Olympia: Aufstieg und Verfall der olympischen Spiele, ihr Untergang und ihre Wiederbelebung in der Gegenwart [Reprint 2019 ed.] 9783486770292, 9783486770285

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Olympia: Aufstieg und Verfall der olympischen Spiele, ihr Untergang und ihre Wiederbelebung in der Gegenwart [Reprint 2019 ed.]
 9783486770292, 9783486770285

Table of contents :
I. Glänzender Aufstieg und langsamer Verfall der Spiele, wesentlich bedingt durch die Entwicklung der Athletik
II. Der Untergang der Feststätte Olympia und ihre Wiederaufdeckung durch das Deutsche Reich
III. Die Wiederbelebung der olympischen Spiele in der Gegenwart
Anmerkungen

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OLYMPIA A U F S T I E G UND V E R F A L L D E R O L Y M P I S C H E N SPIELE, IHR UNTERGANG UND I H R E W I E D E R B E L E B U N G IN DER GEGENWART

VON

GEHEIMRAT DR. J.MELBER MINISTERIALDIREKTOR

A.D.

IN MÜNCHEN

M Ü N C H E N UND B E R L I N 1936 VERLAG VON

R.OLDENBOURG

Druck von R. Oldenbourg, München.

O L Y M P I A A U F S T I E G UND V E R F A L L D E R O L Y M P I S C H E N S P I E L E . I H R U N T E R G A N G UND I H R E W I E D E R . B E L E B U N G IN D E R G E G E N W A R T . 1 )

I. Glänzender Aufstieg und langsamer Verfall der Spiele, wesentlich bedingt durch die Entwicklung der Athletik. Die Geschichte der Olympischen Spiele verliert sich in. die graue Vorzeit. Längst vor dem Jahre 776 v. Chr., mit dem für uns eine einigermaßen sichere Kunde von den Wettspielen beginnt, bestand in Olympia eine noch aus der Zeit vor der dorischen Wanderung stammende Kult- und Orakelstätte und wurden auch Spiele, wie man annimmt Leichenspiele zu Ehren des Landesheros Pelops, gefeiert. Wie steht es nun zur Zeit des angeblichen Beginns der Spiele 776 v. Chr. ? Für uns ist Olympia landläufig die berühmte Fest- und Kunststätte mit ihren glänzenden Bauten, ihrer unübersehbaren Menge von Sieger- und Ehrenstatuen, sowie herrlichen Weihgeschenken und unter all dem mit Kunstwerken erlesener Art von den ersten Meistern der Zeit, aber für den Beginn im 8. Jahrhundert können wir uns alles gar nicht einfach genug vorstellen. Ein heiliger Hain — denn Altis ist die altäolische Form für άλσος — irgendwie als abge1*

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schlossener Bezirk (τέμενος) gekennzeichnet — enthielt nur den uralten Tempel der Hera, ursprünglich wohl gemeinsam der Hera und des Zeus, sowie verschiedene Aschenaltäre; einziges Wettspiel für ein halbes J a h r h u n d e r t war der Stadionlauf und Schauplatz dieses Wettlaufes die Einsenkung am F u ß e des Kronoshügels, wo wir später das ausgebaute Stadion finden. Damals genügte die natürliche Böschung des Hügels als Sitz für die Zuschauer. Viele Zuschauer werden es nicht gewesen sein; denn die Spiele trugen noch einen rein lokalen Charakter; außerhalb der nächsten Umgebung der Landschaft Elis begegnen uns i m ersten halben J a h r h u n d e r t keine Teilnehmer am W e t t l a u f 2 ) . V o n den ersten 11 Siegern waren 2 aus Elis, 7 waren Messenier, dazu k a m 1 Achaier aus der S t a d t D y m e und 1 Sieger aus Dyspontion, einer S t a d t nahe der Mündung des Alpheios, die zur Pisatis gehörte. Somit sind die Spiele im ersten halben J a h r hundert ein örtliches F e s t der Eleer und der vordorischen Bevölkerung des westlichen Peloponnes. Wie kann m a n nun die Teilnehmer, also auch die Sieger in diesen ältesten Wettspielen gemeinsam nennen ? Sagen wir nicht zuviel, wenn wir sie als Athleten (ά-9-ληταί) bezeichnen? Eigentlich n i c h t ; denn das W o r t ά&λητής wird in seiner ursprünglichen Bedeutung ebenso wie άγωνιστής schlechthin gebraucht, u m den Teilnehmer an einem Agon zu kennzeichnen, also einen „ W e t t k ä m p f e r " , der um das ά&λον, den Kampfpreis ringt. D a m i t hängt es auch zusammen, daß zu allen Zeiten, auch als

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das Wort àd-λητής längst eine eingeschränkte Bedeutung erhalten hatte, der Ordner des Wettkampfes, der Kampfrichter noch à&Xo-d-êτης heißt, wenn auch die Bezeichnung άγωνο-ϋ-ένης die allgemeiner übliche geworden ist. Aber schon in verhältnismäßig früher Zeit verbindet sich mit dem Worte Athlet die Bedeutung „ b e r u f s m ä ß i g e r gymnastischer W e t t k ä m p f e r " . Das waren jene Sieger i m Wettlauf der ersten Olympiaden noch lange nicht; denn daß der Sieg im Wettlauf durch Beweglichkeit des Körpers und Elastizität der Muskeln ohne langjährige Ü b u n g gewonnen werden konnte, dafür haben wir aus der neuesten Zeit den besten Beweis. Als bei der Erneuerung der olympischen Spiele 1896 in Athen die erste Olympiade gefeiert wurde, da gewann den Marathonlauf von 42,2 k m ein ganz einfacher griechischer Hirte mit dem höchst ungriechischen N a m e n Louis in 2 Stunden 58 Minuten ; Sport oder Training kannte er nicht, aber zahllos oft war er seinen Tieren nachgelaufen, wenn sie sich verirrt oder verstiegen hatten. Also laufen konnte er. Von zwei Ausnahmen abgesehen — ein Messenier und ein Písate — verschwindet von der 12. Olympiade (732 v . Chr.) der S t a m m der einheimischen Sieger des Westpeloponnes aus den Listen. Dieser Ausfall wurde einerseits durch die wachsende Bedeutung des Festes hervorgerufen, das allmählich über die engeren Grenzen von Elis hinaus zunächst in den angrenzenden Landschaften bekannt wurde, andrerseits aber durch den wachsenden Einfluß von Argos u n d namentlich von S p a r t a . 5

Die Bedeutung Olympias verbreitet sich zunächst entlang der Nordküste des Peloponnes, in zweiter Linie südöstlich nach Sparta. Im zweiten halben Jahrhundert (Ol. 13—27 = 728—688 v.Chr.) erscheinen in der Siegerliste: Korinth (zweimal), Megara (zweimal), Epidauros, Sikyon, Athen (zweimal), Sparta (fünfmal) und Ol. 27 Hyperesia in Achaia. Alle die genannten Städte an der Nordküste des Peloponnes entlang standen mit Olympia durch den Golf von Korinth in Verbindung. Ol. 14 (724 v. Chr.) kam als neue Kampfart der Doppellauf (Diaulos) und Ol. 15 (720 v. Chr.) der Langstreckenlauf oder Dauerlauf (Dolichos) hinzu. Damit tritt nun bereits eine Wendung hinsichtlich der Vorbereitung auf den Wettkampf ein; denn diese neuen Kampfarten stellten in bezug auf die Ausdauer im Lauf wesentlich höhere Anforderungen an den Wettkämpfer, denen nur nach vorausgegangenen Übungen genügt werden konnte. Solche Übungen gab es bisher aber nur in Sparta, das allein von allen griechischen Staaten ein gymnastisches Training der gesamten Jugend, allerdings zunächst nur zu militärischen Zwecken eingerichtet hatte. Dazu hatte Sparta inzwischen im ersten messenischen Krieg (etwa 736—720 v. Chr.) die obere Pamisosebene mit Ithome erobert; die Zeit dieses Krieges ergibt sich aus der Olympionikenliste, die bis 736 ein völliges Überwiegen der Messenier, dann aber nach einer Pause, die der ungefähren Dauer des Krieges entspricht, von 720 ab ein solches der Spartaner aufweist. Nur einmal noch erscheint um 676 v. Chr. der Messenier Phanas als Olympio-

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nike, der im 3. J a h r e des 2. messenischen Krieges im K a m p f gegen Sparta den Heldentod s t a r b , im übrigen aber scheiden die Messenier bis zur Wiederherstellung Messeniens im 4. J a h r h u n d e r t vollständig aus. I n Sparta wurde bekanntlich der K n a b e vom 7. Lebensjahre ab dem Elternhaus entzogen und in eine eigene Abteilung eingestellt, in der er ausschließlich f ü r den S t a a t erzogen wurde. Die körperlichen Übungen u m f a ß t e n Laufen, Springen, Ringen, Diskus- u n d Speerwerfen, wozu dann selbstverständlich die Übungen im Waffenkampf k a m e n ; denn die ganze Ausbildung war ein militärisches Training. Was den F a u s t k a m p f u n d das P a n k r a t i o n anlangt, so war den S p a r t a n e r n n u r verboten, in öffentlichen Spielen in diesen K a m p f a r t e n aufzutreten, weil sich das f ü r k ü n f t i g e Krieger nicht p a ß t e . Denn abgesehen von dem Falle, d a ß K a m p f u n f ä h i g k e i t eintrat, wurde bei beiden K a m p f arten die Entscheidung dadurch herbeigeführt, d a ß sich der Unterliegende ausdrücklich f ü r besiegt erklärte. E i n solches Eingeständnis aber d u r f t e keinem Spartaner zugemutet werden. Zu den gymnastischen Übungen gehörten jedoch Faustk a m p f u n d P a n k r a t i o n in Sparta schon deshalb, weil sie als gute Vorübung f ü r den Krieg galten. Der von 720 a b einsetzende überwältigende Einf l u ß Spartas auf die Olympischen Spiele war f ü r die Entwicklung der Agonistik u n d Athletik von ausschlaggebender Bedeutung. Zunächst ist die Nacktheit bei den gymnastischen Ü b u n g e n auf die Spartaner zurückzuführen. Zu Beginn des zweiten

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halben Jahrhunderts Ol. 15 (720 v. Chr.) siegte der Megarer Orsippos im Lauf, und zwar, wie Pausanias berichtet, als der erste, der ohne Lendenschurz, also völlig nackt lief. Pausanias fügt hinzu 3 ), nach seiner Vermutung habe Orsippos während des Laufes absichtlich den Gurt fallen lassen, um seine Schnelligkeit zu steigern. In der gleichen Olympiade unmittelbar nach Orsippos siegte der Spartaner Akanthos im Dauerlauf (als erster in dieser Kampfart) ; er lief von Anfang an ohne Gurt. Thukydides 4 ) führt nun die Nacktheit bei den gymnastischen Übungen unmittelbar auf die Spartaner zurück. Wenn er aber berichtet, nicht lange vor seiner Zeit sei der Lendengurt beim olympischen Agon verschwunden, so ist das wohl kaum richtig; man hat sogar gezweifelt, ob es zutreffe, daß die Nacktheit bei den Olympischen Spielen erst in der 15. Olympiade und nicht schon früher eingeführt worden sei. Man hat versucht, das Zeugnis des Thukydides, daß die Kämpfer in Olympia bis nicht lange vor seiner Zçit noch gegürtet auftraten, mit der ebenso bestimmten Nachricht, daß seit der 15. Olympiade der Gurt beim Wettlauf weggefâllen sei, dahin vereinigen zu können, daß das διάζωμα von den Läufern seit der 15. Olympiade, von den Athleten im Ring- und Faustkampf erst viel später abgelegt worden sei. Allein von letzterer Tatsache ist uns nichts bekannt. Dagegen spricht schon der Einfluß der Nacktheit auf die Entwicklung der griechischen Kunst bereits in frühester Zeit, wovon weiterhin im Zusammenhang zu handeln sein wird. Wenn Plato 5 ) die Einführung der Nackt 8

heit auf die Kreter und in zweiter Linie auf die Spartaner zurückführt, so bleibt das für Olympia ohne Bedeutung, da für die älteste und ältere Zeit ein Einfluß Kretas auf die Spiele ausscheidet. Die lange Liste der Spartanersiege beginnt, wie schon erwähnt Ol. 15 (720 v. Chr.) und setzt sich ununterbrochen fort bis Ol. 50 (576 v. Chr.), von wo ab sie fast gänzlich aufhört. Während dieser langen Periode ist die Überlegenheit Spartas unbestritten, wie im einzelnen gezeigt werden soll. Zunächst aber wollen wir betrachten, welchen Aufschwung die Agonistik oder Athletik in diesen anderthalb Jahrhunderten und dadurch bedingt die olympischen Spiele genommen haben. Zunächst sind eine ganze Reihe neuer Kampfarten eingeführt worden: der Dauerlauf 0 1 . 1 5 = 720 v . C h r . , der F ü n f k a m p f (das Pentathlon) und der Ringkampf, beide Ol. 18 = 708 v. Chr., der Faustkampf Ol. 23 = 688 v. Chr., das Wagenrennen mit dem Viergespann Ol. 25 = 680 v. Chr., der Ringfaustkampf, das Pankration, Ol. 33 — 648 v. Chr., das Wettrennen mit volljährigen Pferden, gleichfalls Ol. 33 = 648 v. Chr. — Zu diesen 5 neuen Kampfarten für Männer kommen j e t z t erstmals die Kampfarten für K n a b e n : der Stadionlauf Ol. 37 = 632 v. Chr., der Ringkampf gleichfalls Ol. 37 = 632 v. Chr., der Fünfkampf Ol. 38 = 628 v. Chr. und der Faustkampf Ol. 41 = 6 1 6 v. Chr. Damit ist eigentlich die Reihenfolge der Kampfarten, wie sie in Olympia Jahrhunderte hindurch bestanden haben, abgeschlossen. Denn die noch folgenden kleineren Abarten, abgesehen vom Waffenlauf (Ol.

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65 = 520 v. Chr.), ζ. Β. Wettrennen mit Fohlengespannen und Maultiergespann sowie mit dem Zweigespann von Pferden können als wesentliche Erweiterungen nicht betrachtet werden. Unter den neu eingeführten Kampfarten ist das Wagenrennen für die Folgezeit von besonderer Bedeutung. Das erste Wagenrennen wird von dem Thebaner Pagondas gewonnen. Das ist kein Zufall. In Theben war auf das mächtige Königtum der Kadmeer die Herrschaft des Adels gefolgt. 'Als Großgrundbesitzer in den weiten Ebenen Böotiens, die Theben beherrschte, hatten die Adeligen die Führung Jahrhunderte in Händen. Die Kampfesweise der Kadmeer mit dem Kriegswagen hat sich beim Adel noch lange erhalten; denn der Streitwagen konnte in den böotischen Ebenen gut verwendet werden. Noch im 5. Jahrhundert führt eine thebanische Elitetruppe die Bezeichnung ήνίοχοι xaì παραβάν/χι. So ist denn in Theben der Wettkampf mit dem Wagen besonders gepflegt worden; von Theben bezogen die Griechen ihre Rennwagen; das 8ρμα Θηβαΐον wird von Pindar besonders genannt. Der Sieg des thebanischen Adeligen Pagondas im Wagenrennen ist also leicht erklärlich. Die Erweiterung der Kampfarten durch die Einführung der Wettkämpfe für Knaben ist ausschließlich dem Einfluß der Spartaner zuzuschreiben ; denn nur in Sparta wurden Knaben und Jünglinge damals von Staats wegen zu den gymnastischen Übungen vereinigt und unter staatlicher Leitung in allen obengenannten Kampfarten ausgebildet. 10

Aus der Zeit von Ol. 15 (720 v. Chr.) bis Ol. 50 (576 v . Chr.) kennen wir die Namen von 71 Siegern 6 ). Auf die Spartaner entfallen 36 Siege; aber nicht n u r in der großen Zahl, sondern auch in der A r t der Siege t r i t t die Überlegenheit Spartas klar z u t a g e : in nicht weniger als 5 Fällen erringt ein S p a r t a n e r den Sieg in W e t t k ä m p f e n , die zum erstenmal s t a t t f a n d e n , Ol. 15 (720 v . Chr.) i m Dauerlauf, 0 1 . 1 8 (708 v . C h r . ) i m F ü n f k a m p f u n d in der gleichen Olympiade im Ringen, Ol. 37 (632 v . Chr.) i m Ringkampf der K n a b e n u n d Ol. 38 (628 v . Chr.) i m F ü n f k a m p f der K n a b e n . Dabei waren einzelne dieser S p a r t a n e r gefürchtete K ä m p f e r . Der K n a b e Eutelidas aus Sparta, der Ol. 38 im F ü n f k a m p f der K n a b e n u n d im Ringkampf der K n a b e n siegte, war der erste u n d letzte Sieger i m K n a b e n - P e n t athlon ; denn schon in der nächsten Olympiade haben die Eleer aus Eifersucht auf den Sieg des spartanischen K n a b e n den F ü n f k a m p f der K n a b e n wieder abgeschafft. Dieser Grund der Abschaffung ist zwar nicht überliefert, aber er läßt sich aus den Verhältnissen erschließen. Der Spartaner Hipposthenes, der erste Sieger im Ringkampf der K n a b e n gewann noch 5 Siege i m Ringkampf der Männer; er t r i t t also nicht weniger als 24 J a h r e lang als erfolgreicher W e t t k ä m p f e r auf. E i n weiterer b e r ü h m t e r W e t t k ä m p f e r ist der Spartaner Chionis, der Ol. 28 (668 v . Chr.) erstmals im Lauf siegte ; er gewann noch 3 weitere Siege im Lauf u n d 3 Siege im Doppell a u f ; a u ß e r d e m siegte er auch in anderen Spielen. Neben S p a r t a m i t 36 Siegen sind in dieser Periode vertreten Megara m i t 4 , Athen mit 6,

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Theben mit 3, Thessalien (Krannon) mit 1, der Peloponnes außer Sparta mit 11 Siegen, woraus sich ergibt, daß allmählich der Einfluß der Olympischen Spiele nach Mittelgriechenland und vereinzelt bereits nach Nordgriechenland übergreift. Damit ist aber die Siegerliste noch nicht erschöpft: Ol. 23 (688 v. Chr.) siegt Onomastos aus S m y r n a in Kleinasien im Faustkampf, und zwar zuerst in dieser Kampfart; sein Auftreten war von solcher Bedeutung, daß er die Gesetze für den Ringkampf aufstellen durfte, die fortan in Olympia zur Anwendung kamen. — Ol. 46 (596 v. Chr.) siegte Polymnestor aus Milet im Laufe, von dem berichtet wird, er habe vorher als Ziegenhirte auf der Weide einen Hasen im Laufe eingeholt. — Ol. 48 (588 v. Chr.), also 100 Jahre nach dem Smyrnäer Onomastos, siegte Pythagoras aus Samos im Faustkampf, den er zuerst kunstmäßig ausgeübt haben soll. So vollzog sich langsam die Ausdehnung des Einflusses Olympias nach dem Osten, nach dem griechischen Kleinasien und den ihm vorgelagerten Inseln. Bedeutsamerweise fällt aber diese Ausdehnung zusammen mit der Gründung griechischer Niederlassungen in Italien und Sizilien; wir b e f i n d e n uns im Z e i t a l t e r der g r i e c h i s c h e n K o l o n i s a t i o n . 734 v. Chr. gründeten die Korinthier Syrakus, 728 die Megarer das sizilische Megara Hybläa und diese beiden Megara zusammen um 629 Selinus in Westsizilien. Von Chalkidiern aus Euböa erfolgt 735 die Gründung von Naxos an der Ostküste Siziliens, das bereits 729 Kolonisten nach Leontinoi im Binnenlande 12

und K a t a n a südlich von Naxos an der Küste entsandte. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts gründeten die Achäer in Unteritalien zuerst Sybaris, dann Kroton, die bald zu den blühendsten und reichsten Städten des griechischen Westens zählten; dazu kam später Metapontum. Gleichfalls in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts erfolgte die Gründung von Taras (Tarentum) durch lakonische Dorier. Dorier aus Rhodos und Kreta gründeten 690 Gela an der Südküste Siziliens. Von Gela aus erfolgte endlich um 580 die Gründung von Ákragas (Agrigentum). Bereits Ol. 27 (672 v. Chr.) siegt Daïppos aus K r o t o n zu Olympia im Faustkampf; Ol. 33 (648 v. Chr.) siegt der S y r a k u s a n e r Lygdamis im Faustkampf und zwar als erster in dieser Kampfart und Ol. 41 (616 v. Chr.) wird Philytas aus S y b a r i s Sieger im Faustkampf der Knaben, gleichfalls zuerst in dieser K a m p f a r t ; dazu kommen noch Glaukias aüs K r o t o n , der Ol. 48 (588 v. Chr.) und Lykinos aus K r o t o n , der Ol. 49 (584) im L a u f siegte. Das Mutterland dieser ersten Sieger aus dem Westen ist der Peloponnes. E i n Umschwung der Verhältnisse bereitet sich vor; denn der Einfluß Spartas in Olympia bricht Ol. 50 (576 v. Chr.) j ä h ab, um sich nie wieder zu erholen. Die Erklärung für diese auffallende Tatsache können wir aus Aristoteles 7 ) entnehmen. Dieser erklärt die bis in das 6. Jahrhundert hinein zu verfolgende Überlegenheit Spartas damit, daß damals Sparta der einzige S t a a t war, der seiner Jugend ein gründliches militärisch-gymnastisches Training angedeihen ließ und dadurch die übrigen

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Staaten übertraf, dann aber, ale diese seinem Beispiel folgten, dieses Übergewicht einbüßte. Man m u ß diesem Urteil des Aristoteles z u s t i m m e n ; d e n n die historische Entwicklung h a t gezeigt, d a ß Sparta später in der körperlichen Ausbildung von den übrigen Staaten zum mindesten erreicht, auf geistigem Gebiete aber besonders von Athen weit übertroffen wurde. Wenn wir einen Rückblick auf die geschilderte Periode von 720 bis 576 v. Chr. werfen, so k ö n n e n w i r s i e a l s d i e Z e i t d e s Aufstiegs nicht nur der Athletik im ursprünglichen Sinne, sondern auch der O l y m p i s c h e n S p i e l e s e l b s t b e z e i c h n e n . Beides wird i m Grunde Sparta v e r d a n k t . Sparta wurde zunächst die Lehrmeisterin des übrigen Griechenland nicht n u r auf dem Gebiete des Krieges sondern auch auf dem des Sports, u n d zwar des reinen Sports; denn in Sparta war nie das, was wir athletische Technik im engeren Sinne nennen, Ziel der Ausbildung, sondern Entwicklung der K ö r p e r k r a f t u n d Gewandtheit u n d Erziehung zur Ausdauer; d e n n die spartanische Gymnastik war in ihrem ganzen U m f a n g eine Vorübung f ü r den Krieg. Plutarch 8 ) weist ausdrücklich darauf hin, d a ß es in S p a r t a keinen Fechtmeister u n d keine Paidotriben gab und Plato 9 ) bezeugt, d a ß Überlegenheit i m Kriege das einzige Ziel der Spartaner war. Die spartanische Gymnastik h a t der Athletik eine vollkommen neue Bedeutung gegeben. Bisher war diese mehr eine Unterhaltung und Zerstreuung der Adeligen gewesen, jetzt aber fing sie allmählich an ein wichtiger Teil der Volkserziehung zu werden 14

und sehr bald wird die körperliche Erziehung in ganz Griechenland dem Beispiel der Spartaner verdankt. Nicht minder wichtig war die starke Beteiligung Spartas an den Olympischen Spielen selbst, denn seinem Einfluß wird nicht n u r die E i n f ü h r u n g neuer K a m p f a r t e n u n d die Durchsetzung der Nacktheit bei den Spielen zuzuschreiben sein, sondern seine militärische u n d politische Stärke, die i h m nach Beendigung des zweiten messenischen Krieges (zwischen 650 u n d 620) eine unbestrittene Machtstellung i m Peloponnes verlieh, sicherte die Aufrechterhaltung des Gottesfriedens und so k o n n t e n die Spiele u n t e r dem Schutze Spartas einen erfreulichen Aufstieg nehmen. Die Einwirkung des spartanischen Beispiels auf die Einrichtung u n d Entwicklung der Gymnastik in den griechischen Staaten des Mutterlandes l ä ß t sich a m besten a n Athen verfolgen. Schon oben ist darauf hingewiesen worden, d a ß die Siegerliste von Olympia in dieser Periode bereits 6 Athener aufweist: 0 1 . 2 1 (696) siegte Pantakles im L a u f ; ebenso Ol. 22 (692) ; in der gleichen K a m p f a r t errangen den Sieg Eurybos Ol. 27 (672) u n d Stomas Ol. 34 (644); der T y r a n n Kylon aus Athen, der Schwiegersohn des Theagenes, des T y r a n n e n von Megara, siegte i m Doppellauf Ol. 35 (640), j a P h r y n o n aus A t h e n errang Ol. 37 (632) den Sieg im P a n k r a t i o n , d e m schwierigsten aller W e t t k ä m p f e . Solche glänzenden Leistungen lassen den Schluß zu, d a ß die Gymnastik in Athen damals einen außerordentlichen Aufschwung n a h m , der 15

sich in dem folgenden 6. Jahrhundert noch weiter verstärkte. Letzteres ist hauptsächlich den Anordnungen Solons zu verdanken, der 594/93 in Athen das Archontat bekleidete. Yon der 50. Olympiade (576 v. Chr.) an verdrängten die Kolonien das Mutterland in Olympia fast völlig, so daß man das folgende 6. Jahrhundert geradezu d i e k o l o n i a l e P e r i o d e v o n O l y m p i a nennen könnte. Bekanntlich haben die griechischen Pflanzstädte namentlich in religiöser Hinsicht den Zusammenhang mit der Mutterstadt oder dem Mutterlande nicht abreißen lassen, sondern ihn sorgfältig bewahrt. Nun gab es nicht leicht ein besseres Mittel und eine günstigere Gelegenheit dies zu zeigen, als wenn die rasch zu blühendem Wohlstand gelangten Griechenstädte, namentlich die in Sizilien und Italien, ihre reich ausgestatteten -ΰ-εωρίαι, ihre Festgesandtschaften, nach Olympia sandten zur Feier zu Ehren des Zeus, denn Olympia war allmählich ein kultureller Mittelpunkt des griechischen Mutterlandes geworden. Noch wirksamer trat diese innere Verbundenheit zutage, wenn ein angesehener Mitbürger aus den Reihen der Aristokraten in Olympia den Siegeskranz zu erwerben vermochte; denn als Hellenen hatten diese Herren aus den Kolonien ein Recht, in Olympia als Bewerber um den Sieg aufzutreten, ein Recht, das sich aus der Stammesangehörigkeit ableitete. So zog mit den Festgesandtschaften und den Wettkämpfen aus den Kolonien e i n p a n h e l l e n i s c h e r G e i s t in Olympia ein. Die Beteiligung der Kolonien gab den Spielen selbst wie 16

der Átheltik einen neuen Auftrieb und, was die Hauptsache war, dieser panhellenische Charakter weckte den R a s s e n s t o l z , d a s R a s s e g e f ü h l : k e i n N i c h t g r i e c h e k o n n t e in O l y m p i a a l s M i t b e w e r b e r a u f t r e t e n , auch kein Barbarenfürst, und mochte er noch so reich und mächtig sein; nicht einmal Weihegeschenke von ihm wären in Olympia angenommen worden. J e t z t e r s t s i n d d i e O l y m p i s c h e n S p i e l e ein g r i e c h i s c h e s N a t i o n a l f e s t im w e i t e s t e n S i n n d e s W o r t e s g e w o r d e n . Wenn vorläufig die Spiele noch ihren aristokratischen Charakter bewahrten, wie wir sehen werden, obwohl der Anspruch auf Zulassung zu den Wettkämpfen nur auf Grund griechischer Abstammung, ohne jede weitere Einschränkung, erhoben werden konnte, so ist dieser Umstand mehr durch äußere Verhältnisse veranlaßt; d e n n a n s i c h b r a c h t e n die K o l o n i e n s o z u s a g e n auch einen d e m o k r a t i s c h e n Geist nach Olympia. Wenn wir nun die Siegerlisten der Zeit von der 50. Ol. (580 v. Chr.) bis zur 70. Ol. (500 v. Chr.) durchmustern, so steht unter allen westgriechischen Städten die Achäergründung K r o t o n an Berühmtheit als Heimatstadt vieler und darunter weltbekannter Sieger obenan. Strabo 1 0 ) erzählt, daß einmal alle sieben Sieger zu Olympia Krotoniaten waren, weshalb man wirklich habe sagen können, der letzte der Krotoniaten sei der erste der anderen Griechen. Kroton habe, obwohl seine Blüte nur verhältnismäßig kurze Zeit bestand, die meisten Athleten aufzuweisen gehabt. Dies trifft für diese 2

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Zeit wohl zu; denn obwohl unsere Siegerlisten sehr unvollständig sind, weisen sie zwischen 564—510 nicht weniger als 13 Siege von Krotoniaten auf. Aber nicht bloß durch die Zahl seiner Sieger, sondern auch durch ihre Qualität ragt Kroton hervor. Der berühmteste Athlet des Altertums, Milon11), der Sohn des Diotimos, war ein Krotoniate ; er errang in Olympia allein nicht weniger als 6 Siege. Neben Kroton finden wir von den westgriechischen Städten vor allem das sizilische Naxos durch den Athleten Tisandros vertreten, der in 4 Olympiaden (Ol. 60—Ol. 63) nacheinander im Faustkampf siegte, ferner T a r e n t durch den Doppelsieg des Anochos (Ol. 65 = 520 v. Chr.) im Lauf und im Doppellauf, Hi mer a durch den Sieg des Ischyros im Lauf (Ol. 66 = 516 v. Chr.) und Gela durch den Sieg des Pantares mit dem Viergespann (Ol. 68 = 508 v. Chr.). Im folgenden 5. Jahrhundert erscheinen dann noch Sieger aus A k r a g a s , aus R h e g i o n , aus S y r a k u s , aus L o k r o i E p i z e p h y r i o i , aus M e s s a n a , aus Pos e i d o n i a (Pästum), aus X a m a r i n a . Hinter dieser gewaltigen Beteiligung Großgriechenlands an den Olympischen Spielen steht jedoch im 6. Jahrhundert das Mutterland und der Osten keineswegs zurück. Insbesondere schaltet sich Nordgriechenland ein, T h e s s a l i e n mit 5 Siegern (aus den Städten Pharsalos und Pellina), die Inseln E u b ö a , Kerk y r a , A e g i n a , S a m o s u . a. Welcher Aft waren nun die Sieger in Olympia während dieser Periode ? Die Spiele hatten noch ihren aristokratischen Charakter bewahrt ; die Wett18

kämpfer gehörten fast durchaus den adeligen Kreisen an, die in den Palästren eifrig die Leibesübungen betrieben hatten und nun ihre Erholung und ihre Freude daran fanden, auch weiterhin Sport zu treiben und schließlich auch als Wettkämpfer aufzutreten. An Zeit und Mitteln hierfür fehlte es ihnen nicht, während der gemeine Mann, der nach der bisher geschilderten Entwicklung der Verhältnisse sich ebensogut hätte beteiligen können, seiner materiellen Lage nach dazu nur selten imstande war. Aber das Leben dieser berühmten Wettkämpfer des ausgehenden 8. und des 7. Jahrhunderts ging durchaus nicht in der Athletik auf; teils schon während der Zeit ihrer Teilnahme an den Wettkämpfen, mehr noch aber im reiferen Alter widmen sie der Heimatstadt ihre Dienste und sind im öffentlichen Leben und namentlich im Kriege wertvolle Bürger. Einige Beispiele mögen das klar machen. Der Messenier Phanas, der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts im Dauerlauf siegte, starb nach dem Berichte des Pausanias 12 ) den Heldentod in der Schlacht am großen Graben im 3. Jahre des 2. messenischen Krieges. — Der Athener Phrynon, der Ol. 36 (636 v. Chr.) im Pankration siegte, war athenischer Feldherr im Kriege um Sigeion und fiel im Zweikampfe mit Pittakos vonMytilene 13 ). — Praxidamas aus Aigina, der als erster Aiginete Ol. 59 (544 v. Chr.) einen Sieg im Faustkampf gewann, entstammte dem e d l e n Geechlechte der Bassiden. — Der berühmte Milon zog als Feldherr der Krotoniaten im Kriege gegen Sybaris aus und gewann 2*

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den Sieg, der zur Zerstörung der reichen und üppigen Nebenbuhlerin führte (510 v. Chr.). — Der Krotoniate Philippos, der um 520 v. Chr. zu Olympia in unbekannter Kampfart gesiegt hatte, beteiligte sich an dem abenteuerlichen Unternehmen des Dorieus, des jüngeren Bruders des Spartanerkönigs Kleomenes, gegen Sizilien (500 v. Chr.) und kam dabei mit Dorieus ums Leben 14 ). — Timasitheos aus Delphi, der Ol. 66 (516) und Ol. 67 (512) im Pankration gesiegt hatte, fand als Anhänger des Isagoras um das Jahr 507 seinen Tod durch die Athener, nachdem er glänzende Kriegstaten ausgeführt hatte 1 5 ). — Der Krotoniate Phayllos, der zwar nicht in Olympia, wohl aber bei den pythischen Spielen in Delphi dreimal gesiegt hatte, war Kommandant des Schiffes, das Kroton den Griechen des Mutterlandes im Perserkrieg gesandt hatte, und nahm an der Schlacht bei Salamis rühmlichen Anteil. Nicht nur Herodot 16 ) nennt ihn ausdrücklich, sondern es hat sich auch das Epigramm seiner Statuenbasis auf der Akropolis in Athen gefunden, das seiner Teilnahme an der Seeschlacht bei Salamis gedenkt 17 ). — Schließlich sei noch das Beispiel des berühmten Dorieus aus Rhodos angeführt, das besonders beweiskräftig ist; dieser, ein Sohn des Diagoras, der selbst zu Olympia im Faustkampf gesiegt hatte, war ein Sieger großen Formats. Über seine Siege berichtet die Inschrift auf der wiedergefundenen Basis seiner nicht mehr vorhandenen Statue in Delphi: Λωριενς ζ/ια/όρα 'Ρόδιος τράχις,

ένίχηαε "ΐα&μια

20

τταγχράτιον όχτάχις,

'Ολύμπια Νέμεα

τς(ς,

όχτάχις,

Πύ&ια

τε-

Πανα&ηναια

τετοάκις, AaxXr¡nCtia (in Epidaurus) τετράχις, Έχατόμβοια (in Argos) τρις, Jvxa.ua (auf dem Berge Lykaion in Arkadien) τρ(ς. Trotz dieser unerhörten Siegerlaufbahn gehört Dorieus, der sein Adelsgeschlecht auf den König Aristomenes von Messenien zurückführte, der reinen Athletik an. Denn bald nach seinem dritten Siege (424 v. Chr.) in Olympia verließ er die Athletenlaufbahn, um sich in seiner Heimat politisch zu betätigen. Da seine Partei die Losreißung von Athen betrieb, mußte er fliehen und wurde von den Athenern kraft der ihnen über die Bundesgenossen zustehenden Gerichtshoheit zum Tode verurteilt. Aus Thurii, wo er das Bürgerrecht erhielt und wo damals eine Athen feindliche Partei das Übergewicht erlangt hatte, fuhr er 411 als Admiral einer Flottenabteilung von 10 Schiffen zur Unterstützung der Spartaner aus, nahm Herbst 411 an der Schlacht bei Abydos teil, geriet aber 407 nach der Seeschlacht bei Notion mit zwei thurischen Schiffen in die Gefangenschaft der Athener. Aber obwohl er das Leben verwirkt hatte, ließ ihn der athenische Befehlshaber ohne Lösegeld frei, lediglich mit Rücksicht auf den w e l t b e r ü h m t e n Sieger. Absichtlich sind diese Beispiele bis tief in das 5. Jahrhundert hinabgeführt worden um zu zeigen, auf welcher Höhe sich die Athletik damals immer noch in hervorragenden Fällen hielt, um aber auch zu beweisen wie hoch das Ansehen der Athleten im Laufe der Zeit gestiegen war. Hierbei soll der Ausdruck „weltberühmt" besonders betont werden ; er bezeichnet etwa das, was der im 6. Jahrhun21

dert aufkommende Siegertitel neqioóovCxr¡q, eig. Sieger im Umlauf = Weltmeister, besagt. Die außerordentliche Bedeutung, die die Olympischen Spiele schon zu Beginn des 6. Jahrhunderte gewonnen hatten, führten dazu, daß auch anderwärts in Griechenland Nationalspiele eingerichtet wurden : 590 v. Chr. wurden die pythischen Spiele in Delphi neugeordnet, die isthmischen Spiele bei Korinth entstanden 582 v. Chr., die nemeischen 573 v. Chr. Damit waren also um 570 die 4 griechischen Nationalspiele eingerichtet, unter denen die olympischen allerdings weitaus den Vorrang hatten. Wem es fortan gelang in der περίοδος, d. h. im Umlaufe, in diesen 4 nationalen Agonen zu siegen, der errang sich den Siegertitel περιοδονίχης; ihn zu gewinnen war der Gipfel athletischen Ehrgeizes. Es gab sogar mehrfache Periodoniken, wenn es einem Wettkämpfer gelungen war, mehr als einmal in Olympia und dazu noch in den 3 übrigen Nationalspielen einen Sieg zu erringen. So ist Milon von Kroton, der berühmteste aller Athleten, sechsfacher Periodonike geworden! Ein zweiter Periodonike in unserer Periode (576—500) ist Glaukos von Karystos auf Euböa, der Ol. 65 (520 v. Chr.) in Olympia im Faustkampf der Knaben siegte. Förster hat in seinem Verzeichnis der olympischen Sieger im ganzen 634 Sieger aufgezählt und dabei die Namen der Periodoniken fett gedruckt; eine Zählung ergibt 46 Periodoniken. — Noch ein zweiter Siegertitel erscheint in unserer Periode zum ersten Male, τριαστης = dreifacher Sieger, nämlich an e i n e m Tage Sieger im Lauf, Doppellaufund Waffen22

lauf. Ihn gewann zuerst Phanas aus Pellene in Arkadien 01.67 (512 v.Chr.); nur noch zweimal wurde dieser Titel einem Sieger zuteil, dem Leonidas aus Rhodos, der in vier aufeinanderfolgenden Olympiaden (Ol. 154—156 = 164—156 v. Chr.) als erster und einziger 12 olympische Kränze errang und somit das Ausgezeichnetste im Wettlauf leistete, und dem Hekatomnos aus Milet (01. 177 = 72 v. Chr.). — Ein weiterer Siegertitel, der aber erst viel später (Ol. 142 = 212 v. Chr.) erstmals erscheint, sei hier gleich angeführt. Wer einen Doppelsieg im Ringen und im Pankration errang, erhielt den Ehrennamen „Erster, Zweiter usw. Sieger nach Herakles", weil auch Herakles an ein und demselben Tage im Ringkampf und im Pankration gesiegt hatte; als solcher „Heraklessieger" führte er den Ehrentitel παράδοξος oder τιαραδοξορίκης. Kapros aus Elis (Ol. 142 = 212 v. Chr.) war der 1. herakleische Doppelsieger; es folgten noch 6 weitere solche, der letzte Ol. 204 (37 n. Chr.). Dann aber sollen die Hellanodiken die weitere Verleihung dieses Titels verhindert haben. Noch ist ein Gesichtspunkt zu betrachten, ehe wir uns einer neuen Entwicklungsperiode zuwenden. Das 6. Jahrhundert ist das Zeitalter der T y r a n n i s . Wie stellten sich nun diese Herrscher zu dem politischen Einfluß Olympias, da ihnen doch nicht entgehen konnte, daß dort allmählich ein demokratischer Geist einzog ? Zunächst versuchte es einer mit Gewalt: Herodot 18 ) berichtet, König Pheidon von Argos habe nach Vertreibung der Festordner die olympischen Spiele selbst ge23

leitet. Dieser Bericht wird durch die Erzählung des Ephoros ergänzt, wonach die Eleer, die sich allein gegen Pheidon nicht wehren konnten, mit Hilfe der Lazedaimonier Pheidons Pläne vereitelten ; das von Pheidon veranstaltete Fest hätten die Eleer nicht aufgezeichnet; es galt als Anolympias. Wenn wir auch über diese Vorgänge nicht näher unterrichtet sind, so viel ist sicher, Gewalt hatte da nichts ausrichten können. Daher versuchten es andere Tyrannen mit friedlichen Mitteln sich in Olympia populär zu machen und so dort Einfluß zu gewinnen, entweder durch einen Sieg im Wagenrennen oder durch kostbare Weihegeschenke an den olympischen Zeus. Noch im 7. Jahrhundert gewann der Tyrann Myron von Sikyon einen Sieg mit dem Viergespann; zum Andenken an seinen Erfolg stiftete er zwei in dorischem Stil gearbeitete eherne &άλαμοι, d. h. aus Erz gegossene schrankartige Kapellen, die in dem im 5. Jahrhundert entstandenen Schatzhaus aufbewahrt wurden, das Pausanias fälschlich nach Myron benennt; das Epigramm auf dem kleineren der beiden Schränke nennt richtig b δήμος τ&ν 2ιχνωρ(ων als Gründer. Myrons Enkel, der Tyrann Kleisthenes von Sikyon, siegte gleichfalls mit dem Viergespann Ol. 51 oder 52 = 576 oder 572 v. Chr. Bezeichnenderweise benützte er die Gelegenheit der Festfeier, um die Bewerbung um die Hand seiner Tochter Agariste bekanntzugeben. Zu Anfang des 6. Jahrhunderts siegte der Tyrann Periander von Korinth, der Sohn des Tyrannen Kypselos, mit dem Viergespann; er weihte nach Olympia 24

die berühmte Kypseloslade, die in dem uralten Heratempel aufgestellt war; schon sein Vater Kypselos soll eine goldene Zeusstatue in Olympia gestiftet haben. Von Athen kam der aus altem Adel stammende Alkmaion, der Sohn des Megakles, der um 612 mit dem Viergespann siegte und damit als erster aller Athener einen Wagensieg erlangte. Die reichen Geldmittel zur Rossezucht verdankte er dem Lyderkönig Alyattes, dem Vater des Krösus, den er auf seine Einladung hin in Sardes besucht hatte. Auch ein merkwürdiger Wagensieg des bekannten Tyrannen Peisistratos von Athen (Ol. 63 = 528 v. Chr.) spielt hier herein. Ol. 62 (532 v. Chr.) hatte der Athener Kimon mit dem Viergespann seinen ersten Sieg errungen, während er auf Veranlassung des Peisistratos in der Verbannung lebte ; mit den gleichen Pferden siegte er in der nächsten Olympiade 63, ließ aber den Peisistratos als Sieger ausrufen und wurde daraufhin, was seine Absicht gewesen war, von diesem aus der Verbannung zurückgerufen. Zurückgekehrt siegte er mit demselben Viergespann Ol. 64 (524) zum dritten Male. Nach Herodots Bericht (VI, 103) ließen hierauf die Pisistratiden den Kimon aus Angst vor dem Glück der Kypseliden beim Prytaneion durch Meuchelmörder aus dem Wege räumen. Trotz dieser Siege und trotz dieser Weihegaben gewann kein Tyrann irgendwelchen Einfluß in Olympia; keine Gebäude, in dem die kostbaren Weihgeschenke aufbewahrt worden wären, trug den Namen eines Tyrannen. Auch das älteste der Schatzhäuser in Olympia, das Schatzhaus der 25

Megarer, das seinen ausgegrabenen Bauteilen nach sicher dem 6. Jahrhundert angehört, war nicht von dem Tyrannen Theagenes von Megara erbaut, sondern vom Demos der Megarer. Blicken wir zurück, so sehen wir, wie Olympia seit Beginn des 6. Jahrhunderts eine einzigartige Stellung als Nationalfest der Griechen gewonnen hat. Wettbewerber um den Siegeskranz wie Zuschauer aus allen Ständen und aus allen Teilen Griechenlands strömten in Olympia zusammen; denn der Gottesfriede wurde jetzt in der ganzen griechischen Welt verkündet und ihm vertrauend wetteiferten die Städte von Kleinasien und Großgriechenland sich gegenseitig durch den Glanz ihrer Festgesandtschaften, der &εωο(αι, zu überbieten. Der alte aristokratische Charakter der Spiele lebte fort im Wagenrennen und Pferderennen und gab den Tyrannen wie den Adeligen willkommene Gelegenheit Pracht und Reichtum zu entfalten. In demselben Maße aber, in dem der neu eindringende demokratische Geist allmählich sich durchsetzte, stieg das Ansehen der Wettkämpfer und Sieger bei der großen Menge, die in diesen Männer aus ihrer Mitte das Höchste erreichen sah, was ein Hellene überhaupt erreichen konnte, den olympischen Siegeskranz. Es war dies ohne Zweifel eine übermäßige Wertschätzung einseitiger athletischer Tätigkeit, aber sie hat sich unverändert erhalten weit in die Zeit des Niedergangs der Spiele hinein. Wie früh sie sich bei der großen Menge verbreitet hatte, dafür haben wir von sicher zahlreicheren Zeugnissen aus der Frühzeit der griechischen Lite26

ratur wenigstens zwei besonders wertvolle erhalten in den Fragmenten des T y r t a i o s und des X e n o p h a n e s . Bei Tyrtaios 19 ) finden wir klar ausgedrückt die Haltung der Spartaner gegenüber den Leistungen im olympischen Wettkampf; sie gelten ihnen gar nichts, wenn sie sich nicht bewähren im tapferen Kampf gegen den Feind. Tyrtaios findet sie nicht einmal erwähnenswert. — Nach einer ganz anderen Seite gehen die Ausführungen des Dichter-Philosophen Xenophanes. Um ihn richtig zu verstehen, muß man sich seines Lebenslaufes erinnern. Seine Lebenszeit fällt größtenteils in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts. Zu Kolophon in Kleinasien geboren, hat er um 540 seine Heimat verlassen, und ist nach Elea ("Ελέα, lat. Velia, in Lukanien, südlich von Paestum) in Unteritalien übergesiedelt, wo er Begründer der eleatischen Philosophie wurde. Dort war er unmittelbar Zeuge der unerhörten Ehren und Auszeichnungen, mit denen gerade die reichen Städte Großgriechenlands ihre als Sieger von Olympia heimkehrenden Mitbürger überhäuften. Nur dagegen bäumt sein Unmut sich auf; er als Intellektueller fühlt sich mit seiner Philosophie weit zurückgesetzt im Urteile des Volkes gegenüber den Leistungen der Athleten. Er zählt zunächst die einzelnen Kampfarten auf, den Wettlauf, den Fünfkampf, den Ringkampf, den Faustkampf, das Pankration und das Wagenrennen, also den ganzen Kreis der Kampfarten der Männer, der im 6. Jahrhundert bestand, wobei er, seinen Absichten gemäß, den Faustkampf als „schmerzenreich" (πνχτοβύνην άλγινόΐβααν) und das Pankration als eine „furcht27

b a r e K a m p f a r t " (τό δεινον äed-λον) bezeichnet. D a m i t verbindet er d a n n eine Aufzählung der außerordentlichen E h r u n g e n , die dem Sieger i n s e i n e r H e i m a t s t a d t zuteil w e r d e n ; denn n u r d a r u m handelt es sich bei ihm, den Siegeskranz von Olympia erwähnt er nicht. Gerade das m a c h t uns seine Ausführungen interessant, weil wir ihnen e n t n e h m e n können, d a ß der Aufstieg der Athletik bereits im 6. J a h r h u n d e r t zu einer Fülle von E h r u n g e n f ü r die Olympioniken g e f ü h r t h a t t e . Allgemein bemerkt Xenophanes, ein solcher Sieger würde b e i d e n B ü r g e r n s e i n e r H e i m a t s t a d t in hohen E h r e n stehen (άβτοϊϋΐν χ εϊη χνδνότερος προαοραρ), d a n n n e n n t er diese E h r u n g e n einzeln: er würde vor aller Augen den Vorsitz haben bei den Festfeiern in der H e i m a t {xal χε ηροεδρίην φανερή ν

¿v

άγ&αιν

&ροιτο),

es

würde

ihm

lebenslängliche Speisung auf Staatskosten w e r d e n (xaC χεν ϋΐτ

/; =

air a :¡ εϊη δημοσίων

die

zuteil χτεά-

νων), j a sogar ein kostbares Ehrengeschenk würde er v o n der H e i m a t s t a d t erhalten, das f ü r ihn geradezu ein Kleinod wäre {ix πόλεως xaì δ&ρον, S ol χειμήλιον εΐη). U n d n u n f ä h r t er zusammenfassend f o r t 2 0 ) : „ D a s alles würde ein solcher Sieger erhalten, obwohl er dieser E h r u n g e n nicht in d e m Maße würdig ist wie i c h ; denn wertvoller als die K r a f t der Männer u n d der Rosse ist unsere Weisheit. Aber leider werden solche Leistungen in ganz unüberlegter Weise eingeschätzt; es iet aber auch nicht gerecht, der K ö r p e r k r a f t vor der trefflichen Weisheit im Urteil den Vorrang einzuräumen. Denn gleichviel, welchen Sieg ein Athlet 28

in Olympia gewinnt, deshalb würde sich doch seine Heimatstadt keiner besseren gesetzlichen Ordnung erfreuen, überhaupt dürfte ihr nur geringe Freude aus einem solchen Sieg in Olympia erwachsen; denn dieser Sieg wird auch den letzten Winkel der Stadt nicht fett machen." Man kann dieses Urteil des Xenophanes wohl verstehen, wertvoll aber ist es für uns besonders deshalb, weil wir, daran gemessen, den gewaltigen Abstand erkennen können, den die späteren Urteile über die Athletik von diesem ersten uns bekannten aufzuweisen haben." Worin hat nun die außergewöhnliche Ehrung des Olympiasiegers in der Heimat ihren Grund ? D a r i n daß der einzelne Sieger g e r a d e z u als Rep r ä s e n t a n t , als Vertreter seines S t a a t e s b e t r a c h t e t w u r d e ! Wenn ihn der Herold in Olympia als Sieger ausrief, dann rief er zugleich auch den Namen seines Staates mit aus und so nahm der ganze Heimatstaat teil an dem Erfolg des Siegers und freute sich in überschwenglicher Weise darüber. Das hat sich bis auf den heutigen Tag nicht geändert, vielmehr bei jeder Olympiade seit 1896 immer wieder erneuert. Das erste Beispiel dieser Art ist der geradezu tobende Jubel Griechenlands, als ein Grieche, der Hirte Louis, 1896 im Marathonlauf den Sieg errang. Umgekehrt kannte der Ärger nicht leicht Grenzen, wenn eine Stadt durch irgendwelche strafwürdigen Machenschaften um den Ruhm gebracht wurde, einen heimkehrenden Mitbürger als Sieger feiern zu dürfen. Hierfür liefert uns der Fall des Krotoniaten Astylos ein 29

bezeichnendes Beispiel. Er war der Stolz von Kroton; denn er hatte Ol. 73 (488 v. Chr.) in Olympia einen Doppelsieg im Lauf und im Doppellauf errungen. Den gleichen Doppelsieg gewann er Ol. 74 (484 v. Chr.) und Ol. 75 (480 v. Chr.). Aber bei diesen beiden Siegen ließ er sich als Syrakusier ausrufen, dem Gelon zu Gefallen, der kurz vorher (485 v. Chr.) Syrakus in Besitz genommen hatte und seiner neuen Herrschaft durch die Ehre eines olympischen Sieges Ansehen und Bedeutung zu verschaffen bestrebt war. Die Krotoniaten ließen den Astylos diese Verleugnung seiner Vaterstadt schwer entgelten. Nach dem Berichte des Pausa· nias 21 ) haben sie sein Haus in Kroton zu einem Gefängnis herabgewürdigt und das Standbild, das sie zu seinen Ehren im Heiligtum der Hera Lakinia hatten aufstellen lassen, haben sie beseitigt. Die Teilnahme der Vaterstadt bekundete sich zunächst in mehr äußerlichen Ehrungen des Siegers. Seine Ankunft in der Heimat war ein allgemeiner Freudentag. Die ganze Stadt strömte hinaus, um ihn zu begrüßen und ihn im Triumphe nach seinem Hause zu begleiten; sodann gab man ihm jubelnd das Geleite zum Haupttempel der Stadt, wo er den Göttern ein Dankopfer darbrachte und gegebenenfalls das Gelübde erfüllte, dem er seinen Sieg zu danken hatte. Im Auftrag der Stadt wurden von den bedeutendsten Dichtern der Zeit Siegeshymnen auf ihn gedichtet und von Knaben- und Mädchenchören vor den Tempeln oder vor seinem Hause gesungen. Sein Standbild wurde auf einem öffentlichen Platze der Stadt oder in einem Heilig30

tum aufgestellt; es sollte der heranwachsenden Jugend zur Nacheiferung dienen. Dazu kamen dann noch mehr materielle Belohnungen, recht eigentliche Wertpreise. Abgesehen von den von Xenophanes erwähnten Belohnungen kam später auch noch die Verleihung der άτέλεια, d. h. die Befreiung von allen Steuern und Abgaben in Frage. Solon schuf für den Sieger in den olympischen Spielen eine staatliche Belohnung von 500 Drachmen ( = rund 400 M). Daß dieses Beispiel Athens auch in anderen Staaten Nachahmung gefunden hat, darf man wohl annehmen. F ü r die Einstellung Spartas ist es bezeichnend, daß den Olympioniken das Recht verliehen wurde, in der Schlacht neben dem König zu kämpfen und ihn zu schützen. I n den reichen Städten Großgriechenlands und Siziliens nahmen die Ehrungen der Sieger nachgerade überschwengliche Formen an. So erfahren wir von der Heimkehr des Exainetos, der Ol. 71 (496 v. Chr.) in Olympia im Laufe gesiegt hatte, folgendes: Seine Vaterstadt Akragas ließ ihn in einem vierspännigen Wagen in die Stadt einholen; dort wurde er von 300 der vornehmsten Bürger erwartet, deren jeder in einem von zwei weißen Rossen gezogenen Wagen saß. J a bisweilen wurde ein Teil der Stadtmauer eingerissen, um für den Einzug des Siegers einen neuen, bisher nicht benützten Zugang zur Stadt zu schaffen. I n Italien hören wir zuerst davon, daß ein Athlet geradezu als Heros verehrt wird. Herodot 2 2 ) berichtet, daß Philippos, der Sohn des Butakides aus Kroton, 31

der um 520 Olympionike geworden war, nach seinem Tode in Egesta durch Errichtung eines Heroons und durch Sühneopfer geehrt wurde. Heroische Verehrung erfuhr auch Euthymos in Lokroi Epizephyrioi, der in den Ol. 74 (484), 76 (476) und 77 (472) im Faustkampf gesiegt hatte. Es ist klar, daß die hohen Ehren, die den Siegern zuteil wurden, namentlich aber die geschilderten materiellen Vorteile, darunter besonders Wertpreise und Geldpreise, einen großen Anreiz bilden mußten als Wettkämpfer aufzutreten. Daß sich daraus schwere Übelstände entwickeln sollten, werden wir weiterhin sehen. Schon hier aber läßt sich die Behauptung aufstellen: An d e m a l l mählichen V e r f a l l der A t h l e t i k und d a m i t a u c h der o l y m p i s c h e n S p i e l e t r ä g t d i e s e Aussetzung von Wert- und Geldpreisen z u m nicht g e r i n g e n Teil die S c h u l d . Doch z e i g t e sich dies e r s t , a l s die A g o n i s t i k anfing, berufsmäßige Athleten auszubilden. Die Ausbildung der Athleten bestand ursprünglich, um mich eines Ausdrucks von Jüthner zu bedienen, in einem reinen „Naturtraining". Dieses schildert Philostratos in seiner Schrift περί γνμνααΐιχΐ]ς (3. Jahrhundert η. Chr.) c. 43 also: „Unter Gymnastik verstanden die Alten eine wie immer geartete körperliche Übung. Es übten sich aber die einen durch das Tragen schwerer Lasten, die anderen, indem sie in der Schnelligkeit mit Pferden und Hasen wetteiferten oder indem sie dicke Eisenplatten gerade und krumm bogen oder sich mit 32

kräftigen Zugochsen zusammenspannen ließen, schließlich Stiere bändigten oder gar Löwen." Wie d a n n zuerst bei den Spartanern dieses N a t u r t r a i n i n g in eine regelrechte gymnasiale Agonistik umgewandelt u n d diese f ü r die militärische Ausbildung n u t z b a r gemacht wurde, u n d wie dieses Beispiel sehr bald ähnliche Einrichtungen in anderen griechischen S t a a t e n , besonders in Athen veranlaßte, h a b e n wir bereits gesehen. E s handelt sich dabei u m die systematische Heranbildung der J u g e n d in den verschiedenen K a m p f a r t e n ; sie erfolgte in den Gymnasien u n d den Palästren (Ringschulen) durch den παιδοτρίβης, den Turnlehrer, u n d wurde von den Männern im freien Sport zur E r h o l u n g weiter f o r t g e s e t z t . Diese Einrichtungen f ü h r t e n noch u n t e r spartanischem Einfluß zur E i n f ü h r u n g der K n a b e n w e t t k ä m p f e u n d zu einer immer ausgedehnteren Beteiligung von Agonisten a n den olympischen Spielen. Diese großartige E n t f a l t u n g der gymnasialen Agonistik einerseits, die E i n f ü h r u n g neuer u n d schwierigerer K a m p f a r t e n andererseits veranlaßte einen f ü r die G y m n a s t i k äußerst wichtigen Umschwung, der f ü r die Entwicklung der Athletik von grundlegender Bedeutung w a r ; es handelt sich u m den allmählichen Übergang von der N a t u r (¿ni παιδεία d . h. zur Erziehung des Körpers zu Ausdauer u n d Gewandtheit) zur K u n s t (έπί τέχνη &ς δημιουργοί ίσόμενοι / : P l a t o , P r o t a g . 312 Β:/) oder um die U m w a n d l u n g der A g o n i s t i k in die A t h l e t i k . J e mehr sich die einzelnen K a m p f a r t e n kunstgerecht entwickelten, desto umfangreichere 3

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Vorbereitungen Wurden nötig, um allen Kampfregeln gerecht zu werden. Dies gilt besonders für die schweren Kämpfe, den Ringkampf, den Faustkampf und das Pankration; in diesen Kampfarten konnte ein gymnastischer Dilettant mit seiner einfacheren aus der Palästra stammenden Ausbildung einem Gegner gegenüber, der jahrelang alle Kunstgriffe und Vorteile eingeübt hatte, kaum viele Aussicht auf Erfolg haben, während in den Wurfund Sprungübungen, im Lauf und im Pentathlon auch die bisherige kunstmäßig entwickelte Gymnastik ohne langjährige berufsmäßige Trainierung zum Siege führen konnte. Dieser grundlegende Umschwung hat sich selbstverständlich allmählich vollzogen; jedenfalls können wir einen ganz bestimmten Zeitpunkt dafür nicht angeben. Daß aber diese Umwandlung verhältnismäßig früh begonnen haben muß, darauf kann folgende Erwägung führen: Onomastos aus Smyrna, der 01. 23 (688 v. Chr.) den Sieg im Faustkampf als erster in dieser Kampfart gewann, hat den Eleern die Regeln für den Faustkampf aufgestellt, die fortan in Olympia zur Anwendung kamen. Damit ist wenigstens der Beginn einer kunstmäßigen Übung gegeben; denn die Bewerber mußteü sich doch die von Olympia ausgegebenen Regeln vorher aneignen und so wird man allerdings ein noch recht primitives Training schon in dieser frühen Zeit annehmen dürfen. Natürlich, bis zum Aufkommen einer berufsmäßigen Athletik ist noch ein weiter Weg. Man wird bestimmt annehmen können, — und die oben angeführten Beispiele dürften das beweisen 34

— d a ß im ganzen 6. J a h r h u n d e r t u n d noch in der ersten H ä l f t e des 5. J a h r h u n d e r t s die größere Zahl der gymnischen Agonisten aus Leuten bes t a n d , die nicht u m materiellen Gewinn, sondern u m die Ehre k ä m p f t e n , die die Agonistik nicht als ausschließlichen Lebenszweck betrieben, sondern in der H e i m a t auch anderweitig in Krieg und Politik t ä t i g waren. Wie sich d a n n in der zweiten Hälfte des 5. J a h r h u n d e r t s dieses Verhältnis wesentlich geändert h a t , haben wir später zu b e t r a c h t e n . Es f r a g t sich noch, wo das Training f ü r die Agonisten s t a t t f a n d u n d wer es leitete. Darüber geben u n s die schwarzfigurigen Vasen des 6. J a h r h u n d e r t s hinreichenden Aufschluß. Sie führen uns in auffallend großer Zahl Szenen von W e t t k ä m p f e n der verschiedensten A r t vor u n d zwar schmücken diese Bilder fast durchaus panathenäische Preisvasen. D a r a u s können wir einen doppelten Schluß ziehen. Die Beteiligung an den olympischen Spielen m u ß im 6. J a h r h u n d e r t rasch gestiegen sein u n d sich großer P o p u l a r i t ä t erfreut h a b e n ; denn sonst würden nicht auf einmal auf einer Menge von Vasen diese Darstellungen von W e t t k ä m p f e n erscheinen, während vorher auf den Vasen mythologische Bilder aus dem Kreise der Götter u n d Heroen oder festliche Aufzüge, Totenfeiern u. dgl. die Mehrzahl bilden. Zweitens aber ergibt sich daraus, welche B e d e u t u n g Athen damals, n a c h d e m es Sparta abgelöst h a t t e , in der Agonistik gewonnen h a t . Dies h ä n g t auch damit zusammen, d a ß in Athen 588 v . Chr. durch Solon u n d Peisistratos die alten "ΑΟ-^ναια neu geordnet u n d in die Παν3»

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aô-ήναια umgewandelt worden waren. Der Engländer Gardiner 28 ) hat gelegentlich der Beschreibung der einzelnen Kampfarten reichlich ein Dutzend solcher schwarzfiguriger Vasen zusammengestellt, andere Abbildungen finden sich in Baumeisters Denkmälern. Wir sehen da durchaus bärtige Männer sich im Wettkampf üben und unter ihnen mehrfach einen gleichfalls bärtigen älteren Mann, der die Übungen leitet und überwacht; Jugendliche sind nicht darunter. Es handelt sich also nicht um die Gymnastik zur Ausbildung von Knaben und Jünglingen, sondern um die gymnastische Agonistik für künftige Wettkämpfer. Wir werden uns diese Übungen in der Falästra zu denken haben und ihr Leiter wird der παιδοτρίβης gewesen sein, wohl vielfach selbst ein ehemaliger Wettkämpfer, der die Kampfgesetze aus eigener Erfahrung kannte und nur wegen vorgerückten Alters die Beteiligung an den Wettspielen aufgegeben hatte. Dabei muß aber wiederholt eines besondere betont werden: die dargestellten Übungen erstrecken sich noch auf alle Kampfarten, von einer einseitigen Ausbildung etwa nur für die schweren Kämpfe (Ringen, Faustkampf und Pankration) finden wir noch keine Spur. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts Ol. 65 (520 v. Chr.) wurde der W a f f e n l a u f (δ τ&ν όπλιτ&ν δρόμος, auch kürzer ó δπλ(της δρόμος genannt) eingeführt. Erster Sieger in dieser Kampfart war Damaretos aus Heraia in Argos, der in der folgenden Olympiade 66 (516) einen zweiten Sieg in der gleichen Kampfart errang. Pausanias 21 ) berichtet ausdrücklich, daß seine Siegerstatue mit den schwe36

ren Schutzwaffen ausgerüstet gebildet war, und fügt hinzu, daß mit der Zeit diese schweren Waffen beim Lauf wegfielen; auf den zahlreichen Vasenbildern, die den Waffenlauf darstellen, tragen jedenfalls noch 450 v. Chr. die Wettkämpfer nur mehr den Schild am linken Arm, der den Lauf noch genügend erschwerte. An der Stelle, an der Pausanias von der Einführung des Waffenlaufes spricht, erklärt er, nach seiner Ansicht sei die neue Kampfart aufgenommen worden „der Übung für den Krieg h a l b e r " ( P a u s . V , 8, 10 μελέτης,

έμοί δοχεΐν,

ενεχα

τής ¿ς τά πολεμιχά). Das wird wohl richtig sein; denn diese Neuerung wurde durch die wachsende Bedeutung des schwerbewaffneten Fußvolkes hervorgerufen. Der einfache Lauf, das Speerwerfen und der Streitwagen, für die die Gymnastik bisher geübt hatte, hatten keine Bedeutung mehr; infolgedessen bekamen diese Übungen einen rein athletischen Charakter. Man versuchte durch die Einführung des Waffenlaufes der Athletik auf diesem Gebiete ihren praktischen Charakter in militärischer Hinsicht wiederzugeben. Dies ist auch gelungen; denn der Waffenlauf h a t solange bestanden wie die Spiele selbst. Die n ä c h s t e P e r i o d e , das Z e i t a l t e r der P e r s e r k r i e g e (500 — 4 4 0 v. Chr.) f ü h r t n i c h t n u r d i e A t h l e t i k zu e i n e m i d e a l e n S t a n d e m p o r , s o n d e r n in ihr g e l a n g e n a u c h die olympischen Spiele zur h ö c h s t e n Blüte. Wir können an die Spitze unserer Betrachtung den Satz stellen: D e r S i e g b e i M a r a t h o n 4 9 0 v.Chr. wird vor allem der griechischen Agonistik 37

v e r d a n k t . Herodot 25 ) berichtet, die Athener hätten sich, sobald die Opfer günstig waren, im Lauf auf die Barbaren gestürzt und dabei 8 Stadien ( = 2400 Schritte) im Sturmlauf zurückgelegt. Wie die Perser sie in atemloser Hast daherstürmen sahen, hätten sie die Griechen für verrückt gehalten und ihnen sicheren Untergang in Aussicht gestellt, da sie keine Reiterei hatten und keine Schußwaffen führten. Früher hat man diesen Bericht Herodots angezweifelt ; Delbrück hat in seinem Werk über die Perserkriege nachgewiesen, daß eine große, geschlossene Masse, wie sie bei Marathon focht, nicht mehr als 100 bis 150 Schritt im Dauerlauf zurücklegen kann, ohne in Erschöpfung und in Unordnung zu geraten. Aber ein Lauf von 8 Stadien war gar nicht nötig. Denn seitdem der Soros, der Grabhügel der Athener, 1890 aufgedeckt worden ist, weiß man, daß dieser vom Ausgang der athenischen Stellung im Vranatal genau 8 Stadien entfernt ist. Herodot hatte sich offenbar sagen lassen, daß die Athener vom Ausgang des Tales bis zur Stelle des Soros, d. h. bis zum Mittelpunkt der Schlacht, vorgestürmt seien. Die athenische Hoplitenphalanx ließ aber das feindliche Fußvolk bis auf Bogenschußweite herankommen und warf sich dann im Sturmlaufe darauf, um einerseits möglichst rasch den Raum des wirksamen Pfeilschusses zu durchmessen, andrerseits durch die Schnelligkeit der Bewegung ihren Stoß zu verstärken. A b e r a u c h so w a r es ein W a f f e n l a u f e r s t e n R a n g e s , da die g a n z in E r z g e p a n z e r t e n H o p l i t e n a u c h n o c h die s c h w e r e S t o ß l a n z e zu t r a g e n h a t t e n , v o r a l l e m a b e r 38

s e t z t e sein Gelingen v o r a u s , daß die mehr a l s 10 000 a t h e n i s c h e n B ü r g e r a l l e i n d i e ser e r s t e i n e G e n e r a t i o n v o r d e r S c h l a c h t eingeführten Kampfart vollständig trainiert waren. Sobald es dann zum Nahekampf kam, mußten die Athener die Oberhand gewinnen; denn die Perser konnten mit ihren für den Fernkampf berechneten leichten Waffen, den kurzen Spießen und den Dolchsäbeln, die sie neben den Bogen führten, den ganz in Erz gepanzerten Griechen nicht widerstehen. A l s es so i m N a h e k a m p f e M a n n g e g e n Mann ging, da k a m den a g o n i s t i s c h ausg e b i l d e t e n Griechen die Übung in zwei weiteren K a m p f a r t e n z u s t a t t e n , im R i n g k a m p f u n d i m P a n k r a t i o n . Philostratos (περί γνμναϋτιχ^ζ c. 11) sagt ausdrücklich: „Daß Ringkampf und Pankration dem Kriege zu Nutzen erfunden sind, beweist zuvörderst die Kriegstat bei Marathon, die von den Athenern so ausgeführt wurde, daß sie einem Ringkampf nahe kam, zum zweiten die bei den Thermopylen, da die Lakedaimonier, als ihnen die Schwerter und die Lanzen brachen, vielfach mit bloßen Händen arbeiteten." Was hier mit Bezug auf den Kampf in den Thermopylen gesagt wird, geht auf den Bericht Herodots 26 ) zurück. Ich möchte die Vermutung aussprechen, daß Plato solchen Nahekampf im Auge hat, wenn er in seinem Dialog Laches 27 ) die Forderung des Unterrichts in der δπλομαχία, im Kampf mit den schweren Waffen, also begründet : „Ihr (d. h. der δπλομαχία) größter Nutzen zeigt sich erst dann, 39

wenn (in der Schlacht) die Glieder eich trennen und nunmehr der einzelne gegen den einzelnen entweder verfolgend dem sich Verteidigenden zusetzen oder auch fliehend gegen den, der ihn angreift, sich selbst verteidigen soll. Alsdann k a n n wohl nicht leicht der, der dies versteht, von einem bezwungen werden, vielleicht auch nicht von mehreren, sondern er d ü r f t e überall die Oberhand h a b e n . " Auf den Sieg von Marathon folgte ein J a h r z e h n t später der Tag von Salamis und der von F l a t ä ä u n d damit h a t t e griechischer Nationalstolz u n d Freiheitssinn über asiatischen Despotismus u n d asiatische Sklaverei einen Sieg davongetragen, dessen Folge in den nächsten J a h r e n die Befreiung des ganzen griechischen Kleinasien v o m persischen J o c h e war. Man k a n n verstehen, welches nationale Hochgefühl die Griechen erfüllen m u ß t e , n a c h d e m z u m ersten Male seit d e m Beginn der griechischen Geschichte die gemeinsame Gefahr die griechischen S t ä m m e zu gemeinsamer Abwehr zusammengeführt h a t t e . Gleichzeitig, wie die legendarische Überliefer u n g wollte, sogar a m gleichen Tage wie bei Salamis, siegten die Griechen des Westens bei Himera über die K a r t h a g e r u n d r e t t e t e n so auch Siziliens Griechenstädte vor der U n t e r j o c h u n g durch die Barbaren. Allgemein beherrschte die Griechen das Gefühl, d a ß der olympische Geist zu diesen unerh ö r t e n Erfolgen geführt h a t t e , u n d so war die Festfeier der 76. Olympiade (476 v . Chr.) die glänzendste, die Olympia jemals gesehen h a t t e u n d auch nicht wieder sehen sollte. Unvergleichlich m u ß der Augenblick gewesen sein, als Themistokles, Hellas' größter

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Sohn, beim Feste im Stadion erschien und die vieltausendköpfige Menge dem Befreier zujubelte. Den ganzen Tag über, erzählt Plutarch 2 8 ), wandten sie nicht den Blick von ihm, sie vergaßen über ihn die kämpfenden Athleten und klatschten ihm unablässig Beifall, so daß er seinen Freunden gegenüber in stolzem und freudigem Selbstgefühl äußerte, jetzt ernte er die Frucht seiner Bemühungen für die Rettung Griechenlands. Wenn aber Plutarch nach einer anderen Quelle mitteilt, damals habe Themistokles den Antrag in Olympia gestellt, man solle den Herrscher Hieron von Syrakus, der ein Viergespann zum Wettkampfe gesandt und ein prunkvolles Zelt errichtet hatte, von der Teilnahme an den Wettspielen ausschließen, weil er den Griechen in der Zeit der Not keine Hilfe gebracht habe, so ist diese Geschichte rein erfunden; sie ist eine handgreifliche Übertragung vom Auftreten des Lysias in Olympia im Jahre 388 v. Chr., von dem weiter unten die Rede sein wird. Schon durch die Tatsachen wird dieser Bericht widerlegt; denn Hieron errang damals einen glänzenden Sieg mit dem Reitpferd Pherenikos, den Pindar in dem berühmten 1. olympischen Siegeslied verherrlicht hat, und gewann Ol. 77 einen weiteren Sieg mit demselben Reitpferd sowie Ol. 78 einen solchen mit dem Viergespann. Der Vorwurf, der ihm gemacht worden sein soll, ist schon deshalb völlig grundlos, weil er ja 480 durch seinen Sieg über die Karthager bei Himera für die Griechen des Westens gleichzeitig dasselbe geleistet hat wie Themistokles für die Griechen des Mutterlandes. 41

Dem Zeus in Olympia stifteten die Griechen der 31 Staaten, die am Kampfe gegen die Perser beteiligt gewesen waren, eine 10 Ellen ( = ungefähr 4 % m) hohe eherne Bildsäule, die in der Altis aufgestellt wurde und auf deren Basis die Liste jener 31 Staaten ebenso aufgezeichnet war wie auf dem 16 Fuß hohen ehernen Schlangenge winde, das den goldenen, nach Delphi gestifteten Dreifuß trug und das heute noch in Konstantinopel erhalten ist. Auf den beiden genannten Weihegeschenken stand auch der Name der Eleer, trotzdem diese an den Hauptentscheidungen des Krieges nicht teilgenommen hatten ; denn in der griechischen Flotte bei Artemision und Salamis waren die Eleer nicht vertreten und zur Schlacht von Platää kamen ihre Truppen zu spät ; infolgedessen setzten sie es durch, daß ihre Kommandanten bestraft wurden. So kam es, daß allmählich in Elis eine demokratische Strömung gegenüber der bisherigen Regierungsform Platz griff. 472 wurde die Zahl der Hellanodiken auf 10 erhöht, und von da ab aus jeder Phyle immer ein Hellanodike gewählt; dies waren jedenfalls örtliche Phylen, die vielleicht damals erstmals eingerichtet wurden. Im folgenden Jahre 471 kam es zu einem Synoikismos, zur Gründung einer fehlenden Landeshauptstadt, auf die der bisherige Landesname Elis überging, die aber unbefestigt war. Denn die Eleer blieben wie bisher Mitglieder dee peloponnesischen Bundes, wenn sich auch das freundschaftliche Verhältnis zu Sparta etwas lokkerte ; die Eleer vergrößerten nämlich jetzt ihr Gebiet nach Süden hin und unterwarfen eich (wahr42

scheinlich um 457) die Städte Triphyliens, vorerst bis auf Lepreon, das sie abet später auch unter ihre Botmäßigkeit brachten. Zunächst hatten aber die Eleer Olympia nach wie vor in ihrem Besitz und leiteten die Festspiele; unter dem Schutze Spartas konnten sie die Ekecheiria aufrechterhalten. Aber gerade dieser Umstand löst für uns eine wichtige Frage aus. Seit der glücklichen Beendigung der Perserkriege war Athen die erste Macht Griechenlands; ihm vor allem waren die Siege von Marathon und Salamis zu verdanken, kein anderer Staat hatte für die Freiheit Griechenlands die gleichen Opfer gebracht, aber auch kein anderer Staat stellte nach dem Kriege und nach der Begründung des attischen Seebundes eine so bedeutende und umfassende Seemacht dar wie Athen. W a r u m k o n n t e n von j e t z t an n i c h t die P a n a t h e n ä e n zum N a t i o n a l f e s t w e r d e n , w a r u m k o n n t e n i c h t d a s m ä c h t i g e A t h e n d a s unb e d e u t e n d e E l i s in der L e i t u n g des N a t i o n a l f e s t e s a b l ö s e n , zumal es die Schutzmacht Olympias, Sparta, vollständig überflügelt hatte ? Der eine Grund, der das verhinderte, war ein r e l i giöser. Seit urdenklichen Zeiten war die Feststätte des olympischen Zeus ein religiöser Mittelpunkt zunächst der Landschaft Elis und ihrer Nachbarn, dann des Peloponnes; weiterhin verbreitete sich sein Einfluß über Mittelgriechenland und vollends im Zeitalter der Kolonisation gewann dieser religiöse Mittelpunkt einen panhellenischen Charakter; für die Städte Siziliens und Großgriechenlands, aber auch für die Griechen Kleinasiens und der In43

sein war es undenkbar, an die Stelle des Zeuskultus in dem siegerberühmten Olympia den weit unbedeutenderen und jüngeren der Athena treten zu lassen, zumal ihr Fest, die Panathenäen, erst seit 588 v. Chr. infolge der Neuordnung durch Solon und Peisistratos sich zu größerer Geltung entwikkelt hatte. Knüpfte der erste Grund an die Vergangenheit und ihre ehrwürdige Überlieferung an, 60 ergab sich der zweite aus der unmittelbaren Gegenwart; denn er war ein p o l i t i s c h e r . Elis, das das olympische Fest veranstaltete und leitete, war politisch ein unbedeutender Staat; die Beteiligung am Feste stand jedem Griechen offen, ohne daß er zu Elis in einem Abhängigkeitsverhältnis stand oder Gefahr lief, in ein solches zu geraten. Ganz anders war es, wenn das mächtige Athen bei sich ein panhellenisches Fest einrichten und abhalten wollte. Wie sich das ausgestaltet hätte, kann uns die Entwicklung des attischen Seebundes am besten lehren. Für die Griechen des Westens vollends wäre eine solche Suprematie Athene völlig untragbar gewesen, von Sparta ganz zu schweigen. In diesem Zusammenhang gewinnen zwei bei Athenäus erhaltene Historikerfragmente eine ganz besondere Bedeutung. Nach Timäus 29 ) machten die Krotoniaten sogar den Versuch, die olympische Festfeier zu vernichten, indem sie in derselben Zeit für einen Agon reiche Geldpreise aussetzten; er fügt hinzu, andere berichteten dies von den Sybariten. In der Tat entnehmen wir einem weiteren Fragment aus Herakleides Pontikos 80 ), einem Schüler Piatos, daß die Sybariten (also vor 510 v. Chr., 44

wo ihre Stadt zerstört wurde) sich mit der Absicht trugen, den weltberühmten Agon in Olympia in Schatten zu stellen; sie suchten zu der Zeit, zu der die olympischen Spiele gefeiert wurden, durch eine Überfülle von Siegespreisen die Athleten zu sich herüberzulocken. Wenn also die reichen Städte Großgriechenlands sich sogar mit dem Gedanken trugen, die olympischen Spiele zu sich herüberzuverlegen, hätten sie gewiß niemals sich mit einer Verlegung nach Athen zufrieden gegeben. So ist es trotz der Verschiebung der Machtverhältnisse nach den Perserkriegen für weitere Jahrhunderte bis zum Untergang der olympischen Spiele bei der alten Einrichtung geblieben. Für die Entwicklung der Athletik aber bedeutete das Zeitalter der Perserkriege den Höhepunkt. Die dank der agonistischen Ausbildung glücklich gelungene Abwehr der Gefahr mahnte zu Vorkehrungen für den Fall weiterer Bedrohung der Freiheit und Unabhängigkeit und erhob so die Agonistik zu einer nationalen Pflicht. Das Gefühl der Überlegenheit über die verweichlichten und körperlich so wenig widerstandsfähigen Perser war für die Griechen die Quelle nationalen Stolzes und Selbstbewußtseins. Daher stammte die außerordentliche Popularität der athletischen Übungen in den Jahren, die auf die Abwehr der Perser folgten. Wir erschließen sie aus den zahllosen Darstellungen auf den rotfigurigen Vasen in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, die zu gleicher Zeit auch den Vorrang Athens auf diesem Gebiete bekunden. Dabei ergibt sich aber ein nicht leicht zu übersehender Unterschied gegen45

über den Bildern auf den schwarzfígurigen Vasen des 6. Jahrhunderts. Die bärtigen Athleten, die Gestalten reifer Männer sind verschwunden, die blühende Jugend wird uns in ihren Übungen im Gymnasium und in der Palästra vor Augen geführt. Dabei ist besonders zu bedenken^ daß die Ausbildung der Epheben in diesen für die militärischen Zwecke so wichtigen Übungen, von Sparta abgesehen, noch vollständig freiwillig ist. Aber die Jugend aller Altersklassen und Stände drängte sich jetzt dazu und die Wirkung dieser nationalen Bewegung, die die Athletik ergriffen hatte, tritt in den Siegerlisten von Olympia aus diesen Jahrzehnten klar zutage: sie bringen Sieger aus allen Ländern griechischer Zunge von der Kyrenaika an der libyschen Küste im Süden bis nach Thasos im Norden und von Akragas im äußersten Westen bis hinunter nach Rhodos und den kleinasiatischen Küsten im Südosten. Nicht mehr der Adel und das Herrschertum bildeten jetzt eine Schranke für die Beteiligung an den Wettkämpfen, sondern nur der Reichtum; denn Wagenrennen und Pferderennen blieben natürlich denen vorbehalten, die hierfür die erforderlichen großen Geldmittel aufbringen konnten. A b g e s e h e n von der b e i s p i e l l o s e n P o p u l a r i t ä t e r r e i c h t e die A t h l e t i k oder G y m n a s t i k in d i e s e r P e r i o d e i h r I d e a l noch auf z w e i a n d e r e n G e b i e t e n , in der K u n s t u n d in der L i t e r a t u r . In ersterer Hinsicht kann sie überhaupt aus der Entwicklung der Kunst nicht ausgeschaltet werden31). „Man kann es aussprechen, 46

ohne der geringsten Übertreibung sich schuldig zu machen: die griechische Kunst ist nicht denkbar ohne die griechische Gymnastik. Es sind wesentliche, von ihrem Begriff untrennbare Eigenschaften der griechischen Kunst, die sie mit der Gymnastik verbinden." Mag auch die griechische Kunst in ihren Anfängen namentlich die ägyptische zum Vorbild gehabt haben, so zeigen sich schon in den ältesten griechischen männlichen Standbildern, den sog. „Apollines", grundlegende Unterschiede : die ägyptische Kunst kennt keine gymnastisch durchgebildeten Körper, während schon die frühgriechischen Statuen, obwohl sie noch im gesamten Schema von den ägyptischen abhängig sind, doch diesen gegenüber das Ideal der gymnastisch durchgebildeten Gestalt aufweisen, besonders in der straff gespannten Bildung des Leibes, in den gespannten Beinen und den durchgedrückten Knien. Vor allem aber entfernt die archaische Kunst der Griechen sofort von der männlichen Figur jede Hülle, der Schurz der Ägypter fällt und der nackte Körper zeigt sich vollständig in seiner ganzen durch die Gymnastik ausgebildeten Gestalt. Schon daraus läßt sich schließen, daß die Nacktheit bei den Olympischen Spielen weit früher durchgeführt worden ist, als Thukydides annimmt. Der sog. Apollo von' Tenea in der Münchener Glyptothek aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. und die etwas ältere bei den französischen Ausgrabungen in Delphi zutage geförderte ungewöhnlich große Männerstatue des Künstlers Polymedes von Argos (Springer-Wolter s Fig. 371) sind Musterbeispiele der geschilderten Art, 47

die u n s das dorische Ideal männlicher Schönheit zeigen. Sehr bald aber wirkte auf diese älteste griechische K u n s t Olympia entscheidend ein. W e n n m a n diese ältesten nackten Jünglingsgestalten auch als „Apoll o " bezeichnet, so sind es doch meistens Menschenbilder, besonders Bilder Verstorbener, auf ihrem Grab errichtet u n d dort g e f u n d e n ; n u n m e h r a b e r v e r l a n g t O l y m p i a die S i e g e r s t a t u e . W i r k liche, lebensgroße Siegerstatuen kennen w i r z u e r s t a u s O l y m p i a . Der älteste olympische Sieger, dessen Statue noch Pausanias sah, war Eutelidas von Sparta (Ol. 38 = 628 v . Chr.). Doch berichtet er weiterhin, P r a x i d a m a s aus Aigina (Ol. 59 = 544 v. Chr.) u n d Rhexibios aus Opus (Ol. 61 = 536 v. Chr.) h ä t t e n die älteste u n d die Zweitälteste Statue erhalten, was er wohl irgendeiner schriftlichen Nachricht e n t n o m m e n h a b e n wird. Dagegen wird die S t a t u e des Arrhachion, der bei seinem letzten W e t t k a m p f (3. Sieg) u m s Leben gek o m m e n war, wirklich sofort (Ol. 54 = 564 v . Chr.) aufgestellt worden sein. Auch die S t a t u e des Hetoimokles in seiner H e i m a t Sparta, zu der die ungewöhnliche Zahl seiner f ü n f Siege den Anlaß gegeben haben wird, ist wohl zu seinen Lebzeiten (Anf a n g des 6. J a h r h u n d e r t s ) errichtet worden. Manche dieser ältesten S t a t u e n waren aus Holz (ζ. B. die des P r a x i d a m a s aus Feigenholz) u n d verfielen verhältnismäßig f r ü h d e m U n t e r g a n g ; jedenfalls lassen die Nachrichten darauf schließen, d a ß d i e E r r i c h t u n g von S i e g e r s t a t u e n in O l y m p i a e r s t v o m l e t z t e n V i e r t e l d e s 6. J a h r h u n 48

d e r t s a n h ä u f i g e r g e w o r d e n i s t , d. h. v o n der Z e i t a n , a l s der E r z g u ß s i c h v e r b r e i t e t e , als dessen Erfinder Rhoikos und Theodoros von Samos (um 600) bezeichnet werden, u n d a l s sich im Peloponnes b e d e u t e n d e Erzgießers c h u l e n e n t w i c k e l t e n . Jetzt erhielt die Altis von Olympia ihr charakteristisches Gepräge durch die Unzahl eherner Siegerstatuen, die neben anderen Weihgeschenken in dichter Menge die Tempel umstanden. Allen dorischen Meistern des Erzgusses war es eine Ehre und auch ein besonderer Ehrgeiz, für olympische Sieger zu arbeiten oder die Heiligtümer der Feststätte mit Anathemen zu schmücken, kurz, die Geschichte der Siegerstatuen und Anatheme wird im 5. Jahrhundert geradezu zu einer Geschichte der griechischen Plastik. Zu den Künstlern von Argos (Hageladas, Aristomedon, Glaukos und Dionysios) und Aigina (Onatas, Glaukias, Simon und Theopropos) gesellen sich die Attiker Myron und Kaiamis und Pythagoras von Samos. Dazu kommen in Perikles' Zeit noch die ganz großen Meister Pheidias mit seinen Schülern Alkamenes und Agorakritos und Polyklet mit seinem jüngeren Bruder Naukydes. Die Zahl der überhaupt in Olympia aufgestellten Siegerstatuen läßt sich nicht mehr feststellen. Pausanias erwähnt 192, von denen 40 durch Inschriftenreste bezeugt sind ; 63 Inschriften von Sieger Statuen, die Pausanias nicht erwähnt, sind bei den Ausgrabungen weiterhin gefunden worden. Danach hat man schätzungsweise die Zahl 500 errechnet. Doch ist diese Rechnung unsicher; denn obwohl der 4

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olympische Sieger das Recht hatte, für mehrere Siege auch mehrere Statuen aufzustellen, so ist das gewiß nicht oft geschehen, j a viele Sieger hatten überhaupt keine Statue. Andrerseits ist anzunehmen, daß zur Zeit des Pausanias im 2. Jahrhundert n. Chr. schon von den älteren, künstlerisch wertvollen Statuen gar manche aus Olympia weggeführt worden waren, die also nicht mehr erwähnt werden konnten und von denen wir auch keine Inschriften haben. Schließlich mögen hier noch zwei wichtige Bestimmungen bezüglich der Siegerstatuen in Olympia erwähnt werden, auf deren Einhaltung die Hellanodiken genau zu achten hatten. Das erste Gesetz 32 ) verbot, überlebensgroße Statuen von Siegern aufzustellen, offenbar um einen Unterschied gegenüber den Götterstatuen einzuhalten. Nach dem zweiten von Plinius 33 ) erwähnten Gesetze durfte ein Olympionike erst nach dem 3. Siege eine Porträtstatue von sich aufstellen. Olympia selbst steht in dieser Periode seiner glanzvollsten Zeit geradezu im Mittelpunkt künstlerischer Tätigkeit. Im Laufe des 6. Jahrhunderts war die Bautätigkeit in Olympia gegenüber anderen Kunststätten Griechenlands noch ganz zurückgetreten. Nur zu den älteren Schatzhäusern von Kyrene und Gela waren weitere, so die der Sikyonier und Megarer, sowie das von Sybaris (vor 510) hinzugekommen; denn die reichen griechischen Städte mußten eben ihre kostbaren Weihegeschenke in solchen besonderen Bauten, daher Schatzhäuser (d-ijactVQoC) genannt, niederlegen, weil es andere Mög50

lichkeiten in Olympia noch nicht gab. Diese meist im dorischen Stil errichteten Gebäude hatten die Form eines einfachen Antentempels. Jetzt aber, im Zeitalter der Perserkriege, entwickelte sich eine großartige Kunsttätigkeit; abgesehen von der Menge der Weihgeschenke und Siegerstatuen steht der große Zeustempel im "Vordergrund; er wird dem politischen Aufschwung Olympias infolge des schon geschilderten Synoikismos und der Unterwerfung Triphyliens verdankt; denn die Beute aus diesen Kämpfen verwendeten die Eleer zum Bau des Zeustempels, der spätestens gegen Ende 456 v. Chr. vollendet worden ist und der mit seinem Skulpturenschmuck in den Giebeln und Metopen den Charakter dieser Zeit besonders deutlich widerspiegelt; denn diese mythologischen Szenen schildern den Kampf Griechenlands gegen das Barbarentum und den Triumph des agonistischen Trainings über rohe und ungeschulte Kräfte. So ist dieser berühmteste Zeustempel Griechenlands in Wahrheit ein Nationaldenkmal der Perserkriege geworden. Gegen die Mitte des 5. Jahrhunderts wurde auch das Buleuterion vollständig ausgebaut, dessen Nordflügel wohl schon dem 6. Jahrhundert angehört. Stadion und Hippodrom erhielten ihre Ausgestaltung. Außer dem Buleuterion wurden noch andere Amtsgebäude errichtet, im Norden das Prytaneion (nordwestlich vom Heratempel), im Südosten der wahrscheinlich als Amtslokal der Hellanodiken dienende Bau; auch die Erbauung der ältesten Anlage des Theokoleons, der Priesterwohnung, setzt man noch in das 5. Jahrhundert. 4«

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Die Athletik auf der Höhe ihrer Entwicklung hat nicht nur die Kunst, wie wir sahen, entscheidend beeinflußt, sondern auch in einem wichtigen Punkte die griechische Literatur. Sie gab Veranlassung zur Schöpfung einer eigenen Gattung der Chorlyrik, des Epinikions oder Siegesliedes. Diese ist vertreten durch die drei Dichter Simonides von Keos (556—468), seinen Schwestersohn Bäkchylides von Keos (um 505—450) und den großen Pindar (518—442). Yon den Siegesliedern des Simonides haben wir nur geringere Fragmente, doch läßt sich daraus ersehen, daß er gerade nicht zur Erhöhung des Ansehens der Poesie beitrug, da er sein Talent in den Dienst aller stellte, die es verlangten und bezahlen konnten; denn er betrachtete es als selbstverständlich, sich für seine Gedichte honorieren zu lassen. Eines der Fragmente ist besonders charakteristisch. Simonides hat ein Epinikion auf den Periodoniken Glaukos aus Karystos auf Euböa gedichtet, den berühmtesten Faustkämpfer seiner Zeit, der 520 v. Chr. zu Olympia im Faustkampf siegte. In diesem Epinikion stellt er den Glaukos über die vergötterten Heroen Polydeukes und Herakles 34 ). Schon Lukian hält sich darüber auf, daß die Zeitgenossen den Simonides nicht verurteilt hätten für den Frevel, den er damit an den Göttern begangen habe (ώς άαεβοϋντα περί τόν enuivov), und der Engländer Jebb bemerkt in seiner Ausgabe des Bakchylides, eine solche Sprache würde dem Dichter Alkman, dem Vater der Chorlyrik, der der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts angehörte, wie eine Gotteslästerung ge52

klungen haben 35 ). Aber diese Stelle ist bezeichnend für die grenzenlose Bewunderung, welche ein berühmter Athlet in dieser Zeit genoß, woran jedoch der Dichter mit die Schuld trägt, der den Glaukos sogar noch ü b e r Polydeukos und Herakles zu stellen wagt. — Von Bakchylides, der selbst aus einer Athletenfamilie stammte, haben wir zwar seit 1896 durch Papyrusfunde 14 vollständige Epinikien erhalten, darunter 4 auf Olympioniken, aber er reicht an Pindar weder an Originalität und Tiefe der Gedanken, noch an Großartigkeit der Diktion heran, so daß wir aus ihm über die Verhältnisse der Athletik wenig lernen können. — Anders ist das bei Pindar. Er ist durch und durch Aristokrat ; seine Heimatstadt Theben, die gegenüber den Persern eine zweifelhafte Rolle gespielt hatte und diese Verirrung politisch hatte schwer büßen müssen, konnte ihm keine nationale Anregung geben, aber er benützte den panhellenischen Charakter der Festspiele und trat durch die Verbindungen, die sie ihm verschafften, in Beziehung zu den vornehmen Adelsgeschlechtern, wie den Diagoriden in Rhodos, zum Herrscher Arkesilas von Kyrene, zu König Alexander von Mazedonien und besonders zu den fürstlichen Höfen des Theron von Akragas und des Hieron von Syrakus, deren Sieg mit dein Wagen und dem Rennpferd er in berühmten Epinikien feierte; den Periodoniken Diagoras von Rhodos verherrlichte er in seinem 7. olympischen Siegeslied. Dieses wurde von den Rhodiern mit goldenen Buchstaben aufgeschrieben und im Tempel der Athene zu Lindos aufbewahrt. Diese Preislieder wurden 53

natürlich nicht bei der Verkündigung des Sieges in Olympia, sondern erst beim feierlichen Einzug des Siegers in seine Heimatstadt gesungen oder unmittelbar danach beim Tempelgang oder dem Festmahl. Pindar, der regelmäßig den Festspielen in Olympia beigewohnt haben wird, ging mit den Siegern, wie ζ. B. mit Diagoras von Rhodos, in ihre Heimat, um selbst die Aufführung des Festchores zu leiten. So hat er um 476 auch die Könige Theron und Hieron in Sizilien besucht. Bestellt wurden seine Siegeslieder von dem Sieger selbst oder eeinen Freunden und Verwandten oder seiner Vaterstadt. Der Dichter erhält dafür ein Honorar und findet dies selbstverständlich. Damit ist aber auch eine Grenze gegeben für die Kreise, auf die sich Pindars Epinikien beschränkten. Wie stellt sich nun Pindar zur Athletik? Er hat eine hohe Auffassung von ihr. Voraussetzung sind Stärke und Schönheit, Gaben der Götter, die besonders den alten Adelsgeschlechtern verliehen werden; diese Gaben verpflichten aber den einzelnen, sie zu entwickeln ; den herrlichen Naturanlagen müssen auch herrliche Taten entsprechen. Dazu gehört Mut und Ausdauer, aber auch Geschicklichkeit und diese kann nur erworben werden durch fortwährende Übung unter der Leitung eines erfahrenen Lehrers, also eines Trainers. Als einen solchen rühmt Pindar den Athener Menander, damit aber weist er schon hinüber in die folgende Periode. Pindars Lebensende fällt zusammen mit dem Ende des Zeitalters der Perserkriege, in dem die Athletik und die Olympischen Spiele auf den Höhe54

punkt ihrer Entwicklung gelangt sind. Pindar starb 442 v. Chr. ; wenige Jahre vorher (446 v. Chr.) dichtete er sein letztes Siegeslied, das 8. pythische auf Aristomenes von Aigina und d a m i t v e r s c h w i n det diese G a t t u n g a u s der L i t e r a t u r ; denn daß wir von Euripides ein Epinikion auf den Wagensieg des Alkibiades aus dem Jahre 416 kennen, ist ein purer Zufall, durch persönliche Verhältnisse herbeigeführt und ohne Bedeutung für die allgemeine Entwicklung. Die n e u e P e r i o d e , die wir von 440 bis 338 v. Chr. a n s e t z e n , i s t b e r e i t s ein Zeita l t e r des V e r f a l l e s , an dem die A t h l e t i k die S c h u l d t r ä g t . Wohl hatte die gewaltige Steigerung der Zahl der Bewerber um den Siegeskranz der Athletik in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts einen starken Auftrieb gegeben, aber darin lag schon der Keim einer Gefahr; denn nirgends ist Übertreibung und Überspannung gefährlicher als auf dem Gebiete der Athletik. Treffend hat das Gardiner36) in folgendem Satz ausgedrückt : „Übert r e i b u n g in der A t h l e t i k r ä c h t sich d u r c h d a s S p e z i a l i s t e n t u m , das S p e z i a l i s t e n t u m a b e r e r z e u g t den P r o f e s s i o n a l i s m u s , das g e w e r b s m ä ß i g e A t h l e t e n t u m , und der Prof e s s i o n a l i s m u s i s t der Tod j e d e s e c h t e n Sports." Unmittelbar nach den Perserkriegen machte man angesichts des Zudrangs von Bewerbern zu den Wettkämpfen die Entdeckung, daß eine hervorragende Leistung in irgendeiner einzelnen Kampfart nur gesichert werden könne durch ein ganz 55

spezielles Training und durch eine ganz 6pezielle Diät. Während das frühere Training, gleichmäßig für alle Kampfarten, eine harmonische Ausbildung des ganzen Körpers erzielt hatte, bewirkte das neue Training, das sich ausschließlich auf eine einzelne Übung erstreckte, eine vollkommen einseitige Entwicklung einzelner Körperteile. In humoristischer Form läßt Xenophon den Sokrates als Freund der Leibesübungen erklären, er werde tanzen; denn beim Tanze bleibe kein Teil des Körpers unbeschäftigt, sondern zu gleicher Zeit würden Hals und Nacken, die Beine und die Hände und Arme geübt. Wie nun alle über seinen Vorsatz lachen, da fragt er, ob sie etwa darüber lachten, daß er seinen Körper durch gymnastische Übungen gesund erhalten wolle, statt zu essen und zu schlafen oder darüber, daß er nach derartigen Übungen verlange, statt wie die Schnelläufer die Beine kräftig zu entwikkeln, die Schultern aber mager werden zu lassen oder wie die Faustkämpfer die Schultern kräftig zu entwickeln, die Beine aber dünn zu machen, daß er also mit dem ganzen Körper arbeite, um ihn so in allen seinen Teilen gleich leistungsfähig zu machen37). Wie schon oben bemerkt, erschien ein kunstmäßiges Training vor allem für den Ringkampf, den Faustkampf und den Faustringkampf, das Pankration, notwendig, da in diesen Kampfarten ein gymnastischer Dilettant einem Gegner gegenüber kaum mit Erfolg auftreten konnte, der jahrelang alle Kampfregeln genau eingeübt hatte. Daher bildeten die genannten schweren Kampfarten fortan den Mittelpunkt der Athletik; 56

ihre Vertreter waren die eigentlichen athletischen Typen. Aus dieser Umgestaltung der Verhältnisse heraus entwickelte sich ein ganz neuer Stand, der des berufsmäßigen Trainers. Gewöhnlich waren es ältere Athleten, die während ihres eigenen Trainings und bei ihrem öfteren Auftreten als Wettkämpfer sich die nötigen Erfahrungen gesammelt hatten. Daß ihr Unterricht für den Erfolg des Athleten ausschlaggebend war, geht schon daraus hervor, daß die Epinikiendichter Bakchylides und Pindar zugleich mit dem Sieger seinen Trainer rühmend nennen, so namentlich den Menandros aus Athen. Für den Trainer war früher der Ausdruck παιόοτρ(βης üblich, den man gewöhnlich mit „Turnlehrer" widergiht ; bei Plato taucht zuerst der Name γυμναστής, Gymnast, auf, dessen Einführung Galen mit dem Aufkommen der Berufsathletik verknüpft; es muß aber schon vor Plato solche berufsmäßige Trainer gegeben haben. Die Bezeichnung wird auf den Erfinder der wissenschaftlichen Leibespflege und Heilgymnastik, Herodikos von Selymbria, den Lehrer des Hippokrates, zurückgeführt, der sich selbst diesen Namen beilegte, als er wegen Kränklichkeit das Amt eines Paidotriben aufgeben mußte und seine neue Heilmethode zu erproben begann. Gymnastes wurde fortan ein Trainer genannt, der die Fähigkeit besaß, nicht nur die körperlichen Verhältnisse der angehenden Athleten zu beurteilen, sondern auch in diätetischer Beziehung das Training zu leiten. Insbesondere war die Aufmerksamkeit der Trainer auf die Lebensweise und namentlich 57

auf die N a h r u n g s a u f n a h m e ihrer Zöglinge gerichtet. Philostratos h a t in dieser Hinsicht einst und jetzt deutlich nebeneinander gestellt (περί γυμναστικές^) : „ M a n badete in Flüssen u n d Quellen u n d war gew o h n t auf der Erde zu schlafen, teils auf H ä u t e n hingestreckt, teils auf Lagerstätten aus Heu von den Wiesen. Als Speise diente ihnen Gerstenbrot u n d aus Kleienmehl hergestelltes ungesäuertes Weizenbrot und sie salbten sich mit Öl v o m wilden Ölbaum. D a h e r blieben sie bei den Übungen gesund und pflegten spät zu altern. Sie beteiligten sich bald acht, bald n e u n Olympiaden (Übertreibung!) lang an den W e t t k ä m p f e n , waren zu schwer e m Waffendienst geeignet u n d k ä m p f t e n u m die Mauern, auch hierin keineswegs ohne Erfolg, den Krieg als V o r ü b u n g f ü r die Gymnastik, die Gymnastik als Vorübung f ü r den Krieg b e t r a c h t e n d . " D a n n f ä h r t Philostratos f o r t : „Als hier aber ein Umschwung e i n t r a t und aus den K ä m p f e r n militärisch Untaugliche, aus T a t k r ä f t i g e n Träge, aus Abgehärt e t e n Weichlinge geworden waren u n d die sizilische Schlemmerei überhand n a h m , da t r a t E n t n e r v u n g auf den Sportplätzen e i n . " D a m i t k o m m e n wir in die zweite H ä l f t e des 5. J a h r h u n d e r t s u n d in das 4. J a h r h u n d e r t . Vorher war die Nahrungsweise der Athleten durch keinerlei Vorschriften geregelt. Dies ergibt sich schon daraus, d a ß die E i n f ü h r u n g der Fleischkost im 5. J a h r h u n d e r t zwei P r i v a t leuten zugeschrieben wird, dem Dromeus von Stymphalos, der Ol. 80 u. 81 (460 u. 456 v . Chr.) im Langlauf zu Olympia siegte, u n d d e m P y t h a goras aus Samos, dem Trainer des Eurymenes aus

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Samos, der etwa u m dieselbe Zeit im F a u s t k a m p f siegte. Diese E i n f ü h r u n g der Fleischkost war eine bedeutsame Änderung. Sie schuf nämlich einen künstlichen Unterschied zwischen dem Leben eines berufsmäßigen Athleten u n d dem eines gewöhnlichen Griechen, der Fleisch n u r sparsam u n d n u r als Leckerbissen aß. J e t z t wurde f ü r die Athleten die άναγκοφαγ(α oder Zwangsdiät eingeführt, die in systematischer Ü b e r f ü t t e r u n g insbesondere mit Fleischnahrung bestand, wodurch die Körperfülle erreicht wurde. Die Athleten erschienen f o r t a n als die starken Esser, so d a ß die sprichwörtliche Redensart entstand „essen wie ein Ringer". Das systematische Training b e s t a n d in dieser überkräftigen N a h r u n g s a u f n a h m e , entsprechendem Schlaf u n d den Leibesübungen; dadurch sollte das „athletische Wohlbefinden" (ή ¿ίχρον εϋε'ξία) erzielt werden, das in möglichst starker Muskel- u n d Fleischentwicklung bei allgemeiner Gesundheit bes t a n d . E s stellte sich aber bald heraus, d a ß bei dieser Lebensweise keine feste u n d dauernde, sondern eine sehr schwankende Gesundheit sich ergab; denn jede Änderung von der bis ins einzelne ausgetüftelten Lebensweise h a t t e f ü r die Gesundheit nachteilige Folgen u n d vor allem fehlte die Abh ä r t u n g . Wohl vermochten die so trainierten Athleten erfolgreich als Ringer oder Boxer aufzutreten, aber f ü r einen bürgerlichen Beruf, namentlich f ü r den Kriegsdienst waren sie meist gänzlich untauglich. Natürlich wurde durch die einseitige Körperausbildung auch die ganze äußere Erschein u n g der Athleten ungünstig b e e i n f l u ß t ; die über59

mäßige Entwicklung der Muskeln und des Fleisches führte zu einer massigen, schweren, strotzenden Körperfülle, die zu dem griechischen Gefühl für männliche Körperschönheit im krassesten Widerspruch stand. W i e stellte sich nun die Umwelt zu dieser unerfreulichen Erscheinung ? Athenäus h a t uns in einem F r a g m e n t aus dem D r a m a Autolykos das Urteil eines Z e i t g e n o s s e n , des Euripides, erhalt e n ; einen größeren K o n t r a s t als den dieser scharfen Angriffe a u f die Athletik zu dem gleichfalls zeitgenössischen, oben analysierten Urteil des X e n o phanes aus dem 6. J a h r h u n d e r t kann man sich k a u m denken. Schlimmes l ä ß t schon der oft zitierte Einleitungssatz erwarten 3 8 ) : „ U n t e r den zahllosen Übeln, die es in Griechenland gibt, ist nichts schlimmer als die Zunft der A t h l e t e n . " Nun folgt die Begründung: „Diese L e u t e haben erstlich nicht gelernt richtig zu leben und wären dazu auch gar n i c h t imstande. Denn wie könnte ein Mann, der ein Sklave seines Gaumens und ein K n e c h t seines Bauches ist (άρήρ yvá&ov τε δοϋλος νηδύος ^ήασημένος) einen Wohlstand erwerben, der den seines Vaters übertrifft ? Aber auch von der Arbeit zu leben und sich in ihr Schicksal zu fügen sind sie nicht imstande. Denn ein herrliches Leben gewohnt, tun sie sich h a r t , wenn sie in eine Notlage geraten. Solang sie j u n g sind, stolzieren sie glänzend als ein Schmuck ihrer S t a d t einher, wenn aber das bittere Alter über sie k o m m t , dann lassen ihre schäbigen Mäntel die F ä d e n auf und davon fliegen." Nach diesem vernichtenden Urteil über das B e -

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rufsathletentum rechnet Euripides aber auch ab mit der törichten Überschätzung dieses Athletentums durch die große Menge. „Ich muß den Brauch der Griechen tadeln, die um solcher Leute willen Festversammlungen veranstalten und ihnen Ehren erweisen; denn was hat je ein Ringer, ein Schnelläufer, ein Diskoswerfer oder ein Faustkämpfer dadurch seiner Vaterstadt genützt, daß er den Siegeskranz gewann ? Werden diese Leute etwa mit dem Diskos in der Hand gegen die Feinde kämpfen oder werden sie ohne Schild bloß durch Dreinschlagen die Feinde aus ihrem Vaterlande vertreiben ? Nein, wo das Schwert in der Nähe ist, wird keiner von ihnen so dumm sein, stehen zu bleiben. Also sollte man kluge und tüchtige Männer39) mit dem Ölzweig bekränzen, den sowohl, der maßvoll und gerecht die Geschicke der Stadt leitet wie den, der durch seine Reden schlimme Dinge fernzuhalten versteht, indem er äußere Kämpfe und innere Unruhen beseitigt. Solche Taten sind herrlich für jede Stadt und für alle Griechen." Damit berührt Euripides einen wunden Punkt, der hier gleich hervorgehoben werden soll : die blinde Bewunderung der großen Menge für die Berufsathleten bei den olympischen Spielen hat unentwegt fortgedauert bis spät in die römische Kaiserzeit hinab. Die einsichtsvollen Kreise dagegen lehnten sie ab, vor allen die Philosophen. Von der Stellung des Sokrates zur Athletik war schon die Rede ; Plato lehnt, offenbar seinem Lehrer Sokrates folgend, die Berufsathletik vollständig ab ; 61

er erklärt 4 0 ) : „Die Lebensweise der berufsmäßigen Athleten bringt großes Schlafbedürfnis mit sich u n d ist bedenklich f ü r die Gesundheit. Oder siehst d u nicht, daß diese Ringer ihr Leben verschlafen u n d bei der geringsten Abweichung von der verordneten Lebensweise in schwere und heftige Krankheiten verfallen." Dabei ist aber Plato ein begeisterter Freund der reinen Erziehungsgymnastik, nur m u ß diese gebührend Rücksicht nehmen auf die geistige Schulung und m u ß die Ausbildung zur Wehrhaftigkeit i m Auge behalten. Aristoteles 4 1 ) verwirft gleichfalls eine einseitige athletische E r ziehung u n d verlangt vor allem eine Anpassung des Ausmaßes der Übungen an das Lebensalter; n a m e n t lich soll die J u g e n d bis zur Mannbarkeit geschont werden. Besonders entschieden haben d a n n weiterhin die K y n i k e r u n d die Stoiker die Berufsathletik abgelehnt und so wohl am meisten zur Herabwürdigung des rein athletischen Sports beigetragen. Die schädlichen Folgen, die der j ä h e Verfall der Athletik zeitigte, m a c h t e n sich vor allem in der Gymnastik selbst geltend. I n der zweiten Hälfte des 5. J a h r h u n d e r t s zeigt sich ein bedeutender Rückgang in der Beteiligung an den gymnastischen Übungen und am athletischen Sport. Man k a n n dies schon an der populären K u n s t der Vasenmalerei b e o b a c h t e n ; während auf den rotfigurigen Vasen der Zeit der Perserkriege die Leibesübungen der Jünglinge in den Palästren immer wieder dargestellt werden und den beliebtesten Stoff bildeten, hört dies u m 440 v . Chr. auf einmal auf. Wohl wird die Palästra als Lokal genau geschildert, wo· 62

f ü r die a n der W a n d h ä n g e n d e n Ü b u n g s g e r ä t e charakteristisch sind, aber die J ü n g l i n g e w i d m e n sich n i c h t d e n Ü b u n g e n , sondern s t e h e n m ü ß i g h e r u m u n d u n t e r h a l t e n sich u n d vor allem sind sie bekleidet. W e n n m a n b e d e n k t , d a ß in d e n Vasenf a b r i k e n der Zeit auf d e n Geschmack des P u b l i k u m s R ü c k s i c h t g e n o m m e n werden m u ß t e , so liefert u n s die B e o b a c h t u n g dieses W a n d e l s i n der Vasenmalerei einen deutlichen Beweis f ü r d a s Nachlassen der Beteiligung a n den rein g y m n a s t i s c h e n Ü b u n g e n . K o n n t e doch ein n u r in der P a l ä s t r a ausgebildeter j u n g e r M a n n es m i t d e n durch ausgeklügeltes Train i n g v o r b e r e i t e t e n B e r u f s a t h l e t e n i m eigentlichen W e t t k a m p f n i c h t m e h r m i t Aussicht auf E r f o l g a u f n e h m e n . E i n gutes Bild der n e u e n Z u s t ä n d e i n A t h e n b i e t e t u n s der R e d e k a m p f des δίκαιος u n d des άδι,χος λόγος in der zweiten B e a r b e i t u n g d e r Wolken des Aristophanes 4 2 ) (um 446 bis u m 385). D e r g u t e n a l t e n E r z i e h u n g stellt er die n e u e g e g e n ü b e r : s t a t t in die P a l ä s t r a zu d e n Ü b u n g e n gehen die J ü n g l i n g e in die B a d e a n s t a l t e n , die j e t z t T r e f f p u n k t e der feinen Welt w u r d e n , sie t r e i b e n sich m ü ß i g a u f d e m M a r k t h e r u m oder sie f a n g e n allerlei Liebeshändel an. D e n K e r n p u n k t des Gegensatzes zwischen einst u n d j e t z t bildet V . 985 u n d 986 4 3 ), wo der Dichter z u m Lob der a l t e n Zeit der Perserkriege a u s r u f t : „ A b e r das sind j e n e E i n r i c h t u n g e n , d u r c h die unsere E r z i e h u n g die Marat h o n k ä m p f e r h e r a n b i l d e t e " , zugleich ein Beweis d a f ü r , d a ß die Griechen d e n Sieg bei M a r a t h o n auf die d a m a l s i n B l ü t e stehende G y m n a s t i k z u r ü c k führten. 63

Das Überwiegen der Berufsathletik nahm bald einen wesentlichen Einfluß auf das Milieu der Wettkämpfer und hatte so eine unerfreuliche Wirkung auf die Olympischen Spiele seihst. Die Abwendung der besseren Kreise von der Athletik rief die Männer aus den ärmeren und weniger fortschrittlichen Landschaften Griechenlands auf den Plan, aus Thessalien und vor allem aus dem Bergland von Arkadien. Die vielen Möglichkeiten des Wettbewerbs im K a m p f der Knaben und Männer boten dem berufsmäßig ausgebildeten Faustkämpfer und Ringer schon vom jugendlichen Alter an Aussicht auf materiellen Gewinn und verlockten so die armen, aber gesunden und kräftigen Leute aus den genannten Gebieten selbst bei den großen Festspielen nach einem sorgfältigen Training als Bewerber um den Sieg aufzutreten. Freilich gehörte zu dieser Ausbildung Zeit und Geld. Zeit hatten die Leute j a und das Geld borgte ihnen, wie wir sehen werden, nötigenfalls der Gymnast auf ihren künftigen Sieg. Die reichen und vornehmen Kreise aber beschränkten sich fortan auf das Wagenrennen und das Pferderennen, die sich in dieser Periode der größten Beliebtheit erfreuten. So entstand in Olympia eine tiefe Kluft zwischen den Kämpfern selbst ; hierfür ist nicht leicht etwas bezeichnender als die Äußerungen des Isokrates 4 4 ) (397 v. Chr.) über den mehrfachen olympischen Wagensieg des reichen Alkibiades 416 v. Chr. : „Obwohl Alkibiades so gut wie nur irgendeiner von der Natur dazu befähigt und kräftig war, verachtete er doch die gymnischen Wettkämpfe,

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da er wußte, daß gar manche Athleten von niederer Herkunft waren und unansehnliche Städte bewohnten und eine ganz geringe Bildung besaßen, und verlegte sich auf die Pferdezucht, was doch nur eine Sache der Reichsten ist — ein armer Tropf könnte so etwas nicht unternehmen — und hat so nicht nur seine Gegner übertroffen, sondern auch alle, die jemals einen Wagensieg gewonnen haben." Auch die politischen Verhältnisse während des unseligen peloponnesischen Krieges und unmittelbar nach diesem wirkten nachteilig auf die Athletik sowohl wie auf die Beteiligung an den olympischen Spielen. Im Laufe des Krieges verfeindeten sich die Eleer infolge ihrer kurzsichtigen Politik mit Sparta; dies führte zu einem mehrmaligen Einfall der Spartaner unter König Agis in Elis um 400 v. Chr., wobei die Eleer die Hälfte ihres Gebietes einbüßten, doch blieb Olympia in ihrem Besitz. Von da ab mußten sie, wenn auch widerwillig, wieder die Bundesgenossenschaft mit Sparta aufnehmen. Erst durch die Schlacht bei Leuktra (371) erlangten sie nicht nur ihre Unabhängigkeit sondern auch den größten Teil des 399 verlorenen Gebietes wieder. Sie stellten dem Epaminondas Truppen bei seinen drei ersten Zügen in den Peloponnes, dann aber verfeindeten sie sich 365 v. Chr. mit den Arkadern, die in E l i s e i n f i e l e n u n d s i c h O l y m p i a s b e m ä c h t i g t e n , wo s i e den K r o noshügel befestigten. Drei J a h r e hindurch (365—363) b l i e b O l y m p i a im B e s i t z e der A r k a d e r . J a diese bereiteten sich vor, gemein5

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sam mit den Pisaten die Olympiade 364 v . Chr. zu feiern; u m diese Schmach abzuwenden, r ü c k t e n die Eleer i m Bunde mit Achäern gegen das Heiligt u m ; es k a m a n der F e s t s t ä t t e zum K a m p f ; die Eleer drangen bis zum großen Aschenaltar des Zeus in der Mitte der Altis vor, wurden aber von den Arkadern, die sich in den Gebäuden ringsum festgesetzt h a t t e n , zurückgeschlagen und gaben den K a m p f auf. D i e n u n m e h r v o n d e n A r k a d e r n und Pisaten gefeierte Olympiade wurde v o n den E l e e r n als n i c h t r e c h t m ä ß i g („Anolympias") betrachtet und daher auch n i c h t aufgezeichnet. Die A r k a d e r waren n u n die u n b e s c h r ä n k t e n H e r r e n O l y m p i a s u n d b e n ü t z t e n die heiligen S c h ä t z e , um d a m i t d a s s t e h e n d e B u n d e s h e e r zu b e s o l d e n . Doch t r a t bald ein Umschwung ein, d a die Bundesversammlung beschloß, auf die Benützung der heiligen Schätze zu verzichten, mit Elis Frieden zu schließen u n d ihm Olympia und die Pisatis zurückzugeben. Während der folgenden J a h r z e h n t e wechseln in Elis K ä m p f e zwischen den Aristokraten und Demok r a t e n a b ; schließlich h a t t e n die Oligarchen die Oberhand u n d w a n d t e n sich der aufgehenden Sonne Philipps von Makedonien zu ; sie t r a t e n in ein festes Bündnis zu Philipp, das f ü r den König wegen des Einflusses auf Olympia von besonderem Werte war. Doch leisteten die Eleer Philipp vor der Schlacht bei Chäronea keinen Zuzug; als er aber nach dieser Schlacht i m Peloponnes erschien, schlossen sie sich i h m rückhaltlos an und n a h m e n mit ihren T r u p p e n

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am Zug gegen Sparta teil. Ihre Delegierten erschienen auf der Tagsatzung von Korinth und Elis trat in den von Philipp gestifteten hellenischen Landfriedensbund ein. Noch hatte Olympia im abgelaufenen Zeitalter seinen panhellenischen Charakter bewahrt. Wiederholt traten dort Redner auf, welche die Griechen eindringlich mahnten, von den Streitigkeiten untereinander abzulassen und ihre Kräfte zum Kampfe gegen die Barbaren zusammenzuschließen. Das war während des peloponnesischen Krieges und nach diesem, als die einzelnen griechischen Staaten um die Gunst des Großkönigs warben. Als erster trat Gorgias von Leontinoi 408 v. Chr. mit solcher Mahnung auf; in Olympia hat ihm sein Neffe eine Statue errichten lassen, deren Basis mit Inschrift bei den Ausgrabungen wieder aufgefunden wurde. — Die während des korinthischen Krieges drohend angewachsene Macht des Perserkönigs und die in Sizilien sich immer mehr festigende und immer weitere Gebiete erfassende Tyrannis des älteren Dionysios veranlaßten den Athener Lysias zu seiner 388 v. Chr. auf der olympischen Festversammlung gehaltenen Rede (λόγος Όλνμπκχχός). Diesen beiden Mächten gegenüber die Griechen zur Eintracht aufzurufen war seine Absicht. Er rühmt den Herakles, den mythischen Begründer des olympischen Festes; denn dieser habe sich der Überzeugung hingegeben, die Festversammlung werde für die Griechen der Anfang werden zu gegenseitiger Freundschaft 46 ). — Mit begeisterten Worten preist auch der Redner Isokrates in seinem Panegyrikos 46 ), 5*

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¿er Preisrede auf Athen, die hohe Bedeutung der griechischen Nationalspiele überhaupt: „Mit Recht rühmen wir jene, die die nationalen Festversammlungen eingerichtet haben; haben sie uns j a doch einen Brauch überliefert, nach dem wir nach Abschluß eines Gottesfriedens und Beilegung bestehender Feindschaften an ein und derselben Stätte uns versammeln, hierauf gemeinsam Gebete und Opfer verrichten und uns der zwischen uns bestehenden Stammesverwandtschaft erinnern und so fortan in ein freundlicheres Verhältnis zueinander treten, indem wir alte Freundschaften erneuern und weitere neue schließen." Wenn wir gar hören, daß zu Anfang des peloponnesischen Krieges, im Sommer 428 v. Chr., eine Gesandtschaft von Mytilenä in Olympia erschien 47 ), um dort vor den versammelten Griechen feierlich gegen die Tyrannenherrschaft Athens im attischen Seebund zu protestieren, den Abfall ihrer Heimatinsel von Athen zu rechtfertigen und für ihre Autonomie einzutreten, so sehen wir da Olympia zur Zeit der Spiele eine Stellung einnehmen, die sich annähernd mit der des Völkerbunds in Genf vergleichen läßt. Ahnliche Bedeutung hat es, wenn die Urkunde über den 30jährigen Frieden zwischen Athen und Sparta, der im Winter 446/45 abgeschlossen wurde, auf einer Stele aus Erz in Olympia aufgestellt wird48). Und als 420 im Sommer der Bundesvertrag zwischen Athen einerseits und. Argos, Mantinea und Elis andrerseits zustande kommt, wird in die Urkunde ausdrücklich die Bestimmung aufgenommen, daß die einzelnen Vertragsteilneh68

mer die Urkunde auf einer Steinsäule in einem Heiligtum der betreffenden Stadt aufstellen sollen, daß aber daneben für alle gemeinsam an dem unmittelbar bevorstehenden Fest in Olympia eine eherne Säule mit der Urkunde aufgerichtet werden soll49). Auszuführen hatten diesen Entschluß die Eleer als Inhaber des Zeustempels und Veranstalter der Festfeier zu Olympia. Auf solche Weise wurden die Friedens- oder Bündnisverträge einerseits allen Griechen bekanntgemacht und andrerseits gewissermaßen unter den Schutz des olympischen Zeus gestellt. Die nun beginnende makedonisch-hellenistische Epoche (338—146 v. Chr.) reicht von der Schlacht bei Chäronea bis zum Verluste der griechischen Freiheit durch das Eingreifen der Römer. In dieser Zeit macht der Verfall der Athletik unaufhaltsam weitere Fortschritte. Charakteristisch ist für diese Periode auf dem Gebiete des Wettbewerbs das ausschließliche Vorherrschen des Berufsathletentums, das jedoch immer raffiniertere, aber auch rohere Formen annimmt und dabei deutliche Zeichen einer immer weiter um sich greifenden Korruption verrät. Schädlich wirkte vor allem durch Verweichlichung die verfeinerte Diät, über die sich besonders Philostratos in seinem Gymnastikos c. 44 entrüstet : „Die Schmeichelkunst in der Gymnastik bediente sich zuerst der Medizin, indem sie eine Kunst zur Beraterin heranzog, die zwar gut, aber zu weichlich ist, um auf Athleten angewendet zu werden, indem sie ferner Untätigkeit lehrt und die Zeit vor den Übungen dazusitzen, vollgepfropft wie libysche oder 69

ägyptische Mehlsäcke, weiters Feinbäcker und Luxusköche einführt, wodurch nur Schlecker und Freeser gezüchtet werden, und mohnbestreutes Weizenbrot aus feinem Mehl vorsetzt, mit gänzlich regelwidriger Fischkost." Wie lächerlich die Diätregeln in bezug auf die Fische ζ. B. gestaltet waren, geht aus einer weiteren Bemerkung des Philostratos hervor, wonach die Natur der Fische nach den Fundstellen im Meere bestimmt wurde : fett seien die aus dem Schlamm stammenden, mager die von den Klippen, fleischig die vom offenen Meer, Blütentang bringe nur kleine hervor, Algen saftlose. Auch bezüglich des Schweinefleisches berichtet Philostratos über wunderliche Weisungen: die Schweine am Meer seien als unbrauchbar anzusehen wegen des Meerknoblauchs, wovon die Ufer und Dünen voll eind; auch vor solchen nahe bei Flüssen müsse man sich hüten, weil sie Krebse fressen; zur Zwangsdiät dürfe man bloß die mit Kornelkirschen und Eicheln gemästeten verwenden! Solche nicht nur lächerliche, sondern geradezu gesundheitsschädliche Vorschriften schufen der Berufsathletik nur neue Gegner und zwar besonders aus den Reihen der Ärzte. Denn diese Weisungen für Zwangsdiät stammten nicht von der Medizin, sondern von den Gymnasten, den berufsmäßigen Trainern. Mit am schärfsten nimmt Galen gegen diese Entwicklung Stellung. Zunächst bestätigt er die schon von Plato getadelte Unbrauchbarkeit der Athleten im praktischen Leben; für Märsche aller Art und für militärische Dienstleistungen, noch mehr aber für bürgerliche Tätigkeit und Feldarbei70

ten, oder wenn es gelte einen kranken Freund zu pflegen, kurz zu irgendeiner Beihilfe in Rat und Tat seien sie so unbrauchbar wie Schweine. Noch mehr aber beanstandet Galen diese Entwicklung der Athletik wegen der schädlichen gesundheitlichen Folgen des Trainings, deren er eine ganze Reihe aufzählt. Aber auch eine der augenscheinlichsten Wirkungen des Trainings, die Vernichtung der körperlichen Schönheit und Ebenmäßigkeit hebt er hervor und macht dafür die Gymnasten verantwortlich. Diese Trainer sind nichts anderes als rohe und ungebildete Athleten, die agonistisch nichts erreicht haben und sich dann ohne tiefere Bildung der theoretischen Seite des Berufes zugewendet haben 50 ). Die Verletzung des Schönheitsideals durch das athletische Training zeigt sich zwar noch nicht in den Werken der großen griechischen Kunst, die ja in der Zeit eines Lyeippos immer noch idealschöne Gestalten schuf, als vielmehr in der populären Kleinkunst, besonders der Vasenmalerei, die dem Geschmack der großen Menge Rechnung tragen mußte. Auf den Vasen erscheinen bereits Boxer und Ringer mit ihren verhältnismäßig kleinen Köpfen, ihren breiten Schultern und massigen Körpern, bis dann in der römischen Kaiserzeit solche Darstellungen auch in der großen Kunst auftreten. In bezug auf die Kampftechnik wird bei der Athletik eine allmähliche Verrohung deutlich bemerkbar. Dies zeigt sich namentlich an den Veränderungen, die das Kampfgerät der Boxer, der 71

F a u s t r i e m e n , in dieser Zeit e r f a h r e n b a t . U r s p r ü n g lich, bis z u m E n d e des 5. J a h r h u n d e r t s , h a t t e m a n die weichen F a u s t r i e m e n (Ιμάντες μαλαχώτεροι oder μειλ(χαι g e n a n n t ) , die aus u n g e g e r b t e m Leder bes t e h e n d in der Regel die M i t t e l h a n d , das Gelenk u n d einen geringeren Teil des Armes b e d e c k t e n , w ä h r e n d die Finger u n b e d e c k t blieben; sie w a r e n m e h r auf d e n S c h u t z der F a u s t als a u f V e r w u n d u n g des Gegners b e r e c h n e t . E i n e v e r s c h ä r f t e F o r m erhielt dieses K a m p f m i t t e l e t w a u m d e n B e g i n n unserer Periode d a d u r c h , d a ß m a n u m die H a n d f l ä c h e n dicke, r u n d e Scheiben a u s h a r t e m , gegerbtem Leder b a n d u n d die zur F a u s t geschlossene H a n d m i t R i e m e n u m s c h n ü r t e , so d a ß n u r der D a u m e n h e r a u s r a g t e (Ιμάντες δξεΐς) ; d a d u r c h erhielt die H a n d f a s t die F o r m einer Kugel, weshalb diese gefährlichen F a u s t h a n d s c h u h e βφαΐραι ( K u geln, Bälle) hießen. P l a t o e r w ä h n t sie (leg. 830 B) z u m ersten Male. Sie k o n n t e n sogar eine tödliche W i r k u n g a u s ü b e n . E i n e weitere V e r s c h ä r f u n g d u r c h Metall blieb der römischen Kaiserzeit v o r b e h a l t e n . A b e r nicht n u r in solchen K a m p f m i t t e l n , sondern a u c h i n der D u r c h f ü h r u n g der K ä m p f e selbst zeigte sich eine bedenkliche V e r r o h u n g der A t h l e t i k . Sos t r a t e s aus Aigina, ein b e r ü h m t e r P a n k r a t i a s t , zweifacher Periodonike, der u m die Mitte des 4. J a h r h u n d e r t s drei Siege i n O l y m p i a g e w a n n , siegte d a d u r c h , d a ß er seinen Gegnern die F i n g e r z e r b r a c h u n d n i c h t eher nachließ, bis sie sich in i h r e m Schmerz f ü r besiegt e r k l ä r t e n . D a v o n erhielt er d e n B e i n a m e n άκροχεραίτης}1). — Auch bei d e m R i n g k ä m p f e r Leontiskos 5 2 ) aus d e m sizi72

lischen Messana, der zwei Siege in Olympia gewann, bestand die Kampfesweise nicht darin, daß er den Gegner niederwarf, sondern daß er ihm die Finger zerbrach. — Der Syrakusaner Damoxenos 5 3 ) stieß als Ringkämpfer bei den nemeischen Spielen der Argiver seinem Gegner Kreugas aus Epidamnos die Hand mit den vorgespreizten Fingern mit solcher Gewalt in den Unterleib, daß er die Eingeweide herausriß. Kreugas starb sofort, die Argiver aber erkannten dem Kreugas den Sieg zu, weil Damoxenos die Kampfgesetze in so roher Weise verletzt hatte. Die Üppigkeit und Verweichlichung, die die geschilderte Lebensweise der Athleten mit sich brachte, erzeugte bei diesen bald auch einen moralischen Verfall. Denn das unredliche Vorgehen und die Bestechlichkeit bei den Kampfspielen, die immer mehr um sich griffen, stehen damit in ursächlichem Zusammenhang. Die leistungsfähigen Athleten, die der Gegner zu fürchten hatte, verkaufen j e t z t den ihnen gewissen Sieg, um bequem ihr Wohlleben weiter führen zu können, die anderen, die fürchten müssen, durch das Unterliegen gegenüber einem stärkeren Gegner ihr üppiges Leben aufgeben zu müssen, sehen sich umgekehrt genötigt, sich den Sieg mit Geld zu erkaufen. ,,Wenn aber Geld beim Sport Eingang findet, dann ist moralische Verderbnis die sichere F o l g e " (Gardiner 5 4 ). Diese Sittenverderbnis machte auch vor den olympischen Spielen nicht Halt. Die schuldigen Athleten wurden von den Hellanodiken zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt, die dann zur

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Aufstellung von Zeusbildern (Zanes 85 ) genannt) verwendet wurden. Der erste derartige Fall ereignete sich schon 388 v. Chr.5·) Damals hatte der Thessalier Eupolos drei Gegner im Faustkampf, von denen einer bereits in der vorausgehenden Olympiade gesiegt hatte, mit Geld bestochen und ihnen den Sieg abgekauft. Dieses scharfe Vorgehen scheint einigermaßen gewirkt zu haben; denn der nächste Fall wird erst aus dem Jahre 332 v. Chr. berichtet 87 ). Diesmal wurde der Athener Kallipos mit einer Geldstrafe belegt, weil er seinen Gegnern im Pentathlon den Sieg abgekauft hatte. Vergebens versuchten die Athener durch Vermittlung des bekannten Redners Hyperides die Geldstrafe von ihrem Mitbürger abzuwenden. Zwei weitere Fälle, bei denen aus ähnlichem Anlasse Ringkämpfern eine Geldstrafe auferlegt wurde, erwähnt Pausanias 58 ) kurz, ohne die Namen anzugeben. Unter den 6 Zanes, die anläßlich des ersten Falles (388 v. Chr.) errichtet wurden, besagte ein Epigramm auf der Basis der ersten Statue, „ d a ß in O l y m p i a n i c h t mit G e l d , s o n d e r n n u r d u r c h d i e S c h n e l l i g k e i t der F ü ß e und d i e K r a f t d e s K ö r p e r s ein S i e g gewonnen werden könne"59). Von vereinzelten Fällen abgesehen, blieb jedoch Olympia dank dem energischen und rücksichtslosen Vorgehen der Hellanodiken von derartiger Korruption verschont. Überall sonst aber scheint sie allmählich einen ungeheuerlichen Umfang angenommen zu haben. Daher die beredte Klage des Philostratos (Gymnastikos 45): „Wenn einer ein silbernes oder goldenes Weihegeschenk entwendet oder ver74

nichtet, so verfolgen ihn die gegen Tempelraub gerichteten Gesetze mit ihrem Zorn, den Kranz des Apollon aber (bei den Pythien) oder Poseidon (bei den Isthmien) kann man ungestraft kaufen, ungestraft verkaufen und nur bei den Eleern gilt der Ölkranz nach altem Glauben noch für unantastbar." Die kleinen Agone, an denen es in keiner Stadt fehlte, bildeten die Vorschule der Athleten, aber erst wenn einer sich da erprobt und dann einen Sieg in Olylnpia oder in den anderen großen Nationalspielen errungen hatte, konnte er jene angesehene und vorteilhafte Stellung gewinnen, die ihn für die ausgestandenen Mühen entschädigen sollte. Kein Wunder also, wenn diese Aussicht dazu verlockte, sich einen solchen Sieg mit Geld zu erkaufen. Das Bestreben minderbemittelter Athleten aber, sich mittels Bestechung einen mühelosen Sieg zu verschaffen, wurde von gewissenlosen Gymnasten sogar durch Darlehen auf Wucherzinsen unterstützt. — Ein erheiternder Fall, der aber die Verhältnisse grell beleuchtet, wird aus 01.218 ( = 92 n.Chr.) berichtet, den ich aber hier gleich anführen möchte. Damals wurde ein Ägypter Apollonios aus Alexandria von der Teilnahme am Faustkampf in Olympia ausgeschlossen, weil er trotz rechtzeitiger Meldung zu spät erschienen war. Seine Ausrede, er sei bei den Kykladen durch Stürme auf dem Meere aufgehalten worden, wurde als Lüge überführt; es stellte sich nämlich heraus, daß er sich durch Teilnähme an allen möglichen Agonen in Ionien Geld gemacht hatte und 60 zu spät gekommen war 60 ). Ein wirklich berufstüchtiger Athlet!

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Die nachteiligen Wirkungen des traurigen Verfalls der Athletik auf den inneren W e r t u n d die D u r c h f ü h r u n g der olympischen Spiele zeigen sich in dieser Periode ganz deutlich. Die Teilnahme a n den W e t t k ä m p f e n wird fast durchaus von berufsmäßigen Athleten bestritten. Bessere Leute verschmähten es, sich mit solchen im K a m p f e zu messen. Nichts ist bezeichnender als eine Äußerung Alexanders d . Gr. auf die Frage, w a r u m er bei seiner körperlichen Gewandtheit nicht in Olympia i m Schnellauf a u f t r e t e : er würde das wohl t u n , wenn er d o r t Könige zu Mitbewerbern h ä t t e . Den W e t t k ä m p f e r n stand eine immer größer werdende Zuschauermenge gegenüber, agonistisch unausgebildet, nicht fähig, sich selbst ein Urteil zu bilden, aber unterhaltungsbedürftig und m i t Vorliebe das Wagen- und Pferderennen verfolgend, das nach wie vor den R e i c h t u m u n d die P r a c h t der F ü r s t e n zur Schau stellte. W a s aber das Ansehen und die B e d e u t u n g der Spiele nach außen anlangt, so t r a t mit d e m Verluste der Freiheit der griechischen S t a a t e n die folgenschwerste Änderung ein: D i e olympischen Spiele verloren ihren ausschließlich panhellenischen Charakter und nahmen dafür e i n e n s o z u s a g e n i n t e r n a t i o n a l e n a n , sie wurden den B a r b a r e n zugänglich und dam i t b ü ß t e n s i e e i n , w a s s i e b i s h e r so h o c h gehalten h a t t e , das Rassegefühl und den R a s s e n s t o l z . Eine gewisse Konzession war schon die Zulassung der Makedonen zu den olympischen Spielen gewesen, f ü r die makedonischen Könige

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war sie eine Notwendigkeit ; denn im Interesse ihrer Politik mußten sie sich den Einfluß auf das panhellenische Olympia sichern und das war nur möglich, wenn die Makedonen als Griechen anerkannt wurden; denn ihr Griechentum war nicht unbestritten. Philipp II. siegte selbst mit dem Reitpferd und dem Viergespann in Olympia. Alexander hat dann die östliche Welt erobert, unter den Diadochen werden Asien und Ägypten hellenisiert. Schon unter Philipp II. mehren sich die Siege von Makedonen sowie von Bewerbern aus Städten wie Amphipolis und dem neugegründeten Philippi, unter Alexander und seinen Nachfolgern strömen die Bewerber aus den Landschaften Asiens, aus Lykien, Bithynien, Lydien, Karien, Pamphylien, Phrygien, Kappadokien, Kilikien, Syrien, Phönikien, Babylonien sowie aus Ägypten und der Kyrenaika in Olympia zusammen; das Ideal der Rasseeinheit verblaßt und verschwindet allmählich. Nur ein Beispiel aus dieser Übergangszeit! Einer der Ptolemäer, entweder Ptolemäus V. (205—181) oder schon Ptolemäus IV. (220—205) hatte den Ägypter Aristonikos, also einen Barbaren, eigens zum Athleten ausbilden lassen, damit er dem weltberühmten Pankratiasten Kleitomachos aus Theben den Sieg entreiße. Beim Kampf in Olympia nahm die Menge offenkundig für den Aristonikos Partei und klatschte Beifall, als es dem Ägypter gelang, seinem Gegner einen geschickten Hieb zu versetzen. Da hielt Kleitomachos einen Augenblick im Kampfe inne, schöpfte Atem und wandte sich der Menge zu mit der lauten Frage : „Was wollt ihr 77

denn eigentlich, daß ihr dem Aristonikos ermunternd zuruft und, so gut ihr nun könnt, im Kampf auf seiner Seite steht ? Oder wißt ihr nicht, daß jetzt Kleitomachos für den Ruhm der Griechen kämpft, Aristonikos aber für den des Königs Ptolemaios ? Wollt ihr denn lieber, daß ein Ägypter als Sieger über Griechen den olympischen Kranz gewinnt oder daß ein Thebaner und Böoter als Sieger ausgerufen wird ? " Das half, das Rassegefühl der Menge regte sich und, wie Polybios 61 ) hinzufügt, mehr noch diesem Umschwung in der Stimmung der Zuschauer als seiner eigenen Kraft verdankte schließlich Kleitomachos den Erfolg. Später hören wir von solchen spontanen Regungen nichts mehr; denn bald war es gleich, ob ein Grieche oder ein Barbar Sieger blieb. Äußerlich bedeutete die Zeit der makedonischen Herrschaft für die Feststätte Olympia eine vorübergehende Blüte. So wurde der prachtvolle Rundbau des Philippeion errichtet, allerdings ein Denkmal des Sieges über die Griechen bei Chäronea. An Stelle der alten Stoa Poikile entstand die Echohalle und auch außerhalb der Altis erhoben sich Neubauten mancher Art. Aber wie sich die Zeiten geändert hatten, das zeigten vor allem die Anatheme ; denn an die Stelle der Siegerstatuen traten jetzt die zahlreichen Ehrenstatuen, ja diese verdrängten die Siegerstatuen fast. Früher war diese Gattung von Statuen eine Seltenheit; von der Ehrenstatue des Gorgias war bereits die Rede; auffälliger war es schon, daß Samos dem Spartaner Lysander eine Ehrenstatue errichtete, weil es durch seinen Sieg 78

über die Athener bei Aigospotamoi die Freiheit gewonnen hatte. Jetzt häuften sich diese Anatheme ; nicht nur die makedonischen Könige erhielten ihre Denkmäler sondern auch die verschiedenen Diadochendynastien, die Ptolemäer, die Seleukiden, die Antigoniden und zwar vielfach aus reiner Schmeichelei, nicht wegen besonderer Verdienste um das Heiligtum. Sie im einzelnen zu nennen würde zu weit führen. Alexander hat zwar nicht mehr wie sein Vater Philipp selbst an den olympischen Spielen sich beteiligt, aber an der Bedeutung Olympias als eines nationalen Mittelpunktes hielt auch er fest. Botschaften seiner Siege ließ er dorthin gelangen und zur Feier der 113. Olympiade (328 v. Chr.) sandte er einen Brief nach Olympia, durch den alle griechischen Staaten aufgefordert wurden, ihre Verbannten zurückzurufen, widrigenfalls sie dazu gezwungen würden. Das Schreiben, dessen Wortlaut uns Diodor 18, 8, 2—5 erhalten hat, wurde bei der Festversammlung durch den Herold verlesen, der vorher beim Wettstreit der Herolde gesiegt hatte. Andrerseits wurde die Bedeutung Olympias dadurch geschmälert, daß die makedonischen Könige und die Diadochenfürsten in ihren eigenen Hauptstädten Spiele nach dem Muster der olympischen einrichteten und ihnen mehrfach sogar die Bezeichnung „Olympien" beilegten. Elis als Staat spielt in dieser Periode keine bedeutende politische Rolle mehr; es schlägt sich meist vorübergehend auf die Seite, die ihm augenblicklich besondere Vorteile verspricht. Im Jahre 79

313 bemächtigte sich Telesphoros, ein Feldherr des Antigonos, der sich eine selbständige Herrschaft gründen wollte, der Hauptstadt Elis und entnahm den Tempelschätzen zu Olympia 50 Talente, um damit Söldner zu werben. Allein Telesphoros konnte sich nicht halten und der olympische Schatz erhielt das ihm entnommene Geld zurück. 191 v. Chr. traten die Eleer dem achäischen Bunde bei und damit ist die selbständige Geschichte von Elis zu Ende. Wenn man die r ö m i s c h e P e r i o d e für Olympia und für die griechische Athletik von 146 v. Chr. an rechnet, so ist damit nur ein einschneidendes Ereignis, die Verwandlung Griechenlands in eine römische Provinz, besonders betont; denn mit griechischer Agonistik dürften die Römer sicher schon länger bekannt gewesen sein. Darauf zwar wird weniger Wert zu legen sein, daß sie als Nachbarn Großgriechenlands, wo die Agonistik im 6. Jahrhundert in höchster Blüte stand, Gelegenheit gehabt hätten, damit bekannt zu werden, weil j a Roms Gebiet damals nicht über Latium hinausging. Viel eher darf auf das Beispiel der Etrusker hingewiesen werden, von denen die Römer in kultureller Beziehung gar manche Einrichtungen übernahmen. Ohne Zweifel hat die adelige Jugend Etruriens allerlei Sport getrieben, namentlich Pferdesport und J a g d und auf den etruskischen Grabgemälden findet man häufig Darstellungen von Ringkämpfen und Faustkämpfen, die vor männlichen und weiblichen Zuschauern ausgefochten werden. Diese Bilder beruhen im wesentlichen 80

auf griechischen Vorbildern, allein sie beziehen sich auf Leichenspiele, so d a ß m a n daraus nicht gerade auf das wirkliche Leben der Zeit schließen darf. Die Physiognomien der Boxer u n d R i n g k ä m p f e r auf den etruskischen Wandgemälden weisen auf berufsmäßige, wahrscheinlich unfreie Athleten h i n ; auch die Tänzer, Tänzerinnen u n d Flötenspieler gehörten wohl den gleichen Kreisen an. Man n i m m t daher an, d a ß die griechische Gymnastik in E t r u rien kein nationales Bildungselement gewesen ist. Dagegen haben die Etrusker die Gladiatorenkämpfe zu militärischen Zwecken ausgebildet und schon in der zweiten H ä l f t e des 3. J a h r h u n d e r t s zu Darstellungen auf ihren Graburnen verwendet, wobei bereits die später in R o m wohlbekannten Gladiatorena r t e n der Gallier u n d Thraker erscheinen. D a n u n der Ursprung der etruskischen Gladiatorenspiele selbstverständlich f r ü h e r anzusetzen ist als ihre künstlerische Verwertung auf den Urnenreliefs, so ist damit erwiesen, d a ß die ersten Gladiatorenspiele, die R o m 264 v. Chr. gesehen h a t , eine Nacha h m u n g etruskischer Sitte waren. Damals ließen die Söhne des D . J u n i u s B r u t u s Pera bei der Leichenfeier f ü r ihren verstorbenen Vater auf d e m F o r u m Boarium in R o m drei Fechterpaare auft r e t e n . Also die Gladiatorenspiele h a t t e n die Römer von den E t r u s k e r n übernommen. Welche Bedeutung u n d welchen U m f a n g diese Fechterk ä m p f e in R o m bis in die späteste Zeit gehabt haben, darf als b e k a n n t vorausgesetzt werden. Man b r a u c h t n u r an den Fechter- u n d Sklavenkrieg zu erinnern. 6

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Viel später, erst 186 v. Chr., erscheinen griechische Athleten und Schauspieler bei den ludi maximi in Rom. Wenn wir diese Verhältnisse überdenken, wird uns sofort begreiflich, weshalb die Römer keinen Geschmack an griechischer Agonistik hatten, soweit es sich um eigene Reteiligung an solchen Übungen handelte. Rom war zu jener Zeit daran, in schweren und gefahrvollen Kriegen seine Weltherrschaft zu begründen, wobei Rückschläge nicht ausblieben; in diesen Jahrhunderten fanden die Römer weder Zeit noch Neigung sich selbst als Wettbewerber an griechischen Agonen zu beteiligen. Die Not der Zeit hatte bei den Römern jener guten alten Zeit einen nüchternen praktischen Sinn und einen ernsten Charakter entwickelt, der dem civis Romanus zugleich eine gravitas Romana, eine mit Ernst gepaarte Würde verlieh. Diese hätte es ihnen unerträglich erscheinen lassen, sich monatelang dem Zwang eines Trainings zu unterwerfen, dessen berufsmäßige Leiter Leute niederen Standes waren, noch weniger aber völlig nackt vor den eigenen Mitbürgern als Kämpfer aufzutreten; denn andere Mitbewerber oder Zuschauer wären kaum denkbar gewesen. Das Entscheidende mit aber waren die Zustände, welche die Römer in der griechischen Athletik antrafen, als sie jetzt in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. mit Griechenland in engere Berührung kamen. Sie fanden da durchaus berufsmäßige Athleten, durch die Zwangsdiät unbrauchbar für den Kriegsdienst, träge und dem Wohlleben ergeben, in ihrer Gesundheit schwankend und auch moralisch nicht mehr 82

einwandfrei, sondern n u r auf Gewinn u m jeden Preis bedacht. Aber eines entging den Römern n i c h t : Olympia besaß nach wie vor eine große internationale u n d damit auch politische Bedeutung, die m a n ausnützen k o n n t e . Aemilius Paulus, der Sieger von P y d n a , der 168 v . Chr. Griechenland nach seinem Siege durchreiste, s t a n d noch bewundernd u n d ehrfurchtsvoll vor dem Bilde des olympischen Zeus; i h m wird von Plutarch 6 2 ) die Äußerung zugeschrieben, d a ß Pheidias sein berühmtes Werk nach den Versen Homers geschaffen habe. Aber schon bei Mummius waren solche Gefühle wohl nicht mehr so tiefgehend. Sein Name ist in der Geschichte mit der Zerstörung Korinths (146) u n d der Versklavung seiner Bewohner v e r k n ü p f t worden, neuere Untersuchungen h a b e n jedoch ergeben, d a ß ihm in dieser Hinsicht weit mehr zur Last gelegt worden ist, als er zu verantworten h a t . Man b r a u c h t n u r die Quellen sprechen zu lassen, u m ihn zu entlasten. Es ist nämlich nicht genau, wenn Pausamas die Bestrafung von Korinth u n d anderer Städte d u r c h M u m m i u s a l l e i n vornehmen l ä ß t ; denn Livius 63 ) berichtet ausdrücklich, K o r i n t h sei i n f o l g e e i n e s S e n a t s b e s c h l u s s e s zerstört worden, weil dort römische Gesandte beleidigt worden w a r e n ; dazu stimmt die Äußerung Ciceros 64 ), in der Rede f ü r das I m p e r i u m des Pompejus : „Weil unsere Gesandten allzu übermütig behandelt worden waren, haben e u e r e V ä t e r Korinth, die Leuchte von ganz Griechenland, ausgetilgt wissen wollen." Dieser Senatsbeschluß k a n n erst gefaßt worden sein, als 6

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die Siegesnachricht des Mummius in Rom eintraf; denn damals wurde die Entsendung einer Kommission von 10 Senatoren beschlossen, die offenbar den gefaßten Senatsbeschluß an Mummius zu überbringen hatten. Demnach hat Mummius, als er drei Tage nach dem Siege über die Achäer auf dem Isthmos Korinth besetzte, a u f e i g e n e V e r a n t w o r t u n g hin n u r die e r s t e n A n o r d n u n g e n g e t r o f f e n , dagegen die m e i s t e n a n d e r e n , a u c h die ü b e r d a s S c h i c k s a l K o r i n t h s , e r s t n a c h dem E i n t r e f f e n der K o m m i s s i o n und d e s S e n a t s b e s c h l u s s e s . Als Beweis für diesen Ablauf der Ereignisse glaube ich auch den Parallelismus der Vorgänge bei der unmittelbar vorausgehenden Zerstörung Karthagos anführen zu können, der j a bekanntlich Polybios gleichfalls beigewohnt hat. Scipio hatte nur die engen Straßen mit ihren sechsstöckigen Häusern, die vom Marktplatz nach der Byrsa hinaufführten, zerstören lassen, um sich einen breiten Weg für den Sturm auf die Byrsa zu verschaffen. Die übrige Stadt stand noch aufrecht. Erst durch eine Senatskommission (Appian, Αφυχή 135: δέχα αψ&ν αύτ&ν ή βονλή ζοϋς άρίατους ΐπεμπε) erhielt Scipio den gemessenen Befehl, die Stadt vollständig zu zerstören. So wird es auch in Korinth gewesen sein. Pausanias ist hier viel zu ungenau, man muß den Bericht des Zonaras ( I X , 31) heranziehen, der, wie ein Vergleich mit frgm. 72 beweist, auf keinen Geringeren als Cassius Dio zurückgeht. Bei Zonaras sind deutlich zwei verschiedene Maßnahmen geschieden: nach der Einnahme Korinths und seinem Einzug 84

i n die menschenleere S t a d t — M u m m i u s w a r t e t e aus F u r c h t vor einem H i n t e r h a l t e m i t seinem Einzug bis z u m d r i t t e n Tage — geschah die Preisgabe der S t a d t zur P l ü n d e r u n g , die B e s c h l a g n a h m e aller öffentlichen B a u t e n u n d ihrer E i n r i c h t u n g , also a u c h der wertvollen Weihegeschenke u n d K u n s t schätze u n d deren E n t f ü h r u n g 6 5 ) . E r s t n a c h einiger Zeit erfolgte offenbar u n t e r M i t w i r k u n g der inzwischen eingetroffenen S e n a t s k o m m i s s i o n die Vers k l a v u n g der ü b e r l e b e n d e n K o r i n t h e r u n d d a s Niederreißen u n d V e r b r e n n e n der Gebäude 6 6 ). U n d w e n n gar bei der V e r k ü n d i g u n g des V e r k a u f s der B e w o h n e r K o r i n t h s M u m m i u s feierlich d u r c h d e n H e r o l d die Freiheit der ü b r i g e n Griechen u n d die V e r s k l a v u n g der K o r i n t h i e r v e r k ü n d i g e n ließ 6 7 ), eo ist doch k l a r , d a ß eine d e r a r t i g e P r o k l a m a t i o n n i c h t ohne S e n a t s b e s c h l u ß v o r g e n o m m e n werden k o n n t e , ebensowenig wie die E i n z i e h u n g des Gebietes v o n K o r i n t h f ü r d e n r ö m i s c h e n S t a a t (¿δημοαίωαε !) ; d e n n gerade zu d e m Zweck war j a die Senatsk o m m i s s i o n erschienen, u m d a s Gebiet v o n K o r i n t h als ager p u b l i c u s zu erklären u n d die U m w a n d l u n g Griechenlands i n die P r o v i n z A c h a j a d u r c h z u f ü h r e n . A u c h aus d e m ganz k u r z e n B e r i c h t des F l o r u s ( 1 , 3 2 , 5) l ä ß t sich die e b e n geschilderte Abfolge der Ereignisse n o c h h e r a u s l e s e n : civitas d i r e p t a p r i m u m , deinde t u b a p r a e c i n e n t e deleta est 6 8 ). D e m n a c h bleibt a n M u m m i u s n u r der Vorwurf des K u n s t r a u b e s h a f t e n , a b e r a u c h d a m i t h a t es seine eigene B e w a n d t n i s ; d e n n weit verschieden v o n d e m b e r ü c h t i g t e n Verres h a t M u m m i u s die K u n s t s c h ä t z e n i c h t e t w a f ü r sich w e g g e n o m m e n , sondern er h a t 85

die6e Meisterwerke der Malerei u n d der Plastik in R o m selbst, im übrigen Italien j a sogar in Provinzen wie in d e m von i h m f r ü h e r verwalteten jenseitigen Spanien als seine Geschenke aufstellen lassen. I n R o m wurde diese Beute an Kunstwerken beim Triumph des Mummius 144 a u f g e f ü h r t u n d d a n n auf heilige u n d profane öffentliche B a u t e n in der Stadt R o m selbst wie a n anderen Orten vert e i l t ; diese Verteilung geschah jedoch erst i m J a h r e 142, als Mummius die Zensur bekleidete. D a ß er aber 142 neben Scipio Aemilianus Censor wurde, war eine verdiente Anerkennung f ü r seine Uneigennützigkeit, die allgemein g e r ü h m t wird. Selbst Freunden wie L. Lucullus gab er von den Beutestücken, während er f ü r sich nichts n a h m . An diesen K u n s t r a u b haben d a n n die verschiedenen Anekdoten über das mangelnde K u n s t v e r s t ä n d n i s des Mummius a n g e k n ü p f t . Die Zehnerkommission des Senates stand dem Mummius 6 Monate lang bis in das F r ü h j a h r 145 zur Seite. Nach Erledigung ihrer Aufgaben kehrte sie nach R o m zurück, Mummius selbst blieb als Prokonsul noch längere Zeit, während des J a h r e s 145, in Griechenland u n d entfaltete hier eine reiche u n d verdienstliche Tätigkeit. D a f ü r h a b e n wir ein ganz zuverlässiges Zeugnis bei Polybius. Denn dieser, der vorher Augenzeuge der Zerstörung Karthagos u n d d a n n ebenso der Vernichtung Korinths gewesen war, h a t seine Verbindungen mit vornehm e n Römern dazu b e n ü t z t , u m seinen besiegten Landsleuten eine schonende Behandlung zu verschaffen. D a f ü r wurde er von vielen griechischen

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Staaten mit Ehren überhäuft. A u c h in O l y m p i a i s t i h m ein E h r e n d e n k m a l g e s e t z t w o r d e n ; die Basis dieses Denkmale ist aufgefunden worden; sie t r ä g t die I n s c h r i f t f¡ ττόλις ή 'Ηλείων

Πολύβιον

Avxéçtu Μεγαλοπολίτην. Über Mummius berichtet nun Polybios 69 ): „Nachdem der römische Feldherr die Tempel in Olympia und Delphi geschmückt hatte, bereiste er in den darauffolgenden Tagen die griechischen Städte, wobei er in jeder geehrt wurde und den gebührenden Dank empfing. Diese Ehrungen von Seiten der Gemeinden wie von einzelnen Personen waren verdient; denn er benahm sich enthaltsam und hielt sich die Hände rein, auch verfuhr er in allem milde trotz der günstigen Gelegenheit und der unumschränkten Macht, die er in Griechenland besaß. Denn auch da, wo er sich über etwas, was sich gebührt hätte, hinweggesetzt hat, scheint er mir das nicht seinetwegen getan zu haben, sondern wegen der Freunde, die um ihn waren." Darüber, wie Mummius dem delphischen Apollo seine Huldigung erwies, haben die Ausgrabungen nichts ergeben, um so besser aber sind wir über seine Beziehungen zu Olympia unterrichtet. Wie Pausanias (V, 10, 5) berichtet, ließ Mummius an den unverzierten äußeren Metopen des Zeustem-

pels (τ f¡g ύπέρ των κιόνων περι,&εούβης

ζώνης

χατά

τό ¿χτός) als seine Weihegabe (άνάΰημα) 21 vergoldete Schilde anbringen, nicht goldene, wie man gelegentlich in neueren Darstellungen liest; denn Pausanias bezeichnet sie ausdrücklich als ¿πίχρυϋοι. Weiter führt Pausanias (V, 24, 4) als Weihegeschenk 87

dee Mummius eine bronzene Zeusstatue vor dem Tempel an, mit einer Weiheinschrift und bemerkt dazu, vor Mummius habe kein Römer, weder ein Privatmann noch ein Senator in Olympia ein Anathem aufgestellt. Wenn er V, 2 4 , 8 von einer zweiten Zeusstatue ohne Aufschrift an der Mauer der Altis angibt, „es hieß, auch diese stamme von Mummius aus der Beute des achäischen Krieges", so wiederholt er da offenbar nur, was ihm die elischen Fremdenführer ohne Begründung erzählten; diese Zeusstatue kann also außer Betracht bleiben. Viel wichtiger ist, wae in Olympia bei den Ausgrabungen selbst gefunden wurde. Zunächst sind da die Doppelinschriften auf zwei Basen aus pentelischem Marmor zu erwähnen, die nach den Standspuren Reiterstandbilder des Mummius trugen, dem olmypischen Zeus geweiht 70 ). Da Mummius sich darauf als ϋπατος bezeichnet, fallen sie in sein Konsulatsjahr 146. Das Wichtigste ist die Inschrift 71 ) des Vorderblocks einer Basis aus grauem Kalkstein; denn diese trug das Ehrendenkmal, das die Stadtgemeindë Elis dem Mummius als Konsul, also wohl schon 146 errichtete „seiner Tüchtigkeit halber und des Wohlwollens wegen, das er unentwegt ihr selbst und den übrigen Griechen erweist." Nach dem, was hier bisher ausgeführt ist, ist dieses Ehrendenkmal und die in der Inschrift bekundete Anerkennung und Dankbarkeit gegenüber Mummius vollkommen berechtigt und es entbehrt jeder Begründung, wenn wir in einer jüngst erst erschienenen Schrift über Olympia lesen: „Die erhaltene Inschrift zeigt den schmählichen Byzantinismus 88

der damaligen Graeculi. Dem rohen Römer, der durch die grausame Zerstörung von Korinth der griechischen Freiheit ein für allemal ein Ende bereitet hatte, wurde dieses Denkmal errichtet." F. Münzer hat R E . X Y I , 1 S. 1200 ausgesprochen: „Mit Recht hat Colin, Rome et la Grèce (Paris 1905) 628—638 solche in alter und neuer Zeit gegen Mummius erhobene Anklagen der Barbarei und der Grausamkeit, der Ungebildetheit und des Griechenhasses zurückgewiesen und die entgegengesetzten Züge seines Wesens hervorgehoben." Polybios ist dafür, wie wir gesehen haben, der gewichtigste Zeuge. Noch ein anderes Denkmal für Mummius nicht nur, sondern auch für die zehn legati des Senats, die ihm beigegeben waren, stand in Olympia. Davon haben sich 5 Blöcke des Postaments erhalten, auf denen 5 Namen inschriftlich erhalten sind (Inschr. v. Olympia Nr. 320—324): 1. Lucius Mummius consul (Αεύχιοζ Μόμμιος ϋπατος) ; 2. L. Licinius Murena {Λ. ΑιχΙνιος Μουρηνας) ; 3. Α. Postumius Albinus ÇA. Ποότονμιος Άλβεΐνος) ; 4. G. Sempronius Turditanus (Γ.2εμπρώνιος Τυρτανός [sic!]); 5. A. Terentius Varrò ÇA. Τερέντιος Ούάρρο y). Wenn im Kommentar zu der Inschrift (Olympia, Textband V, Sp. 443) nach der Schrift und einigen Besonderheiten der Form angenommen wurde, das Denkmal stamme frühestens aus der Zeit des Augustus, so erschien das von vornherein nicht glaubhaft. Durch einen Nachtrag Sp. 800 ist später diese irrige Annahme richtiggestellt worden: „Nach der Beschaffenheit der Basis (Kern aus Gußwerk mit 89

Marmorplatten verkleidet) ist diese schwerlich früher als gegen Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts errichtet. Damals (also fast zwei Jahrhunderte nach Mummius!) ein Cruppendenkmal des Mummius und seiner 10 Legaten erst neu zu errichten, konnte schwerlich jemand in den Sinn kommen. Es hat also damals wohl eine Neuaufstellung schon vorhandener Statuen mit Ersatz des ursprünglichen Bathron durch das erhaltene stattgefunden." Zu diesem richtigen Ansatz des Denkmals auf 146/145 v. Chr. stimmt meines Erachtens vor allem auch der Umstand, daß schon zur Zeit Ciceros die Namen der 10 Legaten gar nicht mehr vollständig bekannt waren; denn dieser fordert den Attikus in einem Briefe ( X I I I , 30, 3) auf: „Suche mir, wenn du es irgendwoher vermagst, herauszubringen, welches die 10 Legaten für Mummius waren. Polybius nennt sie nicht." Cicero selber erinnert sich noch an drei, wovon zwei in dem Bruchstück der Inschrift genannt sind. Er spricht nämlich in dem gleichen Brief die Absicht aus, Olympia zum Schauplatz eines Dialogs zu wählen, in dem Mummius und die 10 Legaten als Redner auftreten sollten. Wir wissen über diesen Plan weiter nichts, aber für die Bedeutung Olympias auch in der Römerzeit ist er doch bezeichnend. Endlich ist noch eine für die Bedeutung Olympias wie für das Ansehen des Mummius wichtige, große Inschrift bei den Ausgrabungen zutage gekommen. Es ist ein Schiedsspruch der Milesier in einem jahrhundertelangen Grenzstreit zwischen Sparta und Messenien. Olympia genießt also immer 90

noch für alle Griechen ein derartiges Ansehen, daß solche Urkunden dort zur allgemeinen Kenntnis aufgestellt wurden. In der Inschrift wird nun ausdrücklich auf eine nur um wenige Jahre zurückliegende Entscheidung des Mummius Bezug genommen (Inschr. v. Olympia Nr. 52 fke Λεύκιος Μήμμιος ίίπατος

(146 ν . Chr.) tf άν&ύπατος

(145 ν .

Chr.)

èv ¿κείνη TÍ} ¿παρχεία ( = in der Provinz Achaia) ¿yévero). Da auch noch in der Kaiserzeit (25 η. Chr.) bei einer Erneuerung des Grenzetreites auf diese Entscheidung des Mummius zurückgegriffen wird (Tacitus, ann. IV, 43: imperatorie Mummii iudicium), spricht alles für die anerkannte Gerechtigkeit des Entscheids, der das Land den Messeniern als den derzeitigen Besitzern zusprach. Von Mummius also hat die Feststätte Olympia keinerlei Beeinträchtigungen, sondern nur Ehrungen und Vorteile erfahren. Der erste römische Frevler am olympischen Heiligtum ist der durch 6eine Habgier und Grausamkeit berüchtigte spätere Diktator L. Cornelius Sulla gewesen. Am ausführlichsten berichtet ein Fragment Diodors ( X X X V I I I , 7) über seinen Tempelraub: „Sulla, der (88 v. Chr., als er das Heer des Mithridates aus Griechenland verdrängen mußte und Athen belagerte) an Geldmangel litt, legte Hand an drei Heiligtümer, in denen eine Menge goldener und silberner Weihegeschenke vorhanden war, die in Delphi dem Apollo, in Epidaurus dem Asklepios und in Olympia dem Zeus geweiht waren. Die meisten n a h m er a u s O l y m p i a w e g , weil er s i c h e r i n n e r t e , d a ß d i e s e s H e i l i g t u m v o n A n f a n g a n nie

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g e p l ü n d e r t w o r d e n w a r ; denn von den Schätzen in Delphi hatten die Phoker im sog. heiligen Krieg die meisten fortgeschleppt. Sulla nahm so eine Menge Gold und Silber, dazu aber auch noch die sonstige kostbare Ausstattung weg und ohne Gewissenbedenken ob solchen Raubes an heiligen Geldern, weihte er dafür den Göttern Land für die jährlichen Einkünfte." Aus Plutarch (Sulla 19) erfahren wir, daß Sulla den Thebanern die Hälfte ihres Gebietes nahm und es dem Apollo in Delphi und dem Zeus in Olympia weihte, wobei er anordnete, aus den Einkünften von diesen Ländereien sollten den Göttern die geraubten Schätze ersetzt werden. Dies nützte aber gar nichts, da den Thebanern ihr Gebiet bald wieder zurückgegeben wurde. Auch Plutarch (Sulla 12) betont besonders den Raub in Olympia: „Aus Olympia ließ er die schönsten und wertvollsten Weihegeschenke holen." Aus den geraubten Schätzen wurde im Peloponnes unter der Leitung des L. Licinius Lucullus Geld geprägt. Aber auch in die olympischen Spiele selbst erlaubte sich Sulla einen gewaltsamen Eingriff. Als er nach der grausamen Niederwerfung der Volkspartei Ende Januar 81 v. Chr. in Rom einen zweitägigen Triumph über Mithridates feierte, hatte er schon vorher die Athleten sämtlicher Kampfarten, die bei der Feier der 175. Olympiade = 80 v. Chr. hätten auftreten sollen, zur Yerherrlichung seiner Spiele nach Rom bringen lassen, scheinheilig, wie er sich ausdrückte, zur Beruhigung und Ermutigung des Volkes nach den schweren Leiden des (Bürger-) Krieges72). Infolgedessen konnte in Olympia nur 92

der Wettlauf der Knaben abgehalten werden, in dem Epainetoa aus Argos siegte. Zu diesem Eingriff Sullas bemerkt Ernst Curtius im großen Olympiawerk (Textband I, Spalte 57): „Wir glauben nicht, daß Sulla nur die einmalige Entthronung Olympias beabsichtigte, und wir können nicht zweifeln, daß der Plan bestanden hat, die Feier am Alpheios dauernd aufzuheben oder doch auf einen dürftigen Rest zu beschränken und sie durch ein hauptstädtisches Olympienfest zu ersetzen. Rom sollte als Sitz der neuen Olympien die wahre Hauptstadt, das geweihte Zentrum der griechisch-römischen Welt werden. E s ist merkwürdig, daß derselbe Plan der Verdrängung Olympias vorzeiten schon in den großgriechischen Städten aufgetaucht war. Denn von Kroton wie von Sybaris wird erzählt, daß man dort Spiele einsetzen wollte, welche durch ihre reichen Preise die olympischen vernichten (καταλϋύαι) sollten. (Timäus bei Athenäus S. 522 c)." Es ist kaum zweifelhaft, daß Sulla diesen Plan einer dauernden Verlegung der olympischen Feier nach Rom ausgeführt hätte, wenn ihn nicht verhältnismäßig bald nach dem Triumph von 81 beim Eintritt in sein 60. Lebensjahr 79 v. Chr. der Tod ereilt hätte. Wenige Jahrzehnte nach Sulla veranstaltete M. Aemiliue Scaurus als aedilis curulis 58 v. Chr. unter wahnsinnigem Kostenaufwand in Rom Spiele, bei denen auch athletische Wettkämpfe nach Art der griechischen und Pferderennen vorgeführt wurden. Dies war der Anfang einer Neuerung, die den olympischen Spielen schwersten Schaden brachte; 93

denn von jetzt an wurden namentlich in der Kaiserzeit auf römischem Boden Festspiele aufgeführt, die sich direkt als Nachahmung der olympischen Spiele ausgaben und in denen der römische Siegeskranz dem von Olympia an Wert gleichgestellt wurde. Schon in der Zeit zwischen 146 bis 80 v. Chr. weisen die dürftigen Siegerlisten — wir kennen nur 34 Sieger aus dieser Zeit — eine merkwürdige Zusammensetzung auf: von den 34 Siegern stammt die Hälfte mit 17 aus dem Peloponnes und darunter wieder sind nicht weniger als 12 aus Elis! Noch deutlicher wird das Verhältnis in der einen Olympiade 177 = 72 v. Chr., aus der wir zufällig ein vollständiges Siegerverzeichnis aus allen 18 Kampfarten haben; 11 Siege allein fallen auf Elis, 2 auf Sikyon, 1 auf Messenien, der kleine Rest verteilt sich auf Alexandria, Mysien, die Provinz Asia und die Insel Kos. Also eine traurige Schrumpfung zurück auf die rein lokale Feier in den ersten 11 Olympiaden im 8. Jahrhundert v.Chr.! Dazu kommt noch, daß in allen 6 Kampfarten mit dem Wagen oder dem Reittier nur Eleer siegten, so daß offenbar aus Mangel an Wettbewerbern das Pferderennen in der nächsten Olympiade 178 = 68 v. Chr. abgeschafft wurde und, wie wir sehen werden, erst in der Zeit des Augustus wieder erscheint. Man sieht die olympischen Spiele hatten ihre Zugkraft fast ganz verloren ; die Not der Zeit ließ das Reisen nach Olympia zu kostspielig erscheinen, man sah j a dort doch nur berufsmäßige Athleten und Wagenunjl Pferderennen, die bisher für die Zuschauer den 94

größten Anreiz geboten hatten, wurden immer seltener oder fielen zeitweise ganz aus, weil niemand die Kosten dafür aufbringen konnte. Ein römischer Bürger aber nahm an den athletischen Wettkämpfen überhaupt nicht teil, obwohl die Eleer nach dem Verluste der Freiheit natürlich keinen römischen „Barbaren" von der Teilnahme ausschließen durften. Stolz erklärt Tacitus (ann. X I V , 21), kein Römer von ehrbarer Abkunft habe sich in den letzten zweihundert Jahren seit dem Triumphe des L. Mummius, der zuerst solche Spiele in der Stadt gab (144 v. Chr. bis 60 n. Chr.), zu Theaterkünsten erniedrigt. Im Jahre 60 n. Chr. nämlich hatte Nero die fünfjährigen Spiele nach Art der griechischen Wettkämpfe in Rom eingeführt, die er Neronia nannte 73 ). Mit Entrüstung wendet sich später Tacitus gegen diese Neuerung; die allmählich schon verschwundenen Sitten der Väter würden von Grund aus vernichtet durch von außen her (d. h. von Griechenland) eingeführte Ausschweifung, damit man in der Hauptstadt ja alles sehe, was verführbar und verführerisch sei und damit die Jugend durch fremdartige Liebhabereien ausarte, indem sie gymnastische Übungen, müßige Kurzweil und schändliche Liebschaften treibe, alles auf Veranlassung des Kaisers und des Senates, die dem Lasterleben nicht nur freien Lauf ließen, sondern sogar Gewalt anwendeten, daß die Vornehmen in Rom als Redner und Dichter auf offener Bühne sich entehrten. Was bliebe da noch übrig 74 ), als daß sie ibre Körper entblößten, als Faustkämpfer aufträten und in solcherlei Wettkämpfen sich übten statt in 95

Waffen und im Kriegsdienst ? Man sieht, auch am Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. war die Haltung der Römer gegenüber der Athletik noch ganz die gleiche wie von Anfang. Nach außen hin vermochte Olympia auch in der Römerzeit sein Ansehen zu bewahren. Denn die Römer betrachteten Olympia als eine Art Hauptstadt der griechischen Welt. Infolgedessen erschien ihnen die Versammlung der Festgenossen in Olympia wie eine Volksvertretung der Griechen. Diese Anschauungen beruhten auf der Geltung der alten Adelsfamilien in Elis, die nunmehr seit Jahrhunderten die Spiele leiteten und infolgedessen während der früheren Zeit eine national-griechische Bedeutung gehabt hatten, jetzt aber für den internationalen Verkehr eine besondere Stellung einnahmen. Der Adel in Elis war als Pfleger des vornehmsten griechischen Heiligtums im Besitze der ganzen Reihe geistlicher Ehrenämter und bildete so eine Art Hierarchie. So erschien er den Römern gewissermaßen als das Patriziat der griechischen Nation. Andrerseits hatten sich diese Adelsfamilien bei dem großen Verkehr und vielfachen Verhandlungen mit dem Ausland eine gewisse Weltbildung angeeignet und erhielten jetzt im Verkehr mit Rom neuen Glanz, indem sie die römischen Gentilnamen ihrer Patrone annahmen; sie erscheinen als Antonier, Vipsanier, Julier in den Inschriften. Diese gegenseitigen Beziehungen begünstigten eine dauernde Ordnung der gottdienstlichen Ämter in Olympia ; so kommt es, daß wir seit Ol. 186 = 36 v. Chr. bis 265 n. Chr. fortlaufende Steinurkunden 96

haben, die das geistliche Personal vollständig enthalten. So wurde die Tradition der Adelsgeschlecht e r in Elis sorgfältig gepflegt. Diese Listen der priesterlichen Ämter haben merkwürdigerweise f ü r die äußere Geschichte der Altis in Olympia dadurch eine besondere Bedeutung gewonnen, d a ß f ü r die Herstellung der ältesten von ihnen herabgestürzte Gebälk- u n d Dachstücke des Zeustempels b e n u t z t worden sind. Die älteren Tempelziegel waren ays Inselmarmor; infolge einer E r d e r s c h ü t t e r u n g sind sie reihenweise heruntergefallen u n d d a n n durch neue Ziegel aus pentelischem Marmor ersetzt worden. Es m u ß aber kurz vor dem Beginn der erwähnten urkundlichen Aufzeichnungen, also vor 37 v . Chr., auf einmal eine große Menge Bausteine heruntergestürzt sein, wenn m a n d a r a n denken konnte, sie f ü r eine größere Reihe fortlaufender U r k u n d e n zu verwenden. Dies wird d u r c h eine andere Tatsache bestätigt. M. Vipsanius Agrippa, der Freund u n d Berater des Augustus, h a t seine philhellenische Gesinnung dadurch bestätigt, d a ß er u m das J a h r 40 v . Chr. auf seine K o s t e n eine R e p a r a t u r des Zeustempels vornehmen ließ, der durch eine E r d b e b e n k a t a s t r o p h e beschädigt worden war (Inschr. v . Olympia N r . 913: große B u c h s t a b e n , die vermutlich in vergoldeter Bronze eingelassen waren u n d a m Gebäude selbst s t a n d e n ; erhalten ist der Name Agrippa). Hier grifi" der Philhellenismus des Agrippa zur rechten Zeit ein ; damals befanden sich die olympischen Behörden in der äußersten Geldnot, so d a ß , wie Josephos 7 5 ) berichtet, sogar der F o r t b e s t a n d der 7

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olympischen Spiele in Frage stand. Der Judenkönig Herodes stiftete den Eleern eine große Summe Geldes und half ihnen dadurch über die erwähnten Schwierigkeiten hinweg. Die Form, in der Josephos diese Stiftung des Herodes einführt, ist außerordentlich bezeichnend für die Wertung Olympias in römischer Zeit; er sagt 7 6 ): „Das Geschenk an die Eleer war nicht nur ein gemeinsames Geschenk für Griechenland, sondern für die ganze Welt, über die sich der Ruhm der olympischen Spiele verbreitet." Wie sehr Herodes durch die Stiftung eines großen Kapitals den Glanz der olympischen Spiele erhöht hat, berichtet Josephos noch ausführlicher an einer zweiten Stelle 77 ) und fügt bei, er sei dafür von den Eleern zum „dauernden Spielleiter" ernannt worden. Diese Auszeichnung wird damit zusammenhängen, daß Herodes einmal sogar gelegentlich einer Reise nach Rom als Festleiter (άγωνοό-έτης) bei den olympischen Spielen fungierte und als solcher wohl mehr oder weniger die Kosten der Feier bestritten hat. Ob seine intimen Beziehungen zu Agrippa zu dieser Vorliebe für Olympia beigetragen haben, läßt sich weder beweisen noch direkt in Abrede stellen. Sein besonderes Interesse für Olympia zeigte Herodes auch dadurch, daß er in Cäsarea ein kolossales Standbild des Kaisers Augustus aufstellen ließ, das dem Zeus des Pheidias in Olympia nachgebildet war. Nach Beendigung der Bürgerkriege hat dann der Philhellenismus einzelner Kaiser das olympische Fest zu einer friedlichen Ausgleichung der Nationen verwertet. Die wohlwollende Stellung der Kaiser zu 98

Olympia führte dort selbstverständlich zur Einbürgerung des Gäsarenkultus. So berichtet Pausanias (V, 12, 7), daß sich im Zeustempel zu Olympia ein Elektronbild des Augustus befunden habe, insbesondere aber weihte man den Kaisergottheiten als Stätte gemeinsamer Verehrung das Metroon. Denn Pausanias (V, 20, 9) sagt ausdrücklich: „Es befindet sich darin kein Bild der Göttermutter, sondern es sind darin die Statuen römischer Kaiser aufgestellt." Gefunden hat sich ein Rest der Inschrift 78 ), die das Metroon für seine neue Bestimmung weihte; sie steht auf einem Architravblock und bezeichnet den Augustus „als den Sohn Gottes, den Heiland nicht nur der Hellenen, sondern der ganzen Ökumene." Auch außerdem fanden sich allenthalben in Olympia, in Tempeln wie in der Altis unter freiem Himmel Ehrenstatuen und Ehrendenkmäler römischer Kaiser; diese Denkmäler sind verschwunden, aber die Postamente mit den Inschriften sind vielfach aufgefunden worden. Sie sind im V. Band des großen Olympia Werkes Nr. 365 bis 395 zusammengestellt : für ein Ehrendenkmal des Diktators G. Julius Caesar, von einem gewissen Licinius errichtet (τόν σωτήρα χ ai εύεργίτην), für Augustus, für Tiberius und Drusus bei ihren Lebzeiten, für eine Reiterstatue des Tiberius, für Germanikus, für Nero, Vespasian, Nerva, Trajan, Mark Aurel, Caracalla, Septimius Severus. Das sind nur die vollständigen Inschriften, dazu kommen ebensoviele Bruchstücke, die nicht mehr erkennen lassen, wem die Inschrift galt. Neben den Kaiserdenkmälern gab es ein Heer von Statuen römischer 7

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Statthalter und Beamter, von denen gleichfalls die Basen mit den Inschriften sich gefunden haben. Die Namen bekannter Römer sind da zu lesen: Nr. 325 Q. Caecilius Metellus Macedonicus, Konsul 143 v. Chr., Nr. 326 der berühmte G. Marius [f¡ πόλις ή τ&ν Ηλείων

Γάϊον Μάριον,

Γαΐον νίόν) ;

sie alle hier zu nennen würde zu weit führen. Dagegen kennen wir aus der langen Zeit von vier Jahrhunderten, 30 v. Chr. bis 385 n. Chr. nur 13 Siegerstatuen ; zu 11 von diesen ist in Olympia der Sockel mit der Weihinschrift gefunden worden, 2 weitere werden von Pausanias erwähnt. Außerhalb Olympias ist dann noch von 5 Siegerstatuen der Sockel mit Weihinschrift in der Heimatstadt des Siegers zutage gekommen. Das ist alles ! Gegenüber der Masse von Ehrendenkmälern eine verschwindend kleine Zahl, aus der allein schon ersichtlich ist, wie die Spiele selbst zurückgingen, wenn auch Olympia nach außen seine Bedeutung bewahrte. Zunächst gestalteten sich die Verhältnisse in Olympia unter den ersten römischen Kaisern etwas besser, da namentlich Augustus Vorliebe für griechisches Wesen zeigte. Der spätere Kaiser Tiberius siegte noch vor seiner Adoption durch Augustus (26. Juni 4 n. Chr.) als Tiberius Claudius Nero mit dem Viergespann in Olympia, wie aus der Weihinschrift des erhaltenen Postaments seines Siegesdenkmals hervorgeht. Nach diesem Siege wurde das Pferderennen, das seit der 138. Ol. (68 v. Chr.) nicht mehr abgehalten worden war, abermals abgeschafft und erst Ol. 199 (17 n. Chr.) 100

wieder eingeführt, als Germanikus Caesar, der Sohn des Drusus mit dem Viergespann siegte; auch von seinem Erzdenkmai ist der Sockel mit Weiheinschrift gefunden worden. Später ist dann das Pferderennen wieder eine Zeitlang außer Gebrauch gewesen. Damit freilich hat Augustus bei seiner Vorliebe für griechische Spiele Olympia einen schlimmen Dienst erwiesen, daß er nach seinem Sieg bei Aktium in der von ihm gegründeten „Siegesstadt" Nikopolis die ludi Actiaci 79 )einrichtete, die seit 28 v.Chr. alle 4 Jahre gleich den olympischen Agonen, jedoch mit gymnischen und musischen Wettkämpfen gefeiert wurden und sich bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. erhalten haben. Sie genossen großes Ansehen, ja im Anfang der Kaiserzeit wurde vorübergehend nach Aktiaden wie nach Olympiaden gerechnet. — Ebenso abträglich für Olympia war die Umbildung und Erweiterung älterer Spiele in Neapel zu den Ίεβαΰτά = Augustalia. Bei ihnen kündigte schon der pompöse Beiname 'Ιταλικά 'Ρωμαία Ίεβαϋτά ίβολύμπια den Wettbewerb mit Olympia an. Auch hier wurde der Versuch mit einer neuen Ära gemacht. Man rechnete nach Italiden. Wie eine Ironie erscheint es uns, daß ausgerechnet in Olympia die Trümmer einer großen Inschrift (Nr. 56) auf pentelischem Marmor gefunden wurden, in der die Festordnung für die Agone der Sebasta zu Neapel veröffentlicht ist. Die Aufstellung der Tafel in Olympia erklärt sich aus der Absicht möglichster Verbreitung dieses Festprogramms namentlich unter den Athleten, 101

die in Olympia zahlreich aus der gesamten hellenischen Welt zusammenströmten. — In Rom bildeten die von Domitian 86 n. Chr. begründeten Capitolia zu Ehren des kapitolinischen Juppiter geradezu ein Seitenstück der olympischen Spiele; das lag in der Absicht des Kaisers, daher der offizielle Name Καττιτώλεια ^Ολύμπια. Das hochberühmte Fest war pentaeterisch, bestand aus gymnischen, hippischen und musischen Agonen und belohnte seine Sieger mit einem Eichenkranz. — Schließlich ist noch hinzuweisen auf die Spiele zu Daphne nahe bei Antiochia, die ursprünglich von Antiochos Epiphanes gegründet, von den Eleern 44 n. Chr. das Recht erhielten sich olympische Spiele zu nennen und die fortan bis in alle Einzelheiten eine Nachahmung des olympischen Agons darstellten. Leider versuchte schon der Größenwahn des Kaieers Gaius (Caligula 37—41) einen gewaltsámen Eingriff in Olympia. Zur Ausschmückung seines eigenen Tempels mit seinem Kultbilde befahl er den Zeus des Pheidias in Olympia nach Rom zu schaffen, wo das Meisterwerk durch Aufsetzung eines neuen Kopfes zu seinem Kultbild umgearbeitet werden sollte. Aber die mit dem Transport des Bildes betrauten Werkleute erklärten dem Statthalter von Mazedonien und Griechenland, P. Memmius Regulus, es sei unmöglich das Kunstwerk nach Rom zu schaffen; das vertrüge es nicht. Darauf beschloß der Statthalter zunächst einmal die Sache hinzuziehen. In seinem Bericht nach Rom spielten aber neben den tatsächlichen Hindernissen auch angeblich vorgefallene Wunderzeichen 80 ) 102

eine große Rolle. Gleichwohl h ä t t e ihn wohl sein Ungehorsam das Leben gekostet, wenn nicht zuvor schon der Kaiser einer Verschwörung zum Opfer gefallen wäre. So blieb es in diesem Falle wenigstens bei dem Versuche. Dagegen erfuhr Olympia und seine Spiele die ärgste Schmach u n d die tiefste Erniedrigung durch den lächerlich eitlen Nero. Noch vor seinem A u f t r e t e n in Olympia erlitt die Altis einen schweren Verlust durch den brutalen Abbruch des Hellanodikeions, eines edlen dorischen Baues aus dem Anfang des 4. J a h r h u n d e r t s v . Chr., an ihrer Südostecke. Der B a u m u ß t e fallen, d a m i t der D i l e t t a n t Nero auf seiner Künstlerreise durch Hellas einen seiner würdigen P a l a s t vorfände. Lange allerdings h a t dieser Palast nicht b e s t a n d e n ; er ist schon in spätrömischer Zeit großenteils zerstört worden. Sodann erfolgte ein gewalttätiger Eingriff in die Spielordnung in Olympia. Die olympische Feier, die ordnungsgemäß im 1. J a h r der 211. Olympiade = 65 n . Chr. h ä t t e abgehalten werden sollen, m u ß t e auf Neros Befehl bis zu seiner A n k u n f t in Griechenland aufgeschoben werden. Sie wurde daher erst im 3. J a h r e der 211. Ol. = 67 n . Chr. abgehalten. Infolgedessen wurde sie, und zwar als die einzige von allen, in den U r k u n d e n der Eleer übergangen. Weitere Willkürakte folgten bei der Feier in Olympia selbst. Nero befahl die A b h a l t u n g musischer W e t t k ä m p f e , die bisher Olympia ganz fremd waren, u m selbst im langen K i t h a r ödengewande als Dichter u n d Sänger a u f t r e t e n zu können. Ebenso m u ß t e n gegen alles Herkommen

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Zehngespanne zugelassen werden. Mit einem solchen trat Nero als Wagenlenker auf, aber er stürzte aus dem Wagen und wäre beinahe zertreten worden, mit Mühe konnte er wieder emporgehoben werden, war jedoch außerstande, den Wagenkampf zu Ende zu führen. Trotzdem verliehen ihm die Hellanodiken den Siegeskranz, die dafür außer dem römischen Bürgerrecht eine große Geldsumme erhielten; diese mußten sie später unter Galba zurückerstatten 81 ). Nero gewann dann noch Siege an den Pythien und Isthmien sowie bei vielen anderen Spielen; seinen Einzug in Rom, wobei sich Volk und Senat in schmeichlerischen Zurufen überboten82), hat uns Dio (63, 20) ausführlich geschildert; 1808 gewonnene Siegeskränze habe er dabei mitgebracht. In der Tat, tiefer als durch Nero hätten Olympia und sein ehedem berühmter Agon nicht erniedrigt und entehrt werden können. Selbst Standbilder, die seine Habsucht reizten, hatte Nero aus dem Zusammenhang der Gruppen herausreißen und fortschleppen lassen, so aus der Paus. V, 25, 8 erwähnten Achäergruppe des Onatas den Odysseus und ebenso Teile vom Weihegeschenk des Mikythos (Paus. Y, 26, 3). Ja, wenn man dem Bericht Suetons (Nero 24) glauben darf, hat Nero den unglaublichen Befehl gegeben überall, also auch in Olympia, die Siegerstatuen umstürzen und in die Kloaken abschleppen zu lassen, damit nur das Andenken an seinen eigenen Ruhm als Hieronike erhalten bliebe. Da er jedoch schon bald nach seiner Rückkehr aus Griechenland (68 n. Chr.) endete, blieb dieser Befehl unausgeführt. 104

Vorübergehend erholte sich Olympia wenigstens äußerlich noch einmal aus dem tiefen Verfall in der Zeit der griechischen Renaissance unter Kaiser Hadrian und seinen nächsten Nachfolgern. Hadrian besuchte selbst auch Olympia und so wurde Olympia auch sonst wieder das Reiseziel vieler, freilich mehr als Kunststätte und als Hauptkultstätte des Zeus. Unter anderen hat um 170 n. Chr. der Perieget Pausanias Olympia besucht. Die Feststätte selbst sah noch einmal eine rege Bautätigkeit nicht nur durch Erweiterung älterer Bauten, sondern auch durch die Anlage von Thermen und dank der Freigebigkeit des reichen Sophisten Herodes Attikus durch eine ausgiebige Wasserleitung, die in der großartigen, alle anderen Bauten überragenden Exedra am Westende der Schatzhäuserterrasse ihren Abschluß fand. Allerdings sind diesem etwa 154—157 errichteten Prachtbau drei der altehrwürdigen Schatzhäuser zum Opfer gefallen. Im 3. Jahrhundert geht es wieder abwärts; wir hören in diesem und im 4. Jahrhundert fast nichts mehr von Olympia, auch die Ehren- und die Siegerinschriften hören auf. Die heruntergekommene Athletik'hat in der Kaiserzeit den völligen Verfall und den Untergang der olympischen Spiele verschuldet. Auch bei den erwähnten „olympischen" Spielen außerhalb Olympias wurden die Wettkämpfe ausschließlich von griechischen Athleten bestritten. Für diese Athleten war die Beteiligung ein reines Geschäft; die Spielzeit war so gelegt, daß die Athleten von einer Spielstätte zur anderen gelangen konnten, wobei nach wie vor Olympia 105

einen Hauptsammelpunkt bildete; denn ein Sieg in Olympia war für den einzelnen Athleten insofern sehr einträglich, als er ihm ein gcwinnreiches Auftreten an allen Orten ermöglichte, wo Spiele stattfanden. Prahlerisch werden die errungenen Siege aufgezählt; so haben wir (CIG nr. 5804) eine Inschrift des T. l?hlabio8 Archibios aus Alexandria, der 101 n. Chr. in Olympia im Pankration siegte; er gewann außerdem noch drei Siege in den Pythien und drei in den Nemeen, dazu erlangte er Siege in den großen Kapitolia in Rom, in den Herakleia, den Aktia, den Sebasta in Neapel, in den Spielen zu Ephesos, Antiocheia, Smyrna, Alexandreia, Argos und an anderen Orten, also das reinste Geschäft! Gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. hat sich das γένος ΐΑΰλητων, die Zunft der Athleten, wie sie schon Euripides nannte, zu einer wirklichen Zunft zusammengeschlossen: weil in Elis das Gymnasium „Xystos" 8 3 ) hieß, führte diese Korporation der Athleten den Titel „Heilige Synode von Xystos"; sie bildete eine stehende Körperschaft gleich der der Techniten des Dionysos, an die sie sich vielfach auf das engste anschloß (ή Ιερός τής ξυατιχής κ al &υμελιχ·%ς σύνοδος). Seit der Zeit Hadrians hatte sie ihren Sitz in Rom; an ihrer Spitze etand ein aus der Mitte des Vereins gewählter άρχιερενς (δlà

βίου) τοϋ αύμπαντος

ξυατοϋ,

dem

unter

an-

deren Beamten ein άρχιγραμματεύς zur Seite steht. In der Kaiserzeit war die berufsmäßige Trainierung der Athleten durch übermäßige Kraftübungen und durch die Zwangediät am höchsten entwickelt. Das Training nahm schließlich einen rein mechani106

sehen Charakter an, der auf die Individualität des einzelnen Athleten keine Rücksicht mehr n a h m u n d so nach Philostratos (Gymnastikos c. 47) durch die d a f ü r eingerichteten Tetraden die gesamte Gymnastik zugrunde richtete 8 4 ). Die Einrichtung der Tetraden schildert Philostratos folgendermaßen : „ U n t e r Tetrade versteht m a n einen Zyklus von vier Tagen, an deren jedem etwas anderes geschieht. Am ersten wird der Athlet vorbereitet, am zweiten angestrengt beschäftigt, a m dritten der E r h o l u n g überlassen, a m vierten mittelmäßig angestrengt." D a m i t erreichten auch die schon oben geschilderten Mißstände u n d Auswüchse ihren H ö h e p u n k t , wie sich aus der gleichzeitigen Literatur ergibt. Seneca bezeichnet v o m S t a n d p u n k t des Römers aus die Athleten als stumpfsinnige, gemästete, ungebildete u n d rohe Menschen, namentlich aber e n t r ü s t e t sich Galen, wie schon oben bemerkt, v o m ärztlichen S t a n d p u n k t aus über sie : das Leben der Athleten gleiche dem der Schweine, es sei ausgefüllt mit Essen, Trinken, Schlafen, Verdauen, Wälzen in S t a u b u n d K o t ; sie sind untauglich zu den Tätigkeiten normaler Menschen und können Krankheiten n u r geringen Widerstand leisten. Diesen vernichtenden Urteilen des Altertums h a t sich im wesentlichen das der Gegenwart angeschlossen: „Die Athletik erscheint als ein unerfreulicher Auswuchs der griechischen K u l t u r , u n d die überaus große Teilnahme, welche die Athleten bei d e m großen P u b l i k u m fanden, darf als ein charakteristisches Merkmal f ü r den politischen und sittlichen Verfall im öffentlichen Leben der spät-

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griechischen Zeit gelten" (Reisch, RE. II, 2, Sp. 2053). Die letzten Nachrichten, die sich über die olympischen Spiele erhalten haben, klingen wie ein Hohn auf die alte Glanzzeit. Die letzte Siegerinschrift stammt von einem Denkmal des Valerios Eklektos aus Sinope, das unmittelbar nach seinem 3. olympischen Sieg 261 n. Chr. errichtet wurde. Viermal hat der Mann in Olympia gesiegt (Ol. 256—260 = 245—261 n. Chr.), dazu auch noch in den isthmischen und nemeischen Spielen, dazu noch in zahlreichen anderen ; denn stolz nennt er sich τριαπερίοδος άλειπτος ; gesiegt aber hat er in Olympia viermal als — Herold!! Dafür nennen ihn aber die Inschriften (die von Olympia Nr. 243 und eine von Athen C.I.A III, 129) Ehrenratsherr in 11 Städten; dabei ist das Verzeichnis nicht einmal vollständig, denn in der älteren attischen Inschrift ist ausdrücklich beigefügt χαί άλλων πολλών

πόλεων

πολίτης χαί βουλευτής ! Eine reine Ironie vollends ist der Sieg des Persers Varazdatos von Artaxata in Armenien im Faustkampf 385 n. Chr., also kurz vor der Aufhebung der Spiele. Er stammte aus dem Geschlecht der Arsakiden; 391 hat ihn Theodosius der Große zum König von Armenien gemacht, wo er nur 4 Jahre herrschte. Wir haben mit der Glanzzeit der olympischen Spiele nach dem Siege über die Perser begonnen und müssen nun mit dem Siege eines Persers in Olympia unsere Entwicklungsgeschichte schließen. Zum letzten Male wurden die olympischen Spiele im Jahre 393 n. Chr. gefeiert; das Jahr darauf 394 108

erfolgte durch das Verbot des Kaisers Theodosius I. (379—395) die Aufhebung der Spiele. Damals, so berichtet der byzantinische Geschichtschreiber Giorgios Kedrenos, sei auch die Überführung des goldelfenbeinernen Zeusbildes des Pheidias aus dem Tempel zu Olympia nach Konstantinopel erfolgt; dort sei es in dem Palaste des Patriziers Lausus noch viele Jahre zu sehen gewesen, bis eine verheerende Feuersbrunst mit einem ganzen Stadtteil auch dieses herrliche Götterbild vernichtete. Leider ist dieser Bericht sehr unsicher und stark angezweifelt. Nach Krumbacher, Byz. Lit. Gesch. 2 S. 368f. ist Kedrenos (Γεώργιος Κεδρηνός) ein nach seinen persönlichen Verhältnissen gänzlich unbekannter Mann, wahrscheinlich ein Mönch, der am Ende des 11. oder am Anfang des 12. Jahrhunderts eine αύνοψις Ιστοριών = eine Geschichtsübersicht, d. h. eine Weltchronik verfaßte, die von der Weltschöpfung bis zum Regierungsantritt des Kaisers Isaac Komnenos (1057 n. Chr.) reichte. Sie ist aber ein reines Plagiat, wörtlich aus anderen Chroniken abgeschrieben, so daß wir die eigentliche Quelle gar nicht kennen, und daher den Wert des Berichtes nicht beurteilen können.

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II. Der Untergang der Feststätte Olympia und ihre Wiederaufdeckung durch das Deutsche Reich. Schon ein J a h r , nachdem Kaiser Theodosius I. 394 n . Chr. die Verordnung zur Einstellung der olympischen Spiele erlassen h a t t e , erfolgte der Einfall der Westgoten unter ihrem Führer oder Herzog Alarich 85 ) 395 n. Chr. Die Goten waren, nachdem Rufinus sie zum Abzug von Konstantinopel bewogen hatte, nach Makedonien u n d Thessalien vorgedrungen und, als Stilicho das gegen sie gesammelte Heer im F r ü h j a h r 395 auf Befehl des Kaisers Arkadius anderweitig verwenden mußte, ergossen sie sich ungehindert über Griechenland, da die Thermopylen nicht genügend gesichert waren. Theben wurde zwar durch seine starken Mauern geschützt, aber Athen wurde eingenommen u n d furchtbar geplündert, ferner wurde der ganze Peloponnes verwüstet. Allein im Winter 395/96 erschien Stilicho mit einem starken Heere in Griechenland; es gelang ihm, die Goten in das arkadische Gebirge zu drängen u n d endlich auf der Pholoe einzuschließen. Da ihnen auch das Wasser abgeschnitten werden konnte, hätten sie sich ohne Zweifel ergeben müssen, wenn ihnen nicht die Zuchtlosigkeit der Soldaten Stilichos den Durchbruch nach Epirus ermöglicht h ä t t e . Zwar verheerten sie auch dort zunächst das Land, aber Arkadius gewann Alarich dadurch,

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d a ß er ihn z u m Magister militum (Heermeister) per Illyricum e r n a n n t e . J e t z t hielt Alarich 5 J a h r e Ruhe, bis er seinen ersten Zug nach Italien unternahm. Was a n Bronze, namentlich aber a n kostbarem Edelmetall in Olympia vorhanden war, ist den Goten gewiß zum Opfer gefallen. Auch das goldelfenbeinerne Bild des Zeus von Pheidias h ä t t e sicher dieses Schicksal geteilt, wenn es sich noch in Olympia befunden h ä t t e . Es gab jedoch ähnliche K o s t b a r k e i t e n ; goldelfenbeinern waren ζ. B. auch die fünf S t a t u e n des makedonischen Fürstenhauses i m Philippeion. Soweit wird m a n zugeben dürfen, d a ß die F e s t s t ä t t e damals unersetzliche Verluste erlitt; wenn jedoch neuere Geschichtschreiber, ζ. B . Hertzberg in seiner Geschichte Griechenlands u n t e r den Römern, es so darstellen, als h ä t t e n die Scharen Alarichs alle Baulichkeiten Olympias zerstört u n d n u r einen T r ü m m e r h a u f e n hinterlassen, so fehlt d a f ü r jeder Beweis; denn die Ausgrabungen haben das Gegenteil ergeben. Alarichs U n t e r n e h m u n g war doch eher ein R a u b - u n d Beutezug, allenfalls noch auf die Gewinnung von L a n d zur Siedelung abgestellt. W a r u m h ä t t e n also die Goten Gebäude zerstören sollen, i n denen sie doch während ihres Aufenthaltes 395/96 wohnen konnten ? Aber auch zugegeben, sie h ä t t e n eine solche Absicht gehabt, so wären sie gar nicht imstande gewesen, sie auszuführen. Man bedenke n u r : der Durchmesser einer Säule des Zeustempels b e t r ä g t über 2 m, auf ihrer K a p i t ä l p l a t t e h ä t t e n sich 5 Männer bequem lagern k ö n n e n ; wie h ä t t e n

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die Goten solche Steinmassen überhaupt bewegen und so niederstrecken können, wie sie bei den Ausgrabungen gefunden wurden ? Wenn aber gar Fallmereyer in seiner Geschichte der Halbinsel Morea schreibt: „Das Dekret Theodosius' I. haben die Goten mit Feuerbränden in Olympia selbst vollzogen", so ist das völlig abwegig. Ein derartiger religiöser Fanatismus ist bei den Scharen Alarichs kaum schon vorauszusetzen, dem ja der in sich abgeschlossene Peloponnes zur Siedelung für seine Goten besondere geeignet erscheinen mußte. Übrigens ist es sicher, daß der Zeustempel die Katastrophe von 395/96 überdauert hat, denn nach dem Bericht des Scholiasten zu Lukian stand er noch zur Zeit der Regierung des Kaisers Theodosius II. (408—450). Dieser hat durch ein Dekret vom 13. November 426 die Zerstörung aller heidnischen Tempel im oströmischen Reich angeordnet ; dabei sei auch der Tempel des olympischen Zeus „verbrannt" worden. Diese Nachricht des Scholiasten muß mit aller Vorsicht aufgenommen werden; denn was konnte denn an dem gewaltigen, massiven Steinhau verbrennen ? Dachgebälk etwa, die Holzdecke, eine hölzerne Treppenanlage oder Holzverkleidungen im Innern: das tat jedoch dem Bau als ganzem kaum einen großen Eintrag. Er stand auch weiter, wenn auch dachlos und ohne Holzverkleidungen. Zunächst führte die von der Regierung planmäßig geförderte Ausbreitung des Christentums zur Gründung einer christlichen Gemeinde in 112

Olympia. Das außerhalb der Altis gelegene sog. Ergasterion des Pheidias wurde durch Anbau einer Apsis und verschiedene Umbauten in eine christliche Kirche umgewandelt; dieser eigentlich altchristliche Kirchenbau wird in der Ausgrabungsgeschichte als „byzantinische Kirche" bezeichnet, weil sie in der byzantinischen Zeit noch benützt wurde. Von den antiken Bauten wurden für den Kirchenbau besonders jene herangezogen, die mit kostbarem Marmor ausgestattet waren, weniger der Zeustempel, der nur von dem spätrömischen Fußbodenbelag seines Pronaos Platten zur Pflasterung der Apsis hergeben mußte, als namentlich das Philippeion, der Tempel der Demeter Chamyne und die Exedra des Herodes Attikus. Hierbei wurde zur Gewinnung des edlen Materials teilweise mit arger Barbarei verfahren. Geringwertigeres Material, Sandsteine, Kalksteine und Ziegel nahm man von den Schatzhäusern, dem Gymnasiontor und der Palästra. Da das Pflaster der christlichen Kirche bis zu 0,75 m höher liegt als der antike Fußboden, ist anzunehmen, daß schon seit längerer Zeit durch Abschwemmungen vom Kronoshügel der Boden sich langsam, aber stetig erhöht hatte. Den Anlaß aber zu einem allgemeinen Abbruch antiker Bauten von größtem Umfang gab der Bau einer byzantinischen Festung schon verhältnismäßig bald nach dem Entstehen der Kirche. Diese Festung bestand aus einem großen, mit hohen und starken Mauern umgebenen Hof zwischen dem Zeustempel, der die Nordwestecke, und der Südhalle, die die Südfront dieses Hofes bildete. Die ganze Mauer 8

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Zwischen den beiden B a u t e n h a t eine Länge von 240 m und eine Dicke von 3 bis 3,50 m. Da der I n n e n r a u m verhältnismäßig klein ist, die Bauweise aber auf baukundige Militärs hinweist, n i m m t m a n an, d a ß hier ein Beobachtungsposten f ü r die Westk ü s t e des Peloponnes geschaffen werden sollte in der zweiten H ä l f t e des 5. J a h r h u n d e r t s , als von 467 an die Vandalen u n t e r Geiserich die Westk ü s t e n Griechenlands mit ihren Raubzügen heimsuchten. Zum Bau der Ostmauer dieser Befestigung, die zwischen 465—470 n. Chr. entstanden sein d ü r f t e , dienten die Steine zahlreicher antiker B a u t e n , deren Aufzählung hier zu weit führen würde. E r w ä h n t m u ß n u r die Tatsache werden, d a ß in der byzantinischen Mauer kein Stück der Giebelfiguren des Zeustempels gefunden wurde, sondern n u r einige beschädigte Löwenköpfe; dies beweist, d a ß der Tempel einschließlich seiner Giebel, wenn auch dachlos, noch aufrecht s t a n d . E r s t zwei f u r c h t b a r e E r d b e b e n des 6. J a h r h u n d e r t s n . Chr. h a b e n das Schicksal Olympias vollendet. F ü r die genauere Zeitbestimmung dieses Untergangs der F e s t s t ä t t e ist der F u n d in einer byzantinischen Hausmauer vor der Ostfront des Zeustempels maßgebend, der bei den Ausgrabungen i m Februar 1876 gemacht wurde. I n dieser Mauer verborgen f a n d sich ein einfacher irdener Topf mit nahezu 1000 byzantinischen Münzen, die nicht über die Regierungszeit Justinians (527—565) hinausreichen. Als Grenze f ü r die Ansetzung der K a t a s t r o p h e ergibt sich demnach die Zeit zwischen 426 und 565. Die Geschichte der Erdbeben ver-

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zeichnet als die furchtbarsten Beben innerhalb dieser Zeit das von 522 und das von 551. Wohl werden beide das Zerstörungswerk vollendet haben ; denn ein Stoß, der die sicher gestützten und ungemein festgefügten kolossalen Steinmassen des Zeustempels reihenweise niederwarf, hatte mit dem Oberteil der Festungsmauer, den Obermauern der Kirche, den Säulen des Heraions und der Palästra, der Südhalle und Exedra ein leichtes Spiel. Wahrscheinlich sind gleich beim ersten Erdbeben 522 die Giebelstatuen des Zeustempels herabgestürzt, da sie nur schwach verankert waren. Das Erdbeben von 551 hatte auch größere Erdrutsche am Kronoshügel und namentlich an den Vorbergen im Westen zur Folge. Durch letztere wurde die Mündung des Kladeos von Westen her verschüttet und so wälzte er jahrzehntelang seine Gewässer und Schuttmassen über die Altis hin. Der Franzose Dubois schreibt 1829 gelegentlich der Grabungen der französischen Expedition: ,,Un sable dur recouvre la plaine jusqu' à la profondeur de 17 à 18 pieds; le sable provient des collines de grès, dont le Cronius fait partie." Erst nach längerer Zeit fand eine Besiedelung des Trümmerfeldes durch Bauern unbekannter Herkunft statt. Ihr armseliges Dorf war ganz roh und unregelmäßig aufgebaut, die Mauern waren aus zusammengelesenen Baustücken und Skulpturresten, besonders vom Zeustempel, in Lehmmörtel aufgeführt. Es waren byzantinische Christen, die sich da ansiedelten; Münzfunde ergaben eine Zeitgrenze 565—576. Wie lange die Siedelung bestand, 8·

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wissen wir nicht. Der Kladeos schwemmte weiter seine Sand- u n d Schuttmassen über die Altis, so d a ß schließlich eine Bodenerhöhung von 4 m durchschnittlich e n t s t a n d . Aber auch i m Osten u n d Südosten war das Gebiet von Olympia Zerstörungen durch den rasch fließenden u n d häufig aus den Ufern tretenden Alpheios ausgesetzt. D a d u r c h wurde besonders der Hippodrom zugedeckt, während das Stadion den E r d r u t s c h e n a m Kronoshügel ebenso zum Opfer fiel wie d a s a m Südwesthang gelegene Heraion. Über die weiteren Geschicke des Festplatzes während des Mittelalters u n t e r der byzantinischen, türkischen und fränkischen Herrschaft sind wir n u r d u r c h gelegentliche Berichte von englischen u n d französischen Forschungsreisenden aus dem 18. u n d 19. J a h r h u n d e r t unterrichtet. Die türkischen Bea m t e n haben sich feste Türme u n d starke Hofmauern auf ihren Besitzungen zur Sicherheit geb a u t und das Baumaterial lieferte das jetzt zu einem Steinbruch gewordene Olympia, besonders die noch stehende Cellamauer des Zeustempels. Diese traurigen Zerstörungen haben sich bis z u m Beginn der deutschen Ausgrabungen 1875 fortgesetzt. Nach 426 n . Chr. verlautet nichts mehr von Olympia. Die früheste E r w ä h n u n g der einstigen Feststätte seit dem Absterben der antiken K u l t u r ist der N a m e Antilalo = Echotal, wie die Ebene h e u t e noch heißt, auf einer venetianischen K a r t e des 16. J a h r h u n d e r t e , die aber erst 1880 von Sathas veröffentlicht wurde.

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Der Gedanke, dort Ausgrabungen zu veranstalten, findet sich zuerst in einem Briefe v o m 14. J u n i 1723, d e n der gelehrte Benediktiner P . Bernhard de Montfaucon (1655—1741) an den eben zum Erzbischof von K o r f u e r n a n n t e n Kardinal Querini richtete, u m ihn f ü r einen solchen Plan zu gewinnen. Er schreibt d a r i n : „C'est l'ancienne Elide où se celebraient les j e u x olympiques, où l'on dressait une infinité de m o n u m e n t s pour les victorieux, etatues basreliefs inscriptions. Il f a u t que la terre en soit t o u t e farcie, et ce qu'il y a de particulier c'est que je crois que personne n ' a encore cherché de ce côté l à . " E r stellte sich also den Boden von Olymp vollgepfropft mit Altertümern vor, die m a n u m so sicherer finden würde, als dort noch niemand gesucht h a t t e . D a jedoch Querini n u r wenige J a h r e in K o r f u blieb u n d jedenfalls vordringlichere Sorgen h a t t e , blieb Montfaucons Anregung ohne Ergebnis. Der nächste, den der Gedanke beschäftigte, in Olympia Ausgrabungen zu veranstalten, w a r J o h a n n J a k o b Winckelmann (1717—1768); den ersten Teil der Anmerkungen zu seiner Geschichte der K u n s t des Altertums (Dresden 1767) S. 84, schloß er mit einem Hinweis auf „die einzige S t a d t Pisa in Elis, wo die olympischen Spiele gefeiert w u r d e n . Ich bin versichert, d a ß hier die Ausbeute über alle Vorstellung ergiebig sein, u n d d a ß durch genaue Untersuchung des Bodens der K u n s t ein großes Licht aufgehen w ü r d e " . Winckelmann t r u g sich damals mit d e m Plan einer Reise nach Griechenl a n d ; er schreibt d a r ü b e r : „ E i n e Nebenabsicht

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meiner Reise ist, eine Unternehmung auf Elis zu bewirken, das ist: einen Beitrag, um daselbst nach erhaltenem Ferman von der Pforte, mit hundert Arbeitern das Stadion umgraben zu können." (Brief an Prof. Heyne in Göttingen vom 13. Jan. 1768.) Mittel für die Durchführung dieses Planes zu gewinnen, war zugleich mit der Zweck seiner letzten Reise nach Deutschland, auf der er bekanntlich in Triest ermordet wurde (8. Juni 1768). Während sich Winckelmann mit solchen Gedanken trug, war bereits, unabhängig von ihm, der Engländer Richard Chandler (1738—1810) im August 1766 nach Olympia gekommen. Sein Bericht, der früheste, den wir über das moderne Olympia besitzen, erschien 1776 (Chandler, Travels in Greece, Oxford 1776). Er läßt deutlich erkennen, daß die Tempelruine damals ungleich besser erhalten war als heutzutage; denn er berichtet: ,,The ruin, which we had seen in the evening, we found to be the walls of the cell of a very large temple, standing many feet high and well-built, the stones all injured and manifesting the labour of persons, who have endeavoured by boring to get at the metal, with which they were cemented." In dieser von Chandler nicht benannten Ruine erkannte der Franzose Fauvel, der einmal bald nach Chandler und dann wieder 1787 nach Olympia kam, richtig den Zeustempel; nur setzte er Stadion und Hippodrom auf seiner Planskizze, der ersten, die entworfen wurde, unrichtig im Kladeostale westlich vom Zeustempel an, obwohl sie Chandler bereits richtig im Osten des Tempels angenommen hatte. 118

In kurzen Unterbrechungen wurde nun die Stätte von Olympia von einer ganzen Reihe der namhaftesten englischen Archäologen besucht: 1805 von Oberst Leake, 1806 von Dodwell und Gell, 1811 von Cockerell. 2 Jahre später ließ Lord Spencer Stanhope durch den jungen Architekten Allason die erste kartographische Darstellung der Feststätte auf trigonometrischer Grundlage, sowie eine Anzahl von Landschaftsbildern herstellen. Während Chandler berichtet hatte, daß die Cellawände des Tempels noch viele Fuß hoch wohl und fest gebaut dastünden, lautet Dodwells Bericht ganz anders: „The wall of the cella rises only two feet above the ground!" Die Bewohner der Ebene Antilalo, die Lalioten, hatten also in der Zwischenzeit die Tempelruine so gründlich als Steinbruch ausgenützt, daß die Cellamauern nur mehr zwei Fuß hoch aus dem Boden hervorragten. Leake hat seiner Reisebeschreibung (Travels in the Morea, London 1830—1833) den von Stanhope übernommenen Plan beigegeben und darauf die wichtigsten Heiligtümer eingetragen; seine Ansätze haben später bei den deutschen Ausgrabungen die glänzendste Bestätigung gefunden. Auch hat Leake die viel erörterte Frage nach der „Stadt Olympia" kurz und richtig gelöst: „Like some other Hiera in Greece, at which athletic contests were celebrated, Olympia consisted only of a sacred grove, a stadium and a hippodrome, but it was on a larger scale than any similar establishment." Auf Winckelmanns Ausgrabungsplan hatte Dodwell in seinem Reisebericht (Classical and topo-

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graphical tour through Greece, London 1819) nachdrücklich hingewiesen. Der deutsche Gymnasialdirektor Sickler in Hildburghausen ließ in Cottas Kunstblatt 1921, Nr. 2, 3, 4 diesen Bericht deutsch erscheinen und trat nach Winckelmanns Idee für eine Ausgrabung auf Subskription ein, damit durch ein solches deutsches Unternehmen Deutschland in den Besitz der Fundstücke käme und das so geschaffene Museum zum Denkmal Winckelmanns auf deutschem Boden würde. Diesen Sicklerschen Plan machte der Ausbruch des griechischen Freiheitskrieges aussichtslos, aber in seinem weiteren Verlauf führte dieser Krieg zur ersten größeren Ausgrabung auf griechischem Boden. Kaum hatte nämlich die türkische Armee vor dem französischen Expeditionskorps Morea geräumt, als auch schon eine Anzahl französischer Gelehrter anlangte, um im Auftrag ihrer Regierung die Denkmäler Griechenlands zu durchforschen, die sog. Expedition scientifique de Morée, die am 9. Mai 1829 in Olympia eintraf. Bei der Nähe des Sommers wurden nur die 4 Ecken der Krepis des Zeustempels freigelegt; dabei fand man auf der Westseite 3 von den in den Triglyphenfries des Opisthodoms gehörigen Metopen, nämlich die Stiermetope, die mit dem nemeischen Löwen und von der Metope mit den stymphalischen Vögeln die sitzende Athene. Diese Fundstücke wurden auf dem Alpheios hinunter ans Meer geschafft und bilden heute eine Zierde des Louvre, konnten aber bis zu den deutschen Ausgrabungen für die Kunstgeschichte nur unvollkommen verwertet werden, 120

da sie sich in den vorhandenen Denkmälervorrat nicht einreihen ließen. Trotz dieser Funde wurden die Ausgrabungen der Franzosen plötzlich eingestellt, wie es später hieß, auf Befehl des Präsidenten Kapodistrias. Genaueres ist darüber nicht bekannt geworden. — Durch ein griechisches Gesetz vom 20.Mai 1834 wurde jede Ausfuhr von antiken Kunstwerken verboten. Die Fortführung der von der französischen Expedition begonnenen Ausgrabungsarbeiten auf dem Boden von Olympia betrieb von den in Griechenland versammelten Gelehrten am eifrigsten Ludwig Roß, Konservator der Altertümer und Professor der Archäologie an der neuen Universität Athen. An ihn richtete der bekannte Fürst Pückler-Muskau, der im Juli 1836 nach Olympia kam, einen Brief, in dem er seinen seltsamen Plan darlegte, die Altis anzukaufen, jährlich eine bedeutende Summe auf gründliche Ausgrabungen zu verwenden und die ganze Altis mit den restaurierten Altertümern in einen schönen Garten zu verwandeln. Dieser Plan hatte natürlich keine ernsthafte Bedeutung. Dagegen hat Ludwig Roß, der 1853 als Professor nach Halle zurückkam, in einem noch 1853 erschienenen Aufruf „Ausgrabung von Olympia. Ein Vorschlag" sich an die verschiedensten Kreise der Gebildeten gewendet mit der Aufforderung für die Ausgrabung Gelder zu sammeln. Hatte dieser Appell auch nur geringe Wirkung, wie bei den damaligen zerrissenen Verhältnissen Deutschlands nicht anders zu erwarten war 86 ), so war er doch geeignet, die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf eine bedeutende Aufgabe hinzulenken. 121

Die Durchführung dieser Aufgabe aber blieb der unermüdlichen Bemühung von Ernst Curtius (1814 bis 1896) vorbehalten, der als 23jähriger junger Mann erstmals 1837 als Erzieher nach Griechenland kam und 1838 Olympia zum ersten Male besuchte. Abermals kam er 1840 in Begleitung seines Lehrers Carl Otfried Müller und Friedrich Schölls dorthin. Auf Grund seiner Reisen lieferte er in dem Werke „Peloponnesos" eine Landeskunde der Halbinsel. Noch ehe dieses Buch vollendet war, hielt Curtius am 10. Januar 1852 im Wissenschaftlichen Verein in dem Saale der Singakademie in Berlin seinen berühmten Vortrag. Er war inzwischen 1844 Professor in Berlin geworden und hatte 1844—1849 die folgenreiche Stellung eines Erziehers des Prinzen Friedrich Wilhelm, des späteren Kronprinzen des Deutschen Reichs und Kaisers Friedrich III. innegehabt, den er auch in seinen Studienjahren an die Universität Bonn begleitete. Durch diese Stellung trat er auch in Beziehung zum Vater seines Zöglings, dem Prinzen Wilhelm von Preußen, späteren Kaiser Wilhelm I., was für die Durchführung seiner Pläne von der größten Bedeutung werden sollte. Der Vortrag hinterließ einen überwältigenden Eindruck, besonders auch bei dem leicht empfänglichen König Friedrich Wilhelm IV.; sein Neffe, der frühere Zögling des Redners, gab an jenem Abend das Versprechen, für die Sache mit aller Energie einzutreten, wenn die rechte Stunde gekommen sei. Diese war allerdings noch ziemlich fern, wie ja auch der im nächsten Jahre 1853 unternommene, oben 122

erwähnte Versuch von Ludwig Roß gezeigt hat. Im August des gleichen Jahres ging ein von Carl Ritter, Carl Bötticher und Ernst Curtius unterzeichnetes Immediatgesuch an den König, das als Begleitschreiben zu einer von Curtius entworfenen Denkschrift diente. In dieser waren bereits die Grundzüge des Unternehmens dargelegt, die auch bei dem späteren wirklichen Beginn der Ausgrabungen den Ausgangspunkt bildeten. Der König gab die Denkschrift an das Ministerium mit dem Bemerken weiter, daß er „dem Projekt ein lebhaftes Interesse zuwende und sein Scheitern sehr bedauern würde". Die Vorarbeiten, darunter die Fühlungnahme mit der griechischen Regierung, nahmen den erwünschten Fortgang, eine Kabinettsordre des Königs vom 13. Februar 1854 genehmigte den Ausgrabungsplan und beauftragte den Minister des Auswärtigen von Manteuffel mit einem Vertrag darüber. So nahe das Unternehmen schon der Ausführung schien, mußte es doch infolge des Ausbruchs des Krimkrieges und der dadurch hervorgerufenen völligen Umgestaltung der politischen Verhältnisse im Juni 1854 vorläufig vertagt werden. Curtius war 1856 als ordentlicher Professor nach Göttingen gegangen, kehrte aber 1868 als Ordinarius nach Berlin zurück. Dank dem persönlichen Verhältnis zu König Wilhelm gelang es diesen zu veranlassen, selbst die Hand zur Ausführung des zurückgestellten Planes zu bieten. Im Juni 1869 wandte sich Curtius mit einer Immediateingabe an ihn, der die Denkschrift von 1853 beigelegt war. Bald nach der Beendigung des deutsch-französi123

sehen Krieges übertrug der Kaiser Wilhelm I. seinem Sohne, dem Kronprinzen, das Protektorat über die Königlichen Museen und damit wurde der Ausgrabungsplan auch eine Angelegenheit dieser Museen. Doch dauerte es bis Ende 1871, bis ein privates Schreiben des Kronprinzen an König Georg von Griechenland die Sache wieder in Fluß brachte. Bald stellte sich heraus, daß bei den bedeutenden Kosten das Ausgrabungsunternehmen an Stelle des Preußischen Staates durch das Deutsche Reich ausgeführt werden müsse, weshalb der Kronprinz im Frühjahr 1873 die Angelegenheit amtlich zur Kenntnis des Reichskanzlers brachte. Im Februar 1874 reiste Curtius als Delegierter des Deutschen Reiches im Auftrag des Kronprinzen mit einem Handschreiben an König Georg nach Athen, begleitet vom Baurat Adler, der nach Unterzeichnung des Vertrags die ersten Vorarbeiten erledigen sollte. Am 25. April 1874 konnte endlich der Vertrag unterzeichnet werden. E s mag genügen, hier die wichtigsten Artikel des Vertrags anzuführen. Artikel I : „Die beiden Regierungen ernennen jede einen Kommissar, der die Auegrabungsarbeiten nach Maßgabe folgender Bestimmungen zu überwachen hat." Artikel I V : „Deutschland übernimmt alle Kosten des Unternehmens." Artikel V : „Deutschland behält sich das Recht vor, in der Ebene von Olympia diejenigen Grundstücke zu bezeichnen, welche zu Ausgrabungen geeignet sind, die Arbeiter anzunehmen und zu entlassen, und alle Arbeiten sowohl im ganzen als im einzelnen zu leiten." Artikel V I : „Griechenland

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erwirbt das Eigentumsrecht an allen Erzeugnissen der alten Kunst und allen anderen Gegenständen, welche die Ausgrabungen zutage fördern werden. Es wird von seiner eigenen Entschließung abhängen, ob es zur Erinnerung an die gemeinschaftlich unternommenen Arbeiten und in Würdigung der Opfer, welche das Deutsche Reich dem Unternehmen bringt, diesem die Duplikate oder Wiederholungen von Kunstgegenständen abtreten will, welche bei den Ausgrabungen gefunden werden." Artikel VII : „Deutschland steht das ausschließliche Recht zu, Kopien und Abformungen aller Gegenstände zu nehmen, welche bei den Ausgrabungen entdeckt werden. Die Dauer dieses ausschließlichen Rechtes erstreckt sich auf 5 Jahre vom Zeitpunkt der Entdeckung jedes Gegenstandes an gerechnet. — Griechenland und Deutschland behalten sich das ausschließliche Recht vor, die wissenschaftlichen und künstlerischen Resultate der auf deutsche Kosten angestellten Ausgrabungen zu veröffentlichen." Artikel X : „Jede der beiden Regierungen verpflichtet sich, gegenwärtige Konvention sobald wie möglich der betreffenden Volksvertretung vorzulegen; jedoch ist keiner der beiden Teile verpflichtet, dieselbe vor der Genehmigung durch die Volksvertretung zur Ausführung zu bringen." Am 4. Oktober 1875 konnte der erste Spatenstich zu den Ausgrabungen vorgenommen werden. Erfolgverheißend wurde die Arbeit gleich in den ersten Wochen durch den Fund der Nike des Paionios eingeleitet, die 3 m tief unter dem modernen Boden lag. Dazu kamen dann Teile der beiden 125

Giebelgruppen des Zeustempels. F ü r das 2. Arbeitsj a h r 1876/77 war die vollständige Freilegung der Krepis des Zeustempels als Aufgabe gestellt, sowie die Aufsuchung der noch fehlenden Teile der Giebelskulpturen des Ostgiebels u n d der des Westgiebels. D u r c h die Erfüllung dieser Aufgabe wurde diese zweite Arbeitsperiode der an Marmorfunden reichste Abschnitt der ganzen Ausgrabung. Aufgedeckt wurde ferner die sog. „byzantinische" Kirche, deren Errichtung aber sicher noch in die Zeit fällt, da das weströmische u n d das oströmische Reich nebeneinander bestanden haben. Nordwärts vom Zeustempel Würden 3 Gräben angelegt, deren erster auf den östlichen Teil des römischen Backsteinbaues der E x e d r a des Herodes Attikus, 1,50 m u n t e r dem modernen Boden, f ü h r t e ; dies war der mittlere Versuchsgraben, der östliche davon stieß auf die G r u n d m a u e r n der Schatzhäuser auf der Terrasse a m Abhang des Kronoshügels, der westliche aber auf einen antiken Tempel ; seine Bedeutung als Heratempel wurde dadurch e r k a n n t , d a ß am 8. Mai 1877 die Hermesgruppe des Praxiteles gefunden w u r d e , auf d e m Gesichte liegend, wie sie gefallen war, genau an der Stelle, wo sie einst Pausanias aufgestellt gesehen h a t t e , nämlich in der Cella des Heraions. I m 3. J a h r der Ausgrabung 1877/78 wurden noch weitere Figuren des Westgiebels des Zeustempels gefunden, Heraion, Exedra u n d Schatzhäuserterrasse wurden vollständig bloßgelegt. Dazu k a m e n n e u das Philippeion südwestlich vom Heraion, das Metroon, die Zanesbasen u n d der Stadioneingang

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südlich der Schatzhausterrasse, das sog. Oktogon weit im Südosten u n d das Gymnasium im Westen des Festplatzes. Auch das Südwesttor der Altis wurde aufgedeckt und, wie eben erwähnt, der gewölbte Stadioneingang beim Ostende der Thesaurenterrasse. Das 4. J a h r der Ausgrabungen 1878/79 brachte volle Klarheit über die Anlagen des Festplatzes; denn die Altismauer konnte festgestellt werden, das Buleuterion im Süden u n d das römische Festt o r , die langgestreckte Echohalle und das Leonidaion als Ostabschluß und die sog. Südhalle südlich vom Buleuterion wurden ausgegraben, so d a ß der Situationsplan a m Ende des 4. Jahres bereits ein deutliches Bild der F e s t s t ä t t e Olympia zeigt. So konnte die 5. Arbeitsperiode 1879/80 d a f ü r b e s t i m m t werden, die Ausgrabungen in allen wesentlichen Teilen zum Abschluß zu bringen, vor allem die noch verdeckten Teile der inneren Altis u n d der im Vorjahre zum Vorschein gekommenen B a u t e n bloßzulegen. Dabei wurden u n t e r der byzantinischen Kirche die Wohnräume der elischen Priester, besonders das Theokoleon u n d der R u n d b a u des Heroon festgestellt. Die P a l ä s t r a wurde teilweise ausgegraben u n d umfangreiche B a u t e n aus römischer Zeit, d a r u n t e r eine Thermenanlage wurden näher untersucht, auch die Lage der Echohalle z u m Stadionwall wurde festgestellt. Anfangs April 1880 erschienen Curtius und Adler noch einmal in Olympia, mit ihnen der Geh. Kriegsrat vom Großen Generalstab K a u p e r t , der in 5 Wochen einen Plan von Olympia u n d seiner näheren Umgebung im 127

Maßstab 1 : 125000 aufnahm. Dieser Plan konnte bereite 1882 gesondert erscheinen. In das große Olympiawerk ist er nicht aufgenommen. Das 6. Jahr der Ausgrabungen 1880/81 diente im wesentlichen nur noch zur Durchforschung, Sichtung und Ordnung des Gefundenen. Am 21. März 1881 wurden die Ausgrabungen nach sechsjähriger Dauer abgeschlossen. Zu den Kosten des Unternehmens hatte der deutsche Reichstag in 5 Raten während der Jahre 1875 bis 1879 zusammen 661000 M. bewilligt. Da eine Nachtragsforderung für 1880 auf Schwierigkeiten stieß, bewilligte Kaiser Wilhelm noch 80000 M. aus dem Dispositionsfonds und für die Abschlußarbeiten im Winter 1880 kam noch eine Spende von 20000 M. durch eine kunstsinnige Dame in Berlin dem Unternehmen zugute. Zur Aufnahme der Funde wurde nach Adlers Entwürfen ein stattlicher Museumsbau auf dem rechten Kladeosufer am Abhang der Druvahöhe mit der Front nach Süden in beherrschender Lage gegenüber dem Ausgrabungsfeld errichtet. Die Kosten hierfür (200000 Drachmen) spendete der Bankier Syngros in Athen, der auch noch weitere 19000 M. für die innere Einrichtung des Baues stiftete. Am 18. Mai 1887 konnte dieser Museumsbau im Beisein der griechischen Königefamilie feierlich eingeweiht werden. Damit war das große Unternehmen endgültig abgeschlossen. Die Aufstellung der Marmorwerke im Olympiamuseum erfolgte unter der Leitung der Archäologen Treu und Furtwängler im Winter und Frühjahr 1886/87. Noch vor dem Abschluß des Unternehmens waren von der General128

Verwaltung der Kgl. Museen in Berlin die nach den Originalen in Olympia angefertigten Gipsformen übernommen worden. Die Abgüsse selbst wurden auf der Museumsinsel in Berlin als „Olympia-Museum" zusammengestellt. Der große offizielle Bericht über die Ausgrabungen erschien in den Jahren 1887—1897 unter dem Titel: Olympia. Die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung, herausgegeben von Ernst Curtius und Friedrich Adler. Das Werk umfaßt folgende Abteilungen: Textband I : Topographie und Geschichte, bearbeitet von Jos. Partsch, P. Graef, E. Curtius, W. Dörpfeld, Friedrich Adler und R. Weil. — Textband II nebst Tafelband I und II (132 Tafeln): Die Baudenkmäler, bearbeitet von Friedrich Adler, W. Dörpfeld, Friedrich Gräber, P. Graef, Rieh. Borrmann. — Textband III nebst Tafelband III (69 Tafeln) : Die Bildwerke in Stein und Ton, bearbeitet von Georg Treu. — Textband IV nebst Tafelband IV (71 Heliogravüren) enthaltend die Bronzen und die übrigen kleineren Funde, bearbeitet von Adolf Furtwängler. — Textband V : Inschriften, bearbeitet von Wilh. Dittenberger und Karl Purgold. — Dazu kommt noch eine Mappe mit 7 Karten und Plänen.

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III. Die Wiederbelebung der olympischen in der Gegenwart.

Spiele

Nachdem Griechenland durch den Befreiungskrieg seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit wieder erlangt hatte, machte sich bald der Drang geltend, die Überlieferungen aus einer glorreichen Zeit, die während der Türkenherrschaft brach gelegen hatten, zu erwecken und zu beleben ; es fehlten jedoch dem jungen Staate die für derartige Bestrebungen nötigen großen Geldmittel; denn etwaige Ausgrabungen an berühmten Kunst- und Kulturstätten des alten Hellas, die hierbei mit in erster Linie in Frage gekommen wären, hätten gewaltige Kosten verursacht. Immerhin hatte die oben geschilderte eifrige Tätigkeit von Ernst Curtius für eine Aufdeckung Olympias seit 1852 die Wirkung, daß man bald darnach an eine Wiederbelebung der olympischen Spiele in der Weise dachte, daß alljährlich in Athen athletische Wettkämpfe in getreuer Nachahmung der Spiele in der Alpheiosebene veranstaltet werden sollten. Aber auch dafür hätte der Staat die Kosten nicht aufbringen können, wenn nicht, wie wir das bei ähnlichen Gelegenheiten wiederholt finden werden, ein patriotisch gesinnter reicher Grieche, Zappas, eine namhafte Summe für den gedachten Zweck zur Verfügung gestellt hätte. So fanden 1859, 1870 und 1875 Spiele in Athen

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statt, die aber kaum einen nennenswerten Erfolg hatten. Selbst von Seiten der besseren griechischen Kreise war die Teilnahme gering, das Ausland war dabei natürlich gar nicht vertreten. Unmittelbar darauf begannen die deutschen Ausgrabungen in Olympia; unter dem Eindruck ihrer großartigen Ergebnisse wurden nun 1889, aus Anlaß des Jubiläums der 25jährigen Regierung des Königs Georg (1864—1889) zum viertenmal olympische Spiele in Athen veranstaltet; man kann wohl sagen, daß damals der olympische Gedanke wachgerufen wurde. Diesen Gedanken weiter verfolgt und in die Tat umgesetzt zu haben ist das Verdienst des französischen Barons P i e r r e de C o u b e r t i n (geb. zu Paris am 1. Januar 1863, also gegenwärtig 73 Jahre alt). Eben im Jahre 1889, also mit 26 Jahren, erhielt er vom französischen Unterrichtsministerium den Auftrag, einen internationalen Kongreß einzuberufen, auf dem die Fragen der körperlichen Erziehung behandelt werden sollten. Natürlich bedurfte der junge Mann für eine solche Aufgabe gründlicher Vorbereitung. Außer umfänglichen Selbststudien unternahm er auf Staatskosten eine Studienreise nach Amerika, dem Lande des Sports und gewann dort den Eindruck bei Beobachtung verschiedener Mißbräuche, daß die Athletik abermals, wie im Altertum, auf dem Wege war, den gesunden Sport zu vernichten. Nach solch umfassenden Vorbereitungen erließ Coubertin im Frühjahr 1893 durch Einladungen an alle Sportverbände der Welt die Einberufung für den internationalen Kongreß nach Paris im Juni 1894. Hier wurden zunächst rein 9*

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sportliche Fragen behandelt, aber dadurch, daß Coubertin eine Vertiefung der Leibesübungen im Sinn der antiken Körperkultur anstrebte und betonte, wurde die Aufmerksamkeit der Teilnehmer unwillkürlich auf die olympischen Spiele hingelenkt und so beschloß man die G r ü n d u n g e i n e s internationalen Olympischen Komitees, das sich die Durchführung moderner olympischer Spiele auf internationaler Grundlage zur Aufgabe machen sollte. Dieses Komitee hat C. bis 1925 als Vorsitzender geleitet; aber auch seitdem er wegen vorgerückten Alters den Vorsitz niedergelegt hat, nimmt er an der Feier der Olympiade regelmäßig teil, wie er auch zur 11. Olympiade in Berlin erscheinen wird. Seine reiche Erfahrung in der Körpererziehung hat er niedergelegt in den Schriften La gymnastique utilitaire 1912, Essais de psychologie sportive 1913 und La pédagogie sportive 1923. Seinen Ruhesitz hat C. in der Schweiz; von da ist er zur IV. Winterolympiade in Garmisch-Partenkirchen erschienen, wo er sich von der befriedigenden Durchführung seines Lebenswerkes überzeugen konnte. Seit seinem Rücktritt führt Graf Β aille tLatour (Frankreich) den Vorsitz im internationalen Olympischen Komitee. An dem Kongreß in der Pariser Sorbonne hatte nur ein Deutscher als Privatmann teilgenommen, da die eingeladenen deutschen Sportvereine dem Plane skeptisch gegenüberstanden. Mit großer Begeisterung wurde der Vorschlag angenommen, die ersten Spiele 1896 in Griechenland stattfinden zu lassen; ferner wurde dem Anspruch Frankreichs, 132

das die Kongreßteilnehmer beherbergte, stattgegeben, die zweiten Spiele 1900 anläßlich der Weltausstellung in Paris abzuhalten. Eine Entscheidung von weittragender Bedeutung in bezug auf die Teilnehmer an den Wettkämpfen wurde gleichfalls schon 1894 getroffen. Es wurde beschlossen, daß an den neuen olympischen Spielen nur Sportliebhaber (Amateurs), nicht aber Sportleute von Beruf (Professionals) teilnehmen dürften. Damit wurde die berufsmäßige Athletik ein- für allemal von der Beteiligung ausgeschlossen, die nach den Darlegungen im ersten Teil dieser Abhandlung den Verfall der olympischen Spiele im Altertum verschuldet hatte. Dieser Beschluß führte dann noch zu einem zweiten nicht minder wichtigen: es sollten keine Geldpreise, sondern nur Ehrenpreise verteilt werden. Für die erste Olympiade 1896 in Griechenland traf alsbald ein großes Komitee die nötigen Vorbereitungen, dem unter andern der damalige Leiter des deutschen archäologischen Instituts in Athen, Professor Dörpfeld, angehörte, der ja bekanntlich an den Ausgrabungen des Deutschen Reiches in Olympia (1875—1881) beteiligt gewesen war. Bei der Stimmung in Griechenland wird man es begreiflich finden, daß man zunächst die Spiele in Elis, an der Stätte des alten Olympia, abhalten wollte; allein die örtlichen Schwierigkeiten waren unüberwindlich. So entschied man sich für Athen. Hier mußte aber das alte Stadion des Herodes Attikus für eine große Zuschauermenge neu hergestellt werden und dazu fehlten die Geldmittel. Auch hier wieder sprang ein begeisterter reicher 133

Grieche Averoff ein, der eine Million Drachmen für diesen Zweck spendete. Mit diesen Mitteln konnte das antike Stadion renoviert werden; ganz in Marmor ausgeführt bot es für mehr als 75 000 Zuschauer Raum. Die erste Olympiade fand vom 5. bis 15. April 1896 statt. Bei der Neuheit der Einrichtung war die Teilnahme des Auslandes noch verhältnismäßig gering : sie beschränkte sich auf 12 Nationen, während doch auf dem Kongreß in Paris 34 Nationen vertreten gewesen waren. 15 Wettbewerbe wurde ausgetragen; in 9 von diesen siegten die Amerikaner. Den größten Triumph aber erntete der griechische Schafhirte Spiridion Louis aus dem Flecken Amarussi zwischen Athen und Marathon, damals 22 Jahre alt, der den großen „Marathonlauf" (42,2 km) mit einer Zeit von 2 Std. 55,20 Min. gewann. Sein Sieg löste einen geradezu wahnsinnigen Jubel von ganz Griechenland aus und verschaffte ihm Ehrungen, die geradezu an die antiken Vorbilder erinnern. Der bescheiden gebliebene heute 62 jährige Louis ist von der deutschen Reichsregierung als Ehrengast zur 11. Olympiade nach Berlin eingeladen worden. Der Marathonlauf ist 1896 auf französischen Antrag als Langstreckenlauf in das Programm der Spiele aufgenommen worden zur Erinnerung an den s a g e n h a f t e n Lauf eines Eilboten von Marathon nach Athen, der die Nachricht vom Siege von 490 v. Chr. seinen Landsleuten verkündet haben, alsbald darauf aber tot zusammengebrochen sein soll. Nach dieser Überlieferung hat der Bild134

hauer Max Kruse (geb. 1854) schon 1881 sein meisterhaftes Erstlingswerk „Der Siegesbote von Marathon" geschaffen, das vor der Nationalgalerie in Berlin im Freien aufgestellt ist. Durch zahllose Nachbildungen auch im kleinsten Format weltbekannt und vielfach als Ehrenpreis verwendet, stellt die Statue den Läufer am Ziel dar, die rechte Hand streckt weit den Lorbeerzweig vor; von dem geöffneten Mund meinen wir den Ruf „νενΜήχαμεν" „wir haben gesiegt" ablesen zu können, die Linke aber ist krampfhaft gegen das Herz gepreßt, das im nächsten Augenblick zu schlagen aufhören wird. Die z w e i t e O l y m p i a d e 1900 in P a r i s war beinahe ein Mißerfolg; denn der Trubel der Weltausstellung erdrückte fast die noch dazu schlecht vorbereiteten Spiele, die um so weniger einen geschlossenen Eindruck machen konnten, als infolge einer unsinnigen Dehnung des Programms zwischen dem ersten und letzten Spieltage mehr als drei Monate verflossen. Bei der d r i t t e n O l y m p i a d e in St. L o u i s in A m e r i k a 1904 wurde der gleiche Fehler begangen, indem man die Spiele wieder mit der Weltausstellung zusammenkoppelte; zu diesem Zweck wählte man auch St. Louis statt des ursprünglich bestimmten Chicago. Da noch dazu wegen der weiten Reise und der damit verbundenen hohen Kosten nur kleinere Vertretungen der Nationen gekommen waren, wurden die Spiele zu einer rein amerikanischen Angelegenheit; die Amerikaner gewannen in 26 leichtathletischen Wettbewerben den Sieg, zeigten sich also noch überlegener als in Athen 135

und Parie. Aber der allgemeine Erfolg der Spiele war noch geringer als in Paris; von einer Belebung des olympischen Gedankens konnte nicht die Rede sein. Den ersten Olympiaden war das offizielle Deutschland ferngeblieben; Schuld daran trug die ablehnende Haltung der deutschen Turnvereine. Ganz abgesehen davon, daß diese zum Pariser Kongreß 1894 nicht förmlich eingeladen worden waren, bestand eine Spannung zwischen ihnen, den Vertretern des ehrwürdigen alten Turnens, das nach ihrer Meinung allein alle Teile des Körpers durch seine Übungen gleichmäßig schulte, und dem neuen Sport, den sie für einseitig hielten. So kam es, daß erst zu den späteren Olympiaden auch die Turnvereine ihre Vertreter sandten, während an den ersten nur einzelne deutsche Sportleute sich beteiligten. I m J a h r e 1906 v e r a n s t a l t e t e n die Griec h e n in A t h e n e i n e Z w i s c h e n o l y m p i a d e zur Erinnerung daran, daß vor 10 Jahren 1896 die olympischen Spiele in Athen wieder belebt worden waren. Gegen dieses Unternehmen erhob sich zunächst außerhalb Griechenlands ein lebhafter Widerspruch, der jedoch allmählich nachließ, als das Internationale Olympische Komitee unter Coubertins Vorsitz seine Zustimmung gab, weil es sich gerade durch diese Zwischenfeier auf klassischem Boden eine Wiederbelebung der olympischen Idee versprach. Der Erfolg gab diesen Erwartungen recht: 20 Nationen hatten Teilnehmer zu den Spielen entsandt, die vom griechischen König selbst eröffnet wurden. 136

Unter diesen Umständen ließ die 4. O l y m p i a d e in London 1908 das Beste hoffen; sie brachte wirklich den olympischen Gedanken zur vollen Entwicklung und erzielte tatsächlich eine Weltbeteiligung. Nach ausgezeichneten Vorbereitungen gelangte ein umfassendes Programm zur Durchführung: 22 Nationen stellten 2666 Wettkämpfer zu 109 Wettbewerben, während Athen 1906 nur 903 Kämpfer aus 20 Nationen bei 29 Wettbewerben aufzuweisen gehabt hatte. Den Höhepunkt in der Entwicklung der Olympiade vor dem Weltkrieg bezeichnet aber d i e F e i e r der S p i e l e in S t o c k h o l m 1912, im Lande der Sportfreudigkeit und des Sportgeistes, an der 27 Nationen mit 4742 Wettkämpfern teilnahmen. Nach der gewaltigen Förderung, welche die olympische Idee hier erfahren hatte und nach den geradezu als Beispiel dienenden ausgezeichneten Vorbereitungen durfte man auf die nächste Feier, die 1916 i n B e r l i n s t a t t f i n d e n s o l l t e , gespannt sein. Jedenfalls wurden von Seiten der Sportvereine wie der Behörden in Deutschland sofort alle Vorbereitungen aufgenommen, die Berlin einen glänzenden Erfolg sichern sollten; da brach, zwei Jahre vor den Spielen, 1914 der Weltkrieg aus. Die VI. O l y m p i a d e in B e r l i n m u ß t e a u s f a l l e n . Dieser Ausfall wäre später zu ersetzen gewesen, aber der unselige Krieg vernichtete vorerst auch den friedebringenden Völkerver söhnenden Geist der Olympiaden; denn Frankreich wußte es durchzusetzen, daß der Sport die Mittelmächte boykot137

tierte. Als das internationale Komitee die F e i e r d e r VII. O l y m p i a d e 1920 n a c h d e m b e l g i s c h e n A n t w e r p e n legte, war schon dadurch jede Beteiligung Deutschlands ausgeschlossen. D a die F e i e r d e r VIII. O l y m p i a d e 1924 in P a r i s s t a t t f a n d , erging an D e u t s c h l a n d a b e r m a l s keine E i n l a d u n g . Endlich wurde 1 9 2 8 d u r c h die F e i e r der I X . O l y m p i a d e in A m s t e r d a m , der Hauptstadt des während des Weltkrieges neutralen Holland, die politische Feindseligkeit der vorausgegangenen Jahre überwunden, die Beteiligung aller Nationen war wieder frei, jetzt konnte auch Deutschland, wo der Sport inzwischen Glänzendes geleistet hatte, mit Erfolg in die Bewerbung um den Sieg eingreifen. Es kam mit 64 Punkten an die 3. Stelle unter den beteiligten Nationen zu stehen, voraus gingen die Vereinigten Staaten mit 164 und Finnland mit 82 Punkten. D i e X. O l y m p i a d e i s t 1932 in L o s A n g e l e s i n den V e r e i n i g t e n S t a a t e n a b g e h a l t e n w o r d e n . Bei der großen Entfernung und der Kostspieligkeit der Reise trat hierbei die Beteiligung Deutschlands etwas zurück; doch errangen seine Wettkämpfer immerhin 3 erste Siege und damit 3 Goldmedaillen, ferner belegten sie 13 zweite und 6 dritte Siegesplätze. Zusammen mit den letzten drei Feiern 1924, 1928 und 1932 sind erstmals Winterolympiaden abgehalten worden und zwar im Winter 1924 in Chamounix, im Winter 1928 in St. Moritz im Engadin, also außerhalb Hollands und im 138

Winter 1932 in Lake Placid in den Vereinigten Staaten. Abgesehen von diesen winterlichen Wettkämpfen unterscheidet sich die moderne Olympiade von den alten olympischen Spielen vor allem hinsichtlich der Beteiligung an den Kämpfen. Wie schon oben bemerkt, hat man aus den Verfallserscheinungen des Altertums die Lehre gezogen und das Berufsathletentum ausgeschlossen. Daher muß der für den Wettkampf sich meldende und angenommene Teilnehmer sich also verpflichten: „Ich, der Unterzeichnete, erkläre auf Ehrenwort, daß ich im Sinne der olympischen Amateurbestimmungen Amateur bin." Wer sich infolge seiner Siege aus einem Amateur in einen Professional umgewandelt hat, muß ausscheiden. So durfte, um nur ein bekanntes Beispiel zu erwähnen, der weltbekannte finnische Läufer Nurmi, der Sieger von 1920 und 1928, in Los Angeles 1932 nicht mehr starten und mußte von der Tribüne aus zusehen, wie der von ihm für Finnland gewonnene Sieg an Polen verloren ging. — Ein zweiter unterscheidender Punkt ist die Beteiligung der Frauen an den Wettkämpfen, denen im Altertum bei Todesstrafe nicht einmal das Zuschauen bei den olympischen Spielen gestattet war. Heute sind Frauen zu den Wettkämpfen nur insoweit zugelassen, als Schönheit der Bewegung und körperliche Gewandtheit in Betracht kommt. Die Arbeitstagung des Internationalen Olympischen Komitees im Frühjahr 1934 in Athen hat sich eingehend mit der Frage des Frauensports beschäftigt. Fast einmütig herrschte die 139

Meinung vor, einer allzugroßen Ausbreitung des Frauen-Kampfsportes entgegenzutreten. Schließlich wurde der Beschluß gefaßt, daß in Zukunft eine weitere Ausgestaltung des frauensportlichen Programmes innerhalb der Olympischen Spiele unter keinen Umständen genehmigt werden würde. Es wurden daher für 1936 lediglich die bisher üblichen Frauenprüfungen in Leichtathletik, Eiskunstlauf, Fechten und Schwimmen zugelassen und der Vorschlag des Internationalen Skiverbandes betreffend Abfahrt und Slalom angenommen, da es sich in diesem Falle um Prüfungen handelt, bei denen in erster Linie Körperbeherrschung und Geschicklichkeit eine Rolle spielen. Danach ist bereite beim IV. Winterolympia in Garmisch-Partenkirchen 6.—12. Februar 1936 verfahren worden. Diese Winterfeier zur XI. Olympiade hat uns auch erstmals in Deutschland das Zeremoniell vor Augen geführt, das für die olympischen Spiele der Neuzeit besteht und sehr viele Ähnlichkeiten mit dem feierlichen Pomp des Altertums aufzuweisen hat. Der Herrscher oder das Staatsoberhaupt des betreffenden Staates verkündet die Eröffnung der Olympischen Spiele. Er wird am Eingang des Stadions empfangen vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees und vom Präsidenten des Organisationskomitees, der seine Mitarbeiter vorstellt. Beide Ausschüsse geleiten den Herrscher oder das Staatsoberhaupt und seine Begleiter zur Ehrentribüne, wo zur Begrüßung die Nationalhymne gesungen oder gespielt wird. Unmittelbar darnach erfolgt der Aufmarsch der Kämpfer. Jeder 140

Abteilung wird ein Schild mit dem Namen der Nation vorausgetragen, das von der Nationalflagge begleitet wird. Die Länder ziehen in alphabetischer Reihenfolge in die Arena ein; in Garmisch-Partenkirchen hatte Griechenland den Ehrenvortritt, während das Gastland, Deutschland, den Schluß bildete. Nachdem jede Ländergruppe die Runde um das Stadium gemacht hat, stellt sie sich auf dem freien Platz in der Mitte hinter ihrem Schild und ihrer Flagge in tiefer Reihe auf, die Front gegen die Ehrentribüne. Die beiden Komitees nehmen im Halbkreis vor der Ehrenloge Platz, der Präsident des Organisationskomitees ergreift das Wort zu einer kurzen Ansprache, die in dem Ersuchen an das Staatsoberhaupt ausklingt, er möge die Eröffnung der Spiele verkünden. Dieser erhebt sich und spricht die Worte: „Ich erkläre die Olympischen Spiele von (Berlin) zur Feier der (XI.) Olympiade (1936) für eröffnet." Alsbald geht unter Kanonendonner die Olympische Flagge am Mittelmast hoch und Brieftauben fliegen auf, um die Kunde von der Eröffnung der Spiele in alle Welt hinauszutragen. Die Flagge trägt auf weißem Grunde fünf ineinandergeschlungene Ringe in den Farben (von links nach rechts) rot, grün, schwarz, gelb, blau; diese Farben sind das Symbol der fünf Erdteile, die durch den Sport friedlich miteinander verbunden werden. Darauf deutet das enge Verschlungensein der Ringe hin. An das Hochgehen der olympischen Flagge schließt sich unmittelbar der olympische Eid, den die Kämpfer wie im alten Olympia zu leisten haben: ein Ange141

höriger des Landes, in dem die Olympiade stattfindet, tritt vor auf eine Rednertribüne, die Rechte erhebt er zum Schwur, die Linke hält das Fahnentuch seiner Nationalflagge, die Fahnenträger aller beteiligten Nationen umgeben ihn in •weitem Kreis. Der Eid lautet: ,,Wir schwören, daß wir uns bei den olympischen Spielen als ehrenhafte Kämpfer zeigen und die für die Spiele geltenden Gesetze achten wollen. Unsere Teilnahme soll in ritterlichem Geiste zur Ehre unseres Vaterlandes und zum Ruhm des Sports erfolgen." Der Sprecher leistet den Eid im Namen sämtlicher beteiligten Wettkämpfer. Hierauf beginnen die Spiele, nachdem die Nationen in umgekehrter Reihefolge abmarschiert sind. Nicht minder zeremoniell und erhebend wie die Eröffnung gestaltet sich der feierliche Schlußakt. Nachdem schon unmittelbar nach Feststellung der Ergebnisse eines jeden Wettbewerbes die feierliche Ausrufung der drei Sieger erfolgt ist, bildet den Mittelpunkt der Schlußfeier eine großartige Siegerehrung. Wiederum ziehen die Fahnenträger der beteiligten Nationen in das Stadion ein und hinter ihnen die neuen Olympiasieger. Diese treten nacheinander vor und stehen auf einem kleinen Podest, der erste Sieger etwas erhöht, der zweite und dritte rechts und links ihm zur Seite. Der Protokollführer des Komitees ruft laut zunächst den Namen des 1. Siegers und sein Land; seine Nationalflagge steigt am Mast empor und seine Nationalhymne erklingt. So ertönte bei der Schlußfeier der IV. olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkir142

chen siebenmal die norwegische Nationalhymne, dreimal die deutsche, zweimal die schwedische, je einmal die von Österreich, der Schweiz, Finnlands, der Vereinigten Staaten und Großbritanniens. Gerade dieses Zeremoniell ist bezeichnend; denn der Olympiasieger gewinnt den Preis genau wie im Altertum als Vertreter seines Staates und sein Heimatstaat empfindet das aufs tiefste. Wenn wir ζ. B. lesen, mit welcher Begeisterung und welchen Ehren das norwegische Volk in Oslo seine Sieger empfing und durch die reichgeschmückte Stadt geleitete, so müssen wir zugeben, der Einzug eines Olympioniken in Kroton, Sybaris oder Akragas kann einst nicht glänzender gewesen sein. Aus den Händen des Präsidenten des Olympischen Komitees empfangen die Sieger ihre goldenen, silbernen und bronzenen Medaillen und die in rotes Saffianleder gebundenen Urkunden. In einer kurzen Ansprache erklärt der Präsident Graf Baillet-Latour die Spiele für geschlossen, unter dem Donner der Geschütze sinkt langsam auf Kommando die große olympische Flagge am Hauptmast und, wenn ein olympisches Feuer gebrannt hat, so erlischt es jetzt. Dieses olympische Feuer wird bei der Hauptfeier der XI. Olympiade in Berlin eine besondere Rolle spielen. Zum ersten Male wird das olympische Feuer in einem Staffellauf einzig in seiner Art von Griechenland nach der deutschen Kampfbahn gebracht werden. Wir sehen den antiken Fackellauf wieder aufleben. Die Länder, durch die der Lauf führt, übernehmen die Stafetten. Von Olympia wird der Lauf zunächst nach Athen und von da nach Delphi und 143

•weiter durch Mittel- und Nordgriechenland nach Saloniki gehen, dann tritt er nach Bulgarien (Sofia) über, durchquert der Reihe nach Jugoslawien (Belgrad), Ungarn (Budapest), Österreich (Wien), die Tschechoslowakei (Prag), um von da auf deutsches Gebiet überzugehen und in der deutschen Kampfbahn im Grunewald bei Berlin zu enden. 28 Nationen waren bei den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen vertreten, für die Olympiade in Berlin haben sich 51 Nationen angemeldet, Zahlen, wie sie bisher nie erreicht wurden. Der völkerversöhnende olympische Gedanke hat sich durchgesetzt, des ist der alle Voraussicht übertreffende glänzende Verlauf der IV. Winterspiele ein vollgültiger Beweis; in Berlin wird die Weltbeteiligung noch größer sein. Mit Recht dürfen wir an den Schluß unserer Erörterungen die prophetischen Worte setzen, die vor bald 100 Jahren Ernst Curtius an das Ende seiner Berliner Rede gestellt hat : „Nicht für sich, sondern für alle kommenden Geschlechter haben die Hellenen die Wahrheit an das Licht gebracht, daß nicht das Besitzen und Genießen, sondern das Ringen und Streben bis ans Ende des Menschen Beruf und seine einzige wahre Freudenquelle sei. Und so bleibt Olympia auch für uns ein heiliger Boden, und wir wollen in unsere Welt herübernehmen den Schwung der Begeisterung, die aufopfernde Vaterlandsliebe, die Weihe der Kunst und die Kraft der alle Mühsale des Lebens überdauernden Freude."

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Anmerkungen. 1 ) Die nachfolgende A b h a n d l u n g möchte eine Ergänzung bilden zu der von mir u n d Oberetudienrat Dr. Steeger herausgegebenen eben erschienenen Auswahl griechischer T e x t e f ü r die Lektüre (von der 7. Klasse (Ο I I ) a n ) : O l y m p i a u n d d i e O l y m p i s c h e n Spiele. E i n e F e s t s c h r i f t aus A n l a ß der e r s t e n i n D e u t s c h l a n d g e f e i e r t e n O l y m p i a d e . Bamberg, C. C. Buchner, 1936. Diese Auswahl bietet die Texte f ü r die Beschreibung der F e s t s t ä t t e u n d ihrer Bauten, die E n t stehung u n d die Schilderung der Feier der Spiele u n d das Leben der b e r ü h m t e n Athleten, alles m i t besonderer Berücksichtigung der K u n s t . F ü r die Schülerlesebibliothek der vier oberen Klassen aller höheren Lehranstalten k o m m t besonders in B e t r a c h t : B a n d 83 der „ B e r ü h m t e n K u n s t s t ä t t e n : O l y m p i a v o n W . W u n d e r e r . Mit 60 Abbildungen, einem Titelbild und 3 Plänen. Leipzig, Ε . A. Seemann. 1935". 2 ) Dr. Hugo Förster, Die Sieger in den Olympischen Spielen bis zum E n d e des 4. J a h r h . v. Chr., Progr. des G y m nasiums Zwickau, Ostern 1891; I I . Teil (bis zum J a h r e 385 n. Chr.), Progr. von Zwickau, Ostern 1892.

*) Paus. I. 44,1 : δοκώ δέ oí και έν Όλυμπίφ τό περίζωμα έχόντι περιρρνηναι γνόντι, ώς άνδρός περιεζωσμένου δραμεϊν ράων ίστίν άνήρ γυμνός. 4 ) Thukyd. I, 6,5: εγυμνώ&ησάν τε πρώτοι (ol Λακεδαιμόνιοι) χαϊ ες το φανερόν όποδυντες λίπα μετά τον γνμνάζεσ&αι ήλείψαντο' τό δέ πάλαι και εν τω Όλυμπιακφ άγωνι διαζώματα εχοντες περί τά αιδοία οί ά&ληταί ήγωνίζοντο και ον πολλά ετη, επειδή πέπαυται. 6 ) Plato, Rep. V, 452 C: ού πολύς χρόνος, έξ οϋ τοίς "Ελλησιν έδόκει αΙσχρά είναι και γελοία, άπερ νϋν τοις πολλοίς των βαρβάρων, γυμνούς άνδρας όράα&αι, καΐ δτε ήρχοντο τ eh· γυμνασίων ( = Übungen nackter Männer) πρώτοι μέν Κρητες,

έπειτα Λακεδαιμόνιοι. 10

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·) Förster, Die Sieger in den Olympischen Spielen I. S. 4—7. ' ) Aristot. Pol. p. 1338b: αυτούς τους Λάκωνας ϊσμεν, εως μεν αυτοί προσήδρευον ταϊς φιλοπονίαις, υπερέχοντας των άλλων, νυν δέ κα'ι τοις γυμνικοϊς άγωσι και τοις πολεμικοις λειπομένους έτέρων. Ου γαρ τω τους νέους γυμνάζειν τον τρόπον τούτον διέφεραν, άλλά τω μόνον μη προς άσκοϋντας (— berufsmäßige Athleten) άσκεϊν. Δεϊ δη ουκ ίκ των προτέρων έργων κρίνειν, άλλ' εκ των νυν. Άνταγωνιατάς γαρ της παιδείας νϋν εχουσι, πρότερον δ'ούκ εΐχον. 8 ) Plut, apophth. Lac. 27: τοις παλαίουσι παιδοτρίβας ουκ εφίστανον, Ινα μη τέχνης (sc. ά&λητιχής), άλλ'αρετής ή φιλοτιμία γένηται. 9 ) Plato, Laches p. 182 Ε : ...Λακεδαιμονίους, οϊς ουδέν άλλο μέλει ¿ν τω β(φ ή τούτο ζητεϊν και ίπιτηδεύειν, δ, τι äv μα&όντες και ¿πιτηδεύααντες πλεονεκτοϊεν των άλλων περί τον πόλεμον. 10 ) Strabo VI ρ. 262: δοκεϊ δ'η πόλις τά τε πολέμια άακήααι και τά περί την α&λησιν. εν μιξ. γοΰν Όλυμπιάδι οί των άλλων προτερήσαντες τω σταδίω επτά άνδρες άπαντες υπήρξαν Κροτωνιάται, ωστ εΐκότως είρήσΰαι δοκεϊ, διότι ΚροτοηΊατών δ έσχατος πρώτος f¡v των άλλων 'Ελλήνων. Πλείστους ούν Όλνμπισνίκας εαχε καίπερ ου πολύν χρόνον οίκη&εϊσα. Strabo ΥΙ, 263 : προσέλαβε δε τη δόξη καϊ Μίλων, επιφανέστατος μεν των ά&λητών γεγονώς, ομιλητής ( = Schüler) δε Πυ&αγόρου διαχρίψαντος εν τη πάλει πολύν χρόνον. Pythagoras war ein persönlicher Freund des Sports ; in seiner Schule wechselte philosophischer Unterricht ab mit systematischer Leibespflege. 1 2 ) Paus. IV, 17,9: άπέϋανον δε και των πρωτευόντων άξίως άλλοι τε και Άνδροκλής και Φίντας καϊ λόγου μάλιστα άγωνισάμενος Φάνας, ος πρότερον τούτων ετι δολίχου νίκην Όλυμπίασιν ?¡v άνηρημένος. 1 3 ) Strabo, X I I I , 38: τούτο δέ (το Σίγειον) κατέσχον Άϋηναιοι Φρΰνωνα τον ολυμπιονίκη» πέμψαντες. — Πίττακος δ' ô Μιτυληνάίος, είς των έτιτά σοφών λεγομένων, πλεύσας έπί τον Φρννώνα στρατηγόν διεποΜμει τέως διατι&είς καϊ πάσχων κακώς, ύστερον δ' εκ μονομαχίας, προκαλεσαμένου τοϋ Φρυνωνος συνέδραμε .. . καϊ άνειλε.

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) Herodot. V, 47: αυνέαπειο ôè Δωριεΐ και σνναπέ&ανε Φίλιππος δ Βοντακίδεω Κροτωνιήτης άνήρ ιών τε 'Ολυμπιονίκης και κάλλιστος 'Ελλήνων των κατ' έωντόν. 15 ) Pausas. VI, 8,6 rühmt von ihm: Τιμααίϋ·εος γένος Αελφός, παγκρατίον δύο êv Όλυμπίφ νίκας άνηρημένος. Και αύτώ καΙ εν πολέμοις ècrtìv εργα τη τε τόλμγ) λαμπρά καΐ ουκ άποδεοντα τη εύτυχίφ πλην γε δή τον τελευταίου (beim Versuch des J. auf die Tyrannie). 1β ) Herod. V i l i , 27 : των δέ εκτός τούτων οικημένων (d. h. außerhalb des eigentlichen Griechenland) Κροτωνιήται μοΰνοι ήσαν, oí εβώ&ησαν τή 'Ελλάδι κινδυνευούσf¡ νηι μιη, της ήρχε άνήρ τρις πυ&ιονίκης Φάϋλλος. 17 ) Πάσι Φάϋλλος ίδεϊν δδε νικών τρίς τον αγώνα εν Πυϋοϊ και νήας έλών, άς Άσίς επεμψεν. 1β ) Herod. VI, 127: (ΦείΙχον), δς εξαναστήσας τους 'Ηλείων άγωνο&ετας αυτός τον êv Όλυμπίη άγώνα ε&ηκε. 19 ) Tyrtaios frgm. 12 (Poetae lyrici Graeci ed. Bergk, p. 17): Oik' äv μνησαίμην οΰτ' êv λόγω άνδρα τι&είμην οϋτε ποδών άρετής οντε παλαισμοσύνης, ούδ' εΐ Κυκλώπιον μέν εχοι μέγε&ός τε βίην τε, νικφη δέ &έων Θρηίκιον Βορέψ, ούδ' εΐ πάσαν εχοι δόξαν πλην ϋονριδος άλκής ' ού γαρ άνήρ άγα&ός γίγνεται εν πολέμα), εί μή τετλαίη μέν ορών ψόνον αίματάεντα και δηΐων όρέγοιτ' εγγνθεν ιστάμενος. 20

) Xenophan. frgm. 2 (Bergk. II, p. 112): . . . . ταυτά χ' (= κε) άπαντα λάχοι, ούκ ¿ών άξιος, ωσπερ έγώ ' ρώμης γάρ άμείνοιν ανδρών ήδ' Ιππων ήμετέρη σοφίη. άλλ' εική μαλα τούτο νομίζεται' ουδέ δίκαιον προκρίνειν ρώμην τής άγα&ής σοφίης. ούτε γάρ τοΰνεκεν äv δή μάλλον εν εύνομίη πόλις εϊη' σμικρόν δ'αν τι πόλει χάρμα γένοιτ' ίπΐ τφ, εϊ τις άε&λεΰων νικώ Πίσαο παρ' δχ&ας' ού γάρ πιαίνει ταντα μυχούς πόλεως.

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) Paus. VI, 13, 1 : oí Κροτωνιαται την οικίαν αύτοϋ δεσμωτήριον είναι κατέγνωσαν καϊ την εικόνα κα&είλον παρά τή "Ηρα τη Λακινία κειμένην. 22 ) Herodot. V, 47: Φίλιππος ó Βουτακίδεω, Κροτωνιάτης άνήρ, έών τε 'Ολυμπιονίκης και κάλλιστος Ελλήνων των κατ' έωντόν, ôià τό ίωντον κάλλος ήνείκατο παρά Έγεσταίων, τα ουδείς άλλος' επί γαρ τον τάφου αύτοϋ ήρώιον 'ιδρυαάμενοι ϋνσίησι αυτόν Ιλάσκονται. 23 ) Ε. Ν. Gardiner, Greek athletic sports and festivals (Handbooks of Archaeology and Antiquities, vol. 11), London 1910. 24 ) Paus. VI, 10, 4: πεποίητai δ άνδριάς ασπίδα τε κατά τά αυτά εχων τοις ε φ'ημών καϊ κράνος επί τη κεφαλή και κνημίδας επί τοις ποσίν. 25 ) Herodot. VI, 112: ώς δέ αφι διετέτακτο και τά σφάγια εγίνετο καλά, ένταν&α ώς απείλησαν οί Ά&ηναΧοι, δρόμφ ferro ίς τους βαρβάρους. *Ησαν δέ στάδιοι ουκ ελάσσονες τό μεταίχμιον ή οκτώ. 01 δέ Πέρσαι όρώντες δρόμφ ¿πιόντας, παρεσκενάζοντο ώς δεξόμενοι μανίην τε τοΐσι Ά&ηναΙοισι επέφεραν και πάγχν δλεύρίην, δρέοντες αυτούς όλίγους και τούτους δρόμφ επειγομένους ούτε ίππου ύπαρχούσης αφι οΰτε τοξευμάτων. 2β ) Herodot. VII, 224: δόρατα μέν νυν τοϊσι πλέοσι αύτων τηνικαΰτα ήδη ετύγχανε κατεηγότα. ΟΙ δε τοϊσι ξίψεσι διεργάζοντο τους Πέρσας. — Herod. VII, 225 : εν τούτω σφέας τφ χώρω άλεξομένους μαχαίρησι, τοΐσι αυτών ετύγχαναν ετι περιονσαι, κ al χερσ i και στ όμασ ι κατέχωσαν οι βάρβαροι βάλλοντες. 27 ) Plato Laches 182 A—E. 2β ) Plut. Themist. 17: Λέγεται δ' 'Ολυμπίων των εφεξής αγομένων καϊ παρελ&όντος ε'ις το στάδιον τοϋ Θεμιστοκλέους άμελήσαντας των αγωνιστών τούς παρόντος δλην την ήμέραν εκείνον &εασϋ·αι και τοις ξένοις επιδεικννειν άμα -θαυμάζοντας καί κροτοϋντας, ώστε και αυτόν ήσ&έντα προς τους φίλους δμολογήσαι τον καρπάν άπέχειν των ντιέρ της 'Ελλάδος αντώ πονη&έντιαν. 2β ) Athen. X I I , 522e: καί oí Κροτωνιαται, φησίν δ Τίμαιος, επεχείρησαν την Όλνμπικήν πανήγνριν καταλϋσαι, τφ αύτω χρόνφ προ&έντες άργυρικόν σφόδρα πλούσιον άγώνα, οί δέ Συβαρίτας τοΰτο ποιήσαι λέγουσιν.

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) Athen. XII, 552 a : (ΣυβαρΙται), oi και τον των 'Ολυμπίων των πάνυ άγώνα άμανρώσαι ί&ελησαντες. κα&' 8ν γαρ άγεται καιρόν επιτηρήσαντες α&λων υπερβολή ώς αυτούς καλεί» επεχείρησαν τους ά&λητάς. sl ) Adolf Furtwängler, Die Bedeutung der Gymnastik in der griechischen Kunst (Der Sämann, I. Jahrgang 1905. Leipzig, Teubner S. 310). 32 ) Lukian. pro imag. 11 : μη εξεΐναι τοϊς νικώαι μείζους των σωμάτων άνεστάναι τούς άνόριάι