig. Ex ante war die künftige Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des betreffenden Arbeitnehmers von Nutzen. Würde das Beweisanzeichen der bargeschäftsähnlichen Lage dahingehend eingeschränkt, dass im Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie die Nichtausübung des Kündigungsrechts aufgrund des (sich abzeichnenden) Scheiterns des Sanierungsvorhabens für die Gläubiger zukünftig ohne Nutzen ist und der Schuldner deswegen bei Auszahlung der Prämie die mittelbare Gläubigerbenachteiligung bewusst geworden ist, bestünde aufgrund der Anfechtungsgefahr keine Bereitschaft des Arbeitnehmers sein Kündigungsrecht nicht auszuüben. Dadurch würden Sanierungsbemühungen des Unternehmens torpediert oder jedenfalls erheblich erschwert. Zudem würde das Risiko des Sanierungsvorhabens unbilliger Weise den betroffenen Arbeitnehmern auferlegt, wohingegen die Gläubiger im „sicheren Hafen“ wären. Gelingt der Sanierungsversuch, ist der Verbleib des Arbeitnehmers zu ihrem Nutzen; misslingt er, könnten sie sich auf den fehlenden weiteren Nutzen der Fortführung des Unternehmens berufen.

dd) Insiderstellung Nach Thole ist ein Näheverhältnis des Schuldners zum Anfechtungsgegner i. S. v. 415 § 138 InsO ein weiteres Beweisanzeichen.552) Er hält ein solches auch dann für gegeben, wenn zwar kein Näheverhältnis i. S. d. § 138 InsO vorliegt, aber eine tatsächliche Nähebeziehung.553) Selbst wenn zwischen dem Schuldner und dem späteren Anfechtungsgegner ein ir- 416 gendwie geartetes Näheverhältnis besteht, heißt dies meines Erachtens aber nicht automatisch, dass der Schuldner diesen Gläubiger bevorzugen will und somit Benachteiligungsvorsatz aufweist. Sicherlich ist ein Rechtsgeschäft, welches der Schuldner mit einer ihm nahestehenden Person tätigt, verdächtig. Viele Schuldner werden ein Interesse daran haben, im Vorfeld der Insolvenzeröffnung noch vorhandenes Vermögen auf solche Personen zu übertragen. Auch hierbei handelt es sich aller___________ 552) Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 657; Thole/Schmidberger, BB 2014, 3, 7. So auch BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, BGHZ 195, 358 = NZI 2013, 39, Rz. 7; MünchKommInsO/Kayser, § 133 Rn. 27. 553) Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 657.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

dings nur um ein Indiz, welches im Rahmen der Gesamtbetrachtung Beachtung finden muss. Die gegenteiligen Indizien des erfolgversprechenden Sanierungsvorhabens und des Charakters eines Bargeschäfts sind ebenfalls geeignet, eine sich aus einem Näheverhältnis ergebende Indizwirkung zu entkräften. Selbst wenn der Arbeitnehmer zum Arbeitgeber eine tatsächliche Nähebeziehung oder sogar ein Näheverhältnis i. S. d. § 138 InsO aufweist, spricht das Sanierungsvorhaben bzw. der Bargeschäftscharakter dafür, dass es dem Schuldner vordergründig nicht auf eine Bevorzugung des ihm nahestehenden Gläubigers ankommt.

ee) Ergebnis 417 Ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Prämienauszahlung de lege lata mit Benachteiligungsvorsatz handelt, ist anhand einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Indizien zu entscheiden. Das Indiz der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit kann durch ein zu diesem Zeitpunkt noch aussichtsreiches Sanierungsvorhaben entkräftet werden. Häufig wird zum Zeitpunkt der Erfüllungshandlung dessen Scheitern aber bereits bekannt sein. Als entkräftendes Indiz kommt dann nur noch der Charakter eines Bargeschäfts in Betracht. Erfüllt die Auszahlung die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht, kann von der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Arbeitgebers geschlossen werden.

2.

Kenntnis des Arbeitnehmers vom Benachteiligungsvorsatz

418 Liegt im Einzelfall Benachteiligungsvorsatz seitens des Arbeitgebers vor, kommt es für die Anfechtbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO auf die Kenntnis des Arbeitnehmers an. Hinsichtlich der Kenntnis des Arbeitnehmers vom Benachteiligungsvorsatz kann auf die unter Kapitel 3 E. IV. 2) bereits getätigten Ausführungen mit der Maßgabe verwiesen werden, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie (§ 140 InsO) über Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit verfügen muss. Ist dem Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass das ursprünglich erfolgversprechende Sanierungsvorhaben gescheitert ist, spricht dies für eine Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit.554) Ein Sanierungsvorhaben wird nur unternommen, wenn sich das Unternehmen finanziell in einer kritischen Lage befindet. Es ist darauf gerichtet, langfristig die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens herzustellen. Scheitert ein solches Vorhaben, entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung und ist somit für den Arbeitnehmer ersichtlich, dass die Zahlungsunfähigkeit jedenfalls droht.

___________ 554) Vgl. Gehrlein, WM 2011, 577, 579.

142

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

3.

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung

Wäre der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfech- 419 tungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in der Fassung vom 16.3.2015555) beschlossen worden, hätte sich die Frage, ob die Auszahlung der Bleibeprämie Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist oder hierfür eine unmittelbare gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Arbeitgebers gelangt, bereits auf objektiver Ebene556) und nicht erst im Rahmen von Indizien im subjektiven Tatbestand gestellt. Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 RefE-InsO hätte es dann an der gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 RefE-InsO erforderlichen unangemessenen Benachteiligung der Gläubiger gefehlt. Trotz dieser geplanten Regelung wäre offen geblieben, wann die Rechtshandlung 420 Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist.557) Ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs sollte mit § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RefE-InsO an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angeknüpft werden, weswegen ein schlüssiges Sanierungskonzept hätte vorliegen müssen, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt worden ist, sodass es beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.558) Auch unter Geltung des § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RefE-InsO hätte daher viel dafür gesprochen, dass die Benachteiligung dann unangemessen ist, wenn sich im Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie bereits abzeichnet, dass das Sanierungsvorhaben zu scheitern droht. Zu diesem Zeitpunkt ist das Sanierungsvorhaben nicht mehr aussichtsreich, weswegen es beim Schuldner keine begründete Aussicht auf Erfolg mehr rechtfertigen kann. § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RefE-InsO war an die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung angelehnt.559) Dieser Rechtsprechung liegt – wie die Verfasser des Entwurfs richtig erkannt haben í der Gedanke zugrunde, dass in diesen Fällen ein „anfechtungsrechtlich unbedenklicher Wille“560) des Schuldners vorliegt, nämlich das Unternehmen zu retten, um eine vollständige Befriedigung der Gläubiger zu erzielen. Dieser unbedenkliche Wille ist jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn klar ist, dass das Sanierungsvorhaben nicht mehr erfolgversprechend ist. ___________ 555) RefE v. 16.3.2015, abrufbar unter http://www.bmjv.de (letzter Abruf 22.1.2016); kritisch dazu Hölzle, ZIP 2015, 662; Jacobi/Böhme, ZInsO 2015; Frind, ZInsO 2015, 1001; Huber, ZInsO 2015, 713. Siehe auch Stellungnahme des DAV, ZInsO 2015, 1258; Stellungnahme des BV ESUG, ZInsO 2015, 1252. 556) Brinkmann, NZG 2015, 697, 699. 557) Vgl. Dahl/Linnenbrink/Schmitz, NZI 2015, 441, 444. 558) Begründung des Referentenentwurfs S. 19. 559) Begründung des Referentenentwurfs S. 11. 560) Begründung des Referentenentwurfs S. 19.

143

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

421 An einer unangemessenen Benachteiligung i. S. d. § 133 Abs. 1 S. 1 RefE-InsO hätte es dennoch gefehlt, wenn der Auszahlung der Bleibeprämie eine unmittelbare und gleichwertige Gegenleistung gegenüberstünde, die zur Fortführung des Unternehmens erforderlich ist (§ 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RefE-InsO). Die Bleibeprämie hätte daher ein Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO sein müssen.561) Zusätzlich stellte diese Norm die Anforderung auf, dass die Gegenleistung zur Fortführung des Unternehmens oder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich sein muss. Die Begründung des Referentenentwurfs nannte als Bargeschäfte in diesem Sinne Entgeltzahlungen eines insolventen Arbeitgebers, mit denen die Arbeitnehmer an den Arbeitgeber gebunden werden sollen, um die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen.562) Die Leistung von Arbeitnehmern sei grundsätzlich fortführungsnotwendig.563) Diese Überlegungen zielten auf die Zahlung von Arbeitsentgelt ab, welches gezahlt wird, um zukünftige Betriebstreue zu erreichen. Wird eine Bleibeprämie ausgezahlt, hat der Arbeitnehmer die hiermit vergütete Betriebstreue bereits erbracht. Dennoch war diese Gegenleistung für die Fortführung des Betriebs bis zu diesem Zeitpunkt notwendig, wenn auf das Know-how dieses speziellen Arbeitnehmers nicht verzichtet werden kann. Gleichzeitig kann sich die Nutzbarkeit der Arbeitskraft bis zu diesem Zeitpunkt positiv auf die zukünftige Fortführung des Betriebs auswirken.

422 Die Negativabgrenzung des § 133 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RefE-InsO hätte Erwägungen hinsichtlich Einschränkungen des Beweisanzeichens der bargeschäftsähnlichen Lage gegen den Benachteiligungsvorsatz í wie der Bundesgerichtshof sie in seiner Entscheidung vom 12.2.2015564) vornimmt í ausgeschlossen.565) Das Erfordernis einer unmittelbaren gleichwertigen Gegenleistung, die zur Fortführung des Unternehmens erforderlich ist, wäre objektiv zu bestimmen gewesen. Zudem sollte der Entwurf gerade Sicherheit für den Rechtsverkehr schaffen566), was für eine solche Abwägung im Einzelfall keinen Raum gelassen hätte.

423 Die Verfasser des Entwurfs gingen davon aus, dass der Insolvenzverwalter den Beweis zu erbringen hat, dass es sich nicht um einen Fall des § 133 Abs. 1 S. 2 RefEInsO handelt.567) Die Auszahlung der Bleibeprämie wäre demnach anfechtbar gewesen, wenn es dem Insolvenzverwalter gelungen wäre, darzulegen und zu bewei___________ 561) Zu den Voraussetzungen, unter denen die Auszahlung der Bleibeprämie als eine unmittelbare gleichwertige Gegenleistung i. S. d. § 142 InsO angesehen werden kann siehe Kapitel 3 F. III. 4). 562) Begründung des Referentenentwurfs S. 19. 563) Begründung des Referentenentwurfs S. 12. 564) BGH, Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NZI 2015, 320. 565) Brinkmann, NZG 2015, 697, 700; Frind, ZInsO 2015, 1001, 1007. Siehe auch Stellungnahme des BV ESUG, ZInsO 2015, 1252, 1254. 566) Begründung des Referentenentwurfs S. 1 f. 567) Begründung des Referentenentwurfs S. 19 f.; Brinkmann, NZG 2015, 697, 699 f.; Jacobi/ Böhme, ZInsO 2015, 721, 723; Willemsen/Kühn, BB 2015, 1474, 1481; Frind, ZInsO 2015, 1001, 1008; a. A. Jungclaus/Keller, NZI 2015, 297, 298.

144

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

sen, dass im Zeitpunkt der Auszahlung der Bleibeprämie das Sanierungsvorhaben bereits nicht mehr aussichtsreich war und dass der Verbleib des Arbeitnehmers im Unternehmen keine gleichwertige und unmittelbare Gegenleistung darstellt, welche zur Fortführung des Unternehmens erforderlich war. Wäre dem Insolvenzverwalter dieser Beweis gelungen, hätte die Regelung des § 133 424 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 3 RefE-InsO Bedeutung erlangt. Diese sah vor, dass – sofern es sich bei der Rechtshandlung um eine kongruente Deckung handelt – nur dann vermutet wird, dass der andere Teil den Vorsatz des Schuldners kannte, wenn er zur Zeit der Rechtshandlung wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten ist und dass die Handlung die übrigen Gläubiger unangemessen benachteiligte. Die Kenntnis drohender Zahlungsunfähigkeit wäre nicht mehr ausreichend gewesen. Diese Regelung hätte sich auch auf das Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auswirken können. Dass der Bundesgerichtshof bereits die drohende Zahlungsunfähigkeit als Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz ansieht, begründet er damit, dass § 133 Abs. 1 S. 2 InsO hinsichtlich des anderen Teils die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausreichen lasse und für den Vorsatz des Schuldners selbst kein strengerer Maßstab gelten könne.568) Dieses Argument wäre bei kongruenten Deckungen mit der Regelung im Referentenentwurf entfallen. Die Begründung des Referentenentwurfs ging außerdem davon aus, dass – sofern der Schuldner eine kongruente Deckung in Kenntnis bloß drohender Zahlungsunfähigkeit vornehme – jedenfalls kein Vorsatz gegeben sei, die Gläubiger unangemessen zu benachteiligen.569) Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich den Entwurf eines Gesetzes zur Verbes- 425 serung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz beschlossen, der sich in einigen Punkten von dem Referentenentwurf unterscheidet.570) Im Gegensatz zum Referentenentwurf bleibt § 133 Abs. 1 InsO als Grundtatbestand der Vorsatzanfechtung unverändert.571) Die Vorsatzanfechtung soll lediglich durch Sonderregelungen in den Absätzen 2 und 3 maßvoll zurückgenommen werden.572) Allerdings ist die Vorsatzanfechtung nicht mehr vollumfänglich dem Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO entzogen. § 142 Abs. 1 InsO-E sieht vor, dass eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar ist, wenn die Vor___________ 568) BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, NZI 2011, 589, 590, Rz. 8; BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 194 = NJW 2006, 2701, 2702, Rz. 14; BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 = NJW 2008, 1067, 1069, Rz. 32. 569) Begründung des Referentenentwurfs S. 18. 570) BT-Drucks. 18/7054. Siehe dazu Wagner, ZInsO 2015, 2171; Hacker, NZI 2015, 873; K. Schmidt, ZIP 2015, 2104; Willemsen/Kühn, BB 2015, 3011; Huber, ZInsO 2015, 2297; Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1; Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001. 571) Dies befürwortend Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001; Hacker, NZI 2015, 873, 874. 572) BT-Drucks. 18/7054, S. 13.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

aussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO-E gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.573) Der Begründung des Entwurfs lässt sich entnehmen, dass diese Regelung bezwecken soll, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12) gerade nicht mehr darauf ankommen soll, ob die Gegenleistung, die in das Schuldnervermögen gelangt, den Gläubigern auch auf längere Sicht einen konkreten Nutzen verspricht.574) Vielmehr soll der unmittelbare Austausch von gleichwertigen Leistungen grundsätzlich vom Bargeschäftsprivileg erfasst werden, es sei denn der Leistungsempfänger hat Kenntnis davon, dass der Schuldner unlauter handelte.575)

426 Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs kann unlauteres Handeln des Schuldners nicht bereits dann angenommen werden, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung erkennt, nicht mehr in der Lage zu sein, sämtliche Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern zu erfüllen. Erforderlich sei vielmehr das Hinzutreten gewichtiger Umstände, die dazu führen, dass in dem Leistungsaustausch ein besonderer Unwert erkannt werden kann.576) Unlauteres Handeln soll bejaht werden können, wenn der Schuldner die Gläubiger gezielt benachteiligt, beispielsweise wenn es dem Schuldner vor allem darauf ankommt, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen. Zudem sei Unlauterkeit anzunehmen, wenn der Schuldner die eigene Zahlungsunfähigkeit kennt und dennoch sein Vermögen für Leistungen verschleudert, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt einen Nutzen bringen (z. B. flüchtige Luxusgüter).577) Demgegenüber handele der Schuldner dann nicht unlauter, wenn er Geschäfte tätigt, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind, selbst wenn der Schuldner erkannt hat, dass eine weitere Betriebsfortführung verlustträchtig ist.578)

427 Zahlt der Schuldner nach Erreichen des vereinbarten Stichtags die Bleibeprämie an den Arbeitnehmer aus, stünde – sofern der Entwurf in dieser Fassung Gesetz würde – ___________ 573) Siehe zu den Änderungen auch Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1. 574) BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 575) BT-Drucks. 18/7054, S. 19. Die Einführung des Kriteriums der Unlauterkeit ist auf Kritik gestoßen. So sieht der Bundesrat in seiner Stellungnahme vor, die Formulierung „erkannt hat, dass der andere Teil unlauter handelte“ durch „erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich ist noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens dient“ zu ersetzen (BT-Drucks. 18/7054, S. 28). Die Bundesregierung lehnt diesen Vorschlag jedoch ab (BT-Drucks. 18/7054, S. 32 f.). Insbesondere wird zudem angemahnt, dieser unbestimmte Rechtsbegriff laufe dem Ziel des Entwurfs, der Schaffung von Rechtssicherheit, zuwider (Jäger, ZVI 2015, 401, 410. Siehe auch Willemsen/Kühn, BB 2015, 3011, 3015 f.). Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001, 2002, sehen in der Einführung des Kriteriums der Unlauterkeit und dem Umstand, dass es dem Insolvenzverwalter obliegt, die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Unlauterkeit zu beweisen „praktisch das Aus für die Vorsatzanfechtung von kongruenten Deckungen im Rahmen von Bargeschäften“. 576) BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 577) BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 578) BT-Drucks. 18/7054, S. 19.

146

F. Anfechtbarkeit der Auszahlung der Bleibeprämie

einer Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unter bestimmten Voraussetzungen das Bargeschäftsprivileg des § 142 Abs. 1 InsO-E entgegen. Die Auszahlung stellt ein Bargeschäft dar, wenn die in Kapitel 3 F. III. 4) dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Dann kann die Auszahlung der Prämie auch als „lauter“ angesehen werden. Eine Unlauterkeit könnte – wie soeben ausgeführt – nach Intention des Entwurfs lediglich angenommen werden, wenn gewichtige Umstände hinzutreten, sodass in dem Leistungsaustausch ein besonderer Unwert erkannt werden kann. Solche Umstände sind im Fall der Auszahlung einer Bleibeprämie allerdings nicht ersichtlich. Der Arbeitgeber zahlt die Bleibeprämie nicht aus, um dadurch in erster Linie gezielt die Gläubiger zu schädigen, sondern um dem Arbeitnehmer das zu gewähren, worauf dieser einen Anspruch hat. Damit die Auszahlung überhaupt als Bargeschäft angesehen werden kann, ist es erforderlich, dass im Zeitpunkt des Bleibeprämienversprechens die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers zu einer Verbesserung ernsthaft bestehender Sanierungschancen geführt und somit gleichzeitig die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger erhöht hat. Ferner muss die Prämienhöhe als angemessen erachtet werden können. Der Arbeitgeber hat somit ein Geschäft getätigt, dass jedenfalls aus Sicht des Zeitpunkts der Prämienzusage als zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich angesehen werden konnte. Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Auszahlung das Sanierungsvorhaben gescheitert ist und eine weitere Betriebsfortführung eventuell verlustträchtig ist, vermag hieran nichts mehr zu ändern. Der Gesetzesentwurf zielt gerade darauf ab, Bargeschäfte von der Vorsatzanfechtung auszunehmen, selbst wenn die Leistung zum Auszahlungszeitpunkt auf längere Sicht ohne Nutzen ist.579) Eine Vermögensverschleuderung könnte allenfalls angenommen werden, wenn zu keinem Zeitpunkt ein erfolgversprechendes Sanierungsvorhaben vorlag, der betreffende Arbeitnehmer in einem solchen keine entscheidende Rolle spielte oder die Prämienhöhe unangemessen hoch war. Dann würde das Eingreifen eines Bargeschäftsprivilegs allerdings bereits an dem Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung scheitern. Selbst wenn, der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei 428 Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz Gesetz werden sollte, würde sich im Ergebnis für die Beurteilung einer Anfechtbarkeit der Auszahlung einer Bleibeprämie nach § 133 Abs. 1 InsO nichts ändern. Diese wäre zu verneinen, wenn im Zeitpunkt der Prämienzusage ein erfolgversprechendes Sanierungsvorhaben betrieben wurde, in dessen Rahmen der Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle spielt, die Prämienhöhe angemessen ist und die Auszahlung innerhalb von zwei Wochen nach Erreichen des vereinbarten Stichtags erfolgt. Dann stünde der Vorsatzanfechtung das Bargeschäftsprivileg des § 142 Abs. 1 InsO-E entgegen.

___________ 579) BT-Drucks. 18/7054, S. 19.

147

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

429 Würde das Bargeschäftsprivileg des § 142 Abs. 1 InsO-E nicht eingreifen, würde die Kenntnis des Arbeitnehmers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners – sofern es sich um eine kongruente Deckung handelt – nach § 133 Abs. 3 S. 1 InsO-E vermutet, wenn der Arbeitnehmer die tatsächlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kannte.580)

VI. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO 430 Die Auszahlung der Bleibeprämie ist nicht nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Es handelt sich um eine Deckungshandlung des Schuldners. Insoweit stellen die §§ 130, 131 InsO eine abschließende Sonderregelung dar; sie unterfällt nicht dem Rechtsgeschäftsbegriff des § 132 InsO.581)

VII. Gesamtergebnis 431 Ist die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Prämienvereinbarung ihrerseits anfechtbar, woraus die Inkongruenz der Auszahlung der Bleibeprämie folgt, kann diese gegebenenfalls nach § 131 Abs. 1 InsO und § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden.

432 Unterliegt die Prämienvereinbarung hingegen nicht der Anfechtung, stellt die Auszahlung der Bleibeprämie eine kongruente Deckung dar. Das Risiko der Anfechtung sowohl nach § 130 Abs. 1 InsO als auch nach § 133 Abs. 1 InsO ist gering, wenn die Auszahlung die Voraussetzungen eines Bargeschäfts i. S. d. § 142 InsO erfüllt. Der Umstand, dass die Prämie Bestandteil eines Sanierungsvorhabens ist, kann den Arbeitnehmer nicht vor deren Anfechtung schützen. Die Durchführung eines erfolgversprechenden Sanierungsvorhabens findet im Rahmen von § 130 InsO keine Berücksichtigung. Auch spricht eine solche dann nicht mehr gegen den für § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, wenn die Sanierungsbemühungen zum Zeitpunkt der Auszahlung bereits erkennbar gescheitert sind.

G. Anfechtbarkeit der Sicherung 433 Für die Masse ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Bestellung einer Sicherheit, die bestellt wurde, um den Arbeitnehmer davor zu schützen, auf seine Forde___________ 580) Vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 13, 18; die Änderung begrüßend Jäger, ZVI 2015, 401, 409. 581) BT-Drucks. 12/2443 zu § 147 RegE, S. 159; BGH, Urt. v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 = NZI 1999, 448, 449; FK-InsO/Dauernheim, § 132 Rn. 2; Andres/Leithaus/ Leithaus, § 132 Rn. 1; Nerlich/Kreplin/Nerlich, MAH InsO, § 30 Rn. 172; Braun/de Bra, § 132 Rn. 2; MünchKommInsO/Kayser, § 132 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 132 Rn. 3; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rn. 4; K/P/B/Schoppmeyer, § 130 Rn. 6, 58; Jaeger/Henckel, § 129 Rn. 250, § 130 Rn. 9; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 151; Gottwald/ Huber, § 47 Rn. 64; Schumacher-Hey, RNotZ 2004, 544, 550; Laws, ZInsO 2009, 1465, 1468; Vollrath, ZInsO 2011, 1665, 1667.

148

G. Anfechtbarkeit der Sicherung

rung im Insolvenzfall nur die Quote zu erhalten, den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften unterfällt. Dem Arbeitnehmer steht im Insolvenzverfahren ansonsten ein Absonderungsrecht zu.582) Eine Sicherung des Anspruchs hat für den Arbeitnehmer außerdem den Vorteil, dass – sofern die Sicherung selbst insolvenzfest ist – eine Auszahlung der Prämie nach Erreichen des Stichtags vor Insolvenzeröffnung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht der Anfechtung unterliegt583), denn durch die Befriedigung wird die gleichwertige Sicherheit wieder frei, aufgrund derer der Arbeitnehmer im eröffneten Verfahren in gleicher Höhe hätte vorweg befriedigt werden müssen.584) Auch wenn der Arbeitnehmer die Sicherheit vor Verfahrenseröffnung aber nach 434 Erreichen des festgelegten Stichtags verwertet, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, sofern die Sicherheit unanfechtbar bestellt wurde.585) Der Gegenstand hat dann für die übrigen Gläubiger keinen Wert, denn sein wirtschaftlicher Wert ist ausschließlich dem Arbeitnehmer als Sicherungsnehmer zugewiesen. Aufgrund seines Absonderungsrechts haben die übrigen Gläubiger in der Insolvenz des Arbeitgebers keine Zugriffsmöglichkeit auf den Gegenstand. Die Verwertung in Folge des Eintritts des Sicherungsfalls zieht keine weitere Verminderung des Schuldnervermögens nach sich.586)

I.

Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung

Die Rechtshandlung der Bestellung einer Sicherheit durch den Arbeitgeber ist in 435 der Regel vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. ___________ 582) Siehe oben Kapitel 3 D. 583) Vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NZI 2012, 667, 669, Rz. 22; BGB, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, NZI 2004, 492, 494. 584) Vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315 = NJW 1991, 2147, 2149; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, NZI 2000, 364; FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rn. 43; MünchKommInsO/Kirchhof, § 144 Rn. 10b; Jaeger/Henckel, § 144 Rn. 15; MünchKommInsO/Kayser, § 130 Rn. 23, § 129 Rn. 142a; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 211; Ganter, WM 2011, 245, 247. 585) Vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, NJW 2013, 53, 55, Rz. 14; BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 = NZI 2009, 45, 47, Rz. 22; BGH, Urt. v. 26.6.2008 – IX ZR 87/08, NJW-RR 2008, 1441, Rz. 8; BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 = NJW 2004, 1444, 1447; MünchKommInsO/Kayser, § 129 Rn. 150; HambKommInsO/Rogge/ Leptien, § 129 Rn. 93. 586) K/P/B/Bork, Anh. I zu § 147 Rn. 49. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im eröffneten Insolvenzverfahren bei Verwertung des Sicherungsgegenstands durch den Insolvenzverwalter Kostenbeiträge nach §§ 170 f. InsO angefallen wären. Die Kostenbeiträge sollen lediglich ausgleichen, dass der Insolvenzverwalter für den Sicherungsnehmer tätig wird. BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 174/04, NZI 2006, 178, 179, Rz. 14; BGH, Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, NJW-RR 2004, 340, 342; K/P/B/Bork, Anh. I zu § 147 Rn. 50; a. A.: Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 47; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2002, 20, 21; dies., NZI 2004, 305, 308, die zwischen Verwertungskosten und Feststellungskosten differenzieren und hinsichtlich der Feststellungskosten eine Gläubigerbenachteiligung bejahen.

149

Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

436 Wird zugunsten des Arbeitnehmers ein Pfandrecht an einem bereits bestehenden Verpfändungsgegenstand bestellt, entsteht es bereits zum Zeitpunkt der Bestellung, obwohl der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Prämienzahlung als gesicherter Anspruch aufschiebend bedingt ist.587) Zu diesem Zeitpunkt treten im Sinne von § 140 Abs. 1 InsO die rechtlichen Wirkungen ein.588) Auch hinsichtlich einer Sicherungsübereignung oder Sicherungszession eines bestehenden Sicherungsobjekts, die unter der aufschiebenden Bedingung der Nichtausübung des Kündigungsrechts am vereinbarten Stichtag steht, ist gemäß § 140 Abs. 3 InsO auf den Zeitpunkt der Bestellung abzustellen.589)

II. Gläubigerbenachteiligung 437 Die Bestellung einer Sicherheit durch den Arbeitgeber stellt jedenfalls eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung dar. Der Arbeitnehmer wäre im Verfahren hinsichtlich seiner Forderung aus der Prämienvereinbarung normalerweise nur Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO. Aufgrund der Sicherung steht ihm im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht zu, wodurch die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger geschmälert werden.590)

III. Sicherheit als kongruente oder inkongruente Deckung 438 Für die Deckungsanfechtung sowie für die Würdigung von Indizien im Rahmen von § 133 InsO ist relevant, ob es sich bei der Bestellung der Sicherheit um eine kongruente oder eine inkongruente Deckung handelt. Die Besicherung ist kongruent, wenn der Arbeitnehmer sie zum Zeitpunkt ihrer Bestellung (als dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt) genauso fordern konnte591), d. h. dem Arbeitnehmer musste zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeit___________ 587) 588) 589) 590)

Siehe oben Kapitel 3 D. II. 2) und 3). Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rn. 27. Vgl. Nerlich/Römermann/Nerlich, § 140 Rn. 19; Mitlehner, Mobiliarsicherheiten, Rn. 574. Nerlich/Römermann/Nerlich, § 129 Rn. 80. Hat der Arbeitgeber zur Sicherung der Prämienansprüche der Arbeitnehmer das Modell der Doppeltreuhand gewählt, besteht die Gefahr der Anfechtung der Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder. In Folge der Übertragung auf den Doppeltreuhänder zur Erfüllung des Sicherungsversprechens steht das Treugut aufgrund des Absonderungsrechts des Treuhänders vorrangig dem Treuhänder zur Wahrung der Interessen des Gesicherten zu. Dadurch tritt eine Verringerung der Masse und somit eine Gläubigerbenachteiligung ein (BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 173, Rz. 63; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 151 f.; Rüger, Die Doppeltreuhand zur Insolvenzsicherung von Arbeitnehmeransprüchen, S. 296 f.; siehe auch Thole, KTS 2014, 45, 62; Bork, NZI 1999, 337, 343 zur Übertragung eines dinglichen Nutzungsrechts auf den Treuhänder; Ganter, NZI 2013, 769, 774; Küppers/Louven/Schröder, BB 2005, 763, 768; Klemm, BetrAV 2014, 15, 19 f.; Wiezer, Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten, S. 170). 591) Vgl. Kirchhof, ZInsO 2004, 465, 467; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 80 ff.; K/P/B/Bork, Anh. I zu § 147 Rn. 20.

150

G. Anfechtbarkeit der Sicherung

geber ein hinreichend konkretisierter Anspruch auf die Bestellung dieser Sicherheit zustehen.592) Hierfür ist erforderlich, dass in der Sicherungsabrede der Umfang sowie die Art der Sicherheit bestimmt und bereits ein Sicherungsgegenstand ausgewählt wurde.593) Die Besicherung muss von Anfang an, das bedeutet im Zuge der Vereinbarung der Bleibeprämie durch den Arbeitgeber, zugesagt werden.594) Eine nachträgliche Besicherung ist hingegen inkongruent.595)

IV. Bargeschäft Könnte die Bestellung der Sicherheit als Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO angesehen 439 werden, wäre bei kongruenter Sicherung eine Anfechtbarkeit nach § 130 InsO ausgeschlossen.596) Das Vorliegen eines Bargeschäfts würde auch im Rahmen der Prüfung der subjektiven Tatbestandsmerkmale bei § 133 InsO gegen einen Benachteiligungsvorsatz des Arbeitgebers sprechen. Um die Frage zu beantworten, ob die Bestellung einer Sicherheit zur Sicherung des 440 Arbeitnehmeranspruchs auf Auszahlung der Bleibeprämie ein Bargeschäft darstellt, kann zum Vergleich die Bestellung einer Sicherheit für die Gewährung eines Sanierungskredits herangezogen werden. Die Gewährung eines Kredits gegen Sicherheitenbestellung ist ein Bargeschäft, wenn der Kreditbetrag, der ins Vermögen ___________ 592) Vgl. FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rn. 35; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 159; K/S/W/Schäfer, § 131 D 99; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 96; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 131 Rn. 58. 593) FK-InsO/Dauernheim, § 131 Rn. 20; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 161 f. 594) Vgl. BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439, Rz. 16; BGH, Urt. v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, NJW-RR 2004, 1130, 1131; K/P/B/Schoppmeyer, § 131 Rn. 85; FK-InsO/ Dauernheim, § 131 Rn. 19; K/S/W/Schäfer, § 130 C 62, § 131 D 99; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 345. 595) BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439, Rz. 16; BGH, Urt. v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, NJW-RR 2004, 1130, 1131; siehe auch RG, Urt. v. 2.7.1926 – VI 53/26, RGZ 114, 206, 209; Mitlehner, ZIP 2007, 1925, 1927; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 59; Henkel, NZI 2006, 526, 527; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 345; Berger, ZIP 2010, 2078. Der Anspruch auf Besicherung ist nicht als Minus im Befriedigungsanspruch enthalten, sondern stellt ein Aliud dar (BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439, Rz. 16; BGH, Urt. v. 2.12.1999 – IX ZR 412/98, NJW 2000, 957, 958; K/S/W/Schäfer, § 130 C 62; FK-InsO/Dauernheim, § 131 Rn. 19; Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 345; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 160). Es besteht daher kein Anspruch auf eine nachträgliche Besicherung der bereits bestehenden Verbindlichkeit. Eine Inkongruenz kommt auch dann in Betracht, wenn die Sicherung nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen war, weil die Sicherung von der eigentlich geschuldeten abweicht oder der Anspruch aus der Sicherungsabrede noch nicht fällig war (K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 83, 87; FK-InsO/Dauernheim, § 131 Rn. 25 f.). Inkongruenz liegt auch dann vor, wenn die Sicherungsabrede selbst der Anfechtung unterliegt (FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rn. 35; Kirchhof, ZInsO 2004, 465, 467). 596) Kirchhof, ZInsO 2005, 340, 345; Schimansky/Bunte/Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 87c. Bei inkongruenter Deckung scheidet das Bargeschäftsprivileg aus, dann kann eine Anfechtung nach § 131 InsO daran scheitern, dass diese außerhalb der Dreimonatsfrist erfolgte.

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

des Kreditnehmers fließt, und die hierfür im Gegenzug bestellte Sicherheit gleichwertig sind, und die Bestellung der Sicherheit und die Valutierung des Kredits in engem zeitlichen Zusammenhang stehen.597)

441 Die Gegenleistung für die Sicherheitenbestellung durch den Arbeitgeber bildet die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers. Bei Sanierungskrediten wird als ausgleichende Gegenleistung nur die Gewährung eines neuen Darlehens598) und nicht das bloße Stehenlassen eines Darlehens angesehen, weil dem Schuldner dadurch kein neuer Vermögenswert zugeführt wird.599) Indem die Bank das Darlehen stehen lässt, unterlässt sie es, das ihr zustehende Kündigungsrecht auszuüben. Auch der Arbeitnehmer übt im Gegenzug für die Sicherheitenbestellung sein Kündigungsrecht nicht aus. Anders als im Fall des Stehenlassens eines Darlehens, in dem der Schuldner den Vermögenswert bereits durch die Darlehensgewährung erhalten hat, führt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jedoch unter Umständen durch seinen Verbleib im Unternehmen einen neuen Vermögenswert zu. Der Arbeitgeber kann in Folge der Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zum vereinbarten Stichtag das Know-how und die geschäftlichen Kontakte des Arbeitnehmers weiterhin nutzen.

442 Die Gewährung eines Sanierungskredits und die dafür gewährte Sicherheit werden als gleichwertig angesehen, wenn sich der wirtschaftliche Wert der bestellten Sicherheit und der Wert des gewährten Kredits entsprechen. Der wirtschaftliche Wert des Kredits ist für den Schuldner – sofern das Sanierungsvorhaben offensichtlich aussichtslos ist – jedoch geringer als der nominelle Wert der Sicherheit.600) ___________ 597) Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553, 558; Schimansky/Bunte/Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 87b. Siehe auch BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 = NJW 1998, 2592, 2597; FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rn. 36. 598) Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.91. 599) BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 = NZI 2008, 89, 93, Rz. 41; so auch Mitlehner, ZIP 2007, 1925, 1930; MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 13c; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Häuser, § 85 Rn. 87b; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.91; a. A.: LG Chemnitz, Urt. v. 22.12.2006 – 2 O 208/06, ZIP 2007, 1332, 1333; Molitor, ZInsO 2006, 23, 25; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1463. 600) OLG Brandenburg, Urt. v. 21.3.2002 – 8 U 71/01, ZIP 20002, 1902, 1907; Braun/Riggert, § 142 Rn. 4; HeidelbergerKommInsO/Kreft, § 142 Rn. 7; Jaeger/Henckel, § 142 Rn. 42; Nerlich/ Römermann/Nerlich, § 142 Rn. 7; Raschke, Funktion und Abgrenzung des Bargeschäftstatbestandes in § 142 InsO, S. 101 f.; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, S. 100; Obermüller, ZIP 1980, 1059, 1061. Andere gehen davon aus, die Gewährung von Darlehen stelle eine voll ausgleichende Gegenleistung für die vom Darlehensnehmer zu zahlenden Zinsen und zu stellenden Sicherheiten dar, auch wenn es sich um Sanierungskredite handele. Für die Annahme eines Bargeschäfts komme es nicht darauf an, ob die zur Verfügung gestellten Geldmittel objektiv für die geplante Sanierung geeignet seien. Der Darlehensgeber trage anfechtungsrechtlich nicht das Risiko des Scheiterns mit (MünchKommInsO/Kirchhof, § 142 Rn. 13 f.). Für den Kreditnehmer besitze der Kredit stets den Nominalwert; es sei für ihn wirtschaftlich ohne Bedeutung, wie Forderungen gegen ihn auf dem Markt bewertet werden (Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.70).

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G. Anfechtbarkeit der Sicherung

Auch im Rahmen der Frage, ob der Sicherheitenbestellung für den Anspruch des 443 Arbeitnehmers auf Zahlung der Bleibeprämie eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht, kommt es auf die Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens an. Die Nutzbarkeit der Arbeitskraft des jeweiligen Arbeitnehmers hat nur dann einen Wert, wenn zum Zeitpunkt der Prämienvereinbarung das Sanierungsvorhaben erfolgversprechend und der betreffende Arbeitnehmer für dessen Gelingen unabkömmlich war. Nur in diesem Fall kann der Verbleib einzelner Arbeitnehmer das Sanierungsvorhaben vorantreiben und die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger erhöhen.601) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Sicherung ist der Wert der Nutzbarkeit der Arbeitskraft des konkreten Arbeitnehmers anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (herausstechende Qualifikationen des Arbeitnehmers, sein Beitrag innerhalb des Sanierungsvorhabens, übliche Prämienzahlungen für den Verbleib im Betrieb an Arbeitnehmer in vergleichbaren Positionen für einen entsprechenden Bindungszeitraum).602) In der Regel wird es jedoch an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammen- 444 hang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlen. Äquivalent zu den Sanierungskrediten kommt es für die Unmittelbarkeit von Leis- 445 tung und Gegenleistung auf einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bestellung der Sicherheit und dem Erbringen der Gegenleistung an. Bei Sanierungskrediten ist die Zeitspanne zwischen der wirksamen Bestellung der Sicherheit durch den Schuldner und der Auszahlung des Kredits entscheidend.603) Hinsichtlich der Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers muss es auf den Zeitraum zwischen der Sicherheitenbestellung und der Nichtausübung des Kündigungsrechts ankommen. Die Gegenleistung des Arbeitnehmers ist nicht teilbar und damit erst mit Erreichen des Stichtags und von seiner Seite ungekündigtem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erbracht. Die Sicherheit wird aber regelmäßig bereits im Vorfeld bestellt, nämlich in zeitlichem Zusammenhang mit der Vereinbarung der Bleibeprämie zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer wird das Risiko, welches sein Verbleib im Betrieb für ihn mit sich bringt, nur auf sich nehmen, wenn er aufgrund der Bestellung einer Sicherheit zu seinen Gunsten davon ausgehen darf, im Insolvenzfall als Absonderungsberechtiger nicht nur die Quote auf ___________ 601) Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3 F. III. 4) a) bb). 602) Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3 F. III. 4) a) cc). 603) BGH, Urt. v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, BeckRS 1955, 31384791; OLG Brandenburg, Urt. v. 21.3.2002 – 8 U 71/01, ZIP 20002, 1902, 1906; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 6.98; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 160 f.; a. A.: Canaris, Einhundert Jahre KO, S. 73, 83; Westermann, KTS 1982, 165, 168; K. Schmidt, WM 1983, 490, 494: Ausreichend sei, dass die Vereinbarung der Sicherung in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Kreditzusage erfolge. Dagegen spricht, dass es auch bei Austauschverträgen nicht ausreicht, dass die gegenseitigen Ansprüche gleichzeitig entstehen, sondern ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Leistungshandlungen erforderlich ist (von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 161).

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Kapitel 3: Bleibeprämien im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

seine Forderung zu erhalten. Das Inaussichtstellen der Bleibeprämie soll im Regelfall eine längerfristige Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen bewirken, sodass zwischen der Bestellung der Sicherheit und dem Erreichen des vereinbarten Stichtags ein enger zeitlicher Zusammenhang zu verneinen sein wird.

V. Entgeltlichkeit 446 Die Anfechtung einer anfänglichen oder nachträglichen Besicherung des Arbeitnehmeranspruch gemäß § 134 InsO scheitert an der fehlenden Unentgeltlichkeit.

447 Bestellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sicherheit, um dessen Anspruch auf Auszahlung der Bleibeprämie zu sichern, handelt es sich um die Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit. Für die Entgeltlichkeit einer anfänglichen oder nachträglichen Besicherung kommt es allein darauf an, ob die Verbindlichkeit entgeltlich begründet wurde.604) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Auszahlung der Prämie ist durch die Prämienvereinbarung entgeltlich begründet worden, denn diesem Anspruch steht die Nichtausübung des Kündigungsrechts gegenüber. Übt der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht aus, erbringt er ein Vermögensopfer, indem er gleichzeitig auf die Aufnahme anderer abstrakter Beschäftigungsmöglichkeiten verzichtet. Der Arbeitge___________ 604) BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 173, Rz. 65; BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NJW-RR 2004, 1563, 1564; Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2009 Anm. 3; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 47; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 28; Küppers/Louven, BB 2004, 337, 344; siehe auch Wittig, NZI 2005, 606, 610 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 207 f. Für nachträgliche Besicherungen: BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, NZI 2012, 562, 565, Rz. 43; BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439, Rz. 10; siehe auch BGH, Urt. v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 = NJW 1990, 2626 zu § 32 KO; K/S/W/Schäfer, § 134 G 88; K/P/B/ Bork, Anh. I zu § 147 Rn. 44; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 59; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 16; Berger, ZIP 2010, 2078; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht S. 460. Für diese Sichtweise spricht, dass die bloße Sicherung nicht in weitergehendem Maße anfechtbar sein kann, als die Erfüllung (BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 173, Rz. 65; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht S. 460). Außerdem bietet § 131 InsO (oder ggf. auch §§ 130, 133 InsO) ausreichenden Schutz vor der Bestellung einer Sicherheit, die so nicht beansprucht werden konnte (BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NJW-RR 2004, 1563, 1564). Die Anfechtbarkeit der Nachbesicherung als inkongruente Deckung würde – sofern man diese als unentgeltlich ansieht – faktisch auf vier Jahre ausgedehnt, einen Zeitraum der deutlich über die in § 131 InsO vorgesehenen drei Monate hinausgeht (BGH, Urt. v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439, Rz. 10; BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NJW-RR 2004, 1563, 1564; MünchKommInsO/Kayser, § 134 Rn. 28; K/S/W/ Schäfer, § 134 G 88). A. A.: MünchKommInsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rn. 29; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Ganter, § 90 Rn. 180a; Braun/de Bra, § 134 Rn. 27; Nerlich/Römermann/ Nerlich, § 134 Rn. 15; Ganter, WM 2006, 1081, 1084, die davon ausgehen, die Bestellung einer Sicherheit sei nur dann entgeltlich, wenn die konkrete Sicherungsabrede als entgeltlich qualifiziert werden könne. Werde die Besicherung im Zusammenhang mit einem Kreditgeschäft vereinbart, liege Entgeltlichkeit vor, wenn ohne eine Besicherung der Kredit nicht gewährt worden wäre (Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 90 Rn. 180a; Ganter, WM 2006, 1081, 1084). Vereinbarten die Parteien hingegen eine Besicherung erst im Nachhinein, könne Entgeltlichkeit nur angenommen werden, wenn der Sicherungsnehmer hierfür eine Gegenleistung erbringe bspw. eine Stundung (Ganter, WM 1998, 2081, 2084; ders., WM 2006, 1081, 1084).

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H. Ergebnis

ber erlangt durch den Verbleib des Arbeitnehmers ebenfalls einen wirtschaftlichen Vorteil aufgrund der fortdauernden Nutzbarkeit der Arbeitskraft.605)

VI. Benachteiligungsvorsatz Wird die Sicherung zu Gunsten des Arbeitnehmers in Zusammenhang mit der Ver- 448 einbarung der Bleibeprämie vereinbart und bestellt, kommt es wie im Rahmen der Anfechtung der Prämienvereinbarung nach § 133 InsO darauf an, wie es um die Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens bestellt ist. Aus ex ante- Sicht vielversprechende Sanierungsbemühungen stellen ein Indiz gegen den Benachteiligungsvorsatz dar, welches geeignet ist, das gegenläufige Indiz der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung zu entkräften. Erforderlich ist wie schon mehrfach ausgeführt wurde, dass zum Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegt, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt worden ist, sodass es beim Arbeitgeber die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt606), der Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle im Zuge des Sanierungsvorhabens einnimmt und die ihm versprochene Prämie der Höhe nach angemessen erscheint.607)

H. Ergebnis Die Möglichkeit, Bleibeprämienversprechen anfechtungsfest auszugestalten und diese 449 im Wege des Bargeschäfts des § 142 InsO vor Verfahrenseröffnung auszahlen zu können, ohne dass die Auszahlung der Anfechtung unterliegt, wird den gegenläufigen Interessen gerecht. Zum Schutze der übrigen Gläubiger sind die Anfechtungsrisiken nur bei Einhaltung hoher Anforderungen ausgeschlossen. Die Frage der Anfechtbarkeit steht und fällt mit einem schlüssigen Sanierungskonzept, welches der weiteren Nutzbarkeit der Arbeitskraft des Arbeitnehmers eine entscheidende Rolle zuschreibt. ___________ 605) Siehe oben Kapitel 3 E. II. 2) b). Auch bei der Doppeltreuhand ist für die Frage der Unentgeltlichkeit i. S. d. § 134 InsO nicht das Verhältnis zwischen Treugeber und Doppeltreuhänder entscheidend, sondern das Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und Gesichertem (BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 = NZI 2014, 167, 173, Rz. 65; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 153; siehe auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.11.1990 – 13 U 309/89, OLGZ 1992, 214, 215 f. zu § 3 Abs. 1 Nr. 3 a. F.; K/P/B/Bork, § 134 Rn. 27; Bork, NZI 1999, 337, 343; Undritz, ZIP 2012, 1153, 1160; Passarge, DB 2005, 2746, 2747; Wiezer, Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten, S. 171). 606) Vgl. BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, NJW 2013, 611, 613, Rz. 17 f.; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, NZI 2012, 142 f., Rz. 11; BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, NJW-RR 1993, 238, 241; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893, 1899; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 f.; BGH, Urt. v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, NZI 2009, 171, 177, Rz. 52; siehe auch BGH, Urt. v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093, 1094; LAG München, Urt. v. 20.9.2011 – 6 Sa 68/11, ZIP 2012, 589, 596; vgl. Jacoby, KTS 2009, 3, 18 f. 607) Siehe dazu ausführlich oben unter Kapitel 3 E. IV. 1) c) bb).

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Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren Neben der außergerichtlichen Sanierung besteht die Möglichkeit der Sanierung eines 450 Unternehmens innerhalb des Insolvenzverfahrens. Eine solche kommt in Betracht, wenn es für einen außergerichtlichen Sanierungsversuch zu spät oder dieser gescheitert ist. Teilweise wird auch eine Sanierung innerhalb des Verfahrens angestrebt, weil diese einige Vorteile birgt. So kann die Sanierung dadurch erleichtert werden, dass nach Verfahrenseröffnung die Möglichkeit besteht, belastende Rechtsverhältnisse zu kündigen. Der Schutz vor Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 89 InsO, § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO), die Rückschlagsperre des § 88 InsO, die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) und das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO sind ebenfalls geeignet, in Folge der Mehrung der Masse eine Sanierung voranzutreiben.608) Im Insolvenzplanverfahren ist es zudem möglich, verschiedene Regelungen der Insolvenzordnung außer Kraft zu setzen oder abzuändern. So können beispielsweise Insolvenzforderungen gekürzt oder gestundet oder die Rechtsposition absonderungsberechtigter Gläubiger verändert werden.609) Wie auch bei der außergerichtlichen Sanierung gilt, dass die Erfolgschancen des 451 Sanierungsversuchs mit dem Verbleib einzelner für die Betriebsfortführung wichtiger Arbeitnehmer unter Umständen nachhaltig steigen können. Die Leistungsträger im Unternehmen zu halten, kann daher auch ein Anliegen des vorläufigen bzw. endgültigen Insolvenzverwalters sein. Der Verbleib dieser Arbeitnehmer ist zudem nicht nur zur Durchführung einer Sanierung sinnvoll, sondern eventuell auch im Rahmen einer Liquidation. Der endgültige Insolvenzverwalter setzt sich mit der Frage, ob er Bleibeprämien 452 verspricht, auseinander, wenn er entweder das Unternehmen bis zum Berichtstermin (§ 156 InsO) und darüber hinaus fortführen will, um den Gläubigern die Wahl der Verwertungsart zu ermöglichen, oder wenn die Gläubiger gemäß § 157 InsO eine vorläufige Fortführung des Unternehmens beschließen und eine Sanierung im Rahmen des Verfahrens angestrebt wird. Nicht zu verkennen ist, dass bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren die Weichen 453 dafür gestellt werden, wie es mit dem Unternehmen zukünftig weitergeht. Das Verhalten des vorläufigen Insolvenzverwalters kann maßgeblich dafür sein, ob das Unternehmen im Rahmen des sich anschließenden Insolvenzverfahrens saniert werden kann oder lediglich die Option der Liquidation verbleibt. Will sich der vorläufige Insolvenzverwalter die Möglichkeit einer Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens offen halten, hat er ein Interesse daran, Maßnahmen zu ergreifen, die den Ausgang eines Sanierungsvorhabens positiv beeinflussen können. Hierzu gehört ___________ 608) Siehe zu den Vorteilen der Sanierung innerhalb des Verfahrens Wittig, NZI 1998, 49, 50. 609) Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1909; Beck/Depré/Exner/Beck, Praxis der Insolvenz, § 43 C. Rn. 21 ff.

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Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

auch die Bindung wichtiger und leistungsfähiger Arbeitnehmer an das zu sanierende Unternehmen. Ist abzusehen, dass einige Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren für die bestmögliche Abwicklung oder Sanierung unverzichtbar sind, reicht es nicht, Anreize zum Verbleib erst im eröffneten Verfahren zu schaffen. Bis es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Einsetzung des endgültigen Insolvenzverwalters kommt, werden die Leistungsträger das „sinkende Schiff“ bereits verlassen – sprich von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht – haben. Der Anreiz in Form eines Bleibeprämienversprechens muss deswegen schon im Insolvenzeröffnungsverfahren gesetzt werden können, zumal sich die Rekrutierung neuer Arbeitnehmer, die über vergleichbare Qualifikationen verfügen, nach Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags sehr schwierig gestalten dürfte.

454 Vor diesem Hintergrund befasst sich dieses Kapitel damit, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmern Bleibeprämien durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter in Aussicht gestellt werden können und ob diese geeignet sind, den Arbeitnehmer zum Verbleib im Unternehmen zu motivieren.

455 Eine effektive Bindung des betreffenden Arbeitnehmers an das insolvente Unternehmen setzt voraus, dass der Arbeitnehmer sich darauf verlassen kann, dass seine Forderung auch erfüllt wird. Der vereinbarte Stichtag (bis zu dem der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht ausüben soll) und somit die Anspruchsentstehung wird auch bei einem Handeln des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen, jedenfalls wenn eine langfristige Bindung beabsichtigt ist. Um eine effektive Bindung zu gewährleisten, müsste es sich bei dem durch das Prämienversprechen begründeten Anspruch des Arbeitnehmers um eine Masseverbindlichkeit handeln, die zudem nicht der Anfechtung unterliegt (dazu unter B.).

456 Ferner wird zu klären sein, ob Gläubigerorgane in die Entscheidung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters miteinbezogen werden müssen (dazu unter C.)

457 Wenn das Prämienversprechen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters eine Masseverbindlichkeit darstellen sollte, stellt sich die Frage nach dessen Haftungsrisiko. Je größer die Gefahr einer persönlichen Haftung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ist, desto geringer wird dessen Bereitschaft zur Eingehung solcher Masseverbindlichkeiten sein (dazu unter D.).

458 Diesen Fragen kommt insbesondere auch dann Bedeutung zu, wenn im Vorfeld bereits ein außergerichtlicher Sanierungsversuch unternommen wurde, im Zuge dessen Arbeitnehmern bereits Bleibeprämien versprochen wurden, deren Ansprüche aber noch nicht entstanden sind, weil der Stichtag, bis zu dem das Kündigungsrecht nicht ausgeübt werden darf, noch nicht erreicht ist. Mangels eines Wahlrechts

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A. Keine offensichtliche Insolvenzzweckwidrigkeit

des Insolvenzverwalters hinsichtlich solcher Prämienvereinbarungen610) stellen die bei Bedingungseintritt entstehenden Ansprüche nur Insolvenzforderungen dar611). Die Aussicht auf die geringe Quote ist häufig nicht geeignet, einen Anreiz für den weiteren Verbleib im Unternehmen zu bieten, sodass ein Neuabschluss der Prämienvereinbarung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter angezeigt sein kann.

A. Keine Unwirksamkeit des Versprechens einer Bleibeprämie durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter aufgrund offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit Die Begründung von Verbindlichkeiten durch den vorläufigen612) oder den endgül- 459 tigen Insolvenzverwalter kann im Einzelfall dem Zweck der Insolvenz widersprechen. Insolvenzzweckwidrig und somit unwirksam sind Handlungen, die offensichtlich gegen § 1 S. 1 InsO, d. h. gegen die gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger verstoßen.613) Das Inaussichtstellen einer Bleibeprämie durch den (vorläufigen) Insolvenzverwal- 460 ter verstößt allerdings grundsätzlich nicht gegen diesen Zweck der Insolvenzordnung. Als Beispiel für eine offensichtlich insolvenzzweckwidrige Handlung wird häufig 461 eine Schenkung aus dem Schuldnervermögen genannt.614) Anders als bei einer Schenkung stellt der Arbeitnehmer jedoch als Gegenleistung die Nichtausübung seines Kündigungsrechts in Aussicht. Einen weiteren Fall, in dem höchstrichterlich eine evidente Insolvenzzweckwid- 462 rigkeit angenommen wird, stellt das Versprechen einer „Lästigkeitsprämie“ dar.615) ___________ 610) 611) 612) 613)

Siehe oben Kapitel 3 C. Siehe oben Kapitel 3 B. II. 2). Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 354; Gottwald/Huber, § 46 Rn. 34. BGH, Urt. v. 20.3.2014 – IX ZR 80/13, NZI 2014, 450, Rz. 14; BGH, Beschluss v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NZI 2008, 365, Rz. 4; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = NZI 2002, 375, 376 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 12.8.2013 – 9 U 55/13, NZI 2014, 121; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1028; Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 54 Rn. 103. Der BGH zieht die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heran. Voraussetzung sei nicht nur die objektive und evidente Insolvenzzweckwidrigkeit. Zusätzlich müssten sich dem Geschäftspartner auf Grund der Umstände des Einzelfalls ohne Weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen. Jedenfalls müsse er sich dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen (BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = NZI 2002, 375, 377). Siehe auch OLG Karlsruhe, Beschluss v. 12.8.2013 – 9 U 55/13, NZI 2014, 121; Ganter, FS Gerhardt, S. 237, 248. 614) Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 354; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1028; Frege/ Keller, NZI 2009, 11, 14; Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 54 Rn. 103. 615) BGH, Beschluss v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NZI 2008, 365, Rz. 6.

159

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

Hierbei wird einem durch ein Grundpfandrecht gesicherten Gläubiger, dessen Grundpfandrecht in Folge vorrangiger Grundpfandrechte offensichtlich wertlos ist, eine Geldleistung dafür versprochen, dass er eine Löschungsbewilligung erteilt. Der Bundesgerichtshof argumentiert, die Masse erhalte dadurch keinen Vorteil.616) Eine Lästigkeitsprämie und eine Bleibeprämie sind insoweit vergleichbar, als dass in beiden Fällen eine Prämie für ein Handeln bzw. ein Unterlassen des Begünstigten versprochen wird. Als Konsequenz dieser Handlung wird in beiden Fällen ein Massezuwachs erhofft. Allerdings erbringt der Grundpfandrechtsgläubiger im Gegenzug für die Lästigkeitsprämie schon kein Vermögensopfer. Seine sog. „Schornsteinhypothek“, d. h. seine Grundbuchposition, ist wertlos. Er steht in Folge einer erteilten Löschungsbewilligung nicht schlechter, als er mit Fortbestand seiner Grundbuchposition stünde. Übt hingegen der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht aus, so verzichtet er auf die Aufnahme einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit und damit auf eine sicherere berufliche und finanzielle Zukunft. Verfügt er abstrakt gesehen über anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten, nimmt er das Risiko der Arbeitslosigkeit in Kauf, worin ein Vermögensopfer seinerseits zu erblicken ist.617)

463 Darüber hinaus fließt im Gegenzug für die Bleibeprämie auch eine werthaltige Gegenleistung in die Masse. Durch die Nutzbarkeit der Arbeitskraft können sich die Befriedigungschancen der Gläubiger verbessern, indem sich die Erfolgsaussichten einer nicht aussichtslosen Sanierung innerhalb des Verfahrens erhöhen oder eine Abwicklung des Unternehmens erleichtert wird.618) In diesem Fall ist die Nutzbarkeit der Arbeitskraft generell werthaltig. Inwieweit der Verbleib des betroffenen Arbeitnehmers im Einzelfall für das Unternehmen wertvoll ist und wie sich sein Verbleib auf die Sanierungschancen oder die Liquidationsmöglichkeiten auswirkt, sowie die Frage, ob die versprochene Prämie dem Nutzen, den der Verbleib des Arbeitnehmers mit sich bringt, wertmäßig tatsächlich entspricht, ist schwierig zu beurteilen und setzt genaue Kenntnisse der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, des Aufgabenbereichs und Einwirkungsgebiets des jeweiligen Arbeitnehmers und eine Prognose der weiteren Entwicklung des Unternehmens voraus. Die Vereinbarung einer Bleibeprämie an sich ist deswegen jedoch nicht offenkundig insolvenzzweckwidrig.

464 Auch wenn das Versprechen einer Bleibeprämie nicht offensichtlich gegen den Zweck des § 1 S. 1 InsO verstößt, kann das Prämienversprechen gegenüber dem konkreten Arbeitnehmer in der vereinbarten Höhe unzweckmäßig oder unrichtig sein, weil sich der Vorteil, den der Verbleib dieses Arbeitnehmers mit sich bringt, gar ___________ 616) BGH, Beschluss v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NZI 2008, 365, Rz. 6. Anders liege der Fall aber dann, wenn die Masse kein Nachteil erleide, weil der zu zahlende Betrag wirtschaftlich ausschließlich zu Lasten der vorrangigen Grundschuldgläubiger ginge, BGH, Urt. v. 20.3.2014 – IX ZR 80/13, NZI 2014, 450, Rz. 18, 24. 617) Siehe dazu ausführlich Kapitel 3 E. II. 2) b) cc) (1). 618) Siehe dazu bereits oben unter Kapitel 3 E. II. 2) b) cc) (2).

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B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

nicht positiv auf die Sanierungschancen auswirkt oder nicht äquivalent zu der vereinbarten Prämienhöhe ist. Das Prämienversprechen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ist jedoch auch dann wirksam.619) Zieht das Prämienversprechen nachteilige Auswirkungen für die übrigen Gläubiger nach sich, sind diese durch eine Haftung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters nach § 60 (i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1) InsO geschützt (dazu unten unter D.).620) Eine offensichtliche Insolvenzzweckwidrigkeit ist jedoch ausnahmsweise anzuneh- 465 men, wenn der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Bleibeprämie zusagt, um einem bestimmten Arbeitnehmer einen Vorteil zukommen zu lassen, obwohl ihm klar ist, dass der Verbleib dieses Arbeitnehmers für die Sanierung des Unternehmens völlig nutzlos oder die Sanierung unabhängig davon aussichtslos ist und dies dem Arbeitnehmer bekannt bzw. für jeden verständigen Dritten ohne Weiteres ersichtlich ist. Dann kommt das Bleibeprämienversprechen einer Schenkung gleich.621) Die Nutzlosigkeit des weiteren Verbleibs des Arbeitnehmers im Unternehmen ist für einen verständigen Dritten beispielsweise dann erkennbar, wenn der betreffende Arbeitnehmer nur eine nachgeordnete Tätigkeit ausübt, für die es keiner besonderen Qualifikationen oder Erfahrung bedarf oder wenn sich im Unternehmen weitere vergleichbar qualifizierte Arbeitnehmer befinden, die den Verlust dieses Arbeitnehmers ohne größere Probleme auffangen könnten.

B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit I.

Insolvenzverwalter – Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Stellt der endgültige Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 466 einem Arbeitnehmer eine Bleibeprämie in Aussicht, wird der Anspruch des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Prämienvereinbarung und somit nach Verfahrenseröffnung begründet.622) Da eine Bleibeprämie – wie gerade festgestellt – grundsätzlich nicht offensichtlich dem Zweck des Insolvenzverfahrens widerspricht, handelt es sich bei diesem zu Gunsten des Arbeitnehmers begründeten aufschiebend bedingten Anspruch um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Eine solches Neugeschäft ist auch dann gegeben, wenn bereits vor Verfahrenseröff- 467 nung im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsvorhabens eine Bleibeprämie von Seiten des Arbeitgebers zugesagt wurde, deren Stichtag in den Zeitraum nach Eröff___________ 619) Vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2014 – IX ZR 80/13, NZI 2014, 450, Rz. 14; BGH, Beschluss v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NZI 2008, 365, Rz. 4. 620) Vgl. MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 26. 621) Vgl. zum Verkauf eines Massegegenstands unter Wert Uhlenbruck/Mock, § 80 Rn. 87. 622) Entscheidend für die Qualifizierung als Masseverbindlichkeit ist die Begründung der Verbindlichkeit nach Verfahrenseröffnung (Andres/Leithaus/Leithaus, § 55 Rn. 3; K. Schmidt/Thole, § 55 Rn. 4; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 24; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 10).

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Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

nung des Insolvenzverfahrens fällt. Der Insolvenzverwalter verspricht nach Verfahrenseröffnung eine weitere Prämie, um durch die neu eingegangene Masseverbindlichkeit den Anreiz für den Arbeitnehmer zu verstärken, im Unternehmen zu verbleiben, weil dessen Anspruch aus der vorherigen Prämienzusage lediglich als Insolvenzforderung qualifiziert werden kann. Hierbei handelt es sich nicht um die bloße Abwicklung eines Altgeschäfts, sondern um eine neue davon unabhängige Vereinbarung, bei der der Insolvenzverwalter die Parameter (Stichtag, Prämienhöhe) neu festlegen kann.

II. Vorläufiger Insolvenzverwalter 468 Ob das Versprechen einer Bleibeprämie durch den vorläufigen Insolvenzverwalter eine Masseverbindlichkeit begründet, hängt davon ab, ob die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter in Folge der Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbots seitens des Insolvenzgerichts übergegangen ist.

1.

„Starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – Masseverbindlichkeit § 55 Abs. 2 S. 1 InsO

469 Die Einsetzung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters623) käme den Interessen des Arbeitnehmers entgegen. Denn sagt ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter eine Bleibeprämie im Gegenzug für zu erbringende Betriebstreue zu, handelt es sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 55 Abs. 2 S. 1 InsO um eine Masseverbindlichkeit.

470 Dem steht auch § 108 Abs. 3 InsO nicht entgegen. Die Bleibeprämie wird zwar in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis versprochen, § 55 Abs. 2 InsO ist jedoch eine Spezialvorschrift für das Eröffnungsverfahren, die § 108 Abs. 3 InsO verdrängt.624)

471 Der Arbeitnehmer sieht sich auch nicht der Gefahr der Anfechtbarkeit der Prämienvereinbarung nach den §§ 129 ff. InsO ausgesetzt. Da der starke vorläufige Insolvenzverwalter durch das Versprechen einen Vertrauenstatbestand schafft625), unterliegen seine Handlungen nicht der Insolvenzanfechtung.626) ___________ 623) Die Arbeitgeberbefugnisse und -pflichten gehen schon im Insolvenzeröffnungsverfahren auf den starken vorläufigen Insolvenzverwalter über (Andres/Leithaus/Leithaus, § 22 Rn. 14; Nerlich/ Römermann/Mönning, § 22 Rn. 103; Uhlenbruck/Ries/Zobel, § 22 Rn. 62; Braun/Böhm, § 22 Rn. 32; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 110; Stiller, NZI 2005, 77, 83). 624) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3327; Jaeger/ Henckel, § 55 Rn. 89; Bork, ZIP 1999, 781, 783; Stiller, NZI 2005, 77, 83. 625) Vgl. Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 354; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 191; K/P/B/ Pape, § 22 Rn. 97. 626) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, NZI 2014, 321, 322, Rz. 11; Braun/Böhm, § 22 Rn. 56; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 56; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 191; HeidelbergerKommInsO/Kirchhof, § 22 Rn. 41; HeidelbergerKommInsO/Kreft, § 129 Rn. 32; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 25, 117; K/P/B/Pape, § 22 Rn. 97.

162

B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

2.

„Schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter

In der Praxis sehen die Insolvenzgerichte zumeist von der Einsetzung eines starken 472 vorläufigen Insolvenzverwalters ab und setzen nur einen vorläufigen schwachen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt ein.627) Durch dieses Vorgehen sollen die Rechtsfolge des § 55 Abs. 2 InsO, nämlich die generelle Begründung von Masseverbindlichkeiten, und das Haftungsrisiko des starken vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 61 S. 1 InsO vermieden werden.628)

a) Prämienanspruch grundsätzlich Insolvenzforderung Erklärt der schwache vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung zu einer Prä- 473 mienvereinbarung, die im Insolvenzeröffnungsverfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen wird, handelt es sich bei dem Prämienanspruch des Arbeitnehmers nur um eine Insolvenzforderung, denn ausweislich des eindeutigen Wortlauts des § 55 Abs. 2 InsO629) findet diese Norm keine Anwendung auf einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser kann durch seine Rechtshandlungen somit lediglich Insolvenzforderungen begründen.630) Eine erweiternde Auslegung kommt wegen der unterschiedlichen Rechtsstellung nicht in Betracht. Nur aufgrund des allgemeinen Verfügungsverbots ist der starke vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt, für den Schuldner zu handeln. Der schwache vorläufige Verwalter kann hin___________ 627) Der BGH geht davon aus, die starke vorläufige Insolvenzverwaltung sei trotz der ausführlichen gesetzlichen Regelung nicht der Regelfall. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unterliege dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Bei Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters könne oft die Erforderlichkeit der Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbots noch nicht eingeschätzt werden (BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3328 f.). 628) Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 236; Undritz, NZI 2003, 136, 137. 629) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3327; Uhlenbruck/ Sinz, § 55 Rn. 93; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 221. 630) BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZR 57/05, NZI 2006, 587, 588, Rz. 14; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, NZI 2009, 475, 476, Rz. 13; BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, NZI 2008, 295, Rz. 9; BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 = NZI 2005, 218, 219; BAG, Urt. v. 4.12.2002 – 10 AZR 16/02, BAGE 104, 94 = NZI 2003, 271, 272; Nerlich/ Römermann/Mönning, § 22 Rn. 225; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 57, 193b; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 131; Ganter, NZI 2012, 433; Laroche, NZI 2010, 965, 966; Marotzke, ZInsO 2004, 113, 115. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329 f. hatte das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren neben einem allgemeinen Zustimmungsvorbehalt den vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldner zu handeln, soweit dies dringend erforderlich ist, um seine Aufgaben zu erfüllen; auch für einen solchen Fall hat der BGH angenommen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten nicht begründen könne. A. A.: Bork, ZIP 2001, 1521 ff., der die Auffassung vertritt, ein zu allen Rechtshandlungen ermächtigter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter habe die gleiche Rechtsstellung wie ein starker Insolvenzverwalter, weswegen § 55 Abs. 2 InsO direkt – jedenfalls aber analog – angewendet werden müsse; siehe auch Jaeger/Gerhardt, § 22 Rn. 128 und Nerlich/Römermann/Mönning, § 22 Rn. 224.

163

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

gegen rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners aufgrund eines Zustimmungsvorbehalts nur verhindern.631) Auch eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO scheidet aus.632)

474 Der Arbeitnehmer steht deswegen nicht besser da, als wenn die Prämie vor Antragstellung durch den Arbeitgeber zugesagt wird.

b) Anspruch auf Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit in Folge insolvenzgerichtlicher Einzelanordnung 475 Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der schwache vorläufige Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht ermächtigt wird, den Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung einer Bleibeprämie als Masseverbindlichkeit zu begründen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 18.7.2002 anerkannt, dass das Insolvenzgericht berechtigt ist, den Insolvenzverwalter zu ermächtigen, bestimmte Verbindlichkeiten mit Wirkung gegen die spätere Insolvenzmasse einzugehen.633) Hierbei darf es sich jedoch nicht um eine pauschale Ermächtigung handeln. Erforderlich ist ___________ 631) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3328; FG BadenWürttemberg, Urt. v. 27.5.2009 – 1 K 105/06, ZInsO 2009, 1825, 1827, Rz. 25. 632) BGH, Beschluss v. 4.12.2014 – IX ZR 166/14, BeckRS 2014, 23592, Rz. 3; BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 233/09, NZI 2011, 143, 144, Rz. 9; BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZR 57/05, NZI 2006, 587, 588, Rz. 14; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, NZI 2009, 475, 476, Rz. 13; BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, NZI 2008, 295, Rz. 9; BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 = NZI 2005, 218, 219; BAG, Urt. v. 4.12.2002 – 10 AZR 16/02, BAGE 104, 94 = NZI 2003, 271, 272; Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 73; Nerlich/Römermann/ Andres, § 55 Rn. 130; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 57; Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 93; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 221; Stiller, NZI 2005, 77, 84. Dies wird mit den strukturellen Unterschieden zwischen dem schwachen und dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter (MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 221) und mit der Erwägung begründet, die Insolvenzmasse könne nicht weiter haften, als der vorläufige Insolvenzverwalter rechtlich handeln dürfe (Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 73). Insbesondere sei eine analoge Anwendung nicht vor dem Hintergrund geboten, dass die Gerichte häufig schwache Insolvenzverwalter bestellten. Darin sei keine Umgehung des Gesetzes zu sehen, weil dieses nicht davon ausginge, dass die Bestellung eines starken Insolvenzverwalters den Regelfall darstelle (BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3328; FG BadenWürttemberg, Urt. v. 27.5.2009 – 1 K 105/06, ZInsO 2009, 1825, 1827, Rz. 26). A. A.: Bork, ZIP 1999, 781, 785 f., der bei Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts § 55 Abs. 2 InsO analog anwenden möchte. 633) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329. Siehe auch BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 233/09, NZI 2011, 143, 144, Rz. 9; Braun/Böhm, § 22 Rn. 21; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 19, 57; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 132; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 226; Marotzke, Das Unternehmen in der Insolvenz, Rn. 13. Jaeger/Gerhardt,§ 22 Rn. 131, hingegen verneint den Charakter einer Masseverbindlichkeit im Fall einer durch Gericht erteilten Ermächtigung. Aus einer speziellen gerichtlichen Erlaubnis sei der Masseschuldcharakter nicht herleitbar. Pape/Uhlenbruck, ZIP 2005, 417, 419, halten solche Einzelermächtigungen für systemwidrig; sie verstießen gegen den Grundsatz, dass Masseverbindlichkeiten nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen entstehen könnten. Siehe auch Bähr, ZIP 1998, 1553, 1559; Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 203 ff.

164

B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

eine konkret bestimmte Einzelermächtigung, in der die Verpflichtungen im Vorfeld genau festgelegt werden.634) Art und Umfang müssen genau bezeichnet werden.635) Um diese Voraussetzung im Fall der Bleibeprämie zu erfüllen, ist es notwendig, 476 dass das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter ausdrücklich dazu ermächtigt, eine Prämie im Gegenzug für zu erbringende Betriebstreue zu versprechen. Eine generelle Ermächtigung, solche Prämien in Aussicht zu stellen, wird nicht ausreichen. Vielmehr muss der oder müssen die betroffenen Arbeitnehmer, denen die Prämie zukommen soll, explizit benannt werden. Auch eine Festlegung in Bezug auf die Prämienhöhe ist vorzunehmen. Eine konkrete Vorgabe der Höhe der Prämie durch das Insolvenzgericht würde zu weit gehen, weil dem vorläufigen Insolvenzverwalter dann kein Verhandlungsspielraum gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer bliebe. Ausreichend ist, dass das Insolvenzgericht eine Obergrenze benennt, die nicht überschritten werden darf.636) Der Bundesgerichtshof hat die Möglichkeit solcher Einzelermächtigungen durch 477 das Insolvenzgericht auf Fallgestaltungen begrenzt, in denen die Begründung von Masseverbindlichkeiten für eine erfolgreiche Verwaltung notwendig ist.637) Er führt jedoch nicht weiter aus, wann der Erlass einer Einzelermächtigung als notwendig angesehen werden kann. Pohlmann geht davon aus, eine Einzelermächtigung sei auf Ausnahmefälle zu beschränken. Der Erfolg der gesamten Betriebsfortführung müsse mit dem Vertragsschluss stehen und fallen. Ansonsten werde die gesetzliche Regelung der §§ 22 Abs. 1, 55 Abs. 2 InsO „aufgeweicht“.638) Diese Sichtweise ist zu eng. Sicherlich darf die Anordnung von Einzelermächtigungen nicht derart ausufern, dass die Massebegründungsbefugnis de facto an die eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters heranreicht. Allerdings gebietet der von § 21 InsO verfolgte Zweck, nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern639), Einzelermächtigungen auch dann zu erteilen, wenn ohne die Eingehung dieser Verbindlichkeit eine Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners ein___________ 634) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329; BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 233/09, NZI 2011, 143, Rz. 9; BGH, Urteil v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, NZI 2009, 475, 476, Rz. 13; zustimmend Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1611; Jaeger/Henckel, § 55 Rn. 88; Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 74; MünchKommInsO/ Hefermehl, § 55 Rn. 226. A. A.: Marotzke, ZInsO 2004, 113, 117 ff.; ders., ZInsO 2004, 178, der eine pauschale Masseschuldbegründungskompetenz befürwortet. Eine solche Einzelermächtigung kann nicht rückwirkend erteilt werden (HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 95; Laroche, NZI 2010, 965, 966). 635) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329 f.; Laroche, NZI 2010, 965, 968; Kirchhof, ZInsO 2004, 57, 60. 636) Vgl. Laroche, NZI 2010, 965, 968; Kirchhof, ZInsO 2004, 57, 60. 637) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329; Jaeger/ Henckel, § 55 Rn. 88. 638) Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 167. 639) MünchKommInsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 1; Uhlenbruck/Vallender, § 21 Rn. 1.

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Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

tritt. Die Erteilung einer Einzelermächtigung ist daher notwendig, wenn durch die Begründung einer Masseverbindlichkeit die Betriebsfortführung erheblich erleichtert bzw. die Aussichten einer erfolgreichen Fortführung verbessert werden640), denn die Sicherung des Vermögens eines Unternehmens erfolgt durch die Aufrechterhaltung des Betriebs.641) Je reibungsloser die Betriebsfortführung abläuft, desto höher sind die Befriedigungschancen der Gläubiger im eröffneten Verfahren.

478 Außerdem kann der vorläufige Insolvenzverwalter nach Stellung des Insolvenzantrags noch nicht beurteilen, wie es mit dem Unternehmen langfristig weitergeht. Diese Entscheidung obliegt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Gläubigern (§ 157 InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter ist somit gehalten, sämtliche Optionen (Liquidation, Sanierung anhand eines Insolvenzplans, übertragende Sanierung) offen zu halten, damit im eröffneten Verfahren die bestmögliche gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger erreicht werden kann. Deswegen ist die Begründung von Masseverbindlichkeiten auch dann notwendig, wenn dadurch Sanierungschancen nach Verfahrenseröffnung herbeigeführt oder solche deutlich verbessert werden.642)

479 Das Insolvenzgericht kann eine solche Einzelermächtigung daher erteilen643), wenn der Verbleib bestimmter Arbeitnehmer erforderlich ist, um den Betrieb überhaupt fortzuführen oder vorhandene Sanierungschancen aufrecht zu erhalten. Wie bereits dargelegt, kann sich der Verbleib einzelner Arbeitnehmer auf die Erfolgsaussichten eines Sanierungsvorhabens auswirken. Dies gilt auch für eine Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens und für eine übertragende Sanierung. Dies setzt allerdings voraus, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Einzelermächtigung eine Sanierung innerhalb des Verfahrens denkbar erscheint und der betroffene Arbeitnehmer eine so entscheidende Rolle innerhalb einer möglichen Sanierung einnimmt, dass die Chancen ohne seinen Verbleib deutlich schlechter stünden.

480 In diesem Fall schützt der vorläufige Insolvenzverwalter die Befriedigungsaussichten der Gläubiger, indem er die Arbeits- und Leistungskraft des Unternehmens über den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hinaus dadurch sichert, dass er sich der Betriebstreue bestimmter Arbeitnehmer durch das Versprechen einer Prämie

___________ 640) 641) 642) 643)

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Vgl. Laroche, NZI 2010, 965, 969. Es sei denn, im Einzelfall ist eine Stilllegung geboten (vgl. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Vgl. Braun/Böhm, § 22 Rn. 27. Das Insolvenzgericht prüft, ob es erforderlich ist, eine Masseverbindlichkeit zu begründen (Pape, ZInsO 2002, 886, 887; Haarmeyer/Pape, ZInsO 2002, 845, 847; a. A.: Laroche, NZI 2010, 965, 969 f., der davon ausgeht, das Insolvenzgericht habe die Einschätzung des Insolvenzverwalters grundsätzlich hinzunehmen und überprüfe lediglich, ob der Verwalter seiner Begründungspflicht genügt habe).

B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

versichert. Sind die Voraussetzungen erfüllt, fließt der Masse mit der Nutzbarkeit der Arbeitskraft des Arbeitnehmers auch ein Gegenwert zu.644) Es obliegt dem vorläufigen Insolvenzverwalter, dem Insolvenzgericht schlüssig dar- 481 zulegen, warum es aus derzeitiger Sicht notwendig erscheint, die in Rede stehenden Arbeitnehmer mit Hilfe von Bleibeprämien im Unternehmen zu halten, um eine Betriebsfortführung oder eine Sanierung zu ermöglichen. Es wird vertreten, dass das Gericht eine Einzelermächtigung zum Schutz des Neugläubigers nur erteilen dürfe, wenn der vorläufige Verwalter anhand einer von ihm erstellten Liquiditätsvorschau plausibel darlege, wie er die Forderung zu begleichen gedenkt.645) In der Praxis wird der vorläufige Insolvenzverwalter einen solchen Liquiditätsplan unabhängig davon, ob die Erteilung einer Einzelermächtigung einen solchen zwingend voraussetzt, in der Regel erstellen, um seinem Haftungsrisiko nach § 61 InsO zu entgehen.646) Ist der vorläufige Insolvenzverwalter durch eine erteilte Einzelermächtigung seitens 482 des Insolvenzgerichts dazu autorisiert worden, ein Prämienversprechen als Masseverbindlichkeit zu begründen, unterliegt das Prämienversprechen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht der Anfechtung.647) Die vom Gericht erteilte Einzelbefugnis schafft ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers.648)

c)

Treuhand(konten)modell zur Sicherung der Prämienzusage des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters?

In der Literatur wird für den Fall, dass es an einer gerichtlichen Einzelermächtigung 483 fehlt und es sich bei der Gläubigerforderung daher nicht um eine Masseverbindlichkeit sondern um eine Insolvenzforderung handelt, vielfach das Treuhand(konten)modell diskutiert, mit dessen Hilfe die Erfüllung der Verbindlichkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sichergestellt werden soll. Wird ein schwacher vor___________ 644) Siehe dazu Kapitel 3 E. II. 2) b) cc) (2). 645) Frind, ZInsO 2004, 470, 472; HambKommInsO/Frind, § 58 Rn. 4; HambKommInsO/ Schröder, § 22 Rn. 94; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 70, 132. A. A.: Horstkotte/ Martini, ZInsO 2010, 750, 754. Kirchhof, ZInsO 2004, 57, 59 nimmt an, die Darlegung des Insolvenzverwalters unterliege einer Plausibilitätskontrolle durch das Gericht. Nicht erforderlich ist eine Liquiditätsplanung im Sinne betriebswirtschaftlicher Berechnungen, Laroche, NZI 2010, 965, 971. 646) Siehe dazu unten Kapitel 4 D. II. 2). 647) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, NZI 2014, 321, 322, Rz. 11; noch offen gelassen von BGH, Urt. v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 = NZI 2005, 218, 219; vgl. auch Braun/Böhm, § 22 Rn. 56; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 354; HeidelbergerKommInsO/Kirchhof, § 22 Rn. 59; HeidelbergerKommInsO/Kreft, § 129 Rn. 32; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 119. 648) Vgl. MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 192; Haarmeyer/Pape, ZInsO 2002, 845, 850; HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 184; K/P/B/Pape, § 22 Rn. 101.

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Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

läufiger Insolvenzverwalter bestellt, erscheint das Treuhand(konten)modell auch im Hinblick auf das Inaussichtstellen von Bleibeprämien interessant.

484 Darüber hinaus bestünde für den vorläufigen Insolvenzverwalter durch ein Treuhand(konten)modell die Möglichkeit, die Befriedigung des Arbeitnehmeranspruchs auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sicherzustellen, ohne dass das Insolvenzgericht überprüft, ob das Prämienversprechen überhaupt geeignet ist, zu einer Verbesserung der Fortführungs- und Sanierungschancen beizutragen.

485 Allerdings bestehen an der Zulässigkeit eines solchen Treuhand(konten)modells Zweifel (dazu unter aa)). Selbst wenn man ein solches für zulässig erachten würde, bestünde die Gefahr der Anfechtung (dazu unter bb)).

aa) Zulässigkeit des Treuhand(konten)modells? 486 Es ist bereits äußerst fraglich, ob ein Treuhandmodell, bestehend aus mehrseitigen Treuhandkontenabreden aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen Forderungsschuldner, vorläufigem Insolvenzverwalter und Gläubigern des Schuldners, überhaupt zulässig ist.649) Im Geltungsbereich der Konkursordnung hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit mehrseitiger Treuhandabreden in einigen Fällen anerkannt.650) Es wird angezweifelt, dass diese Rechtsprechung unter Geltung der Insolvenzordnung und dem durch diese eingeführten § 55 InsO fortgelten kann.651) Bedenken ergeben sich daraus, dass § 55 Abs. 2 InsO faktisch leer laufen würde, wenn durch ein Treuhandkontenmodell in die Verteilungsordnung der Insolvenzordnung eingegriffen werden könnte.652) Als Anhaltspunkt gegen die Zulässigkeit könnte auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2002653) angesehen werden, in dem er die Möglichkeit der gerichtlichen Einzelermächtigung festschreibt. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zwar kein Wort über etwaige Treuhand(konten)modelle verloren, eine gerichtliche Einzelermächtigung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit wäre aber obsolet, wenn eine vollumfängliche Befriedigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch auf anderem ___________ 649) Für die Zulässigkeit Heidrich/Prager, NZI 2002, 653, 655; Bork, NZI 2005, 530; Marotzke, ZInsO 2005, 561, 566; Mönning/Hage, ZInsO 2005, 1185, 1190; Braun/Böhm, § 22 Rn. 28; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 180 ff.; a. A.: Unterbusch, Der vorläufige Insolvenzverwalter, S. 208. 650) BGH, Urt. v. 24.1.2002 – IX ZR 180/99, ZInsO 2002, 278, 280 f.; siehe auch BGH, Urt. v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028, 3029; BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 = NJW 1990, 45, 46 f. 651) AG Hamburg, Beschluss vom 16.12.2002 – 67g IN 419/02, NZI 2003, 153, 154; Unterbusch, Der vorläufige Insolvenzverwalter, S. 205; siehe auch HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 101; a. A.: Undritz, NZI 2003, 136, 141. 652) Unterbusch, Der vorläufige Insolvenzverwalter, S. 205. Siehe auch HambKommInsO/ Schröder, § 22 Rn. 102. 653) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329.

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B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

Wege, namentlich durch eine mehrseitige Treuhandabrede, erreicht werden könnte.654) Durch diese Entscheidung bringt der Bundesgerichtshof zum Ausdruck, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter zwar grundsätzlich befugt sein soll, vereinzelt Masseverbindlichkeiten einzugehen, aber eben nur unter Aufsicht und mit ausdrücklicher Zustimmung durch das Insolvenzgericht. Diese Aufsicht des Insolvenzgerichts würde aber durch eine solche Treuhandkonstruktion unterlaufen.655) Selbst wenn man das Treuhand(konten)modell für zulässig hielte, birgt die Treu- 487 handkonstruktion für den gesicherten Gläubiger, hier den Arbeitnehmer, Unsicherheiten. So ist es höchst umstritten, wie die Treuhand überhaupt ausgestaltet werden muss656), ob für den Fall, dass der vorläufige Insolvenzverwalter als Treuhänder fungiert, § 181 InsO eingreift657), ob eine gerichtliche Zustimmung erforderlich

___________ 654) Unterbusch, Der vorläufige Insolvenzverwalter, S. 204. Windel, ZIP 2009, 101, 108, hält das Einzelermächtigungsmodell für vorrangig. A. A.: Ganter, NZI 2012, 433, 437, der davon ausgeht, dass eine gerichtliche Einzelermächtigung oder ein Treuhandmodell alternativ gewählt werden können, weil sich der BGH in seinem Urteil nicht mit dieser Frage beschäftigte. Vgl. auch Undritz, NZI 2003, 136, 141, der meint, eine Einzelermächtigung zu beantragen, mache nur Sinn, wenn zum Zeitpunkt der Separierung keine ausreichende Bardeckung gegeben sei. Bork, ZIP 2003, 1421, 1425, beruft sich auf den Grundsatz der Erforderlichkeit und will die Einholung einer gerichtlichen Einzelermächtigung auf Fälle beschränken, in denen das Treuhandmodell aufgrund fehlender Liquidität ausscheidet. 655) HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 102. 656) Siehe hierzu Ganter, NZI 2012, 433, 434; Kirchhof, FS Kreft, S. 359, 364; Bork, ZIP 2003, 1421, 1424; Windel, ZIP 2009, 101, 103 f.; Frind, ZInsO 2003, 778, 781; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 174 ff.; Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 212. Marotzke, ZInsO 2005, 561, 567; ders., ZInsO 2004, 721, 724, Fn. 44, 45 spricht sich für eine Verdinglichung des Treuhandkontenmodells aus, indem der vorläufige Insolvenzverwalter als Inhaber des Treuhandkontos seinen Auszahlungsanspruch gegen die Bank an die zu sichernden Gläubiger verpfändet (kritisch hierzu Mönning/Hage, ZInsO 2005, 1185, 1187). Werres, ZInsO 2005, 1233, 1242, meint das Treuhandkontenmodell solle mit einer vorgeschalteten Treuhandzession kombiniert werden. Zur Frage, ob Verwalter oder Dritter als Treuhänder eingesetzt werden soll: AG Hamburg, Beschluss v. 23.9.2005 – 67 g 358/05, ZInsO 2005, 1056, 1058; Frind, ZInsO 2003, 778, 780; ders., ZInsO 2004, 470, 474; Marotzke, ZInsO 2005, 561, 566; Werres, ZInsO 2005, 1233, 1240; Unterbusch, Der vorläufige Insolvenzverwalter, S. 198; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 71; HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 99; Windel, ZIP 2009, 101, 104 f.; Bork, NZI 2005, 530; Mönning/Hage, ZInsO 2005, 1185, 1190. Stapper/Schädlich, ZInsO 2011, 249, 254 ff. halten ein Anderkontenmodell ohne zusätzliche vertragliche Vereinbarungen für ausreichend; dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter stünde ein Einbehaltungsrecht zu (kritisch hierzu Ganter, NZI 2012, 433, 438 f.). 657) Für eine entsprechende Anwendung von § 181 InsO AG Hamburg, Beschluss v. 23.9.2005 – 67 g 358/05, ZInsO 2005, 1056, 1058; HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 99; Kirchhof, FS Kreft, S. 359, 365; Frind, ZInsO 2003, 778, 781 f.; ders., ZInsO 2004, 470, 475; ders., ZInsO 2005, 1296, 1300 ff. A. A.: § 181 InsO nicht einschlägig; mit unterschiedlicher Begründung Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 184 f.; Ganter, NZI 2012, 433, 436; Bork, NZI 2005, 530, 531; Marotzke, ZInsO 2004, 721, 722 f.; Werres, ZInsO 2005, 1233, 1239; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 244.

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Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

ist658) und ob aufgrund der Treuhandkonstruktion ein Aus-659) oder ein Absonderungsrecht660) entsteht.

bb) Jedenfalls Anfechtbarkeit der Sicherung der Prämienzusage durch ein Treuhand(konten)modell 488 Die Treuhandkonstruktion unterliegt im Fall eines Bleibeprämienversprechens jedenfalls der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO, weil davon auszugehen ist, dass die Arbeitnehmer im Regelfall Kenntnis davon haben, dass ein Eröffnungsantrag gestellt worden ist und es an einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung und somit am Charakter eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO fehlt.

489 Das Treuhand(konten)modell wird hauptsächlich für den Fall diskutiert, dass ein wichtiger Lieferant des Unternehmens hierdurch eine Sicherung erfährt, damit er die von ihm vertriebenen Waren im Insolvenzeröffnungsverfahren weiterhin an das Unternehmen liefert und somit eine Fortführung des Unternehmens ermöglicht wird. Für diese Konstellation wird in der Literatur eine Anfechtbarkeit teilweise verneint. Zwar leiste der Lieferant vor und gewähre dem Unternehmen somit Kredit, sofern aber ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Lieferung und Sicherheitenbestellung bestehe, sei ein Bargeschäfts i. S. d. § 142 InsO anzunehmen.661) Ein Autor begründet das Vorliegen der Voraussetzungen von § 142 InsO damit, dass die Insolvenzmasse im Gegenzug zur Sicherung des Lieferanten einen gegen ihn gerichteten Erfüllungsanspruch erhalte.662)

490 Wird im Gegensatz dazu einem Arbeitnehmer eine Prämie dafür versprochen, dass er an einem festgelegten Stichtag sein Kündigungsrecht noch nicht selbstständig ausgeübt hat, wird die Leistung des Arbeitnehmers erst am Stichtag selbst erbracht. Erst zu diesem Zeitpunkt entsteht sein zunächst aufschiebend bedingter Anspruch. Er gewährt daher keinen Kredit. Außerdem steht es im Belieben des Arbeitnehmers, ob er sein Kündigungsrecht tatsächlich nicht ausübt. Als Gegenleistung für ___________ 658) Verneinend Kirchhof, FS Kreft, S. 359, 365; Werres, ZInsO 2005, 1233, 1239; Ganter, NZI 2012, 433, 435. Bejahend AG Hamburg, Beschluss v. 23.9.2005 – 67 g 358/05, ZInsO 2005, 1056, 1058; Nerlich/Römermann/Mönning, § 22 Rn. 274; Frind, ZInsO 2003, 778, 781; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 71; Windel, ZIP 2009, 101, 105. 659) AG Hamburg, Beschluss v. 23.9.2005 – 67 g 358/05, ZInsO 2005, 1056, 1058; Unterbusch, Der vorläufige Insolvenzverwalter, S. 197; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 244; Kirchhof, FS Kreft, S. 359; Frind, ZInsO 2003, 778, 780. 660) Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, S. 178; Ganter, NZI 2012, 433, 436; Windel, ZIP 2009, 101, 106. 661) Bork, ZIP 2003, 1421, 1424; Kirchhof, FS Kreft, S. 359, 367. A. A.: Frind, ZInsO 2004, 470, 478, der einen unmittelbaren Leistungsaustausch zwischen Schuldner und Lieferant verneint. 662) Werres, ZInsO 2005, 1233, 1240.

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B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

die Sicherheitenbestellung kann deswegen nicht der Erhalt eines gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruchs gesehen werden. Um ein Bargeschäft anzunehmen, müsste folglich ein enger zeitlicher Zusammen- 491 hang zwischen der Sicherheitenbestellung und dem Stichtag bestehen. Wie in Kapitel 3 F. III. 4) b) cc) erörtert, kann die Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung nur angenommen werden, wenn zwischen ihnen ein Zeitraum von höchstens zwei Wochen liegt. Die Treuhandkontenkonstruktion würde aber in zeitlichem Zusammenhang mit der Prämienzusage durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgen. Es ist nicht anzunehmen, dass in der Praxis Bleibeprämien für die Nichtausübung des Kündigungsrechts für einen Zeitraum von lediglich zwei Wochen in Aussicht gestellt werden.

cc) Ergebnis Die Erfüllung der Prämienforderung des Arbeitnehmers am vereinbarten Stichtag 492 kann aus den genannten Gründen nicht zuverlässig dadurch gesichert werden, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter die von ihm begründete Forderung durch ein Treuhand(konten)modell abzusichern versucht. Soll der Forderung der Charakter einer Masseverbindlichkeit zukommen, bleibt dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter nur übrig, eine gerichtliche Einzelermächtigung einzuholen.

III. Altmasseverbindlichkeit bei Masseunzulänglichkeit Obwohl der endgültige Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), der starke vor- 493 läufige Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 S. 1 InsO) und auch der schwache vorläufige Insolvenzverwalter (aufgrund gerichtlicher Einzelermächtigung) dem Arbeitnehmer eine Masseverbindlichkeit verschaffen können, besteht für den Arbeitnehmer die Gefahr, dass seine Forderung nach deren Entstehen in Folge zwischenzeitlich eingetretener Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) nicht voll erfüllt wird, weil seine Forderung eine Altmasseverbindlichkeit darstellt, die nur im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO befriedigt wird.

1.

Kein Wahlrecht § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter im Fall der 494 Masseunzulänglichkeit keine Möglichkeit, gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO durch Erfüllungswahl i. S. d. § 103 InsO die vorher begründete Alt- zu einer Neumasseverbindlichkeit aufzuwerten. § 103 InsO findet – wie bereits in Kapitel 3 C. III. 2) ausgeführt – auf die Bleibe- 495 prämienvereinbarung keine Anwendung, weil es sich mangels synallagmatischer Verknüpfung nicht um einen gegenseitigen Vertrag in diesem Sinne handelt.

171

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

2.

Keine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 InsO

496 Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Prämie stellt auch keine Neumasseverbindlichkeit i. S. d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 InsO dar. Die Regelungen des § 209 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 InsO bieten dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, solche Masseverbindlichkeiten aufzuwerten, die er für erstrebenswert hält. Davon werden Verbindlichkeiten, deren Entstehen er nicht verhindern kann, allerdings nicht erfasst.663) Zu eben solchen Verbindlichkeiten zählen Bleibeprämienversprechen.

497 § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO nennt Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Durch den rechtzeitigen Ausspruch der Kündigung hätte der Insolvenzverwalter das weitere Entstehen der Entgeltansprüche der Arbeitnehmer verhindern können. Indem er auf die Kündigung verzichtet, ist ihm das Entstehen dieser Ansprüche zurechenbar. Anders ist der Fall zu beurteilen, in dem eine Bleibeprämie zugesagt wurde und der Stichtag noch nicht erreicht ist. Verspricht der vorläufige Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren eine Bleibeprämie im Gegenzug für Betriebstreue bis zum vereinbarten Stichtag auch für den Fall einer Kündigung von Arbeitgeberseite, kann der endgültige Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit keinen Einfluss mehr auf das Entstehen des Prämienanspruchs nehmen, weil sich dieser durch die Kündigung nicht beseitigen lässt. Der Anspruch resultiert nicht daraus, dass der Insolvenzverwalter es unterlassen hat, dem betreffenden Arbeitnehmer zu kündigen.

498 § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Der Bundesgerichtshof erachtet es hierfür als ausreichend, dass der Verwalter durch sein Verhalten die Gegenleistung nutzt, obwohl er dies pflichtgemäß hätte verhindern können.664) Der Insolvenzverwalter muss folglich überhaupt in der Lage sein, eine Inanspruchnahme der Gegenleistung zu verhindern.665)

499 Hinsichtlich der Arbeitskraft könnte der Insolvenzverwalter durch Freistellung des Arbeitnehmers darauf verzichten, die Arbeitsleistung des Vertragspartners in Anspruch zu nehmen.666) Wird hingegen eine Bleibeprämie versprochen, ist die Ge___________ 663) BT-Drucks. 12/2443, S. 220 zu § 321 RegE; HeidelbergerKommInsO/Landfermann, § 209 Rn. 16; MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 30. 664) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 = NZI 2003, 369, 370; BGH, Urt. v. 29.4.2004 – IX ZR 141/03, BeckRS 2004, 05222. 665) Siehe auch Bertram, NZI 2001, 625, 626. 666) HeidelbergerKommInsO/Landfermann, § 209 Rn. 18; MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 33.

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B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

genleistung ausschließlich in der Nichtausübung des Kündigungsrechts zu sehen. Diese Gegenleistung kann der Arbeitnehmer jedoch unabhängig davon erbringen, ob er freigestellt wird. Durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts stellt der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft weiterhin zur Verfügung, ohne dass ihn der Insolvenzverwalter hiervon abhalten kann. Auch ist die weitere Nutzung der Arbeitskraft untrennbar mit der Betriebstreue verbunden. Stellt der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nicht von seiner Leistung frei, nimmt er automatisch auch die Betriebstreue in Anspruch. Der Insolvenzverwalter kann sich nicht bewusst für oder gegen eine Nutzung der Betriebstreue entscheiden.667)

3.

„Vorrang-Ermächtigung“ des vorläufigen Insolvenzverwalters?

Teilweise wird vertreten, die in § 209 Abs. 1 InsO vorgegebene Rangfolge könne 500 hinsichtlich Verbindlichkeiten, die der vorläufige Insolvenzverwalter zur Betriebsfortführung eingeht, durch eine konkrete gerichtliche „Vorrang-Ermächtigung“ umgangen werden. So hat das Amtsgericht Hamburg entschieden, durch gerichtliche Anordnung könne nicht nur der Insolvenzverwalter zur Begründung einer Masseverbindlichkeit ermächtigt, sondern auch deren Rangstellung des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorgeschrieben werden.668) Diese Entscheidung hat Zustimmung von einigen Stimmen in der Literatur gefunden.669)

___________ 667) Vgl. oben Kapitel 3 B. III. 668) AG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2004 – 67g IN 390/04, ZInsO 2004, 1270. Aufgrund der Haftungsrisiken, sei dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zuzumuten, auf das Treuhandmodell zurückzugreifen. 669) Braun/Bäuerle/Schneider, § 55 Rn. 76; Uhlenbruck/Berscheid/Ries, 13. Aufl., § 209 Rn. 21; Ries/Berscheid, ZInsO 2008, 1161, 1162; HambKommInsO/Jarchow, § 55 Rn. 23; HambKommInsO/Weitzmann, § 209 Rn. 9. Für eine solche „Vorrang-Ermächtigung“ wird angeführt, sie passe sich in die Systematik der InsO ein. Wie § 209 InsO und § 264 InsO zeigten, seien der Insolvenzordnung vorrangige Masseforderungen nicht fremd (AG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2004 – 67g IN 390/04, ZInsO 2004, 1270, 1271). Außerdem sei eine Anzeige der Masseunzulänglichkeit erst nach Verfahrenseröffnung möglich. Verbindlichkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters seien daher zwingend Altmasseverbindlichkeiten. Die Möglichkeit durch die „Vorrang-Ermächtigung“ den Rang einer Neumasseforderung zu erhalten, entspreche der Intention des Gesetzgebers, die Betriebsfortführung abzusichern (HambKommInsO/Jarchow, § 55 Rn. 23). Die „Vorrang-Ermächtigung“ führe zu einem wirtschaftlich sinnvollen Ergebnis. Die Erbringung der Leistung käme der Masse und damit den übrigen Gläubigern zu Gute (AG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2004 – 67g IN 390/04, ZInsO 2004, 1270, 1271). Bei Masseunzulänglichkeit auch hinsichtlich der Neumasseforderungen sei die gerichtliche Ermächtigung wegen des Gesetzeswortlauts jedoch nicht ausreichend, die Befriedigungsreihenfolge des § 209 InsO auch insoweit zu durchbrechen. In diesem Fall seien die Verbindlichkeiten des starken und des Ermächtigungsverwalters nur drittrangig aber noch vor den oktroyierten Masseverbindlichkeiten zu befriedigen (Uhlenbruck/Berscheid/Ries, 13. Aufl., § 209 Rn. 21; Ries/ Berscheid, ZInsO 2008, 1161, 1162). Ansonsten fände eine zweifache Privilegierung statt (HambKommInsO/Weitzmann, § 209 Rn. 9).

173

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

501 Würde man eine solche „Vorrang-Ermächtigung“ als zulässig erachten, könnten der starke vorläufige Insolvenzverwalter670) und der schwache vorläufige Insolvenzverwalter in Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass einer Einzelermächtigung beim Insolvenzgericht beantragen, dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie einen dahingehenden Vorrang einzuräumen. Dadurch würde die Anreizwirkung des Prämienversprechens erheblich verbessert, weil das Risiko des Arbeitnehmers, mit seiner Forderung auszufallen, reduziert würde und er auch im Fall der Masseunzulänglichkeit auf eine Befriedigung seiner Forderung hoffen dürfte.

502 Eine solche „Vorrang-Ermächtigung“ ist aber abzulehnen.671) Sie stellt einen Eingriff in die gesetzlich vorgesehene Befriedigungsreihenfolge dar672), die dem Insolvenzgericht funktional nicht zusteht.673) Dieser Sichtweise widerspricht es auch nicht, wenn man die Erteilung einer Einzelermächtigung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit durch das Gericht für zulässig hält. Bestellt das Insolvenzgericht einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter und stattet es diesen mit einer Einzelermächtigung aus, ist darin ein Minus zu der ihm gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, zu sehen. Bei einer „Vorrang-Ermächtigung“, wie sie das Amtsgericht Hamburg annimmt, würde das Insolvenzgericht aber in die Lage versetzt, die gesetzlich festgeschriebene Rangfolge des § 209 InsO zu umgehen.

503 Marotzke weist zutreffend darauf hin, dass anders als beim vorläufigen Insolvenzverwalter hinsichtlich des endgültigen Verwalters keine § 21 Abs. 1 S. 1 InsO ver___________ 670) Wenn man, die Entscheidung des AG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2004 – 67g IN 390/04, ZInsO 2004, 1270, der ein Sachverhalt zugrunde lag, in dem das Insolvenzgericht einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hatte, für richtig hielte, wäre es konsequent, anzunehmen, dass eine solche „Vorrang-Ermächtigung“ auch einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter erteilt werden kann (vgl. Uhlenbruck/Berscheid/Ries, 13. Aufl., § 209 Rn. 21; Ries/Berscheid, ZInsO 2008, 1161, 1162). Ansonsten würde der schwache vorläufige Insolvenzverwalter über eine Befugnis verfügen, die dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zusteht. Er könnte mit Hilfe einer gerichtlichen Anordnung Einfluss auf die Rangfolge für den Fall der Masseunzulänglichkeit nehmen. Dies widerspräche § 22 Abs. 2 S. 2 InsO. Diese Norm schreibt explizit nur vor, dass die Pflichten des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters nicht über die des starken nach § 22 Abs. 1 S. 2 InsO hinausgehen dürfen. Für die Befugnisse, die erforderlich sind, um diese Pflicht zu erfüllen, kann nichts anderes gelten (BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326, 3329; Werres, ZInsO 2005, 1233, 1236). 671) MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 20a. Dem Verweis des AG Hamburg auf § 264 InsO lässt sich entgegenhalten, dass der Eingriff in die gesetzlich vorgeschriebene Rangordnung nicht aufgrund einer Entscheidung des Insolvenzgerichts erfolgt, sondern als ein „Akt der Gläubigerautonomie“ anzusehen ist (Marotzke, ZInsO 2005, 561, 563). 672) Mönning/Hage, ZInsO 2005, 1185, 1187. 673) HeidelbergerKommInsO/Kirchhof, § 22 Rn. 56; HeidelbergerKommInsO/Landfermann, § 209 Rn. 4.

174

B. Befugnis zur Begründung einer Masseverbindlichkeit

gleichbare Rechtsgrundlage besteht.674) Dem endgültigen Insolvenzverwalter kann daher keine „Vorrang-Ermächtigung“ erteilt werden. Die dem vorläufigen Insolvenzverwalter erteilte Ermächtigung ginge über die Befugnisse des endgültigen Insolvenzverwalters hinaus. Dies wäre mit der Systematik der Insolvenzordnung unvereinbar, die die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters als Sicherungsmaßnahme einordnet (§ 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO) und erst dem Insolvenzverwalter weiterreichende Befugnisse zubilligt (z. B. § 103 InsO, §§ 166 ff. InsO). Ferner brächte die „Vorrang-Ermächtigung“ auch keine vollumfängliche Sicherung 504 des Arbeitnehmers mit sich. Dieser erhielte dennoch keine volle oder zumindest teilweise Befriedigung seiner Prämienforderung, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, sämtliche Neumasseschulden zu begleichen oder diese nicht einmal die Verfahrenskosten deckt.675) Die „Vorrang-Ermächtigung“ würde dem Arbeitnehmer ebenfalls nicht weiter helfen, wenn keine Masseunzulänglichkeitsanzeige erfolgen kann, weil der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wird (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO).676)

4.

Ergebnis

Ist die Prämie versprochen worden, bevor dem Insolvenzgericht die Masseunzu- 505 länglichkeit anzeigt wird677), handelt es sich um eine Altmasseverbindlichkeit, die nur im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO befriedigt wird.678) Da es auch im Rahmen von § 209 InsO auf den Zeitpunkt der Begründung des Anspruchs ankommt679), ist es irrelevant, dass die Forderung des Arbeitnehmers gegebenenfalls erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit mit Erreichen des vereinbarten Stichtags entsteht.680) Der Arbeitnehmer trägt demnach das Risiko der Masseunzulänglichkeit, wenn er in Folge des Prämienversprechens seitens des (vorläufigen) Insolvenzverwalters im Unternehmen verbleibt. ___________ Marotzke, ZInsO 2005, 561, 564. Vgl. Marotzke, ZInsO 2005, 561, 564; Mönning/Hage, ZInsO 2005, 1185, 1187. Vgl. Marotzke, ZInsO 2005, 561, 564. Der Zugang der Anzeige der Masseunzulänglichkeit beim Insolvenzgericht ist der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt (MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 20; K. Schmidt/ Jungmann, § 209 Rn. 12; Uhlenbruck/Ries, § 209 Rn. 4; Andres/Leithaus/Andres, § 209 Rn. 5; Braun/Kießner, § 209 Rn. 13). 678) Vgl. zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter: MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 34; Braun/Kießner, § 209 Rn. 16. Siehe auch AG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2004 – 67g IN 390/04, ZInsO 2004, 1270, 1271; HambKommInsO/Weitzmann, § 209 Rn. 9; Uhlenbruck/Ries, § 209 Rn. 27; Ries/Berscheid, ZInsO 2008, 1161, 1162. 679) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, BGHZ 167, 178 = NZI 2006, 392; MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 20, 24; K. Schmidt/Jungmann, § 209 Rn. 12; Andres/Leithaus/ Andres, § 209 Rn. 5; Braun/Kießner, § 209 Rn. 13. 680) Vgl. MünchKommInsO/Hefermehl, § 209 Rn. 20.

674) 675) 676) 677)

175

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

C. Erfordernis der Mitwirkung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses – Zustimmungsbedürftigkeit des Prämienversprechens gemäß § 160 Abs. 1 S. 1 InsO 506 Bleibeprämienversprechen sind im Regelfall nicht zustimmungsbedürftig i. S. d. § 160 Abs. 1 InsO.

507 Das Versprechen einer Bleibeprämie ist nicht mit den in § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO genannten Rechtshandlungen vergleichbar. Die dort aufgeführten Rechtshandlungen haben eine besondere Bedeutung für das Insolvenzverfahren, weil sie massive Auswirkungen auf die weiteren Verwertungsmöglichkeiten der Insolvenzmasse haben. Wird das Unternehmen oder ein Betrieb durch den Insolvenzverwalter veräußert, nimmt er damit die Entscheidung vorweg, ob das Unternehmen fortgeführt werden soll.681) Gemäß § 157 InsO obliegt es den Gläubigern zu entscheiden, ob sie sich aus dem Wert des fortgeführten Unternehmens oder durch dessen Zerschlagung Befriedigung verschaffen wollen. Eine Veräußerung ohne Beteiligung der Gläubiger würde einen Eingriff in die Gläubigerautonomie darstellen, weswegen für eine solche Rechtshandlung die Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses erforderlich ist. Indem der vorläufige Insolvenzverwalter eine Bleibeprämie in Aussicht stellt, versucht er hingegen bestimmte Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten, damit das Unternehmen fort- und somit eine Sanierung durchgeführt werden kann. Er zielt darauf ab, den Gläubigern die Wahlmöglichkeit im Insolvenzverfahren zu erhalten. Die Gläubigerautonomie wird hierdurch gerade nicht eingeschränkt, sondern gewahrt.

508 Aus § 160 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 InsO wird deutlich, dass § 160 InsO auch den Schutz vor Masseschmälerungen beabsichtigt.682)

509 Das Prämienversprechen führt zwar zu einer Mehrung der Masseverbindlichkeiten683), wodurch wie bei der Aufnahme eines Darlehns684) das Risiko für die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger steigt. Allerdings wird es bei Bleibeprämienversprechen im Regelfall an einer erheblichen Belastung der Insolvenzmasse fehlen. Entscheidend ist die finanzielle Lage des Unternehmens im Einzelfall.685) Die in § 160 Abs. 2 Nr. 2 InsO vorgesehene Erheblichkeit von Darlehn wird in der Literatur jedenfalls dann verneint, wenn die Darlehnsverbindlichkeiten weniger als 10 % ___________ 681) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 10; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 13. 682) Vgl. Zimmermann, ZInsO 2012, 245, 247. 683) Vereinzelt wird in der Literatur ohne weitere Ausführungen angenommen, die Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses sei einzuholen, wenn der schwache vorläufige Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten aufgrund einer gerichtlichen Einzelermächtigung begründen wolle, jedenfalls dann wenn diese Masseverbindlichkeiten größeren Umfangs seien (Frind, BB 2013, 265; ders., ZIP 2012, 1380, 1382; Grell/Klockenbrink, DB 2013, 1038, 1040). 684) MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 21; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 40. 685) Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 41; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 21.

176

D. Haftungsfragen

der Masse ausmachen.686) Diese 10 %-Grenze sollte auch hinsichtlich Bleibeprämienversprechen herangezogen werden. Die Verbindlichkeit, die sich aus einer Bleibeprämienvereinbarung ergibt, wird im Regelfall nur einen wesentlich geringeren Teil des Massevermögens ausmachen. Anders als die Aufnahme eines Darlehns wird durch diese Verbindlichkeit nicht die Gesamtfinanzierung der Betriebsfortführung bezweckt. Die Erheblichkeitsgrenze könnte allerdings in Ausnahmefällen überschritten sein, beispielsweise wenn einer Vielzahl von Arbeitnehmern eine Bleibeprämie in Aussicht gestellt wird, deren Verbleib insgesamt erforderlich ist, weil die Unternehmensfortführung von ihrer weiteren Zusammenarbeit abhängt, etwa wenn Bleibeprämien der gesamten Forschungsabteilung zu Gute kommen sollen. In einem solchen Fall sollte der (vorläufige) Insolvenzverwalter den (sofern ein solcher besteht, vorläufigen687)) Gläubigerausschuss um seine Zustimmung688) ersuchen.689) Zwar ist das Prämienversprechen im Außenverhältnis auch ohne erteilte Zustimmung wirksam (§ 164 InsO)690), der (vorläufige) Insolvenzverwalter setzt sich jedoch andernfalls einem erheblichen Haftungsrisiko nach § 60 InsO aus.691)

D. Haftungsfragen Die Bereitschaft des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, Forderungen zu Gunsten 510 einzelner Arbeitnehmer zu begründen, wird dadurch beeinflusst, ob und inwieweit er sich einem Haftungsrisiko aussetzt. ___________ 686) FK-InsO/Wegener, § 160 Rn. 10; Andres/Leithaus/Andres, § 160 Rn. 9. Als weitere Kriterien für eine Einordnung werden die Möglichkeit der alsbaldigen Tilgung aus dem Liquiditätsrückfluss, der innerhalb eines kurzen Zeitraums zu erwarten ist (Uhlenbruck/Zipperer, § 160 Rn. 26; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 21), die zeitliche Bindung sowie die Notwendigkeit, Sicherheiten aus der Masse zu bestellen (Andres/Leithaus/Andres, § 160 Rn. 9), genannt. 687) Auch im Insolvenzeröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, auf den § 160 Abs. 1 S. 1 InsO entsprechend anzuwenden ist (siehe K/P/B/Kübler, § 69 Rn. 32). 688) Im Sinne einer Einwilligung gemäß § 183 BGB (K. Schmidt/Jungmann, § 160 Rn. 13; Andres/ Leithaus/Andres, § 160 Rn. 3; Braun/Esser, § 160 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 11; Uhlenbruck/Zipperer, § 160 Rn. 5; Pape/Gundlach/Vortmann, Handbuch der Gläubigerrechte, Rn. 390; Zimmermann, ZInsO 2012, 245, 246; a. A.: MünchKommInsO/Görg/ Janssen, § 160 Rn. 26). 689) Genehmigungspflichtig ist dann bereits das Prämienversprechen, denn Rechtshandlung i. S. d. § 160 InsO meint auch Verpflichtungsgeschäfte (vgl. K. Schmidt/Jungmann, § 160 Rn. 2; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 5; Zimmermann, ZInsO 2012, 245, 246). 690) Vgl. K. Schmidt/Jungmann, § 160 Rn. 14; K/P/B/Kübler, § 69 Rn. 21; K/P/B/Pape/Schaltke, § 55 Rn. 90; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 36; MünchKommInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 23; Frind, ZIP 2012, 1380, 1383. 691) BGH, Beschluss v. 12.6.2008 – IX ZB 220/07, NZI 2008, 490, 491; K. Schmidt/Jungmann, § 160 Rn. 1, 13; K/P/B/Kübler, § 69 Rn. 21; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 24; Andres/ Leithaus/Andres, § 69 Rn. 14; Braun/Esser, § 160 Rn. 2; Uhlenbruck/Zipperer, § 160 Rn. 29; Mönning/Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 11 Rn. 191. Auch eine nachträgliche Genehmigung kann die Pflichtwidrigkeit nicht beseitigen (K. Schmidt/Jungmann, § 160 Rn. 13). Siehe zum Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters beim Versprechen einer Bleibeprämie Kapitel 4 D. I. 1) c).

177

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

I.

Haftung des Insolvenzverwalters

511 Verspricht der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren eine oder mehrere Bleibeprämien, setzt er sich einer doppelten Haftungsgefahr aus. Führt das Prämienversprechen nicht zum gewünschten Erfolg, kommt eine Haftung nach § 60 Abs. 1 InsO gegenüber den Gläubigern in Betracht. Ist der Insolvenzverwalter nicht in der Lage, die von ihm begründete Masseverbindlichkeit nach Erreichen des Stichtags zu erfüllen, haftet er den betreffenden Arbeitnehmern eventuell persönlich gemäß § 61 InsO.

1.

§ 60 Abs. 1 InsO

512 Vereinbart der Insolvenzverwalter mit einzelnen Arbeitnehmern eine Prämie für den Verbleib im Betrieb, begründet er eine Masseverbindlichkeit und vermehrt die Passivmasse. Tritt in Folge des Prämienversprechens der gewünschte Effekt, etwa die Fortführungsmöglichkeit des Unternehmens oder eine erfolgreiche Sanierung innerhalb des Verfahrens und die damit einhergehende Mehrung der Vermögensmasse, nicht ein, erleiden die Insolvenzgläubiger hierdurch einen Quotenschaden bzw. die Massegläubiger erhalten eventuell keine vollumfängliche Befriedigung.692)

513 Falls das Versprechen einer Bleibeprämie eine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. d. § 60 Abs. 1 InsO darstellt, wären die Beteiligten so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Insolvenzverwalter die Bleibeprämie nicht in Aussicht gestellt hätte.693)

a) Bleibeprämie ex ante im Interesse der Insolvenzmasse 514 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Insolvenzverwalter, das Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen und nach diesem Termin das Unternehmen entsprechend dem Beschluss der Gläubiger zu verwerten, sei es durch Liquidation oder durch (übertragende) Sanierung. Im Rahmen dessen hat er abzuwägen, ob ihm der Verbleib bestimmter Arbeitnehmer im Unternehmen erforderlich bzw. sinnvoll erscheint. Es liegt in seinem Ermessen, ob er Bleibeprämien verspricht. Die Entscheidung, eine Bleibeprämie in Aussicht zu stellen, wird aufgrund einer Prognose getroffen und ist deswegen in besonderem Maße risikobehaftet. Die Frage, ob der Insolvenzverwalter haftet, wird immer nur dann interessant, wenn sich ex post herausstellt, dass der Verbleib des Arbeitnehmers nicht zum Erfolg geführt hat und die Sanierung gescheitert ist. In diesem Fall kann das Prämienversprechen aus ex post-Sicht niemals als eine sinnvolle Entscheidung angesehen werden, weil das Ergebnis, eine Verringerung der den Gläubigern noch zur Verfügung stehen___________ 692) Vgl. K. Schmidt/Thole, § 60 Rn. 42. 693) Vgl. K. Schmidt/Thole, § 60 Rn. 42; MünchKommInsO/Brandes/Schoppmeyer, § 60 Rn. 105. Die Beweislast für die Pflichtverletzung trifft den Gläubiger (MünchKommInsO/Brandes/ Schoppmeyer, § 60 Rn. 121).

178

D. Haftungsfragen

den Haftungsmasse, feststeht. Würde man auf diesen Zeitpunkt abstellen und in dem Versprechen eine haftungsbegründende Pflichtverletzung i. S. d. § 60 InsO sehen, steht zu befürchten, dass der Insolvenzverwalter aufgrund seiner hohen Haftungsgefahr – er sähe sich nämlich einer Erfolgshaftung ausgesetzt – generell davon absieht, Arbeitnehmer durch solche Versprechen an das Unternehmen zu binden, obwohl die weitere Nutzbarkeit ihrer Arbeitskraft für die Unternehmensfortführung oder Sanierung erforderlich ist.694) Dies widerspräche dem Zweck von § 1 InsO, eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erzielen.695) Hinzu kommt, dass die dem Insolvenzverwalter obliegende Pflicht nicht über das hinausgehen kann, was ihm im Zeitpunkt der Pflichterfüllung möglich ist.696) Der Insolvenzverwalter kann nur abwägen, ob aus Sicht des Zeitpunkts des Prämienversprechens ein solches die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger herbeiführt. Da die Entscheidung ein Prämienversprechen abzugeben auf einer Prognose basiert, ist dieser das Risiko immanent, dass sie sich später als falsch herausstellt. Es kommt deswegen auf die ex ante-Perspektive an. Einige Stimmen in der Literatur erzielen dieses Ergebnis, indem sie die Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) analog auf den Insolvenzverwalter anwenden697); andere halten einen Rückgriff auf die Business Judgment Rule für nicht erforderlich und verweisen insoweit auf den allgemeinen Haftungsmaßstab698). Entscheidend ist also, ob der Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der Zusage einer 515 Bleibeprämie dadurch gegen die Pflicht zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung verstößt, dass er dem Arbeitnehmer eine Bleibeprämie in Aussicht stellt. Eine Pflichtverletzung ist zu verneinen, wenn der Verwalter auf der Grundlage angemessener Informationen, die für eine Entscheidungsfindung notwendig sind, und in bestem Gewissen eine Bleibeprämienvereinbarung abschließt699), er also annehmen durfte, im Interesse der Insolvenzmasse zu handeln. Er musste davon ausgehen dürfen, dass der Verbleib der betreffenden Arbeitnehmer für die Unternehmensfortführung oder für eine geplante Sanierung eine entscheidende Rolle spielt, indem sie eine solche entweder ermöglichen oder die Erfolgsaussichten verbessern. Voraussetzung hier___________ 694) Vgl. Nerlich/Römermann/Rein, § 60 Rn. 79; Berger/Frege, ZIP 2008, 204, 206; Berger/Frege/ Nicht, NZI 2010, 321, 323. 695) Vgl. HambKommInsO/Weitzmann, § 60 Rn. 30. 696) Vgl. von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649. 697) Uhlenbruck, FS K. Schmidt, S. 1603, 1617; K. Schmidt/Thole, § 60 Rn. 14; Nerlich/Römermann/ Rein, § 60 Rn. 60, 80; Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321, 323; Oldiges, Die Haftung des Insolvenzverwalters unter der Business Judgment Rule, S. 130 ff.; Erker, ZInsO 2012, 199; dahin tendiert auch Antoni, NZI 2013, 236, 239. A. A.: Jungmann, NZI 2009, 80, 86. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auf den Insolvenzverwalter trete an die Stelle des Wohls der Gesellschaft der Insolvenzzweck – die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger – und das von den Gläubigern beschlossene Verfahrensziel (Uhlenbruck, FS K. Schmidt, S. 1603, 1617, spricht dann von der „Insolvency Judgment Rule“). 698) MünchKommInsO/Brandes/Schoppmeyer, § 60 Rn. 90a; vgl. auch von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649. 699) Vgl. K. Schmidt/Thole, § 60 Rn. 14; von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649.

179

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

für ist, dass sich der Insolvenzverwalter zunächst eine ausreichende Informationsgrundlage verschafft, aufgrund derer er abschätzen kann, welchen Mehrwert der Verbleib der Arbeitnehmer für das Unternehmen bringt. Zusätzlich ist erforderlich, dass das Unternehmen überhaupt fortführungs- oder sanierungsfähig ist.

516 Hat die Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) beschlossen, eine Sanierung anzustreben, bedarf es als Informationsgrundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts.700) Um eine vernünftige Entscheidung treffen zu können, muss dieses Sanierungskonzept mit Hilfe eines unabhängigen und fachlich qualifizierten Sachverständigen erarbeitet werden, der die Sanierungsfähigkeit für den Insolvenzverwalter plausibel bestätigt.701)

517 Anders kann der Fall liegen, wenn aufgrund besonderer Umstände die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts nicht möglich ist, weil besondere Eile geboten ist. Ist etwa der Verbleib eines bestimmten Arbeitnehmers erforderlich, um die Fortführung des Unternehmens bis und nach dem Berichtstermin überhaupt zu ermöglichen, kann der Insolvenzverwalter gehalten sein, ein Prämienversprechen abzugeben, um die der Gläubigerversammlung zustehende Entscheidung über die Art der Verwertung nicht vorweg zu nehmen. In einem solchen Fall muss die besondere Situation, in der sich der Insolvenzverwalter befindet, im Pflichtenmaßstab Berücksichtigung finden.702) § 60 Abs. 1 InsO stellt auf den Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters ab, was indiziert, dass die schwierigen Umstände zu berücksichtigen sind; ihm kann keine weitergehende Pflicht auferlegt werden, als ihm zu erfüllen möglich ist. In die Beurteilung, ob er objektiv aus ex ante-Sicht davon ausgehen durfte, zum Wohle der Masse zu handeln, muss daher einfließen, dass er in ein ihm unbekanntes Unternehmen kommt, dessen Buchführung im Zweifel zu wünschen übrig lässt und er gegebenenfalls nicht nur auf kooperative Geschäftsleiter trifft. Dann muss es darauf ankommen, ob er die ihm in diesem Zeitpunkt vorliegenden und zugänglichen Informationen auswertet und aufgrund dieser das Versprechen einer Bleibeprämie als sinnvoll ansehen darf.

b) Höhe der Prämie 518 Die Pflicht zur bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger gebietet es, keine unnötig hohen Masseverbindlichkeiten einzugehen. Verspricht der Insolvenzverwalter eine Bleibeprämie, muss deren Höhe angemessen sein.

519 Um dies zu beurteilen, sind die Prämienhöhe und der Nutzen des Verbleibs des Arbeitnehmers ins Verhältnis zu setzen (siehe Kapitel 3 E. II. 2) b) dd) (1)). Dem ___________ 700) K. Schmidt/Thole, § 60 Rn. 14. 701) Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321, 327. 702) Vgl. MünchKommInsO/Brandes/Schoppmeyer, § 60 Rn. 90a. Siehe auch Andres/Leithaus/ Andres, § 60 Rn. 15.

180

D. Haftungsfragen

Insolvenzverwalter ist ein gewisser Handlungsspielraum einzuräumen, damit er dem Arbeitnehmer einen Anreiz bieten kann. Stehen die Prämienhöhe und der Nutzen in einem offensichtlichen Missverhältnis, ist jedenfalls eine Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters anzunehmen.

c)

Keine Entlastung bei Zustimmungsbedürftigkeit der Bleibeprämie

Ist das Bleibeprämienversprechen ausnahmsweise zustimmungsbedürftig im Sinne 520 von § 160 InsO, entbindet die Zustimmung des Gläubigerausschusses den Insolvenzverwalter nicht automatisch von jeder Haftung.703) Er hat die Bleibeprämie trotz erteilter Zustimmung daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Ziel der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger entspricht.704) Die erteilte Zustimmung kann hierbei jedoch ein Indiz dafür sein, dass die Höhe der 521 versprochenen Prämie in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen des Verbleibs des Arbeitnehmers steht. Im Gläubigerausschuss sind häufig Gläubiger vertreten, die branchenkundig sind. Halten die Mitglieder des Gläubigerausschusses die Höhe der Prämie für angemessen, spricht dies dafür, dass sie einer im Geschäftsverkehr üblichen Prämie entspricht und kein offensichtliches Missverhältnis zwischen Verbleib und Nutzen besteht. Obwohl die Zustimmung des Gläubigerausschusses demnach die Haftungsrisiken 522 des Insolvenzverwalters nicht ausschließt, kann die Zustimmung dazu führen, dass der Gläubigerausschuss unter Umständen ebenfalls haftet (§ 71 InsO), sofern er nicht pflichtgemäß überprüft, ob die Prämie dem Interesse der Gläubigerbefriedigung dient.

2.

§ 61 InsO

Kann der Insolvenzverwalter die Forderung des Arbeitnehmers nach Bedingungs- 523 eintritt nicht aus der Insolvenzmasse begleichen, sieht er sich unter Umständen einer Haftung gemäß § 61 InsO ausgesetzt.

a) Haftungsbegründende Pflichtverletzung und Exkulpationsmöglichkeit Eine haftungsbegründende Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn der Insolvenzver- 524 walter die Bleibeprämie in Aussicht gestellt hat, obwohl im Zeitpunkt des Prämienversprechens Zweifel an der Erfüllbarkeit der aufschiebend bedingten Arbeitneh___________ 703) Vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425 f.; OLG Bamberg, Beschluss v. 24.9.1952 – 2 W 266/52, NJW 1953, 109, 110; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 37; MünchKommInsO/Brandes/Schoppmeyer, § 60 Rn. 98; Uhlenbruck/Zipperer, § 160 Rn. 29; Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 102; K/P/B/Onusseit, § 160 Rn. 4. 704) Vgl. Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 102; MünchKommInsO/Görg/Janssen, § 160 Rn. 37; Uhlenbruck/ Zipperer, § 160 Rn. 11, 29. Siehe auch Gundlach/Frenzel/Jahn, ZInsO 2007, 363, 364 ff.

181

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

merforderung bestanden haben.705) Gemäß § 61 Abs. 2 InsO obliegt es dem Insolvenzverwalter zu beweisen, dass er entweder objektiv von einer ausreichenden Masse zur Erfüllung der Arbeitnehmerforderung ausgehen durfte oder dass er die Masseunzulänglichkeit nicht erkennen konnte.706) Diesen Beweis kann er führen, wenn er eine Liquiditätsrechnung anhand zutreffender Anknüpfungstatsachen sorgfältig erstellt hat, die er bis zur Begründung der Prämienforderung regelmäßig überprüft und aktualisiert hat und die aus Sicht des Zeitpunkts der Prämienvereinbarung die Erfüllbarkeit bei Fälligkeit erwarten ließ.707) Entscheidend ist allein die Erkenntnismöglichkeit des Insolvenzverwalters im Zeitpunkt der Begründung des Prämienanspruchs708); es ist unschädlich, wenn sich die Prognose im Nachhinein als unzutreffend herausstellt, sofern der Insolvenzverwalter die – negative – Entwicklung ex ante nicht voraussehen musste.709)

b) Ersatzfähiger Schaden des Arbeitnehmers? 525 Im Rahmen von § 61 InsO ist nur das negative Interesse ersatzfähig.710) Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der Insolvenzverwalter ihm die Bleibeprämie nicht pflichtwidrig versprochen hätte.

526 Ohne die Bleibeprämienvereinbarung wäre der Anspruch des Arbeitnehmers nicht zur Entstehung gelangt. Allerdings hätte sich der Arbeitnehmer eventuell auch nicht veranlasst gesehen, das Risiko, welches sein Verbleib im Unternehmen mit sich bringt, auf sich zu nehmen.

527 Durch die Nichtausübung seines Kündigungsrechts hat der Arbeitnehmer die ihm aufgrund der Prämienvereinbarung obliegende Gegenleistung erbracht. Sein Vermö___________ 705) Vgl. Mönning/Frege/Berger/Nicht, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 35 Rn. 85. 706) Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222; BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = NZI 2004, 435, 437 f. 707) Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222 f.; BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = NZI 2004, 435, 438; BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222, 223. Hierbei handelt es sich um eine Prognose, die auf der aktuellen Liquiditätslage der Masse und einer realistischen Einschätzung noch offener Forderungen sowie der künftigen Geschäftsentwicklung für die Dauer der Fortführung basiert (BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222 f.; BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = NZI 2004, 435, 438). 708) Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222, 223; BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = NZI 2004, 435, 438. 709) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222, 223. 710) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222, 223; BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = NZI 2004, 435, 438 f.; BAG, Urt. v. 1.6.2006 – 6 AZR 59/06, NZA 2007, 94, 96, Rz. 16; Mönning/Frege/Berger/Nicht, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 35 Rn. 85; K. Schmidt/Thole, § 61 Rn. 11. A. A.: Haftung auf positives Interesse OLG Brandenburg, Urt. v. 3.7.2003 – 8 U 58/02, NZI 2003, 552, 553 f.; Wallner/Neuenhahn, NZI 2004, 63, 65. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach § 249 BGB (BAG, Urt. v. 19.1.2006 – 6 AZR 600/04, BAGE 117, 14 = NZI 2006, 719, Rz. 14).

182

D. Haftungsfragen

gensopfer liegt darin, dass er das Risiko drohender Arbeitslosigkeit in Kauf nimmt, indem er sich der Gefahr aussetzt, dass das Unternehmen nur vorübergehend fortgeführt wird, weil zu einem späteren Zeitpunkt dessen Stilllegung angezeigt ist, die Gläubiger sich im Berichtstermin für eine Verwertung im Wege der Liquidation entscheiden oder eine Sanierung innerhalb des Verfahrens scheitert, und ihm somit die betriebsbedingte Kündigung droht. Er verzichtet darauf, sich eine andere Arbeitsstelle zu suchen, die ihm eine sicherere berufliche und finanzielle Zukunft ermöglichen würde. Dieses Risiko hat er übernommen, weil er auf die vollumfängliche Befriedigung seines Prämienanspruchs aus der Insolvenzmasse vertraut hat. Hätte die Bleibeprämie keinen Anreiz zum Verbleib im Unternehmen geschaffen, hätte er seine Arbeitskraft gegebenenfalls anderweitig zur Verfügung gestellt. Dies sind jedoch nur hypothetische Erwägungen. Ebenso ist denkbar, dass das Prä- 528 mienversprechen keinerlei Auswirkung auf die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers in diesem Zeitraum hatte, weil der Arbeitnehmer mangels konkreter anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten auch ohne diesen Anreiz im Unternehmen verblieben wäre. In einem solchen Fall ist das Bleibeprämienversprechen nicht kausal für einen Schaden, der dem Arbeitnehmer durch den weiteren Verbleib im Unternehmen entsteht. Die Kausalität ist nur zu bejahen, wenn dem Arbeitnehmer im einschlägigen Bindungszeitraum konkret die Möglichkeit offen gestanden hätte, nach Ausübung seiner Kündigungsrechts einer anderen Beschäftigung nachzugehen.711) Dies zu beweisen obliegt dem Arbeitnehmer.712) Diesen Beweis kann er dadurch erbringen, dass er nachweist, dass er in besagtem Zeitraum Angebote anderer Arbeitgeber ausgeschlagen hat. Der Arbeitnehmer bekommt folglich den Nachteil ersetzt, den er dadurch erleidet, 529 dass er auf die ihm mögliche Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit verzichtet hat, weil er auf die spätere Auszahlung der Bleibeprämie vertraute. Durch diese Risikoübernahme erleidet er jedoch nur dann einen Nachteil, wenn sein Arbeitsvertrag mit dem Schuldnerunternehmen in Folge betriebsbedingter Kündigung endet und er nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht direkt eine andere Beschäftigung findet, obwohl er sich um eine solche bemüht. Dann tritt genau die finanzielle und berufliche Unsicherheit ein, die die Prämie ausgleichen sollte. Andernfalls hat er zwar das Risiko übernommen, dieses hat sich aber nicht realisiert, sodass ihm durch den Verbleib kein Schaden entstanden ist. ___________ 711) So wird hinsichtlich Mietzinsansprüchen die unterbliebene Kündigung nur dann als kausal für den Mietzinsausfall erachtet, wenn von dem Vermieter eine anderweitige Vermietungsmöglichkeit dargelegt wird (BAG, Urt. v. 19.1.2006 – 6 AZR 600/04, BAGE 117, 14 = NZI 2006, 719, 720, Rz. 17; OLG Celle, Urt. v. 13.7.2004 – 16 U 11/04, BeckRS 2004, 08189; Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 16). 712) Vgl. K. Schmidt/Thole, § 61 Rn. 11; Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 16; MünchKommInsO/ Schoppmeyer, § 61 Rn. 47. Siehe auch Richter/Völksen, ZIP 2011, 1800, 1804.

183

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

530 Ist ein Schaden entstanden, bemisst sich dieser danach, wie lange der Arbeitnehmer auf ein Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis verzichten muss. Es erscheint sinnvoll, den Schaden mit seinem bisher verdienten monatlichen Gehalt über die Dauer der Arbeitslosigkeit zu beziffern. Der Schadensersatzanspruch ist jedoch begrenzt durch das Erfüllungsinteresse, also die Prämienhöhe, ansonsten stünde der Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bei Eintritt der Masseunzulänglichkeit gegebenenfalls besser, als wenn er aus der Masse Befriedigung erlangt hätte.

531 Dennoch dürften die Haftungsgefahren des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO bei pflichtwidrigem Versprechen einer Bleibeprämie in der Praxis gering sein. In der Regel wird davon auszugehen sein, dass denjenigen Arbeitnehmern, die während des Prämienzeitraums über eine konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund ihres besonderen Know-hows verfügten, auch nach der betriebsbedingten Kündigung vergleichbare Beschäftigungsmöglichkeiten offen stehen.

II. Haftungsrisiko des vorläufigen Insolvenzverwalters 532 Verspricht der starke vorläufige Insolvenzverwalter oder der schwache vorläufige Insolvenzverwalter mit gerichtlicher Einzelermächtigung eine Bleibeprämie gegenüber einem oder mehreren Arbeitnehmern, besteht auch für ihn ein Haftungsrisiko.713)

1.

§ 60 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO

533 Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO haftet auch der vorläufige Insolvenzverwalter nach § 60 InsO für den Fall, dass er eine Pflicht, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegt, schuldhaft verletzt.714)

534 Der starke vorläufige Insolvenzverwalter ist gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO verpflichtet, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten.715) Diese Pflicht trifft auch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.716) Die Begründung von Masseverbindlichkeiten in Form von Prämienversprechen des vorläufigen Insolvenzverwalters widerspricht nicht dem Zweck der Sicherung und Erhaltung des schuld___________ 713) Zur allgemeinen zivilrechtlichen Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters siehe Mönning/ Frege/Berger/Nicht, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 35 Rn. 28 ff.; Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 152 ff. 714) Das gilt sowohl für den starken (Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 100; Wallner/Neuenhahn, NZI 2004, 63, 64) als auch für den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter (Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 194). 715) BT-Drucks. 12/2443 zu § 26 RegE, S. 116 f.; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 25; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 22. 716) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 = NJW 2011, 2960, 2965, Rz. 49; K. Schmidt/Hölzle, § 22 Rn. 4; K/P/B/Pape, § 22 Rn. 54; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 270; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 29; Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 195; a. A.: HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 105.

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D. Haftungsfragen

nerischen Vermögens, obwohl darin eine Verkürzung der Masse liegt, denn den starken (gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO) und auch den schwachen717) vorläufigen Insolvenzverwalter trifft ebenfalls die Pflicht, das Unternehmen des Schuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen. Diese beiden Aufgaben des Insolvenzverwalters werden teilweise als kollidierende 535 Pflichten angesehen.718) Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass die Fortführung des Unternehmens nicht nur dazu dient, die Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren zu gewährleisten719), sondern gleichzeitig auch ein geeignetes Mittel sein kann, den Zweck der Vermögenssicherung und -erhaltung zu erreichen.720) Indem der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird, bleibt das Unternehmen als funktionale Einheit erhalten.721) Der darin liegende Wert zeigt sich u. a. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Möglichkeit einer (übertragenden) Sanierung. Die Eingehung einer Masseverbindlichkeit kann zwar zu einer Masseverminderung führen. Sie verstößt jedoch dann nicht gegen den Sicherungszweck, wenn sie der Fortführung des Schuldnerunternehmens dient, weil diese dem Sicherungszweck entspricht. Voraussetzung ist jedoch, dass die Begründung der Masseverbindlichkeit im Einzelfall zur Unternehmensfortführung erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint.722) Übertragen auf den Fall der Bleibeprämie bedeutet das, dass der Verbleib des ein- 536 zelnen Arbeitnehmers die Fortführung des Unternehmens erleichtern oder ermöglichen muss. Der vorläufige Insolvenzverwalter handelt dann nicht pflichtwidrig, wenn der betreffende Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten, seines Knowhows oder aufgrund seiner geschäftlichen Kontakte geeignet erscheint, die Fortführung des Unternehmens positiv zu beeinflussen. Ausreichend ist es ebenfalls, wenn eine Fortführung des Unternehmens bis zum Berichtstermin im eröffneten Verfah___________ 717) K. Schmidt/Hölzle, § 22 Rn. 8; Mönning/Feser, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 4 Rn. 46; HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 113. A. A.: Braun/Böhm, § 22 Rn. 26. Jedenfalls kann das Insolvenzgericht den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zur Fortführung des schuldnerischen Unternehmens verpflichten (Mönning/Frege/Berger/Nicht, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 35 Rn. 17; Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 199). 718) Undritz, NZI 2007, 65, sieht zwischen diesen beiden Pflichten einen „kaum lösbare>n@ Konflikt“. 719) Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 113. 720) Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 22; HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 30. Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 71 f. Rn. 138, billigt § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO nur deklaratorischen Charakter zu. A. A.: MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 36, der davon ausgeht, neben die Pflicht zur Sicherung und Erhaltung trete selbständig die Aufgabe einer wirtschaftlich sinnvollen Fortführung des schuldnerischen Unternehmens. 721) Pohlmann, Befugnisse und Funktionen des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 71 Rn. 138; Meyer, Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 113. 722) Vgl. BGH, Urt. v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 = NZI 2005, 100 f.; siehe auch K. Schmidt/Hölzle, § 22 Rn. 9; HambKommInsO/Schröder, § 22 Rn. 59.

185

Kapitel 4: Bleibeprämien im Regelinsolvenzverfahren

ren zwar möglich erscheint, die Erfolgsaussichten einer in Rede stehenden Sanierung jedoch mit dem Verbleib des Arbeitnehmers steigen. Auch in diesem Fall ist es angebracht, den Arbeitnehmer frühzeitig im Unternehmen zu halten, um den Gläubigern die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch eine Sanierung des Unternehmens Befriedigung zu verschaffen. Die bestehende Sicherungspflicht dient nämlich auch dazu, im Interesse aller Verfahrensbeteiligten die Chance einer möglichen Sanierung zu erhalten.723)

537 Für die Beurteilung der Frage, wie sich die weitere Nutzbarkeit der Arbeitskraft auf die Fortführung des Unternehmens und auf eine etwaige Sanierung auswirkt, ist eine ex ante-Betrachtung vorzunehmen. Insoweit kann auf die unter Kapitel 4 D. I. 1) getätigten Ausführungen verwiesen werden.

2.

§ 61 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO

538 Eine weitere Haftungsgefahr ergibt sich aus § 61 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO. Verspricht der starke vorläufige Insolvenzverwalter eine Bleibeprämie, ist er – unter den gleichen Voraussetzungen wie auch der endgültige Insolvenzverwalter724) – dem Arbeitnehmer als Vertragspartner zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese Masseverbindlichkeit am Stichtag nicht voll aus der Insolvenzmasse befriedigt werden kann. Das gilt auch für den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter, der die Bleibeprämie aufgrund einer gerichtlichen Einzelermächtigung zusagt.725)

539 Es ist jedoch der Fall denkbar, dass obwohl der vorläufige Insolvenzverwalter eine solche Liquiditätsplanung in die Wege geleitet hat, diese im Zeitpunkt, in dem der vorläufige Insolvenzverwalter die Prämienvereinbarung abschließen will, noch nicht ___________ 723) Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 22, 266. 724) Siehe die Ausführungen unter Kapitel 4 D. I. 2). Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter, insbesondere wenn er das Unternehmen fortführt, vor erheblichen Schwierigkeiten steht. Häufig trifft der vorläufige Insolvenzverwalter auf unübersichtliche Verhältnisse und unkooperative Schuldner, was eine Einarbeitung erschwert (Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 33; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 313. Siehe auch Undritz, NZI 2003, 136, 137). Dies kann jedoch nicht dazu führen – wie von einigen Stimmen in der Literatur vorgeschlagen (Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 366; Jaffé/Hellert, ZIP 1999, 1204; Nerlich/Römermann/Mönning, § 22 Rn. 188) –, die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die Dauer der Fortführungspflicht generell zu beschränken, denn ansonsten würde die in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO vorgesehene Haftung weitgehend entfallen (MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61 Rn. 36; K. Schmidt/Thole, § 61 Rn. 4; Pape, FS Kirchhof, S. 391, 415). Siehe auch K/P/B/Lüke, § 61 Rn. 8a; Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 34. 725) Vgl. Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 313; MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 121; MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61 Rn. 34; Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 35; Laroche, NZI 2010, 965, 972; Mönning/Frege/Berger/Nicht, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 35 Rn. 23; Pape, FS Kirchhof, S. 391, 417 ff. Der gerichtlichen Ermächtigung kommt keine haftungsmindernde oder befreiende Wirkung zu (MünchKommInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 211); entscheidend ist der Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit, nicht der des Erlasses der Ermächtigung (Laroche, NZI 2010, 965, 972).

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D. Haftungsfragen

vorliegt, etwa weil er in dem Schuldnerunternehmen eine unübersichtliche Buchhaltung vorgefunden hat oder die Notwendigkeit besteht, einen fachmännischen Berater heranzuziehen. Das Erfordernis, die Prämien bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zuzusagen, kann sich aber im Einzelfall aus einem akuten Handlungsbedarf ergeben, etwa wenn die Konkurrenz bereits versucht, die in Rede stehenden Arbeitnehmer abzuwerben, oder der Arbeitnehmer den vorläufigen Insolvenzverwalter von seiner Absicht in Kenntnis setzt, sein Kündigungsrecht ausüben zu wollen. In einem solchen Fall kann der schwierigen Lage, in der sich der vorläufige Insolvenzverwalter befindet, durch die Möglichkeit Rechnung getragen werden, dass er sich gegenüber dem endgültigen Insolvenzverwalter unter erleichterten Voraussetzungen exkulpieren kann (§ 61 S. 2 InsO).726) Für eine Exkulpation reicht dann eine Liquiditätsplanung aus, die den Umständen, der vorhandenen Einarbeitungszeit und den Informationsmöglichkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters im Einzelfall entspricht.727) Eine solche Erleichterung der Exkulpationsmöglichkeit ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn eine Prämienvereinbarung zu diesem frühen Zeitpunkt wirklich notwendig ist, d. h. der vorläufige Insolvenzverwalter muss zusätzlich darlegen, warum es im Einzelfall nicht möglich war, mit dem Prämienversprechen bis zur Ausarbeitung einer plausiblen Liquiditätsrechnung, die sämtliche Faktoren berücksichtigt, zuzuwarten. Ansonsten könnte sich der vorläufige Insolvenzverwalter zu leicht einer Haftung entziehen, indem er, bevor er sämtliche Umstände kennt, leichtfertig Bleibeprämien verspricht, um sich im Nachhinein sodann auf seine Unkenntnis der tatsächlichen Liquiditätslage im Zeitpunkt des Versprechens zu berufen.

___________ 726) Vgl. LG Cottbus, Urt. v. 8.5.2002 – 3 O 277/00, NZI 2002, 441, 443 (nicht rechtskräftig); MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61 Rn. 36; Wallner/Neuenhahn, NZI 2004, 63, 65. 727) MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61 Rn. 36; Wallner/Neuenhahn, NZI 2004, 63, 66; Andres/ Leithaus/Andres, § 61 Rn. 50; Undritz, NZI 2007, 65, 70 f.; Uhlenbruck/Vallender, § 22 Rn. 314.

187

Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner Das Versprechen von Bleibeprämien kann auch dann interessant sein, wenn ein Ver- 540 fahren in Eigenverwaltung angestrebt wird bzw. ein solches Verfahren bereits eröffnet wurde, denn häufig stellt der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens, um das Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzplans zu sanieren. Für die Erfolgsaussichten eines solchen Sanierungsvorhabens kann der Verbleib einzelner Arbeitnehmer wiederum von entscheidender Bedeutung sein. Im Einzelfall kann die Notwendigkeit bestehen, bestimmte Arbeitnehmer bereits vor 541 Verfahrenseröffnung an das Unternehmen zu binden. Gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren besteht im Eigenverwaltungs-, Eigenverwal- 542 tungseröffnungs- und Schutzschirmverfahren zweifellos eine höhere Wahrscheinlichkeit missbräuchlicher Prämienvereinbarungen. Der eigenverwaltende Schuldner könnte in größerem Maße als ein von außen kommender Insolvenzverwalter ein Interesse daran haben, Bleibeprämienversprechen zu nutzen, um bestimmten Arbeitnehmern noch vorhandenes Vermögen zum Nachteil der übrigen Gläubiger zukommen zu lassen. Entsprechend den Erwägungen zum regulären Insolvenzverfahren ist eine Insolvenzzweckwidrigkeit728) des Prämienversprechens allerdings nur im Ausnahmefall anzunehmen. Die Bleibeprämienzusage, die der eigenverwaltende Schuldner abgibt, verstößt nur dann offensichtlich gegen den Zweck des Insolvenzverfahrens, wenn er durch das Prämienversprechen dem betreffenden Arbeitnehmer einen Vorteil in dem Bewusstsein verschaffen möchte, dass eine Sanierung aussichtslos oder jedenfalls der Verbleib des Arbeitnehmers für eine solche nutzlos ist. Diese Intention müsste dem Arbeitnehmer bekannt oder zumindest für einen verständigen Dritten ersichtlich sein.729) Auch wenn das Versprechen der Bleibeprämie nicht in diesem Sinne missbräuch- 543 lich erfolgt, besteht die Gefahr, dass der eigenverwaltende Schuldner eine solche ohne eingehende Prüfung ihrer Zweckmäßigkeit verspricht. Aufgrund dessen wird im Folgenden zu klären sein, ob der Schuldner in der Lage ist, eine solche Prämie im Eigenverwaltungseröffnungs-, Schutzschirm- oder im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren zu versprechen, oder ob er den (vorläufigen) Sachwalter bzw. den (vorläufigen) Gläubigerausschuss miteinbeziehen muss und diesen somit eine Kontrollmöglichkeit zukommt. Vor diesem Hintergrund ist besonders interessant, ob das Prämienversprechen ein Haftungsrisiko begründet und wen dieses trifft. Zunächst soll jedoch auf die Frage eingegangen werden, ob das Prämienverspre- 544 chen aufgrund des etwaigen Charakters einer Masseverbindlichkeit überhaupt geeignet ist, einen Anreiz für die betreffenden Arbeitnehmer zu bieten. ___________ 728) Auch Handlungen des eigenverwaltenden Schuldners sind unwirksam, sofern sie insolvenzzweckwidrig sind (MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 150; MünchKommInsO/Tetzlaff/ Kern, § 275 Rn. 15; HambKommInsO/Fiebig, § 270 Rn. 35; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.13; Undritz, BB 2012, 1551, 1553). 729) Siehe dazu und zur generellen Wirksamkeit von Bleibeprämienversprechen Kapitel 4 A.

189

Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner

A. Bleibeprämienversprechen als Masseverbindlichkeit I.

Begründungskompetenz des Schuldners

545 Begründet der Schuldner nach Verfahrenseröffnung Bleibeprämienverbindlichkeiten, handelt es sich um Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO730), da im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren die Massebegründungskompetenz nicht beim Sachwalter (vgl. § 274 InsO)731), sondern beim Schuldner liegt.

546 Soll in einem Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO eine Bleibeprämie versprochen werden, obliegt dies ebenfalls dem Schuldner. Zwar wird, wenn der Schuldner ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zur Vorbereitung einer Sanierung beantragt, ein vorläufiger Sachwalter bestellt (§ 270b Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 270a Abs. 1 InsO); diesem ist es aber nicht möglich, Masseverbindlichkeiten zu begründen, auch nicht aufgrund einer insolvenzgerichtlichen Einzelermächtigung.732) Möchte der eigenverwaltende Schuldner im Schutzschirmverfahren Bleibeprämien versprechen, kann er sich vom Insolvenzgericht entweder global zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigen lassen (§ 270b Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 55 Abs. 2 InsO)733) oder ausweislich der Gesetzesbegründung734) eine einzelgerichtliche Ermächtigung einholen735), damit dem Arbeitnehmeranspruch der Charakter einer Masseverbindlichkeit zu___________ 730) Vgl. AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; K. Schmidt/Undritz, § 270 Rn. 18; MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 160; Uhlenbruck/Zipperer, § 270 Rn. 13. 731) Vgl. Ganter, NZI 2012, 433, 439; Uhlenbruck/Uhlenbruck, 13. Aufl., § 274 Rn. 13. 732) AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; Ganter, NZI 2012, 433, 439. Andernfalls stünde ihm eine Rechtsmacht zu, die über die des endgültigen Sachwalters hinausginge (Ganter, NZI 2012, 433, 439). 733) AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; Huber, NZI 2014, 439, 441; ders., ZInsO 2013, 1, 9. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 270b Abs. 3 InsO besteht keine generelle Kompetenz des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Schutzschirmverfahren (Huber, ZInsO 2013, 1, 9; siehe auch OLG Köln, Hinweisbeschluss v. 3.11.2014 – 2 U 82/14, ZIP 2014, 2523, 2524). Eine andere Ansicht geht davon aus, dass sich die Begründungskompetenz des Schuldners bereits aus § 270a Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 InsO ergäbe. Das Insolvenzgericht könne dies lediglich durch deklaratorischen Beschluss klarstellen (Frind, ZInsO 2012, 1099, 1104; Gutmann/Laubereau, ZInsO 2012, 1861, 1865; Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862, 865 f.). 734) BT-Drucks. 17/7511, S. 37. 735) Siehe auch OLG Naumburg, Urt. v. 29.1.2014 – 5 U 195/13, NZI 2014, 454, 455; AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; Mönning/Spies, Betriebsfortführung in der Insolvenz, § 24 Rn. 111; Huber, ZInsO 2013, 1, 9; Pape, ZIP 2013, 2285, 2291; Marotzke, DB 2013, 1283, 1287; Frind, NZI 2014, 977, 980; Andres/Leithaus/Leithaus, § 270b Rn. 13. Umstritten ist, ob solche Einzelermächtigungen auch auf § 270b Abs. 3 S. 1 InsO gestützt werden können. Dies wird teilweise mit der Begründung abgelehnt, eine Einzelermächtigung sei gegenüber einer Globalermächtigung kein minus, sondern ein aliud. Ferner würde – sofern man § 270b Abs. 3 S. 1 InsO für einschlägig hielte – dem Insolvenzgericht kein Ermessensspielraum zukommen. Allein der Schuldner könne bestimmen, welchen Forderungen die Qualität einer Masseverbindlichkeit zukommen solle. Für die Erteilung einer Einzelermächtigung käme daher nur die über § 270b Abs. 2 S. 3 InsO anzuwendende allgemeine Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO in Betracht (Klinck, ZInsO 2014, 365, 369 f.).

190

A. Bleibeprämienversprechen als Masseverbindlichkeit

kommt. Macht er von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch, stellt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie nach Erreichen des Stichtags lediglich eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO dar.736) Ob ein Bleibeprämienversprechen, welches im Rahmen des Eigenverwaltungser- 547 öffnungsverfahrens nach § 270a InsO abgegeben wird, eine Masseverbindlichkeit zu Gunsten des Arbeitnehmers darstellt, hängt davon ab, ob und wem im Verfahren nach § 270a InsO die Masseschuldbegründungskompetenz zukommt. Die Frage ist bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden.737) Das Amtsgericht Fulda nimmt an, mangels einer dem § 270b Abs. 3 InsO entsprechenden Regelung und dem Umstand, dass § 274 InsO und § 275 InsO nur Aufsichts- und Kontrollrechte des Sachwalters vorsehen, bestünde keine Rechtsgrundlage, um den Schuldner oder Sachwalter mit der Rechtsmacht auszustatten, Masseverbindlichkeiten zu begründen.738) Das Amtsgericht Montabaur und Teile der Literatur sind der Ansicht, der Schuldner begründe per se Masseverbindlichkeiten, weswegen eine gerichtliche Ermächtigung nicht erforderlich sei.739) Andere halten eine gerichtliche Einzelermächtigung für erforderlich. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, wem diese zu erteilen ist – dem Sachwalter740) oder dem Schuldner741).

II. Keine Anfechtbarkeit des Prämienversprechens als Masseverbindlichkeit Die Anfechtung eines Prämienversprechens kommt nur dann in Betracht, wenn 548 dem Schuldner zuvor keine gerichtliche Ermächtigung zur Begründung des Prämienversprechens als Masseverbindlichkeit erteilt wurde.742) Stellt das Prämienversprechen eine Masseverbindlichkeit dar, unterliegt es als solche nicht der Anfechtung. Zwar ergibt sich aus dem Verweis in § 280 InsO auf die Vorschriften der ___________ 736) Vgl. OLG Köln, Hinweisbeschluss v. 3.11.2014 – 2 U 82/14, Rz. 6; LG Köln, Urt. v. 4.7.2014 – 16 O 575/13, ZInsO 2014, 1503, 1504. 737) Aus BGH, Beschluss v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12, NZI 2013, 342 lässt sich nicht entnehmen, wie der BGH sich zu dieser Frage positioniert (siehe Vallender, NZI 2013, 342, 343 und Weissinger, NZI 2013, 343, 344; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292 f.). 738) AG Fulda, Beschluss v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12, ZIP 2012, 1471 ff. 739) AG Montabaur, Beschluss v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12, ZIP 2013, 899, 900; AG Hannover, Beschluss v. 30.4.2015 – 909 IN 294/15, Rz. 6 ff.; Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101 ff.; Gutmann/ Laubereau, ZInsO 2012, 1861, 1865; Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862, 865 f. 740) AG Hamburg, Beschluss v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, NZI 2012, 566. 741) LG Duisburg, Beschluss v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, NZI 2013, 91, 92; AG Essen, Urt. v. 3.2.2015 – 163 IN 14/15, Rz. 19; AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; Huber, NZI 2014, 439, 441; ders., ZInsO 2013, 1, 10; Klinck, ZIP 2013, 853, 860; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292; Buchalik/Kraus, ZInsO 2012, 2330, 2332; Vallender, GmbHR 2012, 445, 447; Marotzke, DB 2013, 1283, 1288 f.; Undritz, BB 2012, 1551, 1553; K. Schmidt/Undritz, § 270a Rn. 6; Andres/Leithaus/Leithaus, § 270a Rn. 9. 742) Vgl. oben zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter und zum schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung unter Kapitel 4 B. II. 1) und 2) b).

191

Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner

§§ 129 – 147 InsO, dass bei einer Eigenverwaltung die Insolvenzanfechtung uneingeschränkt möglich ist.743) Rechtshandlungen, die im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO oder im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO vorgenommen wurden, können daher der Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO unterliegen.744) Durch die gerichtliche Ermächtigung, insbesondere diejenige aufgrund eines Antrags nach § 270b Abs. 3 InsO, wird aber ein Vertrauenstatbestand auf Seiten der Gläubiger geschaffen.745)

B. Mitwirkung des Sachwalters 549 Die Frage einer Mitwirkungsbefugnis des Sachwalters wird insbesondere dann bedeutsam, wenn der Schuldner im eröffneten Verfahren oder aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung ohne Anordnungsermessen im Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 3 InsO eine Bleibeprämie verspricht. In diesen Fällen hat das Insolvenzgericht keine Möglichkeit, die Notwendigkeit eines solchen Prämienversprechens zu überprüfen.

I.

§ 275 Abs. 1 InsO

550 Das Versprechen einer Bleibeprämie ist als Verbindlichkeit anzusehen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört. Sie soll daher gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 InsO nur mit Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters versprochen werden.746) Maßgeblich für diese Einordnung sind Art und Umfang des bisherigen Geschäftsbetriebs.747) Zwar wird die Einstellung von Arbeitnehmern als zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörend angesehen.748) Daraus kann man jedoch nicht schlussfolgern, dass dies auch für das Inaussichtstellen einer Bleibeprämie gelten müsse, um bereits vorhandene Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten, denn die Einstellung neuer Arbeitnehmer zieht zwar Entgeltverbindlichkeiten nach sich, diese werden aber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung eingegangen. Die Bleibeprämie wird hingegen für die Bereitschaft des Arbeitnehmers, weiterhin im Unternehmen zu arbeiten, und somit für die Nutzbarkeit der Arbeitskraft gezahlt. Es besteht die Gefahr, dass diese Nutzbarkeit der Arbeitskraft den gewünschten Effekt – eine Massemeh___________ 743) LG Köln, Urt. v. 4.7.2014 – 16 O 575/13, ZInsO 2014, 1503, 1504. 744) OLG Dresden, Urt. v. 18.6.2014 – 13 U 106/14, NZI 2014, 703, 704. 745) Siehe ausführlich zur Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, die im Schutzschirmverfahren vorgenommen werden: Schmittmann/Dannemann, ZIP 2013, 760 ff. 746) Zustimmung meint Einwilligung i. S. d. § 183 BGB (MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 275 Rn. 12). 747) K. Schmidt/Undritz, § 275 Rn. 3; Andres/Leithaus/Andres, § 275 Rn. 2; MünchKommInsO/ Tetzlaff/Kern, § 275 Rn. 8; Uhlenbruck/Uhlenbruck, 13. Aufl., § 275 Rn. 3; Braun/Riggert, § 275 Rn. 4. 748) Andres/Leithaus/Andres, § 275 Rn. 2; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 275 Rn. 8; Lakies, BB 1999, 1759, 1761.

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B. Mitwirkung des Sachwalters

rung in Folge einer erfolgreichen Sanierung – nicht erzielt. In diesem Fall findet sich die erbrachte Gegenleistung wertmäßig nicht in der Insolvenzmasse. Das Prämienversprechen birgt demnach ein erhöhtes Risiko einer Masseschmälerung für die Gläubiger. Hinzu kommt, dass solche Bleibeprämien aufgrund der wirtschaftlichen Krisensi- 551 tuation des Schuldners angeboten werden. Sie resultieren nicht aus dem allgemeinen Bestreben, geschätzte Arbeitnehmer langfristig im Unternehmen zu halten, wie beispielsweise Weihnachtsgratifikationen, sondern sie bezwecken die Rettung des Unternehmens durch Nutzbarkeit der Arbeitskraft während des Sanierungsvorhabens. Anders als sonstige Treueprämien setzen sie nicht den (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Stichtag voraus, sondern die Entstehung des Anspruchs hängt lediglich vom Verhalten des Arbeitnehmers ab (Nichtausübung seines Kündigungsrechts). Dabei spiegelt sich das für die Arbeitnehmer erhöhte Risiko, das sich aus der wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens und dem drohenden Verlust des Arbeitsverhältnisses ergibt, zumeist in der Höhe der Bleibeprämie wieder. Bleibeprämien, die nach Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens oder nach dem Antrag auf Eröffnung dieses Verfahrens oder nach dem Antrag nach § 270b InsO in Aussicht gestellt werden, entsprechen daher weder nach ihrer Art noch nach ihrem Umfang solchen Prämien, wie sie im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb versprochen werden. Der (vorläufige) Sachwalter muss nach pflichtgemäßem Ermessen die Zustimmung 552 erteilen oder verweigern, abhängig davon, ob das Bleibeprämienversprechen Nachteile für die Gläubiger mit sich bringt.749) Gibt der Schuldner ohne diese Zustimmung ein Prämienversprechen ab, hat dies jedoch keine Auswirkung auf dessen Wirksamkeit, da es sich bei der Zustimmung um eine bloße interne Maßnahme handelt.750) Die Mitwirkung des (vorläufigen) Sachwalters nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO bietet deswegen keinen effektiven Schutz vor einem missbräuchlichen oder unbedachten Versprechen von Bleibeprämien seitens des Schuldners.

II. § 277 InsO Im eröffneten Verfahren hat die Gläubigerversammlung die Option, beim Insol- 553 venzgericht zu beantragen, dass Bleibeprämienversprechen nur mit Zustimmung des Sachwalters begründet werden können (§ 277 Abs. 1 InsO). Anders als bei § 275

___________ 749) Vgl. MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 275 Rn. 13; K. Schmidt/Undritz, § 275 Rn. 4. Bei Ermessensfehlgebrauch haftet der Sachwalters nach §§ 274 Abs. 1, 60 InsO (K. Schmidt/Undritz, § 275 Rn. 4). 750) K. Schmidt/Undritz, § 275 Rn. 4; Andres/Leithaus/Andres, § 275 Rn. 3; MünchKommInsO/ Tetzlaff/Kern, § 275 Rn. 15; Uhlenbruck/Zipperer, § 275 Rn. 4, 6; Klinck, ZIP 2013, 853, 855.

193

Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner

Abs. 1 InsO ist die Zustimmung dann Wirksamkeitsvoraussetzung für das Bleibeprämienversprechen des Schuldners.751)

554 Ein solcher Antrag kann den Schuldner jedoch nur im eröffneten Verfahren davon abhalten, Bleibeprämienversprechen als Masseverbindlichkeiten zu begründen752) und nur dann, wenn die Gläubiger von einer dahingehenden Absicht des Schuldners Kenntnis haben oder ein solches Vorgehen seinerseits vermuten.

III. Ermächtigung des Schuldners unter Zustimmungsvorbehalt im Verfahren nach § 270a InsO? 555 Im Verfahren nach § 270a InsO steht es dem Insolvenzgericht nicht offen, eine gerichtliche Einzelermächtigung hinsichtlich eines Bleibeprämienversprechens unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters zu stellen.753)

556 Wenn man den Schuldner als richtigen Adressaten der Einzelermächtigung ansieht, ist ein Zustimmungsvorbehalt zu Gunsten des vorläufigen Sachwalters abzulehnen. Ein solcher kann nicht auf § 275 InsO gestützt werden. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung der Mitwirkungsrechte des Sachwalters. Sie differenziert danach, ob es sich um Verbindlichkeiten handelt, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören. Daraus lässt sich nicht entnehmen, dass es im Ermessen des Gerichts liegt, einen Zustimmungsvorbehalt auch für sonstige Verbindlichkeiten festzusetzen.754) Auch wäre ein Zustimmungsvorbehalt nach § 275 InsO mangels Außenwirkung nicht geeignet, die Masseschuldbegründungskompetenz des Schuldners einzuschränken.755) Ein Zustimmungsvorbehalt im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren kann sich auch nicht aus § 277 InsO ergeben. Einen Verweis auf § 277 ___________ 751) Vgl. BT-Drucks. 12/2443 zu § 338 RegE, S. 225; Andres/Leithaus/Andres, § 277 Rn. 11; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 277 Rn. 36; K. Schmidt/Undritz, § 277 Rn. 1). 752) Aufgrund eines fehlenden Verweises in § 270a Abs. 1 S. 2 InsO findet diese Vorschrift keine Anwendung im Eigenverwaltungseröffnungs- und über § 270b Abs. 2 S. 1 InsO im Schutzschirmverfahren. Eine entsprechende Anwendung dürfte sich mangels des Bestehens der Gläubigerversammlung vor Verfahrenseröffnung auch schwierig gestalten. 753) Es wird vertreten, dem Schuldner könne eine Einzelermächtigung nur unter einem Zustimmungsvorbehalt erteilt werden, was zur Folge hätte, dass der vorläufige Sachwalter gegenüber den Gläubigern für Fehlentscheidungen entsprechend der §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO haften würde (MünchKommInsO/Kern, § 270a Rn. 44, 46). Andere halten einen solchen Zustimmungsvorbehalt für möglich, aber nicht für zwingend erforderlich (AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375; AG München, Beschluss v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470, 1471; Marotzke, DB 2013, 1283, 1289; Klinck, ZIP 2013, 853, 861 f.; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292). Teilweise wird er mit einer entsprechenden Anwendung des § 275 InsO begründet (AG Köln, Beschluss v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, NZI 2012, 375), teilweise als dem Gericht mögliche Sicherungsmaßnahme nach § 270 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 21 InsO angesehen (AG München, Beschluss v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470, 1471. Siehe auch Marotzke, DB 2013, 1283, 1289). 754) Undritz, BB 2012, 1551, 1555 f.; Vallender, GmbHR 2012, 445, 448; K. Schmidt/Undritz, § 270a Rn. 6. 755) Klinck, ZIP 2013, 853, 861 f.

194

C. Mitwirkung des Gläubigerausschusses §§ 276, 160 InsO

InsO hat der Gesetzgeber bewusst nicht angeordnet.756) Gegen einen Zustimmungsvorbehalt, der seine Rechtsgrundlage in § 270 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 21 InsO findet, spricht, dass § 275 InsO, auf den § 270a Abs. 1 S. 2 InsO verweist, die Mitwirkungsbefugnisse des Sachwalters explizit regelt. Ein Verweis auf § 277 InsO findet sich hingegen nicht. Würde man die in § 277 InsO vorgesehene Rechtsfolge durch einen Rückgriff auf § 21 InsO herbeiführen, würde dies der vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidung widersprechen.

C. Mitwirkung des Gläubigerausschusses §§ 276, 160 InsO Im Ausnahmefall kann das Versprechen einer Bleibeprämie eine Rechtshandlung 557 darstellen, welche für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung ist.757) Allerdings ist auch die für solche Rechtshandlungen vorgesehene Mitwirkungs- 558 möglichkeit des (vorläufigen758)) Gläubigerausschusses gemäß §§ 276 S. 1, 160 InsO nicht geeignet, den Schuldner daran zu hindern, Bleibeprämienversprechen abzugeben, die Masseverbindlichkeiten begründen. Wie sich dem ausdrücklichen Verweis auf § 164 InsO entnehmen lässt, kommt dem Zustimmungserfordernis der §§ 276, 160 InsO (wie auch § 275 Abs. 1 InsO) nur interne Bedeutung zu.759)

D. Haftungsfragen Aufgrund der Möglichkeit des Schuldners Bleibeprämien als Masseverbindlichkei- 559 ten zu begründen, und des Umstands, dass der Sachwalter das Wirksamwerden solcher Versprechen nur im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren nach vorherigem Antrag der Gläubigerversammlung gemäß § 277 Abs. 1 InsO verhindern kann, stellt sich die Frage nach der Haftung des Schuldners oder der Geschäftsleitungsorgane. Sofern für diese ein Haftungsrisiko besteht, wird der Schuldner davon absehen, Bleibeprämienversprechen missbräuchlich oder ohne genauere Prüfung des ___________ 756) K. Schmidt/Undritz, § 270a Rn. 4, 6. Siehe auch AG Hannover, Beschluss v. 8.5.2015 – 909 IN 264/15, Rz. 10. 757) Siehe oben Kapitel 4 C. Ist das Bleibeprämienversprechen ausnahmsweise zustimmungsbedürftig, kommt eine Haftung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses gemäß § 71 InsO (i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO) dann in Betracht, wenn der (vorläufige) Gläubigerausschuss seine eventuell erforderliche Zustimmung zur Prämienvereinbarung (§ 160 InsO, § 276 InsO) pflichtwidrig erteilt. Um der ihm obliegenden Pflicht gerecht zu werden, muss der Gläubigerausschuss entsprechend der Ausführungen zur Zustimmung zur Handlung des Insolvenzverwalters überprüfen, ob die Prämie dem Interesse der Gläubigerbefriedigung dient, indem er kontrolliert, ob der betreffende Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle im vom Schuldner vorgelegten Sanierungskonzept inne hat und ob das Sanierungsvorhaben im Zeitpunkt der Zustimmungserteilung Aussicht auf Erfolg verspricht. 758) Gegebenenfalls besteht bereits im Eigenverwaltungseröffnungs- (§ 270 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO) oder im Schutzschirmverfahren (§ 270b Abs. 2 S. 3 1. Hs. InsO i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO) ein vorläufiger Gläubigerausschuss, der entsprechend § 160 InsO zustimmen muss. 759) K. Schmidt/Undritz, § 276 Rn. 3; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 276 Rn. 13; Uhlenbruck/ Zipperer, § 276 Rn. 6.

195

Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner

Werts der Nutzbarkeit der Arbeitskraft des einzelnen Arbeitnehmers für die Sanierung des Unternehmens abzugeben.

560 Ein Augenmerk soll ebenfalls auf eine mögliche Haftung des Sachwalters gelegt werden.

I.

Haftung des Schuldners

561 Wie bereits festgestellt, haftet der (vorläufige) Insolvenzverwalter den Gläubigern nach § 60 InsO, wenn das Versprechen einer Bleibeprämie eine Pflichtverletzung in diesem Sinne darstellt, er also im Zeitpunkt des Prämienversprechens nicht davon ausgehen durfte, dass der Verbleib des Arbeitnehmers für die Unternehmensfortführung bzw. die geplante Sanierung des fortführungsfähigen Unternehmens einen entscheidenden Vorteil bringt. Auch kommt eine Haftung seinerseits nach § 61 InsO gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern in Betracht, sofern er eine Prämie verspricht, obwohl es zu diesem Zeitpunkt zweifelhaft erscheint, ob die Arbeitnehmerforderung am vereinbarten Stichtag erfüllt werden kann.

562 Ob eine vergleichbare Haftung des Schuldners im Eigenverwaltungsverfahren besteht, hängt davon ab, ob man die §§ 60, 61 InsO als allgemeine Vorschrift erachtet, auf die § 270 Abs. 1 S. 2 InsO verweist. Dies wird teilweise bejaht760) mit dem Argument, die Kompetenzen, über die der Schuldner verfüge, legten nahe, dass auch eine Haftung seinerseits bestehen müsse.761) Andere Stimmen vertreten die Auffassung, der Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO erfasse die §§ 60, 61 InsO nicht, weil diese explizit nur Anwendung auf den Insolvenzverwalter fänden762), und lehnen auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften ab.763) Die Frage, ob eine solche Haftung besteht, hat jedoch nur geringe Relevanz, da keine zusätzliche Haftungsmasse des Schuldners zur Verfügung steht.764) Die genannten Schadensersatzansprüche wären nur dann interessant, wenn sich herausstellt, dass der Verbleib des Arbeitnehmers nicht den gewünschten Effekt erzielt und die geplante Sanierung scheitert. Eine Befriedigung der Schadensersatzansprüche müsste aus der Insolvenzmasse erfolgen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Ansprüche nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind765), wird die Haftungsmasse nicht ausreichen, alle diese Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Auch wenn man eine solche Haftung annähme, hätten die Gläubiger daher das Nach___________ 760) MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 167; K. Schmidt/Undritz, § 270 Rn. 18; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1102 f. 761) K. Schmidt/Undritz, § 270 Rn. 18. 762) Kübler/Flöther, HRI, § 18 Rn. 2 ff. 763) Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 110 f.; Kübler/Flöther, HRI, § 18 Rn. 10. 764) MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 167; K. Schmidt/Undritz, § 270 Rn. 18; Undritz, BB 2012, 1551, 1554. 765) Dafür Brinkmann, DB 2012, 1369, 1371.

196

D. Haftungsfragen

sehen, weil sie auf eine unzureichende Haftungsmasse verwiesen wären. Das gleiche Problem stellt sich bei einer etwaigen Haftung nach allgemeinen Vorschriften (z. B. § 826 BGB).

II. Haftung des Geschäftsleiters Eine Haftung der geschäftsführenden Organe erscheint notwendig, weil die tatsäch- 563 lich handelnden Personen ansonsten für ihr Fehlverhalten nicht einstehen müssten. Sie könnten Bleibeprämien ohne eingehende vorherige Prüfung ihrer Zweckmäßigkeit versprechen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. In der Literatur wird diskutiert, woraus sich die Haftung der geschäftsleitenden Or- 564 gane ergibt.766) Einige Stimmen befürworten eine Haftung der geschäftsleitenden Organe gegenüber der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG767) im eröffneten Eigenverwaltungs- und auch im Schutzschirmverfahren.768) Andere nehmen eine Haftung der handelnden Organe analog der §§ 60, 61 InsO an.769) Diese Analogie hätte den Vorteil, dass eine zusätzliche Haftungsmasse bestünde, auf die die Gläubiger zugreifen könnten.770) Für die geschäftsleitenden Organe würde dann derselbe Haftungsmaßstab gelten wie für einen Insolvenzverwalter.771) ___________ 766) Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098 f. halten die Haftung der Geschäftsleiter gegenüber Gläubigern nach allgemeinen schuldrechtlichen Haftungstatbeständen für lückenhaft. Teils wird eine Haftung der Organe des Schuldners für von ihm begründete Masseverbindlichkeiten aus c. i. c. (§§ 280 Abs. 1 i. V. m. § 311 Abs. 3 S. 1 BGB) angenommen, wenn der Geschäftsführer erkennen konnte, dass die Masse nicht zur Erfüllung der Masseverbindlichkeit ausreichen wird und dennoch ohne vorherige Information des Gläubigers den Vertrag abschließt (Brinkmann, DB 2012, 1369, 1370). Kübler/Flöther, HRI, § 18 Rn. 24, nimmt eine solche Haftung nur dann an, wenn die geschäftsleitenden Organe über ihre normale Funktion hinaus besonderes Vertrauen in Anspruch nehmen. 767) Gottwald/Haas, § 90 Rn. 18. Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099 f., 1105 f., begründen diese Haftung mit einer Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft aus dem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft. Die Gesellschaft/den Schuldner treffe eine Haftung gegenüber den Gläubigern nach §§ 60, 61 InsO. Hiervon hätten die Geschäftsleiter die Gesellschaft im Innenverhältnis freizustellen. Brinkmann, DB 2012, 1369, und Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 216, stellen darauf ab, dass sich die Pflichten der Geschäftsleiter nun nach den Interessen der Gläubiger zu richten haben. Sie seien nun an Insolvenzzweck und Gläubigerinteresse gebunden. Siehe auch Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2240. 768) Brinkmann, DB 2012, 1369. 769) AG Duisburg, Beschluss v. 4.10.2005 – 60 IN 136/02, NZI 2006, 112, 113; MünchKommInsO/ Tetzlaff, § 270 Rn. 179; HambKommInsO/Fiebig, § 270 Rn. 32; Kübler/Flöther, HRI, § 18 Rn. 26 ff. Die Notwendigkeit einer solchen Haftung sieht auch Hill, ZInsO 2010, 1825, 1829. Auch der Gravenbrucher Kreis, ZInsO 2014, 1267, 1268, sieht die Notwendigkeit einer entsprechenden Haftung und hält den Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Haftungsnormen für nicht ausreichend, da sie lediglich eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft vorsehen. Er schlägt eine gesetzliche Regelung der Haftung gemäß § 270 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. §§ 60, 61 InsO analog vor. 770) MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 179; Kübler/Flöther, HRI, § 18 Rn. 28. 771) MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 181.

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Kapitel 5: Bleibeprämien im Rahmen der Verwaltung durch den Schuldner

565 Im Rahmen dieser Bearbeitung ist es nicht möglich, sich mit dieser komplexen Problematik eingehend zu befassen. Für das Versprechen von Bleibeprämien ist festzuhalten, dass die verschiedenen Ansätze im Ergebnis zu einer Haftung der geschäftsführenden Organe kommen, sei es in Gestalt einer Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft in Folge der Anwendung gesellschaftsrechtlicher Haftungsnormen oder aufgrund einer Außenhaftung im Wege einer analogen Anwendung von § 60 InsO. Für beide Anspruchsgrundlagen müssten die geschäftsleitenden Organe eine ihnen obliegende Pflicht verletzt haben. Im Eigenverwaltungsverfahren liegt es bei den Geschäftsleitern, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis für die schuldnerische Gesellschaft auszuüben. Ihnen obliegen somit die Aufgaben, die ansonsten dem Insolvenzverwalter zukommen. Sie haben statt seiner auf die Befriedigung der Gläubiger mittels Sanierung hinzuwirken. Hinsichtlich der Pflichtverletzung müssen somit die gleichen Maßstäbe wie für den Insolvenzverwalter gelten.772) Eine Haftung scheidet auch hier mangels Pflichtverletzung aus, wenn die Leitungsorgane zum Zeitpunkt der Prämienzusage davon ausgehen durften, zum Wohle der Gläubiger und somit auch zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, indem sie versuchen, für ein Sanierungsvorhaben wichtige Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten.

566 Der Umstand, dass ein Haftungsrisiko für die geschäftsführenden Organe besteht, führt dazu, dass die Geschäftsleiter regelmäßig davon absehen werden, Bleibeprämien zu versprechen, ohne zuvor ihren Nutzen für die Sanierung genau abzuwägen. Der Möglichkeit der Haftung kommt folglich eine Abschreckungswirkung zu.

567 Eine Haftung aus § 61 InsO analog oder aus culpa in contrahendo für die Nichterfüllung der Arbeitnehmerforderung würde ebenfalls ausscheiden, wenn die den Schuldner vertretenden Geschäftsleiter im Zeitpunkt des Prämienversprechens davon ausgehen durften, die Forderung am Stichtag erfüllen zu können.

III. Haftung des (vorläufigen) Sachwalters 568 Führt ein Prämienversprechen in Folge des Scheiterns der Sanierungsbemühungen zu einer Schädigung der Masse, weil der erwünschte Nutzen nicht eingetreten ist, ist zu diskutieren, ob den (vorläufigen) Sachwalter eine Haftung trifft.

569 Wie bereits festgestellt, soll der eigenverwaltende Schuldner, bevor er eine Bleibeprämie in Aussicht stellt, gemäß § 275 Abs. 1 InsO die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters einholen. Ersucht der Schuldner den Sachwalter um seine Zustimmung, erteilt oder versagt dieser eine solche nach pflichtgemäßem Ermessen.773) Erteilt er die Zustimmung ohne nach eingehender Prüfung berechtigterweise davon überzeugt zu sein, dass der Verbleib des betreffenden Arbeitnehmers gegen Zahlung ___________ 772) Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 4 D. I. 1). 773) § 275 Abs. 1 S. 1 InsO normiert somit eine insolvenztypische Pflicht (FK-InsO/Foltis, § 274 Rn. 24).

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D. Haftungsfragen

des vorgesehenen Betrags im Interesse der Gläubiger liegt, weil sich die Chancen der angestrebten Sanierung hierdurch erhöhen, verletzt er eine ihm obliegende insolvenzspezifische Pflicht, was eine Haftung nach § 274 Abs. 1 i. V. m. § 60 InsO nach sich ziehen kann. Er erfüllt seine Pflicht, wenn er nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Informationen über das geplante Sanierungskonzept, das Tätigkeitsfeld und die Leistungsbewertungen des Arbeitnehmers davon ausgehen konnte, dass diesem in einem nicht aussichtslosen Sanierungskonzept eine entscheidende Rolle zukommt, und die Prämienhöhe unter Berücksichtigung seines üblichen Gehalts, der Bindungsdauer und seiner Fähigkeiten nicht unverhältnismäßig ist.774) Eine entsprechende Haftung trifft über §§ 270a Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 274 Abs. 1 InsO 570 gegebenenfalls i. V. m. § 270b Abs. 2 S. 1 InsO auch den vorläufigen Sachwalter im Eigenverwaltungseröffnungs- und im Schutzschirmverfahren. Der (vorläufige) Sachwalter haftet mangels eines dahingehenden Verweises in § 274 571 Abs. 1 InsO oder in § 270a InsO und § 270b InsO nicht entsprechend § 61 InsO für die Nichterfüllung der aus der Prämienvereinbarung resultierenden Forderung des Arbeitnehmers.775) Etwas anderes gilt im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren, wenn das Insolvenz- 572 gericht auf Antrag der Gläubigerversammlung das Versprechen von Bleibeprämien einem Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters gemäß § 277 Abs. 1 S. 1 InsO unterworfen hat. Gemäß § 277 Abs. 1 S. 3 InsO findet § 61 InsO dann entsprechend Anwendung. Um einer Haftung zu entgehen, muss der Sachwalter den Entlastungsbeweis dafür führen, dass er vor Erteilung seiner Zustimmung überprüft hat, ob die Forderung des Arbeitnehmers aus der am Stichtag voraussichtlich vorhandenen Masse gedeckt werden kann.776) Hierzu kann er eine Liquiditätsrechnung vorlegen, die nach aktualisiertem Stand zum Zeitpunkt der Zustimmung zum Prämienversprechen die Arbeitnehmerforderung als erfüllbar auswies. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es aufgrund des Umstands, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner liegt, für den Sachwalter schwierig ist, sich einen Überblick über die vorhandenen und noch einzugehenden Masseverbindlichkeiten zu verschaffen und er auf die Mithilfe des Schuldners angewiesen ist.777)

___________ 774) Entsprechendes gilt, wenn er seine Zustimmung im Rahmen von § 277 Abs. 1 S. 1 InsO erteilt. 775) Vgl. K. Schmidt/Undritz, § 274 Rn. 6; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 72; Undritz, BB 2012, 1551, 1554; Vallender, GmbHR 2012, 450, 454. Siehe auch Flöther, ZInsO 2014, 465; HeidelbergerKommInsO/Landfermann, § 275 Rn. 6; Frind, NZI 2014, 977, 978. 776) Vgl. MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 277 Rn. 37; Uhlenbruck/Zipperer, § 277 Rn. 7. 777) K. Schmidt/Undritz, § 277 Rn. 6; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 277 Rn. 38.

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Kapitel 6: Besonderheiten bei Prämienversprechen gegenüber Geschäftsleitern Diskussionswürdig sind auch Bleibeprämienvereinbarungen, die nicht mit bestimm- 573 ten Arbeitnehmern, sondern mit den Geschäftsleitern des Unternehmens (Vorstand einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführer einer GmbH) geschlossen werden. Werden Bleibeprämien im Gegenzug für den weiteren Verbleib von Geschäftsleitern im Unternehmen in Aussicht gestellt, stellt sich in besonderem Maße die Frage, ob die weitere Tätigkeit besagter Geschäftsleiter überhaupt sinnvoll ist. Schließlich waren sie nicht in der Lage, die momentane Krise bzw. Insolvenzreife des Unternehmens abzuwenden. Häufig wird jedenfalls das Vertrauen der Geschäftspartner in deren Leitungsqualitäten erschüttert sein. Nichts desto trotz kann es für manche Unternehmen sinnvoll sein, die Geschäftsleiter zu halten. Die wirtschaftlich schlechte Lage eines Unternehmens ist nicht immer auf mangelhafte Führung zurückzuführen, sondern kann auch durch äußere Umstände, beispielweise die Insolvenz eines wichtigen Zulieferers, beeinflusst werden. Hinzu kommt, dass der oder die Geschäftsleiter diejenigen sind, die das Unternehmen, wichtige Abläufe, die finanzielle Situation und wichtige Geschäftspartner am besten kennen. Auch ist der Fall denkbar, dass der oder die Geschäftsleiter erst vor Kurzem ausgetauscht wurden und es den neu ernannten Geschäftsleitern aufgrund der benötigten Einarbeitungszeit noch nicht möglich war, „das Ruder herumzureißen“ und eine weitere Verschlechterung der Lage zu verhindern. Dann kann dem Unternehmen durchaus daran gelegen sein, einen Geschäftsleiter durch das Versprechen einer Bleibeprämie daran zu hindern, seinen Anstellungsvertrag zu kündigen und nach Ablauf der Kündigungsfrist sein Amt niederzulegen, insbesondere wenn in Folge dessen eine Handlungsunfähigkeit droht, weil es sich um den einzigen Geschäftsleiter handelt oder nur eine Gesamtvertretung möglich ist. Gerade in der Krise des Unternehmens ist es nicht immer einfach, neue qualifizierte Geschäftsleiter anzuwerben, denn ein eventuelles Scheitern der Sanierungsbemühungen könnte sich nachteilig auf deren weitere berufliche Perspektive auswirken. Zum einen droht der Verlust des Anstellungsverhältnisses und der Organstellung, zum anderen belastet das Scheitern der Sanierungsbemühungen unter der Leitung eines Geschäftsführers seine berufliche Vita. Bei der Frage, ob durch das Versprechen von Bleibeprämien ein Anreiz zum wei- 574 teren Verbleib im Unternehmen geschaffen werden kann, ergeben sich vergleichbare Probleme wie bei Prämienversprechen gegenüber Arbeitnehmern. Zusätzlich bedarf im Hinblick auf Geschäftsleiter der Erörterung, ob eine Herabsetzung der zugesagten Prämie nach § 87 Abs. 2 AktG (entsprechend) in Betracht kommt.

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Kapitel 6: Besonderheiten bei Prämienversprechen gegenüber Geschäftsleitern

A. Anspruch des Geschäftsleiters auf Auszahlung der Prämie: Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung 575 Wie groß die Anreizwirkung einer Bleibeprämie ist, hängt davon ab, ob dem Geschäftsleiter aufgrund des Prämienversprechens eine Masseverbindlichkeit oder lediglich eine Insolvenzforderung zusteht.

I.

Bleibeprämienversprechen im Rahmen außergerichtlicher Sanierungsbemühungen

576 Hinsichtlich Prämienversprechen, die sich an Geschäftsleiter richten, ist zunächst zu klären, wer überhaupt über die Kompetenz verfügt, solche in Aussicht zustellen. Beim Abschluss eines Anstellungsvertrags eines GmbH-Geschäftsführers wird die Gesellschaft durch die Gesellschafterversammlung vertreten.778) Hierbei handelt es sich um eine Annexkompetenz, die sich daraus ergibt, dass die Gesellschafterversammlung ebenfalls für die Bestellung zuständig ist.779) Bezüglich des Anstellungsverhältnisses eines AG-Vorstandsmitglieds ist auf Seiten der Gesellschaft für den Vertragsabschluss ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig (§ 84 Abs. 1 S. 5 AktG i. V. m. § 84 Abs. 1 S. 1 – 4 AktG).780) Diese Zuständigkeiten erstrecken sich in beiden Fällen auch auf spätere Änderungen des Anstellungsvertrages781) (auch der Vergütungsvereinbarung782)) und Ergänzungen desselben783).

577 Diese Zuständigkeit erstreckt sich auch auf das Versprechen von Bleibeprämien als Gegenleistung für den weiteren Verbleib im Betrieb. Hiergegen könnte man einwenden, dass die bisherigen Vertragsmodalitäten durch die Bleibeprämie nicht geändert werden und auch nicht in das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Vergütung und Dienstleistung eingegriffen wird. Allerdings handelt es sich bei der Prämienvereinbarung um eine Ergänzung des bestehenden Anstellungsvertrags. Es wird eine Gegenleistung für die Nichtausübung des Kündigungsrechts versprochen. Die zu honorierende Leistung des Geschäftsleiters ist untrennbar mit dem Anstellungs___________ 778) BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983; OLG Brandenburg, Urt. v. 16.1.2008 – 7 U 24/07; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 80 Rn. 36; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 167. Durch Satzung kann diese Kompetenz auf ein anderes Organ bspw. den Aufsichtsrat übertragen werden (BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NZG 1999, 1215, 1216; BGH, Urt. v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, NJW 1997, 2055; MünchKommGmbHG/ Jaeger, § 35 Rn. 255). Diese können sie auch an Geschäftsführer weiter übertragen (Axhausen, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 28). 779) MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 254. 780) Moll/Eckhoff, MAH Arbeitsrecht, § 81 Rn. 18; MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 68; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 84 Rn. 17. 781) Für die GmbH: Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 80 Rn. 36; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 38. Für die AG: Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 84 Rn. 17. 782) Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 84 Rn. 17. 783) Axhausen, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 28.

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A. Anspruch des Geschäftsleiters auf Auszahlung der Prämie

verhältnis verknüpft. Ferner kann sich die Bleibeprämie auf den Fortbestand des Anstellungsvertrags auswirken, indem sie die Nichtausübung des Kündigungsrechts attraktiver macht. Eine solche Prämie wird sinnvollerweise nur dann versprochen, wenn an dem bestehenden Anstellungsverhältnis seitens des Dienstberechtigten festgehalten werden soll, d. h. eine Kündigung von Seiten des Dienstberechtigten nicht beabsichtigt ist. Deswegen sollte die Kompetenz zum Versprechen einer Bleibeprämie demjenigen zustehen, der auch die Kündigung des Anstellungsverhältnisses aussprechen kann. Das Versprechen einer Bleibeprämie als Ergänzung des Anstellungsvertrags anzu- 578 sehen, schützt die Gesellschaft auch vor missbräuchlichen Prämienversprechen, die ein von § 181 BGB befreiter Geschäftsführer sich ansonsten selbst zusagen könnte. Wird das Bleibeprämienversprechen im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemü- 579 hungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Gesellschafterversammlung abgegeben, handelt es sich wie auch bei Zusagen gegenüber Arbeitnehmern um eine bloße Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO unabhängig davon, ob der Stichtag in den Zeitraum vor oder nach Insolvenzeröffnung fällt. Um die Anreizwirkung zu gewährleisten, bietet sich daher die Bestellung einer Sicherheit an.784)

II. Bleibeprämienversprechen durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder den eigenverwaltenden Schuldner Der Anspruch des Geschäftsleiters auf Auszahlung der Bleibeprämie ist dann als 580 Masseverbindlichkeit anzusehen, wenn die Zusage erst im eröffneten Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter erfolgt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder die Bleibeprämie durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 S. 1 InsO) oder einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter, der mit einer gerichtlichen Einzelermächtigung ausgestattet ist, versprochen wird. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter verfügt auch über die Kompetenz, solche Bleibe- 581 prämien zu versprechen. Zwar wird teilweise vertreten, die Kompetenz des Aufsichtsrats, Anstellungsverträge zu schließen und abzuändern, bestehe auch in der Insolvenz fort.785) Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass der Aufsichtsrat nur zur Bestellung und Abberufung berechtigt bleibt, aufgrund der Masserelevanz eines Anstellungsverhältnisses zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied diesbezüglich aber der Insolvenzverwalter zuständig ist.786) Entsprechendes gilt auch für den ___________ 784) Vgl. oben Kapitel 3 D. 785) OLG Nürnberg, Urt. v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230, 232; Henssler/Strohn/ Dauner-Lieb, AktG, § 84 Rn. 17; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 15. Dies wird damit begründet, dass die Norm im Insolvenzfall ansonsten außer Kraft gesetzt wäre und die Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr über Entschließungsfreiheit verfügen würden (OLG Nürnberg, Urt. v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230, 232). 786) Gottwald/Haas/Mock, § 93 Rn. 26.

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Kapitel 6: Besonderheiten bei Prämienversprechen gegenüber Geschäftsleitern

Anstellungsvertrag mit dem Geschäftsführer einer GmbH.787) Die Entschließungsfreiheit von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung kann im Insolvenzverfahren nur insoweit gelten, als diese nicht in Widerspruch zum Zweck des Insolvenzverfahrens steht. Durch das Versprechen einer Bleibeprämie entstehen Verbindlichkeiten gegen die Masse, die die Erfolgsaussichten der übrigen Gläubiger schwächen. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat bzw. die Gesellschafterversammlung nicht die Kompetenz haben, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO steht diese Kompetenz nur dem Insolvenzverwalter zu. Ein Bleibeprämienversprechen, das von den Gesellschaftsorganen abgegeben wird, würde daher keine Anreizwirkung entfalten. Hierfür spricht auch, dass der Insolvenzverwalter derjenige ist, dem es nach § 113 InsO offen steht, das Anstellungsverhältnis mit dem Geschäftsleiter zu beenden.

582 Sagen die Gesellschaftsorgane im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder im Schutzschirmverfahren nach Erteilung einer Einzel- oder Generalermächtigung gemäß § 270b Abs. 3 S. 1 InsO Bleibeprämien zu, stellen diese Masseverbindlichkeiten dar. Auch im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren bleiben Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung für Änderungen und Ergänzungen des Anstellungsverhältnisses788) und somit auch für die Zusage von Bleibeprämien zuständig. § 276a InsO steht dem nicht entgegen. § 276a S. 2 InsO sieht zwar nur vor, dass die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung weiterhin dem Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung unter Mitwirkung des Sachwalters obliegen, und regelt ausweislich des eindeutigen Wortlauts nicht den Abschluss oder die Beendigung eines Anstellungsvertrags789); das Bleibeprämienversprechen als Ergänzung zum Anstellungsverhältnis ist allerdings nicht als Einfluss auf die Geschäftsführung im Sinne des § 276a S. 1 InsO anzusehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgt diese Regelung den Zweck, eine zusätzliche Überwachung der Geschäftsleitung durch die Organe zu verhindern. Die Führung der Geschäfte sei an den Interessen der Gläubiger auszurichten, weswegen der Sachwalter, der Gläubigerausschuss und die Gläubigerversammlung die wirtschaftlichen Entscheidungen der Geschäftsleitung überwachten.790) Bei dem Versprechen einer Bleibeprämie handelt es sich nicht, um ein Mitentscheidungs-, Weisungs- oder Widerspruchsrecht, das dem Aufsichtsrat oder der Gesellschafterversammlung im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlichen Überwachungstätigkeit zukommt, sondern es geht um die Begründung einer Masseverbindlichkeit, welche im Eigenverwaltungsver___________ 787) Gottwald/Haas/Kolmann/Pauw, § 92 Rn. 325. 788) AG Duisburg, Beschluss v. 4.10.2005 – 60 IN 136/02, NZI 2006, 112; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 26; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 84; HeidelbergerKommInsO/Kreft, § 276a Rn. 15. 789) MünchKommInsO/Klöhn, § 276a Rn. 50. 790) BT-Drucks. 17/5712, S. 42.

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C. Herabsetzung der Bleibeprämie nach § 87 Abs. 2 AktG?

fahren dem Schuldner obliegt791). Es fehlt daher an einer Überschneidung der Organisationsbefugnisse. Bei der Ergänzung zu einem Anstellungsvertrag wird der Schuldner durch den Aufsichtsrat bzw. durch die Gesellschafterversammlung vertreten.792) Bevor das Bleibeprämienversprechen abgegeben wird, hat der Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung die Zustimmung des Sachwalters nach § 275 InsO oder gegebenenfalls nach § 277 InsO einzuholen.793)

B. Anfechtbarkeit unter erleichterten Voraussetzungen Hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Bleibeprämien wird auf die in Kapitel 3 E., F. 583 und G. getätigten Ausführungen zur Anfechtbarkeit gegenüber Arbeitnehmern verwiesen. Geschäftsleiter, denen Bleibeprämien für die Nichtausübung ihres Kündigungsrechts 584 versprochen wurden, sehen sich Arbeitnehmern gegenüber allerdings einem erhöhten Anfechtungsrisiko ausgesetzt. Als Mitglieder des Vertretungsorgans sind Vorstände der Aktiengesellschaft und Geschäftsführer einer GmbH als nahestehende Personen im Sinne von § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu klassifizieren. Der Nachweis ihrer Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners (§ 133 Abs. 1 InsO) bzw. ihrer Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags (§ 130 Abs. 1 S. 1 InsO, § 132 Abs. 1 InsO) sowie ihrer Kenntnis von der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO) wird erleichtert, weil eine solche vermutet wird (§ 133 Abs. 2 InsO, § 130 Abs. 3 InsO, § 131 Abs. 2 S. 2 InsO, § 132 Abs. 3 i. V. m. § 130 Abs. 3 InsO).

C. Herabsetzung der Bleibeprämie nach § 87 Abs. 2 AktG? § 87 Abs. 2 AktG eröffnet die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen die 585 vereinbarten Bezüge von Geschäftsleitern auf eine angemessene Höhe herabzusetzen. Scheitert das Sanierungsvorhaben trotz des Verbleibs des Geschäftsleiters oder zieht sein Verbleib nicht die gewünschten Effekte im Rahmen des Sanierungsvorhabens nach sich, setzt sich der Geschäftsleiter durch seinen weiteren Verbleib im Unternehmen jedoch nicht der Gefahr aus, dass die ihm zugesagte Prämie vor Erreichen des vereinbarten Stichtags nach § 87 Abs. 2 AktG (entsprechend) reduziert wird. § 87 Abs. 2 AktG gilt ausdrücklich nur für die Vergütung des Vorstands einer Ak- 586 tiengesellschaft.794) Allerdings wird, obwohl eine entsprechende Norm im GmbHG fehlt, überwiegend davon ausgegangen, eine Herabsetzung der Bezüge sei auch ___________ 791) 792) 793) 794)

MünchKommInsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 160. Siehe Kapitel 6 A. I. Vgl. HeidelbergerKommInsO/Kreft, § 276a Rn. 15. § 87 Abs. 2 AktG ist auch in der Insolvenz anwendbar (Göcke/Greubel, ZIP 2009, 2086, 2087).

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Kapitel 6: Besonderheiten bei Prämienversprechen gegenüber Geschäftsleitern

gegenüber Geschäftsführern einer GmbH möglich.795) Ein solches Recht zur Herabsetzung der Prämienhöhe würde dem Aufsichtsrat oder aufgrund einer eventuell bestehenden gläubigerschützenden Funktion nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter zustehen.796)

587 Zwar spricht zunächst einmal viel dafür, Bleibeprämien als Bezüge im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG anzusehen. Zu den Gesamtbezügen gehören sämtliche Leistungen, die mit Rücksicht auf die Tätigkeit gezahlt werden.797) Das Gesetz nennt in Abs. 1 ausdrücklich „anreizorientierte Vergütungszusagen“ und „Nebenleistungen jeder Art“. Zwar wird die Bleibeprämie nicht als Gegenleistung für die zu erbringende Dienstleistung gezahlt, sie steht jedoch in direktem Bezug zu dem Anstellungsverhältnis. Ziel ist es, das Anstellungsverhältnis durch die Verhinderung der Kündigung seitens des Geschäftsleiters aufrecht zu erhalten. Sie bietet somit den Anreiz dafür, die Tätigkeit weiterhin auszuüben. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber auch Abfindungszahlungen als Bezüge in diesem Sinne erachtet.798) Eine solche Abfindung wird als Gegenleistung für die Inkaufnahme des Risikos einer vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrags gezahlt. Sie ist mit der Zahlung einer Bleibeprämie insoweit vergleichbar, als dass beide Zahlungen keine Gegenleistung für erbrachte Dienste bilden und auch die Bleibeprämie einen Ausgleich für die Übernahme ___________ 795) OLG Köln, Beschluss v. 6.11.2007 – 18 U 131/07, NZG 2008, 637, und OLG Naumburg, Urt. v. 16.4.2003 – 5 U 12/03, GmbHR 2004, 423, gehen davon aus, dass in der Krise der GmbH der Geschäftsführer gemäß § 87 Abs. 2 AktG entsprechend verpflichtet sein kann, sein Gehalt zu reduzieren. Siehe auch Uhlenbruck, BB 2003, 1185, 1189. Gegen eine analoge Anwendung von § 87 Abs. 2 GmbHG n. F. MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 324. Andere nehmen eine Herabsetzungsmöglichkeit entsprechend § 87 Abs. 2 AktG an, soweit eine solche aufgrund der dem Geschäftsführer obliegenden Treuepflicht in Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft geboten ist (BGH, Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 88/91, NJW 1992, 2894, 2896; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 187; siehe auch K. Schmidt/ Uhlenbruck/Spliedt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 7.214). Es handelt sich jedoch nicht um ein einseitiges Gestaltungsrecht, sondern es bedarf der Zustimmung des Geschäftsführers, zu der dieser jedoch verpflichtet ist (OLG Naumburg, Urt. v. 16.4.2003 – 5 U 12/03, GmbHR 2004, 423; Bauder, BB 1993, 369, 371; Thole/Schmidberger, BB 2014, 3, 4). 796) Uhlenbruck, BB 2003, 1185, 1190, hält auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Aufsichtsrat weiterhin für zuständig, da § 87 AktG dem Schutz der Gesellschaft und nicht dem Gläubigerschutz diene. Siehe auch Gottwald/Haas/Mock, § 93 Rn. 26. Uhlenbruck/Hirte, § 11 Rn. 127, geht davon aus, auch der Insolvenzverwalter könne aufgrund des Rechtsgedankens des § 87 Abs. 2 AktG eine Herabsetzung der Vergütung vornehmen. Für eine Herabsetzungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters gegenüber GmbH-Geschäftsführern Lindemann, GmbHR 2009, 737, 742. Göcke/Greubel, ZIP 2009, 2086, 2087 ff., argumentieren, selbst wenn nur der Schutz der Gesellschaft bezweckt sei, sei dieser durch den Insolvenzzweck überlagert. Maßgeblich für die Ausübung des Gestaltungsrechts der Herabsetzung sei das Gläubigerinteresse. Daher stünde das Recht zur Herabsetzung als vermögensbezogene Maßnahme in der Insolvenz ausschließlich dem Insolvenzverwalter zu. 797) KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 87 Rn. 18. 798) BT-Drucks. 16/12278, S. 6. So auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 68; MünchKommAktG/Spindler, § 87 Rn. 196; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 87 Rn. 18; Koch, WM 2010, 49, 56; a. A.: Diller, NZG 2009, 1006, 1009.

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C. Herabsetzung der Bleibeprämie nach § 87 Abs. 2 AktG?

eines Risikos schaffen soll. Der Geschäftsleiter trägt das Risiko des Scheiterns der Sanierung mit der Folge, dass sein Anstellungsvertrag gekündigt wird und er seine Organstellung verliert. Außerdem kann sich ein fehlgeschlagenes Sanierungsvorhaben im Lebenslauf des Geschäftsführers nachteilig auswirken, sodass er eventuell weitergehende berufliche Einbußen zu befürchten hat.799) Zumeist würde es sich bei Bleibeprämienversprechen – wie für eine Herabsetzung 588 nach § 87 Abs. 2 AktG erforderlich800) – auch noch um zukünftig entstehende Bezüge handeln.801) Der Anspruch auf Auszahlung ist zwar bereits begründet, aber die Gegenleistung ist nicht teilbar und wird erst am Stichtag erbracht. Zuvor ist es dem Geschäftsleiter noch möglich, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Letztendlich können diese Erwägungen aber dahinstehen; es fehlt an einer Verschlech- 589 terung der Lage der Gesellschaft, vor deren Hintergrund eine Auszahlung der Bleibeprämie für die Gesellschaft unbillig wäre. Im Zeitpunkt des Prämienversprechens erscheint die Zusage einer Prämie in dieser Höhe angemessen, weil zu diesem Zeitpunkt noch von einer Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und einer entscheidenden Rolle des Geschäftsleiters innerhalb des Sanierungsverfahrens ausgegangen werden kann. Dann kann durchaus auch eine Prämie in beträchtlicher Höhe als angemessen angesehen werden, da sie geeignet sein muss, die bezweckte Anreizwirkung zu entfalten.802) Diese Bewertung ändert sich zwar ab dem Zeitpunkt, in welchem sich herauskristallisiert, dass das Sanierungsvorhaben entgegen den Erwartungen doch aussichtslos ist oder sich der Verbleib des Geschäftsleiters nicht wie gewünscht auf dieses auswirkt. Spätestens mit Insolvenz oder Eintritt der unmittelbaren Krise tritt somit eine Verschlechterung der Lage i. S. d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG ein.803) Die zuvor festgesetzten Bezüge können jedoch nur dann aufgrund der Verschlechterung der Lage für die Gesellschaft unbillig sein, wenn eine solche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Festsetzung nicht berücksichtigt wurde, d. h. die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Vorfeld des Vertrags-

___________ 799) Bauder, BB 1993, 369, 372. 800) Eine Herabsetzung von Bonusansprüchen ist nicht mehr möglich, wenn bereits alle vertraglichen Voraussetzungen erfüllt sind (Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2009, 612, 614, Rn. 21; siehe auch Koch, WM 2010, 49, 57). A. A.: Diller, NZG 2009, 1006, 1008, der hinsichtlich jährlichen Leistungen wie Boni eine Herabsetzung noch bis zur Auszahlung als zulässig erachtet. 801) Es sei denn, eine Herabsetzung soll erst nach Erreichen des Stichtags erfolgen. 802) Vgl. Göcke/Greubel, ZIP 2009, 2086, 2089; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 14; Thole/ Schmidberger, BB 2014, 3; Bauder, BB 1993, 369, 372; Krüger/Achsnick, EWiR 2008, 655, 656. 803) BT-Drucks. 16/12278, S. 6; Koch, WM 2010, 49, 53.

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Kapitel 6: Besonderheiten bei Prämienversprechen gegenüber Geschäftsleitern

schlusses nicht absehbar waren.804) Eine Bleibeprämie wird aber gerade aufgrund des Bewusstseins der schwierigen finanziellen Lage und der Sanierungsbedürftigkeit der Gesellschaft gezahlt. Dabei muss dem Versprechenden klar sein, dass ein Sanierungsvorhaben, auch wenn bestimmte Geschäftsleiter „an Bord bleiben“, keinen Erfolg garantiert. Das Sanierungsvorhaben wird nämlich in aller Regel auch durch andere Faktoren (mit)beeinflusst. Bei den Erwägungen, ob und in welcher Höhe eine Bleibeprämie dem Geschäftsleiter in Aussicht gestellt wird, ist das Risiko des Scheiterns der Sanierung miteinzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn Bleibeprämien erst im Insolvenzeröffnungs- bzw. im eröffneten Verfahren versprochen werden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Insolvenz des Unternehmens bekannt; dennoch ist eine weitere Verschärfung der Situation einzukalkulieren, weil auch innerhalb des Insolvenzverfahrens mit dem Scheitern des Sanierungsvorhabens gerechnet werden muss.

590 Eine andere Beurteilung würde dem nach wie vor zu bejahenden Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht gerecht.805) Für diese Sichtweise spricht auch ein praktisches Argument: Könnten versprochene Bleibeprämien gemäß § 87 Abs. 2 AktG im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen nachträglich herabgesetzt werden, würde die bezweckte Anreizwirkung gegenüber Geschäftsleitern völlig verfehlt.

___________ 804) Wilsing/Kleißl, BB 2008, 2422, 2423; Bauder, BB 1993, 369, 370; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 87 Rn. 63; MünchKommAktG/Spindler, § 87 Rn. 171. Vgl. auch Krüger/Achsnick, EWiR 2008, 655, 656, und OLG Naumburg, Urt. v. 16.4.2003 – 5 U 12/03, GmbHR 2004, 423. A. A. wohl Weppner, NZG 2010, 1056 f. Unerheblich ist es auch, wenn sich die Erwartungen an die Leistung des Geschäftsleiters nicht bewahrheiten (MünchKommAktG/Spindler, § 87 Rn. 171; Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn. 26). 805) Siehe dazu Koch, WM 2010, 49, 51.

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Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Bleibeprämien sind ein effektives Mittel zur Bindung von Arbeitnehmern und 591 Geschäftsleitern sowohl in Zeiten ernsthafter wirtschaftlicher Krise als auch im Zeitraum nach Stellung des Insolvenzantrags. 2. Um diese Bindung zu erreichen, sind sie so auszugestalten, dass die Entstehung 592 des Anspruchs unter die aufschiebende Bedingung der Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers gestellt wird; der Anspruch auf Auszahlung der Prämie somit auch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zur Entstehung gelangt. Aufgrund der erforderlichen Anreizwirkung hat die Höhe der Prämie regelmäßig keinen Einfluss auf den Charakter der Sonderzuwendung als reine Bleibeprämie. 3. Bleibeprämien können im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen wirk- 593 sam versprochen werden. Sie sind weder nach den §§ 138, 134 BGB nichtig noch sind sie als unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen. Sie verstoßen nicht gegen § 119 InsO und bieten auch keinen Anlass für die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 4. Der Anspruch auf Auszahlung der Bleibeprämie des Arbeitnehmers ist als In- 594 solvenzforderung i. S. d. § 38 InsO zu klassifizieren. Dies gilt entgegen dem Bundesarbeitsgericht unabhängig davon, ob der vereinbarte Stichtag vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt. Der Anspruch wird vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet. Es handelt sich nicht um eine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, weil die Forderung weder als eine Leistung mit Entgeltcharakter noch als ein sonstiger Anspruch angesehen werden kann, der sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt. Gegen eine Einordnung als Masseverbindlichkeit sprechen auch die Zwecksetzung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, der Vergleich mit Abfindungsansprüchen sowie die damit einhergehende Missbrauchsgefahr. Ferner würde es vom Zufall abhängen, ob der Stichtag in den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung fällt. 5. Dem Insolvenzverwalter steht bezüglich der Prämienvereinbarung kein Wahl- 595 recht gemäß § 103 Abs. 1 InsO zu. Zwar wird § 103 Abs. 1 InsO durch die Sonderregelung des § 108 InsO nicht verdrängt, sein Anwendungsbereich ist aber nicht eröffnet, weil es sich aufgrund der bloßen konditionalen Verknüpfung von Prämienzahlung und Nichtausübung des Kündigungsrechts nicht um einen gegenseitigen Vertrag in diesem Sinne handelt. 6. Zur Sicherung der Arbeitnehmerforderung stehen verschiedene Sicherungsmittel 596 zur Verfügung: die Bestellung eines rechtsgeschäftlichen Pfandrechts, eine aufschiebend bedingte Sicherungsübereignung/-zession oder die Konstruktion der Doppeltreuhand. Diese Sicherungsmöglichkeiten haben allesamt zur Folge, dass im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers abgesonderte Befriedigung verlangt werden kann. 209

Zusammenfassung der Ergebnisse

597 7. Durch die Vereinbarung einer Bleibeprämie wird eine weitere Insolvenzforderung begründet. Die dadurch bedingte Erhöhung der Passiva für den Insolvenzfall benachteiligt die Gläubiger mittelbar, weil sie sich auf die Befriedigungsquote der übrigen Gläubiger auswirkt. Die Zusage einer Bleibeprämie im Zuge eines außergerichtlichen Sanierungsvorhabens benachteiligt die übrigen Gläubiger sogar unmittelbar, wenn die versprochene Prämie unangemessen hoch ist oder es zum Zeitpunkt der Zusage an einem aussichtsreichen Sanierungsvorhaben fehlt.

598 8. Die Begründung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie erfolgt regelmäßig nicht unentgeltlich i. S. d. § 134 InsO. Das Vermögensopfer des Arbeitnehmers liegt in der Nichtausübung des ihm zustehenden Kündigungsrechts, wenn er dadurch eine ungewisse finanzielle und berufliche Zukunft in Kauf nimmt, weil ihm abstrakt anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten offen stehen. Dem Unternehmen soll im Gegenzug für den Anspruch auf Auszahlung der Prämie die weitere Zugriffsmöglichkeit auf das Wissen und die Fachkenntnisse der für die Fortführung des Unternehmens wichtigen Leistungsträger zufließen. Die weitere Nutzbarkeit der Arbeitskraft stellt einen wirtschaftlichen Vorteil dar.

599 9. Die Zusage einer Bleibeprämie im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen stellt entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts keine inkongruente Deckung dar. Die Prämienvereinbarung dient weder der Sicherung noch der Befriedigung; es handelt sich um ein neues Verpflichtungsgeschäft.

600 10. Die Kenntnis des Arbeitgebers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Abgabe des Prämienversprechens stellt im Rahmen des Anfechtungstatbestands des § 133 Abs. 1 InsO ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes dar. Um ein Ausbremsen jeglicher Sanierungschancen zu verhindern, kann dieses Indiz durch das Vorliegen eines schlüssigen Sanierungskonzepts entkräftet werden, in dem der betreffende Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle spielt. Darüber hinaus muss die Höhe der in Aussicht gestellten Prämie angemessen erscheinen.

601 11. Die Position und der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers spielen im Rahmen seiner Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO) eine wichtige Rolle für die Frage, ob der Arbeitnehmer über Informationen verfügte, die es ihm erlaubten, eine Liquiditätsprognose zu erstellen. Entscheidend ist auch, inwieweit der Arbeitnehmer in das Sanierungsvorhaben eingebunden war und somit dessen Scheitern miterleben bzw. absehen konnte.

602 12. Die Auszahlung der Bleibeprämie kann unter bestimmten Voraussetzungen als Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO angesehen werden. Die Gegenleistung ist in der Nichtausübung des Kündigungsrechts bis zum vereinbarten Stichtag zu sehen. Maßgeblich ist, ob im Zeitpunkt der Vereinbarung der Bleibeprämie ein nicht aussichtsloses Sanierungskonzept vorliegt, zu dessen Gelingen der zukünftige Verbleib des Arbeitnehmers  sei es aufgrund seines besonderen Know-hows oder aufgrund 210

Zusammenfassung der Ergebnisse

wichtiger geschäftlicher Kontakte etc.  beitragen kann. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Prämienhöhe ist zu berücksichtigen, welche Prämienzahlungen für den Verbleib im Betrieb üblicherweise an Arbeitnehmer in vergleichbaren Positionen für einen entsprechenden Bindungszeitraum gezahlt werden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Zahlung innerhalb von zwei Wochen nach dem in der Prämienvereinbarung vereinbarten Stichtag erfolgt. 13. Entsteht der Anspruch auf Auszahlung der Bleibeprämie vor Eröffnung des In- 603 solvenzverfahrens, besteht für den Arbeitnehmer die Gefahr einer Anfechtung der Auszahlung der Prämie nach § 133 Abs. 1 InsO. Die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit seitens des Arbeitgebers bildet im Zuge einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz. Als entkräftende Indizien kommen ein zu diesem Zeitpunkt noch aussichtsreiches Sanierungsvorhaben oder der Charakter eines Bargeschäfts in Betracht. 14. Die Bestellung einer Sicherheit zu Gunsten des Arbeitnehmers, die in zeit- 604 lichem Zusammenhang mit der Vereinbarung der Bleibeprämie erfolgt, stellt hingegen mangels eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Sicherheitenbestellung und der Nichtausübung des Kündigungsrechts als Gegenleistung kein Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO dar. 15. Verspricht der (vorläufige) Insolvenzverwalter eine Bleibeprämie, verstößt dieses 605 Versprechen nicht offensichtlich gegen den Zweck des § 1 S. 1 InsO. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Bleibeprämie zusagt, um einem bestimmten Arbeitnehmer einen Vorteil zukommen zu lassen, obwohl ihm klar ist, dass der Verbleib des Arbeitnehmers für die Sanierung des Unternehmens völlig nutzlos oder die Sanierung unabhängig davon aussichtslos ist und dies dem Arbeitnehmer bekannt bzw. für jeden verständigen Dritten ohne Weiteres ersichtlich ist. 16. Dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Bleibeprämie kommt 606 der Charakter einer Masseverbindlichkeit zu, wenn das Prämienversprechen durch den Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 S. 1 InsO) oder durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter aufgrund einer gerichtlichen Einzelermächtigung abgegeben wird. Der Arbeitnehmer trägt das Risiko der Masseunzulänglichkeit, weil es sich um eine Altmasseverbindlichkeit handelt, die lediglich im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO befriedigt wird. Ein Treuhand(konten)modell ist zur Sicherung der Prämienzusage seitens eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters nicht geeignet, weil die Treuhandkonstruktion im Fall der Bleibeprämie jedenfalls der Anfechtung unterliegt. 17. Das Versprechen einer Bleibeprämie bedarf grundsätzlich nicht der Zustimmung 607 des (vorläufigen) Gläubigerausschusses gemäß § 160 Abs. 1 S. 1 InsO. Zwar führt das Prämienversprechen zu einer Mehrung der Masseverbindlichkeiten, es fehlt im 211

Zusammenfassung der Ergebnisse

Regelfall jedoch an einer erheblichen Belastung (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Erheblichkeit läge nur dann vor, wenn eine Vielzahl von Prämienverbindlichkeiten begründet werden sollen, die zusammengerechnet 10 % der Masse ausmachen würden.

608 18. Ob das Versprechen einer Bleibeprämie durch den Insolvenzverwalter eine seine Haftung begründende Pflichtverletzung i. S. d. § 60 Abs. 1 InsO darstellt, beurteilt sich aus der ex ante-Perspektive. Eine Pflichtverletzung ist zu verneinen, wenn der Verwalter auf der Grundlage angemessener Informationen annehmen durfte, im Interesse der Insolvenzmasse zu handeln, weil dem betreffenden Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle im Rahmen der möglichen Unternehmensfortführung bzw. Sanierung zukommt. Ferner muss die Höhe der von ihm versprochenen Prämie angemessen sein.

609 19. Ein ersatzfähiger Schaden des Arbeitnehmers i. S. d. § 61 InsO ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer im Zeitraum zwischen Prämienvereinbarung und Stichtag nachweislich Angebote anderer Arbeitgeber ausgeschlagen hat und er nach Ablauf seiner Kündigungsfrist nicht direkt eine neue Beschäftigung findet. Der Schadensersatzanspruch ist begrenzt durch die Prämienhöhe als Erfüllungsinteresse.

610 20. Bleibeprämienversprechen, die Masseverbindlichkeiten begründen, können auch im Eigenverwaltungs- (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und im Schutzschirmverfahren (§ 270b Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 55 Abs. 2 InsO) durch den Schuldner abgegeben werden. Da das Versprechen einer Bleibeprämie als Verbindlichkeit anzusehen ist, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, soll die Prämie gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 InsO nur mit Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters in Aussicht gestellt werden. Hierbei handelt es sich allerdings um eine bloße interne Maßnahme. Im eröffneten Verfahren besteht für die Gläubiger nach § 277 Abs. 1 InsO die Möglichkeit, durch Antrag beim Insolvenzgericht die Zustimmung des Sachwalters zur Wirksamkeitsvoraussetzung eines Bleibeprämienversprechens zu erheben.

611 21. Eine Haftung der Geschäftsleiter scheidet mangels Pflichtverletzung aus, wenn die Leitungsorgane im Zeitpunkt der Prämienzusage davon ausgehen durften, zum Wohle der Gläubiger zu handeln, indem sie bestimmte Arbeitnehmer, die voraussichtlich zu einer erfolgreichen Sanierung beitragen können, zum Verbleib im Unternehmen motivieren.

612 22. Erteilt der (vorläufige) Sachwalter seine Zustimmung pflichtwidrig, haftet er nach § 274 Abs. 1 i. V. m. § 60 InsO. Auch der (vorläufige) Sachwalter handelt nur pflichtgemäß, wenn er im Zeitpunkt der Zustimmungserteilung aufgrund der ihm zugänglichen Informationen über das geplante Sanierungskonzept, das Tätigkeitsfeld und die Leistungsbewertungen des Arbeitnehmers davon ausgehen durfte, dass dem betreffenden Arbeitnehmer in einem nicht aussichtslosen Sanierungskonzept eine entscheidende Rolle zukommt und die Prämienhöhe unter Berücksichtigung seines üblichen Gehalts, der Bindungsdauer und seiner Fähigkeiten nicht unverhältnismäßig ist. 212

Zusammenfassung der Ergebnisse

23. Im Zuge außergerichtlicher Sanierungsbemühungen können Bleibeprämienver- 613 sprechen gegenüber Geschäftsleitern durch die Gesellschafterversammlung einer GmbH oder den Aufsichtsrat einer AG abgegeben werden. Der durch die Prämienzusage begründete Anspruch des Geschäftsleiters stellt eine Insolvenzforderung dar. 24. Im Regelinsolvenzverfahren können den Geschäftsleitern Bleibeprämien durch 614 den (vorläufigen) Insolvenzverwalter zugesagt werden. Es handelt sich dann um Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (bzw. § 55 Abs. 2 S. 1 InsO). Im Eigenverwaltungsverfahren bleiben Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung zuständig. 25. Geschäftsleiter sind als nahestehende Personen i. S. d. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO 615 zu qualifizieren. Bleibeprämienzusagen, die ihnen gegenüber getätigt werden, sind daher unter erleichterten Voraussetzungen anfechtbar. 26. Die dem Geschäftsleiter zugesagte Prämie kann vor Erreichen des vereinbar- 616 ten Stichtags nicht gemäß § 87 Abs. 2 AktG (entsprechend) herabgesetzt werden. Eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. das Scheitern der Sanierungsbemühungen musste bei Festsetzung der Prämienhöhe einkalkuliert werden.

213

Stichwortverzeichnis

Allgemeine Geschäftsbedingungen 20 Altmasseverbindlichkeit 171, 211 Anfechtung – Auszahlung der Bleibeprämie 103 ff. – Vereinbarung der Bleibeprämie 58 ff. Arbeitnehmer – Rolle im Sanierungsvorhaben 52, 80, 92, 94, 102, 109, 114, 136, 140, 155, 166, 179, 199, 210, 212 Bargeschäft

111 ff., 151 ff. – Gegenleistung 112 ff., 144 ff., 152 f., 170, 210, 211 – Gleichwertigkeit 116 – Unmittelbarkeit 117 ff., 139, 153, 171 Bedingung – auflösend 20, 26, 30 f., 53 – aufschiebend 26, 30 f., 38, 53, 66, 70, 128, 150, 161, 170, 181, 209 Benachteiligungsvorsatz 85 ff., 129 ff., 145, 155, 205, 211 – bargeschäftsähnlicher Charakter 137, 144 – Sanierungsvorhaben 87 ff., 136 Beweislast 75, 97 f. Bindungswirkung 3, 9, 12, 14, 16, 39, 158, 209 Bleibeprämie – Ausgestaltung 9 ff., 122 – Zeitpunkt 5 f. – Zielgruppe 4 f. – Zweck 3 f.

– – – –

Insolvenzverwalter 178 ff., 212 Sachwalter 198, 212 Schuldner 196 vorläufiger Insolvenzverwalter 184 ff. Herabsetzung 201, 205 ff., 213

Indizwirkung

84, 85 ff., 87 ff., 91 ff., 133 ff., 143, 150, 155, 210, 211 Inkongruenz 82 ff., 85 f., 88, 94, 95, 104 ff., 129, 135, 148, 150, 210 Insiderstellung 141 f. Insolvenzforderung 1, 6, 17, 25 ff., 46, 60, 73, 103, 159, 163, 191, 202 f., 209, 213 Insolvenzverwalter 17, 21, 36, 39, 42, 43 ff., 75, 96, 109, 135, 144, 157, 159, 161, 171, 172, 176, 178 ff., 203, 206, 209, 211, 212, 213 – „schwacher“ vorläufiger 163 ff., 171, 173 ff., 203 – „starker“ vorläufiger 41, 162, 171, 173 ff., 184, 186, 203 Insolvenzzweckwidrigkeit 159, 161, 189, 211

Kenntnis

82 f., 104, 106 ff., 150 Doppeltreuhand 54 ff., 150, 155

84, 86, 94 ff., 102, 106 ff., 130 f., 132 ff., 142, 145, 148, 155, 205, 210, 211 – Benachteiligungsvorsatz 94 ff., 102, 142, 148, 205 – (drohende) Zahlungsunfähigkeit 84, 86, 106 ff., 130 f., 132 ff., 145, 155, 205, 210, 211 Kongruenz 82 ff., 104, 106, 129 ff., 135 f., 138 f., 145, 148, 150, 151

Geschäftsleiter

Masseunzulänglichkeit

Deckungsanfechtung

3, 4, 5, 6, 197 f., 201 ff., 212 f. Gläubigerausschuss 176 f., 181, 189, 195, 204, 211 Gläubigerbenachteiligung 17, 19, 59, 93, 99, 103, 130, 134, 138, 140, 149, 150, 210 – mittelbar 59 f., 210 – unmittelbar 98, 99 ff., 102, 210

Haftung

7, 158, 161, 177 ff., 189, 195 ff., 212 – Geschäftsleiter 197, 212

25, 171, 172, 174, 175, 211 Masseverbindlichkeit 1, 25 ff., 43 f., 158, 161 ff., 171 ff., 178, 184, 186, 190 f., 195, 202 ff., 209, 211, 212, 213 – Begründungsbefugnis 161 ff., 190 f., 195, 203 ff. – Einordnung 25 ff., 43 f., 158, 171 ff., 202 ff. Missbrauchsgefahr 7, 39, 94, 189, 203, 209

215

Stichwortverzeichnis

Nahestehende Person

98, 111, 141, 205, 213 Neumasseverbindlichkeit 172

Pfandrecht 49 ff., 150, 209 Prämienhöhe 12 ff., 15, 79, 81, 92 f., 94, 102, 116, 127, 136, 147, 155, 161, 165, 180 f., 193, 199, 205 ff., 209 ff. Referentenentwurf

93 f., 120, 125, 143 ff. Regierungsentwurf 94, 120, 125, 145 ff.

Sachwalter

189, 190 f., 192 ff., 198 f., 204 f., 212 Sanierungsversuch 10, 87 ff., 97, 100 f., 102, 104, 114 f., 136 f., 141, 143, 157 Schenkungsanfechtung 60 ff., 127, 154, 210 – Gegenleistung 62 ff., 66 ff., 81 – Gleichwertigkeit 79 ff. Sicherungsübereignung 49, 52 f., 209

216

Sicherungszession 49, 52 f., 209 Sittenwidrigkeit 17 f. Sonderzahlungen 9 ff., 20, 32 f. – Entgelt 9 – mit Mischcharakter 9, 10, 11, 15, 20 – reine Bleibeprämie 9, 12 ff., 20 f. Stichtagsklausel 9, 10, 12, 21, 33

Treuhandkontenmodell Unentgeltlichkeit

167 ff., 211

62 ff., 79, 81, 127, 154,

210 „Vorrang-Ermächtigung“ 173 ff. Vorsatzanfechtung 84 ff., 128 ff., 145 ff., 155, 210, 211

Wahlrecht 43 ff., 157, 171, 209 Wegfall der Geschäftsgrundlage 22 ff., 209 Zustimmungsvorbehalt

163, 194, 199