Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [76]

Table of contents :
Fritz Zink, Nürnbergs stadtnahe Landschaft nördlich der Kaiserburg
von 1425 bis 1860 1
Klaus Frhr. von Andrian-Werburg, Ein Ratsverlässe-Fragment
von 1443 27
Ludwig Schnurrer, Rothenburger Kaufleute als Wollieferanten nach
Nürnberg........................................................................................ 35
Berndt Hamm, Humanistische Ethik und reichsstädtische Ehrbarkeit
in Nürnberg......................................................................................... 65
Herbert Maas, Die Etymologie des Wortes Sutte, eine harte Nuß für
die Sprachforschung .........................................................................149
Walter Haas, Ein Stück der älteren Nürnberger Stadtmauer beim
Kornmarkt ........................................................................................161
Thomas Kliemann, Plastische Andachtsepitaphien in Nürnberg
1450-1520 175
Peter Fleischmann, Peter Ermer (um 1560 — 1632). Ein bisher unbekannter
Kartograph in Hersbruck ..................................................... 241
Hartmut Scholz und Peter van Treeck, Die Glasmalereien in der
Imhoffschen Grabkapelle St. Rochus in Nürnberg ........................ 265
Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas, Die Nürnberger Orgelbauer
Grünewald ............................................................................. 299
Kurt von Schwarz, Die Specksteinfabrik J. von Schwarz in Nürnberg
...................................................................................................... 311
Franz Sonnenberger, Wie der Justizpalast in die Fürther Straße
kam...................................................................................................... 325
Miszellen
Brian Taylor, Ergänzendes zu den Einlaßzeichen der Augsburger und
Nürnberger Meistersinger ...............................................................341
Franz Wi 11 ax, Die Nürnberger Mauerbatterien.......................................345
Hartmut Laufhütte, Der literarische Nachlaß Sigmund von Birkens
als Gegenstand neuesten Forschungsinteresses..................................349
Peter Fleischmann, Kartenfunde in der Stadtbibliothek Nürnberg . 355
Buchbesprechungen (siehe nächste Seite) ................................................ 359
Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte ........................................... 405
Jahresbericht über das 111. Vereinsjahr 1988 411
V
BUCHBESPRECHUNGEN
Gerhard Hirschmann, Aus sieben Jahrhunderten Nürnberger Stadtgeschichte, Nürnberg
1988. (Rudolf Endres)........................................................................................359
Franz Ströer/Sigrid Sangl, Die Burg zu Nürnberg, Nürnberg 1988. (Kuno Ulshöfer) . 360
Michael Zeller, Rochus — Die Pest und ihr Patron, Nürnberg 1988. (Gerhard Hirschmann)
................................................................................................................................360
Johannes Müller, Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im
Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts, Bern 1988. (Herbert Maas) ... 361
Hartmann Schedel, Weltchronik, Faksimiledruck Lindau 1988. — Elisabeth Rücker,
Hartmann Schedels Weltchronik, München 1988. (Hans-Otto Keunecke) . . . 363
Stephan Füssel, Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe
Kaiser Maximilians I., Baden-Baden 1987. (Klaus Arnold)............................................. 364
Veit Stoß. Die Vorträge des Nürnberger Symposions, München 1985. (Hartmut
Krohm) ............................................................................................................................365
Rechenpfennige. Bd. 1: Nürnberg: Signierte und zuweisbare Gepräge. 1. Lfg., München
[o. J.]. (Hermann Maue)................................................................................................... 368
Dieter Merzbacher, Meistergesang in Nürnberg um 1600, Nürnberg 1987. (Hartmut
Kugler) ............................................................................................................................370
Die Handschriften des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Bd. 5: Die Stammbücher.
T. 1: Die bis 1750 begonnenen Stammbücher / beschrieben von Lotte
Kurras, Wiesbaden 1988. (Hans-Otto Keunecke)....................................................... 373
Walter Hahn, Gottfried Löhe und sein Verlag in Nürnberg, in: Zeitschrift für bayerische
Kirchengeschichte, Jg. 57 (1988). (Albert Bartelmeß) .................................................. 374
Alfred Klepsch, Lautsystem und Lautwandel der Nürnberger Stadtmundart im 19. und
20. Jahrhundert, Tübingen 1988. (Karin Uebler)............................................................ 375
Hermann Frosch au er/Renate Geyer, Quellen des Hasses — Aus dem Archiv des
,Stürmer41933 —1945, Nürnberg 1988. (Manfred Treml) ............................................. 376
Ernst Eichhorn/Georg Wolfgang Schramm/Otto Peter Görl, 3 X Nürnberg, Nürnberg
1988. (Michael Diefenbacher) ................................................................................377
Georg Wolfgang Schramm, Bomben auf Nürnberg, Luftangriffe 1940—1945, München
1988. — Christian Koch/Rainer Büschel/Uli Kuhnle, Trümmerjahre. Nürnberg
1945 —1955, München 1989. (Michael Diefenbacher) .................................................. 378
Demokratie von außen. Amerikanische Militärregierung in Nürnberg 1945 — 1949. Dieter
Rossmeissl (Hrsg.), München 1988. (Udo Winkel) .................................................. 378
Das Gibitzenhofschulhaus — ein Stück Nürnberger Vorortgeschichte, Nürnberg 1988.
(Richard Kölbel) .............................................................................................................380
100 Jahre Neues Gymnasium Nürnberg, Donauwörth 1989. (Richard Kölbel) .... 381
Friedrich Elin er, Die geschichtlichen Ursprünge von St. Johannis, Fürth 1988. (Albert
Bartelmeß) .......................................................................................................................383
Albert Schlegel, Katzwang-Chronik, Nürnberg [ca. 1988] (Albert Bartelmeß) . . . 384
Wolfgang Wagner/Ewald Wirl, 800 Jahre Betzenstein, Betzenstein 1987. (Gerhard
Hirschmann) ..................................................................................................................385
Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 48 (1988). (Gerhard Hirschmann) . . . 386
Hans Roser, Klöster in Franken, Freiburg i. Br. 1988. (Michael Diefenbacher) . . . 388
VI
Klaus Güttner, Unsere fränkische Fastnacht, 2. Aufl., Schwaig 1982. (Kuno Ulshöfer) . 389
Christoph Daxeimüller, Jüdische Kultur in Franken, Würzburg 1988. (Kuno Ulshöfer)
.......................................................................................................................... 389
Flug über Mittelfranken. Helmut Beck/Ernst Eichhorn (Hrsg.), 2. Aufl., Nürnberg
1988. (Peter Fleischmann) ........................................................................................390
Wirtschaftsraum Mittelfranken. Rudolf End res (Hrsg.), 2. Ausg., Oldenburg 1987.
(Gerhart Honig) .......................................................................................................390
Alfred Kriegeistein, Denk- und Merkwürdigkeiten aus Mittelfranken, Bad Windsheim
1988. (Albert Bartelmeß) .............................................................................................. 391
Günther Schuhmann, Die Hohenzollern-Grablegen in Heilsbronn und Ansbach, München
1989. (Kuno Ulshöfer) ......................................................................................... 392
Das Reichssteuerregister von 1497 des Fürstentums Brandenburg-Ansbach-Kulmbach
oberhalb Gebürgs. Gerhard Rechter (Hrsg.), Nürnberg 1988. (Hans Jürgen
Wunschei) .......................................................................................................................392
Hans Vollet, Weltbild und Kartographie im Hochstift Bamberg, Kulmbach 1988. (Peter
Fleischmann) ..................................................................................................................394
Vergangene jüdische Lebenswelten im Bamberger Raum, Bamberg 1988. (Kuno Ulshöfer)
............................................................................................................................... 395
Jutta Beyer, Demokratie als Lernprozeß. Politische Kultur und lokale Politik nach 1945
am Beispiel der Städte Forchheim und Schwabach, Nürnberg 1989. (Udo Winkel) . 395
Dietmar-H. Voges, Die Reichsstadt Nördlingen, München 1988. (Michael Diefenbacher)
............................................................................................................................397
Cartographia Bavariae — Bayern im Bild der Karte. Hans Wolff (Hrsg.), Weißenhorn
1988. (Peter Fleischmann) ..............................................................................................398
Karl Bosl, Die bayerische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, Regensburg 1988. (Gerhard
Hirschmann) ..................................................................................................................399
König Maximilian II. von Bayern 1848 — 1864, Rosenheim 1988. (UweSchaper) . . . 400
Neuanfang in Bayern 1945-1949. Hrsg, von Wolfgang Benz, München 1988. (Udo
Winkel) ........................................................................................................................... 400
Bosls Bayerische Biographie, Ergängungsband, Regensburg 1988. (Kuno Ulshöfer) . . 402
Leonhard Kern (1588-1662). Meisterwerke der Bildhauerei für die Kunstkammern
Europas, Sigmaringen 1988. (Claudia Maue) ..................................................................402
Günther Brockmann, Die Medaillen der Welfen. Bd. 2: Linie Lüneburg/Hannover,
Köln 1987. (Hermann Maue) .........................................................................................403

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

76. Band 1989

Nürnberg 1989 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Gerhard Hirschmann und Dr. Kuno Ulshöfer in Verbindung mit Dr. Michael Diefenbacher und Dr. Peter Fleischmann Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich

Zum Druck des Bandes trugen durch Zuschüsse bzw. Spenden bei: Die Stadt Nürnberg, der Bezirk Mittelfranken, die Stadtsparkasse Nürnberg. Die Firmen Fernsprech buch-Verlag Hans Müller GmbH, Schöller Lebensmittel GmbH, Schwan-STABILO Schwanhäusser GmbH, Bayer. Hofglasmalerei Gustav van Treeck, München. Der Verein dankt dafür bestens.

Gesamtherstellung: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, Neustadt/Aisch Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: Egidienplatz 23, 85 Nürnberg 1) ISSN 0083-5579

INHALT Fritz Zink, Nürnbergs stadtnahe Landschaft nördlich der Kaiserburg von 1425 bis 1860 1 Klaus Frhr. von Andrian-Werburg, Ein Ratsverlässe-Fragment von 1443 27 Ludwig Schnurrer, Rothenburger Kaufleute als Wollieferanten nach Nürnberg........................................................................................ 35 Berndt Hamm, Humanistische Ethik und reichsstädtische Ehrbarkeit in Nürnberg......................................................................................... 65 Herbert Maas, Die Etymologie des Wortes Sutte, eine harte Nuß für die Sprachforschung .........................................................................149 Walter Haas, Ein Stück der älteren Nürnberger Stadtmauer beim Kornmarkt ........................................................................................161 Thomas Kliemann, Plastische Andachtsepitaphien in Nürnberg 1450-1520 175 Peter Fleischmann, Peter Ermer (um 1560 — 1632). Ein bisher unbe­ kannter Kartograph in Hersbruck ..................................................... 241 Hartmut Scholz und Peter van Treeck, Die Glasmalereien in der Imhoffschen Grabkapelle St. Rochus in Nürnberg ........................ 265 Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas, Die Nürnberger Orgel­ bauer Grünewald ............................................................................. 299 Kurt von Schwarz, Die Specksteinfabrik J. von Schwarz in Nürn­ berg ...................................................................................................... 311 Franz Sonnenberger, Wie der Justizpalast in die Fürther Straße kam...................................................................................................... 325 Miszellen

Brian Taylor, Ergänzendes zu den Einlaßzeichen der Augsburger und Nürnberger Meistersinger ...............................................................341 Franz Wi 11 ax, Die Nürnberger Mauerbatterien.......................................345 Hartmut Laufhütte, Der literarische Nachlaß Sigmund von Birkens als Gegenstand neuesten Forschungsinteresses..................................349 Peter Fleischmann, Kartenfunde in der Stadtbibliothek Nürnberg . 355 Buchbesprechungen (siehe nächste Seite) ................................................ 359 Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte ........................................... 405 Jahresbericht über das 111. Vereinsjahr 1988 411 V

BUCHBESPRECHUNGEN Gerhard Hirschmann, Aus sieben Jahrhunderten Nürnberger Stadtgeschichte, Nürn­ berg 1988. (Rudolf Endres)........................................................................................ 359 Franz Ströer/Sigrid Sangl, Die Burg zu Nürnberg, Nürnberg 1988. (Kuno Ulshöfer) . 360 Michael Zeller, Rochus — Die Pest und ihr Patron, Nürnberg 1988. (Gerhard Hirsch­ mann) .................................................................................................................................360 Johannes Müller, Schwert und Scheide. Der sexuelle und skatologische Wortschatz im Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts, Bern 1988. (Herbert Maas) ... 361 Hartmann Schedel, Weltchronik, Faksimiledruck Lindau 1988. — Elisabeth Rücker, Hartmann Schedels Weltchronik, München 1988. (Hans-Otto Keunecke) . . . 363 Stephan Füssel, Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe Kaiser Maximilians I., Baden-Baden 1987. (Klaus Arnold)............................................. 364 Veit Stoß. Die Vorträge des Nürnberger Symposions, München 1985. (Hartmut Krohm) ............................................................................................................................365 Rechenpfennige. Bd. 1: Nürnberg: Signierte und zuweisbare Gepräge. 1. Lfg., München [o. J.]. (Hermann Maue)................................................................................................... 368 Dieter Merzbacher, Meistergesang in Nürnberg um 1600, Nürnberg 1987. (Hartmut Kugler) ............................................................................................................................370 Die Handschriften des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Bd. 5: Die Stamm­ bücher. T. 1: Die bis 1750 begonnenen Stammbücher / beschrieben von Lotte Kurras, Wiesbaden 1988. (Hans-Otto Keunecke)....................................................... 373 Walter Hahn, Gottfried Löhe und sein Verlag in Nürnberg, in: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte, Jg. 57 (1988). (Albert Bartelmeß) .................................................. 374 Alfred Klepsch, Lautsystem und Lautwandel der Nürnberger Stadtmundart im 19. und 20. Jahrhundert, Tübingen 1988. (Karin Uebler)............................................................ 375 Hermann Frosch au er/Renate Geyer, Quellen des Hasses — Aus dem Archiv des ,Stürmer41933 —1945, Nürnberg 1988. (Manfred Treml) ............................................. 376 Ernst Eichhorn/Georg Wolfgang Schramm/Otto Peter Görl, 3 X Nürnberg, Nürn­ berg 1988. (Michael Diefenbacher) ................................................................................377 Georg Wolfgang Schramm, Bomben auf Nürnberg, Luftangriffe 1940—1945, München 1988. — Christian Koch/Rainer Büschel/Uli Kuhnle, Trümmerjahre. Nürnberg 1945 —1955, München 1989. (Michael Diefenbacher) .................................................. 378 Demokratie von außen. Amerikanische Militärregierung in Nürnberg 1945 — 1949. Dieter Rossmeissl (Hrsg.), München 1988. (Udo Winkel) .................................................. 378 Das Gibitzenhofschulhaus — ein Stück Nürnberger Vorortgeschichte, Nürnberg 1988. (Richard Kölbel) .............................................................................................................380 100 Jahre Neues Gymnasium Nürnberg, Donauwörth 1989. (Richard Kölbel) .... 381 Friedrich Elin er, Die geschichtlichen Ursprünge von St. Johannis, Fürth 1988. (Albert Bartelmeß) .......................................................................................................................383 Albert Schlegel, Katzwang-Chronik, Nürnberg [ca. 1988] (Albert Bartelmeß) . . . 384 Wolfgang Wagner/Ewald Wirl, 800 Jahre Betzenstein, Betzenstein 1987. (Gerhard Hirschmann) ..................................................................................................................385 Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 48 (1988). (Gerhard Hirschmann) . . . 386 Hans Roser, Klöster in Franken, Freiburg i. Br. 1988. (Michael Diefenbacher) . . . 388

VI

Klaus Güttner, Unsere fränkische Fastnacht, 2. Aufl., Schwaig 1982. (Kuno Ulshöfer) . 389 Christoph Daxeimüller, Jüdische Kultur in Franken, Würzburg 1988. (Kuno Uls­ höfer) .......................................................................................................................... 389 Flug über Mittelfranken. Helmut Beck/Ernst Eichhorn (Hrsg.), 2. Aufl., Nürnberg 1988. (Peter Fleischmann) ........................................................................................390 Wirtschaftsraum Mittelfranken. Rudolf End res (Hrsg.), 2. Ausg., Oldenburg 1987. (Gerhart Honig) .......................................................................................................390 Alfred Kriegeistein, Denk- und Merkwürdigkeiten aus Mittelfranken, Bad Windsheim 1988. (Albert Bartelmeß) .............................................................................................. 391 Günther Schuhmann, Die Hohenzollern-Grablegen in Heilsbronn und Ansbach, Mün­ chen 1989. (Kuno Ulshöfer) ......................................................................................... 392 Das Reichssteuerregister von 1497 des Fürstentums Brandenburg-Ansbach-Kulmbach oberhalb Gebürgs. Gerhard Rechter (Hrsg.), Nürnberg 1988. (Hans Jürgen Wunschei) .......................................................................................................................392 Hans Vollet, Weltbild und Kartographie im Hochstift Bamberg, Kulmbach 1988. (Peter Fleischmann) ..................................................................................................................394 Vergangene jüdische Lebenswelten im Bamberger Raum, Bamberg 1988. (Kuno Uls­ höfer) ................................................................................................................................ 395 Jutta Beyer, Demokratie als Lernprozeß. Politische Kultur und lokale Politik nach 1945 am Beispiel der Städte Forchheim und Schwabach, Nürnberg 1989. (Udo Winkel) . 395 Dietmar-H. Voges, Die Reichsstadt Nördlingen, München 1988. (Michael Diefenbacher) ............................................................................................................................397 Cartographia Bavariae — Bayern im Bild der Karte. Hans Wolff (Hrsg.), Weißenhorn 1988. (Peter Fleischmann) ..............................................................................................398 Karl Bosl, Die bayerische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, Regensburg 1988. (Gerhard Hirschmann) ..................................................................................................................399 König Maximilian II. von Bayern 1848 — 1864, Rosenheim 1988. (UweSchaper) . . . 400 Neuanfang in Bayern 1945-1949. Hrsg, von Wolfgang Benz, München 1988. (Udo Winkel) ........................................................................................................................... 400 Bosls Bayerische Biographie, Ergängungsband,Regensburg 1988. (Kuno Ulshöfer) . . 402 Leonhard Kern (1588-1662). Meisterwerke der Bildhauerei für die Kunstkammern Europas, Sigmaringen 1988. (ClaudiaMaue) ..................................................................402 Günther Brockmann, Die Medaillen der Welfen. Bd. 2: Linie Lüneburg/Hannover, Köln 1987. (Hermann Maue) ......................................................................................... 403

VII

VERZEICHNIS DER MITARBEITER Andrian-Werburg, Klaus Frhr. v., Dr., Ltd. Archivdirektor, Thomas-MannStr. 43, 8500 Nürnberg 50 Arnold, Klaus, Dr., Univ.-Prof., Bahnhofstr. 16, 2077 Trittau Bartelmeß, Albert, Archivoberrat i. R., Hallweg 7, 8501 Wendelstein-Sperberslohe Diefenbacher, Michael, Dr., Archivoberrat, Ringstr. 17, 8807 Heilsbronn Endres, Rudolf, Dr., Univ.-Prof., An den Hornwiesen 10, 8520 Erlangen-Buckenhof Fischer, Hermann, Studiendirektor, Deutsche Straße 85, 8750 Aschaffenburg Fleischmann, Peter, Dr., Archivrat z. A., Arminiusstr. 7, 8500 Nürnberg 1 Gebhardt, Walter, Bibliotheksoberinspektor, Drausnickstr. 8, 8520 Erlangen H aas, Walter, Prof., Dr.-Ing., Techn. Hochschule, Petersenstr. 15, 6100 Darmstadt Hamm, Berndt, Dr., Univ.-Prof., Drosselweg 12, 8525 Uttenreuth Hirschmann, Gerhard, Dr., Ltd. Archivdirektor a. D., Gerngrosstr. 26, 8500 Nürnberg 10 Honig, Gerhart, Dr., stellv. Flauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Lohhofer Str. 21, 8500 Nürnberg 60 Keunecke, Hans-Otto, Dr., Bibliotheksoberrat, Dr.-Rühl-Str. 7, 8521 Effeltrich Kliemann, Thomas, M. A., Redakteur, Anne-Frank-Str. 27, 8500 Nürnberg 40 Kölbel, Richard, Oberstudiendirektor, Neuwerker Weg 66, 8504 Stein Krohm, Hartmut, Dr., Oberkustos, Staatl. Museen Preußischer Kulturbesitz, Armin­ allee 23-27, 1000 Berlin 23 Kugler, Hartmut, Dr., Univ.-Prof., Gesamthochschule Kassel, Heinrich-Plett-Str. 40, 3500 Kassel-Oberzwehren Laufhütte, Hartmut, Dr., Univ.-Prof., Innstr. 25, 8390 Passau Maas, Herbert, Dr., Studiendirektor i. R., Kachletstr. 45, 8500 Nürnberg 30 Maue, Claudia, Dr., Kunsthistorikerin, Kaulbachstr. 25, 8500 Nürnberg 10 Maue, Hermann, Dr., Konservator, Kaulbachstr. 25, 8500 Nürnberg 10 Schaper, Uwe, Dr., Archivreferendar, Frauenbergstr. 8, 3550 Marburg/Lahn Schnurrer, Ludwig, Dr., Studiendirektor i. R., Gerhart-Hauptmann-Str. 12, 8803 Rothenburg o. d. T. Scholz, Hartmut, Dr., Kunsthistoriker, CVMA Deutschland, Lugostraße 13, 7800 Freiburg i. Br. Schwarz, Kurt v., Eichenstr. 5, 8730 Bad Kissingen Sonnenberger, Franz, Dr., Historiker, Roritzerstr. 9, 8500 Nürnberg 90 Taylor, Brian, M. A., Senior Lecturer, Departement of Germanistic Studies, University of Sydney, Sydney N. S. W. 2006, Australien Van Treeck, Peter, Dr., Kunsthistoriker, Schwindstr. 3, 8000 München 40 Treml, Manfred, Dr., stellv. Direktor des Hauses der Bayer. Geschichte, Austr. 18, 8200 Rosenheim Uebler, Karin, M. A., Obere Gasse 4, 8520 Erlangen Ulshöfer, Kuno, Dr., Ltd. Archivdirektor, Unter Wörthstr. 10, 8500 Nürnberg 1 Willax, Franz, Oberbaurat, Rollnerstr. 46, 8500 Nürnberg 10 Winkel, Udo, Dr., Sozialwissenschaftler, Kleinreuther Weg 16, 8500 Nürnberg 10 Wohnhaas, Theodor, Dr., Akad. Direktor i. R., Hermannstädter Str. 20, 8500 Nürnberg 30 Wunschei, Hans Jürgen, Dr., Archivoberrat, Franziskanergasse 2, 8600 Bamberg Zink, Fritz, Dr., Landeskonservator i. R., Hoppertstr. 5, 8500 Nürnberg 10

VIII

NÜRNBERGS STADTNAHE LANDSCHAFT NÖRDLICH DER KAISERBURG VON 1425 BIS 1860 Von Fritz Zink Von entscheidender Bedeutung für das Thema der stadtnahen Landschaft der alten Reichsstadt Nürnberg ist das sich damals unmittelbar im Norden der Burg anschließende ländliche Gebiet. Von dieser topographisch immer genau eingehaltenen Sicht bei den „Gärten hinter der Veste“ bestimmt die Burg die Stadtnähe aus der Distanz. Vor dem Frauentor dagegen präsentiert sich aus der Gegenseite, also von Süden her, die von der Burg gekrönte Stadt in ihrer Berg­ lage als Vedute, wie sie im Buchillustrationsholzschnitt der Hartmann Schedel5 sehen Weltchronik von 1493 wiedergegeben ist. Bei den Ost- und Westan­ sichten Nürnbergs, den Pendant-Radierungen Hans Lautensacks wiederum, erscheinen 1552 Burg und Stadt „im Profil“ aus der Ferne. Von Norden her aber bildet die Höhenburg in Horizontnähe das Leitmotiv für die „Landschaft nördlich der Kaiserburg“ und bleibt somit den Künstlern, ob aus der Nähe oder aus der Ferne gesehen, immer markierend gegenwärtig. Von größter Bedeutung für alle folgenden Landschaftsdarstellungen ist ohne Ausnahme die genaue topographische Benennbarkeit. Vorweg sei darauf hingewiesen, daß die Wortbezeichnung Veste — Schloß — Burg aus kunsthistorischer Sicht, jeweils von den Bilddokumenten und aus dem historisch-philologischen Umfeld abgenommen und verwendet wird. Die erste Dokumentation für das nördliche Umland Nürnbergs des Spätmit­ telalters findet sich bereits um 1425, also außerordentlich früh in dem Archivale des Abgabenbuches des Burggrafentums Nürnberg, dem Wachstafelbuch aus dem Nürnberger Staatsarchiv (Abb. 1). Dort erscheint unter anderen Ein­ tragungen, in Zeichen stilisiert, aber deutlich durch zwei Festungstürme begrenzt, die Nürnberger Burg, die „Veste“. Dann folgen die Abgabenzeichen für die „Gart hinder der Vesten“ und gleich darunter sind in einen, damals üblichen Flechtzaun eingeschlossen, große und kleine Fruchtbäume mit rei­ chem Ertrag bildlich eingezeichnet. Ebenso werden dort die im Norden Nürn­ bergs gelegenen Dörfer Buch, Schnepfenreuth und Schniegling namentlich genannt und unter den Erträgnissen Korn, Eier und Zwiebeln wörtlich aufge­ führt1. Somit tritt das Knoblauchsland in unmittelbarer nördlicher Stadtnähe 1 Staatsarchiv Nürnberg, Rst Nbg. Salbücher Nr. 15c — Werner Sprung: Das Wachstafelbuch des Burggrafentums zu Nürnberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 41, 1950, S. 396—398 — Abgebildet bei Eugen Kusch: Nürnberg, Lebensbild einer Stadt, Nürnberg 1966, S. 32 — Gustav Voit: Das Wachstafelzinsbuch der Reichsveste zu Nürnberg von etwa 1425 und das Reichslehenbuch der Herren von Berg, Nürnberg 1967, Bd. 7, S. 30, 32, 34 - Erich Bachmann: Kaiserburg Nürnberg. Amtlicher Führer, München 1978, Abb. S. 27 (Wachstafelbüchlein, Strichätzung).

1

Fritz Zink

Nürnbergs zeitlich zuerst in die Bilddokumentation ein. Schon zu jener Zeit kommt dem Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Nürnbergs Norden erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Die erste topographisch genaue Wiedergabe der Nürnberger Burg, der „Veste" von Norden ist bei Albrecht Dürer in der Renaissancezeit auf dem „Meerwunder“-Kupferstich zu finden2. Um 1497/98 bezieht Albrecht Dürer ebendiese nördliche Ansicht der Veste als Architekturmotiv in die antike Mythologie ein (Abb. 2). Dadurch könnte in der Darstellung des Meerufers sogar der Urstromcharakter der Landschaft erhalten geblieben sein. Der Kup­ ferstichabdruck zeigt das Burgmotiv jedoch seitenverkehrt, so daß es erst spie­ gelbildlich in die Wirklichkeitssicht umgesetzt, eine topographische Ablesbar­ keit ermöglicht (Abb. 2a). Dürers Standplatz für die Meerwundergraphik ist unterhalb des Vestnertorgrabens unfern der Bücher Straße anzunehmen. Der alte Sinwellturm bleibt von dieser Stelle aus verdeckt. Dabei dürfte die jüngste Erinnerung Dürers an seine Rückreise von Italien im Mai 1495 Anlaß für diese Nürnberg-Graphik gewesen sein. Auf dem Weg von Venedig gegen Norden aquarellierte er nämlich das Castell Buon Consiglio in Trient3, das eine eben­ solche Anlage einer Veste darstellte, wie er sie in seiner Heimatstadt Nürnberg 2 Kupferstich B 71 „Das Meerwunder“, GNM St. Nbg. 2123 — topographisch identifiziert von Hans Seibold: Die Nürnberger Burg, wie Dürer sie sah, in: MVGN Bd. 28, 1928, S. 320 f. — Klassiker der Kunst, Albrecht Dürer, hrsg. von Valentin Scherer, Stuttgart/Leipzig 1904, Abb. S. 104; 4. Aufl. hrsg. v. Friedrich Winkler, Berlin, Leipzig 1928, Abb. S. 128 — Karl Adolf Knappe: Dürer, das graphische Werk, Wien, München 1964, Taf. 23 (um 1498) - Peter Strieder: Dürer, Königstein/Taunus 1981, S. 185, Abb. 215 — Ausstellungskatalog Germani­ sches Nationalmuseum Nürnberg: 1471 Albrecht Dürer 1971, 1971 Nr. 516, dort von Erika Simon die wichtige Feststellung auf die antike Mythologie Raub der Syme von der Insel Rhodos durch den Meerdämon Glaucus zur so benannten Insel Syme mit Abb. — Fridolin Dreßler: Nürnbergisch-Fränkische Landschaften bei Albrecht Dürer. Ein Verzeichnis sicher bestimm­ barer Darstellungen, in: MVGN, Bd. 50, 1960, S. 261, Nr. la — Fritz Zink: Bestimmung bisher unbekannter Landschaftsdarstellungen in der Graphik, in: Kunstspiegel Heft 4, 1982, S. 262—264 und Abb. 3 (Meerwunder) — Zur Topographie: Erich Bachmann: Kaiserburg Nürn­ berg. Amtlicher Führer, München 1970 und 1978 (Anm. 1), Abb. 2 (Detail in seitenverkehrter Umkehr) — Die Stadt Nürnberg, Bayerische Kunstdenkmale von Günther P. Fehring, Anton Ress (f), 2. Aufl. bearb. von Wilhelm Schwemmer, München 1977, S. 152 — 165 mit Abb. S. 15 (Burg Lageplan) und Abb. 163 (Burg, Aufriß der Nordseite) — ferner: Friedrich August Nagel: Baugeschichte der Nürnberger Kaiserburg, in: Das Bayerland, Bd. 45, 1934, S. 691 — 701, insbe­ sondere S. 691, 693, 698 — 700, hier Zitierung Dürers „Meerwunder“ und des Aquarells um 1520 bzw. 1536 im Germanischen Nationalmuseum 3 Friedrich Lippmann: Zeichnungen von Albrecht Dürer in Nachbildungen, Berlin 1883, Bd. 1, Nr. 90 (auch Farbabb.) — Walter Koschatzky: Albrecht Dürer. Die Landschaftsaquarelle, Wien/München 1971, Farbabb. Nr. 9 — Peter Strieder, 1981 (Anm. 2), Farbabb. 254 - Fried­ rich Piel: Albrecht Dürer. Aquarelle und Zeichnungen, Köln 1983, Nr. 11 — Eugen Pappen­ heim: Dürer im Etschland, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 3, 1936, S. 42 und 43 Buon Consiglio mit Konfrontierung des Dürer-Aquarells „Schloß Trient“, S. 42, Abb. 5 und S. 43, Abb. 6 der modernen Ansicht des Schlosses (grundlegende Feststel­ lung).

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aus nördlicher Sicht wiederfand. Das Aquarell von Castell Buon Consiglio befindet sich im Britischen Museum in London. Hans Seibold, Fabrikbesitzer in Nürnberg, identifizierte die Veste auf dem Meerwunderkupferstich im Dürerjahr 1928 als die Nürnberger Burg. So zeigt die Burganlage auf dem Ori­ ginal-Kupferstich, seitenverkehrt von rechts das Vestnertor mit der Graben­ brücke und dem flankierenden Rundturm. Anschließend folgt die Burgamt­ mannswohnung, der Kemenatentrakt und der Palas mit den großen Walmdä­ chern im Westen. Hinter der Mauer ragt der Fachwerkgiebel des Pilatushauses auf und der vom Rand überschnittene hohe Turm ist das Tiergärtner Tor. Dürers Kupferstich repräsentiert somit die früheste Darstellung der Nürn­ berger Burg von Nordwesten und bleibt für die Denkmalpflege bis in die Gegenwart von dokumentarischem Wert. Hinter der real wiedergegebenen Kaiserburg tauchen phantasievoll erfundene hinzugefügte Baumgruppen auf. Die freigestaltete zweite Burg auf dem jähen Felsen darüber könnte vielleicht eine Erinnerung an Trient einschließen. Nachdenklich stimmt der Bezug zwi­ schen Landschaft und antiker Szenendarstellung, die Albrecht Dürer nach der Rückreise von Venedig aus seinen letzten Reiseerinnerungen inhaltlich bewogen haben, um für das „Meerwunder“ (Frauenraub) die Nürnberger Burg und für „das große Glück“ das Tiroler Städtchen Klausen in Verbindung zu bringen. Auch den reichen Kranz der Landschaften in Nürnbergs unmittel­ barer westlicher Stadtnähe hat Albrecht Dürer in dieser Zeit in Kupferstichen wiedergegeben. Hierfür sind die „Madonna mit der Meerkatze“ mit dem Linhart Angerer’schen Weiherhäuslein in St. Johannis und der „Verlorene Sohn“ mit dem Himpfelshof zu nennen4. Sebald Bekam, ein Schüler Albrecht Dürers, sieht 1531 Nürnbergs stadtnahe Landschaft nördlich der Kaiserburg in anderer Weise als sein Meister. Es ist Reformationszeit. Die Federzeichnung steht unter dem Titel „Belagerung der Hauptstadt Rabbath“/Amman5 (Abb. 3). In das Burgvorland ordnet der Künstler nun anstelle einer antik-mythologischen Darstellung die Geschichte einer alttestamentlichen Belagerungsszene unter König David ein, nach dem 10. Kapitel des 2. Buches Samuel. Horizontnah bildet die außerordentlich breit gelagerte Burg das Ziel der Eroberung. Der im Jahre 1500 in Nürnberg gebo­ rene Künstler verwendet die charakteristisch vieltürmige Burg seiner Heimat4 Fritz Zink: Die Entdeckung des Pegnitztales, in: MVGN Bd. 50, 1960, S. 271—273 (Abb. 2 Linhart Angerer’sches Weiherhäuslein im Talgrund nördlich der Pegnitz) — Kunstspiegel, H. 4, 1982, Fritz Zink (Anm. 2), Abb. 1 (Großes Glück mit Klausen um 1501/02, topographisch identifiziert 1899 von Berthold Haendcke), Abb. 5 (Madonna mit der Meerkatze mit Angerer’schem Weiherhäuslein), Abb. 14 (Verlorener Sohn mit dem Himpfelshof). 5 Paris, Musee du Louvre, Inventaire general des dessins des ecoles du Nord 1937 PL XIV/XV Fritz Zink: Die Nürnberger Burg von Norden im Jahre 1531, in: 96. Jahresbericht des Germa­ nischen Nationalmuseums 1951, S. 24, Abb. 10. Vgl. auch Heinrich Kohlhaussen: Bildertische, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1936—1939, Tischplatte für Kardinal Albrecht von Mainz 1534 (Louvre).

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Stadt in der Ansicht von Norden. Er wiederholt in freizügiger Reihung ein­ zelne Abschnitte der Burganlage. Von links her beginnend, betont die mar­ kante Gruppe Luginsland (1377), Kaiserstallung zugleich Kornhaus (1494/95) und Fünfeckiger Turm (11. Jahrhundert), auch Alt-Nürnberg genannt, die Nordansicht, während die Kaiserburg (12. Jahrhundert) von Nord westen auf­ genommen, mit Zwischenordnung des Vestnertors, ganz rechts abschließt. So erscheint in dreifacher Abfolge, dabei den Turm Luginsland zweimal wieder­ holend, die Darstellung der Veste als Höhenburg in einer von Feindbelagerung uneinnehmbaren Breitenerstreckung. Nur von Norden aus gesehen bietet sich die Nürnberger Burg in einer ungewöhnlichen Breite dem Beschauer dar, und das zur Burg führende Gelände ließ sie insonderheit als Höhenburg erscheinen und die Stadt dahinter verborgen sein. Die dichten Baumgruppen im Vorge­ lände an den Nordabhängen der Burg vor der Kaiserstallung entsprechen dem tatsächlichen Vegetationsbild. Im Gemäldedepot des Louvre befindet sich ein gemalter Bildertisch von 1534. Sebald Beham verwendete dabei ebenfalls die Nürnberger Burganlage, die der Zeit vor Errichtung der großen Basteibauten von Antonio Fazuni 1538 entspricht. Szenen aus der Geschichte König Davids sind ebenfalls auf der Bil­ dertischplatte bibelbezogen und dem Burgmotiv und den Renaissance-Phanta­ siebauten eingeordnet. Ein Aquarell von geminderter Farbigkeit, nun aber landschaftlichen Cha­ rakters, eines unbekannten fränkischen Künstlers um 1536 hat als Hauptmotiv die Nürnberger Burg in ihrer Breitenerstreckung. Er erfaßt von Nordosten her den Luginsland, den Fünfeckigen Turm (die „alte Burg“) bis zur Kaiserburg mit sämtlichen dazwischen liegenden Bauten jener Zeit. Die Besonderheit dieses Aquarells liegt auf dem, ohne Figuren, deutlich miteinbezogenen Gar­ tenvorland am Vestner Tor. Damit gewinnt die von Norden aus gesehene Burg die Realität ihrer Höhenlage und vermittelt den Übergang in das weitere Vor­ gelände. Eine sich durch die gesamte Bildbreite erstreckende Umzäunung grenzt einen reich mit Bäumen bestandenen Grundbesitz ab, der an die Eintra­ gungen in dem eingangs erwähnten gotischen Wachstafelbuch erinnert. Beson­ dere Interessenahme beansprucht hier das Gartentor. Es zeigt mit dem kleinen Regenschutzdach über dem Querbalken, den seitlichen Stützbalken samt oberen Verstrebungen eine überzeugende Ähnlichkeit mit jenem großen Gar­ tentor auf Albrecht Dürers früherem Marienleben-Holzschnitt vor 1506 (B 92) „Christi Abschied von seiner Mutter“. Als Standplatz des fränkischen Künst­ lers für sein Aquarell mit der burgnahen Landschaft ist das Gartengelände, heute Vestnertorgraben 39, anzunehmen6 (Abb. 4). 6 Germanisches Nationalmuseum, Norica 759/747, aus Sammlung Georg Arnold, Nürnberg Verlag Heerdegen-Barbeck: Alt-Nürnberg. Kulturgeschichtliche Bilder aus Nürnbergs Vergan­ genheit, Nürnberg 1895: Die Burg, Blatt 4, Nr. 1 mit Abb. (Bibliothek Germanisches National­ museum, 2°Gs 1991dba) — Fritz Zink: Die Handzeichnungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts,

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In die Spätrenaissance mit den ständigen Grenzfragen gegen die Markgraf­ schaft Ansbach am Landgraben, fällt der vierteilige, kartographische Rund­ prospekt-Holzschnitt nach Paulus Reinhard von 1577. Er zeigt unter militäri­ schem Aspekt die Umgebung Nürnbergs. Die Lindenholz-Druckstöcke dafür schnitt der Formschneider Steffan Gansöder um 1577/81. Beide Namen: Paulus Reinhard und Steffan Gansöder hat jüngst Ursula Timann, Nürnberg, archivalisch belegt7. Im Germanischen Nationalmuseum sind heute noch unter der Sammlungssignatur Hst 137—140 diese bedeutenden Druckstöcke für jenen Holzschnitt erhalten. Wie ein grüner Kranz sind auf dem Paulus Reinhard’schen Rundprospekt Gärten und Gartenhäuschen in allgemeinem Typus angeordnet. Es läßt sich dabei die Nahumgebung Nürnbergs auf dem aus der Vogelperspektive ange­ legten Prospekt genau ablesen. Als wichtige Durchgangsstraße vom Tier­ gärtner Tor vorbei an den „Sieben Kreuzen“ (seit 1954 Friedrich-Ebert-Platz) gegen den Landgraben verläuft die Bamberger (Bücher) Straße. Gegen Osten verzeichnet der Plan nördlich der Veste die zu Wirtschaftszwecken dienenden Wege, wie den des Möllergartens, dann das Fröschturmgäßlein zum TobiasPanzer-Garten, den Hofmannsgartenweg und noch den Hans-Voitengartenweg zur Heroldsberger Straße. Sie alle nehmen ihren Anfang am VestnerBd. 1 (Germanisches Nationalmuseum) 1968, S. 135, Nr. 106 mit Abb. - Gerhard Pfeiffer und Wilhelm Schwemmen Geschichte Nürnbergs in Bilddokumenten, München 1977, Abb. 6 Von 1516 steht nur kartographisch von Norden der „Nürnberger Waldplan“, Deckfarben auf Pergament, von Erhard Etzlaub vom Luginsland bis zur Kaiserburg (G. Pfeiffer, wie vor, Farbtaf. Abb. 12, Germanisches Nationalmuseum, SP 10419, Kapsel 1056d) — Fritz Traugott Schulz: Die alte Stadt, Mappe III, Regensburg, Leipzig 1924, Nr. 5: Waldplan Etzlaubs mit Hervorhebung des Kühbergs mit Bäumen (Schulz) — Otto Barthel: Nürnberg, Nürnberg 1956, Abb. 27 (Nürnberg mit Reichswald) — Klassiker der Kunst, Dürer (Scherer), Abb. S. 207 (Anm. 2) „Abschied Christi“. 7 Germanisches Nationalmuseum, Hst 137—140, La 140 — Katalog der im Germanischen Natio­ nalmuseum vorhandenen, zum Abdruck bestimmten geschnittenen Holzstöcke vom 15. bis 18. Jahrhundert, Nürnberg 1896, Taf. VIII (nordwestliches Blatt) - Ausstellungskatalog Tübingen, dann Ravensburg 1959 „Der deutsche Holzschnitt 1420—1570“. 100 Einblattholz­ schnitte aus dem Besitz des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, Nr. 100 (als unbe­ kannter Holzschneider um 1570) - Ursula Timann: Der Rundprospekt der Nürnberger Land­ wehr von 1577, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1987, S. 195-204 mit Abb. 2, Reinhard-Vorlage im Staatsarchiv Nürnberg, Abb. 1, Rundprospekt Holzschnitt von Gans­ öder — Fritz Schnelbögl: Dokumente zur Nürnberger Kartographie, Nürnberg 1966, S. 56, ferner 68 und 70 — Zur Geschichte der Nordstadt grundlegend: Gerhard Hirschmann: Aus der Geschichte der Nordstadt und ihres Vorstadtvereins, Nürnberg 1975 (Verlag Korn & Berg) — Die Reichswaldgebiete auf Pergament-Landkarte von Erhard Etzlaub von 1516 liegen außer­ halb dieses Bereichs, vgl. Gerhard Pfeiffer (Anm. 6), Farbabb. 12 — Zu den „Sieben Kreuzen“, Friedrich-Ebert-Platz früher Platnersanlage, vgl. Leonhard Wittmann: Flurdenkmale des Stadtund Landkreises Nürnberg, Nürnberg 1963, — Der Wiener Meldemann-Holzschnitt abg. bei Jacqueline und Werner Hofmann: „Wien“, München 1956 (Staatliche Graphische Sammlung, München) — Vgl. auch Fritz Zink: Thun am Thuner See um 1738, in: Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums, Bern 1969, S. 83, Abb. 1—3.

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torgraben. Der Reinhard’sche Rundprospekt-Holzschnitt mit dem Nürn­ berger Wappendreiverein in der Mitte beinhaltet den Schutz der Reichsstadt für die stadtnahe Umgebung. Als Anregung für den Nürnberg-Rundprospekt wirkte der Belagerungs-Rundprospekt-Holzschnitt von Nikolaus Meldemann über die Türkenbelagerung Wiens um 1529/30. Die Darstellung liegt in der geographischen Existenz begründet. Nach dem 30jährigen Krieg, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, sehen die Künstler der Barockzeit das Burgmotiv primär im Repräsentations­ charakter. Von einem imaginären, erhöhten Standplatz aus wird die traditio­ nelle Veste auf der Höhe in ihrem ganzen breitgelagerten Verlauf aus mittlerer Distanz aufgenommen. Dazu bringt Georg Christoph Eimmart d.J. um 1680 den radierten „Prospect der Vesten zu Nürnberg an der Seiten gegen Mitternacht“ (Abb. 5)8. Von Norden her gesehen erscheint hier die Veste in ganzer Mächtigkeit ihrer Breitenerstreckung auf der Höhe. Beginnend beim Luginsland über die detail­ liert erfaßte Kaiserstallung bis hin zur Kaiserburg, samt dem, an der hinteren Freiung schon beginnenden dichten Baumbestand, sind alle Einzelheiten zu erkennen. Auch das Vestnertor läßt sich ablesen. Dort auf der Bastei unterhielt der Künstler, Mathematiker und Astronom Georg Christoph Eimmart d. J. eine sternenkundliche Beobachtungsstelle für den Himmelsraum „gegen Mit­ ternacht“. Sie ist auf dieser Graphik nicht eingezeichnet. Ganz im Stil der Zeit des Barock ist das nördliche Vorfeld der Veste behandelt. Es wurde in räum­ licher Weite zum ausgedehnten Glacis. So erscheint dieses geschaffene Brach­ feld, im Licht der Nachmittagssonne figürlich mannigfaltig belebt, als ein Durchzugsgebiet barocken, theatralischen Lebens. Die Vordergrundzone wird links mit einer Bauernhausgruppierung allgemeinen Charakters von Klein­ reuth und in Fortsetzung gegen rechts mit beachtlichen Retranchement-Besitztümern der Patrizierfamilie Scheurl gebildet. Zäune und Bäume in diesem Bereich sind, ebenso wie die Baumstrünke und Felsblöcke vollkommen frei hinzugefügt. Auch die breite Straße im Vordergrund mit Reitern, einer Kut­ sche und Begleitern beinhalten eine barocke, phantastische Zuordnung. Die Barockvedute entbehrt zwar die realistische Naturnähe, jedoch öffnet sie ein neues Raumgefühl, das von der Höhe in die Weite führt. Der prähistorische Urstromcharakter der Keuperablagerung für das Knob­ lauchsland wäre von dieser Eimmart’schen Radierung landschaftlich wohl in der Vorstellung zu vermitteln. Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums, SP 4825, Kapsel 1062, Bildfeld 18,3 x 29,3 cm, Eimmart d. J. (1638 Regensburg — 1705 Nürnberg) — Fritz Zink: Nürnberger Burg, 1951 (Anm. 5), dort unter Anm. 18 weitere Ansichten von Norden — Karl Fischer: Alt-Nürn­ berg. Bilder aus vergangenen Jahrhunderten, Nürnberg 1954, Serie 1, Abb. 1 (Glacischarakter) — Erich Bachmann, Kaiserburg ( Anm. 1), Abb. S. 57.

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Als „Prospect der Stadt Nürnberg und dem Schloß, wie solche von der Schantz an der Bücher Strassen zu sehen“ (Abb. 6)9 bezeichnet der Nürnberger Graphiker Johann Adam Delsenbach seine grau lavierte Federzeichnung. Sie ist um 1725 zu datieren und als qualitativ hervorragendes Blatt für die stadt­ nahe Barocklandschaft nördlich der Kaiserburg in dreifacher Hinsicht höchst bedeutsam: 1) durch das symbolisch eingefügte bäuerliche Genre für hier kaum erkenn­ bares Bauernland, vor allem links im Bildvordergrund, 2) durch das genau benennbare Herrenhaus der Patrizierfamilie Scheurl hinter den Wallanlagen im Mittelgrund, 3) durch die Fernsicht auf die repräsentativ auf der Höhe erfaßte Burg — hier als Schloß bezeichnet. Jeder der drei Bereiche besitzt dazu eine eigene Aussagekraft. Besondere Beachtung verlangt Delsenbachs Kompositionsart links am Bild­ unterrand. Völlig eigenständig stellt er symbolisch das bäuerliche Genre der ländlichen stadtnahen Umgebung im Norden Nürnbergs dar. Gleich einer Bühne errichtet er einen lokal hier nicht möglichen erhöhten Vordergrund, auf dem sich aussagekräftig eine bäuerliche Szene abspielt. Unter einem rah­ menden Baum in barocker Manier leitet ein Bauer aus Almoshof oder Klein­ reuth augenfällig seinen von zwei Ochsen gezogenen vierrädrigen Wagen mit Feldfrüchten. Die Bäuerin sitzt bei den Waren im Wagen, denn von alters her werden die Früchte zum Verkauf in die nahe Stadt auf den Markt gefahren. Die wenigen Ackerfurchen vor den Wällen der Retranchements und der Bauer mit Schubkarren gehören nicht zu dieser Szenerie; sie wären auch nicht bezeich­ nend für die Vergegenwärtigung dieses ländlichen Raumes. Auf Tafel 3 der Nürnberger Prospektfolge Delsenbachs „Platz bey dem Thiergärtner Thor“ befindet sich unter dem bekannt vielfigurigen Beiwerk dieses Künstlers ein Bauernwagen gleicher Art, aber im Altstadtbereich dargestellt. Die Bücher Straße, als Verbindung zur Stadt, führt durch die alten Wälle der Retranchements des 17. Jahrhunderts, durch die Gartenanlagen und an den erst 1725 erbauten Herrenhäusern, vornehmlich der Familie Scheurl, vorbei. 9 Delsenbach, Nürnberg und Schloß, Federzeichnung (31,7 x 42 cm), Nürnberg, Stadtgeschicht­ liche Museen, Slg Hopf, Nr. 5723 (der Stadtbibliothek), abg. in: Ausstellungskatalog Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 1962 „Barock in Nürnberg 1600-1750“, Nr. A 305, Fig. 33 — Gerhard Hirschmann, 1975 (Anm. 7), Abb. S. 5 — Gerhard Pfeiffer, 1977 (Anm. 6), Fig. 8 — Militarmotivlich mit russischem Kontingent hat Delsenbach von Norden zusammen mit der Burg ein Blatt in seiner Prospektfolge gewidmet — Zum Oberservatorium von Georg Chri­ stoph Eimmart d. J., auf der Vestnertorbastei eingerichtet, bis 1688 bestehend, 1691 neu und bis 1757 existent (Kurt Pilz: 600 Jahre Astronomie in Nürnberg, Nürnberg 1977, S. 292) — Zu den Besitzern des Gartenhauses Garten Nr. 69, siehe Nachlaß Nagel, Nr. 1 (Bestand E 10) im Stadt­ archiv Nürnberg (Herrn Kurt Reichmacher wird für Recherchen verbindlich gedankt).

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Es ist, wie ich sehe, die genau identifizierbare Hausanlage mit den sechs nord­ seitigen Fensterachsen in der Bildmitte. Nach dem grundlegenden Gartenwerkmanuskript des Architekten Dr. Friedrich August Nagel im Stadtarchiv Nürnberg, wird dieses Gelände unter Garten-Nr. 69, alte Nr. 102, neu Bücher Straße 56—58, von der Größe 8750 qm genannt. Diesen Garten hatten im Jahre 1517 Ursula und Marquard Mendel im Besitz, sodann 1558—1585 Tobias Hundertpfundt, 1601 — 1631 Veit Pfaudt, 1632 Marx Pfaudt, 1645 Maximilian Scheurl, 1706 Paul Jakob Scheurl und 1725 Johann Carl Scheurl, der dort das abgebildete Haus erbaute. 1751 wird Friedrich Carl Scheurl, 1772 Karl Scheurl als Besitzer genannt. Ein 125 Jahre späteres Aquarell dieses im Dachgeschoß umgebauten gleichen Villen­ hauses von der Gegenseite im Süden, um 1850 von Georg Christoph Wilder aufgenommen, erscheint im zutreffenden Zeitabschnitt in gesonderter Abbil­ dung. Ferner findet man auch auf der Delsenbach’schen Zeichnung die Häuser der Behaim und des Architekten Gottlieb Trost links klein dahinter. Sie sind hier konzentriert in parkähnliche Gartenumgebung eingeordnet und in Stra­ ßenverbindung auf den auf der Höhe gelegenen Tiergärtner Torturm mit seinen Erkern hin angelegt. Der Grundrißplan von Gottlieb Trost aus dem Jahr 1718 weist kartographisch die Besitzer und Wege aus10. Die Existenz der stadtnahen Gärten hinter der Veste ist von wesentlicher Bedeutung. Das Leben an der äußeren Zufahrt, am Tor der Retranchements interessiert Delsenbach in ganz besonderer Weise, denn eine realistische Wiedergabe allein der Natur liegt nicht im Wesen der bewegten Barocklandschaft. So grüßt ein sich dem Scheurl’schen Hause nähernder Reiterkavalier die im Fenster zu erkennende Dame, während der Vorreiter in rascher Kehrtwendung eine Bot­ schaft weitergibt. Schlagbaum, Schilderhäuschen und der patroullierende Soldat vergegenwärtigen jedem Straßenbenützer den Durchgang an einer Grenzzone. Auch eine Kutsche passierte bereits diesen Bereich und scheint auf der Bücher Straße in Richtung zum Tiergärtner Tor den Weg einzuschlagen — die zügelfeste Haltung des Kutschers läßt wohl diesen Schluß zu. So dokumen­ tiert die im Vordergrund deutlich erkennbare, mit Pfählen begrenzte Straße beim heutigen Friedrich-Ebert-Platz die militärisch, herrschaftlich und — durch den Bauern mit Schubkarren — auch landwirtschaftlich genutzte Nach­ barschaft am Schlagbaum der Grenzbefestigung. Auch der Gangsteig zwischen den Wallanlagen und dem bewohnten Scheurl’schen Herrenhaus ist frequen­ tiert. Mit der Nordansicht in der Ferne steht das Schloß in Breitenerstreckung in Horizontnähe. So läßt sich in dieser Sicht architekturbezüglich die Anlage vom 10 Gottlieb Trost: Grundriß der Stadt Nürnberg samt deren Vor-Städten 1718 (Germanisches Nationalmuseum, Kupferstichkabinett SP 6611 (Rolle) und Staatsarchiv Nürnberg, Karten und Pläne, Repertorium 58 Nr. 277, Mappe II) — Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Nürnberg, Nürnberg 1906, Nr. 1246 (Fritz Traugott Schulz).

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Luginsland über die Vestnertor- und Schloßbasteien mit dem markanten astro­ nomischen Observatorium samt Sinwellturm und über das Tiergärtnertor hinaus bis zu den Turmhelmen der Sebaldus- und Lorenzkirche ablesen. Selbst die belebte alte Bücher Straße mit der Einmündung in das Tiergärtnertor ist bergan deutlich zu verfolgen. Links, etwas östlich entfernt, führt auch das Reutergäßlein zur ebenfalls belebten Straße am Graben empor und weiter zum Vestner Tor. Alles wird im vormittäglichen Licht in barocker Lebensart als Uberschaulandschaft gesehen. Diese aussagekräftige Zeichnung Delsenbachs fand aber keine Aufnahme in seine gleichzeitig erschienene Prospektfolge der Kupferstiche. Nur eine minia­ turhaft kleine, unscheinbare Nordansicht wurde im Titelblatt dieser Serie im Rahmen eines aufwendigen allegorischen Monuments noch untergebracht. Johann Adam Delsenbach (1687—1765, Nürnberg) war Schüler des Wiener Architekten Fischer von Erlach. Wohl als persönliche Rückerinnerung für den Inhaber, den Großgründ­ lacher und Nürnberger Pfarrer Christoph Carl Clausner, steht eine Stamm­ buch-Miniatur aus dem Jahr 1744. Das Stammbuch, in dem die Miniatur ent­ halten ist, kam zwischen 1848 und 1853 nach London in die British Library, Sammlung Egerton Ms 1467 fol. 105 (Abb. 7)10a. Die mit Wasserfarben gemalte Miniatur zeigt eine heimkehrende Schlittengesellschaft im stadtnahen, winter­ lichen Knoblauchsland, auf der Straße von Erlangen nach Nürnberg. Hinter verschneiten Ackerflächen lugen die Dächer des Dorfes Kleinreuth hervor. Im tiefliegenden Horizontbereich, hinter weiten Bodenwellen, erscheint traditio­ nell der ganze Verlauf des Nürnberger Schlosses. Gegen links ist noch die Dachbekrönung des Laufertorturmes zu erkennen und zum linken Bildrand hin, wird der Rücken des Moritzberges in Blicknähe herangezogen. Komposi­ tionen steht der kahle Baum am rechten Straßenrand und die aufgescheuchten Krähenvögel symbolisieren gleichzeitig die kalte Jahreszeit. Reiter und zwei Prunkschlitten passieren die verschneite Straße, während dem dritten Schlitten links, als störrischem Nachzügler, wohl die besondere Aufmerksamkeit und Ereigniserinnerung gelten mag. Die Stammbuch-Miniatur kann einem der pro­ fessionellen Stammbuchmaler der Universitätsstädte zugeschrieben werden.

10a Freundlicher nachträglicher Flinweis Dr. Gerhard Hirschmann/Matthias Mende — Blattgröße 10,2 x 16,5 cm - Nikolaus Flofmann zugeschrieben — kulturgeschichtlich seltene topographi­ sche Darstellung dieses ebenen Landgebietes nördlich Nürnberg — Provenienz: (aus der großen) Stammbüchersammlung des Poppenreuther Pfarrers Erhard Christoph Bezzel (1727—1801), vgl. zur Provenienz dazu grundlegend Karlheinz Goldmann: „Der Poppen­ reuther Pfarrer Erhard Christoph Bezzel (1727—1801) und seine Stammbüchersammlung“, in MVGN Bd. 47, 1956, S. 341—415, S. 380, Nr. 290) - Zu Stammbücher: Lotte Kurras: Zu gutem Gedenken. Kulturhistorische Miniaturen aus Stammbüchern des Germanischen Natio­ nalmuseums 1570—1770, München 1987.

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Das opulente Spezialwerk des Johann Christoph Volkamer über die süd­ lichen Früchte der „Hesperiden“ von 170811 bildet jeweils am Blattunterrand als Detail unter primär großen Zitronen auch nördlich der Nürnberger Veste gelegene Gärten ab. So sind aus der Höhe gesehen der Scheurl’sche Garten öst­ lich der Bücher Straße, der Wurzelbauer’sche und der Tuchergarten zu nennen. Die modisch außerordentlich wechselnde gartenkünstlerische Barock­ repräsentation in den umhegten Gartenbesitzen entbehrt jeden erkennbaren Bezug zur umgebenden Landschaft. Im selben Band des Spezialwerkes der „Hesperiden“ erscheint auf einer Radierung von L. Glotsch das „Observato­ rium auf der Vesten“ und auf einem überdimensionalen Faltblatt unter einer Blume der „Neuen Welt“ befindet sich der „Prospect der Landschaft vor dem Vestner Thor“ (Tiergärtner Tor) als Aussicht auf die Gärten im nördlichen Nürnberger Umland. Die hainartige, entfernt im Nordwesten Nürnbergs lie­ gende Parkanlage des seit 1676 begonnen Irrhains bei Kraftshof des Pegnesischen Blumenordens, steht im Sinn des bukolisch-schäferhaft-allegorischen Zusammenschlusses dieses Dichterkreises. Sein Mitglied Johann HerdegenAmerantes hat ihn in der weitläufigen grundlegenden „Historischen Nachricht vom löblichen Hirten- und Blumenorden“, Nürnberg 1744 beschrieben. Ein großformatiger, gefalteter Kupferstich „Perspectivischer Grundriß und Pro­ spect des weitberühmten Irrgartens bey Krafftshof“ ist hier Seite 940 als Buchillustration beigegeben. Die Medaille von 1739 des Patriziers Christoph Andreas Imhoff auf sein großes neuerbautes Gartenhaus beim Vestner Tor in Nürnberg, vermittelt keine Aussage über die umgebende Landschaft. Das nördliche Umland Nürnbergs war weitgehend nutzbares Bauernland und von daher erhielt dieses Gelände seine Prägung. Bis in die Barockzeit hinein bedeuteten fehlende Baumbestände den Künstlern bei ihren Darstel­ lungen kein Hindernis. Bäume wurden dekorativ eingesetzt. Im Klassizismus erwacht nun der Blick für die realistische Wiedergabe einer Landschaft und damit auch die gärtnerisch-künstlerische Gestaltung von Baumpflanzungen für Erholungsstätten in stadtnaher Umgebung.

11 J. C. Volkamers „Hesperiden“, Nürnberg 1708, Bd. 1, Abb. S. 170 (Scheurrscher Garten), S. 204 (J. Schmausengarten), S. 194b (Wurzelbauergarten), S. 158a (Tuchergarten), S. 103 (Observatorium), S. 234 (Vestner-Tor-Aussicht) — Christoph Andreas Imhoff: Sammlung eines Münzkabinetts, Nürnberg 1782, Bd. II, S. 432, Nr. 53 (Germanisches Nationalmuseum, Münzsammlung, Slg. C(olmar), Nr. 1392, Zinnmedaille, Dm. 7,4 cm — Der Irrhain bei Kraftshof mit bäuerlicher Tätigkeit in der Nachbarschaft 1744 (Graphik, Germanisches Natio­ nalmuseum, MS 12, Kapsel 1421 und im Buch der Bibliothek des Germanischen Nationalmu­ seums P Bl O 2415), abg. auch bei Heerdegen-Barbeck 1895 (Anm. 6) unter Nürnberger Land­ schaft Bl. 2 — Zur Barock-Dichtung Harsdörfer-Birken, Johann Klais Pegnesisches Schäferge­ dicht 1644 — 1645, vgl. Klaus Garber, Tübingen 1966, S. 20 — Zuletzt zusammenfassend: Her­ mann Rusam: Der Irrhain des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg, Nürnberg 1983 mit Beilage des Irrhain-Grundrisses.

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Johann Ludwig Stahl (1759—1835, Nürnberg), der ingenieur-perspektivisch interessierte klassizistische Graphiker, gibt um 1785 mit seinem Kupferstich „Spazier Platz vor dem Lauffer Thor in Nürnberg der Judenbül genant“ (Abb. 8)12 ein Beispiel. 1770 wurde diese Neuanlage am Judenbühl von Wald­ amtmann Johann Burkhard Volckamer von Kirchensittenbach durch eine geo­ metrische Baumbepflanzung aus einem früheren Holzlagerplatz unter Auswei­ tung in einen frei zugänglichen Promenadeplatz umgewandelt. Die Raumge­ staltung des Realismus setzt hier ein. Geschlossene Baumbestände fehlten in diesem nördlichen Nürnberg-Bezirk und konnten zum Thema „Landschaft“ keinen Beitrag leisten. Der nun stadtnah günstig neu angelegte Park in terrassenartig erhöhter Geländelage an der verkehrsbelebten Heroldsberger/ Bayreuther Straße wurde zum Ort des geruhsamen Verweilens. Ruhebänke und die Möglichkeit des Promenierens gaben Anlaß, auch den Ausblick auf das Schloß in der Ferne zu entdecken. Die Landschaft wird hinfort durch Künstler von einem Standort aus vordergründig und damit realistisch auf das Thema der Entdeckung der Natur im Rahmen des Zeitvertreibs aufgenommen. Es ist die Goethe-Zeit. Anderwärts, beispielsweise im thüringischen Weimar, wurden Promenaden mit Parks am Fluß der Ilm angelegt. Georg Melchior Kraus zeigt das auf einem auf Nahsicht angelegten Gemälde im Jahre 1800. Die freie Naturnähe war durch den Philosophen vom Genfer See, Jean Jacques Rous­ seau (1712 —1778), in der „Nouvelle Heloise“ 1761 weitgehend propagiert worden. Deutlich erkennbar tritt nun auch in Nürnberg anstelle allegorischer Barockveduten das Naturelement auf. So zeigt der Künstler Johann Ludwig Stahl auf seinem Kupferstich die öffentliche Parkanlage mit jungen Bäumen und der promenierenden feinen Welt im Nordosten Nürnbergs, gleich wie dies auch im Westen an der Haller­ wiese und im Süden am Dutzendteich möglich ist. Städtisches Besucherpubli12 Germanisches Nationalmuseum, Kupferstichkabinett, (Paul Wolfgang) M(erkelsche) S(lg) 66 (unkoloriert) und MS 67 (koloriert), Kapsel 1421 - Anton Zahn: Heimatkunde zwischen Lrlenstegen und Stadtpark Nürnberg, Nürnberg 1968, Abb. S. 41 — Zu J. Ludwig Stahl vgl. Artikel von Fritz Traugott Schulz, in: Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Bd. 21, 1937, S. 446—447 — von J. L. Stahl auch ein figürlich sehr frequentierter und gartenkünstlerisch aus­ gestatteter Kupferstich von 1789, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, abg. bei Heerdegen — Hugo Barbeck 1895 (Anm. 6) vor den Mauern, Bl. 2, und Gerhard Hirschmann, 1975 (Anm. 7), S. 3 - Blanchards Ballon-Aufstieg, Kupferstichkabinett HB 25863, Kapsel 1278a - zum Juden­ bühl, ferner G. Hirschmann, wie vor, S. 4 u. 5 — Von J. L. Stahl auch eine Gastwirts-Einla­ dungsgraphik um 1790 für Georg Uhl am Dutzendteich (Germanisches Nationalmuseum, HB 25863, Kapsel 1386a) — Der aquarellierte Plan des Judenbühls (Germanisches Nationalmu­ seum, SP 6521, Kapsel 1060) weist die Baumbepflanzung unfern des Schallers- und des Deumentenhofs bei der Heroldsberger Wacht auf — Zum Weimarer Gemälde von Georg Melchior Kraus von 1800 vgl. Fritz Zink: Die topographisch benennbare Flußtallandschaft von Albrecht Dürer bis Karl Rössing, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 48, 1988, S. 175 mit Abb. 16 — Zur Hallerwiese in Nürnberg, Kupferstich von F. A. Annert 1788, abg. bei Georg Gärtner, Burgfrieden, Bd. 3, Nürnberg 1926, Fig. S. 25.

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kum, gekleidet in der Mode der Zeit, ist in dem öffentlich zugänglichen Park zu sehen. Eine Dame mit Sonnenschirm nutzt gleich der Familie mit Kind die neue Baumnatur. Rechts im Vordergrund auf der Steinbank hat ein Paar im Baumschatten einen lauschigen Platz gefunden. Außerhalb der begrenzenden rechten Baumreihe, auf der Bayreuther Straße, haben ein Reiter, eine Kutsche und ein Fußgänger die Richtung zur Stadt eingeschlagen. Silhouettenhaft ist rechts in der Ferne das reichsstädtische Schloß vom Luginsland bis zur Kaiser­ burg zu sehen. Der Laufertorturm zu äußerst links und der damals noch exi­ stierende Fröschturm im Durchblick zwischen den zwei mittleren Baumreihen lassen sich bei tiefliegendem Horizont genau benennen. Die StahPsche Dar­ stellung vergegenwärtigt die Freude an der Landschaft, die auch die „Gärten hinter der Veste“ in größerer Distanz in diesem Kupferstich noch mit auf­ nimmt. Als koloriertes und unkoloriertes Exemplar ist dieser für die Land­ schaft wichtige Kupferstich aus der Sammlung Merkel im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg, vertreten. Das Sensationsereignis Francois Blanchards Ballonaufstieg 1787 führte den Künstler Stahl nochmals in diese höher gelegene Nürnberger Gegend, ohne jedoch eine landschaftstopographische Wiedergabe zu hinterlassen. Den umfangreichen Baumbezirk beiderseits der Heroldsberger/Bayreuther Straße weist um 1800 ein grünkolorierter Grundrißplan vom Judenbühl, zwi­ schen dem bäuerlichen Schallershof und dem Deumentenhof, aus. Dieser Plan ist als Federzeichnung im Kupferstichkabinett des Germanischen National­ museums aufbewahrt. Erst nach der Französischen Revolution, in der Zeit Napoleons, kann von der Landschaft im selbstgültigen Sinn gesprochen werden. Sie erfährt als stadt­ nahe Landschaft nördlich der Kaiserburg eine Akzentuierung und erreicht hin­ fort die Würdigung des „Malerischen“. Der neue Realismus um 1800 zeigt eine vollkommen veränderte Darstel­ lungsweise in der Landschaftsauffassung. Johann Adam Klein (1792 Nürnberg — 1875 München) wird zum besten Interpreten der selbstgültigen Bauernland­ schaft im Norden Nürnbergs13. Sein Aquarell, ein Frühwerk des Künstlers von 1810 (Abb.9), zeigt in typischer Charakterisierung das nördliche stadtnahe Landgebiet, das kirchlich damals St. Johannis zugehörte. Johann Adam Klein akzentuiert den bäuerlichen Lebensbereich aus der Sicht der Stadtbewohner inmitten des ländlichen Umfeldes und setzt die breitgelagerte Veste als Kenn­ zeichen für die Nähe der Stadt. Es ist die bezeichnendste Bauernlandschaft im Norden Nürnbergs. Er sieht wirklichkeitsnah ein Bauerngefährt mit Pferd im Abendsonnenlicht nach der Arbeit auf dem Kleinreuther Weg dorfwärts 13 Ludwig Grote: Die romantische Entdeckung Nürnbergs, München 1967, Farbabb. vor Titel Vgl. auch Wilhelm Schwemmer: Johann Adam Klein. Ein Nürnberger Meister des 19. Jahrhun­ derts, Nürnberg 1966, hier Taf. 26: Radierung Fünfeckiger Turm auf der Burg zu Nürnberg mit dem zeichnenden Künstler in Rückenfigur von 1825.

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ziehen. Hinter dem leichtwelligen Ackerland erscheinen in Sichtweite die Häuser des Dorfes Kleinreuth. Die Einmaligkeit des Landschaftsaquarells dieser Gegend liegt in der Erfas­ sung des naturgegebenen, bewirtschafteten Bauernlandes in unmittelbarer Nähe der Stadt Nürnberg mit dem Blick zur Veste vom Luginsland bis zur Kaiserburg und über den Tiergärtner Torturm hinaus. Johann Adam Klein schuf das Frühwerk noch als Schüler des Nürnberger Kupferstechers Ambro­ sius Gabler. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ist der Reichtum des Bodens für die Landwirtschaft im Sinne der Physiokraten theoretisch erschlossen worden. Für die Darstellung der stadtnahen Landschaft Nürnbergs ist auch die grau­ lavierte Federzeichnung von 1822 aus der Hand Johann Adam Kleins zu nennen. Dieses Ereignisbild zählt ebenfalls zu den wenigen Dokumentationen des frühen Realismus, welche das nördlich der Veste gelegene Umland Nürn­ bergs in besonderer Weise repräsentiert. Durch das weite, ebene Gelände, auf kurvenreicher Straße, zieht ein langer vielfiguriger Reiterzug der (Altdorfer) Studenten nach Erlangen zurück (Abb. 10). An der Spitze reitet Hans Freiherr von Aufseß und festlich geschmückte Postillions. Das weite, flache, sanfthüge­ lige Ackerland hinter der Veste, vom Läufer Tor bis St. Johannis in der Ferne, wird unter dem weiten, wenig bewölkten Himmel überschaubar. Links der Bücher Straße liegt in Sichtnähe die Dorfsiedlung Almoshof mit dem ehemals von Praun’schen Herrensitz und der dort markanten Pappel. Sie hat für die lokale Identifizierung selbst bis in die jüngste Vergangenheit noch ihre Bedeu­ tung. Auf dem ebenfalls kurvenreichen Verbindungssträßchen eilen etliche interessierte Bauersleute zu dem seltenen Ereignis zur Bücher Straße. Es muß Nachmittag sein. Die Sonnenbeleuchtung spricht dafür. Alle stadtnahen bäu­ erlichen Giebelhäuser sind in einheitlichem Typus wiedergegeben. Ein Bauer am Pflug mit Pferdegespann im Vordergrund, als realistische Dokumentation der Landschaft, kann in der Ebene dieses Vorlandes den fast nicht zu Ende gehenden studentischen Reiterzug überschauen. Nicht zu vergessen ist auch die großformatige Lithographie von Konrad Wießner, nach der Federzeich­ nung Adam Kleins, auf deren Randbordüre alle Namen der Teilnehmer des Studentenzuges eingetragen sind14.

14 Germanisches Nationalmuseum, Hz 3196, Kapsel 1366 — L 6411, Kapsel wie vor, abg. bei Ernst Deuerlein: Geschichte der Universität Erlangen, 1923, S. 42 und Abb. 43 — Zur Stadtnahe des bäuerlichen Giebelhauses in Kalchreuth vgl. Fritz Zink: Platz an der Hauptstraße in Kalch­ reuth im Jahre 1806, in: MVGN, Bd. 59, 1972, S. 224/225 — Georg Gärtner, Rund um Nürn­ berg, 1926 (Anm. 12), S. 334 — 339 — Für freundliche Auskunft zur Pappel in Almoshof, die um 1960 durch Blitz getroffen und durch eine Linde ersetzt wurde, durch Herrn Landwirt Johann Seibold, Almoshof, wofür ihm höflich gedankt sei — Zu Almoshof vgl. Kurzinventar des Lan­ desamts für Denkmalpflege „Die Stadt Nürnberg“, München 2. Aufl. 1977, S. 268.

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Es ist beachtlich, daß erst am Anfang des 19. Jahrhunderts die bäuerliche Landschaft samt eingestreuter Höfe ihre realistische Darstellung findet. Aus der Sicht der Stadtbewohner wird das ebene Knoblauchsland von Johann Adam Klein als Fernblicklandschaft durchaus realistisch unübertroffen gesehen. Erst der Realismus ermöglicht die Entdeckung dieses freien Geländes in der Ebene unter Einbeziehung eines charakteristischen Vordergrundes. Johann Adam Klein ist als Realist allein in der Lage gewesen, den Flachland­ charakter seines heimatlichen Gebietes zusammen mit aussagekräftigen Per­ sonen wirklichkeitsgetreu darzustellen und gleichzeitig auch das markante Architekturensemble der Veste in der Ferne mit zu erfassen. „Zwischen dem Läufer & Vestner Thore vor Nürnberg“ (Abb. 11) beschriftet Georg Christoph Wilder (1794—1855, Nürnberg) am Unterrand die signierte und 1819 datierte Radierung. Von dem naturhaft gesehenen Vorder­ grund aus erscheint die Veste von Nordosten her malerisch zurückgerückt15. Die Höhenstraße am Graben wird an dieser Stelle betont ins Auge gefaßt. Sie verläuft zwischen den Begrenzungssteinen neben der Grabenmauer. Im Hang­ gelände sind die Gärtnerhäuschen genau zu sehen. Bauern mit gefüllten Hukkelkörben benützen einen Abkürzungsweg, um in dem von Norden her steil ansteigenden Gelände gegen den Festungsgraben hin, die Höhe zu gewinnen. Das bäuerliche Element des Nürnberger Umlandes nördlich hinter der Veste, wird durch die bäuerlichen Figuren noch immer primär gekennzeichnet. Insonderheit wird aber die Höhenlage der Veste hervorgehoben, die sich selbst von der Straße am Stadtgraben aus, noch als Ensemble auf dem Berg erkennen läßt. Eine Bleistiftzeichnung vom 26. Juli 1817 mit der Benennung „Auf dem Kühberg vor dem Vestner Thoru von Georg Christoph Wilder befindet sich im Germanischen Nationalmuseum unter SP 8867, Kapsel 1062. Diese Zeichnung erweist sich dem Kunststil seines älteren Bruders Johann Christoph Jakob Wilder noch sehr nahestehend. Vor der malerisch aufgefaßten Veste zeichnet Wilder ein Rindergespann mit einem peitscheschwingenden Bauern, der mit dem Wagen vom Vestnertor kommend, die Straße am Graben in Richtung Bücher Straße erreicht hat. Mit diesem betont bäuerlichen Staffagemotiv doku­ mentiert Wilder die traditionelle Beziehung zum Landgebiet im Norden Nürnbergs vor der Veste. Das ehemalige Zahn'sehe Anwesen (Abb. 12), ein wenig bekanntes, späteres Aquarell Georg Christoph Wilders um 1850, zeigt einen einzelnen Villenbesitz 15 Fritz Zink: Nürnberger Burgmotive bei Ludwig Richter 1852 und 1873, in: Jahrbuch für Frän­ kische Landesforschung 1978, Abb. 2 nach S. 188 (Wilder), Abb. 3 (Richter: Koch) — Matthias Mende: Georg Christoph Wilder. Ein Nürnberger Zeichner des 19. Jahrhunderts, Nürnberg 1986, Nr. 23 und Taf. 23 (Einfluß Johann Christoph Erhards Radierung 1817) — ferner „Küh­ berg“, Mende 1986, wie vor Nr. 11 und Taf. 11, hier S. 58 mit wichtigem Zitat der „überaus mahlerischen Parthie“ des Schlosses, sowie F. Zink (Anm. 20), 1976, Abb. 4.

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an der Abzweigung Bücher Straße/Kleinreuther Weg16. Es handelt sich um den gleichen von ScheuiTschen Landhausbau, den ich schon auf der Federzeich­ nung von Delsenbach im Gebiet der Gärten hinter der Veste ermittelte. Das ansehnliche Haus in nördlicher Stadtnähe, nun von Süden her gesehen, erhielt ein modern ausgebautes, spätklassizistisches Dachgiebelgeschoß. Ländliche Nebengebäude fehlen nicht und die Pappeln und das Buschwerk vor dem Anwesen erhalten das naturhafte Gelände an der vorgenannten Wegabzwei­ gung. Für das ländliche Genre sorgen die beiden, in künstlerisch geringer Qua­ lität dargestellten bäuerlichen Figuren. Maßgeblich sind die Besitzerinteressen an diesem Haus. Nach Dr. Nagels Gartenmanuskript besaß 1812 der Tuch­ händler Cramer, 1815 der auf Export liefernde bekannte Spielkartenfabrikant Johann Gottfried Backofen und 1829 bis 1843 der 1779 geborene Kaufmann Georg Albrecht Benedikt Zahn, 1850 seine Frau, die Kaufmannswitwe Susette Zahn, geborene Mohrland, und 1864 Johann Konrad Vogel diese Villa. In der Zeit des soziologischen Wandels der Bevölkerungsstruktur des 19. Jahrhun­ derts gehören die Besitzer somit dem großbürgerlichen Kaufmannsstand an. Wilders kunstbegabter Bruder, Pfarrer an der Dominikanerkirche, bei St. Peter und Hl. Geist in Nürnberg, Johann Christoph Jakob Wilder (1783 — 1838), hatte hingegen in ganz anderer Weise als dilettierender Künstler die Gegend südlich Kalchreuth und Großgründlach durchwandert. Er ent­ deckte auch neue Motive im Knoblauchsland und verwendete sie für Stamm­ bücher und Neujahrswünsche, um damit als Geistlicher die Betrachter zu erfreuen. Das vorliegende, bisher unveröffentlichte Friesblatt der Ansicht der Veste“ von Norden, kurz nach 1810 entstanden (Abb. 13)17, gibt in hervorra­ gender Erfassung den Gesamteindruck dieser Landschaft wieder. Im Vorder­ grund verläuft eine anspruchslose Hecke ohne figürliche Beigabe, die eine Interpretation stützen könnte. Nach der Bekundung des Künstlers ist die Gestaltung des Vordergrundes eigene zusätzliche Erfindung — die aber sehr wohl im Knoblauchsland hätte Vorkommen können. Der einfache Zaun bildet mit seiner natürlichen Bewachsung eine phantasievolle Hecke. Das geschlos­ sene Türgatter zwischen zwei soliden Steinpfeilern improvisiert die direkte 16 Germanisches Nationalmuseum, Kupferstichkabinett, Hz 3178, Kapsel 1070a (Zahn’sches Anwesen) — Zu den Besitzern dieses Hauses siehe Anm. 9 (Gartenwerk Nagel) — frdl. Recher­ chen Stadtarchiv Nürnberg (Kurt Reichmacher). 17 Germanisches Nationalmuseum, Kupferstichkabinett, SP 5507, Kapsel 1062, Johann Christoph Jakob Wilder, Radierung 5,3 x 18,2 cm — Im Oeuvrewerk des Künstlers zitiert bei Andreas Andresen: Johann Christoph Jakob Wilder, in: Robert Naumanns Archiv für die zeichnenden Künste, Leipzig 1863, Jg. 9, S. 64, Nr. 26 „Ansicht der Veste“, in: Zustand I zu lesen als Selbst­ kritik „Eine radirte Lüge“. Der Vordergrund anders als in der Natur ist nämlich von Wilder erfunden - Zustand II ohne diesen Vermerk — Rudolf Schiestl (1878 — 1931) gewann noch in seiner Radierung „Knoblauchsland IV“ dem Bauernland seine Reize ab, vgl. Verkaufsausstel­ lungskatalog E. & R. Kistner, Nürnberg, vom 30. 11. 1988 „Rudolf und Matthäus Schiestl“, Abb. 11.

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Verbindung zur Veste dort auf der Höhe durch freies unbebautes Land. Wilders Radierung gewinnt durch die Neutralisierung des Mittelgrundes das wesentliche Kriterium einer Fernblicklandschaft. Hauptmotivlich ins Bild gebracht, erscheint die Veste in ihrer ganzen Breitenerstreckung von Norden in geschlossener Schattenzone. Die beiden hohen Lindenbäume auf der hin­ teren beliebten Aussichtsfreiung westlich des Fünfeckigen Turmes, bilden eine ausgezeichnete topographische Markierung. Johann Christoph Jakob Wilders Friesradierung „Ansicht der Veste“ steht exemplarisch für die Zusammenge­ hörigkeit von Architektur und Landschaft nördlich der Kaiserburg. Münchner Landschaftsmaler wie beispielsweise Franz Kobell (1749 — 1822) hatten dagegen nur die entferntere Landschaft des bayerischen Oberlandes um Kochel und am Starnberger See dargestellt. Aus der Serie der fünf Burgblätter verschiedener Himmelsrichtungen stammt die Radierung „Die Burg von der Mitternacht-Seite“ (Abb. 14), die Johann Jakob Kirchner um 1820/30 in der Auffassung der Romantik schuf. Der Künstler verwandelt die Nürnberger Landschaft im Norden in freier Erfindung in ein weites Vorland mit sehr erheblichen Niveauunterschieden. Ein traditionell mächtiger Baumstrunk links im Vordergrund schafft die Illu­ sion der sich dahinter verbergenden Tiefe aus der sich die Bäume zum Licht drängen. Auch der Rest einer Einzäunung rechts erweckt in seiner malerischen Gestaltung den Eindruck der Warnung vor jäh abfallendem Gelände. Das nur leicht wellige, ebene Bauernland wird hier zu einem romantischen Hügelge­ lände, in dem sich sogar zwei Wanderer am Rande des naturhaften Weges nie­ dergelassen haben18. Dominierend bleibt jedoch die „Burg“. Diese Wortver­ wendung erscheint jetzt im Titel des vorliegenden Blattes. Eine üppige vorge­ lagerte Baumzone der Patriziergärten läßt die Burg mit dem überbetonten Sinwellturm die beherrschende Höhe erreichen und zum zweiten Hauptmotiv werden. Altdeutsche Baukunst und zugeordnete Natur, diese beiden Faktoren in Phantasie vereinigt, sind Mittel zur Schaubarmachung in der Romantik. Der aus Nürnberg stammende und in Nürnberg schaffende Johann Jakob Kirchner (1796 —1837) vertritt hierin den künstlerischen Anteil nördlicher Kunstauffassung. Johann Jakob Kirchner widmete sich gern als Fremdenführer für Nürnberg besuchende Künstler. So kam er auch zu Örtlichkeiten besonders geeigneter künstlerischer Blickausschnitte. Dazu zählt die Aufnahme im Dürer-Jahr 1828 „an der Stadtmauer hinter der Vesten ‘ (Abb. 15) am (Maxtor-)Graben nörd-

18 Kirchner, Radierung, Nürnberger Burg von der Mitternacht-Seite 1820/30 mit Hügelgelände, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums, SP 2525a, Kapsel 1062, 26,1 x 31 cm — Hanns Hubert Hofmann: Burgen, Schlösser und Residenzen in Franken, Frankfurt/M. 1961, Abb. S. 177.

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lieh der Burg mit der Höhenstraße19. Diese Graphik reiht sich als Blatt 3 in die Serie der 15 Blatt „Ansichten aus der Nürnberger Umgebung“ ein. Kirchners Standplatz war ein wenig östlicher, als ihn der realere, vorgenannte Georg Christoph Wilder 1819 in malerischer Sicht einnahm. Wiederum dem Umfange nach gleicht Kirchner auf dieser Radierung den Sinwellturm der Burg, wie einen Bergfried, den vier runden Stadttortürmen an. Die nächste stadtnahe Umgebung im Norden Nürnbergs erfüllt er mit Gärtnerhäusern und übersteigertem Baumbestand, der sich sogar bis in den Stadtgraben hinter der hochgelegenen Straße hinein ausbreitet. Im Sinne der Romantik wird die Straße in der Burgnähe mannigfach figürlich, jedoch städtisch interpretiert. Reiter mittelalterlichen Genres, Planwagen und Fußgänger verschiedenster Stände beleben diese Straße am Graben und bringen damit eine besondere Aussage in die mit Architektur und Phantasie der Landschaft geprägte Umge­ bung. In den Jahren 1823, 1826, 1832 und 1845 besuchte der Dresdener Spät­ romantiker Ludwig Richter (1803 — 1884) Nürnberg und skizzierte auch die Burg mit dem malerischen Ausschnitt Fünfeckiger Turm und Luginsland von Nordosten und Nordwesten. Nach meiner topographischen Feststellung ver­ wendete der Künstler Ludwig Richter sechsmal diese Skizzen als Hintergrund hauptmotivlicher Szenen der Poesie. 1846/47 war es das Burgmotiv von Nord­ westen her gesehen auf dem Holzschnitt „Abreise“20 zu einem Gedicht von Ludwig Uhland. 1852 erscheinen Luginsland und Fünfeckiger Turm von Nordosten beim „Abschied eines Handwerksburschen“21 zu einem UhlandGedicht, dagegen ist es 1853 die Burgansicht von Nordwesten bei der „Apfel­ verkäuferin“22 für das Gedicht „Parabolisch“ im Goethe-Album. Zu Schillers „Lied von der Glocke in Bildern“ erscheint 1857 auf dem Holzstich „Heim­ kehr“ (Abb. 16) die Burg von Nordosten23. Für die „Rosenzeit“24 der Sommer19 Kirchner, Jahrbuch für Fränkische Landesforschung Bd. 37, 1977, vor S. 193, Abb. 2, Germani­ sches Nationalmuseum, SP 9169, Kapsel 1067, 22,2 x 27,7 cm. 20 Abreise mit Luginsland von Westen — Fritz Zink: Die Nürnberger Burg bei Ludwig Richter, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 36, 1976, Abb. nach S. 253, Abb. 1 (Staats­ bibliothek Augsburg). 21 Abschied, Burg von Nordosten, wie vor, Jahrbuch 38, 1978 nach S. 188, Abb. 1 (Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums) und Fritz Zink: Bestimmung bisher unbekannter Land­ schaftsdarstellungen in der Graphik, in: Kunstspiegel 1982, S. 276, Abb. 17 — Vgl. auch neue Farbaufnahme, in: Franz Ströer: Die Burg zu Nürnberg, Nürnberg 1988, Abb. 98. 22 Apfelverkäuferin (Parabolisch), Burg von Nordwesten, in: Jahrbuch Bd. 36, 1976, 2. Abb. nach S. 253, Fig. 2 und Fritz Zink, Kunstspiegel, wie vor , S. 277, Abb. 18 (Staatsbibliothek, Mün­ chen). 23 FFeimkehr, Burg von Nordosten, in: Jahrbuch Bd. 37, 1977, Abb. nach S. 192, Fig. 1 (Universi­ tätsbibliothek, Göttingen). 24 Rosenzeit, Turm Luginsland von Nordwesten, in: Jahrbuch 1976, S. 256—257, Abb. 3 (Kupfer­ stichkabinett des Germanischen Nationalmuseums).

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serie nach Goethes Hans Sachsens Poetische Sendung 1860 wählt er nur den Turm Luginsland und 1873 auf der lustigen Illustration der „Schmelzende Koch“25 nach der Prosa von Robert Reinick (Abb. 17) ist die nordwestliche Darstellung wieder geeignet. Es ist topographisch bisher kaum bekannt, daß das Nürnberger Burgmotiv von Norden im Zusammenwirken mit dem litera­ rischen Umfeld durch Ludwig Richter die weiteste Verbreitung fand, ein Zei­ chen für seine bleibende Rückerinnerung an die Burg in ihrer Bedeutung für Nürnberg. Johann Adam Klein, der von Ludwig Richter geschätzte Künstler, hat auch 1825 die Nürnberg-Ansicht zum Fünfeckigen Turm malerisch in der Radierung mit seiner eigenen Rückenfigur am Graben von Nordwesten her dargestellt. Eine besonders aktuelle Situation aus Nürnbergs Nordosten skizzierte der taubstumme Zeichner Carl Friedrich Schleßing im Jahr 1836. Östlich der „Gärten hinter der Veste“ wird die neue Bayreuther Straße gebaut. Pferdefuhr­ werke und Arbeiter, die durch ihrer Hände Arbeit diesen Bau zu bewältigen haben, beobachtete Schleßing in beachtlicher Sorgfalt. Eigenhändig steht am unteren Bildrand der Bleistiftzeichnung „Nürnberg. Bauen neue Bayreutherstrasse“ mit Signierung und Datierung (Abb. 18). Schleßing war gebürtiger Hersbrucker (1813 — 1882) und wohnte zuletzt in Nürnberg in der Laufergasse 11. Seine Zeichnung ist ein hervorragendes Dokument des Straßenbaues am Ende der vortechnischen Zeit. Im Vordergrund ist das durch die Anlage des Straßendammes verwüstete Land zu sehen, während in malerischer Erfassung in der Ferne das von Norden her gesehene Nürnberg vom Läufer Tor bis über die Kaiserburg hinaus als Silhouette wiedergegeben ist26. Ein Postreiter in Rükkenfigur benützt den alten Weg, der nur ein Stück lang erkenntlich, parallel zur neu entstehenden Bayreuther Straße verläuft. Die Zeichnung Schleßings steht einmalig in der Darstellung der aktuell gewordenen und in Aktion befindlichen Arbeitswelt der neuen Zeit. Nicht wenige derartige Blätter ähn­ lichen Inhaltes sind ihm zu verdanken. Der aus Gunzenhausen stammende, publizistisch sehr tätige Schriftsteller Dr. Friedrich Mayer spricht 1849 in seinem Nürnberg-Führer, daß in Fern­ sicht „eine Stelle auf dem Wege von Heroldsberg nach Nürnberg“ gleich wie 25 Schmelzender Koch, Burg von Nordwesten, in: Jahrbuch 1978, S. 188, Abb. 3 (Universitätsbib­ liothek, Würzburg) —Zum Vergleich Johann Adam Kleins Radierung von 1825 (Karl Fischer, Anm. 8 und Wilhelm Schwemmer, Anm. 13, Abb. 26) - Vgl. auch neue Farbaufnahme 1988 (Anm. 21), Abb. 99. 26 Germanisches Nationalmuseum, SP 10559, Kapsel 1070a; 12,8 x 16,5 cm — von Schleßing auch „Mauerdurchbruch am Laufertor“, Skizzenblatt von 1879 (Germanisches Nationalmuseum, SP 10555, Kapsel 1067) sowie „Am Bahnhof in Baiersdorf“, um 1845/50 (Germanisches National­ museum, SP 10550, Kapsel 1076), dieses abg. in: „Die Stimme Frankens“, 1962, S. 163 (F. Zink) — Zu Friedrich Mayer vgl. Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 47, 1987, S. 222 (F. Zink) — Zu Ansichten „im Profil“ siehe Ludwig Lange: Original-Ansichten der historisch merkwürdigsten Städte in Deutschland, Darmstadt 1837, Nürnberg (F. Zink, wie vor, S. 221).

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auch auf der Erlanger Straße, der Blick gegen die Burg „als ein würdiges Bild“ erscheint. Die Beziehung zur Stadt bleibt immer gegeben. Von der aktuellen Seite her liefern informatorisch auch die halbjährlich wechselnden Titelfriese in Lithographie auf Nürnberger Wandkalendern auf­ schlußreiche bildliche Dokumentationen. Solche auf das Jahr festgelegte Wandkalender mit den eingetragenen auswärtigen Messen fanden unter den Kaufleuten großes Interesse. Archivdirektor Emil Reicke prägte 1930 für diese Gebrauchsgraphik den Begriff „Merkantilgraphik“. Nach dem Bericht des Arztes J. K. Osterhausen von 1829 wurde auf die Gestaltung der nördlichen stadtnahen Umgebung der Burg in den 1820er Jahren großer Wert gelegt. Die 1820/23 bestehenden Anlagen und Alleen mit Pappeln und niederem Gebüsch sind in Fortführung „. . . unter Aufsicht einer vom Magistrat ernannten Ver­ schönerungs-Commission, und namentlich unter der tätigen Leitung des magistratischen Commissarius Dr. Campe vom (Hallerthor) bis zum Thier­ gärtner Thor und von diesen bis zum Vestnerthor und dem sogenannten Kuh­ berg . . . sehr erfreulich gediehen . . ,“27. „Lustwandelnde können Abwechs­ lung, Erholung und Genuß finden“. Sonach stehen für Spaziergänger angelegte Promenaden am Stadtgraben zur Verfügung, wie sie für den hier ansteigenden „Kühberg“ und den Vestnertorgraben mit „Plattners Gut und Anlage“ (Abb. 19) auf dem Kalenderfries 1825 erscheinen. Der Wandkalender von 1859 zeigt auf dem Fries über die ganze Breite hinweg „Die Ansicht der Burg gegen Norden vom Plattner3sehen Garten aus aufgenommen“. Es handelt sich hier um den ehemaligen Garten des Spiegelglasfabrikanten Georg Zacharias Platner an der Bücher Straße (Abb. 20). Schon seit dem Jahr 1516 ist bei Etzlaub am Kühberg geographisch ein üppiges baumbestandenes Vegetationsbild einge­ tragen. 1841 kam der Park dann schenkungsweise vom Besitzer anläßlich seines 60. Geburtstages an die Stadt. Für den Wandkalenderfries der ersten Jahreshälfte 1859 bot sich aus dem Park heraus der attraktive panorama-artig erweiterte Blick auf diese „Ansicht der Burg gegen Norden“. Die Baumvegeta­ tion hat sich inzwischen verändert, jedoch schätzten auch spätere herrschaft27 Taschenbuch, Sammler für Kunst und Altertum, S. 16 — F. Zink: Nürnberg-Ansichten auf Wandkalendern um 1830, in: MVGN, Bd. 66, 1979, S. 271—272 sowie: Topographische Ansichten auf Wandkalendern, in: MVGN, Bd 67, 1980, Abb. 6 (Platners Anlage) und 7 (Küh­ berg) und MVGN, Bd. 64, 1977, S. 9 und Abb. 26 (Burg gegen Norden), diese auch als Sonder­ druck im Verlag Korn & Berg, Nürnberg) — Das üppige Vegetationsbild am Kühberg schon auf Etzlaubs Waldplan 1316 (Anm. 6), worauf F. T. Schulz deutlich hinwies - Platnersgarten auch Erziehungsanstalt für verwahrloste Knaben, zitiert nach Georg Gärtner, Rund um Nürnberg, 1926 (Anm. 12), S. 306 - Zum Platnersgarten vgl. auch spätere kolorierte Lithographie von 1839 von August Kolb (Germanisches Nationalmuseum, SP 6169, Kapsel 1070a) in Friedrich Scharrers Verlag, Nürnberg und seine Umgebungen, ferner Burg von der Nordseite, und Chi­ nesischer Pavillon im Platnersgarten, diese zwei Blätter farbig abg. bei: Ursula Pfistermeister und Maria Kreutz: Nürnberg zur Biedermeierzeit . . . 1839—1842, Nürnberg 1984, S. 22 (Burg von der Nordseite) und S. 20 (Platnersgarten als Geschenk zum 60. Geburtstag Platners).

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liehe Villenbesitzer diesen Burgblick nach oben beim Vestnertorgraben. Im Maschinenzeitalter erfährt dieser „Burgblick“ eine interessante, ganz neue Wertung. Die Villa Platner mit dem aufwendigen, pfeilerunterstützten Terras­ senbalkon diente übrigens in den Jahren von 1861 bis 1863 als karitatives Wai­ senhaus. Johann Friedrich Martin Geißler (1778 —1853, Nürnberg) zeigt auf einem Stahlstich des frühen Biedermeier von 1827 das ländliche Kaffeehaus (Tivoli) in Großreuth hinter der Veste (Abb. 21). Die im Norden Nürnbergs gelegene Einkehr war ein beliebter Aufenthaltsort für das ausflugsfreudige Nürnberger Publikum. Es ist der „Lutzgarten“, der bis in die jüngste Vergangenheit hinein noch gern aufgesucht wurde. Nach dem Stahlstich war die Burg mit Lugins­ land, Kaiserstallung, Fünfeckigem Turm und Sinwellturm vom Lutzgarten aus zu jener Zeit in genauer Sichtweite. Pappel und Pumpbrunnen markieren den Eingang zu der ländlichen Einkehr in Großreuth. Im Hofgelände des „Lutz­ gartens“ herrscht reger Gästebesuch. Vor dem ebenerdigen Fachwerkhaus mit mächtigem Dach sitzen, im Halbschatten der späten Nachmittagssonne, modisch gekleidete Damen und Herren in ungezwungener Unterhaltung an langen Tischen. Links im Bild scheint der stillebenhafte Gästetisch vor der Laube mit einer Steingutgetränkeflasche und Trinkgefäß eben verlassen. In der lauschigen Laube sitzt eine im Stil des Biedermeier gekleidete Dame mit breit­ krempigem Hut. Auch ein Hund hat im weiten Hofraum einen Platz gefunden, während ein zweiter ähnlicher Rasse neben der Dame in Rücken­ figur sitzt. Besonders augenfällig erscheint die elegant gekleidete Dame, die auf die Gäste am langen Tisch zugeht. Mitte des 19. Jahrhunderts bis nach 1920 trafen sich im Lutzgarten schon morgens die Honoratioren Nürnbergs, der „Großreuther Morgengesellschaft“28. Die hier publizierte Graphik stammt aus dem Archivbestand der Gesellschaft im Stadtarchiv Nürnberg. „Tivoli“ mag als Name an den beliebten Aufenthalt nordischer und romantischer Künstler nordöstlich Roms erinnern. Neben dem Lutzgarten boten auch die hochgele­ genen Zwingerlokale, wie der Schloßzwinger, 1835 Gelegenheit zu geselligem Aufenthalt. 28 Stadtarchiv, Nürnberg, Archiv der Morgengesellschaft, Nr. 10 — auch vorhanden im Kupfer­ stichkabinett des Germanischen Nationalmuseums, SP 8945, Kapsel 1059b „Großreuth“, 6,1 x 9,8 cm — Gerhard Hirschmann (Anm. 7), S. 10 mit Abb. - Vgl. dazu Nürnberger Nachrichten Nordost von 1. 3. 1979, S. 3 „In Großreuth wird aus Ackerland teurer Baugrund“ mit 5 Abb. (darunter Lutzsches Kaffeehaus 1827, Lutzgarten, letzte Besitzerin, Gesamtansicht Großreuth) von Christa-Sabine Schenk, und Nürnberger Nachrichten vom 5. 6. 1964, S. 14 „Alter Lutz­ garten ade“ mit 3 Abb. (Lutzgarten, Postkarte Großreuther Morgengesellschaft beim Rückweg zur Stadt, Gaststube nach Entwurf des Historienmalers Wilhelm Ritter von T(oni) V(ölkel) — Karl Fischer, 1954 (Anm. 8), Serie 4, vor den Mauern der Stadt, Abb. 5 (Aquarell von Georg Christoph Wilder 1848 „In Großreuth“ mit Pappel von Süden) — Brigitte Meyer: Alt-Nürnberger Gastlichkeit, München 1985 (neuere Abb. S. 164—166, Großreuther Straße Nr. 118) — Zum graphisch-technischen grundlegend: Heinrich Gürsching: Nürnberg und der Stahlstich, in: MVGN, Bd. 40, 1949.

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Dem Künstler J. F. M. Geißler gelang nicht nur das treffliche Beispiel dieser stadtnahen Ausflugsgaststätte mit dem Ausblick über Bauernland zur Burg — ihm war auch an der gleichzeitigen Erfassung des bürgerlich-gesellschaftlichen Lebens gelegen. Das 1848 entsandene Aquarell Georg Christoph Wilders zeigt das gleiche Kaffeehaus, nur als Gebäudeansicht von Süden her gesehen. Der als Illustrator tätige, international eingestellte Johann Friedrich Martin Geißler — bekannt als „Pariser“ Geißler — weilte von 1803 — 1814 in Paris. Er hatte auch anderwärts beliebte Ausflugsziele wie das Forsthaus in Frankfurt/M. (nach Radi) 1816 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv. Nr. SP 870, Kapsel 1086a) oder ein einschlägiges Motiv auf einem Würzburger Sammelbild um 1830 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv. Nr. St. Nbg. 2568, Kapsel 1015a) sowie ein Panorama von Karlsbad (Germanisches Nationalmu­ seum, Nürnberg, Inv. Nr. K 7263, Kapsel 1015a) als erinnerungsgraphische Blätter festgehalten. Geißler versteht es, das soziologische Moment der Kurz­ weil in seiner Motivwahl neben seinen topographisch genau nachvollziehbaren Landschaftsdarstellungen zu vereinen. König Max II. von Bayern (1848 — 1864), als ein Vertreter der Neuzeit und des frühen Maschinenzeitalters, begünstigte mit Repräsentationsbauten die Residenzstadt München. Ein großformatiges Gedächtnissammelbild des Jahres 1864 von Carl Grünwedel gibt von den neuangelegten Englischen Parkanlagen in München-Bogenhausen ein aufschlußreiches Zeugnis. Gleichzeitig entstand im Norden Nürnbergs der nach Max II. benannte Stadtpark am Maxfeld unfern der Bayreuther Straße. Das alte Schießhaus von St. Johannis wird 1856 als neues Haus nach dem Maxfeld verlegt. Auf der Graphik ist das neue umzäunte Schießhaus mit den Schießständen dahinter wiedergegeben. Ein dem Vergnügen huldigender Herrenreiter passiert im Galopp die Straße, während im Schatten eines großen Roßkastanienbaumes Frauen, noch ländlichen Genres verweilen. Die Laubbäume der Umgebung weisen auf den Parkcha­ rakter hin. Der Stahlstecher dieses Blattes Rudolph Carl Gottfried Geißler (1834 — 1906, Nürnberg)29 war Schüler der Kunstschulen in Nürnberg, Leipzig und Dresden und später als Zeichenlehrer tätig. Eine vermehrte Interessenahme am Vegetationsbild der örtlich bestimm­ baren Graphik ist für die Jahrhundertmitte allgemein bezeichnend. Unter einem anonymen Umrißstich um 1850 steht die geschichtsbetonte Unterschrift „Die alte Reichsburg“. Es ist das untere Mittelmotiv einer Rand­ bordüre des Nürnberger Stadtplanes um 1850 aus dem Verlag J. A. Stein. Als Unicum befindet sich der Plan in der Kartensammlung Stoer-Stier der Stadt­ bibliothek Nürnberg. Aus der Unterschrift dieser traditionellen, nordseitigen Burgansicht wird der Wechsel in der Firmierung der Bezeichnung „Reichs29 Schießhaus vgl. Gerhard Hirschmann (Anm. 7), Abb. 8 — Biographische Recherchen zu Rudolf Carl Gottfried Geißler (Stadtarchiv, Kurt Reichmacher).

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bürg“ außerordentlich deutlich. Von der „Veste“ als dem Ort bergenden Schutzes im Mittelalter — auch Hans Sachs spricht noch 1530 von „eyner königlichen festen“ — führt zur Wortfassung „Schloß“ in der Spätrenaissance und im Barock30 und schließlich vollzieht die Romantik den Wandel des Wortes zur „Burg“, hier gleich „Reichsburg“. Die sich wandelnde Wortbe­ zeichnung änderte aber im Laufe der Jahrhunderte nichts am Eindruck, den Künstler von der Nordseite der „Burg“ hatten. Es bleibt auch auf dieser Gra­ phik die Höhenlage der Burg erhalten, die durch die Andeutung des stadt­ nahen Umlandes besonders betont erscheint. Büsche, Bäume, eine Straße zum Eingang am Vestner Tor in die Stadt und Baumbestände im Gelände des Kühberges vor der Stadtmauer, machen die Lage topographisch nachvollziehbar. In den 1850er und 1860er Jahren dringt die Industrialisierung immer mehr vor und gewinnt auch im stadtnahen nördlichen Gebiet Nürnbergs, in den Gärten hinter der Veste, Raum. Ein Stahlstich von 1860 von Franz Flablitschek (1824 — 1867, Nürnberg) ermöglicht eine genaue Anschauung von der ersten Fabrikanlage im Nürnberger Norden. Der Künstler F. Hablitschek arbeitete im Sinne der Industriezeit graphisch u. a. auch für Österreichs Schiffahrtsun­ ternehmen in Triest. In der Nähe des Stadtgrabens beim Fröschturm haben die Kaufleute Georg Großberger und Hermann Kurz 1854 eine Bleistiftfabrik gegründet (Abb. 22). Die Fabrikanlage befand sich auf dem Gelände Haus Nr. 12 zwischen der Rollnersgasse und der seit 1856 so benannten Maxfeldstraße31. Bisher waren es die Gärten mit den Gartenhäusern, deren Bepflanzungen das nördliche, nahe Umland hinter der Veste prägten. Auf dem Stahlstich wird nun die ganz neue und fremd anmutende kommerzielle Nutzung durch die Fabrikanlage aufgezeichnet. Schmucklose Gebäude, rauchende Kamine und tätige Arbeiter im Werkhof geben ein deutliches Zeugnis für diese Zeit. Eine noch bestehende Naturbezüglichkeit deutet die Bepflanzung und der Spring­ brunnen im Vordergrund des Hofes an. Uber den Fabrikdächern erscheint unfern die hochgelegene Partie der Burg vom Fröschturm ganz links bis zu den

30 Fritz Zink: Nürnberger Stadtplanbilder des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Fränkische Lan­ desforschung, Bd. 41, 1981, S. 147 und Abb. 4 (Reichsburg), Größe des Details 4 x 14,3 cm — Der Ffans Sachs (1494—1376) „Lobspruch der Stadt Nürnberg“ vom 20. Februar 1530 im Wortlaut in: Bibliothek des litterarischen Vereins Stuttgart, hrsg. von Adelbert von Keller, Stuttgart 1870, Bd. 4, S. 191/192 (Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums, L 274, Bd. 105) — Der spätere Einblattdruck von 1552 von Hans Sachsens Lobspruch des Nürnberger Ver­ legers Paul Fabricius im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums, Ausstel­ lungskatalog „Der deutsche Holzschnitt 1420-1570“, Tübingen, Ravensburg 1959, S. 55, Nr. 89 und Holzschnitt-Fries, Abb. S. 3, hier Legende „Das Schloß“. 31 125 Jahre Schwan-Stabilo 1855-1980 (Jubiläumsschrift zum 125 jährigen Jubiläum), Abb. (S. 2) — Gerhard Hirschmann, 1975, (Anm. 7), S. 7 — Walter Lehnert: Bild der Stadt, in: IndustrieKultur in Nürnberg, München 1980, Abb. S. 11 oben — Für Schrifttum und Photo wird Frau Hannelore Ernstberger (Schwan-Stabilo, Werbung) gedankt.

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Westtrakten der Kaiserburg. Das berühmte Burgmotiv bleibt auch der beibe­ haltene attraktive Hintergrund in den Anfängen des Maschinenzeitalters. Topographisch läßt sich die ehemalige Bleistiftfabrik Großberger & Kurz auch heute noch unter der weltbekannten Firma Schwan-Stabilo am gleichen Platz auffinden. Schon 1865 übernahm Gustav Schwanhäusser (1849—1908) diese Bleistiftfabrik, die er sehr vergrößerte. Uber Generationen hinweg ist „Schwan-Stabilo“ bis heute ein wesentlich erweitertes Familienunternehmen geblieben. Die nachfolgende alte Photographie (Abb. 23) leistet nur einen indirekten spezifischen Beitrag für die Landschaft nördlich der Kaiserburg. Sie stellt ein nicht wiederbringliches Architekturdokument zeitgeschichtlichen Inhalts für den in Veränderung befindlichen Teil der nördlichen Stadtmauer dar. Ferdi­ nand Schmidt (1840—1909), der Nürnberger Photograph32, hielt diesen ganz entscheidenden Vorgang im Bild fest. So erfolgte in den Jahren 1869 —1877 der Abbruch eines Teiles der Stadtmauer und des exponiert emporragenden „Fröschturmes“ auf dem Burgsandsteinrücken. Es war die Tendenz des Fort­ schrittgedankens, materiellen und kommerziellen Gründen den Vorrang zu erteilen. Die Photographie dokumentiert die Öffnung des Nürnberger Nordens für den Verkehr, die Industrie und die Wohnbebauung im Maschinenzeitalter. Sehr deutlich lassen sich auf der Photographie die begon­ nenen Abbrucharbeiten am bereits zerstörten Mauerwerk erkennen. „Das Abbruchmaterial wurde sogleich an Ort und Stelle zur Auffüllung des Stadt­ grabens verwendet“ und eine große Zahl der beschäftigten Arbeiter posiert für ihre Tätigkeit. Die Stadt Nürnberg erwarb die alten Photonegative des Photo­ graphen Schmidt, so daß 1967 Wilhelm Kriegbaum, der frühere Leiter der Bildstelle des Hochbauamtes, eine Auswahl davon in verdienstvoller Weise zur Veröffentlichung bringen konnte. Professor Ludwig Kühn (1859—1936, Nürnberg) war Direktor der Kunst­ anstalt Nister und später freischaffender Künstler. Von ihm stammt die breitformatige, technisch vollendete Farblithographie33 von 1903, die Nürnberger 32 Photostelle und Denkmalsarchiv Hochbauamt Nürnberg, Signatur KS 58/VII — Wilhelm Kriegbaum/Wilhelm Schwemmer: Nürnberg. Historische Bilderfolge einer deutschen Stadt, Nürnberg (1951), Abb S. 112 rechts oben — Wilhelm Kriegbaum: Nürnberg dargeboten in alten Photographien des Photographen Ferdinand Schmidt 1860 — 1909, Nürnberg (1967), Abb. 69 — Am 6. April 1870 gegen Abbruchsarbeiten am Graben auch ein Artikel im Nürnberger „Fränkischen Kurier“ unter der Überschrift „Die Posaunen von Jericho“, vgl. Wilhelm Schwemmer: Die Stadtmauer von Nürnberg. Verluste und Erhaltung im 19. und 20. Jahrhun­ dert, in: MVGN, Bd. 56, 1969, S. 433/434 (umfassende Arbeit) - Walter Lehnert: Bild der Stadt, 1980 (Anm. 31), S. 15 (Abb.) - Jutta Tschoeke, in: Nürnberg 1865-1909, München 1987, Abb. 29 (Datierung 1877). 33 Germanisches Nationalmuseum, Kupferstichkabinett, L 5308, Kapsel 1052, Farblithographie aus der Nürnberger Kunstanstalt Nister, deren Direktor Kühn seit 1889 war, 1910 Professor, 1915 freier Maler (Mitteilung Dr. Helmut Häußler, Stadtarchiv Nürnberg) - farbig abg. bt

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Burg von Norden als Winterbild (Abb. 24). Er sieht die monumentale Burg in erhöhter Lage in ihrer gesamten Breitenerstreckung zu der parallel verlau­ fenden, menschenleeren Alleestraße am Graben. Im Licht des Vormittags geben die filigranhaften, winterstarren Alleebäume wundervolle Ausschnitte der Burg frei. Die Begrenzungssteine zur Straße hin trennen auf dem Bild in malerischer Weise den Promenadeweg an der Mauer von der Höhenstraße. Für viele Nürnberger Bürger dürfte diese Lithographie zugleich eine Rückerinne­ rung an den beliebten Sonntagsrundgang um den Stadtgraben gewesen sein. Die 26 cm hohe, aber 78,5 cm friesartig breite Farblithographie war hauptsäch­ lich als Zimmer- oder Korridorschmuck gedacht und bildete dort zu jener Zeit einen dekorativen Akzent zum Mobiliar. Ludwig Kühn wohnte lange Zeit in der Pirckheimerstraße 33. Die im Ver­ gleich zur Burg wesentlich tiefer gelegene Straße bestand unter diesem Namen erst seit 1875. Durch den damals noch freieren Blick zur Burg im ansteigenden Gelände hinauf zum Stadtgraben, blieb dem Künstler der Eindruck einer Höhenburg immer vor Augen. Ludwig Kühn vergegenwärtigte auf Nahsicht ein Bild, das den veränderten stadtnahen Landschaftscharakter nördlich der Kaiserburg in Nürnberg somit nach Ablauf von weiteren 40 Jahren wiedergibt. Fritz Traugott Schulz, Direktor der Städtischen Kunstsammlungen in Nürn­ berg, schreibt in der Leipziger Illustrierten Zeitung von 1907 über Ludwig Kühn, daß er „unter den damals lebenden Künstlern eine erste Stelle ein­ nimmt“. Als Resümee der bis in das Spätmittelalter zurückreichenden Landschafts­ dokumentation nördlich Nürnbergs, bleibt bei allen Künstlern die Einmalig­ keit des Blickes zur vielteiligen Burganlage auf der Höhe eines Sandsteinrükkens erhalten. Hans Sachs drückte das auch 1530 in seinem „Lobspruch auf Nürnberg“ mit folgenden Worten aus: „Gen eyner königlichen festen, Auf fels erbawet nach dem besten Mit thürmen auf felses wimmer Darin ein kayserliches Zimmer Dieses nördliche, stadtnahe Gebiet Nürnbergs war Bauernland. Ihm fehlten die romantischen Naturelemente wie Wald und Fluß, die für Künstler besonHerrmann Uhde-Bernays: „Nürnberg“, Berlin 1906, vor Titel (Stadtbibliothek, Nürnberg, Var 684.8°) — Fritz Traugott Schulz: Ludwig Kühn. Ein Nürnberger Künstler, in: (Leipziger) Illustrierte Zeitung, vom 10. Oktober 1907, S. I—V, mit Abbildungen von Bildnis und gedan­ kenschweren Landschaften, ferner: Das alte Schwedenhaus nördlich der Kaiserstallung — Ludwig Kühn stand konfessionell in Nürnberg dem Kommerzienrat Ludwig Gerngros, den er auch porträtierte, nahe, und war auch Generationsgenosse des Berliner Malers Lesser Ury (1863 — 1931), vgl. Joachim Seyppel, Lesser Ury, Berlin 1987 — Nürnberg „Rundgang um die Stadtmauer“ (Kriegbaum) — Lithographie: Farben: Himmel licht-ockergelb, Burg blaugrau.

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ders reizvoll erscheinen. Hier im Norden Nürnbergs animierte sie nicht das flache, teilweise nur leicht wellige Land zur Wiedergabe — es war der überra­ schende Blick zur Nürnberger Burg, als dem traditionellen Juwel der Zeiten, das bis dahin nie den Glanz verlor. Im Schrifttum findet der nördliche Bezirk Nürnbergs erst seit den 1920er Jahren Erwähnung. So berichtet der Nürnberger Redakteur Georg Gärtner 1926 im 3. Band seines Buches „Rund um Nürnberg. Streifzüge im Nürn­ berger Burgfrieden“34 von diesem Nordbezirk um die Bücher Straße mit per­ sönlichen Beobachtungen. Julius Kelber (1879 Kulmbach — 1944 Nürnberg), seit 1916 langjähriger Pfarrer an der 1890 erbauten alten Matthäuskirche an der Rollnerstraße, schrieb 1929 sein ahnungsvolles Buch „Ein sterbendes Dorf? Streifzüge durch die Ortsgeschichte von Großreuth hinter der Veste“35. Er gibt darin einen Rückblick auf den Rückgang der ländlichen Bevölkerung seit den 1870er Jahren und zitiert die Ausflugsgaststätte „Lutzgarten“ von 1827 mit den damals noch vorhandenen bäuerlichen Walmdachhäusern, den sogen. Schwe­ denhäusern. Für den Verkehr von und nach Großreuth hinter der Veste war der Bau der neuen Bayreuther Straße, wie sie der Zeichner Carl Friedrich Schleßing 1836 festhielt, von Bedeutung. Pfarrer Julius Kelber nahm den seit Ende 1928 in Anlage befindlichen alten Nürnberger Flugplatz nördlich des Lutzgartens zum Anlaß des mahnenden Wortes. Die alte neugotische Back­ steinkirche stand damals noch, wie ich mich selbst erinnere, unfern von Getrei­ defeldern und Schrebergärten im ländlichen Ambiente. 1975 veröffentlichte Dr. Gerhard Hirschmann, von 1970—1983 Leiter des Stadtarchivs Nürnberg, eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der „Nordvorstadt“ seit dem 17. Jahrhundert und ihres 1905 gegründeten „Vor­ stadtvereins Nürnberg-Nord“ bis in die Gegenwart36. Als Entdecker Nürnberger Landschaftsmotive steht Albrecht Dürer an erster Stelle, dem die imposante Nordansicht der Burg schon 1497/98 der 34 Georg Gärtner, 1926 (Anm. 4), Abb. S. 225, Hallerwiese nach F. A. Annert, Abb. S. 303 (Delsenbach: Vor Tiergärtner Tor), S. 305 — 306 Bücher Straße — Eine letzte Publikation: Jürgen Walter: Die Nordstadt, in: Nürnberg zu Fuß, Hamburg 1988, S. 101 — 106. 35 Julius Kelber, Sterbendes Dorf, Nürnberg 1929 (Bibliothek des Germanischen Nationalmu­ seums, G 5355ca), hier Taf. 4 (Schwedenhaus) und drittletzte Abb. (Lutzgarten, 1827, dieser auch abg. bei G. Hirschmann, 1975 [Anm. 7], S. 10, Falttafel vor Titel Großreuth h.d.V., Gesamtansicht von Süden), Reprint Nürnberg 1986, Verlag Korn & Berg. — Zur Kirchenge­ meinde St. Matthäus vgl. 50 Jahre Nürnberg-St. Matthäus (1916—1966). Festschrift zum 50 jäh­ rigen Bestehen (H. Kreßel), Nürnberg 1966, Abb. S. 3 (Alte Matthäuskirche 1890-1945), S. 6 Porträt Julius Kelber (1916—1934), Umschlag Titelabb. (Neue Matthäuskirche) - Zu den Schwedenhäusern vgl. Rudolf Helm: Das Bauernhaus im Gebiet der freien Reichsstadt Nürn­ berg, Berlin 1940, S. 108-112. 36 Vgl. Anm. 7 (Hirschmann), Abb. S. 17 und 18 (Bücher Straße, Knoblauchsland), fortgesetzt in: Festschrift 75 Jahre Vorstadtverein Nürnberg-Nord e.V. 1905-1980, S. 9-22.

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künstlerischen Aufnahme wert war. Aus der Ebene des Nürnberger Nordens wird einmalig eine Landschaft in Stadtnahe präsentiert, deren Altstadtbereich selbst hinter dem zusammenhängenden Baukomplex der dominierenden Höhenburg verborgen bleibt. Allein die Ebene in der Landschaft bevorzugten norddeutsche und niederländische Maler um 1600 und im 17. Jahrhundert37. Dagegen fand das repräsentative Ensemble der Burg in der theatralisch bewegten Barockkunst von einem erhöhten imaginären Standplatz aus seine Aufnahme. Die selbstgültige Landschaft in Höhe des Betrachters brachte der Realismus um 1800 mit Johann Adam Klein. Im Maschinenzeitalter der Mitte des 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts werden noch einige interessante Industriemotive mit Burgblick akzentuiert. Der Name „Burg­ blick“ wird in dem 1988 neueröffneten Cafe, Bücher Straße 3, aufgegriffen38. Infolge der dichten Wohn- und Industriebebauung vornehmlich der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind die alten Standorte im nördlichen Nürn­ berger Umland mit dem Fernblick zur Burg nicht mehr zu ermitteln. Nur nördlich von Kleinreuth an der Lohestraße, nahe der Sonnengartenstraße, ist in Fernsicht die Silhouette der Burg über der Dachzone der Nordstadt mit Mühe zu erkennen. Im Nahblick bietet sich die Burg als Ausschnitt von der Bücher Straße 3 und am Vestnertorgraben 13, der gesamte Burgkomplex bei den Baumbeständen am Kühberg. Der komplexe Blick zur Nürnberger Burg aus der Landschaft von Norden ist als einzigartiges Beispiel der Vergangenheit festgehalten. Ob bei einer realistischen, beschaulichen oder industriellen Motivwahl, nie verlor der Künstler den außergewöhnlichen Burgblick aus den Augen. Das immerwährend gleiche Burgmotiv gereichte zu einer Vielfalt in der Aufnahme dieser Landschaft, wobei sich ein Vergleich nicht benennen läßt. Photos: Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.

1: Nürnberg, Staatsarchiv 6 u. 9: Nürnberg Stadtgeschichtliche Museen 7: Nürnberg, Matthias Mende 22: Nürnberg, Schwan-Stabilo 23: Nürnberg, Bildstelle des Hochbauamts

Alle anderen Photos: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum (Hansjürgen Musolß Irene Patermann). 37 Bartholomäus Wittig (um 1613 Breslau, seit 1642 in Nürnberg, gest. 1684 Nürnberg): „Ährenausraufen am Sabbat“ (Johannisfelder), Friedenskirche St. Johannis, Brautsaal, abg. bei: Max Herold: Die Johanniskirche in Nürnberg, Erlangen 1917, Taf. 8. 38 Zur neueröffneten Gastronomie „Cafe Burgblick“, Bücher Str. 3, in: Marktspiegel vom 13. 10. 1988, S. 9.

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Abb. 1:

Abgabenbuch des Burggrafentums Nürnberg mit „Gärten hinter der Veste“. Wachstafelbuch, um 1425. Nürnberg, Staatsarchiv.

Abb. 2: Albrecht Dürer. Das Meerwunder mit der Nürnberger Veste von Nordwesten. Kupferstich, um 1497/98. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

Abb. 2a:

Abb. 3:

Albrecht Dürer. Die Nürnberger Veste von Nordwesten, seitenverkehrte Detailreproduktion aus dem „Meerwunder“.

Sebald Beham. Belagerung der Hauptstadt Rabbath durch König David mit der Nürnberger Veste im Hintergrund in dreifacher Abfolge. Federzeichnung, 1531. Paris, Graphische Sammlung des Louvre.

Abb. 4:

Fränkischer Zeichner. Nürnberger Veste mit Gärten von Nordosten. Aquarell, um 1536. Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen.

Abb. 5:

Georg Christoph Eimmart d. J. „Prospekt der Vesten an der Seiten gegen Mitternacht“. Radierung, um 1680. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

Abb. 6: Johann Adam Delsenbach. „Prospekt der Stadt Nürnberg und dem Schloß . . . von der Schantz an der Bücher Strassen . . .“ Federzeichnung, um 1725. Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen.

Abb. 7:

Stammbuchminiatur um 1744. Schlittenfahrt durchs Knoblauchsland. London, The British Library, Egerton Ms 1467, fol. 105.

Abb. 9: Johann Adam Klein. Nürnberg von Norden. Aquarell, 1810. Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen.

Abb. 8: Johann Ludwig Stahl. „Spazierplatz vor dem Lauffer Thor in Nürnberg . . .“ Kupferstich, um 1785. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

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Abb. 10: Johann Adam Klein. Reiterzug der Altdorfer Studenten nach Erlangen an der Bücher Straße. Braun lavierte Federzeichnung, 1822. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

Abb. 11:

Abb. 12:

Georg Christoph Wilder. „Zwischen dem Läufer und dem Vestner Tor vor Nürnberg“. Radierung, 1819. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

Georg Christoph Wilder. Das ehemals Zahn’sche Anwesen Kleinreuther Weg/Bucher Straße in Nürnberg. Aquarell, um 1850. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

Abb. 13: Johann Christoph Jakob Wilder. Die Veste von Norden. Radierung, nach 1810. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

Abb. 14: Johann Jakob Kirchner. Die Burg von der Mitternacht-Seite. Radierung, um 1820/30. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

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Abb. 16:

Ludwig Richter. „Heimkehr“ in Schillers Lied von der Glocke mit der Nürnberger Burg von Nordosten. Holzstich, 1857. Göttingen, Universitätsbibliothek.

Abb. 17:

Ludwig Richter. „Der schmelzende Koch“ mit der Nürnberger Burg von Nordwesten nach Prosa von Robert Reinick. Holzstich, 1873. Würzburg, Universitätsbibliothek.

an der Slaeltxnauer hinter der Vesten

Abb. 15: Johann Jakob Kirchner. „An der Stadtmauer hinter der Vesten“. Radierung, 1828. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

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Abb. 18:

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Carl Friedrich Schleßing. Bau der Bayreuther Straße in Nürnberg. Bleistiftskizze, 1836. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

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Abb. 19: Wandkalenderfries fürs Jahr 1825: Nürnberg, Plattners Gut und Anlage sowie Kühberg. Lithographie. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Signatur Neunhof 155.

Abb. 20: Wandkalenderfries für das Jahr 1859: Nürnberg, die Burg gegen Norden vom Plattners Garten. Lithographie. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

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'4W A'\af-fc«6au!? (diuoti.) ut (f>vofercutß Vo. im 2jft§re 1827 . Abb. 21: Johann Friedrich Martin Geißler. Cafehaus Lutzgarten in Großreuth hinter der Veste. Stahlstich, 1827. Nürnberg, Stadtarchiv.

Abb. 22:

Franz Hablitschek. Bleistiftfabrik „Großberger und Kurz“. Stahlstich, 1860. Nürnberg, Bleistiftfabrik Schwan-Stabilo.

Abb. 23:

Ferdinand Schmidt. Abbruch der Stadtmauer am Maxtor mit dem Fröschturm. Photo 1869/71 (1877). Nürnberg, Bildstelle und Denkmalsarchiv des Hochbauamts.

Abb 24:

Ludwig Kühn. Die Burg von Norden im Winter am Vestnertorgraben. Farblithographie, 1903. Nürnberg, Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums.

EIN RATSVERLÄSSE-FRAGMENT VON 1443

Beobachtungen zur Landwehr und zu den Auslaufregistern des Inneren Rats der Reichsstadt Nürnberg Von Klaus Frhrn von Andrian-Werburg Seit Ernst Mummenhoff 1910 annehmen mußte, daß in Nürnberg zuerst 1449 ein Ratsmanuale1 überliefert sei2 und für den Verlust von vermuteten älteren eine wenig sichere Begründung gab3, ließen das die Hüter der reichsstädtischen Überlieferung fortan auf sich beruhen. So konnte 73 Jahre später ein — inzwi­ schen wieder steckengebliebenes — Editionsvorhaben in Angriff genommen werden4, das die Ratsmanualen in den überkommenen geschichtlichen Zusam­ menhang stellt, und bei dem man es wieder dabei bewenden ließ, als zentrale Parallel-Überlieferung aus der Kanzlei des Inneren Rats nur die Ratsbücher anzusehen5. Das verstellte für eine revidierte Betrachtung dieser Überlieferung den Blick. Inzwischen fand sich an einer Stelle, an der man es nicht suchen, sondern (zum Beispiel bei archivischen Erschließungsarbeiten) nur finden konnte6, das im Anhang wiedergegebene Fragment, das seine Identität mit der Überliefe­ rungsart der Ratsverlässe auf den ersten Blick offenlegte. Es stammt den darin enthaltenen Tagesdatierungen nach aus der vorletzten Frage (d. i. Bürgermei­ ster-Periode) eines nicht genannten Kalenderjahres, umfaßt ohne den Anfang deren wohl kleineren Teil (auf den Umfang läßt sich von den späteren Manu­ alen aus nur hypothetisch schließen), befindet sich im nicht-gebundenen

1 Der Terminus technicus „Manuale“ bezeichnet die Gesamtheit der Aufzeichnungen einer Behörde/Institution, die für eine bestimmte Verwaltungssparte in einem bestimmten Zeitraum (z. B. Geschäftsjahr) in einem Band/Heft zusammengefaßt und so aufbewahrt wurde; ein Rats­ verlaß (um diese Überlieferungsart geht es im folgenden) ist eine Einzelaufzeichnung, die wie jede vergleichbare protokollarisch an andere angefügt sein kann, aber nicht muß. Die Begriffe sind also keineswegs identisch und Sache antiquierter oder moderner Formulierung, wie das Irene Stahl (vgl. u. Anm. 4 S. III Satz 1) mißverstanden hat, sondern ergänzen einander. 2 Ernst Mummenhoff, Die Nürnberger Ratsbücher und Ratsmanuale, in: Archival. Zschr. NF Bd 17 (1910) S. 1-124, bes. S. 35 ff. 3 A. a. O. S. 36 f., nämlich bewußte Kassation wegen Unerheblichkeit, eine im Flinblick auf die folgenden Ausführungen wenig wahrscheinliche Erklärung. 4 Irene Stahl (Bearb.), Die Nürnberger Ratsverlässe, Heft 1, 1449—1450, Neustadt/Aisch 1983 (Sehr. d. Zentralinst. f. fränk. Landeskunde u. allg. Regionalforschung a. d. Univ. ErlangenNürnberg, Bd 23). 5 A. a. O. S. IX f. in Nachfolge Mummenhoffs. 6 Staatsarchiv Nürnberg (StAN, Reichsstadt Nürnberg (Rst. N) Ratsverlässe Nr. 0.1, aus: A-Laden Akten S. I L. 103 Nr. 2, einem schmalen Aktenheft von nunmehr noch 9 Blättern; Inhalt: Mängel im Nürnberger Franziskanerkloster, Ende 15./Anf. 16. Jh.

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Klaus Frhr. von Andrian-Werburg

Zustand der Ratssitzungs-Unterlagen und erlaubt somit zusätzlich einen Blick in die Kanzleitechnik7. Die Zuschreibung des Fragments in ein bestimmtes Jahr ergibt sich aus den darin enthaltenen Verlässen 4, 7 und 8, die alle die Fehde zwischen Nürnberg und den Herren v. Waldenfels in Lichtenberg und Wartenfels betreffen, und zwar deren Anfang. Da die Fehde den Höhepunkt und das Ende, soweit es militärischer Natur war, im ersten Halbjahr 1444 hatte8, ergibt sich das Jahres­ ende 1443 für die zeitliche Einordnung des Fragments. Damit stimmt auch die Schreiberhand überein. Sie schreibt eine leicht les­ bare Kanzleikursive, deren Eigenart das (wenn auch nicht durchwegs ange­ wandte) Ausziehen der Unterlängen nach rechts (was beim Minuskel-g häufig zu einer, der Ziffer 8 ähnlichen Verschlingung der Schleife führt) und die Ver­ dickung der Schäfte von f und langem s ist. Die Hand läßt sich personifizieren, sie gehört dem Magister Johannes Marquardt und ist aus dessen von 1435 bis 1438 geschriebenen Notariatsinstrumenten identifiziert. Marquardt war vom 3. Februar 1441 (Bestallung) bis Oktober 1446 Ratsschreiber9; seine Hand läßt sich in den reichsstädtischen Auslaufregistern vom 31. März 144110 bis zum 19. September 144611, im zeitgenössischen Ratsbuch vom 26. April 1441 bis zum 6. Oktober 144612 verfolgen. Helfen die Nachrichten zur Waldenfelser Fehde zur Gewißheit der Datie­ rung des Fragments, so enthält dieses seinerseits eine Nachricht, die eine spe7 Das Fragment besteht aus 2 zusammenhängenden Blättern Papier, die ohne Abtrennung zu Schmalfolioformat gefaltet und von der offenen Außenseite her beschrieben wurden. Beschriftet ist nur eine Seite, nach fol. 2 hätte das Blatt aufgeschnitten werden müssen. Wenig­ stens eine gleichartige Lage ging dem Fragment voraus; von der unmittelbar angrenzenden künden Tintenabdrücke in und an den Eintragungen 3, 4 und 8 sowie zwischen 5 und 6. 8 Otto Frhr v. Waldenfels, Die Freiherren von Waldenfels I (1952) S. 153 — 158. 9 Manfred J. Schmied, Die Ratsschreiber der Reichsstadt Nürnberg (1979) S. 211 (Sehr.Reihe d. Stadtarchivs Nürnberg Bd 28). 10 StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 14 fol. 337. 11 Ebd. Nr. 18 fol. 49. 12 Ebd. Ratsbuch Nr. lb fol. 1 — 173’. Das letzte Auftreten der Hand berichtigt die Angabe bei Schmied, daß Marquards Bedienstung 1445 geendet habe, was indessen aus der Verpflichtung des Ratsschreibers Bartholomäus Neithart am 4. 3. 1445 (StAN, Rst. N Amts- u. Standbuch Nr. 269 fol. 135’ f.) auch ohne Schriftvergleich nicht geschlossen werden kann. Es fungierten, wie beispielsweise die zeitweilig gleichzeitige Bedienstung Neitharts, Ulrich Truchseß’ (Schmied S. 230) und des Niclas von Weyl (Schmied S. 235) unter der gleichen Dienstbezeich­ nung 1447 zeigt (StAN, Rst. N Amts- u. Standbuch Nr. 269 fol. 137’), immer wenigstens zwei, wenn nicht drei Personen an der Spitze der reichsstädt. Kanzlei. Dies war notwendig, weil diese geschäfts- und i. d. Regel rechtskundigen Beamten häufig in diplomat. Missionen verwendet wurden, einer von ihnen aber immer anwesend zu sein hatte. Die neuerliche Anstellung Neit­ harts jedenfalls ist nicht mit Blick auf das Dienstverhältnis Marquards, sondern auf das zeit­ weilig erwartete Ausscheiden Truchseß’ zu sehen, der viell. schon zu dieser Zeit wegen eines Wechsels in das bambergische Vitztumamt in Kärnten, der 1446 auch aktenkundig wurde (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 18 fol. 99 f.) verhandelte; der Wechsel kam übrigens nicht zustande.

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Ein Ratsverlässe-Fragment von 1443

zielle Frage der Stadtgeschichte in einen weitläufigeren Zusammenhang stellt. Bei dem Eintrag Nr. 3 handelt es sich um die bislang früheste Quelle zum äußeren Verteidigungsring der Reichsstadt, ihrer Landwehr. Die Nachricht ändert zwar nichts daran, daß nach gesicherter Erkenntnis13 der unter dem Begriff bekannte Befestigungs- und Sicherungsring im Frühjahr 1449 — wohl in aller Eile — tatsächlich entstand, scheint aber die frühesten Absichten auf die Anlage wiederzugeben. Sie ist somit ursächlich nicht erst auf den Ersten Mark­ grafenkrieg zurückzuführen, sondern wurde angesichts sich häufender Bedro­ hung durch Fehdehandlungen schon Jahre zuvor erwogen. Bei der Untersuchung des Fragments drängte sich unter Einbeziehung der edierten Ratsverlässe von 1449/50 überdies die Frage auf, ob es bei der bishe­ rigen Beurteilung der reichsstädtischen Überlieferung in Bezug auf die Rats­ verlässe nicht zu einigen Mißverständnissen kam. Sie wurden noch jüngst14 als die Überlieferung bezeichnet, die „ein genaueres Bild reichsstädtischer Politik, Verwaltung und Justiz als jede andere Quelle (zeichnet)“ und „in engem Zusammenhang“ [allein] mit den Ratsbüchern stehe15. In dieser Verallgemeine­ rung stimmt das sicher nicht, wie der folgende Vergleich zeigt. Das Fragment von 1443 hat 10 Eintragungen. Das Ratsbuch vom gleichen Jahr enthält nur zu seiner Nr. 6 eine Notiz16, zu allen anderen nichts. Ganz anders wird das Bild aber, wenn man das gleichzeitige Auslaufregister dane­ benstellt: Es enthält zu 6 (7) Fragment-Eintragungen (Nrn 2, 3, 5, 7, (8), 9, 10)17 den Briefauslauf, der ja die Folge des vorangegangenen Geschäftsablaufs darstellt. Bei dem fragmentarischen Charakter der Verlässe von 1443 wäre es problematisch, den Vergleich weiterzuführen. Doch zwingen die edierten Ver­ lässe von 14494 zu dieser Zurückhaltung nicht. Das Ergebnis — beschränkt auf die drei Fragen vor der Unterbrechung des Ratsbuches — ist erstaunlich. In der 13. Folge des Geschäftsjahres 1448/49, die den Zeitraum vom 26. Februar bis zum 16. April 1449 umfaßte, entstanden 378 Ratsverlässe18, denen im Ratsbuch lediglich drei Einträge gegenüberstehen19, von denen nur zwei eine Entspre­ chung in den Verlässen haben; im Auslaufregister (Ratsbriefbuch) dagegen entsprechen von insgesamt 85 Einträgen aus der 13. Frage20 70 Ausläufe den

13 Max Bach, Die Mauern Nürnbergs, Geschichte der Befestigung der Reichsstadt (MVGN Bd 5, 1884, S. 71); E. Mummenhoff, Die Kettenstöcke und andere Sicherheitsmaßnahmen im alten Nürnberg (ebd. Bd 13, 1899, S. 32); Paul Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs ... von 1431-1440, Bd I, 1902, S. 137 f.; Stahl a. a. O. S. 10 zum 14. 1. 1449. 14 Stahl a. a. O. S. VIII. 15 Ebd. S. IX. 16 StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 111. 17 Ebd. Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 153, 161, 168, 176, 181. 18 Stahl a. a. O. S. 43-74. 19 StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 210. 20 Ebd. Ratsbriefbuch Nr. 19 fol. 309’—347.

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gleichzeitigen Verlässen, einer bezieht sich auf einen Verlaß aus der 12. Frage. Im Blick auf das Ratsbuch nicht anders, auf die Ratsverlässe aber noch bemer­ kenswerter ist das Eintragungsverhältnis in der folgenden 1. Frage des Geschäftsjahres 1449/50 (16. April bis 14. Mai 1449)21. Von 435 Ratsverlässen entspricht einer dem einzigen (!) Eintrag im Ratsbuch, während von den 104 Eintragungen im Auslaufregister 26 eine Entsprechung in den Verlässen haben. Die Führung der Ratsbücher setzt dann mit der nicht ganz verständlichen (denn es steht ja vorher schon nichts drin) Begründung, daß dies „. . . menigveltiger geschefte wegen . . .“ unabdingbar sei22, für mehr als ein Jahr aus — nicht so hingegen das Auslaufregister, das für das Geschäftsjahr 1449/50 sogar umfangreicher ist als alle anderen23. Der Vergleich wird nur für die 2. Frage fortgeführt, diejenige also, in der das Ratsbuch erstmals ganz fehlt. Das Rats­ manuale verzeichnet in der Periode vom 14. Mai bis zum 11. Juni 1449 317 Einträge (Verlässe)24, das Briefbuch 8625, von denen 36 mit den Verlässen kor­ respondieren, die übrigen 50 aber in den Verlässen keine Entsprechung finden oder wenigstens zu finden scheinen. Denn aufgrund von deren oft genug nur kargen Formulierung sind sie häufig weder zum Vergleich noch zu sinnvoller Auswertung geeignet (ein krasses Beispiel: Ratsverlaß Stahl S. 111 Nr. 10 „Item den Behemen antwurten und danken“, dagegen Briefbuch 20 fol. 31’ „Twochen von Nedwiedlaw vnd Casparn von Tettaw" wird ein wörtlich wie­ dergegebener Brief übersandt). Es ist somit konkret zu fragen, wie weit die Aussage über den Wert der Ratsverlässe als genaueste Quelle für Nürnberger Geschichte für die Mitte des 15. Jahrhunderts berechtigt ist oder nicht. Richtig ist sie gegenüber dem Rats­ buch, das in seinem Uberlieferungswert mit den Verlässen nicht im mindesten vergleichbar ist, und berechtigt ist sie mit Blick auf die Briefbücher insoweit, als es sich um rein innerstädtische Angelegenheiten (vor allem: Justiz) handelt. Nur eingeschränkt kann der Beurteilung für die städtische Verwaltung zuge­ stimmt werden, in keiner Weise werden die Ratsverlässe aber der (außenpoli­ tischen Bedeutung gerecht, die man in sie hineingelesen hat, weil die für diesen Bereich unverzichtbare Überlieferung der Auslaufregister oder Ratsbrief­ bücher außer acht gelassen wurde. Wenn im betrachteten Zeitraum vom 26. Februar bis zum 11. Juni 1449 ca. 142 Registereintragungen keinen oder

21 Stahl a. a. O. S. 75 —107; StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 210’—211, Ratsbriefbuch Nr. 20 fol. 1—24’. 22 StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 211; dazu Mummenhoff, Ratsbücher S. 28, Stahl a. a. O. S. X. 23 StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 20. 24 Stahl a. a. O. S. 108-134. 25 StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 20 fol. 25 — 54’.

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Ein Ratsverlässe-Fragment von 1443

keinen erkennbaren Spuren in den Ratsverlässen entsprechen26, dann kann deren Überlieferungswert nicht so einmalig sein wie vorgegeben wurde. Das 15. Jahrhundert ist wie in anderen Bereichen (die technischen Erfin­ dungen etwa) auch auf dem Gebiet von Regieren und Verwalten eine Umbruchszeit, in der überkommene Gebräuche zurücktreten oder ganz ver­ schwinden, um Neuem Raum zu geben, das veränderten Bedürfnissen mehr entsprach. So ist es auch in dem hier betrachteten Fall. Bis zum Ende des Jahr­ hunderts werden die Verhältnisse anders, im modernen Sinn bürokratischer, und es mag dann jene Auffassung von den Ratsverlässen dem Sachstand eher entsprechen, der für ihre Anfänge unzeitgemäß vorweggenommen wurde. Das aber bedarf von Fall zu Fall — und das gilt namentlich für eine spätere Fort­ setzung des Editionsvorhabens — der diffizilen Untersuchung. 26 So in allen Fällen, in welchen den lapidaren Verlässen „Muffel“ (Stahl a. a. O. S. 63 Nr. 2), „Item Muffeln schreiben“ (ebd. S. 84 Nr. 12, S. 86 Nr. 12) im Ratsbriefbuch umfangreiche Aus­ läufe gegenüberstehen, ohne deren Existenz die betr. Verlässe unverständlich blieben. Tatsäch­ lich verbergen sich hinter den Gedächtnisprotokoll-Notizen „Muffel“ (zu der Zeit Prokurator der Reichsstadt am Kaiserhof) u. ä. gut 70% des Verkehrs der Reichsstadt mit dem Kaiser und den Reichsbehörden (Reichshofkanzlei, kaiserl. Hofrat, Reichshof- bzw. königl. Kammer­ gericht, usw.) oder anderen Institutionen (etwa zum Schwäb. Bund); den Rest besorgten um diese Zeit Heimburg und Leubing oder ad hoc-Gesandte wie eben der Ratsschreiber Mar­ quardt, von dem es (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 130) dazu einen Registereintrag gibt, der auch in die Art der Führung dieser Amtsbuchgruppe einen aufschlußreichen Einblick erlaubt.

Anhang Ratsverlässe-Fragment

[fol. 1] 1443 November 13 aa Item den Schuctzen von Newburg1 ist verkündet, sich in 14b tagen [zu] verantwurten. Actum 4C post Leonhardi. Vnd similiter dem Schergen Fleißhacker2.

1

1 aBuchstabe a mangels Vergleichsmöglichkeit ungedeutet — bröm. Ziffern — cröm. Ziffern (viermal 1) ohne Endung, zu ergänzen ist „feria“ (quarta). - ^ezug nicht identifiziert — 2nicht in StAN, Rst. N Ämterbüchlein; in den Jahrgängen 1443 und 1444 unter den Stadtknechten ein Heinz Fleischmann.

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1443 ... Als Endres Nestler1 bei Bleifeit2 berawbt ist wordden, nachgeen. P. Grunther3, E. Schurstab4.

2

1443 ... Mitt beiden amptleutten1 vnd Lynhart Mendel2 reden3 vnd ettlichen vorstern reden, von lantwern oder ander befestigung vmb die statt zu machen. Vnd nachforschen, wer mitt Egloffsteiner3 bei der nome zu Vispach4 gewest sei. Jorgb Haller5, E. Schurstab6.

3

1443 ... In acht haben die achtbrief, die3 Hannes Imhoff1 widder hern Hansen vnd Frictzenb von Waldenfelß2 hat.

4

1443 ... Ob der reichstet potschafft herkeme in der von Bern1 vnd ir puntgnossen, brieff furhaltten, inmassen man den von Bern sollichs zugeschrieben hat3.

5

2 ‘Gen. 1430 (StAN, Rst. N Amts- u. Standbuch Nr. 284, Grabenbuch fol. 121) u. 1443 in der Vorstadt vor dem Frauentor (ebd. Nr. 110, Salzbüchlein fol. 75) — 2der Überfall geschah zwi­ schen Pleinfeld u. Weißenburg (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 161 zu 1443 XI 21) — 3Paul Grundherr (vgl. Chr. Frhr v. Imhoff, Hg., Berühmte Nürnberger aus 9 Jahrhunderten, 1984, S. 37) — 4Erhard Schürstab d. J. (Imhoff a. a. O. S. 41). 3 aTilgung von „reden“ durch Horizontalstrich — bschräg oberhalb hinter dem g Tintenabdruck von der fehlenden Vorgänger-Lage Gemeint sind wohl die Unterforstmeister der beiden Reichswälder — 2Amtmann des Sebalder Waldes (Sander a. a. O. S. 267) — 3Jorg v. Egloffstein zu Henfenfeld, der den Überfall befehligt hatte (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 153, 181) - 4Nürnberg-Fischbach — 5d. J. zu Gräfenberg (Biedermann, Nürnberger Patriziat T. 103 A), 1443 VI19 jüng. Bürgermeister (StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 105; ebd. Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 81) - 6s. o. 2.4. 4 »Das folgende „man“ durch Horizontalstrich getilgt, Einschubzeichen für übergeschrieben „Hannes Imhoff“ — bschräg über dem Wortende Tintenabdruck wie oben 3.b. — ‘Landschreiber d. Kaiserl. Landgerichts Burggraftum N, der gegen die Folgenden 1439 einen Acht­ brief erlangt hatte (StAN, Fürstentum Ansbach Kaiserl. LG Nr. 273 fol. 25) — 2die Personalien der Brüder bei Waldenfels a. a. O. S. 135 — 152 u. 159—162. 5 aUnter dem Eintrag Tintenspuren von einer vorhergehenden, verlorenen Lage. — ‘Es geht um ein hinhaltend beantwortetes Hilfeersuchen der eidgen. Orte Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug u. Glarus (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 168).

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Ein Ratsverlässe-Fragment von 1443

1443 ... Zu beschreiben, die zu Jobsen Kappfers1 prunnen [gejhoren, vnd für rate besenden. B. Pfintzing2, Bertolt3 Nuczel3.

6

1443 ... In acht haben den tag zu Beyerrewt1 von der Waldefelser wegen, auff montag post Lucie virginis2.

7

1443 ... aa In acht haben, als Jorg Gutenberger1 von Waldenfelsers wegen geworben hat an vnsern dienstb, alz herr Niclaß2 woll weiß.

8

[fol. 1*] 1443

...

9

In acht haben, als der graff von Truhen­ dingen1 vns geschrieben hat. 1443

...

10

Item man hat Jorgen von Eglostein1 geleit geben hie zwischen vnd nativitatis Christi, vnd er soll dem rate ein antwort3 tun hic in loco dominica ante nativitatis Christi2.

6 aDer übergeschriebene Buchstabe a nicht gedeutet. — 1 Kanzleischreiber in Nürnberg (Schmied a. a. O. S. 3 Anm. 13 u. ö.); zum Vorgang vgl. StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 111 - Ber­ told Pf., 1443 IX 11 amtierender alter Bürgermeister (StAN, Rst. N Ratsbuch Nr. lb fol. 113, Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 126) — 3Ratsgeselle 1443 XI 1 (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 118; dort weitere Nennungen), f 1449 als Zinsmeister (Sander a. a. O. S. 53). 7 !Es handelt sich um einen Gütetermin in der Waldenfelser Fehde (s. o. Text), der tatsächlich wohl in Kulmbach stattfand (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 176) — 2Dezember 16. 8 aS. o. l.a — bam linken Rand Tintenspuren von einer vorhergehenden, verlorenen Lage. — !D. Ä., f 1465, oder d. J., t 1474, zu Guttenberg; die nähere Identität auch mit J. Bischoff, Ge­ nealogie der Freiherren von Guttenberg (Veröff. d. Ges. f. fränk. Gesch. Reihe IX Bd 27, 1971, S. 150 Ziff. 210 u. 586) nicht zu lösen - 2Niclas Muffel; Personalien bei Imhoff a. a. O. S. 39 ff.; vgl. Text-Anm. 26. 9 Schriftwechsel m. Heinrich Gfen zu Truhendingen in der Waldenfelser Sache, Auslauf 1443 XI 22 (StAN, Rst. N Ratsbriefbuch Nr. 16 fol. 161). Die Identität des Grafen ist ungeklärt; bei Sebastian Englert, Geschichte der Grafen von Truhendingen, 1885, S. 158 erscheint in der Stammtafel ohne Daten ein Heinrich als Bruder des Grafen Oswald (t 1424); das Geschlecht gilt als 1424 erloschen. 10 aEs folgt getilgt „wissen lassen“. — S. o. 3.3 — 2Dezember 22.

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Abb. 1:

Ratsverlässe-Fragment 1443 fol. 1 (StAN, Rst. N Ratsverlässe Nr. 0.1); Or.-Maße 297x110 mm.

Abb. 2:

Ratsverlässe-Fragment 1443 fol. 1’ (StAN, Rst. N Ratsverlässe Nr. 0.1).

Abbildungs-Verzeichnis: Ratsverlässe-Fragment 1443 fol. 1 — 1’ (Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg Ratsverlässe Nr. 0.1).

ROTHENBURGER KAUFLEUTE ALS WOLLIEFERANTEN NACH NÜRNBERG Ein Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Textilgewerbes im ausgehenden Mittelalter Von Ludwig Schnurrer Neben dem überragenden Nürnberger Gewerbezweig, der Eisenverarbeitung, rückte seit etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts das Textilgewerbe in den Vor­ dergrund des Nürnberger Wirtschaftslebens1. Am Anfang seiner Expansion stand wohl die Waidfärberei und das Tuchscheren, also das „Ausrüsten“, d. h. Veredeln importierter Tuche. Diese Techniken begünstigten aber auch die eigenständige einheimische Tuchindustrie, wie sie besonders in den Vororten Wöhrd und Gostenhof betrieben wurde2. Voraussetzung dafür war die Zufuhr des dafür notwendigen Rohstoffs, der Schafwolle, in immer größeren Quanti­ täten. Während nun im Verlauf des 15. Jahrhunderts Nürnberg zu einem der wichtigsten Handelsmittelpunkte für die feine, hochqualitätvolle englische und niederländische Wolle wurde, welche die Nürnberger Kaufleuten besonders in den Süden und Südwesten Europas lieferten3, aber auch von inländischen Tex­ tilzentren, wie den Geschlachtwandern der Reichsstadt Nördlingen, sehr begehrt war4, konnte die Herstellung der billigeren Loden- und anderen Woll­ tuchsorten aus den Wollieferungen des eigenen Umlandes bald nicht mehr ermöglicht werden. Einfuhr von Wolle aus entfernteren Regionen wurde nötig. Davon ist, soweit ich sehe, bis jetzt wenig bekannt geworden. Aus dem Bamberger Land lieferte 1402 — 1407 Hans Dintner große Mengen von Wolle nach Nürnberg5; sicherlich sind Lieferungen der Kaufleute aus Augsburg und 1 Arno Kunze, Zur Geschichte des Nürnberger Textil- und Färbergewerbes vom späten Mittelalter bis zu Beginn der Neuzeit; in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, heraus­ gegeben vom Stadtarchiv Nürnberg, Band II, Nürnberg 1967 (= Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg Band 11 /II), S. 669—699. — Hektor Ammann, Nürnbergs wirt­ schaftliche Stellung im späten Mittelalter (= Nürnberger Forschungen 13), Nürnberg 1970, S. 70. 2 Kunze (s. Anm. 1) S. 670. 3 Ammann (s. Anm. 1) S. 107, 125, 132, 135 f., 138, 174. — Philipp Braunstein, Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien im Spätmittelalter; in: Beiträge zur Wirtschafts­ geschichte Nürnbergs (s. Anm. 1) I S. 393, 398, 402. 4 Rudolf Endres, Die Nürnberg-Nördlinger Wirtschaftsbeziehungen im Mittelalter bis zur Schlacht von Nördlingen. Ihre rechtlichen und politischen Voraussetzungen und ihre tatsäch­ lichen Auswirkungen (= Schriftenreihe des Instituts für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg Band 11), Neustadt/Aisch o. J., besonders S. 143 — 169. 5 Wolfgang von Stromer, Das Schriftwesen der Nürnberger Wirtschaft vom 14. bis zum 16. Jahr­ hundert; in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs (s. Anm. 1) II S. 790.

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Ulm, Bamberg, Coburg und Windsheim, aus dem Ries und dem ihm benach­ barten fränkisch-schwäbischen Grenzraum, welche auf die Nördlinger Messe gelangten6, auch bis nach Nürnberg gekommen. Größere Quellenkomplexe über solche Rohstofflieferungen sind aber offenbar noch nicht bekannt geworden. Es war deshalb bisher immer recht fragwürdig, von bestimmten regionalen Vorzugsgebieten des Wollimports zu sprechen; überhaupt dürfte bei fragmentarischer, weitgehend vom Zufall abhängiger Quellenüberliefe­ rung, gerade auf dem Gebiete der Wirtschaftsgeschichte, die frühzeitige Fest­ legung auf Entwicklungen und Tendenzen äußerst schwierig sein. Diese Lücke auf einem schmalen, doch kennzeichnenden Gebiet der Nürn­ berger Wirtschaftsgeschichte läßt sich ein gutes Stück verengen durch einen relativ reichen Quellenbestand aus der Nachbarreichsstadt Rothenburg ob der Tauber. Hier und in seinem Umland, das sich bis gegen 1400 zu einem beacht­ lichen Stadtterritorium entwickelte7, hatte die Schafzucht schon sehr früh ihren festen und bedeutenden Platz, und dementsprechend entwickelte sich bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein schwungvoller Wollhandel8. Schon länger bekannt ist, daß sich führende Rothenburger Kaufmannsfamilien (Für­ bringer, vom Rein) in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts am Wollhandel mit Oberitalien namhaft beteiligten9. Das älteste Rothenburger Geschäftsbuch, das des Rothenburger Grundherrn und Kaufmanns Hans Offner 1384 — 1388, enthält viele Einträge von Wollankäufen, und die Buchführung seines Sohnes (oder Enkels) Konrad Öffner von 1449 bis 147310 liefert nun eine Fülle von Nachrichten für Wollverkäufe nach Nürnberg. Die etwa gleichzeitigen Geschäftsaufzeichnungen der Wollhändler Heinrich und Michael Otnat11 sind für Nürnberg weniger ergiebig (deren wichtigste Geschäftspartner sind die Tuchmacher von Ulm, Dinkelsbühl, Windsheim u. a.). Dagegen enthalten die Korrespondenzen Rothenburgs mit den Faktoren in Nürnberg12 viele und wichtige einschlägige Nachrichten, die, bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts, ergänzt werden durch Einträge in den Rechnungsbüchern des Rothenburger Spitals und in den Rothenburger Stadtgerichtsbüchern. — Alle diese Quellen 6 Endres (s. Anm. 4) S. 146, 148, 158 ff. 7 Herbert Woltering, Die Reichsstadt Rothenburg und ihre Herrschaft über die Landwehr, 2 Teile, Rothenburg 1965 und 1971. 8 Frühester Beleg für den Handel mit einer größeren Wollmenge von 1303: „Ekoni Fasolt preceptum est ut expediet C. Schurger pro IV2 centare lane.“ — Stadtarchiv Rothenburg B 14 (Stadtgerichtsbuch) fol. 33\ 9 Aloys Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutsch­ land und Italien mit Ausschluß von Venedig, Leipzig 1900, Band I S. 574, 661; Band II S. 140-143, Nr. 202-239. 10 S. unten Anm. 42; vgl. dazu W. v. Stromer, Das Schriftwesen . . . (wie Anm. 5) S. 756 mit Anm. 27. 11 S. unten Anm. 47. 12 Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten.

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Rothenburger Kaufleute als Wollieferanten nach Nürnberg

werden wegen ihrer Bedeutung als geschlossener Uberlieferungskomplex in einem Anhang vollständig wiedergegeben13. Die Wollgeschäfte

Die Mengen der nach Nürnberg gelieferten Wolle lassen sich den Aufzeich­ nungen Konrad Öffners zwischen 1456 und 1463 einigermaßen regelmäßig entnehmen: 1456 1457 1458 1459 1461 1462 1463

15 Zentner 19 Zentner 13 Zentner 12,85 Zentner 28 Zentner 37 Zentner 37 Zentner

(i) (3) (4) (5)

(7, 8, 10) (11, 12) (13)

Diese Liste bietet natürlich keinen Anhaltspunkt für die tatsächlich von Ro­ thenburg nach Nürnberg transportierten Gesamtmengen, weil von den übrigen Wollieferanten keine entsprechenden Angaben vorliegen. Lediglich zum Jahre 1451 wird der Verkauf der enormen Menge von 127,76 Zentner flä­ mischer (= wohl: von Schafen flämischer Rasse gewonnener) Wolle durch Heinrich Otnat nach Nürnberg beurkundet (16), was die herausragende Rolle dieser Rothenburger Kaufmannsfamilie unterstreicht. Ansonsten ist uns nur noch eine Mengenangabe zu 1449 (2,84 Zentner) der sonst bis jetzt unbe­ kannten Gebrüder Kaiser aus Rothenburg überliefert (48). Transportiert wurde die Wolle durch Rothenburger Fuhrleute. Der Fuhrlohn ging vermutlich zu Lasten der Verkäufer; wenigstens sind bei den Preis­ angaben (s. unten) niemals zusätzliche Transportkosten erwähnt. Geliefert wurde (soweit uns Daten bekannt sind) im Juni und Juli, also nach der Mai­ schur und einer gewissen Trocken- und Lagerungsfrist (4, 10, 11); einmal im September (12), zweimal im Januar (5, 10). Ob diese späten oder nachträg­ lichen Lieferungen mit reduzierten Preisen verbunden waren, oder aus wel­ chen Gründen sonst (etwa bei besonders günstiger Auftragslage der Nürn­ berger Färber) diese erfolgten, läßt sich aus dem kargen Vergleichsmaterial nicht entnehmen. Als Fuhrmann wird mehrmals (1459, 1462) ein gewisser Kraft genannt (5, 10), der 1454 (vermutlich für Hans Kumpf) auch Geldzahlungen an den Ro­ thenburger Faktor Hans Lauber tätigte (24); 1461 nahm sein Sohn von den Nürnberger Färbern 400 Pfund Pfennige entgegen und brachte sie zu Konrad Öffner (14). Für diesen waren gelegentlich auch andere Rothenburger Per13 Um den Anmerkungsapparat zu entlasten, wird im folgenden auf diese Quellen im Text mit ihren Nummern in Klammern verwiesen.

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sonen tätig, die sich für seine Geschäfte einspannen ließen, wenn sie sich, was bei den vielfältigen und engen Beziehungen zwischen den beiden Städten häufig genug der Fall war, in Nürnberg aufhielten. Sein Sohn Wilhelm läßt sich 1461 bis 1463 dreimal in dieser Funktion nachweisen (4, 10, 13), sein Schwie­ gersohn hob für ihn 1467/68 ausstehende Geldsummen in Nürnberg ein (39). Auch der frühere Stadtschreiber (bis ca. 1452) und spätere Kaplan an der Marienkapelle, Stefan Scheu (seit etwa 1464 auch Chorherr, später Dekan zu St. Gumpert in Ansbach) ließ sich 1463 derart von Konrad Offner gebrauchen Von ausschlaggebender Bedeutung aber, nicht nur für die Abwicklung der Rothenburger Wollgeschäfte in Nürnberg, sondern für die vielgestaltigen Geschäftsbeziehungen zwischen beiden Städten, war die Tätigkeit der Rothen­ burger Faktoren in Nürnberg. Diese, seit dem frühen 15. Jahrhundert nach­ weisbar, waren vermutlich von der Stadt Rothenburg (genauer: vom Steuer­ amt) angestellt, um primär die vielfältigen Leibgedings- und Ewiggeldzah­ lungen an Nürnberger Bürger und Institutionen zu regeln15. Daß sie daneben auch andere, im Laufe der Zeit immer umfangreichere und mannigfaltigere Geschäfte übertragen bekamen, in zunehmendem Maße auch von Privatper­ sonen, war nur konsequent. So sehen wir denn auch aus unserem Wollgeschäftsquellen von 1444 an bis zum Ende des Jahrhunderts eine Serie solcher Faktoren in Tätigkeit. Im einzelnen handelt es sich um folgende Personen: 1444—1458 1459-1463 1467—1468 1469 1491 1497

Hans Lauber (16, 18 — 33) Wilhelm Schlüsselfelder (6, 8, 10, 13, 15, 34-38) Caspar Ayl (39) Niclas Rot (40) Stephan Kawr (41) Bernhardin Kolb (42)

Aus ihren regelmäßig und mehrmals jährlich nach Rothenburg geschickten Abrechnungen16 läßt sich, zusammen mit den Notizen aus Konrad Öffners Geschäftsbuch, das Geschäftsgebaren der Rothenburger Wollhändler in Nürn­ berg einigermaßen rekonstruieren. Bei der Ablieferung der Wolle in Nürnberg wurde eine Urkunde ausgestellt, in der die Menge der gelieferten Wolle, der Zentnerpreis, der Gesamtpreis und die Zahlungstermine festgelegt wurden. Konrad Öffner vermerkt dies in 14 Uber ihn von Karl Borchardt, Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation, Neustadt/Aisch 1988,1 S. 582 Nr. 270. Die Angaben bei W. Schultheiß, Die Rothenburger Stadtschreiber des 13. bis 16. Jahrhunderts, in „Die Linde“ 46 (1964) S. 68, sind irreführend und fehlerhaft. 15 Darüber und allgemein über die Tätigkeit der Rothenburger Faktoren in Nürnberg ist eine Untersuchung vom Verfasser in Vorbereitung, das sich auf umfangreiches Quellenmaterial im Stadtarchiv Rothenburg stützen kann. 16 Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten.

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Rothenburger Kaufleute als Wollieferanten nach Nürnberg

seinem Geschäftsbuch gelegentlich mit dem Hinweis „des ich ein brief hon“ (1, 4). Nur eine einzige derartige Urkunde ist (im Otnat’schen Geschäftsbuch) erhalten (16); hier wird zusätzlich die Haftung der Ehefrauen der Käufer und die Ersatzverpflichtung der Käufer bei Zahlungssäumnissen („redlicher schaden“) verbrieft. Als Zahlungstermine werden häufig die wichtigsten Messen des fränkisch­ schwäbischen Raumes benannt, weil die Nürnberger Tuchmacher auf diesen bedeutendere Gewinne erhofften und dadurch schuldentilgungsfähig waren: die Nürnberger Heiltumsmesse17 14 Tage nach Ostern (6, 16, 18), die Nördlinger Messe18 um Pfingsten (2, 16) und die Rothenburger Andreasmesse19 Ende November bis Anfang Dezember (16, 43). Daneben erscheinen noch die üblichen, auch als bäuerliche Lostage bekannten Heiligenfeste: Walburgis (1. Mai) (1), Jacobi (25. Juli) (6, 11) und Bartholomäi (24. August) (6). Die Bezahlung der Schulden scheint häufig in drei datenmäßig festgelegten Raten verbrieft worden zu sein; darauf deuten zwei Abmachungen hin: 1451 (16): 1012 V4 fl in 3 Raten, zur Heiltumsmesse (Ende April), zur Nördlinger Messe (Mitte Juni) und zur Rothenburger Andreasmesse (Ende November), also innerhalb von sieben Monaten. 1459 (6): je ein Drittel von 956 fl zur Heiltumsmesse (Ende März), an Jacobi (25. Juli) und an Bartholomäi (24. August), also in einem Zeitraum von fünf Monaten. Die tatsächlichen Rückzahlungsfristen werden wohl nicht immer mit den urkundlich verbrieften Zeiten übereingestimmt haben. Besonders deutlich läßt sich das an dem zuletzt genannten (6) Wollgeschäft Konrad Öffners 1459 nachweisen: anstatt, wie gefordert, die Kaufsumme von 956 fl schon 1459 zu zahlen, begleichen die Nürnberger Färber die erste Rate (325 fl) erst am 25. Juli 1460, weitere kleinere Summen am 1. November 1460; die letzte datierte Zah­ lung erfolgte am 19. Mai 1461, also fast zwei Jahre nach dem vereinbarten dritten Zahlungsziel, und dann erfolgen immer noch zwei weitere, allerdings undatierte Zahlungen. — Ein ähnliches Bild ergibt sich aus einem Wollgeschäft Öffners ein Jahr zuvor, 1458 (4): Von einer am 24. Juli 1458 verbrieften Schuld von IIOV2 fl werden erst ein Jahr später (4. Juli 1459) 29 fl, später (undatiert) der Rest bezahlt; die Endabrechnung erfolgte am 15. März 1461, nach über zweieinhalb Jahren. — Ein dritter Fall (10): Nach zwei Lieferungen Wolle am

17 Julia Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg 1424-1523; in: MVGN 51 (1962) S. 129 ff. 18 Heinrich Steinmeyer, Die Entstehung und Entwicklung der Nördlinger Pfingstmesse im Spät­ mittelalter, Nördlingen 1960. — Hektor Ammann, Die Nördlinger Messe im Mittelalter; in: Aus Verfassungs- und Landesgeschichte II, Festschrift für Theodor Mayer, Lindau-Konstanz 1955, S. 283-315. 19 Heinrich Steinmeyer, Die Nördlinger Messe und ihre Konkurrenten in Dinkelsbühl und Ro­ thenburg vom 14. bis zum 17. Jahrhundert; in „Die Linde“ 58 (1976) S. 2—6.

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2. Juni 1461 und am 12. Januar 1462 erfolgt die erste Zahlung am 20. November 1461, eine zweite am 19. Mai 1463; hier ist demnach der Zah­ lungsverzug nicht ganz so kraß. Das sind drei Beispiele, die deutlich zeigen, wie schwer es wohl häufig für einen Geschäftsmann war, seine Außenstände einzutreiben. Ein Grund für diese laxe Zahlungsmoral waren sicher die Konjunkturschwankungen bei den Nürnberger Färbern. So baten sie 1444 den Rothenburger Wollieferanten Elans Prechter um Zahlungsaufschub bis zu Heiltumsmesse, „wan in 10 jaren in (= den Färbern) allen nye so hart ist gelegen mit gewant zu verkawffen hie umb, must ir ein mitleiden haben“ (18). Ein genau belegter und datierter Fall von überraschend pünktlicher Zahlung 1461 (14) bleibt vereinzelt, bezieht sich auch nicht auf ein Wollgeschäft, son­ dern auf den Verkauf von 128 Hämmein nach Nürnberg: die Bezahlung der Kaufsumme erfolgte am 12. Juni, 17. Juni, 18. Juni und 18. Juli 1461, also innerhalb von fünf Wochen. Leider sind die meisten der zu diesem Problem in Frage kommenden Geschäftsbucheinträge über die Bezahlung ausstehender Schulden undatiert und deswegen dafür untauglich. Die Geldzahlungen erfolgten häufig über die Rothenburger Faktoren in Nürnberg (s. o.); diese rechneten in der Regel mehrmals jährlich mit den Ro­ thenburger Steuerern ab, die wiederum den Gläubigern die auf diese Weise nach Rothenburg gelangten Geldsummen ausbezahlten (2, 6, 15). Wenn die Faktoren diese Zahlungen direkt an die Gläubiger weiterleiteten, taten sie dies ohne Garantie, so daß das Risiko bei den Schuldnern lag (18, zu 1444: „. . . uff ir weknis“). Ähnliche Vorbehalte formulierten sie beim Eintreiben der Schulden. In einem solchen Fall blieben 1447 20 fl strittig, und der Faktor Hans Lauber vermerkte dabei gegenüber Konrad Öffner, dem Gläubiger, daß er sich dafür nicht verantwortlich fühle; „solt ich dan umb dy 20 gülden körnen, geschehe mir gar ungutlich“ (19—21). Ein andermal (1455) bekannte er gegenüber dem Gläubiger Heinrich Spelt, daß es ihm nicht gelungen sei, 17V2 fl ausständiger Schuld einzutreiben (30). Die Rothenburger Faktoren in Nürnberg hatten aber kein Monopol auf diese Geldtransaktionen. Daß die Rothenburger Wollkaufleute jede Gelegen­ heit, in Rothenburg oder in Nürnberg, nutzten, um ihre Schulden einzufor­ dern, wird vor allem aus einem Rückzahlungskomplex 1459 bis 1461 deutlich (6). Folgende Zahlungen an Konrad Öffner (von einer Gesamtschuld von 956 fl) werden hier verbucht: a) 325 fl: Nürnberger Färber — Faktor Wilhelm Schlüsselfelder — Tochter des Knorr — Gläubiger. b) 17 fl: der alt Krenczse — Gläubiger. c) 111 fl: Schlüsselfelder — Steuerer — Gläubiger. 40

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d) e) f) g) g) i) k)

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75 fl: Schlüsselfelder - Gläubiger - Jude Hajm („fon Kreczerin wegen“). 13 fl: Steuerer — Gläubiger. 42 fl: Schlüsselfelder — Steuerer — Gläubiger. 36]/2 fl: Kantengießer (als Vertreter der Färber) — Gläubiger, 254 fl: Steuerer — Gläubiger. 79 fl: Schlüsselfelder — Gläubiger. y/i fl: Wilhelm (Öffner? Schlüsselfelder?) — Gläubiger.

In weiteren Fällen ist die Zahlungsweise ähnlich mannigfaltig (1, 2, 3, 9, 13, 15). Konrad Öffner, vielleicht aber auch die anderen Rothenburger Kaufleute, haben ihre Nürnberger Transaktionen verständlicherweise dazu benutzt, um Waren in Nürnberg einzukaufen, die offenbar nur in der großen Handelsmetropole, nicht in Rothenburg zu bekommen waren. Diese Einkäufe wurden dann, entweder von den Faktoren oder von den direkten Schuldnern, den Nürnberger Färbern, mit deren Schuldkonten verrechnet (9, 13, 15, 19, 38). Die Liste der in Öffners Geschäftsbuch und in den Korrespondenzen mit den Faktoren genannten Waren ist sehr aufschlußreich; sie umfaßt Textilien und Rauchwaren: Seide, braunen Schiller (eine Art Taft), eine „kulwemynne kurse“ (Pelz vom Bauchfell eines Hasen?), Bänder, Hosenstoff („pruchiß tuchß“), Schleiertuch („sturtz“), schwarzes Tuch, Zwillich („zwilerß“, zwiefädiges Gewebe); weiterhin Eisenwaren: Lattennägel, Bandnägel, Halbnägel, Schieneisen; schließlich außergewöhnliche Eßwaren: Feigen, Mandeln, Reis, Weinbeeren, Zuckerhut, Stockfisch (Fastenzeit!) und Konfekt. Die Abrechnungen erfolgten schriftlich auf „Rechenzetteln“ oder in urkundlicher Form („brief“); Konrad Öffner ist dabei entweder selber beteiligt (6, 9); er schickt aber auch seinen Sohn Wilhelm zu diesen Geschäften (4, 10), und einmal ist für ihn der frühere Rothenburger Stadtschreiber Stefan Scheu tätig (13). Schließlich sei noch einiges zu den Wollpreisen gesagt. Sie sind leider nicht in allen Geschäftsaufzeichnungen, aber doch so häufig angegeben, daß sich eine Preistabelle für den Zentner Wolle für die Zeit von 1449 bis 1463 zusam­ menstellen läßt: 1449 8V2 fl 1451 73/4 fl 1456 8V2 fl 1457 8V4 fl 1458 8V2 fl 1459 8 fl 1461 63/4 fl

(48) (16) (errechnet: 7,92 fl; „und kumpt die selbe wolle alle tzweyer gülden neher“) (1) (3)

(4) („vy ich dy ander wolen geib, also sol er die auch gelten“) (5)

(7,8) (alte schwarze Wolle) 41

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1462 — 1463 9 fl

(10) („sol er mir betzalen, wie ich die andern geben wurd“) (13)

Der Wollpreis bewegt sich in diesen 15 Jahren (wenn wir den sicher irregu­ lären Preis für alte schwarze Wolle von 1461 unberücksichtigt lassen) zwischen 7,75 und 9 fl; das ist eine recht geringe Schwankungsbreite20. Hervorgerufen wurden diese Preisänderungen durch die unterschiedlich ausfallenden Wollerträge und -anlieferungen, die wiederum von klimatischen Bedingungen, Tierseuchen und natürlich auch von allgemeinen marktgesetzlichen Schwan­ kungen abhingen. Nebengeschäfte a) Handel mit Schlachtschafen Die im 15. Jahrhundert rasch zunehmende Bevölkerung der Großstadt Nürn­ berg konnte ihren Bedarf an Fleisch nicht aus der Umgebung der Stadt decken und war, ähnlich wie bei der Wolle, auf Vieheinfuhr aus größeren Entfer­ nungen angewiesen. Dies galt auch für Schlachtschafe und -hämmel. Sie wurden (ob von den Käufern oder den Verkäufern, geht aus unseren Quellen nicht hervor) nach Nürnberg getrieben, dort gesundheitspolizeilich unter­ sucht, kranke Tiere zurückgewiesen oder gar getötet und verbrannt21. Wurden mehr Tiere angeliefert, als unmittelbar geschlachtet werden konnten, mußten sie natürlich untergebracht und gefüttert, u. U. sogar (besonders wenn sie eine weite Strecke getrieben worden waren) gemästet werden. Dies geschah durch die Metzger im Herbst vor allem auf den Stoppelfeldern der Umgebung22. Wegen der Trächtigkeitszeit der Schafe war allerdings deren Auftrieb und Ver­ kauf zwischen Michaelis (bzw. Nicolai) und dem Johannistag in der Regel ver­ boten. Es lag auf der Hand, aus einem der fränkisch-schwäbischen Wollzulieferungszentren in und um Rothenburg auch Schlachtschafe anzukaufen. Dafür haben wir Belege aus der Zeit zwischen 1461 und 1492. Als Lieferanten werden anfangs Konrad Öffner (14, 39) und Heinrich Spelt (38), später vor allem das Rothenburger Spital (49—55), als Käufer die Nürnberger Metzger Erhard Armbaurer (14, 38, 39), Eberlin Mylla (41, 54), Contz Gansser, Hans Leickoff und Mathes Schutz (49—53) sowie Jörg Krauß und Volklein Schlauersbach (55) genannt. 20 1447 kostete auf der Nördlinger Messe ein Zentner Wolle 5 fl, 1483 7 fl; Endres (s. Anm. 4) S. 147, 150. — Noch 1519 wurde auf der gleichen Messe ein Zentner Wolle mit 7xh fl gehandelt; Steinmeyer (s. Anm. 18) S. 133. 21 Carl L. Sachs, Metzgergewerbe und Fleischversorgung der Reichsstadt Nürnberg bis zum Ende des 30jährigen Krieges; in: MVGN 24 (1922) S. 14, 17. 22 Ebenda S. 88.

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Rothenburger Kaufleute als Wollieferanten nach Nürnberg

Die Mengen der nach Nürnberg verkauften Schafe und Hammel, soweit sie in unseren Quellen erfaßbar werden, sind, wie die Wollmengen, beträchtlich. Die erste bekannte Lieferung 1461 umfaßte 128 Hammel zu je 4V2 Pfund Pfen­ nigen, dazu 3 Hammel als Dreingabe (14)23. 1462 werden für 356j/2 Pfund Pfennige Schafe gekauft, was bei dem oben genannten Stückpreis (4V2 Pfund) etwa 79 Stück bedeutet (38). 1467 bezahlt der Nürnberger Metzger Arnbauer 200 fl; bei einem Umrechnungskurs von ca. 7 Pfund Pfennigen pro 1 fl24 ent­ spricht dies, wiederum bei dem angenommenen Stückpreis von 4V2 Pfund, etwa einer Herde von 310 Schafen. Hier bleibt allerdings ungewiß, ob diese auf einmal geliefert wurden, oder ob die Schuldsumme sich aus mehreren Rest­ posten zusammensetzt. Das Rothenburger Spital war vermutlich schon früher ein wichtiger Schlachthammellieferant für Nürnberg; die Spitalrechnungen und damit genaue Angaben setzen allerdings erst 1489 ein. In diesem Jahr wurden 312 Schafe an drei Nürnberger Metzger verkauft, jeder von ihnen bekam offenbar 104 Schafe. Einige der dabei genannten Geldsummen scheinen Teilzahlungen zu sein; lediglich der Preis von 62 fl (ä ca. 8 Pfund Pfennige für diese Zeit) für 104 Schafe scheint die Errechnung des Stückpreises zu ermöglichen: 43A Pfund Pfennige (49 — 53). Dieselbe Zahl von 104 verkauften Hammeln wiederholt sich eigenartigerweise 1491; dafür werden etwas weniger, nämlich 60 fl, bezahlt, was einem Stückpreis von etwas mehr als 4V2 Pfund Pfennigen entspricht (54). Schließlich gehen 1492 81 Hämmel nach Nürnberg für 39x/i fl, was einem bil­ ligeren Stückpreis von 3,9 Pfund entspricht, wenn man nicht annehmen will, daß es sich um eine Teilzahlung handelt (55). Die relativ große Zahl von Schlachthämmeln, die nach Nürnberg geliefert wurden, macht es wahrscheinlich, daß sie nicht für einzelne oder wenige Nürnberger Metzger gedacht waren, sondern für das gesamte Metzgerhand­ werk oder mindestens einen beträchtlichen Teil davon. Die in unseren Quellen genannten Metzger fungierten demnach wohl als beauftragte Vertreter ihres Handwerks. Als solcher scheint sich besonders Erhard Armbauer hervorgetan zu haben (14, 38, 39). b) Nürnberg als Wollieferant nach Rothenburg Aus einem bisher vereinzelten Beleg zu 1434 (43) erfahren wir, daß in diesem Jahr ein Konsortium von Rothenburger Färbern dem Hermann Taschner von 23 Die in Konrad Öffners Rechnungsbuch notierten Angaben über die Preise und deren Bezahlung divergieren beträchtlich. Als Endsumme werden 662lh lb genannt, die Summierung der Einzel­ zählungen ergibt aber 562V2 lb, und das stimmt fast mit dem errechneten Preis (128 X 4,5 lb = 576 lb) überein. Wie meist in solchen Fällen gibt es keine eindeutige Erklärung für diese Diffe­ renzen, doch scheint es sich hier (wegen der runden Differenz von genau 100 lb) um einen Schreibfehler zu handeln. 24 Zu 1462: 6 lb 27 d; Anhang Nr. 37.

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Nürnberg 152 fl für schwarze Wolle schuldete, zahlbar in knapp einem Jahr. Der Grund für diesen umgekehrten Geschäftsgang ist bislang unklar; mög­ licherweise war in diesen frühen Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts Rothenburg noch nicht das bedeutende Wollhandelszentrum; vielleicht war die sonst selten in den Rothenburger Quellen nachweisbare schwarze Wolle der Grund für diesen Ankauf aus Nürnberg. c) Tuchhandel zwischen Nürnberg und Rothenburg Neben dem Handel mit dem Rohmaterial der Tuchmacher und Färber beweisen einige unserer Quellen, daß auch fertige Tuche Objekte der Handels­ beziehungen zwischen Nürnberg und Rothenburg waren. Während aber dabei, bedingt wohl durch die bislang einseitige Quellenlage, kein Verkauf von Tuchen von der fränkischen Textilzentrale Nürnberg vorkommt, erfahren wir zu 1439 von zwei aufschlußreichen Verkäufen von Aachener und Kölner Tuchen aus Rothenburg nach Nürnberg (44, 45). Die Hintergründe sind dabei nicht ganz klar; möglich, daß hier Rothenburger Beteiligung an Nürnberger Fernhandelsgeschäften mit im Spiele war. Wenig später, 1443/44, wird im Rothenburger Stadtgerichtsbuch eine wei­ tere Variante der Geschäftsverbindungen zwischen Rothenburg und Nürnberg verbrieft: ein Nürnberger Unternehmer, Konrad Engeier (selbst Färber?) läßt bei drei Rothenburger Färbern (Hans Mey, Jörg Jofman und NN Rotenbach) Tuche färben; vielleicht war dabei die Abzahlung von Schulden aus irgend­ welchen Woll- oder Tuchgeschäften im Spiel (46, 47).

d) Nürnberger als Grundherr eines Schafhalters? In Auernhofen bei Uffenheim war ein bedeutender Schafhof, dessen Pächter Kunz Renkhals seit 1461 seine Wolle an den Rothenburger Wollhändler Michael Otnat verkaufte25. 1462 nahm der Rothenburger Faktor in Nürnberg, Wilhelm Schlüsselfelder, seinetwegen 60 fl ein, vermutlich als Bezahlung für an Otnat gelieferte Wolle (37). Warum dieses Geschäft in Nürnberg getätigt wurde, geht aus einem Brief des Nürnberger Bürgers Eberhart Rödel 1463 (17) hervor: er gestattet dem Renkhals den Verkauf seiner Wolle an Otnat, der ihm darauf Geld leihen soll, und verbürgt sich für dieses Darlehen in der Höhe von 80 fl. Die beste Erklärung für eine solche Abmachung bietet sich an, wenn man annimmt, daß Rödel der Grundherr des Schafhalters Renkhals war.

25 Stadtarchiv Rothenburg A 783 (Geschäftsbuch des Michael Otnat) fol. 203,205,208.

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Nürnberger Geschäftspartner Häufig treten die Nürnberger Färber in den Rothenburger Quellen gemeinsam auf als „die Färber“. Fraglich bleibt, ob es sich dabei um das gesamte Nürn­ berger Färberhandwerk handelt: 1444 (18) - 1447/48 (19-21) - 1454 (24) - 1455 (27) - 1456 (31) - 1457 (3) - 1458/59 (2) - 1459/61 (6). Ebenso häufig werden aber Konsortien von zwei bis sechs Färbern genannt, mit denen teils einzeln, teils gemeinsam abgerechnet wurde: 1451: 3 Färber (mit Frauen) (16) 1454: 4 - 2 - 4 Färber (24-26) 1455: 4 Färber (28) 1456: 3 Färber (32) 1459/61: 7 Färber (6). Hier folgt nun die Liste der einzelnen Nürnberger Färber (bzw. Metzger) in alphabetischer Reihenfolge. 1. Heinz Ampffer; sicher Färber; schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Färbern) dem Konrad Öffner 956 fl (6). 2. Erhärt Armbawr (Armaur), Metzger; a) kauft 1461 durch einen Knecht von Konrad Öffner 128 Hämmel und bezahlt ratenweise im gleichen Jahr 562V2 lb (14); b) kauft 1462 von Heinrich Spelt Hämmel für 354V2 lb (38); c) kauft 1467 von Konrad Öffner Hämmel; bezahlt dafür 200 fl (39). 3. Hans Pawcker, Färber? Bezahlt 1467 für Heinrich Spelt 40 fl (39). 4. Hans Prener, Färber? Bezahlt 1453 für Hans Kumpf 40 fl (22). 5. Fritz Pruner (Proner), Färber; a) bezahlt 1454 (für Heinrich Kumpf?) 30 fl (24); b) bezahlt 1454 (zusammen mit 3 weiteren Färbern) 70 fl für Hans Kumpf (26); c) bezahlt 1455 für Heinrich Kumpf 22 fl (28). 6. Hermann Taschner, Bürger zu Nürnberg; liefert 1434 an vier Rothen­ burger Färber schwarze Wolle für 152 fl (43). 7. Contz Dawm, Färber; bezahlt 1468 (zusammen mit Peter Losei) 105 fl für Heinrich Spelt (39). 8. Konrad Engeier; beauftragt 1443/44 Rothenburger Färber mit dem Färben von Tuchen (46, 47). 9. Dietel Ewgel (Frau: Margreth), Färber; kauft 1451 (zusammen mit 3 wei­ teren Färbern) von Heinrich Otnat 127 Zentner 76 Pfund Wolle für 1012V4 fl (16). 45

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10. Albrecht Vischer (Fiescher), Färber; a) bezahlt 1453 für Hans Kumpf 40 fl (22); b) bezahlt 1454 (für Hans Kumpf?) 30 fl (24); c) bezahlt 1454 (zusammnen mit 3 weiteren Färbern) für Hans Kumpf 70 fl (26); d) bezahlt 1455 für Hans Kumpf 42 fl (28). 11. Adam Flurher; ihm werden 1462 vom Rothenburger Faktor namens des Konrad Öffner 117 lb 10 d bezahlt (38). 12. NN Folkel, Färber? Bezahlt (vor 1458) für Hans Kumpf 20 fl (33). 13. Hans Frankenstein (Frau: Kathrein), Färber; a) schuldet 1451 (zusammen mit 3 weiteren Färbern) dem Heinrich Otnat 1012V4 fl für 127 Zentner 76 Pfund Wolle (16); b) bezahlt 1454 (zusammen mit einem weiteren Färber) 40 fl für Heinrich Otnat (25); c) bezahlt 1455 für Heinrich Spelt 30 fl (29); d) schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Färbern) dem Konrad Öffner 956 fl (6). 14. Cunz Gabler, sicher Färber; schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Fär­ bern) dem Konrad Öffner 956 fl für Wolle (6). 15. Heinz Ganpffer (Frau: Elsbeth), sicher Färber; schuldet 1451 (zusammen mit 3 weiteren Färbern) dem Heinrich Otnat 1012V4 fl für 127 Zentner 76 Pfund Wolle (16). 16. Contz Gansser, sicher Metzger; a) schuldet 1489 (zusammen mit 2 weiteren Metzgern) dem Rothen­ burger Spital 84 fl für 312 Schafe (49); b) schuldet 1490 (zusammen mit 2 weiteren Metzgern) dem Rothen­ burger Spital 84 fl für Schafe (51). 17. Rudolf Gaulnhofer, Färber; schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Fär­ bern) dem Konrad Öffner 956 fl (6). 18. Martin Gößwein, sicher Färber; sein Diener kauft 1449 von den Gebrü­ dern Kaiser 2 Zentner 84 Pfund Wolle (48). 19. Jost Hawg, Färber; a) zahlt 1454 22 fl für Hans Kumpf (24); b) zahlt 1454 (zusammen mit 3 weiteren Färbern) 70 fl für Hans Kumpf (26); c) zahlt 1456 26 + 7 fl für Hans Kumpf (32). 20. NN Heym, Bierbrauer; bezahlt 1469 51 fl für Konrad Öffner (vielleicht für Gerste) (40). 21. Elsbeth Huter(yn), Jobs Grunbergs Tochter; beansprucht (zusammen mit Gotz Zigler und Contz Speger von Nürnberg) gegenüber NN Hegellin (von Rothenburg) Kölner Tuche (45). 46

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22. Hans Kantengießer (Kandelgysser u. ä.), Färber; führender Vertreter des Handwerks; a) b) c) d) e) f) g) h)

i) k) l) m) n) o) p) q) r) s) t) u) v) w)

bezahlt 1453 30 fl für Hans Kumpf (22); bezahlt 1453 28 fl für Hans Kumpf (23); bezahlt 1454 40 fl (für Hans Kumpf?) (24); bezahlt 1454 (zusammen mit 3 weiteren Färbern) 70 fl für Hans Kumpf (26); bezahlt 1455 50 fl für Hans Kumpf (28); schuldet 1456 dem Konrad Öffner 127V2 Pfund für 15 Zentner Wolle; bezahlt davon 108 fl (1); bezahlt 1456 3 fl 4 lb 10 d (für Hans Kumpf?) (32); schuldet 1457, wahrscheinlich als Vertreter eines Färberkonsortiums, dem Konrad Öffner I66V4 fl für 19 Zentner Wolle und bezahlt diese Summe (3); schuldet 1458 dem Konrad Öffner IIOV2 fl für 13 Zentner Wolle und bezahlt sie ratenweise ab (4); schuldet dem Konrad Öffner 99 fl für 12 Zentner 85 Pfund Wolle (5); schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Färbern) dem Konrad Öffner 956 fl und bezahlt sie bis 1461 (6); bezahlt 1459 für Konrad Öffner 100 fl (34); schuldet 1461 dem Konrad Öffner 4 Zentner schwarze Wolle ä 63A fl und bezahlt davon 1462 10 fl (7, 8); schuldet 1461 dem Konrad Öffner 102 fl, bezahlt davon 99 fl und kauft für den Rest für Öffner Lattennägel und Seide (9); kauft 1461 von Konrad Öffner 15 + 9 Zentner Wolle und bezahlt sie ratenweise bis 1462 (10); bezahlt 1462 für Konrad Öffner 190 fl 3V2 lb (15); schuldet 1462 dem Konrad Öffner 25 fl an den obigen 24 Zentner Wolle und bezahlt kurz darauf 23 fl (11); kauft 1462 von Konrad Öffner 13 Zentner Wolle (12); bezahlt 1462 4V2 fl für NN Hass (37); besorgt 1462 (für Konrad Öffner?) Konfekt für 1 fl 43 d (38); kauft 1463 von Konrad Öffner 37 Zentner Wolle für 333 fl und bezahlt sie ratenweise (13); bezahlt 1467/68 79 fl für Konrad Öffner (angenommen von Hans Kromer und Cuntz Wirtin) (39).

23. Jorg Krauß, Metzger? Bezahlt 1492 (zusammen mit Volklein Slawerßbach) 39V2 fl an das Rothenburger Spital für 81 Hämmel (55). 24. Hans Kromer, sicher Färber; bezahlt 1467 29 fl an Hans Kantengießer für Konrad Öffner (39). 47

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25. Hans Leickoff, sicher Metzger; a) kauft 1489 (zusammen mit 2 weiteren Metzgern) vom Rothenburger Spital 312 Schafe und bezahlt dafür 84 fl (49, 51); b) kauft 1489 vom Rothenburger Spital 104 Schafe und schuldet dafür 62 fl (50); c) bezahlt 1491 dem Rothenburger Spital 10 fl für Schafe (52); d) schuldet 1491/92 dem Rothenburger Spital 21V2 fl für Schafe (53). 26. Peter Losei, Färber; bezahlt 1468 (zusammen mit Contz Dawm) für Heintz Spelt 105 fl (39). 27. NN Meckenloher, Färber? Bezahlt 1467 für Heintz Spelt 105 fl (39). 28. Eberle (Eberlin) Milla (Mylle), Fleischhacker; sein Knecht Georg kauft 1491 vom Rothenburger Spital 104 Hämmel für 60 fl und zahlt 8 fl an (41, 54); 29. Heinz Reiter (Reter) (Frau: Barbara), sicher Färber; a) schuldet 1451 (zusammen mit 3 weiteren Färbern) dem Heinrich Otnat 1012V4 fl für 127 Zentner 76 Pfund Wolle (16); b) bezahlt 1454 (zusammen mit Hans Frankenstein) für Heinrich Otnat 40 fl (25); c) bezahlt 1455 30 fl für Heinrich Spelt (28); d) schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Färbern) dem Konrad Offner 956 fl (6). 30. Chuntz Reter (= Reiter? s. oben Nr. 29), sicher Färber; bezahlt 1455 30 fl für Heinrich Spelt (28). 31. Michel Slawrspach, Färber; schuldet 1459 (zusammen mit 6 weiteren Fär­ bern) dem Konrad Öffner 956 fl (6). 32. Volklein Slawerßbach, Metzger?26 Kauft (zusammen mit Jorg Krauß) vom Rothenburger Spital 81 Hämmel für 39V2 fl (55). 33. Wilhelm Schlauerspach, Färber? Bezahlt 1497 für (Hieronymus?) Öffner 42 fl (unbekannt wofür) (42). 34. Mathes Schutz, Metzger? Kauft 1489 (zusammen mit 2 weiteren Metz­ gern) 312 Schafe vom Rothenburger Spital und bezahlt dafür 1490 84 fl (49, 51). 35. Contz Speger; beansprucht (zusammen mit Elspet Huteryn und Gotz Zigler) gegenüber NN Hegellin (von Rothenburg) 2 Kölner Tuche (45). 36. NN Stettberger, vermutlich Färber; bezahlt 1456 14 fl für Hans Kumpf (32). 26 Die Schlaudersbacher (Handelsleute, aus Graz) dürfen nicht mit einer gleichnamigen Hand­ werkerfamilie verwechselt werden, die bereits 1489 mit dem Metzger Stefan Sch. im Rat ver­ treten war und die viele Fleischhacker, Metzger und Viehhändler stellte; H. Frh. Haller von Hallerstein, Größe und Quelle des Vermögens von hundert Nürnberger Bürgern um 1500; in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs (wie Anm. 1) I S. 126.

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37. Cuntz Wirtin, wahrscheinlich Färberswitwe; bezahlt 1467 50 fl für Konrad Öffner (39). 38. Gotz Zigler; beansprucht (zusammen mit Elspet Huteryn und Contz Speger) gegenüber NN Hegellin (von Rothenburg) 2 Kölner Tuche (45).

Die Rothenburger Geschäftspartner (in alphabetischer Reihenfolge) 1. Michael und Sigmund Fürbringer Mitglieder dieser in und um Uffenheim ansässigen Niederadelsfamilie zogen um 1400 nach Rothenburg27. 1394 bis 1396 (Heinrich Fürbringer) sowie 1429 und 1434 (Michael und Philipp Fürbringer) sind sie als Wollieferanten der oberitalienischen Tuchstädte (Mailand, Como u. a.) nachgewiesen28. Sigmund Fürbringer ist zwar noch Grundherr in der Uffenheimer Gegend (1444—1462: Neuherberg, Walmersbach, Hohlach)29, aber 1470 auch als Mitglied des Äußeren Rats in Rothenburg nachgewiesen30 und stirbt 1479 oder 148031; sein Epitaph in der St. Jakobskirche ist verloren32. Michael Fürbringer (Bruder des Sigmund?) ist bis jetzt 1452 bis 1469 nachgewiesen33 und starb in Rothenburg wohl 147134. — Der Nürnberger Faktor Hans Lauber nimmt 1448 für Sigmund Fürbringer 100 fl (20), für Michael Fürbringer zu unbestimmter Zeit (vor 1458) 62 fl ein (33); es ist unsicher, ob damit Wollgeschäfte abgewickelt worden sind. 2. Hans Gundlach Er war Mitglied des Inneren Rats 1451 bis 1507, Steuerer 1454—1506, oftmals Bürgermeister (1459, 1464 — 78, 1483 — 86, 1490—94, 1499 — 1505) und Inhaber 27 1410 Januar 17: Die Brüder Hans, Peter und Jörg die Fürbringer, Bürger zu Rothenburg; Hauptstaatsarchiv München, Ritterorden U 5391. 28 Aloys Schulte (wie Anm. 9); W. Schnyder, Handel und Verkehr über die Bündner Pässe im Mittelalter zwischen Deutschland, der Schweiz und Oberitalien, Band I, Zürich 1973, S. 170 f., 195 ff., 218. 29 Georgii, Uffenheimische Nebenstunden II (1754) S. 16 ff.; Staatsarchiv Nürnberg, Oberamt Uffenheim U 193, 363. 30 Stadtarchiv Rothenburg B 186a (Ratswahlbuch). 31 Totengeläut 1479/80: Stadtarchiv Rothenburg R 362 fol. 146 (St. Jakobsrechnungen). 32 Dietrich Lutz, Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber (= Deutsche Inschriften 15. Band, München 1976), S. 63 Nr. 150. - Vgl. dazu das Metallwappen der Fürbringer (sprin­ gender Windhund) in der Franziskanerkirche: Anton Ress, Die Kunstdenkmäler von Mittel­ franken VIII, Stadt Rothenburg o. d. T., Kirchliche Bauten, S. 286 Nr. 78, mit Abb. 218. 33 Leibgedingsquittungen: Stadtarchiv Bad Windsheim E 302. 34 Totengeläut und Grablege 1471/72: Stadtarchiv Rothenburg R 362 fol. 43', 44 (St. Jakobsrech­ nungen).

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vieler Ämter35. Verheiratet mit Barbara Kolb; gestorben wohl 150736. — 1455 zahlen ihm und (Konrad) Öffner (als Gesellschafter?) Nürnberger Schuldner 7 fl weniger 15 d (30); es bleibt unsicher, ob damit Wollgeschäfte abgewickelt wurden. 3. NN Hass Über ihn sind bisher keine genaueren Angaben möglich. — 1462 bezahlt ihm der Nürnberger Färber Hans Kantengießer 4V2 fl (37), so daß seine Beteiligung an einem Wollgeschäft wahrscheinlich ist. 4. Georg Heberling Er war 1460 bis 1483 Mitglied des Äußeres Rats und starb um 14 8 337. - Mög­ licherweise ist der Heberling ohne Vornamen, der 1448 100 fl Ausstände in Nürnberg zu verbuchen hat (20), eine Generation früher anzusetzen; auch ist nicht sicher, ob er mit Wolle gehandelt hat. 5. Martin und Endres Kaiser Über dieses Brüderpaar ist bis jetzt nichts bekannt. — 1449 verkaufen sie 2 Zentner 84 Pfund Wolle nach Nürnberg (48). 6. NN Kumpf Er stammt aus einem Windsheimer Patriziergeschlecht; Peter Kumpf, der seit 1396 als Rothenburger Bürger nachweisbar ist38, war vielleicht der Sohn des gleichnamigen Windsheimer Ratsmitglieds, der von 1384 bis 1394 urkundlich erwähnt wird39; ob er mit dem 1403 als Bürger zu Nürnberg nachweisbaren Peter Kumpf40 identisch ist, kann derzeit nicht bewiesen werden. — Für uns ist ein Nachkomme mit unbekanntem Vornamen wichtig, der zwischen 1448 und 1456 häufiger Geschäftspartner von Nürnberger Färbern, demnach zweifellos Lieferant von Wolle war (20, 22—24, 26, 28, 31—33). Wahrscheinlich war er der Vater des Hans Kumpf, der 1460 bis 1464 äußerer Baumeister, 1460—1472 35 Stadtarchiv Rothenburg B 186, 186a (Ratswahlbücher). 36 Testament 1507: Stadtarchiv Rothenburg B 259 fol. 95; Schrag’sches Wappen- und Familien­ buch I S. 365. 37 Stadtarchiv Rothenburg B 186a (Ratswahlbuch). 38 Werner Schultheiß, Urkundenbuch der Reichsstadt Windsheim von 791 — 1400 (= Veröffent­ lichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte III/4), Würzburg 1963, Nr. 649 und 690 (1396); Staatsarchiv Würzburg, Würzburger Lehenbuch 8 fol. 27, 92 (1396); Jahrtagsstiftung im Dominikanerinnenkloster Rothenburg (vor 1405): Staatsarchiv Nürnberg, Rentamt Rothen­ burg 512 fol. 8. 39 Schultheiß (s. Anm. 38), Register S. 362. 40 Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 21/1 (1871) S. 53 f.

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Seemeister, 1465 ff. Mitglied des Inneren Rats, 1471 — 1484 innerer Baumeister war, weitere Ämter innehatte und um 1484 starb41. 7. Konrad und (Hieronymus?) Offner Dieses aus dem Niederadel stammende, seit dem 14. Jahrhundert in Rothen­ burg ansässige Geschlecht scheint zu den geschäftstüchtigsten Rothenburger grundbesitzenden und handeltreibenden Familien zu gehören. Das beweist u. a. das älteste Rothenburger Geschäftsbuch des Hans Offner 1384—138842, in dem er, neben grundherrschaftlichen Einkünften, bereits umfangreiche Wollankäufe notiert und sich dadurch als Wollhändler erweist. Sein Sohn (oder Enkel?) Konrad Öffner setzt diese systematische Buchführung fort. Sein Geschäftsbuch 1449 bis 147343 enthält eine Fülle von Notizen über Wollgeschäfte. Die Nürnberg betreffenden Stellen sind im Anhang A wiedergegeben. — Konrad Öffner ist seit 1442 als Mitglied des Äußeren, 1446—1478 des Inneren Rats, 1463, 1468 und 1474 als Bürgermeister nachweisbar; außerdem hatte er eine Fülle verschiedener Ämter inne44. Seine erste Frau Anna Sorg (f 1453) brachte ihm das Gut Burgstall (über der Schandtauber) zu; dort wurde schon immer (bis heute!) eine große Schafherde gehalten. Als zweite Frau heiratete er 1458 Veronika von Heuchlingen, Witwe des Rothenburger Patriziers Heinrich Werntzer45. Er starb am Sonntag vor Michaelis 1483 (nach Schräg) oder I48646. — Neben den in seinem Geschäftsbuch verzeichneten Wollverkäufen nach Nürnberg 1456—1463 (1 — 15) kommt er auch in den Kor­ respondenzen der Rothenburger Faktoren in Nürnberg zwischen 1447 und 1469 häufig vor; zumeist werden auch hier Wollgeschäfte abgewickelt (19, 20, 30, 34—36, 38—40), aber auch Verkauf von Schafen an Nürnberger Metzger werden erwähnt (39); einmal tauchen auch Geschäftsverbindungen mit einem Bierbrauer auf, was auf den Verkauf von Braugerste schließen läßt (40). Zur Abrechnung mit den Nürnberger Färbern schickt er 1461 bis 1463 mehrmals seinen Sohn Wilhelm nach Nürnberg (4,10, 13). 1467/68 treibt sein Schwieger­ sohn Sebolt Hornburg ausstehende Schulden in Nürnberg ein (39). — Nach dem Tode Konrad Öffners setzte gegen Ende des 15. Jahrhunderts wohl einer seiner Sohne (vielleicht Hieronymus Öffner) die Geschäfte mit Nürnberger Handwerkern fort (1497: 42).

41 Stadtarchiv Rothenburg B 186 (Ratswahlbuch). 42 Stadtarchiv Rothenburg A 780 fol. 1-13. 43 Stadtarchiv Rothenburg A 798; beide Geschäftsbücher werden vom Verfasser zur Edition vor­ bereitet. 44 Stadtarchiv Rothenburg B 186a (Ratswahlbuch). 45 Stadtarchiv Rothenburg, Schräg (s. Anm. 36) I S. 896. 46 Nach verlorenem Epitaph in St. Jakob: Lutz (s. Anm. 32) S. 47 Nr. 110.

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8. Heinrich und Michael Otnat Heinrich Otnat stammt aus einer Familie, die 1378 (mit Hermann Otnat) aus dem Umland (Gailnau) in die Stadt zog und in der nächsten Generation (mit Heinrich Otnat) in den äußeren Rat gelangte. Er hatte zwischen 1451 und 1455 umfangreiche Geschäftsverbindungen mit den Nürnberger Färbern, wie aus den Korrespondenzen mit den Rothenburger Faktoren hervorgeht (16, 18, 15, 18). Aber schon wesentlich früher (1434) bewies er seine Nürnberger Bezie­ hungen, indem er eine Schuldurkunde von vier Rothenburger Färbern über 152 fl für schwarze Wolle gegenüber dem Nürnberger Herman Taschner bezeugt (43). — Heinrichs Sohn Michael wurde (auch dies ein deutliches Zei­ chen sozialen Aufstiegs) zu gelehrten Studien auf Universitäten geschickt, erwarb den Titel eines Magisters der sieben freien Künste und eines Baccalaureus der beiden Rechte; er sollte demnach die juristische Laufbahn einschlagen, vielleicht aber auch eine höhere geistliche Pfründe oder Stellung anstreben. Durch den Tod seines Vaters (vermutlich um 1458) wurde diese Karriere unterbrochen. Er übernahm das väterliche Geschäft in Rothenburg, das neben einem beachtlichen Grundbesitz bereits einen ausgedehnten Handel mit Getreide, Wein und Wolle beinhaltete. Michael Otnat baute in den folgenden Jahren besonders den Wollhandel planmäßig aus und entwickelte ihn zum gewinnbringendsten Hauptbestandteil seines Geschäfts. Gegen Ende des Jahres 1487 hatte er einen Schlaganfall; am 9. Juni 1488 starb er. Sein großes Vermögen fiel (durch Testament vom 26. Mai 1488) fast ganz an die Stadt. — Michael Otnats Wollhandel zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß er sich als Geldgeber für die Schafhalter einer weiten Umgebung (vorwiegend in den Alt­ landkreisen Uffenheim, Ochsenfurt, Crailsheim, Mergentheim und Rothen­ burg) anbot und sich an deren Ertrag beteiligte. Auf diese Weise kaufte er jähr­ lich zwischen 100 und 150 Zentner Wolle auf und verkaufte sie mit einer Gewinnspanne von ca. 15 bis 30% an Großabnehmer. Neben Lodenweber in Rothenburg selbst waren es vor allem die Färber von Dinkelsbühl, die zu seinen Geschäftspartnern gehörten. In Nürnberg scheint er sich (1463) nur indirekt geschäftlich betätigt zu haben. — Für die Kenntnis des Rothenburger Wollhandels in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts sind seine erhaltenen Geschäftsaufzeichnungen47 von unschätzbarem Wert. Für die Rothenburger Baugeschichte ist er als Initiator des Baus der St. Wolfgangskirche vor dem Klingentor (als Kirche einer von ihm gegründeten Schäferbruderschaft) von besonderer Bedeutung48. 47 Stadtarchiv Rothenburg A 783. 48 Ludwig Schnurrer, Die St. Wolfgangskirche in Rothenburg o. d. T. Schaftzucht, Wollhandel und Schäferbruderschaft und ihr Einfluß auf die Entstehung einer spätmittelalterlichen Kirche; in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 48 (1986) S. 431—465 (wiederholt in: Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg 1985/86 S. 41-96); darin (S. 432 ff. bzw. S. 45 f.) weitere Angaben zur Person Michael Otnats.

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9. Hans Prechter Er war Mitglied des Inneren Rats 1451 bis 1461, Amtmann im Gau und Äußerer Bürgermeister 1460 und ist um 1461 gestorben49. Nach unsicherer Überlieferung50 heiratete er Anna, die Tochter des Hans Fürbringer (s. oben unter Nr. 1), die ihm den Wildenhof bei Kirnberg51 und den abgegangenen Hof zu Fuchsstatt (zwischen Habelsee und Gumpelshofen) zubrachte. — 1444 zahlen ihm die Nürnberger Färber 55 fl und bitten um Zahlungsaufschub über 21V4 fl (18); damit ist seine Beteiligung am Wollhandel erwiesen. 10. Gottfried (Götz) vom Rein Diese wohl aus dem Niederadel stammende Rothenburger Familie, die 1429 beträchtliche Mengen von Wolle nach Oberitalien lieferte52 und wohl auch in ihrem Wappen (Schaf) ihre Verbundenheit mit Schafzucht und Wollhandel dokumentierte, ist bis jetzt nur einmal, und sehr indirekt, bei Geschäften mit Nürnberg nachweisbar: 1434 bezeugt Gottfried vom Rein (neben dem eben­ falls als Wollhändler tätigen Heinrich Otnat, s. oben Nr. 8) eine Schuld­ urkunde von vier Rothenburger Färbern gegenüber Hermann Taschner, Bürger zu Nürnberg, über 152 fl für schwarze Wolle (43). 11. Heinrich Spelt (Spelter) Über ihn ist bis jetzt wenig bekannt. Der Gleichnamige (Spelter), dem 1409 Wein im Wert von 70 fl räuberisch weggenommen werden53, ist vielleicht sein Vater; der Vorfall beweist jedenfalls die Handelstätigkeit der Familie. Sonst ist bis jetzt nur ein Gültkauf des (wohl jüngeren) Heinrich Spelt zu 1445 nach­ weisbar54. — 1455 verkauft er größere Mengen Wolle an die Nürnberger Färber und nimmt von ihnen ratenweise 356 fl ein (27—30); der Nürnberger Faktor Hans Lauber tätigt im gleichen Jahr wohl Einkäufe für ihn (29). 1462 wickelt er weitere Geschäfte in Nürnberg ab, darunter den Verkauf von Schafen an einen Metzger (37, 38). 1467 schließlich bekommt er Zahlungen in Nürnberg in Höhe von 250 fl, die er offenbar selbst in Nürnberg entgegennimmt (39).

49 Stadtarchiv Rothenburg B 186, 186a (Ratswahlbücher). 50 Stadtarchiv Rothenburg, Schräg (s. Anm. 36) I S. 269. 51 Anton Müller, Kirnberg, Chronik eines fränkischen Dorfes, Bockenfeld/Rothenburg 1985, S. 254. 52 Schulte (s. Anm. 9) I S. 574, 661; II S. 141 f. Nr. 211, 213-224: Konrad und Johannes Royn. 53 Stadtarchiv Rothenburg B 27 (Albrechts Annalen) ad 1409. 54 Stadtarchiv Rothenburg U 752.

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12. Das Rothenburger Spital Die Rothenburger Spitalökonomie unterhielt im 15. Jahrhundert eine große Schafherde55 von durchschnittlich 900 bis 1000 Schafen, Hammeln und Läm­ mern. Sie überwinterten in drei großen Schafscheunen, auf dem Schandhof an der Schandtauber, auf dem Spitalhof in Schöngras (zwischen Spielbach und Leuzendorf) und einem Schafhof in Arzbach (bei Erzberg). Die Wollerträge wurden gegen Ende des 15. Jahrhunderts vorwiegend an die Dinkelsbühler Tuchmacher verkauft; Masthämmel wurden dagegen zwischen 1489 und 1492 in beträchtlicher Zahl (insgesamt 601 Stück) an Nürnberger Metzger verkauft (41, 49-55). Anhang Quellen zu den Woll- und Schlachtschafverkaufen von Rothenburg nach Nürnberg

Vorbemerkung: Die von Konrad Öffner offenbar eigenhändig geschriebenen Einträge in seinem Geschäftsbuch (Abteilung A) enthält eine Reihe sehr eigenwillig ortho­ graphisch gestalteter Wörter; hier eine Auswahl der am wenigsten verständ­ lichen Schreibweisen: broch, brot ferreget gelet geseick knet mat säten sulch sultich

= = = = = = = = =

brocht (brachte, gebracht) verrechnet gelegt geschickt Knecht macht Schaden Schuld schuldig

A. Aus dem Geschäftsbuch des Konrad Öffner von Rothenburg (Stadtarchiv Rothenburg A 798) [1] (1456) Item \27x/i fl tenetur Hans Kantengiser der ferber zu Nurenberg umb 15 Zentner alder wolen, sol er bezalen uf sant Walburch dag (1456 Mai 1), des ich ein brif hon, im 56 jor.— Item 100 fl dedit der Kanengiser zu Nurenberg an seiner sulch; aber 8 fl hot mir brot Serg der kursner. (fol. 123)

55 Eine Untersuchung der Schafhaltung des Rothenburger Spitals im ausgehenden Mittelalter ist vom Verfasser in Vorbereitung.

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[2] (1458/59) Item 100 fl hab(en) mir geben dy ferber zu Nurenberg, hab ich eyn genumen von den Steurer zu Rotenburg am freit dag noch sant Lorenczen dag im 58 jor (1458 August 11); aber 100 fl haben si geben Kraft furmon geben fon mein weg(en) am samst dag for sant Meichelstat (1458 September 23); aber 75 fl haben sy geben Kraf(t) furman, haben mir geben dy Steurer an sant Feicz dag (1459 Juni 15). (fol. 126') [3] (1457) Item 19 Zentner wolen, kumt 1 Zentner umb on eyn irt (!) 9 fl, mat an einer sumb 166 fl ein ort eins gülden, tenetur Hans Kandelgiser, sol er bezalen in Norling mes on säten der ferber zu Nurenberg. — Item bezalt; aber 60 fl haben sy gelet zu dem Kantengieser, di sein mir bezalt woren; aber 70 fl haben sy geben Jor(g) Ogen, dy sein mir bezalt woren. (fol. 126 ) [4] (1458/61) Item 13 Zentner wollen tenetur der Kantengieser zu Nurenberg; hab im geseick am ment dag for sant Jochobdag im 58 jor (1458 Juli 24); vy ich dy ander wolen geib, als sol er die auch gelten; kumt eyn Zentner wolen umb 8V2 fl, mat an eyner sumb IIOV2 fl, des ich eyn brif han. - Item 29 fl hot mir geben der Kantgiser an seiner sulch, dy er mir sultich ist, an sant Wlreich dag im 59 jor (1459 Juli 4); aber 70 fl hot er mir geben 9 fl 1 ort 24 d meit Wilhem [Schlüsselfelder? oder Öffners Sohn? vgl. Nr. 10], fer reget zu meytfasten im 61 jor (1461 März 15). (fol. 129) [5] (1459) Item 12V2 Zentner 35 lb wolen tenetur Hans Kantengiser der ferber zu Nurenberck, brot im Kraft für man am dunstersdag for dem oberst dag im 59 jor (1459 Januar 4); kumt eyn Zentner wolen umb 8 fl, mat an eyner sumb 100 fl myner eins gülden, (fol. 129) [6] (1459/61) Item 956 fl tenentur Hans Kantengiser, Meichel Slawrspach, Heincz Ampffer, Cuncz Gabler, Heincz Reiter, Hans Franckenstein, Roddolf Gaulnhofer; di sulch solen si bezalen das erst dritdeyl uf das hochwirdigen heyligthums veysung zu Nurenberg, den ander dreitdeil uf sant Jochob dag, den leczten dreitdeil uf sant Bartelmewsdag im 59 jor. — Item 325 fl haben mir geben dy ferber zu Nurenberg an ir sulch, haben si gelet zu dem Wilhem Slusselfelder, dy hab ich losen eynnemen dochter Knoren fon meyn wegen an sant Jochob dag im 60 jor (1460 Juli 25); aber 17 fl hot mir geben der alt Krenczse; aber 111 fl hot geben der Slewchelfeler ein stewrer, dy hab ich en genumen am meitwochen noch sant Meichels dag (1460 Oktober 1); aber 75 fl hot eynen genumen der Sulchelfeler an sant Mertdes dag (1460 November 11) von der seuter wegen, dy hab ich geben Hajm den juden fon Kreczerin wegen; aber 13 fl hab(en) mir geben dy stewrer; aber 42 fl hab(en) si geben dem Sluchelfeler, hab ich einnumen fon stewer; aber hot mir geben der Kantengeiser 36V2 fl in oster feirer dagen (1461 April 5); aber 254 fl hab ich eingenumen fon den stewrer am dynst dag for pfinsten (1461 Mai 19); aber 79 fl hot eyn genumen der Schuldfeleder fon mein wegen; aber 3V2 fl hot eyn genumen Wilhem. (fol. 130 ) [7] (1461) Item 4 zenner alter swarczer vollen tenetur Hanns Kandelgyßer, hot er ein gesyckt gelamß hut; für ein zenntner sol er geben 7 gülden on ein ort. (fol. 134 )

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Ludwig Schnurrer [8] (1462) Item 26 gülden tenetur der Schlussenfelder, hot im der Kandelgysßer ein gelegt von 4 zenntner swarczer wollen wegen; dedit 10 gülden an dem heiligen jars abent anno 62 (1462 Dezember 31). (fol. 135 ) [9] (1461) Item 102 gülden tenetur Hanns Kandelgysser czu Nurenberck, mit im gerechet in osterfeyertagen im 61 jor (1461 April 5). Dedit 100 on einen gülden am sunntag noch dem uffer tag (1461 Mai 17), brocht sein hawsfraw; dedit aber 9 lb für latten negel; dedit aber 1 fl für seyden meiner hauß frawen. (fol. 136) [10] (1461/62) Item 14 zenntner weysser wollen und 1 Zentner swarczer wollen tenetur Hanns Kandelgysser zu Nurenberck, hon im gewerdt am dinstag vor unsers herrn fronleichnam tag im 61 (1461 Juni 2). — Item 100 gülden und 72 d dedit der Kantelgieser, hat er mit Wilhelm, meinem sun, zu Nuremberg verrechet am freytag vor sant Kathrin tag im 61 (1461 November 20) und mir des ein rechen cetel über antwurt. — Item 9 centner wollen hab ich geschickt dem Kantelgießer bey Krafften dem furman, sol er mir betzalen, wie ich die andern geben wurd. Actum feri tercia post Erhardi anno etc. 62 (1462 Januar 12). Dedit daran 70 gülden und 72 d mir selber und aber 30 gülden, hat er geben dem Slusselfelder, die hab ich von den stewrern ingenomen, als er das mit Wilhalm meinem sun verrechet und des mir ein rechen cetel zugeschickt hat am freytag vor sant Katherin tag im 61 jar (1461 November 20). — Aber hat er geben 54 V2 gülden 57 lb und 20 d, als mir der brief und rechen cetel von im zukumen sein am mitwochen nach Nerey und Achilley im 62 iar (1462 Mai 19). (fol. 136—136 ) [11] (1462) Item 25 gülden tenetur Hanns Kantelgießer an 24 centner wollen, die ich im gewert hab ut supra an sant Peter und Pauls tag im 62 iar (1462 Juni 29); aber 29 fl dedit mir der Kantengiser zu Nurenberg an sant Jochob dag (1462 Juli 25). (fol. 137) [12] (1462) Item 12 Zentner alter wollen, 1 Zentner lompwol tenetur der Kantengiser zu Nurenberg, hat im gesick am ment dag for des heylen krewcz dag am herst im 62 jor (1462 September 13). (fol. 137)

[13] (1463) Item ich hab Hannsen Kandelgiesser zu Nuremberg gewert und geben 37 Zentner wollen, den Zentner für 9 gülden, facit an einer summ 333 gülden. Item darum hat er mir betzalt 151 gülden V2 ort 10 lb 13 d, abgerechet uff die letzsten schrifft, die her Steffan Schewh und der Kandelgiesser mir gethun haben am dins­ tag nach Invocavit anno 63 (1463 März 1); aber 10 fl hot mir geben Fricz des Sulchelfel knet zu Nurenberg, sol im der Kanten giser zu Nurenberg wider geben am wnser frauen dag der kundwng in der fasten (1463 März 25); aber lxh gülden umb ein kulwemynne kursen und umb ein praun schilher meiner frawn in der fasten; aber V2 fl Wilhelm meinem sun zu zerung eodem tempore. — Item 10 baar bant, ein baar umb 10 d; aber 12 d um bant negel; aber 6 eien pruchiß tuchß umb 8 gülden 1 ort; aber 6 lb feygen, 1 lb um 11 d; aber 3 sturtz, kumpt einer um 15 d; aber 4 lb für mandel; aber 3 lb reyß umb 60 d; aber 2 lb für veinber; aber 59 d um ein stock fisch; aber 10 lb 7 d in die appotecen; aber 1 gülden 40 d für zukerhutt; aber 3 lb mandels, ein lb für 30 d; aber 1 gülden um negel; aber 13 groß um pfend. (fol. 137')

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[14] (1461) Item 128 hemel hot gekauut (!) Armaurs knecht von Nurenberck, ein hamei umb 4V2 lb, und sol im 3 hemel dorein gebeur. - Dedit 61 lb am fereytag vor sant Weyten tag (1461 Juni 12); dedit aber 100 lb am mitwochen noch sant Weytßtag (1461 Juni 17); dedit aber IV2 lb altera die (1461 Juni 18); dedit aber 400 lb, broch Krafft sun am samßtag vor jocobi (1461 Juli 18); ist bezalt. Summa 650 lb und 12 V2 lb. (fol. 138) [15] (1461) Item 190 fl 3 V2 lb dedit der Kantengeiser (!); aber 6 fl hot myr geben Steffan Heiten; aber 50 gülden hot er ein gelegt zu Sluselfelder, hab ich ein genumen von dem Steuer zu Rotenburg; aber 30 gülden hot mir geben Steffan Heiden; aber 4 eien suarcz dugß; aber 4 lb hot mir (geben) Beckerin von sein wegen um 38 groß; aber 2 eien zwilerß 15 groß; item 17 groß um halp negel; aber 1 gülden 16 d um 10 schinen eysen. (fol. 138) B. Urkunde [16] 1451 September 3 Dietel Ewgel und seine Frau Margreth, Heintz Ganpffer und seine Frau Elßbeth, Heintz Reytter und seine Frau Barbara, Hans Franckenstein und seine Frau Kathrein, alle Bürger zu Nuremberg, schulden gemeinsam dem Heinrich Otnat, Bürger zu Rotenburg, 1012V4 fl für 127 Zentner 76 Pfund „flemmischer“ Wolle, der Zentner für 73A fl („und kumpt die selbe wollen alle tzweyer gülden neher“), zu zahlen in drei Raten auf „des hochwirdigen keyserlichen heyligthums zeygung“, auf Nordlinger Messe und auf der Rothenburger Andreasmesse. Die genannten Frauen verpflichten sich, mit ihrem Gut für die Bezahlung dieser Schuld einzustehen. „Redlicher“ Schaden, der aus dieser Schuldverpflichtung ent­ steht, soll ersetzt werden. — Siegler: Burckhart Pesler und Hans Lauber, beide Bürger zu Nuremberg. — . . . der (geben) ist am nechsten freitag nach sant Gilgen tag des heyligen peichtigers . . . Eintrag in einer Formularsammlung des Michael Otnat aus Rothenburg (nach 1465) unter der Überschrift „Nurenberg“: Stadtarchiv Rothenburg A 783 fol. 138'. C. Brief [17] 1463 Dezember 28 Eberhart Rödel, Bürger zu Nürmberg, an Michel Otnat zu Rotenburg: Contz Renckhals von Awrnhoffen hat ihn (Aussteller) gebeten, seine Wolle dem Otnat zu überlassen, der ihm Geld darauf leihen solle. Er (Aussteller) gestattet dies und verbürgt sich für 80 fl. — Siegel: Aussteller (gewonliche petschit). — Geben an der lieben kindleintag . . . Ausfertigung Papier, mit Adresse und Spuren des Verschlußsiegels rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg A 1169 fol. 69.

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D. Aus der Korrespondenz der rothenburgischen Faktoren in Nürnberg mit Rothenburg [18] 1444 März 12 Hans Lawber (zu Nürnberg) an Hans Prechter (zu Rothenburg): . Nu haben mich dy ferber gebeten, daz ich dy selben 55 fl uff ir weknis euch schiken schol, daz wil ich dun, so ich aller schirist mag etc. Nu sein sy euch noch 21 gülden 1 ort (schuldig), biten sye euch, daz ir uff mitfasten ein weschel darauff macht, so wollen sy unverzogenlich daz auß richten, wan in 10 jaren in allen nye so hert ist gelegen mit gewant zu verkawffen hie umb, must ir ein mitle(i)den haben, wan sy dem Otnat zu dissem mol auch schuldig ple(i)ben, dem konen sy gar niczit geben uns uff daz helthum, und biten euch, daz ir dem Otnat niczit darvon sagen wolt, daz sy euch iczund gelt geben haben etc. Datum am dunderstag vor Ok(u)ly 44.“ Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/47. [19] 1447 Dezember 26 Hans Lawber (zu Nürnberg) an seinen Schwiegervater Hans Bermoter (zu Ro­ thenburg): „. . . Ich dun euch zu wissen, daz ich etwas gelcz ein genumen han von wegen dez Chuntz Öffners wegen, mit namen 284 gülden, daz ist geschehen zwissen mit­ fasten und Walburgis nest vergangen im 47. jor. Von der sum hon ich wider auß geben, als daz zetellin klerlich auß weiset. Nu hat Offner ein stost (= Stoß, Streit?) mit den selbigen schuldiger(n), von den ich sulch gelt den pfanen (= empfangen) hab umb 20 gülden; bit ich euch, ir wollet von dem Offner eigenlich vernemen, woran der hafft sey, wan mir sulch ein nemen und auß geben nit feit. Solt ich dan umb dy 20 gülden körnen, geschehe mir gar ungutlich . . .“ — Stephanstag 47. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/60. [20] 1448 Januar 8 Hans Lawber (zu Nürnberg) an Heinrich Schultheiß, Hans Bermoter und Hans Kisling (Steurer zu Rothenburg): „. . . Auch wist, daz ich von dez Kumpfen wegen 62V2 gülden eingenomen han, und 100 gülden han ich von dem Sigmunt Furpringer; 100 gülden hat mir der Kißheger (?) versprochen für den Heberling zu geben . . . Auch bit ich euch gar freuntlich, ir wollet so wol dun und mit dem Offner einig werden umb dy 20 gülden, wan er dut den ferbern gut (?) jedan (?).“ — Montag nach Obersten. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/61. [21] 1448 Februar 24 Hans Lawber (zu Nürnberg) an Heinrich Schultheiß zu Rothenburg: „. . . Wist, daz mir dy ferber furgeboten haben als von den 20 gülden wegen, so ir denn wol wist, wie und an welchen Stuken ich dy auß geben han; bit ich euch, ir wolt mich ledig machen, wan mir gar ungutlichen gescheh ..." — Samstag vor Oculi.

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Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/63. [22] 1453 Mai 24 Abrechnung des Hans Lawber (zu Nürnberg) mit den Steurern zu Rothenburg. . . Daz hon ich ein genumen seit der nesten rechen(un)g . . . Item 30 gülden gab mir Hans Kandelgisser, gehören dem Kumpffen. Item 40 gülden gab mir Albrecht Vischer, gehören dem Kumpffen. Item 40 gülden gab mir Hans Prener, gehören dem Kumpfen . . .“ — Donnerstag nach Pfingsten. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/69. [23] 1453 Juli 12 Abrechnung des Hans Lawber (zu Nürnberg mit den Steurern zu Rothenburg): „. . . Item dor noch hon ich ein genomen von dem Hans Kandelgisser 28 gülden, gehören dem Kumpffen, an sand Margreten obent anno im 53. jar.“ Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/71. [24] 1454 Mai 13-24 Abrechnung des Hans Lawber (von Nürnberg) mit Rothenburg: „. . . Item ich hon ein genumen von den verbern zu Nuremberg. Item 40 gülden zu dem Hans Kandelgiesser. Item 30 gülden zu dem Albrecht Fiescher. Item 30 gülden zu dem Fricz Proner, am mantag noch Bangrazi im 54. jor. Item 87 gülden gab mir Krafft furman am suntag noch Bangrazi. Item 22 gülden gab mir Jost Hawg ein ferber am freitag vor Vrbany, gehört auch dem Kumpffen im 54. jor. . . .“ Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/72. [25] 1454 Juni 3 Hans Lawber (von Nürnberg) quittiert dem Heinct Reter und dem Hans Frankenste(i)n die Bezahlung von 40 fl, die dem Otnat zu Rothenburg gehören; „die gebt im do heimen wieder“. — Montag vor Pfingsten. Ausfertigung Papier, ohne Siegel, in der Handschrift Lawbers: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/73. [26] 1454 Juli 6 Abrechnung des Hans Lawber (von Nürnberg) mit Rothenburg: „. . . Item Hans Kandelgisser, Jost Hawg, Albrecht Fiescher, Fricz Pruner haben mir geben 70 gülden am samstag vor sand Margreten tag im 54. jor, daz gehört dem Kumpffen, dez begeren si einer qwidanczen von im . . .“ Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/75. [27] 1455 März 13 Hans Lawber (von Nürnberg) an die Steurer zu Rothenburg: „. . . So ich nest bei dem Krafft verschriben han, wi daz mein veter Endres Lawber 132 gülden meinem sweher zu Win geliehen hab, der selben sum han ich 101 gülden eingenumen von den ferbern, gehören dem Spelten ..." — Donnerstag vor Letare. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leibge­ dingsakten III/76. 59

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[28] 1455 Mai 8 Abrechnung des Hans Lawber (von Nürnberg) mit Rothenburg: . Item daz heir (= hier) noch geschriben hon ich ein genumen; zum ersten Item 50 gülden gab Hans Kandelgisser, dy gehören dem Kumpffen. Item 58 gülden gab aber der Kandelgisser, dy gehorn dem Otnot. Item 42 gülden gab Albrecht Fiescher, dy gehören dem Kumpffen. Item 22 gülden gab Fricz Pruner, gehören dem Kumpffen. Item 30 fl gab Heincz Reter, gehören dem Spelten. Item 30 fl gab Chuncz Reter, gehören auch dem Spelten . . .“ Donnerstag nach dem Kreuztag. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/79. [29] 1455 Mai 8 Abrechnung des Hans Lawber (zu Nürnberg) mit Rothenburg: „Was ich seit der nesten rechenung ein genumen hab, donderstag nach dez helgen creutz tag . . . Item 30 gülden gab mir Hans Frankenstain, gehören dem Spelten. Item 29 gülden gab mir der Spelt, am freitag noch Vrbani . . .“ Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/80. [30] 1455 September 8 Abrechnung des Hans Lawber (von Nürnberg) (adressiert an seinen Schwieger­ vater Hans Bermoter zu Rothenburg): „. . . Item mer 7 fl minus 15 dn hon ich dem Sewolt Lawber geben für den Gun­ lach und den Offner, der het ich vergessen in die nesten rechenung zu schreiben. . . . Was ich von euren wegen inne hab . . . Item 165 fl hon ich von den ferbern ein genumen, di dem Spelten zu sten. Item als er sein rechenung secztse, pliben si im noch 17V2 gülden (schuldig), der kan ich nit ein pringen ..." Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/81. [31] 1456 Mai 21 Hans Lawber (von Nürnberg) an seinen Schwiegervater Hans Bermoter in Rotenbürg:

„. . . die ferber vermain(en), si wolten mir in kurcz etwaß gelcz von dez Kumpffen wegen geben, weiß ich nit, ob daz eur gevallen sei, daz lost mich wissen . . — Freitag vor Trinitatis. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leib­ gedingsakten III/92. [32] 1456 November 20 Abrechnung des Hans Lawber (von Nürnberg) mit Rothenburg: „. . . Item Hans Hawg hot bezalt 26 gülden, gehören dem Kumpff . . . (Text­ verlust) gab ich dem Kandelgisser ferber 6 gülden, hot er dem Kumpf . . . (Text­ verlust). Item Hans Hawg dedit mer 7 gülden. Item Stettberger dedit 14 gülden, gehören auch dem Kumpffen. 60

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Item Kandelgisser der ferber dedit 3 gülden 4 Üb. 10 dn. . . — Samstag nach Eli­ sabeth. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/93. [33] Ohne Datum (vor 1458, dem Todesjahr des Hans Lauber) Hans Lawber (von Nürnberg) an Rotenburg: . Item so han ich 62 fl von dem Michel Furpringer. Item 20 fl von dem Folkel, solt ir dem Kumpffen auß richten . . - Ohne Datum. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leib­ gedingsakten III/105. [34] 1459 Juni 15 (Wilhelm Schlüsselfelder, Rothenburger Faktor in Nürnberg, an Rothenburg): „Anno domini etc. im 59. jor an sant Veicz dag hab ich ein genomen vom Kandel­ gisser 100 fl, gehören Kunrat Offner zu Rottenburg Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/108. [35] 1460 September 24 Wilhelm Schlusselfeider (von Nürnberg) an Rotenburg: „. . . Mer han ich innen 111 fl, die Kunrat Offner czusten . . — Mittwoch vor Michaelis. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg, Leib­ gedingsakten III/109. [36] 1461 März 6 Abrechnung des Wilhelm Schlüsselfelder (von Nürnberg) mit Rothenburg: „. . . Item dar noch han ich ein genomen von Kunratt Offner wegen 68 fl.“ — Freitag vor Oculi. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/111. [37] 1462 April 12 Abrechnung des Wilhelm Schlüsselfelder (von Nürnberg) mit Rothenburg: „. . . Item dar noch hab ich eingenomen vom Kandelgisser ferber 4V2 fl von des Hassen wegen; ich hab eingenomen von dem Spelt 350 lb, machen in gold 50 fl und 5 lb, ie 6 lb und 27 d für ein fl. . . Mer hab ich eingenomen 60 fl von eins scheffers wegen mit namen Kuncz Renckhalß . . .“ — Montag in der Karwoche. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/113. [38] 1462 Oktober 23 Abrechnung des Wilhelm Schlüsselfelder (von Nürnberg) mit Rothenburg: „. . . Item ich han eingenomen von Kunrat Öffners wegen 415 fl von sein gelttern, den ferbern zw Nwrenberg. Dar noch hatt mir Kunratt Offner geantwortt 190 fl am montag vor Maria Magdalen anno etc. im 62. jar. . . . Dar noch hab ich einge­ nomen von des Spelt wegen 356V2 lb von eim meczler mit namen Armbawrer zu Nwrenberg, do von hab ich czalt 117 lb und 10 d dem Adam Flurher von Kunrat Öffners wegen . . . Mer hab ich czalt dem Kandelgisser ferber ein fl und 43 d umb konfeck ..." — Samstag vor Simonis und Jude. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/114.

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[39] 1467/68 Abrechnung des Caspar Ayl (von Nürnberg) mit Rothenburg. . . 105 gülden han ich eingenomen von Heintzen Spelts wegen von Rotenburg am donerstag nach Kyliani, die mir yn seinem beywesen geantwrt (!) hat der Mekkenloher. 40 gülden han ich ein genomen von Heintzen Spelts wegen in seinem beyweßen von Hannßen Pawcker am freitag nach Kylianitag anno etc. 67 (1467 Juli 10). 200 gülden han ich eingenomen von Erhärt Armbawrer am mitwochen nach sand Jocobs tag (1467 Juli 29), die er mir von Ofners wegen geantburt hat. 50 gülden han ich eingenomen am freitag vor vincula Petri (1467 Juli 31) von Sebolt Hornburg von seins swehers Cunrat Ofners wegen. 79 gülden han ich eingenomen von Hansen Kandelgißer von Ofners wegen, der im Hannß Kromer 29 fl geantburt hat, und Cuntz Wirtin 50 fl. Actum am samstag nach Dionisy anno etc. 67 (1467 Oktober 10) . . . 80 gülden han ich eingenomen des selben tags (sc. montag nach dem heiligen jartag) (1468 Januar 4) auch vom Sebolt Hornburg, die seinem sweher Cunrat Ofners gehörten und zu stunden. 105 gülden han ich eingenomen am sontag nach obersten (1468 Januar 10) von Contz Dawmen und Peter Losei, ferber, von Heintzen Spelts wegen. 50 fl han ich ein genomen von Sebolt Hornburg von Cunrat Ofners wegen am mantag Falitins (!) tag anno domini etc. 68 jar (1468 Februar 14) 20 gülden han ich eingenomen von Sebolt Hornburg von Cunrat Ofners wegen am mitwoch nach Valitini tag anno domini etc. 68. jar (1468 Februar 16) . . . Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/124. [40] 1469 Juli 5 Abrechnung des Niclas Rot (von Nürnberg) mit Rothenburg: “. . . Item mer hab ich enpfangen am montag nach visitacionis Marie von Heym pirpreuen von des Öffners wegen 51 gülden.“ — Eritag nach Visitationis Marie. Ausfertigung Papier: Stadtarchiv Rothenburg, Leibgedingsakten III/128. [41] 1491 Juli 4 Stephan Kawr (von Nürnberg) an die Steuerherrn in Rothenburg: Eberle Milla, Fleischhacker (zu Nürnberg), teilt mit, daß sein Knecht Georg beim Spitalmeister in Rothenburg für 60 fl Schafe gekauft hat, von denen er 8 fl ange­ zahlt hat. Milla hat nun den Rest an ihn (Aussteller) bezahlt; er (Aussteller) bittet um Mitteilung, was mit diesem Geld geschehen soll. — ... an sant Vlrich tag. Ausfertigung Papier, mit Adresse und Spuren des Verschlußsiegels rückwärts: Stadtarchiv Rothenburg A 400 (Nürnberger Faktoren) fol. 94 (s. unten Nr. 54). [42] 1497 Juli 9 Bernhardin Kolb (von Nürnberg) an N. Offner, Bürger zu Rotenburg: teilt ihm mit, daß Wilhelm Schlauerspach für ihn (Empfänger) 42 fl „eingelegt“ hat, und erbittet Auskunft, was er mit diesem Geld tun soll. — Sonntag nach Kiliani. Ausfertigung Papier, mit Adresse rückwärts, ohne Spuren eines Verschlußsiegels: Stadtarchiv Rothenburg A 400 fol. 152.

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E. Aus den Rothenburger Stadtgerichtsbüchern [43] 1434 Dezember 20 Trawt Heckynn, Witwe des Hans Heck, Heintz von Limpurg, Linhart Wunder­ lich und Hans Kretzer, alle Färber und Bürger zu Rotenburg, schulden dem Herman Taschner, Bürger zu Nuremberg, 152 fl für schwarze Wolle, zu bezahlen zur künftigen Andreasmesse (1435, in Rothenburg). — Zeugen: Gotfrid Rein und Heinrich Otneyt. — feria 2. = vigilia Thome. Stadtarchiv Rothenburg B 299 fol. 10. [44] 1439 Februar 6 Claus Vogel von Halle klagt gegen seinen Bruder Kiligan Vogel (Weißgerber), Bürger zu Rotenburg; dieser habe u. a. 27 „tuch von Ach“ für je 12 fl verkauft, die halb ihm (dem Kläger) zustünden. Der Beklagte erklärt, er habe die Tuche an einen von Nürnberg verkauft „uff zyle“; darüber habe er eine Urkunde, „der im und seinem bruder zu einander stunde“. — feria 6. post Purificationis Marie. Stadtarchiv Rothenburg B 299 fol. 248. [45] 1439 Oktober 12 „Elspet Huterynn von Nuremberg, Jobs Grunbergs tochter, hat uff Hegellin behalten mit irem eyde zwey kölnische tuch kölnisch lenge, ein gemenks mit gelben leisten und ein rots, das haben mit ir behalten Gotz Zigler und Contz Speger von Nuremberg, das der brief, den sie dorumb hat, noch un erlöset sey, als sie ir das zu Nuremberg auch haben helffen erwisen. Feria secunda ante Galli 39.“ Stadtarchiv Rothenburg B 299 fol. 273. [46] 1443 Dezember 18 „Hanns Mey, Hanns Schrek et Caspar Hofman expediunt Valentin Eichorn an stat Conrade Engeier von Nuremberg 56V2 gülden, zaln in 14 tagen, coram Wil­ helm Behain (Wernitzer) et Jorg Sehofer; feria quarta ante Thome. Mey expedit Conrade Engeier von Nuremberg 4 tuch zu werben (!) per quindenam. Jorg Hofman expedit Conrade Engeier 4 tuch zu verben per quindenam. Mey et Jorg Hofman recipiunt diem juris gein Conrade Engeier, also das er in ein schrifft schik von Nuremberg, ob er sie des rechten erlossen wolle oder nicht, iglicher um 2 tuch zu verben, und wann die schrift kompt, mögen sie das recht dornach in 14 tagen thon; actum ut supra. Als Valentin Eichorn von wegen Conrade Engeier zugesprochen hat Rotenbach umb 48 lb verrechentz geltz aller sum, doran hat er im bekant 8 tuch zu verben, daran habe er Conrade Engelern geben 15 gülden 40 dn, und umb das uberig hat er das recht gewonnen, als Mey und Jorg Hofman. Actum, testes, die ut supra.“ Stadtarchiv Rothenburg B 300 fol. 26 . [47] 1444 März 2 „Rotenbach expedit Conrade Engeier von Nuremberg 4 gülden, feria secunda post Reminiscere. Jorg Hofman expedit Conrade Engeier 4 tuch zu verben und umb zwey tuch, ist

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im ein recht erteilt, doch mag er sich in 14 tagen darumb vereynen. Vereint er sich aber nicht, so steet es im zu rechten; die ut supra.“ Stadtarchiv Rothenburg B 300 fol. 35 . [48] 1449 Januar 20 „Mertin und Endres Kaiser gebrüder expediunt Mertin Gößweins diener von Nür(emberg) 3 Zentner mynner 16 lb wollen, ye eyn Zentner umb 8V2 gülden. Actum secunda ipsa die sancti Sebastiani anno etc. 49.“ Stadtarchiv Rothenburg B 300 fol. 156 . F. Aus den Rechnungen des Rothenburger Spitals [49] 1489. „Item 84 gülden tenentur Contz Gansser, Hans Leickoff, Mathes Schutz, all vonn Nurmberg, an 312 schoffen verkaufft.“ Stadtarchiv Rothenburg R 1 (Rechnungsmanuale) fol. 293 (s. unten Nr. 51). [50] 1489. „Item 62 gülden dedit Leickoff vonn Nurmberg um 104 schoff.“ Stadtarchiv Rothenburg B 441 fol. 11/2. [51] 1490 August 30. „Item 84 gülden dederunt Hans Leickoff, Mathes Schutz und Conntz Gansser von Nürnberg an schoffen schuld; secunda post Johannis decollacionis.“ Stadtarchiv Rothenburg B 441 fol. 73/1 (s. oben Nr. 49). [52] 1491. „Item 10 gülden dedit Straußen schaffen für Hanns Leickoff zu Nürnberg.“ Stadtarchiv Rothenburg B 441 fol. 74/2. [53] 1491/92. „Item 21V2 gülden tenetur Steffan für Leickoff von Nürnberg um schaff hewrig schuld.“ Stadtarchiv Rothenburg B 441 fol. 129 /1. [54] 1491 Juli 13. „Item 60 gülden dedit Eberlin Mylle von Nürnberg umb 104 hemell, Margrethe virginis.“ Stadtarchiv Rothenburg B 441 fol. 140/1 (s. oben Nr. 41). [55] 1492 Juli 24. „Item 39 gülden 2 ort dederunt Jorg Krauß und Volklein Slawerßbach von Nürnberg umb 81 hemell, in vigilia Jacobi.“ Stadtarchiv Rothenburg B 441 fol. 206.

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HUMANISTISCHE ETHIK UND REICHSSTÄDTISCHE EHRBAR­ KEIT IN NÜRNBERG*

Von Berndt Hamm Humanistische Landschaften und Franken S. 66 — Reichsstädtischer Bürger­ humanismus in Franken S. 70 — Die reichsstädtische Ehrbarkeit S. 73 — Der Humanismus der Ehrbarkeit S. 85 — Die soziale Einbindung der Humanisten: Ämter und Mäzenatentum S. 96 — Patrizierhumanismus? S. 99 — Bildungs­ ideale des Humanismus S. 115 - Humanistische Ethik in Nürnberg S. 122 — Frömmigkeit und Humanismus S. 126 — Neue Aspekte bei Staupitz S. 133 — Reformatorischer Bruch mit dem Humanismus S. 143 Wer den Begriff ,Humanismus* in den Mund nimmt, kann sicher sein, daß er damit eine Fülle von Klischeevorstellungen aufrührt. Einerseits weckt er Kli­ schees von einer säkularen, antireligiösen und frühaufklärerischen Tendenz, von einem umfassenden religiösen, politischen und sozialen Befreiungsstreben, von Individualismus und Selbstbezogenheit des menschlichen Subjekts, von einem Denken, das um die Würde, Freiheit und eudämonistische Lebensver­ wirklichung des seiner selbst gewissen Menschen kreist, Klischees von der Vermenschlichung der Wissenschaften auf die Zentralstellung des Menschen im Kosmos hin und vom neuzeitlichen Transzendenzverlust des bisher (auf mittelalterliche Weise) durch christliche Autoritäten der Frömmigkeit, Theo­ logie und Kirche religiös gebundenen Menschen. Andererseits knüpfen sich an den Humanismusbegriff Klischees vom L’art-pour-Lart-Charakter humanisti­ scher Philologie und Wortdrechselei oder die sich nüchtern und realitätsnah gebende Feststellung, daß der Renaissance-Humanismus überhaupt nichts dominierend Inhaltsbezogenes mit einem programmatischen Menschenbild und einer geistigen Integrationskraft sei, sondern vor allem ein sich in vielfäl­ tige Strömungen und Partikularinteressen zerfaserndes Bündel von formalen sprachlichen Bemühungen um professionell betriebene Grammatik, Rhetorik und Poesie, mit denen sich hier und da in ganz unterschiedlicher Weise bestimmte Aspekte der Weltanschauung verbinden können. Tatsache ist, daß in all diesen Klischees viel Richtiges liegt, daß im Renais­ sance-Humanismus des 14. bis 16. Jahrhunderts eine integrative1, alle Wissens* Eine wesentlich kürzere Vorstufe zur vorliegenden Studie ist unter dem Thema ,Reichsstädti­ scher Humanismus in Nürnberg* in der Festschrift für Lothar Graf zu Dohna erschienen: Reformatio et reformationes, hg. von Andreas Mehl / Wolfgang Christian Schneider, Darm­ stadt (Technische Hochschule) 1989, S. 131 — 193. 1 Vgl. Dieter Wuttke: Humanismus als integrative Kraft. Die Philosophia des deutschen ,Erzhu­ manisten* Conrad Celtis. Eine ikonologische Studie zu programmatischer Graphik Dürers und Burgkmairs, Nürnberg 1985.

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bereiche durchdringende und sich vielgestaltig entfaltende geistige Konzeption von Mensch, Welt und Gott steckt, daß aber zugleich das konkrete und pri­ märe Fundament aller Erscheinungsgestalten dieses Humanismus die Hingabe an die Sprache ist, an das Ideal des — nach dem Vorbild der Sprachkultur antiker Rhetorik — wohlgeformten Redens und Schreibens. Richtig ist auch, daß der Humanismus — trotz aller Beweglichkeit der Humanisten in geogra­ phischer Hinsicht und auf der sozialen Leiter — starke Bindungen an ein kon­ kretes institutionelles/gesellschaftliches/politisches und regionales/lokales Bezugssystem mit seiner spezifischen Atmosphäre, seinen Strukturelementen und Werten besitzt2, z. B. die Bindung an ein bestimmtes Universitätsmilieu in einem bestimmten Fürstentum oder die Bindung an eine bestimmte Gesell­ schaftsschicht in einer ganz speziell geprägten Stadt. Man denke auch an bestimmte Residenzen, Schulen, Klöster mit ihren besonderen Ordenstradi­ tionen oder an humanistische Sodalitäten und vielerlei Einbindungen mehr. Ich möchte nun im folgenden den Versuch einer umrißhaften Klärung des Humanismusbegriffs verbinden mit einem Blick auf den Humanismus in Franken, und zwar speziell auf den reichsstädtischen Humanismus in Nürn­ berg. Methodisch halte ich eine solche Wechselbeziehung zwischen einer vom Stand der Humanismusforschung ausgehenden Begriffsbestimmung und einer von der Regional- und Lokalgeschichte herkommenden Überprüfung, Präzi­ sierung und Materialerweiterung für notwendig und fruchtbar. Allerdings zeigt dieser Aufsatz auch für Nürnberg nicht mehr als skizzenhafte Umrisse.

Humanistische Landschaften und Franken Bekanntlich gab es regionale Verdichtungen der humanistischen Bewegung im Alten Reich des 15. und 16. Jahrhunderts. Es waren auf deutschem Boden besonders drei Gebiete, die zu Ballungszentren der humanistischen Bildungs­ bestrebungen wurden3. Da ist zum einen an den südwestdeutschen Raum zu denken, an die Städtelandschaft zwischen Augsburg, Ulm, Basel, Straßburg und Schlettstadt mit herausragenden Humanistenpersönlichkeiten wie etwa dem Augsburger Ratsschreiber Konrad Peutinger, dem württembergischen Hebraisten Johannes Reuchlin und dem Elsässer Jakob Wimpfeling. In dieser Region verbindet sich der Humanismus der Reichsstadt mit dem der bischöf­ lichen Residenzen (besonders Augsburg und Konstanz) und der Universitäten 2 Dies wird betont von Otto Herding: Über einige Richtungen in der Erforschung des deutschen Humanismus seit etwa 1950, in: Humanismusforschung seit 1945 (= Deutsche Forschungsge­ meinschaft, Kommission für Humanismusforschung, Mitteilung II), Boppard 1975, S. 59-110: 61 f. 3 Vgl. die Wahl der regionalen Schwerpunkte bei Herding ebd. S. 62 ff. Das weit ausstrahlende humanistische Zentrum Wien lassen wir unberücksichtigt, weil von Regionen die Rede sein soll.

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Humanistische Ethik und reichsstädtische Ehrbarkeit

(besonders Tübingen und Basel). Die zweite Landschaft, in der es zu einer außergewöhnlichen Konzentration humanistischer Kräfte kam, war das Gebiet von Sachsen-Thüringen mit seiner Dichte von Universitätsstädten. Muß man im Südwesten des Reiches vom dominierenden Typ eines reichsstädtischen Humanismus sprechen, so begegnet uns in Sachsen und Thüringen vorwiegend ein Universitätshumanismus, der sich in z. T. scharfer Konkurrenz zum tradi­ tionellen scholastischen Lehrbetrieb entfaltet. Zwei Namen sind hier beson­ ders zu nennen: das Haupt des Erfurter Humanistenkreises Konrad Mutian, in dem die humanistische Kirchen- und Kleruskritik ihren schärfsten Ausdruck fand; und Philipp Melanchthon, der 1519 von Tübingen nach Wittenberg gekommen war und hier die zukunftsweisende Synthese von Humanismus und Reformation schuf. Das dritte regionale Zentrum des Humanismus lag schließlich in Franken, dem Verbindungsstück auf der Achse zwischen Südwestdeutschland und Sach­ sen-Thüringen. Man kann ohne Übertreibung sagen, daß Franken durch diese Zwischenlage im Kreuzungsgebiet zwischen dem akademischen Humanismus des Nordostens und dem städtischen Humanismus des Südwestens die Gegend wurde, in der die humanistische Kultur ihren Höhepunkt und ihre Blütezeit im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation erlangte. Man hat Franken etwas übersteigert geradezu die „ideale Heimstätte des Humanismus“ genannt (Andreas Kraus)4. Hier kam es in den Jahrzehnten vor der Reformation zu einem respektablen Residenzenhumanismus, vor allem aber zu einer einzigar­ tigen Blüte des reichsstädtischen Humanismus. Verschiedene begünstigende Umstände spielten dabei eine Rolle, nicht nur die Zwischenlage, die zentrale Lage im Reich, wo sich die Fernhandelsstraßen und die Bildungseinflüsse kreuzten. Keine andere Landschaft gab es in Deutschland, die eine Stadt wie Nürnberg besaß, herausragend eigentlich weniger durch die Tatsache allein, daß es mit seinen über 40.000 Einwohnern als Handels- und Handwerkszentrum Reichtum anhäufen konnte — eine Stadt wie Augsburg übertraf in dieser Hinsicht Nürnberg sogar —, einzigartig viel­ mehr durch die Verquickung von Reichtum, Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Kunst. Nürnberg war zwischen 1490 und 1530 der kulturelle und ideelle Mit­ telpunkt Deutschlands, die Aufbewahrungsstätte der Reichskleinodien und ausgezeichnet durch die wiederholte Präsenz der Habsburgerkaiser, Friedrichs III. und Maximilians I., die sich als Förderer humanistischer Ideale verstanden und einen besonderen nationalen Glanz auf Nürnbergs Humanismus fallen

4 Andreas Kraus: Gestalten und Bildungskräfte des fränkischen Humanismus, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. von Max Spindler, Bd. III/l, S. 556—602: 557. Die Darstellung von Kraus bietet den besten Überblick über den Humanismus in Franken mit guten Literatur­ hinweisen.

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ließen5. Ein Ereignis, das sich vor 500 Jahren in den Mauern Nürnbergs abspielte, rückt uns diese seine glanzvolle humanistische Mittelpunktsrolle im Reich deutlich vor Augen: Am 18. April 1487 wurde Konrad Celtis, ein gebür­ tiger Franke aus Wipfeld bei Schweinfurt, der Inbegriff des gelehrt-humanisti­ schen Poeten, des poeta doctus, von Kaiser Friedrich III. auf der Nürnberger Burg zum Dichter gekrönt6. Bedenkt man, daß diese Verleihung des Dichter­ lorbeers die erste auf dem Boden des deutschen Reiches war, dann wird damit die Sonderstellung Nürnbergs und seiner humanistischen Bewegung noch deutlicher. Humanisten wie Regiomontanus und Cochlaeus scheuten sich daher nicht, Nürnberg als „Zentrum Europas“ zu bezeichnen7. Franken hatte zwar ein ausstrahlendes Zentrum wie Nürnberg, aber keine Universität. Was freilich zunächst wie ein Mangel aussieht, erwies sich für den fränkischen Humanismus als anregend. Wer studieren wollte, konnte nicht — wie es heute die Regel ist — brav zu Hause bleiben und im eigenen fränkischen Safte schmoren, sondern sah sich gezwungen, außer Landes zu gehen. In Frage kamen wegen der verkehrsgeographisch günstigen Lage in erster Linie die Universitäten Leipzig und Erfurt, später hinzukommend die Neugründungen Ingolstadt und Wittenberg, daneben vor allem Heidelberg und Tübingen, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts aber auch zunehmend die oberitalienischen Universitäten mit ihren berühmten juristischen und medizinischen Fakultäten. Von auswärts kamen dann die Franken meist wieder zurück in ihre Heimat und sorgten so dafür, daß die Bildung Frankens vor einem Provinzialismus bewahrt wurde, ja daß Franken im Laufe der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun­ derts zum Zentrum jener humanistischen Impulse heranwuchs, die aus Italien importiert und selbstbewußt verarbeitet wurden. 5 Vgl. den Ausstellungskatalog: Nürnberg — Kaiser und Reich, Ausstellung des Staatsarchivs Nürnberg (= Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 20), München 1986; darin Teil II über die Reichskleinodien in Nürnberg und Teil III über Kaiser, Reichsbewußtsein und Reichssymbole in Nürnberg (u. a. Ursula Schmidt-Fölkersamb: Kaiserbesuche und Kaiserein­ züge in Nürnberg, S. 112 — 140); vgl. auch Albrecht Kircher: Deutsche Kaiser in Nürnberg (= Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken 7), Neustadt/Aisch 1955. 6 Vgl. Dieter Wuttke: Conradus Celtis Protucius (1459—1508). Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der deutschen Renaissance, in: Ludger Grenzmann/Hubert Herkommer/Dieter Wuttke (Hgg.): Philologie als Kulturwissenschaft. Studien zur Literatur und Geschichte des Mittelal­ ters, Festschr. Karl Stackmann, Göttingen 1987, S. 270—286: 275; derselbe Aufsatz auch in: Fränkische Lebensbilder 12 (1986), S. 56—71: 61. 7 Johannes Cochlaeus: Brevis Germaniae descriptio (1512), hg., übersetzt und kommentiert von Karl Langosch (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit 1), Darmstadt 1960, S. 74. Zu Regiomontanus vgl. unten Anm. 21. Vgl. auch Christoph Scheurl d. J., der in einem Brief von 1512 Nürnberg das „emporium Europae“ (Markt Europas) nennt: Briefbuch, hg. von Franz von Soden/Johann Karl Friedrich Knaake, Bd. 1, Potsdam 1867, S. 96, Brief Nr. 64 (Ende Okt. 1512 an Otto Beckmann).

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Es bestätigt sich hier die allgemeine Beobachtung, daß humanistische Bestre­ bungen in Deutschland stets in starken italienischen Bildungseindrücken ihre Wurzeln hatten. So waren die bedeutenden Humanistenpersönlichkeiten, die dem Nürnberger Humanismus nacheinander, beginnend mit den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts, die wesentlichen Impulse gegeben haben8, alle Franken, die längere Zeit in Norditalien studiert hatten: Gregor Heimburg aus Schweinfurt (gest. 1472)9, Johannes Regiomontanus aus dem unterfränkischen Königsberg (1436 —1476)10, die Vettern Hermann Schedel (1410—1485)11 und Hartmann Schedel (1440 — 1514)12, gebürtige Nürnberger, der bereits erwähnte Konrad Celtis aus Wipfeld (1459 —1508)13 und Willibald Pirckheimer aus Nürnberg (1470—1530)14, der sogar sechs Jahre (1489 — 1495) in Italien geweilt hatte, ehe er in den folgenden 25 Jahren zusammen mit Albrecht Dürer

8 Zum Humanismus in Nürnberg vgl. außer Kraus (wie Anm. 4) S. 582—615 noch die guten Überblicksdarstellungen von Joseph Pfänner und Joseph E. Hofmann, in: Gerhard Pfeiffer (Hg.): Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971, S. 127—133 (Geistes­ wissenschaftlicher Humanismus) und 134 — 137 (Naturwissenschaftlicher Humanismus), ferner Hanns Rupprich: Humanismus und Renaissance in den deutschen Städten und an den Univer­ sitäten (= Deutsche Literatur, Reihe Humanismus und Renaissance, Bd. 2), Darmstadt 1964, S. 21-25; Gerald Strauss: Nuremberg in the Sixteenth Century, 2. Aufl. Bloomington/Indiana 1976, S. 231-283. Vgl. zur Blütezeit auch Dieter Wuttke: Humanismus in Nürnberg um 1500, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 48 (1985), S. 677—688, mit einer guten Zusam­ menstellung wichtiger Literatur zum Nürnberger Humanismus am Ende des Aufsatzes. 9 Vgl. Peter Johanek: Art. ,Heimburg, Gregor', in: Die deutsche Literatur des Mittelalters: Ver­ fasserlexikon, hg. von Kurt Ruh, Bd. 3, Berlin—New York 1981, Sp. 629—642 (Literatur). 10 Vgl. Kraus (wie Anm. 4) S. 561 f. mit Anm. 3 (Literatur); Irmela Bues: Regiomontan, in: Frän­ kische Lebensbilder 11 (1984), S. 28-43 (Literatur); vgl. unten Anm. 20. 11 Vgl. Max Herrmann: Die Reception des Humanismus in Nürnberg, Berlin 1898, S. 30—40.75—92; Elisabeth Caesar: Sebald Schreyer, ein Lebensbild aus dem vorreformatorischen Nürnberg, in: MVGN 56 (1969) S. 1—213: 116 Anm. 81 (Literatur); hier auf S. 104—135 auch Generelles zum Nürnberger Humanismus. 12 Vgl. Elisabeth Rücker: Die Schedelsche Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit, München 1973; überarbeitete und erweiterte Neuauflage unter dem Titel: Hart­ mann Schedels Weltchronik . . ., München 1988; hier auf S. 17—23 ein Überblick über die mit Schedel verbundenen Humanisten und Humanistenfreunde Nürnbergs. Vgl. auch Caesar (wie Anm. 11) S. 115-118. 13 Vgl. Wuttke (wie Anm. 6): Celtis-Literatur seit 1976; zur älteren Literatur vgl. ders.: Art. ,Celtis Conradus', in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München—Zürich 1983, Sp. 1608 — 1611. Zu Celtis und Nürnberg vgl. besonders Bernhard Hartmann: Konrad Celtis in Nürnberg, in: MVGN 8 (1889) S. 1-68. 14 Vgl. Hanns Rupprich: Willibald Pirckheimer (1470—1530), in: Fränkische Lebensbilder 1 (1967), S. 94 — 112 (Literatur); Niklas Holzberg: Willibald Pirckheimer. Griechischer Huma­ nismus in Deutschland (= Humanistische Bibliothek 41) München 1981 (Literatur). Zur Dauer von Pirckheimers Italienaufenthalt in Padua und Pavia (Okt. 1489—Juli? 1495) vgl. Hans Thieme: Willibald Pirckheimers Corpus Juris, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Alter­ tumskunde 74 (1974) = Festschr. f. Albert Bruckner, S. 259—270: 263; vgl. unten Anm. 210.

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(1471 —1528)15 seine Heimatstadt auf den Höhepunkt ihrer humanistischen Renaissancekultur führte. Auch Dürer war 1495 von seiner ersten Italienreise nach Nürnberg zurückgekehrt. Aber nicht nur an die herausragenden Huma­ nisten ist zu denken, sondern auch an die vielen mehr oder weniger humani­ stisch geprägten Söhne ehrbarer Nürnberger Familien, die nach ihren italieni­ schen Studienaufenthalten16, Bildungs- und Handelsreisen einflußreiche Stellen der Stadt, Ehrenämter und berufliche Positionen, einnahmen: als Rats­ herren, Schöffen, Genannte des Größeren Rats, juristische Ratskonsulenten, Stadtärzte, Pröpste usw. Keineswegs sind sie in der Mehrzahl als ,Humanisten* zu bezeichnen, aber doch als Humanistenfreunde und Sympathisanten, die den humanistischen Bildungsidealen wohlwollend, verständnisvoll und fördernd gegenüberstanden. Dieser Personalschub der aus Italien heimkehrenden Humanisten und Humanistenfreunde verstärkte sich zusehends seit etwa 1475 und schuf das für den Humanismus charakteristische Klima eines intensiven persönlich-literarischen Kommunikationsnetzes. Unter welchen Bedingungen entwickelte sich nun der reichsstädtische Humanismus in Franken? Wir werden damit die Frage nach den wesentlichen allgemeinen Merkmalen des Humanismus verbinden und fragen, welche besondere Prägung die Ethik des reichsstädtischen Humanismus in Nürnberg empfing. Und schließlich werden wir einen Blick auf das Verhältnis dieser humanistisch-städtischen Bewegung zur reformatorischen Bewegung werfen. Reichsstädtischer Bürgerhumanismus in Franken Wenn man von einem reichsstädtischen Humanismus in Franken spricht, dann müßte man — so wäre zu erwarten — nicht nur Nürnberg berücksichtigen, sondern auch Reichsstädte wie Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weißenburg und über den Fränkischen Reichskreis hinaus auch Städte wie 15 Vgl. Albrecht Dürers Umwelt. Festschrift zum 500. Geburtstag Albrecht Dürers am 21. Mai 1971 (= Nürnberger Forschungen 15), Nürnberg 1971; Albrecht Dürer 1471 —1971. Katalog zur Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums, München 1971, darin besonders S. 152—168 (Umwelt: der Humanismus). Wie sehr man Dürer nicht nur als bildenden Künstler der Renaissance, sondern auch als literarisch-geistig ambitionierten Vertreter der humanisti­ schen Bildungsbewegung verstehen muß, wird eindrucksvoll deutlich bei Hans v. Schubert: Lazarus Spengler und die Reformation in Nürnberg (= Quellen und Forschungen zur Refor­ mationsgeschichte 17), Leipzig 1934 (Neudruck: New York—London 1971), S. 119—124. 16 Vgl. Georg Frh. v. Kreß: Gelehrte Bildung im alten Nürnberg und das Studium der Nürn­ berger an italienischen Hochschulen, in: Altes und Neues aus dem Pegnesischen Blumenorden 2, Nürnberg 1893, S. 14—50; Karlheinz Goldmann: Nürnberger Studenten an deutschen und ausländischen Universitäten von 1300—1600, in: Mitteilungen aus der Stadtbibliothek Nürn­ berg 12 (1963), Heft 1, S. 1 — 10; Helmut Wachauf: Nürnberger Bürger als Juristen, Diss. jur. Erlangen 1972, S. 81 f. Vgl. auch die von Goldmann angelegte Studentenkartei: Kartei über Nürnberger Studenten an europäischen Universitäten vom 15. bis zum 17. Jh., Stadtarchiv Nürnberg: F5 QNG 917.

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Schwäbisch Hall, Dinkelsbühl oder Nördlingen, die in engem Kontakt zu Nürnberg standen und keine Politik ohne Nürnberg machen konnten. Ansatz­ punkte für humanistische Bildungsbestrebungen in diesen Städten waren Insti­ tutionen wie Lateinschulen, städtische Predigerstellen, Klöster und das Rats­ schreiberamt. In diesem Zusammenhang begegnen wir hier und da verein­ zelten Ansätzen zu einer humanistischen Kultur17. Das Auffallende im Jahr­ hundert vor der Reformation ist allerdings, daß es außerhalb Nürnbergs in den fränkischen Reichsstädten keine Ausbildung eines humanistischen Zentrums und keine bemerkenswerte humanistische Bewegung gegeben hat. Bedeutende Humanisten, die aus diesen Städten hervorgingen, fanden andernorts ihr Wir­ kungsfeld, so z. B. die beiden Schweinfurter Gregor Heimburg, der u. a. jahr­ zehntelang (im Zeitraum von 1435 — 1461) als juristischer Berater im Dienste der Stadt Nürnberg stand18, und Johannes Cuspinian, der seit 1492 zur Mittel­ punktsgestalt im Wiener Humanistenkreis um Kaiser Maximilian I. aufstieg. Der oft so selbstverständlich gebrauchte Begriff des ,Bürgerhumanismus