Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [45]

Table of contents :
Abhandlungen:
Nürnberger Spitznamen von 1200 bis 1800. Ein Verzeichnis mit Einführung.
Von Bibliotheksdirektor i.R. Dr. Friedrich Bock (Erlangen) 1
Die deutsche Schreibsprache in Nürnberg von ihrem ersten Auftreten
bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts. Von Dr. Josef Pfänner 148
(Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Kanzleien, bes.
Nürnbergs: 156. Schreibsprache und Mundart: 159. Die bisherigen Ansichten
über die Nürnberger Mundart: 161. Lautlehre A: Vokalismus:
169. B: Konsonantismus: 183. Wortwahl und Wortbildung: 201. Zusammenfassung:
204)
Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. u. 18. Jahrh.
Ein Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Musikinstrumentenbaus.
Von Dr. Willi Wörthmüller (Fürth i. B.) ... . . 208
I. Das Trompetenmachergewerbe vor 1600: 211. II. Die Trompeten-und
Posaunenmacher des 17. und 18. Jahrhunderts: 215. III. Handwerkliches
Leben und Handwerksordnung: 274. IV. Wirtschaftliche Entwicklung
und Handelsbeziehungen: 294.
Kleinere Beiträge:
Das rechte Maß bei Albrecht Dürer. Ein neuer Weg zu seiner Kunst.
Von Studienrat Dr. Wilhelm Funk..........................................326
Wann fand die erste evangelische Abendmahlsfeier in den Pfarrkirchen
zu Nürnberg statt? Von Archivdirektor Kirchenrat D. Lic. Matthias
Simon..........................................................................................361
Paul Pfinzing als Kaufmann. Von Staatsarchivdirektor Dr. Fritz
S c h n e 1 b ö g 1..............................................................................372
Wolfgang Eisen und sein Bildnis. Von Christa S c h a p e r (Bayreuth) 387
Jakob Ayrer der Jüngere. Von Bibliotheksrat Dr. Hans Müller
(Jena) *.....................................................................................397
Ein unbekanntes Bild von Jakob II. Fetzer. Von Dr. med. Hans
Kirste ............................................................................................... 410
Das Altdorfer Universitätsarchiv in der Universitätsbibliothek Erlangen.
Von Staatsoberbibliothekar Dr. Ferd. Weckerle (Erlangen) 414
Buchbesprechungen:
August Sieghard, Nürnberg alt und neu. Bespr. von Dr. W.
Kraft.....................................................................................420
Historischer Atlas von Bayern: H. H. Hofmann, Nürnberg-Fürth.
Bespr. von Dr. O. Puchner.................................................421
Historischer Atlas von Bayern: H. H. Ho f mann , Neu Stadt-Windsheim.
Bespr. von Dr. W. Schultheiß......................................... 423
Wilhelm Schwemmer, Die Burg und das ehemalige Oberamt Veldenstein.
Bespr. von Dr. Fr. Schneibögl.........................426
Helmut Kunstmann, Burgen in Oberfranken. Bespr. von Dr. Aug.
Jegel ...............................................................................................428
Eberhard Teufel, „Landräumig. Sebastian Franck. Bespr. voii Dr. Art.
Kreiner.........................................................................................428
Franz Ruf, Acht und Stadt Verweisung im alten Nürnberg. Bespr. von
Dr. W. Schultheiß.......................................................................4M
Eugen N u s s e 11, Die Gerichtsbarkeit des Klosters St. Egid zu Nürnberg.
Bespr. von Dr. W. Schultheiß . . . . . . . 441
Werner Koch, Der Possessorische Fraisdiprozeß und der Begriff der
Landeshoheit. Bespr. von Dr. W. Schultheiß.............................. 441
Ernst Paul, Lazarus Carl von Wölckern und seine „Commentatio
succincta in Codicem Juris Statuarii Norici“. Bespr. von Dr. W.
Schultheiß ........................................................................... 450
Walter R i e g e r, Johann Christian Siebenkees, Professor der Rechte
in Altdorf. Bespr. von Dr. W. Schultheiß. . . . 454
Kurt Pilz, Das Handwerk in Nürnberg und Mittelfranken. Bespr. von
Dr. Aug. J e g e 1............................................................................. 456
Gerda Bergholz und Werner Spieß, Die Beckwerkergilde zu
Braunschweig. Bespr. von Dr. W. Schultheiß . . . . 457
Lebendiges Nürnberg, hgg. vom Stadtrat zu Nürnberg. —
Nürnberg lebt und baut auf, -hgg. vom Stadtrat zu Nürnberg.

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Fünfundvierzigster Band

Nürnberg 1954 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Im Aufträge der Vorstandschaft des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg herausgegeben von Dr. Gerhard Pfeiffer. Für Form und Inhalt der einzelnen Beiträge sind die Verfasser selbst verantwortlich. Der Druck des Bandes wurde außer durch die Mitgliedsbeiträge durch Spenden und Drudekostenzuschüsse, vor allem des Stadtrats zu Nürn­ berg und des Bezirksverbandes Mittelfranken, sowie von Wirtschafts­ unternehmen ermöglicht. Allen Spendern und Mitarbeitern sei herzlichst gedankt.

Druck: Ph. C. W. Schmidt, Neu-stadt/Aisch. Klischees: Zerreis & Co. Copy-Right by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg Nürnberg 1954

Inhalt Abhandlungen: Nürnberger Spitznamen von 1200 bis 1800. Ein Verzeichnis mit Einfüh­ rung. Von Bibliotheksdirektor i.R. Dr. Friedrich Bock (Erlangen) 1 Die deutsche Schreibsprache in Nürnberg von ihrem ersten Auftreten bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts. Von Dr. Josef Pfänner 148 (Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Kanzleien, bes. Nürnbergs: 156. Schreibsprache und Mundart: 159. Die bisherigen An­ sichten über die Nürnberger Mundart: 161. Lautlehre A: Vokalismus: 169. B: Konsonantismus: 183. Wortwahl und Wortbildung: 201. Zusam­ menfassung: 204) Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. u. 18. Jahrh. Ein Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Musikinstrumentenbaus. Von Dr. Willi Wörthmüller (Fürth i. B.) ... . . 208 I. Das Trompetenmachergewerbe vor 1600: 211. II. Die Trompeten-und Posaunenmacher des 17. und 18. Jahrhunderts: 215. III. Handwerkliches Leben und Handwerksordnung: 274. IV. Wirtschaftliche Entwicklung und Handelsbeziehungen: 294. Kleinere Beiträge: Das rechte Maß bei Albrecht Dürer. Ein neuer Weg zu seiner Kunst. Von Studienrat Dr. Wilhelm Funk..........................................326 Wann fand die erste evangelische Abendmahlsfeier in den Pfarrkirchen zu Nürnberg statt? Von Archivdirektor Kirchenrat D. Lic. Matthias Simon..........................................................................................361 Paul Pfinzing als Kaufmann. Von Staatsarchivdirektor Dr. Fritz S c h n e 1 b ö g 1..............................................................................372 Wolfgang Eisen und sein Bildnis. Von Christa S c h a p e r (Bayreuth) 387 Jakob Ayrer der Jüngere. Von Bibliotheksrat Dr. HansMüller (Jena) *.....................................................................................397 Ein unbekanntes Bild von Jakob II. Fetzer. Von Dr. med. Hans Kirste ............................................................................................... 410 Das Altdorfer Universitätsarchiv in der Universitätsbibliothek Erlangen. Von Staatsoberbibliothekar Dr. Ferd. Weckerle (Erlangen) 414 Buchbesprechungen:

August Sieghard, Nürnberg alt und neu. Bespr. von Dr. W. Kraft.....................................................................................420 Historischer Atlas von Bayern: H. H. Hofmann, Nürnberg-Fürth. Bespr. von Dr. O. Puchner.................................................421 Historischer Atlas von Bayern: H. H. Ho f mann , Neu Stadt-Windsheim. Bespr. von Dr. W. Schultheiß......................................... 423 Wilhelm Schwemmer, Die Burg und das ehemalige Oberamt Vel­ denstein. Bespr. von Dr. Fr. Schneibögl......................... 426

Helmut Kunstmann, Burgen in Oberfranken. Bespr. von Dr. Aug. Jegel ...............................................................................................428 Eberhard Teufel, „Landräumig. Sebastian Franck. Bespr. voii Dr. Art. Kreiner.........................................................................................428 Franz Ruf, Acht und StadtVerweisung im alten Nürnberg. Bespr. von Dr. W. Schultheiß.......................................................................4M Eugen N u s s e 11, Die Gerichtsbarkeit des Klosters St. Egid zu Nürn­ berg. Bespr. von Dr. W. Schultheiß . . . . . . . 441 Werner Koch, Der Possessorische Fraisdiprozeß und der Begriff der Landeshoheit. Bespr. von Dr. W.Schultheiß.............................. 441 Ernst Paul, Lazarus Carl von Wölckern und seine „Commentatio succincta in Codicem JurisStatuariiNorici“. Bespr. von Dr. W. Schultheiß ........................................................................... 450 Walter R i e g e r, Johann Christian Siebenkees, Professor der Rechte in Altdorf. Bespr. von Dr. W. Schultheiß. . . . 454 Kurt Pilz, Das Handwerk in Nürnberg und Mittelfranken. Bespr. von Dr. Aug. J e g e 1............................................................................. 456 Gerda Bergholz und Werner Spieß, Die Beckwerkergilde zu Braunschweig. Bespr. von Dr. W. Schultheiß . . . . 457 Lebendiges Nürnberg, hgg. vom Stadtrat zu Nürnberg. — Nürnberg lebt und baut auf, -hgg. vom Stadtrat zu Nürnberg. Bespr. von Dr. W. S c h u 11 h e i ß................................................458

Nürnberger Spitznamen von 1200 bis 1800 Ein Verzeichnis mit Einführung

von Friedrich Bock

Quellen

(sie sind meist mit den Siglen zitiert, die in dieser Aufzählung jeweils vorausgeschickt sind) A B B B C D

I 11 III I u. II I

Staatsarchiv Nbg, Rep. 52b, 195 „ ... alle di, di spile und Lei­ heuser verheizzent vor den bürgern vom Rat“ (1337—1345). Staatsarch. Nbg, Rep. 52b, 1%. Haderbuch 1431

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Vier übergeordnete Bewegungszüge lassen sich erkennen, von denen die ersten beiden allerdings der gleichen Entwicklungs­ phase angehören: 1. Anstieg bis zur höchsten Meisterzahl im Jahre 1625 und an­ schließendes plötzliches Absinken, bewirkt durch das Auf­ nahmeverbot; 297

2. Erneutes Ansteigen der Zahl der Gewerbetreibenden bis zum zweiten Höhepunkt um 1700. 3. Zuriickgehen der Meisterzahl unter Beibehaltung eines mitt­ leren Standes bis 1760. 4. Rasches Absinken der Gewerbetätigkeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Das 17. Jahrhundert ist diesen Zahlenverhältnissen nach die eigentliche Blütezeit des Handwerks. Mögen auch im 16. Jahr­ hundert einzelne Meister eben ihrer Einzigkeit wegen berühmter gewesen sein, die Bildung eines größeren Gewerbes, das dem handwerklichen Ruf der Nürnberger Instrumentenbauer die Breitenwirkung verschaffte, von der heute noch eine Vielzahl von Instrumenten Zeugnis ablegen, blieb dem 17. Jahrhundert Vor­ behalten. Dem widerspricht auch nicht jener große Einschnitt, der — ob auf Betreiben der Meister selbst oder auf Anordnung des Rats, bleibt dahingestellt — die Entwicklung 1625 unterbricht. Diese plötzliche Drosselung des Handwerks war sicher nur als Vorsichtsmaßnahme gedacht, um ein weiteres rasches Zunehmen der Größe, wie es seit Anfang des Jahrhunderts von 8 auf 13 Meister zu verzeichnen war, zu verhindern. Von tatsächlichen Ab­ satzschwierigkeiten konnte kaum die Rede sein, höchstens der anhaltende Kriegszustand gab der zünftischen „Platzangst“ ab und zu konkrete Nahrung. So weist im Grunde die Entwicklung des Gewerbes bis zum Ende des Jahrhunderts eine ständig an­ steigende Tendenz auf, wenn auch der einmalige Höhepunkt des Jahres 1625 später nicht mehr erreicht wurde. Sowohl die Geschäftsbeziehungen wie der Wohlstand der ein­ zelnen Meister erfuhren in dieser Zeit eine Bereicherung. Schon die Art der Vermählung kündete bei vielen von den gesicherten Verhältnissen: Sehr häufig wurde die vornehme Form der „Chor­ hochzeit“ gewählt, wenn man sich nicht gar wie ein Patrizier in seiner Wohnung trauen ließ 604). Viele Trompetenmacher waren oder wurden in dieser Zeit Hausbesitzer 605), einige ließen sich kunstvolle Grabstätten errichten, die die Wohlhabenheit des Handwerks noch heute bezeugen. Die ausgedehnte Handelstätig­ keit ließ manchen ein stattliches Vermögen erwerben: Georg Ehe trat als kapitalkräftiger Geldgeber in mehreren Schuldstrei­ tigkeiten auf, Michael Nagel hinterließ eine Erbschaft von 1000 Gulden, der Komponist und Trompetenmacher Paul Hainlein gar eine von 7000 Gulden. Armut war bei diesen Kunsthandwerkern im 17. Jahrhundert ein seltener Gast, in den wenigen vorkom­ menden Fällen trug das persönliche Schicksal und nicht die wirt­ schaftliche Entwicklung die Schuld 806). So stark war die unangreif­ bare Monopolstellung des Nürnberger Instrumentenbaus auf die­ sem Gebiet geworden, daß man sogar eine etwaige auswärtige

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Konkurrenz nicht mehr fürchtete und einigen Gesellen das Ver­ lassen der Stadt erlaubte, um entstandenen Zwistigkeiten ein Ende zu machen. Mit dem 18. Jahrhundert trat zunächst keine wesentliche Ver­ schlechterung der Absatzmöglichkeiten ein. Die Trompete war auch im Orchester der späteren Barockzeit das krönende Prunk­ instrument, das nun allgemein in den Händen der Stadtpfeifer zu finden ist und dort die letzte Blüte der Klarinkunst erlebte. Die chorische Musizierpraxis entledigte sich langsam aller auf die Dauer lebensunfähigen Eckglieder. Dies betraf bei den Blech­ instrumenten vorläufig nur die Posaunenfamilie, deren höchste Stimmlage, die bisher von der klanglich ungenügenden Diskantund Altposaune vertreten war, allgemein dem beweglichen und klangstarken Zinken übertragen wurde 607), während der „Subbaß“ unter den Posaunen, die Oktavposaune oder „tuba maxima“, wie sie Praetorius nennt 608), ganz verschwand und erst im 19. Jahrhundert wieder „erfunden“ wurde 609). Die nicht zu unter­ schätzende Einbuße, die Nürnbergs Trompetenmacher, welche fast als die einzigen die vollendete Herstellung dieser großen Bafiposaunen beherrschten, durch diese Entwicklung erlitten, wurde zum Teil wieder ausgeglichen durch die zunehmende Be­ liebtheit des Waldhorns, in dessen Herstellung sich die Nürnber­ ger schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts versuchten. Mit der Einführung des Horns in das barocke und vor allem später das klassische Orchester eröffnete sich für den Blechinstrumentenbau ein neues Betätigungsfeld, auf dem sich auch die Nürnberger Meister mit Erfolg bewegten. Allerdings wuchs seit Anfang des Jahrhunderts die Konkurrenz empor, vor allem in den sächsischen Gebieten um Leipzig610) und im Vogtland611), und so ist es zu erklären, daß die zahlenmäßige Bewegung des Handwerks in der dritten Periode seiner wirtschaftlichen Entwicklung nicht weiter aufwärts ging, sondern sich auf einem Mittelwert hielt, der etwas unter dem Höhepunkt von 1700 lag. Die Zahlenverhältnisse geben überdies hier kein genaues Bild der tatsächlichen Lage, denn sie wurden durch den von 1690 bis 1730 währenden „Stillstand“ künst­ lich niedrig gehalten. Diese Beschränkung des Handwerks auf die augenblicklich tätigen Meister und deren Nachkommen sicherte diesen angesichts der nicht wesentlich zurückgegangenen Handelstätigkeit im all­ gemeinen ein mehr als ausreichendes Auskommen. Bei der Fa­ milie Ehe ist hierfür ein Beweis erhalten in jenem erwähnten Ausspruch des Nürnberger Rats, Johann Leonhard (II) werde sei­ nem Sohn Wolf Magnus „Arbeit verschaffen können“ 612). Zeug­ nisse vom Wohlstand der Trompetenmacher sind deshalb auch aus dieser Zeit anzutreffen; vor allem in den bekannten Hand­ werksfamilien konnte sich oft ein größeres Vermögen ansammeln. 299

Johann Leonhard Ehe (II) nannte ein Kapital von über 3000 Gul­ den sein eigen, das als reiche Erbschaft seinen Nachkommen zu­ fiel, Johann Carl Kodisch hinterließ über 700 Gulden und die Fa­ milie Haas, die bedeutendste und berühmteste dieses Jahrhun­ derts, besaß noch 1792 ein Vermögen von 2300 Gulden. Von Grund auf änderte sich die Lage des Handwerks in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die nach obiger Gruppierung als vierte Periode zu bezeichnen ist. Die revolutionierende Wende, die das alte Trompetenmacher-Gewerbe zum Erliegen brachte, fällt mit dem Ende der Barockzeit zusammen. Die Tage der Kla­ rintrompete, die die glänzendste und kunstvollste Ausbildung in Nürnberg gefunden hatte, waren gezählt; das Instrument wurde mit dem endgültigen Niedergang der Trompeterzünfte ihrer Son­ derstellung beraubt. Sie verlor zum großen Teil die prunkvolle und feierliche Bedeutung, die sie in den Händen der Hoftrompeter und Stadtmusiker gehabt hatte; stattdessen wurde ihr als wir­ kungsvolles Tutti- und keineswegs mehr Soloinstrument ein Platz im vorklassischen und klassischen Orchester angewiesen, wo sie, infolge des Verlusts der diatonischen Klarintonreihe nur über wenige Naturtöne verfügend, sehr bedingt verwendet werden konnte und bald in den Geruch eines verbesserungsbedürftigen Instruments kam. Sie wurde in bedeutend höheren Stimmungen gebaut, um auch bei der nunmehr alleinigen Verwendung der un­ teren Naturtöne einen klangvollen Gegensatz zu den tieferen Hör­ nern zu ermöglichen613), und von diesem Typus ging die Weiter­ bildung des Instruments aus, die Anfang des 19. Jahrhunderts nach verschiedenen Verbesserungen in der Erfindung der Ventile gipfelte. Die Nürnberger Trompetenmacher, für die die langge­ streckte, tiefgestimmte Trompete, auf der allein eine brauchbare diatonische Obertonreihe erzielt werden konnte, die Grundlage ihres handwerklichen Wirkens war, konnten dieser Entwicklung mit wenigen Ausnahmen nicht folgen, geschweige denn die Füh­ rung übernehmen. Mit der dem Handwerk eigenen konservativen Beharrlichkeit hielten sie an der alten Überlieferung fest; dem rationalistischen Geist der Zeit, der statt des alten prunkvoll ver­ zierten Kunstinstruments das technisch neue, in der Ausführung aber einfache Zweckinstrument verlangte, konnten oder wollten sie nicht Rechnung tragen. Darum war es ihnen nicht möglich, in der Preisgestaltung mit dem aufstrebenden jungen Instrumen­ tenbaugewerbe des süddeutschen und sächsischen Raumes Schritt zu halten, das sich ziemlich unbelastet von traditionellen Bindun­ gen in den Dienst der neuen Entwicklung stellte und durch seine Verbesserungen und Erfindungen bald das Nürnberger Trom­ petenmacher-Handwerk vergessen ließ. Die Posaune, seit jeher der fast bedeutendere Teil der hand­ werklichen Fertigung in Nürnberg, konnte das Gewerbe nicht

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mehr vor dem Niedergang retten. Sie war schon im Barock Orchester verhältnismäßig selten geworden und nun mit dem Heraufziehen der neuen Zeit vollends zu einem Schattendasein verdammt. Auch in der Kirchenmusik und der Oper sank ihre Bedeutung gegenüber früher ab. Die Nürnberger Instrumenten­ bauer hatten an den Geschäften, die hier noch möglich waren, wenig Anteil, denn die wertvolle Yerarbeitungs- und Verzierungs­ kunst, die sie an diesem Instrument mehr wie an jedem anderen entfalteten, war nicht nur aus finanziellen Gründen nur mehr wenig gefragt. Blieb als einziges Instrument, dessen Bedeutung nicht ab-, sondern sogar weiter zugenommen hatte, das im Orchester jetzt unentbehrliche Waldhorn, an dessen Entwicklung man in Nürn­ berg schon früh regen Anteil genommen hatte. Aber gerade die­ ses Instrument war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts viel mehr und viel eher als die Trompete der Gegenstand stän­ diger Versuche zur Verbesserung der lückenhaften Naturtonreihe, denn von der anfänglichen barocken Verwendung des Instruments in der Klarinlage ist man sehr bald und aus viel berechtigteren Gründen als bei der Trompete abgekommen. Die Trompeten­ macher hatten, ihrer Berufsbezeichnung getreu, von vorneherein der Herstellung des Waldhorns zwar ein reges Interesse, aber keineswegs außergewöhnliche Bedeutung beigemessen, so daß sich später das absterbende Handwerk nicht auf dieses Gebiet retten konnte, wozu dem alten Handwerksgeist aber außerdem die frischen unverbrauchten Kräfte abgingen, die in diesem Zeit­ alter des Experimentierens und Verbesserns die Führung über­ nommen hätten. Immerhin hatten die Nürnberger Trompeten­ macher dank der bewußten gediegenen Einfachheit, die ihre Waldhörner als Zeichen der zweitrangigen Bedeutung kennzeich­ nete, hier noch am ehesten Aussicht auf geschäftlichen Erfolg, denn das Naturhorn blieb neben allen seinen Verbesserungen noch weit bis ins 19. Jahrhundert hinein in Verwendung. Die wirtschaftliche Lage des Trompetenmachergewerbes in Nürnberg kam aus all diesen Gründen gegen Ende des 18. Jahr­ hunderts einem vollkommenen Zusammenbruch gleich; nur wenige Meister konnten sich aus diesem Niedergang in das folgende Jahrhundert retten. Bezeichnend ist, daß zu diesem Zeitpunkt fast alle Familien, die dem Handwerk teilweise viele Generationen hindurch treu geblieben waren, ausstarben, das heißt, daß sich kein Mitglied derselben mehr bereitgefunden hatte, um der Tra­ dition willen dieses aussichtslose Gewerbe zu erlernen. Die noch tätigen Meister und ihre Angehörigen befanden sich infolge des schlechten Geschäftsgangs in mißlichen Verhältnissen. Einige baten in ihren späten Lebensjahren, aller finanziellen Mittel bar, als letzte Rettung um Aufnahme ins Heilig-Geist-Spital614), viele wurden auf Armenkosten beerdigt815). Die einzigen, die sich 301

etwas von ihrem früheren handwerklichen Wohlstand erhalten konnten, waren die Mitglieder der Familie Haas, die den bekann­ testen Namen und die weitreichendsten Geschäftsverbindungen besaß. Den meisten anderen wird es ähnlich ergangen sein wie Christian Wittmann, bei dem es deutlich zur Sprache kommt, „wie er bey den bisherigen leidigen Zeitumständen durch perpetuirlichen Nahrungsmangel so sehr in Armut und Not geraten“, daß er seinen ganzen Hausrat und schließlich sogar sein Hand­ werksgerät, in der traurigen Gewißheit, „daß die arbeit nicht mehr gehe“, um der dringendsten täglichen Bedürfnisse willen versetzen mußte616). Hier offenbart sich die ganze Tragödie des aussterbenden Handwerks, das, seiner wirtschaftlichen, das heißt in diesem Fall musikgeschichtlichen Grundlage beraubt, an sei­ nem konservativen, zäh am alten festhaltenden Wesen scheiterte. Im letzten war das Schicksal des Nürnberger TrompetenmacherHandwerks freilich nur eines unter vielen gleichartigen, denn in der kühlen, berechnenden Atmosphäre der Industrialisierung war für das alte deutsche Handwerks- und Zunftwesen kein Platz mehr. Eng verknüpft mit dieser in einem großen Bogen die Jahr­ hunderte überspannenden wirtschaftlichen Entwicklung des Hand­ werks war der Umfang der Handelstätigkeit, die den Nürnberger Instrumentenbau mit vielen Fürstenhöfen und Städten verband. Diese ausgedehnten Geschäftsbeziehungen hatten schon im 16. Jahrhundert entscheidend zur Verbreitung des hervorragen­ den Rufs der Nürnberger Instrumente beigetragen und damit die Grundlage für das weitere, in die Breite gehende Wirken der Folgezeit geschaffen617). Soweit aus den, im Verhältnis zur Größe des Handwerks spärlich fließenden Quellen zu ersehen ist618), nahmen im 17. Jahrhundert vor allem die Großaufträge zu; als Bestimmungsorte tauchen jedoch häufig die gleichen Fürstenhöfe und Länder auf, die schon die Familien Schnitzer und Neuschel beliefert hatten. So fertigte Isaac Ehe für die kaiserlichen Hof­ trompeter 20 Instrumente und für den Kurfürsten von Branden­ burg 36 silberne Trompeten619). Eine ähnlich große Bestellung gelangte 1604 an Hans Schnitzer, einen Sohn Antons des Älteren, der dem König von Polen 24 silberne, vergoldete Trompeten lieferte 620). An den gleichen Fürstenhof verkaufte Georg Ehe 1628 eine silberne Trompete621); derselbe ließ eine größere An­ zahl von Instrumenten, nämlich eine Silber- und 12 Messing­ trompeten 1635 durch einen Zwischenhändler in Österreich ab­ setzen622). Sebastian Hainlein arbeitete für den Salzburger Erz­ bischof Paris Lodron 628); ein weiteres Zeugnis für die ausgedehn­ ten Handelsgeschäfte der Trompetenmacher im süddeutschen Raum ist eine Anweisung des Erzherzogs Ferdinand von Graz vom 13. August 1607, dem Vizekapellmeister Matthias Ferabosco, 302

der für seine Hofkapelle in Nürnberg „2 große und 8 kleinere Tromboni und auch zwölf Trometen“ bestellt hatte, 325 Gulden zu zahlen 624). An die westdeutschen Höfe gingen ebenfalls Instru­ mente Nürnberger Meister: In einem Inventar des Württembergischen Hofs, das unter der Regierung Herzog Johann Friedrichs 1626 angelegt wurde, heißt es „8 Posaunen, darunter 2 Diskant, 4 Secund- und ein Quartposaun, so zu Nürnberg Anno 1625 neu erkauft“ 625). Noch 1744 gibt der kunstsinnige Kurfürst Karl Theo­ dor von der Pfalz, der großzügige Förderer der „Mannheimer Schule“, bei einem Mitglied der Familie Haas einen prunkvollen Satz von 12 Silbertrompeten in Auftrag, wovon die Inschrift auf den vollzählig erhaltenen Instrumenten Kunde gibt 626). Die nahe fürstbischöfliche Residenz in Bamberg findet sich ebenfalls unter den Kunden der Familie Haas, die 1761 fünf Trompeten und 1769 „4 Stück Trompeten, dann Aufsätze und prima Bogen“ dorthin lieferte 627). Diesen großen Aufträgen gegenüber, wie sie meist für Für­ stenhäuser ausgeführt wurden, war die Versorgung der Stadt­ musikanten und Kirchenchöre mit Instrumenten der unbedeuten­ dere Teil der Geschäftstätigkeit. Meistens handelte es sich hier um den Erwerb von Einzelinstrumenten und Zubehör, wie fol­ gende Stellen aus den Stadtrechnungen der Stadt Leipzig belegen: „1600, 28. 6.: 3 Posaunen und 2 Zinken von Nurmbergk bestalt 32 fl. 12 gr. „1607, 30. 5.: 1 Posaune von Normbergk bestalt 32 fl. 10 gr. 6 pf. „1619, 28. 4.: 2 Kern in die großen Bassaunen 2 große und 2 kleine Mundstuck (Reparatur in Nürnberg) 628); „1670: 3 fl. für 1 Tenorposaune von Caspar Degenkolb aus Nürnberg“ 629). Für die Stadtpfeifer dieser Stadt lieferte Anfang des 17. Jahr­ hunderts auch Conrad Linßner eine Posaune 63°), Hieronimus Starck bekam 1672 von dort für eine Altposaune 5 Gulden631). Instrumente von Conrad Linßner wurden im 17. Jahrhundert auch bei der Hamburger Kirchenmusik verwandt 632), Johann Leonhard Ehe (II), Johann Wilhelm Haas und Cornelius Steinmetz fertig­ ten Trompeten für die Brüdernkirche in Braunschweig 633). Von Johann Leonhard Ehe (III) stammen zwei der vier Trompeten, die laut Beschriftung die Tuchknappeninnung 1735 dem Kirchen­ chor der Stadt Schweidnitz zum Geschenk machte 634), während der Rat der Stadt Basel für seinen Herold eine prunkvolle Trom­ pete von Sebastian Hainlein dem Jüngern anfertigen ließ 635). Einen besonderen Platz unter diesen kleineren Auftraggebern nahm die Heimatstadt ein, die sehr wohl die Kunstfertigkeit ihrer Meister zu schätzen wußte. Dies erwies sich, als Isaac Ehe dem Rat einen neuen „Dulcin von Messing“ und eine Quart303

posaune anbot und dieser ihm — wie erwähnt — für jedes der beiden Instrumente den ansehnlichen Betrag von 36 Gulden rei­ chen ließ mit dem Hinweis, „wenn er sich darwider beschweren würde, noch 10 Gulden (zu) addiren“ 636). Sebastian Hainlein, der dank seiner Stadtpfeifertätigkeit in näherer Beziehung zum Rat stand, wurde von seinen Brotherrn mit ehrenvollen Aufträgen bedacht: Von ihm und seinem Bruder Hans stammen zwei der historischen, bis ins 18. Jahrhundert verwendeten und heute noch erhaltenen Instrumente des berühmten „Pfeifergerichts“ 637). Über die sonstige Tätigkeit der Nürnberger Trompetenmacher für ihre Obrigkeit, die sie auch häufig zu den Reparaturen der ratseige­ nen Stadtpfeiferinstrumente heranzog, geben folgende Einträge in den Nürnberger Stadtrechnungen Aufschluß: „1600, S. 134: Zahlt Anton Schnitzer eine Posaun für den Sohn des Stadtpfeifers Baumann zu machen 10 fl 18 kr. 638). „1625, S. 122v, 30. April: Zahlt Seb. Hainlein, eine Posaun und Dulcin ausgebes­ sert laut Zettels 2 fl 50 kr. S. 127, 10. Okt: Zahlt Sebastian Heinlein, Trommetenmacher, zwei schad­ hafte Posaunen und eine Dulcin zu richten laut Zettels 2 fl 54 kr. „1636, S. 147, 14. Febr. 1637: Zahlt Sebast. Hainlein vor zween messen Stefft zu einem Dulcinen 1 fl 18 kr. „1669, S. 150, 18. Dez.: Zahlt Paulo Hainlein ein Organiste zu St. Sebald für ein neue Trombon oder Possaun zur Musik in unserer Frauen {Kirche) zu machen laut zettels 12 fl —“ 1694 präsentierte der Rat „2 große versilberte Waldhörner des Trompetenmachers Johann Wilhelm Haas dem Markgrafen Ludwig von Baden“ 639). Die Handelsgeschäfte mit auswärtigen Auftraggebern wurden meist durch beiderseitige Mittelsmänner abgeschlossen, so daß die Trompetenmacher ihrer Geschäftstätigkeit wegen nicht die Stadt zu verlassen brauchten 64°), was ganz im Sinne des auf möglichste Abschließung nach außen bedachten Handwerks war. Indessen kam es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts öfters vor, daß wohlhabende und mächtige Fürsten einzelne Meister zur Aus­ führung eines besonderen Auftrags für längere Zeit an ihren Hof beriefen, manchmal mit dem Erfolg, daß den zurückkehrenden Handwerkern die Wiederaufnahme in die Stadt und das Hand­ werk verweigert wurde 641). Die Kaiserstadt Wien war neben der Residenz des polnischen Königs öfters das Ziel dieser Reisen 642) und es wäre einer näheren Untersuchung wert, in wieweit die vielfältigen Handelsbeziehungen, die beide Städte in dieser Hin304

sicht verknüpften, von bestimmendem Einfluß auf die Entwick­ lung des Blasinstrumentenbaus in der österreichischen Residenz waren, der dort gegen Ende des 17. Jahrhunderts größere Bedeu­ tung erlangte. In ihrer Gesamtheit läßt sich in den Handelsbeziehungen des Nürnberger Trompetenmacher-Handwerks kein ähnlicher Auf­ schwung und Niedergang beobachten, wie er der wirtschaftlichen Entwicklung eigen war, dazu sind die vorhandenen Angaben zu lückenhaft. Sie können ebenso wie die erhaltenen Instrumente nur einen kleinen Ausschnitt aus dem reichen handwerklichen Leben geben, von dem Ferdinand Roth in seiner Geschichte des Nürnberger Handels 1802 schreibt 643): „Die Arbeiten der hiesigen Trompetenmacher waren immer an allen europäischen Höfen sehr geschätzt, besonders er­ hielten sie vor diesem häufige Bestellungen aus dem öster­ reichischen und Sächsischen.“ Damit rundet sich das historische Bild des Nürnberger Trom­ petenmacher-Handwerks, das von den verschiedensten Blick­ punkten beleuchtet wurde, auch von dieser Seite. Das handwerk­ liche und persönliche Leben der Meister, dessen Darstellung im Vorliegenden versucht wurde, fiel der Vergessenheit anheim; er­ halten blieben aber wertvolle Erzeugnisse ihrer großen Kunst­ fertigkeit, die noch heute Kunde von der damaligen Musizier­ praxis und von dem deutschen Handwerksgeist geben.

Abkürzungen AfMf AfMw Diss. DTB Lor. LL MIS PrA RAA RB. Rep. RV Seb. SIMG SpV StR TAB TB TGB TrB VA ZfMw 20

= — = =

= =

= = =

= == =

= = = = =

= = = = =

Archiv für Musikforschung Archiv für Musikwissenschaft Dissertation Denkmäler der Tonkunst in Bayern Kirchenbücher der Pfarrei St. Lorenz, Nürnberg Libri Litterarum (Kaufbücher) Musikinstrumenten-Sammlung Prozeßakten Rugamtsakten Ratsbücher der Stadt Nürnberg Repertorium Ratsverlässe der Stadt Nürnberg Kirchenbücher der Pfarrei St. Sebald Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft Spitalverlässe Stad t re dm un gen Toten -Auflagebuch Taufbuch Toten geläutbuch Traubuch V o rmundschaf tsakten Zeitschrift für Musikwissenschaft.

305

Literaturverzeichnis 1. Ältere Quellenwerke :

Adreßbücher von Nürnberg 1829, 1837 (herausgegeben von Justus Christ. Fr. Schäfer), 1850, 1857 (herausgegeb. von Carl Mainberger). Altenburg, Johann Ernst: Versuch einer Anleitung zur heroischmusikalischen Trompeter- und Paukerkunst. Halle 1795. Gatte rer, Christoph Wilhelm Jakob: Technologisches Magazin. Mem­ mingen 1790, 1792. Gugel, Christoph F.: Norischer Christen Friedhöfe Gedächtnis. Nürn­

berg 1682. Mattheison, Johann: Das neu eröffnete Orchester. Hamburg 1713. Murr, Christoph Gottlieb: Beschreibung der vornehmsten Sehenswür­ digkeiten in der freien Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1778. Praetorius, Michael: Syntagma musica. 1614/18. Roth, Johann Ferdinand: Geschichte des Nürnbergischen Handels. Nürnberg 1802. Trechsel, Johann Martin: Verneuertes Gedächtnis des Nürnbergi­ schen Johanni sfriedhofs. Nürnberg 1736.

Weigel, Christoph: Abbildung der gemein nützlichen Hauptstände. Regensburg 1698. 2. Neuere Literatur:

Eichborn, Hermann: Die Trompete in alter und neuer Zeit. Diss.

Leipzig 1881.

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Anmerkungen 1) Diese Untersuchung bildet den ersten Teil einer Dissertation, die Fortsetzung und Er­ gänzung der Erlanger Dissertation von Fritz Jahn „Trompeten- und Posaunenmacher im 16. Jahrhundert, Beiträge zur Geschichte des Nürnberger Musikinstrumentenbaus“ (1925) ist. Für besondere Unterstützung möchte ich an dieser Stelle Herrn Professor Dr. Rudolf Wag­ ner , der mir seine diesbezüelidien Forschungsergebnisse zur Verfügung stellte, sowie Herrn Archivrat Dr. Gürsching (Landeskirchliches Archiv Nürnberg) und Herrn Archivrat Dr. Schultheiß (Stadtarchiv Nürnberg) danken. 2) Paul Küppers, Ein Beitrag zur Geschichte des Musikinstrumentenmacher-Gewerbes mit besonderer Rücksicht auf Leipzig, Diss. Leipzig 1886, S. 13. 3) Küppers, a. a. O., S. 41. 4) Ernst Mummenhoff, Musikpflege und Musikaufführung im alten Nürnberg, Festzeitung des 8. Deutschen Sängerbundesfestes 1913, S. 24. 5) Tobias Norlind, Ein Musikfest in Nürnberg im Jahre 1649, SIMG, Bd. 9, S. 111. «) Johann Ferdinand Roth, Geschichte des Nürnbergischen Handels, Nürnberg 1802, Bd. III, S. 178. 7) Leipzig 1925 und AfMw Bd. 7 (1925), S. 23 f. 8) Ossip D. Potthoff: Kulturgeschichte des deutschen Handwerks. Hamburg 1938. Dort werden allein für das eisen- und stahlverarbeitende Gewerbe Ende des Mittelalters 34 ver­ schiedene Handwerksgruppen angeführt, von denen die meisten nur einen einzigen Handels­ artikel herstellten. ») Christoph Gottlieb Murr: Beschreibung der vornehmsten Sehenswürdigkeiten in der freien Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1778. 10) Die falsche Namensschreibung ist auf J. Cochläus zurückzuführen. S. auch Jahn a. a. O., S. 16. 11) Jahn, a. a. O., S. 13. 12) Theodor Hampe, Nürnberger Ratsverlässe über Kunst und Künstler, Wien und Leip­ zig 1904: „RV 1556, 17. Juni. Veyten Schnitzers, Kays. Mt. gewesener Trabant, verlesenes Kaiserliches Privilegium, auf ihn und seine Brüder und Vettern, die Schnitzer gestellt, daß ihnen niemanden im Reich ihr gewöhnlich Zeichen des A auff den Pfeuffen und anndern musikalischen instrumenten nachmachen und sich desselben gebrauchen soll, isst bevohlen, ime, den Schnitzer desselbe Privilegium wieder zuzustellen und zu sagen, er werde es sei­ ner Gelegenheit nach wohl zu brauchen wissen.“ 13) Jahn, a. a. O., S. 15. 14) LL 120/187, 188; 122/55. 15) TB Lor. 21. April 1564 (Die Nürnberger Tauf-, Ehe- und Toten-Auflage-Bücher be­ finden sich im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg). 1«) TB Lor. 29. März 1576, gest. vor 1616, denn der Eintrag seiner Frau im TGB lautet: „1. Mai 1616, Magdalena, Jobst Schnitzers, Trompetenmachers hinterlassene Wittib in der Schleengassen.“ 17) Einer genauen Darstellung des Schicksals der Familie Schnitzer kann ich mich hier enthalten. Ich verweise auf eine in Vorbereitung befindliche diesbezügliche Veröffentlichung von Dr. Rudolf Wagner, München-Gauting. 18) TrB Seb. 27. April 1568: Catharina Leußnerin, f 1573 (JGB 4. Sept.); TrB Lor. 28. Dez. 1573: Elisabeth Wiedmännin. l») Dreizehn Nachkommen sind in St. Sebald getauft worden (TB 1569—1591). 20) RV 1605/11, 2. Mai; 1608/III, S. 6.

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21) SpV 1607, 15. Mai: „Katharina Linfinerin, die ander zum los, zu einer Pfründ­ nerin aufgenommen worden.“ 22) LL 120/160 b, 6. August 1608. 23) TGB 24. Dezember. 24) TB Seb. 17. Oktober 1572. 25) TrB Lor. 27. August 1603: „Maria Dratzin, Rotschmieds Wittib.“ 26) TGB 14. August 1626. 27) TB Seb. 22. Dezember 1578. 28) TrB Lor. 13. März 1609: „Margareta Fivivin.“ 29) TrB Lor. 30) TGB: „2. Juli 1612. Jakob Pauer, gewesener Posaunen- und Trompetenmacher, gegen dem Preuhaus über.“ 31) Meisterbuch 1534—1571 (Staatsarchiv Nbg., Rep. 52 b, Nr. 309). 32) Jahn, a. a. O., S. 9. 33) 1582, am 26. November: „Barbara, Sebald Ringmachers Tochter“, die 1594 starb (TGB 17. Nov.); 1595, 28. Junni: „Apollonia Pfister von Pappenheim“, gestorben schon nach einem Jahr (TGB 10. Dez. 1596); 1597, 7. Sept.: „Catharina Herz.“ 34) Sein Eintrag im TGB lautet: „15. Oktober 1603. Anthoni Tröbelwötzsch (!K Trommetenmacher, wohnhaft auf dem Steig bei den 12 Brüdern, auswendig verschieden.“ 35) LL 115/117. 36) geboren 1588 (TB Lor.) 37) LL 119/21 b. 38) Vgl. die Einträge im TGB 1594, 17. Nov.: „Barbara, des Anthoni Trebelwitz, Trommetenmachers, Ehewirtin, in der Kothgassen“; 1596, 10. Dez.: „Apollonia, des ersamen Anthoni Trebelwetz, Drommetenmachers, Ehewirtin in der Kothgassen.“ 39) TB Lor. Über die genaue Bestimmung des Geburts- bzw. Sterbetags auf Grund der Einträge in den Tauf- bzw. Totengeläutbüchern vgl. Adolf Sandberger in DTB II, 1 Vor­ wort S. 23 mit Hinweis auf Bauch: Über die ältesten Totengeläutbücher von St. Lorenz und St. Sebald. 40) TGB 7. Juli 1616. 41) PrA Nr. 330/V, 1628. 42) RV 1638/XIII, 1656/IV, 1661/1. Wahrscheinlich gehören auch die im RV 1656 bzw. 1661 erwähnten Messerschmiede Georg und Andreas Ehe der Familie Hans Ehes an. 43) Genau wurde die Dauer derselben erst durch die 1625 entstandene Ordnung auf 6 Lehr- und 6 Gesellenjahre festgelegt. 44) Die Trauung bedeutet bei den Handwerksberufen dieser Zeit fast immer, daß die Lehr- und Gesellenjahre ihren Abschluß gefunden haben. 45) LL 123/227 b, 24. Dezember 1612. 4«) TB Lor. 1589—1599. 47) PrA Nr. 330 a. 48) RV 1613/III, S. 8, 8. Juni, /XI, S. 56, 4. Febr. 1614. 49) Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Bd. XX, 2 Urkunden Nr. 17, 401, 402, 404. 50) Die erhaltene Tenorposaune im Bayrischen Nationalmuseum München Nr. 197 K 90 trägt als Meisterzeichen eine Krone. 51) Für das Folgende vgl. PrA Nr. 330/1—X, a—e. 52) Als Folge dieser Verhaftung erkrankte Christian so schwer, daß sich sogar seine Mitgefangenen gegen die Unmenschlichkeit einer Gefangenhaltung unter diesen Umständen beschwerten. Erst als er schon vom Tode gezeichnet wrar, ließ sich die Gläubigerin dazu be­ wegen, ihm die Haft zu erlassen. Kurz darauf starb Christian. 53) = Zwangsvollstreckung. 64) PrA Nr. 330 a. 55) PrA Nr. 1739/IV. Im RV 1624/XIII, S. 21 vom 2. April 1625 wird ebenfalls von Isaac Ehe als dem gewesenen Meister von Georg Petz, Trompetenmachergesellen, gesprochen, der diesem verholten habe, als Unbürger und Geselle eine eigene Werkstatt zu führen (s. u.). 6«) RV 1620/III, S. 70, 10. Juli; RV 1622/XIII, S. 8, 28. März 1623. 57) RV 1618/11, S. 14, 11. Mai; S. 16, 12. Mai. 58) RV 1618/11, S. 34, 48, 18., 21. Mai; /IV, S. 47, 16. Juli. 5») RV 1626/11, S. 92. 7. Juli; /III, S. 113, 5. Juli; /IV, S. 11, 31, 40, 67, 111, 7.-29. Juli; /V, S. 54, 14. August. RV 1627/IV, S. 26, 26. Juni; /VII, S. 88, 8. Okt.; /VIII, S. 47, 22. Okt.; /IX, S. 16, 10. Nov.; 1628/1V, S. 63, 30. Juli; /V. S. 12, 12. Aug. 80) RV 1616/V, S. 28, 2. Aug.; 1622/IV, S. 40, 29. Juli; 1624/V, S. 23, 28. Juni; 1627/IV, S. 6, 22. Juni; /VII, S. 64, /VIII, S. 78, 31. Okt. 61) PrA Nr. 530 V. 62) RV 1627/III, S. 144, 18. Juni. 63) Aufbewahrt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. 84) PrA 330 VIII, X. 85) TGB: „25. August 1632. Der ersam, kunstreich und Mannhaft Isaac Ehe, Trompeter und Trompetenmacher, unter den Hütern.“ Der Eintrag läßt vermuten, daß Isaac Ehe, seine Frau und die ebenfalls im gleichen Jahr (TGB 30. Okt.) gestorbene Tochter Magdalena

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ein Opfer der unseligen Kriegszeiten wurden, die gerade während dieser Monate in der Belagerung Nürnbergs durch Gustav Adolf und Wallenstein ihren Höhepunkt fanden. 66) TGB 16. Oktober 1632. 67) PrA 330 XI. 68) PrA 330: „Curation des Isaac Ehe“, besonders IV: Inventar. Das Haus, das Isaac von seinem Schwiegervater ererbt hatte, durfte nach einer testamentarischen Bestimmung nur innerhalb der Familie seiner Frau weiterveräußert werden, und das andere Haus, das Isaac 1612 erworben hatte, wird wohl schon längst verkauft gewesen sein (S. hierzu die Wohnungsangabe in Anm. 65). 6») TB Lor. 25. Dezember 1595. 70) Sebastian Hainlein der Jüngere (s. u.) 71) RY 1618/11, S. 8, 8. Mai. 72) RY 1626/11, S. 92, 7. Juli. 73) RV 1626/V, S. 45, 14. August. 74) Aus ähnlichen Gründen versuchte der Rat 1663 (RV 1663/V) eine Streitigkeit zwischen den Bein- und Wildrufdrechslern (ein Kunsthandwerk, das erst 1603 von dem Nürnberger Nie. Grün erfunden worden war) zu schlichten, „damit das Gewerbe nit aus der Stadt komme.“ 75) RV 1628/IV, S. 63, 30. Juli. 76) Der Fingerhüter Hieronimus Mülhofer war ein vermögender Bürger, der drei Häu­ ser in der Grasersgassen sein eigen nannte. Zwei davon hatte er 1608/9 von den Erben des Trompetenmachers Anton Schnitzer dem Älteren gekauft (LL 120/187, 122/55). 77) PrA 331/III. 78) TrB Lor. 30. Juli 1621. 79) 600 Gulden bekam sein Bruder Isaac Ehe zum Weineinkauf, 300 Gulden sein Schwie­ gervater Hier. Mülhofer (PrA 330/V, 331 /III). 80) PrA 331 III,Nr. 15. 81) PrA 330 V. 82) PrA 331 III. 83) = öffentliche Ausbietung. 84) Anscheinend fand der Schuldner im letzten Augenblick noch einen Käufer, der Ehe überbot, da dieser bis zuletzt im Haus am Lorenzergraben wohnte. (So lauten die Woh­ nungsangaben beim Tod seiner ersten und zweiten Frau 1634 und 1643 sowie bei seinem eigenen Hinscheiden 1668 im TGB). 85) TGB 27. September 1634. 86) TrB Lor. 26. Januar 1635. 87) TB Lor.: Georg 14. Dezember 1635, Hans Leonhard 7. Dezember 1638. 88) von 1643 bis 1654. 89) RV 1643/VI, S. 96 v, 19. September. 90) RV 1649/XIII, S. 26 v, 5. März 1650; 1650/1, S. 114, /II, S. 11, 17. Mai; /IV, S. 61, 25. Mai. 91) PrA 330 V, Nr. 1. «2) PrA 331 III, Nr. 27. *3) PrA 331. 64) wohl bei seinem Schwiegervater. 95) Das Saitenmachen war in Nürnberg 1388 erfunden worden und hatte sich zu einem einträglichen und gesuchten Handwerk entwickelt (Vgl. Murr, a. a. O., S. 667 und Roth, a. a. O., Bd. III, S. 178). 96) gemeint ist wohl die Stadt Krems in Niederösterreich. 97) = eine aus dem Obereigentum hervorgegangene Hypothek; RV 1635/11, S. 66, 7. Mai. 98) sie starb lt. TGB am 14. oder 15. Februar 1643. 99) RV 1644/XI, S. 76 v, /XIII, S. 3 v, 21., 27. Februar 1645. 100) TrB Seb. 20. Juli 1646. 101) Anmerkung auf einem Nürnberger Stadtplan von C. T. Lotter, 1740:.......... wiewo! auch einige von distinction in Privathäusern copuliert werden ex. gr. von dem Patriziat und vornehmen Kaufleuten.“ 102) TGB 4. Sept. 1660: „Georg Ehe, utriusque juris studiosus, des Georg Ehe, Posaunenund Trompetenmachers Sohn, zu Lyon in Frankreich verschieden.“ 103) Eine kunstvoll ausgeführte Posaune von Georg Ehe befindet sich unter Nr. 660 in der MIS des Pariser Conservatoriums (Katalog von Gustave Choquet, Paris 1884). 104) TGB 17 April: ..Der erbar und kunstreiche Georg Ehe, Posaunen- und Trompeten­ macher, am Lorenzergraben.“ 105) TB Lor. 7. Dezember. Da innerhalb der Familie Ehe insgesamt drei Trompeten­

macher mit dem Vornamen Hanns oder Johann Leonhard auftreten, sind sic in der chrono­ logischen Reihenfolge durch in Klammern gesetzte römische Zahlen gekennzeichnet. 106) Daß die Instrumentenmacher die gefertigten Instrumente auch spielen konnten, steht außer Frage. Manche brachten es zu einem wahren Virtuosentum, wie es schon von Hans Neuschel dem Älteren bezeugt ist (Jahn, a. a. O., S. 15). 107) In den StR erscheint der Name Ehe unter den Stadtpfeifern nirgends. (Vgl. auch Max Seiffert im Vorwort zu DTB VI/1). 108) VA Rep. 78, Nr. 1293/1V, S. 305. 109) LL 180/92, 22. August 1679.

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110) TGB 2. Mai 1673. ui) TB Lor.: 18. Juni 1664 Hans Leonhard, 30. Juni 1665 Hans Georg, 4. Febr. 1669 Friedrich, 13. Juni 1670 Marg. Barbara, 17. Febr. 1673 Helena. 112) VA Nr. 1293/1, S. 16. 113) TGB 22. Juli 1707. H4) Johann Martin Trechsel, Verneuertes Gedächtnis des Nürnbergischen Johannisfried­ hofes, Nürnberg 1736. S. 531. H5) Siehe die Tabelle im Anhang. no) Ygl. Anm. 111. H7) RV 1686/IX, S. 134, 7. Dezember. H8) TrB Seb. 17. Februar 1690. HO) RV 1719/IX, S. 60, 4. Dezember. 120) RV 1707/XI, S. 112, 8. Februar 1708; 1724/IV, S. 177 v, 18. Juni. 121) TB Lor. 24. März. I2la) TB Lor. 11. Juni 1700: Maria Elisabeth. 122) TB Lor. 13. März 1705: Anna Maria. Die anderen Kinder sind lt. TB Lor.: Wolf Magnus 22. Nov. 1690; Susanne Catharina 6. Nov. 1691; Susanna Magdalena 15. Febr. 1693; Margareta Salome 20. Juni 1697; Georg Andreas 22. Aug. 1698; Johann Georg 20. Febr. 1704 (TB Seb.) 123) Ein Beweis dafür, daß sie nicht unbenutzt war. 124) VA Nr. 1293/IV, S. 305, 308, 412, 435, 441. 125) RV 1715/11, S. 87v, 6. Juni. 120) TGB 10. Juli 1724: „Der erbar und kunsterfahrene Johann Leonhard Ehe, Posaunenund Trompetenmacher am Lorenzergraben.“ Die Frau Johann Leonhards war schon 1705 (TGB 23. März), kurz nach der Geburt des jüngsten Sohnes, gestorben. 127) RV 1725/IV, S. 4, 28. Juni. 128) Susanne Maria war die Frau des „Spitalamtssubstituten“ Friedrich Albrecht Schmahl geworden, Susanne Catharina hatte den „Chirurgen“ Andreas Hutter von Neustadt an der Aisch und Susanna Magdalena den Zinn- und Kannengiefier Christoph Marx geheiratet. 129) VA Nr. 1293/IV, S. 435. 130) Darunter waren 1300 fl. „Liegenschaften“, 840 fl. Schmuck, ein beinahe eines Hono­ ratioren würdiger Wert, 700 fl. Bargeld und 314 fl. „an Werkzeugen und anderem Vorrat.“ 131) Wolf Magnus, Georg Andreas, Johann Georg. Vgl. Anm. 122. 132) S. Anm. 122. 133) TrB Lor. 1. Dezember 1716: „Der erbar Wolf Magnus Ehe, Musicus, wie auch Po­ saunen- und Trompetonmacher, des Johann Leonhard Ehe, Posaunen- und Trompeten­ macher, ehl. Sohn — Maria Helena Pfeiffer, Peruquierers Tochter.“ 134) Vgl. S. 110/111. 135) = Steuer. 136) RV 1719/IX, S. 60, 127, 4., 13. Dezember. 137) TGB 16. März 1722: „Der erbar und Kunstreich Wolff Magnus Ehe, Posaunen- und Trompeteninacher und Musicus in der Cothgassen.“ 138) TB Lor. 4. Febr. 1669. 139) TrB Lor. 17. August 1699: „Der erbar und kunstreiche Friedrich Ehe, Posaunen- und Trompetenmacher, des erbaren und kunstreichen Johann Leonhard Ehe des eitern, Musici auch Posaunen und Trompetenmacher ehl. Sohn — die tugendsame Jfr. Margareta Haubnerin, des ersamen Nicolaus Haubner, Circelschmids seel. nachgel. ehl. Tochter; Chorhoch­ zeit im Pfarrhof oben auf dem Saal.“ 140) TB Lor.: Johann Leonhard 13. März 1700; Albrecht 19. Mai 1702; Maria Jakobina 20. Jan. 1704; Leonhard Andreas 30. Okt. 1705; Johann Jakob 21. Juli 1707; Johann Jakob 26. Okt. 1709; Georg Friedrich 7. März 1711; Margareta 23. März 1713; Martin Fried­ rich 23. Juli 1714: Leonhard Friedrich 12. Jan. 1717. 141) Taufe 1709. 142) Taufe 1704. 143) RV 1704/11T, S. 144, /IV, S. 62, 142, 4., 14., 31. Juli. 144) Die Wohnungsangabe im TGB ist bei beiden dieselbe: „im Catharinengraben.“ 145) Die letzte erhaltene Trompete trägt die Jahreszahl 1741. Sie ist in der MIS des Königlichen Konservatoriums in Brüssel aufbewahrt. 14*6) RV 1729/XT, S. 49 V, 7. Febr. 1730; 1742/XIII, S. 61, 18.März 1743. 147) TGB 21. Februar 1743: „Der erbar und kunstreich Friedrich Ehe, Posaunen- und Trompetenmacher am Catharinengraben.“ 148) TB Lor. 13. März 1700 bzw. 23. Juli 1714. 149) RV 1720/IV, S. 158 v. 150) Hans Leonhard (III) wurde noch im Todesjahr Wolf Magnus' in die Meisterliste eingeschrieben und wohnte bei seinem Tode ebenfalls in der Kothgasse (Vgl. Anm. 137). 151) Vergleiche auch hier die Einträge im TGB Anm. 147 und 155. 152) Meisterliste der Trompetenmacher. 153) TrB Lor. 12. November 1753. 154) Zwei erhaltene Instrumente mit der Inschrift „Macht Friedrich Ehe in Nurnb.“ tragen die Jahreszahlen 1747 und 1748. Sie befinden sich in der MIS des Kunsthistorischen Mu­ seums Wien.

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155) TAB: „28. Mai 1779. Der erbar und kunsterfahrene Martin Friedrich Ehe, Posaunenund Trompetenmacher am Catharinengraben, St. Johannis — 3er Leich.“ — Die Einstufung der Leichenbegängnisse nach freundlicher Mitteilung Herrn Archivrats Dr. Gürsching, Lan­ deskirchliches Archiv, Nürnberg. 15«) RV 1720/III, S. 13 v, 9. Juni; /IV, S. 41, 3. Juli. 157) TrB Lor. 24. Mai 1726. 158) TB Lor. 1726—1749, TB Seb. 1733, 1741. 159) Sie sind unter anderem im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, dem Bay­ rischen Nationalmuseum und der MIS der Universität Leipzig aufbewahrt. 180) SpV 20. Dezember 1771: „Margaretha, Johann Leonhard Ehes, Bürgers und Trom­ petenmachers Wittib, aet. 67 Jahr, in des Spitals Krankenstuben gnädig recipiert.“ 161) SpV 10. März 1772. 162) SpV 14. August 1778. 168) TB Lor. 1. Dezember 1726. 164) Meisterliste des Handwerks. 165) TGB: „Unbesungene Leichen:............21. Dezember. Anna Barbara, Wolfgang Magtius Ehe, Trompetenmachers ehl. Hausfrau aufm Lorenzerplatz.“ 16«) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 78, Nr. 201. 167) Eine Busine von „Sebastian Hainlein MCDLX“ aus der Collection Galpin befindet sich im Museum of Fine Arts, Boston (USA). 168) Die Nürnberger Kirchenbücher weisen Einträge von fünfzehn Rotschmieden und Rotschmieddrechslern des Namens Hainlein auf, deren Stammvater Egidius der Ältere 1627 starb. 169) Diese Schreibweise des Namens findet sich auf allen erhaltenen Instrumenten und wird deshalb im folgenden beibehalten. 170) Lauf an der Pegnitz liegt im Gebiet der Reichstadt östlich von Nürnberg. 171) In St. Sebald wurde am 29. April 1605 ein Kind von ihm getauft (TB Seb.). Da die Taufeinträge seiner Kinder nur zwischen 1602 und 1605 aussetzen, läßt sich daraus auf die ungefähre Dauer seiner Abwesenheit von Nürnberg schließen. 172) RV 1605/XI, S. 61, /XII, S. 6, 3., 8. Febr. 1606; /XIII, S. 24, 13. März 1606. 178) Nürnberger Neubürgerbuch 1534—1631. 174) RV 1626/V, S. 45, 14. Aug.; 1627/IV, S. 26, 26. Juni; 1628/IV, S. 63, 30. Juli. 175) TGB 24. Februar 1631: „Der ersam Sebastian Hainlein, Trummetenmacher in der alten Ledergass.“ Seine Frau war schon 1620 gestorben (TGB 23. Juni). 17«) Aufbewahrt im Bayrischen Nationalmuseum München. 177) TB Seb. 17. März 1594. 178) RV 1618/11, S. 12, 14, 16, 34, 48, 51, 9.-23. Mai. 179) RV 1623/V, S. 84, 3. September. 180) RV 1626/11, S. 92, 7. Juni; /III, S. 113, 5. Juli. 181) RV 1628/IV, S. 63, 30. Juli. 182) RV 1630/VI, S. 98, 15. September. 183) TrB Lor. 24. Juni 1622. 184) StR, Jg. 1625, S. 122 v, 30. April: „Zahlt Sebastian Heinlein, Trommetenmacher, eine Posaune und Dulcin ausgebessert laut Zettel 2 fl. 50.“ S. 127, 10. Oktober: „Zahlt Sebastian Hainlein, Trommetenmacher, zwei schadhafte Posaunen und ein Dulcin zu rich­ ten laut Zettel 2 fl. 54 “ 185) RV 1625/XII, S. 67, Februar 1626. 186) StR, Jg. 1627, S. 148 v, 4. März. 187) Nürnberger StR, Jg. 1626, S. 122 v, 7. Juni: „Zahlt Endresen Hussgott, Trommetenmacher für übliche ausgebesserte instrumenta musicalia, auch 3 neue verkaufte Tenorund Altdulcin ä 4‘/s Thaler — thut laut Zettel 38 fl. 10.“ Hußgott (auch Hüschgat und Hußgat) verfertigte hauptsächlich Holzblasinstrumente, da­ rauf deutet sowohl obiger Eintrag wie auch die folgenden Stellen in den StR hin: 1625, S. 128, 25. Oktober: „Endres Hußgat, Trommetenmacher für zwei Baßdulcin von Arlaßbaumholz 24 fl.“ 1629, S. 126 v, 31. März: „Zahlt Endres Hußgott für einen neuen Dulcin, so links und vor ein alten zuzurichten 15 fl.“ Im TGB (24. Dezember 1635) ist er als „Trompeten-, Dulcin- und Zinkenmacher“ auf­ geführt. Es ist fraglich, ob er unter diesen Umständen überhaupt das Meisterrecht des Trompetenmacher-Handwerks besaß. 188) Vgl. Eugen Schmitz im Vorwort zu DTB VII, S. 17. 189) RV 1632/X, S. 46, 22. Dezember. Die sechste Stadtpfeiferstelle selbst blieb, nicht zu­ letzt wegen der schwierigen Finanzlage der Stadt in dieser Zeit, bis 1670 unbesetzt. 190) RV 1636/IX, S. 82, 24. Dezember: „Sebastian Heinlein, Expektanten bei den Stadt­ musikanten, so um Verbesserung seines Wartgeldes suppliciert, soll man zur Geduld und bis etwa eine Stelle von selbst erledigt wird, anweisen.“ 191) Daß Sebastian Hainlein nicht, wie Seiffert (a. a. O., S. 1) annimmt, eine der da­ mals fünf Stadtpfeiferstellen innehatte, ergibt sich auch aus den StR von 1633—1648, in denen er bis zum Schluß stets nur mit dem Wartgeld von vierteljährlich 5 Gulden ein­ getragen ist, während die ordentlichen Stadtpfeifer im gleichen Zeitraum 37 Gulden 10 Kr. erhielten.

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192) RV 1640/IV, S. 10, 29. August. Über Koler, wie über die anderen Ratsmusiker die­ ser Zeit vgl. Seiffert a. a. O. 193) RY 1643/III, S. 94 v, 28. Juni. 194) Norlind, a. a O. 1»5) Peter Epstein, Katalog der Musikinstrumente im historischen Museum der Stadt Frankfurt am Main, Nr. 109. 19«) Ein Instrument vom Jahre 1622, das das Wappen des Erzbischofs trägt, ist im Museum Carolino Augusteum in Salzburg aufbewahrt (Katalog von Karl Geiringer Nr. 178). 197) Ygl. die Einträge im TGB beim Tod seiner beiden Töchter, wo er noch im Haus seines Vaters „in der alten Ledergassen“ wohnte, und die Wohnungsangabe bei seinem Tod, Anm. 198. Audi in der Erbschaft, die sein Sohn Paul hinterließ, taucht ein Haus „am Laufferplatz“ auf (s. u.). 198) TGB 31. Januar 1651: „Der Erbar und kunstreich Sebastian Hainlein, Musicus, Po­ saunen- und Trompetenmadier auf dem Lauferplatz“. 199) Im TB von Sebald sind zwei Söhne Sebastian Hainlein des Älteren mit dem Namen Johann eingetragen (18. Mai 1596 und 22. April 1598). Wahrscheinlich ist der ältere Sohn bald nach der Geburt gestorben, denn anders ist es kaum erklärlich, daß zwei Söhne mit so geringem Altersunterschied auf den gleichen, damals so häufigen Namen getauft wurden. 200) TrB Seb. 20. Juli 1630. 201) TGB 1632, 31. Oktober. 202) TrB Seb. 6. Mai 1633. 203) TGB 18. September 1635. 204) TrB Seb. 17. September 1636. Seine dritte Frau hieß Magdalena Speck. 205) TB Seb. 1632—1651. Danach stammen sechs der Kinder Hans Hainleins aus dieser Ehe206) TGB 15. Februar 1649. 207) 4. November 1650. 208) Gewisse, von anderen Meistern übernommene Verzierungseigenheiten lassen darauf schließen, daß zumindest Johann Wilhelm Haas und Wolfgang Birckholz bei ihm einen Teil ihrer Lehrzeit verbracht haben. 209) Dies beweist eine erhaltene Trompete von ihm mit der alten geraden Form, die für das ehemalige „Pfeifergericht“ gefertigt wurde (Epstein, a. a. O., Nr. 102). 210) TGB 26. Oktober 1671: „Der erbar und kunstreich Johann Hainlein, Posaunenund Trompetenmacher, an der steinern Brucken, gegen den Freibänken über.“ 211) Daß Paul Hainlein nicht ein Sohn des Nürnberger Arztes Sebastian Hainlein ist, wie Will (Nürnberger Gelehrtenlexikon) und nach ihm Eitner (Quellenlexikon) annimmt, hat schon Seiffert (a. a. O., S. 23) hinreichend widerlegt. 212) Seiffert a. a. O., S. 23. 213) Seiffert, a. a. O., S. 23. 214) Daß die Reisen von 1646 bis 1648 durchgeführt wurden, wie Seiffert und viele andere annehmen, ist unwahrscheinlich, da Paul Hainlein in den Nürnberger Stadtrechnungen schon 1646 unter den Stadtpfeifern mit der Besoldung eines Expektanten von jährlich 20 Gulden aufgeführt ist. Falls die Datierung Seifferts wirklich zuträfe, könnte es sich bei obiger Besoldung nur um einen laufenden Reisekostenzuschuß von seiten des Rats handeln, was aber an dieser Stelle sehr ungewöhnlich wäre. 215) Norlind a. a. O., S. 113. 21«) Über die Bedeutung der Organistenstelle zu St. Sebald vgl. Eugen Schmitz a. a. O., S. 14 und Rudolf Wagner, Die Organisten der Kirche zum Heiligen Geist in Nürnberg ZfMw Bd. XII, S. 459. 217) Wagner, a. a. O., S. 467. 218) Sandberger, a. a. O., S. 73 und 95. (DTB V, 1) 219) Sie tragen Jahreszahlen von 1677 bis 1685. Eine davon befindet sich im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. 220) RV 1678/VIII, S. 18, 21. Oktober. 221) TB Seb. 20. August. 222) Nimmt man als frühesten Zeitpunkt des Beginns der Lehrhzeit das zwölfte Lebens­ jahr an, so fehlten 1645 von den zwölf vorgeschriebenen Lehr- und Gesellenjahren noch sieben, deren Abdienung Paul Hainlein als Meisterssohn wahrscheinlich größtenteils er­ lassen wurde. 223) RV 1686/IX, S. 134, 7. Dezember. 224) TB Seb. 3. August 1657: Maria. 225) Die Namen der anderen Kinder Paul Hainleins sind nach TB Seb.: Anna Marga­ retha 17. Juni 1652; Paulus 9. September 1655; Michael 20. Juli 1659; Hanns Paul 28. Mai 1661; Johann Georg 15. Februar 1663; Johannes 6. April 1665; Konrad 14. Juni 1667; Clara 6. Dezember 1669; Maria Magdalena 24. Oktober 1673. 22«) StR 1669, S. 150, 18. Dezember: „Zahlt Paulo Hainlein, ein Organista zu St. Sebald, für ein neue Trombone oder Posaune zur Musik in unserer Frauen(kirche) zu machen laut Zettel fl. 12 — 227) VA Nr. 1293, Bd. IX, S. 151, 213. 228) In den VA, Bd. IX wird bei der Vermögensaufstellung des Vormunds seiner Kinder stets ein Posten „Anweisung an der Behausung auf dem Lauferplatz“ und ab 1686, dem

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Todesjahr Paul Hainleins, auch eine „Anweisung an dem Haus auf (?) der „Vesten“ an­ geführt. 229) TAB Seb. 18. Dezember 1676. 230) TrB Seb. 16. Juli 1678. 231) Albrecht Martin Lunsdörfer war bis 1686 Organist an der Frauenkirche, dann an St. Egidien und ab 1687 an St. Lorenz (Seiffert, a. a. O., S. 21). 232) VA, Bd. IX, S. 145 ff., 211, 213. 233) Von den jüngsten, zwischen 1661 und 1673 geborenen sechs Kindern (Siehe Anm. 225) erscheinen bei der ersten Vormundschaftsrechnung 1678 nur mehr vier; Johannes Georg (geb. 1663) und Clara (geb. 1669) müssen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben ge­ wesen sein. 234) Seiffert, a. a. O., S. 24. 235) Der 1665 geborene Hans muß 1681 gestorben sein, da er in diesem Jahr zum letzten Male in den Rechnungen auftritt. 230)Schmuckgegenstände waren schon zu Beginn der Vormundschaft im Wert von 300 Gulden vorhanden. 237) Möglicherweise stammt dieser Posten aus der damals üblichen Naturalentlohnung Paul Hainleins als Organist. 238) TB Seb. 239) VA, Bd. IX, S. 145: ..Rechnung Nr. 2 von A. 1680—81“. Hier betrugen die Ausgaben Michaels in einem Jahr über 200 Gulden. 240) RV 1680/XTI, S. 100, 122, 5., 10. März 1681. 241) RV 1685/XIII, S. 57 v. 242) RV 1686/IX, S. 134, 7. Dezember. 243) Potthoff, a. a. O., S. 89. 244) VA Bd. IX, S. 145. 245) TrB Seb. 25. Januar 1687. 246) TB Seb. 1690—1701. 247) VA Bd. IX, S. 211, 17. Mai 1692; S. 217, 13. November 1694. 248) Laut VA Bd. IX betrug das ihm zugefallene Vermögen 1678 bei der zweiten Ver­ heiratung Paul Hainleins nahezu 900 Gulden, schmolz dann bis zum Tod des Vaters 1686 auf 380 Gulden zusammen und erhöhte sich durch den Anteil an der Hinterlassenschaft des Vaters wieder auf 900 Gulden. 249) VA Bd. IX, S. 145. 250) TGB 8. März 1725. 251) TB Seb. 21. Februar 1701. 252) TAB Seb. 1642. 253) Seiffert, a. a. O., S. 12. 254) Nach freundlicher Mitteilung von Dr. Rudolf Wagner. 255) TrB Seb. 23. August 1669. 256) RV 1669/IV, S. 66, 29. Juli. Über die, vom Rat immer wieder streng überwachten Vorschriften der „Nürnberger Hochzeitsordnung“ vgl. Sandberger DTB V, 1, S. 30, 88. 257) TrB Seb. 258) Die Namen der Kinder sind nach den Taufbüchern: Johann Ferdinand 18. Januar 1671; Wolff Christof 20. Juni 1672; Hans Heinrich 28. Mai 1674; Johann Heinrich 9. Tan. 1678; (Lor.) Gerhard Jakob 1. Juli 1675; Esther Susanna 18. Juli 1680; Caspar 19. März 1683; Johann Jakob 29. März 1686; Clara 16. Nov. 1688 (Seb.). 259) TGB 14. Juli 1690. 260) TrB Seb. 14. Oktober 1691. 261) TB Lor. :Andreas Bartholomäus 13. Jan. 1693; Johann Jakob 9. Juni 1697 . 262) Im Testament des Sohnes Gerhard Jakob, das vor 1694 entstanden ist (s. u.), sind von den oben angeführten, bis zu diesem Zeitpunkt geborenen zehn Kindern nur mehr fünf erwähnt. Die zwei ältesten Söhne Johann Ferdinand und Wolf Christoph waren mög­ licherweise schon verheiratet, jedoch der 1674 geborene Hans Heinrich und Caspar sind in der Zwischenzeit sicher gestorben. Außerdem starben lt. TGB: 1694 Gerhard Jakob, 1695 Johann Heinrich (s. u.), 1698 Esther Susanna und 1708 Clara. 263) Siehe Anm. 258. 264) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 78, Nr. 1009. 265) TGB: „Der erbar und kunstreich Gerhard Jakob Schmidt, Posaunen- und Trom­ petenmacher, des Jakob Schmid, Pos.- und Trompetenmacher ehl. Sohn am Schießgraben.“ 26«) TGB 15. August 1695: „Der erbar und kunstreich Johann (Heinrich) Schmidt, Po­ saunen- und Trompetenmacher, des erbaren und kunstreichen Jakob Schmidt, Pos.- und Trompetenmacher ehl. Sohn, am Schießgraben.“ 267) TGB 26. März 1720: „Der erbar und kunstreich Jakob Schmid, Posaunen- und Trom­ petenmacher am Schießgraben.“ 268) TB Seb. 29. März 1686 und TB Lor. 9. Juni 1697. Vgl. Anm. 258 und 261. 269) TB Lor. 26. Oktober 1709. 270) TrB Seb. 271) VA Bd. V, S. 317. 272) Im Verzeichnis der Stadtpfeifer in den StR aus dieser Zeit erscheint der Name Schmidt nirgends.

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273) Da aber die von ihm gefertigten Instrumente den Zusatz „Stadthautboist“ bei der Namenszeichnung tragen, ist eine Unterscheidung möglich. 274) YA Bd. V, S. 317, 20. Februar 1740. 275) TB Lor. 11. August 1719. 27«) TAB Seb. 3. April 1756. 277) TB Seb. 11. August 1733. 278) YA Bd. VI, S. 157, 20. April 1756. 279) TrB Seb. 25. Juni 1745. 280) Meisterliste des Trompetenmacher-Handwerks. 281) RY 1749/VII, S. 37, 2. Oktober. 282) Johann Ernst Altenburg, Versuch . . . . , Halle 1795, S. 10. 283) RV 1606/11, 26. Mai. 284) Curt Sachs, Musikgeschichte der Stadt Berlin, Berlin 1908, S. 28—30. — Umgekehrt wurden in Amberg (Opf.) die Türmer zur Begleitung des sonntäglichen Gemeindegesangs in der Kirche herangezogen (B. A. Wallner, Musikalische Denkmäler der Steinätzkunst des 16. und 17. Jahrhunderts nebst Beiträgen zur Musikpflege dieser Zeit, München 1912, S. 255). 285) RV 1605/XII, S. 36. 286) TrB Lor. 18. Oktober 1641. 287) TB Lor. 6. August 1649. — Auf einer Posaune von „Johann Wilhelm Haas in Nürnberg“ in der Berliner MIS (Katalog von C. Sachs, Nr. 753) findet sich allerdings die Jahreszahl 1615, die darauf schließen läßt, daß schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts ein sonst nicht nachzuweisender Instrumentenbauer, vielleicht ein Dilettant, dieses Namens gelebt hat, der aber keineswegs mit obigem Johann Wilhelm Haas identisch und auch kaum damit verwandt ist. 288) TrB Lor. 289) TB Lor. Marx Friedrich 2. August 1677; Susanna 19. Dezember 1679; Susanna Re­ gina 15. Januar 1687; Wolff Wilhelm 5. März 1689. 290) TGB 10. Juni 1721. 291) TGB 2. Juli 1723: ..Der erbar und kunstreich Johann Wilhelm Haas, Posaunen- und Trompetenmacher in der Creuzgassen.“ 292 Treehsel, a. a. O., S. 928: „X. Zeile im neuen hintern Friedhof, 22ste (Grabstätte) mit N 110; oben auch also (wie vorige = simpel), außer daß oben zu den Häupten an der Seite die Anfangsbuchstaben und der Name des Besitzers J. W. H., Johann Wilhelm Haas, Trompetenmacher zwischen der voreinandergesetzten Jahreszahl 1687 zu sehen ist.“ 293) Seiffert, a. a. O., S. 13. 294) TB Lor. 5. März 1681. 295) StR 1724, S. 86, 3. April. 296) TAB 21. Februar 1760: „Der erbar und kunsterfahrene Wolfgang Wilhelm Haas, Posaunen- und Trompetenmacher in der mittleren Creuzgassen. Dreyerleich.“ 297) Aufbewahrt im Bayrischen National-Museum München (Nr. 47/25—47/36) als Leih­ gabe der Staatstheaterintendanz. 298) Die zehn Kinder sind lt. Taufbuch Lor.: Susanne Rosina 2. März 1722: Ernst Jo­ hann K o n r a d 18. März 1723; Wolf Christof 24. Oktober 1724; Susanne Catharina 23. April 1726; Margaretha Magdalena 31. August 1727; Ursula Walburga 13. September 1730; Sybilla 24. August 1732; Johann Christoph 12. Oktober 1734; Magdalena Sophie 21. Oktober 1736; Maria Magdalena 15. Mai 1742. 299) Meisterliste des Trompetenmacher-Handwerks. 300) TrB Lor. 20. Oktober 1762. 301) TAB 31. Mai 1773. 302) TrB Seb. 5. Oktober 1773. 303) TB Lor.: Anna Elisabeth 30. August. 1763; Magdalena Catharina 10. Juni 1764; Magdalena Sophie 1. April 1766; Johann Gottfried 26. April 1767; Johann Georg 21. Juli 1768; Johann Adam 16. Dezember 1769; Johann Heinrich Christoph 2. Juni 1771; Ernst Johann Konrad 30. Jan. 1773; Johann August 4. November 1774; Katharina Walburga 16. April 1777; Christoph Ernst 6. Dezember 1778. 304) VA Bd. VII, S. 110. Dort werden nur mehr folgende Kinder erwähnt: Magdalena Sophie, Johann Gottfried, Johann Adam, Johann August und Catharina Walburga. 305) VA Bd. VII, S. 110, 111. 39ß) Besonders bemerkenswert an dem in den Vormundschaftsakten angeführten Ver­ zeichnis der Mitgift ist eine Stelle, bei der von Zinn und Messing im Wert von 18 Gulden die Rede ist. Anscheinend war es in den Handwerksfamilien üblich, irgendwelche zum Handwerk des Bräutigams gehörigen Gegenstände in die Ehe einzubringen. 307) E. Freiherr von Marschalk, Die Bamberger Hofmusik unter den letzten Fürst­ bischöfen. Bamberg 1885, S. 57, Anm. 40. 308) TB Lor. 309) RA Jg. 1796, S. 50 (diese für das Nürnberger Handwerkswesen so überaus wichtigen Akten sind heute leider nur mehr ab Jahrgang 1781 erhalten): „Johann Adam Haas, ein Meistersohn, bittet zum Meister gesprochen zu werden; da nun die noch einzigen Meister dieser Profession keine deshalben Einreden gemacht, als wurde Petenten deferiert, und er über die noch anzuhörende Ordnung eidlich verhandgeliibdet.“

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310) TrB Lor. 7. April 1796. 311) TB Lor.: Sophie Catharina Fridericana 7. August 1796; Magdalena Sophie 4. Jan. 1799; Catharina Johanna Walburga 24. Mai 1801; Johann Gottfried Wilhelm 29. Jan. 1804; Johann Philipp Gottlieb 20. Nov. 1806; Anna Margaretha 1. April 1810. 312) Totenbuch St. Jakob 11. Januar 1817. 3ia) RY 1603/1V, S. 24, 30. Juli. 314) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 b, Meisterbuch 310. 315) Nürnberger Neubürgerliste 1631—1725, Staatsarchiv Nbg. Rep. 52 b, Nr. 311. 31«) RV 1681/1, S. 163. 317) Gugel, Norischer Christen Friedhöfe Gedächtnis, Nürnberg 1682, S. 102. 318) VA Bd. VIII, S. 174. 319) TB Lorenz. 320) RV 1679/VIII, S. 132, 1. Dezember. 321) Gewöhnlich wurde, was später noch ausgeführt wird, den Trompetenmachern das Meisterrecht mit 26 Jahren verliehen, wie sich aus der Ordnung ersehen läßt, die den Be­ ginn der Lehrzeit auf das 14. Lebensjahr und die Dauer derselben auf 12 Jahre festlegt. 322) RV 1679/IX, S. 8, 5. Dezember: »Catharina Barbara Conradin, soll man .... auch „zut Red setzen lassen, warum sie der armen Magd zu gemutet, die Kindsgeburt zu ver­ schweigen und was sie mit demselben zu tun vorgehabt habe.“ 323) TB Lor.: Maria Magdalena 20. Juli 1681; Andreas 17. April 1683; Agathe Catharina i. März 1685; Daniel 10. Nov. 1686. TB Seb.: Sophie Margaretha 1. Jan. 1693. 324) RV 1698/1, S. 52, 5. Mai. 325) RV 1685/11, S. 128, 17. Juni; /III, S. 4, 18. Juni. 326) TGB 8. Mai 1721: „Der erbar und kunstreidi Johann Carl Kodisch, Posaunen- und Trompetenmacher, hinterm Tetzel.“ 327) VA Bd. IV, S. 118. 328) TB Lor. 10. November 1686. 329) Lt. freundlicher Mitteilung von Dr. Rudolf Wagner starb Andreas Kodisch am 19. Dezember 1684. 330) TrB Seb. 7. April 1710. 331) Vgl. Anm. 332 mit der Wohnungsangabe auf S. 237. Sein Vater hingegen hatte .hin­ term Tetzel“ gewohnt (Anm. 326). 332) TGB 25. Juli 1732: „Die erbare und tugendsame Frau Margarethe, des erbaren und kunstreichen Daniel Kodisch, Pos.- und Trompetenmachers ehl. Hausfrau am Lauferplatz.“ 333) TrB Seb. 10. März 1738. 334) VA Bd. IV, S. 14, 9. Juni 1722; S. 343, 16. Oktober 1724. 335) Christoph Wilhelm Jakob Gatterer, Technologisches Magazin, Memmingen 1790, S. 241: „Die Bürstenmacher gliedern sich in zwei Teile, Verleger und Bürstenmacher. Erstere, welche meistens, wie die Herren Steinmetz, vermögende Leute sind, treiben eigentlich nur Borstenhandel im Großen.“ 336) TB Seb. 29. Dezember 1668. 337) TrB Lor. 22. Januar 1694. 338) Margaretha 4. Aug. 1694; Johann Jakob 26. Okt. 1695; Johann Paul 28. Sept. 1697; Anna Sophia 25. Sept. 1700; Cornelius 19. Sept. 1702; Martin 24. Sept. 1705; Magdalena Susanne 22. Okt. 1706; Johann Michael 29. Dez. 1709 (Seb.); Anna Barbara 20. Nov. 1698; Barbara Magdalena 22. Febr. 1704 (Lor.). 339) RV 1719/XI, S. 92, 1. Februar. 340) RV 1737/VI, S. 7, 13. September. 341) MIS Berlin Nr. 4187/88; Musikhistorisches Museum Kopenhagen Nr. 143; Germ. Nat. Mus. Nürnberg, Nr. 359. 342) RV 1738/IV, S. 70, 18. Juni. 343) TGB 12. Oktober 1736.

344) TrB Seb. Die zweite Frau hieß Anna Catharina und war die Witwe eines Schneiders.

VA Bd. V, S. 65, 17. November 1738. SpV 1740, S. 330, 2. September: „Ingleichen soll man Georg Friedrich Steinmetzen, hiesigen Bürger und Trompetenmachern, aetat. 67 (?) Jahr auf Vorbitt seiner Tochter, Frauen Soldlin gegen Bezahlung von 25 Gulden Pfründ-gelds in die Pfründ recipirn.“ (Die Altersangabe ist, wie häufig in dieser Zeit, unrichtig. Georg Friedrich war 1740 schon nahe­ zu 72 Jahre, vgl. sein Taufdatum Anm. 336.) Spital-Kassebuch 1740, 6. September: „Zahlt Georg Friedrich Steinmetz, Bürger und Trom­ petenmacher, welcher in das Spital aufgenommen, zu einer Aussteuer Leich 8 fl 30 kr.“ 347) Die im Spital zum Heiligen Geist Verstorbenen kommen in den Totenbüchern von Sebald und Lorenz nicht vor, ihr Todestag ist daher nicht festzustellen. 348) Vgl. Anm. 338. 349) In die Meisterliste des Handwerks wurde Cornelius am 2. Okt. 1723 eingetragen. 350) RV 1725/IX, S. 60, 4. Dezember. 351) TrB Seb. 10. Dez. 1725. 352) VA Bd. V, S. 294, 18. Dezember 1739. 353) TGB 17. Dezember 1780: ..Unbesungene Leichen .... Cornelius Steinmetz, Trom­ 345) 346)

petenmacher in der Hirschelgass.“ 354) TGB 16. August 1781.

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355) TGB 29. Juni 1786: „Unbesungene Leichen .... Christoph Wilhelm Steinmetz, Trom­ petenmacher auf dem Schwabenberg.“ 356) TB Seb. 23. April 1736. 357) Vgl. Anm. 355 mit Anm. 353. Nach einem Nürnberger Stadtplan aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts (von C. T. Lotter in Augsburg gedruckt) im Germ. Nat. Museum Nürnberg (Kupferstichsammlung) stoßen die „Hirschelgass“ und der „Schwabenberg“ mit den Ecken zusammen, so daß obige zwei Angaben sehr wohl das gleiche Haus bezeichnen können. 538) Trompetenmacher-Handwerksordnung, Artikel sieben. (S. u.) 359) Vgl. hierzu die Tabelle im Anhang. 360) TB Lor. 9. März 1580. »61) TrB Lor. 10. August 1602: „Simon Reichard, Drommetenmacher, Georgen Reichard, Löffelschmieds Sohn — Sophie, Jakob Bauern, Drommetenmachers Tochter.“ 362) RV 1609/XII, S. 31, 9. März 1610. »63) RV 1610/III, S. 66. 364) RV 1610/1V, S. 61, 26. Juli. 365) Zwei Kinder hatte ihm seine Frau lt. TB Lor. geboren: Georg 24. Oktober 1604 und Hans Heinrich 24. April 1606. 366) StR 1610, 1. August: „Nachsteuer: „Von 20 fl., so Simon Reichard, Trometenmacher in „Aufgebung seines Bürgerrechts hinausgebracht 2 fl.“ 367) RV 1610/IX, S. 56, 18. Dezember: „Auf das mündlich Vorbringen des Simon Reichard, „Trummetenmacher jetzo zu Prag Schweher und Ahnherr, sich wider die Trummetenmacher „allhie beschwert, da sie ihn nit für redlich halten wollen, werden die Rugsherren gebeten, „die Trommetenmacher darauf zu hören.“ 368) RV 1600/11, S. 38, 13. Mai 369) RV 1600/11, S. 40, 14. Mai. 370) Wie schon früher zu bemerken war, machten die Ratsschreiber oft keinen Unter­ schied zwischen Meister, Gesellen und Lehrjungen eines Handwerks. 371) Vgl. Anm. 375. 372) RB Jg. 1606, S. 76, 83, 100, 110, 123, 153, 174, 188, 28. Juni 1606 — 9. Februar 1607. 373) RB 1606, S. 188, 9. Februar 1607. 374) RV 1606/XIII, S. 14. 375) RV 1607/11, S. 12, 12. Mai. 376) RV 1608/1, S. 60, 20. April; /II, S. 23, 6. Mai. 377) 1662, als er in das Heilig-Geist-Spital aufgenommen werden sollte, war er 80 Jahre alt (s. u.). 378) Nürnberger Neubürgerliste 1534—1631. 379) TrB Lor. 3. Mai 1614. 380) TB Lor.: 2. August 1615 Ursula, 20. März 1628 Barbara. 381) RV 1629/IV, S. 68 v, 22. Juli; /XI,S. 29, 22.Januar 1630. 382) RV 1634/VI, S. 15 v, 30. August. 383) SpV 1662, S. 125, 4. Juli. 384) TGB 1. März 1668: „Frau Magdalena, des Hans Doll, Posaunen- und Drommeten­ macher seel. hinterlass. Wittib in der Catharinengassen. Kleingleuth (!)“. 385) TrB Lor. 19. Juli 1613. 386) RV 1611/VI, S. 10, 20. August; 1612/IV, S. 56, 1. Juli; /XII, S. 32, 3. März; 1613/V, S. 25, 6. August. 387) TrB Lor. 19. Juli 1613. 388) PrA Nr. 330 V. 389) TB Lor.: Johannes 26. Mai 1616; Anna 2. Februar 1618; Georg 28. Juli 1619. 390) TGB 13. September 1621: „Frau Margaretha, des ersannen Georgen Petz, Trompetenund Posaunenmacher Ehewirtin hinder dem Teutsch Hof auf dem Most.“ 391) RV 1623/V, S. 64, 3. September. 392) RV 1623/V, S. 48, 23. August. 393) Vgl. unten unter „Kümmelmann“. 394) RV 1624/IV, S. 91, 21. Juli: .............. Jörg Petzen, Trummetenmacher von Großen Reuth aber soll man das Bürgerrecht abschlagen.“ 395) RV 1624/XTII, S. 121, 2. April 1625. 396) RV 1624/XIII, S. 130, 137, 5., 6. April 1625. 397) Handwerksordnung der Trompetenmacher, Artikel 5. 398) TGB 9. Juli 1628: „Georg Petz, Trommetenmacher neben dem Irrerbadt beim roten Rößlein.“ 399) Diese stellten nicht nur Kompasse, sondern vor allem Compaste = Sonnenuhren her. 400) TrB Seb. 28. Februar 1614. Geboren ist Hans Müller zwischen dem 7. März 1587 (Lt. TrB Lor. der Heiratstag seines Vaters) und 1592 (ein späteres Geburtsjahr ist im Hin­ blick auf die 1614 erfolgte Heirat unwahrscheinlich). 401) RV 1610/1II, S. 66, 3. Juli. 402) TrB Seb. 28. Februar 1614. 403) Emil Reiche, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1896, S. 958. 404) RV 1621/VII, S. 80, 3. Oktober. 405) RV 1621/VII, S. 88, 5. Oktober.

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MIS der Universität Leipzig, Nr. 7895. PrA Nr. 331/9. Hans Schnitzer, ein Trompetenmadier aus der berühmten Instrumentenbauer-Familie, ist 1609 dort gestorben (TGB 30. Dezember), Michael Nagel war als Geselle dort gewesen (s. u.) und Georg Ehe hatte in dieser Gegend schon eine größere Anzahl Instrumente ver­ kauft (s. o.). 409) Größere Bedeutung erlangte der Wiener Blasinstrumenteubau erst später mit Hans Geyer (2 Trompeten von 1690 in der MIS Wien 262, 263, eine Trompete von 1684 in der MIS Kopenhagen Nr. 145, Schallstück einer Posaune in der MIS von Dr. Wilhelm Rück, Erlangen) und Michael Leichamschneider, von dem sich mehrere Instrumente mit Jahreszahlen zwischen 1710 und 1738 erhalten haben (MIS Hamburg, MIS Wien Nr. 264, 265, MIS des Brüsseler Konservatoriums Nr. 1160, MIS der Wiener Ges. d. Musik­ freunde Nr. 164, MIS Rück, Erlangen, Marc Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen, Frankfurt 1925, Nr. 5135 a—h). 410) PrA Nr. 351/9. 411) In den Wiener Hofstaatsbüchern aus dieser Zeit ist nirgends eine besoldete Stelle für „Hoftrompeten- und Posaunenmacher“ anzutreffen. Offenbar zählte Müller nur zu den ständigen, aber nicht fest angestellten Hoflieferanten. (Freundliche Mitteilung von Ober­ staatsarchivar Rath-Wien). 412) Totenprotokolle der Stadt Wien: „16. Janunar 1654. Hans Müllners, Hoftrompetenmachers Weib Anna 59 Jahre.“ Hans Müller selbst ist in den Totenprotokollen bis zum Jahr 1661 nicht aufgeführt. (Diese Mitteilung verdanke ich der Freundlichkeit von Herrn Archivdirektor Geyer, Archiv der Stadt Wien). 413) TB Kraftshof im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg. 414) RY 1612/XII, S. 49, 10. März 1613. 415) RV 1613/11, S. 35, 15. Juni. 416) RY 1613/11, S. 41, 17. Juni. 417) RY 1613/V, S. 65, 20. August. 418) Da Hans Thal weder in Ratsakten noch in den Kirchenbüchern aus dieser Zeit er­ scheint, ist anzunehmen, daß er sich nur vorübergehend in Nürnberg aufhielt. 41») RV 1613/VI, S. 34, 7. September: „Nachdem Hans Thaal, Trummetenmacher seine Be­ schuldigung nit erweisen kann, auch Hans Kümmelmann und Anna, Hansen Schmidts Ehe„wirtin, sich der Bezichtigung halber glaubwürdig entschuldigt, soll man die Sach beruhen „lassen und dem Kümmelmann Vorbehalten, den Thal am Fünffergericht zu belangen.“ 420) TrB Lor. 421) RV 1618/11, S. 14, 16, 34 v, 11.—18. Mai. 422) RV 1618/11, S. 8, 13, 8., 9. Mai. 423) RV 1618/11, S. 48, 51, 21., 23. Mai. 424) RV 1613/VI, S. 28, 11. September. 425) RV 1623/VI, S. 55, 18. September. 426) RV 1626/11, S. 92, 7. Juni. 427) RV 1626/V, S. 45, 14. August. 428) RV 1627/VII, S. 88, 8. Oktober; /VIII, S. 47, 22. Oktober; /IX, S. 15, 10. November; 1628/IV. S. 63, 30. Juli; V, S. 16, 12. August. 429) RV 1630/VI, S. 98, 15. September. 430) TGB 26. Juni 1625. 431) TrB Lor. Die zweite Frau hieß Catharina Ammon und war die Witwe eines Spe­ zereihändlers. 432) Vgl. Anm. 380. 433) TGB 16. März 1636: „Der ersame und kunstreiche Hans Kümmelmann, Trompetenund Posaunenmacher gegen der Roßmühl über.“ 434) TB Lor. 1. August 1596. 435) RV 1623/V, S. 84, /VI, S. 9, 3., 5. September. 436) RV 1623/VI, S. 28, 11. September. 437) Vgl. hierzu die schon mehrfach erwähnten Ratsverlässe. Anm. 59, 180, 181, 182 438) TrB Seb. 439) TB Seb.: Anna 4. Dezember 1627; Maria Magdalena 1. Juni 1628; Johann Conrad 8. November 1629; Sebastian 2. Dezember 1630. 440) TGB 22. Juli 1632: „Frau Sybilla, des ersamen Conradt Troschel, Trommetenmachers Ehewirtin in der Bindergasse.“ 441) Während im allgemeinen ein Nürnberger Totengeläutbuch die Einträge von zwei bis vier Jahren enthält, füllt das Jahr 1632 allein über zwei Bände. 442) TrB Seb. 12. November 1632. 443) TB Seb.: Maria 15. Oktober 1634. TGB 17. Oktober 1634: „Frau Maria, des ersamen Conradt Troschel, Trompeten- und Posaunenmachers Ehewirtin in der Bindergassen.“ 444) TrB Seb. 9. Februar 1635. 445) So wurde Troschel bezeichnet in TrB Seb. 9. Febr. 1635 und TB Seb. 2. Febr. 1636. 446) TB Seb.: Wolfgang 2. Februar 1636; Clara 5. Februar 1637; Johannnes 22. Januar 1640; Anna Barbara 29. Januar 1642. 447) TB Seb.: Balthasar 6. Januar 1645. 448) Vgl. die Wohnungsangaben, Anm. 440 und 443. 406) 407) 408)

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449) LL 143/216, 10. Oktober 1629. 450) TGB 24. Oktober 1644: „Der er- und kunstreich Conrad Drosdiel, Posaunen- und Trompetenmacher unter den Hutner.“ 451) TB Lor. 13. Februar 1600. 452) TrB Seb. 22. August 1620. 453) TB Seb.: Hans Antonius 19. November 1626; Johannes 23. Dezember 1629; Bartholo­ mäus 11. Juli 1634. 454) Ich verweise hier nochmals auf die in Vorbereitung befindliche Veröffentlichung über die Familie Schnitzer von Dr. Rudolf Wagner. 455) TGB 5. Oktober 1634: „Frau Dorothea, des ersamen Eberhard Schnitzer, Trom­ petenmachers Eheweib, in der Judengassen.“ TGB 9. Dezember 1634: „Der ersam Eberhard Schnitzer, Trompetenmacher in der Judengass.“ 456) TB Lor. 2. Januar 1621. 457) Selbst in Handwerksberufen, in denen die Frauenarbeit nicht gestattet war, wie vor allem im metallverarbeitenden Gewerbe, durfte die Meisterin nach dem Tode ihres Man­ nes das Handwerk eine bestimmte Zeit mit einem Gesellen fortführen (Wilhelm Stahl, Das deutsche Handwerk, Bd. I, Gießen 1874, S. 58 f). 458) TrB Lor. 20. April 1647. 459) Ygl. die Beschreibung einer silbernen Trompete von ihm im Katalog der Wiener MIS Nr. 259. 460) TB Seb. 20. Juli 1659. 461) RV 1664/11, S. 29, 17. Juni. 46la) TGB 29. Mai 1663. 462) Trechsel, a. a. O., S. 26: „1. Zeile im großen Kirchhof .... Die 31ste (Grabstätte) Nr. 2162 hat auf seiner Decken ein Kruckenkreuz, auf welchem in einem sehr zierlichen Lorbeerkranz von Messing, der Herr Christus mit einem Gloria umgeben, und seine Sieges­ fahne in der Hand haltend, die Sünde, Tod und Teufel und Schlange unter seine allerheiligsten Füße tritt und quetschet. Unter dem Kranz ist eine schwarze Decke mit hell­ polierten Buchstaben besetzt, die zu lesen: Des er und kunstreichen Michael Nagels, Posau­ nen und Trompetenmachers Frau Barbara, seiner Ehewirtin, geborenen Böhemin, und dero beider Leibeserben Begräbnis A. 1663 ferner: »Gleichwie mein Liebster Jesu Christ von den Todten erstanden ist, also werd ich auferstehn mit ihm ins ewige Leben gehn.’ Unter der Decke liegt noch ein klein Wappen mit einem Fruchtgehänge, in dessen Schild 2 in Form eines Andreas-Creutzes übereinander geschränkte Nägel mit aufwärts gekehrten Köpfen zu sehen sind. Über dem Schild stehet ein Stechhelm, auf welchem ein offener Flug ist, an dessen Flügeln die auf Art des Schildes bezeichneten in ein Andreaskreuz gelegten zwei Nägel sind. Zwischen ihnen stehet ein nach der Rechten Seiten gekehrter Hahn, und unten an dem Stein zu den Füßen sind die zwei Nägel mit den beiden Buchstaben M. N. in einem Oval eingehauen zu .sehen.“ 463) TGB 1. Juni 1664: „Der er- und kunstreiche Michael Nagel, Posaunen- und Trom­ petenmacher, unter den Hütern.“ 664) TB Lor. 13. März 1623. 465) RV 1642/V, S. 109 v, 30. August. 466) RV 1642/VI, S. 45 v, 13. September. 467) RV 1642/VI, S. 66, 17. September. 468) TrB Lor. 9. Juli 1645. 469) So wurde die Herstellung dieser Gegenstände bei einem ähnlichen Gesuch des Soh­ nes Hans Adam (s. u.) bezeichnet. 470) RV 1669/11, S. 65, 5. Juni. 471) So wurden die verheirateten Gesellen genannt, die für die Meister auf Bestellung arbeiteten und dafür „stückweise“ bezahlt wurden (Stahl, a. a. O., S. 278). 472) Acht Kinder sind im TB Lor. von 1645 bis 1661 verzeichnet, hierzu kommt noch der unten erwähnte Johann Adam, dessen Geburtsdatum nicht festzustellen war. 473) TAB 27. April 1683. 474) Trechsel, a. a. O., S. 586: „13te mit N 222 ist ohne Monument und der Zeit G. Bart, Trompetenmacher zuständig.“ 475) TGB 30. März 1687: „Der ersam und kunstreich Georg Barth, Trompetenmacher in der äußern Laufergass“. Bei dem im RV 1677/XII, S. 96 vom 13. März 1678 erwähnten Barth, Trompetenmacher, „der durch giftmittel zum Tode befördert worden seie“, handelt es sich vermutlich um einen Schreibfehler. Wie das Register des Bändchens („Barth, Georg et Pater“) andeutet, bezieht sich der Ratsbeschlufi wohl auf Georgs Vater, Lorenz Barth. 476) RV 1686/VI, S. 31, 30. August. 477) RV 1689/VIII, S. 166 v, 31. November. 478) RV 1690/1, S. 167 v, 17. Mai. 479) TGB 9. Januar 1708: „Der ersam Johann Adam Bart, in der äußern Laufergaß.“ 480) Peunt = Bauhof in Nürnberg. 481) TB Lor. 28. Januar 1640.

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TrB Seb. 5. März 1666. YA Bd. 1, S. 60, 21. Februar 1681. RV 1689/X, S. 77 v, 24. Dezember; 1693/11, S. 106, 14. Juni. Siehe Anm. 489. Aufbewahrt in der MIS der Universität Leipzig, dem Germanischen National-Museum und der privaten MIS Bernoulli, Greifensee. 487) Arnold Schering, Musikgeschichte Leipzigs Bd. II, Leipzig 1926, S. 293. 488) Trechsel, a. a. O., S. 735: „III. Zeile im kleinen Kirchhof..........Der 19te (Grabstein) mit lit. C. f. 17a und letzte dieser Reihe liegt auf einer gewölbten Gruft von besonderer zierlicher Arbeit, mit einem erhabenen Krücken- oder vielmehr Tatzenkreuz, weil! ange­ strichen, mit einem angeschwärzten artigen Wappen belegt, auf diesem Schild ein Reichs­ apfel mit einem Lilienkreuz besteckt, oben über stehet ein Stechhelm mit einem Wulst und fliegenden Zindelbändern, auf welchem ein geharnischter Mann, mit einem auf seine Hüfte gestellten Streithammer in der rechten Hand, die linke aber an die Seite stützend, bis an die Knie hervorsteigt. Das Casquet ist mit einer bis auf die Hüften abhängenden Biomage bezieret, unter dem Schild aber ist zu lesen: Hieronymus Starck, Trompeten- und Po­ saunenmachers, Fr. Margareta seiner Ehewirtin, beyder Leibserben verschlossene Begräb­ nis A. 1691.“ 48») TGB 9. Juni 1693: „Der erbar und kunstreich Hieronimus Starck, Posaunen- und Trompetenmacher aufm Lauferplatz.“ 490) TrB Seb. 491) TGB 7. Juni 1674: „Die Tugendsame Frau Amalia, des ersamen und kunstreichen Wolffgang Birckholz, Posaunen- und Trompetenmachers ehl. Hausfrau im Haffnersgäßlein.“ 492) Dieses Datum trägt eine Quartposaune von ihm in der MIS der Universität Leip­ zig Nr. 1910. 493) Außer obigem Instrument sind weitere in der MIS Kopenhagen und dem Ger­ manischen Nationalmuseum Nürnberg aufbewahrt. 494) YA Bd. II, S. 311, 16. Juli 1701. 495) TGB 1. Juni 1701: „Der ersam und kunstreich Wolfgang Birckholz, Posaunen- und Trompetenmacher in der Breiten Gassen neben dem silbern Fisch.“ TGB 10. Juni 1701: „Die Tugends. Frau Eva Kunigunda, des ersamen und kunstreichen Wolfgang Birckholz, Pos.- und Trompetenmachers, seel. hinterl. Wittib, in der Breiten Gassen neben dem silbern Fisch.“ 496) ) Siehe Anm. 499. 497) LL 180/101. 498) In der ab 1697 geführten Meisterliste ist er nicht aufgeführt. Da die Lehrjahre ordnungsgemäß mit dem 26. Lebensjahr abgeschlossen waren, läßt sich das Geburtsjahr in obiger Weise festlegen. 499) TrB Seb. 500) TB Seb. Der zweite Sohn Konrad wurde am 29. Januar 1706 getauft. 501) TGB 15. Juli 1709: „Der erbar und kunstreich Johann Veit Wagner, Posaunenund Trompetenmacher am Ballhaus.“ TGB 13. August 1709: „Die erbare und tugends. Frau Sabine, des erbaren und kunst­ reichen Johann Veit Wagner, Pos.- und Trompetenmachers seel. hinterl. Wittib, am Ball­ baus.“ 502) TB Weißenburg 30. April 1754. 503) Meisterliste des Trompetenmacher-Handwerks 13. Februar 1777. 504) TrB Seb. 1. April 1777. 505) RAA Bd. 1801, S. 734, 8. Oktober. 506) Nürnberger Adreßbuch 1829: S. 413, Trompetenmacher, „Franck Johann Jakob, S. 1148, im Haus des Joseph Friedrich Lang in der Tucher„straße.“ Adreßbuch 1837: „Franck, Johann Jakob, Trompetenmacher, S. 1148.“ Adreßbuch 1850: „Franck Johann David, Blechinstrumentenmacher S. 1148, 1410.“ Adreßbuch 1857: „Franck, Johann David, Blechinstr. Macher S. 789. Franck, Johann Jakob, Blechinstr. Macher S. 1148.“ 507) Eine erhaltene Klappentrompete mit der Inschrift „Johann Jakob Frank, Fabrikant in Nürnberg“ befindet sich in der MIS der Universität Leipzig Nr. 1835. 508) Totenbuch Spitalkirche 15. August 1818: „Johann Christoph Frank, Trompeten­ machermeister, Wohnung: Nürnberg S. Nr. 1148, Tucherstraße, Stand: Wittwer, Todesursache: Entkräftung.“ 509) TrB Lor. 12. November 1783. 510) Vgl. eine Trompete von ihm in der MIS Rück, Erlangen. 511) Herrmann Eichborn, Die Trompete in alter und neuer Zeit, Diss. Leipzig 1881, S. 45. 512) RAA Bd. 1801, S. 338, 346, 353, 355, 23.-29. Mai. 513) RAA Bd. 1801, S. 734, 8. Oktober. 514) Mitteilung von Dr. Rudolf Wagner, München-Gauting. 515) Sie befinden sich in der MIS Berlin und Leipzig. 516) Auch der Goldschmied Heinrich Knopf, der 1603 eine Trompete gefertigt hatte (RV 1603/X, S. 26, 17. Jan. 1604; s. u.), wurde an anderer Stelle (Hampe, a. a. O., RV 1607, 19. Sept.) als „Kunststecher“ bezeichnet. 482) 483) 484) 485) 486)

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Neubürgerliste 1534—1631. TrB Lor. TB Lor. 2. Januar 1623. TGB 5. Januar 1653. 521) TB Lor. 7. Dezember 1586. 522) TrB Lor. 10. Juni 1618. 523) TGB 2. September 1632. 524) TGB 2. Oktober 1665. 525) Von den sechs Familien des Trompetenmacher-Handwerks hatten vier Vorfahren, die ein solches verwandtes Gewerbe ausgeübt hatten (Familie Ehe = Fingerhüter, Familie Haas = Nadler, Familie Hainlein = Rotschmied, Familie Schmidt = Zirkelschmied von dem zehn einzeln auftretenden Meistern, bei denen der Beruf des Vaters festzustellen war, dagegen nur drei (Anton Drewelwecz = Messerer, Hans Müller = Kompastenmacher, Si­ mon Reidiard = Löffelschmied). 526) Johann Leonhard Ehe (II) 1700 und 1720, Friedrich Ehe 1729—1742, Hieronimus Starck 1689—1693. 527) Zum Vormund wurden bestellt: Johann Leonhard Ehe (I) 1699 für die Tochter des Zinnknöpfmachers Friedrich Pisann; Friedrich Ehe 1704 für die Kinder des Zirkelschmieds Konrad Wirsching; Michael Hainlein 1692 für seine minderjährige Schwester Maria Mag­ dalena, 1694 für seinen abwesenden Bruder Hans Paul; Daniel Kodisch 1722 für die Tochter des Organisten Heinrich Dretzel und für die Kinder des Rechenmeisters Johann Fuchs, 1724 für seinen abwesenden Bruder Johann Georg; Johann Jakob Schmidt, 1740 für die Tochter des Rotgießers und Artilleriekorporals Johann Franck; Cornelius Steinmetz 1739 für den Sohn des Zirkelschmieds, „Capitain d’arms“ Georg Adam Seyfried; Hieronimus Starck 1681 für einen Sohn des Rotschmieds Hieronimus Schütz. 528) Sandberger, DTB V, 1, S. 29. 529) Nach den Kirchenbucheinträgen war Conrad Troschel um 1635, Isaac Ehe bei seinem Tod 1632 als Trompeter tätig. Die Berufsbezeichnung „Musicus“ vor oder nach der Angabe „Posaunen- und Trompetenmacher“ tragen Johann Leonhard Ehe (I), Wolf Magnus Ehe (I), Wolf Wilhelm Haas, Sebastian Hainlein (II). Hinzu kommen Paulus Hainlein und die beiden ..Stadthautboisten“ Johann Jakob und Paulus Schmidt. 530) Roth, S. 172. 531) Roth, a. a. O., S. 172: „Nürnberg zeichnete sich, besonders in älteren Zeiten, durch seine Handwerksordnungen und -Gesetze vorzüglich aus. Reichsstädtische Obrigkeiten nicht nur, sondern auch fürstliche Regierungen wandten sich in zweifelhaften Fällen an Nürnberg; manche Reichsstädte nahmen sogar die hiesigen Ordnungen der Handwerker zum Muster, wandten sie auf ihr Lokales an, und gaben dadurch ein Zeugnis ihrer Vortrefflichkeit. Im J. 1548 am 18. August schickte Augsburg den Heinrich Rehlinger und Marx Pfister hier­ her, um sich nach den hiesigen Handwerker-Ordnungen zu erkundigen. Noch im jüngst­ verflossenen (18.) Jahrhundert liefen dergleichen Anfragen ein, z. E. von Weißenburg, Augsburg, Memmingen, Windsheim, Ulm, Regensburg, Rothenburg, Schw. Hall, .Dinkels­ bühl, öttingen, Eichstätt, Nördlingen, Hamburg, Würtenberg, Hildburghausen, Wilhermsdorf und Hanau.“ Vgl. auch RV 1672/VI, S. 24, in welchem dem Regensburger Rat Aus­ kunft wegen eines dortigen Streits „das Trommelmachen betreffend“ zwischen den Pergamentern und den Siebern erteilt wurde. 532) So genannt, weil dem wandernden Gesellen in fremden Städten von den dortigen Handwerksverbänden „Geschenke“ meist als Wegzehrung verabreicht wurden (Stahl, a. a. O., S. 233). 533) Auch die Gründung derselben im 14. Jahrhundert war auf Anordnung des Rats erfolgt (Stahl, a. a. O., S. 160). 534) J. Stockbauer, Nürnbergisches Handwerksrecht des XVI. Jahrhunderts, Nürnberg 1879, S. 5, 18. 535) Christoph Weigel, Abbildung der gemein nützlichen Hauptstände, Regensburg 1698, S. 232: „Das Trorapetenmachen wurde nachgehend für eine freie Kunst gehalten und ist ohne alles Gesetz und Ordnung gewesen, bis endlich die zu Nürnberg seßhaften Trom­ petenmacher im Jahre 1635 (! s. u.) beim Rat selbst um Gesetz und Ordnung angehalten und selbige großgünstig erhalten haben.“ 536) RV 1602/V, S. 31. 537) Andere „freie Künste“ waren in Nürnberg: Die Blasbalgmacher (RV 1602/V, S. 31), die Glockengießer (RV 1615/V, S. 26) die Glaser und Glasmaler sowie die Kleinuhrmacher (Stockbauer, a. a. O., S. 9, 10), auch die meisten der anderen Instrumentenmacher (Geigenund Lautenmacher, Orgelmacher, Flöten- und Pfeifenmacher). 538) Küppers, a. a. O., S. 32. 539) Küppers, a. a. O., S. 31, 34. 540) Küppers, S. 24, 26. 541) Vgl. Anm. 12, wo der vollständige Ratsverlaß aufgeführt ist. 542) Jahrbuch des AKH, Bd. XX, Urkunden Nr. 17401, 402. 543) Hampe, a. a. O., RV 1655, 3. Dezember: „Auf Jörg Stengels, genannt Neuschels, klagendes Anbringen soll man den Geschworenen Goldschmieden ungeachtet ihrer Weigerung und Fürwendung, als obs nit in ihr Handwerk gehörig sei, verschaffen, die gemachte 517) 518) 519) 520)

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silberne Posaune, so dem Herzog von Bayreuth solle.............zu stechen und zu bezeichnen, und ihme die alsdann, wanns rechtfertig erfunden werde, in der Schau zeichnen lassen.“ 544) Vgl. Rosenberg, a. a. O., Bd. III, S. 11. 545) RV 1603/X, S. 26, 17. Januar 1604. 546) Uber diesen vielseitigen Künstler vgl. Hampe (a. a. O., RY 1594, 24. Januar, Anm.): „Heinrich Knopf (oder Knop), sehr berühmt wegen der Verfertigung von Prunkharnischen, da er auch Plattner gewesen ist, ist bis 1607 oder 1612 in Nürnberg geblieben, dann zu­ nächst in Bamberg und dann in Frankfurt gewesen.“ 547) RV 1602/VIII, S. 68, 17. November. 548) Der Goldschmied Dietrich Holdermann wurde 1576 Meister und starb 1609 (Rosen­ berg, a. a. O., Bd. III, S. 121). 549) Ygl. RY 1665/X, S. 14, 7. Dezember, der von einem Streit zwischen den Wildrufund Pfeifenmachern und den Holzdrechslern wegen des Horndrchens handelt, und Küppers (a. a. O., S. 35), wo von den Anfeindungen, denen die Leipziger Klavierbauer im 18. Jahrhundert von seiten der anderen Handwerker angesetzt waren, berichtet wird. 550) Vgl. RV 1600/11, S. 38, 13. Mai und RV 1613/IX, S. 29: „Trompetenmachersgesell, bei Isaac Ehe in Arbeit......... “ 551) RV 1610/IV, S. 61, 26. Juli. 552) RV 1612/XII, S. 49, 10. März 1613. 553) RV 1613/V, S. 65, 20. August. 554) RV 1613/X, S. 13, 22. Dezember: „Der Trummetenmacher supplication umb eine „Ordnung sollen die Rugsherren bedenken, ob ihnen zu willfahren.“ 555) RV 1624/XIII, S. 121, 2. April 1625. 556) RV 1624/XIII, S. 137, 6. April 1625. 557) RV 1625/IV, S. 58, 30. August. 558) Vgl. RV 1625/VIII nächste Seite: „ . . . . bei ihrer verfaßten Ordnung und Artickels verbleiben zu lassen.........“ 559) RV 1625/VII, S. 66, 22. Oktober. 560) RV 1625/VIII, S. 22. 501) Stahl, a. a. O., S. 161. 562) Sammlung von Handwerksordnungen aus dem Jahre 1535, Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 b, Nr. 260, S. 3. 5«3) Stahl, S. 161. 564) Daß diese Bestimmung trotz einer anderslautenden Stelle im Vorwort zu der Samm­ lung von Handwerksordnungen aus dem Jahr 1629 (Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 b, Nr. 261) aufrechterhalten wurde, zeigt gerade die Handwerksgeschichte der Nürnberger Trom­ petenmacher, für die dieses Verbot infolge der langen Lehrzeit besonders hart war. Übri­ gens ist dies die einzige dieser Vorschriften, die auch in anderen Städten Geltung hatte (Vgl. Stahl, S. 277). 565) Rugamt 234, Bd. III, Fol. 679—680 v. Bei dieser Urkunde handelt es sich wahr­ scheinlich um eine spätere Abschrift aus dem 18. Jahrhundert, da die ganze Ordnung mit allen bis 1720 reichenden Zusätzen von der gleichen Hand geschrieben ist. Dies erklärt auch das Fehlen des bald wieder gestrichenen 8. Artikels über den Preis der Arbeit (s. o.) und das wohl der Unachtsamkeit des Kopisten zuzuschreibende Auftreten zweier Artikel mit der Bezeichnung „viertens“. In der vorliegenden Numerierung wurde dieser Schreibfehler aus­ geglichen, womit sie einer zweiten Bezifferung der Artikel von späterer Hand folgt und auch mit der im RV 1625/VII (s. o.) angeführten Bezeichnung übereinstimmt. 566) Potthoff, a. a. O., S. 85 f. 567) Stahl, S. 178. 566) Hierzu zählten vor allem die Kranken- und Begräbnispflege für bedürftige Hand­ werksmitglieder (Potthoff, S. 85). 569) Stahl, S. 12. 570) Stahl, S. 5. 571) Stodcbauer, a. a. O., S. 53. 572) Vgl. Anm. 418. 573) Stahl, S. 194 f. 574) Vgl. den nächsten Artikel der Ordnung: «... und ein jeder jung, wie es bishera gebräuchlich gewesen, aufs wenigste sechs jar zu lernen schuldig sein (solle).“ 575) Stahl, S. 199. 576) Gatterer, a. a. O., Bd. I, S. 612. 577) Potthoff, a. a. O., S. 235. 578) Stahl, S. 42. 579) Vgl. die Tabelle im Anhang. 58°) Vgl. hierzu die Skizze weiter unten. 581) RV 1634/VI, S. 15 v, 30. August. 582) RV 1628/XII, S. 105, 17. März 1629. 583) Nach der ersten der oben erwähnten Bezifferungen wäre dieser Artikel der letzte der Ordnung gewesen, während er bei der zweiten Bezeichnung, die schon in der vor­ liegenden Gestalt acht Artikel aufweist, als Teil dieses letteten aufzufassen wäre. 584) RV 1625/VII, S. 66, 22. Oktober. Vgl. oben, wo der vollständige Ratsverlaß mit­ geteilt wurde.

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585) RV 586) RV 587) RV

1629/IV, S. 33. 1634/VI, S. 15 V. 1640/1V, S. 10, 29. August: „Den Trompeten- und Posaunenmachem soll man ihre „Ordnung, wegen Gebrauch des Zaichens und darauf gesetzter straff verbessern und der­ selben einverleiben, allerdings wie die Herrn an der Rüg in ihrem erthaillten bedenken „mit mehreren geraten.“ 588) Siehe Rosenberg, a. a. O., Bd. III, wo die Meisterzeichen der Nürnberger Gold­ schmiede weit in die Hunderte gehen. 589) RV 1648/X, S. 23, 16. Dezember: „Der Posaunen und Trompetenmacher supplication, „darinnen sie bitten, sie wider ihre Ordnung mit beschwern zu zu lassen, soll man an die ,.rug zu bedenken geben, was ihnen darauf anzuzeigen.“ /XIII, S. 24, 13. März 1649: „Den Posaunen- und Trompetenmachern soll man anzeigen, „daß ein E. E. Rath sie bei ihrer Ordnung allerdings verbleiben lasse, wie die Herrn an „der Rüg bedenken vermögen.“ 590) RV 1698/1, S. 21 v, 29. April; S. 52, 5. Mai. 591) Die Numerierung dieser Zusatzartikel ist sehr ungenau, schon die vorigen beiden wurden als Artikel zehn aufgeführt. Das erneute Auftreten dieser Bezeichnung bei diesem Zusatz läßt sich so erklären, daß der vorige zehnte Artikel nach Ablauf der Geltungsdauer gestrichen wurde. 592) Vgl. den hierzu gehörigen Ratsverlaß 1710/IV, S. 75 v vom 31. Juli: „Denen Trom­ peten- und Posaunenmachern soll man mit gebettener Erlängerung des Stillstands mit An„nehmung der jungen, auch wessen sie sich des Lernens der Maistersöhne verglichen, mit „offener Hand willfahren und hiernach ihre Ordnung einrichten lassen.“ 593) Stockbauer, a. a. O., S. 46 f. 594) Nach Potthoff (a. a. O., S. 43) stammt der älteste Zunftbrief, der der Wormser Fischer, sogar aus dem Jahr 1106. 595) Siehe die Tabelle im Anhang. 596) Stockbauer, a. a. O», S. 36. 597) Noch heute gibt es in Nürnberg eine „Schuster“-, „Weißgerber“-, „Platners“-, „Beckschlager“-, „Rotschmied“-, „Pfannenschmiedgasse“, um nur einige zu nennen, die alle an das dort ansässig gewesene Handwerk erinnern. 598) „Am Lauferplatz“ wohnten die Trompetenmacher Sebastian Hainlein der Jüngere (gest. 1655), Hieronimus Starck (gest. 1693), Michael Hainlein (Witwe gest. 1725) und Daniel Kodisch (gest. 1747), in der Laufergasse hatte Georg Barth und in der benachbarten Hirschelgasse Cornelius Steinmetz (gest. 1780) seinen Wohnsitz. 599) Ernst Euting, Zur Geschichte der Blasinstrumente im 16. und 17. Jahrhundert, Diss. Berlin 1899, S. 42. 600) Noch Mattheson („Neu eröffnetes Orchester“, Hamburg 1713) kennt die Diskant­ posaune als „kleine Altposaune“ ooi) Robert Haas, Aufführungspraxis der Musik, Potsdam 1929, S. 177. 602) Eichborn, a. a. O., S. 38. 603) Potthoff, a. a. O., S. 235 f. 604) „In Choro“ fand die Hochzeit statt von Anton Schnitzer dem Älteren 1581, Jobst Schnitzer 1599, Isaac Ehe 1607, Georg Ehe 1621 und bei seiner zweiten Verheiratung 1635, Paul Hainlein 1651, Johann Leonhard Ehe (I) 1663, Jakob Schmidt 1669, Johann Leonhard Ehe (III) 1690 und Friedrich Ehe 1699. Die „Privatcopulation“ wurde vom Rat bewilligt Georg Ehe 1646 und zwei Töchtern von Paul Hainlein 1678 und 1679. 605) Urkundlich belegt ist dies von Isaac Ehe, Johann Leonhard Ehe (I), Conrad Droschel, Anton Drewelwecz, Conrad Linßner, Anton Schnitzer dem Jüngern, Jobst Schnit­ zer und Johann Carl Kodisch (S. die diesbezüglichen biographischen Notizen). 606) 1616 wurden die verwaisten Kinder von Jobst Schnitzer, „da die beiden Eheleute im geringsten nichts verlassen“, in die Findel aufgenommen (TGB 1. Mai 1616), Hans Doll bat 1662 „wegen seinens 80jährigen Alters und gefährlichen offenen Schadens am Bein“ um Aufnahme in das Heilig-Geist-Spital. 607) Vgl. Georg Karstädt, Zur Geschichte des Zinkens undseinerVerwendung in der Musik des 16.—18. Jahrhunderts, AfMf II, S. 385 f. undEichborn, a. a. O., S. 23. 608) Michael Praetorius, Syntagma musica 1618, Neudruck 1884, S. 31. 609) Curt Sachs, Handbuch der Instrumentenkunde, Leipzig 1920, S. 292. 610) Küppers, a. a. O. 6H) Wilhelm Haenger, Die Musikinstrumentenindustrie, Tübingen 1919, S. 13. 612) RV 1719/IX, S. 60, 4. Dezember. Vgl. S. 224. 613) Eichborn, a. a. O., S. 55. 614) 1751 wurde Johann Carl Kodischs Tochter Maria Magdalena, 1762 eine andere Toch­ ter Sophie Margaretha in die Krankenstube des Spitals aufgenommen (SpV 8. Juli 1751 bzw. 24. Mai 1762), ebenso 1771 die Witwe von Johann Leonhard Ehe (III), während dessen Sohn 1778 „in Ansehung seiner großen Dürftigkeit“ die dortige Vorbeterstelle übertragen wurde. «15) Auf solche „unbesungene“ Weise wurden zu Grabe getragen: Johann Leonhard Ehe (III) 1771, dessen Frau 1775, die Frau von Wolf Magnus Ehe (II) 1787, Cornelius Steinmetz 1780, dessen Frau 1781 und Christoph Wilhelm Steinmetz 1786. 21*

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RAA Bd. 1801, S. 338. Jahn, a. a. O., S. 20. Da der geschäftliche Brief verkehr im 17. und 18. Jahrhundert in Nürnberg immer mehr in die Hände der Privatpersonen überging, geben die Briefbücher des Rats, die zudem infolge der vorläufig nur bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts reichenden Hauptregister einer praktischen Benutzung nicht zugänglich sind, hier wenig Auskunft. 619) Jahrbuch des AKH, Bd. XX, 2, Reg. Nr. 17 401. 620) RY 1603/X, S. 26, 17. Jan. 1604. 621) Dieses Instrument, das von Isaac Ehe seinem Bruder an Zahlungs statt übergeben wurde, erscheint in der oben erwähnten Darlehensstreitigkeit zwischen den beiden, als Isaac den rechtmäßigen Besitz und Verkauf der Trompete durch Georg anzweifelt. 622) PrA Nr. 331. 623) Im Salzburger Museum Carolino Augusteum ist eine Baßposaune von Seb. Hain­ lein mit dem Wappen des Erzbischofs aufbewahrt, die aus dieser sicher größeren Lieferung stammt (Katalog von Karl Geiringer, Leipzig 1932, Nr. 178). 624) Wallner, a. a. O., S. 451. 625) Josef Sittard, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Württembergischen Hof, Bd. I, Stuttgart 1890, S. 47. 626) Aufbewahrt im Bayr. Nationalmuseum München, Nr. 47/25—36. 627) Marschalk, a. a. O., S. 57, Anm. 40. 628) Adolf Wustmann, Musikgeschichte Leipzigs, Bd. I. Leipzig und Berlin 1909, S. 162. «29) Schering, a. a. O., S. 293. 630) Schering, S. 94. 631) Wustmann, a. a. O., S. 164. Auf die Möglichkeit einer Identität des dort erwähn­ ten „Conrad Luncze“ mit dem Nürnberger Meister Conrad Linßner wies schon Georg Kinsky in AfMw 1934, S. 435 f. hin. 632) Nach Angaben von Hans Schröder im Katalog der Hamburger MIS (Hamburg 1930, S. 58) wurde eine Tenorposaune von „Cunrat Linczer, Nurm 1587“ Anfang des Jahrhunderts auf dem Boden der St. Gertrudenkapelle gefunden. 633) Hans Schröder, Verzeichnis der Sammlung alter Musikinstrumente im Staatlichen Museum Braunschweig, Braunschweig 1928, Nr. 73, 74, 75, 78. 634) Katalog des Musikhist. Museums von Paul de Wit, Leipzig 1903, Nr. 538, 539. 635) Karl Nef, Katalog der Musikinstrumefite im historischen Muesum zu Basel, in Festschrift zum zweiten Kongreß der IMG, Basel 1906, S. 10, Nr. 52. 636) RV 1613/XI, S. 56, 4. Februar 1614. 637) Epstein, a. a. O., Nr. 102, 109. 638) Sandberger DTB V, 1, S. 84. 639) Seiffert, a. a. O., S. 13. 640) Vgl. PrA 331, wo von einem Händler Weiher die Rede ist, dem Georg Ehe Instru­ mente zum Verkauf übergeben hatte, und RV 1603/X, S. 26, in dem Hans Schnitzer durch „Hainrich Mülegg“ 24 Trompeten an den König von Polen verkaufte. Auch bei „Georg Wagger“, von dem Erzherzog Ferdinand im 16. Jahrhundert kaufte (Jahn S. 9), wird es sich um einen solchen Verkaufsbeauftragten gehandelt haben ebenso wie bei Caspar Degen­ kolb, von dem der Leipziger Rat 1670 eine Posaune erstand (s. o.), denn beide sind in Nürnberg als Trompetenmacher nicht nachweisbar. Umgekehrt kaufte der Kapellmeister Matthias Ferabosco im Auftrag seines Fürsten, des Erzherzogs Ferdinand von Graz, in Nürnberg eine größere Anzahl von Instrumenten ein. Noch im 19. Jahrhundert erfährt man von einem Kaufmann Schnell, dem sowohl Christian Wittmann wie Johann Christoph Frank ihre Erzeugnisse zum Verkauf lieferten (RAA Bd. 1801, S. 734, 8. Oktober). 641) Auf einer solchen Geschäftsreise wohl starben 1603 Anton Drewelwecz ..auswärts verschieden“, Hans Schnitzer „zu Wien in Österreich verschieden“ (TGB 30. Dezember) und Bonifatius Linßner „zu Warschau in Polen verschieden“. Hieronimus Müller weilte 1607 in Erledigung eines größeren Auftrages längere Zeit am Hof des Herzogs von Württemberg und verlor als Folge dieser langen Abwesenheit das Bürgerrecht ebenso wie Simon Reichard, den 1610 Kaiser Rudolf II. zum gleichen Zweck an seinen Hof berief. 642) Hans Müller wandte sich nach Verlassen seiner Heimatstadt dorthin, auch Michael Nagel hielt sich einige Zeit in Wien auf. 643) Bd. IV, S. 151. 616) 617) 618)

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Anhang Zeittafel zur Geschichte des Nürnberger Trompetenmacher-Handwerks Barth Georg Baur Jakob Birckholtz Wolf gang Doll Hans Trewelwecz Anton Troschel Conrad Ehe Isaac Ehe Georg Ehe Johann Leonhard (I) Ehe Johann Leonhard (II) Ehe Wolf Magnus (I) Ehe Friedrich Ehe Johann Leonhard (III) Ehe Wolf Magnus (II) Ehe Martin Friedrich Frank Johann Christoph Frank Johann Jakob Frank Johann David Haas Johann Wilhelm Haas Wolf Wilhelm Haas Ernst Joh. Conrad Haas Johann Adam Hainlein Sebastian (I) Hainlein Sebastian (II) Hainlein Hans Hainlein Paul Hainlein Michael Kümmelmann Hans Kodisch Johann Carl Kodisch Daniel Kodisch Johann Reichard Linßner Conrad Linßner Elias Linßner Bonifatius Müller Hieronimus Müller Hans Nagel Michael Neuschel Hans Neuschel Lienhard Neuschel Georg (Stengel) Petz Georg Reichard Simon Schmidt Jakob Schmidt Gerhard Jakob Schmidt Joh. Heinrich Schmidt Johann Jakob Schmidt Paulus Schnitzer Erasmus Schnitzer Hans d. Ältere Schnitzer Veit Schnitzer Anton d. Ältere Schnitzer Albrecht Schnitzer Anton d. Jüngere Schnitzer Hans Schnitzer Jobst Schnitzer Eberhard Starck Hieronymus Steinmetz Georg Friedrich Steinmetz Cornelius Steinmetz Christ. Wilhelm Sterner, J. H. Wagner Joh. Veit Wittmann Christian

1623—«7 (Ges. ab 1642) t 1612 (M. 1595) t 1701 (M. 1650) 1582 bis ca. 1668 (M. 1614) t 1603 (M. 1582) 1596—1645 (M. 1624) 1586—1632 (M. 1607) 1595—1668 (M. 1621) 1638—1707 (M. 1663) 1663—1724 (M. 1690) 1690—1722 (M. 1714) 1669—1743 (M. vor 1697) 1700—1771 (M. 1722) 1714—1779 (M. 1742) 1726—94? (M. 1751) 1754—1818 (M. 1777) um 1830—57 um 1850 1649—1723 (M. 1676) 1681—1760 (M. 1721) 1723—1792 (M. 1748) 1769—1817 (M. 1796) t 1631 (M. 1591) 1594—1655 (M. 1622) 1598—1671 (M. 1630) 1626—1686 (M. 1651) 1659—1725 (M. 1687) 1589—1636 (M. 1613) 1654—1721 (M. 1680) 1686—1747 (M. 1710) M. 1739 t 1609 (M. 1568) 1572—1626 (M. 1603) 1578—1616 (M. 1609) Ges. um 1600, M. um 1608 M. 1610, t nach 1661 1621—1664 (M. 1647) t 1533 (M. 1493) t 1515 t 1557 1583—1628 (Ges. 1613) * 1580 (M. 1602) 1642—1720 (M. 1669) 1675—94 (M. 1690) 1678—95 (M. 1690) 1686 bis ca. 1756 (M. 1710) * 1719 (M. 1745) t 1566 t 1566 ab 1540 1 1608 (M. 1562) M. ab 1573 * 1564 (M. 1591) 15717—1609 (M. 1598) 1576 bis ca. 1616 (M. 1598) 1600—1634 (M. 1620) 1640—1693 (M. 1666) 1668 bis ca. 1740 (M. 1694) 1702—1780 (M. 1723) 1736—1786 (Ges. 1760) Anf. 19. Jahrhdt. t 1709 (M. vor 1697) t um 1807 (M. 1781)

M. = Beginn der selbständigen Tätigkeit als Meister Ges. = Beginn unselbständiger Tätigkeit als Geselle

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Das rechte Maß bei Albrecht Dürer Ein neuer Weg zu seiner Kuust Von Wilhelm Funk Uber keinen anderen Künstler hat die moderne Kunstwissenschaft wohl so viel geforscht und geschrieben wie über Albrecht Dürer. Sie hat vor allem die unsterblichen Werke seiner Kunst inventarisiert und nach ihrer Entstehungszeit geordnet und außerdem ihren Inhalt in scharfsinniger Weise zu deuten gesucht. Allein es gelang ihr noch nicht, trotz mancher Versuche, die wichtigste Seite des Dürerproblems zu klären: die Betrach­ tung seiner Kunst von seinen Schriften aus. Albrecht Dürer hat nämlich die Summe seiner Erfahrungen und Anschau­ ungen in mehreren Schriften als sein künstlerisches Testament hinter­ lassen, vor allem in seinen gedruckten Werken „Unterweisung der Mes­ sung mit dem Zirkel und Richtscheit“ (1525) und „Vier Bücher von menschlicher Proportion“ (1528). Selbst ein so anerkannter Forscher wie Heinrich Wöfflin bekennt dazu, daß jeder enttäuscht werde, der von Dürers Schriften eine unmittelbare Einführung in seine Kunst erwartet. Aus der sonst so umfangreichen DürerLiteratur läßt sich ferner erkennen, daß diese Schriften noch immer das Stiefkind der Forschung sind, wenn nicht gar der Stein des Anstoßes. Diese Einstellung ist um so merkwürdiger, als wir wissen, daß Dürer von seinen Zeitgenossen als Schriftsteller fast ebenso sehr gerühmt wurde wie als Künstler. Dieser Gegensatz der Meinungen einst und jetzt läßt sich nur durch einen diametralen Wandel der Anschauungen in dem vergangenen halben Jahrtausend erklären. Diese haben sich denn auch in der Tat seit der Renaissance so ziemlich in ihr Gegenteü ver­ kehrt. Obwohl dieser Wandel besonders offenkundig in der Entwicklung der Malerei von Dürer bis Picasso zutage liegt, wurde er bisher doch noch kaum in seiner ganzen Tiefe und Auswirkung erkannt und ge­ bührend beachtet. Dies ist auch der wesentlichste Grund, weshalb Dürers Schriften noch nicht erklärt werden konnten und warum um die damit zusammenhängenden Fragen noch immer ein heftiger wissenschaftlicher Streit tobt. Wandel der Anschauungen Man hat bisher in unseren deutschen Landen viele geschickte Jungen zu der Kunst der Malerei getan, die man ohne allen Grund und allein aus einem täglichen Gebrauch gelehrt hat. Sind dieselben also im Unverstand wie ein wilder, unbeschnittener Baum aufgewachsen. Wiewohl etliche aus ihnen durch stetig Übung eine freie Hand erlangt, also daß sie ihre Werke gewaltiglich, aber unbedächtlich und allein nach ihrem Wohlgefallen ge­ macht haben. So aber die verständigen Maler und rechten Künstler solch unbesonnen Werk gesehen, haben sie und nicht unbillig dieser Leute Blindheit gelacht, dieweil einem rechten Verstand nichts unangenehmer zu sehen ist denn Falschheit im Gemälde, ob auch dies mit allem Fleiß gemalt wurde. Daß aber solche Maler Wohlgefallen an ihren Irrtümern gehabt, ist allein Ursache gewesen, daß sie die Kunst der Messung nicht gelernt haben, ohne die kein rechter Werkmann werden oder sein kann. Dies ist aber ihrer Meister Schuld gewesen, die solche Kunst selbst nicht gekonnt haben. Weil aber diese der rechte Grund aller Malerei ist, habe ich mir vor­ genommen, allen kunstbegierigen Jungen einen Anfang zu stellen und Ursach zu geben, damit sie sich der Messung mit Zirkel und Richtscheit unterwinden und daraus die rechte Wahrheit erkennen und ... zu einem rechten und größeren Verstand kommen mögen . . .

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Demnach hoffe ich, dieses mein Vornehmen und meine Unterweisung werde kein Verständiger tadeln, dieweil es aus einer guten Meinung und allen Kunstbegierigen zu gut geschieht, auch nicht allein den Malern, sondern auch den Goldschmieden, Bildhauern, Steinmetzen, Schreinern und allen, so sich des Maßes gebrauchen, dienstlich sein mag . . . A. Dürer, Widmung zur Unterweisung der Messung. (LF. S. 180/182.)

Aus diesen programmatischen Sätzen lassen sich deutlich zwei völlig ent­ gegengesetzte Anschauungen erkennen. Was nämlich Dürer hier als ge­ waltiges, aber unbedächtiges Machen aus freier Hand und allein nach dem Wohlgefallen verdammt, entspricht sichtlich dem genialen, allein vom Gefühl geleiteten „Hinhauen“ eines Werkes in künstlerischer Frei­ heit, das dem heutigen Kunstideal entspricht und das man gemeinhin als „schöpferisches Gestalten“ bezeichnet. Andererseits kann aber die heutige Zeitmeinung das Ideal Dürers nicht begreifen; denn Dürer versteht unter Messung die Geometrie und seine Unterweisung der Messung gleicht auch so sehr einem Lehrbuch der Geometrie, daß sie sogar bei den Mathematikern als ein solches gilt. Geometrie in der Kunst, das aber muß den jetzigen Anschauungen wie pure Ketzerei Vorkommen. Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich bereits der grundsätzliche Wandel der Anschauungen samt seinen Merkmalen: hier das freie schöp­ ferische Gestalten, dort das Maß. Eine ältere Quelle, die Protokolle zum Dombau in Mailand von 1391—1400, beweisen, daß sich die heutigen Anschauungen erstmals mit dem großen geistigen Umbruch der Renais­ sance melden. Damals waren die berühmtesten Baumeister des Abend­ landes nach Mailand berufen worden um zu beraten, welche Höhe der Dom im Vergleich zu seiner bereits festgelegten Breite erhalten sollte. In einer Sitzung am 1. Mai 1394 wurde ihnen die präzise Frage gestellt: „Soll der Dom bis zur Höhe des Quadrates über der gegebenen Breite aufsteigen oder nur bis zu der des gleichseitigen Dreiecks?“ Ihre Antwort lautete: „Er kann nur bis zur Höhe dieses Dreiecks aufsteigen oder bis zu der einer davon abgeleiteten Dreiecksfigur, aber nicht höher.“ Wie man sich dies vorzustellen hat, läßt eine erhaltene Zeichnung des „Experten ,n der Kunst der Geometrie“ Gabriel Stornalocho aus Piacenza von 1391 «^kennen. (1) Man war sich damals also noch einig, die Breite und Höhe des Domes ^ach den Maßverhältnissen geometrischer Figuren festzulegen. Wenige Jahre später, am 25. Januar 1400, gab es aber einen heftigen Streit. Als nämlich der Baumeister Jean Mignot aus Paris wieder die strikte Ein­ haltung der Maßregeln nach der Geometrie forderte, widersprachen ihm einige feindselig gesinnte Lombarden mit dem Argument, die Wissen­ schaft der Geometrie sei hier fehl am Platz, weil Kunst etwas anderes als Wissen und Verstand sei. Mignot aber entgegnete: „Ars sine scientia nihil est“, Kunst ohne Wissen ist nichts. Man erkennt deutlich, wie hier am Beginn der Renaissance zwei kon­ träre Anschauungen hart aufeinander stoßen, solche, die offenbar schon lange bestehen, und neue, die eben aufkommen. Die gleichen Kämpfe setzten aber schon vorher in der Malerei ein und nicht von ungefähr; denn dahinter steht letztlich das große Ringen der Baukunst und der Malerei um die Vormacht im Reiche der Kunst, das sich in den Jahr­ hunderten zwischen Renaissance und Französischer Revolution abspielt. Bis zur Renaissance regierte die Baukunst als die Königin unter den Künsten des Raumes und als die Mutter der großen Stilepochen. Dann aber drängt sich mehr und mehr die Malerei vor, bis sie etwa mit der

Französischen Revolution den Sieg erringt und von nun an als die Kunst schlechthin gilt. Seither bestimmt sie nicht nur die herrschende Zeit- und Schulmeinung, sondern mit ihren Richtungen auch die rasch wie Moden wechselnden Ismen der Moderne. In diesem Ringen bildet der Mailänder Streit eine der ersten Etappen. Ein Jahrhundert später tritt Albrecht Dürer nochmals als Streiter für das alte Ideal auf. Noch später, um 1800, hatten sich die neuen Anschau­ ungen so durchgesetzt, daß man Dürer und das Kernstück seiner Schrif­ ten, die Kunst der Messung, nicht mehr verstand. Um und nach 1900 aber „herrschte hier, wie wenn es um eine empfindlichste Stelle ginge, Mord und Totschweigen selbst unter Forschern“. (W. Überwasser) Diese Polarität der Anschauungen einst und jetzt rührt offenbar davon her, daß man den Schwerpunkt des Begriffes Kunst entweder auf den Anfang oder auf das Ende des allgemeinen künstlerischen Schaffens­ prozesses legen kann. Der erste Fall betont jene unbewußten, seelischen Kräfte, die man heute die „schöpferischen“ nennt. Diese Kräfte, wie Intuition, Phantasie usf., sind aber von Natur aus ungebunden schweifend und flüchtig. Sie setzen deshalb die heute so gerühmte „künstlerische Freiheit“ voraus und finden daher auch ihren reinsten Ausdruck in der rasch hingeworfenen sog. Gedankenskizze, mit der sie dem Aufbau eines entstehenden Werkes erstmals sichtbare Gestalt geben. In diesem Kunstideal erkennt man sofort das heute so gepriesene „freie schöpferische Gestalten“. Es ist auch unschwer festzustellen, daß dieses heutige Ideal sich aus jenen neuen Anschauungen entwickelte, die Dürer verdammte. Genau besehen läßt sich das freie schöpferische Gestalten jedoch nur in der Malerei ganz rein verwirklichen, zum Teil noch in der Plastik und in der Werkkunst, aber nicht mehr in der Baukunst; denn ein Bauwerk kann niemals nach einer flüchtigen Gedankenskizze errichtet werden. Es setzt vielmehr einen sorgfältig durchdachten „Plan“ voraus. Dieser ist jedoch erst das letzte Glied der sog. „Entwürfe“, die die Gedankenskizze solange verändern und verbessern, bis die beste Lösung gefunden ist. Diese Entwürfe gehören aber bereits der zweiten Schaffensphase an. Diese Phase geht über das freie schöpferische Gestalten hinaus. Sie ver­ langt Kräfte, die ständig bereit sind, nämlich das aus dem seelisch­ unbewußten Bereich kommende „Gefühl“, vor allem aber das Wissen und die Erfahrung, kurz, den von Dürer und Mignot betonten „Verstand“. Diese Kräfte zusammen geben dem flüchtig hingeworfenen Aufbau des Werkes erst die endgültige Form und die letzte und volle Wirkung, indem sie dafür die Maßverhältnisse in feinster Harmonie abwägen und fest­ setzen. Mit dieser zweiten Phase, mit dem Plan, ist die eigentliche künstlerische Tätigkeit des Baumeisters abgeschlossen; denn das nachfolgende Bauen durch die Bauhandwerker ist das besondere Merkmal der Baukunst, das als solches hier nicht interessiert. Dem Bauplan entspricht in der Malerei die Reinzeichnung auf dem Malgrund. Das darnach folgende Ausmalen als das besondere Charakteristikum der Malkunst interessiert hier ebenfalls nicht. Früher wurde es oft genug den Malergehilfen über­ lassen. Seit dem Wandel der Anschauungen verlangt man aber vom „Kunstmaler“, daß er sein Bild bis zum letzten Pinselstrich selbst herstellt. Der übergeordnete Begriff „Kunst“ liegt also weder im Bauen, noch im Malen. Er umfaßt vielmehr die beiden Begriffe „Aufbau“ und „Maß“, die wir nun näher zu betrachten haben. 328

Das Maß Ein rechte Maß gibt ein gute Gestalt, und nit allein im Gemäl, sunder auch in allen Dingen, wie die fürbrocht werden. Albrecht Dürer, Salus 1512. (LF. S. 297.)

Aufbau und Maß sind jene beiden Grundelemente, die alle Künste angehen. Ohne sie kann kein Werk der Kunst werden oder sein. Alles andere ist dagegen zweitrangig, so etwa die heute so viel diskutierten Probleme der Farbe und des Inhalts, die nur die Malerei betreffen, nicht aber die Baukunst. Aufbau und Maß sind aber zwei verschiedene Dinge, doch kann das eine ohne das andere nicht bestehen. Das Maß setzt einen schon vorhandenen Aufbau voraus, damit es überhaupt wirken kann. Andererseits braucht der Aufbau wiederum das Maß; denn dieses verleiht ihm erst die volle Wirkung. Deshalb bildet das Maß schließlich doch erst die eigentliche Idee der Kunst. Dafür ein bekanntes Beispiel aus dem Leben. Alle Mensdien haben, abgesehen von den Unterschieden des Geschlechts, bekanntlich den gleichen „Aufbau“ in der Gestalt des Körpers. Aber nur die mit harmonischen Proportionen gefallen uns so, daß wir sie als schön empfinden. Die übrigen versuchen daher ihre mehr oder minder großen Mängel im Maß mit einem der vielen Mittel und Mittelchen aus­ zugleichen, die täglich eine große und findige Industrie anpreist. Die ent­ scheidende Wirkung geht also tatsächlich vom „Maß“ aus. Daß dies nun auch für den Bereich der Kunst gilt, beweisen beispiels­ weise die Giebelhäuser. Diese besitzen zwar den gleichen Aufbau, be­ stehend aus quaderförmigem Unterbau mit einem schlichten Satteldach darauf, aber nur jene mit ausgewogenen Maßverhältnissen wirken auf uns. Selbst das Verhältnis von Breite zu Höhe des Giebeldreiecks muß schon sorgfältig bemessen werden. So empfinden wir das heute sehr oft verwendete gleichschenkelig-rechtwinkelige Giebeldreieck als nichts­ sagend, als langweilig oder gar als abstoßend. Diese eminente Bedeutung des Maßes in der Kunst erklärt, warum die alten Meister und besonders Albrecht Dürer „das rechte Maß“ betonen. Ja, sie rühmen es so sehr, daß man darin ihr oberstes Anliegen, ihr meisterliches Können, ihre „Kunst“ schlechthin sehen muß. Sie um­ schreiben es mit mancherlei anderen Ausdrücken wie etwa „nach rechter Art, aus gerechtem Grund, aus der rechten Geometrey“. Meist aber gebrauchen sie das kurze und doch alles enthaltende Wort „das Maß“. Um diese Kunst der Messung, d. h. des harmonischen Maßes geht es denn Dürer. Er sagt es schon durch die Worte „Messung“ und „Pro­ portion“ in den Titeln seiner Bücher, noch deutlicher und eindringlicher aber im Text. Dabei unterscheidet er sehr genau zwischen „Maß“ und „Proportion“. Unter Maß versteht er die harmonischen Maß Verhältnisse, die ein Künstler aus sich heraus für sein Werk, z. B. für ein Haus finden und erfinden muß. Hingegen gebraucht er „Proportion“ (= das zugeteilte Verhältnis) nur für die Maßverhältnisse des menschlichen Körpers, welche die Natur bereits vorgebildet und zugeteilt hat. In den von ihm besorgten lateinischen Ausgaben der Schriften Dürers übersetzt der Nürnberger Humanist J. Camerarius den Begriff „das Maß“ auch mit dem griechischen Wort „Symmetria“. Dieses war tatsächlich auch der entsprechende Fachausdruck der Griechen und Römer. Es be­ deutet nämlich „Zusammenmaßung“ und zwar so, daß eine Einheit im Ganzen wie in der Vielheit und Verschiedenheit der Teile entsteht. (2) Diese Erklärung findet sich bereits um Christi Geburt in den berühmten 329

„Zehn Bücher über die Baukunst“ des römischen Architekten M. Vitruvius Pollio. Nach der deutschen Übersetzung des Walter Riff im „Vitruvius Teutsch“ von 1548 lautet sie: „Die Symmetria ist eine rechte, gewisse und allerschärfste Proportion jedes Glieds oder angehörenden Teiles eines Gebäudes, unter sich selber und gegen den ganzen Bau zu rechnen.“ Nun erklären aber die Philosophen schon lange den Begriff „Harmonia“ als „die Einheit im Ganzen und in der Vielheit und Verschiedenheit der Teile“. Die alten Fachausdrücke Symmetria und das Maß entsprechen daher genau dem, was wir heute umständlich als die Harmonie der Maßverhältnisse bezeichnen. Diese vollendete Einheit des Maßes im ganzen Werk wie in seinen Teilen bildete also das oberste Anliegen der alten Meister. Sie wird auch heute noch uneingeschränkt bewundert und gepriesen. Eine derartige „allerschärpffeste“ Zusammenmaßung vermag aber kein Künstler allein aus sich heraus zu erzeugen; denn selbst ein ausgezeich­ netes Maßgefühl trügt. Dies läßt sich experimentell beweisen. In einem Künstlerverband wurde die Aufgabe gestellt, das Liniengerüst im Bild­ aufbau des Verkündigungsholzschnittes aus Dürers Marienleben auf Transparentpapier zu skizzieren, ohne dabei zu messen, also frei nach dem Augenmaß. Als diese Skizzen dann auf den Holzschnitt gelegt wur­ den, zeigte sich, daß keiner der Künstler die Maßverhältnisse getroffen hatte. Dabei bedeutete dieser Versuch nur ein bloßes Abzeichnen, aber noch kein eigenes Entwerfen und Zusammenmaßen. Außerdem war sogar noch das Transparentpapier auf das Bildformat des Holzschnittes zu­ geschnitten, also bereits gegeben. Wenn nun aber doch die alten Meister wirklich harmonisches Maß haben wollten, so mußten sie zu einem Maßverfahren greifen. Sie besaßen auch ein solches und konnten mit ihm tatsächlich eine absolute Harmonie erzeugen. In seiner Anwendung durften sie daher auch den Inbegriff ihres meisterlichen Könnens erblicken. Diese „Kunst des rechten Maßes“ ist denn auch die von Albrecht Dürer gerühmte „Kunst der Messung“. Das Maßverfahren von Grund und Auszug Nachdem Ew. fürstliche Gnaden . . . mehrere Male mit mir die Rede ge­ habt, habe ich mir mit der Hilfe Gottes vorgenommen etwas berührter Kunst der Geometrey zu lehren und zwar zum ersten dieses Mal den An­ fang des ausgezogenen Steinwerks, wie und in welcher Weise dies aus dem Grunde der Geometrey mit Austeilung des Zirkels hervorkommen und in die rechten Maße gebracht werden solle. Matthias Roritzer, Dombaumeister zu Regensburg, in der Wid­ mung zu seinem „Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“ 1486 an Wilhelm von Reichenau, Bischof zu Eichstätt.

Der Grundgedanke dieses Maßverfahrens ist genial einfach: aus einer Schlüsselfigur, die selbst eine vollkommene Harmonie von Maßverhält­ nissen und somit einen „Urgrund“ des Maßes darstellt, zieht man jene Verhältnisse heraus, die ein Werk als sein besonderes Maß an sich zeigen soll. Die Harmonie des Maßgrundes muß sich dann offenbar automatisch dem Maßauszug mitteilen. Tatsächlich gebrauchen Dürer und die alten Meister auch die Fachaus­ drücke „Grund und Auszug“ im Sinne von Schlüsselfigur und Maßauszug daraus und sprechen auch von „in den Grund legen und ausziehen“. Sie verwendeten auch solche Schlüsselfiguren und zwar in Gestalt regel­ mäßiger geometrischer Figuren, zumeist in Form vieleckiger Sterne. Diese bildeten sie mit dem gleichseitigen Dreieck oder dem Quadrat oder dem 330

Fünfeck. Sie holten also ihre Maßgründe aus der regelmäßigen Teilung des Kreises oder kurz aus der sog. Kreisgeometrie. Aus jeder dieser drei Mutterfiguren lassen sich vielerlei Varianten von Schlüsselfiguren bilden. So geben z. B. ein liegendes und ein stehendes Quadrat den sehr häufig benützten Achtsternschlüssel, das sog. Achtort. Dieses kann verdoppelt werden und ergibt dann einen 16-Stern aus vier Quadraten. Ein anderer „gerechter Grund“, die sog. Vierung, besteht aus lauter Quadraten, die einander jeweils um 45 Grad geschwenkt ein­ beschrieben werden. Man kann ferner aus einem großen Maßgrund einen kleinen entwickeln. Diesen nannten die alten Meister dann „ein Gründlein“. In den Quellen wird mehrmals der Fachausdruck „Quadratur“ für einen mit dem Quadrat gebildeten Maßgrund und somit für das ganze System aller Schlüsselfiguren mit dem Quadrat erwähnt. Dementsprechend be­ zeichnet man das System der Gründe des gleichseitigen Dreiecks und des Fünfecks kurz als Triangulatur, bzw. Quintur. Eine besondere Abart der Quintur stellt die sog. Goldene Teilung, auch „Goldener Schnitt“ genannt, dar. Die Schlüsselfiguren daraus nennt man daher „Goldenes System“. Die alten Meister konnten also ihren Maßgrund aus drei, bzw. vier ver­ schiedenen Schlüsselsystemen wählen. Jedes dieser Systeme hat sein eigenes Maßgefüge, in dem jeweils das Grundverhältnis der Mutterfigur wirksam ist. Ob dieser Fülle von „gerechten Gründen“ rühmten die alten Meister diese „Kunst des Maßes mit dem Zirkel und Richtscheit“ als „die freie Kunst der Geometrey“. Die Baumeister und die Steinmetzen, die sich auf ihren Bildnissen stolz mit Zirkel, Winkelmaß und Richtscheit dar­ stellen ließen, wußten vor allem das Verfahren von Grund und Auszug in ihrem „ausgezogenen Steinwerk“ in kunstvollster Weise anzuwenden, nämlich in dem sog. Maßwerk der gotischen Dome und Kirchen. So ist die herrliche Fensterrose der St. Lorenzkirche zu Nürnberg „aus dem gerechten Grund des Achtorts herausgezogen“. Da das Maßverfahren im heutigen Kunstbetrieb unbekannt ist, sind recht merkwürdige Ansichten darüber verbreitet. So glauben selbst Fachleute, es hindere die schöpferischen Kräfte. Wer so meint, bildet sich offenbar ein, die alten Meister hätten zuerst eine Schlüsselfigur gezeichnet, sich dann damit in einen stillen Winkel gesetzt und dort auf die göttliche Eingebung gewartet. Die schöpferischen Kräfte können aber doch gar nicht gehindert werden; denn das Maß wird immer erst bei der Arbeit am Plan endgültig festgelegt, also zu einer Zeit, wo diese Kräfte ihre Aufgabe längst erfüllt haben. Bevor überhaupt das Verfahren eingesetzt werden kann, muß vielmehr der Aufbau durch Gedankenskizze und Entwürfe geklärt sein, außerdem muß das Maßgefühl dazu bereits die ungefähren Verhältnisse gewählt haben. Erst dann kann dieses ungefähre Maß durch das Verfahren in die allerschärfste Harmonie gebracht werden. Der so vorbereitete Entwurf wird dazu „in den Grund gelegt“, d. h. er wird so in die Schlüsselfigur gezeichnet, daß seine Linien nach denen des Maßgrundes ausgerichtet werden. Auf diese Weise hat Albrecht Dürer (s. Abb. 2) seinen Verkündigungs­ holzschnitt aus dem 16-Stern, also aus einem gerechten Grund der Quadratur geschlüsselt, den er aus dem Kreis mit der Bildhöhe als Durch­ messer entwickelte. Da er viele Maße brauchte, erweiterte er seinen Grund noch durch zwei einbeschriebene kleinere 16-Sterne. Als ersten und wichtigsten Auszug zog er das Bildformat heraus, gegeben durch die senkrechte Mittellinie und die Seite des liegenden Quadrates. Die Ab-

bildung 3 zeigt, wie er auf diese Weise das ganze Liniengerüst seines Bildaufbaues „maßgerecht“ herausholte. Er verstand es sogar, die Per­ spektive einzubinden. Man muß diese Schlüsselung selbst einmal auf Transparentpapier über dem Holzschnitt durchführen. Dann erst erlebt man, wie „Maß für Maß aus dem Grund der Geometrey mit Austeilung des Zirkels hervorkommt“. Dieses Entschlüsseln ist nicht schwer; denn jedes normalbegabte Schul­ kind von 14 bis 15 Jahren kann heute diesen 16-Stem zeichnen. Man sage nicht, diese Schlüsselung sei Zufall. Welcher Künstler besitzt ein so untrügliches Augenmaß, daß er die vielen Linien des Bildgerüstes so maßgerecht zu ordnen vermag, daß sie sich in den Grund des 16-Sterns einfügen? Die Entschlüsselung geschah vielmehr ganz folgerichtig und zwar ausgehend vom Bildformat. Dieses ist nämlich ein sog. Diagonal­ rechteck, dessen Breite und Höhe sich wie Seite und Diagonale in einem Quadrat verhalten. Dieses Grundverhältnis des Quadrates wies sofort auf das System der Quadratur. Mit der Triangulatur oder Quintur ließe sich der Holzschnitt niemals entschlüsseln. Da auch die übrigen Holzschnitte des Marienlebens das gleiche Format besitzen, müssen auch diese mit dem gleichen 16-Stern geschlüsselt sein. Wer nachprüft, wird dies einwandfrei bei solchen mit Architekturhinter­ grund feststellen. Bei jenen mit Landschaftsgrund ist der Nachweis weni­ ger überzeugend, weil diese kein geometrisch klares Liniengerüst auf­ weisen. Dennoch darf man auch hier annehmen, daß sie Dürer geschlüs­ selt hat. Ein Zufall ist also ausgeschlossen. Schließlich verlangen ja die Schriften Dürers und andere Quellen das Maßverfahren der gerechten Gründe. A. Dürer hat uns besonders in seinem Dresdener Skizzenbuch eine Reihe von Zeichnungen hinterlassen, auf denen er die Proportionen menschlicher Figuren durch geometrische Maßgründe angibt, jedoch keine, in denen er nach dem Vorbild der hier gezeigten Entschlüsselung des Verkündigungs­ holzschnittes erkennen läßt, wie er den Aufbau eines seiner Gemälde oder anderer Werke aus einem Maßgrund entwickelte. Dies ist leicht zu er­ klären. Er benötigte die Schlüsselfigur ja nur als Zwischenstadium für die Vorzeichnung auf dem Malgrund, auf dem Holzstock oder auf der Kupferplatte Bei der wreiteren Arbeit mußte er sie wieder entfernen. Im 3. Buch seiner Unterweisung der Messung spricht er aber „vom Ausziehen aus dem Grund“ nach Art der Steinmetzen und zwar so, als ob es sich um eine allgemein bekannte Sache handle.

Zur bisherigen Maßforschung Zur Geschichte der Maßforschung Gar leichtiglich verlieren sich die Künst, aber schwerlich und durch lange Zeit werden sie wieder erfunden. A. Dürer, Unterweisung der Messung. Widmung (LF. S. 181).

Wenn zu Dürers Zeit viele Maler nicht mehr das Maßverfahren an­ wandten, so liegt dies nicht nur an der neuen Weise des Zeichnens „aus freier Hand“, sondern auch am Aufkommen der Perspektive. Diese muß für die räumliche Wirkung die Verhältnisse verkürzen und verträgt sich deshalb nicht mit dem Verfahren. Sie verdrängte es daher vor allem aus dem Bereich der Malerei. Aber auch die mit der Renaissance aufkommenden gelehrten Architekten, die ihre Kunst vornehmlich aus Büchern schöpften, versuchten sich von 332

der „Bauhüttengeometrie“ loszusagen. Im Bauhandwerk jedoch hielt sich das Verfahren noch bis zur Französischen Revolution; dann aber brechen unvermittelt die Quellen ab und nur mündliche Überlieferung weiß davon. Doch bereits 1820 setzt mit Chr. L. Stieglitz und S. Boisseree die Maß­ forschung ein, die Fr. Hoffstadt, A. Heideloff, A. Reichensperger und andere fortführen. Diese wollten als Romantiker die gotische Baukunst zu neuen Leben erwecken und stießen in den Nachrichten darüber auf das Maßverfahren. Auf Grund einer nicht richtig gedeuteten Quelle hielten sie es für das Geheimnis der gotischen Bauhütten, fanden aber dafür schon Belege in der Antike und im Barock. Auch seine Arbeits­ weise hatten sie sehr bald herausgefunden, so daß Hoffstadt in seinem „Gotischen ABC-Buch“ bereits 1840 zeigen konnte, wie man es folgerich­ tig in der Praxis anwendet. Da heutzutage die sog. Neugotik verdammt wird, werden auch die Schrif­ ten dieser ersten Maßforscher in der Fachliteratur kaum oder nur in ab­ fälliger Weise genannt. Daher sind auch die wichtigen Quellen darin kaum bekannt. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wird es sehr still um die Maß­ forschung. Dafür macht Ad. Zeisings Werbung für den „goldenen Schnitt“ so viel Eindruck, daß noch heute selbst Kunsthistoriker und Künstler darin das alleinige harmonische Verhältnis erblicken. Sicher hat auch die so verheißungsvolle Bezeichnung „golden“ viel dazu beigetragen, ob­ wohl sie erst um 1830 geprägt wurde. Man darf aber die „goldene Teilung“ nicht überschätzen; denn die Triangulatur und Quadratur enthalten genau so harmonisches Maß und wurden von der alten Kunst sogar weit häufi­ ger angewandt. Kurz vor der Jahrhundertwende griff der verdiente Altmeister der deut­ schen Kunstgeschichte Georg Dehio das Maßproblem wieder auf und begründete damit die neue Maßforschung. Unter seinen Fachgenossen, den Historikern, gewann Dehio freilich wenig Nachfolger, umso mehr bei anderen, besonders unter den Künstlern. Diese lösten schließlich auch die gestellte Aufgabe. Allerdings wurden infolge ungenügender Kenntnis der Quellen auch viele unhaltbare Theorien aufgestellt, so daß erst noch die Spreu vom Weizenkorn getrennt werden muß. Dehio hielt in seinen Schriften 1894/95 das gleichseitige Dreieck für die Maßnorm der alten Meister. Bereits 1897 wies der Marburger Mathe­ matiker Alhard von Drach auch die Quadratur nach, K. Witzei 1914 schließlich auch die Quintur. Damit wTar bestätigt, was schon die ältere Maßforschung erarbeitet hatte. Im Gegensatz zu dieser dehnte Dehio seine Untersuchungen auf die Bau­ kunst von der Antike bis zur Renaissance aus. Darin folgten ihm Odilo Wolf und der bekannte Architekt Theodor Fischer, der in seinen „2 Vor­ trägen über Proportionen“ einen Überblick über die weiteren Maßforscher bis 1934 gibt. Ernst Mössel, ein Schüler Fischers, bezog auch Plastik und Malerei ein. Die neuere Maßforschung entwickelte schließlich eine folgerichtige wis­ senschaftliche Methode für das Entschlüsseln alter Werke. Dehio be­ gnügte sich noch mit dem bloßen Einzeichnen der Maßfiguren in die Baupläne. Dies ist aber höchst ungenau. Deshalb verlangte A. v. Drach die rechnerische Nachprüfung mit den tatsächlichen Abmessungen der Werke. Die einsichtigen Maßforscher beherzigten auch diese naheliegende Kontrolle, gerieten aber auf einen Irrweg, der sich aus einem besonderen mathematischen Problem erklärt. 333

Da die Schlüsselfiguren der Quadratur mit dem Quadrat gebildet sind, wirkt in ihnen auch das Grundverhältnis von Seite zu Diagonale im Quadrat. Dieses ist aber ein unendlicher Dezimalbruch 1,4142 ..den man mit Zahlen nicht zu Ende rechnen kann. Es ist „irrational“. Die Mathe­ matiker bezeichnen es daher mit dem Fachausdruck „Wurzel aus 2“ und dem Formelzeichen y 2. In der gleichen Weise herrscht in der Triangulatur die Wurzel aus 3 = V 3 und in der Quintur die Wurzel aus 5 = V 5. Diese irrationalen Wurzelwerte machen daher auch das Maß der Maßsysteme irrational. Für die Kunst ist solch irrationales Maß nur erwünscht, allein für seine Berechnung in der Praxis ergeben sich Schwierigkeiten. Wollten die Maß­ forscher, wie etwa Mössel, das Maß mathematisch genau nachweisen, so mußten sie dazu den ganzen Formelapparat der neueren Mathematik aufbieten. Diese Methode entsprach aber weder den praktischen noch den geschichtlichen Gegebenheiten. Es war deshalb noch herauszufinden, wie die alten Meister das Maß ihres Schlüsselverfahrens ausdrückten. Sie konnten es nur durch einfache „rationale“ Zahlen angegeben haben, die aber dem irrationalen Maß möglichst nahekommen mußten. Schließlich wird auch seit je die Größe von Maßstrecken nach einer festen Meßein­ heit (Fuß, Meter usf.) in sog. benannten Zahlen gemessen. Das Problem „die Zahl“ gehört also notwendig zum Maß. Da es aber die rein praktische Anwendung des Maßverfahrens betrifft, berichten die Quellen fast nichts davon. Es mußte deshalb erst durch sorgfältiges Studium alter Pläne und Bauwerke erschlossen werden. Ein kaum be­ achtetes Ereignis hielt es lange verborgen, nämlich die Einführung des Meters durch die Französische Revolution anstelle der früher üblichen Fuß, Zoll usf. Dieses geschichtlich wie mathematisch schwierigste Problem der Maß­ forschung hat allein der Schriftkünstler und Graphiker Lorenz Reinhard Spitzenpfeil (gest. 1945) mit seiner „Lehre von Maß und Zahl“ gelöst, mit der er alle anderen Maßforscher weit hinter sich läßt. Da er diese fast nur in einem längeren Aufsatz „Maß und Zahl im Bau“ veröffentlichen konnte (3), ist sie leider nur wenig bekannt. Ein Kirchturmstreit, der 1908 großes Aufsehen erregte (4), hatte ihn zur Maßforschung geführt. Es sollte nämlich der Turm der Petrikirche zu Kulmbach neugotisch ausgebaut werden. Es gelang Spitzenpfeil dieses Vorhaben, das die feinen Maßver­ hältnisse dieses ehrwürdigen Bauwerks vernichtet hätte, abzuwenden. Einer Anregung A. v. Drachs folgend stellte Spitzenpfeil zunächst fest, daß die Maßstrecken alter Bauten durch rationale Zahlen ausgedrückt werden können, wenn man sie nicht mit dem neumodischen Meter, son­ dern mit dem früher üblichen Fuß mißt. Durch weitere Studien fand er, daß die alten Meister etwa 3 Dutzend Zahlen verwendeten, um das Maß ihrer Schlüsselfiguren in ganz hervorragender Näherung anzugeben. Jedes Maßsystem besitzt seine nur ihm eigenen charakteristischen „Werk­ zahlen“. So wurde z. B. das für die Quadratur maßgebende Grundver­ hältnis Wurzel aus 2 durch die Werkzahlen 12:17 oder 29:41 festgelegt. Besonders oft und zwar in den drei Maßsystemen stieß Spitzenpfeil auf die Werkzahl 123. Dies rührt davon her, daß sie die einzige Zahl zwischen 1 und 200 ist, die mit den Wurzeln aus 2, 3 oder 5 dividiert oder multi­ pliziert die denkbar besten Näherungswerte liefert. Schließlich konnte Spitzenpfeil i. J. 1925 diese Werkzahlen elegant und genial einfach mit seinen „Kulmbacher Näherungsreihen“ für die Wurzeln aus 2, 3 und 5 ableiten und nachweisen, daß dem geometrischen Maß­ gefüge der Schlüsselsysteme ein arithmetisches Zahlengefüge in den 334

Näherungsreihen entspricht. Damit hatte er das Maßverfahren wieder in seiner urspünglichen Klarheit erschlossen. Wie einfach diese Reihen abgeleitet werden, sei an der für die Wurzel aus 2 gezeigt. In der Potenzreihe 1 — ly2 — 2 — 2V2 — 4 — 4V2 — 8 . . . wird der Wurzelwert durch die Zahl 1 ersetzt, so daß nun die Aus­ gangsreihe lautet: 1 — 1 — 2 — 2 — 4 — 4 — 8... Nun werden die Summen nebeneinanderstehender Glieder daruntergeschrieben und in dieser Weise die weiteren Zeilen genommen. Die Reihe sieht dann so aus: 1 1 2 2 4 4 ... . 2 3 4 6 8 . . . . 1. Werkreihe: 5 7 10 14 20 2. Werkreihe: 12 24 34 17 3. Werkreihe: 29 41 82 58 4. Werkreihe: 99 140 70 338 169 239 577 408 In dieser zur Quadratur gehörigen Reihe geben alle Zahlenpaare nähe­ rungsweise den Wert der Wurzel aus 2 an und zwar von Zeile zu Zeile immer genauer. Die 3. — 6. Zeile, vor allem die 4. und 5. enthalten die am häufigsten verwendeten Werkzahlen. Die Werkzahl 123 ersdieint in der 5. Zeile mit ihrem Drittel 41. (5) Dürers Holzschnitte zeigen bereits, wie die Werkzahlen dieser Reihe folge­ richtig auf die zugrundeliegende Quadratur hinführen. Seine Meßeinheit war der Nürnberger Werkschuh zu 27,84 cm, bzw. dessen Unterteilung in 12 Zoll zu je 2,32 cm. Seine Apokalypse und große Passion messen darnach 12:17 Zoll; das Marienleben ist um ein Viertel kleiner, nämlich 9:12,75 Zoll (6). Da die Werkzahlen 12 —17 nur in der Näherungsreihe für die Wurzel aus 2 stehen und diese wiederum nur für die Quadratur gilt, kann Dürer diese Holzschnittfolgen nur mit einem Maßgrund der Quadratur geschlüsselt haben. Für den Verkündigungsholzschnitt wurde dies bereits durch den gerechten Grund des 16-Sterns nachgewiesen. Mit der Triangulatur oder Quintur könnte er nicht entschlüsselt werden. Das Bildformat der drei Holzschnittfolgen Dürers ist ein sog. Diagonalrechteck. Bei diesen verhalten sich Breite und Höhe wie Seite und Diagonale im Quadrat oder wie 1 : V 2. (7) Die Folgerichtigkeit beim Entschlüsseln alter Werke gibt nur Spitzen­ pfeils Lehre von Maß und Zahl. Die anderen bis heute aufgestellten Theorien zum Maßproblem erreichen höchstens etwa den Stand der Unter­ suchungen Mössels, ja einige bedeuten sogar einen bedenklichen Rück­ schritt, vor allem deshalb, weil sie die alten Quellen nicht beachteten (8). Eigentlich hätte die Maßforschung die Aufgabe der Kunsthistoriker sein müssen. Aber nur wenige befaßten sich damit, darunter A. E. Brinckmann, W. Uberwasser, O. Kletzl und H. Hahnloser. Es lag ihnen aber weniger am Entschlüsseln alter Werke, als vielmehr am geschichtlichen Durchforschen der Quellen und am Erklären von Fachausdrücken wie „nach rechtem Maß, Grund, Auszug“ u. ä., ohne jedoch die hier schon z. T. angeführten werktechnischen Lösungen zu finden (9). Ihre Bemühungen hatten aber doch einen großen Erfolg: Die Kunstwis­ senschaft bezeichnet neuerdings (10) das Maßverfahren als Bauhütten­ geometrie oder als Bauhüttengeheimnis. Damit erkennt sie aber im Prin­ zip die von ihr lange mißachtete Maßforschung an, so daß sie nun auch 335

die Pflicht hat, sich mit dem Schrifttum zum Maßproblem auseinander­ zusetzen, mit dem der Maßforscher, aber auch mit dem ihrer Gegner. Diese längst fällige Bereinigung wurde bisher durch falsche Meinungen, hüben wie drüben, vereitelt. Diese gilt es also auszuräumen. Eine Aus­ wahl von Quellen soll zunächst einmal das Maßverfahren und seine Schlüsselfiguren nachweisen. Quellen Welcher aber durch die Geometria sein Ding beweist und die gründlichen Wahrheit anzeigt, dem soll alle Welt glauben A. Dürer, Proportionslehre, III. Buch (LF. 222).

Im Bereich der Baukunst wurde das Maß verfahren von der Vorgeschichte bis zur Französischen Revolution angewandt. Doch darf man nicht allzu viele Quellen erwarten; denn das Verfahren gehörte zu jenen handwerklich-tedhnischen Vorgängen, die der Mensch erfand und von Geschlecht zu Geschlecht ausübte, ohne viel Aufhebens zu machen. Erst seit der An­ tike berichtet der eine oder andere Geschichtsschreiber gelegentlich von solchen Werkverfahren und dann meist nur aus besonderem Anlaß. Seit dem Mittelalter und besonders nach Erfindung der Buchdruckerkunst werden solche Nachrichten häufiger. Besonders bemerkenswert sind die amtlichen Protokolle, die seit der Renaissance von Streitigkeiten um das Maßverfahren berichten. Hinter diesen Auseinandersetzungen steht der Kampf der Renaissance gegen die Gotik. Die italienischen Architekten wenden sich da gegen das Verfahren, indem sie es als „deutschen Brauch“ bezeichnen. An seiner Stelle bringen sie andere, mehr arithmetisch gerichtete Methoden auf, vor allem die sog. Modullehre für die Säulenordnungen, ferner quadriertes Zeichen­ papier als arithmetischen Maßraster und schließlich sogar mathematisch­ trigonometrische Sehlüsselfiguren. Neben diesen neuen Methoden, die mit dem Aufkommen der neueren Mathematik Zusammenhängen, wird aber im Bauhandwerk das Maßerfahren weiter benutzt. Die besten Quellen wären wohl Originalentwürfe zu Bauwerken mit ein­ gezeichneten Schlüsselfiguren. Allein gerade diese sind besonders selten und zwar aus einem einfachen Grund. Im Ablauf des künstlerischen Schaffensprozesses kann das Verfahren nur in der Phase der sog. Ent­ würfe eingesetzt werden. Wenn der sauber gezeichnete „Reinplan“ für den Bauherrn fertiggestellt ist, haben diese Entwürfe ihren Zweck erfüllt und werden dann eben vernichtet, einst genau so wie heute noch. Schließ­ lich hat auch kein Baukünstler besonderen Anlaß, jedem Laien zu ver­ raten, wie er zu seinem Plan kam. Obwohl man unter diesen Umständen nicht viele Quellen über das Maß­ verfahren erwarten darf, sind diese immerhin noch so zahlreich, daß wir uns hier auf eine Auswahl jener beschränken können, die geometrische Schlüsselfiguren nennen oder im Bilde zeigen. Diese zeitliche Übersicht gibt auch bereits einen Abriß zur Geschichte des Maßprobleips. 1) 6. Jhdt. v. Chr.: Die kultischen Schnurmeßregeln der alten Inder schrieben für Altäre, die den Göttern genehm sind, das Zahlenverhält­ nis 12:17, bzw. 408:577 vor. Diese Zahlen der Näherungsreihe für Wurzel aus 2 liefern ein Diagonalrechteck. 2) Um 15 v. Chr.: Die dem Kaiser Augustus gewidmeten „10 Bücher über die Baukunst“ Vitruvs enthalten neben anderen Belegen in Buch V die Nachricht, die Griechen und Römer hätten ihre Theater aus dem Zwölfstern mit 3 Quadraten, bzw. 4 gleichseitigen Dreiecken gemaßt. In

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Abb. 1. Prüfungsarbeit des Steinmetzen Hans. 1690. Das Original im German. Nat. Museum Nürnberg (HB. 17779, Blatt 7) ist sehr stockfleckig. Es wurde daher umgezeichnet und mit den Maß­ angaben versehen. Unter dem großen Plangrund das „Gründlein“ für Profile usf. Seine Ableitung aus dem großen Grund ist gestrichelt an­ gegeben.

Abb. 2. A. Dürer, Verkündigung aus dem Marienleben im 16-Stern. HH = Horizont; AA = Senkrechte durch den Augenpunkt. Nebenzeichnungen: Achtort, erweitert durch ein einbeschriebenes Achtort, verdoppelt zum 16-Stern, Gesamtschlüssel.

Abb. 3. Albrecht Dürer, Verkündigung aus dem Marienleben. Die aus dem Schlüsselgrund abgeleiteten Bildlinien bestimmen das Maß im Bildaufbau. Dürer entwickelte sogar die Perspektive aus der Schlüs­ selfigur.

Zu Abb. 3: „Die Teilung zum Roß und zum Mann“: Das neungeteilte Quadrat ist die Kanonfigur für die Propor­ tionen von Roß und Reiter. Das Bildquadrat mit einbeschriebenem Kreis und Achtort gibt den Maß­ grund für die Bildaufteilung.

Zu Abb. 4: „Die ander Figur, da ist die Lini (d. h. die Schlüsselfigur) ausgelas­ sen und ist auch so gezeichnet wie die erste.“

Abb. 4 u. 5. Erhard Schön. 1542. Abb. 6. Dürers Kupferstich „Der Reuter“ im gerechten Grund nach E. Schön. (Ausschnitt nach dem Gesamtschlüssel)

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= 2,32 otn.

Abb. 7. Albrecht Dürers Kupferstich „Der Reuter“ im Gesamtschlüssel.

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1 .Nürnberger Werkldiuh (5?8>m.m) = 12 Zoll (23,2 mm) = 120 Knien (2,35mm)

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17 , 24

Bildformat und bildaufteilung

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Abb. 8. Der vollständige Maßgrund für Dürers „Reuter“ aus dem 16-Stern. Dieser Gesamtschlüssel ist ein in sich festgefügter harmonischer Grund aus der rechten Geometrie. Nebenzeichnungen: Die Werkzahlen 87—123 der Spitzenpfeilschen Nähe­ rungsreihe für Wurzel aus 2 in Nürnberger Linien (2,32 mm) bestimmen die Größe des Grundes. — Das Kanonquadrat für das Pferd und seine Neunteilung sind aus dem Gesamtschlüssel herausgezogen. — Die Bild­ formate und Bildaufteilungen A. Dürers und E. Schöns als Auszüge aus dem Grund.

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Abb. 9. Lionardo da Vinci, Entwurf zu einem Zentralbau. Der Originalentwurf im Manuskript Ashburnham 2037, fol. 5 v enthält die eingezeichnete Schlüsselfigur. Nach diesem wurde die vorliegende Um­ zeichnung hergestellt. Die Ableitung der Schlüsselfigur aus dem Achtort ist in der oberen Reihe dargestellt. Das Achtort und der daraus abgeleitete „Lionardo-Stern“ wurden in der Hauptzeichnung durch stärkere Linien, bzw. Schraffierung hervorgehoben.

Buch IX beschreiben sie die Konstruktion des Diagonalrechtecks als Maß für Innenhöfe antiker Häuser. 3) Das um 1230 entstandene Baumeisterbuch des französischen Architek­ ten Villard de Honnecourt enthält zahlreiche Belege eingezeichneter Schlüsselfiguren. (11) 4) Um 1400: Die bereits genannten Protokolle zum Mailänder Dombau und die Zeichnung Stornalochos. (12) 5 u. 6) Um 1485 gab der sonst unbekannte Hans Schmuttermayer aus Nürnberg „auf Bitten viel ehrbarer Personen“, d. h. von Mitgliedern des Rates der Reichsstadt Nürnberg sein „Fialenbüchlein“ heraus. 1486 druckte der Regensburger Dombaumeister Matthias Roritzer sein „Büch­ lein von der Fialengerechtigkeit“ auf Bitte des Eichstätter Bischofs Wil­ helm von Reichenau. In Wort und Bild beschreiben diese beiden ersten gedruckten Architekturbücher Europas ausführlich, wie man „eine neue Art von Fialen und Wimbergen nach rechter Art aus der rechten Geometrey auszieht“ und zwar aus der sog. Vierung. Dieser einfachste Maßgrund der Quadratur besteht aus einem Quadrat, dem weitere immer kleiner werdende und um je 90 Grad geschwenkte Quadrate einbe­ schrieben werden. Vitruv IX,1 bezeichnet diese Vierung als Erfindung Platos. (13) 7) Die 1516 von dem kurpfälzischen Baumeister Lorenz Lacher verfaßte „Unterweisung“ für seinen Sohn Moritz. enthält zahlreiche Belege, sowie Zeichnungen von Architekturteilen, die aus der Vierung oder aus dem Achtort entwickelt sind. In den Abschnitten über das „ausgezogene Stein­ werk“ behandelt Lacher auch die neumodische Art der Fialen und Wimberge. (14) 8) Albrecht Dürer (1471—1528) stellt auf seinem Berliner Skizzenblatt mit venezianischen Palästen (W. 93) ebenfalls die neue Fialenart aus der Vierung dar, zeichnet aber daneben auch das Achtort, als wollte er damit sagen, daß sie sich aus diesem anderen Grund der Quadratur ebenfalls ausziehen ließe. — Im 3. Buch seiner „Unterweisung der Messung“ spricht er ferner ausführlich über geometrische Figuren, aus denen die kunstreichen Steinmetzen viele schöne Architekturteile ausziehen können. 9) Lionardo da Vinci (1452—1519) liefert mit seinen Manuskripten, vor allem Ms. B. (19, 24, 25, 35, 53), Ms. Ashburnham 2037 (3—5, 30) und dem Codex Atlanticus (271, 362) eine wichtige, aber noch kaum ausgewertete Quelle für geschlüsselte Entwürfe, vor allem für Zentralbauten. Meist legt er dazu eine aus dem Achtort entwickelte Sternfigur zugrunde, die kurz als „Lionardostern“ bezeichnet sei. Damit beweist er besonders ein­ drucksvoll, welche Freiheit und Hilfe das Maßverfahren beim Entwerfen bietet. 10) 1513. Bei der Wiederherstellung des Chores der St. Lorenzkirche zu Nürnberg mußte 1953 der schwer beschädigte Baldachin über der 1513 von Propst Anton Kreß gestifteten Paulusstatue ausgewechselt werden. Dieser 1513 datierte Baldachin mit dem Wappen der Kreß zeigt oben und unten noch die Reste der Linien des Schlüsselgrundes, den der Steinmetz s. Zt. in den Stein geritzt hatte. Dieses heute in New York befindliche Werk­ stück ist ein besonders wichtiger Beleg für das „ausgezogene Steinwerk“. 11) Im Jahre 1521 griff der Mailänder Architekt Cesar Cesariano mit sei­ ner italienischen Vitruvausgabe, der ersten Vitruvübersetzung in eine lebende Sprache, den Mailänder Dombaustreit von 1400 wieder auf, wenn auch nur indirekt: er bildet zwei Aufrißschnitte des Domes in einem Maßgrund der Triangulatur und Quadratur ab und fügt dazu die entspre­ chenden Erläuterungen bei. Mit drei Holzschnitten zeigt er ferner, wie 22

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man sich die griechischen und römischen Theater nach Vitrav im Zwölf­ sternschlüssel zu denken hat. 12) Im Jahre 1548 ließ dann der „Medicus und Mathematicus“ Walter Riff (Rivius) in Nürnberg seinen „Vitruvius Teutsch“ drucken und widmete ihn dem Rat der Reichsstadt. In dieser mehrmals aufgelegten ersten deutschen VitruvüberSetzung finden sich Cesarianos Holzschnitte seiten­ verkehrt und verkleinert wieder, dazu einige weitere Pläne mit Schlüs­ selfiguren. 13) Um 1585 stritt man sich auch in Bologna um das Maßverfahren. Ge­ stützt auf Cesariano griff der Schneider Carlo Cremona jene Architekten an, darunter die berühmten Vignola und Palladio, die dem gotischen Bau von San Petronio eine Renaissancefassade geben wollten. Cremona ver­ langte die strikte Einhaltung der Maßregeln der Triangulatur und Qua­ dratur (15). In dieser Zeit (1593) entstand auch ein Kupferstich, der einen Schnitt durch San Petronio mit eingezeichnetem gleichseitigen Dreieck wiedergibt. 14) In der um 1680 entstandenen Handschrift „Des Proportions d’Architecture“ des französischen Bautheoretikers Abbe de Saint-Hilarion fand Spitzeijpfeil eine erdrückende Fülle von Belegen, darunter auch Zahlen­ reihen mit der Werkzahl 123. (16) 15) 1689 —1741. Der äußerst fruchtbare Architekturtheoretiker Joh. Jak. Schübler, „Mathematicus, Baumeister und Vorsteher der Maler- und Zeichenakademie“ Nürnberg liefert in seinen bisher noch nicht ausge­ werteten Schriften etwa ein halbes Hundert geschlüsselter Pläne. Seine Bücher wurden von 1715 ab bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mehrmals aufgelegt, darunter auch seine Balthasar Neumann gewidmete „Zimmer­ mannskunst“. Er stützt sich vor allem auf die Barocktheoretiker Nik. Goldmann und Leonh. Chr. Sturm und vertritt mit diesen eine besondere Richtung, die sehr stark von der damaligen Mathematik abhängt und da­ mit schließlich von der „rechten Geometrey“ der alten Maßgründe wegführt. (17) 16) Um 1725/30: Von den Plänen Andrea Mainis für die Abteikirche Ottobeuren enthalten einige eingezeichnete Maßfiguren, darunter ein Grund­ riß einen Sechsstem mit zwei gleichseitigen Dreiecken. (18) Mit vier Quellen aus Nürnberg soll zum Abschluß die Anwendung des Maßverfahren von Albrecht Dürer bis zur Französischen Revolution be­ sonders eindringlich bewiesen werden. (19) 17) Vor 1806: S. Boisseree berichtet, daß ihm der letzte Werkmeister der Reichsstadt Nürnberg Kießkalt mitgeteiit habe, wie das Verfahren bei der Meisterprüfung der Steinmetzen in Nürnberg noch bis 1806 verlangt wurde. Boisseree hatte von Kießkalt auch dessen Prüfungsarbeiten mit den eingezeichneten Maßfiguren des Achtortes bzw. der Vierung er­ halten. (20) 18) 17. Jahrhundert: Eine solche Prüfungsarbeit eines Nürnberger Stein­ metzen bildet Fr. Hoffstadt auf Tfl. XIII B1 seines „Gothischen ABCBuches“ (1840 S. 65) ab. Sie stellt einen gotischen Chor dar, im Grande des Achtorts, aus dem wiederum ein kleineres Achtort als Maßfigur für die Gesimse entwickelt ist. Auf diesem Plan sind ferner drei kleine Stein­ metzzeichen eingeprägt, offenbar die Abdrucke der Siegel jener drei Meister, die damals den Steinmetzgesellen prüften. (21) Dieser geschlüsselte Grundriß illustriert mit einem Blick die manchmal kaum recht verständliche Unterweisung L. Lachers von 1516. Das kleine Achtort erklärt nun auch sehr einfach den bisher vergeblich gedeuteten 338

alten Fachausdruck „ein Gründlein“ als Nebenschlüssel für kleine Archi­ tekturteile. Merkwürdigerweise wurden diese von Boisseree und Hoffstadt genannten Pläne bisher weder von der neueren Maßforschung noch von der Kunstwissenschaft beachtet, obwohl auch das Stichwort „Steinmetz“ im Zedlerschen Lexikon die Nürnberger Meisterprüfung sehr ausführlich be­ schreibt. Es sei deshalb noch eine dritte derartige Quelle genannt, nämlich 19) die 1690 datierten Prüfungsarbeiten eines Steinmetzen Hans, etwa 20 Blatt im Germ. Nat.-Museum zu Nürnberg. Unter diesen befinden sich mehrere Chorgrundrisse im Maßgrund des Achtorts oder der Vierung samt den zugehörigen Gründlein und zwar ganz in der Art des von Hoffstadt abgebildeten Beispiels. Einige sind ebenfalls mit den Siegeln der „Prüfungskommission“ in Blinddruck testiert. Hervorzuheben sind ferner noch zwei Pläne mit Grund- und Aufriß von Türmen mit einge­ zeichneten „Gründlein“, die Lachers Angaben über die Turmkonstruk­ tionen bestens erläutern (22). (Abb. 7) 20) 1535, 1629 und 1696: Den letzten und untrüglichen Beweis dazu er­ bringen die Handwerksordnungen der Reichsstadt Nürnberg, die 1535 erstmals aufgezeichnet und fast wörtlich 1629 und 1696 erneuert wurden. (23) Die darin enthaltenen Vorschriften für „das Maisterstuck“ der Stein­ metzen verlangen u. a. vom Prüfling: „Er soll zum fördersten eines Turmstücks und Chores Gerechtigkeit wissen und verstehen zu machen, also erstlich aus der Weite die Höhe und aus der Höhe die Dicke der Mauern ... zu gewinnen . . ^ alles von schlichten Maßen . . . Alles von rechter Art machen in eine Vierung oder in ein Achtort. Nicht ist ihm Not von ausgezogenem Steinwerk zu wissen.“ Da diese Ordnungen mindestens von 1535 ab bis zum Ende der reichs­ städtischen Zeit 1806 in Kraft waren, ist damit das Maßverfahren amtlich von Dürer bis zur Französischen Revolution bestätigt. Es besteht also kein Grund, etwa die Glaubwürdigkeit der hier angeführten weiteren Quellen anzuzweifeln, soweit diese über das Verfahren berichten. Stimmen der Gegner Dieweil ich nun keinen Zweifel setz, ich werde allen Kunstliebhabenden und denen, so zu lehren Begierd haben, hierin ein Gefallen tun, muß Ich dem Neid, so nichts ungestraft läßt, seinen gewöhnlichen Gang lassen und antworten, daß gar viel leichter sei, ein Ding zu tadeln, dann selbst zu erfinden. A. Dürer, Proportionslehre. (L. F. 207.)

Trotz der vorliegenden Quellen wurde und wird noch die Anwendung des Maßverfahrens in der alten Kunst bezweifelt oder gar bestritten. Von diesen Gegenstimmen sollen die drei bekanntesten aus der kunsthistori­ schen Literatur herausgegriffen werden. Im Jahre 1871 wandte sich C. Schnaase (24) gegen die ältere Maßforschung und im besonderen gegen die Meinung, das Maßverfahren sei Geheimnis der mittelalterlichen Bauhütten gewesen. Sein Argument: „Die Über­ einstimmung der baulichen Form mit dem Zeitgeist ist auch die Quelle ihrer Schönheit“ (S. 237) vermag aber nicht zu überzeugen, da er es durch keine Quellen belegen kann. Mit einer „radikalen Untersuchung und Kritik der Triangulation in den literarisch-graphischen Quellen des Mittelalters, unabhängig von der spekulativen Phantasie“ wollte dann 1933 W. Thomae die Maßforscher 22*

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von Dehio bis Mössel erledigen (25). Nach seiner Meinung haben die alten Meister ihre Maßverhältnisse ohne ein Maßverfahren „nur nach dem Gefühl so lange verschoben, bis sie zu einer Harmonie kamen“. „Und wenn wir Deutschen reich sind an Künstlern mit einmaliger genialer Leistung, so haben wir auch jene anderen in großer Zahl, die da glauben, daß die Geometrie (um das alte Wort zu gebrauchen) die höchste aller „Künste“ sei. Sie wollen seelische oder geistige Tatsachen nur als (vielleicht dodi noch zu lösende!) „Geheimnisse“ in und hinter mathe­ matischen Verhältnissen anerkennen . . .“ Mit diesen Sätzen verdammt schließlich 1941/42 R. Teufel mit seinem Aufsatz: „Der geometrische Auf­ bau der Pläne der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen“ (26) allgemein die Maßforscher. Dabei versucht er ganz nach deren Methode mit einer Art Schlüsselfigur aus aneinandergesetzten Quadraten und einem „Grundmaß“ von 21 Fuß den „geometrischen Aufbau“ in den Plänen Balthasar Neumanns darzustellen, muß dazu aber selbst gestehen, daß sein Schema gar nicht für alle Pläne paßt. Teufel richtet sich im besonderen gegen Spitzenpfeil, obwohl sein Auf­ satz von Spitzenpfeilschen Werkzahlen wimmelt (27). Auf Spitzenpfeils Satz, daß die vielfältige Gliederung eines Bauwerks nicht durch ganz einfache Schlüssel bewirkt werden kann, stellt er verwundert die Frage: „Warum eigentlich nicht?“ und verrät damit, wie wenig er sich mit dem Maßproblem und seinen Quellen auseinandergesetzt hat. Als NeumannSpezialist müßte er sich doch auch mit J. J. Schübler befaßt haben, der mit Balth. Neumann befreundet war und der für seine reichgegliederten „Kapfenster“ auch die entsprechend verwickelten Schlüsselfiguren angibt. Billigerweise hätten nun auch die Gegner ihre Quellen vorlegen müssen, aber bis heute geschah dies noch nicht. Schnaase erkannte immerhin noch die Glaubwürdigkeit der von den Maßforschern gefundenen Quellen an, hält aber das Maß verfahren für eine Verfallserscheinung der Gotik. Thomae, der die Quellen kritisch untersuchen will, kennt nur einen bescheidenen Teil davon (28) und diese hält er, da er sie nicht deuten kann, für „Schulbücher der Stilbewegung der Gotik“. In einer vernich­ tenden Kritik hat ihn deshalb Otto Kletzl mit zahlreichen neuen Nach­ weisen widerlegt (29). Teufel vollends nennt überhaupt keine Quellen, sondern stützt sich nur auf die Pläne Balth. Neumanns, die in diesem Falle aber nicht als Beweise gelten, weil sie keine Schlüsselfiguren ent­ halten. (30) Da auch sonst die Gegner versäumt haben, ihre Argumente mit den entsprechenden Quellenbeweisen zu belegen, tragen sie die meiste Schuld an dem unseligen Streit um das alte Maßverfahren. Dieser wäre nicht ausgebrochen, wenn man unvoreingenommen und ohne die Scheuklappen der herrschenden Zeit- und Schulmeinung die erhaltenen Quellen dazu geprüft hätte. Da nunmehr das Maß verfahren immerhin als „Bauhütten­ geheimnis“ anerkannt wird, ist zu hoffen, daß dieser sinnlose Streit end­ lich beigelegt wird. Dazu wollen die vorliegenden Zeilen ihr Teil beitragen, indem sie auf einem bisher noch nicht beschrittenen Weg, nämlich über die Erklärung der alten Fachausdrücke „Grund und Auszug“, bzw. „Grund und Aufzug“, zunächst darlegen, was eigentlich „Geheimnis“ der Bauhütten war, und dann, was das Maßverfahren überhaupt von Anfang an war. Als Zeuge dafür wollen wir vornehmlich Albrecht Dürer anrufen, mit dessen Mei­ sterstich „Ritter, Tod und Teufel“ schließlich die Anwendung des Maß­ verfahrens in seiner Kunst quellenmäßig bewiesen werden soll. Seine Worte aber über die mit etlichen Linien gezogenen Schlüsselfiguren (31) 340

seien hier bereits jenen vorgehalten, die fernerhin das Maßverfahren abstreiten wollen: „Es geschieht oft durch die groben Kunstverdrücker, daß die edlen Ingenii ausgelescht werden. Dann so sie die gezogenen Figuren in etlichen Linien sehen, vermeinen sie, es sei eitel Teufelsbannung. Also ehren sie Gott mit dem, was wider ihn ist. Und menschlich zu reden, so hat Gott ein Mißfall über die, die söliche Meisterschaft vertilgen, die mit großer Mühe, Erbet und Zeit erfunden würd und allein van Gott verliehen ist . . . Aber die Feind der Künst verachten diese Ding.“

Neue Funde zum Maßproblem der alten Kunst Das „ausgezogene Steinwerk“ und das „Bauhüttengeheimnis“ Item es soll auch kein werckmann noch meister, noch Pollierer oder gsellen niemands, wie der genant sye, der nit unsers handtwercks ist, usz keine Auszuge underwisen usz dem grundt zue nemen.

Auf Grund dieses Artikels der Hüttenordnungen, nach dem die Mitglie­ der des Hüttenbundes der Steinmetzen keinem Außenstehenden zeigen sollten, wie man einen Auszug aus dem Grund nimmt, gilt das Maß­ verfahren von Stieglitz und Boisseree bis heute als „Geheimnis“ der Bauhütten. Diese Meinung ist aber irrig, weil sie schon die geschichtlichen Zusammenhänge verkennt. Dieser erst 1459 auf dem Regensburger Hüttentag beschlossene Artikel (32) stand nur auf dem Papier; denn der Hüttenbund besaß nicht die Macht ihn auch durchzusetzen. Verschiedene Landesherren haben den Bund in ihren Gebieten niemals zugelassen, darunter auch die Reichsstadt Nürn­ berg. Schmuttermayer konnte daher ungestört sein Fialenbüchlein her­ ausgeben, umsomehr als hinter ihm der regierende Rat dieser Stadt stand. Ebensowenig konnte der Bund verhindern, daß Roritzer sein Büch­ lein auf Wunsch des Eichstätter Bischofs druckte. Von dem vermeintlichen „Bauhüttengeheimnis“ bleibt aber noch weniger übrig, wenn man aus Lorenz Lachers Unterweisung von 1516 erfährt, daß sich der genannte Artikel gar nicht auf das allgemein geübte Maßver­ fahren bezieht, sondern nur auf einen kleinen Ausschnitt daraus, nur auf das „ausgezogene Steinwerk“. Von diesem sagt er, daß es „mehr Maß aus dem Grunde“ hat als das gewöhnliche Steinwerk. Daher „nennen es etliche Maßwerk oder Zipernwerk“. Lacher beschreibt zunächst die Maßschlüssel für Chöre, Türme, Strebe­ pfeiler und ähnliches (gewöhnliches) „Steinwerk“, ohne mit einem Wort anzudeuten, daß diese Konstruktionen geheimzuhalten seien. In den Ab­ sätzen über Fialen, Wimberge, Tabernakel und anderes „ausgezogenes Steinwerk“ (33) hingegen erklärt er, daß diese feinen Steinmetzarbeiten eine besondere „Kunst“ seien und sagt dazu: „Darum sollst du diese Kunst nicht für jedermann legen, auch nicht für jeden Steinmetzen, der dieser Kunst nicht erfahren ist; denn diese Kunst gehört nur für Künstler, die es verstehen und wissen, wozu sie es brauchen sollen; denn dieses ist nicht eine Kunst, die für einen jeden Bauern taugt.“

Es ist verständlich, daß die Steinmetzen ihre „Kunst des Maßwerks“ nicht jedem „Bauern“ mitteilen wollten, nicht einmal den „Steinhauern“, die das gewöhnliche Steinwerk fertigten. Darum bemerken die Nürnberger Prüfungsordnungen, die auch für die Steinhauer und Maurer galten, daß der Prüfling nichts vom ausgezogenen Steinwerk zu wissen brauche. 341

Nachdem nun der letzte Schleier gelüftet ist, bleibt nur noch zu sagen, daß die Maßschlüssel für die neue Art der Fialen und Wimberge nur unverbindliche „Maßregeln“ für besondere, oft gebrauchte Stilelemente sind, die man aus Zweckmäßigkeitsgründen in eine feste „Ordnung“ brachte. Zu diesem Sondergebiet der „Ordnungen“ innerhalb des Maß­ problems zählen auch die bekannten Regeln für die Säulenordnungen, sowie die sog. Kanones für die Proportionen des menschlichen Körpers. Das Planverfahren von Grund und Aufzug Darum tut einem jeglichen, der sich dieser Kunst (der menschlichen Pro­ portion) unterstehn will, Not, daß er zuvor der Messung wol unterrichtet sei und einen Verstand überkomme, wie alle Ding in Grund gelegt und aufgezogen sollen werden, wie dann die künstlichen Steinmetzen in täg­ lichem Gebrauch haben. A. Dürer, Widmung der Proportionslehre. (LF. 208.)

Mit dieser für das Maßproblem bei Dürer höchst wichtigen Stelle sagt Dürer, daß man vor dem Studium seiner „Vier Bücher von menschlicher Proportion“ schon seine „Unterweisung der Messung“ beherrschen müsse. Vor dieser aber muß man bereits gelernt haben, wie man nach Stein­ metzenbrauch „alle Dinge in Grund legt und aufzieht“. Mit diesem auch sonst oft bezeugten Verfahren von „Grund und Aufzug“ meint er das uralte Planverfahren für Grundriß und Aufriß. So hat man diese Stelle auch bisher durchaus richtig erklärt. Allein es war falsch, dabei an die heute übliche Planmethode nach dem sog. Dreitafelsystem zu denken; denn diese Planmethode beruht auf der mathematischen Wissenschaft der „darstellenden Geometrie“. Diese wurde aber erst 1794 von dem Marineminister der französischen Revolution Gaspar du Monges begründet. Dieser war Mitbegründer und Mathematik­ professor der Fcole Politechnique zu Paris. Seine neue Wissenschaft verbreitete sich von hier aus rasch in alle Welt und verdrängte dadurch das vorher geübte Planverfahren von Grund und Aufzug. Damit erklärt sich auch das plötzliche Verschwinden des Maß­ verfahrens von Grund und Auszug um diese Zeit: Das Maßver­ fahren war nämlich zugleich das uralte Planver­ fahren. Wir erfahren dies, wenn wir den Ursprung dieses Verfahrens auf suchen. Dieser führt bis in ferne Vorzeit zurück, bis zum Bau des rechtwinkeli­ gen Hauses, bis zum Beginn der Baukunst und der Kultur (34). In dieser lernen Zeit konnte der Mensch den rechtwinkligen Hausgrundriß nur mit Schnur und Pflock abstecken und zwar nur über ganz einfache geometri­ sche Figuren. Dafür ein einfaches Beispiel (35), das leicht praktisch durch­ zuführen ist. Man teilt eine Schnur durch Knoten in drei gleiche Teile und bindet sie zusammen. An den Knoten ausgespannt liefert sie ein gleichseitiges Drei­ eck. Sechs solche Dreiecke, die zusammen ein Sechseck bilden, geben bereits den Grundriß mit den vier rechten Winkeln. Der Fachausdruck „Grund“ bedeutet also nicht nur einen Maßschlüssel, sondern auch einen (geometrischen) Planschlüssel und darüber hinaus auch einen Grundriß. Aus dem gleichen Sechseck kann man aber auch den Aufriß entnehmen. Dieser muß beim Bauen nur noch senkrecht „aufgezogen“ werden. Damit erklärt sich ganz einfach der alte Fachausdruck „in den Grundlegen und 342

aufziehen.“ Auf diese urtümliche Weise ermittelten die Zimmerleute bis fast zur Gegenwart den „Grund und Aufzug“ für ein Fachwerkhaus. (36) Im Laufe de* Zeit baute der sinnende Mensch diese Geometrie der Schnur weiter aus und löste darnach auch das Problem der Zahl. Mit der Erfindung von Zirkel und Richtscheit konnte er schließlich die Baupläne auch in verkleinertem Maßstab entwerfen. Die Maßverhältnisse der Cheopspyramide beweisen, daß schon di^ Ägypter dieses kombinierte Meß-, Maß- und Planverfahren anwandten. Die Gotik benützte es dann auch als das „Formverfahren“ für ihr Maßwerk. Wie der Fachausdruck „rechtes Maß“ nahelegt, muß es damals auch schon „Unrechtes Maß aus ungerechten Gründen“ gegeben haben. Solche kamen vermutlich erst auf, als die Architekten der Renaissance versuchten, sich vom Verfahren der gerechten Gründe freizumachen. Die völlige Abkehr erlaubte aber erst die darstellende Geometrie nach G. Monges, die keine Schlüssel­ figuren mehr kennt. Diese kurze Übersicht läßt bereits erkennen, wie sehr die Geschichte der Kunst und besonders der Baukunst mit diesem uralten Werkverfahren verknüpft ist. Es ist wohl auch leicht einzusehen, daß auch die Anfänge der Mathematik als der Wissenschaft des Messens und Zählens irgendwie hier wurzeln müssen. (37) Sicherlich hat man schon lange mit der Schnur gemessen, bevor man die Maßverhältnisse in Zahlen umrechnete. Die „Magie der Zahl“ kann demnach erst später zur „Idee des Maßes aus der Geometrie“ gekommen sein.

Musische Geometrie Unter Schönheit der Gestalten will ich etwas Geradliniges und Kreis­ förmiges verstanden wissen und die hieraus durch Zirkel, Richtscheit und Winkelmaß gebildeten Flächen und Körper; denn diese sind nicht wie die anderen Dinge beziehungsweise, sondern immer und an und für sich schön. Plato, Philebos 51 C.

Mit diesen Worten wird kein Geringerer als Platon zur ältesten literari­ schen Quelle für das Maß verfahren. Zugleich widerlegt er alle jene, welche die „rechte Geometrey“ Dürers und der alten Meister mit dem Argument ablehnen: „Kunst ist doch keine Geometrie, keine Mathema­ tik!“ Bezeugt er doch, daß es neben der heute allein gelehrten mathema­ tischen Geometrie im Sinne Euklids noch eine ganz anders geartete gab und gibt, nämlich eine „musische Geometrie“. Die gerechten Maßgründe dieser musischen Geometrie sind das sichtbare Bild platonischer Philosophie: sie stellen in sich, mathematisch genau beweisbar, eine absolute Symmetria und Harmonia dar, eine vollkom­ mene Einheit im Ganzen wie in der Vielheit und Verschiedenheit der Teile. Deshalb sind sie auch immer und an und für sich schön. Deshalb wurden sie auch den Werken der Kunst „zu Grunde gelegt.“ Dieser neugeprägte Begriff der musischen Geometrie mag und soll alle jene versöhnen, die bisher nichts mit der Geometrie des harmonischen Maßes anzufangen wußten, die Künstler und Kunsthistoriker, die darin ein hochmathematisches Problem sahen, wie die Mathematiker, die sie für infantil und mathematisch uninteressant hielten. 343

Proportion und Kanon . . . ein Mann, hieß Jakobus, was ein guter, lieblicher Maler, von Venedig geboren, wies mir Mann und Weib, die er aus der Maß geihacht hätt . . ., doch kunnt ich nit von ihm erlangen seinen Grund, wie er sein Kunst brauchet . . . Doch nahm ich mein eigen Ding für mich und las den Fitrufium, der beschreibt ein wenig von der Gliedmaß eines Mannes . . . A. Dürer, Londoner Handschriften. L. F. 340 u. 343.

Da das Maß verfahren zugleich das alte Planverfahren war, mußte es allgemein bekannt gewesen sein, so daß man daher nicht allzu viele Quellen darüber erwarten darf. Zumindest in seiner einfachsten Form muß es deshalb auch von allen Gewerben, „so sich des Maß gebrauchen", geübt worden sein. Jene, die gleich den Baumeistern dreidimensionale Werke schufen, benützten es als Plan- und Maßverfahren. Die Maler hingegen und alle in der Fläche arbeitenden Gewerbe verwendeten es nur als Maßverfahren, besonders für die Aufteilung der Bildfläche. Die bisher gewonnenen Ergebnisse zusammengefaßt und auf Dürer und seine Schriften bezogen ergeben nun dies: Dürer bezeugt, daß das Maßverfahren auch in der Malerei geübt wurde, berichtet aber zugleich, daß es viele Maler seiner Zeit nicht mehr an­ wenden. Da für ihn das Maß aber die Kunst schlechthin ist, tritt er „glühend und streng" für die Kunst des Maßes ein. Er beschreitet dazu einen ungewöhnlichen Weg, der sich aber aus der damaligen Zeit erklärt. Das Maßverfahren setzt er als das Planverfahren der Steinmetzen bei seinen Lesern als bekannt voraus. Daher finden sich in seinen Schriften nur vereinzelte allgemeine Hinweise. Mit seiner Unterweisung der Messung versucht er die musische Geo­ metrie des Maßes durch die mathematische zu untermauern und im Sinne der Humanisten wissenschaftlich zu beweisen. Daher sieht dieses Werk wie ein Lehrbuch der mathematischen Geometrie aus. Es schwebt ihm dabei der durch Camerarius (38) bezeugte Gedanke vor, auf diese Weise die Kunst der Malerei in den Rang einer Wissenschaft zu erheben. In seiner Proportionslehre will Dürer schließlich mit Hilfe des Maß­ verfahrens auch die Proportionen des menschlichen Körpers in einer Schlüsselfigur einfangen in Gestalt eines sogen. Kanon; denn der gute, liebliche Maler Jakob de Barbari von Venedig hatte ihm einen solchen „Grund für Mann und Weib“ gezeigt, aber nicht überlassen. Da Dürer nun selbst einen derartigen Maßgrund erfinden wollte, las er zunächst den Vitruv, bei dem er aber nur einige Angaben fand. Daher maß er nun viele Männer und Frauen aus. Sein Dresdener Skizzenbuch (39) enthält zahlreiche Männer- und Frauenakte mit dem zugehörigen Schlüsselgrund auf der Rückseite des Zeichenblattes. Schließlich faßte Dürer alle diese Studien in seinen „Vier Büchern von menschlicher Proportion“ zusammen. In langen Übersichten gibt er darin zahlen­ mäßig die Proportionen für die beigefügten Holzschnitte an. Freilich, die gesamte Kanonfigur, die er doch suchte, zeigt er nicht. Mit seiner Proportionslehre griff Dürer das Sondergebiet der Kanones im Maßproblem auf, das sich, von der Pyramidenzeit bis zur Gegenwart (Lovis Corinth) nachweisen läßt (40), das wir hier aber nur kurz streifen können. Aus antiken Quellen wissen wir u. a., daß der griechische Plastiker Polyklet einen solchen Maßgrund aus »dem Quadrat entwickelt hatte. Auf diese Nachricht und eine ähnliche bei Vitruv gehen die Zeich­ nungen von Lionardo da Vinci, Cesariano und Rivius, Erhard Schön, Rembrandt usf. zurück, die den menschlichen Körper in den Grund eines Quadrates legen. Im Gegensatz dazu zeigt das Baumeisterbuch 344

von Villard de Honnecourt mittelalterliche Kanonfiguren aus der Triangulatur und Quintur. Dürers Proportionslehre vor allem war so wissenschaftlich geschrieben* daß sie kaum verstanden wurde. Dürers Werkstattgenosse Erhard Schön berichtet nämlich, daß ihn seine Lehrjungen mehrmals gebeten haben* er möge ihnen die Schriften Dürers, Vitruvs und anderer leicht faßlich erklären. Schön verfaßte daraufhin seine „Unterweisung der Propor­ tion und Stellung der Possen“ (41), ein schmales Büchlein, aber ein Bestseller; denn es wurde zwischen 1538 und 1542 mehrmals aufgelegt und die wenigen erhaltenen Exemplare weisen deutliche Gebrauchs­ spuren auf. Aus diesem Büchlein erfährt man nun auch tatsächlich alles, was man über die Anwendung des Maßverfahrens wissen will. Schön bemerkt aber ausdrücklich, daß er diesmal nur die Quadratur lehren will. In Wort und Bild erklärt er zuerst, wie man mit Zirkel und Richtscheit ein Quadrat konstruiert. Dieses unterteilt er sodann in 9 kleinere Quadrate und entwickelt aus diesem „Grund“ darnach einen Kopf im Profil. Dieser zu einem Würfel ins Räumliche erhobene Grund ergibt in ver­ schiedenen Stellungen die Maßfigur für alle möglichen Ansichten des Kopfes. In gleicher Weise bildet er aus lauter Würfeln das Proportions­ schema für den ganzen menschlichen Körper, den er dann in verschie­ denen „Stellungen“ dar stellt. Solche Würfelmännchen oder „Possen“ dienten noch um 1900 als „Zeichenschule“ für Kinder. Auch Lovis Corinth benützte sie. Ganz unvermittelt finden sich dann bei Sdiön drei Holzschnitte mit einem menschlichen Körper im Schlüsselgrund der „Vierung“, vermutlich jener Kanon, den Dürer zwar entwickelte, in seiner Proportionslehre aber schließlich doch nicht angab. Ein weiteres bemerkenswertes Kapitel bilden dann Schöns Angaben und Schlüsselfiguren für alte und neue Wappenschilde, sowie für Helme. Wir wissen ferner von Dürer und anderen Quellen, daß Dürer auch eine Schrift über „Die Maß der Roß“ verfassen wollte, doch wurden ihm seine Unterlagen entwendet (42). Man vermutet, Hans Sebald Beham, der gleichfalls ein „Roßbüchlein“ herausgeben wollte, habe dies getan. Immerhin hat sich in dem Dürermanuskript der Nürnberger Stadtbiblio­ thek eine Zeichnung des Meisters erhalten, in der er ein Pferd im Grunde des neungeteilten Quadrats darstellt. In dem „Kunst- und Lere-Büchlein“ H. S. Behams finden sich gleich 3 derartige Pferdekonstruktionen. (43) Auf Grund dieser Belege hat 1915 Erwin Panofsky (44) in den heute als „Ritter, Tod und Teufel“, von Dürer aber nur kurz „der Reuter“ bezeichneten Kupferstich die Maßfigur des neungeteilten Quadrates einge­ zeichnet, und zwar durchaus richtig. Er wies dabei noch auf den Original­ entwurf Dürers zu diesem Stich hin, der -sich heute in der Ambrosiana zu Mailand befindet. Allein Panofskys Entschlüsselung ist nur ein kleines Teilergebnis. Sein Kanonquadrat für das Pferd schwimmt ohne Zusammenhang mit dem Bildganzen verloren in dem durch das Bildformat begrenzten Raum. Man erfährt auch nicht, wie sie „nach rechter Art aus der rechten Geometrey“ hervorkommt. Es fehlt also offenbar noch die Hauptsache, nämlich der vollständige Maßgrund für die Bildaufteilung, der auch die Kanonfigur für das Pferd enthält und erst erklärt. Da führt nun Erhard Schön weiter. Wenn einer, dann mußte er Dürers „Grund“ gekannt haben. Im letzten Kapitel seiner Unterweisung bringt er zwei Holzschnitte mit der Darstellung eines Reiters und zwar — ein 345

einmaliger Fall! — zuerst als Schlüsselfigur und dann als ausgeführtes Bild. Zur Schlüsselfigur sagt er: „Das ist die Teilung zu Roß und Mann“, zum ausgeführten Bild aber: „Die ander Figur, die sichstu vor Augen. Da ist die Lini ausgelassen und ist auch also verzeichnet wie die Erste. Und.dem Mann magst du für Kleider anlegen, wie du willst.“ (Abb. 4u. 5) Schöns Schlüsselfigur besteht aus zwei verschiedenen Teilen: aus der Kanonfigur für das Pferd, nämlich dem neungeteilten Quadrat, und aus dem Grund für die Bildaufteilung. Diese besteht aus dem Quadrat des Bildformates, dem ein Kreis einbeschrieben ist, in dem wieder ein Acht­ ort steht. Das liegende Quadrat dieses Achtorts ist zugleich das Quadrat für die Kanonfigur des Pferdes. Bildgrund und Kanonfigur hängen also eng zusammen, wachsen aus einander heraus. Diese „Teilung zu Roß und Mann“ ergibt Punkt für Punkt übertragen tatsächlich den gerechten Grund für Dürers Stich. (Abb. 5) A. Dür er s Kupf er s t ich „der Reuter“ im g er ech t en Grund La regle pour proportlonner est dans la g§om£trie, mais la maniöre de proportionner est dans le jugement de l’architecte, aussi bi£n que le choix des proportions. Abb6 de Saint Hilarion, Des Proportions de l'Architecture, Bd. I. Motto.

„Das Gesetz für das harmonische Maßen liegt in der Geometrie, aber die Art, wie man maßt, ist dem Urteil des Baumeisters anheim gegeben, ebenso wie die Auswahl der Maße.“ Dieser Satz güt auch für den Reiter Albrecht Dürers und für den Erhard Schöns. Erhard Schön wollte seinen Lehrbuben nur ein möglichst klares Schul­ beispiel vorführen. Daher nahm er das Quadrat seiner Schlüsselfigur gleich als Bildformat und stellte seinen Reiter genau in die Bildmitte. Dürer hingegen, der ein vollkommenes Meisterwerk schaffen wollte, rückte den Reiter aus der Mitte und wählte ferner ein spannungsreiches Recht­ eck als Format. Sein Grund ist deshalb noch zu vervollständige Dies geschieht ganz einfach dadurch, daß man um Schöns Bildquadrat einen Kreis zeichnet und darin mit drei weiteren Quadraten wieder den 16-Stern bildet. (Abb. 6) Aus diesem harmonisch-gerechten Gesamt­ schlüssel lassen sich Dürers Bildformat und Bildaufteilung, aber auch das Kanonquadrat für das Pferd samt seiner Unterteilung in neun kleine Quadrate herausziehen. Alle diese Teilelemente sind damit zu einer festen Einheit im Ganzen verknüpft. Keines schwimmt mehr verloren im Bildraum: es herrscht eine vollkommene Symmetria und Harmonia. Nun auch die Kontrolle durch „die Zahl“! Als Meßeinheit verwendete Dürer wieder den Nürnberger Werkzoll zu 2,32 cm und zwar hier seine Unterteilung in 10 Linien zu je 2,32 Millimeter. Dies ergibt dann nach­ stehende Maßzahlen in Linien und Verhältnisse: 123 für den Durchmesser des Kreises = 2 87 für die Seite des Quadrates darin =V2 61,5 für die Seite des Kanonquadrates = 1 Da die Zahlen 87 und 123 den Werkzahlen 29—41 in der Näherungsreihe für Wurzel aus 2 entsprechen, liefert Dürer hier also einen feinen Beweis für Spitzenpfeils Lehre von Maß und Zahl. (45) Aus diesen Grundmaßen läßt sich das Bildformat berechnen und zwar seine Breite mit 80,625 Liryen = rd. 8 Zoll = 187,05 mm, seine Höhe mit 105,00 Linien = 10,5 Zoll = 244,6 mm. 346

Diese erreehneten Größen differieren mit den wirklich am Kupferstich abmeßbaren Strecken von 187 und 244 mm nur um einen halben Milli­ meter! Dürer hat also peinlich genau das Maß für seinen Stich einge­ halten, im Gegensatz zu den sog. Reichsdrucken seiner Stiche, die zwar originalgetreu sein sollen, in Wirklichkeit aber so große Differenzen auf­ weisen, daß sie für Maßuntersuchungen gänzlich ungeeignet sind. Für die vorliegende Entschlüsselung wurde daher die Maßfigur auf glasklaren Zellstoff gezeichnet, dann auf den „vorzüglichen Abdruck aus dem von Praun’schen Cabinett“ im Germ. Museum zu Nürnberg gelegt und beide zusammen photographiert. Die bereits genannten Quellen zum Reuterstich sind in der Literatur längst bekannt und beschrieben. Die Dürerforschung hat aus ihnen auch die Entstehungsgeschichte des Stiches erschlossen und zwar folgender­ maßen: Die Zeichnung „des Paumgartners Knecht“ in der Albertina zu Wien gab Dürer dazu die Anregung. Diese und einige andere Reiter­ zeichnungen, sowie die Nürnberger Zeichnung mit dem Pferdekanon gelten als Vorstudien Dürers für seine geplante Schrift „die Maß der Roß“. Sie werden noch durch das Roßbüchlein H. S. ßehams ergänzt. Die Zeichnung in der Ambrosiana zu Mailand hingegen stellt bereits den oder doch einen der Entwürfe Dürers zu seinem Stich dar. Diese enthält auf der Rückseite bereits die seitenverkehrte Ansicht des Stiches, die Dürer für die Übertragung auf die Kupferplatte brauchte. Diese Zeichnungen veranlaßten 1915 Panofsky das neungeteilte Quadrat des Pferdekanons in den Reuterstich einzuzeichnen. Damit war bereits ein Teilproblem gewonnen, jedoch noch nicht das geistige Band, das diesen Kanon mit dem gesamten Bildaufbau und seinen Verhältnissen verknüpfte. Bei diesem Stand von 1915 blieb es aber auch bis zum heutigen Tage, obwohl die längst bekannte und inzwischen in der Litera­ tur sogar mehrmals abgebildete „Teilung zum Roß und zum Mann“ von Erhard Schön die Lösung förmlich aufdrängte. Die nunmehr hier dargebotene Entschlüsselung gibt Aufschluß über die bislang noch ungeklärte Endphase des Maßens bei Dürer zwischen Ent­ wurf und dem eigentlichen Stechen. Sie zeigt, wie Dürer die Teile seines Bildaufbaues maßgerecht zu einer harmonischen Einheit zusammenfügte, aber auch, wie er seine Zeichnung auf die Kupferplatte aufbrachte. Er konstruierte darauf mit Tinte zunächst den benötigten Ausschnitt aus seinem Gesamtschlüssel und entwickelte dann darin seitenverkehrt die Umrißlinien für seinen Reiter, die er dann nachstach (46). Den ver­ bleibenden Bildraum füllte er darnach durch das figürliche und land­ schaftliche Beiwerk aus. Die weitere Durchführung ist reine Stecher­ arbeit und interessiert daher nicht in diesem Rahmen. Aus all diesem ergibt sich wohl höchst eindringlich, daß die Beschäfti­ gung mit dem Maßproblem der alten Kunst keine unfruchtbare Marotte, sondern vielmehr von größter Bedeutung ist. Schon bezeugen einige Künstler, daß das Maßverfahren rascher und sicherer zum Ziele führt als nur das Gefühl allein (47). Sie wählen das Maß für ihr Werk ja nicht aus einem Chaos unendlich vieler Maßlinien und Maßpunkte, wie es das blanke Zeichenpapier darstellt, sondern aus einem vorgegebenen, absolut harmonischen Maßurgrund. Diesen gibt ihnen gesetzmäßig die musische Geometrie, die sie aber in aller künstlerischer Freiheit nach ihrem „Jugement“ anwenden können. Sie können damit weiter ihren Entwurf leicht in jedem gewünschten Maßstab vergrößern, besser und genauer als mit der heute üblichen Methode des Quadratrasters. Die Kunstwissenschaft vollends findet im Maß nun jenes Grundelement und im Maßverfahren von Grund und Auszug/Aufzug das handwerklich347

technische Mittel, das die Schriften Dürers mit seiner Kunst verbindet. Unabhängig von.einer Zeitmeinung kann sie nun objektiv Dürer von Dürer aus betrachten (48). Das entschleierte Bauhüttengeheimnis bietet ihr weiter die Möglichkeit, darüber hinaus auch die Werke der alten Kirnst nach ihrem rechten Maß zu beurteilen und daraus weitere Schlüsse zu ziehen. Es eröffnen sich ihr ganz neue Wege, die freilich auch eine Wende in ihren Methoden bedeuten. Möge sie nicht vergessen, daß sie dies letztlich den lange verkannten Maßforschern verdankt! Aber auch andere Wissenschaften, vor allem die Mathematik, die Sprach­ wissenschaft und die Philosophie erfahren für ihren Bereich neue An­ regungen und Erkenntnisse. Idee und Magie von Maß und Zahl Dann wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reissen, der hat sie. Überkummst du sie, so wirdet sie dir viel Fehls neh­ men in deinem Werk. Und durch die Geometria magst du deins Werks viel beweisen . . . Darum nimm dir nimmermehr für, daß du Etwas besser mügest oder wellest machen, dann es Gott seiner erschaffnen Natur zu würken Kraft geben hat. Dann dein Vermügen ist kraftlos gegen Gottes Geschöpf. A. Dürer, 3. Buch der Proportionslehre (L. F. 226/7).

Hinter der Kunst des Maßes verbirgt sich schließlich auch ein tiefer philosophischer, ja ein religiöser Gedanke (49). Leuchten uns doch die gerechten Gründe der alten Meister überall aus der Natur als die ge­ rechten Gründe des Weltbaumeisters und Schöpfers aller Dinge ent­ gegen, am reinsten aus den Kristallen, am feinsten aus den Blumen. So, von der rechten Geometrey aus gesehen, enthüllt das obenstehende berühmte Dürer-Wort von der Kunst, die in der Natur steckt, wohl erst seinen richtigen Sinn. Verstand doch Dürer unter „Kunst“ vor allem und zunächst die Kunst des harmonischen Maßes, um die er auch in seinen Schriften ringt und kämpft. Die musische Geometrie als Maßgrund des Schöpfers: ein hehrer Ge­ danke, würdig Dürers! Und doch schon lange vor ihm von Plato ausge­ sprochen. Dieser lehrt im Timaios 32—35, der Weltbaumeister, der Demiurgos, habe die Welt aus einem Mittelpunkt und Kreis, darin zwei geometrische Figuren — offenbar das gleichseitige Dreieck und das Quadrat — erschaffen und alles durch das Maß als einigendes Band verknüpft. (50) 2000 Jahre nach ihm überträgt Johannes Kepler diesen Gedanken ins Räumliche, den er auch in einem Kupferstich sichtbar macht. Er sagt, der Schöpfer habe die Harmonie im Weltenbau mit einem Maßgrund inein­ ander liegender Kugeln gebildet, zwischen deren Schalen jene fünf regel­ mäßigen Körper einbesdirieben sind, die man die platonischen Körper nennt und die aus gleichseitigen Dreiecken, Quadraten und Fünfecken bestehen. Vor Kepler aber, etwa zu der Zeit, als in Mailand erstmals das alte und das neue Kunstideal aufeinanderprallen, ruft der Mystiker Johann von Saaz in seinem „Ackermann aus Böhmen“ den Schöpfer aller Dinge mit jenen Worten an, die Idee und Magie des Maßes in der alten Kunst in die kürzeste und feierlichste Formel fassen: Weltbaumeister, Mittel aller Zirkelmaße, Gesetz. ♦

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Exkurs Zur Geschichte des Maß- und P1 a n v e r f a h r e n s in der Baukunst seit der Gotik Was in Stein-Kunst zu sehen ist, daß kein Irr- noch Abweg ist. . . . Ein Punkt, der in den Zirkel geht, darin Quadrat und Triangel steht. Trefft ihr den Punkt, so habt ihr gar und kommt aus Not, Angst und Gefahr. Hiemit habt ihr die ganze Kunst, versteht ihrs nicht, so ists umsonst. Alter Steinmetzenspruch.

Das Schlüsselverfahren galt bisher nur als das Hüttengeheimnis, mit dem die gotischen Baumeister „das rechte Maß“ erzeugten. Man erkannte aber nicht, daß es ja auch noch das uralte Planverfahren für Grund- und Aufriß war. Dadurch kam man zwangsläufig zu falschen Vorstellungen über die Planarbeit der alten Meister. Dies zeigt u. a. der Katalog der 1952 in München von der Akademie der schönen Künste und vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte veranstalte­ ten Ausstellung „Plan und Bauwerk“, welche den Wandel der baukünst­ lerischen Arbeitsweise seit der Gotik vor Augen führen sollte. In diesem Katalog haben bekannte Kunsthistoriker die einzelnen Epochen kurz be­ schrieben: E. Gail die Gotik, W. Lotz die italienische Renaissance sowie die Renaissance und den Frühbarock in Deutschland, H. Reuther den deutschen Hoch- und Spätbarock und schließlich L. H. Heydenreich die Architekturtraktate. In ihren sichtlich aufeinander abgestimmten Einführungen glauben sie alle an das „Hüttengeheimnis“. Darum soll es nach Heydenreich und Lotz eine entscheidende Wandlung bedeutet haben, wenn die italienischen Architekten die antike Baukunst und die Säulenordnungen nach Vitruv zum Vorbild nahmen und durch Traktate und Kupferstiche ihre Theorien und Entwürfe in alle Welt verbreiteten. Dagegen ist aber gleich zu sagen, daß doch die Italiener die von Norden her eingedrungene Gotik samt deren Maßwerk mit einem arteigenen Stil überwinden wollten. Für diesen nahmen sie folgerichtig die antike, ge­ nauer die altrömische Baukunst als Vorbild. Daher traten sie auch für das charakteristische Stilelement dieses Vorbildes, eben für die Säulen­ ordnungen ein. Es entsprach durchaus der Gepflogenheit ihrer Zeit, wenn sie dazu den Buchdruck und den Kupferstich als Propagandamittel ein­ setzten; denn dadurch konnten sie die mächtigen Baumäzene gewinnen und zugleich sich selbst ins rechte Licht setzen. Dies alles bedeutete zwar eine Wandlung im „Stil“, aber noch lange nicht in der Planungsweise und im Planverfahren. Die Verfasser des Kataloges glauben ferner mit Heydenreich, daß „die Entdeckung der mathematischen Zentralperspektive eine grundlegend ver­ änderte PlanVorstellung des Bauwerks“ herbeigeführt habe. Lotz sagt dazu: „Die ornamentale Schönheit der mittelalterlichen Risse, jenes von einer in jahrhundertelanger Übung geschulten Vorstellung zu vollziehende Zusammendenken der Bauglieder zum Bauganzen gehört damit der Ver­ gangenheit an. An seine Stelle tritt die Veranschaulichung, das Schaubild jenes Gesamtorganismus, den Mauer und Raum, Glied und Wand bilden.“ Reuther meint, auch die Farbperspektive und Schattenkonstruktion hätten zu neuartiger Darstellung der Bauentwürfe geführt. 349

Dagegen ist aber festzustellen, daß die Perspektive niemals den Bauplan und damit auch,nicht das Schlüsselverfahren verdrängen konnte. Noch heute braucht der Architekt den Bauriß. Daher bleibt ihm auch das Zu­ sammendenken des Bauganzen aus Grund- und Aufriß nicht erspart. Er braucht die Perspektive jetzt nur noch zur Veranschaulichung seiner Bau­ entwürfe, die Schaubilder seiner bereits fertigen Bauten dagegen stellt er mit der Photographie her. Für die Architekten der Renaissance und des Barock war die Perspektive das willkommene und im Vergleich zu den teuren Baumodellen sehr billige Mittel, um ihrem hochmögenden Bauherrn oder dem geneigten Leser ihrer Traktate ein anschauliches Bild ihres geplanten oder fertigen Bauwerks zu geben. Durch die Farbperspektive und Schattenkonstruktion ließ sich dieses noch mehr schönen, durch gewisse Tricks sogar verfälschen. Man lasse sich doch nicht durch die überkommenen Bauzeichnungen täu­ schen. Wie die meisten erhaltenen Baurisse sind auch die fein säuberlich durchgeführten und ausgemalten perspektivischen Ansichten letztlich nur für den Bauherren bestimmt. Der Architekt braucht sie nicht. Die auf dem Bauplatz benützten Planrisse sahen und sehen auch heute noch anders aus. Als Mittel für die Darstellung des Raumes auf der Fläche gehört die Perspektive zur Malerei; denn hier allein findet sie ihr Gegenteil in der flächenhaften oder ornamentalen Darstellung. In der Malerei konnte sie daher auch die entscheidende Wandlung herbeiführen. In der Baukunst dagegen vermochte sie die Planungsweise in keiner Weise zu ändern. Lotz weist schließlich noch auf die Einführung des bezifferten Maßstabs und des quadrierten Papiers, u. a. bei Antonio da Sangallo d. J., hin. Dieses ermöglicht, „zwischen dem geplanten Bau und seiner Darstellung auf der Fläche eine rationale, meßbare Beziehung herzustellen“. Dazu ist zu bemerken, daß nur diese beiden Erfindungen eine gewisse Neuerung in der Planarbeit bedeuteten; denn mit ihnen kann man sehr einfach die zahlenmäßige Größe der einzelnen Baustrecken nach Fuß, Zoll, Meter usw. darstellen. Das quadrierte Papier bildet in diesem Falle einen „Flächenmaßstab“, für die Breite und zugleich für die Tiefe. Allein diese Maßstäbe haben nur bedingten Wert, weil sie nur von einer ge­ wissen Größe ab ein genaues Ablesen gestatten. Schon deshalb konnten auch sie das Planen nicht verändern. Von den im Katalog „Plan und Bauwerk“ genannten Neuerungen ver­ mochte also keine das Planverfahren der geometrischen Schlüsselfiguren zu ändern oder gar zu ersetzen. Gleichwohl läßt sich auch hier ein Wandel erkennen, der in der Renaissance wurzelt, sich dann immer mehr durch­ setzt und endlich zur Aufgabe des Verfahrens führte. Da er bisher nicht erkannt wurde, soll er nun kurz besprochen werden. Zu allererst ist festzustellen, daß sich die Architekten der Renaissance mit ihrem neuen Stil nur gegen die von der Gotik festgesetzten Stilformen und Maßregeln, nicht zuletzt gegen das „Maßwerk“ richteten. Sie hatten aber keinen Anlaß, deshalb ihr Planverfahren zu ändern, umsomehr, als ihr Vorbild, Vitruv selbst, von geometrischen Plangründen berichtet. Darum findet man u. a. bei Ldonardo da Vinci, Borromini und Quarini geschlüsselte Bauentwürfe. Es gibt auch Belege, daß sogar die Säulen­ ordnungen offenbar zunächst aus solchen Maßgründen entwickelt und dann erst über die Modullehre in Zahlen umgeredhnet wurden. Gleichwohl läßt sich ein Wandel feststellen dadurch, daß neben den „ge­ rechten Gründen“ der musischen Geometrie nun auch „ungerechte“ nach

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der Arithmetik der Zahl aufkommen. Die Ursache dafür liegt zweifellos in dem veränderten Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und sei­ nem daraus entspringenden Bestreben, diese Umwelt „naturwissenschaft­ lich“ durch Messen, Zählen und Berechnen zu untersuchen. Nicht von ungefähr setzt gleichzeitig auch die sog. neuere Mathematik ein, die neue Rechenmethoden und schließlich sogar eine eigene Formel­ sprache erfindet. Sie gab und gibt bis zum heutigen Tag der Arithmetik mit der Analysis den Vorrang. Wohl wurde auch in der Geometrie weiter­ geforscht, doch nur in der sog. nicht euklidischen. Von dieser Entwicklung wurde auch die Baukunst ergriffen. Von der Re­ naissance ab verläßt sie mehr und mehr „das Maß“ aus der rechten Geometrie und setzt dafür „die Zahl“ des Messens und Rechnens. Nur von dieser Seite her konnte das Schlüsselverfahren verändert werden. Dies soll nun gezeigt werden. Als Experten der Geometrie priesen die Baumeister der Gotik „des Zirkels Kunst und Gerechtigkeit“, dazu Richtscheit und Winkelmaß. Auf ihren Bildnissen halten sie daher zumeist den Zirkel in der Hand. Von der Renaissance ab muß aber der Architekt und noch mehr der Architektur­ theoretiker auch ein „Mathematicus“ sein. Auf seinem Bildnis hält er zwar noch den Zirkel, aber doch mehr aus Tradition. Dafür wandelt sich auf den Titelblättern ihrer Architekturbücher das Richtscheit in den zahlenmäßig unterteilten „Meßstock“ und noch später erscheint neben dem Winkelmaß auch der „Winkelmesser“ mit der bezifferten Gradeinteilung. Heute dürfte sich der Architekt nicht mehr mit dem Zirkel porträtieren lassen, sondern nur mit der Reißschiene oder noch besser mit dem — Rechenschieber! Die Architekten der Renaissance und des Barock hätten eigentlich den von Galilei erfundenen Vorläufer des Rechenschiebers als Symbol wählen müssen, das „Schrägmaß“, auch Proportionalzirkel genannt, das von Haus aus ein Rechengerät war. Auf dem Porträtstich des markgräflich-ansbachischen und dann bischöflich eichstättischen Hofbaumeisters Gabriel de Gabrieli (1671—1747) ist es auch abgebildet51). Lassen diese allgemeinen Beobachtungen bereits die wachsende Vormacht der Mathematik der Zahl erkennen, so noch mehr die Worte Fenelons (1651—1715): „Hütet euch vor der Zauberei und den diabolischen Lockun­ gen der Geometrie!“ Bezeichnend aber: diese Worte zitiert der Architekt der Moderne Le Corbusier, um damit seine Feindschaft gegen den „Zir­ kel und die sternförmigen Figuren“ zu rechtfertigen! Er will nämlich mit der „Zahl, der Waffe der Götter“, die Harmonie der Maßverhältnisse berechnen52). Diese Aufgabe glaubt er mit seinem „Modulor“ lösen zu können, einem’ 226 cm langen Maßstab, den er rechnerisch nach der „Goldenen Zahl“ unterteilt. Wie die Künstler der Renaissance mit ihrem bezifferten Maßstab das quadrierte Papier, so bildet auch er Maßgitter, die aber nicht aus Quadraten, sondern wegen der Goldenen Teilung aus Rechtecken bestehen. Ein einfaches Beispiel für die wachsende Macht der Zahl bieten die Fialen und Säulenordnungen. Diese wurden als die charakteristischen Stil­ elemente der Gotik, bzw. der Renaissance oft gebraucht. Daher normte man die Abfolge und das Maß ihrer Glieder zu einer sog. „Ordnung“, die man dann beibehielt. Die Fialen wurden dafür aus einem geometrischen Grund ausgezogen. Dies geschah wohl auch bei den Säulenordnungen. Die Maße ihrer Glieder wurden aber dann auf einen „Modul“ bezogen und in Zahlen umgerechnet. Ein solches „Grundmaß“ war auch für die 351

Fialen notwendig. Die Größe dieses Moduls war variabel, da sie sich nach dem künftigen Standort der Fialen oder Säulen zu richten hatte. Mit ihr änderte sich zwar die meßbare Größe der Glieder, aber nicht deren gegenseitiges Verhältnis, auf das es ankommt. Bei den Fialen gibt die Breite des Pfeilers, auf den sie gestellt wurden, den Modul an. Bei den Säulenordnungen bildet die Gesamthöhe bis zur Oberkante des Ge­ bälkes das Grundmaß. Da dieses aber sehr groß ist, berechnet man daraus den unteren Säulendurchmesser und nahm diesen als Modul. Als nächstes Beispiel betrachten wir die Kanones für den menschlichen Körper, auch wenn diese nicht unmittelbar mit dem Grund- und Aufriß­ verfahren zu tun haben. Sie belegen nämlich sehr anschaulich die wach­ sende Herrschaft der Zahl und erlauben dadurch wertvolle Rückschlüsse auf den Wandel in der baukünstlerischen Planungsweise. Die Gotik entwickelte, wie Villard de Honnecourt bezeugt, die menschliche Proportion noch aus geometrischen Figuren. Mit der Renaissance fangen die Künstler an, den Körper auszumessen und daraus nach einem Modul die idealen Proportionen zu berechnen. So teilt um 1430 Cennini die Maße mit, welche „der vollkommen gemachte Körper des Mannes“ haben soll. Als Modul nimmt er die Länge des Gesichts und gibt darnach die Pro­ portionen in Zahlen an. Wenig später — 1435/36 — erfand L. B. Alberti eine geradezu wissen­ schaftliche Methode des Messens mit seinem Modulmaßstab „Exempeda“. Diesem gab er die ganze Körperhöhe bis zum Scheitel als Modul und teilte ihn dann in 6 Fuß, bzw. 600 Minuten. Dieses Grundmaß nahm auch Albrecht Dürer in seiner Proportionslehre. Im Gegensatz zu Alberti blieb Dürer aber noch Gotiker; denn trotz der langen Zahlenübersichten, mit denen er die Maße der Glieder angab, suchte er nach einem geometrischen „Grund für Mann und Weib“, den er freilich nicht fand. Im Anschluß an Vitruv haben auch die Italiener, u. a. Lionardo da Vinci, nach geometrischen Kanonbeziehungen gesucht. Nach Luca Pacioli (1509) haben die Alten ihre Werke nach der menschlichen Proportion ausge­ richtet, weil sie darin die zwei wichtigsten Figuren fanden, ohne die es nicht möglich ist, irgend etwas zu bewerkstelligen, nämlich den höchst vollkommenen Kreis und das Quadrat. Wenn ein auf dem Rücken liegen­ der Mann Arme und Beine weit auseinander stellt, so bildet der Nabel den Mittelpunkt des Kreises, der Scheitel, Mittelfinger und große Zehen berührt. Ferner geben Körperhöhe und ausgebreitete Arme ein Qua­ drat an. Dieses Beispiel bringt auch 1521 Cesariano in seiner Vitruvübersetzung53). Doch beschreibt er diesem Quadrat noch ein kleineres ein, so daß dadurch der gerechte Grund der Vierung entsteht. Offenbar wollte er seinen Kanon zunächst geometrisch erzeugen. Dies ist wichtig; denn er teilt das große Quadrat außerdem noch in ein Netz von 30 X 30 = 900 kleinen Quadraten. Sein Kanon vereint demnach zwei verschiedene Teilungen. Da diese Verbindung offenbar das Übergangsstadium von den gerechten Gründen des Maßes zu den ungerechten der Zahl darstellt, wollen wir versuchen, ihr Entstehen zu erklären und zwar an Beispielen der deut­ schen Kunst. Albrecht Dürer hat für den Kanon des Pferdes das neungeteilte Quadrat zugrunde gelegt. Betrachtet man dieses unbefangen im geometrischen Gefüge des Gesamtschlüssels zu Dürers Reuterstich, so wird man darin seine rein arithmetisch-rationale Teilung als Fremdkörper empfinden und zwar deshalb, weil die Harmonie des Maßes in der Kunst vornehm-

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lieh vom geometrisch-irrationalen Verhältnis her bestimmt ist. Da sich aber die rationale Teilung des Kanonquadrates „maßgerecht“ aus dem Grunde des Sechzehnecks ausziehen läßt, liegt hier also ein Grenzfall zwischen geometrischer und arithmetischer Teilung vor. Deren gibt es noch mehr im Schlüsselverfahren. So läßt sich das Quadrat z. B. über die Vierung oder das Achtort auch in 4X4, bzw. 8X8 kleinere Felder auf­ teilen. Nach diesem Grenzfall darf man Cesarianos Kanon etwa so deuten, daß er sein Ausgangsquadrat zunächst geometrisch in 3 X 3 — 9 kleinere unter­ teilt und dann diese arithmetisch in je 10X10 = 100 kleinste. Damit war aber auch der Weg zur reinen arithmetischen Teilung des Quadrates ge­ bahnt, die schließlich zum unbegrenzten quadrierten Papier führte. Diese Entwicklung war auch in anderer Weise vorbereitet. Cennini be­ schreibt nämlich, wie man Entwürfe vergrößert auf die Wand überträgt. Diese Stelle wird von Albert Ilg54) mit dem Quadratraster erklärt, den heute noch die Maler dafür anwenden, von W. Uberwasser hingegen55) mit dem „unendlichen Kreislauf“, einer geometrischen Figur, bei der die Ecken und die Mittelpunkte der Seiten eines Quadrates durch Linien ver­ bunden werden. Cesariano und Rivius zeigen den „unendlichen Kreislauf“, wenn auch nicht ganz vollständig, in dem Holzschnitt zur „rechten Teilung des joni­ schen Türgestells“ nach Vitruv IV, 6. Von den Architekturtheoretikern des Barock verwenden ihn u. a. Chr. Sturm und J. J. Schübler 56>. Trotz gewisser Beziehungen zum gerechten Grund der Vierung stellt der unendliche Kreislauf eigentlich eine arithmetische Schlüsselfigur dar; denn die Schnittpunkte seiner Linien teilen das Quadrat nach den ratio­ nalen Verhältnissen der Zahlen 1 bis 8, also wie ein Schachbrett in 8X8 = 64 Felder. Er ist also ebenfalls ein Grenzfall von geometrischer Figur, aber arithmetischer Teilung. Die Technik des Übertragens von Entwürfen mittels Quadratrasters war sicher lange vor Cennini bekannt. Alberti gab ihr mit seinem Zeichen­ apparat „Velo“ (Schleier) eine neue Variante. Albrecht Dürer vermittelt mit dem Holzschnitt des Zeichners der liegenden Frau (B 149) ein sehr anschauliches Bild der Konstruktion und Anwendung dieses Gerätes. Es bestand aus einem Rahmen, über den ein durchsichtiges Gewebe gespannt war, das durch stärkere Fäden in Quadrate aufgeteilt wurde. Davor wurde eine Latte mit einem Sehloch angebracht. Durch dieses Sehloch und das Quadratnetz wurden die wichtigsten Punkte des zu zeichnenden Objekts anvisiert und dann entsprechend auf quadriertes Papier übertragen. Das regelmäßig unterteilte Quadrat war für die Künstler der Renaissance noch von besonderer Bedeutung: mit ihm entdeckten sie die Gesetze der Perspektive, vor allem den Augenpunkt und die beiden Distanzpunkte auf dem Horizont. Sie benützten es in Gestalt des Fußbodens mit quadra­ tischen Fliesen zur Darstellung der räumlichen Tiefe und als Hilfskon­ struktion für die perspektivischen Ansichten von Bauwerken u. a. Die Geschichte dieser Entdeckung läßt sich Stufe für Stufe an den Gemälden des 15. Jahrhunderts ablesen. An allem, was hier für die Malerei erschlossen wurde, waren die Archi­ tekten maßgeblich beteiligt. Es gilt daher sinngemäß für die Baukunst. Damit ist gezeigt, wie mit der Renaissance die Arithmetik der Zahl auch in das Planverfahren eindringt, so daß sich nun die hier wichtige Frage erhebt, wieweit dadurch das Planen in der Baukunst betroffen wurde. 23

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Die spärlichen Quellen erlauben für die Zeit der Renaissance keine er­ schöpfende Antwort. Man kann sie aber von dem damals verwendeten rational geteilten Quadrat, bzw. vom Quadratraster aus geben. Dabei ist zu beachten, daß das Schlüsselverfahren in der Baukunst sowohl Plan­ verfahren, als auch Maßverfahren war. Das rational geteilte Quadrat liefert nur arithmetische Verhältnisse, also „Unrechtes Maß“. Gleichwohl bleibt es ein „Maßgrund“; denn es läßt sich aus dem Schlüsselsystem der Quadratur erzeugen. Es bildet ein fest be­ grenztes Ganzes, das unterteilt, also „dividiert“ wird. Als regelmäßiges Viereck besitzt es auch einen Mittelpunkt. Seine Verwendung als „Plan­ grund“ bedeutet deshalb noch keine Änderung im Planverfahren, Ganz anders das quadrierte Papier, der „Raster“. Dieser geht vom „Teil“ aus und „addiert“ beliebig viele solche Teile. Daher fehlen ihm die wesentlichen Eigenschaften einer Schlüsselfigur: der eine Einheit um­ schließende, regelmäßige Umriß und der Mittelpunkt. Er ist „Zahl“, aber kein „Maß“ und besitzt daher keinerlei musische Bedeutung. Er ist nur ein Flächenmaßstab, dem man zwar Grund- und Aufrisse einzeichnen kann, aber nur um damit die reale Größe der Abmessungen abzulesen. In diesem Sinne benützen ihn auch neuerdings wieder die Architekten. Er ist keine Schlüsselfigur im Sinne des Maßverfahrens, sondern ein „Pseudogrund“. Der Quadratraster konnte also schon eine Wandlung im Planverfahren bedeuten. Nur wissen wir nicht, wieweit und zu welchem Zweck ihn die Renaissance anwandte. Die im Katalog „Plan und Bauwerk“ genannten Entwürfe Sangallos auf quadriertem Papier können z. B. auch nur flüch­ tige Notizen zum allgemeinen Festhalten der realen Größen gewesen sein, auf die erst noch das eigentliche Feinabstimmen mit Hilfe von Maß­ schlüsseln folgte. Der Quadratraster scheint aber in der Renaissance keine sonderliche Rolle gespielt zu haben. Gegen ihn sprechen nicht nur Vitruvs Vorbild, sondern auch die maßgerecht entwickelten Entwürfe Lionardos, Borrominis und Quarinis. Auch die gerade von der Renaissance so betonte „Perfectio“ verträgt sich nicht damit; denn zur „Vollkommenheit“ gehört zuerst das harmonische Maß. Selbst im Barock verwendet J. J. Schübler auf dem gleichen Plan noch Schlüsselfiguren und Raster zusammen, die­ sen aber nur als Flächenmaßstab 57>. Für die Renaissance darf man daher nur mit Vorsicht von einem Wandel im Planverfahren reden. Ein solcher brauchte seine Zeit. Im Barock hin­ gegen kündigt er sich deutlich an; denn die Mathematikerarchitekten wie Blondei, Goldmann, Sturm und Schübler berechnen nun mit besonderen Zahlenreihen die Maßverhältnisse. Dies tut ähnlich zwar auch Abbe de Saint Hilarion, aber im Anschluß an die gerechten Gründe. Eine bemerkenswerte Neuerung bringt schließlich noch Schübler, nämlich rein „trigonometrische“ Figuren, aus denen er die Aufrisse und Seiten­ risse von 6 „Kapfenstern“ auszieht. Diese komplizierten Gebilde sind zwar achsensymmetrisch, sonst aber so willkürlich, daß ihnen jede innere Symmetria fehlt. Es ist unmöglich, ein mit ihnen geschlüsseltes Werk wieder zu entschlüsseln. Daher muß man sie zu den Pseudogründen rechnen. Die Geschichte des Planverfahrens ergibt also, daß sich in der Renais­ sance die ersten Anzeichen von Veränderungen bemerkbar machen. Diese verstärken sich zwar noch im Barock. Man darf aber diese Bestrebungen

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nicht überschätzen. Es werden in der Hauptsache nur neue Ordnungen und Maßregeln aufgestellt, jedoch immer irgendwie in Verbindung mit geometrischen, mit gerechten oder ungerechten Gründen. Auch die ganz großen Meister dieser Epochen arbeiteten mit ihnen58). Das Schlüssel­ verfahren ist in seinen Möglichkeiten so weit, daß es die mannigfachsten Varianten erlaubt. Diese nun im einzelnen an den Bauten aufzuspüren, wird die künftige Aufgabe der Kunstgeschichte sein. Erst die Französische Revolution vollendete schließlich, was die Renais­ sance begann. Der Mathematiker Gaspar du Monges bringt mit seiner Darstellenden Geometrie den völligen Bruch. Die darauf fußende heutige Planmethode erlaubt nun auch dem Architekten das ungebunden „freie Gestalten“, zwingt ihn aber damit, die Harmonie des Maßes allein aus sich selbst zu erfinden. Da diese Aufgabe jedoch die schwerste ist, begannen die Architekten ziemlich bald, wieder ein Mittel zu suchen, das ihnen dabei helfen soll, die einen mit der Geometrie, die andern mit der Arithmetik der „Götter­ waffe Zahl“. „Selbst in unseren Tagen baut der Eine oder Andere nicht nur mit der gepriesenen künstlerischen Freiheit, besser gesagt Willkür, sondern hat sich ein Gesetz gemacht, das ihm Halt und rechte Freiheit gibt.“ (Theodor Fischer, S. 7.) Im Vitruvius Teutsch 1548 schildert der Holzschnitt „Cirkels, Richtscheits und aller gebräuchlichen geometrischen Instrument Fürbildung“ auch alle Werkzeuge, die man damals zum Planzeichnen benützte. Aber Reißbrett, Reißschiene und Winkel, ohne die wir uns heute das „Technische Zeich­ nen“ gar nicht vorstellen können, sind nicht darunter. Sie können auch erst für den praktischen Gebrauch der heutigen Planmethode erfunden worden sein; denn diese arbeitet vornehmlich mit waagrechten und senk­ rechten Linien, den sog. Kantenloten. Nur die beiden Winkel, welche die Hälften des Quadrates, bzw. des gleichseitigen Dreiecks ausmachen, halten eine letzte, schwache Erinnerung an die gerechte Quadratur und Triangulatur wach. Die Reißschiene dagegen wird zum Symbol der neuen Planmethode. Sie beendet die uralte Herrschaft des Zirkels und der musi­ schen Geometrie. Dieser Bruch bedeutet den Verlust des rechten Maßes und den Verlust der Mitte, auch buchstäblich. Besteht doch die wesent­ lichste Eigenschaft aller gerechten Gründe darin, daß sie einen Mittel­ punkt besitzen, den Mittelpunkt des Kreises, aus dessen regelmäßiger Teilung sie hervorgehen. Aus einem Mittelpunkt und Kreis darum, darin zwei geometrische Figu­ ren, läßt Plato den Demiurgos die Welt erschaffen. Diese auch andere alte und ältere Kulturen beherrschende Mittelpunktsidee und die daraus geborene Philosophie Platos findet ihre Erfüllung und symbolische Dar­ stellung in den gerechten Gründen der rechten Geometrey des Zirkels. Johannn von Saaz bezeichnet den Weltbaumeister selbst als „Mittel aller Zirkelmaße“. Mit solchen Gedanken tritt das Schlüsselverfahren in eine Sphäre ein, die es weit über das rein Geometrisch-Technische und Ver­ standesmäßige erhebt. Nur ein Rationalist kann darin Zauberei und dia­ bolische Lockungen der Geometrie erblicken. Schon die Frage nach dem Ursprung des unmeßbar harmonischen Maßes in den gerechten Gründen führt zu innerer Einkehr und Betrachtung, ja zu einem religiösen Allgefühl im besten Sinne des Wortes. Ist es nicht ein tiefer Gedanke, daß der Mensch mit dem gleichen „Grund“ und mit dem gleichen „Maß“ seine Kunst aufbauen darf wie die Schöpfer aller Dinge? Doch freilich mit dem Unterschied, daß der Mensch als endliches 23*

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Wesen in Zeit und Baum das mit der „Zahl“ meßbar machen muß, was der unendliche Schöpfer unmeßbar gemacht hat. Schon wenn der Mensch den Zirkel in den Mittelpunkt seines künftigen Schlüsselkreises einsetzt, muß er sich fragen: „Was ist ein Punkt und dieser Punkt im besonderen?“ Wenn er seiner Zirkelweite dann ein meßbares Maß gibt: „Warum ist der Kreisumfang dann wieder nicht mehr meßbar?“ Solche und alle weiteren Fragen daraus müssen aufrütteln! Sie lassen begreifen, wenn der Mensch dieses Mittelpunktsgesetz, das er in Natur und Welt erkannte, auch in sein Werk legen wollte. Er hat es verlassen. Wenn er aber wieder zurückfinden will, wird er auch in der Kunst wieder zum rechten Maß kommen.

7m Utgrunb mar bae Unb baß Wap mar im ©urigen unb Unenblidjeti* Unb bae ©urige unb Unenblidje mar baß Wtaß. Unb ba$ OTaß marb $orm burdj bie 3at)L Unb bet Wtenfdj ernannte bie l^errlictjeeit bee Wtaßee in ber ?al)l unb legte pe in fein Tfun, in feine ©itte, in fein (5efe6, in TTon unb UQort unb 2&au, auf baß er immer Heil Ijabe am ©urigen unb Unenblidjen, aue bem alle bringe f ommen. (Hörens Krintjarfc ©pffcenpfeU)

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Fußnoten und Literaturverzeichnis (Die Dürer-Zitate nach Lange-Fuhse, Albrecht Dürers schriftlicher Nachlaß 1B93) 1) Dubium - utrum ecclesia . . . debeat ascendere ad quadratum an ad triangulum? Responsio - quod ipsa posset ascendere ad triangulum sive usque ad figuram triangulärem et non ultra. 2) Die heutige Bedeutung für Symmetrie, nämlich Spiegelgleichheit zweier Seiten zu einer Achse, bzw. zu einem ungleichen Mittel, kam nach Zedlers Lexikon (1735) erst um 1700 auf und zwar in Frankreich. 3) „Fränkischer Baumeister“, Nürnberg 1941/42. 4) H. Horn, Ein Kirchturmstreit befruchtet die Kunstgeschichte, Kulmbach 1938; dort weitere Literatur. 5) Diese Näherungsreihen und ihr Zusammenhang mit der Maßgeometrie der regelmäßigen Kreisteilung waren bisher auch der Wissenschaft der Mathematik unbekannt. Sie sind besser als die von Newton und Euler. 6) Die Bildgrößen 9 : 12,75 bzw. 12 : 17 Zoll stellen die Idealgrößen dar, die Dürer diesen drei Holzschnittfolgen geben wollte. Die Abdrucke der einzelnen Schnitte weichen aber etwas davon ab, besonders deshalb, weil das für den Druck an­ gefeuchtete Papier sich beim Trocknen verzog. Bei Abdrucken von ein und demselben Holzstock lassen sich auf der Breite von rd. 21 cm Differenzen bis zu einem halben Zentimeter oder rd. 2,5% feststellen. Das Bildformat des Marienlebens, 9 : 12,75 Zoll = 20,88 : 29,58 cm, entspricht fast genau dem heutigen Papierformat Din A 4 = 21 :29,7 cm! 7) In meinem Buch „Der Meister des Marthaaltars in der St. Lorenzkirche zu Nürnberg“ (1938) habe ich versucht, das Entschlüsseln alter Werke nach der Lehre Spitzenpfeils näher darzustellen. Vgl. auch E. Bindel, Die ägyptischen Pyramiden . . ., Stuttgart 1932; ferner Rudolf Helm, Das Bauernhaus im Ge­ biet der freien Reichsstadt Nürnberg, Berlin 1940; ders. Maßverhältnisse vor­ geschichtlicher Bauten, Germania 1952, S. 69, (Heft 1). B. Röttger, Felix Ordo, Würzburger Diozesangeschichtsblätter 11./12. Jg. (1949/ 50) S. 5; drs. die Rundkapelle zu Altenfurt, Mitteil. d. Vereins f. Geschichte d. Stadt Nürnberg, Bd. 44 (1953), S. 5. 8) Dazu gehören u. a. „Albrecht Dürers Gestaltlehre“ von Max Steck (1948) und die „Kunstgestaltungslehre“ vorn Heinrich Weßling (1953), die wohl ein impo­ nierendes Literaturverzeichnis angeben, aber die Quellen sehr willkürlich oder gar falsch auslegen. H. H. Naumann, Das Grünewaldproblem (1930), glaubt überhaupt ohne Quellen auszukommen. 9) Vgl. W. Uberwasser, „Vom rechten Maß“, Jahrbuch d. preuß. Kunstsammlun­ gen Bd. 56 (1935), S. 250. 10) So etwa V. C. Habicht im Reallexikon zur Kunstgeschichte^ I, Sp. 962 unter „Architekturtheorie“, ferner neuerdings E. Gail und L. H. Heydenreich im Kata­ log der Münchner Ausstellung „Plan und Bauwerk“, 1952, S. 8 u. 41. 11) H. R. Hahnloser, Villard de Honnecourt, Wien 1935. 12) H. Siebenhüner, Deutsche Künstler am Mailänderdom, 1944. 13) Ein Faksimilenachdruck von Roritzers Büchlein erschien 1923 in Regensburg. Schmuttermayers Büchlein wurde von H. Essenwein im „Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit“, Nürnberg 1866, S. 66 besprochen. 14) Lachers Unterweisung ist nur in einer späteren Abschrift erhalten, die A. Reichensperger in seinen „Vermischten Schriften über christliche Kunst“ 1856, S. 122 ff. veröffentlichte. 15) A. Springer, Der gotische Schneider von Bologna, in „Bilder zur neueren Kunst­ geschichte“, 1867, S. 147. 16) Übfer Saint-Hilarion s. Spitzenpfeils Beitrag in Thieme-Beckers Künstlerlexi­ kon, Bd. 29. 17) H. Gürsching, Joh. Jak. Schübler, Mitteil. d. Vereins f. Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 35 (1935), S. 19. 18) In einem Sammelband d. städt. Archivs zu Ingolstadt. Vgl. A. Feulner, Kon­ struierte Risse, in Zeitschr. f. Geschichte, d. Architektur 1916, ferner Katalog „Plan und Bauwerk“, München 1952, Abb. 11. Vgl. auch A. E. Brinckmann, Von Quarino Quarini bis Balthasar Neumann, Berlin 1932, der Pläne von Borromini (1599—1667) und Quarini (1624—1683) mit Schlüsselfiguren abbüdet. — Es sei hier angemerkt, daß Spitzenpfeil für mehrere Pläne Balth. Neumanns, auf denen Linien der Bleistiftvorzeichnung noch zu sehen sind, den vermutlich zugrunde gelegten Maßschlüssel ermitteln konnte.

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19) Nürnberg und das Frankenland spielen in der Geschichte des Maßproblems wie der Maßforschung eine bedeutsame Rolle. Mit dem Chor der St. Lorenz­ kirche, der übrigens in eleganter Weise aus dem Grunde des gleichseitigen Dreiecks ausgezogen ist, stehen schon Schmuttermayer, Roritzer, Dürer, Kießkalt und Heideloff in Beziehung. In Nürnberg wirkten ferner Erhard Schön, Hans Sebald Beham, Rivius und Schübler, sowie Spitzenpfeil und R. Helm. Mössel ist gebürtiger Nürnberger. Th. Fischer und Spitzenpfeil stammen aus Unterfranken bzw. Oberfranken. 20) Ähnliche Mitteilungen hatte auch Heideloff von dem Steinmetzmeister Kirch­ ner aus Nürnberg erhalten. 21) Hoffstadt erhielt dieses „Chorstück" von dem kgl. Lehrer an der techn. Zeich­ nungsschule Bamberg, Herrn v. Reider, der sie mit 4 ähnlichen Arbeiten teils in Bamberg, teils in Nürnberg erworben hatte. Aus dem Besitz des vormaligen Kreisbaurates Keim in Triesdorf führt Hoffstadt noch Alabastermodelle und Bleischablonen als Prüfungsarbeiten Nürnberger Steinmetzen an. 22) Diese bereits von Spitzenpfeil festgestellten Prüfungsarbeiten wurden 1952 zur Ausstellung „Plan und Bauwerk" nach München gesandt. Sie hätten dort einen Ehrenplatz verdient, aber — sie waren* nicht ausgestellt! Warum wohl? Dies möchte man von der verantwortlichen Ausstellungsleitung erfahren! 23) Die Originalhandschriften auf Pergament und deren Zweitschriften auf Papier befinden sich im Staatsarchiv, bzw. Stadtarchiv zu Nürnberg. Ähnliche Vor­ schriften für die Steinmetzprüfungen galten auch in Frankfurt a. M. lt. Lersner, Chronik von Frankfurt, 1734, I. S. 479/80 (nach Hoffstadt, S. 67). 24) C. Schnaase, Geschichte d. bild. Künste im Mittelalter, 1871, Bd. 2, S. 205-237. Dieser bezeichnet S. 229 BoisserSe, Stieglitz und Hoffstadt als „dilettantische Altertumsfreunde"! 25) Walter Tomae, Das Proportionenwesen in der Gesch. der gotischen Baukunst. Heidelberger Dissertation 1933. Thomaes Bezeichnung „Triangulation" für das Maßverfahren ist irreführend. 26) Zeitschrift für Kunstgeschichte X (1941/42), S. 163-187, bes. S. 180. 27) So gehören z. B. die von Teufel in Plan SE 73 (Abb. 4) eingetragenen drei Maßangaben 29, 42 und 55 Fuß zu Spitzenpfeils Näherungsreihe für Wurzel aus 5. 28) Z. B. nicht die Nürnberger Prüfungsarbeiten bei Hoffstadt. 29) Zeitschrift f. Kunstgeschichte IV (1935), S. 56 ff. Kletzl widerlegt damit zu­ gleich Max Bense, Konturen einer Geistesgeschichte der Mathematik, Teil II: Mathematik in der Kunst 1949. Dieser beruft sich nämlich S. 76 auf die „ausge­ zeichnete Studie" Thomaes, um mit ein paar Zeilen das Maßproblem der alten Kunst abzulehnen, ohne die Quellen und Literatur dazu zu kennen! 30) Da H. Reuther in der „Kunstchronik" VI (1953), S. 220 meint, Teufel habe Spitzenpfeil entkräftet, sei angemerkt, daß Teufels „aufschlußreiche Feststel­ lungen“ nicht richtig gestellt werden konnten, weil die Zeitschr. f. Kunstgesch. „grundsätzlich" keine Erwiderungen aufnimmt (lt. Schreiben v. 29. 1. 1944, gez. Gail). 31) Aus Dürers Londoner Handschriften und „Salus 1512". (L. F. S. 295 u. 298). 32) Vgl. Rud. Wissell, Die älteste Ordnung des großen Hüttenbundes der Stein­ metzen von 1459. Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins, NF. 55 (1942), S. 51-133. 33) Abschnitte 34-40 (Reichensperger S. 142-144). Lacher widerlegt damit die Basler Dissertation (1951) von Maria Veite, Die Anwendung der Quadratur und Triangulatur bei der Grund- und Aufrißgestaltung der gotischen Kirchen. 34) Das Wort Kultur kommt von lat. colere, das „bauen" bedeutet, den Acker bebauen, wie das Haus erbauen! 35) Dieses Beispiel läßt sich durch die Mehrzahl der ausgegrabenen Hausgrund­ risse des Moordorfes Aichbühl im Federsee belegen. Vgl. R. Helm, Maßverhält­ nisse vorgeschichtlicher Bauten, Germania 1951, Heft 1, S. 69 ff.; ferner R. Schröder, Maßwerk der Germanischen Bauten, Offa 1, Kiel 1936, S. 24. 36) Das Schnurmessen belegen nicht nur Reliefe in ägyptischen Tempeln, sondern auch die noch viel älteren Wortbeweise der Sprache. Die Worte „Strecke" und „Linie" leiten sich z. B. von der schnurgerade gestreckten Meßschnur aus Flachs ab. Die Sprachwissenschaft müßte noch erforschen, ob und wie die mit den Stämmen tem-, temp-, met- gebildeten Worte (z. B. temenos, templum, tempus, domus, Zimmer) mit dem Schnurmeßverfahren Zusammenhängen. 37) Vgl. den vorzüglichen Aufsatz von K. Menninger, Mathematik und Kunst, in Mathematisch-physikalische Semesterberichte, Göttingen 1952, S. 170. 38) Vorrede in den lateinischen Ausgaben von Dürers Werken. 39) Vgl. Rob. Bruck, Das Skizzenbuch Albrecht Dürers zu Dresden. 1905.

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40) Vgl. Gottfried Schadow, Polyklet oder von den Maßen des Menschen und Atlas dazu. 1834 (4. Aufl. 1882). 41) In Faksimiledruck neu herausgegeben von L. Baer, Frankfurt 1920. Baer sieht den biederen Erhard Schön wegen seiner Kubenmännchen als Vorläufer der „Kubisten“ an: eine böse Verwechslung der Begriffe kubisch und kubistisch! 42) J. Kurthen, Zum Problem der Dürerischen Pferdekonstruktion, Repertorium f. Kunstwissenschaft 1924. 43) Von 1552, bei Egenolf in Frankfurt a. M. erschienen. 44) E. Panofsky, Dürers Kunsttheorie. Berlin 1915, S. 200 ff. 45) Gegen den etwaigen Einwand, nur Dürer habe geschlüsselt, sei hier angemerkt, daß Grünewald dem in Aschaffenburg befindlichen Gehäuse zur Stuppacher Madonna ebenfalls das Verhältnis 87 : 123 in rhein. Zoll gegeben hat. Es ist aus einer feinen Variante von Quadratur und Triangulatur geschlüsselt. Vgl. Leo Weismantels Grünewaldtriologie, Bd. 3, Anhang. 46) Über die verschiedene Wirkung von Plattenbild und Abdruck, die bereits von H. Wölfflin beachtet wurde, vgl. M. Gaffron, die Radierungen Rembrandts, 1950. 47) Die Künstler empfinden besonders den Mangel eines Maßverfahrens. Viele bauten sich daher selbst eines zusammen, darunter der bekannte Architekt Le Corbusier, dessen „Modulor“ aber ungerecht und auch unpraktisch ist. Vgl. meine Besprechung in „Deutsche Frauenkultur“, 1954, Mai, S. 16 ff. 48) Es sei hier mitgeteilt, daß Dürer sein berühmtes Münchener Selbstbildnis und seinen Stich „Hieronymus im Gehäus“ aus dem Goldenen Sechseck ausgezogen hat. Ähnlich wie beim Verkündigungsholzschnitt hat er auch beim Hieronymus­ stich die Perspektive aus dem Maßgrund entwickelt, eine Meisterleistung, die wohl nur ein Dürer fertigbringen konnte „mit vieler Mühe, Arbeit und Zeit“! Die Maßfigur des Goldenen Sechseckes, die fast nur goldene Verhältnisse ent­ hält, hat erst Spitzenpfeil wieder entdeckt. In der Zeitschrift für Kunstwissenschaft, VIII (1954), S. 43 ff., hat neuerdings Fr. Winzinger über das Münchner Selbstbildnis Albrecht Dürers berichtet. So gerne man seinen geschichtlichen und maltechnischen Ausführungen folgt, so scharf muß man seine „Entschlüsselung“ des Bildes ablehnen. Seinem „Grund“ fehlt jeglicher innerer Zusammenhang. Den ersten und wichtigsten „Auszug4*, das Bildformat, hat er überhaupt nicht erfaßt. Hätte er die Maße dafür in Nürnberger Werkzoll umgerechnet, so hätte er die Zahlen 21------ 29 gefunden. Diese stehen in Spitzenpfeils Näherungsreihe für Wurzel aus 5 und zeigen ein mit dem Goldenen Schnitt zusammenhängendes Maßverhältnis an. Dieses wie­ derum weist auf die Schlüsselfigur des Goldenen Sechsecks. 49) Zur Idee und Magie von Maß und Zahl sei bemerkt, daß die gerechten Gründe, vor allem ihre Mutterfiguren gleichseitiges Dreieck, Quadrat und Fünfstern schon seit alters als symbolische oder magische Zeichen verwendet wurden und daß gewisse Zahlen als heilig, als Glück oder Unheil bringend galten. Spitzenpfeil u. a. haben über diese Seite des Maßproblems bereits wichtige Beobachtungen festgestellt. — Als Beispiel für Bausymbolik sei die Dreifaltig­ keitskapelle, die „Käppi“ bei Waldsassen genannt, die konsequent mit der Triangulatur und der Zahl 3 aufgebaut ist. 50) Wie kommt Plato zu dieser Erschaffung der Welt aus einem Maßgrund? Er muß einem irdischen Baumeister beim Planen und Maßen mit Zirkel und Richtscheit zugesehen haben. Dann aber ist er der bislang früheste Zeuge für das Maß und seine Geometrie. st) Vgl. die Abb. des Stiches von J. J. Haid nach J. G. Bergmüller bei Ad. Bayer, Die Ansbacher Hofbaumeister, 1951, S. 76. Die von Elias Holl (1620) und Baltha­ sar Neumann (1713) benützten Schrägmaße werden in Augsburg, bzw. Würzburg aufbewahrt. 52) Le Modulor, 1949, S. 74 f. und 220. Man lese auch, was er S. 221 ff. aus P. Claudels „Verkündigung Marias“ über den „Meister des Zirkels“ und den „Meister des Lineals“ zitiert. 53) Die gleiche Darstellung im Vitruvius Teutsch von W. Rivius. 54) in Cennino Cennini, Das Buch von der Kunst, Cap. 67, Wien 1871, S. 161 f. 55) von Maß und Macht der alten Kunst, 1932. H. Kükelhaus, Urzahl und Gebärde, 1934, S. 232, bezeichnet diese Figur als „Quadratfeld“, Karl Busch, Raum- und Zeitgesetze deutscher Kunst, 1935, S. 59 f., als „unendlichen Kreislauf“. 56) Der erneuerte Goldmann, Augsburg 1721, bzw. Synopsis Architecturae, Nürn­ berg 1732. Vgl. Taf. 15—18 bei Kükelhaus. 57) vgl. die Beispiele bei Kükelhaus, Tafel 16 und 18.

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58) Man vergleiche damit etwa A. E. Brinckmanns Ausführungen im Handbuch der Kunstwissenschaft im Band „Die Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts“, I (Romanische Länder), S. 227—238. Die S. 237 bei Saint Hilarion angegebenen Zahlenverhältnisse 12:17:24, bzw. 70:99:140 stehen in Spitzenpfeils Näherungsreihe für Wurzel aus 2, die hier im Abschnitt über die Geschichte der Maßforschung aufgeführt ist. Bildernachweis: Abb. 1 u. 2 sind meinem Buch „Der Meister des Marthaaltares . . .“ (1938) entnommen* Abb. 3—5 meinem Bericht „Das Maß- und Planverfahren Albrecht Dürers und der alten Meister“ in „Probleme und Aufgaben der Kunsterziehung“, Aloys Henn Verlag, Ratingen/Rhld., 1953. Ich danke diesem Verlag für die frdl. Überlassung der Druckstöcke. Die vorliegenden Zeilen erschienen zuerst unter dem Titel „Neue Wege zu Albrecht Dürer“ als wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht 1954 der Oberrealschule Fürth/Bayern.

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Wann fand die erste evangelische Abendmahlsfeier in den Pfarrkirchen zu Nürnberg statt? Von Matthias S i in o n Daß die Reformationsgeschichte Nürnbergs trotz der erstaun­ lich reichen Quellenlage und der überaus eifrigen Durchforschung noch allerlei Fragen zu klären offen ließ, hat erst kürzlich Ger­ hard Pfeiffer *) in einem wertvollen Aufsatz, der manche weitere Klarheit brachte, gezeigt. Auch über die so selbstverständlich und natürlich auf tretende Frage, wann in den beiden einzigen Pfarr­ kirchen zu St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg die erste evan­ gelische Abendmahlsfeier stattfand, herrscht bisher noch keine Einhelligkeit. Dabei kann aber natürlich kein Zweifel darüber bestehen, daß der Tag, an dem das geschah, die eigentliche Einführung der Reformation in Nürnberg bedeutete. Ihm gegenüber haben die Vorgänge von März und April 1525 nur noch die Bedeutung von klärenden, abschließenden Maßnahmen. Freilich müßte man erst darüber Klarheit schaffen, was man eigentlich unter einer evangelischen Abendmahlsfeier versteht. Es gibt ja auch evangelische Theologen, die der Meinung sind, daß die ganze römische Meßliturgie in evangelischer Absicht und also evangelisch gehalten werden könnte. Wir wissen auch nicht, wie sich die einzelnen Geistlichen etwa ganz für sich persönlich durch Umwandlung oder Auslassen besonders bedenklicher Stücke ge­ holfen haben. Im folgenden soll darum ganz einfach als Zeichen einer evangelischen Abendmahlsfeier der Laienkelch, gelten, ob­ wohl bei ihm gleich noch gezeigt werden soll, daß eine evange­ lische Abendmahlsfeier auch ohne ihn möglich war. Wilhelm Löhe2) nahm Pfingsten 1524 als den Beginn der Feier des heiligen Mahles „nach Christi Einsetzung“ in den beiden Pfarrkirchen an. Es kann freilich nur vermutet werden, daß er darunter auch den Laienkelch verstand. Sein (ungenannter) Ge­ währsmann — von der Lith 3) — nannte ihn unter den Änderun­ gen, die er zu Pfingsten eintreten ließ, nicht; er schweigt aber über die Einführung des Laienkelches überhaupt und muß ihn daher wohl auch selbst schon mit gemeint gesehen haben, zumal er ja gleich darauf die nachträgliche Zustimmung des Rates zu seiner Spendung erwähnt. In neuerer Zeit wird gewöhnlich Ostern

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1524 als eindeutig feststehender Zeitpunkt dafür genannt4). In meiner Evangelischen Kirchengeschichte Bayerns5) habe ich nur so ganz nebenbei meine Überzeugung, daß dafür nur der 5. Juni 1524 gelten könne, ausgesprochen, ohne — wie auch sonst gewöhn­ lich — zu sagen, daß hier eine wohl begründete, von der üblichen Anschauung abweichende Behauptung vorgetragen wird. So er­ fordert die Frage eine erneute Darstellung, obwohl sie vor zwei Menschenaltern durch Theodor Kolbe6) und Hans von Schu­ bert 7) eigentlich schon geklärt worden war und daher nur wenig Neues beigebracht werden kann. Aber die grundlegenden Arbei­ ten sind, obwohl sie in bekanntesten Veröffentlichungen erschie­ nen sind, so verborgen, daß sie übersehen werden konnten. Das entscheidende Datum wurde dabei auch nicht so betont, wie es nötig gewesen wäre. An mich gelangte Fragen veranlassen mich deshalb, die Verhältnisse im Zusammenhang darzulegen. Angesichts der starken und ganz entschieden reformatorischen Haltung Nürnbergs und vor allen Dingen seiner Bevölkerung ist es an sich schon verwunderlich, daß erstmals 1524 eine öffent­ liche evangelische Abendmahlsfeier in Nürnberg gehalten wurde. Darum ist es gut, sich daran zu erinnern, daß auch Luther in Wittenberg mit der Abendmahlsfeier in deutscher Sprache und unter beiderlei Gestalt nicht allzusehr drängte und eilte. Die erste Gemeindeabendmahlsfeier unter beiderlei Gestalt hielt ja Andreas Karlstadt am 24. Dez. 1521 in Wittenberg8). Luther ließ nach seiner Rückkehr diese Form nur als eine Möglichkeit neben der von ihm wieder eingeführten Abendmahlsfeier unter einerlei Gestalt bestehen. Ihm waren nicht die Gottesdiensfformen das Entscheidende, sondern ausschließlich die lautere Predigt des Evangeliums. An dieser Predigt war in Nürnberg an den beiden Pfarrkirchen — von den Augustinern ganz abgesehen — kein Zweifel. Bei St. Lorenz wirkte Andreas Oslander, bei St. Sebald Dominikus Schleupner. Aber man muß sich wieder darüber klar sein, daß Pfarrmesse und Gemeindeabendmahlsfeier in der mittel­ alterlichen Kirche niemals Angelegenheit der Prediger war, son­ dern ausschließlich Sache des Pfarrers. Die zwei grundsätzlichen Gottesdienstformen in der evangelischen Kirche — kurz ausge­ drückt Predigtgottesdienst mit Liturgie oder Predigtgottesdienst ohne Liturgie — gehen ja zum großen Teil darauf zurück, ob die Reformation eines bestimmten Gebietes von den Pfarrern oder von den Predigern ausging. Der Prediger hatte mit der pfarrlichen Seelsorge und damit mit der Abendmahlsfeier der Ge­ meinde überhaupt nichts zu tun. Die beiden Pröpste, die eigent­ lichen Leiter des pfarrlichen Kirchenwesens in Nürnberg, inner­ halb dessen sich allerdings die Prediger hier wie anderwärts eine verhältnismäßig selbständige Stellung geschaffen hatten, — Hektor Pöhmer und>€eorg Beßler — waren zwar durchaus evange­ lisch gesinnt. Aber sie waren keine besonders stürmischen Per362

Ähnlichkeiten. Zudem waren sie bei ihrer Herkunft aus dem Pa­ triziat mit dem ganzen Rat verwandt und schon allein deshalb nicht dazu geschaffen, selbständig gegen den Rat und so zu han­ deln, daß dieser dadurch in politische Schwierigkeiten kam. Auch die beiden Schaffer, die die eigentlichen Pfarrer an den beiden Kirchen waren — Georg Mann bei St. Sebald9) und Michael Rupp bei St. Lorenz 10) —, waren bei aller reformatorischer Hal­ tung doch auch keine Männer, die ganz besonders auf äußere Formen drängten. So teilte also erstmals der Augustinerprior Wolf gang Volprecht am Gründonnerstag 1523 im engeren Kreis in der Augustinerkirche das Abendmahl unter beiderlei Gestalt aus n). Ein entsprechendes Gesuch, das die beiden Pröpste an den Rat richteten, wurde von diesem an den Bischof gewiesen, dort aber selbstverständlich abgelehnt. In der Passionszeit 1524 — während des Reichstages — predig­ ten nun freilich die Prediger, daß es unrecht sei, das Heilige Mahl nur unter einer Gestalt zu empfangen12). Infolgedessen empfin­ gen auch rund 4000 Personen bei den Augustinern beiderlei Ge­ stalten 13). Die Pröpste aber wandten sich nun auch diesmal wie­ der an den Bischof. Sie erhielten aber wieder nur ein Nein, wenn auch erst nach Ostern14). Es besteht freilich kein Anlaß, die Mißachtung der verschiedenen Befehle von Bischof und Legat gerade auf das Verbot des Laienkelches zu beziehen. Die tatsäch­ lich vorgenommenen Änderungen in den Pfarrkirchen bezogen sich lediglich auf das besondere Osterritual, ergriffen aber — von der schon seit dem 25. Febr. 1524 durchgeführten deutschen Taufe und dem Verzicht auf die Privatbeichte abgesehen — nirgends auch zentralere Gepflogenheiten. Anderes erzählt nur Hans von der Planitz in seinem Bericht an den Markgrafen, aber auch nur unter der Einschränkung, daß es geschehen sein soll. „Zudem sind zu den Augustinern vil leut under beider gestalt bericht worden; desgleichen sali zu sunt lorenz auch besehen sein“ 15). Als einziges Zeugnis kann diese unbestimmte Aussage nicht bestehen. Nun meint man allerdings einen Bericht des Rates von Luthers Gegner Georg von Sachsen, Georg von Spigel, als Stütze für das, was von der Planitz als Gerücht an seinen Herrn gemel­ det hatte, verwenden zu können, in dem man dieses dann gleich­ zeitig als Tatsachenmeldung auf beide Pfarrkirchen ausweitet. Spigel schreibt nämlich: „Sie haben in den pfarkirchen kein palmen geweihet noch gloria laus gesongen, sie toefen alle kinder itzt alhir zu deutsch vnd laut, das es der ganz umbstandt hören vnd vornemen mag, Sie haben unsern Hergot auch nicht in das Grab lossen legen in der pfarkirchen, wie wol mans in den Klöstern noch allenthalben wie vor heit vnd gehalten hat; alleine die Augustiner haben viel 363

hundert personen uffentlich under beider gestalt communicirt Und ist viel volks alhier zugegangen, das nie gebeicht hat. Die von Nurmberg haben auch die Sondersichen ader aussetzigen, so ob die tausent die drei tage alhir gewest, und von den von Nurm­ berg nach altem gebrauch gespeiset vnd gekleidet worden, viel mit einander uf ein mol, ir 16) sie zu dem hochwirdigen Sacrament gungen sint, schlecht durch ein offene beicht lossen absolviren, wiewol sie zuvor gar nicht wie vor alters gebeicht hetten etc.“ 17). Dieser Bericht ist also zunächst die Hauptstütze, ja der ein­ zige Beweis für die Meinung, daß an Ostern in den Pfarrkirchen Abendmahlsfeier sub utraque gefeiert wurde. Den Ausdruck „alleine die Augustiner“ verdeutlicht von Schubert, in dem er das Gerücht, das von der Planitz weitergab, dazu nimmt, dadurch, daß er hinzufügt „— ungezählt die in St. Lorenz —“ 18). Das ist aber unrichtig. Was hier den Nürnberger Pfarrkirchen vorgeworfen wird, ist ja nicht, daß auch sie die Abendmahlsfeier unter beiderlei Gestalt gehalten haben, sondern nur, daß die Abendmahlsgäste hier nicht nach der früher üblichen Einzel­ beichte, sondern nach einer Gesamtabsolution zugelassen worden seien. Weshalb sollte denn Spigel nun ausgerechnet die Abend­ mahlsfeier bei den Augustinern genannt haben? Die in den Pfarrkirchen wäre doch viel bedeutsamer gewesen — selbst wenn sie es zahlenmäßig nicht gewesen sein sollte. Außerdem kam es ihm doch auf große Zahlen an. Warum sollte er da nicht die Ge­ samtzahl aller Kelchempfänger genannt haben? Man mag die Zahl der evangelischen Abendmahlsgäste in Nürnberg noch so gering ansetzen — bei einer Gesamtzahl von etwa 30 000 Seelen können 4000 Kelchempfänger allerhöchstens die Hälfte von allen gewesen sein. Wenn man die Raumverhältnisse der Augustinerkirche und der beiden Pfarrkirchen und die dafür zur Verfügung stehende Anzahl von Geistlichen bedenkt, wäre zweifellos die Anzahl der bei den Augustinern zum Heiligen Abendmahl gegangenen Ge­ meindeglieder die geringere gewesen. Diese hätte man also erst in zweiter Linie nennen sollen. Auf den gleichen Gedanken führt die Zahl der Abendmahlsgäste bei den Augustinern. Wie wäre eine solche Menschenmenge dazu gekommen, in der kleinen Augustinerkirche — gewiß nicht auf einmal, sondern in vielen Gottesdiensten — das Heilige Abendmahl zu empfangen, wenn es ihnen in ihrer Pfarrkirche bei St. Sebald oder St. Lorenz genau so gereicht worden wäre? Dazu kommt schließlich noch, daß man die Osterbeichte und -kommunion im allgemeinen in der zu­ ständigen Pfarrkirche verrichtete, also nicht in einer sonst für die Privatandacht benützten Klosterkirche. Ein so gewaltiger Andrang an Ostern zu den Augustinern mußte doch auch seinen Grund haben. Dieser lag nun eben darin, daß allein dort der Abend­ mahlskelch gereicht wurde, während man ihn bei St. Lorenz oder Sebald noch nicht empfing. 364

Für sich allein genommen, kann und muß man den Satz Spigels von den Abendmahlsgästen bei den Augustinern natürlich in dem Sinn verstehen, wie ihn Hans von Schubert ausdrückt. Aber er steht eben nicht für sich allein da, kann seinem ganzen Aufbau nach auch nur als der zweite Teil eines Satzes verstanden werden und darf daher nur aus dem Zusammenhang heraus gedeutet werden. Nicht den beiden Pfarrkirchen St. Lorenz und St. Sebald werden die Augustiner gegenübergestellt. Dazu bestand — wie gesagt — gar kein Anlaß. Aber den anderen Klöstern gegenüber nahmen die Augustiner eine Ausnahmestellung ein. Von den Klöstern wurde ja gesagt, daß in ihnen „allenthalben“ — also in allen Nürnberger Klöstern — „es wie vor“ gehalten werde, d. h. ohne solche Änderungen wie sie eben von den Pfarrkirchen genannt wurden. Hier mußte nun allerdings eine ganz entschie­ dene Ausnahme nachgetragen werden: „Alleine die Augu­ stiner“ unternahmen eine grundlegende Abweichung von der bisherigen Gepflogenheit — die Abendmahlsfeier mit dem Laien­ kelch! „Alleine die Augustiner“ heißt also nicht: „Abgesehen von den Kommunikanten in den Pfarrkirchen Lorenz und Sebald haben allein bei den Augustinern . . .“ Es besagt vielmehr: „In allen Klöstern hielt mans wie früher auch — mit alleiniger Ausnahme der Augustiner. Da haben . . .“ Ferner — wie sollte man, wenn man den Eifer bedenkt, mit dem die Stadt später dem Erzherzog gegenüber wegen des Laien­ kelches entschuldigt sein wollte, es für denkbar halten, daß sie unter den Augen des Reichsregiments und des päpstlichen Legaten während der persönlichen Anwesenheit des Erzherzogs eine Abendmahlsfeier mit Laienkelch in den Pfarrkirchen so einfach hätte hingehen lassen? Der Rat als solcher konnte auch nicht ge­ rade in dem Augenblick eine Änderung in den Gottesdienstformen genehmigen — und was in St. Lorenz und St. Sebald geschah, konnte nur mit seiner Genehmigung geschehen, wenn er nicht strafend einschreiten sollte, — in dem er im Reichstag auf ein Nationalkonzil antrug. Er hätte ja damit seiner eigenen Ent­ scheidung zuwider gehandelt. Dabei ist natürlich in gar keiner Weise daran zu denken, daß die Stadt nicht tatsächlich mit dem späteren Vorgehen der Pröpste einverstanden war und daß das nicht überhaupt in Zusammenarbeit mit Lazarus Spengler ge­ schah. Die Ratsherren wollten nur als Politiker in jeder Hinsicht die Form gewahrt haben. Wenn die Gesandtschaft später (25. 6.) in Regensburg ver­ sicherte, daß die Änderungen noch vor dem Eintreffen des Kaiser­ lichen Mandates vom 18.4.1524 erfolgt sei, so ist das zunächst für die Datierung dieser Änderungen nicht zu verwenden. Daß damit nicht die Kenntnis des Inhaltes, über den sich die ja am Reichstag beteiligten Nürnberger Ratsherren klar sein mußten, sondern

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seine offizielle Zustellung gemeint war, verstellt sich von selbst. Das aber ist wieder wichtig, daß der Erzherzog dabei auf die seit seiner Abreise erfolgten Änderungen hinwies 19). Man darf diese aber doch nicht nur auf die weniger wichtigen liturgischen Einzelheiten beziehen, sondern muß darunter vor allem den Laienkelch verstehen, der ja das umstrittenste Stück war. Ferdinand hatte aber erst am 27.April Nürnberg verlassen20). Erst nach dieser Zeit war also die evangelische Abendmahlsfeier in den Pfarrkirchen erfolgt. Schließlich gibt es aber auch noch eine erhebliche Anzahl un­ mittelbarer Beweise dafür, daß diese entscheidende Änderung erst spater vor genommen wurde und zwar am 5. Juni 1524 in Zusammenhang mit der neuen Gottesdienstordnung. Am 1. Juni kamen die beiden Pröpste zusammen, um eine solche zu be­ schließen21). In ihr wurde als 2. Punkt genannt: „Es soll das Sacrament halb oder ganz nach eines jeglichen Begeren gericht werden“. Das Neue daran war sicher nicht der Rückzug darauf, daß auf Wunsch auch nur das Brot gereicht werden solle, sondern umgekehrt, daß jetzt auf Wunsch auch der Kelch freistand22). Nachdem diese Ordnung erst am 1. 6. zusammengestellt wurde, kann sie nicht auch gleich noch am selben Tag in die Tat um­ gesetzt worden sein. Außerdem erfahren wir auch noch den Tag, an dem das geschah. Der 9. Punkt besagt nämlich, „daß mit dem gsang in der kirchen gehalten werden soll, wie die Verzeichnüß darüber begriffen ausweist“. Dieses „Verzeichnis“ aber hat Kolde, ohne freilich auf diesen Zusammenhang hinzuweisen, veröffent­ licht23). Diese Ordnung trägt nun als Überschrift das Datum ihrer Einführung:

„Dominica secunda post Trinitatis Nurnberge in ecclesiis parochialibus inceptus est ordo subsequens MDXXIIII.“ Dieser Sonntag aber war der 5. Juni.

Zwar nicht diesen Tag, aber ungefähr diese Zeit nennt auch Spalatin in seinen Annalen. Er schreibt unmittelbar nach einem Vorfall vom 1. Juni 1524 „Nurmbergae uno die abrogatae sunt missae et vigiliae defunctorum, restitutusque mos est instituti Christi totum sacramentum Eucharistiae dandi communicantibus, non negato ut aliquamdiu sanguine Christi“ 24). Schließlich kann hier nun ein weiterer Beweis von ebenso wieder nahezu urkundlicher Beweiskraft angefügt werden. Diese drei wiegen — jeder für sich und alle zusammen — um so schwerer, als sie voneinander völlig unabhängig sind. Der neue Beleg findet sich in einem Kalendarium auf Pergament, in das die Namen der Verstorbenen von St. Sebald, denen Jahrtage ge­ halten wurden, eingetragen sind25). Dieses Buch wurde gleichzeitig mit der Einführung der neuen Gottesdienstordnung außer Dienst gesetzt. Die am 1. Juni ge-

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troffene Vereinbarung besagte ja in Punkt 12, daß Personen, die Jahrtage bestellen wollten, gütlich davon abgebracht und, wenn sie sich gar nicht belehren lassen wollten, an ein Kloster gewiesen werden sollten26). Und Spalatins bereits erwähnter Bericht leitet ja noch ausdrücklich dazu an, das so zu verstehen, daß damit gleichzeitig auch die bereits bestehenden Jahrtage abgeschafft wurden 27). In diesem Buch, einem Folioband mit Holzdecke, findet sich nun auf dem vordersten, ursprünglich leeren Pergamentblatt eine sehr ausführliche, über eineinhalb Seiten lange Schilderung des Besuches des Bamberger Bischofs Georg von Schaumberg in der Sebalduskirche vom 30. Juni 1460. Dieser Bericht endet damit, daß das Volk nach der Verkündigung eines Ablasses von 40 Tagen durch den Bischof voll Freude auseinandergegangen sei, und diese Freude bekräftigt noch das Schlußwort: „Des solln wir alle froh sein“. Auf dem nun noch vorhandenen Raum steht von einer anderen Hand des frühen 16. Jahrhunderts folgender Eintrag über die Reformation in Nürnberg: „Evangelica ordinatio Nurnbergae incepta est dominica 5. Junii in die Bonifatii Anno dom. 1524 et sacramentum totum laicis est porrectum. Misse papistice prohibite sunt a senatu 1525 6. Mai. Pfaffen mußten burger werden. 1525 6. Mai. Reliquie ultimo ostense sunt anno 1524. Alle Munch zuensammgethan 1526 im decembre.“ Wenn angenommen wird, daß alle Einträge gleichzeitig er­ folgten 28), so ist er zwar für die Ereignisse des Jahres 1524 nicht als streng gleichzeitig anzusehen. Immerhin stammt er aus so früher Zeit, daß er noch als fast gleichzeitig gelten darf und daß durch ihn das Datum des 5. Juni für die Einführung der evan­ gelischen Abendmahlsfeier in den beiden Pfarrkirchen, das sich auch sonst ergeben hat, unbedingt sichergestellt ist29). Der Tag der Einführung der Reformation in Nürnberg ist also der 5. Juni 1524 oder (kirchlich) der 2. Trinitatissonntag. So bleibt also noch die Frage offen, weshalb die Pröpste nun gerade anfangs Juni handelten. Für ausgeschlossen muß aller­ dings gelten, daß die Bauernunruhen irgendwelchen Einfluß dar­ auf hatten80). Die Unruhen im Knoblauchsland31) hatten keine Spitze gegen ein etwa für allzu bedächtig angesehenes Vorgehen in kirchlichen Reformen. Es wäre in diesem Fall ja auch wahrlich zu erwarten gewesen, daß Nürnberg eher in Poppenreuth oder Kraftshof Änderungen vorgenommen hätte als ausgerechnet in den beiden Stadtpfarrkirchen, mit denen kein Bauer je etwas zu tun haben konnte. Daß man die Zünfte der Rotschmiede und Messerer im Verdacht hatte, mit den Bauern zu sympathisieren **), kann nicht gegen diese Erwägung sprechen. Außerdem aber machten sich diese Bewegungen erst so spät bemerkbar33), daß der Beschluß der Pröpste nicht schon am 1. Juni hätte erfolgen können. Die ganze Änderung der Gottesdienstordnung war ja 367

doch ganz gewiß nicht eine Angelegenheit, die man bei einer gelegentlichen Zusammenkunft zu einem Glas Wein vornahm. Sie beruhte auf mancherlei Vorarbeiten, zu denen die Pröpste auch die Geistlichen, die tatsächlich die Gottesdienste hielten, heran­ gezogen haben werden. Richtig ist bei dem Hinweis auf die Volks­ bewegung, die sich in den Bauernunruhen aussprach, aber zweifel­ los der Gedanke, daß sich in Nürnberg unter der Bevölkerung in immer stärkerem Maße der Wunsch, auch den Laienkelch in der Pfarrkirche zu bekommen, geltend machte. Daß das in der Pfingstzeit recht viel stärker gewesen war als in der Osterzeit, darf trotzdem bezweifelt werden. Der Anlaß zu den Änderungen wird daher weniger in einer Verstärkung des Wunsches als ini Wegfall einer Hemmung gelegen haben. Diese Hemmung aber darf im Reichsregiment mit seinem Sitz in Nürnberg gesehen werden. Auf dem nun zu Ende gegangenen Reichstag war jetzt aber das Reichsregiment, wenn auch nicht abgeschafft, so doch von Pfingsten ab von Nürnberg weg nach Eßlingen verlegt worden 34). Nach Abzug des Reichsregiments, bei dem ständig eine Anzahl der Reformation feindlichst gesinnter Fürsten und Bischöfe an­ wesend war und durch das Nürnberg als des Kaisers Stadt sich auch in seiner Selbstverwaltung beengt fühlen konnte, war die Stadt nunmehr wieder ganz sich selbst zurückgegeben. Sie han­ delte auch in kirchlicher Hinsicht sofort dementsprechend. Daß diese Deutung richtig ist, ergibt sich aus dem weiteren Verlauf der Entwicklung. Er ist bekannt35). Nur ein Umstand wurde bisher noch nicht beobachtet und dieser bietet wie die Anleitung zum rechten Verständnis für das rasche und — nach außen hin wenigstens — scharfe Handeln des Rates und für seine so eilige Entschuldigung beim Reichsregiment so noch nachträglich die Bestätigung für die Richtigkeit der eben genannten Erklärung für den Zeitpunkt des Handelns der Pröpste. Ausgerechnet am Tag nach Einführung der neuen Gottesdienstordnung — am 6. Juni — traf nämlich die offizielle Ausfertigung des Reichstagsabschieds in Nürnberg ein36). Damit fiel also noch einmal der Schatten des eben abgezogenen Reichsregiments auf die Reichsstadt. Die Re­ aktion war entsprechend. Dieser Reichstagsabschied war an sich zwiespältig, so daß sich Luther durch ihn mit Recht gleichzeitig gevierteilt und auf das künftige Gericht gespart fühlen konnte 37). Ferdinand aber hatte in seiner Veröffentlichung — in und unter dem Namen des Kaisers — den Nachdruck auf den Gehorsam gegen das Edikt verschoben. Bei der zeitlichen Nähe zwischen Eintreffen des Reichsmandates und Gottesdienstordnung konnte in der Ferne selbstverständlich der Eindruck entstehen, als sei die zeitliche Reihenfolge um­ gekehrt, als habe die Reichsstadt das Reichsmandat damit be­ antwortet, daß sie ihm stehenden Fußes in weithin sichtbarer

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Weise zuwider gehandelt habe. Dieser Eindruck konnte wahrlich nicht im Interesse der Reichsstadt liegen, hätte aber auch über­ haupt ein absolut falsches Bild von ihrer Haltung gegeben. So be­ stimmte nun dieser Umstand die weitere Entwicklung. Wegen des Reichstagsabschiedes 88) erschienen dann also am Morgen des 11. Juni drei Ratsherren bei den Pröpsten, um ihnen das Mißfallen des Rates an der vorgenommenen Änderung auszusprechen und sie auf 11 Uhr zur Verantwortung vor dem Rat zu laden. Dort stellten diese eine schriftliche Verantwortung in Aussicht. Nichts­ destoweniger aber beschloß der Rat noch in einer Sitzung am Abend dieses Tages, die Pröpste unter Verlesung des kaiserlichen Mandates um Rücknahme der Änderung bis auf die deutsche Verlesung von Evangelium und Epistel und den Laienkelch zu bitten39). Seinetwegen40) wurde dann auch die Gesandtschaft an Erzherzog Ferdinand bzw. das Reichsregiment beschlossen und abgesandt41). So zeigt die Klärung dieser Tatbestände also auch hier wieder ein Doppeltes, das für die Einführung der Reformation in Nürn­ berg so überaus bezeichnend und bedeutsam ist. Es läßt zunächst ganz deutlich werden, daß die Reformation nicht eine obrigkeit­ liche Maßnahme war, die einer widerstrebenden Bevölkerung die neuen Formen auf zwang, sondern daß im Gegenteil die Kirche — von der Gemeinde gedrängt — ohne die weltliche Obrigkeit handelte. Sodann aber ist hier erneut der überaus enge Zu­ sammenhang zwischen der Durchführung der Reformation in Nürnberg und der Reichspolitik der Reichsstadt sichtbar — ein Zusammenhang, der sich ja auch sonst in der Reformations­ geschichte Nürnbergs auf Schritt und Tritt ergibt. Nichts aber wäre falscher als die Meinung, die Nürnberger Ratsherren seien dabei mehr Kaufleute als Lutheraner gewesen. Sie waren keine Händler, die auf den Geldsack schauten, sondern ritterliche Ge­ folgsleute, die in Treue zu ihrem Kaiser standen, wie es ihnen ihr evangelischer Glaube gebot und soweit es ihnen dieser er­ laubte. Und dieser Glaube war dabei das Entscheidende, wie es sich ja am schönsten in der Gestalt des Ratsschreibers Lazarus Spengler zeigt.

Anmerkungen *) Die Einführung der Reformation in Nürnberg als kirchenrechtliches und bekenntniskundliches Problem (in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 89, Koblenz 1952) 112—133. 2) Erinnerungen aus der Reformationsgeschichte von Franken (Nürnberg 1847) 74. 8) von der Lith Toh. Wilh., Erläuterungen der Reformationshistorie. Schwabach (1753). 92 ff. 4) Um von den volkstümlich gehaltenen Darstellungen überhaupt abzusehen, seien nur genannt: Engelhardt Adolf. Die Reformation in Nürnberg 1 (= Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 33) (Nürnberg 1936) 152. — von Schubert Hans, Lazarus Spengler und die Reformation in Nürnberg. ( = Quellen und Forschungen 24

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zur Reformationsgeschichte, Band 17). Leipzig 1934, 433. — Pfeiffer a. a. O. 116. — Dabei läßt Engelhardt überhaupt nicht ahnen, worauf er seine Behauptung stützt. In von Schuberts leider unvollendetem, nach seinem Tode herausgegebenen Werk ist für den Kenner wenigstens deutlich, wovon es ausgeht. Pfeiffer beruft sich einfach auf von Schubert. 6) 1. Auflage (München 1942) 184. — 2. Auflage (Nürnberg 1952) 174 f. 6) 3 Briefe zur Reformationszeit (in: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 3 (Er­ langen 1897) 76—90. 7) Die ältesten evangelischen Gottesdienstordnungen (in: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchl. Kunst 1 (Göttingen 1896) 276—285. 316—328. 349—356. 8) Köstlin Julius, Martin Luther, Sein Leben und seine Schriften 1 (5. Auflage) (Berlin 1903) 481. 9) Würfel Andreas, Lebensbeschreibungen aller Herren Geistlichen ... in der Reichs­ stadt Nürnberg (Nürnberg 1756). Diptycha ecclesiae Sebaldinae 41. 10) Würfel a. a. O., Diptycha ecclesiae Laurentinae 33. 11) Spalatin, Annales (nach Schelhorn, Joh. Georg, Amoenitates Literariae, Quibus Variae Observationes, Scripta item quaedam anecdota et rariora Opuscula exhibentur 3 (Frankfurt 1730, 2. Aufl.) 407. 12) von der Planitz an Kurfürst Friedrich am 22. März 1524 (Förstemann Carl Eduard, Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchenreformation. 1 (Ham­ burg 1842) 168. 13) von der Planitz an Kurfürst Friedrich am 28. 3. 24 (Förstemann 173). — Spala­ tin, Annales (nach dem Auszug in Schelhorn 3, 413). — Philipp von Feilitzsch an Kurfürst Friedrich am 31. 3. 24 (F ö r s t e m a n n 175). 14) Pfeiffer 115, 120. 15) Förstemann 172. io) = ehe. 17) S e i d e m a n n J. K., Thomas Münzer (Dresden 1842) 138. 18) Spengler 433. 18) Engelhardt 154 ff. 20) Ludewig Gg., Die Politik Nürnbergs im Zeitalter der Reformation; Göttingen 1893, 37. 21) Siebenkees Joh. Christoph, Materialien zur nürnbergischen Geschichte 3 (Nürn­ berg 1794) 328—332. Ein Anlaß, nur von „Wahrscheinlich am 1. Juni“ zu reden (Kolde in BbKG 3, 78), besteht angesichts der eindeutigen Aussage der einzigen Quelle, die wir dafür haben, nicht. Da heißt es: „Artikel, der sich die beeden Probst verglichen haben nechst, als sie beisammen waren, primo Junii 1524“. 22) Die Frage, ob von der Möglichkeit auch unter einer Gestalt zu kommunizieren, viel oder auch nur überhaupt Gebrauch gemacht und wann sie beseitigt wurde, darf wohl dahingestellt bleiben. Wer den Kelch nicht wollte, ging ja wohl überhaupt gleich in eine katho­ lische Klosterkirche. Die Pröpste nannten diese Möglichkeit gewiß nur theoretisch, um den Anschein eines Zwanges und einer Vergewaltigung der Altgläubigen zu vermeiden. Es gab seither nicht 2 verschiedene Abendmahlsfeiern — eine mit, eine ohne Laienkelch —, son­ dern nur noch die eine Form mit dem Kelch für alle, die ihn nehmen wollten. 23) Die erste Nürnberger evangelische Gottesdienstordnung in: Theologische Studien und Kritiken 56 (Gotha 1883) I 602—610. — Daß es nur von einer Abendmahlsfeier sub utraque redet, kann an dieser Gleichsetzung nicht irre machen. Es ist selbstverständlich, daß von den beiden Formen des Abendmahlempfangs in der liturgischen Ordnung nicht geredet wurde. Wie gezeigt, wurde ja nicht an zwei verschiedene Abendmahlsformen gedacht. 24) Schelhorn 3, 415. (Das nächste Datum ist 5. 7. 1524). 25) Nürnberg Landeskirchliches Archiv, St. Sebald 298. — Über dieses Buch sonst: Murr Chph. Theoph., Memorabilia Bibliothecarum publicarum Norimbergensium. 2 (Nürn­ berg 1788) 7 ff. 26) Siebenkees a. a. O. 27) Schelhorn 3, 415. 28) Der letzte Eintrag von 1526 könnte nach Tinte und Schrift etwas jünger sein als die vorhergehenden, wäre aber auch noch kaum älter als aus 1526. 29) Ein Bedenken ist noch aus dem Weg zu räumen. Die „Verantwortung“ der beiden Pröpste über ihre Änderungen (Schmidt Wilhelm Ferdinand und Schornbaum Karl, die fränkischen Bekenntnisse. (München 1930) 157—179) trägt einen Kanzleivermerk vom 25. Mai 1524 (a. a. O. 179). Sie wurde deshalb vom Herausgeber auf „Mai, Juni 1524“ angesetzt. Dem Sinn dieses Vermerks hatte aber schon Hans von Schubert (Gottesdienst­ ordnung 279) richtig dahin gedeutet, daß die Schrift eingelaufen sei während einer Refe­ rentenamtszeit, die am 25. Mai begonnen hatte. Das Datum des Vermerkes ist also nicht das Datum des Einlaufes. Der Einlauf erfolgte vielmehr erst nach diesem Tag. 30) Wie Pfeiffer a. a. O. 116 f. meint. 81) Erhard Otto, Die Reformation der Kirche in Bamberg unter Bischof Weigand 1522—1556 (Erlangen 1898) 17—20. 82) Schornbaum Karl, Die Stellung des Markgrafen Kasimir von Brandenburg zur reformatorischen Bewegung (Nürnberg 1900) 164. 33) S c h o r n b a u m a. a. O. 34) Egelhaaf Gottlob, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert bis zum AugsburgerReligionsfrieden 1 (Stuttgart 1889) 516 f.

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35) E n g e 1 h a r d t a. a. O. 36) „Tertia post Bonifacii, 7. Juni: . . . des k(aiserlichen) regiments poten der über­ antworteten mandata halb ein recognicion geben. . (Nürnberg Staatsarchiv, Ratsver­ lässe 704 f. 10 v.). 37) Martin Luthers Werke, Weimarer Ausgabe 15, 241 f., 244 ff., 272—277. (Dort ist auch der Wortlaut des Abschieds abgedruckt). 38) „ . . . das kaiserliche Mandat, so eim rat siderher zukomen . . .“, nannten die Herren ausdrücklich als Grund ihres Erscheinens. 39) Nürnberg Staatsarchiv, Nürnberger Ratsbücher 12, 247. 40) Davon, daß die Verantwortung der Pröpste bereits eingetroffen sei, wird nichts

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Paul Pfinzing als Kaufmann Von Fritz Schnelbögl Den 400. Geburtstag Paul Pfinzings d. Ä. (1554—1599) am 29. 8. 1954 nahm das Staatsarchiv Nürnberg zum Anlaß, das gesamte überlieferte Werk dieses Meisters der Kartographie der Öffent­ lichkeit zu zeigen. Paul Pfinzings Arbeiten zeugen ebenso von einer zu seiner Zeit ungewöhnlichen Gründlichkeit und Zuver­ lässigkeit der Darstellung wie von einer geradezu plastischen Wiedergabe des Landschaftsbildes, die erst das 19. Jahrhundert wieder erreichte. Nicht minder befriedigen seine Blätter nach der künstlerischen Seite hin, sie sind schön und gefällig. Auch als Theoretiker der Landvermessung war Pfinzing seiner Zeit voraus, er wies ihr neue Wege der Kartenaufnahme. Über diese schöpfe­ rische Leistung des Nürnberger Patriziers wird das im Erscheinen begriffene Buch von Ernst Gagel*) im einzelnen unterrichten. Hier sei der Versuch unternommen eine andere Seite dieser schaffensfreudigen Persönlichkeit zu beleuchten. Nicht nur daß Paul Pfinzing als Mitglied des Inneren Rates hervorragend be­ teiligt war am städtischen Regiment, nicht nur daß er eine ganze Anzahl von städtischen Ämtern innehatte, die ihn erheblich in Anspruch nahmen — als Assessor am Bauerngericht, als Rugsherr, als Marktherr, als Eichherr, als einer der Waldherren2) und schließlich als Viertelmeister im Barfüfierviertel —, neben diesen öffentlichen Ämtern füllten den Vielseitigen und Vielbeschäftig­ ten noch erhebliche private Aufgaben aus: Ihm, dem ältesten der Söhne des Martin Pfinzing, der im Jahre 1572 das Zeitliche seg­ nete, oblag frühzeitig die Verwaltung des Pfinzing’schen Herren­ sitzes Henfenfeld bei Hersbruck. Wie er sich um dieses Stammgut der Familie kümmerte, beweist eines der beiden Henfenfelder Blätter seines Atlasses, auf dem er das Dorf darstellte und den Pfinzingschen Eigenbesitz, die Bauernhöfe und Güter kartogra­ phisch festlegte mit umfangreicher Legende, auf der alle Besitzer dieser Güter namentlich erscheinen. Die Einkünfte aus diesem nicht unbedeutenden Landbesitz wurden aber weit überwogen von den Gewinnen aus zwei wirt­ schaftlichen Unternehmen, an denen die Familie Pfinzing schon seit dem frühen 16. Jahrhundert mit Kapital und Arbeitskraft beteiligt war. Wir sind zwar nicht gleichmäßig und fortlaufend unterrichtet über die Pfingzing’sche Spezereihandelsgesellschaft, ebenso wenig über ihren Metallhandel, doch ließ sich aus späteren Nachrichten das Bild einigermaßen rekonstruieren. 372

Die Pfmzing’sche Handelsgesellschaft3) Am 1. August 1595 Unterzeichneten in Nürnberg acht Teilhaber einen auf 4 Jahre befristeten Vertrag der Gesellschaft des Pfinzing’schen Spezereihandels. Die neugegründete Firma führte den Namen „Paulus und Martin Pfinzing, Gebrüder und Mitver­ wandte“. Streitigkeiten unter den Gesellschaftern sollte der Rat von Nürnberg entscheiden. Gesellschafter waren die 5 Brüder Paulus, Martin, Christoph, Georg und Hans Lud­ wig Pfinzing, ferner der alte Geschäftsfreund der Familie Georg Keilhau, ein aus Eger stammender wohlhabender Handelsmann, dessen Tochter später einen Pfinzing heiratete, ferner Niclas von Wimpfen, der die Schwester der Brüder zur Frau hatte, und schließlich der aus Nürnberg stammende Georg Rabe, der Geschäftsführer der Gesellschaft in Leipzig. Rabe war ebenfalls mit der Familie nahe verwandt, seine Schwie­ germutter Cäcilie Canzler, geb. Scherl, war die Schwester der Mutter der 5 Brüder4). Der Vertrag wurde „in Beisein“ d. h. mit wohlwollender Zustimmung des Vetters und Schwagers Philipp Scherl geschlossen. Die Mutter der Brüder war nämlich Katharina Scherl gewesen, Tochter des wohlhabenden Leipziger Großkauf­ manns Heinrich Scherl, der selber wieder aus Nürnberg dort zu­ gewandert war. Der Vertrag (s. Anlage) gibt hinreichend Auskunft über die Handelsgesellschaft: Die Stammeinlagen betragen 29 000 Gulden, die Einlagen der Teilhaber, die sich zwischen 1000 und 6000 Gul­ den bewegen, werden zu 7 % verzinst. Gewinne, die darüber hin­ aus erzielt werden, sollen zur Tilgung von „bösen Schulden“, d. h. von uneinbringlichen Ausständen der vorhergehenden Handels­ gesellschaft (die somit aus den gleichen Gesellschaftern bestanden haben dürfte) verwendet werden. Paulus und Martin Pfinzing so­ wie Georg Keilhau haben „mit allem Fleiß“ die Nürnberger Schreibstube zu versorgen samt den Lagern zu Venedig, Salzburg, Regensburg und Ausburg. Bei vorzeitigem Tode eines der Teil­ haber sollen dessen Erben das Kapital bis zum Ende der Gesell­ schaft (1. August 1599) bei ihr liegen lassen. Erst dann kann bei einer Einlage von 6000 Gulden jährlich eine Rate von 2000 Gul­ den zurückgezahlt werden, der noch bleibende Rest ist mit 6°/o zu verzinsen. Der Fall trat beim Tode des Paul Pfinzing am 1. Juli 1599 ein. Bis zum 1. August 1600 waren seinen Erben 2125 Gulden rückerstattet worden, der Rest wurde nur mehr mit 6 °/o verzinst.

Die Handlung in Nürnberg wurde von Paul und Martin Pfin­ zing sowie Georg Keilhau geführt und zwar in der Pfinzing’schen Behausung, in der damals Paul wohnte5). Er stellte dort Schreib­ stube und Gewölbe (Kellerräume) und erhielt daf ür 100 Gulden. Für Lieferung von Holz, Licht und Verpackungsmaterial (Stroh) wurden ihm außerdem noch 50 Gulden bewilligt. Niclas von 373

Wimpfen hatte die Kasse in Verwahr, unterstützt von Georg oder Hans Ludwig Pfinzing. Das Büro in Leipzig war dem Georg Rabe anvertraut, er hatte den Vertrieb an die Kundschaft in Sachsen, Meißen, Thüringen, Böhmen und Schlesien. Die Gesellschaft besaß in Leipzig ein eigenes Haus, das im Kaufbrief zwar auf den Namen des Georg Rabe geschrieben wurde, laut besonderem Revers des Rabe aber der Gesellschaft gehörte6). Er erhielt für Holz, Licht und Verpackungsstroh ebenso wie Paul Pfinzing 50 Gulden. Auch bezüglich der Entlohnung seiner Dienerschaft sind genaue Abmachungen getroffen. Weitere Bestimmungen des Vertrages beziehen sich auf die Entnahmen aus dem Handel, die Bürgschaftsübernahmen usw. Aus den Besoldungen der einzelnen Teilhaber laß sich auf ihre Beteiligung am Handel schließen: Georg Rabe, der die Firma allein in Leipzig vertrat, hatte das höchste Gehalt: 400 Gulden. In Nürnberg war Keilhau mit 300 Gulden Gehalt wohl am eifrigsten im Handel tätig, dann folgten Niclas von Wimpfen mit 250 Gulden, Paulus Pfinzing mit 200 Gulden und seine Brüder Georg mit 120 Gulden und Hans Ludwig als der jüngste mit 60 Gulden. Die Brüder Martin und Christoph gehörten dem Unternehmen als stille Teilhaber an, sie genossen daher nur ihren Zinsanteil, dagegen keinerlei eigene Besoldung. Wie weit Paul Pfinzing an dem Geschäft, das sich großenteils in seinem eigenen Wohnhause abspielte, tätig war, läßt sich natürlich nicht genau festlegen. Immerhin muß er in Handels­ geschäften viel unterwegs gewesen sein, namentlich in Leipzig; heißt es doch in den Abrechnungen oft, daß Paul bei seinem Auf­ enthalt in Leipzig (auf dem Ostermarkt, auf dem Michaelismarkt) von seinem Konto bei der Firma Geld abgehoben hat. Noch am 20. Januar und am 18. Mai seines Todesjahres 1599 war er in Leipzig. Nach dem Vertrag von 1595 August 1 ist „dieser Handel nun­ mehr eine lange Zeit bei dem Pfinzingischen Namen gewesen und von unsern Voreltern herkommen“. Wir haben es bei dem Ver­ trag also nicht um die Begründung einer ganz neuen Handels­ gesellschaft zu tun, sie soll vielmehr nur auf Grund des Vertrags eine schon bestehende Handelsgesellschaft fort­ führen, freilich unter veränderten Voraussetzungen im einzelnen. Daß diese Auslegung richtig ist, beweisen schon die Tatsachen, daß die vorhergehenden Rechnungen weitergeführt wurden und daß man nach dem Tode Pauls (1599) sein Geschäftskonto mit Soll und Haben für die ganze Zeit von 1575 bis 1599 fixierte. Nur wenn die Teilhaber der Gesellschaft im wesentlichen die gleichen waren und in einem annähernd gleichen Einlagenverhältnis ver­ treten waren, konnte eine Zustimmung erwartet werden zu der Klausel, daß die früheren Rückstände aus den neuen Gewinnen zu decken seien. Aus verschiedenen Einträgen in den Abrech­ nungen läß sich nun nachweisen, daß eine „neue Leipziger Rech374

nung“ am 1. August 1582 begonnen wurde. Eine Rechnung des „Pfinzingischen Handels“ für das Geschäftsjahr August 1584 bis* Juli 1585 wird nämlich als Rechnung Nr. 3, eine solche für 1585/86 als Rechnung Nr. 4, eine für 1599/1600 als Rechnung Nr. 18 bezeichnet; Rechnung Nr. 1 lief demnach vom 1. August 1582 bis 31. Juli 1583. Auch der seit 1582 geltende (uns im Wortlaut nicht erhaltene) Geschäftsvertrag sollte aber nur eine ältere Pfinzingische Firma fortsetzen. Denn andere Rechnungseinträge ver­ weisen auf den 1. August 1554 als den Beginn einer früheren „Leipziger Rechnung“. Nach Fischer7) nahmen die Pfinzing schon längere Zeit am Leipziger Spezerei- und Materialwarenhandel teil und wurden seit den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts durch Familienmitglieder oder andere Faktoren in Leipzig vertreten. Martin Pfinzing, der Vater Pauls, wird im Jahre 1543 Leipziger Bürger und heiratet im folgenden Jahre die Tochter des gleichfalls aus Nürnberg stammenden wohlhabenden Kaufmanns Heinrich Scherl. Er wird Faktor des Pfinzing’schen Handelshauses in Leipzig. Dort wird ihm auch noch von seiner Frau das erste Kind, Anna, geboren, während von den folgenden Kindern in den Pfinzing’schen Ge­ schlechtsbüchern der Geburtsort nicht angegeben ist; er war ver­ mutlich Nürnberg. Zuvor (1529) war schon ein Verwandter Chri­ stoph als Faktor der Pfinzing’schen Handlung in Leipzig tätig 8). Als Handelswaren der Firma werden im Vertrag von 1595 Spezereien angegeben. Man versteht darunter allerlei fremde Gewürze, z. B. Safran, Kümmel, Muskat, Zimt, Nelken (Negelein), Pfeffer, Lorbeer usw.9). Nach einem Bericht vom Jahre 1581 handelte die Firma, die damals noch den Namen hatte „Martin Pfinzings Erben und Mitgesellschafter“, auch mit Seidenstoff und Barchent. Der Gesamtwert ihrer Waren betrug in Kursachsen nach damaliger Schätzung etwa 40 000 Gulden 10). Aus dem Ver­ trag von 1595 wissen wir, daß die gleiche Gesellschaft zu ihrem Schaden auch noch am Hengsterbergwerk, einem ZinnabbauUnternehmen in Böhmen, beteiligt gewesen war, von dem sie sich nun aber, mit einem blauen Auge davonkommend, löste, um sich nur mehr allein dem Spezereihandel zu widmen11). Paul Pfinzings persönlicher Kapitalanteil an der Firma läßt sich mit Hilfe der späteren Abrechnungen verfolgen. Bis 1589 betrug seine Stammeinlage 1800 Gulden, vom Jahre 1590 ab 1500 Gulden, die mit 7% verzinst wurden. Für eine weitere Einlage von 2800 Gulden wurden 6% Zinsen gegeben. Mit Wirkung vom 1. August 1591 nahm die Gesellschaft eine Kapitalaufstockung vor. Pauls Stammeinlage betrug nunmehr 3000 Gulden. Die Kapital­ erhöhung geschah sicher im Zusammenhang mit dem kurz vorher erfolgten Tode der Mutter Katharina; sie war am 22. Februar 1591 gestorben unter Hinterlassung eines beträchtlichen Ver­ mögens. Zum 31. Mai 1591 war allein dem Paul „wegen Frauen 375

Katharina, Martin Pfinzingin Erben“ eine Summe von 1492 Gulden und dann noch einmal, zum 30. Mai 1592 „wegen Fr. Martin Pfinzingin Erben, von der Carl Pfinzingin herrührend“ der Betrag von 3282 Gulden gutgeschrieben worden. Seit dieser Zeit werden ihm auch die Vergütungen gewährt für die Stellung von Gewölben und Schreibstube, von Holz, licht und Stroh, für Gesinde, für Kostgeld des Bruders Hans Ludwig, und schließlich erhält er seitdem eine fixe Besoldung von 200 Gulden. Nach Ausweis der Rechnungen wurde Paul Pfinzing für seine Mitarbeit am Handel erstmals im Jahre 1575 als 21 jähriger mit einem Jahresgehalt in Höhe von 35 Gulden entlohnt. Die Be­ soldung stieg an bis 100 Gulden jährlich im Jahre 1581. Von 1582 bis 1584 war ihm kein Gehalt ausgesetzt, vielleicht war er damals auf der Kavaliersreise. 1585 erhielt er 50 Gulden, 1586 60 Gulden. Seit 1587 schwankte sein Gehalt zwischen 150 und 200 Gulden. Von 1592 ab stand ihm bis zu seinem Tode die Summe von 200 Gulden zu. Auch andere legten in die gutflorierende Gesellschaft ein, z. B. Anna Maria Pfinzing, geb. Welser, als sie sich mit Hans Ludwig Pfinzing am 3. Februar 1595 verheiratete. Sie steckte den Betrag von 4000 Gulden in das Geschäft, im folgenden Jahre noch weitere 3440 Gulden. Diese Einlagen („Interessekapital“) wurden aber zu einem niedrigeren Zinsfuß, nämlich mit 6*Vo, verzinst. Über die Entwicklung des Geschäfts zu Lebzeiten Paul Pfinzings sind wir nicht genau unterrichtet, besser über den Fortgang in den Jahren nach seinem Tode. Im Jahre 1600 arbeitete die Firma mit der beträchtlichen Summe von 109 944 Gulden (ver­ zinslich mit 6*Vo) „Interessegelder“, also mit zusätzlichem Kapital. Damals waren an „bösen Schulden“, d. h. uneinbringlichen Aus­ ständen noch vorhanden 12 560 Gulden. Bis zum Jahre 1608 blieb nach Auszahlung der Zinsen von den 7 Voigen und den 6 °ioigen Einlagen ein „Gewinn“ oder eine „Nutzung“ in Höhe von 29 672 Gulden. Dieser Betrag wurde zur Rückzahlung eines Teils der „Interessegelder“ und zur Abdeckung der „bösen Schulden“ ver­ wendet.

Der Saigerhandel Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bis in den Anfang des 30jährigen Krieges hinein, spielte bei den Nürnberger Kaufhäusern der „Saigerhandel“ in Thüringen eine große Rolle. Was hat man darunter zu verstehen? „Die Gewinnung von Silber und Kupfer auf den Saigerhütten, die Beschaffung von Blei, das zum Entsilbern der Rohkupfer verwendet wurde, und der Handel mit den auf den Saigerhütten gewonnenen Produkten bilden den Inhalt des sog. Saigerhandels“12). Durch das Saigerverfahren wurden also Garkupfer und Silber aus dem Rohkupfer mit Hilfe von Blei gewonnen; dieser Prozeß vollzog sich in der Saigerhütte.

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Über den Saigerhandel Paul Pfinzings und seiner Familie be­ sitzen wir keine so ergiebigen Nachrichten wie über ihre Spezerei­ handlung; einige Lücken des Bildes bleiben daher vorläufig be­ stehen. Dieselben fünf Brüder, die am Spezereihandel beteiligt waren, gehörten jener sog. Gräfenthalisehen Saiger­ handelsgesellschaft an, über die Rechnungsnachrichten für die Zeit von 1595 bis 1608 vorliegen13). Im Jahre 1595 muß ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden sein, der auf 12 Jahre berechnet war. Ähnlich wie der Spezereihandel setzte auch dieses Unternehmen nur ein älteres gleichartiges fort: Eine Rech­ nung Nr. 19 vom Jahre 1600, eine solche Nr. 34 vom Jahre 1615, die bei der Abrechnung des Kontos von Paul Pfinzing erwähnt werden, lassen den Beginn der Handlung im Jahre 1581 erkennen. Außer den Pfinzing waren an diesem Unternehmen auch die Nürn­ berger Handelsleute Imhoff, Welser, Schmidtmair und Finold beteiligt. Die Gräfenthalische Gesellschaft nannte man so nach der in ihren Händen befindlichen Saigerhütte Gräfenthal. Sie war i. J. 1462 erbaut worden14). Außer an dieser Hütte hatten die Pfinzing schon früher Anteil an der Hütte von Steinach und der von Eisfeld. Der Schwiegervater Paul Pfinzings, Heinrich Scherl in Leipzig, war an der Neugründung der Saigerhütte bei Ludwigsstadt, welche schon um 1480 in Pfinzing’schen Händen gewesen, aber dann in Abgang gekommen war, beteiligt. Auch Martin (II), Paul Pfinzings Vater, hatte anfänglich gemeinsam mit Heinrich Scherl u. a. noch Anteil. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts sind Besitzer der Ludwigsstädter Hütte die Grafen von Thiina, die sie aber an andere als Lehen hinausgaben15). Wie weit in der Zeit Paul Pfinzings er und seine Familie an der Hütte Anteil hatten, ist nicht klar ersichtlich. Wir wissen aber, daß der Graf Thüna der Gräfenthaler Gesellschaft i. J. 1603 für ein Darlehen von 5000 Gulden die Hütte zur Benützung überließ16). Wahrscheinlich hatten aber die Pfinzing schon vorher, in den 80er und 90er Jahren, in der Ludwigstädter Hütte ihre Interessen. Nach Ernst Gagel17) verkauft die Ehefrau Maria von Pauls Bruder Martin (III) i. J. 1588 ihre Rechte an dieser Hütte. Dieser Vorgang könnte Paul Pfinzing veranlaßt haben zu dem prächtigen Farbblatt „Saygerhütten unter Ludwigstadt bei Lawenstein uff dem Dü­ ringer Walde, unter denen von Dinna gelegen“, welches zu den schönsten Blättern des Meisters zählt18). Paul Pfinzing zeichnete noch ein weiteres Blatt von den Saiger­ hütten im Thüringerwald, es ist ein Übersichtskärtchen über die Landschaft an der fränkisch-thüringischen Grenze, auf dem einige Hütten eingezeichnet sind: Gräfenthal, Ludwigsstadt, Hasenthal. Das Blatt ist um 1595 gezeichnet19). Es ist ein Zeugnis für das 377

starke Interesse des Nürnberger Patriziers an diesen Industrie­ werken in Thüringen. Die frühere Auffassung, nach der schon gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts das Nürnberger Kapital aus den Thüringer Hüttenunternehmungen ausgeschieden sei20), ist also nicht richtig. Allerdings waren neben die bisherigen Handelsfamilien und z. T. auch an ihre Stelle neue Handelshäuser getreten: die Viatis, die Peiler, die Schmidtmair, die Finold.

Sonstige Einkünfte Paul Pfinzings — Sein früher Tod Der Großvater Martin (I), der sich i. J. 1515 mit Anna Löffel­ holz vermählte, erwarb durch diese Heirat für seine Familie das Wohnhaus bei St. Lorenz am Eck gegen den Rofimarkt (heute Adlerstraße). Über Martin (II) kam das Anwesen nach dem Tode von dessen Witwe Katharina, geb. Scherl, an die 10 überlebenden Kinder, darunter Paul, der das Haus zur Nutznießung erhielt. Es wurde angeschlagen mit 5000 Gulden. Paul übernahm außer­ dem einen Stadel und ein Häuslein in der Johannisgasse mit einem Schätzungswert von 1600 Gulden und einen Garten in Leipzig „vor dem Ranischen Tor“, dessen Anschlagswert 810 Gulden betrug. Die Zinseinnahmen aus den 3 Grundstücken verrechnete Paul mit seinen Geschwistern. Daneben waren die Erben Martins (II) noch zu einem Drittel beteiligt an beträchtlichem Grundbesitz in Nürnberg und Henfenfeld. Im Jahre 1573 hatten die Brüder Martin Seifried und Hans mit den 7 Söhnen ihres soeben verstorbenen Bruders Martin (II) bezüglich ihrer gemeinsamen Eigengüter vertraglich festgelegt, daß die Nutzung daran den 3 Teilen in gleicher Höhe verbleiben sollte. Im Jahre 1591 betrug dieser Nutzanteil des Martin’schen Drittels 1989 Gulden. Dazu kamen noch Nutzungen aus der Pfarrei Henfenfeld (1/3: 266 Gulden), aus weiteren Liegenschaften zu Henfenfeld (Vs: 283 Gulden) usw. Da sich die 7 Söhne Martins in das Drittel teilten, während die Schwestern mit einer ein­ maligen Geldsumme abgefunden wurden, kam auf jeden ein­ zelnen, also auch auf Paul Pfinzing, V21. Nach dem Tode des Paul wurde der auf ihn und seine Kinder entfallende Anteil mit 384 Gulden verrechnet21). Am 1. Juli 1599 starb Paul Pfinzing, noch nicht ganz 45 Jahre alt, an der Ruhr, nachdem er erst kurz vorher von einer Reise nach Leipzig zurückgekehrt war. Eine aussichtsvolle künstlerische und geschäftliche Laufbahn wurde jäh abgebrochen. Paul Pfin­ zings gesamte Hinterlassenschaft hat sich nicht einwandfrei fest­ stellen lassen. Sie war nicht ungewöhnlich groß. Dafür war er zu jung aus dem Leben geschieden. Seine eifrige Beschäftigung mit der Kartographie dürfte ihm kaum Reichtümer eingebracht haben. „Für die Kunstsachen“, nämlich für die Instrumente und Bücher 378

(darunter befand sich wohl auch der Atlas), wurde den Erben durch die Herren Älteren ein Betrag von 600 Gulden an­ gewiesen22). Das hinterlassene Vermögen reichte aus, um den 6 Kindern Paul Pfinzings ein auskömmliches Fortkommen zu sichern. 5 Kinder, darunter auch Paul d. Jüng., der ebenfalls als Kartograph hervortrat und später Herr in Henfenfeld wurde, stammten aus der ersten Ehe mit Sabina Lindner, der Tochter eines aus Posen kommenden, von deutschen Eltern abstammenden Handelsmannes. Das jüngste der Kinder war Anna Maria, die spätere Gattin des Lukas Friedrich Behaim, über deren Vormund­ schaft uns eine Abrechnung vorliegt. „Vom Gesichtspunkt der Mitgift aus betrachtet und mit anderen Heiratsmöglichkeiten ver­ glichen, war Anna Maria keine überragend glänzende, aber eine gute Partie“ 23). Das Kind war bei ihrer Großmutter mütterlicher­ seits, der Sabina Lindner, geb. Rummel, aufgewachsen. Man kann beobachten, wie die Pfinzing im Wechsel bald in die alten ratsfähigen Geschlechter, bald in die neu empor gekom­ menen Handelsfamilien hineinheiraten: Martin (II) hatte zur Ehe eine Scherl, Paul Pfinzing heiratete in erster Ehe eine Lindner, in zweiter aber eine aus der Patrizierfamilie der Pömer; sein Bruder Georg hatte eine Gewandschneider zur Frau, ein anderer, Johann Ludwig, heiratete eine Weisertochter. Nach dem Ableben Pauls ging das Haus bei St. Lorenz an seinen Bruder Georg Pfinzing über. Er erwarb es von den übrigen Erben käuflich, „weil ihnen sämtlich nicht gelegen, länger bei­ einander in communione zu bleiben“24). Georg Pfinzing wird dann auch die Seele der Pfinzingischen Handelsgesellschaft und maßgebendes Mitglied des Gräfenthaler Saigerhandels. Im folgen­ den Jahrzehnt werden bedeutende Gewinne erzielt, allein im Saigerhandel in den 15 Jahren von 1600 bis 1615 nicht weniger als 110 570 Gulden. Der Rückschlag blieb nicht aus. Die Familie war wohl schon durch den Finold’schen Konkurs von 160625) stark in Mitleidenschaft gezogen worden, wenngleich sich der Schlag dank einer guten Konjunktur zunächst nicht auswirkte. Im Jahre 1626 war Georg Pfinzing nicht mehr imstande, seinen Zahlungs­ verpflichtungen nachzukommen. In „beweglichen“ Supplikationen wandte er sich an die Herren Älteren, ihm mit einem Darlehen von 8000 Gulden „Hülf und Beisprung“ zu tun. Die Älteren lehnten aber ab, weil seine liegenden und fahrenden Hab und Güter bereits verpfändet waren. Sie versprachen ihm aber mit 4000 bis 6000 Gulden auf ein Jahr auszuhelfen, wenn er die Kaution angesehener Bürger beibringe. Eine solche wurde ihm aber versagt. Hausarrest, Verwahr im Rathaus und auf dem Schuldturm (Luginsland) waren die Folgen für ihn und seine Frau; wir können hier im einzelnen nicht weiter darauf eingehen. In den erhaltenen Briefconzepten Georgs führt er als Gründe seines geschäftlichen „Unfalls“ an: Überhäufung und Beschwerung 379

der Pfinzing’schen Handlung mit Depositogeldern, für die der Handel nur mit Mühe die Zinsen erschwingen konnte. Nach dem Tode Georg Keilhaus (f 1601) waren an dessen Erben an die 70 — 80 000 Gulden wegzuzahlen („abzulegen“). Die stattliche Nutzung aus dem Saigerhandel, in dem 22 000 Gulden Kapital steckten, seien durch die Interessen des Handels großenteils „weg­ gefressen“ worden. Seine Brüder hätten zu hohe Summen aus dem Geschäft entnommen. Um des Kredits willen, behauptet er, habe er dazu schweigen müssen; denn bei Bekanntwerden der Schwierigkeiten wären die Pfinzing von den Imhoff, wie diese es mit Endres Schmidtmair tun wollten, aus dem Saigerhandel hinausgestoßen worden. Jetzt, am Ende der Pfinzing’schen Hand­ lung, gibt er an, seien noch 54 007 Gulden „böse Schulden“ vor­ handen. Allein in Thüringen, Meißen und Sachsen seien noch 16 000 Gulden ausständig, die er „bei dem verderblichen Münz­ wesen“ — es ging die berüchtigte Kipperzeit voraus — und bei dem „beschwerlichen Zustand in diesen Ländern wegen des Kriegs­ wesens“ großenteils abschreiben müsse. Georg Pfinzing behauptet ferner, er habe in der Finold’schen oder Neuen Viatis’schen Hand­ lung an Kapital und angewachsenem Gewinn die Summe von 34 506 Gulden zu fordern. Laut der Gesellschaftsverschreibung konnte er das Geld aber nicht herausnehmen, um damit seine Verluste bei der Pfinzing’schen Handlung zu decken. Überdies habe er sich an seinem Kapital in der Viatis’schen Handlung noch 5912 Gulden Verlust „wegen des schädlichen Münzwesens“ abziehen lassen müssen. Dazu beklagt er sich über verschiedene Abrechnungsmängel, die ihm großen Schaden verursachten. Gott der Allmächtige habe ihn in diesem vergänglichen Leben viel an Reichtum, Ehre und Gut sehen lassen, aber dies nach seinem gnädigen Willen wieder von ihm genommen. Mit Job, 1. Kap., könne er mit bekümmertem, doch gläubigem und getrostem Herzen wohl sagen: „Dominus dedit, Dominus abstulit, sit nomen Domini benedictum“. Dieses Bibelwort war sein Wahlspruch. Es steht in dem von ihm verfaßten prächtigen Stammbuch der Pfinzing, das heute im Schloß Großgründlach verwahrt wird, auf dem Stammblatt Georgs, das sein Bild zeigt

Anlage: Der Pfmzing’sche Handelsgesellschaftsvertrag vom 1. August 1595 Im Namen der hailigen Dreyfaltigkeit Gottes, nach unsers lieben Hailand, Erlösers und Seligma chers Jesu Christi Geburt, als man zalt Eintaußent fünfhundert fünfundneunzig Jar, den ersten Augusti, da sich die vorgehende Gesellschaft deß Pfinzingischen Specerey handele geendet, •haben sich nachvolgende, Paulus, Martin, Christoff, Georg, Hanns Lud­ wig die Pfinzing, Gebrüder, dann Georg Keilhaw, Niclae von Wimpffen

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und Georg Rab, einer neuen Gesellschaft, in Beysein unsers lieben Vettern und Schwägern Philip Scherl uf vier Jar verglichen, wie unter­ schiedlich hernachvolget: Erstlich ist die vorgehende endbeschloßene Gesellschaft und Handels­ rechnung mit Fleiß ubersehen worden, und weil sich noch an allerlei bößen Schulden, so dem Handel beschwerlich und zu inerem teil für verlorne Schulden gehalten, in der Summa als zwanzigtausent sechßundzwanzig Gulden, einen Schilling, einen Heller, laut des Geheimbuchs art. 117 befunden, als sein solche Schulden ausgesetzt worden, und weil in vorgehender Gesellschaftverschreibung die alten Capital der neunzehentaußent und dann die vierzehentaußent Gulden sich aufheben und abgehen, wir uns auch in der alten Verschreibung dahin verglichen haben, daß solche alte Capital anders nicht bey dem Handel zugesetzt, und uns mit sieben pro Cento genügen laßen wollen, dann dardurch dem Handel deß Schuldenlasts mit der uberigen Gewinnung abzuhel­ fen, und daß uns zu Endung der Gesellschaft unsere alte Capital ohne einzigen Abzug wider sollen gefolget werden, das dann hiebey auch geschehen und einem yden sein rata parte an dem alten Capital, laut der Handelsbücher, bezallet worden. Darauf haben wir uns zu einer neuen Gesellschafft verainiget und verglichen, den Handel mit nachvolgenden Haubtgüttern zu besetzen, und also an Haubtgüttern uf Gewin und Verlust, wie es der allmechtige Gott verleihen und geben wird (den wir umb seinen Segen bitten wollen) in diesen Spezereyhandel und was demselben anhengig, uf die Genad Gottes zusammengeleget: Paulus Pfinzing .... sechßtausent Gulden Martin Pfinzing .... viertausent Gulden Georg Keilhaw .... sechßtausent Gulden Georg Rab........................sechßtausent Gulden Nielas von Wimpffen . . zweytausent Gulden Christoff Pfinzing . . . eintausent Gulden Georg Pfinzing .... zweytausent Gulden Hanns Ludwig Pfinzing . zweytausent Gulden S u m m a.............................ne unundzwanzigtause nt Gulden neu Capital zu 21 g. uf Meißnische Wehrung gerechnet. Und ist bey solchem zusammengelegten neuen Capital der 29 000 fl. unter den Ge­ sellschaftern sonderlich abgeredt und beschloßen, daß solche unsere Gesellschaft bestehen und bleiben soll vier Jar lang, von dem ersten Augusti anno 1595 biß uf den ersten Augusti anno 1599. Und soll mit den obbenanmten neuen Capital sonderlich dahin verstanden und vermainet sein, weil der Handel noch mit zwanzigtaußentsechsundzwanzig Gulden bößen Schulden beschweret, daß gemelte neue Gesellschafter dieselben abzulegen uf sich genommen und dem Handel so viel wieder gut zu machen., gleich als in jüngster Gesellschaftverschreibung ge­ schehen. Hergegen sy die Zeit über der vier Jar uf die neuen Capitaln der 29 000 fl. zu jerlicher Rechnung an der Gewinnung mehr nicht dann sieben pro Cento außteillen wollen und uns damit benügen laßen, den Überrest aber der Gewinnung soll allemal zu Ende der Rechnung uf die ausgesetzten bößen Schulden abgeschrieben werden. Und dieweil wir neuen Gesellschafter mit solchem unsern Capital dem Handel begeren aufzuhelfen und den Last der Schulden abzulegen,

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als wollen wir dargegen zu Ausgang der vier Jahr keinen Abgang an obbemelten unsern Capitalen der 29 000 fl. zu leiden oder gegen bößen Schulden abzurechnen schuldig sein, sondern derselben völlig wider bezalt werden. Do auch der allmächtige Gott in mittels der Zeit einen oder den an­ dern unter uns Gesellschaftern nach seinem göttlichen Willen mit Tod sollte abfordern, als sollen desselben hinderlaßene Erben schuldig sein, ire Haubtsumma der Capital bis zu Endung der vier Jar im Handel liegen und sich in der Zeit mit den verglichenen sieben pro Cento ge­ nügen laßen und nach Ausgang der vier Jar sollen desselben Verstor­ benen Erben uf ir Begeren, da sy ir Capital lenger bey der Gesell­ schaft nicht haben wollen oder sich die Gesellschaft mit inen nicht ver­ gleichen könnten, bezallet und gereicht werden, als nemlich, welcher 6000 fl. hat, die sollen inen in drey Jaren den nechsten nacheinander, als ydes Jar zwaytausent Gulden, und von der bleybenden Summa sechs pro Cento, und also einem yden sein obgemelt Haubtgut in drey Jaren eingeteillet und mit Meißnischer Wehrung bezallet werden; und sollen also des Verstorbenen Erben damit genzlich zufrieden sein, und aller­ dings von dem Handel abgewiesen, hergegen die bleibenden Gesell­ schafter schuldig sein, alle des Handels Beschwerden über sich zu nemmen und derentwegen des Verstorbenen Erben im wenigsten nichts mehr zu belangen haben. Der Handel soll in Nürmberg und Leipzig unter dem Namen gefüret werden: „Paulus und Martin Pfinzing, Gebrüder und Mitverwante n“. Und sollen also gedachte Herrn Paulus und Martin Pfinzing neben Georg Keilhaw die Schreibstuben zu Nürmberg und was derselben anhengig, samt den Lägern Venedig, Salziburg, Regensburg und Auspurg mit allem Fleiß versorgen und dem Handel, sovil immer müglich, ge­ treulich vorstehen, auch in allen Sachen, es sey im Kauften, Verkauften und anderm, einhellig miteinander sein, damit es alles zu Nutz und Aufnemung des Handels gereichen und kommen möge. Die Handlung in Nürmberg soll in der Pfinzingischen Behaußung, welche ytzo Herr Paulus Pfinzing innen hat und besitzen tut, mit Schreibstuben und Geweihen sein und bleiben, und soll der Handel järlich einhundert Gulden Zins daraus zu geben schuldig sein. Gemelter Herr Pfinzing soll auch die Schreibstuben mit Holz und Liecht, auch Stro zum Einbacken der Gütter und anderer Notturft zu versehen schul­ dig sein. Dafür soll ime der Handel järlich fünfzig Gulden bezallen; und sofern er oder ein ander Mitverwanter einen Diener oder Jungen in der Cost halten wurde, von demselben soll ime järlich fünfzig Gul­ den gutgemacht und bezallet werden. Es soll auch Niclas von Wimpffen in allem, was des Handels Notturft erfordert, sein Bestes tun, sovil ime müglich, und die Caßa in Nürmberg fleißig und getreulich halten. Dieweil ime aber Unvermüglichkeit halben, die Caßa allein zu halten was schwer fallen will, soll ime zugelaßen werden, Georg oder Hanns Ludwig Pfinzing neben ime zuziehen und inen die Caßa zum Tail zu übergeben, oder wie man sich der Hülf vergleichen kan, damit der Last nicht allein uf ime, Wimpffen, und dardurch einer neben ime auch zur Caßa müge abgericht werden.

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Desgleichen soll auch Georg Rab in Leipzig alle Handelssachen un­ terbanden haben und dieselben mit bestem Fleiß neben den andern Dienern verwalten, bestellen und versorgen, auch sonderlich fleißig Ufachtung haben uf die Ku-ntleut in Sachsen, Meißen, Türingen, Böheim und Schleßien, da sich unsere Handlung hin erstrecket, das hinfüro büße Schulden, sovil immer müglich, verhüttet und an den ausgesetzten bösen Schulden, sovil immer sein kann, muge eingebracht werden, und die Diener, so nach Schulden ausgeschickt, mit guter Instruction ver­ sehen, auch ob inen halten, das sy ire Sachen fleißig verrichten und die übrigen Zehrungen, sovil immer müglich, helfen ersparen. Wie dann unser Handlung in Leipzig in unserer Behausung daselbst, darein wir Georg Raben gesetzt, mit Schreibstuben und Geweihen sein und bleiben soll und obwoll der Kaufbrief der berürten Behausung in Leipzig uf ine, Georg Raben, stehet, so gehöret doch solche dem Handel aigentümblich zu, Inhalt eines sonderbaren hierüber gegebenen Reverß, und dieweil er in gemelter Behaußung zinsfrey sitzet, so soll er andere Nutzungen deß Hauß alleß, was man daraus kan, genießen, mit Ver­ leihung der Gemach in und außer der Merkt. Item was man von den Heringtunnen, Wollensecken und anderm in und vor dem Haus, sowol an den Sechsbierbrauen, Nutzung haben kann, solches alles soll er schuldig sein, treulich zu verrechnen und hiervon einen ordentlichen Auszug neben des Handels Jarrechnung järlich zu ubergeben, solches Haben an gebürenden Orten einzuschreiben. Und wann er einen oder mehr Diener in der Cost halten wurde, soll ime die Wochen, sovil ein yder anheims sein wird, einen Gulden, und yde Malzeit für einen eine Kandten Torgisch Bier im Wert, was es yder Zeit gelten wirt, ge­ geben, und für einen Jungen die Wochen zwelf Groschen Costgeld, und die Malzeit ein Kannen Rastrum *), was sy auch ydesmal gelden wird, bezallet werden. Er soll auch die Schreibstuben und Gewelb mit notturftigen Holz, Liechten, Stro zum Einbacken und anderm versehen. Dar für soll ime järlich bezallet werden fünfzig Gulden, ferner soll er auch den Handelsverwanten und Dienern in den Merkten, die hineinkommen, mit Cost und Herberg versehen, und man ime für eine Malzeit außerhalb des Getränks geben soll vier Groschen, und was die Unter- und Schlaftrünk in den Merkten antreffen, sollen auch uf des Handels Uncosten gehen. Mit den Dienern in Nürnberg und Leipzig soll es hinfüro gehalten werden: Wann einer seine verschriebene Zeit ausgedienet, sollen sich die Gesellschafter einhellig vergleichen, ob sy zu seinem Dienst ine wider annemen wollen, und nachdem er seiner Dienst wirdig und sei­ ner Geschicklichkeit halber befunden wird, ime seine Bestallung zu bessern. Wir haben uns auch dahin verglichen, damit ein und der ander Ge­ sellschafter nach seinem Wollgefatlen den Handel mit Gelt aufnemen und Bürgschaft zu laisten nicht beschwerlich sein müge und damit auch unter uns eine Gleichheit gehalten werde, als soll keiner Macht haben, sich in einige Bürgschaft ohne Vorwißen der andern Gesellschafter weder für sich noch für den Handel einzulassen, auch keine Wechsel­ brief oder Verschreibung unter des Handels Petzschier vor sich selbsten abzugeben, sondern es soll alles mit der andern Mitverwanten guten Wissen und gegen guter Verantwortung geschehen. Und soll auch keiner

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Macht haben, aus dem Handel ein merers zu entlehnen als uf ydes Tuusent Gulden Capital einhundert Gulden, was er darüber schuldig sein wird dem Handel zu järlicher Rechnung gut tun und bezallen, oder sich wegen der Interesse darumb zu vergleichen. Da sich aber einer hierüber in Bürgschaft oder Schulden einließ, so soll er es von dem seinigen und nit von des Handels Geld tun. Und soll also ein yder unter uns schuldig sein, dem Handel treulich und fleißig beyzuwohnen und in Summa alle Sachen helfen dahin richten, damit es dem Handel zu Nutz und Aufnein ung gedeuen und kommen möge. Es haben die neuen Gesellschafter ferner mit einender sich ver­ glichen, das man denjenigen Mitverwanten, so dem Handel dienen, für ihre Mühe und getreue Dienst zur Besoldung des Jars geben und bezailen sollen, als Paulus Pfintzing . . . zwayhundert Gulden Georg Keilhaw . . . dreybundert Gulden Georg Raben .... vierhundert Gulden Niclas von Wimpffen . zweyhundertfünfzig Gulden Georg Pfintzing . . . einhundertzwanzig Gulden Hanns Ludwig Pfintzing sechzig Gulden Summa........................ dreyzehenhundertdreyßig Gulden. Und da in der Zeit einer oder der ander unter uns Obbenannten nadi dem Willen Gottes hierzwischen verstürbe, soll man desselben Verstor­ benen Erben die Besoldung solches instehenden Jars für voll reichen und geben, aber zu Ausgang des Jars oder Beschluß derselben Rechnung soll man inkünftig desselben Erben hernacher keine Besoldung mehr zu geben schuldig sein, und wie es mit den Haubtgütem oder Gapitaln uf solchen Faal soll gehalten werden, ist hiervorn angezeiget. Und weil wir laider woll erfahren, wie dieser Handel durch die Hengsterberkwerk in Schaden geraten und wir nunmehr Gottlob her­ ausgekommen, bis uf 5000 fl., darvor wir dann die Bergwerk in irem Wert achten, und aber die Erfahrung geben, das wir zu solchem Berg­ werk kein Gluck gehabt, als soll ein yder Mitverwanter unter uns schuldig sein, mit Fleiß darauf zu denken, wie wir der Bergwerk die­ ser Ort ganz und gar ledig und los weren können, und unsern Spezereyhandel allein desto fleißiger abwarten. Und dieweil auch dieser Handel nunmehr eine lange Zeit bey dem Pfintzingischen Namen gewesen und von unsern Voreltern herkommen, als haben vorgemelte neue Gesell­ schafter sich dahin verainiget, solchen Handel bey gemeltem Pfintzingi­ schen Namen derselben Brüder und Nachkommen yderzeit zu erhalten, sein und bleiben zu laßen, so lang Gott will. Wo sich auch ein Uneinigkeit oder Streit zwischen uns Gesellschaftern erheben sollte, das wir uns untereinander nicht vertragen könnten, auch durch unsere nechste Befreundten der Sachen nicht könnten verglichen werden, darfür uns Gott genediglich behütten wolle, so soll einer sowoll als der ander schuldig sein, seine Sachen vor keiner andern Obrigkeit auszufüren dann vor einem erbarn Raht alhie zu Nürmberg. Dieses alles erbar, getreulich, stet und fest zu halten, haben wir vorbenannte Gesellschafter solches mit handgebenden Treuen einander versprochen und zugesagt und diese Handeilsverschreibung mit unsern gewonlicben Petschaften becreftiget, auch mit aigenen Händen unter-

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schrieben. Der allmechtige Gott wolle uns allen seine Genad, Segen und Gedeuen darzu geben und verleihen, das solche Handlung und Ge­ sellschaft christlich und erbar mit gutem Nutz müge gehandelt und vollendet werden, und uns für Schaden, Unglück und böfien Schulden genediglich behütten, Amen. Geschehen und geben in Nürmberg, im Jar und Tag, wie obstehet. Sg. Sg. Sg. , SgPaulus Pfintzing Martin Pfintzing Christo ff Niclaus mein Hand manu propria Pfintzing, m p. von Wimpffen Sg. Georg Keil ha w mein Hand

Georg Rabe mein Hand

Sg. Georg Pfintzing mein Hand

Sg. Hanns Ludwig Pfintzing mein Hand

Anmerkungen 1) Ernst Gagel, „Pfinzing. Der Kartograph der Reichstadt Nürnberg“; das Buch wird im Jahre 1955 als Band 4 der Schriftenreihe der „Altnürnberger Landschaft“ erscheinen. 2) Dagegen war er nicht Landpfleger, wie man öfter liest. 3) Für wertvolle Hinweise danke ich Herrn Dr. Ingomar Bog. Den Quellenstoff über die Handelsgesellschaft enthält hauptsächlich der D-Akt Nr. 523a des Staatsarchivs Nürnberg. 4) Freundliche Mitteilung des Stadtarchivs Leipzig. 5) Das Anwesen lag an der Ecke der heutigen Königs- und Adlerstraße (Haus Ammon und Caspart). Pauls Bruder Georg ließ es im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts prunk­ voll umbaueri. Vgl. dazu Karl Schuh, „Mein Vaterhaus im alten Nürnberg, Haus Ammon und Caspart“, in: Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Farailienforschung in Franken, Bd. 6, 1954, S. 1 ff. «) Laut frdl. Mitteilung des Stadtarchivs Leipzig lag das Haus in der Katharinenstraße (zuletzt Nr. 6). Vorbesitzer waren Heinrich, dann Barthel Scherl. 7) Gerhard Fischer, „Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte (1470 -1650)“, 1929, S. 227. 8) Fischer S. 20. 9) Fischer S. 42. 10) Fischer S. 222; vgl. auch S. 45. 11) Vgl. Käthe Dettling, Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jahrhundert, in: MVGN. 27, 1928, S. 220 f. 12) Walter Möllenberg, Die Krisis des Mansfeldischen Kupferhandels im 16. Jahrhundert, in: Thüringisch-sächsische Zeitschr. für Geschichte und Kunst, Bd. 6, 1916, S. 3. 13) Die Vorgeschichte dieser Gesellschaft ist bei Gerhard Fischer, S. 402 geschildert. 14) Fischer S. 39 und Anm. 2. 15) Vgl. Dettling S. 174; Fischer S. 447; Ludwig Heinz, Das Amt Lauenstein, 1935, S. 96 ff. io) Fischer S. 447. 17) Vgl. Anm. 1. 18) Es ist abgebildet in: MVGN. 27, 1928, S. 220 f. io) Nach Gagel; s. Anm. 1. 20) Vgl. den Vortrag von Ludwig Frlir. v. Welser, „Zur Geschichte des Nürnberger Han­ dels im 16. Jahrhundert“ (auf Grund des Werkes von Walter Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarkts durch das Mansfelder Kupfer) im Jahresbericht über das 39. Vereinsjahr 1916 des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 1917. 21) Diese und die folgenden Angaben über die Pfinzing'schen Vermögensverhältnisse sind entnommen dem D-Akt Nr. 523 a des Staatsarchivs Nürnberg und der Vormund­ schaftsrechnung für die Tochter Paul Pfinzings Anna Maria B 719 des Stadtarchivs Nürn­ berg. Anna Maria heiratete später Lukas Friedrich Behaim. Vgl. Anton Ernstberger, Liebes­ briefe Lukas Friedrich Behaims an seine Braut Anna Maria Pfinzing 1612—1613, in: MVGN 44, 1953, S. 317 ff. 22) Verlässe der Herren Älteren und Stadtrechnung zum Jahre 1600. Vgl. Ernst Mummen­ hoff, Das Rathaus in Nürnberg, 1891, S. 72 und 173. 23) Ernstberger S. 327. 24) Stadtarchiv, Urkunden Königsstr. 12 (Acc. 22/1953) u. Libri Conserv. 25) Fischer S. 226. *) Scherzname für ein zu Leipzig gebrautes dünnes Braunbier (nach Grimm). 25

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Die Pfinzing’sdie Handelsgesellschaft 1595—1599 Martin (I) Pfinzing 1490—1552 Georg Keilhau f 1601

Martin Seifried Pf. (aus 2. Ehe) 1547—1579

Martin (II) Pf. (aus 1. Ehe) 00 Katharina Scherl 1521—1572 1544 1529—1591

Maria Magdalena K. OO Martin Seifried Pf. t 1638 1599 1572—1618

Anna Pf. OO Ni< * 1546 1568

von Wimpfen t 1597

Heinrich Scherl t 1548 Cäcilie Scherl OO Ulrich Canzler I

Cäcilie Canzler 00 Georg Rabe 1574 t 1601

Paulus Pf. Martin (III) Pf. Christoph Pf. Georg Pf. Hans Ludwig' Pf. 1594—1599 1560—1619 1566—1629 1568—1631 1570—1632

Fettgedruckt die Teilhaber der Gesellschaft

Wolfgang Eysen und sein Bildnis von Christa Schaper Die Zeitspanne von einigen Jahrhunderten loscht meist die Spuren aus, die das Leben eines einzelnen Menschen hinterläßt. So ist es als ein besonderes Glück zu bezeichnen, wenn in der Staat­ lichen Kunsthalle Karlsruhe das Bildnis eines Nürnbergers er­ halten ist, das auf Grund des Monogramms Hans Brosamer zuge­ schrieben wird. Der Künstler hat auf dem oberen Rand des Bil­ des den Namen und das Alter des Dargestellten im Jahr der Entstehung festgehalten: IN DISER GESTALT WAR WOLFGANG EISEN 56 JAR ALT 1523 HB Diese Schrift sitzt gelb auf dem Hintergründe, der in warmem, braun überspieltem Grün leuchtet. Das Gewand des Mannes ist schwarz, ein weißes Hemd umrahmt den kräftigen Hals. Der braune, dunkle Pelz unterstreicht die Würde und Wohlhaben­ heit des Trägers. Das Antlitz geht in seinem Inkarnat leicht ins Bräunliche, dunkelgraue Augen schauen in prüfendem Blick am Beschauer vorbei, es liegt ein beobachtender Ausdruck in dem Auge. Der Mund, an dem die volle Unterlippe besonders auf­ fällt, ist blaß-rosa, darüber beherrscht eine mächtige, wohl leicht gebogene Nase das fleischige Gesicht des Mannes, dessen weiße Haare unter der schwarzen Kappe hervorlugen. Wohlgestaltete Hände — fast zu zierlich für den kräftigen Körper — ruhen auf der grauen Steinbrüstung, sie halten einen Rosenkranz mit kräf­ tig roten Perlen. Den Zeigefinger der rechten Hand schmückt ein Wappenring. Aus dem Bild spricht Lebenswahrheit, das Portrait wird der Wirklichkeit des Mannes nahe gekommen sein. Wer war nun dieser Wolfgang Eisen — auch Eysen geschrie­ ben —, dessen einprägsames Gesicht uns gegenübertritt? Schon Emil Reicke vermutet 1912 in ihm einen in Nürnberg ansässigen Bürgersmann dieses Namens. Reicke hat damals die Persönlich­ keit eines anderen von dem Monogrammisten HB — von Hans Brosamer — dargestellten Mannes auf Grund überzeugender Forschungen festgestellt1). Es handelt sich um das in Wien2) be­ findliche Bildnis eines „Mannes mit dem Rosenkranz“ mit der Jahreszahl 1520 und dem Monogramm des Künstlers gekennzeich­ net — jedoch ohne Namensangabe des Dargestellten. Reicke ge25*

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lang es — durch das Wappen im Ring des Porträtierten — ihn als den Nürnberger Bürger und Gewandschneider Hans Pirkel zu identifizieren. Reicke wies in diesem Zusammenhang auf das in Karlsruhe befindliche Bild des Wolf gang Eysen hin, kam aber hinsichtlich Eysens nicht zu einer Identifizierung, weil er für möglich hielt, daß zur selben Zeit zwei Persönlichkeiten des glei­ chen Vor- und Zunamens in Nürnberg lebten3). Diese Annahme hat sich nicht bewahrheitet. Wolfgang Eysen starb 1524 4). J. F. Roth nennt aber in seinem Genannten Verzeichnis 5) Wolf gang E. als zum größeren Rat gehörig von 1507—1530. Es muß jedoch ein Fehler vorliegen, denn das Staatsarchiv in Nürnberg führte aus einem handschriftlichen Genanntenverzeichnis6) den Nachweis, daß W. E. zwar 1507 erwählt wurde, aber 1524 als verstorben genannt wird. Reicke wurde auch dadurch irregeführt, daß er in den Zettelrepertorien der reichsstädtischen Gerichtsbücher einen noch 1529 genannten W. E. fand. Eine Einsicht in das Ge­ richtsbuch 7) ergab jedoch, daß wohl W. E. in einer 1529 proto­ kollierten Gerichtsverhandlung aufgeführt wird, aber nur als Zeuge zu einem 1519 geschriebenen Testament, das 1529 vorge­ legt wird. Die Vermutung Reickes, daß zwei Persönlichkeiten des gleichen Namens in Nürnberg gelebt haben, erwies sich also als falsch. Wie steht es nun um das Wappen, das im Ring des Dargestell­ ten erscheint? Das Wappen Wolfgang Eysens ist an vier Stellen überliefert: In einer Sandsteinbrüstung seines Hauses 8), die die Staatlichen Museen in Berlin aufbewahren, auf dem Gedächtnis­ mal 9), das er sich selbst vor seinem Tode bestellte, auf dem Grab­ mal Alexius Münzer 10) und in dem großen, siebenbändigen Wap­ penwerk von 1583, das im Staatsarchiv Nürnberg ruht11); doch ist es im letzteren verzeichnet, der Tierkopf ist abgewandelt. Allen vier Wappen aber ist die querliegende Mondsichel eigen, aus der ein halber Bär mit vor geworfenen Tatzen auf steigt. Die Kunsthalle Karlsruhe 12) unterzog sich der Mühe, das Wappen im Ring mit der Lupe zu untersuchen, trotz der Kleinheit der Fläche ist eindeutig die vorerwähnte Mondsichel zu erkennen, das Tierbild darüber ist nur noch in den allgemeinsten Umrissen zu identifizieren, da die Malerei einigermaßen verrieben ist. So fügt sich Hinweis zu Hinweis. Zu dem Bild eines längst vergangenen Menschen, der zu einer Zeit lebte, aus der nicht viele Bildnisse aus dem bürgerlichen Lebenskreise erhalten blieben, tritt die Kenntnis seiner heute noch erfaßbaren Lebensumstände. Aus verschiedenen Archivalien gespeist kann die Vorstellungs­ kraft versuchen, seinem Lebensweg nachzugehen. Wichtige Auf­ schlüsse bringt sein in Abschrift erhaltenes Testament13), dessen Tatsachen der Schilderung den festen Grund geben. Wolfgang Eysen war kein gebürtiger Nürnberger. Er bezeichnet als seinen Geburtsort Wotzen in Ungarn. Allein aus der Inschrift auf seinem 388

Bilde kennen wir sein Lebensalter; in diesem Ort — ist sein heutiger Name vielleicht Waitzen unweit Budapest am Donau­ knie gelegen? 14) — ist er 1467 geboren worden. Die Familie Eysen muß dort schon länger ansässig gewesen sein, denn seine Stiftung an die Pfarrkirche zu St. Michael zu Wotzen spricht davon: „dorumb sy meinen Eltern, allen meinen vorfordern und mir einen ewigen jartag halten“. Die Vornamen seiner Eltern sind nirgends erwähnt, doch geht aus der Tatsache, daß er einen Stiefbruder Hannsen Newmeister bedenkt, hervor, daß seine Mutter zum mindesten zweimal verheiratet gewesen sein muß. Rechte Ge­ schwister wuchsen mit ihm auf. Mit Sicherheit sind zwei Brüder und eine Schwester Ursula festzustellen. Sein Bruder Sigmund — schon vor 1524 verstorben — wurde Bürger zu Ofen, gründete eine Familie und hinterließ zwei Töchter. Die Schwester Ursula schloß eine Ehe mit N. N. Fleischhacker, deren Sohn Stephan Fleischhacker auch unter den Erben ist. Der Vorname Stephan scheint auf einer Familientradition zu beruhen — vielleicht trug ihn ja auch Wolfgangs Vater — denn die Haupterbin neben der Ehefrau ist Katharina Eysen, seine „mum“ und als ihr Vater wird in handschriftlichen Aufzeichnungen 15) und auch andern Orts Ste­ phan Eysen in Bothan (zweifelsohne identisch mit Wotzen) be­ zeichnet. Dieser Stephan — von ihm ist einmal die Rede als Land­ herr — also wohl Grundbesitzer — ist vielleicht als der älteste der Söhne am Heimatort zurückgeblieben und dessen wahrschein­ lich hinterlassene Tochter stand dem Herzen des Onkels so nahe, daß sie Erbin wurde mit der Aussicht, auch einmal den der Ehe­ frau zugesprochenen Besitz, auf den sie das Vorkaufsrecht hatte, mit dem ihren zu vereinen. Wie kam nun dieser zwar im Ungarland geborene, dem Na­ men und dem Aussehen nach aber deutschblütige Mann nach Nürn­ berg? Die alte Reichsstadt und Ungarn verbanden schon lange Handelsbeziehungen. Es ist anzunehmen, daß die Eysen nicht dem Handwerkerstande zuzurechnen sind, sondern Kaufleute waren. Ihre Söhne wurden an wichtigen Handels- und Umschlagplätzen ansässig — u. a. Ofen und Nürnberg. Im Testament wird aus­ drücklich bestimmt und aus dem an die Ehefrau und Nichte ver­ machten Hausrat herausgenommen „die sylberin drinckgeschirr unnd kleinet unnd das so zu dem hanndel gehört als wagpalcken und gewicht“. Hatte er einen Handel mit Wein oder war das Trinkgeschirr nur zur Bewirtung von Geschäftsfreunden nach ge­ tätigtem Kaufabschluß gedacht? Bisher war nicht festzustellen, womit Eysen handelte. Doch wurde die Vermutung über die Art seines Handels der Tatsache vorweggenommen, daß er zu Nürn­ berg am Samstag nach Mauritius (26. September) 1495 Bürger wurde1#). Otilia nennt er seine liebe Hausfrau und „Sebalden Peheim burger zu Nurmberg seinen lieben Schwager“. Wann die Eheschließung stattfand, ließ sich nicht feststellen; jedenfalls ist 389

sie nach gedruckten Quellen am 4. 2. 1497 seine Ehefrau17). „Newnhundert gülden zugeprachts iheyrat und gegengeltz“ wer­ den laut des Gedings im Testament erwähnt. Die Ehe war kinder­ los gewesen, Nachkommen finden keine Erwähnung. Fast drei Jahrzehnte währte die Ehe mit Otilia Beheim und sie muß glück­ lich gewesen sein, das spricht aus der Fürsorge des seinen letzten Willen bekundenden Mannes, der durch sein Schaffen ein an­ sehnliches Vermögen erworben hatte. Das erste Haus, das er am 15. März 1499 erwarb, lag an der Judengasse „im Eck“ 18); er war imstande, die 850 fl. rh. bar auf den Tisch zu legen. Er war damals ein Mann Anfang der Dreißiger Jahre, der über seine Einnahmen vorsorglich verfügte. Dieses Haus muß nicht ganz seinen Wün­ schen entsprochen haben, denn er erwarb schon am 3. August 1507 das südlich benachbarte Haus19) des Bildschnitzers Veit Wirs­ berger für 310 fl., das dem Wert und Umfang nach also geringer war wie das erste Haus, das er von Wolfgang Koler übernahm. Diese beiden Häuser verschmolz er zu einem, das unter der Haus­ nummer Sebald Nr. 1105 (Wunderburggasse Nr. 8) bis 1945 er­ halten blieb. Es sind uns mehrere Bilder von ihm überkommen20). Die Straßenfront mit dem Erker, die über sechs Meter breite Ein­ fahrt mit der geschwungenen Holztreppe und schön geschnitztem Treppenanfangspfosten, der Blick in den Hof auf die Altanen; die spätere Zeit hat vielleicht die Sandsteinbrüstungen durch Holz ersetzt. Natürlich ist nicht mehr einwandfrei festzustellen, was im einzelnen die späteren Eigentümer veränderten, wohl aber war es ein ansehnliches Haus, ein mit bürgerlicher Wohlhaben­ heit ausgestatteter Besitz; davon gibt uns das Testament Kennt­ nis, das zwar nur die Gegenstände aus edlem Metall aufführt. Da gibt es „sylbrinne vergulte scheuern“, einfache und zwiefache; die „pest“ unter den hinterlassenen „scheuern“ soll die liebe Haus­ frau haben. Daneben gibt es „sylbrins vergults kopfflein sampt einer deck“ und sogar ein rein goldnes wird erwähnt, „ein gar guldins kopflein mit einer deck wigt ungeferlich ein mark und funff lot“ (das sind Pokale, Trinkgefäße) „hohe sylbrine Maiolleins“ (Becher werden auch genannt, Hofbecher usw.) — eine ganze Auswahl an Trinkgefäßen! Es muß davon ein reicher Be­ stand vorhanden gewesen sein, denn allein nach Ofen an die Nich­ ten, die Töchter des Sigmund Eysens, geht neben 600 Gulden Bar­ geld noch Silbergeschirr im Wert von 100 Gulden. Silberne Löffel werden genannt, „hultzin mit sylber beschlagen“, „Beheimisch loffel mit sylber beschlagen“, „hultzin loffel mit langen sylbrin Stilen“ — alle gleich dutzendweise. Sogar die „Salzveßlein“ waren aus Silber, innen vergoldet, und trugen das Wappen der Eysen. Ein halbes Dutzend werden davon noch 1577 in dem Nachlaß eines Nacherben erwähnt21). Daneben war der Haushalt reich bestellt mit Zinngeschirr — Schüsseln, Tellern und Kandeln —, Kupfer- und Messinggefäßen; die Schränke waren gefüllt mit edel390

ster Wäsche „Disdhtücher, Handswehl (Handtücher), Fortschenlach (Schürzen?)“. „Gewürkt Döpich, Pannckpolster, Panncklach“ ver­ liehen den Räumen Behaglichkeit und den Sitzmöbeln Weich­ heit22). Wahrscheinlich wird auch ein Bad vorhanden gewesen sein, denn als der Großneffe des Wolf gang Eysen, Wolfgang Müntzer, später Anbauten ausführt, wird ein neues Bad mit Stüblein erwähnt; demnach war ein altes Bad vorhanden gewesen. In diesem wohlbestellten Hause versprach sich am 31. Januar 1523 Alexius Müntzer aus der alten, angesehenen Bamberger Familie mit Katharina Eysen; sie erhielt von ihrem Onkel 800 fl. Heirats­ gut zugesprochen23), Bald folgte die Hochzeit, die am 21. April desselben Jahres24) in dem schönen Hause Wolfgang Eysens, des Oheims, sicher prächtig und unter Entfaltung all des reichen Be­ sitzes an Silbergeschirr gefeiert wurde. Und dieses Haus — Schau­ platz der Hochzeit des jungen Paares 25) — wurde dann nach dem Tode des Onkels Besitz der Katharina Müntzer geb. Eysen, die eine wohlhabende Erbin war. Davon wird noch später die Rede sein. Dies war nun die Entwicklung der ersten Grundstückserwer­ bung in der früheren Judengasse.

Wolf gang Eysen erwarb sich bald durch seine menschliche Haltung und sein kaufmännisches Gebaren die Achtung seiner Mitbürger und fand 1507 Aufnahme unter die Genannten des Größeren Rates, zu denen er bis zu seinem Tode — 1524 — ge­ hörte. Er kommt mehrfach in den Gerichtsbüchern als Vormund und Zeuge vor. Von Lochner können wir den Hinweis überneh­ men, daß Eysen die Leitung des Spitalbaues, der damals erst über das Wasser geführt wurde, bis an sein Lebensende innehatte28). Urkundlich festgehalten fand sich bisher seine Nennung 1523 als „Verwalter des Baues am Neuen Spital zum Heiligen Geist27). Nach Lochner erhielt er auch im Februar 1513 nach Sebald Tuchers Tode das Amt eines Hauptmanns. Lochner widmet in seiner Ab­ handlung einen besonderen Raum „Jorgen Schenncken, meinen eigen Knecht“, wie Eysen ihn im Testament nennt, den er reich bedenkt. Seine Hausfrau möchte „den als iren sunne, dorumb ich sy fleißig bitt und ein vertrawen zu ir hab, lassen bevohlen sein“. Von einer Reise nach Ungarn brachte Eysen den Georg Schenk als Kind mit; der Knabe war bei einem Überfall auf seinen Hei­ matort als Beute entführt worden. Eysen bekam ihn in Pest ge­ schenkt, ließ ihn taufen und erzog ihn wie einen Sohn. Eysens Fürsorge für ihn nährte die Vermutung, es handele sich um ein uneheliches Kind. In einem Dokument König Ferdinands vom 8. Februar 1544 werden die Angaben seines traurigen Schicksals niedergelegt, ihm die Führung des Namens Georg Schenck weiter bestätigt und er für ehelich geboren erklärt. Diese von Lochner angeführten Feststellungen bringen einiges Licht in das Dunkel um Georg Schenckens Persönlichkeit. Unsere Zeit hat vielleicht 391

ein helles Ohr für solch ein Kinderschicksal, das durchaus den Tatsachen entsprochen haben mag. Selbst hochentwickelte Nach­ richtenübermittlung kann noch heute nicht das Geschick wenden und klären, das so viele verschleppte, in den Kriegswirren ver­ lorene Kinder erlitten — und das gilt um so mehr für die Zeit vor über 400 Jahren. Wie J. F. Roth in seinem schon erwähnten Genanntenverzeichnis 28) berichtet, gehörte Wolf Eisen zu der Reihe achtbarer Kauf­ leute, die 1522 dazu ausersehen waren, auf Anordnung des Rates eine neue Almosenordnung zu schaffen, die nachher als wohldurchdacht anerkannt wurde. Er hatte durch klugen Rat seine Stellung innerhalb des Stadtstaates weiter gefestigt. Auch in der Erweiterung seines Besitzes hatte er eine glückliche Hand. Er er­ warb eine Reihe von Ewiggeldern, deren jährliche Nutzung von über 100 Gulden seiner lieben Hausfrau zustehen sollte. Im Ger­ manischen Museum werden noch zwei Pergamenturkunden ver­ wahrt; die eine über die Erwerbung eines Ewiggeldes durch Wolfgang Eysen am 16. 11. 1522 an einem Hause am Obstmarkt, das Hans Geiger gehörte 20), die andere, vom 8. März 1535, nennt „Elizabeth weiland Wolffgang Eysens burger zu Nbg. selig nach­ gelassene Witwe“ als Inhaberin dieser Eigenschaft des Geiger­ sdien Hauses 30). Wieder einmal wie so oft bei Forschungen könnte der vertauschte Vorname der hinterlassenen Witwe irreführen, erschien nicht in Wolfgang Eysens Testament diese Beurkundung mit ebendergleichen Summe und Rente ganz klar aufgeführt. In seinem Testament überschrieb er Otilia, seiner Ehefrau, „mein new haufi an der Pegnitz, das frei lauter eigen ist und darzu die drey hewser sampt den stellen daran gelegen, die jerlich sechs biß inn sybenunddreißig gülden ungeverlich nutzung und zins ertragen mögen“. So sicher der Hausbesitz in der Juden­ gasse in Lage und Hausnummer festgestellt war, so liegt die ge­ naue Lage dieses Hauses noch im Dunkeln. Verschiedene An­ zeichen deuten darauf hin, daß es S. Nr. 1200 — das Haus Binsen­ gasse Nr. 9 — sein könnte. Dieses stattliche Haus lag unten an der Pegnitz, hatte 3 kleinere Nachbarhäuser, war ein Steinhaus und wohl das wertvollste Haus, das dort in der Gegend stand und überdies war im Hof die Jahreszahl 1521 angebracht. Das Haus Eysens wird zwar 1520 als neu erbaut erwähnt, die Fertigung der wertvollen steinernen Maßwerkbrüstungen an den Galerien und der Freitreppe mag die Vollendung vielleicht hinausgezögert haben. Nach den Gerichtsbüchern erwarb W. E. am 24. 10. 1519 einen freieignen Garten samt den Gemächern und allen anderen Gerechtigkeiten an der neuen Gasse hinten im Geßlein an der Pegnitz gelegen 31) und genau so wird später immer die Lage des neuen Hauses gekennzeichnet „an der neuen gasse im geßlein gelegen“. Das wird also mit ziemlicher Sicherheit das Grundstück 392

Hans BrosaiiHM*: Bildnis Wolfganj* Kyson.

Maßwerk der Galerie des Eysenscheii Hauses Binsengasse 9

Epitaph Alexius Müntzer, Johannisfriedhof.

Epitaph Wolfgang Eysen, z. Zt. Ob. Burgkapelle.

sein, auf dem er das Haus errichtete, das bei einer weiteren Er­ werbung eines nachbarlichen Hauses durch ihn (wohl eines der 3 hinterlassenen Zinshäuser, die im Testament ihre Erwähnung finden) am 11. August 1520 „an der ne wen gafi unden am Wasser­ fluß der pegnitz“ gelegen als neu erbaut genannt wird32). Am 15. Mai 1520 wird an der neuen Gassen Wolf gang Eysens Hofstatt erwähnt, so vormals ein gartlein gewest33), das bestätigt die Rich­ tigkeit der vorerwähnten Annahme. Der Baumeister — oder rich­ tiger der, der die Visierung schuf, ist uns namentlich erhalten. „Ein Schlüsselfelder hinter St. Lorenzen, sehr künstlich und der Architektur verständig, machte die Visierung zu des Wolf gang Eisen Haus an der Pegnitz“ 34). Das muß Hans Schlüsselfelder ge­ wesen sein, der neben W. E. in den Gerichtsbüchern als Zeuge auftrat und der ab 1512 die Eckbehausung in St. Lorenz Pfarr besaß und dessen Haus 1526 als gegenüber dem St. Lorenzer Chor Hegend in den Besitz Wolfgang Stromers kommt35). Ausdrücklich wird erwähnt, daß Eysens Haus ein Steinhaus war; diese Tatsache war also damals des Hinweises wert. — Die­ sen Besitz erbte seine Hausfrau Otilia, dort lebte sie und starb in dem Haus „an der neuen Gasse“ im Herbst 1535 36). Im Testa­ ment war vermerkt: Sollte Otilia oder ihre Erben das neue Haus oder die drei Zinshäuser verkaufen wollen, dann sollte seiner Muhm, der Katharina Müntzerin, oder ihren Erben das Vorkaufs­ recht zustehen. Genau wie es der Erblasser gewünscht hatte, kam es auch: Die Geschwister Fechter, die Erben Otilias und Kinder ihrer Schwester Gertrud (Gerhaus) verkauften das Haus am 4. Oktober 1536 an die Familie Müntzer37). Wolfgang Eysen muß einen ausgeprägten Familiensinn gehabt haben; so übergibt er seiner Frau ausdrücklich „einen sylbrin vergulten pecher mit einer deck, der ir von irem vater worden ist“; er muß auch die Gabe gehabt haben, mit der Familie der Frau in Frieden auszu­ kommen und sie zu achten. Er vergißt keine der Schwägerinnen zu bedenken und der letzte seiner überlebenden Schwäger, Sebald Beheim, der Geschütz- und Glockengießer am Schießgraben, wird einer der Vollstrecker seines Testamentes. Die beiden schon ver­ storbenen Schwäger waren Geistliche gewesen. Dr. Lorenz Beheim war in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts Haushofmeister Kardinal Rodrigo Borgias, wirkte dann in angesehener Stellung am Hof des zum Papst als Alexander VI. erhobenen Kardinals bis zu dessen Tode. Später treffen wir ihn dann in Bamberg als Kanonikus am Stift St. Stephan, wo er 1521 starb. Der andere Bruder Otilias war Dr. Georg Beheim, der von 1513—1520 als Probst an St. Lorenz wirkte, ln Pest besaß Eysen einen ansehn­ lichen Verwandten- und Freundeskreis mit ausschließlich deut­ schen Namen, die er alle mit wertvollen Erinnerungsstücken aus Silber und darüber hinaus mit zum Teil sehr namhaften Beträgen an Bargeld bedachte. 393

Er stand noch im besten Mannesalter, als er sein Testament am 16. Juli 1523 niederschrieb; vorsorglich wie ein guter Haus­ vater ordnete er rechtzeitig sein Haus. An dem Genuß seines er­ worbenen stattlichen Vermögens ließ er viele teilnehmen, „item ich schick inn das new unnd alt spital allhie einem yeden menschen dorynn inn sein hanndt ein seidel weins und funff pfenig“. Keines der Klöster oder wohltätigen Einrichtungen bleibt ohne Spende, „funff zehen junckfrawen allhie frumer hanndwerks lewt tochtern“ sollen bei der Eheschließung jede 15 Gulden haben; es führte zu weit, jede der Guttaten aufzuführen, doch nehmen sie in seinem Testament einen breiten Raum ein und stellen einen ansehnlichen Teil seines Vermögens dar. W. E. befiehlt seine Seele Gott dem Allmächtigen und der Himmelskönigin Maria und be­ kennt sich wohl damit zum alten Glauben, — dafür spricht auch der Rosenkranz auf seinem Bild. Die Taufe seines Großneffen Müntzer, der kurz nach seinem Tode geboren wurde und zur Er­ innerung seinen Vornamen erhielt, wurde am 15. Mai 1524 „in Teutsch“ gehalten, wie es in handschriftlichen Aufzeichnungen heißt. Die junge Generation hatte sich also wohl dem neuen Glau­ ben zugewandt. Von diesem Wolfgang Müntzer wird noch einmal kurz die Rede sein. W. E. bittet, im Barfüßerkloster im Kreuzgang unter seinem Stein, „wie dann die wirdigen vater daselbst des wissen“, bestattet zu werden; zunächst fand sich keine Bestäti­ gung über die Ausführung des Wunsches, doch spricht auch nichts dagegen. Er starb am 15. Januar 152438). Gewissenhaft werden alle Bestimmungen seines Testaments erfüllt, davon haben sich Belege erhalten39). Letztlich fließt alle seine irdische Habe dem einzig Überlebenden der Müntzer’schen Familie, dem Wolfgang M. zu, dessen großes Grabmal auf dem St. Johannisfriedhof ins Auge fällt. Wolf gang Müntzer 40) rief — ohne Erben sterbend — eine großzügige Stiftung ins Leben. Seit 1580 wurden alljährlich am St. Wolfgangstage 100 alte Männer gekleidet und mit Geld beschenkt. Diese Stiftung überdauerte Jahrhunderte41), und da ein sehr wesentlicher Teil des Vermögens der Müntzer auf die geb. Eysen zurückging, ging von dem von Wolfgang Eysen er­ worbenen Besitz ein Segen aus, der vielen Generationen Gutes tat. Wolfgang Eysen hatte nicht nur rechtzeitig seine Verfügungen getroffen — er hatte auch zu Lebzeiten sein Gedächtnismal be­ stellt; 1522 entstand in der Peter Vischer’schen Gießhütte ein Messinggufi, den ein gütiges Geschick der Vernichtung im 2. Welt­ krieg entzog. Er hängt noch heute in den Mauern Nürnbergs in der Oberen Burgkapelle42). Die FamilienWappen der Eysen und Beheim weisen ihn eindeutig aus, und die fromme, lateinische In­ schrift kündet von dem christlichen Sinn des Mannes, den er mit seinem Leben unter Beweis gestellt hat. Diese Distychen sind wohl das Werk eines Zeitgenossen Wolf394

gang Eysens und sprechen gleichsam als ein Jahrhunderte über­ dauerndes persönliches Vermächtnis des Stifters zu uns4®): ASPICE MORT ALIS PRO TE FIT HOSTIA T ALIS / MORITVR SALVATOR MACHINA PLANGIT ORBIS / VESPERE DEPONITVR E CRVCE MORTE DEVICTA / EXCIPIT PLANGENDVM TRISTIS DOLENS O MATER.

Anmerkungen 1) Emil Reicke, Die Deutung eines Bildnisses von Brosamer in der kaiserlichen Gemälde­ galerie in Wien, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des AHK, Wien/Leipzig, 1911/12. 30. Band. 2) Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, Hans Brosamer, Portrait des Ge­ wandschneider Hans Pirkel. 3) Emil Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, I. Band, C. H. Beck, München, 1940. Brief Nr. 115, S. 381. Anmerkung 14. 4) Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Handschrift 6277, Blatt 19, II. Großtoten­ geläutbuch von St. Sebald, 1517—1572. 5) Joh. Ferdinand Roth, Verzeichnis aller Genannten des großem Raths Nürnberg 1802, Seite 54. ■6) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 b Nr. 28. S. 60. 7) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (42) 1528—1529. Blatt 133. 8) Staatliche Museen Berlin, Inv. Nr. AE Nr. 143, 1909 von Julius Böhler-München er­ worben. 9) Relief „Kreuzabnahme“ aus der Werkstatt Peter Vischer, 1522. 10) St. Johannisfriedhof, Nürnberg, Grabmal Alexius Münzer und seiner Frau Katha­ rina, geb. Eisen, Nr. 929. 11) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 a Nr. 221. 12) Dr. Jan Lauts, Kunsthalle Karlruhe teilte die Farbwerte des Portraits und das Er­ gebnis der Untersuchung des Wappens mit. 13) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (37) 1523—25, Bl. 85—89. 14) Das österreichische Staatsarchiv Wien teilt mit, daß „Wotzan“ in Ungarn mit weit­ gehender Sicherheit mit Waitzen zu identifizieren ist, die Bischofskirche dort war sowohl der Jungfrau Maria wie auch dem hl. Michael geweiht. 15) Staatsarchiv Nürnberg, Genealogische Papiere: Münzer. i«) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 b Nr. 299. S. 27. 17) Joh. Neudörfer, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten, Ausgabe Dr. G. W. K. Lochner, Wien 1875, S. 5. 18) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (15) 1498—1499, Bl. 199—200. 19) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (22) 1506—1507, Bl. 85—86. 20) Hochbauamt Nürnberg, Bildstelle und Denkmalsarchiv, Aufnahmen: Dr. Nagel und Hochbauamt. 21) Stadtarchiv Nürnberg, Münzer'sches Verkaufsregister 80 B 255, 1577 Bl. 25. 22) Stadtarchiv Nürnberg, W St ält. Sp. R. M XII, Nr. 28/11 Inventar Alexius Müntzer, 1538, Nr. 483, Bl. 52. 23) wie vorstehend Nr. 479. Bl. 51. 24) Stadtarchiv Nürnberg, Genealogische Papiere: Münzer. 25) Das Grabmal auf dem St. Johannisfriedhof zeigt das Bildnis des Ehepaares; inwie­ weit es portraitmäßig ähnlich ist, läßt sich nicht entscheiden, doch geht von den fast lebens­ großen Gestalten ein tiefer Eindruck aus. Die Herkunft dieser schönen Arbeit ist bisher nicht bekannt. Bemerkenswert ist, daß auf der Tafel zu Häupten des Paares berichtet wird, — eine Angabe im 16. Jahrhundert — daß die Familie Münzer schon damals 500 Jahre in Bamberg ansässig war. Der Vater des Alexius kann der in Bamberg gebürtige Johann M. gewesen sein, der um 1500 Stadtrichter in Ofen war, vielleicht fanden sich dort schon Berührungspunkte der Familien M. und E. — Auf dem hohen Grabmal des Wolfgang Müntzer sind — leider in ziemlicher Höhe — neben dem Eysenwappen noch andere Wap­ pen angebracht, die wahrscheinlich einen Hinweis auf den Familiennamen von Wolfgang Eysens Mutter erbrächten. so) Lochner, Wolfgang Eisen und Wolfgang Münzer, Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit, Neue Folge, 21. Jahrgang 1874.

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27) 28)

Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (37) 1523—1525, Bl. 36. Joh. Ferdinand Roth, Verzeichnis aller Genannten des großem Raths, Nürnberg, 1802,

Seite 64.

2») Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Perg. Urkunde, Z. R. 4870, Nr. 7761, 16. November 1522. 30) German. Nationalmuseum, Nürnberg, Perg. Urk. Z. R. 4870. Nr. 7770, 8. März 1535. 31) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (34) 1519—1521, Bl. 41—42. 32) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (33) 15*19—1521, Bl. 70—71. 33) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (34) 1519—1521, Bl. 94—95. 34) Johann Neudörfer, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten, Ausgabe Dr. G. W. K. Lochner, Wien, 1875, S. 117. 35) Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (39) 1525—1527, Bl. 145. 80) Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Handschrift 6277, II. Großtotengeläutbudi von St. Sebald 1517—1572, Bl. 45. 3") Stadtarchiv Nürnberg, Lit. (48) 1536—1537, Blatt 102—103. 38) Stadtarchiv Nürnberg, Genealogische Papiere: Münzer. 39) Staatsarchiv Nürnberg, Urkunden des Stadt- und Landalmosenamts Nürnberg Nr. 290-308. 40) Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Bildnis des Stifters Wolfgang Münzer von Babenberg, (1524—1577) Art des Nikolaus Neufchatel. 41) Die Stiftung Wolfgang Müntzers, die am 31. Oktober 1580 zum 1. Male zur Austeilung gelangte, bestimmte, daß alljährlich 100 alte Männer, die sich jederzeit ehrlich und wohl erhalten haben, ein schwarz-wüllen Rock, einen schwarzen Hut, ein „weiß LeinwandtHembd“, ein paar Schuhe und einen halben Gulden Geld erhalten sollten. Sie hatten damit eingekleidet am St. Wolfgangstag alle miteinander zur Vesperzeit in die St. Sebaldskirche zu gehen und dort ihre Andacht zu verrichten. Ein Bild dieser Prozession ist in dem alten mit Leder eingebundenen Quartband erhalten, den das Stadtarchiv Nürnberg (W St. ält. Sp. R. M XII, Nr. 42) mit der Müntzer’schen Stiftungsordnung besitzt. So war es noch Anfang unseres Jahrhunderts Brauch. Wann sich die Art der Verteilung änderte, ist bisher nicht festgestellt. Die Stiftung überstand beide Weltkriege, ist aber nach der Wäh­ rungsreform von 1948 auf einen kleinen Rest zusammengeschmolzen. Sie wurde 1953 unter Aufrechterhaltung ihrer rechtlichen Selbständigkeit mit anderen Stiftungen zu den „Ver­ einigten Wohltätigkeitsstiftungen der Stadt Nürnberg“ zusammengelegt. 42) Es ist anzunehmen, daß das Gedächtnismal, das sich W. E. 1522 in der Peter Vischer'schen Gießhütte bestellte, zunächst seinen Platz am Ort seiner Bestattung in dem Barfüßerkloster erhielt. Doch findet sich nirgends eine Bestätigung dafür. Sicher ist nach Feststellungen von Dr. K. Pilz-Nürnberg, daß dies Werk im 18. Jahrhundert seinen Platz in der Egidienkirche hinter dem Altar hatte. Es befindet sich nun als Leihgabe der Egidienkirche in der Oberkapelle der Nürnberger Burg, wird aber, sobald sich ein geeigneter Platz findet, wieder nach Egidien zurückkehren. — Da es nur durch Wappen gekennzeichnet ist, deren Inhaber in Vergessenheit geraten waren, blieb es bis ins 19. Jahrhundert namen­ los, bis m. W. R. Bergau 1878 (Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit, 25. Bd. 1878, S. 15) zum ersten Male wieder die Wappen der Stifter als die der Familien Eisen und Beheim erkannte, so wird nun das Gedächtnismal als „Eisen-Epitaph“ geführt. 43) Frei übersetzt mahnt uns die Inschrift mit folgenden Worten: Sieh, o Mensch, für dich geschieht ein solches Opfer. Es stirbt der Heiland, am Gerüst trauert der Weltkreis. Abends wird er vom Kreuz genommen. Er besiegt den Tod und nimmt den Beklagens­ werten an, o Mutter voll Trauer und Schmerz.

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Jakob Ayrer der Jüngere Von Hans Müller In der Literatur ist der Jurist (Advokat) Jakob Ayrer der Jüngere, berühmt geworden durch sein Werk, den „Historischen Processus juris“, mehrfach mit seinem Vater, dem als Dramen­ dichter bekannten bambergischen und nürnbergisehen Gerichts­ prokurator Jakob Ayrer dem Älteren1), verwechselt worden. Der Grund war teilweise der, daß über das Leben des Sohnes so gut wie nichts bekannt war; man legte ihm, verführt durch die Namensgleichheit, einfach Daten aus dem Leben seines Vaters bei2), wie auch umgekehrt dem Vater Daten, die den Sohn be­ trafen. Die im folgenden mitgeteilten Ergebnisse der Forschung über Jakob Ayrer den Jüngeren hätten bei den heute gegebenen Ver­ hältnissen nicht erreicht werden können, wenn ich nicht von mehreren Seiten sehr umfangreiche und selbstlose Hilfe erhalten hätte. In erster Linie ist Frau Ida Drechsler in Nürnberg zu danken, die unermüdlich die Nürnberger Archive durchsuchte und das wichtige dortige Aktenmaterial zu Tage förderte, und ebenso Herrn Stadtarchivar Hans Wagner in Weiden, der mir über meine Anfragen hinaus Auszüge aus dem Weidener Aktenmaterial zur Verfügung stellte und Hinweise gab. Aber auch die Archivverwal­ tungen und Kirchenbuchämter in Nürnberg und Amberg, sowie in Sulzbach, wo leider nichts gefunden werden konnte, haben die Forschung nach ihren Kräften unterstützt, so daß auch ihnen Dank für ihre uneigennützige Förderung gebührt. Die Arbeit ist somit eine Gemeinschaftsarbeit, wobei mir vor allem die Auswertung des mir freundlichst zur Verfügung gestellten Aktenmaterials zufiel. Als Erfreulichstes aber an dieser gemeinsamen Arbeit möge gelten, daß sie auch 1952/53 ein Zeugnis der Einheit Deutsch­ lands ist.

Durch die Arbeit ist es zum ersten Male möglich geworden, eine Skizze des Lebens von Jakob Ayrer dem Jüngeren zu ent­ werfen3). Leider ist es noch nicht gelungen, alle Fragen in er­ wünschter Weise zu lösen; vor allem fehlt noch eine genaue Angabe über seinen Tod. Ort und Zeit der Geburt konnten festgestellt werden. Jakob Ayrer der Jüngere ist nicht, wie gewöhnlich angegeben wurde, in Bamberg um 1570 geboren; er wurde vielmehr in Nürnberg

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bei St. Lorenz am 30. Januar 1569 getauft, also wohl einen oder zwei Tage vorher in Nürnberg geboren. Wenn er in der Leipziger Matrikel und anderweit als Bambergensis bezeichnet ist, so ist damit der damalige Wohnsitz des Vaters als seine Heimat an­ gegeben. Sein Vater ist uns schon bekannt; seine Mutter war Susanna Neukam, die Tochter des der Ehrbarkeit angehörenden Hans Neukam, wie ja auch die Ayrer zu den ehrbaren Familien zählten. Aufgewachsen ist Jakob Ayrer der Jüngere in der Biischofestadt Bamberg, wohin der Vater im Jahr nach seiner Geburt über­ siedelte und wo er sich nach seiner Erfolglosigkeit im Eisenhandel durch Klugheit und Tatkraft als juristischer Autodidakt über die Schreiberei zum Prokurator emporarbeitete, außerdem sich eifrig literarisch betätigte. In dieses Leben wurde schon der junge Jakob hineingezogen. Hans Probst4) wird mit seiner Vermutung Recht haben, daß der Vater einzelne Szenen seiner Schauspiele von seinen Kindern im Haus aufführen ließ, ja manche Szenen zunächst für sie verfaßte. Wir wissen ein Gleiches z. B. auch von Cyriakus Spangenberg, wie ja häusliche und öffentliche Dramatik von gelehrten und ungelehrten Kreisen (z. B. den Meistersingern) damals überhaupt fleißig betrieben wurde. Zweifellos war es auch starker väterlicher Einfluß, wenn sich der älteste Sohn der Juristerei zuwandte. Sie konnte einträglich sein, und der Sohn sollte es mit der Ausbildung dazu leichter als der Vater haben. Im Sommersemester 1588 ließ sich Jakob Ayrer der Jüngere in Leipzig für das Studium der Rechtswissen­ schaften immatrikulieren (gegen 1 fl. Gebühr). Er beendete seine wohl angewandte Studienzeit mit der Erwerbung des Grades eines Lizentiaten beider Rechte. Damit werden wir vor eine Un­ klarheit in seinem Leben geführt. Später, seit der Herausgabe seiner Werke, bezeichnete sich Jakob Ayrer der Jüngere als Dr. jur. utr. Durch die Matrikel der Universität Leipzig ist aber für ihn nur der Lizentiatengrad belegt, d. h. also die Vorstufe zum Doktortitel, nämlich die bereits durch eine Prüfung zu erwerbende Zulassung (Lizenz) zur Doktorprüfung. Daß er das Doktorexamen wirklich gemacht habe, dafür haben wir keinen Nachweis. Es scheint früher öfter vorgekommen zu sein, daß sich Lizentiaten im Lauf der Zeit die Doktorwürde beilegten. Es gab Fälle, daß ein Kandidat den Lizentiatengrad erworben hatte, von der Doktor­ prüfung aber aus Geldmangel oder aus anderen Gründen ab­ stehen mußte; es gab auch Fälle, daß ein Kandidat die Doktor­ prüfung abgelegt hatte, aber das Recht, den Doktortitel zu führen, nie bekam, weil er sich nicht entschließen konnte, die Prüfungs­ gebühren zu bezahlen. Ehe unser Jakob Ayrer seine juristische Tätigkeit begann, setzte er seine Umwelt durch eine hochromantische Liebesheirat in Schrecken5). Er heiratete eine „entlaufene Nonne“. Zu der Zeit, 398

in der er seine Niederlassung in Nürnberg als Advokat in die Wege leitete, flüchtete aus dem Klarissenkloster in Bamberg Dorothea Göpner. Sie war wohl von ihrem Vater, dem inzwischen verstorbenen Fabian Göpner, ins Kloster gegeben worden, damit der Jugendliebschaft des katholischen Mädchens zu dem Prote­ stanten ein Ende gemacht würde, und noch nicht Nonne geworden. Sie kam ebenfalls nach Nürnberg, und am 24. Juli 1593 wurde das junge Paar in St. Sebald getraut. Die Folgen waren schwer­ wiegend für die ganze Familie. Der Gatte mußte seine junge Ehe zunächst durch eine Gefängnisstrafe unterbrechen. Der Mutter Göpner, die in Bamberg ein Hochzeitsessen in kleinem Kreis ver­ anstaltet hatte, wurde eine empfindliche Geldstrafe auferlegt. Dem Bruder Jakobs, Dr. med. Christoph Heinrich Ayrer, Arzt in Bamberg, wurde das Praktizieren verboten. Am schärfsten wurde wohl aus kirchenpolitischen Gründen der Vater, Jakob Ayrer der Ältere, getroffen. Er erhielt mit Frau und den jüngeren Kindern kurzfristigen Ausweisungsbefehl. Nur mit großer Mühe konnte er einen Aufschub erlangen, bis er seine Verhältnisse einigermaßen geordnet hatte. Er versicherte, „die Heirat sei ohne sein Vorwissen geschehen. Er könne und wolle mit Gott be­ zeugen, daß ihm solche Heirat von Anfang bis auf die Stunde nit lieb gewesen; es sei auch weder er noch sein Weib auf der Hochzeit zu Nürnberg erschienen, habe weder Rat noch Tat dazu gegeben“ 6). Aber alle Betroffenen haben den Schlag zu überwinden ver­ standen. Der Vater konnte zum dritten Male seine Existenz auf­ bauen, jetzt als Gerichtsprokurator in Nürnberg, und schuf weiter dramatische Werke. Jakob jr. hatte schon am 16. Juli 1593, also kurz vor seiner Hochzeit, Bürgerrecht und Bewilligung der Advokatenpraxis in Nürnberg erhalten7); er leistete den Bürger­ eid am 13. Oktober 1593 (unter Zahlung einer Gebühr von 10 fl. Stadtwährung)8). Er hatte seine Wohnung inmitten der Stadt „am Fischbach“ 9), der heutigen Karolinenstraße, möglicherweise bei Verwandten, der Witwe eines Sebald Ayrer „am Fischbach“, die am 18. April 1600 starb 10). Auch er wußte sich rasch eine ge­ achtete Stellung zu erwerben. Neben seinem Beruf als Advokat widmete er sich, vermutlich auf Anregung des Vaters, umfang­ reicher literarischer juristischer Tätigkeit, bei deren Themen­ auswahl wie bei deren Ausarbeitung er eine glückliche Hand und Geschick bewies, so daß mehrere seiner Werke eine auffallend hohe Auflagenzahl erzielten. Doch wollen wir diese literarische Beschäftigung später im Zusammenhang behandeln und zunächst in der biographischen Skizze weiterfahren. Das Ansehen, das sich Jakob Ayrer der Jüngere in wenigen Jahren durch seine praktische Tätigkeit und wohl vor allem durch seine schriftstellerischen Leistungen errang, führte dahin, daß er bereits 1598 als „Genannter“ in den äußeren Rat der Reichs399

stadt berufen wurde. Und damit war wiederum eine Steigerung seiner Stellung gegeben. Trotzdem blieb er nicht mehr lange in Nürnberg. Welche Gründe ihn zum Wegzug bewegt haben, ist unbekannt. Waren es familiäre Verhältnisse? Audi der Bruder Matthäus war Ad­ vokat in Nürnberg geworden, der Vater war in ähnlicher Stel­ lung11), der Bruder Georg Fabian rückte nach (später Nadifolger des Vaters); war man sich gegenseitig im Wege? Am 3. Januar 1599 verlor er seine Gattin, die er unter so romantischen Um­ ständen geheiratet hatte. Sie hatte ihm vier Kinder geboren12). Noch im gleichen, spätestens im folgenden Jahr verheiratete er sich wieder mit der wahrscheinlich aus Arnberg stammenden Maria Steinhäuser, der Tochter von Balthasar Steinhäuser (dem Älteren) und der Margarete Münzer. Hatte er schon 1597 seinen „Historischen Processus juris“ dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg gewidmet, hatte er jetzt eine Oberpfälzerin geheiratet, so zog er nun auch dorthin, nach dem damals zu PfalzNeuburg gehörigen Weiden, wo schon Verwandte ansässig waren. Seit dem 14. September 1600 versah er die Stelle eines Stadt­ schreibers dort13). Er hatte einen Gehalt von 60 fl. im Jahr, dazu freie Wohnung im Stadtschreiberhaus, einen Zwingerraum, 1 Tag­ werk Wiese, Naturalien an Holz, Korn und Gerste (zum Brauen) 14). Aus seiner Tätigkeit erfahren wir gelegentlich von einer Reise nach Amberg zusammen mit dem Ratsherren Sebastian Stahel im Mai 1601, wo verschiedenerlei Angelegenheiten geregelt werden sollten, z. B. „allhiesiger Schulen Besetzung“ 15). Doch nur bis Ende Juli 1602 hat Ayrer diese Stellung be­ kleidet. Dann war er als Rechtsanwalt in Weiden tätig. Da er dabei die Dienstwohnung aufgeben mußte, zog er, zum mindesten auf einige Zeit, in das Haus eines Mannes namens Koler, der wahrscheinlich sein weitläufiger Verwandter war: Bartholomäus Ayrer in Weiden war seit 9. April 1588 mit Elisabeth, der Tochter von Georg Koler verheiratet16). Es scheint auch damals schon Wohnungsnot in den Städten gegeben zu haben. Aus den Jahren bis 1606 sind in den Ratsprotokollen von Weiden mehrere Nachrichten über ihn erhalten: eine Klage gegen ihn wegen Beleidigung, eine Klage von ihm gegen einen säumigen Schuldner namens Oswald Falk 17), eine Klage gegen ihn (Zitation) wegen Schulden an die Witwe Maria Zimmer, Bürgerin in Nürn­ berg 18). Auf seine Tätigkeit als Anwalt, in Vertretung von Hans Vierling, bezieht sich wohl ein Schreiben an den Stadtschreiber von Neustadt, wobei es sich um eine Auskunft wegen eines „Instrumentes“ handelt19). In einem Werk Ayrers („Tractatio methodica“) ist in der Auflage von 160419a) ein Glückwunsch­ gedicht von Balthasar Exner aus Hirschberg, seinem „Tisch­ genossen am kaiserlichen Hof“, abgedruckt. Gelegentlich muß 400

also Ayrer in der Ausübung seiner Anwaltspraxis wohl auch in Prag oder Wien gewesen sein. Das Wichtigste ist aus dem Jahr 1604 die Klage des Advokaten Dr. Balthasar Steinhäuser auf Gerbershof20), in dem wir offenbar einen Schwager Ayrers kennen lernen, gegen Jakob Ayrer21). Der Kläger stellt im April 1604 im eigenen und seiner Mutter Namen einen Antrag auf Beschlagnahme und Versiegelung der Fahrnis des Beklagten, die in Mathes Österreichers Behausung stehe. Aus der Antwort Ayrers ergibt sich, daß um diese Gegen­ stände schon längere Zeit Familienstreit gewesen sein muß; er ist bereit, nicht „das wenigste zu verändern oder zu verwenden“; er fühlt sich sicher, da es sich nur um persönliches Eigentum von ihm, um Bücher, Kleider, Bett und Zinn handle, und tritt scharf auf: er wolle „den Steinhauserischen Possen machen und sonder­ lich dem Doktor mit Bitt, solche Bedrohung zu protokollieren“. Er erreicht auch, daß ihm eine Abschrift der „Klage- und Injurien­ schrift“ zugestellt werden muß. Der Grund des Vorgehens Dr. Steinhausers gegen seinen Schwager scheint sich aus einem Schreiben des Klägers vom Juni 1604 zu ergeben: Steinhäuser schreibt an einen ehrbaren Rat in Weiden und „bittet Dr. Ayrer anzuzeigen, daß er ihm sein Weib nicht gedenke aufzuhalten, sondern gern folgen zu lassen, wofern er sich erkläre, was gestalt er sie wolle unterhalten“. Es waren also zwischen Ayrer und seiner zweiten Frau schwerste Ehezerwürfnisse eingetreten, im Zusammenhang mit denen sie ihn verlassen hatte und zu ihrer Familie zurückgekehrt war. Das erklärt wohl auch, daß wir von auffallenden Bitten der „Doktor Jakob Ayrerin“ vom 2. Dezember 1603 und 11. Februar 1605 an den Stadtrat von Weiden je um ein Klafter Holz lesen. Doch muß eine Aussöhnung zwischen den Ehe­ leuten erfolgt sein. Die geborene Steinhäuser hatte ihrem Mann im August 1601 und im Oktober 1602 Söhne geboren; im Juli 1605 folgte ein dritter Sohn22). (Im Stammbaum bei Kroker ist Jakob Ayrer aus der zweiten Ehe auch eine Tochter Maria zu­ geschrieben; es ist aber wohl möglich, daß damit die aus erster Ehe stammende, 1596 geborene Anna Maria gemeint ist.) Über die weiteren Familienverhältnisse und das fernere Leben der zweiten Frau von Jakob Ayrer dem Jüngeren konnte nichts ermittelt werden. Auch der Tod der zweiten Frau ist unbekannt. Nach der Krokerschen Stammtafel der Ayrer hatte der 1597 ge­ borene Sohn aus erster Ehe Hans Jakob einen Sohn Martin, der kurfürstlich bayrischer Umgelter in Schlicht wurde und von dem weitere Nachkommen in der Oberpfalz lebten; im Zug der Rekatholisierung der Oberpfalz gehörten sie wohl der katholischen Kirche an. In manchen Schriften wird angegeben, daß Jakob der Jüngere auch mit Euphrosyne Schürstab verheiratet gewesen sei, der Tochter von Hieronymus Schürstab und Susanna Volckamer. Es 26

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konnten aber keine Belege für diese Ehe gefunden werden; auch der Stammbaum bei Kroker weiß nichts davon. Dagegen hatte der Bruder Matthäus eine Angehörige des Nürnberger Patriziats zur Frau. Die letzte Angabe, die über unseren Ayrer im Stadtarchiv Weiden gefunden wurde, stammt vom 3. Januar 1606. Sie bezieht sich auf die bereits erwähnte Vertretung von Hans Vierling. 1606 (oder spätestens 1608) muß er Weiden verlassen haben. Nach einer Auskunft des Stadtarchivs in Nürnberg war er hier 1608 bis 1614 Advokat23). Es ist aber doch fraglich, ob er in dieser Zeit in Nürnberg gewohnt hat. Denn nach einer Notiz im Ratsbuch des Stadtarchivs Amberg hat er am 19. Dezember 1605 angelobt, in Amberg Recht zu nehmen und zu geben, auch jähr­ lich von dem Ansitz 4 fl. zu zahlen. Ein Schreiben des Rats von Nürnberg vom 3. Dezember 1609 an ihn ist nach Amberg ge­ richtet24). Ebenso hat er später — 1618 und 1619 — nachweislich in Amberg gewohnt, wie aus weiteren gleichartigen Schreiben hervor geht. So müssen wir wohl annehmen, daß er von etwa 1606 bis ungefähr 1624 in Amberg, das damals zur Kurpfalz gehörte, gewohnt, dort Rechtsanwaltspraxis ausgeübt hat, zugleich aber bis 1614 in Nürnberg als Advokat tätig war. Auch während seiner Weidener Zeit hatte er seine Advokatur in Nürnberg nicht nieder­ gelegt, nur wohl nicht ausgeübt. Sein Vater, der Gerichtsproku­ rator, war 1605 gestorben; aber sein Bruder Matthias war seit langem ebenfalls Rechtsanwalt in der Reichsstadt. Aus seiner Tätigkeit in Nürnberg hören wir gelegentlich von einer Vertretung der Interessen von Jörg Heinrich von Einsiedel, gewesenem kurpfälzischen Pfleger zu Cham, im Jahr 161125). In den Grund verbriefungsbüchern des Stadtgerichts Nürnberg 1608 bis 1612 wird er als Zeuge erwähnt. Im „Ämterbüchlein“ Nr. 133 des Staatsarchivs in Nürnberg vom Jahr 1614 erscheint sein Name unter den „geschworenen Advo­ katen“, ist aber durchstrichen. Es ist nicht bekannt, ob er seine Advokatur dort freiwillig oder unfreiwillig aufgegeben hat. Auch seine Ratszugehörigkeit als „Genannter“ dürfte damals erloschen sein. Sein Bürgerrecht in Nürnberg aber hat Ayrer aufrecht­ erhalten. Er unterstand deshalb auch weiterhin in Amberg der nürnbergischen Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten gegenüber anderen nümbergischen Bürgern. Hatte er sich schon am 3. November 1602 M) wegen Schulden an die Witwe Maria Zinner mahnen und zitieren lassen müssen, war schon 1609 vom nümbergischen Bürger Sizinger (gleich dem nachher genannten Peter Schinzinger?) wegen dessen Forderung an Jakob Ayrer ein Steckbrief wegen ungehorsamen Ausbleibens nach mehrmaliger Zitation gegen ihn beantragt worden und drohte ihm der Stadtrat in seinem Schreiben vom 8. Dezember 160927), daß er „als ein un402

gehorsamer Bürger öffentlich an den Stock allhier sollte an­ geschlagen werden“, so wird er auch 1618 und 1619 wegen Schulden zitiert. Aber auch jetzt ist er äußerst zäh in der Bereinigung der Angelegenheit, und der Rat muß ihm am 19. Mai 1618 wieder drohen: „So werden wir Eures verächtlichen Ungehorsams halber nicht umgehen können, solche Mittel gegen Euch an die Hand zu nehmen, welche Euch zu wenig Glimpf gereichen lassen.“ Auf die Zitation wegen Schulden an den nürnbergischen Bürger Peter Schinzinger vom 19. Januar 161928) hat er sich weder gestellt noch überhaupt Antwort gegeben. Der Rat mußte sich deshalb am 1. April 1619 an die kurfürstliche Regierung zu Amberg mit dem Ersuchen um Unterstützung in dem Verfahren wenden. Aber auch das hat nichts gefruchtet: aus einem Schreiben des Rats vom 10. Januar 1620 ergibt sich, daß auch die dritte Zitation Ayrers vergeblich gewesen ist. Und noch am 24. Juli 1624 läuft die An­ gelegenheit; man will sich erneut an die Regierung zu Amberg gegen den faulen Schuldner wenden. Es ist zu befürchten, daß auch dieser Schritt erfolglos war. Der Tod Ayrers dürfte da­ zwischengetreten sein. Haben sich somit die Beziehungen Jakob Ayrers zu seiner Geburtsstadt durch seine Schuld immer mehr gelöst und ver­ schlechtert, so scheint er in Amberg besser Fuß gefaßt zu haben, bis ihn das Schicksal auch von dort verjagte. Aus einem Akten­ band des Staatsarchivs Amberg29) erfahren wir, daß er am pfälzi­ schen Hofgericht dort als Prokurator zugelassen war; er wird am 14. Juni 1616 als kurfürstlich-pfälzischer Hofgerichtsadvokat bezeichnet, der als Prokurator eine Partei bei einer Schuld­ verschreibung vertrat. Möglicherweise hat die Übernahme dieser Stellung zur Folge gehabt, daß er seine Nürnberger Advokatur niederlegen mußte. Und diese Aktennotiz bestätigt teilweise die alte Überlieferung, daß er nach seinem Wegzug von Nürnberg „in pfälzische Dienste“ getreten sei. Aus der Tätigkeit Ayrers als „Advokat zu Amberg“ erfahren wir seine Mitwirkung bei einem Vertragsabschluß am 2. Dezember 1615 3°) un(j er 1615/16 den Thomas Wanckher, „Bürger zu Türnau in Ungarn“, in seiner Sache gegen Lorenz Rotfischer aus Neunburg v. W. vertrat 81). Am 18. Februar 1622 stellte ihm die Regierung in Amberg einen Paß für eine Reise nach Parkstein und Weiden aus 82). Über die letzten Lebensjahre und den Tod Jakob Ayrers des Jüngeren läßt sich folgendes feststellen. Der Zeitpunkt des Todes liegt zwischen dem 24. Juli 1624 und dem 25. Februar 1626. In dem nürnbergischen Ratsverlaß vom ersten Datum ist von Ayrer als lebend die Rede (man will Peter Schinzinger mit der erbetenen Fürschrift an die Regierung zu Amberg willfahren). Dagegen ist im Ratsverlaß vom 25. Februar 1626 von „Jakob Ayrers seligen Erben die Rede. Das Todesdatum 26*

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wird wohl näher beim zweiten Datum, also gegen Ende 1625, liegen. Über den Todesort müssen wir das Schreiben des Nürnberger Rats vom 13. September 162? an Dr. Balthasar Steinhäuser, den Schwager Ayrers, der uns schon begegnet ist, heranziehen83). Darin ist von Ayrers „Erbschaft zu Sulzbach“ die Rede; Schuldner an Ayrer sollen „die Gelder zu Sulzbach erlegen“, ebenso sind Ansprüche dort zu erheben. Ayrerische Erben haben „hiebevor genugsam Ausführung tun lassen, wessen (weshalb) der ver­ storbene Ayrer zu Sulzbach sein Hauswesen gesucht“. Deutlicher sagt uns das Schreiber dafür weiter: Ayrer habe sich als „exul“ (Flüchtling, bes. religiöser Flüchtling) bezeichnet; er wird unter die Leute gerechnet, „so der Religion halber ... von Haus und Hof (haben) weichen müssen“. Das führt uns in die Geschehnisse zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs, wo Kurfürst Friedrich Y. von der Pfalz bekanntlich nach der Schlacht am Weißen Berg seine Lande verlor. Die Oberpfalz und damit Amberg wurden mit Bewilligung des Kaisers 1621 von Bayern besetzt und Herzog Maximilian ging sofort daran, den Katholizismus in der Ober­ pfalz einzuführen. Dagegen war der Herr des Herzogtums PfalzSulzbach, eines Teiles der „jungen“ Pfalz oder Pfalz-Neuburg, Herzog August, ein eifriger Protestant. Viele Einwohner der Oberpfalz, die von ihrem protestantischen Glauben nicht lassen wollten, flüchteten deshalb in das Sulzbachische Gebiet. Diesen Schritt muß auch Jakob Ayrer, der wohl seine Stellung als Hofgerichtsadvokat und Prokurator verloren hatte, etwa 1624/25 getan haben. Bald nach seinem Umzug ist er offenbar gestorben. Wegen seiner Erbschaft entstanden sofort allerlei Schwierig­ keiten. Er hatte „etwas weniger versteuert, als er im Vermögen gehabt“ **). Aber die Steuerkommissare hatten sich vorher schon angesichts der Lage des „Flüchtlings“, der sein Vermögen in ver­ schiedenen Gebieten liegen hatte, zufrieden gegeben. Doch jetzt trat, wie wir schon gesehen haben, sein Schwager Dr. Balthasar Steinhäuser wieder auf den Plan und erhob Ansprüche. Gegen ihn wandten sich Ayrerische Erben des Nürnberger Gebiets. Für deren Interessen setzte sich der Rat zu Nürnberg in dem mehr­ fach erwähnten Schreiben ein. Wir wissen nicht, wie diese Streitig­ keiten erledigt wurden; es interessiert uns auch wenig; aber das Schriftstück, das durch diesen Streit entstand, ist uns wertvoll, da es bisher die einzige urkundliche Quelle ist, die uns über den Tod Jakob Ayrers des Jüngeren einige Auskunft gibt85). Jakob Ayrer der Jüngere war zweifellos ein außerordentlich rühriger, strebsamer und tatkräftiger Mann. Aber wir haben in seinem Leben teilweise auch wenig schöne Charakterzüge an ihm beobachten müssen. Deshalb freut es uns, einen gewissen Aus­ gleich in seinem literarischen Schaffen zu finden, das uns seine Lebendigkeit und Regsamkeit und seine Fähigkeiten — bis um 404

die Jahrhundertwende, solange der Vater lebte und ihn anregte? — in günstigerem Licht zeigt. Der Vater hatte sich nach dem Zusammenbruch seines Eisen­ handels in Nürnberg in auffallend kurzer Zeit eine neue Existenz in Bamberg geschaffen, in der er es als völliger Autodidakt zwei­ mal bis zum Stadtgerichtsprokurator brachte. Es war ihm nötig gewesen, sich über alle Einzelheiten und Möglichkeiten der um­ ständlichen Gerichtsverfahren der Zeit mit allen Hintertüren und Kniffen zu informieren, und er hatte dazu mancherlei Hilfsmittel benützt. Aber alle hatte er als veraltet und ungenügend nützlich befunden. Welche Hilfe mußte doch ein Handbuch bieten, in dem man sich über alle Einzelheiten des derzeitigen Gerichtswesens übersichtlich unterrichten konnte! Der älteste Sohn, den er die Rechtswissenschaften hatte studieren lassen, damit er nicht so mühsam wie er selbst sich in diesem einträglichen Beruf zurecht­ finden konnte, sollte auch ihm eine Hilfe sein, und zwar eben in der Schaffung eines solchen Handbuchs. Das erste Werk, das Jakob Ayrer der Jüngere veröffentlicht hat, dürfte wesentlich auf solche Anregung und vielleicht auch einige Mitwirkung des Vaters zurückgehen. Und wie sehr es den Erwartungen entsprach, wie glücklich seine eigentümliche Anlage in den verschiedensten Richtungen war, wie eifrig es von den an der Rechtspflege Be­ teiligten durch sehr lange Zeit benützt wurde, zeigt die selten hohe Zahl seiner Auflagen in der Zeit von 1597 bis 1737 38). Es ist der „Historische Processus juris. In welchem sich Luzifer über Jesum darum, daß er ihm die Hölle zerstöret, eingenommen, die Gefangenen daraus erlöst und hingegen ihn. Luzifern, ge­ fangen und gebunden habe, aufs allerheftigste beklaget. Darinnen ein ganzer ordentlicher Prozeß von Anfang der Zitation bis auf das Endurteil inclusive in erster und anderer Instanz ... einverleibt, auch allerlei Schriften, Gerichtsgebräuche ... begriffen und zu finden sein ... den Gerichtsschreibern, Prokuratoren, Notaren und der Schreiberei Verwandten überaus nützlich ... und lieblich zu wissen. Durch Jakob Ayrern, beider Rechten Doctorem und Advocatum in Nürnberg. Frankfurt/M. 1597“ 37). Es umfaßt 773 gezählte, mit Registern usw. etwa 850 Folioseiten (Ausgabe 1600). Das Werk ist dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig, dem damaligen Herrn von Pfalz-Neuburg gewidmet38). Die Widmung stellt zweifellos ein Anerbieten dar, in pfälzische Dienste zu treten39). Im „Historischen Processus juris“ werden wir an Hand eines erdichteten praktischen Beispiels in alle Vorgänge eines damaligen Zivilprozesses in deutscher Sprache eingeführt. Die Darstellung ist mit einfallsreicher Phantasie, lebendig und dramatisch aus­ gestaltet. Auf die Charakterisierung der auftretenden Personen wird für jene Zeit, die meist mit einfachen Typen arbeitete, auf­ fallend großes Gewicht gelegt. Die Psychologie der Handelnden wird mit großer Ausführlichkeit und Vielseitigkeit behandelt. 405

Ausgezeichnet wird dabei vor allem die teuflische Verschlagenheit der Höllenbewohner und ihre innere Zerrissenheit geschildert. Unbeabsichtigt ist allerdings dabei von dem Juristen die Folge­ rung, daß die Ausnützung aller Kniffe in einem Rechtsverfahren sich als teuflische Bosheit kennzeichnet. Sehr wirksam ist auch die Naturalistik, mit der die Personen ins wirkliche Leben ge­ stellt werden. Adam z. B. erklärt vor Gericht über seine Person, „er sei ein Bauer und habe sich mit Hacken und Roden ernährt“. Die Sprache ist für jene Zeit sehr flüssig und klar. Eine Fülle von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten sind vor allem in Randnoten gegeben. Dem Werk kommt literarischer Wert zu. Sein juristischer Wert liegt für jene Zeit zum größten Teil in den lateinisch gehaltenen Beifügungen, die an jedem Punkt des Prozesses alle Überlegungen, die in Betracht kommen können, erörtern und die Bestimmungen der damals in den verschiedenen deutschen Ländern gültigen Prozeßrechte, sowie reiche Literatur­ angaben bringen. Die Beispiele für alle Schreiben, die beigebracht werden müssen, sind meist in den Prozeßverlauf eingefügt. Für uns aber besitzt der „Historische Processus juris“ durch die in allen Punkten vollständige Darstellung des damaligen Zivil­ prozeßverfahrens in seiner ganzen Umständlichkeit und Knifflichkeit auch bedeutenden kulturhistorischen Wert. Können wir daraus doch ohne weiteres verstehen, daß es unter solchen Vor­ aussetzungen leicht war, einen Prozeß, wie es vorkam, durch Jahrzehnte zu verschleppen und es dem Rechtsuchenden unmög­ lich zu machen, Recht zu erhalten. Aber auch viel anderer kultur­ geschichtlich interessanter Stoff ist in dem Werk enthalten, so z. B. über die Frage der Zeugenfähigkeit der Armen (Abraham dagegen z. B. ist „zum Zeugen reich genug“), über die Anschau­ ungen über Zauberei, über die Rechtsstellung der Juden 40), über Tracht der Gerichtsboten und vieles andere. Eine selbständige Erfindung Ayrers ist nun freilich die in dem Werk ausgeführte Fabel nicht. Der „Historische Processus juris“ gehört vielmehr in die Reihe der „Satansprozesse“, die eine ganze juristische, ursprünglich auch theologische Literaturgattung aus­ machen. In ihnen werden Prozesse des Satans gegen das mensch­ liche Geschlecht oder gegen Jesus dargestellt. Schon seit Jahr­ hunderten waren solche Werke üblich und hatten allmählich die Bedeutung angenommen, die wir auch an dem Werk Ayrers gefunden haben, an diesem Beispiel das Zivilprozeßverfahren vorzuführen. Zur Zeit Ayrers waren die früheren Werke aber sämtlich veraltet. Er (oder sein Vater, der einer seine Komödien ebenfalls die Form eines Prozesses gegeben hat, der Klage von Priamus, Achilles und Odysseus gegen die Göttin Podagra, wie andere gleichzeitig) griff diese eigentliche Darstellung wieder auf. J>abei legte er seiner Arbeit eine deutsche, 1507 in Straßburg 406

erschienene Übersetzung des bereits 1382 verfaßten Werkes von Jakob von Theramo: „Lis Christi contra Belial“ oder einfach „Belial“ betitelt, zugrunde. Im Zusammenhang damit, daß Ayrer 1597 das Originalwerk noch gar nicht kannte, war er sich auch über den Verfasser im unklaren. Das Werk Ayrers stellt also eine freie Neubearbeitung, eine Modernisierung jenes in seiner ursprünglichen Gestalt bereits über 200 Jahre alten Werkes dar. Erst später machte sich Ayrer mit dem Originalwerk bekannt und gab es im Jahr 1611 mit Kommentar unter dem Titel „Pro­ cessus Luciferi contra Jesum coram judice Salomone“ heraus. Die weiteren beiden Werke von Jakob Ayrer dem Jüngeren können kürzer behandelt werden, da sie wegen ihres rein juri­ stischen Charakters das allgemeine Interesse weniger in Anspruch nehmen. Es handelt sich um „Brevis enodatio legis unicae capitis de errore calculi“. Frankfurt/M. 1599. Das Büchlein, das 75 Seiten in Kleinoktav umfaßt, ist dem (durch Heirat) Verwandten Ayrers, Dr. jur. utr. Onuphrius Hinderhoffen, niirnbergischem Rat, mit dem Datum vom 1. September 1598 gewidmet. Es behandelt in lateinischer Sprache die irrtümliche Berechnung in geschäftlichen Angelegenheiten nach allen juristischen Seiten. Seit seinem Er­ scheinen ist es bis 1700 mehrmals aufgelegt worden, hat sich also ebenfalls als ein recht brauchbares Werk erwiesen. Als letztes der von Jakob Ayrer dem Jüngeren veröffentlichten Werke ist zu nennen: „Commentarius in legem ut vim D de just, et jur., in quo universa materia homicidiorum tractatur“. Erst­ malig ebenfalls 1599 erschienen, gab es Ayrer später (so 1604) unter verändertem Titel heraus: „Tractatio methodica et acuratissima legis ut vim . . .“, während die letzte Ausgabe von 1647 „Tractatus methodicus ...“ betitelt wurde. Also auch dieses Werk blieb ein halbes Jahrhundert auf dem Büchermarkt. Ayrer unterscheidet dreierlei Arten von Tötung von Menschen: eine notwendige (die dem Soldaten befohlene im Krieg), eine absichtliche oder schuldhafte (Mord), eine unfreiwillige oder zu­ fällige (Notwehr u. a.). Die (von mir eingesehene) Ausgabe von 1604 umfaßt 480 Seiten in Oktavformat. Die Widmung dieser Auflage, vom 1. November 1603 aus Weiden datiert, ist an Chri­ stian von Anhalt, den kurfürstlichen Statthalter der Oberpfalz in Amberg41), und an dessen Räte gerichtet. Glückwunschgedichte an Ayrer zu diesem Werk, die darin abgedruckt sind, stammen von Gregor Schön aus Görlitz, der jedem Werk Ayrers Verse gewidmet hat, von Magister Georg Zeschlin, dem Nachfolger Ayrers als Stadtschreiber in Weiden, und von dem gekrönten Dichter Balthasar Exner aus Hirschberg. Die Dramen Jakob Ayrers des Älteren sind bekanntlich erst nach dem Tode des Verfassers (1605) von Verwandten veröffent-

licht worden (1618). Wie weit unser Jakob Ayrer dabei beteiligt war, ist unbekannt. Stammtafel Jakob Ayrer der Jüngere, getauft Nürnberg (St. Lorenz) 30.1.1569, gest. (Sulzbach, Oberpfalz, etwa 1625), S.S. 1588 immatrikuliert Leipzig, Lie. (Dr.) jur., 13.10.1593 Bürger in Nürnberg, 1593 Advokat ebenda, 1598 Genannter ebenda, 1600—1602 Stadtschreiiber in Weiden, dann Advokat ebenda und in Nürnberg, etwa 1606 Advokat in Amberg und Nürnberg (hier bis 1614), kurfürstl.-pfälzischer Hofgerichtsadvokat und Prokurator in Amberg, 1624/25 nach Sulzbach; verheiratet I. Nürnberg (St. Sebald) 24. 7.1593 Dorothea Göpner, Tochter von Fabian Göpner in Bamberg, kath., geb. Bamberg ..., gest. Nürnberg (St. Lorenz) 3.1.1599; verheiratet II. (Amberg? Weiden? 1599/1600) Maria Steinhäuser, Tochter von Balthasar St. und Margarete Münzer (in Amberg?), geh. ..., gest. ... Ausl. Ehe: Georg Jakob get. Nürnberg (St. S.) 8. 6.1594

Anna Maria get. ebda 12. 3./10.4. 1596

Hans Jakob get. ebda 13.3.1597

Zacharias get. ebda 8.8.1598

Martin kurfürstl. bayr. Umgelter in Schlicht (s. Kroker) A u s 2. Ehe: Joh. Christoph get. Weiden 12.8.1601

Jodokus Heinrich Christoph Jakob get. Weiden get. Weiden 18.10.1602 19. 7.1605

? Maria verh. ... (nach Kroker)

Anmerkungen 1) Uber ihn s. Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 1, S. 708—710 und die Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, S. 473, und vielfache weitere Literatur. Die letzte biographische Arbeit über ihn: Fritz Hilsenbeck: Jakob Ayrer. In: Nürnberger Gestalten aus 9 Jahrhunderten. Nürnberg 1950. S. 117 f. Ergänzung dazu: Hans Müller: Die Herkunft des Dramatikers Jakob Ayrer. In: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, Bd. 43 (1952), S. 510 f. Über die Familie Ayrer überhaupt: E. Kroker: Der Stammbaum der Fam. Ayrer. Ebda, H. 14 (1901), S. 158 ff. *) So z. B. noch R. Schröder u. E. v. Künßberg: Lehrbuch der deutschen Rechtsgcschichte. 7. Aufl. 1932. S. 966. s) Kurz zusammengefaßt in der Neuen Deutschen Biographie, Bd. I. 4) S. Hans Probst: Jakob Ayrer (d. ä.) u. Bamberg. Neues über sein Leben u. seine Werke. Im 85. Bericht des Hist. Ver. f. die Pflege der Gesch. des Fürstbistums Bamberg über die Jahre 1935 u. 1936. 5) S. Hans Probst a. a. O. «) Hans Probst a. a. O. 7) S. Theodor Hampe: Eine Porträtmedaille auf Jakob Ayrer (d. ä.), Ratsverlässe. In: Mitteil, aus d. German. Nationalmuseum, Jg. 1903, S. 165, Anm. 13. 8) S. Blätter f. literar. Unterhaltung, Jg. 1847, Bd. 2, S. 1312.

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Uiibekanntor Meister: Bildnis Jakob II. Fi'tzer.

9) So 1599 beim Eintrag des Todes seiner ersten Frau ins Totengeläutbuch. 10) S. Totengeläutbuch. M) Der Advokat konnte damals lediglich die Angelegenheiten seiner Klienten bearbeiten; die Vertretung vor Gericht stand nur dem Prokurator zu. 12) S. Stammtafel. 13) Stadtarchiv Weiden: Spitalrechnungen 1600/1 u. 1601/2; Stadtkammerrechnungen der gleichen Jahre. 14) Ebenda: Stadtkammerrechnung 1600/1, Bl. 82; 121 f. 15) Ebenda, Bl. 121 f. i«) Ergänzung zum Stammbaum bei Kroker G XV. 17) Ratsprotokolle Weiden 1602, Bl. 12; 1603, Bl. 45. 91; 1605, Bl. 105. 18) Briefbücher des Staatsarchivs Nürnberg vom 3. Nov. 1602. 10) Ratsprotokolle Weiden 1604, Bl. 99; 1605, Bl. 119; 1606, B. 30. 19a) Ob dieses Gedicht bereits in dem „Commentarius“ von 1599 enthalten ist, konnte ich nicht feststellen. Vgl. Bl. 9. 20) Nicht Gerbersdorf, wie gewöhnlich in der Literatur gesagt wird (Mitteilung v. Herrn Archivrat Wagner). Steinhäuser hatte dieses Landsassengut 1599 gekauft, aber nicht das Landsassenrecht darauf erhalten. 1618 verpachtete er es wegen seiner Tätigkeit in Nürnberg, Regensburg u. Augsburg. 1622 verkaufte er es wieder. 21) Ratsprotokollc Weiden 1604, Bd. 2, Bl. 88 ff, 107; Bd. 3, Bl. 67. 22) Taufmatrikeln in Weiden. S. Stammtafel. 23) Ämterbuch der Reichsstadt Nürnberg 1735; Grundverbriefungsbücher des Stadtge­ richts Nürnberg. 24) Briefbücner des Staatsarchivs Nürnberg. 25) Ratsbuch Nürnberg 1611. 26) Briefbücher des Staatsarchivs Nürnberg. 27) Ebenda. 28) Ebenda. 29) Ratsbuch, Bd. 378, Bl. 169. 30) Staatsarchiv Amberg, Urkunde Nr. 402. 31) Ebenda: Urfehdebrief des Lorenz Rotfis eher vom 10. Jan. 1616. 23) Ebenda: Subdelegierte Registratur 142. 33) Staatsarchiv Nürnberg: Briefbücher N 246/1627, S. 761. 34) Staatsarchiv Nürnberg: Briefbücher, Schreiben vom 13. 9. 1627. 35) Tn Sulzbach konnte nichts ermittelt werden. 36) Vgl. Gesamtkatalog der preußischen Bibliotheken, Bd. 8 (1935), S. 1166 ff. 37) Wenn in der Literatur mehrfach auch von Übersetzungen ins Französische u. Tschechi­ sche unter Berufung auf Adolf August Friedrich Rudorff: Grundriß zu Vorlesungen über den gemeinen u. preuß. Zivilprozeß (Berlin 1837), S. 7, die Rede ist, so beruht das auf einem Mißverständnis: Rudorff meint Übersetzungen von Jakob von Theramo, nicht von Ayrer. 38) über diesen ausgezeichneten Fürsten vgl. u. a. Aug. Sperl: Geschichte der Gegen­ reformation in den pfalz-sulzbachischen u. hilpoltsteinischen Landen. In: Blätter f. bayr. Kirchengeschichte, Jg. 2 u. 3. (Auch Diss. phil. Erlangen 1890). 39) Wohl gehörte Weiden, wohin Ayrer ja wenige Jahre später übersiedelte, damals zu Pfalz-Neuburg, aber eigentlich in „pfälzische Dienste“ ist Ayrer erst in der mit der Rhein­ pfalz verbundenen Oberpfalz, in Amberg getreten. 40) S. 545—548. 556—573. (Ausgabe von 1600). 41) Über ihn s. u. a. Julius Krebs: Christian von Anhalt u. die kurpfälzische Politik am Beginn des 30jährigen Krieges. Leipzig 1872, (Diss. phil. Göttingen 1872).

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Ein unbekanntes Bild von Jakob II. Fetzer Yon Hans K i r s t e Im Jahre 1952, zur Zentenarausstellung des Nürnberger Ger­ manischen Museums, die unter dem Motto: „Aufgang der Neu­ zeit“ eine umfassende kunst- und kulturgeschichtliche Schau der Zeit von Dürers Tod bis zum Ausgang des 30jährigen Krieges bot, sandte das Anton-Ulrich-Museum zu Braunschweig als Leih­ gabe das sehr eindrucksvolle Portraitbildnis eines unbekannten, in der Blüte der Manneskraft stehenden vornehmen Herrn. (Bild auf Leinwand gemalt, 88 X 75 cm, Herzog-Anton-Ulrich-Museum Nr. 552). Das Bild fand seinen Platz in dem Raum, der den kulturhistorischen Denkmälern der Naturwissenschaft gewidmet war, in unmittelbarer Nachbarschaft des Portraits des berühmten Nürnberger Anatomen Volker Coiter. Auf den ersten Blick konnte man vermuten, daß der Dargestellte auch ein Naturforscher oder Arzt sein könnte. Das aufgeschlagene Buch mit der zur Schau gestellten Palme und der Globus sprachen dafür, dagegen sprach die fürstliche Gnadenkette, die der prächtig gekleidete Dar­ gestellte trägt. Solche Gnadenketten wurden an Gelehrte kaum verliehen, jedenfalls kenne ich kein Portrait eines mit solchem Schmuck gezierten Naturforschers oder Arztes. Aus der Inschrift geht hervor, daß der Unbekannte 34 Jahre alt sei und im Jahre 1630 abkonterfeit wurde, daß er also im Jahre 1596 geboren sein mußte. Bei eingehender Betrachtung richtete sich meine Aufmerk­ samkeit auf den Siegelring, der, wie es in alten Zeiten üblich war, am Daumen der linken Hand getragen wurde, den aber nie­ mand bisher genauer betrachtet hatte. Zu meiner großen Über­ raschung und Freude konnte ich auf dem Siegelpetschaft ohne jede Mühe das sehr charakteristische Wappen der Nürnberger Familie Fetzer erkennen. Dieses Wappen, das in seiner Helmzier zum redenden Wappen wird, zeigt im Schild einen Schräglinksbalken. Als Helmzier ragt eine weibliche Figur hervor, die ihre Arme weit ausbreitet und in jeder Hand einen Tuchfetzen hält. Der Dargestellte mußte demnach ein Angehöriger der ehrbaren Nürnberger Familie Fetzer sein, deren Vorfahre aus Ulm ein­ gewandert war, die sich hohen Ansehens erfreute und sich daher vielfach mit dem Nürnberger Patriziat verschwägern konnte. Aus den im Nürnberger Stadtarchiv befindlichen genealogischen Papieren der Familie Fetzer schloß ich, daß der Dargestellte mit 410

größter Wahrscheinlichkeit Jakob II Fetzer sein könnte. Nur mit Wahrscheinlichkeit deswegen, weil das Geburtsjahr gerade dieses Fetzer nicht auf gezeichnet war. Die Wahrscheinlichkeit wurde aber bald zur sicheren Gewißheit, als ich im Nürnberger Landes­ kirchlichen Archiv in den Taufbüchern von St. Sebald feststellen konnte, daß am 27. 6.1596 ein Sohn des Jakob I. Fetzer und seiner Gemahlin Margarete, geb. Pilgram, namens Jakob, getauft worden war. So war die Beweiskette lückenlos geschlossen, daß wir in dem Dargestellten Jakob II. Fetzer vor uns haben. Wer war nun dieser Jakob II. Fetzer, in dem sich fränkisches, schwäbisches und niederdeutsches Blut mischte? Eine recht in­ teressante, von tiefer Tragik umwitterte Persönlichkeit. Aus den genealogischen Papieren des Nürnberger Stadtarchivs und aus dem WilTschen Nürnberger Gelehrtenlexikon 1755, in dem übri­ gens 8 bedeutende Juristen der Familie verzeichnet sind, läßt sich folgendes biographisches Bild entwickeln: Jakob II. Fetzer widmete sich dem Studium juridicum und nahm den Grad eines Doktor der Rechte an. Sodann begab er sich 1622 auf Reisen nach Italien und von da aus nach Jerusalem und nach weiteren entlegenen orientalischen Orten. Sodann reiste er nach England, wo er sich mit Joachim Morsius und Owenus eng befreundete. Morsius schreibt in einem 1627 aus Hamburg datierten Brief an Owenus: „melior pars cordis nostri, Fetzerus, post longinquam peregrinationem suam per omnes prope totius terrarum orbis plagas in patriam redux, ubi jam consiliarii et legati munere fungitur.“ Nach 4jähriger Reise kehrte Fetzer endlich in die Heimat zurück, übernahm 1626 in Nürnberg eine Advokatur, um dann 1630, nachdem er zum Genannten des größeren Rates erwählt worden war, die Stelle eines Rechts­ konsulenten der Stadt Nürnberg zu erhalten, die er bis 1632 ver­ sah. Diese Ernennungen des Jahres 1630 gaben wohl den Anlaß, sich malen zu lassen. Der Maler war der Monogrammist H V B, dessen Monogramm sich bis heute nicht hat auflösen lassen. Daß das Bild in Nürnberg gemalt wurde, ist fast als sicher anzuneh­ men und es besteht wohl auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß ein Nürnberger Maler, an denen ja kein Mangel war, der Schöpfer des Bildes ist. Da Fetzer ein trefflicher Orator war, wurde er in den verschiedensten Gesandtschaften an den kaiser­ lichen Hof und sonsten gebraucht. Er verschaffte sich bald hohes Ansehen, denn Ihro kaiserliche Majestät begnadeten ihn proprio motu mit der Würde eines Pfalzgrafen (comes palatinus). Auch verschiedene Stände des Reichs (Fürsten und Städte) beehrten ihn mit der Würde eines Rates. Nun fällt auch ein Licht auf die Gnadenkette, die Fetzer auf seinem Bilde trägt. Sie zeigt den Landgrafen Wilhelm V. von Hessen (1602—1637), jenen unglück­ lichen Fürsten, der sich mit seinen Truppen Gustav Adolf an­ geschlossen hatte und ein Jahr nach des Schwedenkönigs Tod in 411

der Schlacht bei Nördlingen 1631 besiegt und seines Landes ver­ wiesen wurde. In der Verbannung starb der noch jugendliche Fürst bald nach dem Tod des von ihm ausgezeichneten Rates. Da die Stadt Nürnberg in gleicher Weise wie der hessische Landgraf bedingungslose Parteigängerin Gustav Adolfs war, bestand natür­ lich zwischen Nürnberg und dem Hessenfürsten enge diplomatische Fühlung, wobei der Nürnberger Geschäftsträger Fetzer sich zweifellos große Verdienste erwarb und dafür ausgezeichnet wurde. Der glänzenden Wirksamkeit Fetzers war leider ein allzu kurzes Ziel gesetzt. Als er sich nämlich zu Beginn des Jahres 1634 auf einer Gesandtenreise nach Wien befand, wobei er viel Geld mit sich führte, wurde er am 15. 3. 1634 zwischen Regensburg und Straubing samt den mitgegebenen Einspännigen von Marodeuren elendig*und meuchlings ermordet. Will, unser Gewährsmann, hat diese Nachricht „aus guten Händen“ von der Familie erfahren. So wurde dieser hochbegabte, für große Aufgaben bestimmte Mann in der Blüte seiner Jahre im Alter von 38 Jahren ein Opfer des grauenvollen 30jährigen Krieges, dessen Ende damals noch nicht abzusehen war. Er hinterließ eine jugendliche Witwe, Esther, Tochter des Marx Dietrich Pfaudt, sowie 3 unmündige Kinder, über deren weiteres Schicksal wir nichts Näheres wissen. Diese dürften in Not geraten sein, denn in einer Anmerkung zu Roths Verzeichnis der Genannten des Größeren Rates findet man die Notiz, daß Fetzer nach seinem plötzlichen Tod namhafte Schulden hinterlassen habe.

Noch ein kurzes Wort über die bisher noch nicht besprochenen Insignien des Portraitbildes. Der Globus, der zur Rechten Fetzers abgebildet ist, ist wohl ein Symbol für die ausgedehnten Reisen Fetzers, der überdies ein recht gelehrter Jurist gewesen sein muß, da er der Altdorfer Universität mehrere Schriften, darunter die von ihm herausgegebenen Exercitationes Justinianeas verehrt hatte. Und was mag die aufgeschlagene Buchseite bedeuten, die einen Palmbaum mit der Inschrift: „turpis est sine pulvere palma“ zeigt. Ich vermute, daß Fetzer seinen Wahlspruch als Ausdruck seiner Lebensauffassung auf diesem Blatt zum Ausdruck bringen wollte. Fetzer als gelehrter Humanist hat aus antikem Gedankengut geschöpft. Unter Berücksichtigung eines Ovidverses: „cui sit con­ ditio dulcis sine pulvere palmae“ (nur dem erfüllt sich die Vor­ aussetzung eines beglückenden Sieges, wenn es beim Kampfe Staub abgesetzt hat, wobei Ovid den Kampf beim Wagenrennen im Auge hat) hat er sich wohl seine Devise geschaffen: „Turpis est sine pulvere palma.“ Ich möchte übersetzen: „Unrühmlich ist ein leicht errungener Sieg“, oder einfacher und allgemeiner: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Es liegt eine tiefe Tragik darin, daß ein so begabter, ein so tapferer, ein so rastlos tätiger Mann durch jähes, blindes Schick412

salswalten zu früh der Welt entrissen und seiner Heimat entzückt wurde durch den jähen Tod in der Fremde, wo ihm kein Grab bereitet werden konnte. Daß die Manen dieses Mannes, der sich in schweren Kriegs­ zeiten für Heimatstadt und Vaterland opferte, nach 3 Jahrhun­ derten in Gestalt seines Bildnisses, das uns so viel erzählt, die alte Heimat wieder besuchen durften, zunächst unerkannt und dann doch wiedererkannt, ist eine eindrucksvolle Bestätigung jener Goetheworte, die als Inschrift eines Kenotaphs dieses be­ deutenden Niirnbergers gar wohl am Platze wären: Es wirkt mit Macht der edle Mann Jahrhunderte auf seines Gleichen Denn was ein guter Mensch erreichen kann, Ist nicht im engen Raum des Lebens zu erreichen. Drum lebt er auch nach seinem Tode fort Und ist so wirksam als er lebte. Die gute Tat, das schöne Wort Es strebt unendlich, wie er sterblich strebte.

(Goethe: Künstlers Apothese.) Herrn Dr. Cornelius Müller-Hofstede, dem Direktor des HerzogAnton-Ulrich-Muse ums zu Braunschweig, sei an dieser Stelle bestens gedankt für die Reproduktionsgenehmigung des Bildes sowie für mehr­ malige liebenswürdige Auskünfte. In den Inventarkatalogen des Mu­ seums wird das Bild erstmalig 1836 erwähnt mit dem Vermerk „aus den Vorräten“. Hinweise für das Erwerhsdatum liegen nicht vor. Offensicht­ lich hatte man früher dem Bild keine besondere Bedeutung zugemessen. Im „Beschreibenden und kritischen Verzeichnis der Gemäldesammlung des herzoglichen Museums zu Braun schweig“, Braunschweig 1900, be­ arbeitet von Hermann Riegel, findet sich eine sehr eingehende Beschrei­ bung des Bildes. Dort heißt es, daß das Bild erst seit dem Jahre 1859 nachweisbar ist. Offenbar wegen des Palmbaumes in dem aufgeschlagenen Buch wurde der Dargestellte eine Zeitlang irrtümlich für ein Mit­ glied der „fruchtbringenden Gesellschaft“ gehalten. Das Wappen des Siegelringes wurde von Riegel nicht beachtet. In den „kurzen Verzeich­ nissen der Gemäldesammlung des Braunschweiger Museums“ 1910, 1922, 1932 finden sich nur kurze Angaben über das Bild, die keine neuen Gesichtspunkte bringen.

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Das Altdorfer Universitätsarchiv in der Universitätsbibliothek Erlangen Von Ferdinand Weckerle

i. Das Archiv, die Registratur, der ehemals Reichsstadt Nürnbergischen Universität Altdorf, die als solche am Peter- und Paulstag des Jahres 1623 feierlich eröffnet wurde *) (voran ging ihr eine 1578 von Rudolf II. als Akademie anerkannte Hohe Schule und ein 1575 von Nürnberg nach Altdorf verlegtes Gym­ nasium), ist heute wieder als einheitlicher Komplex an einer Stelle vereinigt. Es ist Eigentum der Universität Erlangen, an die es schon mit der Aufhebung der Altdorfer Universität 1809, ge­ nauer: in der Folge des Allerhöchsten Reskripts vom 20. August 1818, übergegangen ist2). Heute ist es in die Obhut und Verwal­ tung der Universitätsbibliothek Erlangen gelangt und der Hand­ schriftensammlung angegliedert. Nun hat das Altdorfer Universitätsarchiv eine Geschichte, die für die künftige Forschung zu rekonstruieren und festzuhalten nicht ohne Interesse sein dürfte. Es war am 2. September 1796, daß Johann Ludwig K 1 ü b e r (1762—1837), 1786 außerordentlicher und 1787 ordentlicher Pro­ fessor der Rechte in Erlangen, dem dortigen Akademischen Senat „ein frohes Ereignis“ (wie er selbst berichtet) eröffnen konnte3). Nachdem am 2. Dezember 1791 die markgräflichen Lande an Preußen gekommen waren, arbeitete Klüber, im Frühjahr 1795 nach Berlin berufen, den Subjektionsvertrag vom 2. September 1796 aus, in dessen Folge Nürnberg der Krone Preußens einver­ leibt werden sollte. „In dem Staats-Subjections- und ExemtionsVerträge“, so berichtet er in dem erwähnten Schreiben an den Senat, „welcher heute zwischen des Königs, unseres allergnädig­ sten Herrn Majestät, und der Reichsstadt Nürnberg geschlossen worden, ist die Bestimmung enthalten, daß die ganze Aka­ demie Altorf (!), mit ihrem sämtlichen litterärischen Apparat, mit allen dazu gehörigen Stiftungen und Fonds, der hiesigen Universität einverleibt wer­ den s o 11.“ „Mit gerührtem Herzen“ wünscht Klüber der Erlan­ ger „Akademie“ Glück „zu diesem neuen großen Vorzüge“. Nie könne der König, nie könne Hardenberg „in einem schöneren 414

Lichte erscheinen als in der Geschichte des heutigen Tages“. Frei­ lich fügt Klüber am Schluß etwas einschränkend hinzu: „Noch erlauben Sie mir die Bitte, vor der Hand, obige Nachricht nicht gedruckt (von Klüber unterstrichen!) in das Publikum zu bringen.“ Und das war gut so! Klübers Botschaft war im Drange erster freudiger Aufwallung und Mitteilsamkeit in die geduldige Feder gebannt worden, ohne daß er dazu vom Minister beauftragt oder ermächtigt gewesen wäre. Groß war selbstverständlich die Freude und Begeisterung beim Prorektor Hänlein und beim Professoren­ kollegium. Am 10. September sah man sich zu einer Ergeben­ heitsadresse an den Minister veranlaßt. Doch auch hier zeigte sich, daß die Vorfreude die schönste Freude ist. Der Vertrag wurde nicht vollzogen. Immerhin tut diese Episode eines dar: Schon mehr denn ein Jahrzehnt vor der tatsächlichen und rechtlichen Auflösung der Altdorfer Alma Mater bestand — nicht erst beim König von Bayern — die eindeutige Absicht, Erlangen zur „Erbin von Alt­ dorfs Archiv und Bibliothek“4) einzusetzen. Erlangen ist nicht nur de jure, sondern erst recht durch die geschichtlichen Ereig­ nisse der Platz, wohin das Altdorfer Archiv gehört und wo es gesucht wird.

2. Die Geschichte des Übergangs der Altdorfer Universität mit ihren „Attributen“ an jene von Erlangen ist bekannt5). Wir wol­ len uns daher sogleich dem Altdorfer Universitäts-Archiv zuwen­ den. Teile desselben, d. h. die Matrikel der Universität Altdorf „zusammen mit dem übrigen Bücherbestand der Altdorfer Kanz­ lei“ seien, so weiß Elias von Steinmeyer 1912 zu berichten, „vor einem Vierteljahrhundert“ auf der Erlanger Universitätsbiblio­ thek deponiert worden, „während die Mehrzahl der losen Akten in der Erlanger Universitätsregistratur (dem heutigen Universi­ tätsarchiv), ein kleiner Rest im Nürnberger Kreisarchiv (heute Staatsarchiv) sich befinde“ 6). So Steinmeyer in seiner Ausgabe der Altdorfer Matrikel 1912. Die örtliche Zerreißung des Altdorfer Archivs muß demnach um 1886 oder 1887 stattgefunden haben. Als „Bücherbestand der Alt­ dorfer Kanzlei“ dürfen jene gebundenen Bände angesprochen werden, die ihres handschriftenähnlichen Charakters wegen wohl zum Bibliotheksgut gerechnet wurden, während die „losen Akten“ zunächst Archiv- und Registraturgut blieben — und wohl auch nicht das besondere Interesse Steinmeyers gefunden haben mögen, das er als Vorsitzender der Bibliothekskommission der vorer­ wähnten Gruppe verständlicherweise entgegenbrachte. Das an die UB abgegebene „Depositum“ blieb Eigentum der Universität selbst und wurde von Steinmeyer ausdrücklich als 415

solches bezeichnet und gekennzeichnet in seinem Katalog: „Die jüngeren Handschriften der Erlanger Universitätsbibliothek“ (1913) S. 186—194 unter den Nummern 1—27. Es wurde mit der Handschriftensammlung vereinigt, wissenschaftlich verzeichnet und beschrieben, ordnungsmäßig verwaltet und seither bei An­ fragen regelmäßig benützt. Nun gelangte 1952 nach erfolgreichen Verhandlungen noch der andere Teil des Altdorfer Archivs, die von Steinmeyer angeführ­ ten „losen Akten“, ebenfalls als „Depositum“, in die Obhut der UB. Dieser Teil, allerdings völlig ungeordnet und dank der Un­ gunst der Verhältnisse ziemlich verwahrlost, wurde nunmehr im Anschluß an den von Steinmeyer beschriebenen Teil neu geordnet, bearbeitet und katalogmäßig aufgenommen, und zwar zunächst in ein Standortsverzeichnis oder Repertorium. Der von Stein­ meyer bereits bearbeitete (weitaus kleinere) Teil wurde in seiner bisherigen Aufstellung belassen und in den neuen Standortskatalog, der nahezu dreißig Schreibmaschinenseiten in Din A 4 um­ faßt, nur in gedrängter Kürze übernommen, sodaß Steinmeyers Verzeichnis damit nicht hinfällig geworden ist. Die Neuaufnahme des 1952 angeschlossenen Teils beginnt daher mit Nummer 28 und wurde bis Nummer 260 durchgeführt, womit der gesamte Bestand verarbeitet war. Die Standortsbezeichnung „Depositum“ oder „Deposita“ (Dep.) wurde fallen gelassen und durch die Signatur AUA = Altdorfer Universitäts-Archiv ersetzt. 3. Auch dieser Bestandteil des Archivs, der ungefähr sechs Regal­ meter an Aktenbeständen aufweist — das Archiv ist also nicht sonderlich umfangreich und macht ja auch für den Bearbeiter den Eindruck des Unvollständigen, Torsohaften — hat seine nicht un­ interessante Sondergeschichte. Sie spielt sich ab in den Nach­ kriegsjahren des Zweiten Weltkriegs 7). 3*** Seit etwa 1947 lagerte ein großer Teil des Erlanger Universi­ tätsarchivs samt den Altdorfer Akten behelfsmäßig im Unter­ geschoß der Universitätsbibliothek, ohne deshalb in die Verwal­ tung derselben überzugehen, in einem für Archivzwecke nicht sehr geeigneten Raum. Eine Anregung der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns, das Altdorfer Universitätsarchiv „als ständiges Depot“ dem Staatsarchiv Nürnberg zu überlassen, die im April 1949 an das Rektorat der Universität Erlangen herangetragen wurde, be­ gegnete bei der Direktion der UB Erlangen von Anfang an ge­ wichtigen Bedenken. Der Beweisführung der Archivdirektion, die Akten würden von Forschern beim Staatsarchiv Nürnberg ver­ mutet, auch sollten sie nunmehr der Forschung zugänglich ge416

macht werden, konnte der Direktor der UB Erlangen entgegen­ halten, es würde, sofern das Altdorfer Archiv wieder von jenem der Universität Erlangen getrennt werden sollte, „ohne Zweifel Zusammengehöriges“ auseinandergerissen werden. Daß dem so ist, haben die oben angestellten geschichtlichen Überlegungen dar­ getan. Die Universität Erlangen als Universität des mittelfränki­ schen Raums sei für die Erforschung der Geschichte der Univer­ sität Altdorf der gegebene Ort, ferner sollte der Zusammenhang des Altdorfer Archivs mit den in Erlangen befindlichen Altdorfer Bücherbeständen gewahrt bleiben. Dieser Gedanke, daß Erlan­ gen die Erbin Altdorfs sei, war der gleiche, den schon Jahrzehnte vorher Steinmeyer geltend gemacht hatte. Für die Berechtigung des Gedankens spricht, nochmals darf es ausgesprochen werden, die Geschichte. Einer erneuten Anregung des Staatsarchivs Nürnberg vom No­ vember 1951 stattzugeben, war der Stellvertreter des Direktors der UB Erlangen nicht abgeneigt. Er befürwortete die Überlas­ sung des Altdorfer Archivs an das Staatsarchiv Nürnberg. Dies Verhalten hatte höchstens insofern einen Anflug von Berechti­ gung, als die UB Erlangen kein Interesse daran haben konnte, daß die Akten in den ungeeigneten Kellerräumen ihres Hauses verblieben. Gegen die Abgabe aber sprach sich der Direktor der Erlanger Bibliothek im April 1952 mit der gleichen Entschieden­ heit aus wie im Mai 1949. Auch konnte er darauf verweisen, daß sich die Universität ein Armutszeugnis ausstellen würde, würde sie sich unfähig erklären, das kleine Altdorfer Archiv zu ver­ walten, zu ordnen und zugänglich zu machen. Der Direktor knüpfte daran sogleich positive Vorschläge für die künftige Ver­ waltung des Altdorfer Universitätsarchivs unter Eigentumsvor­ behalt der Universität Erlangen. Angesichts ihrer rein rechtlichen und internen Natur können die weiteren Verhandlungen unberücksichtigt bleiben. Am 16. Juni 1952 konnte der Rektor dem Direktor der UB Erlangen ein Beratungsergebnis des Kleinen Senats vom 11. Juni schriftlich bestätigen, daß die noch nicht bearbeiteten Restbestände des Alt­ dorfer Archivs ebenfalls in die Betreuung der Bibliothek über­ gehen sollen mit der Maßgabe, „daß die Universitäts-Bibliothek die Ordnung und sichere Aufbewahrung übernimmt“. Zugleich wurden mit dem Rektor Abreden getroffen über die künftige endgültige Aufstellung und Verwaltung des Altdorfer Archivs. Bis dahin soll es von der Bibliotheksverwaltung betreut werden unter Eigentumsvorbehalt der Universität. Am 23. Juli 1952 bil­ ligte der Große Senat den Beschluß des Kleinen Senats vom 11. 6. 1952. Noch im Juli des Jahres fand die förmliche Übergabe des Archivs statt durch den Syndikus der Universität und einen Be­ amten der Universitätsverwaltung an den Direktor der Bibliothek und den Berichterstatter. 27

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4. Nach diesen geschichtlichen Exkursen wenden wir uns wie­ derum der Betrachtung der Kataloge zu, die das Altdorfer Archiv erschließen wollen. Im Standortskatalog wurde auf gegenseitige Verweisungen grundsätzlich verzichtet. Denn die Bestände des Archivs werden außerdem durch ein besonderes Zettelregister erschlossen, und zwar ein Personenregister auf gelben, ein Sachund Ortsregister auf weißen Zetteln. Es war das Bestreben des Bearbeiters, die Akten soweit nur möglich für dieses Zettelregister auszuwerten. Ebenso sollten auch die Einträge des Standortskatalogs inhaltlich so gefaßt sein, daß der Gegenstand eines jeden Faszikels erschöpfend daraus zu er­ sehen ist. Im allgemeinen konnten dazu die auf den Aktenbün­ deln verzeiebneten Betreffe verwendet werden; soweit nötig, wur­ den sie vom Bearbeiter ergänzt. Kurz, es war das Ziel, ein ver­ lässiges und gebrauchsfähiges Instrument für die Forschung zu schaffen. Insbesondere sollten die in den Akten auftretenden Per­ sonennamen möglichst gewissenhaft verzeichnet werden. Bedarf es doch keiner Rechtfertigung, wie fruchtbar dieses Verfahren für die Personen-, Familien- und Gelehrtengeschichte zu werden vermag. Freilich werden noch viele Wünsche (auch des Bearbeiters) offen bleiben; auch kleinere Versehen mögen sich eingeschlichen haben, die von Fall zu Fall noch zu klären sind. Auch die Per­ sonennamen ließen sich nicht in allen Fällen jetzt schon erschöp­ fend erfassen, aus Zeitmangel, wenn der fragliche Akt zu um­ fangreich war. Im Einzelfall ist dies im Repertorium vermerkt, die Exzerpierung soll von Fall zu Fall nachgeholt werden. So ist der Bearbeiter für jeden Hinweis dankbar. Völlig unmöglich war es, die Akten bei der Durchsicht einem eingehenden Studium zu unterziehen, um sie bis in ihre Einzel­ heiten zugänglich zu machen. So will der Standortskatalog samt dem Zettelregister, so ausführlich sie an sich sein mögen, zunächst nicht mehr sein als eine Wegleitung und Handreichung. Trotz­ dem, und das ist wohl der Haupterfolg, das Altdorfer Archiv ist wieder in seinem ganzen Umfang benützbar. Leider scheint es Torso zu sein und umfaßt großenteils Akten des 18. Jahrhunderts. Nichtsdestoweniger werden sich noch inter­ essante Einzelheiten heben und vielleicht glückliche Entdeckun­ gen machen lassen. Das wird die Forschung erweisen, die nun­ mehr freundlichst aufgerufen ist, sich des Altdorfer Archivs zu bedienen 8). Zur allgemeinen Unterrichtung sei ein Überblick über den Teil des Archivs ab Fase. 28 im folgenden angeführt, für Fase. 1—27 sei nochmals auf Steinmeyer verwiesen. 418

Zur Geschichte der Universität. 28—38. — Beziehungen zu aus­ wärtigen Universitäten. 39—43. — öffentl. Anschläge und Bekannt­ machungen 1585—1809. 44. — Programmschriften von Altdorfer Professoren. 45. — Leges et Statuta 1623—1657. 46. — Vorlesungs­ verzeichnisse 1643—1809. 47. — Pariser Preisfragen 1800. 48. — Altdorfer Promotionen. 49—56. — Dekane und Fakultäten. 57—64. — Rektor, Prokanzler, Professoren, Beamte. 65—79. — Personal­ akten von Altdorfer Professoren. 80—123. — Personalakten von Altdorfer Bediensteten. 124—131. — Die Studenten der Univer­ sität Altdorf. 132—158. Senatsgegenstände und Missiven. 159—179. — Institute und Anstalten, Gebäude. 180—203. — Gerichtsbarkeit und Polizei. 204—208. — Finanzen und Wirtschaft. 209 ff. — Ver­ mögens- und Stiftungsverwaltung. 209—222. — Testamente, Le­ gate, Schenkungen. 223—230. — Haushalt, Besoldungen u. ä. 231—240. Rechnungen. 241—248. — Wirtschaft. 249—257. Diversa. 258—260.

Anmerkungen 1) Ältere Literatur zur Geschichte der Altdorfer Universität: W. Erman u. E. Horn: Bibliographie der dt. Universitäten, T. 2 (1904), S. 1—31. — Neuestens: Anton Ernst­ berger: Die feierl. Eröffnung der Univ. Altdorf, in: Jahrbuch f. fränkische Landesforschung 11/12 (1953), S. 109—122. 2) J. C. Irmischer: Dipl. Beschreibung der Manuscripte, welche sich i. d. Univ.-Bibi, zu Erlangen befinden. Nebst der Gesch. dieser Bibi. Bd. 1 (1829), S. 133 ff. — G. Werner u. E. Schmidt-Herrling: Die Bibliotheken der Univ. Altdorf. 1937. (69 Beih. z. Zentralbl. f. Bi­ bliothekswesen) S. 1 ff., 132 ff. — Ilse Haeckel Geschichte der UB Erlangen von 1792—1844. Diss. Erlangen 1953. Masch.-Schr., S. 70 ff. — Die vorlieg. Werke behandeln zwar nicht das Altdorfer Archiv als solches, wohl aber die Bibliotheken der Altdorfer Universität, mit denen das Archiv als eines der „Attribute“ nach Erlangen gelangte. 3) ADB 16 (1882), S. 335 ff. — Zu dem zit. Schreiben Klübers an den Akad. Senat: Erlangen Univ.-Archiv Th. I. Pos. 1. Nr. 57: Erl. Univ.-Acta, Die der hiesigen Universität einverleibende (so!) Universität zu Altdorf betr. d. 2. Sept. 1796. Das Schreiben ist vom 2. 9. 1796 datiert. 4) E. v. Steinmeyer: Die Matrikel der Univ. Altdorf. T. 1 (1912), S. LVIII. (Veröff. d. Ges. f. fränk. Gesch., R. 4, Bd. 1, T. 1.) 5) Vgl. Anm. 2. Ein weiteres Aktenstück, das für diese Zusammenhänge sehr wertvoll gewesen wäre — „Die Bibliotheken u. anderen Attribute der aufgelösten Univ. Altdorf betr.“ 1819/20, Erl. Univ.-Ardiiv Th. V, Pos. 1, Nr. 5 — ist nicht auffindbar, wie ich midi mit einem Beamten der Univ.-Kanzlei persönlich überzeugte. Ich behalte mir vor, falls es zum Vorschein kommen sollte, gegebenenfalls darauf zurückzukommen. 6) E. v. Steinmeyer: Matrikel, a. a. O. S. XXI. 7) Den Einblick in den angefallenen Schriftwechsel verdanke ich Herrn Direktor Prof. Dr. F. Redenbacher. 8) Ein sehr interessantes Gutaditen vom Jahre 1938 über die Altdorfer Akten und ihre rechtsgeschichtliche Auswertung verdanken wir Herrn Prof. Dr. H. Liermann in Erlangen. Darnach hat der Rechtshistoriker J. A. Roderich von S t i n t z i n g (1825—1883, 1857 Prof, der Redite in Erlangen) die Altdorfer Akten für seine wissenschaftlichen Werke („Hugo Donellus in Altdorf“, 1869, und „Gesdiichte der dt. Reditswiss.“, Abt. 1, 1880) weitgehend benützt.

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Buchbesprechungen August Sieghardt: Nürnberg alt und neu. Handbuch und Stadt­ führer, in Verbindung mit den zuständigen Stellen und der Verlags­ redaktion verfaßt. Nürnberg (Glock & Lutz Verlag) 1954 (304 S.). Vor uns liegt ein ansprechendes und liebevoll ausgestattetes, zum Gebrauch recht handliches Buch: Nürnberg alt und neu. Es gehört Mut dazu, über unser Nürnberg von einst und jetzt etwas Zusammenfassendes zu schreiben und herauszugeben. Denn es ist wirk­ lich nicht leicht, die sich darbietende Fülle an Material zu bändigen, das zu überprüfen, was würdig ist, aufgenommen zu werden und was nicht, festzustellen, was nur augenblicklich wertvoll erscheint und was von Dauer sein dürfte. Alles in allem gesehen, hat der Verfasser und der Verlag hier einen durchaus gangbaren Weg eingeschlagen und darüber hinaus jedem jetzt und wohl auch in späterer Zeit Interessierten einen Dienst erwiesen. Vor allem ist wertvoll, daß die Gegenwart so gründlich untersucht und berücksichtigt worden ist. Die Zusammenstellung der Namen von Persönlichkeiten, die an der Formung des heutigen Nürn­ berg führend mitgearbeitet haben, der gelungene Überblick über alle Verwaltungsstellen, Behörden und Kulturinstitute wie nicht weniger über die Wirtschaftsgremien und über die bedeutendsten Firmen, das alles ist mit Mühe und mit Geschick zusammengetragen worden. Das muß dankbar anerkannt werden. Ein Rundgang durch das heutige Nürnberg und seine Umgebung mit einem sich naturgemäß dabei ergebenden Blick in die Vergangenheit, alles läßt erkennen, wie viel Literatur herangezogen wurde, um all das Ge­ botene lebendig weiden zu lassen. Eine reiche Fülle von wohlausgewählten Bildern und Skizzen, zudem auf gutem Papier geboten, erhöhen den guten Eindruck des geschmackvoll gebundenen Bändchens. Aber, und auch das darf nicht verschwiegen werden, manches gefällt nicht. Es ist schwer bei der Fülle von Namen und Daten Fehler zu ver­ meiden. In einem Fall wie bei Nürnberg hat man gewissermaßen das Recht, sich da und dort einmal zu irren. Aber inan darf doch von einem solchen Rechte keinen allzu großen Gebrauch machen. Und hier muß man, soweit das Gebiet des Geschichtlichen in Frage kommt, leider und mit berechtigtem Vorwurf sagen, daß der Verfasser das erträgliche Maß an Fehlern denn doch weit überschritten hat. Eine Aufzählung der Irrtüiner würde Seiten füllen. Nur ein paar Beispiele: Umschlagseite: Es ist irrig zu behaupten, Kaiser Friedrich habe der Stadt Nürnberg den Königskopfadler als Wappen verliehen. S. 10: Es ist falsch, daß in der Klosterchronik von Niederaltaich steht, der Hof tag sei am 16. 7. 1050 gewesen, ebensowenig steht dort etwas von einem Hof tag des Reichs­ oberhauptes. Es ist eine Verwechselung, daß 1062 der Markt .samt Zoll und Münzrecht aus dem bambergischen Fürth nach Nuorenberg durch Kaiser Heinrich III. verlegt worden sei. Es ist falsch, daß 1070/1 St. Sebald eine kleine Kapelle erbaut habe. Er war damals schon tot, denn damals ereigneten sich an seinem Grabe bereits Wunder. Es ist nirgends be-

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zeugt, daß 1093 die Burggrafenburg gebaut wurde (alles S. 10). — S. 11: Kaiser Friedrich II. hat Nürnberg nicht zur königlichen Stadt erhoben und auch nicht zur freien Reichsstadt gemacht. Davon steht in der Ur­ kunde von 1219 nichts. In Nürnberg gab es keinen hohen Rat, sondern mir einen innern Und äußern Rat; es liegt wohl eine Verwechselung mit dem Hohen Rat der Bibel vor. 1256 war Nürnberg keine freie Reichs­ stadt. Der Ausdruck kommt in amtlichen Dokumenten überhaupt für Nürnberg im Mittelalter niemals vor. Was ist wohl gemeint mit der „Ausschaltung des Einflusses der hohenzollerischen Burggrafen auf der Nürnberger Burggrafenburg“? S. 15: Es ist falsch, daß der große Frei­ heitsbrief von 1219 im Siegel den Königskopfadler trägt. Der Königs­ kopfadler betont nicht die Freiheit, sondern die Zugehörigkeit und die Hoheit des Königs über Nürnberg. Für eine Verwendung des Buches im Geschichtsunterricht möchte ich daher das Buch nidit gerade empfehlen. Seine Brauchbarkeit auf anderen Gebieten soll jedoch hiermit nicht geleugnet werden. Dr. Wilhelm Kraft. Historischer Atlas von Bayern, in Verbindung mit der Bayer. Archivverwaltung und dem Bayer. Landesvermessungsamt hg. von der Kommission für Bayer. Landesgeschichte bei der Bayer. Aka­ demie der Wissenschaften. Teil Franken, in Verbindung mit dem Institut für fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen, Heft 4: Hanns Hubert Hofmann, Nürnberg-Fürth. Mün­ chen, Verlag der Kommission, 1954. XI, 288 S., 4 Karten, 2 Beilagen. Als die Kommission für bayer. Landesgeschichte i. J. 1947 zur Ver­ wirklichung des schon lange geplanten Historischen Atlasses von Bayern schritt, zeigte es sich bald, daß das verwickelte staatsrechtliche Gefüge der fränkischen Lande einer umfassenden Beschreibung große Schwierig­ keiten in den Weg legte. Hier die sachdienlichste, alle Probleme ein­ fangende und zur Lösung bringende Methode entwickelt zu haben, ist nach dem Vorgang von Prof. Frhr. v. Guttenberg vor allem das Ver­ dienst Hanns Hubert Hofmanns. Ihm verdanken wir auch einen lehr­ reichen Bericht über Aufbau und Quellen des Hist. Atlasses Teil Franken (Jahrb. f. frk. Landesforschung 11/12, 1953, 407 ff.), besonders aber die mustergültige Bearbeitung dreier fränkischer Atlasbände. Behandelt „Höchstadt-Herzogenaurach“ (H. 1, 1951) den südwestlichen Grenzraum des Hochstifts Bamberg, und zeigt „Neustadt-Windsheim“ (H. 2, 1953) ein hauptsächlich von Brandenburg-Bayreuth bzw. Preußen durchorgani­ siertes Territorium, so leuchtet der vorliegende Band das heute von den Stadt- und Landkreisen Nürnberg und Fürth verwaltungsmäßig erfaßte Geibiet aus, dessen Geschichte in erster Linie durch die Auseinander­ setzung Brandenburg-Ansbachs mit dem Stadtstaat Nürnberg geprägt worden ist. Eine auf ausgezeichneter Quellenkenntnis fundierte, mit dem Blick für das Wesentliche begabte darstellende Beschreibung rafft die Vielfalt der staats- und verfassungsrechtlichen Erscheinungen zum überschaubaren Bild, das mit gutem Kartenmaterial verdeutlicht und durch detaillierte Statistiken wirkungsvoll vertieft wird. Der 1. Hauptteil ist der Reichsstadt mit den Reichswäldern und dem Pflegamt Altdorf sowie den markgräflichen Oberämtern Cadolzburg und Burgthann am Ende des alten Reiches gewidmet. Mit treffsicheren Strichen skizziert Verf. die Organisation der ansb. Ämter (unter Be-

achtung der hochgerichtlichen, vogteilichen, kameralwirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen Kompetenzen); die komplizierten Verhältnisse in Fürth; Besitz und Rechte des Hochstifts Bamberg, der Reichs ritterschaft, der Markgrafschaft Bayreuth und des Deutschen Ordens. Ausführlich — und dies wird ihm der Freund Nürnberger Geschichte zu Dank wissen — befaßt sich H. mit der Reichsstadt und ihrem Landgebiet (S. 51—74): unter Heranziehung bisher nicht beachteter Quellen ersteht ein will­ kommener Überblick über Verfassung, Finanzverwaltung, Gerichtsbar­ keit, Stiftungen, Kirchen, Bildungs- und Sozialwesen, Bau-, Zinsmeisterund Kriegsamt, Polizei und Wirtschaft. Zur schnellen Orientierung wird dieser Abriß künftig unentbehrlich sein. Die sich anschließenden Übersichten (aufschlußreich die statistische Auswertung S. 77—80!) legen im Querschnitt die Zustände i. J. 1792 bloß. Ke Behördenstatistik erfaßt unter 7 Staaten 183 Träger von Hoheits-, Gerichts- und grundherrlichen Rechten und unterrichtet über den ört­ lichen Geltungsbereich. Kirchliche Gliederung und Forstorganisation leiten über zur Ortschaften-Übersicht mit Angaben über Anwesenzahl, zuständiges Fraischamt, Dorf- und Gemeindeherrschaft, Pfarrzugehörigkeit, Grundherrschaften. Hervorgehoben seien „Nürnberg-Stadt“ (u. a. öffentliche Gebäude. Familien- und Seelenzahl, Aufteilung der Häuser und Haushaltungen nach Vierteln), „Nbg.-Burgfrieden“ und „Fürth“. So nüchtern-knapp sich die Ortsartikel geben, sie beweisen eindrucksvoll, wie richtig es ist, Franken als das klassische Land territorialer Zersplit­ terung zu kennzeichnen. Wie es zur Ausgestaltung dieser Zustände in unserem Gebiet, in dein „altes Königsgut mit adeligem Rodungs- oder der Krone entwendetem Gut und jüngeres Reichsland mit daraus ge­ zogenem Ministerialenbesitz vereinigt waren“, gekommen war, erörtert Verf. in einem großlinigen, teilweise eigene Forschungen verwertenden geschichtlichen Überblick, der mir nicht zuletzt auch deshalb wertvoll erscheint, weil die wichtigsten Rechtsbegriffe (etwa Landesherrschaft, Landeshoheit, Vogtei, privative limitierte Cent) verständlich definiert werden. Die einzelnen Entwicklungsstadien hier auch nur anzudeuten, würde zu weit führen. Doch sei wenigstens aufmerksam gemacht auf die gestraffte Schilderung des erbitterten Ringens zwischen Markgrafen und reichsstädtischein Rat um das Land „inner den drei Grenzwassern“, auf die z. TI. neuartige Beurteilung der großen reichskammergerichtlichen Prozesse: Blieb der Kampf um die Landesherrschaft unentschieden, so gelang es dem Markgrafen (mit Hilfe des Fürstenprivilegs v. J. 1383) im eigentlichen Fraischprozeß die Hochgerichtsbarkeit über seine Grund­ holden durchzusetzen (1583), um sogleich, auf dieses gesicherte Recht gestützt, seinen Fraischansprach über Teile der Pflegämter Altdorf und Lauf sowie den gesamten Reichswald bis zum Mauerring der Stadt aus­ zuweiten. Als dann Preußen das Erbe der Markgrafschaften angetreten hatte, ging es den entscheidenden Schritt weiter und brachte durch Okkupation des umstrittenen Gebietes die unnatürliche Spannung zur gewaltsamen Lösung (1792—1796). Kurbayern hatte bereits 1790 Nürn­ berger Landgebiet im Osten besetzt. Eine neue Zeit war angebrochen. Die „revolutionäre“ Entwicklung ab 1790 bis zum Übergang Ans­ bachs und Nürnbergs an Bayern (1806) sowie die organisatorischen Ver­ änderungen und Umbildungen in der bayerischen Zeit bis zur Gegen­ wart (1950) kommen im 2. Hauptteil zur Darstellung. Auch hier folgen einer gerundeten Beschreibung instruktive Übersichten: Reform der reichsstädtischen Verfassung in Nürnberg nach 1797; preuß. Behörden-

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Organisation (einschließlich Pfarrorganisation) 1797—1806 (1810); bayer. Organisation der Behörden, gutsherrlichen Gerichte, Pfarreien (seit 1810; zu ergänzen: Nbg.-Reichelsdorf, kath. Pfarrei St. Joseph seit 16.10.1949) und endlich der nach Stadt- und Landkreisen aufgegliederten Gemein­ den mit Angabe u.a. über zuständigen Steuerdistrikt, Wohngebäude- und Einwohnerzahlen 1824 und 1950, Zugehörigkeit zu gutsherrlichen Ge­ richten. Die in einer Mappe vereinigten vom Yerf. entworfenen Karten und die Beilagen tragen wesentlich zum Verständnis bei: Die prächtige Hoch­ gerichtskarte (Stand 1792) 1:50 000 (Format 116X75 cni), mit ihren strittigen Grenzzügen und Anspruchspfeilen die im Untersuchungsbereich wirkende Dynamik widerspiegelnd; die übersichtlichen Behördenorganisations-Karten (preuß. 1797 ff., bayer. 1818, Gerichtsorganisation 1862) im Maßstab 1 : 100 000, deshalb auch bemerkenswert, weil es gelang, im Raum um Nürnberg-Fürth einen Ausschnitt aus dem Plan der Land­ gerichte Nürnberg und Erlangen v. J. 1827 mit einzukopieren. Die auf allen Karten eingezeichneten heutigen Yerwaltungs- und Gerichtsgrenzen geben augenfällig Bescheid über Fortbestehen oder Änderung alter Grenzen. Die vorbildliche kartographische Leistung H. FleischmannsMünchen ist über Jedes Lob erhaben. Neben dem Plan des Wachstums der Stadt Nürnberg 1818—1952 wird hauptsächlich die Wiedergabe des „Geometrischen Grundrisses der Reichsstadt Nürnberg anno 1793“ (ein­ schließlich der Schanzen) jeden Nürnberger entzücken. Zu Karten und Beilagen finden sich erwünschte Erläuterungen in der Einführung, die auch bedeutsam ist wegen ihrer quellenkundlichen Hinweise und der Nennung des wesentlichsten Schrifttums. Bei der Erfassung des reichhaltigen Quellenstoffes und der Zu­ sammenstellung der statistischen Unterlagen standen u. a. hilfreich zur Seite Joh. Winkler-Fürth (Teil I Ortsübersicht), Dr. Schultheiß (Nbg.Stadt), Dr. Nagel (N'bg.-Burgfrieden) und Dr. Schwammberger (Fürth). Ein gutes Register schließt den glänzend gelungenen Atlasband ab. den Hanns Hubert Hofmann mit berechtigtem Stolz seiner Vaterstadt Nürnberg gewidmet hat. Nürnberg Dr. Otto Puchner. Hans Hubert Hof mann: Neustadt-Windsheim. (Historischer Atlas von Bayern — Teil Franken — Band II). München 1953. 256 Seiten und 3 Karten. Der vorliegende Band, der wieder im Auftrag der Kommission für bayerische Landesgeschichte verfaßt ist, schildert die territoriale und verwaltungsmäßige Gliederung und Entwicklung innerhalb der heutigen Amtsgerichtsbezirke Neustadt an der Aisch und Windslieim von 1792 bis zur Gegenwart. Gemäß dem Ziel dieser Publikationsreihe wird der staatsrechtliche Zustand vom Ende des alten „Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation“ bis in unsere Zeit verfolgt. Der gewählte Unter­ suchungsbereich geht von den heutigen Verwaltungsbezirken aus, die zwar anläßlich der Bildung des Königreichs Bayern um 1810/8 formiert worden sind, aber letzten Endes auf ehemalige reichunmittelbare Ge­ biete zurückgehen. Es sind dies das sog. „Unterland“ des Markgrafen­ tums Brandenburg-Bayreuth, die „Landeshauptmannschaft Neustadt a. d. Aisch“, die 1792 an das Königreich Preußen fiel. 1806 unter fran­ zösische Verwaltung und erst 1810 an Bayern kam. sowie die Reichs-

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stadt Windsheim, die Deutschordenskomimende Virnsberg sowie reichsritterschaftlicbe Bezirke wie z. B. das zum Ritterkanton Altmühl ge­ hörige Rittergut „Obernzenn“ der Freiherrn von Seckendorff. Der Ver­ fasser begnügt sich nicht mit einer mehr oder minder statistischen Dar­ stellung des Gegenstandes, auf den sich z. B. die Bände aus Altbayern wegen der dort herrschenden Gleichmäßigkeit der Zustände im Gesamt­ staat beschränken können. Wegen der politischen Zerrissenheit des Frankenlandes und bisher mangelnden Erforschung dieser Landschaft gibt Hofmann in der knappen, aber alles Wesentliche erfassenden Ein­ leitung einen ausgezeichneten Überblick über die staatsrechtliche Ent­ wicklung im Untersuchungsgebiet, insbesondere im Markgrafentum Ansbach-Bayreuth und deren preußischer Verwaltung unter Harden­ berg; er verweist aber auch manchmal auf Band I (HerzogenaurachHöchstadt/Aisch), in dem dasselbe Thema für die Verwaltungsgliederung des Fürstbistums Bamberg und des Königreichs Bayern behandelt wurde. Der Verfasser konnte sich dabei auf die vorzüglichen Vorunter­ suchungen von Michel Hof mann (Bamberg), Herding (Ansbach), Süß­ heim (Franken unter Hardenberg) und Tarrasch (Anfall Frankens an Bayern) stützen. Besonders wertvoll sind die Ausführungen H. H. Hof­ manns über die Hochgerichtsbarkeit als Merkmal des Territoriums oder Staatsgebiets und die Entwicklung der Landeshoheit. Da das Werk auch den Lokalhistorikern für die Abfassung von Ortsgeschichten als Hilfe und Unterlage dienen soll, wäre es vorteilhaft gewesen, wenn die schwer verständlichen Fachausdrücke des 18. Jh. wie „jurisdictio colonaria“ mit dem einfacheren „Niedergericht“ oder „limitierte privative Cent“ nicht erst auf S. 25 als Recht erklärt würde, nach dem „der ört­ liche fremdherrische Beamte das Festnahmerecht ausübte und den De­ linquenten binnen bestimmter Frist dem zuständigen Hochrichter zu stellen hatte“. Es liegt also der meistens durch Staatsverträge begrün­ dete Zustand vor, daß ein Staat auf dem Herrschaftsgebiet eines ande­ ren das Blutgericht in beschränktem (limitierten) Umfang so ausüben durfte, daß der Übeltäter festgenommen und an das „ausländische“ Hochgericht abgeliefert werden durfte. Die beigegebene Karte I im Maßstab 1 : 100 000 gibt die Grenzen der im Untersuchungsgebiet liegen­ den reichsunmittelbaren Stände und die für Franken typischen, ver­ wickelten staatsrechtlichen Zustände wieder, die durch unübersichtliche Kompetenzüberschneidungen und jahrhundertealte und zahlreiche Territorialsreitigkeiten gekennzeichnet sind. Der Leser begreift bei Be­ trachtung dieser Karte, wie notwendig die „politische Flurbereinigung“ in Franken vor etwa 150 Jahren war. Teil I stellt in gewissem Sinne einen allerdings notwendigen Vor­ griff auf das künftige sog. „Historische Ortsnamenbuch“ dar, das eine Entwicklung der territorialen Verhältnisse des Untersuchungsbezirks in zeitlicher und genetischer Form bringen soll. Treffend ist die Ent­ stehung des modernen Staates dargestellt. Der Karte I ist die Hochgerichtsbarkeit als wichtigstes Merkmal des Territoriums zugrunde ge­ legt. Die übrigen einzelnen Merkmale der „Landeshoheit“ sind im alpha­ betischen Ortschaftsverzeichnis des Abschnitts III angegeben. Zunächst wird eine Übersicht über die einzelnen „Staaten“ und deren Behörden­ gliederung gegeben. Dann wird bei jeder -Siedlung die Zahl der Wohn­ stätten und der Inhaber der Blutgerichtsbarkeit, der Dorf- oder Ge­ meindeherrschaft, der Grundherrschaft. Vogtei und Steuer sowie die Ausübung kirchlicher Rechte (Pfarrei. Patronat, Kirchweihschutz.) fest-

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gestellt. Gerade dieser auf umfassenden Studien beruhende Teil unter­ streicht noch stärker als Karte I die staatsrechtliche Zersplitterung Fran­ kens; dieser ist für jede Ortsgeschichte von größtem Wert. Hier er­ fährt nämlich der Forscher, in welchen Archiven er nach weiterem Material für sein Dorf zu suchen hat. Die staatsrechtliche Entwicklung der Reichsstadt Windsheim kann nun nach der gleichzeitig erschienenen Studie von Werner Schultheiß über „Die Entwicklung Windsheims vom Markt des Hochstifts Würzburg zur Reichstadt im 13. Jh. (73. Jahres­ bericht des Histor. Vereins für Mittelfranken, Ansbach 1953) noch schär­ fer und klarer gesehen werden. Am Ende des 13. Jh. tritt Windsheim plötzlich und unvermittelt als Reichsstadt mit einer voll ausgebildeten Stadt- und Rats Verfassung auf. Da die Aufsichts rechte des königlichen Richters (Amtmanns) durch dreimalige Verpfändung zu rück tritt und der Kaiser im 15. Jh. der Stadt den Blutbann leiht, kann Windsheim seit dem Ende des 14. Jh. als „Stadtstaat“ betrachtet werden, der bei selb­ ständiger Leitung durch den Stadtrat als unmittelbarer Reichsstand un­ ter dem Kaiser stand. Für die vorliegende Besprechung sei hervorgehoben, daß Nürnberg um Neustadt und Windsheim nicht unbeträchtliche Besitzungen aufge­ wiesen hat, daß es die Landeshoheit über das Rittergut Retzelsdorf der Patriziatsfamilie Kreß von Kressenstein und zwei Untertanen, nicht dagegen aber über 138 weitere Hintersassen der Grund- oder Eigen­ herrschaft von 6 Nürnberger Wohltätigkeitsstiftungen und 13 Patriziern (Bürger) behaupten konnte (vgl. S. 67/8). Nürnberg konnte nur die nie­ dere Vogtei und die Steuerhoheit ausiiben, die aber 1796 von Preußen gewaltsam in Besitz genommen wurden. Wegen Vestenbergsgereuth sind die Holzschuher und wegen Heroldsberg die Geuder an reichsritterschaftlichen Kantonen Frankens beteiligt. 3,5 °/o der Dorf- und Gemeinde­ herrschaft hat Nürnberg inne, während Bayreuth über 57 °/o gebietet. Die Reichsstadt Windsheim, die mitten im Untersuchungsgebiet liegt, besitzt dagegen 276 Untertanen auf dem Land. Welche Hoheitsrechte dieser Reichsstadt zustehen, wird im einzelnen auf S. 68/9 ausgeführt. Ihre Behördengliederung wird auf S. 36/7 kurz geschildert. In der sehr wertvollen soziologischen Aufschlüsselung der unter­ suchten etwa 6600 Wohn- und Wirtschaftseinheiten (Höfe und Häuser) auf S. 54 gliedert der Verfasser auf in herrschaftliche und öffentliche Gebäude (rund 4°/o), Gewerbebetriebe einschl. Hirtenhäuser und Müh­ len (rd. 7.8 °/o), größere bäuerliche Anwesen mit Vi Quartierhoffuß (rd. 8%). mittlere mit V2 Hoffuß (rd. 26.1 °/o), kleine mit lU Hoffuß (rd. 17 °/o) und ungebundene Einheiten einschließlich der Bürgerhäuser in den Städten mit ca. Vs Hof fuß (rd. 37,1 °/o). Die erwähnte Statistik hätte noch schärfer gefaßt werden können, wenn Hofmann noch Folgendes herausgehoben hätte. Unter den 355 Orten des Untersuchungsbereiches befinden sich nur 2 Städte und zwar ..Mittelstädte“, nämlich Neustadt a. d. Aisch und Windsheim, erste res landesfürstliche Stadt, letzteres Reichsstadt. Beide weisen ca. 230 -f ca. 570 = ca. 800 Häuser, also 12,1 °/o von ca. 6600 untersuchten Einheiten, auf. Wenn auch die Bürger nebenbei Landwirtschaft getrieben haben, können beide Orte als die wichtigsten, wenn auch bescheidenen Zentren von Handel und Crewerbe im Aischgrund angesprochen werden. Neben sie treten 8 Landmärkte (Bergei, Burgbernheim, Dachsbach. Diethofen. Markt Erlbach, Ipsheim, Neuhof, Obernzenu. wobei die Marktqualität von Lenkersheim und

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Sugenheim unerörtert bleibt) mit 732 Einheiten oder 11,1 °/o der Ge­ samtsumme. Daß etwa 23,1 °/o auf Bürger von Städten und Märkten fallen, läßt den vorwiegend agrarischen Charakter dieser Landschaft erkennen, der sich trotz der Umwälzungen des 19./20. Jh. glücklicher­ weise erhalten hat. In Teil II wird nun der Anfall an Preußen und Bayern und die da­ durch verursachten organisatorischen Veränderungen dargestellt. Be­ sondere Berücksichtigung finden die Zugehörigkeit der einzelnen Orte zu adeligen Patrimonialgerichten und deren Auflösung, die Bildung der Gemeinde- und Steuerdistrikte durch das Königreich Bayern, auf denen die heutigen Gemeindebezirke beruhen. Die Ortsstatistik behandelt diese Fragen für die einzelnen Siedlungen. Die Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen von 1824 und 1950 zeigt entweder die eingetretene Bevölkerungsvermehrung oder die Landflucht an, die vor allem durch die Lage an Verkehrswegen zu Städten (Nürnberg, Fürth) bedingt ist. Mit Recht bemerkt Hofmann, daß die Führung der Eisenbahnlinie Würzburg—Nürnberg über Uffenheim, Windsheim, Langenzenn statt über Neustadt/Aisch eine andere Wirtsdiaftsstruktur des Untersuchungs­ bereichs seit 1866 gezeitigt hätte. Auf S. 178 erwähnt der Verfasser, welche Privatrechte in dieser Landschaft bis zur Einführung des Bürger­ lichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 gegolten haben. Es wäre m. E. not­ wendig, dieses Problem nicht beiläufig, sondern ihrer früheren Bedeu­ tung gemäß in einem eigenen Abschnitt vor dem alphabetischen Ver­ zeichnis der Orte grundsätzlich zu behandeln. Es würde wahrscheinlich zu weit führen, die „Zivilgesetzesstatistik des Königreichs Bayern“ von O. von Völderndorff (2. Aufl. 1880) in die Ortsstatistik einzuarbeiten. Die ebenso vorzüglich und sauber bearbeiteten und gedruckten Kar­ ten II und III erläutern die preußische und die bayerische Organisation. Bei dem ungeheueren Aktenstudiuin und der anerkennenswerten Ge­ samtleistung wäre es unbillig, einige Flüchtigkeitsfehler als Kriterium des Werkes betrachten zu wollen. Matthäus Geuder hat 1925 eine Chro­ nik der Stadt Windsheim veröffentlicht (S. 18 Anm. 14, wo aber Schir­ mer gemeint war). Das Archiv der Stadt Windsheirn verwahrt unter der Signatur E 112 Landsteuerrechnungen statt der zitierten Hubkasten­ amtsrechnung (S. 3). In dem sehr umfangreich ausgestalteten Sachregi­ ster hätten u. a. gegenseitige Verweise bei Bevölkerungs- und Peuplierungspolitik gemacht werden können. Zu S. 45 wäre nachzutragen, daß bei Weimersheim noch heute Weinbau betrieben wird, der im Windsheimer Gäu noch bis in die Mitte des 19. Jh. eine bedeutende Rolle spielte und erst durch die fabrikmäßige Herstellung des Biers seit etwa 1860/70 verdrängt wurde. Dr. Werner Schultheiß. Wilhelm Schwemmer : Die Burg und das ehemalige Bainberger Oberamt Veldenstein (— Sonderdruck aus dem 92. Bericht des Histori­ schen Vereins für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg, Jahrbuch für 1952/1953, Seite 35—159). Mit 3 Tafeln und 1 Karte. Die Abhandlung Schwemmers enthält mehr, als der Titel verspricht. Sie bietet einen guten Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Gegend um Neuhaus/Veldenstein und faßt die Studien zusammen, über die Schwemmer dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg im Jahre 1950 in einem Vortrag (vgl. Jahresbericht über das 73. Vereinsjahr 1950,

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S. 12 ff.) und in diesen „Mitteilungen“, Bd. 42, 1951, S. 14—29 berichtet hatte. Schade, daß Schwemmer meinen Aufsatz „Siedlungsbewegungen im Yeldener Forst“ (Jahrbuch für fränkische Landesforschung 11/12, 1953, S. 221—235), der seine Beobachtungen teilweise ergänzt, nicht mehr ver­ werten konnte. Immer bemüht, über das rein Lokalgeschichtliche hinauszusehen, ge­ winnt der Verfasser eine für heimatgeschichtliche Veröffentlichungen geradezu vorbildliche Weite des Gesichtskreises. Das bambergische Ober­ amt Veldenstein erwies sich als für eine solche Behandlung besonders geeignet, lag doch die Burg Veldenstein in der Nähe einer Vierländer­ ecke (Bamberg, Bayreuth, Pfalz-Bayern, Nürnberg). Die Burg Velden­ stein, das „neue Haus“, ist eine späte Burg. Sie wurde, wahrscheinlich unter Kaiser Friedrich II. (1215—1250), vom Bamberger Bischof erbaut. In Erinnerung an den früheren bambergischen Verwaltungssitz Velden, den der Bischof aufgeben mußte, erhielt die Burg den Namen „Velden­ stein“. Velden, der ehemalige Königshof, verlor mehr und mehr an Bedeutung, als Verwaltungsmittelpunkt wurde der Ort durch die Stadt Auerbach und den Markt Königstein verdrängt. Auch als Mittelpunkt eines alten Pfarrsprengels, als Verkehrszentrum ging Velden seitdem zurück. Schwemmer schildert im einzelnen die äußere und die Baugeschichte der Burg; dabei unterstützen ihn seine umfassenden kunstgeschichtlichen Kenntnisse. Besonders wichtig und weit über den ortsgeschichtlichen Rahmen hinausgreifend erscheinen die Ausführungen über die Aufgaben und die Verwaltung der Burg im Abschnitt „Burgmannen und Burghuten“. Viele grundsätzliche Beobachtungen über diesen Gegen­ stand werden geboten. Dabei war es günstig, daß im Recht9buch des Bischofs Friedrich von Hohenlohe von 1348 ein Verzeichnis sämtlicher Veldensteiner Burghuten und ihrer Inhaber überliefert ist: 14 Burghuten gibt es in Veldenstein, davon 10 unterhalb der Burg, also im Bereich des heutigen Marktes Neuhaus. Unter den Burgmannen befindet sich kein einziger Adeliger. Es waren freie Großbauern, denen das Haupt­ verdienst an der Rodung und Kultivierung des Landes zukommt, „eine Ausnahmeerscheinung im gesamten deutschen Burgmannenwesen“. Diese nichtadeligen, bäuerlichen Burgmannen werden im Laufe des 14. Jahr­ hunderts von den Adeligen aus ihren Rechten und Besitzungen verdrängt. Die Entstehung und Entwicklung des Marktes Neuhaus hängt mit dieser BurgVerwaltung zusammen: Neuhaus, der heutige Markt­ flecken, ist im 14. Jahrhundert bewohnt von Bauern und Burgmannen, die durchwegs dem bäuerlichen Stand angehören. Um 1400 waren aus diesen ursprünglich freien und abhängigen Bauern einfache Zinsbauern geworden. Vier große Grundherrn haben Besitzungen unter dem Velden­ stein: Der Bischof, die Egloffsteiner, die Herren von Stör und die von Wiesenthau. Die Ortschaft Neuhaus im heutigen Sinne entstand erst im 15. Jahrhundert. Um 1470 waren sämtliche ehemalige Burgmannshöfe ver­ schwunden und im ganzen 38 Anwesen entstanden. Der Grundriß und das Ortsbild entbehren jedoch von Anfang an der Klarheit und Regel­ mäßigkeit, der Ort ist haufendorfähnlich. Im Jahre 1552 erscheint Neu­ haus (welches den 2. Namen der Burg = zum neuen Haus, zur neuen Burg beibehielt, während der Name der Burg Veldenstein der Burg selbst Vorbehalten blieb) urkundlich erstmals als Markt. Gleichzeitig werden Bürgermeister und Rat erwähnt. Von einer ausdrücklichen Markt­ rechtsverleihung ist nicht die Rede. Im gleichen Jahre 1552 ist auch 42?

erstmals ein Siegel überliefert. Neuhaus ist also kein „echter“ mittel­ alterlicher Markt, entwicklungsgeschichtlich gehört er zu den sog. Über­ gangsmärkten. Die Organisation des Forstes, wie sie Schwemmer hier schildert, ist auch für andere Gegenden beispielhaft. Der Wald bestand aus 18 Forst­ huben, die darauf sitzenden Erbförster können ihrer sozialen Stellung nach am besten als Großbauern oder Grundbesitzer bezeichnet „werden. Die letzten Abschnitte des Büchleins bieten die kurzgefaßte Geschichte einer ganzen Anzahl von kleineren Orten in der Gegend; dann werden die Schicksale der Landschaft und der Burg im besonderen bis in die Neuzeit herauf knapp, aber immer trefflich geschildert. Dr. Fritz Schnelbögl. Dr. Helmut Kunst mann: Burgen in Oberfranken. 1. Teil: Die Burgen der edelfreien Geschlechter im Wiesentgebiet. Kulmbach, E. C. Baumann, 1053. In erfreulich klarer Gliederung werden die einzelnen Burgen und ihre Baugeschichte geschildert, soweit es die ungemein lückenhafte Über­ lieferung zuläßt. Mit großem Scharfsinn bemüht sich der Verfasser auf Grund der wenigen Urkunden und gelegentlichen Erwähnungen in Kriegszugsberichten das Werden und Vergehen der Burgen und ihrer Geschlechter zu schildern. Als ehrlicher Historiker behauptet er nicht mehr, als sich beweisen läßt, und betont immer wieder, daß die Nach­ richten oft sehr lückenhaft sind. Mit außerordentlichem Fleiß hat er zusammen mit anderen Herren noch vorhandene Burgen, bzw. ihre Über­ reste nachgemessen. Er bemüht sich auch dem Fernerstehenden ein an­ schauliches Bild zu entwerfen. Allerdings möchte ich als Kulturhistoriker etwas mehr von dem Tun und Lassen der Burgherren und ihrer Fa­ milien lesen. Doch mag sich dasselbe kaum wesentlich von dem anderer Standesgenossen unterschieden haben. Über sie unterrichten uns die vielen allgemeinen Darstellungen. Die angegebene Literatur ermöglicht dem Geschichtsfreund sich tiefer in die Geschehnisse zu versenken. Dank der vielen trefflichen Fotografien und Zeichnungen kann sich der Leser unschwer ein Bild machen. Uns Nürnberger interessiert natürlich ganz besonders, wieviel Be­ ziehungen einzelne Burgen und ihre Besitzer und Inhaber zum Stadt­ geschehen gehabt haben. Um nicht mühsam im Buch die einzelnen Stellen sich zusammensuchen zu müssen, wäre es sehr begrüßenswert gewesen, wenn der Verfasser in einem Schlagwortverzeichnis uns dieses Auffinden erleichtert hätte. Mögen recht viele Heimatfreunde anhand des Buches unser Frankenland kennenlernen, wie es unser Herr Regie­ rungspräsident Dr. Schregle in seiner Liebenswürdigkeit unermüdlich durch seine wunderbaren Farblichtbildervorträge anzuregen bestrebt ist. Dr. August Jegel. Eberhard Teufel: „Landräumig“ Sebastian Franck, ein Wanderer an Donau, Rhein und Neckar. (Neustadt an der Aisch 1954.) So treffend und tiefgründig Walter Niggs Bild von Seb. Franck in seinem „Buch der Ketzer“ ist, so kann nun doch nicht mehr, wie dort, Will Peuckerts blendend breite Biographie als alleiniges Standardwerk der Franckforschung bezeichnet werden, nachdem endlich E. Teufels

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längst vollendetes Werk erscheinen konnte. Hervorgegangen aus der Tübinger Schule Heglers und Karl Müllers, wirkt es gegenüber Peuckerts Historiengemälde mit breitem Pinsel wie in Kupfer gestochen. Während jener z. B. über F.s 2. Ehe mangels genauerer Nachrichten einfach seiten­ lange Zusammenhänge erfindet, gestattet sich T. keine Ausführlichkeit auf Kosten der Gründlichkeit, setzt sich aber temperamentvoll mit der ganzen bisherigen F.-Literatur auseinander von Luther bis Holl. Er war dazu berufen, wie kein anderer, weil er im allgemeinen in der „Theolog. Rundschau“ (bei Mohr, Tübingen) 1940, S. 99—179, die neuere Franckforschung zusammenstellte und kritisch beurteilte, aber auch im be­ sonderen u. a. über „Luther und Luthertum bei S. F.“ in der Festgabe für Karl Müller 1922 schrieb. Gegenüber den bisherigen, meist einseitigen Darstellungen arbeitet T. das Faustische an F. heraus. Er weist nach, daß dieser vielseitige Mann — kathol. und evangel. Geistlicher, sprachgewaltiger Volksschrift­ steller, Seifensieder und christlicher Philosoph —, weder nur „Konkurs­ verwalter des Mittelalters“ (Stadelmann), historischer Relativist, Ra­ tional- und Moralist, noch nur Skeptiker und Pessimist war, auch nicht mit den Täufern in einen Topf getan werden darf, vielmehr ein Vor­ läufer moderner Religionsphilosophie und vor allem ein bewußt Ein­ samer war. der keines anderen Brot essen und Lied singen, ja nicht einmal einen „Anhang“ haben wollte und sich doch der unsichtbaren Gemeinde der Kinder Gottes allerorten und aller Zeiten innerlichst verbunden fühlte. Er stellte es seinen Lesern anheim, sich dazuzuzählen. Er wollte nichts weniger als eine neue Kirche gründen. Tragisch, daß sich trotzdem manche später Franckisten nannten, während sein Geist noch am meisten bei den Mennoniten weiterwirkt, deren Gründer Menno vielfach auf F. fußt. Was wunder, wenn so ein um seiner Glaubens- und Gewissens­ freiheit willen Verfolgter selig-unselig überall vertrieben, „landräumig“ wurde, d. h. nach diesem seinem eigenen Wort, sozusagen immer wieder das Räumliche segnen mußte: von Nürnberg nach Straßburg, Eßlingen, Ulm, bis ihn in Basel 1542 ein früher Tod holte. Nachdem Leben und Werk F.s in den Mitteilungen d. Ver. f. Gesdi. der Stadt Nürnberg 1944, S. 155—196 von mir bereits kurz skizziert wurde, hier nur das Nötigste, vor allem Bayern und Nürnberg betreffend: 1499 im Donauwörthischen geboren, studierte F. 1515—17 in Ingolstadt und erlebte in Heidelberg 1518 Luthers Disputation, wurde 1526 Früh­ messer in Buchenbach bei Schwabach, (ein glücklicher Fund Schornbaums, Beitr. z. bayer. Kirchgesch., 1904, S. 42 f.) und evangel. Geistlicher in Gustenfelden. Sein 1. Buch, die Übersetzung der „Diallage“ Althammers, brachte ihn in Verbindung mit Nürnberg, wo er am 17. März 1528 die Schwester der beiden Brüder Beham, der Dürerschüler und „gottlosen Maler“, in St. Leonhard heiratete. Neben einigen Übersetzungen erschienen in Nürnberg F.s 1. Schrift: „Von dem greulichen Laster der Trunkenheit“ und die „Türkenchronik“, worin bereits seine Zweifel an der Wirkung der Kirche im Volksleben und den „10 oder ili2 Sekten der Christenheit“ auf tauchten, deren luthe­ rische ihm auch nicht die allein richtige schien. Da er so nicht hoffen konnte, seine hier entstandene „Geschichtsbibel“ zum Druck zu bringen, ging er mit ihr nach Straßburg. Dort wurde sie zwar gedruckt, aber auch der Grund seiner Vertreibung durch Butzer, — auf Veranlassung von Erasmus in Basel, der sich darin mit Luther den Ketzern eingereiht

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fand. Denn der große Humanist begriff nicht — oder wollte nicht begreifen! —, daß F. darin als erster, im Vorgang W. Niggs, den Ketzer ans einem Schund- zn einem Ehrentitel machte. War der Wälzer auch nach F.s eigenen Worten aus (übrigens meist angeführten) Werken „zusammengestoppelt“, (und deshalb von Fachgelehrten, wie Melanchthon, mißachtet), darf doch nicht übersehen werden, daß sich darin eine gantz neue Geschichtsauffassung und ein tief religiöser Unterton offen­ baren, die in manchem Goethes Lieblingsbuch: „Die Unpartheiische Kirchen- und Ketzerhistorie“ von Gottfried Arnold (1699) vorwegnehmen. Das behandelt vor allem die Basler Diss. 1952 „Studien zur Geschichts­ bibel S. F.s“ von Kuno Räber, die dankenswerterweise über U.S.A. den Wee in die Nürnberger Stadtbibliothek fand. Leider konnte die Quelle zum 7. Buch der Geschichtsbibel, ein namen­ loser Nürnberger Druck, 1480 über die Mißstände in Rom bis heute nicht ausfindig gemacht werden (S. 47). Doch gelang es T. die bisherige Forschung durch manches zu ergänzen: vor allem hat er als erster alle Fäden, worein der Straßburger Reformator Butzer F. eingesponnen hat, wie eine Spinne, für F.s ganzes weiteres Leben verfolgt. Ferner wies T. S. 104 zum erstenmal nach, daß Luthers für F. so schmachvolle Vorrede zu Freders: „Dialog, dem Ehestand zu Ehren“ 1545 des großen Gottes­ mannes Rache dafür war, daß ihn F. seinerzeit in seiner Ketzerdironik zwar gerecht, nicht aber als allein rechthabend dargestellt hatte. „Man müßte eigentlich ,F. über Luther* und ,Luther über F.‘ nebeneinander abdrucken, um die Gelassenheit des Mystikers und die Hemmungslosig­ keit des Polemikers dem Leser zu erschütterndem Vergleich darzubieten“ (S. 104). Erbte sich doch Luthers „Unflat“, als fast das einzige, was „man“ von dem homo religiosus S. F. wußte, wie eine ewige Krankheit fort, weil ein „Forscher“ nach dem andern aus der Erlanger Lutherausgabe 63, 384 (1854-) Freders Behauptung nachschrieb, F. habe „das weibliche Geschlecht geschändet“. Dabei hat Luther noch viel derbere Ausdrücke darüber gebraucht, als jenes aus dem Zusammenhang gerissene Sprich­ wort der Sammlung F.s 4541!

Gar, daß der sonst so sanfte Melanchthon, jeden Klatsch der Recht­ gläubigen über Andersgläubige glaubend, Schmutzkübel über F.s Frau ergoß, erklärt sich nur mit Goethe: „denen Dein Wesen, wie Du bist, im Grunde ein ewiger Vorwurf ist“. Ebenso, wenn Luther in seinen Tischreden (III, 543) einen Vorwurf daraus macht, daß F.s Frau ihn inspiriert habe. Schließlich wittert Luther mit Recht in F. die Toleranz und Melanchthon den lebendigen Geist gegen den Buchtstaben. Wäre F.s Wandel aber wirklich anfechtbar gewesen, hätten seine Feinde, zumal Frecht in Ulm, es längst auf gestöbert und an die große Glocke gehängt. Melanchthons Gehässigkeit in diesem Falle ist ebensowenig zu bezweifeln, wie daß Franck „freiwillig aus Gewissensgründen“ das Pfarr­ amt verließ. Teufel führt selbst eine scharfe Klinge gegen den Buchstabengeist, den „Papierenen Papst“ F.s, seinen Helden endlich ins rechte Licht zu rücken. Ja, er glaubt ihn sogar dagegen verteidigen zu müssen, daß F. in seiner Ketzerchronik, klug wie die Schlangen, bei der Beurteilung Luthers meist Worte des Reformators selbst anführt, die dem Leser eigene Kritik nahe legen, wie F. ja auch schlauerweise schon seine „Türkenchronik“ mit einer Vorrede Luthers versah!

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Schließlich geht Teufel noch „den 100 Rinnsalen nach, in denen die Ideen F s der modernen Zeit entgegenfließen“ (Dilthey): F. rettet die Mystik der ja auch nach P. Althaus (der Ältere) (Lpzg. Universitäts­ schrift 1914) die evangel. Kirche soviel Gebetsgut dankt, über die Neu­ dogmatik der Reformation hinweg bis zu Böhme, ja Angelus Silesius: „Für F. ist die Mystik, die für Luther nur Durchgang war, Endpunkt, während Luthers Theologie für F. seit 1535 nur Durchgang war (S. 66). Eigentlich aber ging F.s Same erst so recht in Holland auf, wodurch sich auch die sonst rätselhafte Tatsache erklärt, wieso gerade von der „nur nüchternen reformierten“ Kirche durch die Lieder Teerstegens wieder eben jene Mystik in die lutherische Kirche kam. War ja auch die F.-Forschung gerade in Holland besonders fruchtbar: so stellte die Universität Amsterdam 1926 die Preisaufgabe: über den Einfluß F.s in den Niederlanden, während Erlangen lediglich die Diss. 1937 von S. Th. Wald und die Diss. 1908 von Otto Borngräber aufzuweisen hat. Neuerdings betätigen sich in U.S.A. mehrere Forscher auf diesem Gebiet. Da die Biographie F.s z. Zt. ziemlich erschöpft ist, weist T. weitere Wege zu bibliographischer Forschung. Vor allem verdienten (nach Erich Seeberg) die Vorreden zu F.s Büchern und seine rührende Verteidigungsschrift vor dem Ulmer Rat als große Konfessionen der deutschen religiösen Literatur, mit einer Auswahl aus seinen Büchern neu herausgegeben zu werden.

Gemahnt uns der „Geisttreiber“, (Jak. Rurckhardt: „Der Geist ist ein Wühler!“), F. mit seinen Paradoxen (Neudruck von H. Ziegler, Jena 1909), seiner Aphoristik und seinem Verdacht gegen jedes System, an Nietzsche, so ist er uns heute nicht nur durch seine zeitweise Weltangst besonders nahe, sondern vor allem scheint es auch kein Zufall zu sein, daß sein Geist, einem nicht zu übersehenden Zug der Zeit zu einem gewissen Spiritualismus gemäß, durch den Roman Hans Frandcs und wissenschaftliche Werke, wie Peuckerts und Teufels, wiedererweckt, endlich nach 400 Jahren weitere Kreise zieht. Dr. Arthur Kreiner.

Franz Ruf: Acht und Stadtverweisung im alten Nürnberg. Inaugural-Dissertation der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Uni­ versität zu Erlangen ... approbiert am 16. 2. 1953. Maschinenschrift. 161 S. + XVIII Beilagen (2°). Diese bei Prof. Dr. Lienmann gefertigte Doktorarbeit ergänzt eine der wenigen Lücken, die Hermann Knapps bahnbrechende und sonst vorbildliche Monographien über das „Altnürnberger Kriminalverfahren“ und „Kriminalrecht“ (1891 und 1896) aufweisen. Knapp hat offenbar beabsichtigt, diesen Mangel durch die Edition des ältesten Nürnberger Achtbuches von 1285 ff. nacbzuholen, ist noch zu einer Textabschrift, aber nicht mehr zu einer Darstellung dieses Rechtsinstituts gekommen. Die­ ses bisher noch wenig bekannte Archivale verdient allgemeinere Be­ achtung, weil es m. W. das älteste derartige Stüde aus einer Stadt Süd­ deutschlands, wenn nicht des alten Reichs innerhalb der Grenzen von 1914 darstellt. Es wird nämlich für Oberdeutschland nur noch im Alter und Wert von dem ebenfalls noch ungedruckten und im ganzen unausgewerteten Achtbuch des Reichs 1 a n d gerichts Rothenburg o. Tauber von 1274 ff. übertroffen; das früheste Achtbuch des Reichslandgerichts Nürnberg ist nur in einem Bruchstück von 1319/20 erhalten, während 431

die von Ruf offenbar im einzelnen nicht ausgewerteten Protokolle die­ ses Gerichts erst am Ende des 14. Jh. eimsetzen. Die Landgerichtsbücher von Würzburg beginnen 1317 und werden von Dr. Merzbacher-München rechtisgeschichtlich untersucht. Das älteste Achtbuch des Reichslandge­ richts Eger datiert von 1310 ab. Ein Friedgerichts- und Wundenbuch der Stadt Regensburig ist aus der Mitte des 14. Jh. erhalten, während ähn­ liche Quellen aus dem Herzogtum Bayern bisher nicht bekannt geworden 6ind. Ein Achtbuch der Stadt Speyer stammt aus der 2. Hälfte des 14. Jh., ein solches von Bamberg aus den Jahren 1414—1444. Trotz umfangreicher Forschungen konnte Ruf nur wenige generelle Vorschriften über das Achtverfahren in der Stadt Nürnberg finden. Um durch Vergleiche zu sicheren Ergebnissen zu kommen, erstreckte er seine Untersuchung auf das Achtverfahren vor dem Reichslandgericht (burgbzw. markgräfliches Landgericht des Burggraftuiris Nürnberg), von dem sich ja das Stadtgericht spätestens 121(9 abgespalten hat. Mit Recht konnte Ruf annehmen, daß die Acht des Landgerichts der des Stadt­ gerichts vorbildlich, wenn nicht gleich geregelt gewesen war, was auch aus seinen Ausführungen zu entnehmen ist. Deshalb hätte sich eine Erweiterung des Titels der ursprünglichen Untersuchung gelohnt: Acht und Stadtverweisung im alten Stadt- und Landgericht Nürnberg. Die von ihm gewählte Überschrift birgt die Gefahr, daß in den einschlägigen Bibliographien ein wertvoller Teil der Abhandlung, nämlich der über das Reichslandgericht Nürnberg, übersehen oder übergangen wird. Das behandelte Thema wird zu allen Zeiten allgemeines Interesse erregen, da Acht und Bann immer etwas von dem Hauch der Romantik umwittert sind und da diese Institutionen modifiziert und unter anderem Namen noch während der letzten 20 Jahre eine unheilvolle Rolle in der Menschheit gespielt haben. Es läßt sich sagen, daß die Friedlos­ legung des germanischen Volksrechts, die der Verfasser mit Recht als Wurzel der mittelalterlichen Acht bezeichnet, über 1500 Jahre bis in die Gegenwart nachgewirkt hat. Im Hochmittelalter iist dieses Rechtsinstitut durch König, Gottes- und Landfrieden zur Acht weiterentwickelt worden. Der Reichislandfrieden von 1235, der einen eigenen Reichshof rieh ter für Deutschland einzusetzen und die Führung von Achtbüchern vorzu­ schreiben versuchte, war von Einfluß auf das Verfahren vor den lokalen Reichs- und Territorialgerichten, wie auch Rufs Arbeit zeigt. Im 1. Teil seiner umfangreichen Arbeit erörtert der Verfasser das Achtverfahren im Stadtgericht Nürnberg. Das älteste Achtbuch von 1285 enthält nur kurze Einträge über die ausgesprochenen Ächtungen und Stadtverweise. Über den Bänden des 14. Jh. hat ein Unstern ge­ waltet: sie sind noch z. TI. im 19. Jh. veruntreut worden, glücklicher­ weise aber stückweise in Abdrucken erhalten. So hat G. W. K. Lochner Teile eines verlorenen Achtbuchs aus der Mitte des 14. Jhs. 1873 ver­ öffentlicht. Später werden sie Malefizbücher genannt. Allgemeine Vor­ schriften birgt nur ein im Anhang abgedrucktes „Inhaltsverzeichnis“ eines verlorenen Stadtrechtsbuchs aus dem 15. Jh.; ein „Formeilbuch“ des Stadtgerichts ist offenbar nicht mehr vorhanden. Mühsam mußte sich also der Autor seine Unterlagen zusammensuchen und aus Rest­ stücken das Bild zu rekonstruieren versuchen, das im großen und ganzen voll gelungen ist. Schon in dem 1187 zu Nürnberg erlassenen Reichslandfriedemsgeisetz gegen die Mordbrenner (Nürnberger Urkundenbuch Nr. 91) und im Stadtprivileg von 1219 (ebenda Nr. 178) wird die Acht bzw. die Ver432

Wirkung der königlichen Gnade erwähnt; nach dem erwähnten Stadtrecht werden die Nürnberger Bürger vom Duell oder Kampfrecht be­ freit, so daß sie also die Kampfacht (siehe unten) seitdem nicht mehr treffen konnte. Eingehend werden das Vorgehen des Rats und die Stellungnahme der Ratskonsulenten in Achtsachen erörtert. Hatte ur­ sprünglich der Reichsschultheiß als Stadtrichter die Acht zu verhängen, so gewann der Rat im 14. Jh. über das Privileg über landschädliche Leute zu richten (1320 ff.), über Stadtverweis und Kauf des Schultheißen­ amts (1385/1427) Einfluß und Ausübung der Strafrechtspflege und der Ächtung. Im 15. Jh. verschaffte sich die Handelsstadt kaiserliche Privi­ legien, um nicht wegen der Beherbergung von Geächteten für die ganze Bürgerschaft in die Acht zu fallen und damit in ihrer Handelstätigkeit gehindert zu werden. Voraussetzungen und Verfahren der Acht werden, soweit dies möglich ist, ermittelt. Der Verletzte oder ein Familienglied des Toten war gewöhnlich der Kläger, doch konnte auch der Richter von Amts wegen eingreifen. Anlaß war im allgemeinen ein Mord oder ein todeswürdiges Verbrechen, d. h. ein Friedbruch. Die Acht wurde in der Regel gegen den flüchtigen Täter verhängt. Ihre Wirkung war die Fried- und Rechtlosigkeit innerhalb des Stadtbezirks, das Verbot ihn zu „hausen und hofen“, die Möglichkeit ihn jederzeit zu ergreifen und im Falle des Widerstandes zu töten, nicht meihr Kläger sein zu können, der Einzug seines Vermögens durch den Richter. Die Acht kann gelöst werden, wenn sich der Geächtete mit dem Kläger verträgt, Schadensersatz leistet und dem Gericht eine Buße zahlt. Die Acht kann aber vor dem Ausspruch abgewendet werden, wenn der Übeltäter »ich dem Gericht stellt und zum ordentlichen Verfahren erbietet. Für dieses ordentliche Strafverfahren■> wurde 1560 vom Stadtgericht das Inzichtgericht abgespalten. Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute, das der Rat nach Privilegien von 1320 ff. einleiten konnte, drängte den Achtprozeß zurück, da es einfacher und wendiger war und nur den Eid über den offenen Leumund des Beklagten als „schädlichen Mannes“ (= Gewohnheits­ verbrecher im S til des Straßenräubers Eppelein von Gailin gen) ver­ langte. Mitte des 14. Jh. wurde aber das ganze Kriminalverfahren unter dem Einfluß des römisch-kanonischen Inquisitionsprozesses insofern um­ gestaltet, als nun das Geständnis des Täters ausschlaggebend für die Verurteilung wurde und die „Confessio“ durch die Folter erzwungen werden durfte. Ruf untersucht nun im einzelnen das Verfahren gegen abwesende und landschädliche Leute, das aber im 15. Jh. von der Acht aus den bereits angegebenen Gründen wieder ab gelöst wird. Der Inzichtprozeß des Landgerichts wirkt auch auf Nürnberg ein. Die Fraisdifälle werden ein Zankapfel zwischen Stadt und Markgraf. Die Folge ist die bereits erwähnte Einrichtung eines städtischen Inziditgerichts. Wenn auch die Acht im Reichsrecht und in der Reichsstrafgesetzgebung Kaiser Karls V. erhalten blieb, in Nürnberg konnte dieses Institut nicht mehr lebendig erhalten werden, wenn auch ein Rechtskonsulent sich dafür einsetzte. 1570 wurde zum letzten Male eine „Mordacht“ ausgesprochen, da diese Strafe wirkungslos und antiquiert war. Schon im ältesten Achtbuch der Stadt taucht neben der Acht die „Verweisung aus der Stadt“ auf, die im 15./16. Jh. die häufigste Strafe ist, nachdem sie auch von der „Constitutio criminalis Carolina“ anerkannt worden ist. Diese Strafe wird gegen den anwesenden Übel­ täter ausgesprochen, der vorgeführt wird oder vor Gericht erscheint. 433

Stadtverweisuiug ist m. E. ursprünglich die Folge des Bruchs des Stadt­ friedens, den die Bürger beschwören und den vor allem Nichtbiirger, bes. Landstreuner und -Bettler, verletzen. Sie wird häufig in den für die Stadt von Schultheiß und Rat erlassenen Polizeiverordnungen angedraht, z. B. für Unregelmäßigkeiten der Handwerker gegen ihre Kunden. Sie kann auch bei nicht todeswürdigen Verbrechen verhängt werden, sogar wenn nur der Verdacht der Gefährlichkeit des nicht überführten Übeltäters bestehen bleibt. Eine Vorstufe ist das Verbot für bestimmte Frist Wirtshäuser zu besuchen oder Waffen zu tragen. Der Verfasser führt im einzelnen dann auf, was Knapp in großen Zügen Umrissen hat. Hervorzuheben sind die eigenartigen Selbstverurteilungen von Bürgern zu Exil, die m. E. eben aus dem Gedanken der SchwUr­ gemeinschaft der Bürger zu erklären ist; beim Bruch des Schwurs war ursprünglich die Todesstrafe zu gewärtigen. Diese Institution hört aber auch im 15. Jih. auf. Die Rückkehr des Verwiesenen zeitigte den Eintritt einer bestimmten Strafe (Strang, Ertränken, Handverlust usw.). Ein­ gehend werden Fristen und Dauer der Strafe (1—10 Jahre, ewig), sowie ihr räumlicher Bereich (1—10 Meilen von der Stadt, über Donau oder Rhein, über die Süddeutschland begrenzenden 4 Wälder oder das „lom­ bardische“ Gebirge) beschrieben. Stadtverweis kann mit Nebenstrafen verhängt werden: durch Stehen am Pranger und Ausrufen des Namens wird die Person des Verbannten offenkundig gemacht; das Auspeitschen bis zum Stadttor sollte dem Täter einen „Denkzettel“ verabreichen. Manchmal übte das Volk eine Lynchjustiz aus und steinigte den Ver­ bannten vor dem Tore zum Tode. Um die Menschheit vor dem Ver­ brecher zu warnen, wurden durch spiegelnde Strafen die Vergehen, z. B. Ohrenabschneiden, Ahschneiden der Schwurfinger, Durchbrennen der Backen für Fälscher usw., angedeutet. Zudem mußte gewöhnlich Urfehde geschworen werden, sich nicht an der Stadt zu rächen. Das Mittelalter und auch Nürnberg mußten heute hart erscheinende Strafen anwenden, um sich vor dem Uberhandnehmen der Gewohnheitsver­ brecher zu schützen. Doch konnte der Rat auch Milde walten lassen: Strafaufschub wurde gewährt, bis die Ehefrau entbunden hatte oder der Handwerker seinen Betrieb geordnet hatte oder wenn Krank­ heit oder Geistesschwäche vorlag. Zu oft scheinen Fürbitten hochgestellter Persönlichkeiten den Übeltäter gerettet zu haben. Allzu große Milde des Rates hat die Wirkungslosigkeit der Stadtverweisung im 17. und