Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [42]

Table of contents :
Abhandlungen:
Seite
Emil Reicke zum Gedächtnis
Von Bibliotheksdirektor i. R. Dr. Friedrich Bock...................................... 1
Nürnberg im Wechselspiel der politischen Mächte des Mittelalters
Von Univ.-Prof. Dr. Erich Freiherr von Guttenberg.............................. 6
Das ehemalige Königsgut Velden
Von Konservator Dr. Wilhelm Schwemmer..............................................14
Das Königsprivileg für Lenkersheim von 1200, Nürnberg und die Städtepolitik
der Staufer in Ostfranken
Von Archivrat Dr. Werner Schultheiß..................................................... 30
Die Euchariuskapelle in Nürnberg
Von Dr. Alfred Lösel....................................................................................54
Ein Einbruch in das burggräfliche Geleite in der Nähe Egers durch (len
Landgrafen von Leuchtenberg und seine Helfer 1413
Von Staatsarchivrat Dr. Wilhelm G. Neukam.............................. ....... 08
Die „Pfaffenpfründen“ im Landalmosenamt zu Nürnberg 1510—

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Zweiundvierzigster Band

Kommissionsverlag

VERLAG DIE EGGE NÜRNBERG 19 5 1

Gedruckt mit Zuschüssen des Stadtrats Nürnberg, des bayerischen Staats­ ministeriums für Unterricht und Kultus und der Friedrich Frhr. v. Hallerschen Forschungsstiftung. Für die einzelnen Beiträge sind die Verfasser selbst verantwortlich. Außerhalb der redaktionellen Verantwortung die Werbeanzeigen am Schlüsse des Bandes. Druck: Buchdruckerei und Verlag Ph. C. W. Schmidt, Neustadt a. d. Aisch

INHALT Abhandlungen: Seite

Emil Reicke zum Gedächtnis Von Bibliotheksdirektor i. R. Dr. Friedrich Bock...................................... 1 Nürnberg im Wechselspiel der politischen Mächte des Mittelalters Von Univ.-Prof. Dr. Erich Freiherr von Guttenberg.............................. 6 Das ehemalige Königsgut Velden Von Konservator Dr. Wilhelm Schwemmer..............................................14 Das Königsprivileg für Lenkersheim von 1200, Nürnberg und die Städte­ politik der Staufer in Ostfranken Von Archivrat Dr. Werner Schultheiß..................................................... 30 Die Euchariuskapelle in Nürnberg Von Dr. Alfred Lösel....................................................................................54 Ein Einbruch in das burggräfliche Geleite in der Nähe Egers durch (len Landgrafen von Leuchtenberg und seine Helfer 1413 Von Staatsarchivrat Dr. Wilhelm G. Neukam.............................. ....... 08 Die „Pfaffenpfründen“ im Landalmosenamt zu Nürnberg 1510—;12. zum 13. Jahrhundert von" den Staufern und den geistlichen oder weltlichen Fürsten m Verfolgung ihrer Territorialpolitik in größerer Anzahl gegründet worden sind. Die bisherige Schilderung hat gezeigt, daß Lenkersheim schon im Mittelalter eine kleine Ackerbürgerstadt geblieben ist, bei der Gewerbe oder Handel nicht die vorherrschende Rolle wie bei den Mittel- und Großstädten vom Schlage Windsheims oder Nürnbergs gespielt hat. Es hat äußerlich wie wirt­ schaftlich den dörflichen Charakter nie ganz verloren. Warum aber Lenkersheim keine über seine allernächste Umgebung hinaus­ reichende Bedeutung erlangen konnte, wird uns klar, wenn wir nach den Ursachen der Stadtgründung und nach den Schicksalen dieses Ortes im 13. und 14. Jahrhundert fragen. Die Einleitung des Königsprivilegs von 1200 sagt nicht, warum die Lenkers­ heimer gerade den Stauferkönig und nicht den Bischof von Würzburg, dem das nahe Windsheim damals gehörte, oder den Grafen von Zollern, der kurz vorher die Burggrafschaft Nürnberg und Grafschaftsrechte im Östlichen Rangau und um Abeniberg geerbt hatte, zum Schutzhelm gewählt haben. Es ist möglich, daß während der damals zwischen den Staufen und Welfen tobenden Kämpfe um den deutschen Königsthron, der in unserer Landschaft allgemein anerkannte Philipp von Schwaben den besten Schutz versprechen konnte. Es spielte sicher auch die Überlegung der Lenkersheimer mit, daß die Unterstellung unter das Reich die bisherige Unabhängigkeit der Freibauern am besten sichern würde; dies bewahrheitete sich insofern, als Lenkersheim nur geringe Abgaben auf sich nehmen mußte und noch am Ende des 18. Jahrhunderts zahlte sowie noch im 17. Jahrhundert als „Freddorf“ bzw. „Freiflecken“ bezeichnet wurde. Die Unter­ werfung unter edtne weltliche oder geistliche Herrschaft hätte eine stärkere finanzielle Heranziehung befürchten lassen. Der in der Urkunde von 1200 berichtete Vorgang stellt zweifellos eine zufällig überlieferte Episode und Etappe aus der Territorialpolitik der Stauferkönige und des Reichs in Ostfranken dar. Es scheint mir, daß von Philipp von Schwaben die Initiative zu dem Schritt der Lenkersheimer und Urfersheimer ausgegangen ist, wenn dies auch in den Dokumenten nicht gesagt wird. (Sind jemals in diplomatischen Niederschriften die wahren Hinter­ gründe eines politischen Ereignisses festgehalten worden?). Daß ein Zusammen­ hang zwischen der Gründung Lenkershedms «und der Territorialpolitik der Staufer besteht, wird uns klar, wenn wir uns die damalige Situation vergegen­ wärtigen. Konrad III. und Friedrich I. begannen, in Ostfranken und dem baierischen Nordgau ein Reichsterctitorium > aufzubauen52). Barbarossa gelang 37

es sogar, vom Bistum Würzburg Vogteien und Lehen zu erhalten, unter, denen sich z. B. Heilbronn und Schwäbisch-Hall befanden.r Windsheim>, das ursprüng­ lich fränkisches Krongut war und 740—5 von König Ttippm anläßlich der Neu­ organisation der Würzburger Diözese durch Bonifazius dem Hl. Kilian geschenkt ward, ist damals noch nicht an die Staufer gekommen. Mir scheint, daß die sehr zielstrebigen Würzburger Bischöfe des 12. Jahrhunderts, die sich 1168 von Kaiser Friedrich L~däs~ „Herzogtum in Franken“ verleihen ließen, Windsheim im Verlaufe des 12. Jahrhunderts als „oppidum“ (befestigten Markt) im Ver­ laufe ihrer Territorialpolitik und als Bollwerk gegen den von Osten und Süden herandrängenden und im Entstehen begriffenen „Staat“ der Staufer errichtet haben. Als nach dem plötzlichen Tode Heinrichs VI. durch die verhängnisvolle Doppelwahl das planmäßig aufgebaute Imperium der Stauferkönige ins Wanken kam, mußte Philipp von Schwaben auch dem Bischof von Würzburg die ihm von seinen Vorgängern abgedrungenen Kirchenlehen zurückgeben, um ü*n seiner Partei zu erhalten. Gerade aus diesem Grunde dürfte der von den Hof­ beamten seines Bruders und Vaters wohl beratene Staufersohn an der Naht­ stelle der staufischen und Würzburger Interessensphäre, die hier die Aisch bildete, einen neuen Stützpunkt errichtet haben, von dem aus er das würz­ burgische Windsheim in Schach halten -und die Treue des benachbarten Kirchen­ fürsten sichern konnte. Zu diesem Zwecke bewog der König offenbar die freien Leute von Lenkersheim sich dem Reich zu unterstellen. Daraufhin konnte er dort eine „Stadt“ errichten lassen, die in der Luftlinie nicht einmal 5 Kilometer von Windsheim entfernt ist, also sogar innerhalb der „Bannmeile“ des älteren Marktes Windsheim gelegen war. Die Stadt Lenkersheim konnte somit die von Windsheim nach dem Aischtal und nach Nürnberg ziehenden Straßen sperren. Da die Würzburger Bischöfe bis auf das Jahr 1202 zu den Staufern hielten, brauchte Lenkersheim nicht als Grenzfestung und Einfallstor in das Würz­ burger Territorium wirksam werden. Daß aber trotzdem Spannungen zwischen dem Reichsterritorium und dem Bistum Würzburg auftraten, zeigt die bekannte Urkunde von 123453). In dieser befiehlt König Heinrich (VII.) u. a. dem Butigler von Nürnberg und dem Schultheißen von Lenkersheim die Hoheitsrechte des mainfränkischen Kirchenfürsten zu achten und vor allem nicht die Abhaltung des Marktes in Windsheim zu verhindern sowie den in Gutenstetten (nördlich Neustadt a. Aisch) errichteten Markt wieder aufzuheben. Aus diesem scharfen Mandat an diese Reichsbeamten ist zu ersehen, daß diese den Ausbau des Reichsterritoriums in Ostfranken energisch und zu Ungunsten des Würzburger Hofstifts trotz der Versicherungen der „confoederatio cum principibus ecclesiasticis“ von 1220 vorangetrieben haben. Der König, der selbst eine ausgesprochene und aktive Territorialpolitik betrieb, entschloß sich nur deshalb zum „Zurück­ rufen“ seiner Beamten, da er den Kirchenfürsten, der zugleich sein Kanzler war, für seinen Plan einer Auflehnung gegen Kaiser Friedrich II., seinen Vater, gewinnen wollte. Tatsächlich ergriff der Bischof notgedrungen die Partei des rebellischen Heinrich und mußte daher eine schwere Bestrafung durch das Reichsöberhaupt auf sich nehmen. Friedrich II. hat offenbar diese einzigartige Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um die dem Reich verloren gegangenen wertvollen „Würzburger Kirchenlehen“ sich zu vollem Eigentum übertragen zu lassen. Damals ist m. E. Windsheim, das die unmittelbare Verbindung zwi­ schen Rothenburg und Nürnberg unterbinden konnte, Reichsgut geworden. Anders läßt sich schwer erklären, wie das würzburgische „oppidum“ nach dem Interregnum in den Besitz des deutschen Königs gelangt sein sollte, denn erst 38

1295, als König Adolf den Bürgern von Windsheim die Freiheit von auswärtigen Gerichten (d. h. vom Landgericht Rothenburg und Würzburg) verleiht54), wird dieser Ort zum ersten Male als Reichsstadt erwähnt. Mit dem Übergang Windsheims an das Reich im Jahre 1235 hörte der politische Gegensatz zwischen ihm und Lenkersheim auf, da beide Siedlungen von diesem Zeitpunkt ab dem gleichen Herrn unterstanden. Doch wurde damit eine Rivalität auf wirtschaftlichem Gebiet heraufbeschworen: waren bisher die Untertanen beider Territorien mehr oder minder gehalten, die Märkte ihres Herrn zu besuchen, so gerieten nun beide so nah aneinander liegenden Märkte in gegenseitigem Wettbewerb. Wenn auch der fruchtbare Aischgrund mit seinen zahlreichen großen Dörfern ein kaufkräftiges Umland für die beiden Städte bildete, so konkurrierten doch die etwa zu gleichen Terminen stattfindenden Jahrmärkte miteinander. Außerdem hat offenbar noch mitgewirkt, daß Rothen­ burg und Nürnberg sowie Markt-Erlbach und Ansbach Käufer abzogen. Aus diesem Grunde scheint das ältere Windsbeim mit seinem althergebrachten Markt das jüngere Lenkersheim in seiner wirtschaftlichen Entwicklung ge­ hemmt und überflügelt zu haben. Nicht Lenkersheim, sondern Windsheim wurde der ökonomische Mittelpunkt des oberen Aisch­ grund s ! Infolge dieser Entwicklung verlor der deutsche König später das Interesse an der „mißglückten“ Stadt, die 1240 und 1256 nochmals als „civitas“ erwähnt wird55), und vergab Lenkersheim neben Markt-Erlbach dem Burg­ grafen Friedrich von Nürnberg, dem er offenbar finanziell verpflichtet war, 1282 als Lehen56). Diese Verfügung widersprach offensichtlich den Zusiche­ rungen vom 13. 5. 1200; diese wurden aber einfach übergangen. Noch das Nürnberger Reichssalbüchlein von etwa 1300 57) bemerkt beiläufig, daß die „Hofmark Lenckershaim“ sowie die „Stad t“ Erlbach der Burggraf von Nürn­ berg innehat. Beide Orte kamen nie mehr an das Reich zurück. Es erscheint bemerkenswert, daß Lenkersheim wie Erlbach in der Lehenurkunde von 1282 als „villae“ d. h. Dörfer bezeichnet werden und daß das Reichssalbüchlein bei Lenkersheim den sonst im altbayerischen Stammesgebiet, aber auch noch in der Nürnberger Landschaft (Herzogenaurach, Schellenberg 1349) vorkommenden Ausdruck „Hofmark“ verwendet, der „Grundherrschaft oder Gutsbezirk mit Hoch- und Niedergerichtsbarkeit“ bedeutet58). 130859) werden jedoch die Lenkersheimer wieder als „Bürger“ genannt; dn dem Streit zwischen diesen und dem Kloster Heilsbronn wegen der Weidenutzung durch den Konvent wird als Schultheiß von Lenkersheim, Ritter Johann von Hoheneck, der Truchseß des Burggrafen erwähnt. Damit spinnen sich die Fäden zwischen der Burg Hoheneck an, die seit 1381 Sitz eines burggräflichenr bzw. brandenburgischen „Pflegamts“ werden sollte, das die Hochgerichtsbarkeit in Lenkersheim in der Exekutive übernahm. Lenkersheim bietet also einen vorzüglichen Einblick in die Territorial*» und Städtepolitik der Staufer in Ostfranken. Auch in diesem Falle ist zu sehen, wie die Könige aus schwäbischem Stamme die Stadtgründungen als Mittel ihrer Territorialpolitik betrachtet und in weitgehendem Maße angewendet haben. Bei diesen Neuanlagen verfolgten sie in erster Linie ein politisch-strate­ gisches Ziel, in zweiter Linie ein wirtschaftliches. Diese Bürger­ siedlungen hatten zunächst die Aufgabe von Festungen, die den Schutz des Reichsterritoriums zu übernehmen hatten. Diese Funktion wird nicht nur im Falle Lenkersheims sichtbar, sondern auch bei Weißeniburg, Dinkelsbühl und Aufkirchen, die kurz vor 1180, d. h. vor dem Ausbruch des Konflikts zwischen 39

Barbarossa und Heinrich dem Löwen zwecks Verteidigung des fränkisch­ schwäbischen Reichsguts gegen das Herzogtum Bayern errichtet worden sind60). Die Stadt wird fortan Sitz des Schultheißen, der in den meisten Fällen aus den Reihen der Reichsdienstmannen bestellt wird (vgl. Lenkersheim 1228!), und Mittelpunkt eines Verwaltungsbezirks, eines sog. „Amtes“ (officium), in die die Staufer wie die Territorialfürsten ihren neuartigen „Flächenstaat“ auf­ teilten und in dem alter grundherrsdiaftlicher Besitz mit Vogteien über Güter von Schutzkiöstem sowie Kirchenlehen zusammengefaßt wurden, wobei die Hochgerichtsbarkeit die zusammenhaltende Klammer bildete. Gleichzeitig erhält die „Stadt“ im Gefüge des Reichsterritoriums besondere wirtschaftliche Aufgaben. Sie wird das Gewerbe- und Handelszentrum des „Amtes“, d. h. der nächsten Umgebung. Die Dörfer des Umlands sollen ihren Bedarf an Handwerkserzeugnissen und Handelsgütern in der Stadt decken und dort ihre Überschüsse an Landesprodukten auf den Markt bringen. Waren die „Köndgshöfe“ oder die grundherrlichen Gutshöfe neben der Burg bis dahin die Zentren des wirtschaftlichen Austausches, wo die Naturalabgaben an den Herrn abzuliefem waren, so werden nun die Städte die Kristallisationskerne der beginnenden Geldwiirtschaft. Die Stadt soll durch Steuer, Marktabgaben und Zoll ihrem Herrn die notwendigen Einkünfte an Geld liefern, die er zur Durchführung seiner Landesherrschaft im wachsenden Maße bedarf. Die Stadt­ gründungen sind im 12./13. Jahrhundert auch durch das Streben der Könige und der Landesfürsten entstanden, sich solche ständigen Geldquellen zu schaffen. Das staufische Imperium konnte sich nicht mehr auf die veraltete und allmählich abklingende Naturalwirtschaft stützen, sondern wurde schon in steigendem Maße auf die Geldwirtschaft aufgebaut, vor allem unter dem Einfluß Reichsitaliens. Welche finanzielle Steuerkraft die Bürgergemeinden der staufischen Epoche bereits nach etwa 50—100 Jahren Existenz entwickelt haben, läßt sich aus dem Reichssteuerverzeichnis von 1241 ersehen, das allerdings Lenkersheim und Nürnberg nicht aufführt. Mit überzeugender Einprägsamkeit hat Bosl61) dargelegt, in welcher Weise die Staufer einen „Flächenstaat“ zu schaffen versucht haben: sie haben zu älterem Grundbesitz Kirchen- und Klostervogteien sowie Kirchenlehen hinzugewonnen, und den in „Ämter“ aufgegliederten Herrschaftsbereich durch „Reichsdiensitmannen“ als Quasibeamte verwalten lassen, und den Lehensstaat auf einen iBeamtenstaat umzustellen be­ gonnen. Doch müßte m. E. stärker betont werden, daß die Burgen nicht mehr wie im bisherigen Maße, sondern die Städte die Mittelpunkte der Verwaltung und „Festungen“ des „Territoriums“ bildeten. Die „Bürgergemeinden“, d. h. die Kaufleute- und Handwerkersiedlungen, wurden m. E. die Kristallisationskerne des neuen „Flächenstaates“ und die Träger der „modernen“ und den Fort­ schritt bringenden Ideen von Geldwirtschaft und Selbstverwaltung, wenn man von den Wandlungen der geistigen Anschauungen vollständig absieht. Die Stadtgründung war m. E. ein wesentlicher Faktor und ein mehr als bisher zu beachtendes Merkmal der staufischen Territorialpolitik. Die Könige aus schwäbischem Stamme haben sich dabei die Erfahrungen aus Burgund und Oberitalien sowie der vorbildlichen Gründung der Zähringer in Freiburg im Breisgau (1120) zunutze gemacht. Wer das Lenkersheimer Privileg von 1200 in Beziehung zur Terri­ torialpolitik der Staufer setzt, gewinnt neue Schlaglichter auf die Bestrebungen des Reichs, in Ostfranken ein Reichsterritorium zu schaffen, worüber noch eingehendere Untersuchungen fehlen. Gerade an Hand der 40

staufischen Städtegründungen in dieser Landschaft wie in Schwaben, dem Nordgau und Thüringen lassen sich die von Weller, Dannenbauer und Bosl herausgearbeiteten Grundlinien der Territorialpolitik des Reichs noch weiter vertiefen. Ich möchte fast behaupten, daß an der Städte- und Zollpolitik der Staufer am deutlichsten eine „Reichswirtschaftspolitik“ auch in Deutschland abzulesen ist, die nach den Konstitutionen von Melfi vor allem in Sizilien sicht­ bar wird82). Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgegangen ist, ist das Lenkersheimer Königsprivileg auch für Nürnberg in der verschiedensten Hinsicht aufschlußreich. Es -ist m. W. noch nicht mit aller Deutlichkeit hervorgehoben worden, daß diese Urkunde das erste Dokument über Existenz eines größeren Reichsgutsbezirks im Rednitzgebiet mit dem Mittelpunkt Nürnberg darstellt. Zum ersten Male wird ein „maior inter officiatos“ in Nürnberg neben dem dortigen Schultheiß erwähnt, der von Dannenbauer und Kraft m. E. richtig als „Oberbeamter“ angesprochen wird88). Dieser ist der Vorläufer des neuen Be­ amten, der 1213 „provisor“ und seit 1220 „Butigler“, seit 1301 „Reichslandvogt“ genannt wird. Er hat die Oberaufsicht über das Reichsgut im weiteren Umkreis von Nürnberg und über die Schutzklöster inne. 1228 spricht der Nürnberger Butigler Urteil, als sich das Stift Ansbach wegen Übergriffen des Reichsdienstmannen in Lenkersheim beschwert. Diese administrative und judizielle Bindung Lenkersheims an Nürnberg wurde durch die Vergabung des Ortes an die Burggrafen im Jahre 1282 unterbrochen. Daher kommt es, daß aus spä­ terer Zeit Rechtserholungen des Lenkers'hedmer Gerichts aus Nürnberg nicht nach­ weisbar sind, höchstwahrscheinlich nicht mehr stattgefunden haben84), Weiter­ hin erfahren wir aus dem Lenkersheimer Dokument von einem Vorrecht Nürn­ bergs, das nicht in dem bekannten Privileg der Pegnitzstadt vom Jahre 1219 ausdrücklich erwähnt wird65). Wir wissen bereits, daß es sich um das Vorzugs­ recht handelt, alle Zuziehenden als Bürger aufzunehmen. Dieser Rechtssatz, der auch mit dem bekannten Motto „Stadtluft macht frei“ umschrieben werden kann, verbirgt sich unter den „Rechten und Freiheiten“, die allgemein bestätigt werden. Nicht zuletzt ist die Urkunde für Nürnberg wertvoll, weil sie die erste Quelle darstellt, die die Nürnberger als „cives“ und damit Nürnberg als „civitas“ d. h. Stadt mit bürgerlichen Freiheiten nennt, bevor das Privileg von 1219 verliehen worden war. Untersuchungen über die Frühgeschichte dieses Ortes ergeben nämlich, daß Nürnberg höchstwahrscheinlich unter König Konrad III., spätestens unter Friedrich I., also in frühstaufischer Zeit, im Zusammenhang mit der Gründung der Lorenzerstadt den Charakter einer Stadt erlangt hat, nachdem es von Heinrich III. als „Markt“ errichtet worden war. Wenn es nämlich 1163 schon als „burgus“ bezeichnet wird, so darf daraus geschlossen werden, daß es da­ mals schon eine „Stadtgründung freiheitlicher Art‘‘ war, die im 12. Jahrhundert unter dieser für jene Periode typischen Bezeichnung verstanden wird66). Es darf angenommen werden, daß unter diesem „burgus“ Nürnberg schon Sebalder und Lorenzer Stadtteil gemeint sind, die ursprünglich eigens befestigt und bis 1320—25 ohne direkte Mauerverbindung waren. Der Ausdruck „burgus“, das als Suffix auch in dem wegen seiner bahnbrechenden Freiheiten berühmt ge­ wordenen „Freiburg im Breisgau“67) wiederkehrt, setzt folgendes voraus: es handelt sich nicht nur um einen befestigten Marktort, der nicht unbedingt steinerne Mauern haben muß, sondern der sich auch mit einfachem Graben und Wall mit Plankenzaun begnügen kann, sondern auch um den Besitz bürger41

licher Freiheiten, wie die für Lenkersheim vorbildliche Aufnahme der Zuzügler als Bürger. Gerade dieses Recht dürfte neben der bewußten Förderung Nürn­ bergs durch die ersten Staufer mittels Verleihung der Zollfreiheit eine Voraus­ setzung für das schnelle Wachstum Nürnbergs im 12. und 13. Jahrhundert ge­ wesen sein. Da schon das Problem der staufischen Städtegründungen in Ostfranken an Hand des Beispiels von Lenkensheim erörtert worden ist, erscheint es gegeben, zum Schlüsse die Grundlinien der städtischen Entwicklung darzulegen, da bis­ her diese Frage grundsätzlich noch nicht behandelt worden ist88). Würzburg 69) gehört zu den seltenen Beispielen einer allmählich gewordenen Stadt, wo­ bei die Neuorganisation des Bistums und die Anwesenheit einer geistlichen Residenz fördernd gewirkt hat. Die Ummauerung wird neuerdings Bischof Hein­ rich I. (996—1018) zugeschrieben; bedeutsam ist, daß der dortige Kirchenfürst für diesen Ort 1030 Jahrmarktrechte erhält. In ähnlicher Weise dürfte auch Bamberg wie alle Königshöfe Marktrecht besessen haben. Aus der regel­ mäßigen Ablieferungspflicht der Hörigen entwickelt sich zu bestimmten Ter­ minen ein Markt. Es ist verständlich., daß der König den Mittelpunkten seiner Großgrundherrschaften das Marktrecht vorbehiielt, bei dem zunächst die jährlich an bestimmten Terminen statt findenden und von den Fernhändlem besuchten Messen wichtiger waren als die Wochenmärkte. Im 11. Jahrhundert verliehen die deutschen Könige zahlreiche Marktprivilegien, vor allem an geistliche Für­ sten 70), wie z. B. an Würzburg 1030, an die bambergischen Orte Amberg 1039 und Hersbruck 106071). Die erste bekannte Marktgründung eines deutschen Königs auf Reichsboden in Ostfranken stellt aber Nürnberg dar, das 1040/1 im Zuge der Reorganisation des Reichsguts unter dem Eindruck der Böhmenkriege gegründet worden ist72). Gerade die strategische Funktion der Neuanlage am „Nürnberg“ (= Felsberg) macht es wahrscheinlich, daß der Markt, der nach Seibold73) unterhalb der Burg gelegen war, von Anfang an befestigt war. Es ist höchstwahrscheinlich nur eine einfache Umwallung mit Plankenzaun ge­ wesen, der noch im ältesten Stadtbuch von 1300 erwähnt wird 74). Da diese Be­ festigung leicht zu beseitigen war, ist von dieser ältesten Einfriedigung auch in Nürnberg nichts mehr zu sehen als der Verlauf der Straßenzüge, deren Aus­ deutung mehrfach versucht worden ist75). Diese Märkte („forum“) wurden zu­ nächst durch Eigenleute bevölkert, die auf Grund des Marktherm saßen und deshalb dem Hofrecht des Grundherrn unterstellt waren; neben sie traten all­ mählich freie Kaufleute und Handwerker. Daß in Nürnberg Eigenleute des Stadtherrn lebten, geht aus der Schenkung solcher durch Herzog Friedrich von Rothenburg im Jahre 1163 76) an Bamberg hervor. Auch verfassungsrechtlich löst sich der „Markt“ erst allmählich aus dem Grafschaftsverband heraus. Wäh­ rend Nürnbergs Burg und Markt bereits 1040/1 errichtet worden waren, wurde erst seit etwa 106277) das Reichsgut um Nürnberg aus der Grafschaft des Pegnitzgaus herausgeschält und bildete seitdem einen eigenen Hochgerichts­ bezirk ähnlich wie die Reichsvogtei Goslar — eine Parallele, die bisher noch nicht aufgezeigt worden ist. Typisch für den damals noch vorherrschenden naturalwirtschaftlichen Zustand ist die Tatsache, daß im „Indiculus curiarum“ von 1064/5 78) nur von dem Wirtschaftshof und der „Burg“ Nürnberg die Rede ist, während Abgaben eines Markts noch nicht erwähnt werden, wenn man von der Pfefferlieferung absieht. Im 12. Jahrhundert setzte nun eine neue Phase in der kommunalen Ent­ wicklung ein, die in engstem Zusammenhang mit der mehr und mehr sich ent42

wickelnden Geldwirtschaft stand. Neue Märkte werden von den Königen ver­ liehen oder von den Fürsten angelegt. So errichtete Bischof Otto der Heilige (1102—1339), da der Markt in der Domimmunität auf dem linken Pegnitzufer offenbar zu klein wurde und nicht mehr ausreichte, einen neuen Markt auf der gegenüberliegenden Rednitzinsel, der mit Wall und Graben befestigt war79). Wie die Quellen zeigen, war diese neue Marktsiedlung noch grundherrlicher Natur80). Erst die Gründung von Freiburg im Breisgau 1120, über die eine Ur­ kunde genau berichtet, läßt zum ersten Male erkennen, daß neue Gesichts­ punkte auch in Deutschland zur Geltung kommen, die schon vorher in Flan­ dern, Burgund und Italien sich entwickelt haben: Der Grundherr errichtet zu­ sammen mit Kaufleuten einen befestigten Markt und verleiht der „Stadt“ be­ sondere Freiheiten, vor allem durch Gewährung persönlicher Freiheit an die Zuzügler und die Vergebung der Hofstätten gegen einen geringen Anerken­ nungszins. Die „Stadt“ wird außerdem eigener Gerichts- und Verwaltungs­ bezirk, der aus dem Landgericht herausgenommen wird. Da die Städte neu an­ gelegt werden, werden sie nach rationalen Überlegungen gestaltet: der Grundriß von Freiburg im Breisgau mit seinem Rhythmus von Marktstraße und Wohngassen, mit seinem rechtwinkligen und rippenförmigen Straßenschema, mit seinem auf die Erzielung von Handwerker- und Kaufleutewohnstätten mit landwirtschaftlichem Nebenbetrieb abzielenden Grundriß wird für die Stadt­ gründungen der Folgezeit vorbildlich81). Die Staufer sind m. W. die ersten nach den Zähringem und Welfen, die ähnliche Städte in ihren Landen anlegen. Die bekanntesten sind die Pfalzstädte von Hagenau (1164) und Gelnhausen (1169), während ihre Städtegründungen in Ostfranken und dem baierischen Nordgau bisher unbeachtet geblieben sind. Ähnlich wie Konrad III. eine sehr energische und erfolgreiche Territorialpolitik in den eben genannten Landschaften begann, so möchte ich auch glauben, daß er dabei Stadtgründungen als Mittel dazu ver­ wendet hat und besonders in Nürnberg damit begonnen hat. Diese Vermutung wird glaubhaft, wenn wir uns folgende Situation vergegenwärtigen: Nürnberg wurde 1125 als salisches Erbe von den Staufen beansprucht und bis 1130 er­ folgreich gegen Kaiser Lothar verteidigt. Nach ihrer Niederlage verlieh das Reichsoberhaupt diesen bisher als Schlüsselstellung umkämpften Ort an den Herzog von Bayern. Nach seiner Königswahl nahm Konrad 1138 diesen strate­ gisch so wichtigen Burgort den Welfen wieder ab und unterstellte ihn wieder dem Reich. Seitdem scheint die Reichsvogtei, bei der der militärische Befehl auf der Burg in den letzten Jahren die größte Rolle gespielt hatte, neu organi­ siert und als Amtslehen an die Grafen von Raabs vergeben worden zu sein. Es ist doch auffällig, daß noch einmal 1139 der Titel „advocatus“ auftaucht, während zunächst „castellanus und prefectus“ überwiegen, daß aber 1150 die deutsche aber latinisierte Bezeichnung „Burggraf“ („comes urbis“, „burggravius“) zum ersten Male erwähnt und seitdem in zunehmendem Maße ver­ wendet wird82). Es scheint mir, daß Konrad III., der von seiner Gemahlin reiche Güter im Nordgau als Mitgift erhalten und das Egerland an das Reich zurückgenommen hatte, Nürnberg zum festen Stützpunkt seiner Macht in die­ sem Grenzgebiet ausbaute und auf diese Weise eine sichere Verbindung von Schwaben bis nach Eger anbahnte. War es nicht naheliegend, daß dieser König das bisher so schwer umstrittene Nürnberg weiterhin dadurch noch zur Festung ausgestaltete, daß er im Stile seiner Zeit bei Nürnberg eine neue Stadt anlegte? Wir haben daran zu denken, daß Nürnberg schon 1163 als „burgus“ bezeichnet wird, was einen befestigten Markt bedeutet, daß die Innenstadt von St. Lorenz 43

vom „Weißen Turm“ bis zur Lorenzkirche mit ihrem eirunden Umriß und seiner meridianförmigen Straßengidederung dem Schema des zähringischen Freiburg und des 1191 gegründeten Bern in der Schweiz ähnelt83), daß die Lorenzkapelle auch das Patrozinium des „Heiligen Grabes“, wohl eine Erinne­ rung an den Kreuzzug Konrads III., trug. Daß die „Lorenzer Stadt“ eine Grün­ dung auf Reichsboden darstellt, kennzeichnet die Pflicht zur Entrichtung von Hofstättenzinsen und zur Leistung von Schnitterdiensten an den König, die allerdings während des Interregnums der Burggraf an sich reißen konnte und die 1273 diesem durch Rudolf von Habsburg bestätigt wurden. Daß diese Loren­ zer Siedlung eine Mischung von grundherrlicher und freiheitlicher Gründung war, geht daraus hervor, daß einerseits noch die an das Hofrecht gemahnen­ den Schnitterdienste für den Königshof erwähnt werden, daß aber andrerseits die Hofstättenzinse bereits schon gering sind: 9ie betragen im 14. Jahrhundert nur jährlich zwei Haller84). Dieser Anerkenntniszins für die zum Teil heute noch in ihrer ursprünglich beträchtlichen Größe erhaltenen Hofstätten sollte Ansiedler herbeilocken, denen das Material zu den leicht zu errichtenden Fach­ werkhäusern durdi Stellung von Bauholz aus dem Reichswald und dem Lehm zum „Verklaiben“ der mit Astwerk ausgefüllten Zwischenräume zur Ver­ fügung stand. Da diese „Neustadt“ sehr großzügig und umfangreich angelegt wurde — sie betrug etwa 23,5 ha85) —, so dauerte es eine längere Zeit, bis diese Siedlung vollständig besiedelt wurde. Wenn nicht schon in der Bezeich­ nung „burgus“ von 1163 die Befestigung ausgesprochen wäre, so müßte diese spätestens in die Jahre 1176 (Niederlage von Legnano infolge der Verweigerung der Unterstützung durch Heinrich den Löwen) und 1180 (Ächtung Heinrichs des Löwen und Verlust des Herzogtums Bayern) zu setzen sein, in denen nach Karl Weller86) die Staufer Städte an der bayerischen Grenze errichtet haben. Auch in diesem Falle wird man sich zunächst mit Graben, Wall und Plankenzaun beholfen haben, der noch im ältesten Stadtbuch von etwa 1300 erwähnt wird; die gefütterten Gräben und die Stadtmauer, die hinter dem alten Stadttheater (Lorenzerplatz-Theatergasse) und im Nadlersgraben an der Färberstraße heute noch in Resten erhalten sind, dürften erst seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhun­ derts angelegt worden sein. Wenn das innere Frauentor 125687) und etwa gleichzeitig das Spittlertor erwähnt werden und der „Weiße Turm“ als Rest des Spittlertors in seinen unteren Partien vielleicht noch in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgeht, so dürfen diese Tatsachen nicht zu dem Schlüsse verleiten, daß ohne Stadtmauer eine Stadt rechtlich nicht vorhanden sein könne und daß die Lorenzerstadt deshalb erst etwa im 13. Jahrhundert ent­ standen sein müsse. Urkundlich wird die „Lorenzerstadt“ zum ersten Male 120988) erwähnt, als König Otto IV. der Welfe die dem Reich gehörige Kapelle von St. Jakob, die mit Recht allgemein als Kirche des Königshofs angesprochen wird89), dem Deutschen Orden geschenkt und diese als „in civitate N.“ gelegen bezeichnet wird. Demnach erscheint das Jahr 1138/9 der „terminus a quo“ und 1163 (burgum), spätestens 1209 (civitas) der „terminus ad quem‘‘ für die Grün­ dung der Lorenzerstadt zu sein. Die Aufgabe der Lorenzerstadt war, auf dem Südufer der Pegnitz die West-Ost-Straße zu sperren und eine Blockierung von Burg und Sebalder (Nord-) Stadt zu verhindern. Der Grundriß der Lorenzerstadt, der nicht nur dem von Freiburg in 'Breisgau, sondern auch dem von Hagenau {ca. 1140—1169) ähnelt, läßt sich wohl so erklären, daß die Straßen der Marktstadt von dem bei St. Jakob gelegenen Königshof ausgehen und durch den in die Stadt 44

eingeleiteten Fischbach und die auf einer kleinen Sanddüne von St. Lorenz nach Südosten (St. Peter) ziehende „Regensburger Straße“ bestimmt werden. Es ist bemerkenswert, daß das westlich gelegene Gostenhof eine ältere Sied­ lung darstellt, die eigenartigerweise ursprünglich zur Ausstattung des Burg­ grafenamts gehört haben muß90), daß ähnlich wie auf der Burg Besitz des Königs wie des Burggrafen nebeneinander liegen. In der Südstadt liegt neben dem Königshof der Burggrafenhof (Jakobsplatz 18), dessen Turmbau noch bis 1945 in den Untergeschoßen erhalten war91). Demnach ist m. E. die Gründung der Lorenzerstadt vom Königshof bei St. Jakob92) ausgegangen, an den sich die Neustadt östlich angeschlossen hat. Die Lorenz- bzw. Heiliggrabkapelle war die Seelsorgekirche der Bürger und von der älteren Michaelskirche in Fürth abhängig. Es ist wohl möglich, daß die Lorenzkapelle älter als die Lorenzerstadt ist, aber wahrscheinlicher, daß anläßlich der Gründung der Lorenzerstadt ein Areal für die Errichtung einer Seelsorgekirche von vornher­ ein ausgeschieden wurde; daß gerade dieser Platz ausgewählt wurde, ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß gerade an dieser Stelle der Sandstein aus der Sandterrasse des Südufers heraustritt und die Errichtung eines größeren Stein­ bauwerks ermöglicht93). Wenn sich unmittelbar gegenüber der Lorenzkirche das fälschlich „Nassauerhaus‘‘ genannte Turmhaus erhebt, das in seinen Grund­ festen spätestens in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts und höchstwahrschein­ lich von der Butiglerfamilie „von Stein“ errichtet worden ist, so ist dies aus den gleichen technischen Gründen geschehen, wobei sicher auch der Wunsch mitgespielt hat, an der Straßengabel zwischen Regensburger Straße und Haupt­ straße (jetzt Karolinenstraße) sowie an der zur Pegnitzbrücke (Fleischbrücke) führenden Straße zu sitzen und diese beherrschen zu wollen. Der Fischbach ist künstlich aus dem von Fischbach zur Tullnau führenden natürlichen Tal über St. Peter und dem Landgraben und der Tafelhofstraße folgend geführt und betritt erst durch die Pfannenschmiedsgasse die Stadt. Er macht also einen merkwürdigen Bogen! Wenn er nicht den kürzeren Weg längs der Regensbur­ ger Straße geleitet wurde, so war dies dadurch verursacht, daß die Regens­ burger Straße von St. Peter bis zur Lorenzkirche über einen nur etwa 1—2 m hohen Sanddünenzug benützt, den der Fischbach umgehen mußte93). Gerade die Betrachtung der Bodenverhältnisse der Nürnberger Landschaft läßt Schlüsse auf die Folge ihrer Besiedlung zu, wie ich wohl erstmalig aufgezeigt habe93). Die leicht verwitterbaren Sandsteinformationen des nördlichen Peg­ nitzufers luden zunächst zur Besiedlung ein. Erst als diese aufgebraucht waren und sich nach 1138/9 die weitere Notwendigkeit ergab, errichtete der König auf der wohl hauptsächlich mit Wald und Heide bestandenen Sandterrasse des Südufers die „Lorenzerstadt“, zu der verhältnismäßig wenig guter Ackerboden, dagegen mehr Wiesen gehörte, wie noch die Landkarten des 16.—18. Jahrhun­ derts dartun. Um auf diesem dürren Boden den Ansiedlern einen landwirt­ schaftlichen Nebenbetrieb neben ihrer kaufmännischen und handwerklichen Tätigkeit zu gewährleisten, sah sich der Stadtherr bzw. dessen Beamter, der Burggraf, gezwungen, den Fischbach in die Stadt einzuleiten, eine für die da­ malige Zeit immerhin beachtliche technische Leistung. Wenn die Lorenzerstadt sich nur langsam entwickelte und im 14. und 15. Jahrhundert nicht die dichte Ansiedlung von Kaufleuten, Handwerkern und Patrizierhöfen94) wie die Sebalder Stadt aufwies, so ist dieses „Nachhinken“ durch die Tatsache zu erklären, daß die Sebalder Stadt unter der Burg die ältere Siedlung und die ursprüngliche Marktstätte war. Es ist dabei zu be45

denken, daß gleichzeitig mit der Anlage der Lorenzerstadt auch die Sebalderstadt allmählich weiterwuchs und sich bis an die Pegnitz zu erstrecken begann, wo m. E. nach 1147 auf dem Gelände des Hauptmarktes die aus den rheinischen Städten geflohenen Juden angesiedelt wurden95). Die sich allmählich im An­ schluß an den alten Burgflecken im Laufe des 12./13. Jahrhunderts entwickelnde Stadterweiterung der Sebalder Stadt ist wahrscheinlich erst um 1250 durch eine „Ringmauer“ eingefangen worden, die vom Max-(Frösch)tor über den Laufer­ schlagturm zum Sand und von hier aus über die Neue Gasse und die HansSachsgasse quer über den Markt bis etwa zur Tuchgasse lief. Nach neuesten Funden scheinen Fleischhaus und Pfannenmühle an der Pegnitz noch in die Schutzwehr einbezogen gewesen zu sein, die dann wieder an der Nordseite des Maxplatzes entlang die Geiersberggasse hinauf über „Neutor“ und Tiergärtner­ tor zur Burg zog. Die Untergeschosse von Lauferschlag- und Tiergärtnertorturm sind ebenfalls höchstens in das Ende des 13. Jahrhunderts zurückzudatieren. Wenn urkundliche Nachweise über Ortsbezeidmungen und Straßennamen aus Nürnberg erst in der Mitte des 13. Jahrhunderts häufiger werden, so liegt die Ursache darin, daß die schriftliche Überlieferung erst um diese Zeit ein­ setzt und daß Salbücher oder gar Traditionsibücher des um 1146 gegründeten Egidienklosters aus dieser Zeit nicht vorliegen, wie das „Nürnberger Urkunden­ buch“ deutlich zeigt. Das verhältnismäßig rasche Anwachsen von Sebalder und Lorenzer Stadt im 12. und 13. Jahrhundert erklärt sich aus der damaligen Anziehungskraft der Städte, die den Menschen jener Epoche bessere und neue Lebensmöglichkeiten als das Land bieten konnte. Es sei nur an die soziale, ständische Besserstellung erinnert, die in dem Nürnberger Vorrecht, Zuzügler nach dem Motto „Stadtluft macht frei“ aufzunehmen, besteht, wie in dem Lenkersheimer Privileg von 1200 belegt wird. Dazu kam, daß die meisten Reichsstädte Zoll- und Geleits­ freiheit im Reich besaßen, wie sie für Nürnberg erstmalig 1163 96) bezeugt ist. Dadurch waren die Nürnberger gegenüber den Kaufleuten der benachbarten Städte und Märkte im Vorteil. Gerade die Gewährung der persönlichen Freiheit und der Selbstverwaltung an die Bürger machte das Wesen der „civitas“, d. h. der Stadt im modernen Sinne, aus. Bis diese Entwicklung voll ausgereift war, dauerte es fast noch 2 Menschenalter. Die Bahn brachen die lombardischen Städte, die nach dem Sieg von Legnano 1176 den Kaiser zum Frieden von Konstanz 1183 und zur Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung für die oberitalienischen Reichsstädte zwangen, sowie die unglückliche Doppelwahl von 1198 nach dem plötzlichen Tode Heinrichs VI., die auch-.den deutschen Städten mehr Bewegungsfreiheit gewährte. Aber erst der Zusammenbruch des staufischen Imperiums 1254 ermöglichte den Reichsstädten, die bis dahin unter der Verwaltung der königlichen Beamten (Schultheißen) lebten, die Befreiung von einer starken Zentralgewalt und die Übernahme der politischen Leitung durch ein Organ der Bürgerschaft, den Stadtrat („consules“). Es ist charakteristisch, daß 2 Jahre später, 1256, in Nürnberg der Stadtrat nach außen handelnd auftritt und daß auch in den übrigen fränkischen Reichsstädten dieser Bürger­ ausschuß erst in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts urkundlich erwähnt wird 97). Es ergibt sich auch für Ostfranken folgende chronologische Reihe in der Bezeichnung von Markt und Stadt: zunächst wird genannt das „forum“, der befestigte Markt, der aus dem Landgerichtsibezirk herausgelöst wird und eigenes Kaufmannsrecht erhält; „oppidum“ heißt schon am Anfang des 12. Jahr­ hunderts ein befestigter Ort, der Marktrecht haben kann95); „burgus“ oder 46

„burgum“ ist aber der „Modename“ für jene Stadtgründungen des 12. Jahr­ hunderts, die der neuen Konjunktur dadurch Rechnung tragen, daß sie nicht nur eigenes Gericht und Markt sowie Befestigung besitzen, sondern zwecks Anlockung von Ansiedlern die bisherigen leib- und grundherrlichen Bindungen erleichtern, persönlich freie Stellung gegenüber dem Stadtherm, geringe Hof­ stättenzinse, Erleichterung des Handels durch Zollfreiheit und vor allem Selbst­ verwaltung durch einen Büigerausschuß, den Stadtrat, verleihen. Um 1200 wird an Stelle von „burgus(m)“, d. h. der Latinisierung des deutschen Wortes „Burg“, der Ausdruck „civitas“ bzw. „civis“ üblich, der sich an die antike Tradition bzw. an den italienschen Sprachgebrauch des 12. Jahrhunderts anlehnt. „Oppidum“ heißt fortan die kleine grundherrliche Stadt, die seit dem 13. und beson­ ders im 14. Jahrhundert von den Territorialherren errichtet wird. Auch für die Frage, welche Grundrißformen die königlichen Städtegrün­ dungen in Ostfranken aufweisen, liefern Lenkersiheim und Nürnberg wertvolle Erkenntnisse. Lenkersheim gehört zu jenen Städten mit Schachbrettmuster aus der Zeit um 1200 (nach Rietschel Normaltypus 98), von Klaiber Baublocktypus genannt")). Aber auch hier ist das Schema infolge der örtlichen Verhältnisse nicht logisch durchgeführt. Nürnberg kann nicht ohne weiteres einem Grundrißtypus zugewiesen werden, obwohl dessen Altstadt mit seinem noch heute erhaltefien Mauerring äußerlich den Eindruck macht, als wenn die Stadt einheitlich entstanden wäre. Es ist von H. Seibold und R. Schaffer herausgearbeitet und betont worden, daß Nürnbergs Altstadt aus zwei eigenen Stadtteilen zusammengewachsen ist. Die Sebalder Stadt ist im Anschluß an die Burg gegründet worden, die Lorenzerstadt vom Königshof bei St. Jakob. Die von Seibold aus dem Stadtplan abge­ lesene älteste Siedlung unterhalb der Burg stellt m. E. den ältesten Markt dar. Die von Westen [!] nach Osten [!] durchlaufende Straße ist zum Straßenmarkt erweitert und am Schnittpunkt mit der von der Pegnitz heraufziehenden Straße ist unterhalb der südlichen Freiung ein Platz gebildet, der wohl schon ursprüng­ lich Verkaufs- und Handelszwecken gedient hat. Nürnberg stellt also den ältesten Beleg für einen Straßenmarkt auf Reichsboden in Ostfranken dar100). Die folgenden Stadterweiiterungen der Sebalder Seite gehen weniger auf planmäßige Maßnahmen, als auf allmähliches Wachsen zurück. Um 1250 wird die Siedlung mit einer Stadtmauer umfangen, um 1380 wird die östlich ent­ standene Vorstadt mit einer neuen Befestigung geschützt. Die Lorenzerstadt entstand dagegen etwa 100 Jahre später als die Sebalder Stadt. Ihr eigenartiger Grundriß ähnelt in den Straßenmärkten, in dem Wechsel von Haupt- und Nebenstraßen, in der Einführung von Stadtbächen den zähringer Stadtgründungen vom Muster Freiiburgs im Breisgau. Doch stellt die Nürnberger Anlage schon eine Weiterentwicklung dar, da sie die Straßen meridianförmig anordnet und die Querverbindungen zurücktreten, sodaß die Rippenform verlassen wird. Auch hier formen örtliche Notwendigkeiten die Führung der Hauptstraßen: vom West- und Osttor führen je eine Straße zur Fleischbrücke, die die Verbindung zur Nordstadt vermittelt; die vom „inneren Spittlertor“, d. h. vom Königshof, ausgehenden Straßen werden durch die nach Regensburg ziehende Straße abgefangen, die von der Burg über die Fleisch­ brücke zum heute nicht mehr erhaltenen „inneren Frauentor“ (ehemals an der Mauthalle) hinausführt, wobei vor der Lorenzkirche ein kleiner Platz aus47

gespart ist. 1370—90 wird eine Stadterweiterung mit einer neuen Mauer ein­ gefangen. In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß die Lorenzerstadt eine gewisse Ähnlichkeit mit der Innenstadt von Hagenau im Elsaß hat, die nach Fein101) im Zeitraum zwischen 1125 und 1140 gegründet worden ist, während das etwas unregelmäßige Wachsen der Sebalder Stadt im 12./13. Jahrhundert an Frankfurt a. M. erinnert, das ebenfalls zur Hohenstaufenzeit sich stark, aber nicht nach einem einheitlichen Plan entwickelt102). Vergleicht man die staufischen Städtegründungen in Ostfranken und im baierischen Nordgau (Ober­ pfalz), so finden sich zahlreiche Ähnlichkeiten. In den meisten Fällen haben das unebene Gelände und vorhandene Straßenzüge eine ganz klare, abgezirkelte Grundrißbildung verhindert, doch finden sich überall ovale oder viereckige Umrisse, Straßenmärkte, später viereckige Marktplätze in der Mitte der Sied­ lung, rippenleiterförmige Straßengliederungen und nicht allzu verschiedene Flächengrößen. Was die Stellung beider Städte in der Städtepolitik des Reichs betrifft, so läßt sich feststellen, daß Lenkersheim eine Etappe in den staufischen Stadt­ gründungen in Ostfranken darstellt, ein neues Mittel im Zuge ihrer Territorial­ politik. Die Gründung der Lorenzerstadt Nürnberg ist dagegen mehr als Auftakt der staufischen Städtepolitik im ostfränkisch-nordgauischen Raum zu werten. Die Errichtung des Markts am „Nürnberg“ (1040/1), des Kerns der Sebalderstadt, ist m. E. jedoch das erste Anzeichen dafür, daß die Könige aus salischem Geschlecht in ihrer Reichsgüterpolitik dazu übergegangen sind, nicht nur aus strategisch-politischen Gesichtspunkten Burgen, sondern nun auch aus wirt­ schaftlichen Gründen Märkte anzulegen. Nürnberg erscheint als erster Beleg dieser Tätigkeit in dieser Grenzlandschaft. Beide Male wird das Ziel verfolgt, Nürnberg und diesen Raum stärker in den Machtbereich des Reichs zu ver­ flechten los). Anmerkungen 1) Nach dem Statist. Jahrbuch von Bayern zählte Lenkersheim am 17. V. 1939 422 Ein­ wohner, während der Stand vom 29. X. 1946 mit 187 Haushaltungen und 754 Einwohnern die .kriegsbedingte Überfüllung mit Flüchtlingen widerspiegelt. Die Landflucht des 19. Jahrhunderts geht daraus hervor, daß nach dem „Verzeichnis aller im Rezatkreis . . . enthaltenen Ortschaften“ (Ansbach 1818) und den handschriftlichen Einträgen des Exemplars des Bayer. Staatsarchivs Nürnberg (BSTAN) S. 54 Markt Lenkersheim 94 Feuerstellen, 125 Familien und 579 Seelen zählt. 2) Vgl. Chr. Wilhelm Schirmer, Geschichte Windsheims und seiner Nachbarorte, Nürn­ berg 1848, S. 298—300; W. Schultheiß, 750 Jahre Markt Lenkersheim, Fränk. Landeszeitung (Ansbach) vom 26. August 1950. 3) Nürnberger Urkundenbuch. Bearbeitet vom Stadtarchiv Nürnberg (Archivdirektor Dr. Gerhard Pfeiffer), Nürnberg 1951, Nr. 105, Mon. Boica 29 I, S. 491 ff. (nicht 1199, sondern 1200!). 4) Heinz Dannenbauer behandelt in seiner verdienstvollen Untersuchung über „Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg (Stuttgart 1928)“ auf Seite 4—105 „Reichsgut“ und „Reichsbeamten“ im Raume von Nürnberg, auf S. 24/5 „Lenkersheim“ und in unzureichender Weise „Windsheim“, auf S. 56 ff. die „Reichsstädte“ dieses Gebietes, hebt die Hausimachtpolitik der Staufer in Franken und dem Nordgau hervor, übersieht aber die Rolle der Stadtgründungen innerhalb ihrer Territorialpolitik. — Karl Bosl spricht in seiner bahnbrechenden Arbeit „Die Reichsministeriaütät der Salier und Staufer. Band I (Stuttgart 1950)“ auf S. 156 davon, daß „vor allem eine großzügige Städtepolitik, verbunden mit einem umfassenden Burgenbau“ dem Ausbau der Landeshoheit der Staufer gedient hat, führt diesen Gedanken aber in dem bis jetzt vorliegenden Band I, der Ostfranken und den Nordgau nur im Überblick auf S. 155—163 behandelt, nicht weiter aus.

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5) Unter „Ostfranken“ wenden im folgenden die bayerischen Regierungsbezirke Mittel-, Ober- und Unterfranken samt Wtirttembergisch-Franken verstanden. 6) Chr. W. Schirmer S. i26 ff., Dannenbauer S. 25. 7) Dannenbauer S. 20 ff. 8) K. Bosl, Rothenburg im Stauferstaat, Würzburg 1049. 9) Karl Weller, Die staufische Stadtgründung in Schwaben, Württ. Vierteljahreshefte NF. 36, 1930, S. 181-^3. 10) F. Stein, Geschichte der Reichsstadt Schweinfurt, 2 Bände, Schweinfurt 1900/1 und Monumenta Suinfurtensia. Schweinfurt 1874. 11) Nürnberger Urkundenbuch (= NUB.) Nr. 178, Mon. Boica 30a, S. 82 ff. 12) 1188: burgi Weißenburg, Dinkelsibühl, Aufkirchen, dagegen castrum Rothenburg o. T. als stauflsche Allode in MGH. Const. I, 453; 1163 „biurgus“ Nürnberg, NUB. Nr. 70. 13) MGH. Const. III, S. 3 ff. 14) Erwähnung von „Schultheißen“ und der Ausdrücke „civis“ oder „civitas“ bei Dannenbauer a. a. O. 15) K. Weller, Staufische Städtegründung in Schwaben a. a. O. S. 147 ff., ders. Ge­ schichte des schwäbischen Stammes . . . 1944. io) Hella Fein, Die staufischen Städtegründungen im Elsaß, Frankfurt am Main 1939, besonders über Hagenau S. 13 ff. 69: Altstadt 12 ha. 17) Gerhard Bott, Die Städte in der Wetterau, Frankfurt a. M. 1950, besonders über Gelnhausen S. 21 ff. 18) F. Th. Gaupp, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters I, Breslau 1851, S. 97. 19) H. G. Gengier, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, Nbg. 1866, 2. Aufl. S. 145/6. 20) vgl. meinen ungedruckten Vortrag über „Probleme der Gründung und Früh­ geschichte der Stadt Nürnberg“ in der Abt. Vorgeschichte der Naturhistorischen Gesell­ schaft Nürnberg 1949 und den Beitrag „Älteste Dokumente“ im „Jubiläumshandbuch 900 Jahre Nürnberg“ 1950. Damit im wesentlichen übereinstimmend H. H. Hofmanns „Nürn­ berg. Gründung und Frühgeschichte“ in Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 10, Nürnberg 1950, dem das Manuskript zu meinem Vortrag Vorgelegen war. Dort die ein­ schlägige Literatur! 21) NUB. Nr. 104—106. Der Hoftrag beschäftigte sich auch mit Angelegenheiten des fränkischen Reichsguts. 22) NUB. Nr. 107. 23) Dannenbauer a. a. O. S. 77 ff. 24) Südwestlich von L. liegen auf dem anderen Ufer der Aisch die Galgenwiesen und -äcker. Noch heute trägt eine Wiese, von der man aus nach Verlassen des Ortes zuerst den Galgen sah, den Namen „Die Schreck“ (Frdl. Mitt. des Bürgermeisters von L.). 25) Bay. Staatsarchiv Nürnberg (= BSTAN), Ansbacher Salbücher Nr. 57, Bl. 127 und 121. Damit im wesentlichen übereinstimmend das Gemeinbuch des Marktes L. von etwa 1600/17 (Gemeindearchiv L. Nr. 2). 26) Hohenecker Salbuch 1596 Bl. 141 ff. (Marktordnung von 1617). Ähnlich Gemeinbuch von Lenkersheim. 27) Nach Bundschuhs Geogr. stat.-hist. Lexikon von Franken, Band 3, 1801, Sp. 328/9 befand sich noch damals eine Zollstation in L. Zollfreiheit genoß L. neben Markt-Erlbach in Windsheim noch 1442. Schirmer S. 105/6. Vgl. Reg. 204 des BSTAN Abt. XVII: Branden­ burg Nr. 3! 28) Unter diese Einkünfte fallen die Gerichtsgebühren, die Hofstättenzinse, die in L. unter diesem Namen nicht nachweisbar sind, sowie die regelmäßig im Mai und im Herbst zu zahlende und daher nach diesen Terminen benannte Reichs- oder Stadtsteuer (vgl. diese Mai- und Herbststeuer im Reichssalbüchlein von 1300, MGH. Const. III, 630 ff.). 29) vgl. dazu Below, Ursprung der deutschen Stadtverfassung, Düsseldorf 1892, S. 96 ff. und H. G. Gengier, Deutsche Stadtrechtsaltertümer, Erlangen 1882, S. 407—432. 30) Das Hagenauer Stadtrecht von 1164 (vgl. Anm. 18) verwendet in S. 5, 6, 14 und 26 diesen Ausdruck für „Gemeinde, Genossenschaft“ d. h. die Bürgerschaft. 31) Hohenecker Urbar von 1596 (BSTAN Ansb. Salb. Nr. 57) Bl. 121. 32) Bis jetzt haben sich keine Spuren von Mauern bzw. Fundamenten gezeigt. (Frdl. Mitt. des Bürgermeisters.) Damit stimmt auch die archivalische Überlieferung des 14. und 15. Jahrhunderts überein. 33) Es ist bezeichnend, daß der Herzog von Meran 1207/8 Lichtenfels mit einer höl­ zernen Befestigung umgibt, als er seinem Ort schnell eine Schutzwehr gewährt (Loosnorn II, s. 599). Noch im ältesten Stadtbuch Nürnbergs von etwa 1300 wird verboten, die Befestigung der Stadt, insbesondere Mauer, Graben, „Riegel, Schrankbäume und Letze (- Schutzwehr, Verhau nach Schmeller, Fromman, bair. Wörterbuch I, 1545) zu be­ schädigen. (Vgl. G. W. K. Lochners Nürnberger Jahrbücher II, S. 137.) Mit Recht betont daher E. Rühl in seiner vorbildlichen „Kulturkunde des Rednitztales“, Bamberg 1932, S. 213, daß die „Märkte“ behelfsmäßig mit Wall und Graben befestigt waren. 4

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34) Chr. W. Schirmer, S. 299. — M. E. lag sie in der Süidostecke des Ortes an der Straße, etwa bei Hausnummer 20, da dieses Anwesen noch 1818 Seckendorflscher Besitz war und da in der Nähe die „Hof äcker und -wiesen“ gelegen sind. Es erscheint weniger glaubwürdig, daß die „Burg“ an Stelle der heutigen Pfarrkirche lag, die nach dem Katasterblatt von 1855 noch von einem Wassergraben umgeben bzw. befestigt war oder daß sie, wie die örtliche Tradition besagt, auf der östlich der Kirche gelegenen „Peunt“ lag, weil dort noch vor Jahrzehnten Mauerreste gefunden wurden. 35) NUB. Nr. 220. Schirmer S. 298, Dannenbauer S. 80/81. 1254 ist ein Heitvolk von L. Schultheiß in Nürnberg (NUB.). 36) Reinhold Schirmer, Die städtischen Siedlungen des Obermaingebietes, Erlangen 1980, S. 51 . 37) Paul Schöffel (t) in seiner sehr aufschlußreichen Studie über „Alte Städte in Mainfranken“ in „Aus der Vergangenheit Unterfrankens“ (= Mainfränkische Heimat­ kunde 2, Würzburg 1950) S. 94. 38) Freundl. Mitteilung des städt. Vermessungsamts Nürnberg. Das Ortsblatt 1 :2600 ist Beilage zu Bl. N W LXVI. 35. 3») BSTAN. Rentamt Windsheim Nr. 158/9. 40) ißii (BSTAN. Rentamt Windsheim ), 1571 und 1596 (ebenda Ansbacher Salbücher Nr. 56 und 57). 41) Bl. 61—65/84. 42) Drude in Mon. Boica 47/1 (1902) S. 87—99. 43) BSTAN. Ansbacher Salbücher (Kloster Heilsbronn) Nr. 118 (1476), 119 (1648), 120 (1432), 52 (1402). 44) vgl. das Verhältnis von Familie und Einwohnerzahl 1818 (Anm. 1) und die Ver­ gleiche Hegels wegen der Bevölkerungszahl in den mal. Städten in „Chroniken der deutschen Städte“ I, S. 214 ff. und IV, 370 sowie G. W. K. Lochners „Einwohnerzahl Nürn­ bergs“. Nürnberg 1857. 45) Die zunächst genannten 6 Höfe zahlen zu Wallburgis und Michaeli als Hermgült etwa 4—>13 Schilling Pfennig. Jeder Morgen Acker entrichtet zu beiden Terminen je 2 Haller „Gold“ und 3 Pfg. alt für Vogtweizen. 46) Der „Vogtweizen“ beträgt nach dem'salbuch von 1571 für jeden Hof etwa 9(t Ort eines Guldens und einige Pfennige, ist also ebenfalls nicht ganz unerheblich. 47) Nach dem lUrkataster von 1834/5 (vgl. Anm. 39) verteilt sich die ehemalige grund­ herrschaftliche Zugehörigkeit der 94 Hofstätten ungefähr folgendermaßen: etwa 65 Hof­ stätten zum Oberamt Hoheneck, 13 (einschließlich Badstube) zur Pfarrei Lenkersheim, 2 Leerhäuser innerhalb des Grabens zur Gemeinde L., 1 HofStätte (ehern. Justizamt) zum Augiustinerkloster Windsheim, je 1 zur Kilianikirche und Frauenkapelle in Windsheim, 1 dem Grafen zu Castell, 1 Kirche zu Obernzenn, 4 den Freiherm von Seckendorf. Freies Eigen sind: Pfarrhof und Pfarrkirche, Schulgut, 2 Hofstätten. 48) vgl. den Vortrag von Helmut Weigel über die Martinspatrozinien im Zusammen­ hang mit der fränkischen Kolonisation in Ostfranken (Vortrag vor der Abt. Vorgeschichte der NHG. Nürnberg 1951). Filiation nach K. Schornbaum, Die Archivinventare der ev.-luth. Pfarreien im KonsAstorialibezirk Ansbach, Erlangen 1929, S. 895. Vgl. Dannenbauer S. 25. 4») Ch. W. Schirmer S. 300. Die Pf. L. hat keine Filialen! 50) Regesta Boica IV, S. 565: Schenkung tu. a. einiger Äcker bei Lenkersheim an die DO .-Kommende Vimsberg. 51) Vgl. dazu R. Schirmer, Städt. Siedlungen S. 44—54. Der Autor weist die einzelnen Städte den verschiedenen Grundrißtypen zu, ohne aber vorher im einzelnen das Jahr und die Geschichte der Gründung festzustellen, kommt daher zu unsicheren und nicht abschließenden Ergebnissen. — Dem gitterförmigen oder schachbrettartigen Grundriß weist Schirmer u. a. zu Coburg, Lenkersheim, Königsberg i. Ufr., Haßfurt, Neustadt a. Heide. Karlstadt bleibt wegen seiner Zugehörigkeit zu Unterfranken und zum Main­ gebiet außer Betracht. Es ist bemerkenswert, daß Schirmer die Ähnlichkeit Coburgs mit den nord- und ostdeutschen Kolonisationsstädten hervorhebt und er die Maße der um 1200 gegründeten Siedlung mit etwa 375 m Durchmesser angibt. Der Durchmesser Lenkersheims vom Oberen zum Unteren Tor beträgt ungefähr 400 m. 52) Dannenbauer und Bosl a. a. O. und „Nürnberg als Mittelpunkt staufischer Staats­ politik“. Mitteilungen des Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 39, 1944, S. 51 ff. 53) NUB. Nr. 264, Mon. Boica 30 a S. 221 ff. 'Uber das Verhältnis zwischen dem Reich und den Bischöfen von Würzburg bes. zwischen 1198 und 1235 vergl. Fr. Stein, Gesch. Frankens I, 1885, S. 237—55 und Th. Henner, B. Hermann I. . . . 1875, S. 11 und wegen des Abfalls von Philipp 1202, E. Winkelmann, Philipp von Schwaben, 1873, S. 265 ff. 54) Schirmer a. a. O. S. 28.

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55) 1240: Bann gegen die cives de L. (Böhmer-Ficker, Reg.-Imp. 11255. NUB.: 1256 V 12 Lochner, N.er Jahrbücher, II, S. 31: Die LenkerahelTner Mühle im Besitze eines N.er Bürgers. 56) Schirmer a. a. O. S. 298, Reg. Boica IV, 193 und Mon. Zoll, n, S. 138. 57) Mon. Germ. iHist. Const. ITT, 630 (S. 15). 58) Die Belege für Hofmark um Nürnberg E. v. Guttenbeng, Territorienbildung am Obermain (79. Ber. d. Bistor. Ver. Bamberg 1927). (Sachregister!) Für Altbayem vgl. E. Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht in d. mal. Gerichtsverfassung Alttoayerns. Heidelberg 1929. 59) Reg. Boioa V, 137. 60) Weller, Städtegründungen in Schwaben S. 174 ff. «1) Bosl, Reichsministerialität I, S. 155 f. 62) Kantorowitz, Kaiser Friedrich n., 2 Bände, 1928, geht auf die deutsche Innen­ politik des Hohenstaufen nicht weiter ein. H. Dannenbauer berührt in seinem sehr an­ regenden Aufsatz über „Politik und Wirtschaft in der deutschen Kaiserzeit“ in der Fest­ schrift Haller (Stuttgart 1940) S. 175 ff. die Fragen der Städte- und Handelspolitik nur flüchtig, betont aber den Zusammenhang zwischen Städtegründungen und Wirtschaftsentwicklung im 13. Jahrhundert. 63) Dannenbauer, Territorium, S. 92j, 77/78. «4) W. Schultheiß, Die Einwirfcuiig des Nürnberger Rechts auf Franken . . . Jbch. f. fränk. Landesforschung 2, 1936, S. 32. Wie früh die Territorialpolitik der Burggrafen die ursprünglichen Rechtszüge nach Nürnberg abschneidet, beweist auch das Beispiel Len­ kersheim: Das Hohenecker Urbar von 1596 (BSTAN. Ansfo. Salbücher Nr. 57, Bl. 118) besagt, daß der Rechtszug („Schub“, „Appellation“) „von altersher“ nach der Stadt Ans­ bach geht. 65) h. G. Gengier, Die Verfassungszustände im bayerischen Franken, Erlangen 1894, S. 31 und 36, macht auf die Beziehungen zwischen N. und L. aufmerksam. 66) Siegfried Rietschel bezeichnet dagegen noch mit „burgus“ den unter oder bei einer Burg gelegenen Flecken, das „suburbium“ (Markt und Stadt, S. 108, Anm. 2/3, Burg­ grafenamt S. 120, Anm. 4). Aus den von R. gelbrachten Bamberger Belegen geht die Identität und Entwicklungsreihe „forum-burgus- bzw. oppidum-civitas“ hervor. Material hiezu bei H. G. Gengier, Stadtrechtsaltertümer, S. 349—359. «7) E. Hamm, Die Städtegründungen der Zähringer Herzöge, Freiburg 1932. 68) e. Rühl a. a. O. gibt in Kap. 'IX eine sehr klare und zutreffende Entwicklung der Städte und Märkte des Rednitzgebietes. R. Schirmer kommt zu keinen klaren und befriedigenden Ergebnissen. Wilhelm Funk hat in seinen „Deutschen Rechtsdenkmälem“ (1936) und in seinen Untersuchungen über „Gutenstetten“ (Frankenland 1950, S. 17) und über „Kitzingen“ (K. 1951) wertvolle Beiträge geliefert. Die Zusammenhänge zwischen Rechtskreis und Städtegründungen der Staufer streift W. Schultheiß (Anm. 66). 69) p. Schöffel a. a. O. S. 92. 70) w. Stein, Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen Kaiserzeit, 1922, S. 17 ff., besonders S. 22 ff. 71) MGH. Dipl. K H Nr. 154: Würzburg (Tages- und Jahrmarkt). Nr. 144 (Donau­ wörth); Nr. 207 (Amberg). 72) Auch hier als Vorläufer Goslar, das schon unter Heinrich II. wahrscheinlich Markt­ recht erhalten hat. Vgl. im übrigen W. Schultheiß und H. H. Hofmann (Anm. 20). 73) Hans Seibold, Der Nürnberger Stadtgrundriß als Urkunde der Grundrißentwick­ lung. Fränk. Heimat, 1925, Heft 7—9, beleuchtet die Nürnberger Topographie vom Ge­ sichtspunkt des Grundrisses aus, ohne allerdings von den urkundlichen Grundlagen aus­ zugehen. Er hat zuerst auf den Umfang des „suburbium“ auf der Sebalder Seite und auf die für das 12. Jahrhundert typische Form der Innenstadt von St. Lorenz hinge­ wiesen, die schon Rietschel (Burggrafenamt, Seite 119) als Gründung des 12. Jahr­ hunderts gekennzeichnet hatte. Reinhold Schaffers Ansichten über die topographische Entwicklung, besonders über die Lage des südl. Königshofs bei St. Lorenz (Völkischer Beobachter 1934, Nr. 185, 189, 192) sind wegen ihrer eigenwilligen Beweisführung und an der Oberfläche bleibenden Untersuchung allgemein nicht anerkannt worden (vgl. Anm. 92). Die Zusammenfassung des damaligen Standes der Forschung bei W. Schultheiß, Die Wehrbauten der Reichsstadt Nürnberg (Nürnberger Schau, 1940, Nr. 3) mit Plan. Eine genaue Beurteilung der Lage läßt sich erst nach der Veröffentlichung des Urbars der Deutschordenskommende Nürnberg von 1323 und zugehöriger Quellen durch Archivdirektor Dr. G. Pfeiffer ermöglichen, wie ich in meinem Vortrag vor der „Dt. Stein­ kreuzforschung“ über „Die räuml. Entwicklung Nürnbergs bis 1325“ betonte. 4*

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74) Abdruck des Satzungsbuches bei Lochner, N.er Jahrbücher II, 137 (vgl. S. 86): „mower oder an graben oder swa . . . dev stat gevestent wirt . . . Higel, schrängbavm oder letze . . .“ 75) Hingewiesen sei auf iDr. F. A. Nagel, der bereits 1932 aiuf die Lage des Königs­ hofs bei St. Jakob hinwies und umfangreiche Untersuchungen Über den Verlauf der alten Nürnberger Straßenzüge veranstaltete (Manuskripte im Denkmalspflegeamt der Stadt Nürnberg). Vgl. Bericht im Fränkischen Kurier vom 22. Februar 1930. 76) NUB. Nr. 70. 77) Erich Freiherr von Guttenberg in „Gau Bayreuth“ (2. A., München 1942) S. 237. 78) nub. Nr. 15. MGH. Const. I, 648 (M. f. Text von 1064/50 in Überlieferung um ca. 1185—1190). 7#) Rietschel, Markt und Stadt, S. 102, Rühl S. 187, 191 ff. W. Neukam, Immunitäten und Civitas in Bamberg. 78. Jahresbericht d. hist. Vereins Ramiberg, 1922/4, S. 269 ff. So vor allem Harald Keller in „Bamberg“ (München und Berlin 1950), S. 14 und 16/17. so) Neukam a. a. O. S. 273, 297 ff. 81) Hamm a. a. O. S. 80, 33 und d. Dt. Stadt im MA., Stuttgart 1935, S. 44. 82) Rietschel, Burggrafenamt, S. 109,Anm. 3—7, 9. NUB. Nr. 34—96 (stellenweise). 83) in der Innenstadt von St. Lorenz, die von dem innem Spittlertor (Weißer Turm) her, d. h. vom Königshof her, gegliedert ist, reihen sich von Norden nach Süden folgende Straßen einander: 1. Kaiser- und Königstraße vermitteln den Zugang zur Fleisch­ brücke und zur Nordstadt. 2. Adlerstraße und Josefsplatz: Marktstraße mit Erweiterung zu einem Platz. 3. Karolinenstraße mit Fischibacharm (Hauptstraße) und seitlichem (Hefners-)Platz. — Brunnengasse (Nebengasse). 5. Breite Gasse mit Fischbacharm (Haupt­ straße). 6. Frauengasse (Nebengasse hinter der Stadtmauer). — Namen wie „Breite Gasse“ (Straße, Weg) sind m. E. typisch für Stadtgründungen des 12./13. Jahrhunderts. — Ver­ blüffend ist die Ähnlichkeit des Grundrisses der Nürnberger Lorenzstadt mit dem von Bern. Daraus läßt sich m. E. aber noch nicht Gleichzeitigkeit schließen. 84) Rietschel, Burggrafenamt, S. 115. Monumenta Zollerana Xm S. 507, 508. 85) Freundl. Mitteilung des Stadtvermessungsamts Nürnberg. 86) IWeller, Stadtgründungen in Schwaben a. a. O. 87) NUB.: 1256 V 1. Lochners N.er Jahrbücher II, S. 32. 88) NUB. Nr. 127 (1209) und 128 (1212). 89) Erich Freiherr von Guttenberg, Die Königskirche Fürth, 66. Jahresbericht des Histor. Vereins für Mittelfranken. 1930, S. 135. Dr. F. A. Nagel, Dr. Kraft usw. (vgl. Anm. 92) 90) Dannenbauer a. a. O. S. 117, glaubt, weil Gostenhof nicht in der Belehnung des Burgrafen mit dem Burggrafenamt und andern Lehen enthalten ist, daß G. nicht zur ursprünglichen Amtsausstattung, sondern Privateigentum gewesen sei. M. E. gehörte G. zur Amtsausstattung, weil es nicht ausdrücklich genannt wurde, oder zu dem Zubehör des Königshofguts, das sich der Burggraf anläßlich seines Übertritts zur Partei des Gegenkönigs Heinrich von Thüringen 1246 aneignete und anläßlich seines Zurückschwenkens zur kaiserlichen Partei 1249 von Konrad IV. bestätigen ließ. (Vgl. Dannen­ bauer a. a. O. S. 91.) 91) H. Pöhlmann, Der Schutz- und Trutzbau in Nürnberg. Erlangen 1933, S. 98—101. M. E. ist dieser Wehrbau der Sitz des Burggrafen neben dem Königshof gewesen. Nach­ dem der Königshof in den Besitz des Burggrafen übergegangen war, überließ der Burg­ graf nach 1270 (Mon. Zoll. II Nr. 109) diesen Hof den Waldstromern, doch blieb diesem Wehrbau noch im 15. Jahrhundert die Bezeichnung „Burggrafenschlößchen“ erhalten. An dieses knüpft sich die unhistorische Sage von dem Mord der Burggrafensöhne durch die Nürnberger Schmiede. 92) Daß ein Königshof auf der Südseite bei St. Jakob gelegen war, wird nun als all­ gemein herrschende Meinung angenommen (Dr. F. A. Nagel 1930, Dr. W. Kraft 1930, Prof. E. Freiherr von Guttenberg 1930 ff., Dr. Gerhard Pfeiffer 1940, Dr. W. Schultheiß 1940, Dozent Dr. K. Bosl 1940, Dr. H. H. Hofmann 1950). Auszugehen ist dabei von der Tat­ sache, daß St. Jakob 1209 als königl. Eigenkirche bezeugt ist und damals an den DO. verschenkt wird. (Ähnlich wird 1219 der Königshof Würzburg an den Deutschen Orden vergabt.) Der König h o f ist aber erst 1246/49 (vgl. Anm. 90) in den Besitz des Burggrafen gelangt, während das Landgericht erst um 1264/5 endlich erworben wird. 1261 werden die Hofstättenzinse im Besitze des Burggrafen erwähnt (Mon. Zoll. VIII Nr. 156). 1273 werden dem Burggrafen die zum Königshof gehörigen Hofstättenzinse, Schnitterdienste und Schmiedezinse und damit stililschweigend der Königshof dem Burggrafen durch König Rudolf bestätigt (Mon. Zoll II, 129; Dannenbauer S.69). Burggraf Konrad der Fromme

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vergabt nain den „Hof auswendig der Mauer bei dem Spital“ (m. E. der Königshof, heute das Gelände der 1945 zerstörten Deutschhauskaserne oder Polizeidirektion) an die Deutsch­ ordenskommende Vimsberg (1304 V 7: Mon. Zoll. I, S. 286/7), worauf m. W. noch nicht hingewiesen worden ist. Der angegebene Wert von 500Ö Mark Silber läßt den Umfang des Besitzes erkennen, der sich von der Weidenmühle ülber die Rosenau bis zur Färber­ straße erstreckte, wie aus den Forschungen Dr. G. Pfeiffers hervorgeht. 93) vgl. Konrad Fikenschers „Geologische Karte des Stadtgebiets Nürnberg 1930 (her­ ausgegeben vom Stadtvermessungsamt Nürnberg) samt dessen gedruckten „Erläuterungen“. Die planmäßige Auswertung seiner Feststellungen durch W. Schultheiß (Vorträge 1949, 1951) und danach H. U. Hofmann (Jbch. f. fränk, Landesforschung 10, 1950). 94) Wenn auch die Lorenzerstadt als „Marktstadt“ gegründet worden war, so wurde durch die damals erfolgte Einleitung des Fischbachs in die Stadt der Betrieb von Land­ wirtschaft in den Hofstätten und den zahlreichen noch später genannten Höfen (Guts­ höfen) sowie von wasserbedürftigen Gewerben (z. B. der Lederer) ermöglicht. Es ist aber immerhin auffällig, daß ursprünglich auf der Lorenzer Seite nur 3 Gewerbegassen (Hüter-, Lederer- und Pfannenschmiedsgasse) nachweisbar sind, während auf der Sebalder Seite wesentlich mehr erwähnt sind. Genau so befinden sich auf der Lorenzer Seite weniger Turmhäuser von Reichsdienstmannen usw. als auf der Nordstadt. 95) NUB. Nr. 49, Anm. 1: Otto von Freising nennt Nürnberg damals „oppidum principis“. 96) NUtB. Nr. 72. Mon. Boica 31a, S. 416. 97) Dannenbauer a. a. O. S. 15—56 ff. (stellenweise) und Register zu den „Regesta Boica“ (Band XIII). 98) Vgl. Rietschel, Markt und Stadt, 1897, S. il28/9. 99) ehr. Klaiber, Die Grundrißbildung der deutschen Städte im Mittelalter, Diss. 1912, S. 58. im) so von mir vor der „Deutschen Steinkreuzforschung“ 1951 vorgetragen. Der ein­ fache Straßenmarkt des 11. Jahrhunderts vom Stile des Sebalder „suburfbium“ ist m. E. die organische Umformung des für die Kolonisationszeit seit dem 10./11. Jahrhundert typi­ schen „Straßendorfs“, dessen Muster die im Zusammenhang mit Nürnberg nach 1040/1 errichteten Siedlungen Groß- und Kleinreuth hinter der Veste deutlich aufweisen, zur Kaufmanns Siedlung.

101) a. a. O. S. 13: Gründung Herzog Friedrichs II. von Schwaben. Der Grundriß zeigt planmäßige Gründung: Rippenform mit dreieckigem Markt und durchlaufender Fein­ straße. Bis 1298 Fläche der Stadt samt Erweiterung auf 64 ha angewachsen. 102) Karl Nahrgang, Die Frankfurter Altstadt. Frankfurt a. M. 1949, bes. S. 60 ff. 1187 wird Frankfurt als „trefflich befestigt“ von einem zeitgenössischen Dichter bezeichnet. N. setzt den Übergang von der Landgemeinde zur Stadtgemeinde in die Zeit KonradsIII. und die Erbauung des Saalhofs in die frühstaufische Zeit. Es wäre zu wünschen, wenn Nürnberg eine ähnliche „Baugeschichte der Stadt“ erhielte. 103) H. J. Rieckenberg, Königsstraße und Königsgut in . . . frühsalischer Zeit, Archiv für Urkundenforschung 17, 1941, S. 104 ff. (Seine These von der Abtretung N.s durch Herzog Emst von Schwaben ist überholt!). Aus Rieckenbergs Ausführungen geht hervor, wie nach Heinrich II. die Salier öfters im ostfränkisch^baierischen Raum geweilt und die durch ihn hindurchführenden Straßen häufiger benützt haben.

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Die Eudiariuskappelle in Nürnberg Von Dr. Alfred Lösel An zahllosen Kirchen und profanen Bauten von kunstgeschichtlichem Inter­ esse wurden unsere Kenntnisse ihrer Baugeschichte durch die Verwüstungen des Krieges bereichert bzw. völlig neu gestaltet. Audi die Kriegsschäden an den Bauten des alten Schottenklosters St. Egidien in Nürnberg haben Tatsachen ans Licht gebracht, die für die lokale Kunstgeschichtsforschung teilweise als völlig neu und überraschend bezeichnet werden dürfen. In der vorliegenden Arbeit sind diese durch die Zerstörungen sichtbar gewordenen Baumerkmale an den Kapellen von St. Egidien aufgezeigt worden. Mit ihrer Auswertung wurde versucht, der Frühgeschichte des alten Egidienklosters näherzukommen. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen wird dabei die heutige Eucharius­ kapelle stehen, der Kern- und Ausgangspunkt der späteren Klosteranlage. Von der Kenntnis der Baugeschichte der Euchariuskapelle ausgehend, war es möglich, noch in die frühere Geschichte des Klosters vorzustoßen. Mit dem Nachweis von Bauten, die vor der Euchariuskapelle und auch vor der romani­ schen Egidienkirche errichtet worden sein müssen, konnte ein neuer Beitrag zur Klärung der Frühgeschichte der Stadt Nürnberg geliefert werden. Lage

Südlich der Egidienkirche liegen drei hiintereinandergebaute Kapellen. Mit der Hauptkirche sind sie durch die westlich gelegene von ihnen, die Wolfgangs­ oder Haidenkapelle, verbunden. Diese legt sich unmittelbar an den südlichen Arm des Querschiffes der Egidienkirche an. Von der Egidienkirche führen 8 Stufen zu der Wolfgangskapelle hinab, da ihr Niveau um 1,65 m tiefer liegt als jenes der Hauptkirche (bedingt durch das steil abfallende Gelände). Von der Wolfgangskapelle stehen heute als Folgen des Luftangriffs am 2. Jan. 1945 nur noch die Umfassungsmauern und die Westempore. Von der Ostwand der Wolügangskapelle führt ein segmentbogiges Portal in die Euchariuskapelle. Die Ostwand der Euchariuskapelle ist von einer (rundbogigen) Öffnung durch­ brochen, die in die wieder direkt angebaute Tetzelkapelle führt, eine im Grund­ riß mit Vs Schluß und 1 Vorjoch gebaute Kapelle1). Durch diese Kombination der drei hintereinander liegenden Kapellen, die zu verschiedenen Zeiten erbaut wurden, hat sich ein völlig eigenständig sich behauptender Trakt ergeben. Der älteste Teil der Gruppe, die Euchariuskapelle, bringt einen Reiz der Spannung in das Ganze hinein, indem sie mit der ihr eigentümlichen Schwere zwischen zwei spätgotische Räume gestellt ist. Sie ist das retardierende, zu­ gleich aber auch das verbindende Moment in der Gesamterscheinung dieser 54

Gruppe. Sie wirkt verzögernd auf den Fluß der W-O-Bewegung durch ihren den beiden anderen Kapellen entgegengesetzten Ausdrude der Raumform. Sie bindet aber auch alle drei Kapellen aneinander und ermöglicht es, diese in ihrer Gesamtheit» als ein einheitliches Ganzes zu betrachten; sie erfüllt die Aufgabe des „Längsschiffes“, das das „Querschiff“ der Wolfgangskapelle mit dem „Chore“ der Tetzelkapelle verbindet. Beschreibung.

Die Euchariuskapelle ist eine zweischiffige, im Grundriß rechteckige, kreuzrippengewölbte Halle. Die Maße des Innenraumes sind: mittlere Länge = 10,60 m mittlere Breite = 7,20 m Höhe der Gewölbescheitel = 6,50 m. Zwei freistehende Säulen teilen den Raum in der Längsachse in drei gleich­ große, annähernd quadratische Kompartimente je Schiff auf. Die Schiffe werden durch drei rundbogige Scheidbogen voneinander getrennt; die Joche des S-Schiffs durch spitzbogige, die des N-Schiffs durch rundbogige Gurte. Scheidbogen und Gurte haben ein einfaches rechtkantiges Profil. Die Rippen der 4-teiligen Ge­ wölbe haben in allen Jechen die Form von halbkreisförmigen Wülsten auf breiterer rechteckiger Bandunterlage. Die Anfänger der Rippen sind wie Basen gearbeitet: über einer Plinthe, die auf dem Kämpfer der Säulen bzw. Konsolen aufliegt, sitzt eine Basis in steiler attischer Form, deren unterer Wulst an den Ecken der Plinthe von einem hochgezogenen, spitz zulaufenden Ecklappen über­ zogen wird. Ausgesprochene Schlußsteine fehlen. Nur andeutungsweise sind in einigen Gewölbekompartimenten .kleine Rosen im Scheitel zu finden. Die Gewölbe sind ihrer Konstniktionsweise nach in den beiden Schiffen völlig voneinander verschieden. Während im S-Schiff der Spitzbogen der Gurte die Form der Kappen bestimmt und die Grate horizontalen Scheitel haben, ist im N-Schiff noch keine Spur von der Anwendung des Spitzbogens zu finden und die Kappen steigen von den Ramdbogen an ziemlich steil zur Gewölbe­ mitte an. Während also im S-Schiff Kreuzrippengewölbe sind, muß im N-Schiff von Hängefcuppeln mit Kreuzrippen gesprochen werden2). Gewölbeträger sind die beiden mittleren freistehenden Säulen, an der N- und S-Wand vollrunde Wandsäulen und an der O- und W-Wand Konsolen. Die Mittelsäulen stehen mit ihrer Basis auf 30 cm hohen Postamenten, die (von oben nach unten) aus Platte, Wulst, Kehle mit Abschrägungen, Wulst be­ stehen. (Abb. 1.) Die oberste Platte des Postaments, zugleich Plinthe der Basis, trägt einen steilen, hohen Wulst mit vier Ecksporen; darüber liegt zwischen zwei Plättchen mit Einkerbung eine nach oben gerade auslaufende Hohlkehle. Ein schmaler, wulstförmiger Schaftring schließt die Basis nach oben hin ab und leitet zugleich zum Schaft über. Der Schaft der beiden Mittelsäulen ist monolith, verjüngt sich nach oben (unterer d = 48 cm, oberer d = 39 cm) und hat leichte Entasis. Den Übergang vom Schaft zum Kapitell bildet wieder ein Schaftring. Die Kapitelle sind plastisch ornamentiert. Ihre Grundform ist das romanische Würfelkapitell. Unter den 4 Ecken der Deckplatte entwächst dem Halsring bis in halbe Höhe des Kapitells je ein fleischiges Palmettenblatt. Die Fläche zwi­ schen den vier Blättern wird durch Bandomamentik ausgefüllt: aus der nach 55

oben gebogenen Schleife eines unverziert gelassenen Bandes entsteigen die diamantierten Enden des gleichen Bandes, die unter der Deckplatte entlang laufen und über den Spitzen der Blätter mit den Bandenden der anderen Kapitellseiten Zusammentreffen. Durch die Volutenbildung der Bandenden ent­ stehen beim Aneinanderstoßen sog. Eulenköpfe.

Grundriß der Euchariusfcapelle.

Über der Deckplatte des Kapitells liegt ein hoher Kämpfer mit der Profi­ lierung (von oben nach unten): Platte mit Abfasung der unteren Kante, Wulst, Kehle zwischen zwei Plättchen, Wulst. Die an den Längswänden stehenden Säulen haben kürzere Schäfte als die Mittelsäulen. Um mit den Mittelsäulen gleiche Kämpferhöhe zu erreichen, ist unter die Postamente — den gleichen 56

wie bei den Mittelsäulen — noch ein durchschnittlich (das Niveau des Kapellen­ fußbodens ist nicht genau waagerecht) 45 cm hoher Sockel gesetzt, um die Höhendifferenz auszugleichen. Der Sockel ist ein einfacher, in % Höhe einmal abgesetzter Block, dessen obere Kante schräg abgefast ist. Auf dem Postament steht die Basis, die nun jedoch anders gestaltet ist als die der Mittelsäulen: von den beiden freien Ecken der Plinthe aus ziehen sich über den steilen unteren Wulst Ecklappen mit einem Mittelgrat herauf. Nach dem Wulst folgt eine Hohlkehle, die oben und unten von je einem abge­ schrägten Plättchen eingefaßt wird. Darüber ein schmaler Wulst, der Schaft­ ring, über dem dann der Schaft aufsteigt. Diese Basen sind also ähnlich denen der Rippenanfänger gebildet. Der Durchmesser des Schaftes ist in allen Höhen gleich (30 cm). Im Gegen­ satz zu den Mittelsäulen ist er hier nicht als Monolith gebildet, sondern ist aus zwei Stücken zusammengesetzt. Das Kapitell, das auf einem Halsring aufsitzt, hat in seiner Grundform eine gestrecktere Proportion als jenes der Mittelsäulen, aber auch ihm liegt die Würfelform zugrunde. (Abb. 1.) Die Ornamentik, die bei den Kapitellen der beiden Mittelsäulen gleich ist, weicht unter den 8 Kapitellen der Wandsäulen — wenn auch mit teilweise sehr geringen Variationen — voneinander ab. Der Grundcharakter aller Kapitelle der Euchariuskapelle, also einschließlich jener der Mittelsäulen, ist jedoch augenscheinlich der gleiche. Auch über den Kapitellen der Wandsäulen baut sich wieder der schon von den Mittelsäulen her bekannte hohe, reich profilierte Kämpfer auf. Ost- und Westwand der Kapelle sind in der Mitte mit Durchgängen ver­ sehen. Gewölbeträger können hier daher keine Säulen sein. Es sind Konsolen. (Abb. 1.) Diese Konsolen bestehen zur einen Hälfte aus dem gleichgeformten Kämpfer, wie er über den Kapitellen der Säulen aufwächst; unterhalb die­ ses Kämpfers liegt das Kopfstück der Konsole: es ist vorne nach unten abge­ rundet und wird an den Seiten von plastisch vortretenden Bändern einge­ säumt, die mit ihrem Verlauf der Rundung des Steines folgen und sich somit nach der Seite hin umlegen. Die Seitenansichten sind mit einfacher erhabener Bandornamentik geschmückt. Unter dem Kopfstück sitzt ein nach unten wellen­ förmig (Ostkonsole) bzw. durch strenger abgesetztes Profil (Westen) sich ver­ jüngender Stein, der zugleich die Funktion des Schluß-Steins des Bogens über den Durchgängen zu erfüllen hat. An den Längsseiten der Kapelle ist die Wand in jedem Joch durch je ein Fenster durchbrochen. Alle diese Fenster sind spitzbogig, nur das NO-Fenster, das wegen des dort angebauten Treppenturms verblendet ist, zeigt an der Außenseite Rundbogenform. (Abb. 5a.) Die innere Leibung der Fenster, das Spalet, ist sehr tief (Vs Wandstärke). In halber Höhe wird dieses Spalet auf beiden Seiten des Fensters von nischenartigen Rücksprüngen unterbrochen, in denen kleine Dreiviertelsäulen stehen, die unter einem Stück Mauer den über den Fenstern liegenden Schildbogen unterstützen. Die Basis dieser Säulchen ist die gleiche wie die der Rippenanfänger. Also auch die gleiche wie die der Wandsäulen, lediglich in verkleinerter Form. Über dem kurzen, sich nach oben etwas verjüngenden Schaft liegt ein Würfelkapitell. Außer diesen 6 Fensteröffnungen an den Längswänden sind in der Ost­ wand noch 2 Fenster. Rundfenster, deren Leibung nach innen zu die Form 57

eines Hundbogenfensters annimmt. Beide Fenster liegen nicht genau in der Mittelachse ihrer Schiffe, sondern sind etwas nach außen verschoben. (Abb. 1.) Ergebnisse der Geschichtsforschung.

Die früheste Erwähnung einer St. Egidienkirche in Nürnberg finden wir in der Vita Mariani8), die kurz vor 1185 geschrieben sein wird und die u. a. auch einen Bericht über die Entstehung des Nürnberger Schottenklosters gibt. Aus dieser Geschichte des Schottenklosters geht hervor: Der Regensburger Schottenabt Carus, Kaplan Kaiser Konrads III. (1138 bis 1152) und seiner Gemahlin Gertrud, erhielt von diesem die Nürnberger Egidienkapelle übertragen, damit dort die Schottenmönche Gottesdienst ver­ richten möchten. Carus wird in dieser Kapelle begraben. Sein Nachfolger wird Declanus, Kaplan Konrads III. und Friedrichs I. Er errichtete erst die große Egidienkirche und sammelte einen Konvent von Schottenmönchen um sich. Um 1140 muß also eine Egidienkapelle vorhanden gewesen sein. Die romani­ sche Egidienkirche wurde um 1150 gebaut. Wie Pfeiffer4) berichtet (S. 261), ist dieser Text der Vita Mariani auch in einem Salbuch des Klosters (um 1460 geschrieben) eingetragen. Die beschrie­ bene Gründung wird darin noch weiter illustriert. Wir erfahren zusätzlich: Die Egidienkapelle, die Konrad III. seinem Kaplan Carus übergab, ist um die Zeit der Niederschrift der Zusätze zur Klostergründungsgeschichte, also um die Mitte des 15. Jahrhunderts, eine dem hlg. Martin geweihte Kapelle. Die alte Egidienkapelle war nicht abgebrochen worden, sondern sie hatte nur das Patrozinium gewechselt, als von Declanus die größere Egidienkirche gebaut worden war. Diese Martinskapelle bestand noch im 15. Jahrhundert. Ihre be­ sonderen Kennzeichen waren große steinerne, unversehrte Säulen. Ist man zu diesen Ergebnissen gelangt, so wird nur noch die Frage offen bleiben, ob diese im 15. Jahrhundert erwähnte Martinskapelle, und damit die alte Egidienkapelle, heute noch nachzuweisen ist. Pfeiffer beweist nun (S. 264 ff.), daß die Martinskapelle nur bei den drei südlich der Egidienkirche hintereinander liegenden Kapellen gesucht werden kann und scheidet mit guten Gründen die Wolfgangs- oder Haidenkapelle und die Tetzelkapelle aus, sodaß nur noch die heutige Euchariuskapelle zur Debatte steht, deren Identität mit der Martinskapelle durch folgende Tatsachen belegt werden kann (Pfeiffer, S. 270/271): 1. Gemeinsame Nennung der Martinskapelle und der benachbarten Sixtus­ kapelle — späteren Wolfgangskapelle — in der Bauchronik zum Jahre 1424. 2. Angaben der Klostertradition zur Vita Mariani, die von großen steinernen Säulen der Martinskapelle berichtet, so wie sie heute nur noch in der Euchariuskapelle zu finden sind. 3. Weihenotiz im Bamberger Manuskript aus dem 15. Jahrhundert5) über die dem Kloster gemachten Schenkungen, das die Weihe der drei Kapellen: Unserer Lieben Frau (= Tetzelkapelle), St. Martin und St. Sixt (= Wolfgangskapelle) in dieser Reihenfolge erwähnt. 4. Anlage des Egidierstuhlbuchs von 15556), das nach den Kirchstühlen der Hauptkirche die Stühle „in der capeln, do unser heim steinen begrebnuss in die wandt gehawen“, also die der Sixtus- (— Wolfgangs-) Kapelle, be­ handelt und dann zur „Martencapeln“ weiterschreitet. 58

5. Ein Stich Böners1 7) *nennt * * * *die Kapellen in der Reihenfolge: Haidenkapelle, Martinskapelle, TetzeLkapelle. Nach den Ergebnissen der Geschichtsforschung war also die heutige Euchariuskapelle eine dem hlg. Martin geweihte Kapelle gewesen. Dieses Patrozinium aber hatte sie erst beim Bau der romanischen Egidienkirche er­ halten. Vorher war sie eine Egidienkapelle gewesen. Trotz der systematischen Untersuchungen Pfeiffers und der hieraus ge­ wonnenen logischen Schlüsse, werden aber den Urkunden immer noch Zweifel entgegengebracht werden können, wenn das Bauobjekt selbst nicht den Beweis für die Richtigkeit der Folgerungen geben kann. Schon die Tatsache, daß erst im Salbuch des Klosters (Mitte des 15. Jahrhunderts) erwähnt wird, die Egidien­ kapelle habe bei Erbauung der größeren Egidienkirche das Patrozinium des hlg. Martin erhalten — also 300 Jahre später wird über diesen Patroziniums­ wechsel zum ersten Male berichtet! —, das allein läßt zur Vorsicht mahnen. Die Untersuchung des Baufoefundes und dessen kunstgeschichtliche Aus­ legung werden also zeigen müssen, ob die historischen Forschungen mit den Ergebnissen der Kunstwissenschaft in Kongruenz zu bringen sind. Baubefund und Baugeschichte

Die uns in ihrer heutigen Gestalt gegenübertretende Euchariuskapelle er­ scheint zunächst als ein in einem Zuge erschaffenes und daher typisches Beispiel des romanisch-gotischen Übergangsstils. Der flüchtige Betrachter wird besonders in der verschiedenen Wölbetechnik der beiden Schiffe — der durchgehenden Verwendung des Rundbogens im N-Schiff und dem Auftreten des Spitzbogens im S-Schiff — ein Kriterium erblicken, das das Eindringen der neuen, nämlich der gotischen Wölbweise besonders prägnant zu dokumentieren scheint. Erst die intensivere Beschäftigung mit dem Bauwerk wird erkennen lassen, .daß diese Meinung eine irrtümliche ist, daß die Euchariuskapelle immer wieder Änderungen bzw. Ausbesserungen über sich ergehen lassen mußte und daß gerade der Unterschied der Gewölbekonstruktion in den beiden Schiffen nicht auf das Konto des sog. Übergangsstils gesetzt werden kann8). So wie die nähere Untersuchung des Bauobjektes den zeitlich sehr großen Unterschied der Gewölbearten über den beiden Schiffen erkennen läßt, so kann sie auch noch weiterhin Aufschluß über die sich über große Zeiträume erstreckende Baügeschichte der Kapelle geben. Heute, da die Kapelle nach ihrer Kriegszerstörung wiederhergestellt ist, sind viele Spuren, die zum Beweis der zu versuchenden Rekonstruktionen notwendig sind, verwischt worden. Die in der Zeit zwischen der Zerstörung und der Wiedelherstellung gemachten Fotos und Maßaufnahmen werden nun genügen müssen, die vor der Restaurierung gemachten Beobachtungen zu beweisen. 1. Das Kapellenschiff um 1140 und die Einwölbung nach 1200. Die lokale Geschichtsforschung hat festgestellt, daß die heutige Eucharius­ kapelle in ihrem Kerne bereits 1140 bestanden haben wird. Damit wäre zunächst mit der Frage an die Kapelle heranzugehen, ob sich Andeutungen dafür Anden lassen, die dieses Ergebnis mit architektonischem Tatsachenmaterial unter­ stützen könnten. Um zu dem Datum „um 1140“ zu gelangen, wird von dem ältesten datier­ baren Baubestand auszugehen sein. Also von allen Säulen und den Gewölben 59

des N-Schiffes. Das Datum „nach 1200“, das zunächst für die Erbauung der genannten Teile angenommen werden darf9), soll als Ausgangspunkt für diese Untersuchung gelten. Festzustellen wird sein, ob vor dem Bau von „nach 1200“ schon eine Kapelle an der gleichen Stelle bestanden hat. Abb. 3 zeigt eine Aufnahme gegen die Innenseite des Ostgiebels im Zu­ stande nach der Zerstörung am 2. Januar 1945. Daraus wird klar ersichtlich, daß die Giebelform ursprünglich eine andere gewesen sein muß. Sie war kleiner als die heutige und hatte einen Neigungswinkel von ca. 45 °. Dieser. kleinere Giebel bedingte aber auch, daß die Dachbalken des zu diesem Giebel gehörigen Dachstuhls nicht auf den später errichteten Postamenten über den Mittelsäulen und den Konsolen aufgelegen haben können; sie müssen tiefer gelegen haben. Die ursprünglichen Auflager am Ost- und am Westgiebel sind auch heute noch zu erkennen: an den Innenseiten der beiden Giebelwände ist die Mauer in Scheitelhöhe des Südschiffsgewölbes etwa 40 cm tief abgesetzt; am Ostgiebel durchgehend, am Westgiebel heute nur noch an dessen Nord­ hälfte. Zwei weitere Dachbalken werden über den Gurtbogen der Gewölbe gelegen haben, also in der Einbuchtung zwischen den Gewölbekappen, sodaß der Dachstuhl genau wie heute und wie vor der Zerstörung 1945 durch vier Dachbalken getragen worden sein wird. Da die Dachbalken natürlicherweise alle in gleicher Höhe zu liegen hatten, ist durch das noch sichtbare Auflager der Balken an den Giebeln auch die seinerzeitige Höhe der Kapellenlängswände gegeben. Sie muß geringer gewesen sein als die heutige. Die Außenseiten der Längswände lassen auch noch durch andersartige Bearbeitung und Größe ihrer oberen vier Steinschichten erkennen, daß diese zu einer anderen Zeit aufgestockt worden sein müssen 10) (Abb. 2). Wenn nun auch die obere Steinschicht des unteren, älteren Mauerwerks nicht genau in gleicher Höhe mit den Balkenlagen! an den beiden Giebelwänden liegt, so muß dabei bedacht werden, daß man beim Aufmauem wahrscheinlich die oberste Steinschicht abnahm, da an diese das Gesims angearbeitet gewesen sein wird, das beim Erhöhen des Mauerwerks dann funktionslos an der Mauer geklebt hätte. Außerdem kann angenommen werden, daß die oberste Stein­ schicht vielleicht durch einen Dachstuhlbrand weitgehend zerstört bzw. sogar herabgestürzt war; der Neuaufbau machte es dann notwendig, die oberste Schicht völlig abzutragen, um ein durchgehend gleiches Steinniveau für den Wiederaufbau zu erhalten. Damit würde es erklärbar werden, wie der Höhen­ unterschied von ca. 1—2 Steinschichten zwischen der obersten Schicht des alten Mauerwerks an den Längswänden und den Balkenlagen! an den Giebelseiten zustande gekommen ist. Zur Bekräftigung der Annahme, daß die Längswände sich nur in der oben angegebenen Höhe erstreckten, kann noch angeführt werden, daß an der Außenseite des Ostgiebels das alte Gesims noch sichtbar ist, das wiederum mit dem Balkenlager an der Innenseite des Ostgiebels in gleicher Höhe liegt (die Oberkanten des Balkenlagers und des Gesimses haben gleiches Niveau). Dieses Gesims wird sich — mit Ausnahme der Westseite — rings um den ganzen Bau gezogen haben, denn es ist wohl nicht anzunehmen, daß an einer Giebel­ seite ein Gesims angebracht war, während es an den Längsseiten ursprünglich gefehlt haben sollten). In gleicher Höhe wie am Ostgiebel wird das Gesims auch an den Längsseiten gelaufen sein. Der Kreis der Beweisführung, daß die Längsmauem ursprünglich niedriger waren, schließt sich damit wieder. 60

In diesen nun vorgezeichneten Raum wurden dann Gewölbe eingezogen. Daß die Südschiffgewölbe nicht zu einer Zeit gebaut worden sein können als der alte Giebel mit den oben angeführten niedrigeren Längsmauern noch das Äußere der Kapelle bestimmte, geht allein daraus hervor, daß die Dachbalken ja die Gewölbe durchschnitten haben müßten, da diese sich, mit Ausnahme am Ostgiebel, durchgehend über die Höhe „Oberkante Balkenauflager“ hin­ aus erheben. Die Möglichkeit aber, daß die Nondschiffgewölbe — und mit ihnen auch die ursprünglichen, wohl in gleicher Konstruktionsart erbauten Gewölbe des Südschiffs — daß sie in diese Hülle hineingebaut wurden, besteht absolut. Mit dem Zugeben von Möglichkeiten wird aber auch immer zugleich die Problematik aufgedeckt. In unserer Kapelle besteht sie zunächst darin, daß sowohl die Annahme, die ursprünglichen Gewölbe seien gleichzeitig mit den Außenmauem errichtet worden, nicht ohne Widerspruch behauptet werden kann, und daß andererseits auch der Versuch, die Außenmauern als einen weitaus älteren Bestandteil als die Gewölbe anzunehmen, zunächst ebenso' widerlegbar wie verfechtbar ist. Wie oben bewiesen wurde, ist es zwar möglich, daß bei der Errichtung der Außenmauern gleichzeitig der Plan zur Anlage von Gewölben Berücksichtigung fand, jedoch ist dieser Fall nicht denkbar. Dieser Annahme kann nämlich entgegengehalten werden, daß man bei gleichzeitiger Planung von Umfassungswänden und Gewölben doch niemals ein derart knappes und beengendes Aufgehen der Maße, wie es beim Aufsitzen des Dach­ stuhls zum Ausdruck kommt, beobachten könnte. Die beiden über dem Raume liegenden Dachbalken müssen schier unmittelbar auf den Gurten aufgelegen haben und die Gewölbe selbst hatten sich über die Höhe der Dachbalken und damit über die Oberkante des Gesimses hinaus erhoben. Ein Zustand also, der etwas Bedrückendes, Anormales, unter einem Zwange Entstandenes an sich hat. Er kann nicht anders erklärt werden, als daß die Kapelle ursprünglich mit einer Flachdecke versehen gewesen sein wird; bei der Forderung nach einer Wölbung, die sich „nach 1200“ erhob, wollte man den Kosten, die eine Erhöhung der Mauern und damit zugleich eine Abnahme des Dachstuhls mit sich gebracht hätte, entgehen und fügte so dem schon bestehenden Raume ohne Änderung seines Äußeren nachträglich die Gewölbe ein. Die Neugestaltung des Raumes war also nicht völlig der freien Hand des um 1200 in der Kapelle schaffenden Baumeisters überlassen, sondern sie wurde diktiert von dem schon Bestehenden. Ein Umstand, auf den bei der stil­ kritischen Betrachtung des Raumes noch einzugehen sein wird. Eine Bestätigung der gewonnenen Beobachtung, daß die Gewölbe in einen schon lange vorher bestehenden Raum ohne irgendwelche Veränderung von dessen Dach oder dessen Höhe eingezogen wurden, läßt sich noch in folgenden Tatsachen finden: Zunächst bei Betrachtung der Okuli in der Ostwand (Abb. 1). Die Schildbogen überschneiden nämlich dort die Innenkanten der Fensterleibungen. Würde man Fenster und Gewölbe zu gleicher Zeit erbaut haben, so hätte man sicher eine solche Überschneidung zu vermeiden gewußt. Da aber die beiden Okuli schon am alten Bau angebracht gewesen waren, hatte man, von allen Maßen in die Enge getrieben, diese Härte nicht mehr zu verhindern gewußt12). Beim Betrachten der Strebepfeiler an der Südwand läßt sich ein weiterer Beweispunkt finden. Diese beiden Strebepfeiler stehen nämlich mit dem Mauer­ werk der Südwand nicht im Verbände (Abb. 2). Sie müssen später angefügt 61

worden sein. Erst bei der Einwölbung „nach 1200“ waren sie notwendig ge­ worden. Um diese Zeit werden sie an das schon bestehende Mauerwerk zum Abstützen des Gewölbeschubs angebaut worden sein18). Erinnern wir uns nun hier nochmal der Ergebnisse der Geschichtsforschung, die nachweisen konnte, daß um 114(1 schon eine Kapelle an der Stelle der heutigen Euchariuskapelle bestand, so erhält die Architekturgeschichte noch von der Geschichtsforschung her die Bestätigung für die Richtigkeit ihrer Beobach­ tungen. Wenn beiden Forschungsgebieten vielleicht teilweise Einwendungen entgegengebracht werden können, so müssen diese doch verschwinden, wenn, wie bisher, aus den Analysen zweier Betrachtungsmöglichkeiten heraus ein über­ einstimmendes Ergebnis entsteht. Man wird also nicht zurückzustehen brauchen mit der Behauptung: die ältesten Bauteile der heutigen Euchariuskapelle — das sind die Umfassungsmauern außer den vier obersten Steinschichten und der Kern des Ostgiebels — stammen aus der Zeit vor 1140. Diese Kapelle, wie sie um 1140 von Konrad III. den Schottenmöndien von Regensburg übergeben worden war, haben wir uns wohl als einen Raum mit flacher Holzdecke vorzustellen14). Die Fenster werden natürlich eine andere Form gehabt haben als die heutigen spitzbogigen. Es wird wohl unwider­ sprochen bleiben, wenn man an den Längsseiten um etwa die Hälfte kleinere, rundbogige Fenster für die ursprüngliche Form annimmt. Der Eingang zur Kapelle hat, wie auch heute noch, im Westen gelegen15), während sich im Osten ein Chor anschloß. 2. Der Abschluß im Osten Die Vermutung, daß die Kapelle nicht ohne Chor bzw. ohne Apsis bestanden haben könne, resultiert aus Beobachtungen, die am Baubestand gemacht werden konnten. Das oben schon erwähnte Gesims an der Ostwand-Außenseite war vor der Wiederherstellung 1949 über dem Durchgang von der Eucharius- zur Tetzelikapelle in einer Breite von 1,30 m unterbrochen gewesen16). Eine genaue Untersuchung der Wand zwischen den beiden Gesimsendigungen ließ keine Spuren erkennen, die darauf hinweisen hätten können, daß das Gesims in der angegebenen Breite aus irgendwelchen Gründen — vielleicht um ein Epitaph oder einen Totenschild aufhängen zu können — später abgeschlagen worden wäre. Das Gesims ist von Anfang an in dieser Breite unterbrochen gewesen. Mit dieser Feststellung mußte man nun der Vermutung nahe kommen, den Zweck der Unterbrechung darin zu sehen, daß das Dach einer Apsis oder eines Chores in diese Aussparung hineingeragt habe. Ein Chor mußte bestanden haben (oder eine Apsis), der gleichzeitig mit dem Schiff erbaut worden war, da ja die Gesimsunterbrechung von Anfang an unter Berücksichtigung des Chordaches angelegt gewesen sein wird. Unter Annahme dieser Lösung wäre dann auch die Frage beantwortet, warum die beiden Okuli der Ostwand so weit zur Seite hinausgesetzt sind: die Neigung des Chordaches erzwang diese Anbringung. Ein Glücksumstand ermöglichte es nun, die Probe aufs Exempel machen zu können. In Verbindung mit der notwendig gewordenen Ausbesserung der Fußbodenplatten in der Tetzelkapelle konnte längs der Ostwand-Außenseite der Euchariuskapelle gegraben werden. Systematische Grabungen vorzunehmen, d. h. auch noch an anderen Stellen innerhalb der Tetzelkapelle zu graben, war 62

unmöglich, da der ganze Boden unter der Kapelle von Grabstätten übersät ist; lediglich unmittelbar an den Mauerwänden sind keine Gräber. Da die Leidien auch teilweise nur ganz seidxt im Sand vergraben sind (bis zu 50 cm unter den Fußbodenplatten), lassen sich, außer direkt an den Mauern, keine Tief­ grabungen anstellen ohne daß man dabei das Gräberfeld völlig umpflügen würde. Andererseits mußte aber auch. Rücksicht auf die fortlaufenden Restau­ rierungsarbeiten genommen werden. Es konnte daher nur an Stellen nach­ geforscht werden, wo Platten ausgewechselt werden mußten, da durch die Grabungen keine größeren zusätzlichen Kosten entstehen durften. Längs der Ostwand-Außenseite der Euchariuskapelle mußten nun die Steinplatten größten­ teils durch neue ersetzt werden, bzw. die alten mußten gehoben werden. Hier konnte also gesucht werden. Sollten Fundamente zu einem Chor oder einer Apsis gefunden werden, so mußten die Nachforschungen an dieser Stelle ja genügen, um ihre Existenz, wenn auch nicht ihre Ausdehnung, beweisen zu können. Die Anlage dieser Begräbnisstätte innerhalb der Tetzelkapelle ließ nämlich vermuten, daß wegen der Enge des Raumes etwaige Fundamente herausgenommen wurden um Platz für Gräber zu schaffen. Die seichte Bettung der zuletzt Bestatteten zeigt ja, daß man angewiesen war, jedes Stück Boden auszunützen.

Ostwand der Encharduskapelle (Grundriß).

Die Grabungen am 23. 6. und am 5. 7. 1949 zeigten nun folgende Ergebnisse: An der Südhälfte der Ostwand wurde bei „A“ (Abb. 4 und oben) 62 cm unter dem Plattenniveau ein rechtkantig behauener Sandstein festgestellt, der in das Fundament der Ostwand eingebunden war und aus der Flucht dieser Wand senkrecht zu ihr 32 cm weit herausragte. Seine sichtbaren Seiten waren glatt behauen. Die Breite des Steins war 40 cm, seine Höhe 25 cm. Unter ihm lag ein weiterer Sandsteinquader mit gleicher Breite, jedoch etwas zurückgestuft. Auch er war glatt behauen und, wie der auf ihm liegende Stein, in das Bruch­ steinmauerwerk des Ostwandfundaments eingebunden. Unmittelbar östlich neben den Steinen lag in einer Tiefe von ca. 80 cm (von F. O. K. aus gerechnet) 63

Totengebein. Das die Leiche bedeckende Erdreich war mit Bauschutt vermengt

für das Leinwandgewerbe am Bodensee und in Ravensburg auf. Am 6. Juli 1436 kaufte Rudolf Mötteli einen Ewigzins von fl. 100, der auf das Schloß Babenhausen bei Augsburg gelegt wurde, für fl. 2000.— 173). In und um St. Gallen haben verschiedene Zweige der Familie weitergeblüht: so die Mötteli von Rappenstein und die von Sulzberg. Die Mötteli-Gesellschaft hat außer nach dem Osten und im Bodenseegebiet, auch nach Augsburg, und bis ungefähr 1480 sogar nach Spanien (Granada) ihre Kaufleute ausgeschickt und dort von allen Oberdeutschen die größten Erfolge gehabt174). Eine Zusammenstellung der einzelnen Warenposten ergibt die folgende Auf­ stellung. Diese ist umso wichtiger und notwendiger, da wir auch hier, wie bei so vielen mittelalterlichen, wirtschaftsgeschichtlichen Quellen feststellen müssen, daß die Zuverlässigkeit der in den Originalen enthaltenen Rechnungen, Abrech­ nungen und auch Einzelangaben meist sehr viel zu wünschen übrigläßt. Neben durchaus richtigen Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen und selbst Divi­ sionen sind auch eine Reihe falscher Resultate bei der Nachrechnung aufgetaucht, die uns der Endbilanz nicht ganz froh werden lassen 175). Ein großer Teil der falschen Abrechnungen kommt schon daher, daß die Einzelangaben, auf denen die Abrechnungen beruhen, von ein und derselben Person falsch angegeben und daß Ein- und Verkaufspreise mit einander vermengt werden. Alle diese Um­ stände haben uns bewogen, die Posten nachzurechnen, um ein reales Bild von den Handelswerten zu erhalten. Geben wir zunächst eine Aufstellung nach unserer Berechnung 176). Berechnung Einkauf Verkauf der Kaufleute fl. fl. fl. Nürnberg: 1) Coler-Ebner 1233.— 1242.— 1449.— 380.— 378.— 441.— 2) Starck-Ropolt a) 574.— 572.— 616.— b) 286/1 ort 286.— 3) Hübner 309.— — 4) Ramensteiner 433.— 433.— 5) Granettel 254 1/2 (Eink.) [254 1/2] 295/3 ort 6) Imhof-Groland 94/6 1/2 ß 94/6 1/2 ß 98.— 7) Groß-Stromeyer 176.— (Eink.) 192.— 176.— 192.— (Verk.) 8) Albrecht 139./ 6 ß/8 hlr. II. St. Gallen: 1) Zwick 197.— (Eink.) --------------------------203.— (Verk.)--------------------------2) Plärrer 172/1 ort (Eink.) 172/1 ort--------194.— (Verk.?) III. Eger: Smidt-Puchelberger 378.-*- (Eink.) 378.— 441.— 441.— (Verk.) ----------------IV. Ravensburg: Motelli 640.— (Eink.) ---------------121

Sehen wir nun, was die Kaufleute insgesamt nach unseren Berechnungen in Waren investiert hatten und wie hoch sich diese im Verkauf voraussichtlich stellten178) Einkaufspreis Verkaufspreis fl. [Rh.] fl. [Rh.] 1242.— Konto 1 1449.— bß 2 378.— 441.— G G bJO G 0) 0) 'S 572.— 616.—

4 433.— [433.—] js -4-> & Ul Ul W K 254 1/2 5 295.—3 ort f-H n 00 Oi o H t-4 6 94/ 6 1/2 ß 98.— 176.— 7 192.— o 139/ 6 8 ß/8 hlr. 139/ 8 ß/8 hlr. -4-» G 197.— 9 [203.—] o w 172.—1 ort [172.—1 ort] 10 378.— 441.— 11 640.— 12 [640.—] fl. (Rh.) 4962/ 12 1/2 ß/8 hlr. fl. 5429/ 8 ß/8 hlr. Einem Gesamteinkaufspreis nach unseren Berechnungen von fl. 4962 / 12 1/2 ß 8 hlr. stand gegenüber ein Verkaufspreis von fl. 5429 / 8 ß / 8 hlr. Nach den Aufzeichnungen in den Akten hätten die Gesamtverluste der Kaufleute nach amtlicher Berechnung fl. 4824.— betragen, was unserer Auf­ rechnung bis auf ungefähr fl. 138.— nahekommt. Im übrigen muß ich auch hier wieder auf die Unzuverlässigkeit der Angaben und Abrechnungen auf den nicht gerade sorgfältig geführten Rechnungszetteln der Akten hinweisen. Im einzelnen hatten die Kaufmannsgruppen nach unseren Berechnungen Waren zum Einkaufspreise von: Nürnberg fl. 3574 / 3 ort 12 1/2 ß 8 hlr. St. Gallen fl. 369 / 1 ort Eger fl. 378.— fl. 640.— Ravensburg fl. 4962 / 12 1/2 ß 8 hlr. zusammen: a) Nun werden die Nürnberger Gesamtverluste177) amtlicherseits mit fl. 3837 / 15 ß in Gold angegeben, was über unserer Berechnung liegt (um rund fl. 263.—). Da die in den Akten genannten Wertangaben für die spätere Entschädigung maßgebend waren, müssen sie den folgenden Berechnungen über die zu zahlenden Entschädigungen zugrundegelegt werden. Dabei muß noch beachtet werden, was an Nürnberg wieder in natura zurück­ gegeben werden konnte. In Pfreimd lagen für Nürnberg zur Abholung bereit: 1) 27 St. Tronder Tuche ä 21.— fl. = fl. 567.— 2) 3K Kölnische Tuche ä 15.— fl. = fl. 52.1/2 3) 3 Aachener Tuche ä 16.— fl. = fl. 48.— 4) y2 Brüsseler Tuch ä 38.— fl. = fl. 19.— 5) 85 Pfund Safran = fl. 276.— 6) 2y2 Aachener Tuche (von den Mengersreuthem) = fl. 48.— 7) 4 y> St. Tronder Tuche 94.1/2 = fl. bfl'a) 3

fl. 1105.— 1 ort 122

. Bei den übrigen gehandelten Tuchsorten aber errechnet sich fol­ gender Gewinn: Einkaufspreis Verkaufspreis Gewinn 15.— : fl. 14.— ca. 7,14 •/• Kölner Tuch 16.— Aachener Tuch 6,7 °/o : „ 15.— 21.— St. Tronder Tuch 23,5 %> : „ 17.— 28.— Löwener Tuch 7,7 »/o : „ 26.— 52.— Brügger Tuch : „ 48.— 8,3 ''/» Bei der Leinwand und beim Barchent verhalten sich die Relationen folgendermaßen: Gewinn in °/o Verkauf Einkauf [194.—] [Blarer] ca. 12,7 °/o fl. 172.— Leinwand: ca. 5 °/o 1/18 y2 ß Barchent: (pro Stück) 2.— Wir ersehen, daß sich die Gewinnchancen zwischen 23,5 % und 5 °/o bewegen und sind einigermaßen enttäuscht, weil wir ein anderes Resultat erwarteten, zu­ mal uns B e c h t e 1 225) für verkauftes flandrisches Tuch einen Verkaufsgewinn von 20—30 °/o bekanntgibt. Es gibt nur zwei Möglichkeiten der Erklärung dieser widersprechenden Ergebnisse: entweder die Gewinnspannen waren inzwischen wirklich kleiner geworden oder die Tuchpreise in Rostock wurden durch einen 128

besonders günstigen Einkauf ermöglicht. Auch bleibt die Möglichkeit bestehen, daß die Kaufleute bei der Offenlegung ihrer Gewinnspannen vor den Behör­ den ihren Geschäftsvorteil nicht allzusehr zeigen wollten. Der andere Handelszweig, der die Nürnberger Kaufleute in dieser ersten Blüte des Nürnberger Handels zwischen 1300/14*20 reich gemacht hat, war der Gewürzhandel. Z. B. gelang es ihnen in der Mitte des 14. Jahrhunderts durch die Ausnutzung ihrer Beziehungen in Venedig den Gewürzhandel nach dem Norden und Nordosten an sich zu reißen, die flandrischen Kaufleute nahezu völlig auszuschalten und von dem kürzeren Anlieferungsweg über Nürnberg und Frankfurt a. Main nach Lübeck 226) zu profitieren. Neben Pfeffer, Kümmel, Ingwer, Näglein (Gewürznelken) u. a. war namentlich der Safran ein Handlungs­ produkt, mit dem sich die Nürnberger bald eine Art Monopolstellung errangen, da sie zu den Erzeugungsländem dieses Gewürzes vordrangen: bis Katalonien und Barcelona und Perpignan; aber auch den besonders begehrten Safran von Aquila („Adler“) brachten sie nach dem Norden und Osten 227). Da die Nürn­ berger ängstlich auf die Güte dieser Handelsware bedacht waren, hatten sie eigene Safranschauer angestellt, die alljährlich neu vereidigt wurden 228). So kam es auch häufig vor, daß befreundete auswärtige Städte Safranproben nach Nürnberg einschickten, um sie auf ihre Reinheit prüfen zu lassen (ob sie „ge­ schmiert“ sind). Auch unter den Kaufmannsgütem, die nach Eger bestimmt waren, hatte Jacob Granettel ca. 91 Pfund Safran, von dem das Pfund im Verkauf anschei­ nend fl. 3.— 1 ort kostete und den er nach seinen Angaben für fl. 254. ein­ gekauft hatte. Die Sorte wird als „Mark“safran“ 229) angegeben. Der Gewinn betrug auch hier — alles nach der Angabe Granettels — nur ca. 16°/o, also verblieb ungefähr die gleiche Gewinnquote wie bei den gewinnbringendsten Tuchen. Die Waren hatten nach unseren Berechnungen, wie wir oben hörten, einen Einkaufspreis von rd. fl. 4962.— und einen Verkaufspreis von rd. 5429.— fl. Auch hier ergibt sich eine durchschnittliche Gewinnspanne von ca. 10 ®/o. Setzen wir aber die von den Kaufleuten angegebenen fl. 4824.—, so erhöht sich der Gewinn auf ca. 12,5 °/o, wobei bemerkt werden muß, daß der Verkaufspreis von uns nur annähernd ermittelt wurde. Es bleibt also: Der Gesamtgewinn überschreitet die 12°/o-Grenze nur unwesentlich und nur bei einzelnen Artikeln. Freilich muß noch einmal betont werden, daß die Verkaufspreise von uns nur annähernd errechnet werden konnten.

IV. Zusammenfassung und Ergebnisse: Der Überfall auf den Nürnberger Geleitzug im Jahre 1413 zeigt die Schwie­ rigkeiten, Widerwärtigkeiten und Gefahren, mit denen der Kaufmann im Mit­ telalter stets zu rechnen hatte. Trotz hoher Ausgaben für die Sicherung der Kaufmannsgüter, trotz der Übernahme des Schutzes der Geleitszüge durch die Territorial- und Geleits­ herrn war eine sichere Garantie dafür, daß die Waren auch unbeschädigt ihr Ziel erreichten, nicht gegeben. Zwar versuchten die deutschen Könige immer wieder durch Errichtung regionaler und allgemeiner für das Reich geltender Landfrieden allen wehrlosen Personen, besonders dem Kaufmann, die Sicher9

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heit auch auf dem Wege zu geben, die er für seine Aufgaben nötig hatte; aber die zentralen Gewalten waren meist zu machtlos, um ihren Gesetzen allgemeine Geltung zu verschaffen. Nur da, wo sich starke regionale und terri­ toriale Kräfte konzentrierten, wie eben im Gebiete der Burggrafen von Nürn­ berg, konnte man hoffen, den Landfrieden durchzuführen und Handel und Verkehr zu schützen. Allerdings: selbst in einem verhältnismäßig gut geschützten Gebiet, wie dem burggräflichen Territorium, wagte ein kleiner Nachbar, der Landgraf von Leuchtenberg, das burggräfliche Geleite anzugreifen und vermochte trotz aller Sicherungen auf fremdem Herrschaftsgebiete einen Kaufmannszug mit seinen zahlreichen Helfern völlig auszuplündern. Und dabei bestand für das Gebiet seit 1412 der Egerische Bund, dem der Leuchtenberger freilich ferngeblieben war. Der angegriffene Geleitsherr, Burggraf Johann indes, griff überraschend schnell durch. Es gelang ihm verhältnismäßig rasch, die Plünderer zu Paaren zu treiben, ihnen den Raub abzunehmen und sie auf gütlichem Wege zu einem Ausgleich mit den Kaufleuten, hinter denen ihre Städte standen, zu veran­ lassen. Aber was hatten schon die Kaufleute davon: viele Waren blieben ver­ loren, waren beschmutzt, zerschnitten, verbraucht, da auch die Untertanen der Wegelagerer sich an der verbotenen Ernte beteiligt hatten. Und wenn auch Geldersatz nach dem Einkaufswert für das nichtbeigebrachte Gut geleistet wer­ den mußte, so hatten die Kaufleute doch einen Verlust, weil ihnen der Ge­ winn entgangen war und die Aufwendungen für Reise, Verpackung 230), Zölle, Geleitsgelder usf. umsonst ausgegeben waren, abgesehen von der Mühe und den Schwierigkeiten, die zur Beschaffung der Güter aufgewendet werden mußten. Sehr korrekt und hilfsbereit hatte sich der Burggraf231) benommen. Er hatte sofort Verhandlungen mit den Geleitsbrechem eingeleitet und sie ge­ zwungen, die Waren herauszugeben oder sie zu ersetzen, und er hatte sogar einstweilen die Geldsumme erlegt, die den Kaufleuten für verlorengegangene Waren vergütet werden mußte. Aber auch für die Plünderer ging die Angelegenheit nicht nach Wunsch aus. Zwar hatten sie insofern billig „eingekauft“, als sie verbrauchte Waren nur nach dem Einkaufspreis zu ersetzen hatten, aber diese Zahlungen für die nicht mehr beigebrachten Waren brachten die Schuldner an den Rand des Bankrotts. Der Landgraf von Leuchtenberg z. B. mußte dem Burggrafen seine Burg Stierberg als Pfand einsetzen und die kleineren Übeltäter wie die Mengersreuther hatten ihre Quote von fl. 475.— 1418 immer noch nicht bezahlt. Auch an wirtschaftsgeschichtlichen und handelsgeschichtlichen Erkenntnis­ sen konnten wir einiges in Erfahrung bringen: so über die Organisation des Fernhandels, über Reiserouten, über Einkaufspreise und Gespinnspannen, über Provenienz und Qualität der gehandelten Waren, über die Schwierigkeiten des Warentransports, die Art der Warenverpackung und über die Verteilung des Risikos durch Zusammenschluß mehrerer Kaufleute zu bleibenden oder vor­ übergehenden Interessengemeinschaften. So dürfte der Aufsatz doch dazu beitragen, die ganzen Schwierigkeiten und die Problematik des mittelalterlichen Handels an einem konkreten Beispiel aufzuweisen. 130

D. Sachanmerkungen. i) Vgl. hauptsächlich: Biebinger-Neukam 5 Anm. 5, 150 f. mit Anm. 4; S. 151, Anm. 1 und die dort angegebene Literatur. — Über den Verkehr nach Sachsen vgl. BiebingerNeukam S. 11 Anm. 5. Vgl. auch Tille, Gewinnung (seit 1321) 103 ff. 2) Über die Straßenverhältnisse vgl. Biebinger-Neukam 150 Anm. 4 und die dort zusammengestellte Literatur. Nach Sachs, FleischVersorgung 164 waren es vor allem drei Straßen, die nach Böhmen führten: Passau—Prachatitz; Regensburg-^Furth/W.—Taus. Die dritte und wichtigste Straße stellte die Verbindung Frankens und Nürnbergs mit Böhmen her: Hersbruck — Vohenstrauß — Weidhaus — Leuchtenberg — Pfraiumberger Wald­ paß — Neustadt — Kladen — Mies. Dettling, Metallhandel (207 mit Karte) führt zwei Wege an: Hersbruck — Weiden — Eger — Piiag und Hersbruck — Weiden — Tachau — Pilsen — Prag; vgl. Dettling 207 mit Karte. Vgl. a. Doeberl, Entwickl.-Gesch. Bayerns I (1906) 536; Müller, Hauptrouten 27 und neuerdings Sturm, Eger 232 f. 3) Uber die Nebenstraßen vgl. Biebinger-Neukam nr. 190 m. Anm. 4; 147 nr. 196; S. 24 Anm. 1; nr. 196 S. 147 f.; und S. 124 Anm. 1; Sturm, Eger 236. 4) Dettling 205. 5) Dettling 212. 6) Vgl. Sachs 163. ") Vgl. Biebinger-Neukam nr. 7 Anm. 5 u. nr. 200 S. 150 f. mit Anm. 4; Sachs 164; Juritsch 113 f.; Baader, Handel 108 f. (Handel über Eger 1452 S. 112). 8) vgl. Müller, Hauptrouten 6 (Perpignan), 7 (Barcelona), Aquila in den Abbruzzen 32; Nordmann 109 f. — Biebinger-Neukam 158 Anm. 2 (Familie Schürstab). 9) Nordmann 112 f.; Bastian I, 414 ff.; auch Kunze A., Die Nordböhmische Leinwand und der Nürnberger Großhandel, Reichenberg 1926; vgl. a. Schulte I, 150 ff. 10) Vgl. vor allem Dettling; Sachs 163; «Nordmann 115 f; vgl. a. Ostwald P.: Nbgi Kaufleute im Lande d. Deutsch. Ordens (Deutsche Gesch. Bl. XIV, H. 4 S. 91 ff. — 1913) 11) Vgl. Sachs 164; Juritsch 113 f. Vgl. a. RTA. VIII, 1 ff. — Baader, Handel 100. 12) Vgl. auch Müller, Hauptrouten 27. Diese Wege waren allerdings Verkehrswege 2. Ordnung! Vgl. auch Doeberl a. a. O. 536 und Sturm, Eger 232 f. 13) Über das burggräfliche Territorium vgl. Kretschmer K., Hist. Geographie von Mitteleuropa (München u. Berlin 1904) 294 f., 473 f.; Wolf-f C., Die unmittelb. Teile des ehern, röm. deutschen Kaiserreichs (Berlin 1873) 102 f., 106 f. Vgl. auch: Bayerl L.: Über Territorialgrenzen des 17. u. 18. Jh. im Ochsenkopfraum (Siebenstern, 19. Jg. 6. H. S. 93 ff.). 14) Uber Zusammenstellungen der burggräfl. Geleitsrechte vgl. Mon. Zoll. VII nr. 229 (1413 Juli 13): Hof-^Nürnberg; Hohenberg—Nürnberg und ebd. VII, nr. 237 S. 188 (1413 Juli 28): Eger—Marktschorgast-nKulmbach—Bayreuth. — Uber Geleitswesen, -recht vgl. Biebinger-Neukam S. 3 Anm. 5 und die dort an­ gegebene Literatur; neuerdings auch DR WB (Deutsches Rechtswörterbuch) IV, 1581 ff. Das Geleite wurde vorher vom Nürnberger Rate z. B. schriftlich beantragt und vom Ge­ leitsherrn schriftlich bestätigt. Vgl. Biebinger-Neukam nr. 37 S. 53 (Geleite für Frank­ furt/M.) oder Nr. 106. 15) Vgl. Staatsarchiv Bamberg, Standbuch 7060 f. 61 b. 16) vgl. a. a. O. f 61 b. 17) Uber das oberpfälzische Territorium vgl. Kretschmer 261, 458 f., 580. 18) Darüber das folgende Standtouch 7060 f. 61 b. 19) Der im folgenden behandelte Überfall ist mehrfach in der Literatur erwähnt So Roth J. F.: Geschichte des Nürnberg. Handels (Nbg. 1790 f; Bd. I, 151), der eine wort­ wörtliche Abschrift aus den „Müllner“schen Annalen (Original Staatsarchiv Nbg.) gibt: „Leupold, Landgraf zu Leuchtenberg, hat etlichen Nürnbergischen Burgern und Kauf­ leuten, als Hannß Starcken, Wilhelm Ebner, Lamprecht Großen, Christan Köhler, Jacob Granetel, Hannsen Huebner, Cuntzen Imhoff und Paulus, Goldschmied, geld und waren nehmen lasen; und sind bey diesem Zugriff Haubtleut gewest: Matthes und Burckhart von Mengersreuth, Gebrüder. Es ist aber die Sach noch dies Jahr vertragen worden.“ Von diesen beiden Fundstellen aus dürfte die Episode in die andere Literatur überge­ gangen sein. So z. B. bei Gradl: Geschichte des Egerlandes 321; Bauer, Geschichte der Stadt Pegnitz (2. Aufl.) 120. Der Überfall wird auch erwähnt von Sturm H.: Eger, Gesch. einer Reichsstadt, 237. Ferner wird auf das Ereignis Bezug genommen bei Dorfmüller: Der Egerische Bund 1421 S. 99 (Archiv f. Ofr. II, 3 S. 99 f. — 1836). Auch Herr Pfarrer Wagner-Tutzing, der sich mit der Geschichte des Leuchtenberger Geschlechtes befaßt, ge­ denkt die Episode in seiner künftigen Abhandlung zu verwerten. Schon am 28. März 1413 hatten Knechte eines anderen Leuchtenbergers, des Grafen Ulrich, zwei Nürnberger Kaufleute, die aus Tachau kamen, in der Nähe von Erlenstegen bei Nürnberg überfallen. Die nach Wildenfels gebrachten Kaufleute wurden wieder freigelassen. Der Landgr. hatte damals eine seiner zahlreichen Fehden mit dem böhm. König (Staatsarchiv Nbg.; Ratsbuch la fol. 57a. — Gütige Mitteilung von Herrn Dr. Schnelbögl). — Das genaue Datum des Überfalls ist nicht feststellbar, ebenso­ wenig der genaue Ort. Einen gewissen Anhaltspunkt können auch die Namen der Ortschaften Wetzldorf, Trevesen, Pullenreuth und Mengersreuth, auch Waldeck und Kemnat selbst geben, die in nächster Nähe des burggräflichen Territoriums lagen. Man muß auch bedenken, daß der Geleitzug sich auf der Straße lang hinerstreckte und daß die Wegelagerer die Karawane wohl mehrfach angreifen mußten, bis sie den gewünsch­ ten Erfolg hatten. So haben die Geleitsleute Gefangene gemacht (z. B. den Schlegler) und anscheinend auch Pferde erbeutet, wie die des Nickel Lang, die ihm bei Vergütung 9*

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des Schadens gutgeschrieben wurden, was wohl auf eine gewisse Gegenwehr des Geleit­ zuges schließen läßt. Es ist auch möglich, daß die Tat deswegen erfolgte, um böhmische Fehdegegner, für die oder deren Untertanen die Waren vielleicht bestimmt waren, zu schädigen. 20) Uber das Territorium der Leuchtenberger vgl. Kretschmer 306; Riezler S.: Ge­ schichte Bayerns in. Bd. (Gotha 1889) 959 ff. — Über Landgraf Leupold III. (1398—1456 oder 59?) vgl. auch (neben Riezler a. a. O.): Bauer H.: Geschichte der Stadt Pegnitz... (Pegnitz 1938 2) s. 120 f. — Dort auch Stammtafel. Ferner vgl. Reg. Imp. XI, Register: Regesta Boica, Register; RTA. VIII, 183, 45, 197 (als Feldhaiuptmann), 229. 21) Über die Mengersreuther vgl. Regesta Boica, Register; v. Hefner: Stammbuch des Adels in Deutschland III, 37; Lange, Staatsgeographie des Fst. Bayreuth (Abschr. 1769 im StA. Bbg. S. 142); in den Beständen Adelsakten Schreiben vom 20. bzw. 25. November 1413. Vgl. Beilage 4. 35) Schreiben vom 23. Nov. 1413. Vgl. Beilage 3. 36) Schreiben vom 22. bzw. 26. November 1413. Sie setzten sich für dieStadt Ravens­ burg und die beiden Bürger Heinrich Zwick und die Mötelligesellschaft ein. — Vgl. auch Biebinger-Neukam S. 71 Anm. 2: Lindau und Ravensburg waren Mitglieder des Schwäbischen Städtebundes, wie er 1395 erneuert worden war. Sie gehörten zu den „sieben Städten am Bodensee“ mit St. Gallen, Buchhorn, Uberlingen, Isny und Kon­ stanz, die selbst wieder einen Sonderbund bildeten. 37) vgl. oben A. 14. 38) Darüber vgl. oben Anm. 22. — Gemeint ist das Böhm. Geschlecht der: Skala; vgl. Reg. Imp. XI, Register. 39) Mon. Zoll. VTI nr. 266 S. 210 f. — Uber die Helfer vgl. oben Anm. 22. — Originalausfert. (A) in unserem Spezialakt. Alte Sign.: D 74. 2/3. — Der Burggraf ließ die Urk. 1417 durch das k. Hofgericht vidimieren. Vgl. Mon. Zoll. VII nr. 390 S. 290. — Ausfert. im StA. Bbg.: Rep. A. 160/ L 592 nr. 3367. — Reg. Gfn. v. O. 213. 40) Ludwig XII. von Oettingen 1377—1440; Hübner: Genealog. Tabellen I, 270; ferner Biebinger-Neukam S. 7 Anm. 4; ferner Reg. Imp. XI, Register. 41) Uber die Hohenlohe vgl. Biebinger-Neukam S. 93 Anm. 5. — Uber Albrecht gest. 1429 vgl. Reg. Imp. XI, Register (Rat Kg. Sigmunds). 42) vgl. oben Anm. 30. — Uber eine andere Form des Verzeihbriefs vgl. auch Biebin­ ger-Neukam Nr. 7 S. 5. Solche Verzeihbriefformulare finden sich z. Br in den Briefbüchem des Nürnberger Rats im Staatsarchiv Nürnberg.

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43) Uber die Grafen von Orlamünde vgl. u. a. v. Reitzenstein: Reg. d. Gfn v. O., Bayreuth 1871. — Wohl Otto XI. von O. 1406726. — Vgl. Mon. Zoll. VH. nr. 266, 290 u. Reg. Boic., Register. 44) vgl. Mon. Zoll. VII. nr. 271 S. 214. Der Burggraf ließ die Urkunde ebenfalls durch das K. Hofgericht vidimieren. Vgl. Anm. 39. 45) Als Bürgen des Landgrafen von Leuchtenberg werden im burggräflichen Akt (StA. Bbg.; Hof rat Ansbach-Rayreuth-ex Adelsakten nr. 94 v. Leuchtenberg) genannt: Graf Otto von Orlamünde, Hans von Degeniberg, Vitztum; Hartung von Eglofstein, Clas von Eglofstein, Fritz von Eglofstein, Albrecht von Eglofstein zu Tunnfeld; die vier Schützen von Lewneck (= Laineck); Berchtoltczhofer; Altmann Keczemstorfer; der Sohn des Albrecht Freudenberger; Altman Kempnater und sein Sohn; Fritz von Kindsperg; Fridman Redwitzer; Endres Trawtenberger; Jobst Redwicz; Heymeran Nothaft, Conrad Nothaft; Georg Nothaft; Hans Parsberger; Hans Stawffer; Schirntinger zu Grafenwerd; Heinrich, Fritz, Hans und Albrecht von Aufsees; Jorg Slamerstorfer; die vier Förster; Caspar von Waldenfels; Ulrich von Kindsperg; Heinz von Koczau; Mertein Fortsch; Hainz von Stein; Friedrich Plassenberger. 46) Abschrift in dem Akt aus dem burggräflichen Archive (vgl. unter den Quellen Gr. 1/c). Ein Druck ist mir nicht bekannt. 47) Diese Waren befanden sich teilweise in einem schlimmen Zustand: „Item so ligend zu Wunsidel 7 stuecke (Tuch), die seindt auch ein teil zu- [= zerlsnitten, die hat Nicklaws Slicke.“ Oder: „Item 43 stucke von Pfreymde kommen gen Beyrrewt, der ist ein teil zusnitten.“ (Schadennachweis Nr. 3). 48) Staatsarchiv Bamberg, Gemeinbuch 1 fol. 120 b f. Abschrift. — Teil-Druck: Mon. Zoll. VII S. 224 nr. 285. 4») Uber die endgültig festgestellte Schadensumme vgl. unten A. 59 u. 178 f. 50) Vgl. Gemeinbuch 1 a. a. O.: „ . . . vollen gewalt und gut macht von allen kaufleuten wegen, die der sache zu schicken haben . . .“ 6i) Uber die Herrn von Treuchtlingen und auch Wirich v. T. vgl. Reg. Boica, Re­ gister, Mon. Zoll., Register. Er war (1412) Hofmeister; vgl. Mon. Zoll. VH nr. 59 S. 64. 52) Wohl Hans VII. von Sparnecke, der bis 1412 als Marschall, Hofmeister und Amt­ mann des Burggrafen Johann erscheint. Vgl. v. Dobeneck: Gesch. des ausgest. Geschlechts der v. Sp. (Arch. f. Ofr. XXH/ 1904) 54, 46 und Neukam: Ein burggräfl. Register über . . . Münchberg (1950) S. 16 Anm. 67. Vgl. ferner: Mon. Zoll. VH, nr. 86, 97, 109, 152 usf. 53) Uber diesen Reg. Boic. XI, 241, 378 und Mon. Zoll. Register. Er war auch Amt­ mann zu Plassenburg. 54) Uber ihn Reg. Boica XH, 395 und Mon. Zoll. VII, nr. 3, 102, 241, 279, 404 usf. 55) Uber das Einlager vgl. DR WB. II, 1413 f. u. Schröder-v. Künsberg: Lehrb. d. dt. R-Gesch. (1922 6) S. 801 f. Es ist die Verpflichtung an einem vereinbarten Orte Quartier zu nehmen bis zur Bezahlung einer Schuld. 56) Niederschrift bzw. Entwurf im Gemeinbuch 1 fol. 137 a; Druck: Mon. Zoll. VII, S. 252 nr. 342. 57) Mon. Zoll. VII, S. 309 nr. 408; Gemeinbuch 1 fol. 158 b. 58) Vgl. Beilage nr. 10. Vgl. auch Bauer a. a. O 120. 59) Vgl. Anm. 57. 60) vgl. Regesta Boica XII, 244, Bauer a. a. O. 120 f. und die dort angegebene Lite­ ratur. — 1504 wurde Stierberg Nümbergisch. Vgl. darüber im Staatsarchiv Bamberg Standbücher: 7855 ff.: Saltoücher, Aemterbeschriebe 1540 ff. Mit in diesen Zusammenhang, nämlich der Insolvenz der Leuchtenberger, gehört ein Eintrag im Nürnberger Brief­ buch nr. 4 (StA Nbg.) vom 22. 6. 1414, worin die Rede ist von „einem aufslag . . . der beczalung etc. . . .“ und daß Peter Haller, der in Leuchtenberg war, davon geredet habe, daß „ ... er umb 8 tag niht reden well . . .“, also offenbar einem Zahlungsaufschub (allerdings nicht angegeben in welcher Angelegenheit) zugestimmt habe. (= Fol. 4 b, Briefb. 4). Diese Nachricht könnte sich, wie gesagt, irgendwie auf die Rückzahlung der Schadenssumme beziehen (Mitteilung v. Herrn Dr. Schnelbögl-Nbg.). 61) Mon. Zoll. nr. 266 S. 210 f. «2) Uber die Weidenberger vgl. Reg. Boica Register; ferner Mon. Zoll. Reg. Über den Weidenberger „Bastard“ Mon. Zoll. VH nr. 266. — Nickel Lange hatte 27 Tuche an sich genommen im Werte von 21 fl. das einzelne Tuch (Schadenzettel V). 63) Originalausfert. Pgt. mit drei erhaltenen Wachssiegeln, datiert: „ ... des samstags hach Sant Kathreintag 1418“. Staatsarchiv Bamberg, Rep. A 205 L. 798 nr. 8407. — Ein magister Oswaldus, dictus Mengersreuther, praepositus in Isen (bei Wasserburg OB.) am Kloster S. Zeno wird 1424 Okt. 10 genannt: Reg. Boica XIII, 44. 64) Vgl. Anm. 32—35. •5) Vgl. Beilage 6. — Am 6. Dezember 1413 bekennt der Bgf. auch seine vorläufige Schadensersatzpflicht von fl. 2807.— ß 2.— gegenüber Christian Coler und Gen. Mon. Zoll, nr. Q85 S. 224. •6) vgl. Reicke E.: Geschichte der Reichsstadt Nürnberg (1896), 364 f. «7) z. B. 1414 (feria 4a post Invocavit) fl. 600.— Rh. (schwäb. Währung) an Herdegen Valczner und Stephan Koler, Gemeinbuch 1, f. 132b. — 1414 (dominica post Ascensionis öi.). — 360 l)b Heller an Fritz Kammermeister von Nbg., Gemeimbuch 1, f. 136 b. ~~ fl. 167.— an Hans Zeidler von Nbg. eibd. fol. 105 b (1413).

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68) vgl. z. B. Gemeinbuch 1, f. 139a vom Jahre 1419 über Schulden an die Margarethe Aibenbergerin, Bürgerin von. Nürnberg, wegen Lieferung von Spezerei, „Cromschatz“ und desgleichen [1415 (?)] an Conrat Abenberger von Nürnberg, offenbar Mann oder Sohn der Margarete, „unserm cromer“, ebenfalls für Spezerei und „cromschatz“ fl. 200.—, ebd. fol. 170a. «0) Uber das Nürnberger Transportwesen vgl. Haid K.: Alt-Nürnbergs Verkehrswesen seit der Mitte des 14. Jahrh. — Nürnberg 1929, ferner die Arbeiten Joh. Müllers und hier vor allem: Geleitswesen und Güterverkehr zwischen Nürnberg und Frankfurt a. Main, und: Umfang und Hauptrouten des Nürnberger Handelsgebietes . . .; neuerdings Bastian I, 597: dort z. B. Frachtsätze Regensburg— Er heißt Johanes Schwöb. Simonsfeld II, 77. 82) Uber die Familie: Simonsfeld II, 73, 74, 76, 77; Chron. I, 86. Meyer, Entstehung 67. — Uber eine Hans Ebner-Gesellschaft vgl. auch Meyer, Entstehung 17. 83) RTA. VIII, 294/20; 487/19; RTA. IX, 473 und 604. — Reg. Boica XIII, 353. Reg. imp. XI, 6637. 84) um 1420 handelt ein Ulrich E. nach Venedig. Vgl. Simonsfeld II, 76. 85) Unsere Angaben entstammen der Schadensliste I vom 10. 11. 1413, der Liste IV, V. 86) Uber das Geschlecht Chron. I, 221; II, 212. Simonsfeld II, 78. Mon. Zoll. VI, 375 87) Baader, Handel 111. 88) Simonsfeld II, 78; Baader 111. Meyer Julie, Entstehung 75. 89) Simonsfeld II, 76, 77. 90) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 59 nr. 285 b. Vgl. auch Chroust-Proesler XXXVII. 91) Meyer a. a. O. 75, 76. 92) Mon. Zoll. VI nr. 375 S. 388. 93) Chron. V, 495. 94) Reg. Imp. XI, 1232/34. 95) Reg. Imp. XI, 2693. 96) Reg. Imp. XI, 7117. 97) Reg. Jmp. XI, 8694. — Dort auch ein Ropolt Georg 4330, der aber nicht hierher ge­ hört; wohl aber könnte ein Johann R., dem Framkfurt/tM. 1413 die schuldige Judensteuer überweisen soll (Reg. Imp. 801), mit dem weiter unten genannten Hans R. identisch sein. — Die Schäden, die unser Th. R. erlitten hat, finden sich nur auf Schadensliste IV! Dort auch sein Warenzeichen. 98) Nordmann 42. — Ein Hans R., „schellenmacher“, der unter den Neubürgern 1393 erscheint (StA. Nbg. Rep. 52 b fol. 86 b/113 b), gehört wohl nicht hierher. »9) Gütige Mitteilung von Herrn Dr. Schnelbögl, — Briefbuch nr. 1 (StA. Nbg.) fol. 37 b vom 17. Juni 1405 (datum in crastino Corporis Christi) und ebda. fol. 105 b vom 17. Mai 1409 (datum feria sexta post Ascensionis Domini anno mono). 100) Grobwollentuch niederländischer Herkunft; vgl. Bastian III, 239. — Die erlittenen Schäden sind ersichtlich aus Liste IV und V. 101) Staatsarchiv Bamberg, Rep. A 176, L. 699. 102) Staatsarchiv Bamberg, Rep. A 176, L. 699. 103) Chron. IV, 258, Anm. 1. 104) Meyer a. a. O.; vgl. die Tabellen. 105) Reg. Imp. XI, 1236, 2717. 106) (Reg. Imp. XI, 5268. 107) Reg. Imp. XI, 10 778, JL0 779. 108) Seine Verluste sind enthalten in Schadensliste I, IV, V. Über Goldschmiede vgl. auch Biebinger-Neukam S. 26 Anm. 12. 109) Vgl. Beilage 7 und Mon. Zoll. VII, S. 253 nr. 342. 110) Uber die Goldschmiede in Nürnberg vgl. Mutschelknauß E.: Die Entwicklung des Nürnberger Goldschmiedhandwerks . . . Leipzig 1929. Uber die Siegelgraber, eine Speziali­ sierung des Handwerks, vgl. ebd. 156. Um 1370 gab es in Nürnberg etwa 10 Goldschmiede. Ebd. 3.

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Nach einer Mitteilung des Staatsarchivs Nürnberg (Herr Dr. Schnelbögl) ist ein Paulus Ramensteiner, Goldschmied, offenbar für das Jahr 1411 Im Meisterbuch (Rep. 52 b nr. 303) eingetragen (fol. 26 alt, neu fol. 40). Bürgerbuch 1429s/62 (Rep. 52 b nr. 304, (fol. 200: . . alle die, die ihr bürggerrecht aufgegeben haben“) verzeichnet auch Paulus Ramen­ steiner . . .: „resignavit bürggerrecht, feria 3 a post Omnium Sanctorum anno supradicto ( = 1433). Dedit literam“. — Ein Balthasar R. wird 1456 zum Bürger aufgenommen (Bürgerbuch. nr. 299 fol. 4). ui) „Maysch“ aus lat. „mixtus“: gemischt. Vgl. Bastian III, 277: Mischgewebe. H2) Seine Verluste ergeben sich aus Schadensliste n, IV, V. H3) a) Uber „Mark“-safran vgl. Bastian m, 286: Ancona-Safran aus der Mark, b) „Fardal“ aus: it. „fardello“: Pack, Vs Saum. Bastian III, 246. H4) vgl. Meyer a. a. O. Tabelle. H5) Simonsfeld II„ 75. H6) RTA. V, 217, Anm. 6. H7) Baader, Handel 109 nr. 6 und 108 nr. 3. ns) Simonsfeld II, 77. H9) Vgl. Biebinger-Neukam S. 126 nr. 159 und Anm. 8. 120) Chron. I, 5 Anm. 5. 121) Vgl. unser Faksimile und Baader 109 nr. 3. 122) Chron. II, 345. 123) Reg. Imp. XI, 11 790. Die Nürnberger Kaufleute wurden damals auf die Anklage des Wenzel Newpeck von Tachau an das k. Hofgericht vorgeladen. 124) ihre Schäden ergeben sich aus Liste II, IV, V und dem Anmeldeschreiben des Rats vom 1. Dezember 1413. 125) Uber das Geschlecht vgl. Chron. I, 217; 95 Anm. 4; H, 344 ; 232. 12«) vgl. Meyer, Tabelle. 127) vgl. Biebinger-Neukam S. 140 Anm. (2 und 4. 128) Vgl. Simonsfeld II, 77, 78, 80. 129) vgl. Simonsfeld II, 75 und Chron. I, 95 Anm. 4. 130) Simonsfeld II, 76. 131) Reg. Boica XI, 67. 1396 März 8.: Neukam, Rüdiger Valzner 28 Anm. 57. 132) Baader 109 nr. 9. 133) Baader 111. 134) Reg. Imp. XI, 7303. 135) vgl. Mayer, Tab. 2. — Uber das Geschlecht Chron. I, 88. 136) vgl. Chron. I, 88; II, 179 Anm. 1; 270 Anm. 2; IV, 33 r: Linhard, Hans Grolands des Ae. Sohn. 137) Reg. Boica XIII, 16. 138) Reg. Imp. XI, 7696. 139) vgl. Biebinger-Neukam nr. 184 S. 139 Anm. 1 und S. 16 Anm. 7. 140) Schadensliste nr. n, IV, V und Schadensanmeldung der Stadt Nbg. V. 1. 12. 1413. Mi) Uber das Geschlecht vgl. Chron. I, 88 f.; n, 72, 89. 142) vgl. Meyer a. a. O. 143) ISimonsfeld II, 75; I, 831. 144) Regesta Boica XII, 229. 145) Vgl. Ress F. M., Gesch. u. wirtsch. Bedeutung der opf. Eisenindustrie . . . (Diss. BA. Clausthal 1950; auch Hist. Ver. Opf. 91. Bd. 1950) S. 128 ff. 146) Uber die Valzner vgl. Neukam W.; Das Salbuch des Rüdiger Valzner von Nbg. 68. Ber. Hist. Ver. f. Mfr. Ansb. 1939. 147) Uber Das Geschlecht namentlich Chron. I 60 ff. u. Chron. II, 83 ff. 148) Chron. I, 65 f. 149) vock W.: Ulman Str. und sein Buch. (Mitt. Ver. Gesch. St. Nbg. 29, 1928) S. 85 ff. 15°) vgl. Vock a. a. O. 122, 123 Anm. 42 und Chron. I, 83. 151) Vgl. Simonsfeld IIr 77. 152) vgl. Chron. I, 80 f. 153) Simonsfeld II, 77. 154) Nordmann 14. 155) Der Schaden steht auf Liste rri: „Hans Albrecht von Nuremberg: Item derselbe hat do gehabt ein pellein weisser leinwat, dorynnen seind gewesen: 42 stucke; kosten 123 gülden. — Item 7 parchant: kosten 16 gülden 6 ß und 8 hlr.“ — Über andere Träger des Namens Hans Albrecht konnte im StA. Nbg. (Mitt. Herr Dr. Schnelbögl) festgestellt werden: ein H. A. hat 1415 sein Bürgerrecht auf gegeben (Rep. 52b, nr. 303, (fol. 158b/ 199b neu); ferner ein H. A. unter „den Lederern“ 1429 (Rep. 52b nr. 304 p. 28). Vielleicht ist dies unser H. A. selbst. 156) Der Schaden ist auf den Listen n, III und auf dem Schreiben der Stadt Ravens­ burg vom 25. Nov. 1413 erfaßt (Beilage 4). 157) vgl. Ammann, Diesbach-Watt-Gesellschaft 47 f. 158) Ebd. a. a. O. 48 f. . 159) Mitteilung des Stadtarchivs Sankt-Gallen. Vgl. a. Schulte I, 189. 160) Rüdiger Valzner aus Nürnberg z. B. verfügte schon um 1360 über ungefähr fl. 10—12 000; vgl. Neukam, Rüdiger V. 29 Anm. 64. Vgl. a. Schulte I, 207. 161) Reg. Imp. XI, 10, 458.

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Ammann a. a. O. 49 ff. 163) vgl. oben |A. 156. 164) Regesta Boica X, 295. Über das Geschlecht auch Schulte I, 152 f. 166) Uber die Zenger vgl. Mon. Zoll., Register u. Reg. Boica, Register. 166) Uber den Egerer Handel vgl. Sturm. Eger 232 ff. — Die Schäden ergeben sich aus Liste II, V. (V): „Eger: Item die von Eger: Hanns Smidt und Michel Puchelperger haben do gehabt 21 tuche von Sandt Truwten, ye eins umb 21 gülden; machen 441 gülden.“ (II): „Bemhart Pucheibeiger hat gehabt ibey der nam: 21 tuch von Sant Truwten, der kostet yedes erstes kaufs 18 guidein; das hat er mit seinen rechten erweist und behabt. Facit: 378 guidein.“ Zurückgegeben wurden ihnen: (II): 7 St. Trondener Tuche zu Pfreimd, d. h. von den Leuchtenbergem und ein Tuch von den Mengersreuthern. 167) „Item dem Nickel Freitag und Michel Puchelberger czu czerung gen der Plan mit dem von Plawen auf ein tag I sex. IIH gr. p.“ „Aber dem Nickel Junckheren und Michel Puchelberger czu czerung czu Prag . . . XIIII sex. und VIII gr. p.“ [Ausgabe­ bücher der Stadt Eger 1415]. 168) Ausgabenliste 1392: „Item dem Hannsen Sn\ide 50 schock Peh., die er czu Präge hat beczalt“. — Ausgabeliste 1394: „Item dem H. S. hab wir geben 6 schock gr. on 18 gr. reinisch, die der Frankengrüner und der Leb Puchelberger und der Jacotb, der purger diener, czu Prag verczert haben.“ 169) Schaden ergibt sich aus Liste: II, III, und Schreiben von Ravensburg vom 20. No­ vember 1413. 170) Vgl. Ammann, Diesbach-Watt-Gesellschaft 9, 116, 94, 38; Schulte I, 187 f.; Hafner: Zunftwesen . . ., Gesellsch. u. Handel in R. (Lindau 1900). 171) Ammann a. a. O. 116, 38. 172) Ammann a. a. O. 94. 173) Reg. Boic. XHI, 379. Vgl. a. Schulte I, 187. 174) Ammann 116. 175) Vgl. unten! 176) Die in [ ] gestellten Zahlen sind angenommen, da sie im vorliegenden Falle fehlten. Es wurde also in solchen zweifelhaften Fällen, soweit der Einkaufspreis fehlte, dafür der Verkaufspreis und umgekehrt gesetzt. — Über die Errechnung der Verkaufspreise vgl. Anm. 215a. Hier eine kurze Bemerkung über die damaligen Münzverhältnisse in Franken. In unserer Quelle wird in der Hauprsache nach Rheinischen Gulden gerechnet, während im innernürnbergischen Verkehr nach Pfund Hellem vorzugsweise gerechnet wurde. In Nürn­ berg selbst wurde auch nach dem sogen. Stadtwährungsgulden und dem Landwährungs­ gulden gerechnet, wobei der Stadtwährungsgulden im Kurse höher als der Landwährungs­ gulden stand. Der Stadtwährungsgulden wird auch z. B. 1397/98 in den Stadtrechnungen (StA. Nbg. Stadtreh. 4 a fol. 6to und öfters) verwendet. Sein Wert wird auf 1 lb. 5 ß angegeben. Neben dem Rheinischen Gulden lief auch damals der ung. Gldn um, dessen Wert für diese Zeit sich nicht genau feststellen läßt. (Vgl. Biebinger-Neukam S. 78 Anm. 5: fl. Rh.). Seit dem Währungsschnitt in Franken — 1396 — wird in Nürnberg meist nach Pfund „neu“ gerechnet. Dabei galten 4 alte Pfund = 1 neues Pfund. Das Pfund als Rechnungswert galt 20 Schdlling (ß) und 240 Heller. Der Gulden zerfiel in 20 Schilling oder 4 „ort“. I lb. „neu“ = 16 Groschen. Uber die Münzverhältnisse in Nürnberg vgl. Biebinger-Neukam 8 Anm. 1; S. 14 Anm. 5 (Landwährungsgulden), S. 13 Anm. 5 (Stadtwährungsgulden); II Anm. 2; 13 Anm. 3, 5, auch S. 51 Anm. 7, und die dort erschöpfend aufgeführte Literatur. Vgl. ferner auch, bes. über die Währungsreform von 1396/97 Bastian I, 770 ff. —; dort auch über die verschiedenen Gulden HI, 263 f. — 177) Uber die erste Verlustberechnung von fl. 2807 / 2 ß vom 6. Dezember 1413, vgl. Mon. Zoll. Vn, 285 S. 224. 178) Diese Pferde waren anscheinend vom Burggrafen mit Beschlag belegt und als Pfand zurückbehalten worden. J179) Mon. Zoll. Vn, nr. 408 S. 309 f. 180) Vgl. Anm. 178. 181) Wahrscheinlich: Erhard, Wilhelm. Caspar und Nickel Förster. Mon. Zoll. VII, 378 m. Anm. — Uber das Geschlecht sind auch Nachrichten im Gemeinbuch 1. 182) Ein Hermann G. wird genannt Mon. Zoll. VII, nr. 58, 210. iss) Vgl. Chroust-Proesler LXXXI Anm. 1; LXXV f.; XLVD. Vgl. dagegen die Erfah­ rungen Bastians mit dem Runtdngerbuch I, 369. 184) vgl. oben Anm. 5 und 7. — Biebinger-Neukam 141 Anm. 1 und Ress 125 ff. 185) vgl. oben Anm. 8 und Bastian in, 286 über Provenienzen des Safrans, z. B. des „Mark“safrans, der aus der Mark Ancona kam. 186) Vgl. Biebinger-Neukam 49 Anm. 2 über die „Safranschauer“. 187) Vgl. oben Anm. 9 und Bastian III Kap. m. iss) Ebd. xxxviii f., xxxn. 189) Vgl. dazu auch die Untersuchungen bei Biebinger-Neukam 59 Anm. 4; S. 73 nr. 82; S. 129 Anm. 3. i»o) Biebinger-Neukam S. 19 Anm. 2 und nr. 19 Anm. 9. i9i) Biebinger-Neukam 30 Anm. 2: = Wollkrempler! über Tuchmesser ebd. S. 20 Z. 39.

102) Biebinger-Neukam Nr. 59 Anm. 4. Über die weitere Spezialisierung und Arbeits­ teilung im Tuchgewerbe, z. B. Loderer-Tuchweber ebd. S. 25 Anm. 3. 193) Biebinger-Neukam 18 Anm. 7 und die dort angegebene Literatur. Vgl. auch Bastian III, 242 über die Entwicklung des Tuchhandels in Wien und den dortigen Tuchverlag. 184) Uber die Gesellschaften (societates) vgl. Biebinger-Neukam 152 Anm. 1; ChroustProesler XLTV: B.-N. 116 Anm. 5; S. 130 Anm. 6; neuerdings auch DRWB (Deutsches RechtsWörterbuch) IV, 507 Ziffer IV. — Vgl. a. Meyer, Entstehung 71; Eberhard Flexdorfergesellschaft S. 72 ebd.; Chron. II, 6 Anm. 3 (Conrad Paumgartnergesellschaft) und ferner Nordmann 6 (Pirckheimer, S. 10 f. (Vermögen)). 195) Biebinger-Neukam 140 Anm. 2 und Kress, Beiträge ... 187 ff. 196) Biebinger-Neukam 139 Anm. 3. 197) Biebinger-Neukam 130 Anm. 6; 131 Anm. 2; nr. 170. 198) Biebinger-Neukam 116 Anm. 1. 19») Biebinger-Neukam 135 Anm. 4. 200) Biebinger-Neukam nr. 187 Anm. 2. 201) vgl. Anm. 195. 202) vgl. oben Anm. 108. 203) Vgl. DRWB. m, 339. 204) Biebinger-Neukam 1 Anm. 1; S. 143 nr. 190 Anm. 4. 205) in dieser Urkunde erhielten die Nürnberger noch zusätzlich in den folgenden Städten Zollprivilegien: Maastricht, s’Hertogenibusch, Lüttich, Huy, Dinant, Namur u. a. Vgl. Pirenne, Geschichte Belgiens II, 212 ff.; ders.: Sozial- und Wirtschaftsgesch. Europas im MA. (Bern o. J.) 141 f. — Chron. I, 222 f. 206) Uber die Verlagerung des Tuchhandels nach den Brabanter Gebieten, die aus unseren Quellen schon deutlich ersichtlich ist, vgl. Bastian I, 414 ff.: So ersetzte (nach dem allmähligen Verschwinden flandrischer Tuche aus unserem Wirtschaftsraum) das Brüsseler das einfache und einfarbige Genfer Tuch, das Mechelner und Löwener Tuch trat für das Yperner, Toumaier und ähnliche Tuche ein; die brabantischen Hosen z. B. traten an Stelle der Brügger Hosen usf. 207) vgl. Chroust-Proesler Tabelle S. LXXII f. 208) vgl. Biebinger-Neukam S. 30 f. Anm. 1. 209) vgl. Biebinger-Neukam S. 30 Z. 23 f. 21°) Vgl. Biebinger-Neukam 31 Z. 17. 2H) Ein Sortenverzeichnis bei Fischer, Leipziger HG. 281; vor allem aber sehr ausführ­ lich nach Gewebeart, Farbe und Herkunft geordnet bei Bastian I, 402 ff.; III. 241 ff. — Uber eine braune Modefarbe vgl. a. Bastian I, 516 (1403). — Vgl. a. Schulte II, 107 f. 212) vgl. oben Anm. 9. Vgl. a. Schulte II, 77 ff. 213) vgl. Biebinger-Neukam S. 33 Anm. 3. 214) vgl. ebd. S. 33 Anm. 4. 215) vgl. ebd. S. 33 Anm. 8 und Bastian III, 288; I, 593. 2i5a) Es mag hier ausdrücklich vermerkt werden, daß die Einkaufspreise („Erstkauf“) von den Kaufleuten ausdrücklich so bezeichnet werden, während die von uns eingesetzten „Verkaufspreise“ von den Kaufleuten nicht als solche eigens angegeben wurden. Es han­ delt sich dabei um Preisangaben, die von den Kaufleuten gemacht wurden und dadurch, daß sie von den „Erstkaufspreisen“ meist erheblich abweichen, wohl als Verkaufspreise anzusehen sind, wenn wir auch zugeben wollen, daß Ein- und Verkaufspreise vielleicht für den besonderen Zweck des Schadensersatzes frisiert waren. 216) vgl. Biebinger-Neukam 30 Z. 23 und 25. 217) vgl. Anm. 212 f.; vgl. a. Fischer, HG. 317. Schulte n, 77 f. 218) vgl. Biebinger-Neukam 30 Z. 21. 219) vgl. Chroust-Proesler XLI und Anm. 2 —; auch Tabelle V, VI S. LXXII f. 22«) vgl. auch Bastian I, 448 ff. über Erstkosten von Tuchen und Nordmann 114. 221) Vgl. oben Anm. 176. 222) vgl. Chroust-Proesler LV f. 223) Nordmann 66. 224) vgl. Rörig F.: Großhandel und Großhändler in Lübeck; Breslau 1928, S. 220. 225) Zitiert nach Chroust-Proesler IXL. — Vgl. auch über Gewinne von angeblich 28—72 */o bei der Familie Starck, bei Meyer Entstehung 76. — Ferner: Bastian I, 502 ff. 226) Vgl. Nordmann 109. Biebinger-Neukam 141 Anm. 1. 227) Vgl. auch Müller, Hauptrouten 5 f. Anm. 8 und 185. — Ferner vgl. SimonsfeM I, 6 nr. 19: 1302: Straferlaß für einen Deutschen (? Nürnberger), der verbotenerweise Safran aus Venedig ausgeführt hat. 228) vgl. oben Anm. 227 und 8 und Biebinger-Neukam S. 31 Z. 20/21: „von einem sacke saffrans 8 haller [Zoll in Ntog.]“. — Über Safranhandel mit Straßburg 1406 vgl. ebd. nr. 201 S. 51 Anm. 2. 229) vgl. darüber oben Anm. 113. 230) Uber die zahlreichen Haupt- und Nebenspesen der Kaufleute vgl. vor allem Bastian I, 456 ff. — 231) vgl. besonders Beilage 2 (Ravensburg an den Burggrafen vom 21. Novemlber 1413) und Beilage 5 (Schwäbischer Städtebund an den Burggrafen vom 26. November 1413).

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E. Beilagen: 1. Der Rat der Stadt Eger an Burggraf Johann III. von Nürnberg: bittet die seinen, nicht weiter genannten Bürgern durch den Landgrafen von Leuchten­ berg entfremdeten Kaufmannswaren wieder beizubringen. 1413 Sept. 22. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Ausfert. P. Verschlußsiegel teilw. abgef. — Registraturvermerke (16. Jh.) auf der Rückseite: Derer von Eger Schriften etc. ... — D 74. 2/2 Hochgebomer fürste und genediger über herre. Unser untertenige willige dinst und waz wir beheglichkeit vermuegen, sein ewm furstenlichen gnaden mit demuetigen fleisse allezeit voran bereyt. Gnediger herre. Als ewre fuerstenüche gnade andern steten und auch kawflewten, darynnen nemlichen die von Eger begriffen waren, hat geschriben, und als auch Fridrich von Plassenberg von ewer gnaden wegen uns nehste geschriben hat, die unsem und ire habe in ewer gnaden gepite sicher czu geleyten, piten wir ewr gnade wissen, daz den unsem nehste mit der nome auch 20 tuch von sand Trawten und eyn tuch, daz darumb waz geslagen, ist genomen worden und piten ewre fuerstenüche gnade mit demuetigen fleisse, gnediger herre, daz ewr gnade sich darynnen gnediclichen erweisen und darczu thun woelle, daz den unsem ire habe auch wider werden moechte, als wir des ewm gnaden genczüchen wol getrawen und uns czu euch versehen. Daz woellen wir allezeit umb ewre fuerstenüche wirdikeit willicüchen verdinen, wann wir ye meynen, so verre wir koennen oder muegen ewer gnaden hulde czu begreifen. Ewr gnedige antwort piten wir beschriiben pey disem poten. Geben des freytags Mawricii ao. Dni. 1413 °. Der Rat czu Eger. [in dorso]: Dem hochgeboren fürsten und herren, herren Johannsen, puregrafen czu Nuremberg, unserm gnedigen und üben herren. 2. Bürgermeister und Rat der Stadt Ravensburg an den Burggrafen Johann III. von Nürnberg: bitten die ihrem Bürger Rudolf Moetelli von dem Landgrafen Leupold von Leuchtenberg entfremdeten Kaufmannsgüter wieder beizubringen. 1413 November 21. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Ausfert. P. Verschlußsiegel erh. — Registraturvermerke (16. Jh.): Deren von Ravenspurg Schriften an etc. ires burgers Rudolf Motelli und seiner genemene hab herkunft etc. — feria 2 (a) ante Katherine ao. 1413 — D 74. 2/6. Dem hochgebom fürsten und herren burggrauf Johansen, burggrauf ze Nuerenberg, unserm allergnaedigosten herren enbieten wir der burgermaister und der raut der statt ze Ravenspurg unser willig undertaenig berait dinst allzit voran. Gnaediger herr! es ist fuer uns körnen, unser burger Ruodolf Moetelli und haut uns der furgeleit, wie das im der edel, wolgebom herre, her Lupolt, landgrauf zum Luechtenberg und sin helfer zwischen der Wissen­ statt und Eger uffgehalten hand mit namen vier baelli mit wisser linwat, darinn gewesen sind: 248 stuk und als nu jwer gnad dazwischengeredt und getaedinget haut, daz derselb unser burger Ruodolf Moetelli dieselben vier baelü und kaufmanschaft mit sinem aide erwisen sull, gnaediger herr, also haut derselb unser burger Ruodolf Moetelli dieselben sin vier baelli vor uns zuo den hailigen mit uffgehebter hand, mit gesworem aid behebt, daz das sin sy und das dehain ussman weder tail noch gemain daranhab. Darzuo hat er ouch vor uns behebt mit sinem aid, daz dieselben vier baelly mit wiser linwat kost hand erstes koufes 640 rinisch guldin und daz im die noch ussiigen und uff das so haut uns derselb Ruodolf Moetelli unser burger, gebetten, das wir jwem gnaden das also von sinen wegen schryben woellen, wan er sefter darum zuo 138

jwern gnaden von ehaftiger not wegen nit komen mag. Gnaediger herr, darumb so bitten wir jwer gnad als ernstlich, als wir immer muegen, das ir jwern gnaden den egenanten unsern burger in der sach gnaediklichen woellen lassen bevolhen sin, als wir des jwern gnaden besunder wol getruewen und daz ouch dem unsern das volge, so im noch ußlyt, als das vor begriffen ist, nachdem und jwer gnad darumb ussgesprochen hett, kunnen wir daz umb jwer gnad beschulden oder verdienen. Darinn woellen wir allzit willig und berait sin; und besunder haut uns der unser fuerbracht, wie daz jwer gnad im so getruelich und so gnaediklich in siner sach getaen haben, daz wir jwern gnaden des und alles guetz flissigen und doemoetiklich danken, kunnen wir (wir) ouch daz immer umb jwer gnad beschulden oder verdienen. Darinn woelten wir zemal willig sin. Datum feria secunda ante Katherine anno etc. 1413°. [in verso]: Dem hochgeborn fuersten und herren, burggrauf Johansen, burggrauf ze Nuerenberg, unserm allergnaedigosten herren etc. 3. Bürgermeister und Rat der Stadt Sankt-Gallen an Burggraf Johann III. von Nürnberg: bittet seinem Bürger Geori Blarer zu den ihm vom Land­ grafen von Leuchtenberg abgenommenen Kaufmannsgütern wieder zu verhelfen. 1413 November 23. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Ausfert. P. Sekretsiegel beigedrückt erh. — Auf der Rückseite Registraturvermerke des 16. Jh.: „Der von Santgalln Schriften etc. . . .“ D 74. 2/8. Dem hochgebomen fuersten und herren burgräf Hansen zu Nuerenberg, unserm gnaedigen herren, entbietin wir der burgermaister und der rate der statt ze Santgallen unser willig dienst. Gnaediger herre, uns hat furgeleit Geori Blarer, unser burger, wie im der edel wolgeborn herre, her Leupolt, laritgräf zum Leuhtenberg und sin helfer etwevil habe und kaufmanschaft uffgehalten und genomen haben, mit namen: 53 stuk wisser linwatt, als dann uwer hohwirdkait dazwischen gerett und getaedinget hat, also hat er sin habe vor uns zu den hailigen behabt, das die sin und ander unser burger sye und das kain usman weder tail noch gemain niht daran hab. Darzuo hat er och vor uns mit sinem ayde behabt, das im dieselbe sine habe und kaufmanschaft, die im also uffgehalten und genomen worden ist, noch usste und ersts koffs kosti, ieklich stuk in sunder 3 rinsch guldin 1 ort und hat uns gebetten, das wir uwem gnaden verschriben, won er von ehafter not wegen zu uwem gnaden niht komen mag, bittin wir uw. hochwirdii, daz ir uewem gnaden denselben unsern burger gnaedenklich wellent lassen bevolhin, das im das sin wider . . . oder was des vertan ist, bekert werde, als wir uewem gnaden des wol getruwen. Das wellen wir allzit mit willen umb uwer gnad verschulden. Mit urkuend dis briefs, der geben und versigelt ist, mit unser statt secrett ze end dirre geschrift, des naechsten donrstages vor sand Katherinentag in dem jare, do man zalt von Christi gebürte 1413 jar. 4. Bürgermeister und Rat der Stadt Ravensburg an Burggraf Johann III. von Nürnberg: bittet die seinem Bürger Heinrich Zwick durch den Land­ grafen von Leuchtenberg abgenommenen Kaufmannsgüter wieder beizubringen. 1413 November 25. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Ausfert. P. Verschlußsiegel erh. — Registraturvermerke: Der von Ravenspurg Schriften an etc. iren burger Heinrich Zwick und sein genomene hab etc. betr. — D 74.2/4. (16. Jahrh.) Dem hohgeboren fürsten und herren burggrauf Johansen, burggrauf ze Nuerenberg, unserm allergnaedigosten herren enbieten wir der burgermaister und der raut ze Ravenspurg unser willig undertaenig berait dienst allzit voran. 139

Gnaediger herr! Alz wir jwem gnauden vormals verschriben haben von des noms wegen, so da unserm burger Moettelin beschehen ist, nu indem so ist für uns körnen: Hainrich Zwick von Santgallen, unser burger, und haut uns der fuergeleit, wie daz im derselb unser herr, her Leupolt, landgrauf zem Luechtenberg und sin helfer zwischen Wissenstatt und Eger ouch genomen und uffgehalten hab ain baelli mit linwat. Nu haben wir vormals darumb nit gewist, wir hetten anders jwem gnauden darumb ouch geschriben und alz nu jwer gnaud dazwischen geredt haut in soelicher mauß, daz die unsem ir hab und kaufmanschaft mit irem aide erwysen sullen, gnaediger herr, also haut derselb Hainrich Zwick von Santgallen, unser burger, dieselben sin hab vor uns ze den hailigen mit uffgehebter hand mit gesworem aide auch behebt, daz das baelli sin sy und daz dehain ussman weder tail noch gemain daran hab. Darzuo haut er auch vor uns behebt, mit sinem aid, daz daz baelli, so im da uffgehalten sy,. kostet habe des ersten koufs zwaihundert und dry rinisch guldin und daz im och daz noch usslige. Und uff daz so haut uns derselb Hainrich Zwick, unser burger, gebetten, daz wir jwern gnauden daz also von sinent wegen schriben woellen, wann er mit sin selbs lib nu zemaul von nott wegen, so im anlit, nit zu jwern gnauden körnen mag; gnaediger herr, darumb so bitten wir jwer gnaud alz demueteklich und alz ernstlich, alz wir immer muegen, daz ir den egenanten unsem burger jwem gnauden in der sach gnaedeklich wellen laussen bevolhen sin, alz wir des jwem gnauden besunder wol getruwen und daz och dem unsern daz volge, so im noch usslit, alz daz vor begriffen ist, nachdem und jwer gnaud darumb ussgesprochen haut und dankend auch jwern gnauden des mit allem vliss und ernst, künden wir och daz um jwer gnaud oder umb die jwern immer beschulden oder verdienen. Darinn weiten wir allzit willig sin. Actum ipsa die sancte Katherine anno Domini 1413°. [in verso]: Dem hochgeboren fuersten und herren, burggrauf Johansen, bürggrauf ze Nuerenberg, unserm allergnedigosten herren. 5. Der Schwäbische Städtebund an Burggraf Johann III.: dankt für die bisher geleisteten guten Dienste in Sachen der Kaufmannsgüter des Motelli und teilt mit, daß auch der Ravensburger Bürger Heinrich Zwick Kaufmanns­ güter (bei der Niederwerfung durch Landgraf Leupold) verloren habe, für deren Rückgabe sich der Burggraf ebenfalls einsetzen wolle. 1413 November 26. Ulm, StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Ausfert. P. Verschlußsiegel erhalten. — Auf der Rückseite Registraturvermerke (16. Jh.): „Gemeiner reichstette botten etc. . . .“ D 74. 2/10. Hochgebomer furst, genaediger herre. Unser willig undertenig dienst wisse juwer genaede allczit von uns berait voran. Genaediger herre. Als wir juwem genaeden vormals verschriben haben von der naeme *) wegen, der unser guoten freunde und aydgenoßen der von Ravenspurg mitburgem mit namen: Moettellin und siner gesellschaft in juwerm gelait beschehen ist, darinne sich aber juwer genaede als getriwlich gearbait haet, daz den daz widerkert werden sol, dez wir juwem genaeden ymmer zu danken haben, haend uns dieselben unser frunde von Ravenspurg aber fuerbraecht, wie daz irem mitburger Hainrichen Zwicken, der bißher in land nicht gewesen ist, och ain baellin mit lynwat mit Moettenlins guet genemen worden sye. Darumb bitten wir juwer fuerstlich genaede mit ganczem ernst und vlißg, daz ir juwem ernst aber darzuo tuegent und kerent, daz der egenanten von Ravenspurg burger, dem Zwicken sin gut oedi widerkert und widertaen werde, als wir dez ain besunder getriwen zuo juwern genaden haben. Daz wellen och wir mit willigen unsem diensten umb juwer genade allczit gerne verschulden und gedienen. *) Der erwähnte Brief ist vom 22. November 1413 (StA. Bamberg ebd.).

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Geben ze Ulme von unser aller haißent wegen under der von Ulme insigl an sunetag nach sant Kathrinentag anno etc. [14] 13 °. Gemeiner richstette botten der veraynung in Swaben, als wir ietzo ze Ulme byainander gewesen sien. [in verso]: Dem hochgeboren fuersten und herren, hem Johannsen, von gots genaeden burggraef zue Nueremberg, unserm genaedigen herren. 6. Der Rat der Stadt Nürnberg bekennt, daß laut eidlicher Aussage genannter Nürnberger Bürger an den ihnen vom Landgrafen von Leuchtenberg entfremde­ ten Waren kein Fremder (ausmann) Anteil habe und daß die angegebenen Preise Einkaufspreise darstellen. 1413 Dezember 1. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Ausfert. Pgt. Das Wachssiegel auf der Rückseite abgef. — Registraturvermerk: „Der von Nürnberg bekentnis usf.“ (16. Jahrh.). — D 74. 2/11. — Briefbuch im StA. Nürnberg fehlt! Wir die burger des rates der stat czu Nueremberg bekennen oeffentlichen mit disem brief, daz fuer uns kumen sind die hemachgeschriben unser burger und haben uns fuergelegt, wie in des edeln wolgeporen herren, herrn Leupolds, lantgrafen czum Leuchemberg hauptleute, diener, und helfer in des hochgeporen fuersten und herren, herrn Johansen, burggrafen czu Nueremberg geleyte czwischen der Weissenstat und Eger etwievil hab und kaufmanschaft auf­ gehalten und genomen haben, mit namen: Jacoben Grane teil und seiner gesellschaft einsundnewnczig pfunt und czweinzig lot saffrans, der erstes kaufs koste czweyhundertundfuenfthalben und fuenfczig guidein; dem Cunczen Imhof und Lynharten Groland und irer gesellschaft newnundvierczig swarcz parchant, der yeder ersts kaufs kost cwen guidein minder anderhalbs Schillings in gold; dem Lamprecht Großen, Hansen Stromeir und irer gesellschaft syben tuch von Coeln, der ye eins ersts kaufs koste vierczehen guidein, ein Nueremberger kornplumtuch umb acht guidein, ein groes tuch von Prueck umb achtundvierczig guidein, ein tuch von sant Trawten uemb sybenczehn guidein und einen halben swarczen Speyrer, der auch ersts kaufs fünf guidein kostet. Und die vorgenanten unser bürgere mit namen: Jacob Granetell von seinen und seiner gesellschaft wegen, Lynhart Groland von seinen und Cunczen Imhofs und lirer gesellschaft wegen und auch Hans Stromeir von seinen und Lamprecht Grossen und irer gesellschaft wegen, haben vor uns czu den heiligen behabt, daz die vorgeschriben hab und kaufmanschaft ir und ander unser burger sey, also daz kein außman weder teil noch gemein daran nicht hab und daz auch die erstes kaufs kostet hob, als vorgeschriben stet. Mit urkund dicz briefs, versigelt mit unserm aufgedrucktem imsigell, geben am freytag nach sant Andretag des czwelfpoten nach Christs gepurt 1413. 7. Der Nürnberger Goldschmied Paul Rammensteiner quittiert über den Empfang von fl. 150.—, die ihm der Vogt von Baiersdorf zum Ausgleich der erlittenen Schäden bei der Niederwerfung der Kaufleute durch den Landgrafen von Leuchtenberg ausgezahlt hat. 1414 Mai 20. Baiersdorf. StA. Bamberg, Rep. A 160/IV nr. 7186 L. 785. — Ausfertigung, P.; mit Petschaftsiegel auf der Rückseite, gut erh. — Vermerke: „Paulus, goltsmide pro 150 gülden quidtbrief. — R.“ — Alte Archivsignatur: B 18. 2/56. — Das Siegel zeigt in einem Wappen einen Sparren (oder Pfeil­ spitze?). Die Legende lautet: Paulus Ramensteiner. Ich Paulus Rammensteiner, goltsmit und burger czu Nuremberg bekenne offenlich mit diesem brief, daz mich Conrad Flurstet, vogt zu Beyrstorff auf hewte von des hochgebomen fürsten und herren, herrn Johannsen, burggraven czu Nuremberg wegen gericht und beczalt hat an der schulde, die mir der 141

yetzgenante mein gnediger [herr] schuldig ist gewesen von solicher name und beschedigunge wegen, die mir der lank [!] grave vom Lewtheniberg tett: andert­ halbhundert guidein Reynisch; und derselben anderthalbhundert guidein sage ich den obgenanten meinen gnedigen herren burggraven an meiner schulde quidt, ledig und loße. Mit urkunde dits briefe[s], gescheen zu Beyrstorff am suntag Exaudi Domine unter meinem aufgedrucktem insigel anno [14] 14to. 8. Aufzeichnung über Kaufmannswaren Nürnberger Kaufleute, die beim Überfall durch den Landgrafen von Leuchtenberg geschädigt wurden. Undatiert. Um 1413. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten Leuchtenberg nr. 94). Niederschrift P. verbessert, fol. 2a andere Hand und vielleicht späterer Nachtrag. Auf der Rückseite: Ex parte der, die in das geleit gevaren sind (gleichzeitig). — D 74. 2/16.

Toman

£

Ropolt:

Item dez ersten ain säum von sant Trauten, dez ist gewesen: 21 tuch mit dem uemb-schlag; und der sein: 9 swarcz und 9 plob, 2 gruene und ein plober uembschlagk. Item mer ein säum von Loefen, der ist gewest: 22 tuch mit dem umbschlag.; und der ist gewest: 10 tuch swarcz und 6 komplum, 1 sat plob tuch, 2 gruen, 1 rotz, ain weiß und ain kornplum waz der uemschlagk. [la]

[2]

Der Lamprecht Groß: Item ein halben säum pey 10 tuchen Koelnisch und ains von Moestervillir [= Montvillier? Bastian III, 242] und ain Speirer. [Dieser Eintrag wurde durchgestrichen.]

Der Wilhelm Ebner: Item ain säum von sant Trauten, dez ist 22 tuch, der sind 8 tuch swarcz, 8 komplum, 4 gruen ainsatz, ain rotz und ain uembschlag. Item mer ain säum Trauntner — 22 — tuch; der sind 8 swarcz, 7 kom (kom) plum, 5 gruene, ain rotz und ain uembschlag. f — fol. la.] Item aber Wilhalm Ebner ain säum von Sant Trauten; dez ist gewest 22 tuch; der sind 10 tuch swarcz und 6 komplum, 5 gruene, ain rotz und ain uembschlagk.

13]

Hans Huebner: Item ain säum von Ach. Dorinn ist gewesen: 19 tuch, der sind gewest: 3 rot, und 3 gruen und 13 kornplum und ain swarczer dirdenday der uembschlag.

142

[4]

[5]

Jacob Granetel: Item ain fardal von weisem pardiant, dez ist 45 tuch: halbs „ochsen“ und halbs „leben“. Item und ain pellein, dorin ist gewest ain sekklein mit marksafran, dez waz 91 lb. lauter und beschlagen mit 51 lb. fladenwoll. / w

Paulus, goltsmid von Ingelstat:

Item 9 tuch von Prüchsel, der ist ains rot und 3 kornplum und 3 swarczen und 2 gruenen. Item 4 tuch maysch*) von Ach: plob und swarcz. Item und ain gruens von Mastritt und denn ain roter ueinschlag. [ = fol. lb.]

[6]

Lamprecht Gros: Item in einem pellein: 7 tuche von Koeln sind kornplumm und ein grabs tuch von Pruecke der newen varbe und ein komplumm Trautner und ein halber swarczer Speyerer und ist ein komplum(es) von Nuremberg darumb geslagen.

9. Aufzeichnungen über die Abrechnungen der geschädigten Kaufleute mit dem Burggrafen bzw. ihren Schuldnern. Undatiert, um 1413/14. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten nr. 94). Nieder­ schrift. P. 2 Bl. fol. mehrfach verbessert. Auf fol. 2b eine Liste der Bürgen des Landgrafen von Leuchtenberg. Alte Signatur: D. 74.2/17. A. [fol. la]: Nota, das alle kaufleute verloren haben, das macht in einer sumen: 4824 gülden. 804 gülden. [1] Item von des Langen sech[s]ten teil geet abe: Mer geet von seinen 12 pferd wegen abe für jedes pfert: 6 gülden, macht: 72 gülden. So bestünde dann, wenn des Langen teil ab­ gezogen wurd: 3948 gülden. [2] Item an der iczgeschriben sumen gepurt den Mengersreutern ein sechsteil zu gelten: der macht: gülden*. 658 Item doran haben sie wider geben den von Nürnberg: 43/> Trautner und 3 tuch von Ache faciunt: 125 g. 1 ort Item sie haben widergeben den von Eger ein Trautner: facit: guldenb. 18 Item eisdem von saffran: 39 >2 guldena/b. Restat: 475 gülden 1 ort B. [fol. lb]: Bestund meinem herren lantgraven: 3290. gülden Item doran hat er den kaufleuten widergebenc; 817 gülden 8 ß in gold. Item den von Eger: 7 tuch: faciunt: 126 gülden Item für 18 stuck leynwat: 54 gülden Restat meinem herren lantgraven^: 2331 % gülden 12 ß. [unten auf der Seite]: Totalis summa ambarum partium: 2807 gülden 7 ß in gold. *) Vom lat. „mixtus“: Mischgewebe.

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a Es folgt ein getilgter Eintrag: „bestünde (meinem h.) dem lantgraven 3290 gülden“. b Es folgt getilgtes: „Restat: 533 (518) gülden minus 1 ort“. c Es folgt von anderer Hand: „von Nürnberg“. In die nächste Zeile ist nach­ träglich eingeschrieben: „saffran: 236 gülden“. d Es folgt getilgtes: 2346 gülden 12 ß. — Auf gleicher Höhe des fol. 2 a steht: „zalung Kulmnach oder Eger; leistung ibidem auf Walpurgis [Mai 1] halb auf Michaelis [Sept. 29]. — Auf dem gleichen fol. weiter unten: „Die Mangers­ reuter: Item die vir jungen 4 Förster, Hans Mangersreuter Iren vater; Herman Goczfelder“; [durchstrichen]: „Fr. Poczlinger“. — [darunter]: „quattuor“. Auf fol. 2 b ein Verzeichnis der Bürgen des Landgrafen; vgl. Anm. 45. 10. Aufzeichnung über die Einkünfte des Schlosses Stierberg. Undatiert. Um 1413. StA. Bamberg, Hofrat Ansbach-Bayreuth (ex Adelsakten v. Leuchtenberg nr. 94). — Niederschrift.P. — 1 Bl. Aufzeichnung zur Information des Burggrafen, der das Schloß später pfandweise in Anspruch nahm. S tirb erg: Primo an gelte: 50 lb. pfening, zu zween czinsen minus y2 lb. Walpurgis und Michaelis. — Item czu dreyen weisaten: zu Ostern, Pfingesten, Weihnachten: 12 lb. dn. — Item 95 sumer koms Potensteyner maß, das gefeit auf Michaelis oder ye auf Martini [Sept. 29, Nov. 11] — Item 111 sumer habern, auch Potensteiner maß auf die egenante czeit. — Item 30 sumer gersten, 10 sumer weiß, 1 y2 sumer arbeis [Erbsen]; hunerfron; pflüge ist an zal und sniter . . . [nicht ausgefüllt!]. — und holtzer . . . [nicht ausgefüllt!] Auch hat es erczt czehenden. — Item und den paw . . . [bricht hier ab!], [i. d.] Stirberg zugehorunge. — D 74.2/19.

Nachbemerkung : Die Wiedergabe des Textes der Beilagen wurde im großen und ganzen im Anschluß an „Die Grundsätze für äußere Textgestaltung'1 bei der Herausgabe von Quellen zur neueren Geschichte (Korrespondenzbl. d. Ges.-Ver. d. dt. Gesch.- u. Altertumsvereine 78. Jg. S. 37 ff. [Berlin 1930]) gestaltet. — „ue, ae, oe“ steht für u, a, o im Texte mit ü b e r geschriebenem „e“. — d, 6 steht für Vocalzeichen über Vocal, der nicht als übergeschriebenes „e“ er­ kenntlich ist (vgl. Beilage 3!).

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Die „Pfaffenpfründen“ im Landalmosenamt zu Nürnberg 1540—1550 von Dr. Hanns Hubert Hofmann Die eingehende Darstellung der Geschichte des Landalmosenamts der Reichsstadt Nürnberg (im Folgenden kurz: LdAA), die seine politischen und wirtschaftlichen Grundlagen, seine Entstehung, Organisation und spätere Be­ deutung ebenso untersucht wie seinen grundherrlichen Besitz und dessen Her­ kunft, ist ein dringendes Anliegen der Nürnberger Geschichtsforschung. Im größeren Rahmen dient sie aber auch der fränkischen Landesforschung, die bei der Bearbeitung des historischen Ortsnamenbuchs von Bayern immer wie­ der auf diesen Grundbesitz stößt, der von Ebermannstadt bis vor Gunzen­ hausen und von Colmberg bis weit über Neumarkt/Opf. hinaus über den ganzen Großraum um Nürnberg verstreut ist. Vor über einhundert Jahren gab der Nürnberger Pfarrer J. W. Hilpert in seiner „Geschichte der Entstehung und Fortbildung des protestantischen Kirchen-Vermögens der Stadt Nürnberg“ (Nürnberg, Riegel und Wießner, 1848) viele wertvolle Einzelheiten für die Aus­ bildung der verschiedenen Pfründen, die erste Organisation des LdAA und vor allem die einzelnen Stiftungen. Zu einer Klärung der oben umrissenen Fragen ist er aber, ausgehend vom Besitzstand des Jahres 1811, nicht gekommen. Auch die vorliegende Studie soll nur einen kleinen Teil dieses Problemkreises be­ leuchten und weitere Anregungen geben.1) Bekanntlich zog in der Reformation wie in allen evangelischen Territorien auch in Nürnberg der Rat der freien Reichsstadt als Landesherr sämtliches Kirchengut an sich. Da dieses Vermögen auch weiterhin für die Besoldung der Geistlichen und den Unterhalt der Kirchen sowie für das gesamte Wohl­ fahrtswesen bestimmt war, Aufgaben, die von nun an die weltliche Obrigkeit übernahm, wurde die dafür neu geschaffene Verwaltungsbehörde in Anleh­ nung an schon bestehende Stiftungen „Almosenamt“2) genannt. Das bisherige Kirchenvermögen innerhalb der Stadtmauern übernahm das Stadtalmosenamt, sämtliches andere Kirchengut aber erhielt das Landalmosenamt zugewiesen. Die Auffassung der „treuhänderischen Verwahrung“ zeigt sich darin, daß die Rechts­ persönlichkeit der einzelnen Stiftungen, gleich ob Dotal- oder Benefizialgut, dabei unangetastet blieb. Sie wurden bis 1811 innerhalb der LdAA-Verwaltung als solche in der Buchführung getrennt behandelt, während dagegen in der Praxis und damit auch im Bewußtsein der Untertanen wie im politischen Leben das LdAA als geschlossene reichsstädtische Behörde erschien.3) Durch diese „reformatorische Säkularisation“ einer weithin streuenden Grundherrschaft vermehrte die Reichsstadt ihren Besitz ganz beträchtlich, io

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wenn sie auch damit hohe Lasten auf sich nahm. Diese Güter waren für sie ja sämtlich Allodialbesitz, da nach Lehnrecht an Kirchen verstiftetes Lehengut in deren freies Eigen überging und sich so dem Oberlehensherm entzog, dessen Zustimmung seit dem 15. Jh. meist gar nicht mehr eingeholt wurde. Während die Markgrafen in solchen Fällen häufig eine andere Lehnsauftragung zum Er­ satz forderten, konnten geistliche Fürsten bei einer kirchlichen Stiftung einen derartigen Anspruch nicht erheben. So wurden diese Güter nun freieigener Besitz der Reichsstadt. Vor allem im Bereich des ehemaligen südöstlichen Rangaus mit seinen schwer überschaubaren verfassungsrechtlichen Verhältnissen, die sich durch das Fehlen ausgeprägter Grafschaftsrechte schon im Hochmittelalter herausgebildet hatten, boten sich hier Ansatzpunkte, die im späten 17. und 18. Jh. sogar die Behauptung und Durchsetzung nümbergischer Landeshoheit auf diesem Streu­ besitz in fremden Hochgerichtsterritorien ermöglichte. Die Erfassung aller hin­ ter Nürnberger Bürgern und Stiftungen sitzenden Grundholden zum Wehrdienst während der Hussittengefahr und ihre steuerliche Belastung schon im 15. Jh. hatten diese Tendenzen erstmals erwiesen. Die Zusammenfassung alles nun säkularisierten Besitzes in reichsstädtische Ämter mußte sie trotz der Ausbil­ dung der Hochgerichtssprengel zu Beginn des 16. Jh. verstärken. Hierin liegt die meist zu wenig beachtete staats- und wirtschaftspolitische Bedeutung der Reformation für Nürnberg.4) Bei der Bildung des LdAA wurden nun die bisherigen großen Stiftungs­ gruppen wie die Klöster, das Reiche Almosen, die Siechkobel und die beiden Pfarrkirchen als geschlossene Verwaltungskomplexe innerhalb dieses Amts bei­ behalten, wie ja auch der ausgedehnte Besitz des Neuen Spitals zum Heiligen Geist im eigenen „Spitalamt“ beisammen blieb. Nicht in diese großen Stiftungs­ gruppen kamen aber die Vermögen der einzelnen Altarpfründen in den Nürn­ berger Kirchen und die derjenigen Landpfarreien, deren Patronatsrechte die Stadt besaß. Diese Besitzungen wurden — entweder gegen Entschädigung der Pfründeninhaber durch Renten oder meist erst nach deren Tod — eingezogen und als „Pfaffenpfründen“ und „kleine Pfründen“ zusammengefaßt, bei den beiden Pfarrkirchen zum Teil auch deren Verwaltungseinheiten zugeteilt, wenn sie auch, wie oben gezeigt, rechnungstechnisch gesondert blieben. Ebenso bil­ deten die nach der Reformation unmittelbar dem LdAA überwiesenen Stif­ tungen als „gestiftete Güter“ eine eigene Gruppe. Eine Reihe von Urbaren im Stadtarchiv Nürnberg läßt nun den Streubesitz dieser einzelnen Pfründen, ihren Umfang und ihre frühere Zugehörigkeit klar erkennen. Es sind dies sieben Quartbände, Papier, im 18. Jh. einheitlich nach­ gebunden und dabei stark beschnitten, die unter der Fundbuchnummer LdAA 2002—2008 (alte Nr. cod. man. 10—16) geführt werden. Bei näherer Untersuchung sind sie in zwei Gruppen einzuteilen, wobei die drei ersten einzeln und zu ver­ schiedenen Zeiten, die vier folgenden gleichzeitig im Jahre 1548 als geschlos­ sene Reihe entstanden sind. 2 002 ist undatiert und besteht aus zusammengebundenen Berichten ver­ schiedener Schreiber mit starken Dialektismen. Es sind Besichtigungen von bäuerlichen Anwesen aus den Jahren 1510 bis 1550, die zu mehreren Pfründen gehören. Mehrfach kommt eine Bestandsaufnahme derselben Güter zu ver­ schiedenen Zeiten vor. Auf einzelne Pfründurbare wird Bezug genommen. Fol. 200 ff. ist ein Fragebogen eingebunden, der dem aufnehmenden Beamten, 146

dem „Überreuther“ (von mhd. reiten = rechnen)5), die Norm für die Anlage der Güterbeschreibnng geben soll. Hieran schließt sich ein Besitzverzeichnis einiger Pfründen. 2 0 0 3 führt den Titel „Saalbüchlein de anno 1540 im Landalmosen zu Nürn­ berg“. Bis fol. 133 gibt es ein Zinsregister, geordnet nadi der Zugehörigkeit zu einzelnen Pfründen, das inhaltlich weitgehend mit der 2. Gruppe überein­ stimmt. Kirchen-, Kloster- und Pfründbesitz sind darin ohne Unterschied auf­ geführt. Von drei Händen angelegt soll dieses Urbar zusammen mit dem Schluß von 2002 wohl eine erste flüchtige Besitzzusammenstellung bieten. Ab fol. 133 sind einzelne Güterbeschreibungen angefügt, die teilweise schon nach dem einheitlichen Schema der 2. Gruppe geordnet sind und von einer Hand stammen. 2 0 04, nach verschiedenen Einträgen datierbar kurz nach 1540, von einer Hand (anscheinend derselben wie am Schluß von 2003) durchwegs gleichmäßig angelegt, gehört in Form und Aufbau bereits zur 2. Gruppe. Diese umfaßt 2005—2008 und ist vorwiegend von einer Hand nach einheit­ lichem Muster angelegt. Ein dazugehöriges 5. Stück ist aus Hinweisen in 2008 festzustellen, aber verloren gegangen. 2 0 0 5, bezeichnet als „Saalbuch Nr. 1“, datiert 1548, war ursprünglich in weißes Pergament gebunden, wie mehrfach Hinweise in andern Urbaren zeigen. 2 0 06 (Salbuch Nr. 2), ist datiert 1549 (?) und weist ab fol. 167 spätere Nachträge auf. 2 0 0 7, datiert 1548, ist Salbuch Nr. 3. Das Vorsatzblatt mit Angabe „1540“ scheint versehentlich mit einge­ bunden, wie überhaupt Nachsätze bis ins 19. Jh. eingeheftet sind. Auch hier zeigt sich bis fol. 143 ein Ductus. 2 0 0 8, datiert 1548, ist das Salbuch Nr. 4. Von fol. 118 mit 152 ist eine Fortsetzung des SaJbuchs Nr. 5 von späterer Hand dazwischen geschoben. Das Anlageschema dieser „Salbücher“ 2004—2008, die durchwegs Pfründ­ besitz bringen, geht zweifellos von einem Fragebogen aus, da die Reihenfolge stets die gleiche ist und häufig die Formulierung „ist ungewußt‘‘ oder „ist nit bekannt“ auftritt, wobei gerade in den verwaltungstechnisch oder politisch unklaren Grenzgebieten die Auskunftgeber nicht genau unterrichtet sind. Die Befragung unter Eid zur Feststellung von Lasten und Pflichten war bis zum Beginn des 17. Jh. allgemein üblich und bei der sakralen Bedeutung des Eids für den mittelalterlichen Menschen auch durchaus zuverlässig. Die Aufnahme dieser Güterbeschreibungen dürfte wie in den beiden ersten Urbaren durch die „Überreuther“ erfolgt sein. Die Bestandsaufnahme beginnt mit dem sogenannten „Eingang“, das heißt einer Beschreibung, wie weit der Ort von Nürnberg abgelegen ist und auf welchem Weg man dahin kommt. Meist werden bekannte größere Orte als Hilfsziele angesprochen. Diese „Leitwege‘4 geben wertvolle Hinweise auf das von Nürnberg ausgehende Straßennetz. Anschließend werden Bistum und Pfarrei verzeichnet, dann die rechtlichen Verhältnisse. Die Fraisch als das zuständige Hochgericht steht dabei an erster Stelle. Ihr folgt das Landgericht, da das LdAA wissen wollte, zu welchem Landgericht als zivilrechtlicher Oberinstanz die verstreuten Besitzungen jeweils gehörten. Für Nürnberg war das besonders wichtig, da nach dem kaiserlichen Privileg von 1219 Nürnberger Bürger vor kein Lehngericht gezogen werden konnten und deshalb vor den Landgerichten auch lehenrechtliche Streitfälle verhandelt wurden. Das anschließend stets aufgeführte „gemein Recht“ erweist io*

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sich als der zivilrechtliche Teil der grundherrlichen Niedergerichtsbarkeit, da die „Frevel“ getrennt davon behandelt werden. Ein Hinweis auf ein „ehaft Gericht“, das heißt ein bäuerliches Rüggericht, erscheint nur bei Orten um Schwabach und — ohne diese Bezeichnung — in Happurig6). Die spätere Dorfund Gemeindeherrschaft zeichnet sich in der häufigen Erwähnung des Hirten­ rechts bereits ab. Auf den Anteil des jeweiligen Guts an der Gemeindenutzung und dem Gemeinderecht (Allmende, Weide, Holz, Wasser) wird nachdrücklich verwiesen, teilweise auch das Fehlen eines solchen Gemeindeverbands besonders hervorgehoben. Auffallend ist auch, daß in den weit abgelegenen markgräf­ lichen Fraischbezirken die Reichsstadt neben der Niedergerichtsbarkeit ihr Recht auf Wehr- und Steuerhoheit (Reis und Steuer) betont und für den Steuer­ anschlag auf das Ermessen des Grundherrn hinweist. Auf bambergischem oder pfalzbairischem Gebiet ist dies nicht festzustellen. Nach diesen Rechtsangaben wird der Besitz des LdAA nun eingehend beschrieben, wobei die Form nicht von der in dieser Zeit üblichen abweicht. Die bisherige Stiftungszugehörigkeit wird durchwegs genannt, erst in 2007 und 2008 nehmen die Hinweise auf die jetzige Zugehörigkeit zum LdAA zu. Bei den Zehnten fällt die weitgehende Zersplitterung besonders im Ansbachischen und die dort übliche Zehntverpachtung auf. Sehr häufig sind einzelne Flurgrund­ stücke zehntfrei, teilweise liegt Befreiung von Teilzehnten vor, außerordentlich oft sind Wiesen überhaupt zehntfrei. Die weite Streuung dieser Güter in 329 Orten zeigt die hohe Bedeutung der Stadt Nürnberg, an deren Kirchen diese Stiftungen gekommen waren. Der Zeitpunkt der Schenkung und die Stifter lassen sich bei den Benefizien aus Gültbüchern und Bürgerlisten, bei den Dotalgütern aus den Stifterbüchern, Urbaren und sonstigen Aufzeichnungen der Kirchen und Klöster sowie aus Hilpert großenteils erarbeiten. Daß sich die Streuung ungefähr mit dem Besitz der Reichsmimsterialität um Nürnberg deckt, mag Hinweise auf frühere Besitzer geben, von denen sie an Nürnberger Geschlechter kamen, wobei die Ballung bzw. Streuung der einzelnen Gütergruppen manche Aufschlüsse bringen kann. Zum Einkommen von Benefizien und Patronatspfarreien gehören häufig auch Geldrenten. Diese werden von den Stadträten (Nürnberg, Eger, Erfurt, Schweinfurt, Weißenburg) aus Geldern bezahlt, die zu diesem Zweck (Jahrtag, Rente) dort niedergelegt waren. In Nürnberg hatte die Losungsstube dieses „Bank­ geschäft^ wahrzunehmen (hier bei den Nummern 15, 16, 18, 19, 22, 23, 27, 36b, 37, 40, 45, 50, 58, 62, 63, 65). Zusammenfassend zeigt sich also, daß die Salbücher 2002 und 2003 mit ihren Einzelberichten und kurzem Zinsregister wohl eine erste Materialsammlung versuchten. Die klare Form einer einheitlichen Anlage, die der Fragebogen in 2002 anbahnt, zeigt sich bereits im Anhang zu 2003 und deutet auf einen planenden Geist, der wohl auch 2004 als Muster angelegt hat7). 1548 wurde dann in fünf zusammenhängenden Salbüchem die Verwaltungsgruppe der „Pfaffenpfründen“ aufgenommen, wobei für uns durch den Verlust von Nr. 5 eine Rekonstruktion erschwert wird. Diese Bücher sind aber keine echten „Salbücher“ im Sinne von Einkommensaufzeichnungen, sondern reine Besitz­ übersichten durch Güterbeschreibung. Als solche wurden sie auch bis zur Auflösung des LdAA ergänzt und benützt, während die „Gültbücher“, deren Reihe im Jahre 1550 für unsere Pfaffenpfründen mit den Nummern 94 und 95 beginnt, der Rechnungsführung dienten. Das 1547 angelegte Ortsregister zu 148

diesen Gültbüchern (LdAA 2045, alte Nr. 29/0), das die Pfaffenpfründen nur lakonisch mit „P“ bezeichnet, weist die selben Leitwegangaben wie unsere Beschreibungen auf. Mit Hilfe dieser Gültbücher von 1550 und ihrem Ortsregister lassen sich auch die Angaben der Salbücher von 1548 ergänzen und geben so nicht nur eine deutliche Übersicht über den Besitz der Nürnberger Pfaffenpfründen in den Jahren 1540 bis 1550, sondern weit darüber hinaus einen aufschlußreichen Querschnitt durch die damaligen Verhältnisse, gleich ob Gericht, Grundherr­ schaft, innere Struktur, Pfarrorganisation, Wirtschaft oder Straßennetz in der fränkischen Landschaft um Nürnberg.

Die nachfolgende Liste bringt fortlaufend numeriert in alphabetischer Reihenfolge zuerst den in den Salbüchern 2002—2008 erfaßten Besitz der ein­ zelnen Pfründen einschließlich der aufgeführten Zugehörungen der beiden Pfarrkirchen sowie des Augustiner-, Martha- und Karmeliterklosters. Dann ebenso den der Nürnberger Patronatspfarreien. Angeschlossen sind ergänzend die nach 1548 dazugekommenen Pfründen. Bei den Pfaffenpfründen (Benefizien) sind diese Angaben durch die der Gültbücher von 1550 (Nr. 94 und 95) ergänzt (hier mit * bezeichnet) und somit vollständig. Die Liste ist eine Gesamtauswertung der ganzen Reihe, deren Angaben sich teilweise bestätigen, teilweise ergänzen. Einzelbelege sind daher nicht möglich. Die in 2002 und 2003 in ihrer Lage nicht deutlich angesprochenen Orte sind mit Hilfe von 2045 bestimmt worden. Neben der Stiftung wird, soweit in den Gültbüchem 94 und 95 angegeben, unter I aufgeführt, wann diese zum LdAA kam und durch wen. Falls dies durch Tod des Pfründinhabers geschah, wird vor dessen Name f gesetzt. — Unter II ist der Stifter genannt. Personalangaben von Geistlichen sind nach Fr. Wächter, General-Personal-Schematismus der Erzdiözese Bamberg, Bamberg 1908, (hier W, mit 1 f d. Nr.) und nach H. Dannenbauer, Die Nürnberger Landgeistlichen bis zur zweiten Nürnberger Kirchenvisitation, ZbKG 2/1927 - 9/1934 (hier: D, mit Band- und Seitenzahl)8) ergänzt. Ergänzungen nach Hilpert (s. o.) werden durch H mit Seitenzahl kenntlich gemacht. — Sind in einer Pfründe zwei Stiftungsgruppen, so werden sie mit a) und b) unterschieden. Spalte 1 gibt den Ortsnamen in seiner heutigen Form. Die historische Schreibung wird daneben nur aufgeführt, wenn sie für die Bildung des Namens aufschlußreich ist. Die üblichen Abweichungen der Schreibweise, wie ober­ deutsche Verhärtungen oder Dialektismen sind nicht berücksichtigt. — Spalte 2 nennt die heutige administrative Zugehörigkeit (LK = Landkreis, St = kreisunmittelbare Stadt). Die Gemeindezugehörigkeit, die aus dem Ort­ schaftenverzeichnis von Bayern 1928 leicht zu ersehen ist, wurde zur Ver­ einfachung weggelassen. — In Spalte 3 werden die einzelnen Besitzungen aufgeführt. Die in Mittelfranken übliche Einteilung Hof = 2 Halbhöfe (Hhf) oder Güter ist auch hier durchwegs zu beobachten. Kleinere Betriebseinheiten sind Gütlein (Gütl), Seiden oder Hofstatt (Hofst). Betriebseinheiten mit oder ohne Wohngebäude („bezimmert oder unbezimmert“), die von einem anderen Anwesen aus bewirtschaftet werden, sind „zu Handroß (Hdr) gebaut“. Einzelne Flurgrundstücke (Flgrst) wie Äcker, Wiesen, Holz und Weiher oder Sonder­ belastungen wie Gattergülten, Geldrenten oder sonstige zusätzliche Zinsen oder Einkünfte werden besonders aufgeführt. Ergänzungen des Verfassers sind in [ ] gesetzt. Im Anhang folgt eine Zusammenstellung der Orte nach Fraischbezirken, soweit dies aus 2004—2008 ersichtlich ist. 149

1. AUGUSTINER. KLOSTER Altdorf Burgthann Dietzhof (Ditzhoffen) Dörlbach Ebermannstadt Fürth i. B. Göggelsbuch (Gockelspuch) Grauwinkel (Krewinkl) Herpersdorf Jahrsdorf Kirchehrenbach Kleinreuth h. V. Leinburg Massendorf Meckenlohe Pahres (Pariß) Pretzfeld (Prettfeld) Rüssenbach (Russenpach) Schupf (Schupf bei Reicheneck) Schwarzenbach Schwabach Unterfarrnbach St. EGIDIEN (Kirche) Unser Lieben FrauenAltar Dürrenmungenau (Thirrenmummenaw) Rohr * Münchaurach

II. [1265 (H 20)] LK Nürnberg LK Nürnberg LK Forchheim LK Nürnberg LK Ebermannstadt LK LK LK LK

Hilpoltstein Hilpoltstein Ansbach Hilpoltstein

LK St LK LK LK LK LK LK

Forchheim Nürnberg Nürnberg Schwabach Schwabach Neustadt/Aisch Ebermannstadt Ebermannstadt

Flgrst 1 Hof Flgrst 1 Gut (Hdr) 1 Gut, Flgrst das alte Amtmannshaus 1 Hof, Gattergült 1 Hof 1 Hof Flgrst 2 Höfe, 1 Gut 1 öder Hof Flgrst 1 Wirtshaus, 1 Hof 1 Gut 2 Gütl Flgrst 2 Höfe Flgrst Flgrst

LK LK LK St

Hersbruck Nürnberg Schwabach Fürth

5 1 1 1

Güter Gut Hof Hof

2.

3. FINDEL, beide Buttendorf (Duttendorf) Eltersdorf Erlenstegen (Erlastegen) Fürth i. B. Großreuth h. V. Hag (zum Hag) Happurg Hausen Hiltmannsdorf Kleingründlach Lohe (zum Lohe) Ottmannsberg (Ottelspergk) Penzenhofen Pötzling Seckendorf Volkersdorf Waltendorf 150

I. 1533 Jörg Müllner II. Maister Mangold Artzt, Bürger zu Nürnberg LK Schwabach LK Schwabach LK Höchstadt

2 Höfe 1 Hof Geldrente vom Kloster

LK Fürth LK Erlangen St Nürnberg

St Nürnberg

1 Gut 1 Hof, 1 Gut 1 Gütl 1 Weingarten Flgrst 1 Hof 2 Güter 1 Hof 1 Hof Korngült von der Mühle (s. Nr. 8) 1 Gut

LK LK LK LK LK LK

2 Güter 1 Hof 1 Gut 1 Hof 1 Hof Gattergült

St LK LK LK St LK

Nürnberg Schwabach Hersbruck Forchheim Fürth Fürth

Gunzenhausen Nürnberg Nürnberg Fürth Ansbach Ansbach

4. FRAUENBRÜDERKLOSTER (Karmel) Almoshof Altdorf Breitenbrunn Brunn Forchheim Freiröttenbach Gräfenberg (zum Grebem) Großschwarzenlohe (Oberns.) Hauslach (Hauslohe) Hersbruck Heuchling Kraftshof Letten Meckenlohe Müncherlbach Neunhof Nürnberg Obersteinbach Reuth Rothaurach Rückersdorf Schwarzenbach Velden 5. GESTIFTETE GÜTER») Büchenbach Dorfhaus (Hauß) Ebach Eltersdorf Furth (F. bei Schwand) Happurg Kirchehrenbach Lichtenau Lützelsdorf Mannhof Mögeldorf Nürnberg Pötzling Pöppendorf Pretzfeld Rehdorf Rittersbach U nterlindelbach Unterweilersbach Weikersreuth Wicklesgreuth (Zwicklasgreut)

II. [1255 (M 22)] St Nürnberg LK Nürnberg LK Hersbruck LK Ansbach LK Forchheim LK Lauf/Pegnitz

1 Gütl, Gattergült 1 Badstube 1 Hof 1 Hof Weingärten Gattergült

LK Forchheim

Flgrst

LK LK LK LK St LK LK LK St

Schwabach Schwabach Hersbruck Lauf/Pegnitz Nürnberg Forchheim Schwabach Ansbach Fürth

LK LK LK LK LK LK

Schwabach Forchheim Schwabach Lauf/Pegnitz Nürnberg Hersbruck

1 Gut Flgrst 1 Haus, Flgrst 1 Gut (Hdr), Flgrst Flgrst 1 Hof, 10 Güter 1 Hof 1 Gut 1 Hof, Flgrst Gärten 1 Hof Flgrst Teilzins Flgrst 1 Hhof Flgrst

LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK St

Schwabach Forchheim Lauf/Pegnitz Erlangen Schwabach Hersbruck Forchheim Ansbach Ebermannstadt Fürth Nürnberg

LK LK LK LK LK

Nürnberg Forchheim Ebermannstadt Fürth Schwabach

LK Forchheim LK Ebermannstadt LK Schwabach LK Ansbach

1 Hof (Schnöd) 1 Hof, 1 Gut (Schnöd) 1 Hof, 1 Gut (Schnöd) Flgrst (Weigel) 1 gr. Hof 1 Hof (Schnöd) 1 Gütl (Schnöd) Gattergült 1 Hof, 1 Hhof (Schnöd) Gattergült (Weigel) Flgrst (Weigel) Gärten (Weigel) Gattergült (Weigel) 1 Hof (Weigel) 1 Schenkstatt (Schnöd) Gattergült (Schnöd) 1 Schenkstatt, Gattergült (Schnöd) 1 Gut 2 Güter (Schnöd) 1 Gut (Niklaus Groland) Zinsen von 1 Gut (Neues Spital) 151

Eichenstruth Fürth i. B. * Nürnberg Oberheckenhofen Schmidtstadt

I. 1532 Caspar II. Berthold Haller, Bürger zu Nürnberg [1360 (H 29)] 1 Gut LK Pegnitz 1 Hof Rente vom Neuen Spital LK Schwabach 1 Hof LK Sulzbach-Rosenberg 1 Hof

7. St. JOBST Siechkobel

II. [1300/08 (H 32)]

6. HEILIG KREUZ vor dem Neuen Tor

Behringersdorf (Bergndorf) Borbath Komhöfstadt (Kurnhöchstadt) Langensendelbach Mailach Massendorf Obersteinbach Roßtal Schoßaritz (Schoßhart) Seitersdorf Tennenlohe Tragelhöchstadt (Drackelhochstatt) V oigtsreichenbach (Vogtreichenpach) Weinzierlein (Weinzurrl) Wernsbach Wetzendorf Ziegendorf (Zückendorf) 8. St. JOHANNIS Siechkobel

Hag (zum Hag) Kleingründlach ♦ Nürnberg * Nürnberg Pahres (Pahriß) Pfaffenhofen Stinzendorf 9. St. KATHARINA (Kirche) Pfründe corporis Christi (Unsers Herrn Fronleichnam-Altar)

Laubendorf Traunfeld Schweinau 152

LK Lauf/Pegnitz LK Neustadt/Aisch

Gattergült 2 Höfe, 1 Gut

LK LK LK LK LK LK LK LK LK

2 1 1 1 1 2 2 1 1

Scheinfeld Forchheim Höchstadt/Aisch Schwabach Schwabach Fürth Forchheim Gunzenhausen Erlangen

Höfe Hof (Hdr) Hof, 1 Gut Hof Hof Höfe Güter Gut Hof

LK Neustadt/Aisch

1 Gut, 1 Gut (Hdr)

LK LK LK St LK

1 1 2 1 1

Fürth Fürth Ansbach Nürnberg Ansbach

Hof, 1 Gut Hof Höfe Hof Hof

I. 1525 Virgilius Premer II. unbekannt [1255 (H 31)] LK Schwabach 1 Gütl 1 Mühle LK Fürth Geldrente vom Pfleger d. St. Johannis Siech­ kobel Kornrente vom neuen Spital LK Neustadt/Aisch 1 Gut (Hdr) 2 Höfe, 1 Hof (Hdr) LK Schwabach LK Fürth 1 Gut

I. 1533 Johann Mauser II. Heinrich Farrenbeck, Kaplan zu St. Katharina [1360 (W 10 450)] 1 Höfl + Flgrst LK Fürth 1 Hof, 1 Gütl LK Neumarkt/Opf. 2 Höfe, 4 Güter, 1 Gütl St Nürnberg mit Schenkrecht

10. St. KATHARINA St. Johannis-Altar

I. Niklas Kromer [1533 (H 37)] II. Herdegen [Holzschiuher], Kaplan zu St. Lorenz [um 1364/71 (W 4620)] 1 Hof LK Pegnitz 1 Hof LK Hersbruck

Eichenstruth Happurg Kleinschwarzenlohe (S., das unter) Morsbrunn Oberasbach Rückersdorf

LK LK LK LK

Wachendorf

LK Fürth

11. St. KATHARINA Unser XtiebenFrauenAltar

Herpersdorf Limbach * Nürnberg Rezendorf (Rezelsdorf bei Colmberg) Simonshofen (Symanßhoffen)

Schwabach Hersbruck Fürth Lauf/Pegnitz

I. 1528 II. Kraft Lang LK Ansbach LK Schwabach

1 1 1 2

Gut, 1 Gütl Hof Hof Hennen von Gütern d. Kath.-Klosters 1 Hof

Flgrst 1 Hof Gülten vom Kath.Kloster

LK Ansbach

3 Güter

LK Lauf/Pegnitz

2 Höfe

I. Johann Sieber [1530 (H 37)] II. Anna, Hansen Schultheissin Wittib, Bürgerin zu Nürnberg 40 Gulden Geldrente vom Rat Erfurt.

12. St. KATHARINA Zwölfboten-Altar

13. St. KLARA (Kirche) Unser Lieben FrauenAltar (Movendelpfründe)

Ebenried * Eger Hilpoltstein (Hiltpoltstein) Jahrsdorf Mindorf (Mundorf) Mörsdorf Weinsfeld Zereshof (Wetzelshoff oder Zerrershoff)

I. 1530 t Konrad Piermer II. Hans Trostberger d. Ä., Bürger zu Nürnberg [1447 (H 27)] LK Hilpoltstein 1 Hof Geldrente vom Rat CSR LK LK LK LK LK

Hilpoltstein Hilpoltstein Hilpoltstein Hilpoltstein Hilpoltstein

Flgrst Flgrst Flgrst 1 Gut, 1 ödes Gut Flgrst

LK Hilpoltstein

Flgrst

LK LK LK LK LK

1 1 1 1 1

14. St. LORENZ Pfarrkirche

Altenthann Benderbach Bischberg (Bischofsberg) Breitenbach Büchenbach

Nürnberg Fürth Neumarkt/Opf. Ebermannstadt Schwabach

Hof, 1 öder Hof Zht, 1 Gut Gut Hof Gut 153

Burgfarrnbach (Oberfarmbach) Dietkirchen (Dietzkirchen) Diepersdorf Dippersricht (Diepersried) Dürmfarrnbach Ebermannstadt Ebersdorf Eltersdorf Fischbach Fürth i. B. Georgensgmünd (Jorgen gemundt) Großneuses (Neuses bei Lonnerstadt) Großschwarzenlohe (Obems.) Gustenfelden Häuselstein (Heselstein) Haidt Hauslach (Hauslohe) Kiliansdorf Kirchfembach Massendorf Michelbach Nasbach Nerreth (Neureut) Neuses Oberasbach Oberwimmelbach Pretzfeld Rasch Schwarzenbach (Schwarzbach) Seckendorf Traunfeld Uttenhofen Unterferrieden Velden Walpersdorf Watzendorf (Wozendorf) Weigelshofen (Weigershof) Weigendorf (Weigendorflein) Weikershof Wellerstadt Wiesendorf Ziegendorf (Zückendorf) 154

LK Fürth

1 Weiher

LK Neumarkt/Opf. LK Nürnberg

1 Hof 1 Hof, 1 Hhof

LK LK LK LK LK LK

1 1 1 1 1 3 1

Neumarkt/Opf. Fürth Ebermannstadt Neustadt/Aisch Erlangen Ansbach

Hof Gut (Hdr) Hof, 4 Güter Gut Hof Höfe Hof

LK Schwabach

1 Hof, 1 öde Hofstatt

LK Höchstadt/Aisch

1 Hof

LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK LK

Schwabach Schwabach Neumarkt/Opf. Neustadt/Aisch Schwabach Schwabach Neustadt/Aisch Schwabach Hilpoltstein Schwabach Schwabach Ebermannstadt Fürth Forchheim Ebermannstadt Nürnberg

2 Güter 1 Hof, 1 Seiden 1 Hof 1 Hof 1 Hof, 1 Hof (Hdr) 1 Hof 1 Hof, 1 Hof (Hdr) 1 Hof, 1 Gütl 1 Hof 1 Hof 1 Hof 1 Gut (Hdr) Flgrst 1 Hof 2 Höfe, 2 Güter 1 Hof

LK LK LK LK

Nürnberg Fürth Neumarkt/Opf. Hilpoltstein

LK LK LK LK

Nürnberg Hersbruck Schwabach Ansbach

4 Güter (teilw. Hdr) Flgrst 3 Höfe, 1 Gütl 1 Gut (Hdr) (mit Antei­ len in Mörsdorf) 1 Hof 1 Hof 1 Hof 1 öder Hof

LK Ebermannstadt

1 Hof

LK St LK LK LK

1 1 2 1 1

Hersbruck Fürth Erlangen Forchheim Ansbach

Gut Hof Höfe Gut Hof

15. St. LORENZ Andreas-Altar Barthelmesaurach * Bischberg (Bischoffsberg ob d. Gnadenberg) Heindlhof (zum Haynleinshof) * Heuberg * Kleinsendelbach * Nürnberg

I. 1547 t Ulrich Meckenhauser II. Irmelgart Lemblein [1360 (H 16)] 1 Gut (Erbschenke) LK Schwabach LK Neumarkt/Opf.

1 Gut

LK Hilpoltstein LK Hilpoltstein LK Forchheim

1 1 1 1

* Oberbüchlein * Pahres Pyras Rothaurach * Wallesau

LK LK LK LK LK

1 1 1 1 1

16. St. LORENZ Johannis-Altar Großgründlach

I. 1525 Virgilius Prenner II. Johann von Holfeldt, Pfarrer [1412 (H 16)] LK Fürth 1 Gut, Anteile an 1 Hof, 1 Gut, 1 Gütl LK Hilpoltstein 1 Hof LK Neustadt/Aisch 1 Gut 1 Hof LK Lauf/Pegnitz LK Fürth 1 Zht LK Nürnberg Flgrst LK Höchstadt/Aisch 1 Gut (Hdr)

Jahrsdorf Oberhöchstädt Oberndorf Steinbach U nterhaidelbach Welkenbach 17. St. LORENZ Katharinen-Altar Egersdorf Göddeldorf Kirchfembach Oberheckenhofen 18. St. LORENZ Kilians-Altar Demantsfürth (Diemantsfurth) * Fürth i. B. Heng Klebheim

Schwabach Neustadt/Aisch Hilpoltstein Schwabach Schwabach

I. 1532 f Sebald Auracher II. Kunigunde, Konrad Trachtin Wittib 1 Hof LK Fürth 2 Höfe LK Ansbach 1 Hof, 1 Hofstättlein LK Neustadt/Aisch (Hdr) LK Schwabach 1 Hof I. Zwei Pfründen, 1526 Konrad Schröter und 1535 Hans Loy gegen Leibgeding. II. Hermann und Kunigunde Scholl [1360 (H 16)]. LK Neustadt/Aisch

LK Schwabach

1 Hof, 2 Güter, 1 Gütl Geldrente von 1 Gut 1 Hof Flgrst (Teil der Pfarrpfründe Röttenbach) 1 Haus im Pfaffengäßla bei St. Lorenz 1 Hof

LK Höchstadt/Aisch

1 Hof, 5 Güter

LK Neustadt/Aisch LK Neustadt/Aisch LK Fürth

Flgrst Flgrst 1 Gut

LK Neumarkt/Opf. LK Höchstadt/Aisch

Nürnberg Pfaffenhofen Röttenbach (Rottenbach bach an der Seebach) Rohensaas (Rauhengeseeß) Uehlfeld Weitersdorf

kl. Hof Gut Gut Haus in der Breiten­ gasse + 6 fl. Gut Gut Gütl + Flgrst öder Hof (= 2 Hhöfe) Gut

155

19. St. LORENZ Konrads-Altar Ebach Hag (zum Hag) Höfen * Mittelrüsselbach (Ristelbach) Obermichelbach * Schweinfurt Sündersbühl Untermichelbach Weiler Weinzierlein (Weyn Zurrl) 20. St. LORENZ Kunigunden-Altar Nürnberg Ramsberg Weppersdorf (Weyppersdorf) Zandt 21. St. LORENZ Lorenz-Altar, Frühmesse Förrenbach Pretzfeld (Prettfeld) Steinensittenbach Wernsbach 22. St. LORENZ Niklas-Altar

* Erlingshof * Großviehberg (obern Viechperg) * Hundsdorf (H. ob Trubach uffm Berg) Meckenhausen Michelbach * Patersholz (Petersholz bei Eysseln) Pierheim (Pyrhaum, Purham) Pyras Schwaighausen * Siegritzau 156

I. 1526 Johann Mullner gegen Leibgeding. II. Dr. Konrad Konhofer [f 1452 (W 5792)]10). LK Lauf/Pegnitz 1 Gut LK Schwabach 1 Gut St Nürnberg 1 Hof LK Forchheim LK Fürth St Nürnberg LK Fürth LK Schwabach

Flgrst Flgrst Geldrente Flgrst Flgrst 1 Hof

LK Fürth

1 Hof (= 2 Güter)

I. 1533 Konrad Jordans oder Gödell genannt. II. Heinrich Spätt v. Weiningen, Domherr und Kan­ tor zu Bamberg [1312 (H 16), Spet v. Vaimingen t 1346 (W 9673)]. Kornrente vom Neuen Spital LK Weißenburg 1 Hof, 9 Güter, Flgrst LK Forchheim LK Ansbach

1 Hof 1 Hof

I. 1531 M. Amblinger II. aus Zutun vieler Personen. LK LK LK LK

Hersbruck Ebermannstadt Hersbruck Ansbach

1 1 1 1

Gut Gut Gut Gut

2 Pfründen: I. 1537 t Wolfgang Krigelstain II. Hans Hesslein, Bürger zu Nürnberg I. 1548 f Michel Rupp, Schaffer zu St. Lorenz II. Anna Gösswein [1452 (H 16)]. LK Hilpoltstein 1 Hof LK Neumarkt/Opf.

1 Gütl

LK Pegnitz LK Hilpoltstein LK Hilpoltstein

1 Hof Flgrst 1 Hof, 1 Hof (Hdr)

LK Hilpoltstein

Flgrst

LK LK LK LK

1 Gut (Hdr) Flgrst 1 Gütl (Hdr) 1 Hof

Hilpoltstein Hilpoltstein Fürth Forchheim

Solar (Soler) Steindl (Stayll) Untermimberg * Wolf sau Wolfsricht (Wolfried) * Zirndorf

LK LK LK LK LK LK

Hilpoltstein Hilpoltstein Nürnberg Ansbach Neumarkt/Opf. Fürth

1 Gut, 1 Gut (Hdr) Weisat von 1 Gut 1 Gut 1 Hof 1 Hof (Hdr), 1 Gut Pfarrer gibt 4 Sr.

23. St. LORENZ a) 1. Pfründe: I. 1547 t Konrad Holzapfel, [war verheiratet Unser Lieben Frauen(W 4604)]. Altar II. Friedrich Stieber, Ritter [1399 (H 15)]. Engelhof (Hengeishof, 1 Hof LK Schwabach Engelshoffen) LK Hochstadt/Aisch 1 Gut Fetzelhofen b) 2. (sog. jüngere) Pfründe: I. 1540 f Johann Wagner [seit 1524 evangelisch (W 50 611)]. II. Dr. Konrad Konhofer (vgl. Nr. 19). * Bammersdorf (Pamerßdorf) LK Feuchtwangen 2 Höfe * Erlenmühle (Erlmühl) LK Ansbach Mühle * Gotzendorf LK Ansbach Mühle (oder Gotzenmühle) Großschwarzenlohe LK Schwabach 1 Hof, 1 Gut 1 Hof * Leutzdorf (Leutsdorf) LK Schwabach LK Hilpoltstein Flgrst * Steindl 24. St. LORENZ Pfründe der vier Lehrer LK Affalterbach LK Ebach LK Ebenried LK Mildach LK Neunkirchen

Forchheim Lauf/Pegnitz Hilpoltstein Schwabach Ansbach

Flgrst 3 Güter, 2 Gütl 1 Gut 1 Gut (Hdr) 1 Gut

25. St. LORENZ Wolfgangs- Altar Grauwinkel (Krebwinkl) * Kemmathen * Müncherlbach * Sindersdorf

I. 1546 t Konrad Glaßer [resignierte 1528, (W 3923)]. II. Kunz Kaßler, Bürger zu Nürnberg [1316 (H 16)]. 1 Hof LK Hilpoltstein 2 Güter LK Forchheim Flgrst LK Ansbach 2 Güter, 2 Gütl (Hdr) LK Hilpoltstein

26. St. LORENZ Zwölfboten-Altar * Altenhofen Ebersdorf * Entenberg Förrenbach Grauwinkel

I. 1537 t Jobst Tetzel. II. aus Zutun vieler Personen. Flgrst LK Hilpoltstein 1 Gut LK Neustadt/Aisch LK Nürnberg Flgrst LK Hersbruck 1 Gut 1 Hof, 1 Gut, 1 Gütl, LK Hilpoltstein Flgrst 1 Hof, 2 Güter LK Fürth 1 Gut (Hdr) LK Schwabach

Großgründlach Leitelshof (Leitelshofen) * Milmersdorf (Willmersßdorf bei Sachsen)

LK Ansbach

1 Gut 157

öbersteinbach Pelchenhofen Sdiweinfurt Solar (Solern) Steinbach an der Heide Weitersdorf 27. St. MARTHA (Kirche) Eichenstruth Großviehberg (Obernv.) Kleinseebach (Untems., Niederns.) Münchaurach Nürnberg

l Gut (Hdr) 1 Gut Geldrente 1 Gut + Flgrst LK Hilpoltstein 1 Gut (Hdr) LK Schwabach LK Fürth 1 Gut I. 1533 t Heinrich Hertel [W 4241] “). II. Konrad und Hans die Waldstromer, Gebrüder [1360 (H 29)]. LK Pegnitz 1 Hof, 1 Gütl LK Hersbruck 1 Hof, Flgrst

LK Schwabach LK Neumarkt/Opf.

LK Erlangen LK Neustadt/Aisch

* Nürnberg Prönsdorf (Primersdorf) Weppersdorf (Weypersd.)

LK Parsberg LK Forchheim

28. St. OTTMARS­ KAPELLEN auf der Vesten18) Walpurgisaltar Diepersdorf

I. 1525. II. Burggraf Friedrich. LK Nürnberg

29. St. SEBALD Pfarrkirdie Frohnhof Hallemdorf Happurg Käswasser Schweinau Tennenlohe Weigensdorf Welkenbach

LK LK LK LK St LK LK LK

30. St. SEBALD Jacobs-Altar Arzlohe Frohnhof Henfenfeld Hengdorf * Kleinseebach Limba ch * Nürnberg Oberschöllenbach Raitersaich Seitendorf „Treiberg h. V.“ (Traidpergk) Weigensdorf Wetzendorf 158

Forchheim Forchheim Hersbruck Erlangen Nürnberg Erlangen Lauf/Pegnitz Höchstadt/Aisch

1 Gut (Hdr) Geldzinsen 1 Garten vor dem Tier­ gärtnertor Rente v. Gotteshauspfle­ ger St. Martha 1 Gut12) 1 Hof

2 Höfe (nach H 29 „Kein besonderes Vermögen“) Flgrst Flgrst 1 Gut Flgrst Gülten von 10 Gütern 1 Hof 1 Gut 2 Höfe

I. 1526 Bernhard Salmat gegen Leibgeding. II. Jacob Kramer [1343 (H 11)]. 1 Hof LK Hersbruck Flgrst LK Forchheim 1 Hof LK Hersbruck 1 Hofst (Hdr) LK Schwabach Zins von 1 Hof (Karth.) LK Erlangen 1 Hof LK Schwabach Komrente vom Neuen Spital LK Erlangen Flgrst LK Fürth 1 Hof (= 2 Güter) LK Ansbach 1 Gut St Nürnberg LK Lauf/Pegnitz St Nürnberg

1 Gut Flgrst 1 Hof

I. 1530 Stephan Waldecker, Pfarrer zu Röttenbach [1533—36 evangelischer Verweser der Prädicatur St. Sebald (W 10656)]. II. Albrecht Fleischmann, Pfarrer [f 1444 (W 2522)]. 1 Hof, 1 Gut LK Höehstadt/Aisch Albach (das unter) 1 Hof LK Fürth Bembach Gattergeld LK Fürth Flexdorf (Flechsdorff) 1 Hof, 4 Gütl LK Neustadt/Aisch Kirchfembach 1 Gütl LK Neustadt/Aisch Pirkach (Birkach) Flgrst LK Ebermannstadt * Pretzfeld 1 Hof, 2 Güter, 1 Halb­ LK Ansbach Zandt gut (Hdr) I. [1527 zum LdAA, 1539 als Pfründe zurückgegeben, 32. St. SEBALD b) vgl. hierzu H 36]. 1550 Wolf Behemer [derzeitiger Johannis-Altar Inhaber]. Behemer [Pömer]Pfründ II. Heinrich Behemer [1350 (H 11)]. LK Schwabach 1 Mühle Barnsdorf (Parisdorf) Birnbaum (Pyrbaum LK Höchstadt/Aisch Gült an der Aisch) LK Nürnberg Gült Dörlbach LK Höchstadt/Aisch Gült Nackendorf Pyrbaum LK Neumarkt/Opf. Gült 33. St. SEBALD I. 1528. KatharinenII. Konrad Schatz [„stiftete 1354 den Katharinen Altar in der Krypta“ (W 8581)]. Choraltar LK Gunzenhausen 1 Gut, 1 Gut (Hdr) Aue 1 Hof LK Ansbach Elpersdorf 1 Gütl Gräfens teinberg LK Gunzenhausen 1 Hof St Nürnberg Höfles 1 Hof Neuses LK Fürth 1 Gütl Raitersaich (Rayttersach) LK Fürth 1 Hof (Hdr) LK Schwabach Schaftnach LK Höchstadt/Aisch 5 Güter Schwarzenbach LK Gunzenhausen 1 Gut Seitersdorf Thon (zum Tann) St Nürnberg Flgrst 1 Hofanteil (mit An­ LK Hilpoltstein Uttenhofen teilen in Mörsdorf) I. 1528 Wolf Nützel. 34. St. SEBALD II. Heusell, die Dietlerin, Bürgerin zu Nürnberg Kunigunden-Altar [Gerhaus D. 1377 (H 12)]. 1 Gut Dietkirchen (Ditzkirchen) LK Neumarkt/Opf. LK Neustadt/Aisch 1 Hof, 1 Gütl Kirchfembach LK Schwabach 1 Hof, 1 Gut Kleinabenberg Oberbaimbach (Oberpambach, -paumbach, LK Schwabach 1 Hof -pambach) Obermainbach 1 Hof LK Schwabach (Obermaibach) 1 Hof LK Schwabach Prünst (P. bei Rohr) LK Nürnberg 1 Hof Schwarzenbach LK Fürth 1 Hof Seckendorf LK Fürth 1 Gut Steinbach 1 Hofanteil (mit An­ LK Hilpoltstein Uttenhofen teilen in Mörsdorf) 31. St. SEBALD Johannis-Altar

a)

159

35. St. SEBALD Niklas-Altar

* Altdorf Ebenried Eckenhof Lindenhof Oberbüchlein (Buchleß) Röthenbach bei St. Wolfgang Wachendorf 36. St. SEBALD Peters-Altar

(vgl. auch Nr. 59) * Bechhofen Großschwarzenlohe * Kirchfembach Nasbach Putzenreuth * Solar * Wölkersdorf 37. St. SEBALD Sebalds-Altar

Dörlbach * Gräfenberg * Hag * Kasberg * Nürnberg * Ottersdorf (Ottmarßdorf) Rohr Wasserm ungenau (Wassermummenaw) Weiler (bei Rohr) * Weissenburg 38. St. SEBALD Sebalds-Altar Schopperpfründ

Dechendorf Erlenstegen Erlingsdorf (Ernsdorff) Gonnersdorf (Gunterdorf) Gustenfelden Höfles Rittershof (Rittershofen) 160

I. 1526 Johann Rudolph [W 8339 ??]. II. Hartmann Kandlgiesser [1386 (H 12)]. LK Nürnberg 1 Haus LK Hilpoltstein 1 Gut LK Neustadt/Aisch 1 Hof LK Forchheim 1 Hof LK Fürth 1 Hof LK Schwabach LK Fürth

Flgrst Gattergült

I. Pfründe: I. 1543 f Heinrich Garttener. II. Ott Kramer von Koburg, Bürger zu Nürnberg [1340 (H 11)1. LK Ansbach 1 Gut LK Schwabach 1 Gut (Hdr) LK Neustadt/Aisch 1 Gut LK Schwabach 1 Gut, 1 Gütl LK Schwabach 1 Gut (Hdr) LK Hilpoltstein 1 Hof LK Schwabach 1 Holz I. 1543 f Caspar Imhoff. II. Heinrich Vorchtel, Pfarrer [1370 (H 11)]. LK Nürnberg 1 Hof LK Forchheim Flgrst LK Schwabach Flgrst LK Forchheim Flgrst 1 Haus an der Irrer­ gassen LK Schwabach LK Schwabach

1 Gut 1 Hof

LK Schwabach LK Schwabach

1 Gut 1 Hof Geldrente vom Rat

I. [1533 (H 36)]. II. [Albrecht und Friedrich Schopper 1360 (H 11)]. 1 Hof LK Schwabach St Nürnberg 1 Gut LK Weißenburg 1 Gut LK LK St LK

Fürth Schwabach Nürnberg Neumarkt/Opf.

2 1 1 1

Gütl, 2 Gütl (Hdr) Hof Gut Gütl

39. St. SEBALD Stephans-Altar

a)

Förrenbach Grub Kirchehrenbach Kottensdorf (Kottmannsdorf) Mittelburg (Mittelbürg) Oberschlauersbach Rührersberg (Ruegerßpergk) Schönbrunn Steinbach (St. an der Schwobach) b)

2 Pfründen: I. 1528 Peter Bupfinger. II. Heinrich von Tuettensteten [Gutenstetten], Pfarrer daselbst [1307 (H 11)]. LK Hersbruck LK Nürnberg LK Forchheim

1 Gut 2 Güter 1 Gut

LK Schwabach LK Hersbruck LK Neustadt/Aisch

1 Hof 1 Gut 1 Gut

LK Neumarkt/Opf. LK Hilpoltstein

1 Hof mit 1 Gütl 1 Hof, 1 Gütl (Hdr) 1 Hof

Hiltmannsdorf Kirchröttenbach Mörsdorf Oberasbach Obersteinbach Rittersbach

LK Forchheim I. 1538 t Niklas Griebel. II. Niklas Muffel. St Fürth LK Lauf/Pegnitz LK Hilpoltstein LK Fürth LK Schwabach LK Schwabach

40. St. SEBALD Unser Lieben FrauenAltar

I. Pfründe: I. 1535 f Georg Mann, Schaffer zu St. Sebald. II. Konrad Teuffel [1370 (H 11)].

(vgl. auch Nr. 60) Dormitz Ebenried

LK Forchheim LK Hilpoltstein

1 Hof (Halbteil) 1 Gut, 2 Höfe Flgrst T Hof 1 Hof 1 Hof

Raitenberg (Reuttenberg) Rohr Schneckenhof Wilhermsdorf (Wilmerdorf)

LK Hersbruck LK Schwabach LK Erlangen

1 kl. Gut Flgrst, früher Hofst (Movendelpfründe) 1 Hof 1 Hof 1 Hof

LK Neustadt/Aisch

2 Höfe, 1 Seldengütl

41. St. SEBALD Zwölfbot en- Altar

I. 1537 f Philipp Moser. II. Konrad Maientaler [1352 (H 12)].

Braunsbach Büchenbach Dürrenfarrnbach Großgründlach (Grienlach) Hagenmühle

LK Fürth LK Schwabach LK Fürth

1 Gut 1 Gut (Hdr) 1 Hof (Anteil) 1 Gut zu Reutles

Reutles

LK Fürth Gern. Kirchfembach LK Neustadt/Aisch LK Fürth

Sack Seckendorf

LK Fürth LK Fürth

u

1 Mühle 5 Güter, 3 Gütl, 2 Seiden 1 Gütl 1 Hof, 1 Gut 161

42. UNSER LIEBEN FRAUEN KAPELLE auf dem Markt

Fürth 43. UNSER LIEBEN FRAUEN KAPELLE Gestiftete Pfründ

Altdorf Femabrünst (Prünst bei Rosstall) Unterlindelbach 44. UNSER LIEBEN FRAUEN KAPELLE Antonius-Altar

Bremenhof Hetzles Kasberg 45. UNSER LIEBEN FRAUEN KAPELLE Maientaler-Pfründ

Brunn Großgescheid Waizenfeld (Wetzenfeld) 46. UNSER LIEBEN FRAUEN KAPELLE Martha-Altar auf St. Michels-Chor

Boxdorf (Pochsdorff) Büchenbach Kirdifembadi Tennenlohe 47. UNSER LIEBEN FRAUEN KAPELLE Wenzels-Altar

Kleinsendelbach Mailach Pahres (Pariß) Unterkrumbach

II. [1355 (H 17)]. LK Schwabach

1 Hof

II. [Ritterorden der Fürspänger 1460 (H 18)]. LK Nürnberg 1 Haus LK Fürth LK Forchheim

Teilzinsen 1 Hof

I. 1526 Melchior Haupt gegen Leibgeding [W 3850]. II. Matthes Ebner, Bürger zu Nürnberg. LK Forchheim 1 Gut (Hdr) LK Forchheim 1 Hof, 1 Gut LK Forchheim 2 Höfe, 2 Güter, Flgrst I. 1528 Johann Payer [W 534: „Johann Baier erhielt 1519 die Apostelmesse bei ULF in Nürnberg“]. II. Konrad Maientaler, Bürger zu Nürnberg. LK Ansbach 1 Hof LK Erlangen 1 Hof LK Hersbruck 2 Höfe, 1 Gut, 1 Gut (Hdr) I. 1527. II. Meister Friedrich Artzt, Bürger zu Nürnberg [1379 (H 17)]. LK Fürth 1 Gut LK Schwabach 1 Hof LK Neustadt/Aisch 1 Hof LK Erlangen Zinsen I. 1528. II. Arnold von Seckendorf [1368 (H 18)]. LK Forchheim Flgrst-Zinsen LK Höchstadt/Aisch 1 Hof LK Neustadt/Aisch 1 Hof LK Hersbruck 2 Höfe, 3 Güter

LANDPFARREIEN UNTER REICHSSTÄDTISCHEM PATRONAT I. 1543 [Michel Lorenz (D 3, 225)]. 48. EIBACH, Pfarrei

Dorsbrunn Meuchlein (Meuchelohe, Mechelaw) * Rabenshof 162

LK Weißenburg

1 Hof

LK Ansbach LK Lauf/Pegnitz

3 Güter 1 Hof

49. HAPPURG, Frühmesse

Arzlohe Förrenbach Happurg Pommelsbrunn 50. HEROLDSBERG, Frühmesse

Buckenhof Dambach Kalchreuth * Heroldsberg

I. [vor 1533, Johann Seyfried (D 6, 27)]. LK Hersbruck Flgrst 1 Hof LK Hersbruck 2 Güter, Frühmesser­ LK Hersbruck haus Flgrst LK Hersbruck I. 1526. Vereinigt mit Pfarrkirche, diese 1536 durch Konrad Erckell gegen Leibgeding zum LdAA (D 6, 109). 1 Wiese an der Mühle an LK Erlangen der Schwabach unter­ halb Buckenhof Flgrst St Fürth LK Erlangen Flgrst LK Erlangen Pfarrhaus

I. 1526. Vereinigt mit Pfarrkirche, diese 1536 durch (D 4, 237)]. Hat Geldrenten von der Losungsstube Nürnberg und dem Rat Erfurt.

51. GUSTENFELDEN, Frühmesse

52. KRAFTSHOF, Frühmesse

Kraftshof Steinbach 53. ROHR, Frühmesse

Eysölden Gaulenhofen Heideck Leitelshof Selingstadt (Seligenstadt) Weiler (bei Rohr) 54. POPPENREUTH, Pfarrei u. Frühmesse

♦Buch * Hammerbach * Hüttendorf ♦ Kleinreuth h. V. * Mohrhof (Morach) * Neunhof * Neuses (N. hinter Kornburg) Poppenreuth ♦ Sauerheim Sieglitzhof * Wetzendorf 11*

I. 1530 gegen Leibgeding [Johann Fürleger (D 6, 233)]. St Nürnberg Flgrst LK Fürth 1 Gut I. 1533 Lienhart Seubold. LK Hilpoltstein Flgrst LK Schwabach 1 Hof LK Hilpoltstein Flgrst LK Schwabach 1 Gütl, 1 Zht LK Hilpoltstein LK Schwabach

Flgrst 1 Hof

I. [1536 (H 37)] Georg Loffellatt, Pfarrherr daselbst gegen jährliche Pension (vgl. auch D 7, 234). Gattergült (FM) St Nürnberg Gattergült (FM) LK Höchstadt/Aisch Gattergült (FM) LK Fürth St Nürnberg Gattergült (FM) LK Höchstadt/Aisch Gattergült (FM) LK Fürth Gattergült (FM) LK Schwabach St Fürth LK Höchstadt/Aisch LK Erlangen St Nürnberg

GattergüJt (FM) 1 Hof, Gattergült (PF) von 2 Gütern Gattergült (FM) Flgrst (PF) Gattergült (FM) 163

55. TENNENLOHE, Frühmesse Spardorf Stinzendorf Wachendorf 56. WENDELSTEIN, Mittelmesse * Altdorf Gebersdorf * Immeldorf Kleinschwarzenlohe * Mittelehrenbach * Weikershof * Wellitzleithen Wendelstein * Wetzendorf

I. Marx Hoffmann gegen Leibgeding [1528 (H 37)]. LK Erlangen 1 Hof LK Fürth 1 Hof LK Fürth 1 Hof I. 1527. LK St LK LK LK St LK LK St

Nürnberg Nürnberg Ansbach Schwabach Forchheim Fürth Nürnberg Schwabach Nürnberg

1 Haus Gattergült Flgrst Flgrst Flgrst Zins aus 1 Hof 1 Hof Mittelmesserhaus Gülten

57. WÖHRD, St. BARTHOLOMÄUS I. 1528. Uns er Lieben FrauenII. Wilhelm und Gutta Beer [1441 Tetzel (H 32)] Altar Georgensgmünd 1 Gut LK Schwabach (J orgensgmundt) Flgrst LK Schwabach Hauslach (Hauslohe) Hohenweiler 1 Hof LK Weißenburg (W. b. Pleinfeld) LK Weißenburg 4 Höfe Oberbreitenlohe Flgrst LK Lauf/Pegnitz Ottensoos 1 Hof LK Neumarkt/Opf. Pelchenhofen 2 Höfe, 1 Gütl, LK Schwabach Petersgmünd 2 Häuslein NACH 1548 ZUM LdAA: 14> 58. St. SEBALD, Pfarrkirche I. 1564 f Georg Hartmann. Collektur 15> Flgrst LK Fürth * Braunsbach LK Hochstadt/Aisch 1 Gut * Dachsbach 1 Gut, 1 Schenkstatt * Dachstadt (Dachstetten) LK Forchheim 1 Hof 1 Gut LK Neustadt/Aisch * Dippoldsberg die Mühle LK Fürth * Flexdorf Döllwang (Telbang, Zehnten LK Neumarkt/Opf. Thalwang) Flgrst LK Forchheim * Forchheim 1 Gut LK Fürth * Großgründlach 1 Gut LK Nürnberg * Haimendorf Flgrst St Nürnberg * Höfles 1 Gut LK Fürth * Horbach (Hornbach) 1 Gut LK Neustadt/Aisch ♦ Kreben Flgrst LK Forchheim * Letten * Mausendorf Flgrst LK Ansbach (Mausmannsdorf) Geldrente LK Höchstadt/Aisch * Münchaurach 164

LK Schwabach LK Fürth LK Hilpoltstein

Geldrente von St. Jobst, Siechkobel 1 Gut Flgrst Flgrst

LK LK LK LK

Flgrst 2 Güter Flgrst 1 Gut

c Nürnberg * Petersgmünd * Seukendorf * Solar * Traishöchstädt (Tregßhochstetten) * Walddachsbach * Weigensdorf * Weickersdorf 59. St. SEBALD Peters-Altar (vgl. Nr. 36) * Gunzenhausen * Nürnberg * Siegelsdorf 60. St. SEBALD Unser Lieben FrauenAltar (vgl. Nr. 40) * Großschwarzenlohe * Hag * Kleinschwarzenlohe * Ottersdorf * Rothaurach * Wasserzell (Zell b. Spalt) 61. BRUCK, Pfarrei * Bruck * Eltersdorf

Neustadt/Aisch Uffenheim Lauf/Pegnitz Höchstadt/Aisch

2. Pfründe: I. 1557 f Hans Cun. II. Alheid Lonneris [1456 (H 11)]. LK Gunzenhausen Flgrst 1 Haus in der Stopfelgasse LK Fürth 1 Hof

2. Pfründe: I. 1553 f Sebald Speidel, Vikar. II. Kunrad Pred, Bürger zu Nürnberg. LK LK LK LK LK

Nürnberg Schwabach Nürnberg Schwabach Schwabach

1 Hof 1 Hof Gült Gült 1 Hof

LK Schwabach

1 Hof

St Erlangen LK Erlangen

Flgrst Zht

62. ELTERSDORF, Pfarrei I. [1533 (H 37), f. d. Pfarrer vgl. D 3, 226]. Geldrenten von der Losungsstube Nürnberg und vom Gotteshauspfleger zu Eltersdorf. 63. HANNBERG, LK Höchstadt/Aisch (Haimburg b. Rothen­ bach am Steigerwald)

I. 1548 Paulus Pucheier. II. [Vor 1460 Johann Igeltaler, Bürger zu Nürn­ berg] 17).

* Erfurt * Oberlindach

LK Höchstadt/Aisch

64. KALCHREUTH, Pfarrei oder Frühmesse * Rangen

36 Gulden vom Rat 1 Hof

I. 1550 gegen Besoldung des Pfarrers [Georg Bleybalso (D 6, 221)]. LK Forchheim 1 Hof 165

Ortsregister Die Ziffern beziehen sich auf die Nummer der Pfründe in der vorhergehenden Liste. — Der Landkreis ist nur angegeben, wenn Orte gleichen Namens Vorkommen. Affalterbadi 24 Albach 31 Almoshof 4 Altdorf 1, 4, 35, 43, 56 Altenhofen 26 Altenthann 14 Arzlohe 30, 49 Aue 33 Bammersdorf 23 Banderbach 14 Bärnsdorf 32 Barthelmesaurach 15 Bechhofen 36 Behringersdorf 7 Bembach 31 Birnbaum 32 Bischberg 14, 15 Borbath 7 Boxdorf 46 Braunsbach 41, 58 Breitenbach 14 Breitenbrunn 4 Bremenhof 44 Bruck 61 Brunn 4, 45 Buch 54 Büchenbach (Schwabach) 5, 14, 41, 46 Buckenhof 50 Burgfarrnbach 14 Burgthann 1 Buttendorf 3 Dachsbach 58 Dachstadt 58 Dambach 50 Dechendorf 38 Demantsfürth 18 Diepersdorf 14, 28 Dietkirchen 14, 34 Dietzhof 1 Dippersricht 14 Dippoldsberg 58 Döllwang 58 Dörlbach 1, 32, 37 Dorfhaus 5 Dormitz 40 ,Dorsbrunn 48 Dürmfarrnlbach 14, 41 Dürrenmungenau 2 166

Ebach 5, 19, 24 Ebenried 13, 24, 35, 40 Ebermannstadt 1, 14 Ebersdorf 14, 26 Eckenhof 35 Eger 13 Egersdorf 17 Eichenstruth 6, 10, 27 Elpersdorf 33 Eltersdorf 3, 5, 14, 61, 62 Engelhof 23 Entenberg 26 Erfurt 12, 63 Erlenmühle 23 Erlenstegen 3, 38 Erlingsdorf 38 Erlingshof 22 Eysölden 53 Femabrünst 43 Fetzelhofen 23 Fischbach 14 Flexdorf 31, 58 Förrenbach 21, 26, 39, 49 Forchheim 4, 58 Freiröttenbach 4 Frohnhof 29, 30 Fürth i. B. 1, 3, 6, 14, 18 Furth (Schwabach) 5, 14, 42 Gaulenhofen 53 Gebersdorf 56 Georgensgmünd 14, 57 Göddeldorf 17 Göggelsbuch 1 Gonnersdorf 38 Gotzendorf 23 Gräfenberg 4, 37 Gräfensteinberg 33 Grauwinkel 1, 25, 26 Großgescheid 45 Großgründlach 16, 26, 41, 58 Großneuses 14 Großreuth h. V. 3 Großschwarzenlohe 4, 14, 23, 36, 60 Großviehberg 22, 27 Grub 39

Gunzenhausen 59 Gustenfelden 14, 38 Häuselstein 14 Hag 3, 8, 19, 37, 60 Hagenmühle 41 Haidt 14 Hallerndorf 29 Haimendorf 58 Hammerbach 54 Happurg 3, 5, 10, 29, 49 Hausen 3 Hauslach 4, 14 Heideck 53 Heindlhof 15 Henfenfeld 30 Heng 18 Hengdorf 30 Heroldsberg 50 Herpersdorf (Ansbach) 1 Herpersdorf (Lauf) 11 Hersbruck 4 Hetzles 44 Heuberg 15 Heuchling 4 Hilpoltstein 13 Hiltmannsdorf 3, 39 Höfen 19, 38 Höfles 33, 38, 58 Hohenweiler 57 Horbach 58 Hüttendorf 54 Hundsdorf 22 Immeldorf 56 Jahrsdorf 1, 10 Käswasser 29 Kalchreuth 50 Kasberg 37, 44 Kemmathen 25 Kiliansdorf 14 Kirchehrenbach 1, 5, 39 Kirchfembach 14, 17, 31, 34, 36, 46 Kirchröttenbach 39 Klebheim 18 Kleinabenberg 34

Kleingründlach 3, 8 Kleinreuth h. V. 1, 54 Kleinschwarzenlohe 10, 56, 60 Kleinseebach 27, 30 Kleinsendelbach 15, 47 Komhöfstädt 7 Kottensdorf 39 Kraftshof 4, 52 Kreben 58 Langensendelbach 7 Laubendorf 9 Leinburg 1 Leitelshof 26, 53 Letten 4, 58 Leutzdorf 23 Lichtenau 5 Limbach 11, 30 Lindenhof 35 Lohe 3 Lützelsdorf 5 Mailach 7, 47 Mannhof 5 Massendorf 1, 7, 14 Mausendorf 58 Meckenhausen 22 Meckenlohe 1, 4 Meuchlein 48 Michelbach 14, 22 Mildach 24 Milmersdorf 26 Mindorf 3 Mittelbürg 39 Mittelehrenbach 56 Mittelrüsselbach 19 Mögeldorf 5 Mörsdorf 13, 39 Mohrhof 54 Morsbrunn 10 Münchaurach 2, 27, 58 Müncherlbach 4, 25 Nackendorf 32 Nasbach 14, 36 Nürnberg 4, 5, 6, 8,11,15, 18, 20, 27, 30, 37, 58, 59; dazu 16, 19, 22, 23, 36b, 40, 45, 50, 62, 63, 65, vgl. Einleitung Nerreth 14 Neunhof (Fürth) 4, 54 Neunkirchen 24

Neuses (Ebermannstadt) 14 Neuses (Fürth) 33 Neuses (Schwabach) 54 Oberasbach 10, 14, 39 Oberbaimbach 34 Oberbreitenlohe 57 Oberbüchlein 15, 35 Oberheckenhofen 6, 17 Oberhöchstädt 16 Oberlindach 63 Obermainbach 34 Obermichelbach 19 Oberndorf 16 Oberschlauersbach 39 Oberschöllenbach 30 Obersteinbach 4, 7, 26, 39 Oberwimmelbach 14 Oberzaunsbach 59 Ottensoos 57 Ottersdorf 37, 60 Ottmannsberg 3 Pahres 1, 8, 15, 47 Patersholz 22 Pelchenhofen 26, 57 Penzenhofen 3 Petersgmünd 57, 58 Peunting 59 Pfaffenhofen 8, 18 Pierheim 22 Pirkach 31 Pötzling 3, 5 Pommelsbrunn 49 Pöppendorf 5 Poppenreuth 54 Pretzfeld 1, 5, 14, 21, 31 Prünst 34 Putzenreuth 36 Pyras 15, 22 Pyrbaum 32 Rabenshof 48 Raitenberg 40 Raitersaich 30, 33 Ramsberg 20 Rangen 64 Rasch 14 Rehdorf 5 Reuth (Forchheim) 4 Reutles 41 Rezendorf 11 Rittersbach 5, 39 Rittershof 38

Röthenbach Schwabach) 35 Röttenbach (Höchstadt) 18 Rohensaas 18 Rohr 2, 37, 40 Roßtal 7 Rothaurach 4, 15, 60 Rückersdorf 4, 10 Rührersberg 39 Rüssenbach 1 Sack 41 Sauerheim 54 Schaftnach 33 Schmidtstadt 6 Schneckenhof 40 Schönbrunn 39 Schoßaritz 7 Schupf 1 Schwabach 1 Schwaighausen 22 Schwarzenbach (Höch­ stadt) 33 Schwarzenbach (Nürn­ berg) 1, 4, 14, 34, 59 Schweinau 9, 29 Schweinfurt 26 Seckendorf 3, 14, 34, 41 Seitendorf 30 Seitersdorf 7, 33 Selingstadt 53 Seukendorf 58 Sieglitzhof 54 Sigritzau 22 Simonshofen 11 Sindersdorf 25 Solar 22, 26, 36, 58 Spardorf 55 Steinbach (Forchheim) 39 Steinbach (Fürth) 16, 34, 52 Steinbach (Schwabach) 26 Steindl 22, 23 Steinensittenbach 21 Stinzendorf 8, 55 Sündersbühl 19 Tennenlohe 7, 29, 46 Thon 33, 58 Tragelhöchstadt 7 Traishöchstadt 58 Traunfeld 9, 14 Treiberg 30 167

Ühlfeld 18 Unterfarrnbach 1 Unterferrieden 14 Unterhaidelbach 16 Unterkrumbach 47 Unterlindelbach 5, 43 Untermichelbach 19 Untermimberg 22 Unterweilersbach 5 Uttenhofen 14, 33, 34 Velden 4, 14 Voigtsreichenbach 7 Volkersdorf 3 Wachendorf 10, 35, 55 Waizenfeld 45 Wallesau 15 Walddachsbach 58

Waltersdorf 14 Waltendorf 3 Wassermungenau 37 Wasserzell 60 Watzendorf 14 Weidcersdorf 58 Weidenwang 62 Weigelshofen 14 Weigendorf 14 Weigensdorf 29, 30, 58 Weikershof 14, 56, 58 Weikersreuth 5 Weiler 5, 7, 19, 53 Weinsfeld 13 Weinzierlein 7, 19 Weitersdorf 18, 26 Weißenbburg 37

Wellerstadt 14 Wellitzleithen 56 Welkenbach 16, 29, 59 Wendelstein 56 Wernsbach 7, 21 Wetzendorf 7, 30, 54, 56 Weppersdorf 20, 27 Wicklesgreuth 5 Wiesendorf 14 Wilhermsdorf 40 Wolfsau 22 Wolfsried 22 Wölkersdorf 36 Zandt 20, 31 Zereshof 13 Ziegendorf 7, 14 Zirndorf 22

Anhang

Die folgende Liste stellt die Orte nach ihrer Fraischzugehörigkeit zusammen, soweit diese in den Salbüchem 2004—2008 angegeben ist. Die Ver­ teilung auf die einzelnen Pfründen kann aus dem vorhergehenden Ortsregister leicht ersehen werden 17). bbg. = bambergisch brdbg-a. = brandenburg-ansbachisch brdbg-b. = brandenburg-bayreuthisch eist. = eichstättisch nbg. = nürnbergisch pfb. = pfalzbairisch Allersberg (pfb.)

Cadolzburg (brdbg-a.)

Göggelsbuch Uttenhofen

Banderbach Gonnersdorf Seckendorf Stinzendorf Voigtsreichenbach

Altdorf (nbg.)

Dörlbach Leinburg Penzenhofen Schwarzenbach Baiersdorf (brdbg.-b.)

Kleinseebach Neunhof Spardorf. Wellerstadt Burgthann (brdbg-a.)

Unterferrieden Untermimberg 168

Colmberg (brdbg-a.)

Meuchlein Dachsbach (brdbg-b.)

Demantsfürth Eckenhof Fetzelhofen Mailach Pahres Ebermannstadt (bbg.)

Lützeldorf Pretzfeld

Forchheim (bbg.)

Kirchehrenbach Neuses Oberwimmelbach Pöppendorf Röttenbach Rüssenbach Weppersdorf Wiesendorf Gräfenberg (nbg?)

Gräfenberg Gunzenhausen (brdbg-a.)

Ottmannsberg Seitersdorf öttingen 18)

Dorsbrunn Ramsberg

Hagenbüchach (brdbg-b.)

Neumarkt/Opf. (pfb.)

Kirchfembach

Erasbach (zum Reichen Almosen: Berghausen, Burggries­ bach, Forchheim, Hagenhausen, Rübling, Stier­ baum)

Heimburg (pfb.)

Rührersberg Hersbruck (nbg.)

Breitenbrunn Großviehberg Mittelburg Morsbrunn Pommelsbrunn Waizenfeld Weigendorf Hiltpoltstein (nbg.)

Dorfhaus Kasberg Letten Lindenhof Unterlindelbach

Oberhöchstadt (bbg.)

Oberhöchstadt Tragelhöchstadt Pfaffenhofen (pfb.)

Dippersricht Häuselstein Traunfeld Pleinfeld (eist.)

Erlingsdorf Hohenweiler Reicheneck (nbg.)

Hilpoltstein (pfb.)

Ebenried Grauwinkel Meckenhausen Michelbach Mörsdorf Pierheim Schönbrunn Solar Höchstadt (bbg.)

Fetzelhofen Großneuses Schwarzenbach Langenzenn (brdbg-a.)

Dürmfarrnbach Egersdorf Hiltmannsdorf Wachendorf

Spalt (eist.)

Engelhof Massendorf

Roßtal (brdbg-a.)

Pyras Steindl

Fernabrünst Leitelshof Müncherlbach Neuses Oberasbach Raitersaich Roßtal Schwaighausen Weinzierlein Weitersdorf Roth (brdbg-a.)

Haidt Oberschlauersbach Wilhermsdorf Markt Scheinfeld (Schwarzenberg)

Rothenberg (Ganerbschaft)

Kornhöfstädt

Ebach Weigensdorf

Neunkirchen (bbg.)

I Langensendelbach Schneckenhof

Schwand (brdbg-a.)

Furth Meckenlohe

Happurg Pötzling Schupf

Georgensgmünd Hauslach Kiliansdorf Oberbreitenlohe Oberheckenhofen Peters gmünd Pfaffenhofen Steinbach

Markterlbach (brdbg-b.)

Büchenbach Dechendorf Gustenfelden Hengdorf Kottensdorf Limbach Nasbach Oberbaimbach Obermainbach Prünst Putzenreuth Regelsbach Rohr Rothaurach Schaftnach Seitendorf

Schwabach (brdbg-a.)

Barthelmesaurach

Stauf (brdbg-a.)

Velden (nbg.)

Eichenstruth Raitenberg Wachenroth (bbg.)

Albach Windsbach (brdbg-a.)

Dürrenmungenau Obersteinbach Wassermungenau Watzendorf Ohne Fraisch

Unterweilersbach („mit der Fraisch niemand unterworfen“) Strittig zwischen Nbg. und Brdbg-A.

Großschwarzenlohe Kleinschwarzenlohe zwischen Nbg. und Bbg.

Steinbach (Forchheim) 169

Anmerkungen 1) Herrn Stadtarchivdirektor Dr. Gerhard Pfeiffer bin ich für seine stets freundliche Beratung und großzügige Ausleihe ebenso zu Dank verpflichtet wie den Herren Archiv­ direktor Prof. D Dr. Karl Schombaum und Univ.-Prof. Dr. Erich Frhr. v. Guttenberg für ihre Hinweise. 2) Das aus dem griechischen stammende kirchenlateinische eleemosyne = „Barm­ herzigkeit“ ist als Begriff der charitativen Tätigkeit sehr früh in den gemeingermani­ schen Sprachschatz gekommen, vgl. Kluge-Götz, Etymologisches Wörterbuch der deut­ schen Sprache, 14. A. 1922, S. 12. 3) Das zeigt die lange Reihe der Gültbücher im Stadtarchiv Nürnberg, die bis zum Übergang an die Kirchenverwaltung 1810/11 getrennt durchgeführt sind, für die Pfaffen­ pfründen z. B. Nr. 90. Vgl. auch Hilpert. 4) Eine Untersuchung der verfessungsgeschichtlichen Entwicklung Mittel- und Ober­ frankens aus spätmittelalterlichen Verhältnissen über die „Landesherrschaft“ des 16. zur „Landeshoheit“ des 18. Jh. und ihre Einordnung in den modernen Staat des 19. Jh. hat sich der Verfasser seit längerer Zeit zum Ziel gesetzt. Vergleichweise sei auf sein „Herzogenaurach, die Geschichte eines Grenzraums in Franken“ Nürnberg 1950, S. 44 ff. hingewiesen. — Für die Wehrerfassung 1439/49 StA. Nbg. Rep. 152b n 113—115. 5) M. Lexer, mhd. Taschenwörterbuch, 16. A. 1922, S. 195. 8) „Hat sein eigen Gericht im Dorf, doch die alten Nürnberger gebrauchen sich des nit, außerhalb wos die gemein (Gemeinde) betrifft.“ 2003, fol. 138 ff. 7) Eine Sammlung von Pfründbeschreibungen aus dem Jahre 1540 enthält auch das Gültbuch Nr. 88. Es verzeichnet Unser Lieben Frauen, Katharina, Martha, Ottmarskapelle, Hl. Kreuz, St. Johannis und die Frühmessen Tennenlohe, Kraftshof und Kalchreuth. 8) Für die Geistlichen vgl. auch A. Würfel, Dypticha Ecclesiarum in oppidis et pagis Norimibergensiibus, 1759. ») Nur die 2002—2008 verzeichneten! Im Einzelnen: Schnöd: „nachfolgende Güter hat Hans Schnodt [1527] dem Almosen gegen 54 Gulden vom Seelhaus verglichen, die hinfür bei der Schnodt’schen Stiftung bleiben sollen“. (2003, fol. 126). — Weigel: „Der Weiglin Güter zu Eltersdorf, so sie [1528] zum Almosen für jährliche Leibgeding verwendt hat“. (2003, fol. 126 ff.). — Groland: „hat Niklaus Groland gestift“ (ebda.). — Weitere Stiftungen s. Hilpert S. 50. 10) Uber ihn siehe M. Weigel, Dr. K. K., ein Beitrag zur Kdrchengeschichte Nürnberg, 1927, auch MVGN 29, 1928. 11) Wächter, 4251: „Hertel vertauschte 1510 die Pfarrei Regelsbach mit dem Benefizium St. Martha bei St. Lorenz (!) in Nürnberg“. In den Salbüchem ist die Pfründe immer nur als „Martha“, nicht als Marthapfründe bei St. Lorenz bezeichnet. 12) Prönsdorf wurde nach Mitteilung des StA. Arnberg im 16. und 17. Jh. Prinnersdorf, Prinersdorf, Prundersdorf genannt. Auch die LdAA-Akten im StA. Nbg. bezeichnen es stets als Primers- oder Pründersdorf, so auch Hilpert. Beiden Archiven sei für ihre Hilfe gedankt. 13) 1550: „St. Walpurgen Pfründ St. Ottmarskapellen auf der Vesten des Altars Unser Lieben Frauen“ (!). StadtA. Nbg., Gültbuch 95. 14) in 2002 und 2003 sind auch noch vereinzelte Angaben über Besitz der Klöster St. Egidien, St. Katharina, St. Klara, des Karthäuserklosters und des Reichen Almosens enthalten. 15) Ein Pfründurbar der St. Sebald Collektur von 1564, das mit den Angaben des Gült­ buchs 95 im StadtA. Nbg. übereinstimmt, befindet sich in einem späteren Akt des LdAA im StA. Nbg., Rep. 74a Ib nr. 2770. iß) StA. Bamberg Rep. B 11 nr. 229. Ordinariatsarchiv Bbg., Pfarrakten nr. 211. Ordi­ nariatsarchiv Würzburg, Tom. VII fol. 303, StA. Nbg. Rep. 74 nr. 225. Vgl. auch mein „Herzogenaurach“ S. 132 und 175. 17) Zu den einzelnen Hochgerichtsämtem vgl. vor allem: M. Hofmann, Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, Jahrbach für frän­ kische Landesforschung (JffL) 3 und 4, 1937 und 38. — O. Herding, Die markgräflich ansbachischen Oberämter und Hochgerichte im 18. Jh., JffL 1939. — H. Dannenbauer, Di© Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928. — M. Schütz, Die Gan­ erbschaft vom Rothenberg, Diss. Erl. 1924. 18) öttingen ist hier eine Fehlangabe, die Orte gehören nach frdl. Mitteilung von Herrn Dr. A. Bergler, Weißenburg, zur Fraisch Gunzenhausen (brdbg.-a.). ii) Abgeschlossen Dezember 1949.

170

Die Chronik der Familie Dürnhofer Von Prof. D. Dr. Karl Schombaum. G. A. Will wies in seinem Nürnbergischen Gelehrtenlexikon I S. 303 (Nürnberg und Altdorf 1755) darauf hin, daß der Nürnberger Prediger Lor. Dürnhofer einen selbstgeschriebenen Lebenslauf hinterlassen habe; er bedauerte, daß dieser ihm ebensowenig wie dem bekannten Nürnberger Kirchenhistoriker G. G. Zeltner zu Gesicht gekommen sei. 1927 wurde ich beim Mustern des Antiquariatkataloges 574 der Firma K. W. Hiersemann-Leipzig auf eine Chronik der Familie Dürnhofer, die dort unter Nr. 782 vorgetragen und für 4800 Mark angeboten war, aufmerksam. Die Vermutung stieg in mir auf, daß es sich vielleicht um den schon lange vermißten Lebenslauf DürnhÖfers handeln könne. Bei meinen Studien über die religiöse Haltung der Reichsstadt Nürnberg in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde mir die Bedeutung dieses Mannes immer klarer. Er war der Führer der Philippistisch gesinnten Geistlichen in Nürnberg. Der Melanchthon treu ergebene, aber ebenso sehr die Flacianer und Gnesiolutheraner ablehnende, temperamentvolle Mann kannte kein höheres Ziel, als die alte Reichsstadt voll und ganz für seinen Lehrer und Meister zu gewinnen. Mauritius Heling trat in dem Kampf der theologisdien Richtungen immer mehr zurück, obwohl er unter allen Melanchthonianem in Nürnberg der geistig bedeutendste war. Er liebte nicht so sehr die Aktivität. Es war deshalb für mich bedeutsam, als ich durch eine Notiz des Herrn Dr. Rudolf Wagner gelegentlich der Besprechung von Kosel, Alfred, Sebald Heyden 1499—1561 (Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Nürn­ berg 1941, S. 343) darauf aufmerksam wurde, daß im Germ. Museum sub Nr. 125096 eine handschriftliche Chronik des Lorenzer Predigers Lor. Dürnhofer zu finden sei. Als mir die Bibliothek des Germ. Museums in liberalster Weise Einsicht in dieses Ms. gewährte, konnte ich zweierlei feststellen: 1. Es handelt sich hier um das von Hiersemann ausgebotene Ms.; noch liegt das Duplikat der Adresse der Firma in dem Folioband, allerdings nur mit 2500 Mark Wert gesichert; 2. es ist die von S. J. Apin, G. G. Zeltner, G. A. Will schwer ver­ mißte eigenhändige Lebensbeschreibung des einstigen Predigers an St. Egidien, des Führers der Philippisten in Nürnberg, hier zu finden. I.

Es wird gut sein, zuerst eine kurze Beschreibung des Manuskripts zu geben. 148 zumeist Folioblätter sind sehr geschickt und dauerhaft in eine alte Pergamentumhüllung eingeheftet. Diese stellt sich als Blatt 2 und 5 eines Mässale dar, das durch Joh. Sensenschmid und Heinrich Petzensteiner 1490 in Bamberg später gedruckt wurde. Die erste Seite von Batt 2 beginnt mit 171

vivamus in hoc seculo expectantes und schließt mit semper gloria in excelsis S. Lucas. Die 2. Seite enthält die Weihnachtsgeschichte „In illo tempore — et ecce angelus domini stetit juxta illos et claritas“. Das Schlußblatt V enthält auf der Vorderseite Gebete: „ministros suos flammam dgnis. Ad filium antem tronus tuus deus“ . . . „hodic descendit lux magna super terram“. Die Rück­ seite: „natus ante secula dei filius invisibilis“ . . . „peperis unice, qui humanam nostri causa“. Die ersten 13 Blätter, von denen Blatt 1 und 5 leer sind, gehören zusammen; sie bilden eine gewinnende Einleitung des Ganzen; enthalten sie doch die sehr hübsch und fein gemalten Wappen der Familie Dürnhöfer für 4 Generationen. Zunächst als Einleitung die Abschrift des Briefes, mit dem am 14. Juni 1540 in Hagenau König Ferdinand Lienhard Dürnhöfer in Anbetracht „seiner Erbarkeit, Redlichkeit, guten Sitten, Tugend und Vernunft“ und „der fleißigen und getreuen Dienste, die er ihm und dem Reich gehorsamlich bewiesen hat und noch täglich tut“ Wappen und Kleinod verleiht. Das Wappen selbst zeigt in einem schwarzen Schild einen grünen Acker, auf dem ein gelber Pflug mit Pflugschar und Sagenx), zum Pflügen gerichtet steht. Den Schild krönt ein Stechhelm und schwarze Helmdecken. Den Abschluß bildet ein gewundener gelb-schwarzer Bausch mit zurückfliegenden Binden. Aus demselben erhebt sich ein bärtiger Mann mit kurzem Haupthaar; auf dem Haupt trägt er einen gelb-schwarzen Hut; die Kleider haben die gleiche Farbe. Mit der linken Hand stützt er sich auf seine Hüfte, mit der rechten hält er die über die Schulter gelegte Raitte oder Schareisen. Dies auf Blatt 2 verso befindliche Wappen steht in einem mit 2 eigenartig gestalteten Säulen, die oben durch einen Bogen verbunden sind, gebildeten Rahmen. In den beiden oberen Ecken befinden sich zwei faunartige Mannsköpfe. Die neben dem Wappen stehenden Figuren eines Mannes und einer mit einem Blumenkranz geschmückten Frau stehen in keiner rechten Proportion zu dem Ganzen. Der Wappenbrief selbst (fol. 3, 4 r.) ist von dem Prediger Laur. Dürnhöfer geschrieben. Die folgenden Blätter enthalten die Wappen von 4 Generationen der Familie Dürnhöfer. 6 r.: „Cunrad Dürnhöfer“ und 7 r.: seine Frau „Margaretha ein gebome Treichtlingerin von Aichstett“; 8 r.: „Georg Dürnhöfer“ und 9 r.: seine Frau „Katharina ein gebome Hintermairin von Schaffhausen“12); Blatt 10 r.: „Lienhart Dürnhöfer“ und 11 r.: seine Frau „Anna ein gebome Beurin von Prappach“3); 12 r.: „Laurencius Dürnhöfer mag. etc.“ und seiner Frauen (13 r.): „Elisabeth ein gebome Balsmanin von Torga ihn Meissen“ und „Katharina ein gebome Lebenderin von Nürmberg“. Das Wappen der Dürnhöfer ist immer das Gleiche; nur ist alles nach rechts statt wie im kaiserlichen Wappen nach links gerichtet Das Wappen der Marga­ retha Treichtlingerin stellt einen Mann in blaugelber Tracht dar; über der rechten Schulter trägt er eine lange Stange mit 2 Zinken (Gabel). Das Schild, auf das seine Hand sich legt, hat in blauem Grund zwei sich kreuzende, zwei­ zackige Gabeln; sie umschließen einen Stern. Das Wappen der Katharina Hinter­ mairin von Schaffhausen zeigt einen Mann, dessen Beine gelb gekleidet sind; ein blaues Obergewand verdeckt ein rotes Untergewand, das nur an der roten Bekleidung der Arme zu Tage tritt. Über der Schulter trägt er einen Wag­ balken mit 2 Wagscheiten. Seine linke Hand stützt sich auf einen in 4 Felder 1) Säge, Schmeller II, 235. 2) Landkreis Kipfenberg. s) Landkreis Haßfurt.

172

geteilten Schild. Das 1. und 4. Feld blau, das 3. und 2. rot. 2 Stäbe, die sich kreuzen, ruhen darauf. Das Blatt der „Anna ein gebome Beürin von Prappach“ (11 r) einen Weinhäcker mit schwarzem Wams, rotem Untergewand, das an den vom Wams freigelassenen Armen zu Tage tritt, gelben Hosen und roten Strümpfen. Über der Schulter trägt er eine Weinbergshacke. In der Hand hält er ein Schild mit 2 sich kreuzenden roten Dreiecken, die auf 3 roten Kugeln ruhen. Blatt 13a ist den beiden Frauen des Laur. Dürnhofer gewidmet. Ein Engel hält seine Hände über 2 Wappenschilder; das eine, das seiner ersten Frau Elisabeth Balsman gewidmet ist, ist in 4 Felder geteilt, das 1. und 4. ent­ hält je einen Kranz auf gelbem Grund; das 2. und 3. je einen Löwen mit einer Lorbeerguirlande. Der zweite, der seiner 2. Gemahlin Katharina Lebender ge­ denkt, zeigt auf gemustertem Grund eine rote Schale, aus der 5 Blumen hervor­ wachsen: 2 Eicheln und 3 rote Blumen. Es folgen die ersten Aufzeichnungen aus dem Geschlechte der Dürnhofer. 2 kleine Büchlein in ein beschriebenes Pergamentblatt eingeheftet. Dieses fol. 14 r hat die Jahreszahl 1499; es ist schwer zu lesen, weil durch den Gebrauch ziemlich abgerieben: haec sunt statuta Reverendi patris ac domini Heinrici Aug. ep. hat eine Hand angemerkt. De Schluß in roter Schrift: expliciunt statuta reverendi patris ac domini Heinrici Aug. eccl. episcopi. data et scripta anno domini millesimo trecentesimo quadragesimo proxima feria quarta post dominicam Jubilate domino omnis terra. Das 1. Büchlein fol. 15—27 trägt auf Bl. 15 die Aufschrift „1500“. Dann ein Schild mit einer Pflugschar 1500 roh ge­ zeichnet und darunter „Jorg Dürnhoffer“. Dieser hat auf Bl. 16—20 r selbst die Einträge vorgenommen; nur der Schluß Bl. 20 v und 21 hat Nachträge von der Hand des Sohnes Leonhard D. Bl. 22 ist unbeschrieben. Bl. 23 beginnt die 2. Reihe der Aufzeichnungen. Sie trägt die Überschrift: anno domini thaussent fünff hundert vnd jm fünff vnd zwainzigisten jare am mitwoch nach dem oberstag hab ich Jörg Dürnhoffer das puch geschriben. etc. Darunter von gleicher Hand wieder die rohe Zeichnung eines Pfluges. Bl. 24—27 sind die Schriftzüge Jörgs Dürnhofer; auf Bl. 28 Nachtrag von der Hand des Sohnes; Bl. 29—40 sind leer. Als Bl. 41—46 ist eine Schrift, des Rebdorfer Priors Kilian Leib, gegen die Bauern, die er Jörg Dürnhofer widmete, eingefügt. Von der endschafft vn frucht der auffruer vnd empörungn des gepovels vnnd gemainen volcks wider die oberkeit Maese hatzdaca schälom Das werck der gerechtigkait ist der frid. Isaiie 32. ca. 6 Blätter; das letzte leer. Die Schrift ist verfaßt St. Ulrichstag 1525. Auf Blatt 47 r gibt Laur. Dürnhofer, der Prediger von St. Egidien, eine Übersicht über seine Familie. Die Dürnhofer, ein altes Geschlecht, sind nach ihm von einem Bauernhof oder Landgut in der Nähe von Eichstätt dahin ge­ zogen. „Ob sie nun von dem Hof, oder der Hof von ihnen den namen gehabt, ist niemand unter der freundschaft jemals bewust gewesen“. Dann zählt er die Familienglieder auf, die nach Eichstätt einwanderten. Peter wurde laut 173

Bürgerbuch 1465 Bürger; Konrad 1469; Matthäus 13. April 1485. Jörg Thomas Abend 1499. Hainrich 1. Juli 1505. Wilibald Pfinztag nach Egidi 1506. Von den Kindern dieser Vorfahren, bemerkt Laur. Dürnhofer, blieb ein Teil in Eichstätt wohnhaft und ansässig, andere haben sich nach ihrem Gewerfo oder Hantierung an andere Orte begeben. So wanderte sein Vater Lenhart D., Jörg D. Sohn, nach Nürnberg, diente beim alten Hans Höfler, wurde dort Bürger, heiratete und starb dort endlich „seliglich“. Auf der Rückseite hat er die „Geburtslinie, so weit die bekant und beweislich“ vermerkt. Er hat geforscht, aber doch nicht alles ergründen können. Der älteste Ahne war darnach Peter Dürnhofer „des eitern, geburtstag, leben und absterben haben wir nirgends verzeichnet gefun­ den, dann allein im burgerbuch zu Eichstett vermeldet wird, das er daselbst burger worden, anno 1465“. Er hatte 2 Söhne Merten, dessen Sohn Wilibald, dessen Sohn Michael, dessen Sohn Hans war. Der andre „Cunradt“ wurde Bürger zu Eichstätt 1469; er starb 29. August 1503. Seine Frau war Margaretha Treichtlingerin. Dessen Sohn Jörg wurde 1499 Bürger; er starb 26. 8. 1539. Seine Frau Katharina Hintermeiserin stammte aus Schaffhausen. Er hatte einen Bru­ der Vinsenz, der nach Znaim auswanderte, wo er auch verschied. Die eine Schwester Margaretha verheiratete sich mit dem alten Jörg Mosner, die andere Anna mit dem alten Michel Schirer. Der einzige Sohn Jörg D. Leonhard war geboren 14. 9. 1500, geht 1520 nach Nürnberg, wird hier 1531 Bürger und stirbt 2. Januar 1544. Seine Frau Anna Beurin stammte aus Prappach bei Königsberg in Franken. Er hatte 2 Söhne: Leonhard, geb. 14. 10. 1542. Er ging nach Padua in Italien und blieb daselbst. Der andere, Lorenz, geb. 25. 1. 1532, verheiratet mit Elisabeth Palsmanin, dann mit Kath. Lebenderin. Des Sohnes Hand hat den Todestag 18. 7. 1594 „zu Abend um Halbtag 2 uff der großen, das ist umb 9 der kleinern Uhr“ nachgetragen. Fol. 48—60 bringt die Aufzeichnungen Lenhart Dümhofers. Sein Sohn schreibt darüber: „Lenhartten Dümhofers des Eldtem handtsdirifft“. Fol. 61. Eine Bleistiftzeichnung Laur. Dümhofers. Unterschrift: „Laurentius Dürnhofer anno 18 aetatis suae. Wittebergae pingebat studiosus quidam Gaspar Multz 1550.“ Fol. 62 r. Ein Kupferstich Lor. Strauchs: Imago reverendi vi/ri D. M. Laurentii Dumhoferi, / docentis evangelium Jhesu Christi in inclytya Noo / riberga. Anno M. D. LXVIII. Die Unterschrift lautet: Bis tria lustra gerens, septenosque insuper annos, Dürnhofer tibi talis imago fuit: Cum sibi pastorem te Noricaberga vocavit Hinc, ubi flaventi volvitur Albis aqua Magnus ubi docuit Lutherus et ille Melanthon, Cruciger et patriae tu Pomerane decus, Utilibus quorum scriptis et voce diserta Fecisti in studiis robora tanta bonis: Ut cupide audierit te Leucoris alma docentem Hane, qua saüvamur, per duo lustra fidem legerit et sibi te collegam clarus Eberus Urbis consensu consilioque scholae Chris te, dei fili, caput assertorque tuorum hunc quoque praesenti nunc statione tegas. M. Johann. Molitor N. 174

Fol. 63 r bringt ein Bild von ihm nach der Signatur von F. W. D. 1577. Hoc sperandus erat Laurentius integer ore Qui Dumhoferae nomina stirpis habet: Quando novem lustris adjecerat insuper annum, Mentis et eloquii dexteritate potens. Munere cui domini data sunt, quaecunque beati dona ministerii praeco fidelishabet. Sanctus amor Veri, pietas omata probatis Moribus atque sui cura patema gregis Sunt super his illi testes Pegnesus et Albis Doctor ubi regnum iuuit utrinque dei Hunc quoque cum reliquis complectere Christi ministris Ut tibi quae placeant cuncta deoenter agat. Den Schluß der Bilder bildet fol. 64 r, ein sehr hübsches farbiges Bild von Leonardus Dümhofer aetatis suae XIIII. Es trägt das Zeichen A. W. F. Einer Bleistiftbemerkung nach soll es den Bruder unsers Laurentius darstellen, der nach Padua ging und dann in Italien verblieb. Könnte es aber nicht auch der Sohn desselben sein, der später in der Oberpfalz wirkte? Fol. 65—67, 107—113, 121—124, 136 bringen nun die eigenhändigen Aufzeich­ nungen Laur. Dümhofers. Da er dieselben mit der Aufzählung seiner 23 Kinder beginnt, und das letzte, Georg Eberhard, erst 1. Oktober 1596 geboren wurde, können sie erst im letzten Jahrzehnt seines Lebens zusammengestellt worden sein. Er selbst schon hat wohl auch die mannigfachsten Urkunden beigefügt, die wir jetzt noch bei denselben finden. So Blatt 66 des Zeugnis der Universität Wittenberg bzw. ihres Rektors Erasmus Rhein über seine Immatrikulation da­ selbst. 14. März 1550. Bl. 68—78 treffen wir auf eigenhändige Konzepte Melanchthons. Fol. 67 v schreibt Dümhofer selbst: „volgen nun etliche Handschriften Ph. Melanthonis, nemlich ein Sendbrief an meine mutter, ein carmen de oppido Torga, welches er mir zugefallen gemacht; und anstatt eines Epitalamii sampt einem ungari­ schen ducaten auf die hochzeit geschenkt hat. item testimonium magisterii, welches hernach Eberus mit aigner hand unter des decani namen aufs bergamen abgeschriben hat.“ Bl. 77 r ist defekt; Melanchthon hat die Hälfte des Blattes selbst abgetrennt. Nach dogmatischen Notizen Bl. 79—81 sind wieder etliche Zeugnisse für ihn eingefügt. So (Bl. 82/83) stellen 26. 5. 1555 Bürgermeister und Rat der Stadt Ölsniz ihm ein ehrendes Zeugnis über die 1 y2 Jahre Tätigkeit an ihrer Schule aus. „Er habe sich in seinem Beruf und befohlenen Amt, sonderlich in Kirche und Schule gegen die liebe zarte Jugend mit Einpflanzung der reinen christlichen Lehre und des lieben Wortes, auch mit Erudition und Unterweisung der freien Kunst und guten Sitten fleißig und emsig, auch sonst in seinem äußerlichen Leben, Handel und Wandel, als einem treuen praeceptori, erbam, gottfürchtigen, wohlgelehrten Mann geziemt und gebürt, treulich und wohl verhalten.“ Man bedauert sein Scheiden. Fol. 84 ist das Zeugnis der Aufnahme seines Bruders Leonhard in die Universität Wittenberg. IX. Aug. 1555. Fol. 85, 86 ist sein Ordinationszeugnis. Wittenberg. 25. III. 1558 mit eigen­ händigen Zusätzen Melanchthons. 175

Nach 4 Seiten mit türkischer Schrift4) ist die Schrift: Luctus familiae reverendi viri D. Magistri Laurentii Dürnhoferi Nonibergensis, ecclesiae Witebergensis ministri continens epicedia et epitaphia composita matrifamilias et liberis in hac demortuis. Pro officio superstitum ad memoriam piam atque gratam mortuorum. Vitebergae excudebat Johannes Crato. Anno MDLXVII. An diesen Epicedien waren S. Artomedes, M. Georgius Mauritius, M. Salomon Albertus, Sebastian Stibarus Jacobus Lauthenius Tetelbachius, Christophorus Zacherus Michael Rauenpusch Heideccensis F. beteiligt. Folio 89—106. Fol. 113 v. 114 hat Dürnhofer ein Verzeichnis der 154 Studenten, die zu Wittenberg seine Kostgänger waren, beigefügt. Am Schluß bemerkt er, daß er, solange er zu Wittenberg im Kirchendienst war, 63 Paare ehelich zusammen gegeben, 809 Kinder getauft und 243 Kranken zu Hause das Abendmahl ge­ reicht habe. Fol. 115 ist ein Zeugnis der Universität Wittenberg für das Wohlverhalten des Leonhard Dürnhofer, als sein Vater in die Heimat zurückkeTirte, aus­ gestellt. 7. Okt. 1567. Fol. 117 ist ein höchst ehrendes Zeugnis für den Vater von Seiten des Pfarrers und der anderen Kirchendiener zu Wittenberg. 12. Okt. 1567. In der gleichen Weise äußern sich am gleichen Tage Bürgermeister und Richter und Stadtmann: Auch sie betonen sein christliches, untadeliges Verhalten in seinem Amte; unverfälscht habe er das Wort Gottes vorgetragen, Kranke und Betrübte jederzeit getröstet, nichts an seinen Amtspflichten fehlen lassen. Ausdrücklich wird betont, daß man ihn länger in Wittenberg hätte wirken sehen. Fol. 119, 120. Fol. 125 bestätigt die Akademie Altdorf die Aufnahme des Sohnes Leonhard 29. Sept. 1585, Fol. 126 die seines Bruders Wolfgang am gleichen Tage. Fol. 127 enthält die gedruckte Bekanntmachung des Dekans und der philosophischen Fakultät Altdorf, daß Leonhard Dürnhofer den ersten Grad der Philosophie mit 9 andern Studenten erreicht habe. 19. Dez. 1589. Druck. Fol. 128—131: Gratulatio ad tres omatissimos juvenes doctrinae et virtutis laude praestantes Leonhardum Dürnhoferum N., Jacobum Pistorium Noriberg., Hermannum Textorium Probstzellensem, cum primo philosophiae gradu una cum aliis septem honestis et eruditis candidatis in celeberrima academia Altorfina a spectabili et clarissimo inclitae facultatis artium decano, Dn. Georgio Liechtentalero ornarentur. Anno MDXIC Calend. Januarii XI. scripto ab amicis Noribergae in officina typographiica Gerlachiana. Die Freunde waren Laurentius Amenruder aus Alfeld (Noricus), Joh. Joachim Gwandschneider, N., Sigismund Schönbach aus Eger, Jacob Pistor. Fol. 132—135. Laurus honestis et eruditis illis decem consecrata adolescentibus, quibus primus in philosophia gradus decernebatur aclariss. viro D. M. Georgio Liechtentalero collegii philosophici decano dignissimo in celebri Nori­ berg. academia Altorffiana 22. Decemb. Anno 1589. Nomina candidatorum: 4) Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Professor Dr. Hans Wehr in Erlangen handelt es sich um eine völlig legendäre Darstellung; die Gestalten der islamischen Frühgeschichte wie Hasan und Husain, die Söhne Alis, Yazid, der 2. Umayyadenkalife; Umar ihn Sa’d treten darin auf. Husain, der bei Kerbela ermordet wurde, und von den Schiiten als Märtyrer gefeiert wird, redet darin. Die Tendenz ist also schiitisch.

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Georgius Mauricius Witebergensis Jolannes Preiseggerus Noribergensis Sebastianus Vischerus Noriberg. Leonhardus Dürnhöferus Norib. Michael Piccartus Norib. Johannes Starckgravius Herspruccensis. Casparus Agricola Norib. Jodocus Schnerrerus Norib. Jacobus Pistorius Norib. Hermannus Textorius Probstzellensis Thuringus. Noribergae. In officina typographica Catharinae Gerlachiae. Der Laurus stammt von Georgius Ädilis Norib. Auf Fol. 136 v. stammt der letzte Eintrag von des alten Laurentius Dürnhöfers Hand vom 17. Mai 1594. „ist meins weibs bruder Caspar gestorben“. Seinen Tod am 18. Juli trug sein Sohn Leonhard ein. Für diesen bringt Fol. 137 die Bestätigung der Immatrikulation in Heidel­ berg 21. Sept. 1592 (gedruckt). Fol. 138 die Verleihung der Magisterwürde durch die Universität Altdorf. Dekan der philos. Fakultät war Prof. Philipp Scherb 31. Mai 1598. Blatt 139—143 r. bringen die Einträge des Sohnes Leonhard. Jäh schließen sie mit „1607. Anno 1607 den . . .“ Die folgenden Blätter sind leer. II. Bei aller Verschiedenheit der 4 in Betracht kommenden Persönlichkeiten tragen alle 4 Aufzeichnungen den gleichen Charakter. Sie wollen alles das festhalten, was für den Bestand der Familie von Wichtigkeit ist und das so genau als möglich. Aber selten nehmen sie Stellung zu dem Geschehen der Zeit, obwohl man das an einem Mann wie Laur. Dümhöfer, der führend war im kirchlichen Leben Nürnbergs, erwarten sollte; und noch schwerer ist es, die einzelnen Schreiber greifbar zu gestalten. So berichten sie alle Geburt und Tod, Verlobung und Verheiratung, Beruf und Amt, Wohnung und Aufenthalt; man begnügt sich nicht mit kurzer Datierung, nein die Zeit wird sowohl nach der großen als der kleinen Uhr angegeben, das Datum sowohl nach dem Heiligentag als dem Kalendertag bezeichnet. Aber weitere Einblicke sind sehr selten. Es handelt sich also um Aufzeichnungen, die für die Familie in rechtlicher Hinsicht von größter Wichtigkeit waren; daher erklärt sich auch die Beigabe so mancher Zeugnisse und Drucksachen. Betrachten wir das erste Büchlein. Der Eichstätter Bürger Jorg Dümhöfer trägt zunächst seine Hochzeit ein: mein hausfrau hat man mir geben an Sant Lienhartstag (6. Nov.) des heiligen peichtigers Katharina, der Mairin dochter von Schaffhausen, und darnach an dem nechsten tag nach Sant Katharina an aim erchtag (26. XI.), do het wir hochzeit, do man zalt tausend vierhundert und in dem neun und naynzigisten jar. Gleich im nächsten Jahr erkaufte er sich in der Pfarrei Walburg ein Haus von Peter Karg um 138 fl am Pfinztag m. Nat. Mariae (10. IX.); es war belastet mit einem Ewiggeld von 2 fl. 24 Pfg. Die Vermittler waren Hans Freysing vom innern Rat, Heinrich Paumgartner vom äußern Rat, Stefan Treuchtlinger und der Stadtschreiber. Beziehen konnte 12

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er es allerdings erst Eritag vor Sim. et Juda (26. X.) 1501. Nach 10 Jahren Eritag n. weißen Sonntag (26. III.) verkauft er es wieder an Balthasar Staud; von nun an wohnt er zur Miete. Mitw. vor Laet. 1510 (6. III.) zieht er zu Bern­ hard Kugler, Eritag n. Div. Apo. 1513 1513 cal 6 juercov iv xrj ayeurrj, sv xfteco fievst xai 6 fisdg iv avxco.

Datae Vuitebergae anno 1558 die 25. Martii, quo die filius dei ante annos 152k in cruce viclima factus est et scribitur eo die creatos esse Adam et Heuam ante anno 5520“. Pastor ecclesiae dei in oppido Saxonica Vuiteberga et ceteri ministri evan­ gelii in eadem ecclesia Paulus Eberus Kitthingensis. 1 Timoth. 4 Attende lectioni, adhortationi et doctrinae Ne negligas donum quod in te est, quod datum est tibi per prophetiam cum impositione manuum coetus seniorum. 13*

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Siegel des Petrus Ecelius und Joh. Stario. Philippus Melanchton Georgius Major D. Sebastianus Freschelius M. Johannes Sturio M. Petrus Ecelius. „Oramus etiam reverendos viros dominum Hieronymum Besoltum et domi­ num Mauricium Heiling docentes evangelium in ecclesia dei in inclypta urbe Noriberga ut hunc Laurentium fraterno arnore complectantur et filium dei domi­ num nostrum Jhesum Christum oramus, ut faciat, ut semper universa ecclesia dei in inclyta urbe Noriberga unum sit in ipso et ut totam urbem protegat et gubernat ut semper sit honestum et tranquillum hospitium ecclesiae propter gloriam dei et multorum hominum satutemu l). Zeugnis für Dürnhofer.

12. Oct. 1567. Pastor ecclesiae Witebergensis et caeteri ministri evangelii in eadem eccle­ sia S. D. omnibus lecturis has literas. Ut magna est et foelicitas et consolatio in adversitatibus et levatio laborum et molestiarum habere in eodem ministerio adjunctos sibi pruidentes, laboriosos, fideles, candidos et concordiae studiosos collegas, ita etiam quando singulari bonitate dei tales in uno officii genere conjuncti aliquamdin fuerunt et ceu fratres inter se dilexerunt, et quibus singuli potuerunt officiis juvare et sublevare ceteros studuerunt; acoidit autem, ut unus vel plures ex illa dulci societate necessitate aliqua abstrahantur, fieri non potest, quin talis divulsio magnam utrisque moestitiam pariat et ministerio ipsi pericula aliqua et incommoda plerumqua afferat. Hoc nos experti sumus cum antea aliquoties, tum hoc tempore inprimis, cum a nobis in patriam suam revocatus abiret reverendus vir, eruditione ac pietate praestans M. Laurentius Dürnhofer Noribergensis, qui una nobiscum in hac ecclesia docuit fideliter incorruptam Evangelii doctrinam per sex annos, quo tempore omni pastorem suum debita reverentia et obedientia coluit et cum collegis vixit tranquille et placide et in officii administratione praestitit fidem, sedulitatem, vigilantiam, tolerantiam et in reliqua conversatione publica et domestica sobrietatem. castitatem, modestiam, humanitatem et beneficentiam, propter quas virtutes serio eum dileximus et vere testari possumus, ipsum pro donorum suorum excellentia, quibus a deo donatus est, laudabiliter et utiliter ecclesiae huic serviisse. Unde factum est, ut una nobiscum plurimi cum cives tum hospites ejus discessum cum dolore et quaerimoniis, votis et desiderio prosequerentur; Sed quia scimus patriam ipsius justas et graves oausas habere revocandi ad se civem suum aequo animo inclytae Noribergensi ecclesiae usum et operam hujus nobis conjuncti et dilecti collegae concessimus, cui etsi scimus jam dudum hunc suum alumnum ob egregia ingenii et corporis dona divinitus ei concessa et ab ipso bene exculta Studio exercitationeque et i) Ms. Dürnhofer »5, 86. Das durch „ “ Gekennzeichnete von Melanchthon eingefügt. 196

hactenus recte et utiliter collocata et usurpata carum et commendatissimum esse, tarnen hoc testimonium nostri erga ipsum amoris et officiorum ac meritorum ipsius erga nos et thanc ecclesiam abeunti dare voluimus, ut notum alias faceremus, habuisse honestas causas et ipsum hinc abeundi et nos dolendi propter talis collegae discessum. Cum autem hic M. Laurentius doctrinam ecclesiae ex scriptis propheticis et apostolicis et puris eorum enarrationibus a juventute sua agnoscere studuerit eamque multos jam annos syncere docuerit et saepe testatus sit, se abhorrere ab omnibus corruptelis verbi divinitus patefacti et a fanaticis opinionibus damnatis judicio catholicae ecclesiae Christi et rejectis in confessione harum ecclesiarum et Noribergensis, quae exhibita est imperatori Carolo quinto et omnibus statibus imperii Augustae anno 1530, non dubitamus eum in hac veritatis professione perseveraturum et ecclesiae in patria suo loco fideliter et utiliter serviturum esse, ad quam quidem constantiam et in omnibus actionibus moderationem et inprimis ad concordiae Studium ipsum abeuntem hinc pro nostro in eum studio et amore pateme et fraterne hortati sumus. Oramus autem filium dei dominum nostrum Jesum Christum, autorem et conservatorem ministerii evangelii, per quod colligit aetemam ecclesiam, qui sedens ad dextram patris dat hominibus alios apostolos, alios prophetas, alios evangelistas, pastores et doctores, ut hujus M. Laurentii ministerium et totius vitae currdculum dementer regere adjuvare et fortunare velit, ut serviat gloriae dei et sit salutare ecclesiae, Datae Vuiteberga 12 Octob. MDLXVII. Paulus Eberus K.1) pastor eccles Vuit. Sebastianus Froschelius M. Archidiaconus ecclesiae Vite.

Georgius Major D. Petrus Ezelius evangelii minister

Paulus Crellius S. Theol. doctor

Johannes Bugenhagius M.

Bernhardus Apitius M. Evangelii minister

Georgius Wunschaldus minister verbi dei

Fol. 117 (geschrieben v. P. Eber).

i) d. h. Kitzingensis.

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Der Prediger Tobias Winkler in Nürnberg Von Lic. Matthias Simon. 1. Die Erbauungsstunden bei Wirth und Winkler.

Zu den wesentlichen Neuschöpfungen der evangelischen Kirche gehören die Bibelstunden. In ihnen wird außerhalb der Kirche unter Leitung eines Geistlichen oder einer anderen geeigneten Persönlichkeit ein Bibelabschnitt in gemeinsamer Aussprache durchgearbeitet. Diese Bibelstunden gehen zurück auf eine Anregung, die in Frankfurt/Main der Pfarrer Philipp Jakob Spener in seiner Predigt vom 3. Okt. 1669 gegeben hatte. Im Sommer des nächsten Jahres begann er auf Anregung aus seiner Gemeinde mit der Verwirklichung des Gedankens. In seiner Schrift Pia Desideria (Fromme Wünsche — der Aus­ druck aber ohne den Beigeschmack, den er in unserer Sprache gewöhnlich hat), die 1675 zum ersten Male erschien, gab er seine Anregung der Allgemeinheit weiter. Hier schrieb er unter anderem: Es könnte „vielleicht nicht undienlich sein, wo wir wiederum die alte apostolische Art der Kirchenversammlung in den Gang brächten, daß neben unseren gewöhnlichen Predigten auch andere Versammlungen gehalten würden auf die Art, wie Paulus 1. Korinther 14 dieselben beschreilbet: wo nicht einer allein aufträte zu lehren (welches zu andermalen bleibet), sondern auch andere, welche mit Gaben und Erkenntnis begnadet sind, jedoch ohne Unordnung und Zanken, mit dazu reden und ihre gottseligen Gedanken über die vorgelegten Materien vortragen, die übrigen aber darüber richten möchten. Welches etwa nicht unfüglich folgender Art geschehe: Wo zu gewissen Zeiten unterschiedliche aus dem Predigtamt (nämlich an Orten, da solches aus mehreren bestehet) oder — doch unter Dirigierung des Predigers! — andere mehrere aus der Gemeinde, welche von Gott mit ziemlicher Erkenntnis begabet oder in derselben zuzu­ nehmen begierig sind, zusammenkämen, die heüige Schrift vor sich nähmen, daraus öffentlich läsen und über jegliche Stelle derselben von dem einfältigem Verstand und, was in jeglichem zu allerhand unserer Erbauung dienlich wäre, brüderlich sich unterredeten: Wo sowohl jeglichem, welcher die Sache nicht genugsam verstünde, seine Zweifel vorzutragen und deren Erläuterung zu be­ gehren als denjenigen, die nunmehr weiter gekommen, samt den Predigern ihren Verstand, den sie bei jedem Ort hätten, beizubringen erlaubt; was jeg­ licher vorgebracht, wie es der Meinung des Heiligen Geistes in der Schrift 198

gemäß sei, von den übrigen, sonderlich den berufenen Lehrern, examinieret und die ganze Versammlung erbauet würde“ *). Zu Philipp Jakob Spener hatte gerade in der ersten Zeit jener Frankfurter privaten Erbauungsstunden der nachmalige Prediger an der Nürnberger Frauenkirche, Tobias Winkler, unmittelbare Beziehungen. Trotzdem geht die Einführung der ersten Bibelstunden in Nürnberg nicht auf Winkler zurück. Diese gerieten nämlich sehr rasch in ein ganz besonderes Licht. Sie wurden das Kennzeichen einer damals lebhaft um sich greifenden religiösen Be­ wegung, des Pietismus. Dieser hatte in seiner außerordentlichen Vielgestalt anfangs fast mehr kirchenzerstörende als kirchenfördernde Kräfte in sich. Er wurde deshalb leidenschaftlich umstritten. Deshalb jedenfalls unterließ Winkler die Einführung der von ihm als wertvoll erkannten kirchlichen Neueinrichtung. Die privaten Erbauungsstunden in Nürnberg entstanden vielmehr erst durch Anregungen aus Halle. Dorthin hatte sie Speners Schüler, August Hermann Francke, verpflanzt; dort blühten sie in enger Verbindung mit seinem nachmals zu den großen Franckeschen Stiftungen ausgewachsenen Waisenhaus. Gleich­ zeitige Briefe der Hauptbeteiligten zeigen uns eingehend und anschaulich, wie sie nach Nürnberg kamen 2). Der Pfarrer Ambrosius Wirth3) in Eschenau bei Nürnberg war dort wegen seiner strengen Abendmahlszucht und seines Eifems um die Sonntagsheiligung seines Dienstes enthoben worden. Als er 1694 in Nürnberg wieder Anstellung fand — seit 1697 als Sudenprediger (= Spitalgedstlicher) —, hielt er am Sonn­ tagnachmittag in seiner Familie eine besondere Hausandacht, zu der sich bald auch in zunehmender Zahl Bekannte einfanden. Daneben kamen — unabhängig davon — bei dem Tuchmacher und Zuchthausverwalter Samuel Schöps 4), der seit 1696 ein Freund der Arbeiten August Hermann Franckes in Halle war, einige von dessen Freunden zusammen. Dazu gehörte besonders der Schreiner Johann Joachim Simmers5). Bald nahm daran auch Wirth regelmäßig teil. Doch wurde hier keine eigentliche Bibelstunde gehalten. Man sang und las vor. Im Jahr 1700 zogen nun — angeregt durch neue Berichte über das Hallische Waisenhaus — zwei Tuchmachergesellen dorthin zu A. H. Francke. Als sie wie­ der zurückkamen, erzählten sie von ihren Erlebnissen mit solcher Begeisterung, daß Pfarrer Wirth seine Kappe vom Haupt nahm, sie hinschmiß und sagte: „Pfui, der Schande, was sind wir dagegen? Wann wollen wir anfangen unseren Hochmut und Pracht unter unsere Füße zu treten? Es ist nichts mit uns, es muß anders mit uns werden!‘‘ So kamen die Zusammenkünfte bei Schöps zu noch stärkerem Leben. Vor allem führte Wirth nun das gemeinsame Gebet ein. Man kam regelmäßig montags und samstags zusammen. Die Montagsversammlung wurde aber bald in das Haus Wirths verlegt, während die Samstagsversamm­ lung anfangs wechselte, dann bei Schöps stattfand. Wirth war nun ein gebore­ ner Katechet. Er verwendete sogleich ein besonderes Verfahren. Er verlangte, daß die Teilnehmer an seinen Bibelstunden schon etwas mitbrächten; denn — pflegte er zu sagen — „Wer viel mifbringt in diese Versammlung, der bringt auch viel mit nach Hause.“ So sagte er vorher an, was er behandeln wolle. Außerdem schrieb er die dabei vor allem in Frage kommenden Bibelstellen auf Zettel, die er den Einzelnen, die dann darüber berichten sollten, mit heim gab 6). Daneben schrieb er zu diesem Zweck ein „Büchlein von den vornehmsten Gaben und Wohltaten Gottes“. 199

Bei Schöps wurde zuerst Arnolds „Abbildung des ersten Christen“ 7) und dann auf Anregung des Predigers Wülfert, dessen Tochter daran teilnahm, Arndts „Wahres Christentum4* gelesen8). Schließlich ging man aber noch im Jahre 1700 sowohl in der bei Wirth als in der bei Schöps stattfindenden Stunde zur fortlaufenden Behandlung biblischer Bücher über. Auch dabei machte Wirth seine katechetische Begabung fruchtbar. Er ließ dazu Handbüchlein drucken so­ wohl für das Matthäusevangelium, das bei ihm, als für den Römerbrief, der bei Schöps besprochen wurde. Leider ist keines davon erhalten. Schon der Be­ treuer seines Nachlasses, Diakonus Hirsch, wußte nichts mehr davon. Wir kön­ nen uns ihre Gestalt aber aus den später, z. T. erst nach dem Tod Wirths er­ schienenen Auslegungen biblischer Bücher (der vier Evangelien 1721, der Apostelgeschichte und des Römerbriefes 1724) denken. Wirth stellte dabei zu dem ganzen Bibelbuch Vers für Vers Fragen, zu denen er dann auch die Ant­ worten schrieb. Wahrscheinlich werden die ersten Handbüchlein lediglich die Fragen enthalten haben. Für diese Erbauungsstunden stellte Wirth besondere Satzungen auf, die von den regelmäßigen Teilnehmern unterschrieben werden mußten 9). Ihre Ein­ zelheiten sind aber nicht bekannt. Der Prediger Feuerlein 10) und der Prediger Böhmeru) wiesen in ihren Predigten empfehlend auf diese Zusammenkünfte hin12). Andere Geistliche, besonders Prediger Myhldorf13), sprachen dagegen. Deshalb veranlaßte der Rat eine Untersuchung. Dann forderte er Ende 1700 Gutachten der Prediger ein. Erhalten ist davon (in einem Entwurf) das Gut­ achten des Predigers Winkler von der Frauenkirche14). Tobias Winkler15) wurde am 31. Juli 1648 als Sohn des Kaufherrn Bene­ dikt Winkler und der Maria Magdalena geborenen Peiler von Schoppershof — Martin Peiler, der sich das großartige Peilerhaus am Egidienberg erbaut hatte, war ihr Großvater — geboren. Der Vater entstammte einem reichen Leipziger, ursprünglich aus Salzwedel gekommenen KaufmannsgeschlechtJ*), das auch einige Rittergüter in Sachsen besaß. Bei der Renovierung der Sebalduskirche stiftete er 1657 zur Herstellung einer neuen Kanzel 2800 fl.17). 1665 ging Tobias als Student nach Leipzig, wo er 1666 Magister wurde, und dann nach Altdorf. Dort wurde ihm am 16. Okt. 1668 durch Unvorsichtigkeit von einem sonst guten Freund das rechte Auge ausgeschlagen. 1669 kehrte er zu seinem Vater — seine Mutter war 1661 verstorben 18) —, der in der Zwischen­ zeit nach Augsburg verzogen war, heim und verkehrte dort viel bei dem Pre­ diger Theophil Spitzel19). 1671 zog er als Student nach Straßburg, 1673 über Frankfurt, wo er mit Spener bekannt wurde, nach Leipzig und dann nach Ham­ burg, um hier vor allem noch orientalische Sprachen zu studieren. Durch Speners Vermittlung wurde er Hof- und Gesandtschaftsprediger bei der schwe­ dischen Gesandtschaft in Köln 20), wozu ihn Spener in Frankfurt ordinierte. Mit der schwedischen Gesandtschaft siedelte er dann nach Paris über und kehrte 1678 über Holland nach Deutschland zurück. Dabei versah er 6 Monate in Amsterdam die Stelle eines Predigers bei der deutschen Gemeinde. 1680 wurde er Diakonus und 1683 Prediger an der Frauenkirche in Nürnberg. 1696 verlor er auch auf seinem noch vorhandenen linken Auge das Gesicht, sodaß er nun völlig blind war. 1681 verheiratete er sich mit der Marktadjunktentochter Anna Katharina Matt21), die ihm im ganzen 14 Kinder schenkte. Davon überlebten ihn, als er 1720 starb, 8 Söhne und 2 Töchter. Von den Söhnen wurden 6 Kauf­ leute, einer ein beliebter Arzt in Nürnberg22) und einer Hofmeister. Seine Witwe starb 1734 23). Veröffentlicht hat er außer einigen Kleinigkeiten nichts. 200

Das Gutachten Winkler, das neben dem Grundsätzlichen auch wertvolle Einzelheiten, besonders auch zur Vorgeschichte bringt, hat folgenden Wort­ laut 24): „Daß E. H. R. (= Ein Hochedler Rat) von diesen in der Stadt ungleich beschrieenen und von zwei hiesigen Diaconis allbereit von öffentlicher Kanzel angetasteten Zusammenkünften einige Information eingezogen, ist nicht nur billig, sondern auch nach bewandten Sachen höchst nötig gewesen, und dahero E. H. R. vor so treuväterliche Sorge vor hiesiges Kirchenwesen gehorsam Dank abzustatten. Die Privatversammlungen als insgemein betreffend, so sind dieselben so gar nicht wider Gottes Wort, daß sie vielmehr darin deutlich genug gegründet und mit dem Exempel des Apostels Paulus zu Epheso bewährt sind; denn Act. 20, 20 sagt dieser Apostel zu den Ältesten von Epheso, er habe sie gelehrt öffentlich und sonderlich, da darin aus dem vorhergehenden Capitul klar ist, daß die öffentlichen Versammlungen in der Schule eines, der Tyrannus geheißen, gehalten worden, wogegen aber Lutherus deutsch gegebenes „sonderlich“ heißet dem Griechischen nach „in den Häusern“, und ist leicht zu erachten, daß Paulus in einer so großen Stadt und volkreichen Gemeinde nicht eben jeden absonder­ lich in seinem Haus werde gesucht haben, sondern es werden die Apostel hin und wieder in den Häusern, wo etwa Gelegenheit dazu gewesen, mehrere Per­ sonen oder auch Familien zusammenberufen haben, da er diejenigen, welche noch nicht so viel Erkenntnis gehabt, daß sie ihn in der öffentlichen und großen Versammlung mit Nutzen hätte hören können, ferner unterrichtet und ihnen ohne Zweifel Gelegenheit gegeben, durch Fragen und Antworten sich zu erbauen. Denn diese Art zu unterrichten, welche mit dem griechischen Wort Catechismo bedeutet und in der Kirche Gottes eingeführt ist, ist wohl die allerbequemste und nützlichste, weil man darin findet, wie die Zuhörer die Lehrer verstanden, wie er sich ihnen gefaßter in seinem Leben und Wandel appliciere, wo es ihnen noch fehle und wie ihnen etwann weiter zu helfen. Welches man bei der öffentlichen Predigt, so sehr man sich auch befleißet, unmöglich ausrichten kann. Denn der Lehrer, so deutlich er sich zu reden befleißigt, kann doch nimmermehr wissen, ob er auch so gefaßt worden von denen, die ihn hören, und so zeigt leider die Erfahrung nur gar zu deutlich, daß in vielen guten Predigten mancher Zuhörer sich den Trost appliciert, der ihm am allerwenigsten zukommt, herentgegen die Correction auf einen anderen deutet, die ihn doch wohl am allermeisten betrifft, den Unterricht aber als etwas schon Bekanntes vorbeistreichen läßt, da er doch dessen keineswegs entbehren kann. Nun sind zwar diesem Inconvenienti zu begegnen, so viel Catechismi, Kinderlehren und andere Büchlein von den Grundlehren und Pflichten des Christentums geschrieben, daß man sagen kann, es sei Vielleicht auch darinnen mehr über die Menge als über den Mangel zu klagen. Allein haben die, so Catechismos geschrieben, dergleichen Zusammenkünfte damit nicht stören oder aufheben, sondern nur eine Anleitung geben wollen, wie man in Frage und Antwort von den Lehrstücken und Pflichten des Christentums mit den Unwissenden handeln soll, es sei, daß man die zarte Jugend zu Kenntnis oder in der Versammlung zur Gottseligkeit anweisen oder diejenigen, so durch Versäumnis in ihrer Jugend zurückgeblieben oder auch durch Verführung um die schon gehabte Erkenntnis wieder sein gebracht worden, zu Recht bringen wolle, damit sie auch nicht nur das lernen, was ihnen für sie selbst nötig ist, 201

sondern auch geschickt werden, als Hausväter ihren Kindern und Geslinde den Catechismum fürzutragen, wie es unser seliger Lutherus in der Überschrift eines jeden Stücks des Catechismi ausdrücklich erfordert. Nun sind bei diesen bösen letzten Zeiten die Klagen über das verdorbene und verfallene Christentum nicht nur in so vielen guten Büchern am Tage, sondern es redet die ganze Welt, fromme und böse, einhellig davon und klagt darüber, ist auch unstreitig, daß eine der größten Ursachen die blinde Unwissenheit ist, daß die Jugend zwar den Catechismus auswendig lernt und ohne Verstand dahersagt, aber sich nicht weiß zu üben, daß sie den Glauben in ihren Herzen prüfen, ihr Leben nach Gottes Wort einrichten, sich im Kreuze trösten, zu einem seligen Ende bereiten und dem Nächsten die allemötigste und nützlichste Pflicht, die Liebe, erweisen und den Sünder durch Warnung vor Gottes Zorn bekehren könnte. Vielmehr geht man in einer leeren Einbildung des Glaubens und Erkenntnis daher und vermeinet, wenn man getauft sei, zur Kirche, Beichte und Abendmahl gehe, so sei man schon ein Christ, ob man gleich nicht frömmer werde als die Welt, der man sich gleich stellet, ob man gleich in öffentlichen Sünden fortlebe und mit unchristlichem Wandel die christliche Bekanntnis aufs Greulichste verlästert. Da ist bei solchen Leuten weder Verleugnung seiner selbst noch Kreuzigung des Fleisches noch Erkenntnis unserer Verderbnis und folglich auch kein Dank gegen Gott, der uns die Erlösung durch Jesum Christum gegeben hat. Diesem jämmerlichen Zustand so vieler armen Seelen zu helfen, hat mancher gottselige Theologe in unserer evangelischen Kirche und unter denen in Sonder­ heit der berühmte Herr D. Spener seit etzlichen und 30 Jahren das alte paulinisdie Mittel hervorgesucht und neben den öffentlichen Versammlungen solche Privatübungen vor diejenigen angerichtet, denen ihr Gewissen sagt, daß es ihnen noch fehle, und die den Willen und das Vertrauen gehabt, sich dadurch helfen zu lassen. Herrn D. Speners unermüdeten Fleiß und Eifer hat Gott der Herr mit reichem Segen beglücket und ist der Nutzen solcher Arbeit so groß und berühmt worden, daß ehmals der kaiserliche Gesandte zu den 20jährigen Stillstandstraktaten 25), Herr Graf von Hosenberg, sich selbst zum öfteren dabei eingefunden und sehr rühmlich davon geurteilt, und wird diese Übung Herrn D. Speners von seinem Nachfolger, Herrn D. Arculario26), meines Wissens in Frankfurt noch gegenwärtig fortgesetzt. Ich habe bei meiner Durchreis zu Frankfurt A. 1673 um Ostern und hernach im November selbigen Jahres, als ich wegen meiner Ordination und einiger anderer Ursachen daselbsten etliche Wochen bleiben müssen, diese des Herrn D. Speners collegia pietatis auch besucht und von solchem Nutzen befunden, daß ich längst wünschete, der­ gleichen Gelegenheit zu haben, Gott in meinem Amt zu dienen. Welches ich auch mehrmal auf der Kanzel zu erkennen gegeben, wie wohl bis dahin ohne Succeß, nämlich bis mich vor wenigen Wochen etliche christliche Herzen ersuchet, ihnen wöchentlich eine Zusammenkunft bei mir zu vergönnen, darinnen man von Gottes Wort und der Erbauung des Christentums miteinander reden mögte, welches ich ihnen zu verweigern bei meinem Gewissen unverantwortlich befunden, zumal nachdem sie in alle conditiones eingewilligt, welche ich zu Beibehaltung guter Ordnung und Vermeidung aller Ungebühr ihnen vor­ geschrieben. Daher sie sich nun etliche Male des Montags bei mir eingefunden und diese christliche Übung erhoffentlich nicht ohne Erbauung betrieben haben. In Augsburg hat der Herr Spizelius 27), in Hamburg Herr D. Horb28), in Leipzig 202

Herr M. Schad29) sei. und andere an anderen Orten dergleichen Collegia auch und mit sehr gutem Succeß gehalten. Und wie wohl es an den nicht gemangelt, die sich dawider gesetzt, so haben jedoch allezeit die fürtrefflichen Theologi ihnen das Wort geredet und gezeuget, daß, so ja hin und wieder einige Fehler (wie im menschlichen Leben nirgends daran fehlet) mit eingeschlichen, so sei doch das Werk an sich selbst nützlich und gut und das Kind mit dem Bad nicht auszuschütten. In hiesiger Stadt ist dergleichen vor mehr als 20 Jahren durch Herrn Greff sei.30) mit der Jugend angefangen worden, ohne daß sich jemand deshalb einiges Abgangs oder Schadens vor die öffentliche Kinderlehre besorgt oder Herrn Greffen einiges Eingriffes in das jus episcopale Eines Hochedlen Rates beschuldigt hätte; vielmehr hat sein gutes Exempel unterschiedliche andere gereizet, dergleichen zu tun, deren ein Teil im Herrn entschlafen, der andere Gott sei Dank ihre Arbeit mit Nutzen der Kirche noch immer fortsetzen. Unter diesen ist der fromme Herr Ambrosius Wirth, bei dessen Kinderlehren sich einige Erwachsene eingefunden, den Nutzen davon gesehen und dahero verlangt haben, desselbigen mitteilhaftig zu werden. Wie nun billig diejenigen so ungleich und unterschiedlich sind in der Erkenntnis, auch auf unterschiedene Weise zu traktieren sind und ihrer mehr, als in einer bestimmten Zeit versehen werden können, nichts als Unordnung und Hindernis verursachen werden, so kann ich nicht sehen, warum Herr Wirth sich hätte weigern sollen, denjenigen zu dienen, die sich durch ihn zu erbauen verlangt haben. Es ist vielmehr lob­ würdig, daß er nebenst den Kindern, die ihm zum Unterricht anvertraut werden, nebenst seinen Pfründnerinnen, unter denen er auch dergleichen Katechismusülbungen mit oberherrlichem Consens eingeführt, auch diese Schule der Gottseligkeit auftun und seine Treue und Fleiß darinnen beweisen wollen. Er ist zu mir, um mich wegen der Sache zu fragen, im Ausgang des verwichenen Septembris und Anfang Octobris (denn ich mich der Zeit so präcise nicht erinnern kann) gekommen und hatte er dazumal Gottfried Arnolds „Erstes Christentum“ 31) allbereit weggetan und das Evangelium Matthäi zu erklären angefangen und, nachdem er mir den modum procedendi wies, wie er in der oberherrlichen überschickten Aussage beschrieben wird, erzählet, habe ich ihm gesagt, daß ich die Sache selbst für gut hielte; jedoch erinnerte ich, weil er dazumal fast alle, die in die Versammlung kamen, beten ließ, er möchte Zusehen, daß davon nicht Unordnung käme und, indem einer oder der andere mit vorher studierten Worten aufgezogen käme, nicht etwann Ärgernis anstatt der Er­ bauung angerichtet würde, riet ich ihme, doch nur einen oder zwei bei einer Versammlung beten zu lassen, weil man ja den Geist, der ein Geist ist der Gnade und des Gebets (1. Thess. 5, 19; Sach. 12, 10), nicht dämpfen solle. Ferner erinnerte ich ihn, er solle sich vorsehen, durch nächtliche Zeit der Zusammen­ kunft nicht Gelegenheit zu geben, zu lästern oder sich etwann in ein Mißtrauen zu setzen, als ob er ein gutes Werk darum heimlich hielte, weil er andere dafür ansehe, daß sie es hintertreiben würden. Ich erinnerte auch, daß es nicht nach der Regel und alten Gewohnheit der Kirche wäre, daß Fremde in einem solchen Ort, wo allbereit ein bestelltes Kirchenamt ist, zu lehren auftreten, ehe denn sie sich bei dem Kirchenamt solchen Orts angemeldet und ihres Glaubensbekenntnis, Lehre und Vorhabens halben sich genugsam legitimiert. Da denn Herr Wirth das Erste wegen des Gebets zu ändern versprochen, wegen der Zeit gemeldet, daß er nach der Vesperpredigt (um keinen öffentlichen 203

Gottesdienst einzugreifen) anfange und erst vor 2 Uhr der Großem32) nicht wohl endigen könne; doch soll dieses mit wachsendem Tag auch seine abhelfliche Maße haben. Was ich wegen der Fremden erinnert, bekannte er irregulär zu sein, und gedachte, es würde auch darinnen hinfüro Fürsehung geschehen. Da aber nun in denen Aussagen ein und anderes deutlicher und mit mehreren zu ersehen ist, so meine ich meines wenigen Orts, es sei 1. Eines Hochedlen Rates juri episcopali keineswegs zu nahe getreten, obgleich Herr Wirt solche Versammlung absque autoritate magistratus an­ gefangen. Ein Kirchendiener ist als ein solcher und als ein Christ nicht allein seines Nächsten Erbauung nach Möglichkeit zu befördern schuldig und hat nicht eben bei jeder Gelegenheit, die sich ereignet, speziale Erlaubnis zu bitten, sein Amt zu tun; nur daß er sacra publica und andere guten Gesetze und Ordnung nicht über den Haufen werfe. Ich weiß, daß zu der Zeit, da ich in Leipzig studieret, 2 oder 3 Collegia concionatoria, ein sogenanntes Collegium conferentium und ein anderes unter dem Namen Collegium Galliani gehalten worden, da nicht eben in allen Professores präsidiert oder doziert, sondern feine gelehrte Studiosi sich untereinander selbst exerziert. Das hat die Academie niemals als einen Eingriff in ihre Jura angesehen oder zu solchen Sachen besondere Erlaubnis zu nehmen, jemand angehalten. Warum sollte die Kirche dergleichen von den Ihrigen verlangen, zumalen, da es Paulus ausdrücklich befohlen, wann er Hebräer 10, 25 erinnert, die öffentliche Versammlung zwar nicht zu verlassen, aber dabei sich untereinander zu vergönnen usw., wozu die vorhergehenden Wort des 24. Verses gehören: „Laßt uns untereinander selbst wahrnehmen, mit Reizen zur Liebe und guten Werken“?. In Nürnberg ist bekannt, daß in hiesiger Stadt mehrere Gesellschaften sind, welche täglich, wöchentlich oder monatlich sich zusammenfinden, Mahlzeiten oder ein Gespräch zu halten oder sich auf andere Weise zu ergötzen, dabei es vielleicht zum öfteren an sündigem Wesen nicht fehlen mag, und müßte unsere Zeit wohl recht unglücklich sein, wenn die Eitelkeit dieses Recht haben und ungehindert behaupten, die Gottseligkeit aber darum flehen und es zu verlieren in Gefahr stehen sollte. 2. Hat Herr Wirth wohlgetan, daß er gewisse Ordnungsgesetze vor diese Versammlung gemacht und dieselben öfters ablesen läßt, um so einschleichenden Mißbräuchen zu wehren. Billig hat er die fleißige Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes und den Respect gegen die Obrigkeit von den Seinen erfordert und wäre vielleicht gut, daß man diese Statuta oder Ordnungen schriftlich von ihme forderte und einigen der Sache Verständigen die Incumbenz gäbe, auf Gutbefinden ein und anders Nötiges beizurücken, wie denn in Sonderheit wohl zu recommendieren sein mag, daß bei der gleichen Versammlung kein anderes Buch als die Bibel oder solche Schriften geistreicher Männer, welche in der evangelischen Kirche unstreitig approbiert sind, möchte gelesen werden. 3. Die Art zu beten, da ihrer etliche nacheinander beten, auch das Singen, da man einen oder anderen Vers mehrmalen wiederholt, möchte nicht allen gefallen, jedoch von denen zu dulden sein, die ihre Andacht darinnen vergnügt finden und sich deswegen wohl miteinander verstehen. 4. Daß ein jeglicher seine Gedanken über einen Spruch Heiliger Schrift sagt, um sich und seine Nächsten zu erbauen, ist der apostolischen Vermahnung gemäß. 1. Kor. 14, 1 befiehlt, daß wir uns unter den geistlichen Gaben des 204

Weissagens, d. i. die Schrift auszulegen, am meisten befleißigen sollen, welches denn nicht allein denen Lehrern, sondern auch denen Zuhörern, wann ihre Haus­ kirche wohlbestellt sein soll, einzuschärfen ist. Nur daß die Weissagungen dem Glauben ähnlich sei und keine fürwitzige Fragen oder solche, die nur Zank gebären, aufkommen, welches Herr Wirth gar fleißig soll erwähnt haben. 5. Daß einige Frauen in der Versammlung geredet oder, wie es andere Vor­ bringen, gefragt, wäre besser nachgeblieben und möchte ins künftige zu ver­ meiden erinnert werden. Pauli Befehl ist (1. Kor. 14, 34): „Ein Weib laßt schweigen in der Gemeine; denn es soll nicht zugelassen werden, daß sie reden, sondern untertan sein, wie auch das Gesetz sagt; wollen sie aber etwas lernen, so laßt sie daheim ihre Männer fragen; es steht den Weibern übel an, unter den Gemeinen zu reden.“ 6. Was die Anzahl der Versammelten betrifft, vermeinte ich nötig zu sein, Herrn Wirth zu erinnern, er soll ihn (so!) nicht allzu hoch anwachsen lassen. Denn es sonst ebenso wie in öffentlichen Versammlungen gehen und ihrer viel bloß hören werden müssen, ohne selbst zu reden, zu fragen oder nach Bedürfnis unterrichtet zu werden. Zudem werden wohl sich in einer großen Menge viel eher Spötter und solche Leute mit einschleichen,* die mehr Unordnung und Ärgernis als Gutes mit anrichten. 7. Ware allerdings zu verfügen, daß ohne Gegenwart eines ordentlichen Kirchendieners aus hiesigem Mindsterio keine Versammlung gehalten würde, damit sich nicht Schleicher und Winkelprediger eindringen und Unordnung und Zerrüttung anrichten, und weil neben Herrn Wirths Behausung auch bei einem Tuchmacher Sam. Scheps, bei einem Salzburger83), bei einem Schreiner84) in der Lorenzgasse und bei Paul Deberich35) eine dergleiche Zusammenkunft?e), so möchte zu fragen sein, ob Herr Wirth gewöhnlich dabei sei oder ob sie außer ihn allein Zusammenkommen, worauf sie, dm Fall das geschehen sein möchte, abzumahnen wären. 8. Was denjenigen belangt, der von Böhmes Schrift mit Herrn Zeltner geredet, so ist es eine verdeckte Sach, und so lang man nicht weiß, wer die Bücher recommendlert, so ist nichts Gründliches zu sagen. Herrn Wirth möchte anzusagen sein, daß er vor solchen Büchern, die viel Streit verursachen, die Seinigen warnen und zur Heiligen Schrift und anderen guten Büchern ver­ weisen sollte. 9. Was die Rede betrifft, daß einer sagt, es sei ihm eine solche Versamm­ lung lieber als 10 Predigten, so müßte man die Person wissen, ob sie es aus Einfalt und guter Meinung oder aus einem verkehrten Sinn und eitler Einbildung gesagt hätte, um davon zu judizieren. Herrn Wirths Ordnung und seine Rede lautet von Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes gar anders. 10. Endlich möchte diesen Leuten sämtlich durch Herrn Wirth bedeutet werden, daß man Fremde, wann man von deren Glauben und Religion gründ­ liche Nachricht hat, in solche Versammlung wohl führen möge, das Amt aber zu lehren ihnen nicht eigenmächtig aufzutragen haben. Wann Herr D. Frank37) mit ihnen korrespondierte und guten Rat gibt, wird es wohl nicht zu verargen sein. Sie haben sich aber fürgesehen, daß sie keine Spaltung oder Schein derselbigen verursachen und im übrigen die heutiges Tags in unseren Kirchen hergebrachte Ordnung nicht kränken, da keiner in ein fremdes Amt zu greifen oder um solche Zuhörer, die seiner Seelsorge nicht anvertraut sind, sich mit 205

Amtsverrichtungen anzunehmen haben. Paulus selbst hat sich in der jüdischen Schule zu Antiochia in Fisidia eingefunden, Christus zu predigen; doch wartete er mit seiner Rede, bis ihm die Schulobersten dazu Erlaubnis gaben; wieviel mehr soll dergleichen unter evangelischen Christen beobachtet werden? Dieses ist dasjenige, was ich nach meiner Wenigkeit bei diesem Werk zu erinnern nötig finden könne, und glaube ich, es sollte die Kirche Gottes durch dergleichen Gesellschaft, wann sich denn mehr in nicht allzu großer Anzahl bei einem und anderen Kirchendiener freiwillig versammelt, (denn niemand ist dazu genötigt) nicht wenig erbaut werden. Zumal wenn Ein Hochedler Rat sich wollte gefallen lassen, einen gründlichen Bericht von der ganzen Sache dem Ministerio zu erteilen, diejenigen so das Werk von der Kanzel angetastet, von fernerem, übereiltem Urteil abzumahnen und hergegen anderen aufzutragen, daß sie bei ereignender füglicher Gelegenheit den Ungrund vieler falscher Aussprengungen der Gemeine deutlich zeigten und also dem Ärgernis und übelen Verachten unter der Bürgerschaft so viel möglich abhülfen. Gott aber, der Allerhöchste, wolle E. H. E. R. heilsame Anschläge zu seiner Kirche Bestem und Aufnehmen gnädiglich segnen, damit sie an frommen Christen und gehorsamen Untertanen ihres Herzens Freude dermal einst erlangen möge. d. 20. Jan. A°. 1701.“ Der Rat schloß sich diesem Gutachten vollständig an. Es ist daher anzu­ nehmen, daß die übrigen Gutachten wenigstens nicht in ihrer Mehrheit grund­ sätzlich und scharf anders gelautet haben werden. Er verfügte unter dem 4. Februar 1701: „Die sämtlichen Herren Prediger WohlEhrwürden soll man ersuchen, bei denen Herren Diaconis es dahin zu veranstalten, daß selbige künftig auf den Kanzeln von der die allhie angestellten conventicula betreffenden Materi gänz­ lich abstrahiren und vielmehr den oberherrlichen Verfügungen gebührend abwarten sollen“ 38). Schon bevor Winkler dieses Gutachten abgab, hatte er die Erbauungs­ stunde in seinem Haus — er wohnte in der Judengasse — begonnen und aus­ gebaut. Er gab ihr nach Wirths Vorgang eine feste Ordnung durch Satzungen S9). Die Teilnehmer mußten sich zur Augsburger Konfession bekennen und die öffentlichen Gottesdienste besuchen. Die Zusammenkunft findet montags um y25 Uhr statt. In ihr wird ein neutestamentliches Buch oder die Augsburger Konfession besprochen. Dazu halten die Mitglieder in einer erstmals durch das Los bestimmten Reihenfolge eine Einleitung von höchstens K Stunde. Dann sagen die Teilnehmer der Sitzordnung nach ihre Meinung. Der Kirchenlehre widersprechende Meinungen sollen abgelehnt, ihre Vertreter ausgeschlossen werden. Am Schluß jeder Stunden werden Text und Referent der nächsten Stunde bestimmt. Konfirmierte Hausgenossen und Gäste, die des gleichen Glaubens sind, dürfen sich beteiligen. Frauen dürfen nur fragen, nicht aber lehren. Uber jede Versammlung diktiert der Prediger ein Protokoll. Die Teil­ nehmer sollen sich gegenseitig in brüderlicher Liebe geistlich zu fördern suchen. Fragen können vorgebracht werden, doch nur solche religiöser Art. Bespre­ chungen anderer Art sind überhaupt ausgeschlossen. Uber im Amt stehende Geistliche oder über Gemeindeglieder, die an diesen Versammlungen nicht teilnehmen, soll ja nicht übel geurteilt werden. Wer überhaupt ausscheiden oder zu einer anderen Erbauungsstunde übergehen wolle, darf daran nicht gehindert werden. 206

Das erste dieser so zustande gekommenen Protokollbücher ist uns erhalten40). Allerdings liegt es anscheinend nicht im Original vor, sondern in gleichzeitiger Abschrift. Die erste Versammlung, die eingetragen ist, fand am 10. Januar 1701 statt41). Das in Halbpergament gebundene Buch enthält auf 1386 sehr sauber geschriebenen Quartseiten die Niederschriften von 84 Bibelstunden über den Epheserbrief und läuft vom 10. Januar 1701 bis zum 23. Oktober 1702. Auf die einzelne Stunde fallen also fast 17 Seiten. Allerdings sind die Protokolle nicht alle gleich lang. Die Länge nimmt im allgemeinen zu. Wer das Protokoll geschrieben hat, ist ebenso wenig bekannt, wie wer überhaupt an den Stunden teilgenommen und wer im besonderen die einzelnen Einleitungen gehalten hat. Daraus, daß diese Einleitungen verhältnismäßig gleichen Geist und Gehalt zeigen, möchte man fast annehmen, daß entgegen der Satzung nicht gewechselt wurde, sondern daß sie von dem gleichen Mann gehalten wurden. Ihrem Inhalt nach ist es auch nicht wahrscheinlich, daß sie von einem anderen Mann als von einem Theologen mit sehr gediegener Bildung stammt. Als solcher kommt nur Winkler in Frage. Die Bibelstunden werden also abweichend von den Satzungen nicht abwechselnd von den verschiedenen Teilnehmern, sondern nur von Winkler selbst gehalten worden sein. Dafür spricht noch ein anderer Umstand. Nach der Satzung sollte die Einleitung nur Yx Stunde dauern, worauf die verschiedenen Teilnehmer ihre Meinung äußern sollten. Nach den Proto­ kollen besteht aber jede Bibelstunde aus 3 Teilen: 1. Fortlaufende Erklärung. 2. Zusammenfassende Lehren. 3. Fragen. Der erste Teil muß von einem Mann stammen. Die Lehren könnten Beiträge der einzelnen Teilnehmer darstellen. Doch ist es bei ihrem ganzen Aufbau ebenfalls wahrscheinlich, daß sie von einem Mann und ziwar von dem, der zunächst die Auslegung gegeben hat, herrühren. Die Beteiligung der Teilnehmer scheint also auf den 3. Teil — die Fragen und ihre Beantwortung — beschränkt worden zu sein. Auch bei Abfassung der Protokolle liegt eine Abweichung von der Satzung vor. Sie können unmöglich von dem blinden Prediger Winkler diktiert worden sein. Sie sind so eingehend und bringen so viele Schriftstellenzitate, daß die Abfassung solcher Protokolle ohne genaue Niederschrift unvorstellbar ist. Aus diesen Protokollen ergibt sich z. B., daß am 14. März, am 18. Juli 1701 und am 20. März und 3. Juli 1702 keine Bibelstunden gehalten, sondern nur die Ordnung verlesen und in Erinnerung gebracht wurden. Am 27. März und am 10. Juli 1702 wurde je ein Artikel der Augsburger Konfession (3, Vom Sohn Gottes und 4, von der Rechtfertigung) behandelt. Vom 25. Juli bis zum 12. Sep­ tember 1701 fielen die Stunden wegen Winklers Krankheit aus. (Winkler erlitt am 1. August einen Schlaganfall, an dem er 17 volle Tage bewußtlos darnieder­ lag, ohne Nahrung zu sich nehmen zu können.)42) Wie es in diesen Bibelstunden zuging, zeigt am besten der Auszug aus dieser Niederschrift, etwa der über die 7. Bibelstunde über die Worte „Daß er (— der Ratschlag Gottes) ausgeführt würde, wenn die Zeit erfüllt wäre, auf daß alle Dinge zusammengefaßt würden unter einem Haupt in Christus, alles, was im Himmel und auf Erden ist“. (Eph. 1, 10.) 207

„Von dem 10. Vers des 1. Kapitels wurde am 21. Februar gehandelt, der am vorhergehenden ungetrennt hängt, indem er von der Offenbarung desselbigen Geheimnisses redet, davon im vorhergehenden Vers Meldung geschehen war. Lutheri Wort lautet: daß er gepredigt würde, da die Zeit erfüllt war und nach dem Griechischen: zur Ausspendung der Fülle der Zeit, da dann das Wort oixovo/iila, von der Haushaltung genommen und den Verstand hat, daß gewisse Dinge so verteilet werden, daß einem jeglichen seine Gebühr zur rechten Zeit, an seinem Ort und in seinem Maße widerfahre. Und weil unser Heiland selbst die Lehrer Knechte Gottes nennt, welche er über sein Gesind gesetzt hat, daß sie ihnen Speise geben zur rechten Zeit, auch Paulus sie Diener und Haushalter nennt über Gottes Geheimnis, die er ermahnet, das Wort der Wahrheit recht zu teilen, so ist Lutheri Übersetzung durch das Wort predigen, die er sowohl hier als Kol. 1 gebraucht hat, nicht zu tadeln. Dann gleich wie Gott, der Herr, die Zeiten ausgeteilet und die Menschen vor dem mosaischen Gesetz unter demselbigen durch solche Lehrer und Prediger versorgen und unterrichten lassen, wie es einer jeglichen Zeit Umstände und Gelegenheit gefordert habe, sodaß eine jegliche Zeit ihre gewisse Maß der Gnaden gehabt, also hat er die Verordnung und Verfügung getan, daß in denen letzten Zeiten das Ge­ heimnis des Evangelii zur völligen Erkennung seines gnädigen Willens auf aller Menschen Seligkeit gepredigt wurde. In den vorigen Zeiten hatte er alle Heiden ihre Wege wandeln lassen und die Zeit der Unwissenheit übersehen. Zuletzt aber gebot er allen Menschen an allen Enden Buße zu tun. Die Zeit war erfüllet, wie sich Paulus selbst erklärt (Gal. 4), daß Gott seinen Sohn sandte, geboren von einem Weibe etc. Und ist also die Fülle der Zeit nichts anderes als die von Gott bestimmten Tage, in welchen die Weis­ sagung alten Testaments zu Ende laufen und ihre Erfüllung erreichen sollte. Also ist nun der Anfang dieser Zeit die erste Weissagung in dem Paradies von des Weibes Samen, welcher der Schlange den Kopf zertreten sollte. Die Fülle aber oder das Ende die Zukunft Christi ins Fleisch, und hat dieser ganze Raum der Zeiten seine besonderen Absätze, als bis auf die Sündflut, bis auf den Bund mit Abraham, auf den Ausgang der Kinder Israels aus Ägypten und den Bund Moses, auf die Zeit der Richter, auf die Zeit Sauls, auf die Zeit Davids, auf die Zeit der Zerteilung des Reiches in Juda und Israel, auf die Babylonischen Gefängnis, auf die Wiederkehr aus derselbigen und endlich auf die Zukunft Christi . . . Es hat aber vor anderen die Zeit der Zukunft des Messiae deutlich be­ zeichnet Jakob in dem Segen Juda (Gen. 49), denn er sagt, es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden etc., und Daniel im 9. Kapitel seiner Weis­ sagung . . . Es wurde auch vorgebracht, ob nicht die Fülle der Zeit darum genennet werde, weil in derselben viel ein Vollkommeneres, als in vorigen Zeiten ge­ schehen, von dem Rat Gottes zu unserer Seligkeit geoffenbart seye, wie dann auch in solcher Absicht, die Zeit des neuen Testaments als die Zeit der Besse­ rung genennet wird (Ebräer 9). Da zwar die Sache selbst richtig befunden, aber an diesem Ort von Paulo eben nicht angedeutet zu sein, erinnert wurde. Die Würkung dieser Predigt beschreibt Paulus in denen folgenden Worten: Daß alle Dinge zusammenverfasset würden etc., da er dann in dem Griechischen das Wort avaxerpaXatovv braucht, welches auf unterschiedene Weise kann ge­ deutet werden. Einmal aus der Rechenkunst, da es einen Zusammentrag .... 208

unterschiedlich gezählter Dinge bedeutet. Nach welchem Verstand alle Menschen in Christo eins und ein Haufen der Gläubigen, eine Herde unter einem Hirten und also eine Kirche worden sind. Wobei noch ein feiner Gedanke angeführt worden, daß alle Menschen an und vor sich selbst nichts und in der Rechnung vor Gott eitel Nullen sind; wenn aber Christus voransteht, so gelten in und durch ihn die an sich erst Nichtigen mit und machen eine Zahl derjenigen, die Gott auserwehlt habe. Die andere Bedeutung ist aus der Redekunst ge­ nommen und heißet einen solchen Schluß der Rede, der alles, was stückweise in Sonderheit gesagt worden, kurz zusammengezogen ... nach welchem Verstand alle vom Himmel gegebene Weissagung samt allen auf Erden geschehenen Vor­ bildern in Christo als dem Ende des Gesetzes zusammenlaufen und ihre Erfüllung erreichen durch ihn selbst und alle seine Werke. Es wurde aber die beste Deutung zu sein gefunden diejenige, da alles zusammenverfassen nach Art des griechischen Wortes so viel heißet als unter ein Haupt bringen, wie etwan ein zerstreuet und auseinander gegangenes Kriegsvolk unter sein Haupt und Obersten wieder zusammengebracht wird, welcher Verstand mit dem Wort Pauli Kol. 1, 16. 19. 20. auch mit der Glossa Lutheri über den Ort der Epistel an die Epheser herrlich überein tritt, ja auch mit dem Wort, welches Johannes 11 stehet: Christus sollte sterben nicht nur für das Volk Israel, sondern auch, daß Er die Kinder Gottes so hin und wieder zerstreuet waren, wieder zuhaus brächte . . . Aus diesem Spruch war die erste Lehre, daß Gottes Gnade und sein gütiger Wille allgemein seie, weil Er Christum gegeben, um alles im Himmel und auf Erden in Ihme und unter Ihme zusammenzubringen . . . Die Dritte, das Gott der HErr eine gewisse Fülle der Zeit zur Ausführung seiner bestimmten Werke verordnet hat. Das soll uns Trost geben in denen trübseligsten Leuften, daß die auch zu Gottes Willen ihre Endschaft erreichen und eine Zeit der Besserung für die Kinder Gottes erfolgen werde . . . Die achte Lehre: Weil wir in diesem Leben albereit in Gemeinschaft derer Himmlischen sind, so sind wir albereit selig, haben uns auch zu trösten, daß uns in dieser Gemeinschaft keine Trübsal übermögen werde, nur daß wir als lebendige Glieder an Christo bleiben und durch den Tod derselben uns nicht wieder von Ihme sondern. Bei Gelegenheit des Segens Jacobs, Gen. 49, wurde gefragt, ob nicht auch zur Zeit der Babylonischen Gefängniß und sonst mehr vor Christi Geburt das Scepter von Juda seye entwendet worden und also diese Weissagung zweifelhaft seye? Hierauf wurde geantwortet, daß das Regiment von Juda zu Zeiten der Babylonischen Gefängniß nicht auf immerdar, sondern nach der ausdrücklichen Weissagung der Propheten auf 70 Jahre entwendet worden, . . . Aus dem Evangelio von der Cananiterin, das tags vorhero erklärt worden war, die Frage: Wann der Messias Juden und Heyden erlösen solle, warum er dann sage: Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel? Die Antwort war, Christus in eigener Personen seye nur zu denen Israeliten gesandt, um ihnen zu predigen und unter ihnen Wunder zu tun . . . Nach seiner Auferstehung aber lautet der Befehl an seine Jünger: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen Kreaturen. . . . In Erinnerung, daß die Engel Gottes unsere Hüter, Mitknechte und mit uns versöhnet sind, war die Frage: ob sie uns nicht zuweilen durch unter­ schiedene Anzeigungen vor Gefahr warnen und bevorstehende Unfälle ver­ künden? Die Antwort war: Es seye nicht zu laugnen und aus dem Exempel 14

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Bileams und Pauli, dem der Schiffbruch verkündigt worden, zu sehen, daß etwas dergleichen zuweilen geschehe. Es wurde aber dabei erinnert, daß es so leicht nicht seye, zu unterscheiden, was und welche Anzeigungen von guten Engeln kommen oder wo der Teufel sich in einem Engel des Lichtes verstelle und seine Gaukeley treibe. Zuletzt wurde noch gefragt, was von der Bitte zu halten, wann Johann Arndt in seinem Paradißgärtlein in den Abendsegen mit eingeruckt: „Laß mir die heiligen Engel erscheinen im Schlafe (wie Joseph)43) und den Weisen aus Morgenland etc.“ Die Antwort war, daß wir Gott um solche prophetischen Erscheinungen schlechterdings nicht zu bitten haben, weil wir dessen keinen Befehl noch Verheißung, daß ein solch Gebet erhöret werden soll, in H. Schrift finden. Allein wenn dieses von Gott gebeten wird nach seinem Willen und etwa (der)44) Meinung, daß uns „Gott der HErr vor solchen Träumen und Gesichten die Nacht behüten möge, wodurch unsere Sinne beunruhigt und verunreinigt würden, und lieber solche H. Bildungen im Schlafe uns zusenden wollte, so ist die Bitte nicht zu verwerfen. Der seelige Johann Arndt mag es in solchen Gedanken geschrieben haben und bleibt des seel. H. Säubert45) Urtheil von seinen Büchern richtig: Die Bücher sind gut, wann der Leser gut ist . . .“46) Die Erbauungsstunden boten also zunächst eine sehr gründliche auf den Urtext zurückgehende und auch mit abweichenden Lesarten arbeitende Er­ klärung des Textes, wobei aber ausschließlich auf religiöse Fragen Rücksicht genommen wurde. Eingehendere sprachliche Erläuterungen finden sich etwa 26 f., 205, 227, 450, 575 f., 578 und öfters. An Lehrstücken wurden etwa behandelt die Lehre von der Taufe (037, 944), Konfirmation (234 f.), Höllenfahrt Jesu Christi (503 ff., 513), über die Ehe (923 ff., 950 ff.), über das Verhältnis vom natürlichen und göttlichen Recht (915 f.), über das Gebet (1226). Konfessionelle Fragen wurden nur gelegentlich gestreift (210 f., 214). Recht oft wurden be­ sonders im Jahr 1702 die Lehren in Gesangbuchliedem zusammengefaßt. Darunter waren solche von Luther, Paul Gerhard und Tauler. Von Kirchenmännem, auf die hingewiesen wurde, seien etwa genannt Spener, Großgebauer, Arndt, Säubert, Scriver und Heinrich Müller. Die Fragen, die gestellt werden, stehen im allgemeinen in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit den jeweils besprochenen Gegenständen. Da­ neben kommen Fragen aus kurz vorher gehörten Predigten (43, 83 f., 117) oder aus der häuslichen Bibellese (644 f, 712, 927). An Ostern wurde gefragt, wo Christus sich zwischen Auferstehung und Himmelfahrt aufgehalten habe (in Galiläa oder Judäa) (720). Nach den Kennzeichen der Erleuchtung (824), nach dem Zustand der Toten bis zur Auferstehung wurde gefragt (510 f.). Sonst kamen Fragen nach der Gnadenwahl (23, 29), nach der Allbeseligung (196), nach der Sünde zum Tode (258), nach dem Stein der Weisen (268). Eine große Rolle spielen natürlich ethische Fragen und Fragen, wie sie aus den damaligen kirchlichen Kämpfen erwuchsen: Können zwei rechte Christen die gleiche Bibelstelle auf verschiedene Weise verstehen? (530 ff.). Darf man die Liturgie im Gottesdienst versäumen? (899). Was ist es um die besonderen Erbauungs­ stunden (900), um die christliche Vollkommenheit? (733 ff.). Wie muß man sich stellen, wenn die Verkündigung des Wortes Gottes verboten wird wie in Frank­ reich? (1351). Fallen unter die dem Christen verbotenen unziemlichen Reden auch die Komplimente des gesellschaftlichen Verkehrs? (754). Darf man Dienst210

boten einer anderen Religion beschäftigen? (1090) Darf man als Evangelischer in einem katholischen Heer dienen? (1092) Darf die Obrigkeit Christen irriger Religion leiden? (1093) Was ist es um die Universitäten? (526) Dürfen sich die Soldaten vor der Schlacht Mut an trinken? (896) Darf man einem Verbrecher vor seiner Hinrichtung alkoholische Getränke geben? (897) Darf man vor Menschen knieen? (755) Wie ist der Sklavenhandel zu beurteilen (1191 — Ent­ schieden ablehnend)? Gilt der Missionsbefehl noch heute (828 f. — Unbedingt! Gott will gebeten werden, daß er Arbeiter in seine Ernte sende)? Wie soll man sich zum Beruf stellen? (195, 466). Soll man beim Beten knieen? (418) Darf man säkularisierte Kirchengüter kaufen? (466) Darf man an einem Glückshafen teilnehmen? (466) 47) Wie hoch darf der Kaufmannsgewinn sein? (467) Besonderes Interesse hat im Blick auf spätere Ereignisse die Behandlung der wiederholt auftauchenden Fragen nach dem Fortgang der Offenbarung. Da heißt es z. B. am 11. März 1701: „Hierbei wurde noch gefragt: Ob nicht ein sonderbares Werk des Satans seye, daß die Offenbahrung, so bald man deren gedenkt, heutzutage für Schwermerey und Irrtum sectirerischer Gedanken wolle angesehen werden? Hierauf wurde mit Unterschied geantwortet und erstlich festgestellet, daß diejenigen Offenbahrungen, so dem Glauben und der H. Schrift zuwider sind, unstreitig zu verwerfen ... So sind auch diejenigen zu verwerfen, welche ohne Gebrauch des eußerlichen Worts als des von Gott geordneten Mittels und Grundes unserer Erleuchtung Offenbahrung erwarten, was sie glauben und tun sollen . . . Weite­ res für die Offenbahrungen von zukünftigen Dingen, Veränderungen in der Welt und in der Kyrche Gottes, da ist des Herrn Hand nicht verkürzt, daß er nicht dergleichen nach wie vor diesem sollte geben können. Aber es ist dabei gute Achtung zu geben, sowohl von Lehrern als Zuhörern, daß sie nicht ver­ führet noch betrogen werden . . . Diejenigen Offenbahrungen aber, da ein Christ bey stetiger Lesung und Betrachtung göttlichen Wortes auf vorhergehendes andächtiges Gebet eine Warheit nach der anderen in H. Schrift erkennet . . ., sind so gar nicht wider Gottes Wort oder für einige Schwermerey zu halten, daß vielmehr jeglicher Christ . . . täglich darum zu bitten hat.“ (128 f. — ferner 290—296, 383 f.) Die ganzen Bibelstunden sind in durchaus klarem kirchlichen Geist ohne jede Einmischung irgendwelcher unklarer schwärmerischer Frömmigkeit ge­ halten. Am meisten an der Grenze stehen die mit ganz besonderer Ausführlich­ keit und Liebe dargelegten Ausführungen zu dem Wort des Paulus, in dem die Ehe als Bild der Gemeinschaft zwischen Christus und der Gemeinde gebraucht wird (Eph. 6, 32). Hier tritt an die Stelle der Gemeinde sofort die einzelne Seele. Aber auch was hier in sehr innigen Worten gesagt wird, übersteigt nie die Grenze dessen, was etwa Philipp Nicolai in seinem Lied wie „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ sagt (980—994). Das Protokoll über diese Bibelstunden bietet so ein ungemein wertvolles Andachtsbuch für Menschen, die nicht nur gefühlige Erbauung suchen, sondern Fortschritt in klarer Schrifterkenntnis und Wachstum in ihrem Bibelverständnis und im christlichen Leben. Die Bibelstunden sind ein sehr eindrücklicher Be­ weis dafür, daß Wirth nicht ohne Grund an A. H. Francke schrieb, daß Tobias Winkler „mit seinen leiblichen Augen täglich weniger sehen kann, aber an den Seelenaugen täglich mehr erleuchtet wird“48). Es ist daher durchaus ver14*

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ständlich, daß das Protokollbuch auch abgeschrieben und dadurch weiter ver­ breitet wurde, obwohl es ja ursprünglich sicher nur zu dem Zweck gedacht war, gegen irgendwelche Nachreden oder Verdächtigungen dokumentarische Be­ weismöglichkeit zu schaffen. So hat also Nürnberg seit dem Jahr 1700 zwei Gruppen von privaten Er­ bauungsstunden, die beide auf einer sehr erheblichen geistigen, und geistlichen Höhe standen, und klar und entschieden kirchlich eingestellt waren. Es ist nur geradezu zu verwundern, daß nicht auch noch andere Nürnberger Geistliche diese Aufgabe erkannt und aufgenommen haben. Die überaus erregte Zeit, von der gleich mehr zu sagen sein wird, hätte sie allgemein als höchst dringlich erscheinen lassen müssen. Es fällt schwer, hier nicht von einem Versagen der Nürnberger Orthodoxie zu reden. Wie es bei diesen Bibelstunden zuging, schildert uns ein Besucher aus einer etwas späteren Zeit, vom Januar 172049). Da trafen sich in einem Zimmer 3 Stockwerk hoch über 50 bis 60 Personen — Männer und Frauen, Verheiratete und Ledige. Sie befanden sich teils in der Stube, teils auch wegen der Enge des Raumes in einer angebauten Küche und kleinem Söller. Herr Wirth setzte sich auf einen Stuhl und ließ nach einem stillen Gebet das Lied „Nun bitten wir den heiligen Geist“ von der Versammlung singen. Es folgte ein Gebet, in dem auch das Thema der folgenden Bibelstunde genannt wurde. Dann wurde der Text von den Teilnehmern, die zumeist Bibeln in der Hand hatten, (ge­ meinsam oder reihum?) gelesen (damals Matth. 10, 11—15). Wirth machte darauf den Anfang mit der Auslegung. Wo er eine Bibelstelle anführte, wurde sie von den Anwesenden sogleich nachgeschlagen und von dem, der sie zuerst gefun­ den hatte, gelesen. Dabei führten die Teilnehmer auch ihrerseits einschlägige Bibelstellen an. Anschließend stellten sie Fragen sowohl aus Schriftstellen als aus Predigten oder aus gelesenen Büchern. Nach ungefähr 2 Stunden sprach der Prediger ein Gebet, das wieder auf den besprochenen Text Bezug nahm und auch Fürbitten für allerlei Personen enthielt. Vaterunser und Segen wurde gemeinsam gesprochen. Dann verabschiedeten sich die Teilnehmer von dem Prediger mit Handschlag. Anderntags fand wieder eine andere Versammlung bei Wirth statt, wobei Phil. 2, 25—30 besprochen wurden. Offenkundig hielt also Wirth damals wöchentlich mehrere Bibelstunden, in denen er verschiedene biblische Bücher jeweils fortlaufend besprach. Die Teilnehmerkreise der einzelnen Bibelstunden konnten sich also sehr wohl auch überschneiden. Daß die Bibelstunden damals anscheinend alle im Hause Wirths stattfanden, hing gewiß mit der Krisis der Bibelstunden im Jahre 1708, von der bald die Rede sein muß, zusammen. Haben wir so ein sehr anschauliches Bild davon, wie es äußerlich bei Wirths Bibelstunden zuging, so besitzen wir leider über Inhalt und Form kein unmit­ telbares Zeugnis. Es sind zwar zwei von ihm in diesen Erbauungsstunden ge­ haltene Ansprachen in Drude erschienen — eine, die er am 6. März 1718 (Sonn­ tag) in Gegenwart A. H. Franckes über „Drei verschiedene Stufen, nach welchen diejenigen, so würdig zum heiligen Abendmahl gehen, . . . angesehen werden könnten“ gehalten hatte, und eine über „Schriftgemäße Vorteile, deren man sich in der Übung des wahren tätigen Christentums . . . bedienen kann“, die A. H. Francke am 7. März 1718 mitangehört hatte. (Herausgegeben von Francke, Halle 1720). Sie geben aber kein Bild von dem, wie es bei Wirths Bibelstunden wirklich und gewöhnlich zuging. Sie sind erstens von Francke und auch von 212

ihm nur „dem Inhalt nach vorgestellt“ — und bilden zweitens überhaupt wohl Sonderfälle von Ansprachen, da sie gar kein Schriftwort zu Grunde legen und darum auch gar nicht Glieder einer fortlaufenden Reihe darstellen50). Zweifellos wurden die Erbauungsstunden Wirths vor seinem Tode nicht ein­ gestellt. Auch mit seinem Tod am 15. Mai 1723 fanden sie kein Ende. Wirths Nach­ folger in der Leitung der von ihm gegründeten Armenschule, der Diakonus am neuen Spital, Georg Jakob Schwindel51), setzte sie fort. Sie fanden sehr starke Teilnahme 52). Im Jahre 1728 aber stellte er sie ein, weil ihm die Teilnehmerzahl sei seinen beschränkten Wohnungsverhältnissen für eine gedeihliche Arbeit zu groß wurde. Das über ihn 1739 hereinbrechende tragische Schicksal53) wirkte sich dann auch dahin aus, daß kein Geistlicher wagte, die Erbauungsstunden wieder aufzunehmen, obwohl sie sich doch als so notwendig und segensreich erwiesen hatten. Damit endete — wenn man von Gottfried Schöner und seiner Deutschen Christentumsgesellschaft absieht — die Bibelstundenarbeit in Nürnberg auf fast 100 Jahre, bis auf Wilhelm Löhe. Denn Winklers Erbauungsstunden waren be­ reits zusammengebrochen. Sie bestanden im Jahre 1706 noch. Damals be­ suchte sie der Superintendent I. W. Petersen aus Lüneburg. Er traf dabei dort auch den damaligen Diakonus bei St. Egidien, Bernhard Walter Marperger54), den er freilich noch für einen Studenten hielt. Winkler behandelte damals ge­ rade die Bergpredigt55). Das nächste Jahr (1707) brachte aber den Anfang sehr bedauerlicher Vorgänge im Hause Winklers, die seinen Erbauungsstunden ein Ende bereiteten. II. Das winklerische Visionswerk. Eben der Boden, der der Entstehung solcher Erbauungsstunden günstig war, brachte aber auch mancherlei Gefahren für sie. Bewegungen, die dem klaren Bibelwort widersprachen und mit Kirchenlehre und -Ordnung unver­ einbar waren, schossen auf. Sie brachten diesen Bibelstunden Versuchungen innerer Art und verursachten ihnen äußere Schwierigkeiten, weil man sie mit ihnen verwechselte. Besonders Nürnberg war ungemein reich an solchen Be­ wegungen. Während der Gedanke an das fortdauernde Eingreifen und Ein­ wirken böser Geister in der evangelischen wie in der katholischen Kirche wei­ terlebte und in beiden Kirchen zu Hexenprozessen führte, war der Glaube an fortdauernde himmlische Offenbarungen nur in der katholischen Kirche leben­ dig geblieben. Zwar fehlten die Behauptungen solcher auch auf evangelischer Seite nicht. Besonders der Dreißigjährige Krieg brachte mit seiner äußeren und inneren Not eine Reihe solcher Erscheinungen, wie bei dem dann später nach Nürnberg-Wöhrd verzogenen Schulmeister Bscherer in Weiden56), Pfarrer Brügel in Frommetsfelden57) oder bei einer Exulantin in Nürnberg58). 1658 wurden in Nürnberg die Gerichtsankündigungen eines Kammachers Joachim Greulich eifrig verbreitet59). Seit 1663 verkündete in Ansbach die Schloß­ wächtersfrau Anna Vetter unaufhörlich Gericht über Gericht auf Grund ihr gewordener göttlicher Offenbarungen60). Alle diese Erscheinungen wurden aber von Theologen und Kirche abgelehnt. Da warf im November 1691 der Lüneburger Superintendent Johann Wil­ helm Petersen mit seiner Frage, „Ob Gott . . . sich nicht mehr heutigen Tages durch göttliche Erscheinung offenbaren wolle“, zugleich sein Ja zu den Offen­ barungen, die das Freifräulein Rosamunde Juliana von Asseburg seit 1679 ge213

habt haben wollte, in die evangelische Welt Deutschlands. Er tat das unter dem Einfluß der nach Deutschland einbrechenden Frömmigkeitsformen, wie sie in Frankreich, England und den Niederlanden sich entwickelt hatten. Wenn er auch sehr scharfen Widerspruch fand, so war doch ein Bollwerk eingerissen. Das war umso mehr der Fall, als Philipp Jakob Spener nur eine sehr gewun­ dene Erklärung dazu abgab und der damalige König der Philosophen, der eben in der Blüte seines Ruhmes stehende Gottfried Wilhelm Leibniz, sich be­ dingungslos für die Echtheit dieser Visionen aussprach61). Nun mehrten sich solche Visionen in außerordentlichem Maße. In Arnolds „Unparteiischer Kirchenund Ketzerhistorie“ nehmen sie einen ungewöhnlich breiten Raum ein. Es gab aber auch andere Bewegungen, bei denen die Visionen und Offenbarungen nicht eigentlich im Vordergrund standen, die aber ähnlich wirkten. 1701 hatte der Generalsuperintendent Händel in Ansbach mit einem Mädchen zu tun, das Engelserscheinungen und andere Offenbarungen haben wollte. Er unterband die ganze Angelegenheit sofort82). Ende April 1701 schied Pfarrer Lindhammer in Puschendorf, der später noch eine besondere Rolle im Zusammenhang mit Winkler spielen sollte, aus dem Kirchendienst. Im Herbst 1703 war der Sporer­ geselle Joh. Gg. Rosenbach im Nürnberger Gebiet. Er wurde aus ihm ausgewie­ sen 63). Im nächsten Jahre wies die Stadt den Freund der Gedanken Jakob Böhmes Loth Fischer aus 64>. Im Jahre 1706 weilte einer der Hauptführer des sektiererischen Pietismus, Johann Wilhelm Petersen, in Nürnberg. Er war vor allem von der Aufnahme, die er bei Wirth und Winkler fand, hoch befriedigt65). Im folgenden Jahre lehrte sein Anhänger Emst Christoph Hochmann von Hohenau im Nürnberger Ge­ biet 66). Seit 1704 glaubte der Perückenmacher Johann Tennhardt67) der Kanzlist einer himmlischen Stimme zu sein, nach deren Diktat er ihre Offenbarungen niederschrieb. Mit ihnen ging er im Januar 1708 zum Rat. Am 2. Sept. 1707 sah der gelähmte Schulmeister Hörner in Großreuth (bei Schweinau) einen Engel bei seinem Bett stehen, der ihm wieder die Kraft zum Gehen verlieh68). Wie sich Winkler und Wirth zu diesen Erscheinungen im Einzelnen stellten, ist nicht überall bekannt. Rosenbach gegenüber waren sie durchaus freundlich69). Winkler vor allem scheint ein Mann gewesen zu sein, der ein sehr weites Herz hatte und überall noch etwas Gutes finden zu können und zu müssen glaubte. Man warf ihm von Seiten seiner Amtsbrüder besonders noch vor, daß er im Falle einer sonst unbekannten Degnin, die Engelserscheinungen haben wollte, allzu leichtgläubig gewesen sei und damit geradezu die Nürnberger Geistlichkeit blamiert habe70). Nun kam die Visionsaffaire im Hause Winkler71). Am 20. Oktober 1707 wurde Winklers 14jähriger Sohn Gottfried 72) krank. Kopfschmerzen, Brust- und Seitenstechen, Zuckungen an Händen und Füßen wurden festgestellt73). Dabei machte er im Schlaf verschiedene Handbewegun­ gen, die sich bald deutlich zu Schreibbewegungen ausbildeten. Auch sprach er im Schlaf — anfangs deutsch, bald aber fast ausschließlich lateinisch. Dabei nahmen seine Reden den Charakter von Zwiegesprächen zwischen einem Engel, den er nach dem Erwachen gesehen zu haben glaubte, und ihm selber an. Seine Geschwister schrieben vom 21. November ab sehr eifrig mit, was ihr Bruder sagte und tat. Diese Niederschriften zusammen mit dem Bericht des Predigers 214

sind die wichtigsten Quellen. Außerdem liegt ein sehr eingehender gleichzeitiger Bericht von dem Diakonus Hauer über eine Vision vom 11. Januar 170874), ein ebensolcher von Winklers Beichtvater Justin Wetzel über eine Vision vom 9. Februar 170875) und ein Bericht des im Hause wohnenden Lehrers Gottfrieds und seines Bruders Wolfgang vor7Ö). Die vorgeblichen Offenbarungen des Engels hatten sehr verschiedenartigen Charakter, meist allgemein erbaulichen, religiösen Inhalt, und brachten den Buben zumeist zu staunenden, labenden und anbetenden Äußerungen. Dabei wurden auch persönliche Fragen behandelt. So überlegte Gottfried in Form eines Gebetes, was eigentlich einmal aus ihm werden sollte — ein Theologe, ein Arzt oder ein Jurist, bis ihm gesagt wurde, er werde ein Kaufmann wer­ den 77). Äußere Sinneseindrücke, wie Berührungen oder der Nachtwächterruf, übten auf die Reden einen gewissen Einfluß aus. Gelegentlich spielten auch Vorfälle in der Stadt und ihrer Umgebung, von denen im Haus geredet wurde, eine Rolle. Darüber fallende Bemerkungen wurden dann von der Familie als Prophezeiungen verkündet. So z. B. der Fall eines Geistlichen, der wegen seines unordentlichen Lebenswandels entlassen wurde78). Im Verlauf einer besonders langen Vision in der Nacht vom 24. auf 25. November — ihr Protokoll füllt 22 von den 80 Quartseiten der ersten 6 Offenbarungen — erschien dem Knaben der Herr Christus selbst79). Der Prediger und seine Frau fielen darauf auf ihre Kniee nieder und beteten an80). Die geistige Höhenlage ist freilich nicht hoch. Wenn man aber bedenkt, daß es sich um freie Herzensergüsse — anfangs vielleicht echte Traumreden — eines vierzehnjährigen Knaben handelt, möchte man fast meinen, daß seines Vaters späteres Urteil, sein Gottfried habe nur ein mediocre ingenium81), zu hart sei. Doch urteilt auch sein Lehrer nicht anders82), und Gottfried selbst spricht von seiner schlechten Merkfähigkeit83). Am 9. Dezember 1707 wurde angeblich durch den Herrn Christus verheißen, daß der Prediger Winkler wieder sehend werde. Als das gesagt wurde, „fiel Herr Prediger auf seine Kniee und betete still bei sich und sehr andächtig zu Gott“ 84). In einer Verantwortung, die die Stadt von ihm forderte, bekannte sich Winkler nicht nur ganz zum Glauben an die Wirklichkeit dieser Offen­ barungen, sondern vor allem auch an die Gültigkeit der ihm gewordenen Ver­ heißung. Daß er im Februar 1708 einmal Funken sah — eine Erscheinung, die bekanntlich ohne Vermittelung des Auges als Sehorgans durch einen Druck oder einen ähnlichen Reiz auf den Sehnerv, der ja wohl auch bei Winklers verlorenem Auge noch großenteils vorhanden war, entsteht —, war ihm wie der ganzen Familie das Anzeichen dafür, daß die Verheißung jetzt sich zu erfüllen beginne85). Bei der späteren Untersuchung berief sich Gottfried auch darauf, daß ihn sein Vater im Glauben an die Echtheit dieser Offenbarungen bestärkt habe86), und die Prediger sahen in diesem Umstand einen Milderungsgrund für ihn 87). War Winkler schon überhaupt geneigt, solchen Dingen Glauben zu schenken, so ist es doppelt verständlich, daß der Blinde nun diesen Strohhalm begierig ergriff. Er sagt einmal, er habe es sich anfangs nicht träumen lassen, wie schwer er an seiner Blindheit tragen werde88), und es ist wohl zu ver­ stehen, wie sehr er als ein hochgebildeter, reich interessierter Mann mit einer großen Bücherei unter diesem Schicksal litt. Es sei aber schon gleich hier ge­ sagt, wie ergreifend und rührend die Geduld ist, mit der der Prediger die Er** füllung dieser vermeintlichen Verheißung erwarten wollte und erwartete — 215

und wenn es 20 und 25 Jahre währen sollte89). In seiner heißen Sehnsucht nach dem Augenlicht sah Gottfried später den Hauptgrund, weshalb sein Vater die ganzen Geschichten für echt gehalten habe90). Es darf aber bei der Beurteilung des Verhaltens des Predigers nicht übersehen werden, daß ihn auch sein Beicht­ vater Wetzel im Stich gelassen hat. Sein Bericht an das Kirchenamt enthielt sich jedes Urteils 91), ja — Winkler konnte sogar sagen, daß Wetzel die Sache für gut befunden habe92). Ebenso verzichtete der Diakonus Hauer von St.Lorenz, der sich sehr bald für die Sache interessierte, in seinem Bericht auf eine Stel­ lungnahme 98), und später behauptete Gottfried geradezu, Hauer habe selbst — wenigstens eine Zeit lang — an die Göttlichkeit der Offenbarungen geglaubt94). Auch Prediger Myhldorf erklärte in der Sitzung der Scholarchen mit den Pre­ digern, daß er Winkler „seinen Glauben nicht disputirlich machen wolle“95). Außerdem hat, wie noch zu berichten sein wird, noch in einem sehr viel späteren und bereits sehr deutlichem Entwicklungsstadium selbst ein A. H. Francke kein klares Nein gewagt96). Dann gab Gottfried Winkler vor, der Engel zeige ihm alle möglichen bib­ lischen Gegenstände, die er nachformen sollte. Das tat er auch, wobei ihn seine Geschwister unterstützten. Aus Tragant, einem Baumharz, formte er im Laufe der Zeit 546 Figuren, Gegenstände aus dem Salomonischen Tempel oder Per­ sonen der biblischen Geschichte97). Von ihnen ist aber nichts erhalten, auch keine Abbildung davon. Die Kritik bemängelte an ihnen vor allen Dingen, daß die Bauteile und Einrichtungsgegenstände gar zu sehr dem Stil des augen­ blicklich herrschenden Geschmacks ähnlich seien. Besonders diese als Vasa sacra bezeichneten Gegenstände erregten Interesse und Aufsehen, anscheinend über die Grenzen Nürnbergs hinaus. Im Jahr 1708 besuchte u. a. der Markgraf von Ansbach98) mit den 2 Prinzen von Württem­ berg und der Landgraf von Hessen-Darmstadt das Haus Winklers, um diese Gegenstände zu sehen99). Am 3. August 1709 weilten Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Blankenburg-Wolfenbüttel 10°) und seine Gemahlin Christina Luisa, eine geborene Fürstin von öttingen — die Eltern der Kaiserin Elisabeth101) — samt dem Bruder der Herzogin, Fürst Albrecht Ernst von öttingen 102) in Nürnberg. Sie besichtigten, geführt von dem Ratsherrn Johann Christoph von Imhoff, erst die Gegenstände und nahmen dann am Abend an einer Offenbarung teil, worüber Imhoff einen sehr ausführlichen Bericht lieferte 103). Diese Offenbarungen wurden durchaus in Form von Andachtsstun­ den gehalten, mit gemeinsamem Gesang und dem Gebet des Predigers begonnen und gewöhnlich auch mit Gesang und Gebet geschlossen. Während der Offen­ barungen stellten die Anwesenden auch Fragen an den Knaben, die dieser als Werkzeug des Engels beantwortete. Der Inhalt dieser Offenbarungen war durchaus kirchlich, wenngleich die Theologen gelegentlich etwas zu bemängeln fanden. Doch erregten Grammatikfehler in der lateinischen Sprache ihre Be­ denken noch mehr. Wenn an Weihnachten 1710 und Neujahr 1711 der Engel da­ von sprach, daß das jetzt die letzten Feste seien, die sie miteinander feierten, und daraus der Schluß gezogen wurde, daß das Jahr 1711 die Neuordnung bringen werde, gingen die Offenbarungen aber über die kirchlichen hinaus 104). Nachdem seit Neujahr die Offenbarungen ihrer Häufigkeit nach abgenommen und nur noch wöchentlich ein paarmal stattgefunden hatten, nahm nach vor­ heriger Ankündigung in der Nacht vom 22. auf 23. März 1711 der Engel feier­ lich Abschied105). Es war dann geraume Zeit völlig ruhig, nur am 8./9. (10.?) 216

Dez. 1716 hatte Gottfried Winkler wieder eine große Offenbarung. Dabei er­ schien ihm der Erzengel Raphael, der ihm beim Abschied — der ein endgültiger sein sollte — ein R in das rechte Handgelenk drückte, das Gottfried längere Zeit sichtbar getragen haben wollte, bis es sich schließlich nach innen ver­ zog 106). Nur ganz in der Stille, im engsten Kreise, gingen die Offenbarungen noch weiter und zwar in Form von Gnadenzetteln — kleinen zierlich ausgeschnittenen Papierchen, auf denen in gezierter Druckschrift irgendwelche Worte oder Ver­ heißungen, manchmal nur in den Anfangsbuchstaben der betreffenden Wörter, standen und die auf der Rückseite in Wachs gedrückt den hebräischen Gottes­ namen, aber in Spiegelschrift, als Siegelabdruck trugen. Sie sollten von Gott selbst unmittelbar stammen und durch einen Engel übenbracht worden sein. An­ dere Gnadenzettel waren in einer einfachen Geheimschrift abgefaßt und wur­ den von Gottfried nach dem angeblich nachts erfolgenden Diktat eines Engels am anderen Tag niedergeschrieben. Dabei waren die Buchstaben des Alphabets einfach fortlaufend durch die Zahlen von 1—24 ersetzt. Gottfried konnte und durfte sie aber angeblich nicht entziffern und verstehen; sein Vater und seine Geschwister aber verstanden sie schon, während er isie diktierte107), doch be­ hauptete er — während er gleichzeitig von seiner geringen Merkfähigkeit sprach —, sich immer die Zahlenreihen auswendig gemerkt zu haben 108), ob­ wohl sie entziffert oft mehr als eine Folioseite ausfüllten. Solche Zahlengnaden­ zettel erhielt vor allem der Bereiter (= Stallmeister) im städtischen Marstall, Valentin Trichter109). Dieser, von Gottfried ausdrücklich als einfältig (in gering­ schätziger Weise) beurteilte Mann 110), gehörte zu den eifrigsten und treuesten Anhängern der Offenbarungni). Schon 1709 war er gewürdigt worden, die Offenbarungen zu protokollieren. Er vermerkte auf den Zetteln, wann er sie erhalten habe, und setzte gelegentlich noch einen gläubigen Vermerk dazu112), ja er veröffentlichte sogar tierärztliche Rezepte, die ihm auf seine Bitte auf solche Weise zugekommen waren, in seinen Schriften 113). Gottfried Winkler wurde wirklich Kaufmann. Im November 1717 trat er bei Johann Daniel Geißel, der in 1. Ehe mit einer Schwester der Frau Prediger Winkler verheiratet gewesen war114), als Lehrling ein. Er verpflichtete sich dabei zu einer vierjährigen Lehrzeit115). Der Rat der Stadt Nürnberg war durch alle diese Vorkommnisse recht beunruhigt. Er war freilich in einer etwas schwierigen Lage wegen des allge­ meinen Ansehens, dessen sich der Prediger Winkler erfreute, und wegen seiner Verwandtschaft mit dem Patriziat; war doch seine Mutter eine geborene Peiler gewesen116). Er wollte die Sache aber doch nicht weiter um sich greifen lassen. Deshalb forderte er zunächst Bericht von mit Winkler befreundeten Geist­ lichen ein 117) und ließ sich die angefallenen Protokolle über die Offenbarungen vorlegen. Am 9. Februar 1708 hielten dann die Scholarchen als die Leiter des Nürnberger Kirchenwesens (Haller, Fürer, Tetzel) mit dem Predigerkollegium 118) (außer Winkler) eine Zusammenkunft ab 119). Das waren damals Andr. Myhldorf (bei St. Sebald)120), Joh. Wülfer (bei St. Lorenz)121), Gg. Wilh. Böhmer (bei St. Jakob)122), Gg. Jer. Hoffmann (im Spital)123) und Gust. Phil. Morl (bei St. Egidien)124). Die Prediger wollten zunächst noch das gesamte Protokoll haben. Das gab Winkler aber nicht heraus, da es nur ihn und sein Haus angehe. Darin sahen die Prediger, die im übrigen alles nur für Ausgeburten der Phantasie des Knaben erklärten, und nur befürchteten, daß vielleicht Vor217

Spiegelungen des Satans125) oder „einige Schalkheit des Knaben“ mit unter­ laufen, ein Anzeichen dafür, daß der Vater selbst bedenklich werde. Sie rieten daher zum Abwarten1M). Kaum war diese Beratung abgeschlossen, da erschien in der „Jenaischen Ordinarizeitung“ vom 18. 2. 1708 ein Bericht aus Nürnberg, durch die die Stadt ihr kirchliches Ansehen im evangelischen Deutschland gefährdet sah. Er lautete: „Hier und in der Gegend finden sich viele, weldie von Göttlichen Er­ scheinungen viel ungeräumtes vorgeben, und dadurch unter dem gemeinen Volck große Verwirrungen anrichten; unter welchen auch eines vornehmen Mannes Sohn, ein Knabe von 13. biß 14. Jahren ist, welcher tägliches Gespräch mit Christo und einem Engel halten will und große Offenbahrung vorbringet, deren aber noch keine ihren Effect erreichet; inzwischen wollen auch viele Mägde ihre Phantastische Träume vor Göttliche Erscheinungen ausgeben.“ In der Fortsetzung wird dann berichtet, daß in Nürnberg besonders eifrig Tennhards Schriften handschriftlich verbreitet würden, in etwa 50 Abschriften, und daß sogar ein Todesfall infolge geistlicher Überreizung vorgekommen seit27). Man sah sich in Nürnberg aber keinen Weg zur Abhilfe. Endlich kam man wenigstens zu einem Schritt, bei dem nur zu deutlich sichtbar ist, wie vor allem die Rücksicht auf Winkler alles Handeln lähmte. Zwar wird dem Prediger Winkler immer wieder bestätigt, daß er in seinen Predigten auf die Vorgänge in seinem Haus in keiner Weise anspiele. Es ist auch zu vermuten, daß er bei den in seinem Haus stattfindenden Er­ bauungsstunden sich der gleichen Zurückhaltung befleißigte. Trotzdem war es unvermeidlich, daß Teilnehmer an diesen Stunden dann auch an den bald darauf folgenden Visionen Gottfrieds teilnehmen wollten und tatsächlich teilnahmen. Außerdem nahmen ja diese Visionen an sich schon den Charakter besonderer Erbauungsstunden an. Deshalb untersagte nun der Rat am 16. Juli 1708 grundsätzlich alle solche Erbauungsstunden. Er tat das ohne den geringsten Zusammenhang mit den besonderen Vorkommnissen im Hause Winkler anzu­ deuten, so wie auch im Akt über diese Dinge nicht einmal das entsprechende Mandat eingelegt wurde. Im Sitzungsprotokoll128) aber wird ausdrücklich darauf zurückverwiesen, daß jetzt nur ausgeführt werde, was bereits am 18. Februar beschlossen worden sei. Dieses Mandat hatte folgenden Wortlaut: „Denen Herren Geistlichen insgesamt, welche in ihren Häusern bisher Zusammenkünfte erwachsener Leute angestellet, soll man anzeigen, daß ein HochEdler Rat dieselben aus bewegenden Ursachen in einer Zeit von 14 Tagen abgestellet wissen, denen Herren Beichtvätern aber freigesteilet lassen wolle, wann eines oder das andere ihrer Beichtkinder eines im Gewissen habenden Zweifels oder Anstoßes willen sich darüber informiren lassen wollte, ihme denselbigen zu benehmen und aus Gottes Wort, jedoch privatim und ohne Beisein mehr anderer dergleichen Personen Unterricht zu geben; dafeme aber einer oder der andere nichts desto weniger eine dergleiche Zusammenkunft in seinem Haus künftig anzustellen Vorhaben sollte, solle selbiger zuvor bei einem HochEdlen Rat die deswegen habenden Bewegursachen fürstellen, den modum tractandi erzählen, die Personen, so darzu kommen wollen, namhaft machen und sodann ferneren Bescheids erwarten. Hingegen solle den Herren Beichtvätern die Katechetisation und 218

Unterricht der zur Beichte präparierenden Jugend und Gesinde, welche auch bei denen, so schon ein oder andermal bei der Heiligen Communion gewesen, zu ihrer Conflrmation wiederholet werden mag, noch ferner unverwehrt bleiben; das übrige aber solle in denen Kirchen auf öffentlicher Kanzel fürgetragen und tractiert werden. Den 16. Juli 1708, Kirchen- und Vormundsamt“ 129). Dieses Mandat betraf natürlich ebenso die Erbauungsstunden bei Wirth wie die bei Winkler. Die Sitzung beschäftigte sich ja zudem auch in undurch­ sichtiger Weise mit irgendwelchen unbekannten Veröffentlichungen (Emissa und Examen) Wirths. Außerdem sollte es auch allen Landpfarreien zugestellt werden. Aber es besteht doch kaum ein Zweifel darüber, daß Wirth sofort die hier ja angebotene Möglichkeit zu einer besonderen Erlaubnis seiner Stunden benützt hat und die Erbauungsstunden dann vielleicht überhaupt ohne jede Unterbrechung fortführen konnte. Wahrscheinlich war es schon von vornherein die Absicht des Mandates, durch den Zwang zu einer Neuanmeldung die Erbauungsstunden Winklers zu unterbinden, die Stunden bei Wirth aber unge­ stört weiterlaufen zu lassen. Die früher einmal gemachte Beobachtung, daß später anscheinend alle von Wirth gehaltenen Erbauungsstunden in seiner Wohnung stattfanden, scheint aber eine Folge dieses Mandats gewesen zu sein. Die Stunden bei Winkler waren also damit zu ihrem Ende gekommen. Bei seiner Beerdigung wurde allerdings gesagt, daß er die Privatversammlungen in seinem Haus am Montag bei 18 Jahren gehalten habe 13°). Das kann aber an­ scheinend nur besagen wollen, daß die Erbauungsstunden in engstem Kreise weitergingen. Im Sommer wurde dann aber doch ein erneuter Bericht gefordert und daraufhin zur Prüfung der Sache vorgeschlagen, daß sich der Knabe eine Zeit lang außerhalb des Hauses zu einer Untersuchung aufhalten möge. Das lehnte der Vater aber als seine Ehre als Hausvater berührend ab 1S1). Solche Verhand­ lungen zogen sich dann ergebnislos hin, bis die Erscheinungen aufhörten1S2). Ein ausführliches Gutachten der Prediger vom August 1710, das auch Winkler zur Stellungnahme übergeben wurde 133), wurde von diesem erst auf erneutes Anfordern im Frühjahr 1712 beantwortet. Er habe immer gehofft, daß das Gotteswerk inzwischen zur Vollendung komme. Seine Antwort war auf diese Verzögerung hin umso gründlicher; sie umfaßte 65 Folioseiten 1S4). Die Prediger äußerten am 5. Januar 1713 die Ansicht, daß vorerst nichts weiter zu unter­ nehmen sei135). In ein völlig neues Stadium trat die nahezu vergessene Angelegenheit im Frühjahr des Jahres 1718 durch das Interesse, das ein Generalleutnant Johann Albrecht von Bamer an ihr nahm. Barner — so schreibt er sich selbst136); sonst wird er auch wiederholt Bämer genannt — war früher einmal in fran­ zösischen Diensten gestanden und mit einer geborenen „de Pleeser“ ver­ heiratet137). Seine Herkunft ist unbekannt. Eine Familie von Barner gaib es in Mecklenburg138). Er besaß anscheinend schon damals das Schloßgut Ippes­ heim 139). Auf einer Reise nach Ungarn (wohl 1717) kam er durch Nürnberg 14°). Er wohnte dabei im Gasthof zum Bitterholz141). Anscheinend durch Valentin Trichter, der ihm seine Pferde besorgte, erfuhr er von den merkwürdigen Gegenständen und Vorfällen im Hause Winkler. Barner bekam dabei so starkes 219

Interesse, daß er sich die Sache auf seiner Rückreise, bei der er nach Holland wollte, noch genauer ansah. In diesen Tagen kam gerade am 1. März A. H. Francke auf seiner großen Reise durch Süddeutschland nach Nürnberg. Am Abend des folgenden Tages besuchte er — gewiß auf dessen Einladung — den General Bamer. Dieser bat ihn dabei um Auskunft darüber, ob Winklers Visionen als göttlich anzusprechen seien oder nicht. Francke entzog sich aber der Entscheidung; er warnte nur davor, sich mit solchen außerordentlichen Dingen abzugeben, da man dabei entweder selber in Gefahr gerate oder aber Zweiflern einen Anlaß böte, göttliche Wahrheiten zu verlachen 142). Als Barner nun am nächsten Tag, Aschermittwoch 3. März, vom Gottesdienst nachhause kam, fand er in seinem verschlossenen Zimmer einen in der Zahlenschrift geschriebenen Zettel vor. Er lautete: „Mein Mitknecht. Wann Du den Werkzeuch fragest, was er mit Geld tun wolle, so wirst Du erfahren, was ihm zu Gottes Preis von Deinem Überfluß nötig ist. Gott erfreuet Dich noch durch ihn.“ Darunter war ein verschnörkeltes R angebracht, das Raphael bedeuten sollte. Als „Werkzeuch“ wurde in den Kreisen seiner Gläubigen Gottfried Winkler bezeichnet. Am nächsten Tag fand Bamer wieder einen ähnlichen Zettel in seinem Zimmer vor, in dem ausführlich davon die Rede war, daß der Werk­ zeuch zu scheu sei, seine Notdurft zu sagen, daß er ihn ermuntern solle, gute Ritterschaft zu tun, und daß es Gott wohlgefalle, wenn er ihm und seinen Angehörigen Gutes tue. Außerdem wurde angekündigt, daß weitere Erinne­ rungen in Zahlenbriefen durch den Werkzeuch erfolgen würden143). Solche Erinnerungen erfolgten dann vom 3. April ab auch in großer Anzahl144). Während Gottfried Winkler aber zugab, die übrigen Zahlenbriefe — teil­ weise mit Hilfe seiner Angehörigen — geschrieben zu haben, bestritt er stets aufs Entschiedenste, mit diesen beiden Briefen irgendetwas zu tun gehabt zu haben. Sie zeigen allerdings auch nicht nur auf den ersten Anblick, sondern auch bei genauer Betrachtung verschiedene Hände. Bamer besprach sich wiederholt mit dem Prediger Winkler. Da dieser abei immer „gut lutherisch“ antwortete, so geriet er mit ihm in einen harten Streit, ja er wurde beinahe am ganzen Werk irre. Er trug sich schon mit der Absicht abzureisen. Da kam ihm am 4. April die Botschaft zu: „Mache Dich noch nicht reisefertig; denn ich muß Dir noch hier etwas durch Zahlen sagen lassen!“ 145) Barner blieb! Völlig überzeugt scheint er aber noch nicht gewesen zu sein. Er gab die ersten Zettel nämlich dem Prediger Marperger und bat ihn um Untersuchung146). Am 19. April aber erhielt er die Weisung: „Du wirst . . . wohl tun, wenn Du es denen, die nicht verständig sind, verbirgst, bis sie in der Tat von ihrer Dummheit überzeugt werden“ 147). Er forderte darauf die Briefe wieder zurück. Als sein eigentlicher Wohnsitz galt dann zwar weiterhin Ippesheim. Wenn er sich aber immer in Nürnberg befand, wenn eine Offen­ barung erfolgte — und das ist wohl anzunehmen —, dann muß er kaum weniger lang in Nürnberg gewesen sein als dort. Von da an änderte sich nun der Lehrgehalt der Offenbarungen, und zwar nicht allmählich, sondern mit einem Schlag. Schon am nächsten Tage war in einem Zettel von „dieser Stockfinstemis“ des Kirchenchristentums die Rede148). 220

Im übernächsten Brief wird die neue Gemeinde, die „kleine Herde“ genannt; das inwendige Wort Gottes, das Christus in der Seele redet, tritt in den Vorder­ grund. „Babel“ wird fallen. Barner soll deshalb ein Stüde Land kaufen und solche Leute als Untertanen nehmen, „die rechte Christen in der Tat und ohne Sekte sind“ 149). Anbrechen werde diese neue Zeit, wenn der Prediger Winkler sein Gesicht wieder erlange. Dann werde er sofort auf der Kanzel scharf gegen das verfallene Lehramt, besonders gegen den Beichtstuhl predigen, und deshalb vom Amt verjagt werden. Das sei das Zeichen zum Umzug in das neue Land. Dort werde dann eine neue Gemeinde nach dem Vorbild der zu Schwarzenau 15°) gegründeten erstehen — ohne alle Kirchenverfassung und Lehramt151). Der Hinweis auf Schwarzenau mußte natürlich gleich zu ironischen Bemerkungen reizen. Darauf, daß Barner diesen Aufforderungen auch tatsächlich folgte, haben wir wenigstens einen kurzen Hinweis. Er lud Personen, die in anderen Gebieten ausgewiesen wurden, nach Ippesheim ein. So schrieb am 23. Oktober 1719 der Pfarrer Heller in Ostheim an den Pfarrer Pacius in Eckersmühlen über den Verdruß, den ihm Pietisten und Separatisten gemacht hätten. Dann aber gab er seiner Freude darüber Ausdruck, daß er wenigstens von den Schlimmsten unter ihnen befreit würde: „Heute . . . sollen sie abziehen und das Land räumen, wollen nach Ippesheim gehen, da sie der General Barner . . . übernehmen will, der aber bei Nürnberg wohnen soll und kein Verächter des heiligen Abendmahls wäre, wie sie . . .“152). Es ist ganz deutlich, daß hier ein neuer Einfluß wirksam geworden ist, umso mehr als sich auch die Haltung des Generals, die anfangs lange nicht so kirchenfeindlich war wie später, wandelte153). Von wo er ausgeht, ist klar. Seine Quelle ist „der treue Lindhammer“, wie er am 18./19. April genannt wird, wo Barner befohlen wird, etwas nur mit diesem, nicht aber mit dem „Werkzeuch“ oder seinen Eltern zu besprechen. Barner stand allerdings auch unter dem Einfluß eines Mannes, der „Sulam“ genannt wurde. Er wird als ein „infelix Literatus“ bezeichnet und soll sich von Gott außerordentlich getrieben gefühlt und von großen Veränderungen gesprochen haben. Er soll Barner als den „Neuen Gideon“ bezeichnet und auch schon bereits die Siegel beschafft haben, die man dann verwenden werde154). Von diesem „Sulam“ schied sich Barner, als ihm am 8. Dezember 1718 in einem Zahlenzettel gesagt wurde: „Nachdem Sulam das getan, was ihm Gott hat zulassen wollen, so habe ich Befehl Dir zu sagen, mein Mitknecht, daß Du ihn gänzlich verlassen sollest . . . Dabei gedenke mein nicht und meines . . . Befehls“ 156). In diesem Sulam wird Tobias Eisler156) gesehen werden müssen. Er war 1683 als Goldschmiedsohn in Nürnberg geboren und war Jurist. Professor Röthen­ beck in Altdorf berichtete schon 1704 von ihm, daß er unter dem Einfluß des Sporergesellen Rosenberg wie sein Bruder ernstlich angefaßt sei157). 1714 nahm die Stadt Veranlassung die beiden Brüder und den Strohschneider Fichtner wegen ihrer sektiererischen Meinungen wiederholt vornehmen zu lassen. Dabei handelt es sich durchaus um die Gedankengänge, wie sie Tennhardt vertrat, Dieser, der 1661 in Sachsen geboren war, war in Nürnberg Perückenmacher und seit 1698 Bürger. Er fühlte sich durch Offenbarungen, die er gehabt und immer weiter haben wollte, zum Verkündiger des großen Gerichtes und dei Neuordnung, die Gott über die Welt bringen wollte, berufen. Die Kirche war ihm das widergöttliche Babel. Sie pflege die Kirchenmusik; ihre Pfarrer hätten studiert und bereiteten sich auf die Predigt vor; sie überließen sich nicht ganz 221

dem „Inneren Licht“ und dem „Inneren Wort“; sie klebten am Buchstaben statt auf die fortgehenden Offenbarungen Gottes zu hören; sie wetterten nicht scharf genug gegen die Welt mit ihrer Lustbarkeit als Perückentragen, Tanzen, Rauchen usw. Wegen seiner Angriffe auf Kirche und Obrigkeit steckte ihn die Stadt am 20. Februar 1708 auf den Wasserturm, aus dem er im Juni wieder entlassen wurde. Im November 1710 verließ er dann Nürnberg, kehrte im November 1714 aber wieder zurück, wo er sogleich wieder in den Wasserturm gesteckt wurde. Im Februar des nächsten Jahres wurde er aus ihm entlassen, stand aber unter Hausarrest. Im August 1717 verzichtete er auf sein Bürger­ recht. Dann verließ er die Stadt. 1720 starb er zu Kassel169). Als Mittelpunkt des Tennhardtkreises trat dabei ganz deutlich wieder der als sein Freund schon bekannte Johann Kießling in Erscheinung. Es handelt sich bei ihm um den Großvater des so bekannten Johann Tobias Kießling 16°) in Kaiserstraße 11. Sein Beichtvater war schon Anfang 1709 aufgefordert worden, sich eingehend mit ihm zu befassen161). 1710 und 1711 vermittelte er den Briefverkehr mit Tennhardt162), und jetzt galt er wieder als der Verbreiter der Tennhardtschriften. Darüber gerieten sich die Prediger zwar selbst untereinander in die Haare, waren aber schließlich doch darin einig, daß etwas geschehen müsse, und zwar am besten die Ausweisung der Drei. Sie scheint aber doch unterblieben zu sein158). Unter Tennhardts Einfluß gab Tobias Eisler dann seinen Beruf auf. Er wirkte als Privatlehrer. Nach Tennhardts Wegzug von Nürnberg verließ auch er 1718 seine Vaterstadt. Er begab sich nach Helmstedt, wo er bis zu seinem Tode eifrig als Lehrer und sehr fruchtbarer Erbauungsschriftsteller im Sinne Tennhardts tätig war. Uber seine Beziehungen zu Barner gibt es freilich nur ein einziges, sehr farbloses Zeugnis: Gottfried Winkler sagt, daß er „nebst dem Eißler und Lindhammer . . . öfters lang und manchmal bis um Mitternacht bei dem Herrn General gesessen“ 183). Doch müßten wir für den „Sulam“, der doch in Nürnberg bekannt war, völlig im Dunkel tappen, wenn wir ihn nicht in Eisler finden wollten. Für dessen Lebensgeschichte hinwieder ergibt diese Gleichsetzung die Ursache für seinen Wegzug aus Nürnberg — das Zerwürfnis mit Barner oder vielmehr mit Lindhammer. Worin es aber seine Ursache hatte, ist nicht festzustellen. Die Sonderansichten Lindhammers sind überhaupt nicht bekannt, so weit sie nicht aus Winklers Visionen erschlossen werden und in diesen sind die Andeutungen so allgemeiner Art, daß in keiner Weise aufzeigbai ist, worin sie etwa von Eisler d. h. Tennhardt — denn Eisler fühlte sich ja nur als Tennhardts „Kanzlist“ — abwichen. Es könnte sein, daß sich Eisler im Zusammenhang mit Tennhardts Abkehr von den Separatisten164) von dem Gedanken der neuen Gemeinde Bamers abgewendet hat. Doch war dieser ja auch kein Verfechter einer voraussetzungslos und schon jetzt einsetzenden Separation. Irgendeine inhaltliche Änderung in den Offenbarungen zeigt sich weiterhin aber nicht. Die treibende Kraft blieb also auch nach Sulams Ausscheiden die gleiche wie vorher. Als solche kommt daher lediglich Lindhammer in Frage. Freilich darf auf diese weiter bestehende Gleichheit auch kein allzugroßer Nachdruck gelegt werden. Der Lehrgehalt ist so allgemeiner Art, daß sich Sonderlehren nie abzeichnen. Leonhard Lindhammer165), ein gebürtiger Regensburger, war zuerst Rektoi in Sulzbach, kam 1686 als Pfarrer nach Eismannsberg und 1690 nach Etzelwang. Hier wurde er 1694 als Chiliast abgesetzt. 1696 wurde er aber dann doch wieder als Pfarrer in Puschendorf angestellt. Im April 1701 teilte Lindhammer dem 222

Landalmosenamt mit, daß er die Pfairstelle niederlege. Es nahm diese Resig­ nation an, weil er „in unterschiedlichen Punkten von der evangelischen Kirche Orthodoxia sehr abgewichen seye (und) die Unterschreibung der Normalbücher rund abgeschlagen“ habe. Es wurde ihm unter Androhung von Gefängnis jede Art von Lehren und Unterrichten und jede geistliche Handlung untersagt168). Lindhammer beabsichtigte dann, sich in Puschendorf niederzulassen und dort sein Hauswesen und Viehzucht zu treiben. Das wurde ihm aber verboten; er solle in sein Vaterland ziehen167). Wo er dann seinen gewöhnlichen Wohnsitz hatte, ist nicht bekannt. Seine Sondermeinungen waren chiliastischer und perfektionistischer Art. Er starb 1732 in Halle. Mit diesem Lindhammer war der Prediger Winkler schon früher bekannt, ohne daß er jedoch mit ihm in seinen Sondermeinungen übereinstimmte. Lindhammer hatte bereits früher einmal zu einer nicht bekannten Zeit fest behauptet, daß Winkler wieder sein Gesicht erlangen werde und hatte dazu sogar den Tag angegeben, an dem das geschehen würde. Wie sich Winkler damals dazu gestellt hat, wird dabei nicht ganz deutlich188). Es ist zwar nicht unmöglich, daß es sich dabei um etwas handelt, das vor 1707 vorgefallen ist. Wahrscheinlicher aber ist damit eben das Vorkommnis gemeint, das später berichtet wird. Lindhammer verblieb nämlich einmal wieder zu einem unbe­ kannten Zeitpunkt eine Nacht in gemeinsamen Gebet mit der Familie Winkler in deren Haus, um das Wunder in dieser Nacht zu erzwingen. Dabei fuhr er den Visionär sehr scharf an, weil er nicht genügend Glauben habe. Diesem Umstand schrieb er es auch zu, daß damals Winklers Auge nicht wieder neu geschaffen wurde169). Im Frühjahr 1712 hatte sich Lindhammer schon wieder über ein Jahr in Nürnberg in engem Verkehr mit Winkler aufgehalten170). Im April 1718 war er bereits wieder geraume Zeit in Nürnberg und in Ver­ bindung mit Winkler171). Er ist zweifellos der Hintermann. Der Verdacht, daß er der Schreiber der beiden in Bamers Zimmer gelegten Zettel ist, liegt nahe, doch bezweifelt Gottfried Winkler diese Möglichkeit, wenn auch mit unsicheren Gründen 172). Ein Vergleich dieser Schrift mit den Ziffern, die Lindhammer bei seinen Kirchenbucheinträgen in Puschendorf schreibt, bestärkt diesen Verdacht jedenfalls nicht173). Auch der Inhalt der jetzt durch die Zahlenbriefe ver­ kündeten Offenbarungen läßt sich durchaus als chiliastisch und perfektionistisch bezeichnen, was von Lindhammers Sondermeinungen gesagt wird 174). Als Ur­ heber des ganzen Gedankenkreises muß J. W. Petersen gelten. Von seiner wenn auch nur leisen Beziehung zum Hause Winkler war bereits die Rede. Petersen muß auch mit dem „Chiliasten DP“ gemeint sein, mit dem Gottfried Winkler korrespondierte 175). In Petersens Gedankenwelt gehört ja auch die Lehre von der sündlosen Vollkommenheit, die der General vertrat176). Vor allem vertrat aber Petersen den Gedanken eines ständigen Fortgangs von Offenbarungen. Als Schriften, die auf ihn Einfluß hatten, nennt der junge Winkler177) die des Johann Pordage178), des Jakob Böhme, der Frau de la Motte-Guyon und der Cevennenpropheten 179). Nicht genannt wird dabei Tennhardt. Daß er im Hause Winklers bekannt war, ergibt rieh — von allem anderen abgesehen — schon daraus, daß ihn der Prediger sogar einmal, wenn auch nur in einer Äußerlich­ keit, zitiert180). Neben dieser neuen Theologie tritt in diesen Zahlenzetteln noch ein in den früheren Offenbarungen unbekanntes, sehr materielles Moment in Erscheinung. Es zeigt sich schon in den Zahlenbriefen, die vor Barners Ankunft in Trichters 223

Hand gelangten. Wenn dieser z. B. ermahnt wurde, dem Instrument Gutes mitzuteilen oder für Gottfried ein Reitpferd zu einem Spazierritt bereitzu­ stellen181). Jetzt blieb es nicht bei den Bitten um Geld für das „Werkzeug“ und seine Eltern, sondern es gab auch eine Bitte um eine kräftige Unter­ stützung für den in Leipzig wohnenden Bruder Gottfrieds. Er erhielt dann auch nicht weniger als 15 000 Gulden vom General182). Daß diese Dinge erst in den dem Vater Winkler unzugänglichen Offenbarungen auftauchten, zeigt deutlich, daß sie vor ihm nicht auftauchen durften, und beweist damit wieder seine Lauterkeit. In dieser Zeit — April 1718 — verschwand Gottfried Winkler eines Nachts einmal plötzlich aus dem Haus und aus der Stadt und begab sich nach Pleinfeld. Er wollte dazu von einem Engel veranlaßt worden sein, wie er dann auch dort verschiedene Engelserscheinungen — gleich einige Tausende — auf einer Wiese gesehen und andere wunderbare Erlebnisse gehabt haben wollte. Ursache oder Zweck dieses Verhaltens sind unbekannt 183>. Die Obrigkeit, die übrigens von den neuen Lehren erst 1720 erfuhr, war sich nicht recht klar, wie sie den Dingen begegnen sollte. Wegen des Generals wagte man kein energisches Durchgreifen. Man begnügte sich nach dem Rat der Prediger damit, daß man sich deutlich und klar gegen die Echtheit des Visionswerkes aussprach184). Doch ist nicht bekannt, in welcher Weise das dann geschah. Im Oktober 1718 wurden nun 2 schwedische Offiziere, die einen Nürnberger Bürger beim Spiel betrogen hatten, gefangen gesetzt. Einer von ihnen hatte einen Brief des Generals Bamer an einen im französischen Dienst stehenden Oberst von Lenk bei sich. In ihm wurde gebeten, von diesen wunderbaren Vorgängen „Madame“ zu verständigen. Damit kann wohl nur Frau von Maintenon gemein sein. Bamer erzählte darin, er habe mit seinem Schwiegervater 10 000 Golddükaten gewettet, daß der Vater Winkler sein seit 23 Jahren ver­ lorenes Gesicht durch eine Neuschöpfung des verlorenen Auges wieder erhalten werde. Auch die Mutter der Kaiserin185) habe dreimal eine Ansprache Gott­ frieds gehört und 4 Stunden lang die von ihm geformten Figuren betrachtet. In einem beiliegenden Bericht vom 17. September erzählte hier der General ausführlich von seinen Erfahrungen mit allerlei Ausfällen gegen die Kirche. Das lutherische Christentum und die Gelehrten darinnen stäken in einer gänz­ lichen Blindheit186). Doch wurde darauf nichts besonderes unternommen. Als im Sommer 1719 der Anhänger Petersens, Johann Christian Seitz187), in Schwaig bei Nürnberg war und hier vor Leuten aus Nürnberg und Lauf die Offenbarung des Johannes auslegte 188), bat ihn Bamer um ein Gutachten über die Winklerische Offenbarungsgeschichte. Es fiel aber durchaus nicht so aus, wie er es erwartet hatte189). Von einem Teil dieser Offenbarungen sagte er, daß sie auch an einer 19°) . . . Magd 191), an den Inspirierten 192), ja selbst „an den phantastischen Sulam zu observieren gewesen, die doch kein Verständiger oder in Gottes Wort Erfahrener oder in geistlichen Dingen geübten Sinn Habender für göttlich halten wird“. Bei anderen Stücken meint er, daß sie „ein verdrießliches Untersuchen und Widerspruch verursachen würden. Sobald aber Gott ein Werk in solche mißliche Umstände und Ungewißheit geraten läßt, machet eine billige Vermutung, daß Gott nichts damit zu tun habe, auch nicht 224

wolle, daß sein Volk . . . sich groß darum bemühen soll“. Diese Ablehnung durch Seitz ist umso beachtlicher, als er sich in dem gleichen Gutachten noch viel radikaler von der bisherigen Kirche geschieden hat als Barner. Schreibt er doch, er finde unter anderem bedenklich: „5. Einige Meinungen und Ausdrücke, die meinem Erkanntnus nach nicht schriftmäßig sind, sondern noch nach sektiererischem und antichristlichem Sauerteig schmecken, deren ich aber, weil Ew. Excellenz in vielen Stücken noch bei dem, was ihnen Fleisch und Blut in der christlichen Religion gelehret, beharret, nicht gedenken mag, um Streit zu vermeiden“. Unter dem sektiereri­ schen und antichristlichen Sauerteig ist natürlich die bisherige Kirche gemeint. Seitz soll dem General auch einmal gesagt haben, daß er den gelehrten Teufel, auf den er immer so schimpfe, wohl kenne; den dummen Teufel müsse aber er noch kennen lernen m). Im Herbst 1719 befaßte sich die Obrigkeit wieder mit der Angelegenheit. Sie machte insonderheit infolge der überaus ausfälligen Art Bamers immer mehr von sich reden. Dieser hielt auch Betstunden auf seinem Zimmer und bei Prediger Winkler. Bei letzteren hörte dieser anscheinend nur schweigend zu. Das hängt gewiß mit seinem doch bemerkbar werdenden Alter zusammen. Die Stadt versuchte auch, ihm einen Vikar zu geben. An Bamers Stunden nahmen auch ein paar Nürnberger Bürger teil194). Doch ist hier, wie in der ganzen Angelegenheit, auffällig, wie geringe Kreise in Nürnberg von dem ganzen Visionswerk berührt worden zu sein scheinen. So begnügte man sich diesmal wieder mit Ermahnungen und Verboten an die einzelnen. Nach langen und umständlichen Verhandlungen rieten die Prediger nun endlich zu einer ganz gründlichen Untersuchung und zu einer ausführlichen öffentlichen Darlegung der ganzen Dinge. Sie könnten nicht länger davon vor den Augen der christ­ lichen Kirche stille schweigen und ihre Meinung nicht entdecken 19S). Dazu trug vor allem bei, daß auch über die separatistischen Hintergründe der ganzen Sache immer mehr durchsickerte, ja, sogar aufgelöste Abschriften der be­ lastenden Zahlenzettel in die Hand des Vormundamtes gerieten196). Darauf forderte man vom Prediger Winkler die genauen Unterlagen, erhielt auch eine große Anzahl von solchen Zahlenzetteln. Doch fehlten dabei bedeutsamerweise gerade die belastendsten 197). Daß diese Auswahl durch den Prediger Winkler erfolgt sei, darf wohl nicht angenommen werden. Es ist in keiner Weise undenkbar, ja im Gegenteil sehr wahrscheinlich, daß er von Offenbarungen kirchenfeindlichen Inhalts überhaupt keine Kenntnis bekommen hat. Außerdem hatte im Februar 1720 Gottfried Winkler seinen Lehrvertrag gebrochen, indem er eines Tages bei seinem Dienstherrn nicht mehr erschien, sondern als Sekretär in den Dienst des Generals tratlfl8). Über den sich jetzt entspinnenden Maßnahmen starb am 2. Juni 1720 plötz­ lich der alte Prediger. Dabei kam es zu einem sehr üblen Skandal. Am späten Abend des 2. Juni wurde Diakonus Hirsch199) als jetziger Beichtvater an das Sterbebett Winklers gerufen. Bevor er noch etwas sagen konnte, wurde er von dem daneben stehenden General angeredet, er „sollte den Mann da ansehen, wie er unter dem Gericht Gottes läge, den Gott in die Reinigung müsse bringen und züchtigen, weil er bisher kein Christ gewesen, so er (Bamer) ihm oft gesagt, habe auch kein göttliches Leben geführt, sondern in seiner Gelehrsamkeit gesteckt und sich in dieselbe verliebt und mit Büchern aufgehalten“ usw. Hirsch suchte den Prediger zu entschuldigen. Darauf eiferte Bamer noch mehr 15

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gegen Gelehrsamkeit und Bücher. Er schalt alle Lehrer und Prediger ohne Unterschied Diebe und Mörder, die nicht vom heiligen Geist berufen seien. Aber Gott würde alle Ungläubigen zuschanden machen; aber — betonte er mit großem Geschrei — „der todesschwache Herr Prediger, der elend dalag und dazu seufzte und etwa unvernehmlich betete oder redete, so aber nicht attendiert wurde, würde wieder gesund und sehend werden. Davon habe er eine göttliche Versicherung und wolle Leib und Leben, Gut und Ehre verloren haben, ja man solle ihn für keinen ehrlichen Mann halten, wenn es nicht so ein­ treffe“200). In der Nacht starb Winkler. Seine Anhänger wollten nicht an seinen Tod glauben. Die Beerdigung wurde bis zum 7. Juni hinausgezögert201). Der noch vorhandene Augapfel wurde durch die beginnende Verwesung aufgedunsen. Auch daran wollte man den Anfang des großen Wunders sehen 202), bis sich die Verwesung zu deutlich bemerkbar machte. Und auch bei der Beerdigung wurden die Totengräber noch durch ein vermeintliches Klopfen im Sarg erschreckt 203). Die Leichenpredigt, die Prediger Wezel hielt, erschien in einer ungewöhnlich reichen Aufmachung in Druck. Sie trägt den Titel: „Die zur Seelengenesung verhoffte Gottesschau“. Sie füllt 76 Folioseiten, berührt aber die besonderen Vorkommnisse der ganzen Visionsäffäre mit keiner Andeutung 204). Der weitere Verlauf kann kurz zusammengefaßt werden, obwohl er in den Akten viel Raum einnimmt. Nach des Predigers Tod sah der Rat keinen Anlaß mehr, auf diesen Rücksicht zunehmen, was er bisher immer getan hatte. Am 18. Juni wurde Gottfried Wipkler auf die Ratsvogtei, als den vornehmsten Haftort der Stadt, verbracht und am 13. August auf den Wasserturm 205). Und damit war der Spuk gebannt. Die Enttäuschung der Erwartung allein hätte dazu nicht genügt, wie die Religions- und Sektierergeschichte alter und neuer Zeit deutlich zeigt. Aber daß die Offenbarungen, aufhörten, das blieb nicht ohne Wirkung. Wohl weil nun keine Gelegenheit mehr bestand, sie an den General zu bringen, verzichtete Gottfried Winkler auf weitere Erscheinungen und Diktate. Über Lindhammers Haltung ist keine rechte Klarheit zu erlangen. Er soll, nach einer Aussage Gottfrieds vom 12. Juli 1720, zuletzt an der Gött­ lichkeit der Sache irre geworden sein und sich darüber mit dem General entzweit haben200). Ob das noch vor dem Tod des Predigers geschah oder erst nachher, ist unbekannt. Auf jeden Fall muß es vor Gottfrieds Gefangennahme geschehen sein. Daß die überirdischen Mächte, die doch früher wie bei den mancherlei Gnaden- und Zahlenzetteln auch ohne jeder Vermittelung ihre Botschaften gesandt hatten, jetzt auf diese Möglichkeit verzichteten, scheint allmählich eine Ernüchterung sogar bei dem bisher ganz besessenen General herbeigeführt zu haben. Dazu hat vielleicht gar der Schwiegervater des Generals auf der Be­ zahlung der nun verfallenen Wettschuld von 10 000 Golddukaten bestanden. Und der General hatte doch geschrieben: „Ceux qui me connoissaient jugeront bien que je ne risquerois pas une tante somme, si je ne connoissois le tout puissant et que j’eusse eu des preuves coiwainquantes de sa puissance . . .“ 207). Am 25. Dezember 1720 schrieb der nürnbergische Gesandte in Wien: „Allem Ansehen nach dürfte Herr General von Bämer sich umb den Winckler nicht mehr groß bekümmern, weilen er, wie ich sicher weiß, von allen vornehmen Persohnen verlacht und ihme frey ins Gesicht gesagt wird, 226

daß diese Betrügereyen auf seinen Geldbeutel gerichtet sind, wie er selber eingestehen müssen, daß diese gantze Zeit über der bißherige Engel ihn verlassen. Wenigstens hoffe ich, daß wenn der unruhige Visionist Winckler hieher kommen und seine Schwärmereyen treiben sollte, er ohnfehlbar ein schimpfliches Tractement haben dürfte, indeme die Catholiquen über das biß­ herige Bezeichen einen großen Widerwillen spüren lassen . . 208). Bamer führte sich dabei so auf, „daß, wie alle seine Leute meinen, er bereits die Sinnen verlohren oder noch verlieren wird. Kein Mensch kann mehr mit ihm auskommen, indem er nichts als schändet, schmähet und flucht“, wie der nürn­ berger Vertreter in Wien schrieb 209). Damit gab er gleichzeitig auch, einen deut­ lichen Kommentar zu seiner Lehre von der vollkommenen Sündlosigkeit des rechten Christentums, wie er es vertrat. Freilich ist es begreiflich, daß Bamer nun umso leidenschaftlicher seinen Anspruch gegen die Stadt Nürnberg verfocht. Ihr gegenüber wollte er doch wenigstens Recht behalten. Er klagte schriftlich und mündlich beim Reichs­ hofrat in Wien, daß sie seinen Sekretär grundlos in Haft halte und die Vasa sacra, die er als sein Eigentum ansprach, mit Beschlag belegt habe. Trotz des Eindruckes, den dabei seine Aufführung machte, hielt es die Stadt dennoch für nötig, sich dieser Klagen zu erwehren. Die Untersuchung gegen Winkler wuchs sich zu einer Art Hexenproizeß der Reichsstadt Nürnberg aus. Als die zunächst vorliegenden strafbaren Hand­ lungen standen zwar Vorbereitungen zu einem allgemeinen Umsturz kirchlicher und staatlicher Verhältnisse fest. Noch weniger Zweifel hatte es mit den Urkundenfälschungen (Fälschungen von Unterschriften Gottes und von Engeln). Aber es stand in Frage, ob Winkler dabei selbst als der zunächst handelnde und unmittelbar verantwortliche Teil gelten konnte oder ob er dabei nur seiner­ seits wieder das betrogene Werkzeug teuflischer Mächte sei. Ein Teil der Prediger war davon überzeugt, daß Winkler allein dafür verantwortlich zu machen und daher für einen Betrüger zu halten sei. Einige der Prediger waren aber — wie schon 1708 — doch der Anschauung, daß sich hier teuflische Mächte auswirkten. Auch der leider ungenannte frühere Hauslehrer Gottfrieds hielt es ja in seinem Bericht vom November 1720 über seine Erfahrungen mit seinen Schülern nicht für unnötig, zu berichten: „Ich ging auch zu solcher Zeit an einem Feyertag mit ihnen spaziren vor die Schanz, wurde aber ganz irr, daß eine Zeitlang keinen Ausweg Anden konnte. Solches aus Unwissenheit der Wege mag geschehen seyn; doch kann auch etwas anderes uns irre gemachet haben.“ Er gab auch zu erwägen, ob so ein Geist „nicht an Herrn Predigers Fall einige Jahre zuvor schuld gewesen“, womit er zweifellos den Sturz im Jahre 1701 meinte. Er sei schließlich aus diesem Dienst gegangen, weil er die Vision für Illusionen des Satans hielt210). Der Historiker der bayerischen Hexenprozesse stellte gerade für die Jahre 1715—1722 fest, daß im katholischen Bayern die Hexenverfolgungen noch ein­ mal zu einer Hochflut anschwollen211), freilich ohne so harmlos zu verlaufen wie in Nürnberg der Fall Winkler. Eine leise Rückwirkung auf das Denken in evangelischen Gebieten wird dabei nicht als ausgeschlossen betrachtet werden können. Denen, die Gottfried für einen Schwindler hielten, gelang es aber schlechter­ dings nicht, ihn davon zu überführen und noch weniger, ihn zu einem Ge­ is*

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ständnis zu bringen. Man konnte ihn zwar in allerlei Widersprüche verwickeln, weil er seine Erscheinungen immer wieder neu ausschmückte. Aber weiter gelangte man nicht. Gar ein Geständnis zu erlangen war ja allerdings schon psychologisch undenkbar. Wie sollte der Angeklagte sich einem Untersuchungsbeamten gegenüber als Schwindler bekennen, wenn vor ihm noch, ein anderer Untersuchungsbeamter saß, der von der Ubematürlichkeit der Vorkommnisse überzeugt war und lediglich das Eingeständnis haben wollte, daß es sich dabei nicht um eine gute Engelsmacht gehandelt habe? So fanden sich dann schließlich in einem teilweisen sehr auf Schrauben gestellten Gutachten der Prediger auch die, die eigentlich nur mit einem Betrug rechneten, damit ab, daß der Einfluß teuflischer Mächte in den Vordergrund gestellt wurde212). Von einer einmal hingeworfenen Bemerkung Gottfrieds, daß „der Teufel viel Gewalt“ habe213), ausgehend, erreichten sie nun auch alles, was sie wollten, schließlich sogar das Geständnis eines mit seinem eigenen Blut unversiegelten und von höllischen Flammen umlohten Bundes mit dem Teufel214). Sie baten aber dann auch in ihrem Gutachten — und das war, wenn es nicht wie freilich wahrscheinlich auch ohnedies von vornherein beabsichtigt gewesen sein sollte, zweifellos die Be­ dingung, unter der die Vertreter der Betrugshypothese in diesen Handel ein­ gewilligt hatten — unter Anführung der verschiedensten mildernden Umstände für den Angeklagten um Milde. Sie schlugen Maßnahmen vor, wie sie dann auch durchgeführt wurden. Am 19. Dezember 1720 legte Gottfried feierlich Geständnis und Widerruf vor den Predigern, den 6 ältesten Diakonen und dem Beichtvater der Familie Winkler ab. Das galt als Ersatz für die öffentliche Kirchenbuße215). Darauf schwur er der Stadt Urfehde216). Am 10. Januar 1721 reiste er dann auch befehlsgemäß nach Leipzig zu seinem Bruder ab. Davon, daß Bamer ihn zu sich nach Wien oder Ippesheim gerufen habe, ist nichts bekannt. Fast scheint es so, als sei es auch nicht zu vermuten. Gottfried sagte kurz vor seiner Ent­ lassung, er habe keine Lust sich zu Bamer zu begeben und von ihm herum­ führen zu lassen, wie es die Ärzte mit einem Affen tun217). Um den am kaiserlichen Hof gegen die Stadt gerichteten Anklagen ganz gründlich zu begegnen, erfüllte die Stadt nun auch noch in sehr ausgedehntem Maße den schon einmal ausgesprochenen Wunsch der Prediger: sie ließ auf 72 Folioseiten mit 4 Tafeln eine überaus eingehende „Aktenmäßige Species Facti“ erscheinen218). Als Verfasser galt Marperger21#). Das Buch trägt das Erscheinungsjahr 1720, der Druck wurde aber erst im Februar 1721 beschlossen und befohlen 220). Ob der General die Vasa sacra erhielt, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Den Kaiserlichen Befehl auf Auslieferung erwiderte die Stadt mit einer Bestreitung des Anspruches Bamers, obwohl der Wiener Gesandte riet, die Sachen herzugeben, damit man endlich diesen einrissdgen Menschen los werde221). Bamer scheint eine Gegenveröffentlichung geplant zu haben. Wenigstens erkundigten sich Nürnberger Buchhändler im Sommer 1721 wiederholt nach einer solchen 222). Außerdem liegen zwei Gutachten theologischer Fakultäten zu dieser Frage vor und zwar solche der katholischen Universitäten Würzburg und Ingolstadt. Sie können nur durch eine Anfrage des Generals veranlaßt worden sein, und eine solche hatte nur im Rahmen einer geplanten Veröffent­ lichung einen Sinn. Die ihnen vorgelegten Fragen lauten: 228

1. Num post ascensdonem Christi inter Christianos dard possint visiones et apparitiones angelicae, item colloquia arxgelorum, tum bonorum tum malorum cum hominibus? 2. Num tales visiones et colloquia re vera contigerint? 3. Num adhuc talia colloquia se exerant? 4. Num Spiritus separati, v. g. angeli vel daemones, höminibus, quibus apparent et cum quibus sermocinantur, etiam res variarum formarum et figurarum ostendere oculisque illorum sistere possint ac soleant? 5. Num itidem res corporeas nunc has nunc alias ex diversa materia, quae hominum quotidiano usui exposita est, ipso facto formare formatasque homini­ bus offerre oculisque illorum sistere possint ac soleant aut in aedibus illorum conclavibusque nunc hic nunc alibi ad illorum usum seponere possint? 6. Num etiam literas et integras periodos scripto concipere et ad usum hominum offerre aut hic et illic in cameris seponere possint soleantque? 7. Num in ecstasi per homines eorumque organa sermonis sermonem facere et sic ad alios verba facere istosque monere, docere etc. queant, illis insciis, per quorum organa hoc fit? (= 1. Können nach Christi Himmelfahrt in der Christenheit engelische Gesichte und Erscheinungen und Gespräche von Engeln — guten oder bösen — mit Menschen noch Wirklichkeit werden? 2. Sind solche Erscheinungen und Gespräche wirklich vorgekommen? 3. Kommen solche Gespräche noch heutzutage vor? 4. Können individuelle Geister — Engel oder Dämonen — den Menschen, denen sie erscheinen und mit denen sie reden, auch Dinge von verschiedener Form und Gestalt zeigen und vor die Augen stellen? Pflegen sie das auch zu tun? 5. Können sie auch bald diese bald jene greifbaren Dinge aus verschie­ denem Stoff, die zum alltäglichen Gebrauch der Menschen bestimmt sind, bilden und dann den Menschen darbieten, vor Augen stellen und in ihren Häu­ sern und Wohnungen bald da bald dort zum Gebrauch hinstellen? Pflegen sie das auch zu tun? 6. Können sie auch Buchstaben und ganze Sätze schriftliche niederlegen, den Menschen zum Gebrauch übergeben und bald da bald dort in ihren Zimmer hinlegen? Pflegen sie das auch zu tun? 7. Können sie auch durch Menschen und deren Sprechwerkzeuge in der Ver­ zückung reden, so andere ansprechen, ermahnen und belehren — ohne daß die, durch deren Mund das geschieht, etwas davon wissen?) Die Antworten auf diese Fragen lauten, da die Fragen ja nur ganz grund­ sätzlicher, theologischer Art sind, selbstverständlich positiv. Lediglich Ingolstadt macht bei der Frage 5 eine gewisse Einschränkung, indem man dort den Engeln nicht die Fähigkeit einer völligen Neuschaffung zugestanden wissen wollte. Daß sich in diesen Antworten auch nicht die allerleiseste Anspielung auf die Nürnberger Vorfälle findet, ist selbstverständlich 223). Das „Visionswerk“ nahm auf diese Weise einen recht kläglichen, fast etwas komödiantenhaften Ausgang. Das ließ damals die Bevölkerung von Nürnberg und läßt auch heute noch uns leicht den unmittelbaren engen und ernsten Zusammenhang übersehen, den mit ihm das persönliche Schicksal des Predigers 229

Winkler und seiner Erbauungsstunden hatte. Wenn man die geistige Höhenlage und die religiöse Tiefe dieser Stunden kennt, wie es an Hand des „Protokoll­ buches“ möglich ist, erscheint es kaum begreiflich, wie eine Arbeit, die so begonnen hatte, dann in einem solchen „Visionswerk“ enden konnte. Die gleiche Frage stellt etwa die Erklärung des Predigers dem Kirchenamt gegenüber: „Ich bin in meinem Glauben gewiß, daß midi Gott der Herr nimmermehr so wird fallen lassen, daß ich nach 38 Jahren mit Segen verrichtetem Predigtamt von dem Teufel so sollte geäffet oder wie Denhard redet, vor einem Narren gehalten werden“ 224). Doch diese Frage führt aus dem Bereich der Geschichts­ wissenschaft in einen anderen Raum.

Anmerkungen 1) Ausgabe Frankfurt/Main 1680, Seite 97 ff. — In die gegenwärtige Schreibweise über­ tragen. 2) Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte (= ZbKG) 1926 ff. 6, 250—251 (Wirth); 7, 44—49 (Schöps). 3) * Wolkenburg an der Mulde 1656. — 1687 Eschenau, 1691 entlassen, 1694 Nürnberg St. WaLburg Frühprediger, 1694 Zuchthausgeistlicher, 1697 Sudenprediger — t 1723. — Literatur bei Simon Matthias, Bayreuthisches Pfarrerbuch. München 1931 Nr. 2779. — Simon Matthias, Evangelische Kirchengeschichte. München 1942. 485 (Bildtafel 44). — Hirsch Chn., Vorrede zu: Wirth Ambrosius, Die Epistel an die Römer in Frag und Ant­ wort. Nürnberg 1724. — Beck Chph., Zur Frühgeschichte der Berufs- und Realschule in Franken, Neustadt/Aisch 1932, 23—29. (Im Rahmen dieser Untersuchung sehr gut; doch verdiente Wirth noch eine ausführlichere Behandlung.) 4) Schöps (Scheps) Samuel. — In Nürnberg nicht getraut; begr. 12. Mai 1717. — Das Zuchthaus befand sich im alten Barfüßerkloster bei der Museumsbrücke. 5) Name und Beruf ergeben sich aus der ZbKG 7, 46 erzählten Geschichte. — Leider wird dort immer von einem ».Schreiber“ berichtet. Schöps war 1700 in der Pfarrei St. Sebald nur ein einziges Mal Pate und zwar am 16. Juni bei dem genannten. Daß es sich wirklich um ihn handelt, ergibt sich weiter aus dem später vorzulegenden Bericht des Predigers Winkler, der von einer Erbauungsstunde bei einem Schreiner spricht. 0) ZbKG 6, 250 f. 7) „Die erste Liebe d. i. Wahre Abbildung der ersten Christen nach ihrem lebendigen Glauben und heiligen Leben“. Frankfurt/Main 1696 (RE 3, 123). 8) ZbKG 7. 47. 9) ZbKG 6, 251. 10) Feuerlein Johann Konrad, seit 1697 Prediger bei St. Ägidien, 1706 Superintendent in Nördlingen. (Literatur bei Simon, Kirchengeschichte 497.) 11) Böhmer Georg Wilhelm, seit 1685 Prediger bei St. Jakob — f 1710. (Würfel, Diptycha . . . Jacobi 19 f. 12) Das „Büchlein von der Londischen Gesellschaft“, das in Nürnberg so großen Eindruck machte und das Prediger Feuerlein in einer Predigt als Richtschnur empfahl (ZbKG 7, 47 f), ist entweder die Schrift der Jane Lead (A Message to the Philadelphian Society, whithersoever dispersed over the whole Earth, London 1696; sie erschien noch im gleichen Jahre deutsch zu Amsterdam unter deim Titel „Eine Botschaft an die Philadelphische Societät (RE 11, 328 — Göbel 2, 783 f)) oder die Schrift „Propositions . . . of an Philadelphian Society“. London 1697 (RE 3, 417. — Von ihr ist aber — wenigstens nicht vor 1700 — keine deutsrfie Ausgabe bekannt. (Arnold H, 17. IX. 59)). 13) IMyhldorf Andreas, seit 1697 Prediger bei St. Lorenz, 1704 bei St. Sebald bis t 1717. — Würfel, Diptycha Sebaldina 31 f. 14) Stadtbibliothek Nürnberg, Will II 1548. 4 o. 15) Würfel Andr., Diyptycha B. Mariae. Nürnberg 1761. 39 ff. — Will Gg. Andr. = Nopitsch Chn. Konr., Nürhbergisches Gelehrtenlexikon (Nürnberg 1755 — 1808) 4 , 258 ff. — Leichenpredigt von Wezei Justin. Leipzig 1720. — Ein Bild von ihm, gestochen von Wolf­ gang Philipp Kilian 1720, in meinem Besitz. Der darunterstehende Vers aus der Feder seines Hausarztes nennt ihn Doctrina, eloquio, pietate insignis et ortu. iß) Katalog der fürstlich Stolberg-Stolberg’schen Leichenpredigten-Sammlung 4 II (Leipzig 1935) 707—713. 17) Würfel, Diptycha Sebaldina 19. 18) Leichenrede von Dilherr J. M. Nürnberg 1661. 19) Spitzel Theophil (Gottlieb), Prediger und Senior in Augsburg — t 1691. (Literatur bei Simon, Kirchengeschichte 482.)

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20) Während des Reichskrieges gegen Frankreich, das Holland besetzt hatte, tagte 1673/74 in Köln ein Friedenskongreß, auf dem Bayern und Schweden zwischen Frankreich und dem Reich vermitteln wollten. Er löste sich im Februar 1674 auf, als die Reichs­ truppen die Franzosen zurückgedrängt hatten. (Gebhardt Bruno, Handbuch der deut­ schen Geschichte 2 (Stuttgart 1923 2), 2, 247 f.) 21) Uber den Vater: vgl. WilUNopitsch 2, 589 f. 22) Will-Nopitsch 4, 262. 23) Nürnberg, Landeskirchliches Archiv, Beerdigungsbuch St. Sebald Seite 291. 24) Nürnberg, Stadtbiibliothek, Will II 1548. 4 o. — Leider enthält das Staatsarchiv Nürnberg nichts Einschlägiges. 25) Wegen der Reunionen Ludwigs XIV. fanden zwischen dem Reich und Frankreich Verhandlungen statt. Sie begannen im Januar 1631 in Frankfurt und. endeten am 15. August 1684 zu Regensiburg mit dem Abschluß eines 20jährigen Waffenstillstandes, während dessen Ludwig XIV. im Besitz seiner Reunionen verbleiben sollte. Der Waf­ fenstillstand fand am 24. Sept. 1688 ein Ende, als die französischen Heere den Rhein überschritten, um den dauernden Besitz der Reunionsgebiete zu erzwingen. (Gebhardt &, 252, 254, 257.) 26) (Areularius Johann Daniel, * Darmstadt 1650, t Frankfurt/Main 1710. — Professor in Gießen, dann Pfarrer und Senior in Frankfurt. (Zedier 2, 1266.) 27) Gabriel Spizel, der Sohn des früher genannten Gottlieb Spizel, * Augsburg 1664. — Bei Spener in Dresden, seit 1690 Geistlicher in Augsburg an der Barfüßerkirche und bei St. Jacob — f 1704. (Rein Josef, Friedrich, Das gesamte Augsburgische evangelische Ministerium. Augsburg (1748) Nr. 165.) 28) Horb Johann Heinrich, Speners Schwager. 1679 Pfarrer in Windsheim, 1685 in Ham­ burg — f 1695 (Literatur bei Simon, Kirchengeschichte 482). 29) Schade Johann Kaspar, Speners Amtskollege in Berlin — f 1698. — ADB 37, 319—324. 30) Gräf Johann drängte als Diakon von Kirchensittenbach eifrig auf Christenlehr­ besuch und Sonntagsheiligung. Seit 1668 Diakonus bei St. Sebald, f 1698 (Würfel, Dipt. Seb. 124—129). 31) = 6). 32) in Nürnberg verwendete man zwei Stundenzählungen. 1. Die kleinere Uh4r. Bei ihr wurden die Stunden wie bei uns von Mitternacht bis 12 Uhr mittags und von da wieder bis 12 Uhr mitternachts gezählt. 2. Die größere Uhr. Bei ihr wurden Tag und Nacht gesondert gezählt, und je­ weils mit Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang begonnen bzw. geschlossen. Tage und Nächte hatten dabei je nach ihrer Länge im Laufe des Jahres eine verschiedene Anzahl von Stunden. (Grotefend H., Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der neueren Zeit. Hannover 1891 1, 185 f.) Im vorliegenden Fall beginnt die Vesper um 2 Uhr nach­ mittags unserer Rechnung. (RbKG 12,15) 2 Uhr der größeren muß also, wie allein schon daraus hervorgeht, daß eine Stunde nach der Vesper gemeint ist, die 2. Stunde nach Sonnenuntergang meinen, d. i. im Oktober und Januar 7 Uhr nachmittags. Mit dieser Berechnung stitnmt überein, daß in den später wiedergegebenen Ordnungen der Winklerischen Erbauungsstunden als ihr Beginn l/s5 Uhr (der kleineren) genannt wird, ihr Ende also um V27 Uhr erfolgte. 33) Joseph Schaitberger, der 1686 ausgewiesene Führer der Evangelischen im Dürnberger Tal, t 1733 Nürnberg. — In seinem überaus einflußreichen „Sendbrief“ bekennt er sich sehr entschieden zu den Hausversammlungen, um deren willen „der unschuldige M. Franck ( = A. H. Francke) und der gute Herr Wirth“ vieles hätten leiden und er­ dulden müssen („Neu-vermehrter . . . Sendbrief“ Nürnberg um 1735. 502 ff. — Simon, KG 527, 530). — Kinast Erich, Die ersten Tiroler Exulanten und ihr geistiges Haupt. Leipzig, 1925. 34) joh. Joach. Simmers (vergl. Anm. 5!). 35) Döberich Paul, Sohn des Dietrich Döberich, Bürgermeister zu Sonneberg, OO Nürn­ berg Lorenz, 14. 4. 1696 Mezger Maria Elisabeth, Tochter des Peter Paul Mezger, General­ münzwardein des fränkischen Kreises. — = Chph. Paul Döberich auf dem Roßmarkt, beerd. Nürnberg Lorenz 26. 7. 1737? 36) sicher handelt es sich bei diesen Zusammenkünften nicht um selbständig getrennt nebeneinander bestehende Kreise, sondern nur um den gleichen Kreis, der, wie Schöps ja erzählt (ZbKG 7, 48), zuerst bei den einzelnen Mitgliedern reihum zusammenkam. Wir lernen also dadurch Namen von Teilnehmern kennen. 37) August Hermann Francke. 38) NLA St. Sebald 236 (Ratsverlässe), 102. 39) Protokoll des, was wöchentlich am Montag in den collegio pietatis bey Herrn Pre­ diger Wincklers Excellenz erklärt, geredet und gehandelt wird. (Stadtbibliothek Nürn­ berg, Solger 35. 4 0. Ms. — Die Satzungen (f. 1—8), abgedr. in: Bibliotheka sive supellex liborum . . . quos . . . collegit A. R. Solger Nürnberg 1760 1, 242—250 (2. Zählung). 40) a. a. O.

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41) Das Buch schreibt allerdings deutlich 1702. Die darin enthaltenen Kalenderdaten stimmen aber nur mit 1701 zusammen. 42) Leichenpredigt 69. 43) Diese beiden Worte fehlen irrtümlich in der Handschrift. — Gemeint ist das 2. Gebet des 2. Teiles in der Ausgabe Nürnberg bei Endter, 1630, Seite 175. 44) in der Handschrift steht „die“ — einer der verschiedenen Lese- oder Schreibfehler. 45) Gemeint ist gewiß Johann Säubert der Ältere, t als Prediger von St. Sebald in Nürnberg 1646 (Will-Nopitsch 4, 456—165). 46) „Protokoll . . .“ 72—66. 47) Diese Frage wurde vielleicht durch die Lotterie zur Errichtung einer Armenschule in Nürnberg veranlaßt. Diese hatte der Prediger bei St. Sebald. Konrad Feuerlein, der Vater des oben genannten Joh. Konr., angeregt. Dabei zog er selbst den Hauptgewinn, den er dann sofort wieder der geplanten Schule schenkte. (Priem Johann Paul, Ge­ schichte der Stadt Nürnberg, Nürnberg 1875. 241.) 48) 17. 2. 1703 (ZbKG 6, 250. — Auffällig ist nur, daß Winkler hier anscheinend nicht als bereits vollkommen blind angesehen wird). 4ö) Stadtbibliothek Nürnberg, Will II 1280 B. 12 o. Pr. 19. 50) a. a. O. 1552. 51) Würfel, Diptycha ecclesiae ad spiritum Sanctum 102 ff. — Will-Nopitsch 4, 659—663; 8, 185 f. 52) Will-Nopitsch 4, 660. 53) Eine Untersuchung über diese höchst verwickelten Vorgänge habe ich druckfertig abgeschlossen. 54) Stadtbibliothek Nürnberg, Will 2, 1552 a. u. b. 12 o. Geb. Hamburg 1684. Studierte unter anderem in Halle, kam als Diakonus nach Nürnberg, seit 1714 bei St. Egidien, 1724 Dresden Oberfrofprediger — t 1746. — Würfel, Diptycha Egidiana 57—61. — Will-Nopitsch 2, 575—580. 55) Petersen Joh. Wilh., Das Leben J. W. Petersens ... als Zeugnis der Wahrheit Christi o. O. 1717. 287. 56) Engelische Erscheinungen und Offenbarungen o. O. 1630 I. — Trost und Schrecken, das ist Göttliche Offenbarungen ... so Lorenz Pscherer . . . gehabt hat. o. O. 1630. 57) Engelische Erscheinungen und Offenbarungen o. O. 1630 II. 58) Arnold Gottfried, Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie. HI cap. 22, 5. 59) A 20 — Arnold III cap. 26. 60) Arnold HI cap. 27. — Nürnberg, Stadtbibliothek. — Will II 1280 (2 0.) a 20. «1) RE 2, 143 f. «2) Nürnberg, Staatsarchiv 110, 102 c. 63) ZbKG 18, 41 ff. — Simon, Kirchengeschichte 488 f. 64) Siebenkees Joh. Chph., Materialien zur Nürnbergischen Geschichte. Nürnberg 172. 1, 104—109. 65) Petersen Joh. Wilh., Das Leben J. W. Petersens ... als Zeugnis der Wahrheit Christi o. O. 1717. 287. 66) Simon, Kirchengeschichte 490 f. 87) Braun Friedrich, Joh. Tennhardt. München 1934. 30 ff. 68) Stadtbibi. Nürnberg, Will n 1277. 2 o. «9) ZbKG 7. 53 ff., 102 f. — Will II 1280 (2 0), A 9. 2. 70) Die Prediger verwiesen dazu auf Langes Deductionsschrift und auf Pfänners Bedenken. Letzteres, des gothaischen Hofrats Tobias Pfänner Unpartheiisches Bedencken von J. G. Rosenbach (vgl. Unschuldige Nachrichten 1707, 172—180), ist mir nicht zugäng­ lich, fußt aber wohl ausschließlich auf des Altdorfer Professors Lang „Schriftliche Dediuction dessen, was beobachtet hat . . . Lang“ in: Wahre und gewissenhafte Zeugnüsse, o. O. u. J. (z. B. Nürnberg, Landeskirchliche Sammelstelle Fen. II 373. 12 o (3.)). Hier heißt es S. 34: „Nicht ist ein fanaticus, dem Gott zuweilen solche außerordentliche Gnade wie dem sei. Joh. Arnd und erst neulich der Jungfer Degnin (so bei Herrn Winkler, einem Handelsherrn in Nürnberg, ist), wunderbarlich hat widerfahren lassen“. 71) Die Akten über die folgenden Ereignisse befinden sich unter dem Titel „Acta des Gottfried Winklers angebliche Engelserscheinungen betreffend“ in der Stadtbibliothek Nürnberg als Will II 1280. 2 o. a—C. Von den ursprünglich 4 in Pergament gebundenen Foliobänden sind leider nur noch 3 vorhanden. (A, B und C signiert.) Der ursprünglich 3. Band fehlt. Er scheint, da auf den Band II (B) noch im 18. Jahrhundert die Ziffer III hinzugefügt wurde, schon bald verloren gegangen zu sein. Ebenso fehlen die in Band II in einem besonderen mit Pergamentüberzug versehenen Klappenteil gelegten Offen­ barungszettel, die 1720 abgeliefert wurden. Die Bände werden im folgenden einfach als A, B und C bezeichnet. Die folgende Ziffer nennt die Produktnummer. Für den ver­ lorenen Band tritt ein die mit Hilfe dieser Akten zusammengestellte amtliche Ver­ öffentlichung: „Actenmäßige Species facti woraus umständlich zu ersehen, wie das Wincklerische Visionsrwerck in die 13 Jahr lang, alles obrigkeitlichen Warnens und Verbietens ohngeachtet fortgetrieben, endlich aber durch dessen widrigen Ausgang als auch in einer gewissenhaften Untersuchung gantz nichtig und unrichtig, anbey wegen darunter ab­ gezielt gewesenen separatistischen Religions-Motuum gefährlich und weit aussehend befunden worden. Anno 1720.“ Sie wird als Sp. f. zitiert.

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72) Getauft 28. 9. 1698. Bei seiner Geburt soll ihm ein Arm gebrochen sein, der nach­ her noch zweimal brach (C 271). Es findet sich aber weiter nie irgendeine Andeutung davon, daß Gottfried dadurch irgend eine Behinderung erfahren hatte. Diese Dinge dürfen also kaum zu einer psychologischen Erklärung der folgenden Ereignisse als Kom­ pensationsversuche eines durch sie ausgelösten Minderwertigkeitsgefühles herangezogen werden. 73) |A 2. 74) A4. — Hauer Joh. Chph., t 1713 (Würfel, Diptycha Laurentiana 140 ff.). 75) a 8. — Geb. Nürnberg 1667. Nach längerem Schuldienst seit 1706 Diakonus bei St. Sebald, 1711 Prediger bei St. Jakob, 1714 bei St. Lorenz, f 1727. (Würfel, Diptycha Laurentiana 21 f. — Will-Nopitsch 4, 227 ff.; 8, 1391.) 76) c 271. — (Allerdings erst aus dem Jahre 1720.) Der Verfasser nennt sich leider nicht. 77) A 10 b, 21 ff. 78) a 10 b, 50. — Es kann sich dabei nur um den Pfarrer Th. Gabriel in Heroldsberg handeln. (Würfel, Diptycha in pagis ... 235 ff.) 79) A 10 b 57 ff. 80) c 271, 5.

81) B C B A A 86) B 87) C 88) A 89) A 90) B 91) A »2) A 82) 83) 84) 85)

57 f., 2. 271, 3. 84 S. 17. 8 S. 4. 19. 84 S. 12 f. 283. 48, 38. 48, 11. 84 S. 13. 8. 49, 11.

93) A 4. 94) B 84

S. 9. 95) A 9. 96) ZbKG 3, 34.

97) A 21. 98) Wilhelm

Friedrich, 1703—1723. ®9) A 24, 38. 100) ADB 19, 541 f. 101) ADB 6, 11 f. 102) Rieser Heimatbuch, Nördlingen 1923. 171 f. 103) A 30, 34. 104) A 49, 37. 105) A 48, 40 f. — Will 2, 1280 f. 18—22. 106) B 57, 2v; 84 S. 32 f. — Sp. f. 27, 30—44. 107) Sp. f. 30. 24 f. — B 84 S. 25 f., 36 f. 108) B 84 S. 15—17, 23. io») Aus Augsburg gekommen. Seit 1721 auch Universitätsstallmeister in Altdoif, 1737 Universitätsstallmeister in Göttingen, t nach 1750 Nordheim. — Verfasser und Her­ ausgeber mehrerer fachwissenschaftlicher Werke. (Will-Nopitsch 4, 72; 8, 338 f. — Zedier,, Universallexikon 45, 643.) no) B 84, 20. Hl) A 12. H2) Sp. f. 71. H3) B 84 S. 36 f. — Will-Nopitsch 4, 72. 114) CO Nürnberg-St. Lorenz 6. 10. 1600. H5) B 26 27. H6) Ratsfähig wurden die Peiler allerdings erst 1788. (von Imhoff Wilhelm, Genea­ logisches Handbuch der . . . ratsfähigen Familien der . . . Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1890, 162). H7) Jan. 1708. — A. 4, 8. H8) Die 6 Prediger von Nürnberg (Sebald, Lorenz, Egidien, Jakob, Spital und Frauen­ kirche) dienten dem Rat als Berater in theologischen und kirchlichen Fragen. H9) A 9. 120) Geb. Nürnberg 1636. — Seit 1659 in nürnbergischen Kirchendiensten, zuletzt seit 1704 als Prediger in St. Sebald, t 1714. (Würfel, Diptycha Sebaldiana 31 f. — Will-Nopitsch 2, 702—705. 121) Geb. Nürnberg 1651. — Seit 1704 Nürnberg, Prediger bei St. Lorenz, 1714 bei St. Sebald — t 1724 (Würfel, Diptycha Seb., 33-^36. — Will-Nopitsch 4. 300—306. 122) Geb. Nürnberg 1646. — Seit 1685 Prediger bei St. Jakob — t 1710 (Würfel, Dipt. Jacobi 19 f. — Will-Nopitsch 1, 128. 123) Geb. 1670 Altdorf. — 1697 Pfarrer in Gouda (Holland), 1705 Nürnberg Spital Prediger, 1727 St. Lorenz Prediger — t 1732 (Diptycha Laurentiana 23 f. — Will-Nopitsch 2, 182 ff.).

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124) Geb. 1673. — Seit 1706 Prediger bei Egidien, 1714 bei St. Lorenz, 1724 bei St. Sebald — f 1750. — Ein besonders hoch geschätzter Theologe. (Würfel, Diptycha Sebaldina 36 ff. — Will-Nopitsch 2 , 628—635.) 126) Diese Möglichkeit zog Mörl in Betracht (A 9). 12«) A 16. 127) a 15. 128) Nürnberg, Staatsarchiv, Ratsverlässe 3148 f., 58 f. 129) Nürnberg, Landeskirchliches Archiv, St. Sebald 236 (Ratsverlässe) 122 f.; 237, 127. 130) s. 66. 131) A 48,

9. 132) Bedenken der Prediger vom 13. Februar 1710 (A 35); Winklers Antwort, vorgelegt am 18. April 1710 (A 37, 38). 133) A 39. 134) A 48, 49. 135) A 50. 138) b Pr. 65, 67, 68. 137) A 65. 138) Kneschke Ernst Heinrich, Neues aligem. Deutsches Adeislexikon (1859) 202 f. 139) Ippesheim. — Leider waren Anfragen nach einem Kauf oder Verkauf des Gutes Ippesheim dvirch General Barner sowohl im Staatsarchiv Würzburg als im fürstlichcastellischen Archiv Castell vergeblich. Für die freundlichen Bemühungen danke ich herzlich. 140) Barners Bericht darüber: A 66; B '68. 141) B 8. 142) ZbKG 3, 33 f. 143) Wiedergegeben

in Sp. f. 144) Gesammelt B 24, 28. 145) B 24 III. ' 148) A 51—53. 147) b 24 vn. 148) a. a. O. IV.

149) a. a. O. IX, XIV, XV. „Ohne Sekte“ = keiner Kirche angehörig. 150) Ein den Grafen von Sayn-Wittgenstein-Wittgenstein gehöriger Hof in dieser Graf­ schaft im Tal der Eder bei Berleburg. Hier nahmen die Grafen und deren aus Frankreich stammende Gemahlinnen um 1700 zuerst französische Emigranten, dann aber auch andere sich zu keiner der drei im Reich anerkannten Religionsgemeinschaften haltender Personen auf. Schwarzenau war so der Mittelpunkt des Sektierertums (Horch, Reitz, Hochmann, Seebach, Rock, Marsay u. a.), bis es 1724 von Berleburg abgelöst wurde, (z. B. Göbel Max, Geschichte des christlichen Lebens in der Rheinischen und Westfälischen Kirche, Koblenz 1849—1860. 2, 739 f. u. ö. 3, 86 f. u. ö. — Scheig K., „Die Wetterauer Inspirantenbewegung“ in: „Aus Theologie und Kirche“. Festgabe zum 60. Geburtstag für Hans Frhr. von Soden (München 1941). 73—106. ist) Sp. f. 38. — Original fehlt. Auch B 84 S. 30 f. 152) ZbKG 4, 168. 153) B 2, 4. 154) Sp. f. 16. 155) B 24 XXIII. 156) Will-Nopitsch 1, 339—344 ; 5 , 280. — Jöcher-Adelung 2 , 859 ff. — ADB 5, 776. — Braun Tennhard 130—142. 157) ZbKG 7, 105. — Daß er Rötenbecks Schwager gewesen sei, ist falsch. 158) Nürnberg, Stadtbibliothek Will II 1278. 2 o. 15») Braun. 160) Simon, Kirchengeschichte 556 f. 161) Stadtbibliothek Nürnberg, Will II 284. 8 o. 162) Braun 50 ff. 163) B 84 S. 19 f. 164) Braun 127 f. 165) Würfel, Diptycha ... in pagis ... 45. — Will-Nopitsch 2, 473. 166) Nürnberg Staatsarchiv, Ratsverlaß vom 2. Mai 1701 (Band 3052 f. 26 f.). 167) a. a. O. 3. 6. 1701 (Band 3053 f. 40). 168) Sitzung im Vormundamt 9. Februar 1708 (A 9). 189) B 84, 6. 170) A 45, 46. 171) A 54, 1. 172) B 84 S. 14. 173) Freundliche Mitteilung des Pfarramtes Puschendorf. 174) Würfel, Dipt. ... in pagis ... 45. 175) sp. f. 32 f. (Der hier gemeinte Beleg befand sich jedenfalls im heute fehlenden Band.) 176) B 7, 5. — Hier findet sich in einem Bericht des Pfarrers Häcker von Wöhrd eine umfassende Darstellung der Sondermeinungen Barners. 177) B 84 S. 39 f. 178) Gest. 1681 in London, von Jakob Böhme beeinflußter Mystiker, dessen Schriften 1715 deutsch erschienen sind. (RE 15, 556.)

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17») Alarmgeschrey zur Warnung den Völckeren, daß sie ausgehen aus Babylon der Finsternis, um einzugehen in die Ruhe Christi. Aus dem Französischen . . . durch j. C. A. o. O. 1712. — Delineatio iustitiae divinae super terras his ultimis diehus . . . Aus dem Französischen, o. O. 1714. — Ubi devastaveritis, devastabimini o. O. 1714. — Von Leipzig über Coburg und Erlangen kommend, waren die 4 Cevennenpropheten Marion, Allut, Fage und Portales vom 15. bis 28. September 1711 auch in Nürnberg gewesen. (Alarmgeschrey). — Uber sie RE 15, 203 f. — Simon, KG 492.). 180) A 49, 6. 181) Sp. f. 71 f. — B 84 S. 24. 182) B 84 f. 21. 183) B 57 f. 3. — 84 S. 33 ff. — Spec. f. 27. 184) A 54. 185) Die Herzogin Christina Luise von Braunschweig-Blankenburg-Wolfenbüttel. 188) A 65, 66. 187) Simon, Kirchengeschichte 490. 188) Nürnberg Staatsarchiv Saal 1 Lade 592 Nr. 2. 189) 14. Juli 1719. Will n 1280 ff. 12 f. (Abschrift). i»o) Lücke der Abschrift für ein vermutlich unleserliches Wort. 191) Gemeint ist vermutlich die Bäuerin, die Barner in seinem Bericht nach Frankreich als Beispiel für eine in der Gegend von Nürnberg erfolgte Erleuchtung nennt und von der er sagt, daß sie „keiner Armelle oder welche Heilige es sonst sein mag“, etwas nachgebe. (A 66. — Ob sie mit der A 60 genannten Maria Baumann gleichzusetzen ist, erscheint sehr fraglich.) Gemeint ist Armella Nicolas, t 1671 in Vannes, dort noch heute verehrt (Wetzer und Welte, Kirchenlexikon 9, 274 ff.). — „Die Schule der reinen Liebe Gottes, eröffnet den Gelehrten und Ungelehrten in dem wunderbaren Leben einer armen, unwissenden Weibs­ person die von Geburt eine Bäuerin und dem Stande nach eine Dienstmagd, Armelle Niclas, sonst die gute Armelle genannt. Regensburg 1708.“ (Neuausgabe der Übersetzung Poirets (1704) mit einer Erinnerung an den evangelischen Leser. 50 u. 48 u. 752 Seiten.) (z. B. Nürnberg Landeskirchliches Archiv, Fen. II 873. 8 o.) 192) Dabei ist sowohl an die Camisardenpropheten, die 1711 in Bayern waren, als auch an den Sattler Johann Friedrich Rock (Simon, Kirchengeschichte 492) gedacht. 193) B 7, 6. 194) B 1. 195) B 1—20. 196) B 23, 24. 197) B 25, 28, 29. 198) B 26, 27. 199) Hirsch Christian: Geb. Nürnberg 1669, Geistlicher in St. Helena und Hersbruck, 1719 Nürnberg St. Sebald Diakonus — t 1735. — Schüler und Freund des Ambrosius Wirth. (Würfel, Diptycha Sebaldina 155—157. Wili-Nopitsch 2, 130 ff. — ZbKG 8, 243 (wo fälschlich Frisch steht)). 200) B 32. 201) Spec. f. 36. 202) Will II 1280 f. 8 f. 203) Spec. f.. 36 f. 204) Vorhanden: Nürnberg, Stadtbibliothek, Will 2, 1207. 2 o. 205) Spec. f. 20, 37. 206) B 84 S. 14. 207) 208) 209) 210)

A 65.

C 306. c 346. c 271.

2ti) Riezler M., Geschichte Bayerns 8, 583. 212) c 283. 213) Spec. f. 37, 54. 214) Spec. f. 52 f. 215) c 303. 216) Spec. 65 f. — C 298. 217) C 296. 218) „Actenmäßige*Species

facti, woraus umständlich zu ersehen, wie das Wincklerische Visionswerck in die 13 Jahr lang, alles obrigkeitlichen Wamens und Verbietens ohngeachtet fortgetrieben, endlich aber durch dessen widrigen Ausgang als auch in einer gewissenhaften Untersuchung gantz nichtig und unrichtig, anbey wegen darunter ab­ gezielt gewesenen separatistischen Religions-Motuum gefährlich und weit aussehend be­ funden worden. Anno 1720.“ 219) Will-Nopitsch 2, 580. 220) C 353. 221) C 340—353 a. 222) c bei 343. 223) Will n 1280 f. 1—7. 224) August 1708 (A 49, 6).

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Georg Friedrich Daumer und die west-östliche Dichtung Von Dr. Hanns Effelberger. Vorwort

Die bisherige ältere Literatur über Daumer ist wohl umfangreich, aber unzureichend. Umfangreich allein schon dadurch, daß seine religions­ philosophischen Schriften in der Zeit seines Wirkens eine ausgedehnte oppositionelle Literatur hervorgerufen haben, welche aber in den verschieden­ sten Zeitschriften verstreut, eben ihres von parteilichen Gesichtspunkten be­ stimmten Charakters wegen, unbrauchbar ist und selbst bis in die Literatur­ geschichte hinein das Urteil über Daumer in diesem Sinne beeinflußt hat. (Julian Schmidt, Geschichte der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert, 1855. Bd. 3, 398—404, ferner Rudolf Gottschall, Die deutsche Nationalliteratur des 19. Jahr­ hunderts, Breslau 1855. Bd. 3, 72/77.) Was daneben an biographischem Material, an Besprechungen in Zeitschriftensammlungen — worunter die von seinem Nef­ fen Veit Valentin geschriebenen Artikel und Aufsätze besonders hervorzuheben sind — seine Dichtungen betreffend vorlag, hat Michael Birkenbihl in der 1902 ver­ faßten, 1905 gedruckten Dissertation allerdings lange nicht vollständig zusammen­ getragen und auf Grund dessen ein erstes Bild der Lebensgeschichte Daumers und eine Würdigung seiner westöstlichen Dichtung zu geben versucht. Soweit diese Arbeit im Druck erschienen ist, führt sie besonders in die Entwicklung seines philosophischen Denkens ein in Gestalt einer eingehenderen inhaltlichen Darlegung der einzelnen philosophischen Schriften. Eine wirkliche Heraus­ arbeitung der eigentlichen Lebensauffassung Daumers, und was als die wich­ tigste Aufgabe erscheint, wenn man ihn nicht nur als religionsphilosophischen Schriftsteller behandeln will: zu zeigen, wie diese spekulative Lebensanschau­ ung nur Hintergrund ist sowohl für die Philosophie als für die Dichtung Daumers, ist hier nicht erreicht und auch wohl kaum angestrebt worden. Und doch ist gerade auch dieses Moment neben dem anderen, in Daumer die im folgenden gekennzeichneten, literarischen wie geistigen Strömungen Zusammen­ treffen zu sehen, dasjenige, was eine nähere Beschäftigung mit ihm allein schon lohnend macht, und die an sich vielleicht berechtigte Skepsis gegen derartige literarische Ausgrabungen im voraus entwaffnet. JDer gesamte Nachlaß Daumers ist seitdem auf der Frankfurter StadtBibliothek vereinigt, sein „Hafis“ in einer Reihe von Neudrucken (Eugen Diederichs, Jena 1902 u. a.) herausgegeben, und ein Teil seiner Briefe in den Süd­ deutschen Monatsheften veröffentlicht worden. Neuere Einzeluntersuchungen über den Schriftsteller Daumer von Kunze, Kern, Siebent aus den dreißiger Jahren kommen hinzu. Daneben hatte im Jahre 1924 der audh um die Rückertforschung verdiente Berliner Schriftsteller und Publizist Dr. Leopold Hirsch­ berg, der in einer Anzahl ausführlicher Aufsätze auf diesen Gegenstand hinwies, eine in Gemeinschaft mit Fedor von Zobeltitz vorbereitete Aus­ gabe der gesammelten poetischen Werke Daumers begonnen (Literarisches Echo Bd. XIX, 380 f.), sodaß, auf diesem Material fußend, eine umfassendere Darstellung seines Schaffens, insbesondere aber auch gleichzeitig ein Einblick in den- Verlauf und den Charakter der westöstlichen Dichtung als literarische Bewegung allgemein als möglich erscheint. 236

Erstes Kapitel Die westöstliche Dichtung als literarische Bewegung

Die orientalisierende — oder wenn man sie weniger eng und nach dem Werk benennen will, welches sie erst recht eigentlich eröffnet hat: Goethes Diwan von 1819, — die westöstliche Dichtung nimmt in der deutschen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts eine eigenartige Stellung ein. Oft und teilweise schon in ihren Anfängen als eine Verirrung bekämpft und getadelt und selbst bis heute ver­ hältnismäßig wenig zugänglich, scheint sie doch andererseits und besonders in den Dichtungen eines Rückert und Platen so eng mit dem literarischen Schaffen der Zeit, in die ihre Wirksamkeit fällt, verknüpft, daß sich die Frage erhebt, einmal nach den Voraussetzungen, unter denen sie in die Erscheinung treten konnte, zum anderen nach den Merkmalen, die ihr ein so eigentümliches und im Grunde doch reizvolles Gepräge verleihen mußten. Freilich, was sich im vorliegenden Falle, wo es sich nur um die Aufzeigung der geistesgeschichtlichen Grundlagen handelt, in der diö Persönlichkeit Daumers verwurzelt ist, von selbst verbietet, freilich würde diese Frage in vollem Umfange nur in einer Art „Geschichte der westöstlichen Dichtung in Deutschland“ zu lösen sein. Eine solche fände in den von verschiedenen Seiten ausgehenden Untersuchungen Tschersigs, Arnolds und Wohlwills wertvolle Vorarbeiten. Sie hätte, ausführ­ licher als es im folgenden geschehen kann, unter dem Hinweis auf einen grund­ legenden Zusammenhang mit der von Rousseau zum erstenmal leidenschaftlich formulierten zeitgeschichtlichen Bewegung des 18. Jahrhunderts, vorwiegend drei die westöstliche Dichtung in ihrer Eigenart bestimmende literarische Strömungen zu beleuchten. Die Anfänge und vorbereitenden Ansätze der Orientdichtung reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück und erwachsen aus dem zunehmenden Interesse Europas an der östlichen Welt, wobei die politischen Ereignisse der türkischen Kriegsunternehmungen gegen das Abendland, oder unmittelbare Reisen nach dem Orient in die Vermittlerrolle sich geteilt haben mögen. So geht des Adam Olearius berühmte erste Übersetzung aus dem Persischen, dem Rosengarten des Saadi („Persianischer Rosenthal Schich Saadi durch Adam Olearius in teutscher Sprache übersetzet.** 1654) zweifellos auf die Anregungen zurück, die er auf seiner persischen Reise (1633—39), an der ein Paul Flemming teil­ genommen hat, ohne für die Kunst des fremden Landes gewonnen zu werden, empfing. Bereits zwei Jahre darauf (1656) gab er im fünften Buch (Kap. 27) seiner „Vermehrten Newen Beschreibung der muscowitischen und persischen Reise“ eine kleine literarhistorische Abhandlung über die persischen „Poeten und dero Versen“. Und etwa 100 Jahre später konnte Hamann in der merk­ würdigen und schwer auslegbaren Schrift „Ästhetica in nuce“ (1762) die Frage: „Wodurch sollen wir die ausgestorbene Sprache der Natur von den Toten wieder auferwecken?“ dahin beantworten: „Durch Wallfahrt nach dem glücklichen Arabien, durch Kreuzzüge nach den Morgenländern und durch die Wieder­ herstellung ihrer Magie“ 1). 1752 erschien die erste deutsche Coran-Übersetzung des Österreichers David Friedrich Mergerlin, welche auf den Goethischen Plan des „Mahomed“ einen gewissen Einfluß gewann. So war also schon zum Teil der Boden vorbereitet für die Bemühungen Herders um die Erweiterung der Poesie über die Grenzen des einzelnen Volkes hinaus; Bemühungen, die in engster Fühlung mit seinen eigenen „Ideen“ (1784/91) 237

und zugleich mittelbar mit der Gedankenwelt eines Rousseau stehen, wie er sie seinerzeit in dem Ruf nach einer „höheren Einheit der menschlichen Natur“ ausgesprochen hatte. Und in einer ständigen formellen Abwandlung wirkt diese zeitgeschichtliche Forderung des 18. Jahrhunderts über Herder, über die Romantik, über den Diwan des alten Goethe hinaus bis in die westöstliche Dichtung des 19. Jahrhunderts weiter fort. Herders2) eigene sogenannte morgenländische Dichtungen sind zwar nur freie Bearbeitungen mittelbarer, meist lateinischer Quellen, wie etwa die „Oden des Hafiz“, oder „die Blumen aus morgenländischen Dichtem gesammelt“. Aber sie, wie die literaturhistorischen Aufsätze in den „Briefen zur Beförderung der Humanität“ (85. Brief), in den „Zerstreuten Blättern“ (4. Sammlung), in der „Adrastea“ (6. Band, 8. Aufs.) hatten das Interesse an der Kunst des Ostens doch so weit geweckt in der deutschen Literatur, daß ein Friedrich Schlegel in einem Brief8) an seinen Bruder August Wilhelm sich bestimmt fühlen konnte, als erster selbst in der neu entdeckten morgenländischen Form des Ghasels sich dichterisch zu versuchen. Und wenn es, wie bei ihm oft genug, auch in diesem Falle beim Vorsatz blieb, so stand doch hinter seinem Eifer die allgemeine und begeisterte Ver­ ehrung der orientalischen Welt seitens der älteren Romantik. Sie war bereits über die bloße Ausbeutung der östlichen Poesie und die Entlehnung stofflicher oder ornamentaler Bestandteile aus den orientalischen Märchen und Sagen zu andächtiger Vertiefung in die Wunder des Ostens um ihrer selbst, um ihres menschlichen und poetischen Wertes willen vorgedrungen. Wielands Romane etwa und die philosophischen des späteren Klinger „Sahir“ von 1785 (zuerst „Der goldene Hahn“ betitelt) oder „Faust der Morgenländer oder Wanderungen des Ben Hafis“ lassen sich hier als Beispiele anführen. „Das höchste, Romantische müssen wir im Orient suchen“, erklärt Schlegels „Athenaeum“ von 1800 (3, 103), und darin pflichten ihm die romantischen Zeitschriften bei, indem sie mit der Darlegung östlicher Dichtung und Mythologie und den ersten eigentlichen Übersetzungen beginnen. Tiecks frühe Prosa, die „Abdalla'h“-Idylle (1792) sowie die beiden Erzählungen „Almansur“ (1798) und „Die Brüder“, liebt zwar schon eine gewisse orientalische Einkleidung. Aber erst Ohlenschlägers „Alladin“ (1805), von Platen bis in die Reifezeit hinein hoch geschätzt, die kaum bekannt­ gewordene Mahomed-Dichtung der Günderode (1805), auch die ersten upter romantischem Einfluß entstandenen Dramen Rückerts erscheinen demgegenüber als die endliche Verwirklichung jener von Schlegel erhobenen Forderung. Und von eben der romantischen Begeisterungswelle für die orientalische Dichtung und Welt ist auch dasjenige Werk zum Teil getragen, das der deutsch-orientali­ schen Dichtung einen eigentlichen und wirkungsvollen Ausgangspunkt gegeben hat: Goethes westöstlicher Diwan (1809). Nur mittelbar allerdings — und damit wird die zweite der auf die west­ östliche Dichtung wirksamen Einflußsphären neben der romantischen angedeutet — ist dieses Werk, dem Konrad Burdach seine schöne Studie gewidmet hat, in eine andere zeitgeschichtliche Strömung verwoben, den deutschen Philhellenis­ mus. Er begegnet in seiner ausgesprochenen und leidenschaftlichen Anteil­ nahme an den östlichen Kulturproblemen der Romantik, sodaß vielleicht mit Recht hinter dem unruhigen Tasten dieser Jahrzehnte in der deutschen Literatur die Erweiterung des poetischen Horizontes als treibender Impuls entdeckt werden konnte. So ist die Gestalt Lord Byrons nur aus dem Zu238

sammenschluß beider Richtungen zu erklären. Der Philhellenismus, geschicht­ lich an die griechisch-türkische Frage und den Moreotischen Aufstand von 1770 geknüpft, erhebt seinerseits auf eine fast ebenso weit zurückliegende Ver­ gangenheit Anspruch, wie die westöstliche Dichtung selbst. Dadurch aber daß er, obwohl eine literarische Bewegung, schließlich und in dieser Hinsicht erst eigentlich einige Jahre nach Goethes Diwan wirklich fruchtbar — nämlich 1821 bis 1829 —, im letzten Grunde aus politischen Bedingungen heraus erwachsen ist, erhalten seine künstlerischen und literarischen Grundsätze, eben seines Ursprungs wegen, neben der antikisierend-idealistischen Färbung einen stoff­ lich zeitgemäßen, wirklichkeitstreuen, realistischeren Zug, wie er der politischen Dichtung allgemein, sowohl der der Freiheitskriege wie der von 1848, eignet Und es scheint fast,als ob schon hier charakteristische Merkmale auch des „Jungen Deutschlands44 vorweggenommen seien, sodaß sich eine wirkliche Be­ ziehung und Wechselwirkung zwischen dem Philhellenismus und den Jung­ deutschen aufzeigen ließe. Natürlich heben diese genannten Kennzeichen des Philhellenismus sich deutlich ab von dem romantischen Gut, welches er zweifel­ los, wie schon bemerkt, daneben in sich birgt. Romantisch an ihm ist die Gegenwarts- und Wirklichkeitsflucht, nicht freilich wie in der Romantik um ihrer selbst willen, sondern um die trübseligen Verhältnisse und das politische Elend der Zeit darüber zu vergessen; romantisch ferner die Schwärmerei für die Ruine des deutschen Mittelalters, hier der letzten kläglichen Überreste des alten Athen, sodaß Jakob Burckhardts bekanntes Wort von der „RuinenSentimentalität“4) auf beide Richtungen gleich gut anwendbar erscheint; roman­ tisch endlich die breite dichterische Ausmalung eines utopischen veredelten Zustandes der Menschheit in freier idealer Gemeinschaft. Es genügt die Erinne­ rung an Hölderlins „Hyperion“ (1797/99), um diese Feststellung zu erhärten und zu zeigen, wie schwierig in diesem Falle die Scheidung fallen dürfte, letzthin romantisch klassischer Bestandteile und derjenigen, die dem Phil­ hellenismus verpflichtet, freilich noch stark gedämpfte Züge bereits voraus­ zunehmen scheinen, dergestalt wie sie dann später das junge Deutschland in vollem Maße ausgeprägt hat. Es ist der erste deutsche Roman, der einen Neugriechen zum Helden hat und dessen Handlung an den Aufstand von 1770 anknüpft. Gerade hier liegt ein merkwürdiges und schönes Beispiel dafür vor, wie sich die verschiedensten zeit- und geistesgeschichtlichen Richtungen in einem trotzdem ganz individuellen Kunstwerk fangen können, und wie selbst der Zusammenschluß so ungleichartiger Geistesbestreibungen wie die von Klassizismus, Romantik und philhellenischer Freiheitsidee, die eines patriotischpolitischen Einschlages nicht wohl entbehrt, möglich gewesen ist. Bei Goethe, der zur Zeit der Entstehung des Diwans (1814/19) durch die Handschriften von Natzmers und von Haxthausens angeregt für die neu­ griechische Volkspoesie sich begeistert aussprach, und der seinem ganzen Wesen nach in der philhellenischen Bewegung mehr eine literarische als politische sehen mußte, tritt sie in Form einer offen nachweisbaren Beeinflussung im Diwan nicht auf. Man kann sie aber wohl selbst als in den ganzen Bezirk des Westöstlichen fallend ansprechen. Goethe hat ihr in den „Noten und Ab­ handlungen zum Diwan“ eine treffende Charakteristik gewidmet. Beides, die romantische Lobpreisung des Orients als dem Ursitz der echten Lebensfülle, der wahren und ganzen Menschennatur, der lauteren Religion, und dann die europäisch-deutsche Anteilnahme an einer aktuell politischen Frage des Ostens 239

in dem griechisch-türkischen Konflikt richten seinen Blick erneut auf ein Gebiet hin, das ihm seit seiner Jugend kein fremdes mehr war. Man erinnere sich zum Beispiel, wie lebhaft die Gestalt des Mahomet die Phantasie des Stürmers und Drängers beschäftigte. Ohne sein willentliches Zutun also und vielleicht ihm selbst unbewußt, machen sich in seinem Diwan doch gewisse Stileigentümlichkeiten bemerkbar, die ebensowenig klassischer wie romantischer Artung sind. Und insofern sie in der Dichtung der folgenden Zeit erst ganz lebenskräftig und wirksam werden, müssen sie als durchaus realistisch be­ zeichnet werden, mögen sie selbst über die politisch-soziale Tendenz-Literatur und die naturalistische Lyrik der anschließenden Jahrzehnte hinausweisen bis auf unsere Zeit. Denn sie sind es schließlich doch auch letzten Endes, die diesem Werk das gegeben haben, was ihm unter allen anderen goethischer Kunst eine Unzweideutige Sonderstellung einräumt: einen neuen poetischen Stil5). In den östlichen und Ghaseldichtungen Rückerts und Platens, besonders des ersteren, entwickeln sich nun diese sinnlich unmittelbareren, reflexionsgetränk­ ten realistischen Ansätze unter dem Einfluß jungdeutscher Antriebe philo­ sophischer, künstlerischer und politischer Ideale nach der bezeichneten Seite hin. Rückert tritt kaum mehr als zwei Jahre nach Goethes Diwan mit seinen ersten Ghaselen, den allerdings aus zweiter Hand übersetzten Rumi-Ghaselen hervor (1821)6), die diese dichterische Form erst eigentlich in Deutschland bekannt zu machen bestimmt waren. Sein erster Anteil an der deutschen Orientdichtung fällt somit zwar vor die entscheidenden dreißiger Jahre,, als die jungdeutschen Theorien als solche weder gefaßt noch ausgesprochen waren, aber der Boden für die Grundsätze, auf denen sie sich später aufbauen konnten, in allen Bestrebungen die Abkehr von der Romantik bedeutend, wenigstens Vorbereitet ist. Rückert ist trotz der in den Anfängen seines Dichtertums stark hervortretenden romantischen Neigung, trotz der lebenslänglichen Begeisterung für poetisch verklärte Ideale, eine aufgeklärte, unproblematische, in der Wirk­ lichkeit des alltäglichen Lebens befangene Natur, sodaß er — in der Zeit der vollständigen Hinwendung zu der Literatur des Ostens — allerdings nur in gewissen Punkten (Sinnenfreude am Wirklichen, Freiheit der Liebesauffassung, Poetisierung des Alltags) den freilich imabsichtlichen Anschluß an die herr­ schende Zeitströmung fand. Daß er sogar nicht ohne Scharfblick war, wo es galt, selbst die harte Wirklichkeit des politischen Lebens in dichterischer Begeisterung zu verklären, beweist sein Anteil an der Dichtung der Freiheits­ kriege in den „Geharnischten Sonetten4* (1813), den „Spott- und Ehrenliedern“ (1814) oder in seiner allerdings ziemlich kraft- und witzlosen Komödie „Napo­ leon“ (1815/18) und den 1864 gedichteten „Kampfliedern für Schleswig-Holstein“. Schwierig fällt es dagegen im Hinblick auf Platen7) eine ins Einzelne gehende Beeinflussung durch jungdeutschen Geist und jungdeutsche Theorie aufzuzeigen. Er neigt trotz des Anteils auch an der politisierenden Dichtung der Zeit — etwa der bedeutenden in der Gesinnung allerdings nahezu unver­ ständlichen Napoleonsode von 1825, oder um ein schlagkräftigeres Beispiel zu wählen, mit der im Oktober 1830 entstandenen „Ode auf Karl den Zehnten“, mit den Polenliedem aus dem Jahre 1832 — in seiner Ghaseldichtung mehr nach der in der westöstlichen Dichtung aufgewiesenen romantischen Hälfte, wenn man nicht der Tatsache, daß das erste von ihm gedichtete Ghasel

hatte sich 1867 mit dem Arzt Dr. Gustav Ohlsen nach Italien verheiratet. Sein Neffe, der bekannte liberale Historiker Professor Veit Valentin, starb 1947 in Amerika. Er dürfte der letzte lebende Zeuge Daumers gewesen sein. Das ist der Rahmen eines Lebens, welches scheinbar so große Widersprüche aufweist, daß es den Theologen neben den angeblichen Atheisten und den späteren Konvertiten stellt, den Philosophen neben den Dichter, und welches im Grunde doch alle Wege dieses labyrinthischen Denkens, Dichtens und Wollens in einem persönlichen Kerne Zusammentreffen läßt. Dieses Leben war äußerlich nicht großartig und innerlich nicht einheitlich, sodaß man ihm immer ohne kritische Vorbehalte folgen könnte, es war oft genug verworren, trüb und vielfach verzerrt, zweifellos. Aber es gilt doch auch von ihm, was man über das Leben eines ihm in mehr als einer iBeziehung ähnelnden Romantikers, Zacharias Werner, gesagt hat: „Es war ein Suchen und erzwingt unsere Ach­ tung, mögen wir über Weg und Ziel denken, wie wir wollen“ (Paul Hankamer). Kein feiges Sichergeben, sondern ein ehrliches, tapferes Kämpfen. Wer auf die innere Melodie dieses Lebens hört, der wird darin leicht Töne vernehmen, welche späterhin noch viel stärker akzentuiert erklingen sollten bei Nietzsche» Klages, David Herbert Lawrenze, Spengler und anderen. Georg Friedrich Dau­ mer, entwicklungsgeschichtlich zwischen Romantik und Naturalismus gestellt, wie wir gesehen haben, und daher in der eigenen Natur zwiespältig, gehört sozusagen mit an den Anfang dieser Reihe. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der Bonner Philosoph Adolf Dyroff ihn als Vorläufer Nietzsches, der Schriftsteller Hans Kern ihn als Geistverwandten von Klages und Wilhelm Kunze ihn in seiner Studie gar als Wegbereiter des Irrationalisten Rudolf Steiner bezeichnet. Diese Deutungen haben im einzelnen wohl jeweils eine gewisse Berechtigung, aufs Ganze gesehen sind sie jedoch falsch. Die Dich­ terin Ricarda Huch stellt Daumer in ihrem bekannten Werk als einen Vertreter der abflauenden Romantik hin. Ganz genau besehen steht er mitten auf dem Wege zwischen Romantik und Naturalismus. Aus diesem Dualismus erklären sich alle anderen Gegensätze bei ihm. Man wird hierbei nicht übersehen können, daß diese Losung die der Zeit allgemeinhin war. Das mittlere Lebensalter Daumers fällt mitten hinein in die Zeit, welche nicht allein die Jungdeutschen den aussichtslosen Kampf mit der Romantik aufnehmen läßt, die in den Büchern Bettinas von Arnim (1835 ff.), in Eichen­ dorffs „Dichter und Gesellen“ (1834), in Immermanns „Merlin“ (1832) und in seinem „Münchhausen“ (1839) und in Heines „Atta Troll“ (1834) noch immer ihr Dasein weiter behauptet, sondern welche den Streit ganz allgemein auf alle Gebiete des öffentlichen Lebens hinüberträgt. Auch für Daumer ist diese Fech­ terstellung charakteristisch, aber sie war ihm zum guten Teil wenigstens auf255

gedrungen. So gleicht auch sein ganzes Schaffen eigentlich einer ständigen Fehde zwischen dem Romantiker und dem jungdeutschen Theoretiker und Dok­ trinär in ihm. Als solcher mußte er demselben Irrtum verfallen, in welchem das Junge Deutschland durchweg befangen blieb: daß man glaubte, über die bisherige nur literarische Bildung, die man an der Romantik zu tadeln unter­ nahm, mit ausschließlich literarischen Mitteln hinwegkommen zu können. In­ dem Daumer an diesem Programm sich beteiligte, das Zweck und Mittel ver­ wechselte und nicht sah, daß mit der Annäherung der Kunst und der Dicht­ kunst insbesondere an Politik, Staat, soziales Leben und Gesellschaft nicht mehr als allein ein Weg oder ein Mittel gegeben sein kann für eine wirkliche Neu­ schöpfung der Kunst, keineswegs aber eine solche schon selbst — gab er seine beste Kraft für eine Sache hin, die ihm auf allen Seiten nur Undank eintrug, und den Dichter, der er war, über dem Philosophen und religionswissenschaft­ lichen Schriftsteller in Vergessenheit geraten ließ. Denn als Dichter gehörte er nicht eigentlich der Schule des Jungen Deutschland an — wenn diese Be­ zeichnung aufgenommen werden darf — trotz des förmlichen Anschlusses an sie nach außen hin, der ihn an der liberalen und radikalen Opposition teil­ nehmen ließ, aber um eines Ideales willen, das sich merklich von dem der jungdeutschen Liberalen und Politiker unterschied. Er verwarf die politische Revolution zeitlebens ebenso sehr und so leidenschaftlich, wie die christliche Asketenmoral in den Anfängen seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Er wollte nicht den sozialistischen Zukunftsstaat, sondern das alte Humanitätsideal ver­ wirklicht sehen, allerdings nicht in der klassizistischen Färbung Goethes und Schillers, sondern in der ursprünglichen, von Rousseau gegebenen. Es handelte sich ihm nicht um die Grundlegung einer neuen Staatsreform, sondern einer neuen geistigen Kulturgemeinschaft, die er poetisch verklärt sah. Hier bricht der Romantiker in ihm durch. So nahm er von der Romantik, in deren Blüte­ zeit er aufgewachsen war, die Sucht zur Verflüchtigung und der unbeküm­ merten, oft sogar traumhaften Vereinheitlichung der Mannigfaltigkeit des Wirk­ lichen, die Freude am Schein und Schönen schlechthin, an der Natürlichkeit des menschlichen Typus mit hinüber in die Reifezeit seines eigentlichen literari­ schen Schaffens. Aber hier ward er wiederum den Ballast des Wissenschaft­ lichen, der philosophischen Theorie nie ganz los, und der Philosoph stand dem Dichter eigentlich immer im Wege. So sehr er auch durch und durch eine dich­ terische Natur ist — selbst die philosophischen Schriften sind mit poetischen Formulierungen durchsetzt — fehlte ihm durchaus die Gestaltungskraft zum Großen hin, zum Drama oder zum Epischen, was umso merkwürdiger bleibt, als man sie im Hinblick auf seine philosophischen Schriften eigentlich voraus­ setzen möchte. Die ungewöhnliche Vielseitigkeit seiner Interessen, seine leichte Empfänglichkeit für alles irgendwie Bedeutende, haben sich ihm nicht in ein einheitliches, künstlerisches Bekenntnis umgesetzt, sodaß in allem, was er wirkte, wollte und schrieb, die strenge Folgerichtigkeit eines nur ihm eigen­ tümlichen Lebensstiles sich verriete. Diese letzthin schöpferische Geschlossen­ heit fehlt: der Pädagoge, der Philosoph, der Dichter stehen getrennt neben­ einander. Aber über dieser ihm seiner ganzen Natur nach auferlegten Beschränkung in der dichterischen Ausdruckskraft darf nicht vergessen werden, daß seine Begabung Werte zutage gefördert hat, die einen so vorsichtigen Künstler wie Johannes Brahms in helle Begeisterung versetzt und zu den besten seiner 256

Liederschöpfurigen angeregt habenso). Denn in wie enger Verbindung auch die Dichtung Daumers mit seiner philosophischen Weltauffassung steht, so macht sich doch in ihr eine irgendwie tendenziöse Entstellung — den „Mahomed“ aus­ genommen, wo die Absicht allzu offen und schroff zutage tritt — nicht bemerk­ bar. Auch ist sie, obwohl die Vermutung naheliegt, nicht sogenannte Gedanken­ dichtung. Sie sieht vielmehr wie jede Lyrik ihre Bestimmung durchaus in der künstlerisch-ästhetischen Wirkung. Aber selbst auf dem Gebiet des Lyrischen ist sein Schaffen auf das Musikalische, die Anmut des Kleinen, die aphoristi­ schen Formen beschränkt31). Daß er sich dessen bewußt war, zeigt der mit deutlichem Bezug auf sich selbst geprägte Ausspruch: „Ist denn das Samenkorn nicht ebenso groß in der Ackerfurche als der Eichbaum im Wald, das stille Blühen der Blume mehr, als die Großthaten vieler Menschen?“ „Das Kleine aber lohnte ihn reichlich“ “J. Drittes Kapitel Daumers Hafissammlungen von 1846 und 1852

Man wird im allgemeinen bei der Betrachtung der Hafis’schen Poesie stets von den geschichtlichen und kulturellen Grundlagen ausgehen müssen, auf denen sie erwachsen ist. Denn nur aus der Voraussetzung der persönlichen Lebens­ schicksale des Persers, seine Verwicklungen in die zeitgenössische Geschichte des Kleinstaates um Schiras während des 14. Jahrhunderts und nicht zuletzt der Überlieferung der Werte, die er in den Werken seiner großen Vorgänger Firdusi (um 935—1020), Rumi (1207—1273) und Saadi (1184—1291) und in der Geistesgeschichte seines Vaterlandes vorfand, ist sie verständlich33). So sah sich schon Goethe gerade durch die Einsicht in ihre geschichtliche und lokale Ge­ bundenheit und Eigenart, die in dem auffallenden Zusammenschluß arischen und semitischen Geistes ihre Erklärung findet, veranlaßt, seinem Diwan (1819) in den „Noten und Abhandlungen“ den unentbehrlichen Kommentar zu schaffen. Aber schon in den Hafisdichtungen Rückerts (östliche Rosen, 1832) wie Platens (Spiegel des Hafis, 1822) unterbleibt die Überladung und Belastung mit nicht unmittelbaren poetischen Gehalten mehr und mehr zugunsten einer stär­ keren Betonung der übernommenen Form, die Goethe in ihrer Strenge gerne preisgeben konnte. Daumer schreitet auf dem Wege dieser inneren Befreiung nach der formalen wie materiellen Seite hin weiter fort. Seine Hafissamm­ lung will nicht „auf dem Gebiet der Poesie, der Sittlichkeit, der Religion, die menschlichen Grundphänomene geben, die menschliche Einheit der beiden ge­ trennten Welthälften in ihren konstanten Elementen“, wie es Burdach34) als Ziel des Goetheschen Diwan überaus glücklich ausgesprochen hat; ein Ziel aber, das nur auf dem Umweg über die geschichtliche Durchdringung der östlichen Kulturelemente erreicht werden kann, und im Diwan erreicht worden ist. Daumers „Hafis“ will etwas anderes. Er möchte die Erkenntnisse des Ostens für die unmittelbare Gegenwart gewissermaßen nutzbar gemacht sehen, nicht in ihrer Eigenart sie verstehen lernen. Er ist auch darin revolutionär, jung­ deutsch. Daumer sucht in dem persischen Dichter in erster Linie den geist­ reichen Spötter, den „freien Geist“, wie ihn Nietzsche in dem Gedicht „An Hafis“35) bezeichnet hat, der mit einer ganz imgewöhnlichen Vorurteilslosigkeit und geistigen Selbständigkeit sich über die religiösen, moralischen und sozialen 17

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Schranken und Hemmnisse seiner Zeit und Umgebung hinwegsetzt, obwohl er selbst Theologe war und das blaue Gewand der Srufis, der persischen Mystiker, trug. Goethe gefiel an Hafis die persönliche Eigenart seiner Individualität und an der östlichen Literatur überhaupt eben der ihr als solcher besondere poetische Gehalt. Rückert und Platen war es in der Hauptsache um die Gewinnung einer neuen dichterischen Form und schon weniger um die Einführung orientalischer Elemente zu tun. Für Daumer dagegen stand eben im Zusammenhang mit sei­ ner weltanschaulichen, aber romantischen und nicht jungdeutschen Idee, das in Hafis’ Gestalt und seiner Lyrik verwirklichte, geistesgeschichtliche Moment im Vordergrund. Hierauf ein besonderes Gewicht legend, sucht er gewisser­ maßen mittelbar, durch den Kampf gegen alles, was dem menschlich-freien, besonnenen und überlegenen Lebensgrundsatz von Hafis-Daumer entgegenstand, den Weg frei zu machen für die Ideen, um deren Verwirklichung der Theoretiker zeitlebens gekämpft hat. Damit traten für ihn zunächst, wie allerdings auch schon teilweise für seinen Vorgänger Platen — besonders in den „Neuen Ghaselen“ von 1824 —, der hier nur von anderen Voraussetzungen ausging, die Züge der Hafisschen Poesie in ihrer orientalischen Besonderheit in den Hintergrund zurück. Einmal die dem europäischen Empfinden doch immerhin zuwider laufenden Kenn­ zeichen der östlichen Liebesdichtung nach ihrer sprachlichen wie ethischen Seite hin, andererseits die sinnlich-religiösen Phantastereien der mohammedanischen Mystik. Beidesmal wird Hafis hier ganz in das Abendländische übersetzt. Zwar erreicht Daumer niemals die Zartheit und menschliche Tiefe, mit der Goethe das Verhältnis von Hatem und Suleika auszustatten gewußt hat. Aber in den Liebesgedichten übertriifft er doch an Echtheit und Wärme weit das östliche Vorbild. Seine Naturschilderung ist weicher und voller und gibt mehr Landschaft als bloße Aufzählung der herkömmlichen Zypressenhaine, Nachtigallenklagen und Rosenkelche, wie es bei dem persischen Hafis der Fall ist. Auch das mystische Moment wird von Daumer seines abstrakten Charakters entkleidet, anstelle der Versunkenheit in Gott ein mehr natürliches Versenken in dig> Fülle der Wirklichkeit gesetzt, eine Wendung, welche die islamische Anschauung wohl kaum gutgeheißen hätte. Er selbst sagt darüber, indem er auf das mit der orientalischen Mystik eng verknüpfte Motiv der Trunkenheit zu sprechen kommt: „Es muß erklärt werden, was in dieser Poesie Trunkenheit besagt. Sie bezeichnet die totale Versenkung der für sich leeren nüchternen Ichheit in die Fülle der Realität; und dieser vollendete Realismus ist das, was jetzt bei uns im Gegensatz zu dem altchristlichen alles Reale aufopfernden Spiritualismus im Aufgehen ist und noch keinen positiven Ausdruck gefunden hat“36). Man sieht wohl, daß die Bezeichnung der Grundauffassung, wie sie der mohammedanischen Religion und der persischen Dichtung zugrunde liegt, als eines „vollendeten Realismus“ eine bedenkliche und mindestens anfechtbare ist, und daß Daumer hier mehr in den Islam hinein als aus ihm herauslesen will. So ist denn auch sein Hafisbuch mehr als eine bloße „Sammlung persischer Gedichte“, für die es sich allerdings ausgeben mußte, um den Eindruck eines einheitlichen und künstlerischen Gebildes behaupten zu können. Es ist im Grunde eine programmatische Dichtung, in der aber mit großem Geschick poetischen Gesetzen und Bedingungen unterstellt ist, was als sachlichen Hinter­ grund erst die nachträgliche Auseinandersetzung und Betrachtung im Hinblick ,258

auf die persönliche Lebensgeschidite und Schaffens weise des Verfassers zur Einsicht bringen kann. Daumer hat in Briefen an seinen Hamburger Verleger Campe, die eine Darlegung der Bedeutsamkeit der Hafisgestalt für die damalige Gegenwart und seine Ansicht, wie er sie aufgefaßt sehen will, enthalten, zugleich eine Art stofflicher Einteilung seines Buches gegeben. „Das harmlos Erotische habe ich vorangestellt. Dann kommt einiges von ethischer und vermischter Art, auch noch sehr unanstößig, selbst allgemeiner Achtung und Billigung gewiß. Weiter tritt allmählich das Negativ-Polemische, Scherzhafte, Mutwillige und Aus­ gelassene hervor und treibt sich auf seinen Höhepunkt. Von da wieder ein­ lenkend, habe ich zuletzt eine Reihe von Gedichten hingestellt, wo sich der Dichter einigermaßen über sich selbst und seinen Standpunkt erläuternd und versöhnend erklärt, und endlich mit all seinen Sünden, die aber nun vielmehr als Tugenden erscheinen, ins Gnaden- und Wonnemeer der Gottheit versinkt“ 36). Wie erhellt, ist diese Einteilung, die, wie Hirschberg bemerkt, an die Abstufung in den Rückertschen „Makamen des Hariri“ (1826) erinnern kann, nicht eine durchaus bestimmte und selbst nicht einmal streng eingehaltene, sodaß sie als eine Folge von einzelnen Büchern zu gelten hätte, sondern eine Andeutung, unter welchen Gesichtspunkten man überhaupt an das Ganze herantreten könne. Obwohl unmittelbar nur für die Ausgabe von 1846 gedacht, ist sie ebenso gut auf die zweite Sammlung von 1852 anwendbar, die rein äußerlich in zwei Abteilungen zerfällt, um die innere Stoffgruppierung unbekümmert, die aber auch hier vorliegt, wie das mit einem prosaischen Anhang bei der Herausgabe vom Verleger unterdrückte Vorwort hätte versichern können. Hier (im Nachlaß befindlich) heißt es: „Ich habe dieselbe (Sammlung) in zwei Bücher eingeteilt, wovon das eine in mehr harmlos ernster und milder Weise gehalten, namentlich zu Seite 1—35 der älteren Sammlung in verwandtschaftlicher Beziehung steht, während die andere Abteilung die mehr tendenziöse, polemische und als solche in verschiedenen Farben spielende, so teils herzhaft, neckisch, leicht und lustig spottende, teils aber auch streng rügende, derbe und bittere Seite dieser Poesie herauskehrt, so wie sie dort von Seite 39 an repräsentiert erscheint.“ Die zweite Auflage des „Hafis“ von 1856 weist gegenüber der ersten von 1846 eine einheitlichere Gruppierung des Stoffes auf, der hier noch in das eigentliche Buch und einen nachträglichen Anhang verteilt war, und außerdem eine allerdings geringfügige Veränderung von fünf Gediditnummem. Zu den im Anhang befindlichen „Poetischen Zugaben aus verschiedenen Ländern und Völkern“ gesellt sich eine weitere Abteilung (Deutsch). In ihr faßt Daumer einige versifizierte Ausfälle gegen den Literarhistoriker Julian Schmidt mit einer Verteidigung der „Frauenbilder und Huldigungen“ zusammen, die, 1853 erschienen, die gehässige Kritik des Herausgebers des „Grenzboten“ heraus­ gefordert hatten. Ferner steht hier ein Gedicht, „Der neue Himmel“ betitelt, dessen Motive aus dem Französischen entlehnt sind (S. 339). Eine neue Samm­ lung als Ergänzung und Fortsetzung der ersten Auflage erschien 1852 im Verlag von Bauer und Raspe in Nürnberg, nachdem sich Verhandlungen mit Campe in Hamburg, der nur auf eine unentgeltliche Übernahme des Werkchens in seinen Verlag eingehen wollte, zerschlagen hatten. Ein prosaischer Teil, der sich eben­ falls im Nachlaß befindet, mußte auf Verlangen des Verlegers fortbleiben. Die Neuausgabe J. Sterns bei Reklam (No. 4809/10), nach der im folgenden auch zitiert wird, ebenso wie die bibliophile Ausgabe im Eugen Diederichs Verlag 17*

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(Jena 1902) vereinigen mit Hecht beide Sammlungen in einem Bande; denn sie bilden in der Tat ein Ganzes in Auffassung, Stil und Formgebung. Inhaltlich werden die in den beiden Sammlungen vereinigten Gedichte bestimmt durch die Individualität der Hafisgestalt, die gewissermaßen den Rahmen und Zusammenhalt dieses, man möchte fast sagen, „lyrischen Epos“ abgibt. Daumers Hafis ist nicht eigentlich der gemütvoll improvisierende Er­ zähler, wie ihn uns Anselm Feuerbach gemalt hat (1866), am Brunnen gelagert und mit den Mädchen scherzend, die vorüberkommen; nicht der dem Sang der Nachtigall lauschende und klagende Elegiker, in welcher Gestalt er bei Platen zumeist erscheint, der ihn zum Verkünder seiner unglücklichen Leidenschaft und Anlage gemacht hat. Wohl ist auch ihm etwa die Klage über unerwiderte Neigung (I, 34, 35, 37), der Schmerz der Trennung (I, 25, 62, 112, 12—9), die Trauer um den begangenen Verrat der Geliebten (I, 33), der Glücksjubel erfüllter Liebe (I, 56, 67, 152) nicht fremd, und er weiß dem Ausdrude zu verleihen mit einer Innigkeit im Tön, die nahezu die herzliche Wärme des deutschen Liebesliedes erreicht. Auch er preist in immer unerschöpflichen Wendungen die Schönheit der erwählten Freundin, in überraschenden und kühnen Gleichnissen, wie sie nur die Bildersprache des Ostens (I, 1, 9, 10, 24, 43, 45; II, 18) zuläßt. Und nur verhältnismäßig selten nimmt seine Verliebtheit die Formen jener Maßlosigkeit in der Selbsterniedrigung, jener bedenklichen Unterwerfungssucht an, die im Orient für alle menschlichen wie seelischen Beziehungen Norm zu sein scheint, und schon Börne zu dem, Goethes Diwan gegenüber freilich noch weniger berechtigten, Vorwurf veranlassen konnte, daß diese Art Poesie einen sklavisch­ reaktionären Charakter an sich trage. Ein Vorwurf übrigens, der die Bereit­ willigkeit vermissen läßt, die Wahrheit des Dichterischen von der des Wirk­ lichen zu trennen. In den Hafis’schen Liebesgedichten Daumers dagegen, an Umfang etwa das erste Drittel der Sammlung beanspruchend, schwingt vielmehr ein gewisser Zug verhaltener Polemik und Ironie stets mit. Ironie nicht im Heineschen Sinne, gegen den Dichter selbst gerichtet, der sich die Freiheit gegenüber seinem Gegenstände wahren will, sondern Ironie über die Schranken und Gesetze, die ihn, den Dichter, in der Unmittelbarkeit seiner Gefühlsäußerung beeinträchtigen könnten. In der breiten, begeisterten Feierlichkeit, mit der Hafis ausruft: „Ich will bis an die Sterne Die Fahne der Liebe tragen.“ (I, 56) ist die poetische Spitze ebenso fühlbar wie in der kurzen schlagkräftigen Strophe: „Mit der Kutte, das ist wahr, Reimt sich unser Wandel schwer: Aber unsre Seele trägt Lange keine Kutte mehr.“ (I, 173) So ist der Übergang leicht zu der nächsten Gedichtgruppe hergestellt, die in der Verspottung aller Hemmnisse, aller Bevormundung gegenüber einem in ethischem Sinne heiteren und überlegenen Lebensgenuß ihre Bestimmung finden. Hafis ist unerschöpflich in der Erfindung neuer Situationen, die seine Gegner­ schaft dem Gelächter preisgeben. Kaum ist je der große jüdische Prophet auf eine liebenswürdigere Weise gehänselt worden, als in dem kleinen hübschen Gedicht: 260

„Kommst du, Freund, gegangen Mit den Tatein Mose, O so lacht im Garten Uber dich die Rose.“ (I, 131) Doch bleiben die Eiferer des eignen Bekenntnisses ebenso wenig verschont. („Nicht kirre mich, o Scheich, mit Betkorallen“, I, 115.) Ihre Predigten halten nicht stand gegen die der Nachtigall (I, 74, 102). Sie werden für „ein“ Wort der Geliebten gern hingegeben. Das Kloster wird viel lieber mit der Schenke ver­ tauscht (I, 171). Das in der Hafls’schen Lyrik immer wieder auftauchende Motiv vom „schönen Schenken“ hat Daumer im Gegensatz zu Platen bezeichnenderweise kaum mehr als drei oder vier Mal angewandt, und dann auch so versteckt deutbar, daß man wirklich im Zweifel sein kann, ob es sich hier um den Preis der „Männer­ schönheit“ handele. Dagegen steht das Motiv der Trunkenheit nahezu im Mittelpunkt der dritten Gedichtreihe („Enthalte dich der Nüchternheit, so bist du auf der rechten Bahn“, I, 167). Von mystischer Auffassung derselben ist hier wenig mehr zu spüren (I, 193), und Daumer will sie sicher ebensowenig wie Platen als religiöse Be­ geisterung aufgefaßt wissen. Aber immerhin muß sie doch als dichterische Fiktion genommen werden. Über dem Becher wird Brevier und Rosenkranz, Koran und die „Kommentarenmasse“ (1,180) vergessen und des Dichters Neigung zum Weingenuß als göttliche Bestimmung gepriesen. Wie Gott dem Vogel die Flur, dem Leu den Wald als ihren Wirkungskreis angewiesen hat, so die Schenke dem persischen Poeten (I, 185). So hat diesen ja auch Anselm Feuerbach gemalt in dem bekannten Gemälde „Hafis in der Schenke“ (1852). Für „einen“ Becher Weins Wird die blaue Kutte der Sofis mit Freuden verpfändet (I, 231, 233), und nur der herrische Befehl der Gebieterin vermag den fröhlichen Zecher überhaupt noch einmal in die Moschee zu bringen (I, 232). Mit welch starken Farben aber auch die Hafis’sche Ausgelassenheit hier auf­ getragen sein mag, sie täuscht doch nicht hinweg über eine ruhige und ver­ söhnliche Grundstimmung, die sich durch die ganze Sammlung zieht, eine Gläubigkeit, daß alles Seiende gut ist, und daß es in seinem natürlichen und ungebundenen Wachstum immer wieder die Schranken durchbrechen werde, die menschliche Sitte und menschliches Gesetz darum gelegt haben. Vielleicht mit das beste und gehaltvollste Ghasel der ganzen Sammlung spricht diesen unbedingten Glauben an das Leben aus: Den Stern, der vom erhabenen Himmel auf die Erde herabgefallen ist, und Gefallen findet an dem tollen, irdischen Getümmel, an den Blumen der Wiese, dem Glockengeläut der Herde, der Trau­ lichkeit menschlicher Hütten, verlangt es nicht mehr nach seinem ewigen Himmelssitz zurück: ein Gleichnis, das von aller orientalischen Mystik weit abliegt (I, 192). Orientalisch im strengsten Sinne ist auch das Lokalkolorit nicht, obwohl es ebensowenig an der östlichen Blumenpracht — von der echt orientalischen Rose angefangen, bis zur Lilie herab — fehlt, wie an Nachtigallen, Taube und Adler, an Pilgern, Karawanen, Moscheen, Wüsten und dem stets dienstfertigen Ost­ wind. Selbst orientalische Städtenamen wie Ormus und Jasd (I, 69) können die Täuschung nicht immer aufrecht erhalten. Oft genug durchbricht die Einfach­ heit der westlichen Landschaft diese farbentrunkene und überladene Welt; 261

wenigstens wollen die Wiesenquelle (I, 21), die betrauerte Weide am Bach (I, 44), die Kornfelder, die uns so vertraute Heide, das Glockengeläut der weidenden Herde (I, 192), und die oft echt und allzu westlich empfundene Sommernacht nicht so recht in sie hineinpassen. Aber diese Unebenheit — wenn man sie über­ haupt eine solche nennen will — fällt erst der verschärften Aufmerksamkeit auf.

Es ist bei der Darlegung des Daumerschen Lebensganges und seiner inneren Entwicklung zu zeigen versucht worden, wie die Fäden von seiner weltanschau­ lichen Konstruktion nach seinem dichterischen Schaffen hinüberlaufen, und was für den Dichter überhaupt Beweggrund sein konnte, sich selbst hinter der Maske des persischen Sängers gewissermaßen mutwillig zu verbergen. Die Gestalt des Hafis, umgeben von dem Zauber einer entschwundenen und fremdartigen Welt, kam nicht nur seinem Entwurf und seiner Forderung eines natürlicheren, freieren Menschentypus schon wesentlich nahe, wie ja auch bereits in Goethes Diwan der Begriff des menschlich Typischen auf den Gebieten der Poesie, Sitte und Religion besonders eindringlich hervorgehoben erscheint, allerdings in weniger darwinistischer Zuspitzung — sondern er mußte ihm zugleich als der Vertreter einer Art von Kunst gelten, die der eignen Begabung entsprach, und die doch von den literarisch-künstlerischen Versuchen derjenigen Richtung, in die er als religionswissenschaftlicher Schriftsteller nun einmal gedrängt war, sich wesentlich unterschied. Der Zeitgeschmack war aller Phantastik, aller Symbolik, aller Maßlosigkeit im Poetischen, kurz allem, was die Romantik im engeren Sinne an dem Phänomen des Orients geliebt hatte, abhold. Nun fand Daumer in diesem Mohammed Schemsed-din (Sonne des Glaubens), der seiner vorzüglichen Kenntnis des Korans wegen, — kein Wunder, denn er war Theologe — den Namen „Hafis“, das heißt „Korankenner“, trug, etwas ihm letzthin Verwandtes. Und dies ist die eigentliche Voraussetzung und Vor­ bedingung für die Entstehung auch seines Buches. Ob und wieweit persönlichste Erlebnisse und Erfahrungen unmittelbar mit bestimmend gewesen sind, und in welchem Maße die Dichtungen seiner zeitlichen Vorgänger, Goethes, Rückerts und Platens als entscheidende Anregung gelten dürfen, muß dahingestellt bleiben; es finden sich — soweit sich das Nachlaß-Material bis jetzt überblicken läßt — keine Zeugnisse dafür. Selbst Platens „Nachbildungen aus dem Diwan ies Hafis“, die Daumer nur in dem Auszug der einbändigen Ausgabe von 1839 gekannt hat, werden schon ihres geringen Umfanges wegen (es sind darin nur 16 der ursprünglich 50 Gedichte zählenden Sammlung aufgenommen) mehr als bloße Quelle, denn als Anstoß zu eignem Schaffen anzusehen sein. Auch in Bezug auf Hammers Hafis-Übersetzungen von 1812/13 läßt sich hinsichtlich der Frage, ob sie ihm lediglich Vorlage oder entscheidende Anregung war, nicht Sicheres ausmachen. Zweifellos aber war, auf welchem Wege immer die Gestalt des persischen Dichters ihm entgegen getreten sein dürfte, der überaus nachhaltige Eindruck, den Daumer von der geschichtlichen Erscheinung des Hafis und seinem Dichter­ tum gewann, das Moment, welches ihn zu eigener Produktion mit fortriß und ihn zugleich die Möglichkeit sehen ließ, Verwandtes und Eigenes in den leichten und anmutigen Formen, die der östlichen Dichtung eignen und wie geschaffen schienen für das, was er selbst zu sagen hatte, zu einem selb262

ständigen künstlerischen Gebilde zusammenzufassen. Denn was die Geistes­ verwandtschaft in diesem Falle betrifft — so vorsichtig auch hier jede Formu­ lierung sein muß — so bestand sie doch, über die Schranken der Zeitalter und Nationalitäten hinweg, in der gemeinsamen Freude am Wirklichen, Lebendigen, die selbst in den nichtigen und unscheinbaren Dingen des alltäglichen Daseins noch eine Kundgebung und Offenbarung der ursprünglichen Natur erblickt. Sie bestand in der Lobpreisung eines heiteren, aber einsichtigen Lebensgenusses und schließlich in der Erkenntnis, daß hinter und in Allem ein Ewiges, Gött­ liches, oder wie sich das der philosophische Daumer auslegte, eine wertvolle Vernunft verborgen liegt, das beharrende Substrat in dem bunten Wechsel und Kreislauf der Welt. Und wenn schon der persische Hafis diese seine Welt und Lebensauffassung, und sein in ihr verwurzeltes Dichtertum gegen Frömmelei, Engherzigkeit und falsche Moral zu verteidigen hatte, so konnte das nur ein Grund mehr sein für Daumer, die eigene Spottlust und Kritik in die Ausfälle des großen Vorgängers gegen annähernd die gleichen Widersacher zu verkleiden. So durchdringen sich hier Ost und West wirklich und in einer tieferen Be­ deutung, und was östlich scheint an Landschaft, Menschen, Sitten und Ge­ bräuchen des Lebens ist im Grunde doch westlich, das heißt in diesem Falle: deutsch in der Art, wie es gesehen und besungen wird. Die Meinung, daß man es mit Daumers Hafisbuch37), welches seine Ver­ öffentlichung einer nicht recht deutbaren Anspielung Arnold Ruges 38) verdankt, mit einer schlichten Bearbeitung oder mit einer unmittelbaren Übersetzung zu tun habe, hat lange Zeit als allgemein feststehend gegolten. So lobpreist z. B. Richard Wagner39) in den Briefen an seine Freunde Uhlig, Fischer und Heine Hafis als den „größten Dichter, der je gelebt und gedichtet hat“, und empfiehlt ihnen die „sehr genießbare deutsche Bearbeitung“ Daumers. Noch Max Koch spricht in seiner Biographie Platens von dem in der Folge als Hafis­ übersetzer sich auszeichnenden Daumer, J. Stern bezeichnet die Daumersche Sammlung gar als die beste Hafisübertragung gegenüber den Ausgaben von Hammer (1812/13), Nesselmann (1865), Bodenstedt (1877) und Rosenzweig (1858/64). Demgegenüber fällt neben dem frühen Protest des Grafen von Schack gegen diese Anschauung — in seinen „Studien“ —, die allerdings nicht gerade wohlwollende, aber in der Sache wertvolle Bemerkung Friedrich Veits ins Ge­ wicht, daß es zum mindesten sehr fraglich bleibe, ob Daumer überhaupt ein Wort Persisch verstanden, und daß er sich vielmehr aus Hammer und Platen einen eigenen Hafis zurechtgemacht habe, der als Gedichtsammlung achtens­ wert sein möge, als Übersetzung dagegen nichts wert sei. Hier kommt die Wahrheit zum Vorschein. Allerdings ist Daumers „Öafis“ ebensowenig Über­ setzung wie etwa Rückerts „östliche Rosen“, Platens „Spiegel des Hafis“40), Goethes „Diwan“ oder — um ein modernes Beispiel zu nehmen — die östlichen Dichtungen Hans Bethges. Es bedürfte gamicht der hierin übereinstimmenden Urteile Schacks, Valentins, Tschersigs, Hirschbergs, Meyers, Veits — nicht ein­ mal einer auch nur oberflächlichen Quellenprüfung, um zu erkennen, daß Ge­ dichte wie: „So stehn wir, ich und meine Weide“ (I, 44), oder „Ich möchte Dir so gern die Seele geben“ (I, 46), oder „O wär’ ich ein See, so spiegelhell, Und Du die Sonne, die ihm blinkte“ (I, 21), oder die durch Brahms Vertonung be­ kannten „Wie bist du, meine Königin, Durch sanfte Güte wonnevoll“ (I, 57), und „Wenn Du nur zuweilen lächelst“ (II, 116) — alles andere als persischen Ur­ sprungs sind. In der Sammlung selbst steht eine Ghaselzeile (I, 225): 263

„Wir preisen unser süßes Herz, Vierzeilig oder im Ghasel, Dem Holden ist der Dichter hold, Und dieses ist ja wohl kein Fehl“, die am besten die dichterische Stimmung kennzeichnet, aus der heraus dieDaumerschen Hafisdichtungen entstanden sind, als eine im Hinblick auf die Auffassung und den Geist des Ganzen durchaus selbständige Schöpfung. Natürlich kann und braucht nicht geleugnet zu werden, daß ein gewisses Gefühl innerlicher Ver­ wandtschaft mit dem poetischen Gehalt dieser Art von Lyrik Daumer erst den Anstoß zu eigner Produktivität gegeben hat, worin zweifellos schöpferische Unselbständigkeit liegt. Insofern dichtet er auch aus orientalischem Geiste her­ aus und mit den Mitteln einer entlehnten künstlerischen Kultur. Aber der Ein­ schlag des Daumerschen Denkens und seiner besonderen Lebensauffassung ist in der Geschlossenheit der Sammlung — er erst hat sie gewissermaßen zu einem Epos in lyrischer Gestalt, wie er sie einmal nennt, gemacht — so deut­ lich spürbar, daß schon ein zeitgenössischer Kritiker ungeschickt, aber richtig in der Sache schreiben konnte: „Freilich ließen sich auch andere Stimmen ab­ mahnend . . . vernehmen, nannten das Buch ein gefährliches, und kritische Köpfe wollten sogar behaupten, es stecke viel mehr Daumer in dem Buche als Hafis; und der geistvolle, formgewandte Abendländer habe sich nur eines morgenländischen Dichterschildes bedient, um seine Ansichten über freie Menschlichkeit und Lebensgenuß, ohne die eigene Person bloßzustellen, einzu­ schmuggeln 41).“ Es bleibt eben hierbei zu beachten und die kennzeichnende Eigentümlichkeit der westöstlichen Dichtung durchweg, daß mit der Entleh­ nung orientalischer Formelemente zugleich auch eine Übernahme östlichen Geistes und morgenländischer Denkweise verknüpft ist, welche — auch wo der Ausgangspunkt durchaus im Selbsterlebnis liegt, wie besonders bei Platen, der Ghaseldichtung überhaupt eine gewisse Unfreiheit in der Konzeption verleiht, die aber doch nur relativ ist. Daumer hat sich natürlich gehütet und wohlweislich gescheut, schon um einer Beeinträchtigung der ästhetischen Wirkung seiner Sammlung zu entgehen, das Geheimnis seiner Maskerade preiszugeben. Und so fiel dann der „Hafis“ demselben Schicksal anheim, das auch schon Platens erste Ghaselen traf, man nahm ihn für eine einfache Übersetzung. In einer Mappe aus dem Nachlaß, „Aufsätze und Diktate“ betitelt, findet sich, aus dem Jahre 1853 datiert, ein Ausspruch, welcher wohl am besten auf die eigene Sinnbedeutung hinweisen kann, wie sie der Dichter selbst seiner Sammlung zulegte. Es heißt dort: „Für das deutsche Publikum mußte alles einfach, klar und widerspruchslos hinge­ stellt werden, da sonst kein Verständnis und keine Wirkung möglich gewesen wäre. Die skeptische Beweglichkeit dieser Poesie erkenne ich nicht an; sie liegt bloß in der Form, die im Orient verständlich ist, nicht bei uns, . . . Daher die Doppelzüngigkeit und Zweideutigkeit wegfallen und einem einfachen, durch­ aus bestimmten Bilde weichen mußte. Man hat mit Verwunderung ein Lied Gellerts darin gefunden, „Meine Lebenszeit verstreicht usw.“ (I, 99). Die per­ sische Lyrik parodiert in dieser Art mohammedanische Erbaulichkeiten. Sollte dies uns fühlbar gemacht werden, so mußte etwas uns Verständliches und Ver­ trautes in derselben Manier behandelt werden. In höherem Sinne des Wortes ist daher mein „Hafis“ mehr „Übersetzung“, als alle andern.“ Das heißt also, 264

wie man hinzufügen muß: Übersetzung nämlich in deutschem Geist, und nicht nur in deutscher Sprache. Hubert Tschersig und Friedrich Veit haben auf Joseph von Hammers erste Diwanübersetzung (1812/13) und den kurzen bereits erwähnten Auszug aus den Platenschen Nachbildungen in der einbändigen Ausgabe der Werke (1839) als die von Daumer benutzten Quellen hingewiesen. Aus der gemeinsamen Vor­ lage, vorzüglich Hammer, erklären sich denn auch die vereinzelten Anklänge an Goethes „Diwan“, Rückerts „östliche Rosen“ und Platens „Hafisghaselen“. Was Daumers Art der Verarbeitung näher betrifft, so hat sie Tschersig treffend charakterisiert. Indem ihm der einheitliche und schon gekennzeichnete Grund­ gedanke von vornherein feststeht, entnimmt er den Vorlagen, was ihm gerade gefällt, gestaltet es neu und in freier Weise aus, sodaß ihm unter der Hand ein meist vollkommen neues Gedicht entsteht, was mit dem ursprünglichen persischen Original kaum mehr in Verbindung zu bringen ist. Die Gewohnheit, daß der persische Dichter in der letzten Ghaselstrophe seinen Namen nennt, wird von Daumer, wie es auch schon bei Platen — den „Spiegel des Hafis“ ausgenommen — der Fall ist, vorteilhaft durchbrochen. Die beispielsweise Nebeneinanderstellung des wortgetreu übersetzten Urtextes, Platens „Nach­ bildung“ und Daumers vielfach nur noch entfernt anklingende Fassung, kann das Abhängigkeitsverhältnis der drei Gedichtvarianten untereinander genau veranschaulichen. 1.

Urtext: (Fr. Veit IV., S. 187 Nr. 32)

1) Glücksmorgenhauch! Mit jenem Zeichen, das Du weißt, geh’ vorüber an der und der Gasse zu jener Zeit, die Du weißt. 3) Sprich: Meine schwache Seele ging (mir) aus der Hand: um Gott! Aus Deinen Geist mehrenden Rubin spende das, was Du weißt. 4) Ich schrieb diese Buchstaben so, daß kein andrer es wußte: Du auch aus Gnade lies sie so, wie Du weißt. 5) Wieso sollte ich Hoffnung an Deinen goldgestickten Gürtel nicht knüpfen? Die Feinheit ist, o Bildschöner, in dieser Mitte, die Du weißt. 7) Einerlei ist Türkisch und Arabisch bei diesem Geschäfte, Hafis: Das Hadith42) der Liebe erkläre Du in jener Sprache, die Du weißt. 2.

Platens „Nachbildung“ (Übersetzung)

Werke (1839 S. 160 Nr. XVI; Koch-Petzet Bd. VII S. 154 Nr. 32) Mit dem Zeichen, das Du kennest Lüftchen, das mein Glück umkreist, Geh’ vorüber dem „Gewissen“ (d. h. dem Geliebten) In der Stunde, die Du weißt. Sag* ihm, daß mir aus den Händen Schlüpfen will der müde Geist: Seine Lippe solle spenden Jene Gabe, die Du weißt. 265

Zu entziffern diese Chiffem Sei kein andrer je so dreist: Lies sie mit dem Blick der Güte nach der Weise, die Du weißt. An den goldgestickten Gürtel Band mein Hoffen ich zumeist, wie so schmal er ist, o, Liebchen, In der Mitte, die Du weißt. Sei’s auf türkisch, auf arabisch, Wenn es nur dasselbe heißt, Schreib den Kommentar der Liebe In der Sprache, die Du weißt.

Daumers Umdichtung (I, 51) Holder Ost, beschwingter Bote, Den die Liebe wandeln heißt, Grüße mit dem schönsten Gruße Jene Schöne, die Du weißt. Melde, daß mir in die Lüfte Schwinde der gequälte Geist, Wenn sie nicht zu spenden eile Jene Spende, die Du weißt. Denn zu kennen und zu wissen, Was mit Edens Wonne speist, Es gebiert die tiefe Trauer, Die gefähre, wie Du weißt. Ja, was sind die Paradiese, Welche der Verzückte preist, Lacht sie, jene Flur der Liebe, Jene zarte, die Du weißt. Nicht der Aar zu sein verlangt mich, Der hinaus zur Sonne reist; Nachtigall-Hafis vergöttert Jene Hose, die Du weißt

Wie ersichtlich, gibt die Daumersche Fassung dem ursprünglichen Gedicht einen entschieden abweichenden Charakter. Das Schenkenmotiv, von Platen noch beibehalten und nur durch die Anrede „O Liebchen“ verdeckt, wird von Daumer aufgegeben; ebenso fällt die erotische Pointe der drei letzten Strophen. Im Grunde bedeutet die Neuformung eine schlichte Vereinfachung des poetischen Motivs: Der Liebende erteilt dem Ostwind den Auftrag, die Geliebte zu grüßen, und ihr Kommen zu beschleunigen, wobei er ihn an der Vorfreude seines Glückes teilnehmen läßt. Daß die Weisung schriftlich geschieht, daß „der“ statt „die“ Ersehnte selbst angeredet wird, konnte ebenso gut in Wegfall geraten wie die Schlußbemerkung des persischen Dichters, daß die Liebe ihre eigene Sprache besitze. Um trotzdem den Schein östlicher Dichtweise beizubehalten, genügte die symbolische Einführung von Rose und Nachtigall (Hafis) in der letzten Strophe. Unmittelbar von Platen übernommen, hat Daumer den Ghaselreim „Die Du weißt“, sowie das Grundmotiv. Wenn nicht auch formale und stilistische Anhaltspunkte vorliegen, wird jedoch im Einzelfalle nie genau zu entscheiden sein, ob Daumer sich hier wirk­ lich auf Platens oder Hammers Übersetzung bezogen hat, denn die gedankliche Übereinstimmung beider ist ja durch das persische Original gegeben. Daumers Verhältnis zu Hammer erhellt, wenn man etwa das schöne Ghasel (I, 72): „Ob feindselige Winde Schreckhaft tosen, o gräme Dich nicht“ auf die ihm zugrunde liegende Fassung hin prüft, eine ziemlich herzlose Alle­ gorie: „Der verlorene Jussuf kommt nach Kanaan, gräme Dich nicht“ (Ham­ mer II, 5—7). Entlehnt ist das Gleichnis der in Schicksalsschlägen bedrückten Menschenseele, — hier an die Person des Jussuf, oder biblischen Joseph ge­ knüpft — die in dem Glauben an den Wandel alles Irdischen ihren Trost sucht. Daumer hat gegenüber dem Original und der Beseitigung der übergroßen Fülle an Bildern und abstrakten Wendungen den Gehalt des Gedichtes auf diese eine Vorstellung hin vereinigt und damit eine weit ansprechendere Lebhaftigkeit erzielt. Der die Ghaselform andeutende Überreim des Originals „Gräme Dich nicht“ ist auch von ihm beibehalten. Im allgemeinen schließt er sich aber über­ haupt nur vereinzelt in der Weise an die Vorlage an, daß er das stoffliche Motiv eines ganzen Gedichtes in seine Nachbildungen mit hinübemimmt. Meist ist es nur die Wendung oder das Wortspiel einer einzelnen Strophe, die ihn zur Gestaltung eines durchaus selbständigen Gedichtes veranlaßt. So hat sich ihm z. B. die zweite der unter der Überschrift „Einzelnes“ vereinigten Gedicht­ strophen „In das Land des guten Namens hab’ ich keinen Paß erhalten“, die Platen in ziemlich engem Anschluß an das persische Original gegeben hat, zu einem neun-strophigen Ghasel „Mich zu warnen, mich zu mahnen, frommer Unterlaß“ (I, 210) ausgewachsen. Vieles ist aber auch im Stofflichen ganz seine eigenste Erfindung. Doch bleibt es auch dann immer in orientalische Gewan­ dung, Begriffe und Gleichnisse gekleidet, die der Sammlung als Ganzem das Gepräge des östlichpersischen verleihen. 267

Viertes* Kapitel Würdigung der Hafisgedichte Der uns geläufige und wissenschaftlich allein ausschlaggebende Begriff des lyrischen Stils43) bedarf im vorliegenden Falle einer etwas freieren Auffas­ sung, wenn anders man der Hafissammlung und der westöstlichen Dichtung überhaupt gerecht werden will. Er ist, wenn man ihn im Sinne einer Dicht­ gattung nimmt, zu weit, weil diese Kunstlyrik, Gedankenlyrik und Volkslied mitumfaßt; wenn man darunter eine subjektiv-ästhetische Norm versteht, zu eng, weil dann die elegische, pathetische, satirische und humoristische Ge­ fühlseinstellung ausgeschlossen bliebe. Denn diese Art östlicher Lyrik ist keine eigentliche Lyrik in der Weise unseres Volksliedes oder auch unserer Kunst­ lyrik, ebenso wenig Gedankendichtung oder poetische Didaktik. Schon Goethe sprach von ihr als einer seltsamen Mischung aus Reflexion und Stimmung, die Gesang nicht gut vertrage; und er weist damit auf ihre zentrale Eigentümlich­ keit hin. Was an der westöstlichen Dichtung uns zunächst als stilistischer Mangel erscheint, muß daher auf die Rechnung entlehnter Stilprinzipien gesetzt werden, nach ihrer stofflichen wie rein formalen Seite hin. Über die Einwirkung der Ghaselform auf den poetischen Stil hat sich Tschersig sehr feinsinnig ausgesprochen. Er zeigt, daß das Ghasel nicht ein lediglich formales Versschema ist, sondern in der ständigen Wiederkehr des Reimes und dem Parallelismus der Gedankenreihen deutlich das Wesen der orientalischen Geisteshaltung allgemein verrät, als eines Stillstandes der Be­ trachtung und des Beharrens inmitten aller Bewegung und alles Wechsels. Der Endreim, der Anreim, die Sinnwiederholung, die einleitenden jund schließen­ den Frage- und Aufforderungssätze sind nur verschiedene Ausdrucksformen für dieses durchgängige Prinzip des Gedankenkreislaufes oder der Wieder­ holung. Selbst die vollkommene Eindeutschung wird dem Ghasel diesen charak­ teristischen Zug nicht nehmen können, wenn sie ihn auch durch freiere Ge­ staltung etwa des Reimes, durch abwechslungsreiche Anwendung .der Vers­ maße und Weiterbildung des Gedankens innerhalb der einzelnen Distichen oder Beits abzuschwächen unternimmt. Dieser formale Zwang macht sich nun be­ sonders geltend in der Wahl des Wortschatzes, in Absonderlichkeiten der Wort­ stellung, der Wortbetonung und des Satzbaues. Das gleiche gilt von den stoff­ lichen Einflüssen: die oft anzutreffende Überschwenglichkeit der Sprache, die Künstlichkeit des Ausdrucks, die unnatürliche Verstiegenheit der Gleichnisse und Bilder ist zum großen Teil auf sie zurückzuführen. Wir gehen auf Einzelheiten ein und beginnen mit der Betrachtung der Stilgebung unter dem Einfluß der aus der östlichen Lyrik entlehnten stofflichen Elemente. Er hat sich besonders nach der Vorstellungsseite der Ausdrucksmittel hin geltend gemacht und bestimmt fast alle hierher gehörigen stilistischen Er­ scheinungen. Wenigstens so weit nicht schon bei der inhaltlichen Charakteri­ sierung der Sammlung darauf aufmerksam gemacht wurde, wo das Lokalkolorit durchbrochen ist, wo sich also auch der Stil östlicher Bevormundung entzogen hat. Wenn sich Daumer z. B. des Mittels der „Beseelung“ bedient, indem er die Liebe zur Fischerin werden läßt, die am Gestade wohnt und die ver­ liebten Fischlein oder Menschenherzen fängt (I, 5), so ist diese Personifizierung

als unserer Auffassung noch durchaus geläufig zu empfinden. Desgleichen die des Grams, der umsonst in die Pforte des Herzens Einlaß begehrt, und nur aufgenommen wird, wenn er von der Geliebten kommt (I, 28), oder die ihre bunten Becher erhebenden Tulpenketzerlein (I, 221). Dagegen der Mond als Hagestolz gedacht, dem die Lilie vergebens ihren Weihrauch streut, die Nach­ tigall umsonst ihre Stanzen vorträgt, oder die Lilie als unglücklich Liebende, die Rose als Spröde (I, 29) sind uns schon etwas befremdlicher erscheinende Vorstellungen. Wenn die Gefahr besteht, daß die Beseelung leicht künstlich oder unklar ausfällt, so ist ihr hingegen Daumer im allgemeinen glücklich ent­ gangen. Manches ist gut gelungen und anschaulich vorgestellt: Die Welt in der Rolle der Sklavin, die der Herrin den Spiegel hält (II, 18), der Ostwind in der Eigenschaft des postillon d’amour (I, 51), der im Pilgerkleide fromm erglühende Gedanke (I, 20). Lebendig wirkt auch die Beseelung des Begriffs der Schön­ heit, die als Fürstin die unglücklichen Sklaven mit ihrer „souveränen Laune“ tyrannisiert (II, 44). Das weniger Ansprechende darf freilich nicht verschwiegen werden. Namentlich wo der Dichter den verhaltenen polemischen Groll schlecht zu verbergen weiß, wird dieses Stilmittel in der Wirkung meist blaß oder gar geschmacklos. So z. B. wenn die Welt in Gestalt einer alten Vettel erscheint (I, 135), oder Hafis sich seinen Tadlern gegenüber rühmt, daß die erhabene Urvemunft vom Himmel herab ihm hunderttausend Küsse zugeworfen habe (I, 249), oder wenn er sich gar durch die starke Hand der Liebe aus der „frosti­ gen Peripherie“ der Lebensschalheit herausgezogen weiß (I, 244). Die Kühnheit und Unbekümmertheit der Bilder und Vergleiche ist wieder ganz östlich. Der Lenz bedeutet nur ein Kommentar für die Schön­ heit der Geliebten (I, 6), Gott hat das Antlitz der Erde nach ihren Zügen ge­ schaffen (I, 9); der Himmel ist ein Brief, dessen Stemenschrift jedem Men­ schen verständlich entgegenleuchtet (II, 60). Des Hafis’ Lied wird in einem an­ schaulich wirkenden Bilde dem dahinfliegenden Schiff verglichen, das als Ladung die Herzen der Erde mit sich trägt (II, 1), oder der Dichter bringt den Vergleich in die Form des im Volksliede so beliebten Verwandlungswunsches: Der Liebende will die Wiesenquelle sein, dem die Geliebte als Blume zu­ winken soll. Ein die einheitliche Durchführung und Treffsicherheit der Bilder kennzeichnendes Gedicht sei besonders hervorgehoben (I, 129): „O harte Sterne! Nie versöhnte, rauhe Welt! Kaum rastet einmal seelig in der Liebe Zelt Das müde Herz, von sehnlicher Begier geschwellt — Da, horch, der Karawanenglocke Stimme gellt Und wieder in das weite, wüste, wilde Feld Des Lebens ist die heißbetränte Fahrt gestellt.“ Das Erleben der seelischen Unrast ist hier zu einem vortrefflichen bildlichen Ausdruck gelangt. Keine Nebenvorstellung stört die Einheit des Bildes, welches das Gedicht güt und restlos ausfüllt. Nicht selten aber macht sich Daumer in der Wahl der Metapher einer gewissen Verstiegenheit und Zügellosigkeit schuldig, die wohl zum guten Teil durch das östliche Vorbild bedingt sein mag, zum Teil aber auch offenbar — namentlich wo sie das erotische Gebiet streift — seinen Gefallen zu finden scheint. Die ihm eigene Anlage zu leidenschaft­ licher Phantastik, die zuweilen geradezu unschöne und innerlich unfreie For269

men annimmt, gelangt hier zum Durchbruch. Dabei bleiben die Grenzen des künstlerischen Geschmacks oft nicht mehr gewahrt. Nur wenige Beispiele mögen dafür sprechen. Als Grabesstaub will sich Hafis noch an den Gewandsaum seiner Schönen heften (I, 41), den „Staub, worauf ihr Fuß geruht“, als Krone sich auf den Scheitel legen (I, 59); der Lenz ist nur das „schwache Konterfei“ ihrer Wange (I, 53). Dagegen hat Daumer in der Verbindung von Bildern und Vergleichen wiederum einige gute, auf den Witz hin zugespitzte Wirkungen zu erreichen vermocht; so, wenn er etwa den Erzengel Gabriel mit einem Flambeau ver­ gleicht (I, 80), und Altvater Noah die Boa des Hangs zum Trunk erwürgen läßt (II, 66). Auch das Bild des trunkenen Poeten, der in seinem „Brande“ aufrecht verharrt wie die Kerze, ist hübsch pointiert (I, 150). Sinnbildliche Erhöhung liegt vor, wenn die Lilie als die ver­ körperte Reinheit (II, 44) aufgefaßt wird, die Taube als Repräsentantin der Liebe (I, 119) und Frömmigkeit (I, 166) gilt, die Schlange als Prinzip der Falsch­ heit (II, 61), der Salamander als das des Feuers (I, 169). Von der herkömmlich überlieferten Prägung mehr abweichend und darum stilistisch bemerkenswer­ ter ist etwa die dichterische Auffassung des Haares als eines Zeichens hinter­ listiger Tücke (I, 147, 96, 162), der Geliebten als Symbol des Lebens (I, 159), des Paradiesvogels als der menschlichen Seele (I, 85). Mehr noch wird der Ausdruck an bilderreichem Schmuck erhöht in der Anwendung der „Umschreibung“. Es ist einleuchtend, daß gerade hier der Einfluß östlicher Stoffelemente wieder leicht verhängnisvoll werden und sie zu aufdringlicher Breite sich auswachsen lassen konnte. Dies muß man inwAuge behalten, wenn man den Wert, den sie in der Hafissammlung bean­ spruchen kann, abschätzen will. Von einer gewissen überschwenglichen Um­ ständlichkeit ist Daumer auch hier nicht ganz freizusprechen, aber er hat sich wenigstens vor der so naheliegenden Überladung zu schützen gewußt. Die nackte Aussage, daß die Sonne scheint, kleidet er in die allerdings noch be­ scheidene Wendung: Die Sonne schmückt den Azur (I, 47). Für „Nachthimmel“ steht „Das Äthermeer, das Nächtige“ (I, 22), ganz gut zugleich die Unermeßlichkeit des nächtlichen Firmaments veranschaulichend. Nicht ohne Wirkung ist auch die Umschreibung für Gott, hier für Allah: „Der tadellose, große Herr des ewigen Weltenbau’s“ (1,125). Etwas zu breit und schwülstig wirken dagegen die umschriebenen Ausdrücke: „Führe mich zum Purpurrand einer Lippen­ honigquelle“ (I, 75) für „Gib mir Gelegenheit zum Küssen“, oder „Hold zu hemmen meiner Zähre Bach“ für „Meine Tränen zu stillen“ (I, 113). Daß das Stilmittel der Antithese von Daumer besondere Beach­ tung erfahren hat, ist im Hinblick auf die Ghaselform leicht erklärlich. Das Formprinzip des Parallelismus fordert die Gegenüberstellung der Gedanken in den einzelnen Beits geradezu heraus und verknüpft sie auf diese Weise. Die Unmasse adversativer Partikel wie „doch, aber, dennoch usw.“ deuten die­ ses Verhältnis an. Andererseits ist auch wieder im Ghasel die Antithese in­ sofern nicht immer im gleichen Maße wirkungsvoll, als sie mit den Einzel­ distichen zu breite Vorstellungsmassen einander gegenüberstellt, sodaß die Wirkung des Kontrastes sich abschwächt. Der Gegensatz von bloßen Einzel­ begriffen erweist sich hier als der stilistisch bedeutungsvollere. So ist z. B. das folgende kleine Gedicht (I, 2) ganz auf der Gegensätzlichkeit der Gedanken aufgebaut. 270

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„Prachtbediademte Herrscher — Ungeliebte, liebelose, Nur gekrönte Bettler sind sie, Arme Bettler im Ornat. Liebevoll geliebte Bettler — Fürsten ohne Krone sind sie, Kaiser ohne Kaiserstaat.“

Es zerfällt in zwei gegenübergestellte Teile, deren Einzelvorstellungen selbst wieder unter sich in Gegensatz treten. Fast jedes Gedicht kann hier als Beispiel dienen: „Nie kann ich ihr was tun zuliebe, Nie kann sie mir was tun zuleide“ (1,44); „Ich bin ein armes Lämpchen nur, . . . Du bist die lichte Morgenpracht“ (I, 48), „Durch tote Wüsten wandle hin, Und grüne Schatten breiten sich“ (1,57) und „Die Ärmel trägst du kurz genug, Doch streckst Du lang die Hand heraus“ (II, 89). Schließlich muß der Betrachtung des Beisatzes eine letzte Aufmerksam­ keit gewidmet werden, denn sie ermöglicht besonders die Einsicht in den eigen­ tümlichen Gesamtstilcharakter der ganzen Sammlung, als einer durch das Vor­ bild gebotenen Vermischung des idealisierenden und charakterisierenden Stiles. Dabei behauptet denn der erste doch ein entschiedenes Übergewicht, wie die Vorherrschaft der idealisierenden Epithese beweist. Sie malt die ästhetischen Werte des Lieblichen, Schönen — und wie man wohl mit besonderem Bezug auf Daumer hinzufügen darf — Musikalischen und Anmutigen breit aus. In einer ausschließlichen Stiluntersuchung müßte sie nach verschiedenen Seiten als lyrische, pathetische, elegische Epithese verfolgt und auf ihren jeweils be­ seelenden, gleichnishaften, abkürzenden und gegensätzlichen Charakter hin ge­ prüft werden. Hier kann es sich nur um eine summarische Zusammenfassung handeln. Der Dichter spricht von dem „Mond der Anmut“ (I, 10), der „unendlich herben Schnur kaltsinniger Entfremdung“ (I, 29), „schmählichen Pulsen“ (I, 61), „vollhaltigen Äonen“ (I, 52) in Leitsätzen, die sich durch ihre Neuheit und ihre das Bild abrundende Anschaulichkeit auszeichnen. Von pathetischer Kühnheit und zugleich stilistischer Bedeutung sind Vorstellungen wie „Meines Seins entzündlich arme Scheuer“ (I, 49), lichtgeborener Dichterblick (I, 232), gram­ entladene Brust (I, 64), oder die Wendung: „Mein Blut vergießend, grausam und verrucht“ (I, 53). Hafis muß „zelleneinsam läppische Gebete murmeln“ (I, 126), sein Haupt ist: „ . . . bedeckt mit Schnee, allein mit Rosen Stets hold bekränzt, dem neuen Heilssymbole.“ (II, Epilog) In I, 50 ist der Beisatz überladen, daher unanschaulich und stilistisch bedeu­ tungslos: „nichts ist dumpfer Gemüter träumenden Herden wunderbar.“ Eben­ so in (I, 83): „Zur Wüste grimmig ausgebrannt Von heißer Buße Sonnenstich, War meines Seins verlorne Flur.“ 271

Wo Daumer zur Polemik übergeht, gewinnt daneben die charakterisierende Epithese freie Hand: „Jener in Wolle gekleidete Mönch, wie nüchtern Denkt er, o Gott, wie schamhaft blickt er und schüchtern!“ (II, 122) Die „gespreizten Toren der Hagestolze“ (II, 6), das „frivole Volk der Pfaffen“ wird mit mancher satirischen und humoristischen Schmeichelei bedacht. Hier spielt das Fremdwort wieder seine Rolle. Daß aber zwei ihrer Richtung nach so grundverschiedene Arten der Stilgebung im „Hafis“ doch eine verträgliche Bin­ dung eingehen, liegt einmal daran, daß Daumer auch in der Lobpreisung der Ideale des Schönen, Lieblichen, Anmutigen vom Standpunkt der Verteidigung, also einem polemischen Gesichtspunkt ausgeht, dann aber in dem genügend gekennzeichneten Gesamtcharakter der östlichen Dichtung überhaupt. Wie schon bei der Betrachtung des Gesamtstils hervorgehoben wurde, macht sich der Einfluß der Ghaselform und der des Rubai stilistisch besonders in der Bereicherung und Steigerung der Gefühlsseite der Ausdrucksmittel be­ merkbar. So bedingt zunächst das Stilprinzip der Sinneswieder­ holung in allen seinen Erscheinungsformen eine gewisse ungegliederte Un­ regelmäßigkeit in dem Gefühlsverlauf. Dem Ghaselgedicht fehlt eben die ein­ heitliche, geschlossene Dynamik in dem allmählichen An- und Abschwellen des Gefühlsgehaltes, insofern ihr die Sonderstellung der einzelnen Beits unter­ einander hemmend entgegensteht. Gerade das Zuviel an hierher gehörigen Stilmitteln, wie die der „Übertreibung“, der „Wortwiederholung“ in ihren mannigfachen Möglichkeiten, der „Anhäufung sinnverwandter Wörter“ usw. er­ weist sich somit wieder als verhängnisvoll. Aber diesem kaum zu entgehenden Einfluß der Form hat sich natürlich auch Daumer nicht entziehen können; ja, er mußte vielmehr dem in vollem Maße Rechnung tragen, wenn anders er den östlichen Charakter seines „Hafis“ aufrecht erhalten wollte. Es bedurfte hier eines ausgebildeten und sehr feinen Formgefühls, um unserer heimischen Ge­ fühlsauffassung mit fremden Stilmitteln gerecht zu werden. Man muß sagen, daß Daumer trotz häufiger Mißgriffe im Einzelnen dieser Aufgabe sich überaus glücklich entledigt hat. Was das Mittel der „Übertreibung“ betrifft, so berührt es sich zum Teil mit der schon gestreiften Verstiegenheit gewisser Bilder und Ver­ gleiche. Mehr noch gehört hierher der häufige Gebrauch hoher Zahlen: Der Himmel wirft dem Dichter hunderttausend Küsse zu (I, 42), zweitausend Wun­ derbecher von der Art Dschems gibt man in Schiras freudig für ein Glas Wein hin (1,189), Hafis schlägt lieber tausend Tonnen Goldes aus, als daß er je einen verwerflichen Gedanken in sich aufkommen ließe (I, 132). Er wünscht sich Myriaden Seelen, um sie als Liebesopfer seiner Schönen vor die Füße streuen zu können (I, 24). Nur wenn man bedenkt, daß diese Zahlen in der östlichen Lyrik geradezu konventionell geworden sind, verlieren sie, bildlich gedacht, etwas von der befremdenden Kraßheit. Die „Wortwiederholung“ ist sehr gebräuchlich, sie entspricht, wie bereits angedeutet, allgemein dem östlichen Stilprinzip und steht unter dem Zwang des formalen Versschemas. Sie tritt in den verschiedensten Formen auf. Als Beispiele mögen gelten: „Er wollte nicht mehr auf der Rosenflur, Er wollte weh’n auf einer schöneren, er wollte weh’n auf Deiner Wange nur“ (I, 11); 272

„Nur gekrönte Bettler sind sie, Fürsten ohne Krone sind sie“ (I, 2), „Zechen will ich Glas auf Glas, Küssen will ich, Kuß auf Kuß“ (II, 7), „Nicht wundere Dich das noch so Wunderliche“ (Kap. II, 97). Auch von der „Häufung“ sinnverwandter „WÖrter“ macht Daumer ausgiebigen Gebrauch. Sie wirkt nicht immer als Steigerung, sondern oft hemmend oder rein als Verzierung, die gelegentlich zur Spielerei ausartet, wie etwa: „Mich bestricke Lockentücke, Mir berücke Geist und Sinn, Mich entzücke schöner Blicke, zarter Munde süße Falschheit immerhin“ (I, 96), oder „Was prahlst Du so, o Himmel, mit Deinen hehren Frachten, Was hegst Du stolzen Sinn?“ (I, 19). In I, 61 wird eher eine Steigerung erzielt: „Er schwingt sich auf sein Ambraroß und jagt zu Dir Und fleugt zu Dir“; matter wirkt schon wieder die Wortfolge: „So sehr Du Dich entlebest und entleibst, entringst Du Dich, entschwingst Du Dich.“ Unsere Untersuchung geht damit zu einer kurzen Betrachtung des Wort­ schatzes in der Hafissammlung über. Hier fällt zunächst als besonders charak­ teristisch ins Auge die starke Annäherung an die Prosa und damit verbunden, die Abchwächung nicht nur des lyrischen Stils in engerem Sinne, sondern des idealisierenden allgemein. Die Sprache erhält so eine gewisse Unausgeglichen­ heit. Sie ist auf weite Strecken hin mit einfachen und poetisch wenig brauch­ baren Wendungen und Wortformen aus der Umgangssprache durchsetzt, wie: in betreff, vonnöten, ohnehin, wofern, wiederum, zugehörige, im Betreffe der Besagten. Zeigt sie daher einesteils einen oft zu üppigen Schmuck, so bleibt sie auf der andern Seite stellenweise nahezu kahl und trocken, ja farblos. So fallen derartig prosaische Einschiebsel, wie: „Nicht befremdlich ist es uns“ (I, 3), „worunter wie Du weißt“ (I, 14), „Soviel ich mich besinne“ (I, 46), „Und in ihrer Ermangelung“ (I, 36), der Satzkonstruktionen, wie die beispielsweise „Er legt soweit es seinem Mühn Dem freilich unzureichlichen Doch eifrigen gelingen mag“ usw. (I, 6) unmittelbar aus dem Rahmen des Poetischen heraus. Das mag zum Teil daran liegen, daß den Dichter die Gestaltungskraft hier im Stiche läßt. Aber man wird auch die Beobachtung machen, daß oft genug hinter diesem Sprung in die Didaktik nur die schlecht zurückgehaltene Tendenz steht. Ein interessantes Bei­ spiel dafür bietet das Gedicht: „Ihr scheltet und schmäht die Sinne, Die lieblichen Sinne — warum? Weil ihr zu tot und dumm zu begreifen den Geist der Sinne.“ (II, 95) Das ist eben kein Gedicht, sondern eine Sentenz, die in das Gebiet des Sach­ lichen, nicht des Künstlerischen gehört, und darum besser hätte ungereimt bleiben sollen. Dasselbe gilt für II, 144, 149, 91. Auch ist die allgemein zu billigende Neigung Daumers für ältere Sprach formen im Einzelfall nicht immer der Veredelung und Erhöhung des Sprachstils zustatten gekommen. Diese dürfen auf keinen Fall wahllos aufgegriffen werden. Freilich spielt dabei auch der Reimzwang eine gewisse Rolle. So müssen Fleugt (I, 81), Zeucht (I, 93) (123), geuß (I, 204), beut 18

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(1,69), deuchte (1,234), oft einen aushelfenden Reim abgeben. Sprachlich wirken sie nicht immer schön. Der engere lyrische Stil sollte sie wenigstens dann ver­ meiden, wenn die ihnen leicht anhaftende pathetische Wirkung im Gegensatz zum gedanklich Ausgedrückten steht, was oft eine ungewollte Lächerlichkeit hervorrufen kann. Allerdings findet sich auch bei Rückert und mehr noch bei Platen Ähnliches, und namentlich der junge Schiller der Anthologie (1782) hat hier häufig gesündigt. Einer älteren Sprachschicht gehören ferner Wortbildungen und Formen an (man betrachtet sie am besten der Wortklasse nach) wie die Substantiva: ein Schatte (I, 203) — in schwacher, statt der heutigen starken Abwandlung und noch die ursprüngliche Nominativendung auf e verratend; Getal (I, 8), Gewall (II, 92), weiter die heute sprachlich veralteten und nur noch in poetisch ge­ hobener Ausdrucksweise gebräuchlichen Substantivierungen der Eigenschafts­ wörter „die Schöne“ (I, 6), „die Kläre“ (I, 7), „die Trübe“ (I, 160), „die Reine“ (II, 23). Im Gebrauch der Zeitwörter wird oft die ältere Flexionsstufe bevor­ zugt so in: sähe (I, 123), empfaht (I, 235), einschärfete (II, 57), gleichet (I, 236), entloffen (II, 31), gebrechen für fehlen. In „eingeschärfete“ ist (Verszwang!) der schon im mhd. in der Regel synkopierte Zwischenvokal in der Bildung des schwachen Präteritums, in „gleichet“ ebenso der im nhd. meist synkopierte Flexionsvokal e im Präsens beibehalten. Ungebräuchlich sind heute die Für­ wörter „selbiges“ (I, 29/30), „dasselbe“ (II, 61); in „sachte“ (I, 213) blickt noch die alte nhd. Adverbialendung durch, ebenso in spat (I, 235) — späte ist Adverb für spoete —; veraltet sind hie (I, 244), jach für je (I, 113), just, itzt, eitel für lauter, hinführo, jetzo, alsofort; die letzteren fallen auch wieder eher unter die Rubrik des papierenen Stils, als unter die Hilfsmittel, die seiner Erhöhung dienen. Dagegen ist „sonder“ (I, 85) gehobener als ohne, „laß“ (I, 210) unge­ wöhnlicher als müßig, lässig. Endlich zeigt sich die Annäherung an die Prosa in dem massenhaften Gebrauch von Fremdwörtern. Was dabei den Einfluß der Metrik, d. h. dem des Reimzwanges, zuzuschreiben ist, darüber wird noch zu sprechen sein. Hier gilt es, diese Erscheinung lediglich sprachlich-stilistisch zu werten. Ihre Erklärung kann sie nur darin finden, daß der philosophisch-wissenschaft­ liche Schriftsteller in Daumer hier unmittelbar seinen Ideenkampf aufnimmt. Der Sprung in das Prosaische ist dann besonders kraß und auffällig. Auch Platen hat sich bei gelegentlichen Ausfällen gegen seine literarischen Feinde gern des Fremdworts bedient. Immerhin kann ihm in gewisser Hinsicht oft eine satyrisch-humoristische Wirkung nicht wohl abgesprochen werden. Auch Daumer wendet es daher gelegentlich an, um einem Gedanken eine besonders scharfe Zuspitzung zu geben. „Da trat zu mir der große Fürst Gabriel; Er leuchtete von Kläre Wie ein Flambeau.“ Der allzu häufige Gebrauch sprengt jedoch die Stileinheit der Sammlung; eine Gefahr, die Daumer nicht genügend beachtet hat. Als Beispiele mögen her­ vorgehoben sein: „subtilste Quästion“ (I, 155), Prüderie, Medikus (I, 227), Idol (I, 162), Ignoranten; die gutzuheißende „souveräne Laune“ (II, 44); ferner „reale 274

Wonne“ (I, 228), absurde Fabeleien (I, 209), frostige Peripherien (I, 243), sublime Kraft (II, 64). Die Grenze des Geschmacks wird noch dazu überschritten, wenn der Dichter gar die zarte Gunst von Persiens schönen Kindern als die beste Arznei gegen Dyskrasie, Atrophie und Asthenie empfiehlt (I, 9). Eine bedeutend glücklichere Hand hat Daumer in der Bereicherung des Wortschatzes durch eine Reihe ansprechender Neubildungen. Seiner weit­ schweifenden, leidenschaftlichen Phantastik eröffnet sich hier ein großes Be­ tätigungsfeld. Als gut nenne ich: „Lächelspende“ (I, 19), gestirnte Weltrotunde (I, 51), Redetaten (I, 43), Zombescheide (I, 44), Ätherglück (I, 226), Seufzerrauch (II, 104), Putzerfahren (I, 95). Etliche Bildungen erinnern an Rückert, so „Lust­ mirakel (I, 196), Lustsekunde (I, 208), Doppelhabe, Kosebündchen (I, 110), Sdilängelzier“ (I, 12); ferner Wortzusammensetzungen wie: „Versebrut, Versejäger (I, 100), Verseperlenschatz“ (I, 6). Schwülstig sind: „Wimperdolch (I, 251), Lippenhonigquelle (I, 75), Lockenrevier“ (I, 241). Einige Neubildungen kommen durch Überführung in eine andere Wortklasse zustande, so: „Die Sehe (I, 28, 121, 194), ledert (II, 69), mönchet (II, 70), Belehr (I, 112), Heilbeschehr (I, 52), gefähre (I, 51), unbedacht“ (I, 86) für Unbedachtsamkeit. Erwähnt sei noch die Vorliebe Daumers für ungewöhnliche Pluralbildungen: „die Prachten (I, 19), die Hauche (I, 32), die Bedächte, die Fehle (I, 154), Geschlechte“ (I, 190); um­ lautlose Formen, wie „Zolle (II, 93), Plane, Grolle“ (II, 93) und gewisse immer wiederkehrende Ausdrücke wie „fromm, süß, Duft, Schöne“ u. a. Hier verrät sich teilweise wieder der stoffliche Einfluß des östlichen Vorbildes, hauptsäch­ lich aber die Daumersche Gefühlseinstellung auf das Anmutige und Liebliche, die sich übrigens glücklicherweise nur verhältnismäßig selten in den von Rückert so beliebten Verkleinerungsformen äußert (I, 228, 221; II, 13, 38). Her­ vorgehoben kann noch werden, daß dagegen wiederum die Form in anderer Hinsicht den Wortschatz bestimmt hat, insofern als das Prinzip des Gegen­ standes in den einzelnen Beits und ihrer Verknüpfung untereinander die reich­ liche Anwendung adversativer Konjunktionen (aber, jedoch, dennoch, indessen, allein) und einsilbiger Partikel wie „ja, so“ verschuldet. Der S a t z b a u kann in vorliegendem Falle hinsichtlich seiner stilistischen Vorzüge und Mängel eigentlich nur im Zusammenhang mit der Metrik be­ trachtet werden. Der Formzwang ist hier in hohem Maße ausschlaggebend. Daumer gibt ihm mehr nach, als man billigen kann. Allgemein liebt er seine Gesamtvorstellung — anstatt sie in möglichst wenigen, selbständigen und über­ sichtlichen Satzgliedern zum Ausdruck zu bringen — nidit nur in ihre logisch untereinander bedingten Bestandteile zu zerlegen, sondern ihre eigene gedank­ liche Abhängigkeit noch mit aufzuzeigen. Seinem stark begrifflichen Denken — die Vorliebe für die östliche Lyrik steht damit im Zusammenhang — ent­ springen dann derartig verschachtelte Sätze, wie der hier angeführte: „Ich zog davor, zu ehren es (das Bild), So viel ich immer kann, bestrebt, purpurner Gardine Zier, Aus blutiger Träne Stoff gewebt.“ Schon die gewöhnliche Sprache wird ihn in gut drei gedankliche Teile auflösen müssen: „So viel ich immer kann, bin ich bestrebt, es zu ehren. Deshalb zog ich davor die Zier purpurner Gardine, die aus dem Stoff blutiger Träne gewebt war.“ Soll diese Vorstellungsreihe einen nicht nur sachlichen, sondern 18*

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poetischen Wert erhalten, so muß sie in zwei bildliche und selbständige Be­ standteile getrennt, das Bild, welches den Handlungsfortschritt bringt, geschlos­ sen neben dasjenige gestellt werden, welches die Verehrung des Liebenden zeigt. In der Wortstellung hat sich Daumer unter der Einwirkung des Verszwanges große Freiheiten gestattet. Sofern sie eine wirklich poetische Wirkung zeitigen, werden sie in der Versdichtung erst recht zu entschuldigen sein, be­ sonders seitdem das Volkslied uns den Sinn dafür geschärft hat. Leider trifft das bei Daumer nicht immer zu. Charakteristisch für ihn ist in dieser Hinsicht die häufige Auseinanderreißung von Subjekt und Prädikat im Aussagesatz, z. B. „mit eignem Aug will einen Spiegel ich, gleich göttlicher Art . . . schicken“ (I, 10) oder: „Aus mit der Wurzel rieß mich — O sprich, wie war es möglich? — Der melodienreiche Von Deinem Mund der Hauch.“ (I, 18)

Einzelheiten gehören in die Betrachtung der Metrik. Was die Versbehandlung anlangt, so ist hier Daumer auf bereits angebahnten Wegen weiter fortgeschritten. Schon Rückert in den „östlichen Rosen“, Platen in den „Nachbildungen aus dem Diwan des Hafis“ haben dem Ghasel die Fremdartigkeit dadurch zu nehmen gesucht, daß sie die einzelnen Distichen oder Beits in je vierzeilige, voneinander getrennte Strophen zerleg­ ten. Dadurch erhält das Ghasel die Gestalt unseres einheimischen in Strophen abgeteilten Liedes und erlaubt somit eine freiere Handhabung des eigentlichen Ghaselreimes. Daumer führt diese Art der Schreibung in strengerer Einheit­ lichkeit durch. Indem er den Überreim, der die Gedankenbildung der ihm vor­ ausgehenden zweiten Verszeile meist ungünstig zu hemmen und in der stän­ digen Wiederholung oft störend ins Gewicht zu fallen pflegt, möglichst wenig zur Anwendung bringt; indem er ferner in der Wahl des Versmaßes den vierfüßigen Trochäus, den romantischen Lieblingsvers offenbar bevorzugt, erreichen seine Verse durchschnittlich einen sehr leichten Fluß, der fast an den Heinescher Gedichte erinnern kann. Daktylische Maße werden wie bei Platen überaus selten (I, 63; II, 122) und auch dann nie rein gebraucht; jambische desto häufiger und namentlich in den verhältnismäßig spärlich auftretenden Vierzeilern von regel­ rechter Form. Daneben findet sich eine große Anzahl leicht-gereimter oder reim­ loser Gedichte, zum Teil unstrophisch und in den verschiedensten Maßen ge­ halten, gut die Hälfte der Sammlung beanspruchend. Die Länge der Ghaselverse schwankt zwischen sechs und siebzehn Silben, die Zahl der Strophen zwischen zwei und zehn. Die Betrachtung muß auf einige metrische Erscheinungen näher eingehen. Die Reinheit der Reime ist nicht durchweg beobachtet; Daumer nimmt es darin weniger genau als etwa Platen. Man begegnet manchen Härten, wie: „Leiden —- bereiten (I, 25), schüren — brevieren (I, 137), genießen — ver­ süßen (I, 152), sogar: nimmermehr — verständiger“ (II, 80); Beispiele, die sich bedeutend vermehren lassen. Entgegen Platen, der ihn für „einförmig und kraft­ los“ (Tgb. I, 501) hielt, bevorzugt Daumer den klingenden Reim, weil er offen­ bar weniger Wert auf das Klangelement als die Rhythmik des Verses gelegt wissen will. Die Vierzeiler allerdings stehen meist mit stumpfem Versausgang. 276

Zuweilen führt er in den ungradzahligen Versen, die den Reimzeilen vorher­ gehen, einen zweiten Reim durch. Rührende Reime zeigen I, 34 „vorbei — vor­ bei“ und II, 95 „Sinne — Sinne“. Ein paarmal ist an Stelle des Reimes Asso­ nanz getreten I, 27, 10. Was die Reimart anbelangt, so tritt, wie schon bemerkt, der Überreim verhältnismäßig in den Hintergrund, weil die Betonung des Charakteristischen am Ghasel von Daumer geflissentlich vermieden wird. Wo er indeß auftritt, zeigt er bisweilen die stattliche Länge von fünf bis sechs Silben, z. B. „ . . . O gräme Dich nicht“ (I, 72), oder „ ... so ist es wohlgetan“ (I, 227). Einen im Klang sehr schlechten Überreim zeigt ein stark gedankliches Ghasel I, 229: „Hinweggeworfen“. Sonst steht der Überreim, der zweite Be­ standteil des erweiterten Reimes, durchschnittlich ein- bis dreisilbig: „Bahnen geh’n — Fahnen geh’n“ (I, 200), „Stunde wieder — Runde wieder“ (I, 221), „Zauberreim beschäme — Träumerein beschäme“ (II, 49). „Gehn, wieder, be­ schäme“ sind hier die Überreime. Am zahlreichsten ist" jedoch das einfache Reimghasel vertreten. Der Reimzwang macht einige absonderliche Wortbildungen und Ge­ schmacklosigkeiten erklärlich. So sind die „Lolche“ wohl nur der „Dolche“ wegen herangezogen worden (II, 92). „Schunke“ wird gewaltsam auf „Trünke“ gereimt (I, 202); ebenso „rauch“ (rauh) auf „auch“ (II, 62). Bildungen wie der „Bankerutte“, sowie die „Dutte“ verdanken jedenfalls nur der „Kutte“ ihr poetisches Dasein (I, 232). Das „Amöne“ gibt einen aushelfenden, aber sehr ge­ suchten Reim auf „Schöne“ ab (IL 135). Überhaupt gehört hierher der schon angemerkte reichliche Gebrauch des Fremdworts, der stark aus dem Rahmen des lyrischen Stils herausfällt und hier seine Erklärung in reintechnischen Rücksichten findet, was Reimfolgen wie: „Kantabilien, Mobilien, Fossilien, Vigilien, Domizilien“ (II, 138); oder: „inept, Adept, Rezept“ (II, 151) und „Kontrole, Phiole, Bussole, Frivole, Symbole, Aureole“ (II. Epil.) deutlich zeigen. Als sprachlich-stilistische Erscheinung ist er schon berücksichtigt worden. Von dem metrischen Zwang im weiteren Sinne fühlt sich der Dichter da­ gegen ziemlich frei, wenigstens soweit er sich in harten Synkopen verrät. Sie sind verhältnismäßig selten und vereinzelt, etwa in: „Fe’n (Feen, II, 49), ew’ge (I, 30), betroffnen (I, 50), ausgespie’ner (I, 193), angelaufnen“ (I, 210), aber nicht eigentlich besonders anstoßend. Schon unschöner und allein gebraucht, um dem geregelten Gang des Verses gerecht zu werden, sind Zeitwortbildungen wie: „senkete (I, 68), tönete, stellet, gestrecket“, Adverbia wie „endelos“, sowie die häufigen oft recht ungeschickt eingeflickten kurzen Sätze: „Denk’ ich (II, 50), antwortet’ ich (II, 54), ich schwöre (I, 70), wisse das“ (II, 131). Auffällige Verstöße in der Wortstellung sind entweder durch Reim oder durch Verszwang hervorgerufen. Sie sind, da Daumers Neigung für prosaische Wendungen und bestimmte sprachlich-stilistische Satzkonstruk­ tionen hinzukommt, garnicht so selten, als man wünschen möchte, und umso augenfälliger, als sein Vers im allgemeinen sehr flott und leicht dahinfließt. Beispielsweise sind dem Reimzwang die schwerfälligen Wendungen entsprun­ gen: „Und daß Du es im Stande zu erblicken“ (I, 10), ferner „Mich in ein arm Gestiebe verwandelt hat die Liebe“ (I, 20), oder: „Laß uns aus der Heuchler befleckt Gewand ziehn“ (I, 243). Schwerer noch wiegen die auf den Zwang des Versschemas zurückführbaren stilistischen Mängel der Wortstellung, so: 277

„Ins Auge, das entzückte, mir kam ein Besuch, ein fürstlicher“ (I, 17), „Ich zog davor, zu ehren es“ (I, 17), oder „Zehntausend Seelen wenn ich hätte, ich würde sie vor Dir verstreuen“ (I, 38), oder „Es reißen Sturmgewalten aus mit der Wurzel Bäume“ (I, 18): Überhaupt wollen sich oft auch ganze Sätze nur gewaltsam in das Versgefüge einordnen und geben dann wirklich schlechte Verse ab. So will z. B. Daumer die Wendung: „Die Tugend ein angrinsendes Gerippe“ als jambische Verse gelesen wissen. Schlechthin unmöglich sind die Jamben: „nicht eifere dumpfsinnig und bigott‘‘ (II, 6). Hier nützt Daumer die Berufung auf Platens Kühnheit nichts; er scheint fast die Herrschaft über die Form zu verlieren. Diese Beispiele führen zu einer beiläufigen kurzen Berücksichtigung der versetzten Wortlbetonung, die in enger Verbindung mit dem Verszwang steht und bei so strengen Gedichtformen wie Ghasel und Sonett besonders häufig ist44). Geschickt angewandt kommt ihr mitunter ein stilistischer Heiz sogar zu. Sie verleiht der Sprache etwas Wuchtiges und Schweres durch die ungewöhnliche Bewegung, die insofern der grundsätzlichen Wortbetonung ausnahmsweise widerspricht. Aber schon Rückert und namentlich Platen haben hierin des Guten zuviel getan. Dadurch, daß Platen sich prinzipiell auf den Boden der quantisierenden Metrik stellt, wird dieses reizvolle Stilmittel in seinen Händen zum augenscheinlichen Verstoß gegen die Grundregel der deutschen Verslehre, die Ausnahme zum Grundsatz. Platen (wie übrigens auch Voß) sucht die versetzte Wortbetonung mit den Mitteln der antiken Prosodie im Deutschen zu rechtfertigen, also mit Silbenlänge und -kürze. Daumer geht diesen Weg nicht. Auch im Hafis findet sie sich gewiß nicht weniger häufig, aber lediglich unter dem Zwang des Versmaßes. Nur wird dem allzuoft mit einer unbeholfenen Unbesorgtheit nachgegeben. Über „unbändigen (I, 218), hold­ seligen“ usw. wird man im Vortrag noch leicht hinwegkommen können, jambi­ sche Betonungen wie „Weltmeere (I, 61), Steinwürfe (1, 71), Weihrauch empor (I, 22), Wahrheit“ (I, 203) sind von außerordentlicher Härte. Zuweilen dienen als Ersatz für die fehlende Senkung eingelegte Pausen, z. B. in I, 200, I, 220. Das sogenannte „Enjambement“ (Aufhebung der Verspause) ist häufig vorzufinden (II, 147; 138, 2, 3; 132 usw.), schon weil die Umbildung des Ghasels in die vierstrophige Liedform natürlicherweise dazu drängt. Auch die Aufhebung der Verspause ist ein Mittel mehr, mit dem Daumer versucht hat, die Starrheit der Form durch Weiterführung des Gedankens in die folgende Verszeile zu durchbrechen; denn an sich läuft es dem Stilprinzip der Wiederholung, wie es sich in der Form des Ghasels ausspricht, direkt zuwider. Auch das einzige Beispiel für die Verkürzung der Strophenpause (II, 145) gehört hierher. Wir haben damit die Stilgebung einschließlich der Metrik nach ver­ schiedenen Seiten hin verfolgt und dabei neben mancherlei kritischen Vor­ behalten im einzelnen auf die stoffliche Frische des Inhalts, die im ganzen sichere Handhabung der Ausdrucksmittel, den nicht ganz ergebnislosen Versuch, sie sprachlich zu erweitern und durch neue Bildungen zu bereichern, endlich auch die durchschnittlich flüssige Beherrschung des Metrums hingewiesen. So wird eine gerecht abwägende Kritik sich dem Urteil nicht verschließen können, daß diese Hafissammlungen Daumers innerhalb der nicht allzu großen Provinz der Orientdichtung einen durchaus achtenswerten Platz einnehmen. Ihre Besonderheit und Selbständigkeit jedoch kann nur dann voll ein­ geschätzt werden, wenn man sie in einer abschließenden Würdigung neben die 278

der zeitlichen Vorgänger und Nachfolger Daumers stellt, und sie gewisser­ maßen unter geschichtlichen Gesichtspunkten betrachtet. Dabei werden natür­ lich innerhalb der umfangreichen Ghaselproduktion Platens und Rückerts nur diejenigen Sammlungen in Betracht kommen können, die sich wirklich mehr oder weniger an das Hafis’sche Vorbild allein angelehnt haben. Sowohl die „Freimund-Ghaselen“ Rückerts (1822), die mehr von antiken und christlichen Anschauungen erfüllt sind, als auch die Platenschen Erstlinge (1820/22), sowie die „Neuen Ghaselen“ von 1823 — jene unter dem unmittelbaren Einfluß seines Freundschaftserlebens entstanden und durchsetzt von Schellingscher Speku­ lation, diese schon in dem vorangestellten Motto dem Orient entsagend — halten sich von östlichen Einflüssen im allgemeinen ziemlich frei. Neben Goethes Diwan, insbesondere dem „Buch Hafts“ sind daher eigentlich nur Rückerts „östliche Rosen“ (1832), wo sogar der Name des Hafis fast durchweg und der persischen Vorschrift gemäß in der letzten Ghaselzeile genannt wird, und Platens „Spiegel des Hafis“ (1822) — von Schlösser eine Art idealer Über­ setzung genannt — zum Vergleich heranzuziehen. Wenn Hirschberg die Meinung vertritt, daß die Daumerschen Sammlungen selbst eine Gegnerschaft des Diwan nicht zu scheuen brauchten, sondern sogar eine vollkommene Fortführung Goethischer Kunst-, Sprach- und Denkweise darstellten, so wird sie wohl für allzu gewagt gelten dürfen. Zunächst einmal insofern, als wir bei dem Dichter des Diwan doch garnicht absehen können von dem ganzen Goethe, seiner geschichtlichen und geistigen Bedeutung. Der Diwan ist eine Schöpfung des Alters und nach Burdachs treffender Be­ merkung, ein fast ebenso schwerwiegendes Zeugnis Goethischen Denkens wie der Faust45). Alle Interessensphären, mit denen dieses Leben in Berührung kam, erscheinen hier noch einmal in großartiger Zusammenfassung. Und des­ halb ist die orientalisierende Neigung Goethes alles andere, als eine Eigen­ sinnigkeit des Greises, für die man sie nur allzu oft ausgab, sondern ebenso notwendig mit seinem ganzen geistigen Wachstum verknüpft, wie die klassisch­ griechische. Eine auch nur annähernd gleiche dokumentarische Bedeutung kann aber das Hafisbuch Daumers nicht beanspruchen. Was in ihm an Bekenntnis liegt, ist nicht viel mehr als eine gewiß geistvolle, aber im Grunde doch nur haltlose, gedankliche Konstruktion, ein aufgegriffener, aber nicht gelehrter und nicht erlebter Grundsatz. Die Ungleichartigkeit der Persönlichkeiten wirft aber auch ein Licht auf die künstlerische Haltung der beiden Werke selbst Der Diwan ist vollkommen absichtslos im Sinne der Verteidigung einer An­ sicht, die der Dichter gehabt hätte und will daher geliebt, nicht „verstanden“ werden. Der Hafis Daumers dagegen vertritt offen die jungdeutsche Tendenz. Und wenn dort einer ursprünglichen Gestaltungskraft ein wirklich großes Werk gelungen ist, so kommt dieses über einen gefälligen, zweifellos sehr reizvollen Eindruck nicht hinaus. In dieser Hinsicht allein könnte gewiß, sofern man auf den ästhetischen Reiz des Einzelgebildes sieht, manches aus den Hafisgedichten unmittelbar — Hirschberg hat darauf hingewiesen — neben das „Buch des Hafis“, das „Buch der Liebe“ und das „Schenkenbuch“ zu stehen kommen. Aber wie nur ein Blick auf das Goethesche „Unbegrenzt“, oder die „Nach­ bildung“ belehrt, ist diese Übereinstimmung doch nur sehr begrenzt und nicht zuletzt rein äußerlich durch den gemeinsamen Ausgangspunkt von der östlichen Dichtung bedingt. Ein Vergleich Daumers dagegen mit Rückert und Platen wird leichter festen Boden gewinnen. Goethe gehört eben doch nur sehr bedingt zur west27»

östlichen Dichtung. Platen und Rückert sind dagegen ihre vorzüglichsten Re­ präsentanten. Schon Rückerts erste dem Persischen angenäherte Sammlung, die Rumighaselen von 1819/20, wie denn fast alle die anschließenden, halten sich mehr auf der eigentümlichen und durch den Stil dieser Dichtung notwendig gebotenen Grenze zwischen Übersetzung und Nachbildung; auch wenn hier Nachbildung noch kaum etwas anderes, als eine Art einfacher Umkleidung in dichterischer Sprache bedeutet. Die „Freimundghaselen“ von 1822, mehr noch die „Östlichen Rosen“ 1822, wachsen dagegen zu fast selbständigen Original­ schöpfungen heran, obwohl der Gesamtcharakter der Sammlungen entschieden östlich, also Hafisisch bleibt. Platen, Daumer, Bodenstedt folgen darin Rückert auf dem gleichen Wege. Und mag selbst einmal, wie in Platens „Neuen Ghaselen“ 1823 oder den wenigen auf italienischem Boden entstandenen 144 Personen Summe: 1822 taucht zum ersten Male in Nürnberg die Sterbediagnose „Brechruhr“ auf. Audi diese Bezeichnung trat durchweg im Herbst auf und findet sich fast ausschließlich bei Säuglingen und kleinen Kindern. Um die sonst so bezeichnete Cholera kann es sich hierbei nicht gehandelt haben, stets finden sich im gleichen Zeitraum auch mit „Brechdurchfall“ gekennzeichnete Todes­ fälle von Kindern. Über die Häufigkeit des Vorkommens dieser Todes­ ursachenbezeichnung mag die folgende Tabelle Auskunft geben; sie enthält alle in Nürnberg vorgekommenen Todesfälle an „Brechruhr“.

1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 1830

1 1 1 — —

1 2 1 6 10

Zahl der Todesfälle an „Brechruhr“ 1831 10 1832 19 1833 10 14 1834 1835 11 1836 10 1837 4 1838 8 1839 5 1840 5

1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850

5 11 8 7 15 15 2 11 7 16

Daß es sich hierbei nicht um echte Ruhr handelte, ist sicher; diese Fälle wurden deshalb in der Übersichtstabelle bei „Ruhr“ nicht berücksichtigt. Im übrigen ist zu sagen, daß früher epidemische Durchfallserkrankungen mit „Ruhr“ bezeichnet wurden; es ist die „Ruhr“ der Friedhofsbücher und Sterberegister durchaus nicht immer identisch anzunehmen mit derjenigen Krankheit, die heute von der Medizin als Ruhr bezeichnet wird. c) Friesei Mit „Friesei“ wurde zu Beginn des Untersuchungszeitraumes jede mit (Frieselfieber) oder ohne Fieber einhergehende Krankheit bezeichnet, die von akuten Exanthemen begleitet wurde. Der Name „Friesei“ ist also sehr viel­ deutig, es können damit Masern, Röteln, Fleckfieber und Scharlach (später „Scharlachfriesei“ genannt), aber auch die Hautkrankheit Milaria (Schweiß­ friesel bei Säuglingen) u. a. gemeint sein. Die Sterbediagnose „Friesei“ kommt ab 1714 fast in jedem Jahre vor, ist jedoch nur selten häufiger zu finden. Hierüber vergleiche die Tabellen in Kapitel IV! Auffallenderweise kommt die Bezeichnung „Friesei“ oder „Frieselfieber“ auch noch zu der Zeit, als die verschiedenen exanthematischen Krankheiten schon wohl unterschieden wurden, vor. So häufig wie vordem ist diese Diagnose zwar dann nicht mehr, jedoch verschwindet sie nie ganz. Es handelt sich hierbei 340

nicht nur um Laiendiagnosen, bisweilen steht auch der Name des behandelnden Arztes dabei. Welche Krankheit hier mit „Friesei“ bezeichnet wurde, konnte nicht geklärt werden. Nach 1800 kam die Diagnose „Friesei“ in Nürnberg 1806 viermal, 1807 zweimal und 1808 einmal vor; über die Häufigkeit des Vorkommens nach 1810 unterrichtet die Tabelle am Schlüsse dieses Kapitels. Die Krankheit bevorzugte keine Altersstufe, die Todesfälle umfassen Per­ sonen jeden Lebensalters. d) „F1 e c k e n“, Fleckfieber Die Sterbediagnose „ungarische Flecken“, die sicher das Fleckfieber be­ deutet, kommt während des Untersuchungszeitraumes in Nürnberg nur dreimal vor: 1715, 1716 und 1717 je einmal. In späteren Jahren tritt nur noch die Bezeichnung „Flecken“ auf. Diese findet sich 1716 fünfmal, 1718 einmal, dann erst wieder 1732 (zweimal), 1733 (einmal) und 1742 (dreimal). In den folgenden Jahren nur ganz vereinzelt. Auch nach 1810 kam diese Bezeichnung als Todesursache in Nürnberg noch vor, dies zeigt die Übersichtstabelle am Schlüsse dieses Kapitels. Der Name „Fleckenfieber“ erschien nur dreimal (zweimal 1834 und einmal 1847). In den Jahren 1810, 1820 und 1834 kam die Bezeichnung „Flecken“ etwas häufiger vor. Bei den so ibezeichneten Todesfällen scheint es sich, zumindest zum Teil, um Fleckfieber gehandelt zu haben; sicher ist dies für die fünf Todesfälle an „Flecken“ 1847. Meist handelte es sich bei den so bezeichneten Todesfällen um Kinder. Sicher war an der großen Epidemie des „Nervenfiebers“ 1813/14, das be­ sonders unter den aus Rußland heimgekehrten Soldaten viele Opfer forderte, das Fleckfieber ursächlich beteiligt. Die beiden Krankheiten Typhus und Fleck­ fieber wurden damals noch nicht unterschieden. Über die Epidemie 1813/14 siehe unter „Nervenfieber“! e) „Nervenfieber“, Typhus Der Typhus tritt während des Untersuchungszeitraumes unter verschiedenen Bezeichnungen auf. Die älteste ist „hitziges Fieber“, erst spät erscheinen „Nervenfieber‘‘ und „Faulfieber“. Die Bezeichnungen „hitziges Fieber“ und „hitzige Krankheit“ kommen von 1714 bis etwa 1770 in Nürnberg vor, dann erscheinen sie einige Jahrzehnte gamicht, später nur noch vereinzelt (vgl. Kapitel IV!). Das hitzige Fieber trat besonders im Mai auf und wurde deshalb auch „hitziges Mayfieber“ genannt; ob es sich hierbei immer um Typhus gehandelt hat, ist zweifelhaft. Die Sterbediagnose „Nervenfieber“ tritt zum ersten Mal 1806 (ein Fall neben einem Fall von „hitzigem Fieber“) auf, ab 1808 kommt auch die Bezeich­ nung „Faulfieber“ vor. 1806 wurde das erste Mal ein Todesfall mit „Typhus“ gekennzeichnet, doch treten die Bezeichnungen „Typhus“, „typhöses Fieber“ und „Abdominaltyphus“ bis 1850 nur ganz vereinzelt in Nürnberg auf. Für die Auf­ stellung der 1810 beginnenden Tabelle der Todesfälle an Infektionskrankheiten wurden folgende Sterbediagnosen für Typhus verwertet: „Typhus“, „hitziges Fieber“, „Nervenfieber“, „nervöses Fieber“ und „Faulfieber“. Hier ist zu sagen, daß „Nervenfieber“ auch einmal Fleckfieber bedeuten kann (1813/14!). Gegen341

ülber der Bezeichnung „Nervenfieber“ treten die anderen Bezeichnungen weit zurück. Die nur ganz vereinzelt auftretende Bezeichnung „Schleimfleber“ wurde nicht für Typhus verwertet, da diese Diagnose nicht eindeutig ist und darunter auch katarrhalische Infekte verstanden werden können. 1806 1807 1808 1809

Zahl der Todesfälle an „Nervenfieber“ usw. 1806—1809 2 (2 „hitzige Fieber“, 1 „Nervenfieber“) 20 (20 „Nervenfieber“) 13 (11 „Nervenfieber“, 1 „hitziges Fieber“, 1 „Faulfieber“) 26 (26 „Nervenfieber“).

Vom Typhus wurden besonders Personen mittleren Lebensalters betroffen; auffallend ist der geringe Anteil der Kinder und Greise an den Todesfällen. Es soll dies am Beispiel der Jahre 1741 und 1742 aufgezeigt werden. In diesen beiden Jahren war das „hitzige Fieber“ in Nürnberg weiter verbreitet; in beiden Jahren starben an dieser Krankheit 118 Menschen (1741 79 und 1742 39). Altersverteilung der Todesfälle an „hitzigem Fieber“ oder „hitzigem Fluß“ 1741/42 Es starben: unter 3 Jahren 0 Personen mit 3—5 Jahren 2 mit 6—12 Jahren 3 mit 13—19 Jahren 9 mit 20—29 Jahren 15 mit 30—39 Jahren 22 mit 40—49 Jahren 21 mit 50—59 Jahren 21 mit 60—69 Jahren 19 mit über 70 Jahren 4 (bei 2 Personen war das Sterbealter nicht angegeben). Bezüglich des jahreszeitlichen Auftretens des „hitzigen Fiebers“ ist zu sagen, daß die meisten Todesfälle an dieser Krankheit im Frühling auftraten („Frühjahrsepidemien“). Hierfür seien als Beispiele die Todesfälle an „hitziger Krankheit“ der Jahre 1714 und 1741 hier angeführt. Im ganzen starben 1714 56 und 1741 79 Personen an dieser Krankheit. Es starben an „hitziger Krankheit“: Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 342

1714 4 3 6 13 8 9 3 3 2 2 1 2

1741 5 Personen 9 15 11 14 7 3 2 1 3 5 4

Bei der Durchsicht der Übersichtstabelle der ab 1810 in Nürnberg vorge­ kommenen Todesfälle an Infektionskrankheiten fallen in der Spalte „Nerven­ fieber usw.“ die hohen Sterbeziffern in den Jahren 1813 und 1814 auf. Außer drei Fällen von „Faulfieber“ und einem Fall von „hitzigem Fieber“ handelt es sich bei diesen 274 Todesfällen durchweg um die Sterbediagnose „Nervenfieber“. Bei weitem den größten Anteil hatten aus Rußland heimgekehrte Soldaten an dieser Zahl. Sicher hat es sich hier um Fleckfieber gehandelt, das die Soldaten aus Rußland mitbrachten (die Diagnose „Flecken“ tritt in beiden Jahren nur zweimal auf); die beiden Krankheiten Typhus und Fleckfieber wurden früher nur als Variationen einer Krankheit angesehen. Diese Epidemie soll noch, in ihrem Verlauf aufgezeigt werden. Anzahl der „Nervenfieber“todesfälle 1813/14 Januar 1814: Januar 9 Februar 2 Februar Marz 17 März April April 7 Mai Mai 3 Juni Juni Juli Juli 2 August 3 August September 2 September Oktober 6 Oktober November November 12 Dezember Dezember 39 —

82 44 17 6 12 4 2 1 2 — 2 —

Kum xvm TodestaUe an ’NerwenVieber* ASA*S|14

Die übrigen Fälle von „Nervenfieber“ traten an Nürnberg nicht mehr aus­ gesprochen epidemieartig auf, sie verteilten sich etwa gleichmäßig auf das ganze Jahr. 343

f) Scharlach Der Name „Scharlachfieber“ trat schon 1781 in Nürnberg als Todesursache auf, kam 1790 noch einmal vor und fehlte dann bis 1806. Von diesem Jahre ab kamen bis 1850 fast in jedem Jahr Scharlachtodesfälle in Nürnberg vor. Anzahl 1 1781 1 1790 30 1806

der Scharlachtodesfälle vor Person 1807 Person 1808 1809 Personen

1810 18 Personen 18 Personen 77 Personen

Über die Zahl der Scharlachtodesfälle nach 1810 unterrichtet die Übersichts­ tabelle am Schlüsse dieses Kapitels. In den ersten Jahren des Auftretens der Scharlachdiagnose findet sich auch öfters die Bezeichnung „Scharlachfriesel“. Am stärksten war der Scharlach in Nürnberg 1809, 1833 und 1841 verbreitet. Der Verlauf dieser drei Epidemien soll im einzelnen aufgezeigt werden. 1809 waren 77 Fälle von „Scharlachfieber“ in Nürnberg zu verzeichnen, im Januar kamen 4 und im April 2 Scharlachtodesfälle vor, die eigentliche Epidemie begann erst im August und dauerte auch 1810 noch in geringerem Ausmaß fort. August September Oktober November Dezember

Scharlachtodesfälle 1809/10 1810: Januar 6 Februar 7 15 März April 21 Mai 22 Juni

8 2 2 5 2 1

Kuvv« Kl»

Sct)OTlactjffco4fti{alie "Vfcö/40

Die 108 Scharlachtodesfälle des Jahres 1833 verteilten sich folgendermaßen auf die einzelnen Monate: Januar Februar März April Mai Juni Juli

Scharlachtodesfälle 1833 1833: August 1 — September — Oktober — November Dezember 2 1834: Januar 1 Februar 9

15 25 29 21 5 3 —

1841 kamen die meisten Scharlachtodesfälle (181) in Nürnberg vor, die Epi­ demie begann schon dm Herbst 1840 und dauerte bis zum Februar 1842 an. 344

1840:

1841:

Scharlachtodesfälle 1840/41/42 August — Juni September 1 Juli August Oktober 1 September November 1 Oktober Dezember 4 November Januar 4 Dezember Februar 1 Januar März 1 Februar April — März Mai —

3 22 54 48 34 9 5 3 3 —

Kurvt XK1

Sc^OLTlactyOfLesfälle Mko/WifHt

Kur«« XX

SeJjaTlae.^o^^äUc 4853/j*

Bezüglich des jahreszeitlichen Auftretens des Scharlachs ist festzustellen, daß diese Krankheit ihren Gipfel stets im Herbst und Winter aufweist. Die Fälle des Jahres 1841/42 (Kurve XXI) passen insofern nicht ganz zum üblichen jahreszeitlichen Auftreten des Scharlachs, als hier die Krankheit bereits im November ihren Höhepunkt überschritten hat. g) Diphtherie Das früheste Zeichen dieser Krankheit fand sich in Nürnberg schon 1731. Hier heißt es bei dem Todesfall eines Kindes „Bräune im Hals“. Dann tritt erst wieder 1807 eine auf die Diphtherie hinweisende Bezeichnung auf: „Luft­ röhrenentzündung“. In diesem Jahr »kam nur ein Fall vor, 1809 waren es drei Fälle und danach verging bis 1850 kein Jahr, wo nicht Todesfälle an dieser Krankheit aufgezeichnet worden wären (siehe Tabelle am Schlüsse dieses Kapitels!). Die Bezeichnung „Bräune“ findet sich (außer dem einen Fall 1731) 1814 zum ersten Mal, 1820 kommt die Diagnose „Diphtherie** das erste Mal vor. Diese letztere Bezeichnung wurde jedoch nur selten gebraucht; die häufigste Benennung ist „Luftröhrenentzündung“, eine Bezeichnung, die ab 1835 in steigendem Maße durch „Bräune“ abgelöst wird. Bei der Bräune wurde noch unterschieden zwischen „häutiger Bräune“, Bräune im Hals“, „brandiger Bräune“ und „Krampfbräune*. Auch die Bezeichnung „Croup“ kommt gegen Schluß der Berichtsperiode öfters vor. Alle im vorigen genannten Krankheits­ bezeichnungen wurden als Diphtherie verwertet, nicht dagegen die hie und da vorkommende Diagnose „Brustbräune“, die zudem ausschließlich bei alten 345

Leuten auftrat. „Bräune“ war ja eine alte Bezeichnung für alle Hals- und insbesondere Pharynxerkrankungen. Fünf Fälle von „Clamfluß“, die eindeutig als Diphtherie zu erkennen waren, wurden ebenfalls in der Tabelle unter Diphtherie aufgeführt. Die Diphtherie war in Nürnberg endemisch verbreitet, alle vorkommenden Fälle verteilten sich etwa gleichmäßig über das ganze Jahr, eine ausgesprochene Epidemie trat nicht auf, auch bevorzugte die Krankheit keine bestimmte Jah­ reszeit. Alle Diphtherietodesfälle betrafen vorwiegend Kinder, nur selten finden sich Sterbealter über 10 Jahren. h) Keuchhusten Die Diagnose „Keuchhusten“ tritt als Todesursache 1799 das erste Mal in Nürnberg auf. Todesfälle an Keuchhusten vor 1810. 1799 1804 1805

1 2 l

1807 1808 1809

2 13 2

Über die Häufigkeit der Keuchhustentodesfälle ab 1810 gibt die Übersichts­ tabelle der Todesfälle an Infektionskrankheiten Auskunft, in der auch die wenigen (zwei) Todesfälle an „Krampfhusten“ mit enthalten sind. Auch der Keuchhusten kam in Nürnberg endemisch vor; er bevorzugte weder eine bestimmte Jahreszeit, noch trat er irgendwann seuchenartig auf; stets waren die Fälle etwa gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt. Der Keuchhusten war die einzige Infektionskrankheit, von der Säuglinge und Kleinkinder vorwiegend betroffen wurden. Die meisten der hieran ver­ storbenen Kinder hatten das erste Lebensjahr noch nicht erreicht oder eben überschritten. Ganz vereinzelt kamen aber auch Todesfälle bei Erwachsenen vor. i) Cholera Während des Untersuchungszeitraumes trat die Cholera in Nürnberg nicht auf. Von der ersten Choleraepidemie, die 1836/37 in Bayern zahlreiche (nach Ha es er 2626) Erkrankungen hervorrief, blieb Nürnberg ganz verschont; ebenso von der zweiten Pandemie, von der Süddeutschland überhaupt nicht betroffen wurde. Vorsorglich richtete der Rat der Stadt schon 1830/31 infolge der drohenden Cholera ein Chölerahospital ein und ordnete Desinfizierung der aus Rußland kommenden Waren an. Als 1836 die Cholera wieder drohte, rich­ tete sich das Augenmerk der Stadtverwaltung weniger auf die Desinfektion, da deren Nutzlosigkeit erkannt worden war, sondern besonders (wie auch schon 1830) auf die Armenpflege (Einrichtung von Suppenanstalten,'Kleiderverteilung u. a.) und auf die Verbesserung unhygienischer Wohnverhältnisse; auch wur­ den einige Ärzte zum Studium der Krankheit nach München, wo die Seuche stark verbreitet war, entsandt. Die einzigen in Nürnberg aufgetretenen Cholerafälle kamen während der dritten Pandemie dm Jahre 1854 vor. In diesem Jahre brach im Juli die Seuche in München aus und gewann epidemische Verbreitung über einen großen 346

Teil Bayerns (nach H a e s e r erkrankten in Bayern 14 874 Personen, wovon 7370 starben). Franken wurde von der Seuche am wenigsten betroffen, nur in Nürnberg konnte die Krankheit sich etwas weiter verbreiten. Man zählte hier vom 8. August bis zum 30. September 517 Erkrankungen und 271 Todes­ fälle. Im ganzen sind in Nürnberg an der Qholera bis zum 11. Oktober, wo die Krankheit für erloschen erklärt wurde, 540 Personen erkrankt und etwas über 300 Menschen gestorben (nach Priem und Schrotter). Nach Nürnberg wurde die Krankheit von München edngeschleppt. 1854 fand in der bayerischen Landeshauptstadt eine Industrieausstellung statt, zu der auch Nürnberger Bürger nach München gekommen waren; einige dieser Besucher brachten die Seuche mit nach Nürnberg. Nach 1854 trat die Cholera in Nürnberg nicht mehr auf. k) Andere Infektionskrankheiten Alle übrigen Infektionskrankheiten (mit Ausnahme der Tollwut) traten als Todesdiagnosen in Nürnberg erst nach 1810 auf. Über die Häufigkeit ihres Vorkommens gibt die am Schlüsse dieses Kapitels angeführte Tabelle Aus­ kunft. Nicht berücksichtigt werden konnten hierfür die Tuberkulose und die Influenza, da hierfür die Angaben zu ungenau waren. Vorkommende Fälle von „bösartigem Fieber“, „Wundfieber“, „Wurmfieber“, „Schleimfieber“, „Catarrh“, „Catarrhfieber“, „Grippe“, „Zehrfieber“ (vgl. S. —), „schleichendem Fieber“, „Gallenfieber“, „Blasenausschlag“ u. a. wurden nicht verwertet, da diese Angaben keine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Infektions­ krankheit zuließen (bei „Grippe“ ist anzunehmen, daß nicht alle Influenzafälle so bezeichnet wurden). In der Tabelle nicht enthalten sind auch die im ganzen zweimal vorkommende Diagnose „Aphthen“ (1844) und die elfmal vorkom­ mende Angabe „Schwämmchen“, da beide als wirkliche Todesursachen nicht in Frage kommen. Unter „Schwämmchen“ ist der Soorpdlz zu verstehen, alle Fälle kamen bei Säuglingen vor. Bezüglich des Kindbettfiebers ist zu sagen, daß die Tabelle nur echte Fälle von Puerperalfieber enthält; an „schwerer Geburt“ o. ä. verstor­ bene Frauen sind hierin nicht enthalten, dagegen enthalten die in Kapitel IV angeführten Todesfälle von „Kindbetterinnen“ alle während des Wochenbettes gestorbenen Frauen. Die Syphilis konnte in Nürnberg nur zweimal als Todesursache er­ mittelt werden. Bei dem einen Fall (1813) handelte es sich um einen Erwach­ senen, die Diagnose lautete „Lustseuche“. Der zweite Fall war ein Säugling, hier wurde „syphilitische Flecken“ angegeben. Bei den zwei Fällen von Milzbrand war einmal „Anthrax“, das andere Mal „Pustula maligna“ angegeben; der letztere Fall betraf eine Gastwirts­ tochter. Vielleicht ist auch die nur einmal (1846) vorkommende Diagnose „Carbuncel“ dieser Krankheit zuzuzählen. Die vier aufgezeichneten Fälle von Hospitalbrand (1814) betrafen Soldaten, die im Nürnberger Lazarett verstorben sind. In der Spalte Erysipel wurden die mit „Rotlauf“ oder „Gesichtsrose“ (zweimal auch „Blasenrotlauf“) gekennzeichneten Todesfälle aufgeführt. Die Windpocken wurden als „Steinblattern“, einmal auch als „Wasserblattem“ bezeichnet. 347

Die Spalte Starrkrampf enthält die mit diesem Namen oder mit „Wundstarrkrampf“ oder „Kinnbackenkrampf“ benannten Todesfälle. Ob es sich hier in allen Fällen um echten Tetanus gehandelt hat, sei dahingestellt. Verdächtig ist in diesem Sinne, daß sich auch einmal die Angabe „Starrkrampf nach Erhängen“ (in der Tabelle nicht mit aufgeführt) findet. Röteln und Masern wurden mit ihren auch heute noch gebräuch­ lichen Namen bezeichnet. Den einzigen Fall von „Ohrdrüsenentzündung“ (Mumps?), der 1840 bei einem einjährigen Kind als Todesursache angegeben wurde, habe ich in die Tabelle nicht mit aufgenommen, ebenso auch nicht den bei einem Säugling 1838 aufgetretenen Fall von „Mundfäule“ (Noma?). Zum Schlüsse sei noch erwähnt, daß auch die Tollwut in Nürnberg nachzuweisen war. 1741 findet sich einmal als Todesursache „wüthiger Hunds­ biß“ angegeben. Außerdem fand sich nach 1810 noch einmal die Todesdiagnose „Hundsbiß“. Tabelle der 1810 bis 1850 in Nürnberg aufgezeichneten Todesfälle an Infektionskrankheiten. Die Nummern der Spalten bedeuten: 1 2 3 4 5

Pocken Ruhr „Friesei“ „Flecken“ Typhus („Nervenfieber“ usw.)

(2) (3) (4) (5) 2 2 12 16 — 1 — 13 42 — 1 — 26 2 — 1 — 102 22 — 36 9 2 172 — 8 — — 26 — — — — 3 4 — — 17 1 — 2 — — 12 — 1 — — 7 — 7 24 5 3 — — — — 7 — — 1 — 13 — — 3 — 11 — — — 2 7 — — 17 — 9 1 1 — 13 1 — — 1 1 41 5 — — — 19 — — — — 13 24 (i)

1810 1811 1812 1813 1814 1815 1816 1817 1818 1819 1820 1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 1820 348



12 13 14 15 16 17

6 Scharlach 7 Diphtherie 8 Keuchhusten 9 Kindbettfieber 10 Masern 11 Röteln (6) (7) (8) (9) (10) 3 4 2 12 28 3 3 4 4 14 2 1 19 12 23— i — 3 1 7 — — 4 3 1 — — 2 4 2 — — 11 2 6 2 — 31 2 7 — 30 1 13 14 — 4 2 — 4 6 _ — — 15 7 9 — 1 6 7 — 62 10 3 1 5 — — 8 10 22 4 4 3 5 2 2 7 13 — — 1 — — 13 1 9 10 — — 3

(11)

Erysipel Windpocken Syphilis Tetanus Milzbrand Hospitalbrand (14)

(15) (16) (17)

— — — —

— — —



(12) (13)

1

— — — —



— — — — — — 4 — — — — — — — — — — — — — — —



























— — — — — — — —

1





1





— —













1



















1







1 — — — — —



2











— — — — 1 — — — — 1— 2 — — — —

1

1—

1

— —



1

— —

— —

(5)

(6)

36 44 — 46 15 54 6 32 — 36 — 35 — 25 — 46 — 52 — 64 — 59 — 45 — 1 2 — 37 - 1 1 — 46 2 — — 62 5 42 -22 — 41 3 1 2 — 31 9 2 — — 37

6 2 108 17

(1)

1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850

(2)

(3)

— 5 12 1 1 2 1 1 2 5 3—2 3 42 — — 17 — — 32 -54 1 2 — 4 4 3 — 5 1 4 4 —

(4) 1





1 —

7 4 8 181 26 1 1 2 — — —

11 5

(7) (8) 13 3 6 7 9 10 15 30 48 15 36 33 8 12 11 6 13 15 13 28

16 4 1 17 27 1 12 20 7 4 17 3 27 5 21 5 4 2 19 5

(9) (10) dl) (12) (13) (14) (15) (16) (17) 2 — — — — 3 — — 3 — — 4 — — 2 — — — — — 1 — 2 — — 1 1 — 1 — — 9 1 33 1 1 2 — — — — 2 1 — — — — — — — 1 — — 3 — — 1 — — 1 — — 4 — — 1 2 — 1 — — 1 13 — 1 1 — 1 — — 4 — — — 2 1 — 5 — — 3 — — 1 — — 4 — — — — — 4 — 1 — — 1 — — 3 1 — — 3 — — 1 — — 1 — — 1 — — 1 — — 2 — — — 1 1 — — — 2 — — 4 7 — — — — 1 — — 4 — — 3 — — 6 — — 1 — — — — — 2 — — 7 — — 1 — —



Summe der Todesfälle 1810 — 1850: Pocken 37 458 Diphtherie Windpocken 9 Ruhr 220 355 Keuchhusten Syphilis 2 Friese] 75 Kindbettfieber 66 Starrkrampf 40 110 68 Masern Milzbrand Flecken 2 Typhus 1426 9 Röteln Hospitalbrand 4 600 25 Scharlach Erysipel Im ganzen starben in Nürnberg von 1810 bis 1850 50 259 Menschen, davon erlagen 3506 den in der Tabelle erfaßten Infektionskrankheiten. Somit ergibt sich, daß die Sterblichheit an diesen akuten, spezifischen Infektionskrankheiten für diesen Zeitraum in Nürnberg 6,9 Prozent betrug. VII.

Zusammenfassung Am schlimmsten von allen Seuchen wütete in Nürnberg die Pest; eine Reihe von Epidemien konnte dem Jahre nach erfaßt werden; jedoch nur bei einer war es möglich, den Verlauf der Epidemie in ihren Auswirkungen zu erfassen (1562/63). Die Höhe der Sterbefälle innerhalb kurzer Zeit während einer Pest­ epidemie ist uns heute unvorstellbar. Genaue Zahlen über Geburten- und Sterbeziffern waren im Original (Kirchen- bzw. Friedhofsbücher) erst ab 1714 zu erhalten. Auffallend ist das stetige Auf und Ab der Geburten- und vor allem der Sterbeziffern. Solche Häufungen von Todesfällen in einem Jahr sind uns heute unbekannt, in unse­ ren Tagen verlaufen die entsprechenden Kurven annähernd horizontal oder leicht ansteigend. Sie dürften höchstens in den Bombennächten des vergangenen 349

Krieges eine Parallele gefunden haben. Weiter ist bemerkenswert, daß die Zahl der Sterbefälle fast immer die der Geburten überstieg; dies soll die fol­ gende Kurve, die den Sterbe- oder Geburtenüberschuß in den Jahren 1714 bis 1850 zeigt, noch einmal deutlich vor Augen führen (Kurve XXII).

Nürnberg konnte somit seinen Bevölkerungsstand nur durch Zuwanderung halten. Genaue Zahlen der Nürnberger Einwohnerschaft waren erst ab 1806 zu erhalten. Von diesem Jahre bis 1850 konnte die Stadt ihren Bevölkerungsstand verdoppeln. In den letzten Jahren des Untersuchungszeitraumes übertrifft die Zahl der Geburten häufig die der Sterbefälle, zumindest zum Teil eine Auswirkung der staatlichen Pockenschutzimpfung, die 1808 in Nürnberg eingeführt wurde. Bemerkenswert ist die außerordentliche Höhe der Kindersterblichkeit; diese machte nicht selten mehr als 50 Prozent der Gesamtsterblichkeit aus. Die höchste Sterblichkeit unter den Altersklassen war bei den Säuglingen zu fin­ den, wohl eine Folge mangelnder Hygiene oder falscher Ernährung. Betrachtet man das durchschnittliche Sterbealter der Nürnberger, so fällt die recht große Zahl der über 70jährig Gestorbenen auf. Hatte jemand das ge­ fährliche Säuglingsalter und die Pocken überstanden, so war seine Lebens­ erwartung nur wenig geringer als unsere heutige. Fragt man, welche Krankheiten die häufigsten Todesursachen waren, so findet man, daß man mit den angegebenen Todesursachen praktisch nichts anfangen kann; lediglich einige Infektionskrankheiten gestatteten eine stati­ stische Auswertung. Unter diesen forderten die Pocken bei weitem die meisten Opfer, alle anderen Infektionskrankheiten traten ihnen gegenüber weit zurück. Im ganzen gesehen war jedoch der Anteil der Pocken an der Gesamtsterblich­ keit nicht so hoch, wie oft angenommen wird. Er betrug in Nürnberg von 1714 bis 1765 z. B. nur 3,9 Prozent. Am häufigsten erlagen den Pocken Kinder zwischen 1 und 5 Jahren. 350

VIII. Literaturverzeichnis a) Handschriftliche Quellen 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20)

21)

22) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32)

Taufbücher St. Lorenz 1714—1810. Taufbücher St. Sebald 1714—1810. Friedhofsbücher St. Johannis 1714—1835. Friedhofsbücher St. Rochus 1714—1835. Geburts- und Sterberegister St. Lorenz 1810—1850. Geburts- und Sterberegister St. Sebald 1810—1850. Geburts- und Sterberegister St. Jakob 1810—‘1850. Geburts- und Sterberegister St. Egidien 1810—1850. Geburts- und Sterberegister hl. Geist 1810—1850. Geburts- und Sterberegister der kath. Pfarrei z. unserer lieben Frau 1810 bis 1850. Geburts- und Sterberegister der reformierten Pfarrei 1810—1850. Geburts- und Sterberegister St. Peter 1825—1850. Geburts- und Sterberegister St. Johannis 1825—1850. Geburts- und Sterberegister der Wöhrder Pfarrei 1825—1850. Sterberegister der freireligiösen Gemeinde Nürnberg 1849—1850. Verwaltungsberichte der Stadt Nürnberg, Abt. Bevölkerung (im Stadtarchiv Nürnberg, einziger noch vollständig vorhandener Jahrband 1829/30). „Chronika, die löbliche Reichsstadt Nürnberg betreffend“, Hans Starksche Chronik, 2 Bände, um 1600. Müllner: Annalen der Stadt Nürnberg. b) Gedruckte Quellen Beckh, Dr. Max: Nürnbergs Einwohnerzahl im Laufe der Jahrhunderte. In: „Nordbayerische Zeitung“ vom 22. 10. 1919. Bericht, kurzer, als man sich zur Zeit der schweren Sterbensläufft zu ver­ halten, die schwere Seuch der Pestilenz durch Gottes Gnad zu verhüten. Gestellt durch die verordneten Doctores der Arzney dieser Stadt Nürnberg. Nbg. 1600. Bericht kurzer, wie man sich bey denen anderwerts stark einreißenden ge­ fährlichen Seuchen, deren wir durch Gottes Gnad noch befreyet sind, zur Vorsorg verhalten solle, vornehmlich für den gemeinen Mann gestehet durch die verordneten Mechcinae Doctores dieser Stadt Nürnberg. Nbg. 1679. Büchel, Dr. C.: Mittelalterliche Bevölkerungsstatistik der Stadt Nürnberg. In: „Fränkischer Kurier“ vom 28. 12. 1907. Fronmüller, Dr.: Chronik der Stadt Fürth. Fürth 1887. Haeser, Dr. Heinrich: Lehrbuch der Geschichte der Medizin und der epide­ mischen Krankheiten, Band III. Jena 1882. Hammerbacher, C. A.: Historische Beschreibung der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1847. Hail, Adolf: Die Sterblichkeit in Memmingen 1644—1870. In: Archiv für Hygiene 118 (1937). Hecker, Dr. J. F. C.: Der englische Schweiß. Berlin 1834. Hecker, Dr. J. F. C.: Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters. Berlin 1865. Hegel, Dr. Karl: Die Chroniken der fränkischen Städte: Nürnberg, Band 1 bis 5. Leipzig 1863. Hirsch, Dr. August: Handbuch der geographischen historischen Pathologie. 2 Bände. Erlangen 1859. Höfler, Dr. M.: Deutsches Krankheitsnamenbuch. München 1899. Jegel, Dr. August: Audi Franken kennt im frühen Mittelalter Geschlechts­ krankheiten. In: Dermatologische Wochenschrift 98 (1934). 351

33) Jegel, Dr. August: Die Geschlechtskrankheiten sind vor der Entdeckung Amerikas auch in Franken bekannt: In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin 25 (1932). 34) Jegel, Dr. August: Nürnberger Gesundheitsfürsorge, vor allem während des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Me­ dizin 25 (1932). 35) Jegel, Dr. August: Sein und Vergehen des Nürnberger Collegium medici. In: Bayerische Ärztezeitung 34 (1931). 36) Kiefhaber, Johann Carl Siegmund: Historisch-chronologisches Verzeichnis der seit Anfang dieses Jahrhunderts bis jetzt in der Reichsstadt Nürnberg und deren Gebiet herrschend gewesenen Epidemien unter Menschen und Tieren. Nbg. 1796. 37) Lechner, Dr. Carl: Das große Sterben in Deutschland in den Jahren 1348 bis 1351 und die folgenden Pestepidemien bis zum Schlüsse des 14. Jahr­ hunderts. Innsbruck 1884. 38) Lochner, Georg Wolfgang Karl: Die Einwohnerzahl der ehemaligen Reichs­ stadt Nürnberg. Nürnberg 1857. 39) Mayer, Dr. Moritz-Maximilian: Kleine Chronik der Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1847. 40) Moser, Otto: Die Sterblichkeit in Amberg (Obpf.) 1700—1870. Erlanger Dis­ sertation 1949. 41) Mummenhoff, Ernst: Die öffentliche Gesundheits- und Krankenfürsorge im alten Nürnberg. In: Festschrift zur Eröffnung des neuen Krankenhauses der Stadt Nürnberg. Nbg. 1898. 42) Mummenhoff, Emst: Geschichtliches zur Heilkunde in Nürnberg. Fest­ schrift, dargeboten der 65. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. Nürnberg 1892. 43) Ott, Dr. Caspar: 'Bevölkerungsstatistik in der Stadt und Landschaft Nürn­ bergs in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Berlin 1907. 44) Ozanam, I. A. F.: Allgemeine und besondere Geschichte der epidemischen, ansteckenden und epizootischen Krankheiten, die in Europa seit dem 14. Jahrh. bis auf unsere Tage geherrscht haben. Stuttgart und Tübingen 1820. 45) Priem, Johann Paul: Geschichte der Stadt Nürnberg. Nbg. 1875. 46) Reicke, Dr. Emil: Geschichte der Stadt Nürnberg. 47) Schneider, Georg: Die Sterblichkeit in Sulzbach in der Oberpfalz 1572 bis 1870. Erlanger Dissertation 1949. 48) Schnurrer, Dr. Friedrich: Chronik der Seuchen, 2 Bände. Tübingen 1825. 49) Schrötter, Dr. Georg: Geschichte der Stadt Nürnberg. Nbg. 1909. 50) Schrötter, Dr. Georg: Nürnbergs Bevölkerungszahl im 15. Jahrhundert. In: Bayerisches Heimatland 2 (1921). 51) Siebenkees, Dr. Johann Christian: Materialien zur Nürnberger Geschichte, Band III. Nürnberg 1792. 52) Statistisches Jahrbuch für die Stadt Nürnberg. Band 1, 1919. 53) Sticker Georg: Abhandlungen aus der Seuchengeschichte und Seuchenlehre. 1. Band (Teil 1 und 2): Die Pest. — 2. Band: Die Cholera. 54) Universallexikon aller Wissenschaft und Künste, großes; Halle und Leipzig 1735. 55) Virchow, Rudolf: Zur Geschichte des Aussatzes, besonders in Deutschland. Berlin 1859. 56) Waldau, Georg Ernst: Neue Beiträge zur Geschichte d.er Stadt Nürnberg, 2 Bände. 57) Waldau, Georg Ernst: Vermischte Beiträge zur Geschichte der Stadt Nürn­ berg, 4 Bände. 58) Ziehl, Dr.: Über Seuchen, welche in früheren Jahrhunderten in Nürnberg geherrscht haben. Nürnberg 1856. 352

Des Seefahrers Martin Behaim Geburts- und Todestag Von Dr. Werner Schultheiß Noch meine Skizze von Martin Behaims Leben und Leistungen in den „Nürnberger Gestalten aus 9 Jahrhunderten“1) mußte sich damit begnügen, das Geburtsdatum des bekanntesten Mitglieds dieses Nürnberger Patrizier­ geschlechts mit „etwa 1459“ anzugeben, da dieser Termin nach den bisher zur Verfügung stehenden Quellen nicht feststand. F. W. Ghillany, der 1853 die vor­ läufig ausführlichste und zuverlässigste Biographie dieser interessanten Per­ sönlichkeit des humanistischen Zeitalters schrieb, widmete dieser Frage ein eigenes Kapitel2). Der Autor kam darin auf Grund des damals erreichbaren Materials zu dem Schluß, daß mangels einschlägiger Zeugnisse das Geburtsjahr „um 1459“ anzusetzen sei, da die Heirat seiner Eltern Martin Behaim des Älteren und der Agnes Schopper nach den meisten Quellen „1459“, nach einigen aber „1458“ stattgefunden habe. Ghillanys Datierungsversuch folgte die bis­ herige Literatur über Martin Behaim 3). Als das Restarchiv der im Mannesstamm ausgestorbenen Familie der Frei­ herren Behaim von Schwarzbach, das während des Weltkrieges II durch das Stadtarchiv geborgen und 1949 durch die verständnisvolle Bereitstellung der Mittel durch die Stadtverwaltung angekauft worden war, neu geordnet und verzeichnet wurde, konnte erwartet werden, daß dieses Problem gelöst werden könnte, da sich umfangreiches genealogisches Material vorfand4). Diese Familie hatte nämlich schon in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts begonnen, ihre Genealogie festzustellen und niederzuschreiben. Sie ist dabei dem Vorbild ge­ folgt, das Ulman Stromer am Ende des 14. Jahrhunderts mit seinem „Püchel von meim gesiecht“ und die Tücher mit ihren chronikartigen Aufzeichnungen vor allem im 15. Jahrhundert5) gegeben haben. Auch der Auftrag des Rats an den Pfarrer Meisterlin eine „Chronik von Nürnberg“ zu schreiben und die humanistischen Bestrebungen im Nürnberger Patriziat6) mögen 1488 Michel (VII.) Behaim 7) angeregt haben, ein „Geschlechtsbüchlein“ zu verfassen. Dieses bescheidene Papierheft in Quartformat berücksichtigt aber nicht die Seiten­ linien, wenn auch die Nachkommen bis 1581 nachgetragen sind. Ein Stammbuch, das um 1520 angelegt wurde und im Besitze Michel Behaims V. (* 1569) war, führt zwar dessen Onkel Martin auf, berichtet aber nur von seinem Tod zu Lissabon, ohne Geburts- und Sterbedatum zu nennen. Auch das sorgfältig an­ gelegte Stammbuch Paulus I. Behaim von 1559 versagt in dieser Beziehung: 23

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es werden zwar Ereignisse aus des Seefahrers Leben und der Todestag (29. Juli 1507!) mitgeteilt, aber die Angabe, wann er das Licht der Welt erblickte, fehlt auch hier. Es ist auffällig, daß seine Lebensdaten schon 50 Jahre nach seinem Tode bei der Sippe in Vergessenheit geraten sind, obwohl diese aufgezeichnet worden waren. Bei der genauen Aufnahme des „Zehntbüchleins Nr. 4“, d. h. eines Rechnungsbuchs über die Einkünfte der Behaims aus ihren Zehnten, fand sich nämlich auf den rückwärtigen Blättern (2* u. 3*) unter Eintragungen über den Eid der Eigenleute und die Losungssteuer die Lebensgeschichte der Familie Martins I. Behaim. Da diese Angaben wesentlich über das hinausgehen, was Biedermann8) mitteilt, so sei dieser bemerkenswerte Eintrag im Wortlaut ab­ gedruckt. Er lautet: „Alß man zalt von Christi gepurt 1459 jar hott mein vater seliger Mertan Beham mit meiner mutter seligen hochzeit gehabt Angneß deß Wilhelm Schopperß tochter den nechsten tag noch sandt Paulüß tag deß ersten einsidelß mittwoch (Januar 10)9) und die nochgeschriben kinder haben mit­ einander gewunnen und gehabt [1.] Item herr Mertan Beham, ritter, ward gepom am sibenten tag noch sand Michelß tag im 1459. jar [Oktober 6. Es folgt späterer Nachtrag von gleicher Hand:] / ist zw Lisbona gestorben 29. luio [italienische Form für „Juli“] 1507. [2.] Wilhelm Beham ward geporn an sandt Valerianuß tag im 1460. [De­ zember 15?]. [3.] f Margredta Behamin ward gepom an sandt Maria Madalena abent im 1461. jar [Juli 21] lebt K stundt. [4.] t Vrsula Behamin ward gepom am mdtwoch noch sandt Erasmus tag und im 1462. jar [Juni 10]. Starb zw Bamberg, [5.6.] und domoch auch 2 sun pald nocheinander [7.] t 1466 Magdalena Behamin ward gepom 6 tag noch sand Ambrosiuß tag [April 9], dy kam zw sandt Katrein inß kloster anno 14 [.. ]. [8.] t Elspet Behamin ward gepom am nechsten tag noch Servazy am jarsabent 1468 [Mai 14] und kam zw sandt Klam anno 14 [.. ]. [9.] Steffan Beham ward gepom anno 1470 jar an der ottaf santi Steffany zw weinachten [Januar 2] und verheirat sich anno 1500, an sant [Lücke], was sein hochzeit mit Margreta des Frantz Ortojfß seligen tochter. [10.] / Vrsula Behamin ward gepom anno 1471 am firden tag noch Ambrosi [April 8], am Palmabent [Samstag vor Palmsonntag] ist [sie] verheirat [worden dem] Vlrich Fütrer anno 14 [.. ]. [11.] / Michel Beham ward geporn anno 1473. jar am 4. tag noch sandt Marx tag vor heiltum 3 tag [April 29] / verheirat sich zw Katerina Michel Lochners dochter; anno 1495 an sand Wilboltz tag eritag [August 4] [war] sein hochzeit. 354

[12.] / Wolf Beham ward geporn 1474. jar am nechsten tag nach Martini [November 12], was [der] letzt unter 13 kindt. [Späterer Nachtrag der gleichen Hand:] Der ist im 1507 jar auf 20. tag im mertzen zw Lisbona mit dot verschiden. Alß man zalt noch Christi gepurt 1474 tag am 5. tag vor sandt Lorentzen tag samstag [August 6] starb unser lieber vater seliger Mertan Beham 2 stundt in dy nacht und was zw derselben zeit alter purgermaster, do er starb. Got sey im und allen gläubigen genedig. Und unser muter trug den bruder Wolff, des sie damoch glach am nechsten tag noch Martini [November 12] [gebar]. Unser muter selige starb darnoch im 1487 jar am suntag an sandt Kilianußtag [Juli 8], als man das Salve Regina zw unser liben Frawen zw Nürnberg sang. Wilhelm Schopper, mein anher seliger, starb im 1461. jar an unser lieben Frawen gepurt tag [September 8] zw nacht. Vrsula Wilhelm Schopperin, mein anfraw selige, starb im 1462 jar.“ Der Verfasser dieser bisher unbekannten Genealogie nennt sich nicht, ist aber mit Michael (IV.) Behaim zu identifizieren, der die Ritterwürde bekleidete und 1522 starb10). Ihm war die Verwaltung der gemeinsamen Lehen und Zehnten übertragen. Die Niederschrift des Eintrags erfolgte zwischen 1500 und 1506, da einerseits noch die Hochzeit von 1500 in der in einem Zuge geschriebe­ nen Aufzeichnung erwähnt wird und andrerseits die Mitteilungen über den Tod von Martin II. und Wolf 1507 von der gleichen Hand nachgetragen sind. Die Form des Eintrags läßt erkennen, daß der Schreiber die Daten offenbar nach mündlichen Mitteilungen aufgezeichnet hat, die wahrscheinlich von seiner Mut­ ter stammen. Auf Gedächtnislücken sind die verschiedenen Ungenauigkeiten in den Angaben und der Datierung zurückzuführen: so werden zwar 13 Kinder des Martin I. erwähnt, aber nur 12 mit Namen genannt; bei Elsbeth B. (Nr. 8) stimmt die Datierung des Geburtstags nicht überein, da der „nächste Tag nach Sankt Servatiustag der 14. Mai ist und damit die weitere Angabe „am Jahrs­ abend“ (31. Dezember) nicht zusammenpaßt. Die gefundene „Familiengeschichte“ beseitigt aber auch gleichzeitig die Zweifel über den Todestag des Seefahrers. Bisher herrschte keine Einigkeit darüber, ob das Jahr 1506 oder 1507 in Frage kommt11). Nun haben wir ein gleichzeitiges Zeugnis von der Hand seines Bruders Michael erhalten. Dieses bestätigt die Angabe „1507“, die sich auch auf dem 1519 von seinem Sohn Mar­ tin III. gestifteten Totenschild und Kronleuchter der Katharinenkirche vor­ findet. Ein weiterer Beweis ist der Entwurf eines Briefes des Leonhard und Michael Behaim an ihren Bruder Martin Behaim in Lissabon vom 1. Juli 1507, der im Nachlaßakt Wolf Behaims (Stadtarchiv Nürnberg) aufgefunden wurde. Ein solcher Brief hätte nicht geschrieben werden können, wenn die Nürnberger Geschwister bereits den Tod ihres Bruders am 20. 3. 1507 gekannt hätten. 23"

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Jedenfalls bringt der aufgefundene Eintrag eine wesentliche Bereicherung der Genealogie der Behaims: Biedermann kennt nur 5 Kinder Martins I. und hält noch dazu irrtümlich Michael für einen älteren Bruder Stefans, während das Umgekehrte der Fall ist. Die beiden ins Kloster edngetretenen Töchter sind ihm unbekannt gewesen. Bemerkenswert erscheint, daß um 1500- auch das genealogische Interesse in der Seitenlinie und bei einem Vetter des „Familien­ historikers“ Michel (VII.) rege war. Wenn nun Geburts- und Todestag Martin Behaims des Seefahrers, der zu den berühmten Persönlichkeiten der reichsstädtisehen Zeit gehört, einwandfrei festgestellt werden konnten, so war dies der erste Erfolg des Ankaufs und der Neuverzeichnung jenes Patriziatsarchivs. Das zweite Ergebnis war die Wieder­ auffindung des eigenhändigen Briefs Martins vom 13. März 1494, der die Mit­ teilungen über seine diplomatische Mission im Auftrag des Königs von Portugal an König Maximilian enthielt und von Ghillany 1853 als vermißt bezeichnet wurde. Nichts wesentlich Neues bringen die Aufzeichnungen über die Erb­ auseinandersetzungen des Nachlasses von Martin I., dem Vater, aus den Jahren 1491—3, Wichtigeres dagegen der Nachlaßakt seines jüngsten Bruders Wolf von 1507. Aus dem auch sonst noch aufschlußreichen Brief vom 1. Juli 1507, dessen Konzept noch erhalten ist und dessen dreifache Ausfertigung den am 29. Juli 1507 verstorbenen Martin nicht mehr erreichen konnte, läßt erkennen, daß Mar­ tin den Tod seines Bruders seinen Geschwistern nicht mitgeteilt hat, obwohl er offenbar in Lissabon weilte, und daß Martin eindringlich gewarnt wird, wegen der geringen Erbschaft selbst nach Nürnberg zu reisen. Dagegen werden die Funde in portugiesischen Notariatsarchiven, die vor 1935 Frau Dozent Dr. H. Fitzler-Kömmerling u) gelungen sind, das Dunkel aufhellen, das bisher über manchen Lebensabschnitten des Seefahrers geschwebt hat12). In abseh­ barer Zeit kann mit der Veröffentlichung dieser aufschlußreichen Forschungs­ ergebnisse gerechnet werden. Dann wird es möglich sein, eine den modernen Anforderungen genügende Biographie jenes Mannes zu schreiben, der zu den bemerkenswertesten Gestalten des Nürnberger Humanistenkreises gehört. Von größerer Bedeutung als der mitgeteilte Fund werden die Anregungen sein, die der neuerschlossene Bestand der Forschung im allgemeinen geben kann und wird. Es sei einstweilen nur darauf hingewiesen, daß in das BehaimArchiv durch Erbgang nicht ganz unerhebliche Aufzeichnungen über das Ver­ mögen der ausgestorbenen Patriziergeschlechter der Paumgartner und Starck sowie der Fürer von Haimendorf gelangt sind. Hervorgehoben sei die mit dem Jahre 1424 beginnende Reihe der Behaimsehen Salbücher und ein bisher un­ bekanntes Salbuch des den Behaims verpfändeten, burggräflichen Amtes Roth am Sand von etwa 1387. Briefe und sonstige Quellen beleuchten die wirtschaft­ liche Betätigung der Behaims vom 15. Jahrhundert bis zum Anfang des Dreißig­ jährigen Kriegs. Tagebücher, Reisebeschreibungen und Briefwechsel werfen Schlaglichter auf die Kultur und Geistesgeschichte des alten Nürnberg. Das Behaim-Archiv vermittelt also am Beispiel einer Familie, die über 600 Jahre in Nürnberg ansässig war und fast 500 Jahre im Rat der Reichsstadt wirkte, einen aufschlußreichen Querschnitt durch unsere Vergangenheit. 356

Anmerkungen 1) Heimatbuch der Stadtverwaltung Nürnberg, herausgegeben von Archivdirektor Dr. Gerhard Pfeiffer (Nürnberg 1950) S. 51—55. 2) Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim (Nürnberg 1853) S. 19—21. 3) Löwenbergs Artikel „Behaim, Martin“ in der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ Band 2 (Leipzig 1875) S. 266/7; Siegmumd Günther, Martin Behaim (Bamberg 1890), der die wissenschaftlichen Verdienste des Seefahrers würdigt, nimmt 1459 schlechtweg als Geburtsjahr an. — Der journalistisch geschriebene Tatsachenroman Norbert Jacques’ „Martin Behaim“ (Berlin 1942, 2. Aufl. 1947) spricht auf S. 15 davon, daß das Geburts­ datum nirgends aufgezeichnet und daß es durch Rückschlüsse berufener Leute mit 1459 errechnet worden sei. 4) Ein Teil des Behaim-Archivs, der vor allem Briefwechsel umfaßt, liegt seit etwa 1890 im Germanischen Natiomalmuseum zu Nürnberg. — Theodor von Kern sagt schon in Band 4 der von Karl Hegel herausgegebenen „Nürnberger Chroniken“ auf S. 3, Anmerkung 2, daß sich Nürnberger Familiengeschichten, die nicht die zeitgenössische Stadtgeschichte behandeln, bei fast allen 'hervorragenden Bürgergeschlechtem, vor allem bei den Tüchern und Behaims, vorfinden. 5) Vgl. Karl Hegels 5 Bände „Nürnberger Chroniken“ in „Chroniken der deutschen Städte“ (Leipzig 1861—1874). Es erscheint beachtlich, daß Michel Behaim im gleichen Jahre seine Familiengeschichte schreibt wie Meisterlin und Heinrich Deichsler ihre Chronik der Reichsstadt. 6) Max Herrmanns „Die Rezeption des Humanismus in Nürnberg“ (Berlin 1898) er­ scheint in manchen Punkten überholt zu sein. Die Rezension von Georg Freiherrn Kreß von Kressenstein in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 13, Nürnberg 1899, S. 286—290, ist berechtigt, wenn die neuesten Forschungen über Martin Behaim und die Geschichtsschreibung innerhalb des Nürnberger Patriziats um 1500 in Betracht gezogen werden. 7) Michel Behaim, der Sohn Leonhards, war nach Joh. Gottfr. Biedermanns „Ge­ schlechtsregister des . . . Patriciats zu Nürnberg (Bayreuth 1748)“ Tafel V der VII. seines Namens und lebte von 1459 bis 1511. Er betätigte sich zunächst in der Handelsgesellschaft seiner Familie, trat aber 1489 in den Rat ein, in dem er bis zu seinem Tode verblieb. Von 1502—11 bekleidet er das Amt des „Baumeisters“, d. h. des Ratsdeputierten für das Bauwesen; er hinter ließ höchst interessante Baurechnungen (Originale im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg), die Carl Ludwig Sachs in seinem „Bauamt der Reichsstadt Nürnberg am Ausgange des Mittelalters“ (München und Leipzig 1915) ausgewertet hat. 8) a. a. O. Taf. V. 9) Die Datierung stimmt nicht: der nächste Tag nach St. Paulus des Eremiten (Januar 10) wäre der 11. Januar. Da aber der 11. Januar ein Donnerstag war, wird die Angabe, daß der Hochzeitstag ein Mittwoch gewesen sei, für richtig angenommen. 10) Michel Behaim, den Biedermann (a. a. O. Taf. V) als den IV. seines Namens be­ zeichnet, war nach dem reichsstädtischen Ämterbuch von 1735 (Stadtarchiv Nürnberg) von 1504—22 Ratsherr. Die Zuweisung des Eintrags auf Bl. 2*—3* an Michael IV. Behaim ergab sich aus folgenden Gründen: Die Hand der ,,Familiengeschichte Martins I.“ ist die gleiche, die auch das Zehntbuch von 1500 bis zum Todesjahr Michaels 1522, mit dem die Aufzeichnungen aufhören, geschrieben hat (Bl. 78—194); auf Bl. 79 ’ werden von derselben Hand sein Schwager Ulrich Fütterer, sein Bruder Stefan und er sblbst er­ wähnt; da Martin II. und Wolf, die in Portugal weilen und dort 1507 gestorben sind, als Schreiber ausscheiden, so bleibt für den Verfasser nur Michael IV. übrig. 11) Ghillany (a. a. O. S. 75—79) kommt irrtümlich auf Grund des Briefes des Michael Behaim an Wolf Behaim vom 30. 1. 1507 (Auszugsweise abgedruckt ebenda S. 107 unter Nr. XII) zu dem Schluß, daß Martin Behaim schon am 29. Juli 1506 gestorben sein müsse. Dieser Ansicht schloß sich S. Günther (a. a. O. S. 47) an. Im Heimatbuch 1950 vertrat der Verfasser das Jahr 1507, da er die Inschriften des 1519 von seinem Sohn Martin HI. Behaim gestifteten Totenschildes und Leuchters in der Katharinenkirche (wahrscheinlich 1806 abhanden gekommen) für zuverlässiger hielt als die Inschrift des aus der 2. Hälfte des 17. Jh. stammenden Porträts des Seefahrers (Abbildungen bei S. Günther, Norbert Jacques usw.), die 1506 angiibt. Fifczler-Kömmerling (vgl. Anm. 12) hält den 29. Juli 1507 für den Todestag des Seefahrers Martin Behaim. 12) Vgl. deren vorläufige und unvollständige Bekanntgabe unter dem Titel „Eine Ehrenrettung Martin Behaims“ (Fränkischer Kurier vom 11. Juli 1935) und in einem Auf­ satz in der „Kolonialen Rundschau“ von 1935. Frau Dr. Fitzler-Köanmerling sammelt z. Zt. wieder die ihr während des Weltkrieges II anläßlich einer Evakuierung verlorenen Aufzeichnungen.

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Eine Straftat an Albrecht Dürer Von Franz Ruf Viele Folianten der Nürnberger Archive lassen uns heute noch einen Blick tun auf die Nürnberger Strafrechtspflege in früheren Jahrhunderten. Mannig­ fach sind die Aufzeichnungen, in denen der Rat der Stadt die einzelnen Delikte vom Kapitalverbrechen bis zum geringfügigen Verstoß gegen eine polizeiliche Ordnungsvorschrift festhalten ließ. Schon damals ordneten kundige Hände die abgeschlossenen Akten, exzerpierten und faßten die langatmigen Berichte und die Niederschriften über Verhöre in eigene Bücher zusammen. Diese Auszüge geben in knapper Form den Sachverhalt wieder und berichten über die Frei­ lassung oder über die Art der erkannten Strafe. So reiht sich auch im Codex S I L 69 Nr. 2 (A Laden) im Staatsarchiv Nürnberg Eintrag an Eintrag. Es sind die Straftaten der Personen eingezeich­ net, die auf dem Nürnberger Gebiet gefangen wurden und den harten Weg in das Lochgefängnis zur Untersuchung und Aburteilung antreten mußten. Die Auszüge sind 5 Strafbüchern der Jahre 1469—1531 entnommen. Bei Durchsicht der Einträge aus dem 4. Strafbuch (1503—1516) läßt uns plötzlich auf Blatt 202, 202r ein bekannter Name innehalten. Es ist nicht außergewöhnlich, daß der Rat den Delinquenten nicht an das Fünfergericht verweist, daß der Verletzte seine gewichtige Fürbitte einlegt, daß zur Erhaltung des weiteren Friedens Bürgen gestellt werden, daß die Strafe nicht mit Geld abgelöst werden kann. Auch die Strafhöhe ist bei der Art des Delikts keine Seltenheit. Es dürfte aber keinem Zweifel unterliegen, daß die Ehre und damals weltbekannte Persönlichkeit eines der größten Söhne der Stadt dahintersteht: des Meisters Albrecht Dürer. „Jorg Vieriin von der Kleinrewt (Kleinreuth), darumb das er sich vnnterstannden Albrechten Dürer zu hohmuten *) vnnd zu schlahen, ist er fenngklich angenomen vnnd ins loch gefurt Nachuolgennd auff furbitte Albrechten Durrers vnnd nachuermeldter personen purgschafft vnnd verpflichten, mit leib vnnd gut purg zu sein, das er mit Worten vnd werkhen von disem Jorg Vieriin vnbelaidigt vnd sicher bleiben soll, ist er vff ein vrfehd mit betzalung der atzung aus fanngknus gelassen unnd darzu noch gestrafft vier wochen ins loch, mit dem leib zuuolbringen. Frist auff sandt Johanns tag sunnewenden (24. Juni). Actum sexta post Cantate (11. Mai) anno dom. 15. Fol. 336" *)

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hochmütig, frevelhaft behandeln.

Nachtrag zur Arbeit über das Geistesleben in Nürnberg am ausgehenden 16. Jahrhundert Von Prof. D. Dr. Karl Schombaum In meiner Arbeit über die Stellung der Reichsstadt Nürnberg zur Concordienformel im 40. Band dieser Mitteilungen kam ich auf 2 Fälle zu sprechen, die die Stellung des Rates gut beleuchteten; doch waren die Angaben der Rats­ manuale und anderer Akten zu flüchtig, um Genaueres sagen zu können. Es ist mir nun gelungen, weiteres Material ausfindig zu machen, das diese beiden Fälle recht lebendig macht. I.

Auf S. 49 hatte ich von dem Schwimbacher Pfarrer Stefan Frosch berichtet, der, weil er wegen des von ihm versehenen Dorfes Lohen, das zu Pfalz-Neuburg-Sulzbach gehörte, zu Hilpoltstein die Concordienformel unterschrieben hatte, vom Nürnberger Rat entlassen wurde. Die Verlässe des Rates enthalten darüber kein Wort. Die ganze Angelegenheit berührte nur ein Hinweis im Repertorium des Spitals zum h. Geist in Nürnberg im Nürnberger Stadtarchiv. Akten fehlen. Nach G. E. Waldau, Nümbergisches Zion (Nürnberg 1787 S. 148) sollte er 1582 in Schwimbach verstorben sein. Da bringen Akten der Regierung der jungen Pfalz, die von Neuburg über die Regierung von Mittelfranken ins Staatsarchiv Nürnberg gewandert sind, erwünschte Aufklärung. Es ist bekannt, daß Pfalzgraf Philipp Ludwig sein Land aufs trefflichste regierte. Ihm lag die sittliche und religiöse Förderung seiner Untertanen vor allem am Herzen. Dem sollten die jährlichen Visitationen der einzelnen Pfarreien vor allem dienen. Die genauen Protokolle, die im Kirchenrat und oft vom Pfalzgraf selbst ein­ gehend beraten und verbeschieden wurden, geben davon laut Zeugnis.1) Die über die Ämter Hilpoltstein, Heideck, Allersberg lagern nun in Nürnberg (Reg. Akt 2483 T I. II.)2) und ihnen läßt sich nun genaueres über diese Affaire ent­ nehmen. Stephan Frosch, geb. ca. 1546 zu Mergethall (nach dem Visitationsbericht 1580: Marienthal), war in Windsheim, Nürnberg und Amberg auf der Schule gewesen; studiert hatte er zu Straßburg; nachdem er bei Neudorfer zu Nürnberg Hauslehrer gewesen war, wurde er Cantor in Baiersdorf und daselbst ordiniert. Nachdem er drei Jahre diese Stelle versehen hatte, war er 2% Jahre Pfarrer zu Möhrendorf und kam dann 1573 als Pfarrer nach Schwimbach. Von da aus versah er auch das in der jungen Pfalz gelegene Dorf Lohen. Dieses war ur­ sprünglich ein Filial von Untermässing; hatte jeden 3. Sonntag Gottesdienst. Als die junge Pfalz lutherisch wurde, zog der Patron Hans Veit von Absberg8) 2 Teile des Zehnten ein und besoldete damit den Geistlichen, der Lohen ver­ sah. Wie lange es von Schwimbach aus geschah, läßt sich noch nicht sagen. 359

Stephan Frosch war ein tüchtiger Geistlicher. 1578 rühmten Sup. M. Abra­ ham Manne und der Neuburger Hofprediger Laur. Drechsler seine feine Pre­ digtgabe und löbliche Aussprache. Auch im Examen hatte er ziemlich geant­ wortet. Ihn interessierten offenbar die theologischen Lehrgegensätze. Er las das corpus doctrinae Philippicum, examen Phil. Melanchthonis, examen D. Hesshusia. Drechsler besprach mit ihm die Lehre de unione personali duarum naturarum in Christo und empfahl ihm das Studium des compendium des Dr. Heerfbrand und der Predigten, die Jackob Andreae in Eßlingen gehalten hatte. Dankbar war er, daß Hofprediger Drechler mit ihm eingehend über die Lehre von der unio beider Naturen in Christus gesprochen hatte4). Philipp Ludwig war ein eifriger Anhänger der Concordienformel.5) Sämt­ liche Geistlichen unterschrieben sie. Auch Stefan Frosch folgte6) der Aufforde­ rung des Pflegers zu Hilpoltstein.6a) Was es für Folgen für ihn hatte, zeigt fol­ gender Passus aus der Relation des Hofpredigers Lor. Drechsler und des Super­ intendenten Joh. Iugler von Sulzbach über die am ll.Sept. 1582 zu Lohen statt­ gefundene Kirchenvisiitation. Stephan Frosch von Marienthal, seines alters im 36 jahr, ist izt zu Schwimbach unter der Nürnberger herrschaft 8 Jahr Pfarrer gewesen, von dannen aus hat er auch die Kirchen zu Lohen versehen, daher ihme der von Absberg7) seine belonung geben. Demnach aber pfarrer bei seinen herm zu Nürnberg wegen der subcription des Concordibuchs in ungunst körnen, ime auch der spitalpfleger zu Nürnberg8) unter äugen gesagt, wan er im geringsten ime werde ursach geben, so wolle man ihn schupfen, hat er dessen nit erwarten wollen und ein gün­ stiges erlaub begert, doch mit dem beding, das er bei der pfarr bleiben wolle bis uf Cathedra Petri des 83 jars (22. II.); darauf haben sie ihme sovil zeit nit vergönnen wollen, sondern uf vorschienen Laurentii (10. VIII.) von der pfarr abzuziehen ernstlich geboten. Als er nun damit zufriden sein müssen, hat er vormeldet, dieweil er gedenke den winter alda zu bleiben und sein pfennig zu zeren, verhoffe er, es werde nit not haben, wan er die kirchen zu Lohe ver­ sehe, wie bisher geschehen, dieweil es nit zur pfarr Schwimbach gehörig und in der Pfalz liege. Ist ime zur antwort worden, des soll er sich nit unterstehen, es sei alles ein ding, es gehöre daher. Darauf hat sich der neu pfarrer zu Schwimbach mit namen Jacob Münch von Pimau in Meißen unterstanden, ist zum pfleger körnen und furgeben, der alt pfarrer sei nit mer alda, der von Absperg habe ihme die kirchen zu Lohe zuversehen uferlegt, er wolle ime soldis auch vergönnen. Da mm pfleger nit anders vermainet, dan es sei im also, hat er zu antwort geben, das ihme nit gebüren wolle, ohne seiner gnedigen fürsten und herren der pfaltzgraven vorwissen etwas zuvergönnen, er müsse sich zuvor bescheids erholen. Damit aber die arme leute an gottes wort nit versäumet, so möge er bis uf ferner beschaid daselb predigen, welches er getan in die 4 oder 5 wochen. Dannach aber pfleger zum Hilpoltstein in zu Visi­ tation uf den 8. September erfordert, ist er zu ihme körnen und angezeigt, das seine herren zu Nürnberg ime bevolen, das er sich in kain examen einlassen soll, werde ihme aber außerhalb desselben die kirchen zu Lohe gelassen, so soll ers versehen. Ist auch vor den vdsitatom erschienen und solches, wie jetzt vermeldet, inen angezaigt. Dieweil er dan sich des examdnis geweigert, ist ihme bevolen worden, der kirchen zu Lohen müßig zu gehen, bis uf unsers gnedigen fürsten und herren des pfalzgraven ferner resolution. Unterdeß aber, das die zu 360

Lohe an kirchendiensten nit mangel leiden, dieweil der alte pfarrer den winter ober bis uf Cathedra Petri verharren will, ist ihme uferlegt worden, die kirch zu versehen, welches er bewilligt hat. Den 14. September alda visitiret, haben vierer, kirchenpfleger sampt den censoren dem pfarrer ein gutes Zeugnis seins trauen 1er und guten wandeis haben geben und sind betrübt, das er von ihnen hinweg körnen soll. Erbieten sich auch, wann er ja von Schwimbach ziehen muß, so wollen sie ihn uf der gaßen nit liegen lassen, sondern unterhelf, damit er bis uf sein zeit bleiben könne. Dan ime der spitlmaaster zu Nürnberg zum h. Geist uf allerheiligen tag (1. XI.) hinweg zu ziehen bevolen und was er ihme für den abschied geben, ist aus beiliegender copae zu erkennen mit sdgns F. Privata studia: liset die bibel sampt des Osiandri tomis und das compendium Heerbrandi. Der Kirchenrat zu Neuburg aber sorgte bald für den vertriebenen Pfarrer und übertrug ihm die Pfarrei Daßwang bei Parsberg.9) Für Lohen nahm man die Errichtung einer eigenen Pfarrei in Aussicht. Inzwischen versah es der markgräfliche Pfarrer M. Petrus Schöner von Offenbau. Da er aber wenig seiner Aufgabe entsprach, blieb die Erinnerung an Stephan Frosch noch länger lebendig. Noch 1587 bemerkt der Visitator Joh. Iugler bei der Visitation am 20. Juni: er habe 32 Kinder kommen lassen. Etliche wenige können die 10 Ge­ bote mit Auslegung; haben sie von Stephan Frosch gelernt. 1588 bekam Lohen einen eignen Pfarrer in der Person des Andreas Marggraf von Eger. 1) Brock, G. W. H. Die evangelisch-lutherische Kirche der ehemaligen Pfalzgraf­ schaft Neuburg. Nördlingen 1847. Sperl, Aug. Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg, sein Sohn Wolfgang Wilhelm und die Jesuiten. Halle 1895. 2) Sie umfassen die Jahre 1578—1598. 1600—1613. 3) Es kann sich nur um Hans Veit 1539—75 handeln. Wilhelm, H. Die Edlen von und zum Absberg. Gunzenhausen 1926 (Alt Gunzenhausen 8. Heft 1931) S. 87 f. Das Piatronatsrecht zu Niedermässing hatten die Ababerger von denen zu Uttenhofen geerbt. S. 13. 1589 verkauft es Hans Konrad von Abäberg, der Sohn obigen Hans Veit, an Bischof Moritz v. Hutten zu Eichstätt. S. 89, 163. Der Pfarrer von SchwimJbach bekam für die Verseilung von Lohen 25 fl, 1 Simra Korn, V* Simra Dinkel, während das Erträgnis des großen Zehnten auf 70 fl, des kleinen auf 12 fl geschätzt wurde. Relation 1578. 4) Relatio der Visitation von 1578, 1579. In diesem Fall heißt das Urteil „studirt fleißig und hat eine feine Gabe zu predigen“. 5) Heppe, Hch. Geschichte des deutschen Protestantismus in den Jahren 1555 bis 1581. III, 270 f. Marburg 1871. *) Müller, J. T. Die symbolischen Bücher der evangelisch-lutherischen Kirche. Stuttgart 1848 S. 756. «a) Marx Közler zu Mörlach. Relatio über die Visitationen 1585—7. Ihm folgt wohl Veit Hans von Brand zu Stein von Hohentreswiz. (Relatio 1588.) 7) Hans Veit von Absberg. 8) Wilibald Schlüßelfelder. 1577—1589 Pfleger des Spitals Waldau. 1. c. 34. ») Verfügung des Kirchenrats: weil der alt pfarrer anderswohin transferirt und herzog Ottheinrich uf uns. gn. h. Pfalzgraf Philipp Ludwig zuschreiben sich erclert, dran zu sein, das diser wider bestell und hieher ins examen geschickt werde, bleibts dabei. Reg. Akt 2483 (Relatio 1582). Den Ort Daßwang ergibt das Concept eines Schreibens an den Pfleger zu Velburg d. d. 26. Dez. 1585, daß er den Pfarrer zu Daßwang veranlassen solle, das Register der Taufen oder Toten von Lohen zu übersenden oder über den Verbleib Auskunft zu geben (Relatio 1585).

n. Der zweite Fall ist die Angelegenheit des Joachim Magdeburgius. Diesem extremen Flacianer konnte der Hat unmöglich in seinen Mauern Obdach ge­ währen, nachdem er aus Österreich hatte flüchten müssen. Ja wenn er sich ganz 361

stille verhalten hätte, hätte er vielleicht als exul Christi in der Stadt ferner weilen dürfen. Aber er hatte ja einen Nürnberger Buchdrucker Niclas Knorr gewonnen, daß er seine Schriften auf seiner Presse erscheinen ließ. Er begab sich nach Allersberg und hoffte dort im Gebiet des streng lutherischen Pfalz­ grafen Philipp Ludwig Zuflucht zu finden. 1584 (S. 56 der Mitteilungen). Der Greis — er war 70 Jahre alt — erkaufte sich ein Anwesen daselbst und berief sich auf seine Vertreibung um des Evangeliums willen. Doch auch hier wurde seine Meinung bald bekannt: Superintendent Joh. Iugler besprach sich mit ihm öfters; 18. Juli 1584 mußte er auch dieses Land verlassen. Bei der Visitation dieses Jahres kam die ganze Sache eingehend zur Ver­ handlung und Superintendent Joh. Iugler von ßulzbach hat seinem Bericht über die Pfarrei Allersberg folgende eingehende Schilderung unter dem Wort: „Sekten“ eingefügt. Joachimus Magdeburgius von Bartleben septuagenarius hat sich nach Ostern zu Allersberg einkauft und furgeben, er sei ein vertribner kirchendiener aus osterreich. Bei dem richter,1) pfarrer2) und Schulmeister3) hat er furgeben, er sei der Augspurgischen Confession, inen seine Confessiones getruckt uber­ geben, welche zu meiner ankunft mir gewiesen und ich von stund an gesehen, das er heftig streite, wie die sunde des menschen wesen sei und das die erbsünde ire wesentliche endschaft an der gläubigen leiben erst am jüngsten tage bekomme. Darumb ich ihn zu mir erfordern lassen, in beisein richters *) und pfarrers2) mit ihm zu reden, hat sich aber krank gestelt. darumb ich die tractetlein mitgenommen und in die fürstliche canzlei Sulzbach neben ein be­ richt geliefert, darauf Magdeburgius alsbald, damit er sein gift nit weiter ausziehe, nach Sulzbach erfordert und in abwesen meines gnedigen fürsten und herms Hem Ottheinrich, Pfalzgrafens bei Rhein, und herm canzlers den 18. Juli erschienen, ich mit meinen collegis auch in die canzlei erfordert mit ihm zu conferirn. Welchs dann von 12 Uhr on bis nach zweien in beisein herrn Landschreibers, secretarii und gerichtschreibers und burgermaister Schwartzen (der etwas spat darzu kommen) beschehen, wie das protocoll wird zeugen. Weil er der göttlichen Schrift nit hat weichen wollen und sein lesterlichen meinung in den ausgesprengten tractetlein nit hat erkennen, viel weniger wiederrufen wollen, ist ihm das zuvor gemachte decretum aus dem protocol eröffnet und aus dem land geschaft worden. Ein verharter und verstockter mann. Doch bered und gelert. ut jtzt decies ecul.4). 1) Ulr. Mair s. Relation der Visitation 1584. 2) Joh* Hofmann von Dietfurt ca. 1552 geboren, im 15. Lebensjahr Mönch im Kloster Prüfening b. Regensburg; flieht nach 10 Jahren nach Neuburg, wo ihn Philipp Ludwig ins Colleg zu Lauingen aufnimmt. Nach V2 Jahr vertritt dr den succentor zu Neuburg und kommt 1579 als Pf. nach Ebenried. Vertrieben von den Herrn v. Wolfstein — er wurde Nachts gefesselt nach Obersulzbürg gebracht und erst als er versprach, die Stelle zu verlassen, entlassen — muß er 18 Wochen zu Hilpoltstein warten, bis er 2. Juni 1581 die Pfarrei Allersberg beziehen konnte. 1597—1612 in Zell bei Hilpoltstein. Reg. Akt. 2483/1, 2486/III. Visitationsrelation 1581. 3) Joh. Knauer von Altdorf; daselbst und bei S. Sebald in Nürnberg auf der Schule, 1576 auf der Schule in Altdorf; dort 1579 wegen widerspenstigen Wesens entlassen; dann 1579/81 Schulmeister in Kirchensittenbach, 1582 Schulmeister in Allersberg, wird 1587 kalvinisch und geht nach Freystadt, von Steinmeyer, Elias, Die Matrikel der Uni­ versität Altdorf. Würzburg 1912. S. 109. Relationen über die Visitationen der Ämter Hilpoltstein und Allersberg. 1582, 1587. 4) Relation über die Juni 1584 in den Ämtern Hilpoltstein u. Allersberg gehaltene Visitation von Superintendenten Joh. Iugler von Sulzbach. Staatsarchiv Nürnberg. Reg. Akt 2483.

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Entstehung des Nürnberger Meistersingerschreines Von Dr. Heinrich Gürsching. C. H. Bell, Professor of German an der Universität Berkeley/U.S.A. (The altar shrine of the Nürnberg Meistersingerschule 1620, Journal of English and Germanic Philology, Urbana/Jll. 1941, f. 257 ff.) hat sich ausführlich um die Datierung des seit 1894^95 einigermaßen berühmten Nürnberger Meister­ singerschreines bemüht, der vor dem letzten Kriege in der Zunftstube des Germanischen Natdonalmuseums (Inv. Nr. 2120) zu sehen war. Diese treffliche Untersuchung krankte einzig daran, daß der Verfasser sich mit teilweise falschen Angaben aius älteren Arbeiten herum schlagen mußte, deren Wert oder Unwert nur am Objekt selbst kritisch voll ermessen hätte werden können. Beils Ausführungen blieben in der Kriegszeit naturgemäß unbesprochen und unwidersprochen, sodaß er sie nur wenig verändert in seinem vierbändigen Werk über Georg Hager, A Meistersinger of Nürnberg, Bd. I Berkeley-Los Angeles 1947 S. 44 ff. verarbeitete. Wir haben über dieses Werk in einem eigenen Vortrag berichtet, vgl. Jahresb. 1948 S. 15. Inzwischen hat Frances H. E11 i s in einer ausführlichen Besprechung dieses Werkes („Monatshefte“, Journal devoted to the study of German language etc., Univ. Wisconsin 1948, f. 170 ff.) gegen Beils Datierungsexegese Bedenken geäußert, sachlich zu Un­ recht, insoferne aber zu Recht, als Bell die nicht uninteressante Teilfrage damals doch noch nicht mit letzter Schlüssigkeit hatte klären können. Die Kontroverse drehte sich nunmehr um folgende Fragen: Ist der Schrein ein Werk aus einem Guß oder sind seine Teile zu verschiedenen Zeiten entstanden? Stammt der Schrein in seinem ganzen Umfang aus den Jahren 1620 und 1621, wie Bell weitgehend richtig darlegte, oder stammen gewisse Teile des Schreines aus der wesentlich früheren Zeit 1581 oder 1583? Dies glaubte Mrs. Ellis und hielt das Gegenteil mit Recht noch nicht für ganz schlüssig bewiesen. Der Schrein konnte nach langer Verlagerung nunmehr wieder gereinigt und aufgenommen werden, sodaß Bell in der Lage war, die strittigen Fragen endgültig aus der Welt zu schaffen. Sein Aufsatz „The dating of the Meister­ singerschrein of Nürnberg“ in den erwähnten Monatsheften von Wisconsin, Febr. 1951, entfernt allen Zweifel, daß der Schrein 1620 gestiftet und 1621 ge­ malt wurde. Die ganze Frage ist ikonographisch nicht ohne Belang, besonders wegen des Sachsbildes, ist aber auch für die Geschichte des Meistergesanges von Bedeutung. Bell selbst sagt zu Ende seines Aufsatzes: „The Meistersinger­ schrein is more than a minor ourio, it is the most important surviving monument of late Meistergesang and offers something of unique value in its portrayal of the entire School“. Da die angeführten Arbeiten, wie so manche an­ deren germanistisch-historischen Untersuchungen in U.S.A. zum Meistersinger363

Problem, hierzulande noch kaum zugänglich sind, ist vielleicht eine Zusam­ menfassung erwünscht, zumal man Beils Ergebnisse aus der Anschauung her­ aus noch ergänzen kann. Ich bin der Auffassung, daß der Schrein 1624 ver­ ändert werden mußte und zwar aus Gründen, für die gerade Beils Forschungen den Schlüssel liefern. Ich hätte mich nur gefreut, wenn Bell meine Beobachtun­ gen gleich in sein abschließendes Bild eingeflochten hätte; er vermied es aber aus wissenschaftlichem Takt und legte mir eine weitere Veröffentlichung nahe. Der Schrein besteht aus vier Teilen, die man gesondert untersuchen muß: 1) Die ursprüngliche Schreinerarbeit mit gedrechselten und geschnitz­ ten Partien wurde, wie wir aus den Meistersingerprotokollen urkundlich wissen, von Jakob Schneider gefertigt und im Jahre 1620 den Meister­ singern gestiftet (Bell, The altar shrine S. 260). Der Raum für das Mit­ telbild ist gerahmt von 2 ionisierenden Säulen; der architektonische Auf­ satz stellt einen gebrochenen Giebel dar, dazwischen Volutenornamentik mit zwei Kartuschen. Unterhalb des Bildraumes endet der Schrein in einer Konsole mit profiliertem Raum für eine Inschrift. Die Konsole schließt wagrecht ab mit zwei abwärts hängenden Knöpfen, Drechslerarbedt, rechts und links. Diese ganze ursprüngliche Arbeit des Jahres 1620 ist aus Hartholz, es war ein Epithaph zum Hängen, nicht aber ein Altar­ aufsatz zum Stellen. 2) Unterhalb der Konsolenpartie von 1620 wurde, zweifellos 1742, aus Weichholz, entsprechend dem Stilempfinden des 18. Jahrhunderts, als ver­ besserter Abschluß des Epithaphs nach unten ein dekorativ gesägtes Brett mit einfachem Profil für eine weitere Inschrift angefügt. Der Kontur der Sägearbeit zeigt ein einfaches Rokokoprofil, wie es 1620 noch nicht vor­ kommt. 3) Ein weiterer Teil des Ganzen ist das Mittelbild, das aus dem Rahmen genommen werden kann. Diese Tafel aus einem Stück ist durch aufgesetzte Mittelleiste in eine obere und eine untere Bildhälfte geteilt. Die obere Bildhälfte ist ausgefüllt mit einer Malerei, darstellend die Anbetung König Davids vor der Hl. Dreifaltigkeit. Die untere Tafelhälfte bietet ohne vertikale Holzleiste die bekannten zwei Darstellungen: links 13 ältere Meistersinger, um einen Tisch gruppiert, mit Hans Sachs; rechts eine Singschule mit 12 jüngeren Persönlichkeiten. Die Malereien sind unzweifelhaft von einer Hand. 4) Endlich hat das Epithaph zrwei abnehmbare Flügel zum Auf­ klappen. Wir wissen, daß schon die 1620 den Meistersingern verehrte Arbeit mit „zweyen thürlein“ versehen war. Wir werden also anzuneh­ men haben, daß wir auch heute noch dieselben Flügel vor uns haben, die 1620 angefügt wurden. Bei offenen Flügeln sind 4 Merkerporträts sicht­ bar, links oben Hanns Gleckler, unten Thoma Grillenmaier, rechts oben Georg Hager, unten Wolff Bauttner. Bei geschlossenen Flügeln zeigen sich 4 Darstellungen der Evangelisten mit ihren Symbolen. Die Malweise der Darstellungen auf den Flügeln unterscheidet sich aber von der Mal­ weise des Mittelbildes: die Porträts sind wesentlich gründlicher und konturierter durchgemalt als die Malerei auf dem Mittelbild; sie können aber sehr wohl von dem gleichen Maler sein, wie die beiderseits gewählten 364

Fairen und gewisse Eigentümlichkeiten in der Formgebung dartun. Da­ gegen enthalten die Evangelistenbilder reichlich Züge in der Maltechnik und in der Farbgebung, die nicht vor dem 18. Jahrhundert hinzugekom­ men sein können. Der kunstkritische Befund deutet also darauf hin, daß die Porträts zwar von dem Maler des Mittelbildes, aber nicht zugleich mit diesem, d. h. nicht im gleichen Arbeitsgang, gemalt wurden; ferner, daß auch die Evangelistenbilder ursprünglich vom gleichen Maler gemalt wurden, daß sie aber im 18. Jahrhundert im Malstil des hohen Rokoko so kräftig aufgefrischt worden sind, daß man die ursprüngliche Fassung nur schwer erkennt. Man hat also bei den Flügeln mit Übermalungen zu rechnen, die es zu datieren gilt. Zur weiteren Datierung der vier Schrein teile dienen folgende Inschriften: 1) Hartholzschrein oben, untere Kartusche: gemalte Jahreszahl „1621“, weiß auf rotem Grunde. 2) Hartholzschrein, Konsole, gemalte Inschrift schwarz auf weißem Grunde: „Sechzehen hundert 1 zwantzig jar / Einer Geselschafft verehrt war / Jacob Schneider die Taffel macht / darnach D[er] Ehm wolgedacht Adrian Stamler lihs si mallen / Gott wöl ins bede[n] betzal[en]“. (Vgl. Bell, Georg Hager I S. 46; der Abdruck Beils enthält zwei kleine Feh­ ler: die Inschrift handelt nicht vom Jahr 1620, sondern vom Jahr 1621; das drittletzte Wort heißt nicht „uns“, sondern „ins“ = „ihnen es“!) Rechts und links der Inschrift späterer dekorativer Farbauftrag mit Rokokocharakter, hiedurch die letzten 2 Buchstaben der Inschrift ver­ deckt. 3) Das untere linke Mittelbild mit dem Bildnis von Hans Sachs enthält zwei Malersignaturen von derselben Hand, links unten die Pinselinschrift „Frantz hein. Pictor. Anno 1621“, rechts unten die Pinselsignatur „H“ mit Horizontalstrich links oben, vielleicht eine Ligatur von „H“ und „F“ in schriftmäßiger Antiqua. Beide Lesungen sind absolut sicher. 4) Flügel offen: links oben „Hanns Gleckler Aetatis suae 71“ links unten „Thoma Grillenmaier [!] Aetatis suae 50“ rechts oben „Georg Hager Aetatis suae 69“ rechts unten „Wolff Bauttner Aetatis suae 56“. Flügel geschlossen: die Namen der Evangelisten rechts oberhalb der einschlägigen Darstellungen in strenger Antiqua. Für die Beurteilung dieser Inschriften ist die Feststellung einiger Lebens­ daten der genannten Persönlichkeiten unerläßlich, insbesondere die Taufdaten, die nunmehr meist feststehen: 1) Der Stifter Adrian Stamler wurde getauft 1589 Feb. 12 (St. Lor.). Er kann also die Schreinmalerei nicht 1581 oder 1583 gestiftet haben. 2) Der Maler Frantz Hein wurde getauft 1569 März 26 (St. Lor.). Er kann also das von ihm signierte Mittelbild nicht gut 1581/83 gemalt haben. 3) Hanns Gleckler starb 1621 Juni 4 (To tengeläut buch, Staatsarchiv Nbg.). Er kann also nach diesem Zeitpunkt nicht porträtiert worden sein. 365

Sein Taufeintrag ist in Nürnberg nicht zu finden; mancherlei deutet dar­ auf hin, daß er nicht in Nürnberg geboren ist. Wir wissen aber, daß er 1621 kurz vor seinem Tode porträtiert wurde (Bell, Altar shrine S. 261), daß aber dieses nicht von Stamler, sondern von der Meistersingergesell­ schaft selbst in Auftrag gegebene (bei wem, wissen wir nicht!) Gemälde auf einem „däfelein“ auf inständiges Bitten der Familie geschenkt wurde. Ohne diese Nachricht pressen zu wollen, möchte man ihr entnehmen, daß man 1621 noch nicht daran dachte, Glecklers Bild auf den Schrein zu malen, der damals bereits gemalt wurde. Das Flügelbild Glecklers ist also mit einiger Wahrscheinlichkeit erst später, vielleicht nach der Vor­ lage des weggeschenkten „Täfeleins“ gemalt worden. 4) Thomas Grillmair [!] wurde getauft 1569 Apr. 21 (St. Lor.); er wurde also 1619/20 porträtiert, d. h. es lag für das Flügelbild ein zu dieser Zeit gefertigtes Porträt als Vorlage vor. 5) Georg Hager wurde getauft 1552 Nov. 26 (St. Seb.); er wurde also zwischen 26. Nov. 1621 und 26. Nov. 1622 porträtiert. Das stimmt nicht mehr recht zu den anderen Inschriften, aus denen man entnimmt, daß der Schrein in seiner ursprünglichen Fassung 1621 fertig gemalt war. 6) Wolff Bauttner wurde getauft 1567 Nov. 7 (St. Seb.); er kann also erst zwischen 7. Nov. 1623 und 7. Nov. 1624 porträtiert worden sein. Vor­ her kann dieses sein Porträt aber auch nicht auf den Flügel gekommen sein. Die Berechnungen hinsichtlich der vier Merker haben ergeben, daß ihre Porträts zweifellos zu verschiedenen Zeiten gemalt wurden. Da nun die vier Merkerbilder auf den Flügeln ebenso zweifellos ohne jahrelange Unterbrechung in einem Arbeitsgang geschaffen wurden, ergibt sich, daß sie nach Vorlagen gearbeitet wurden. Für diesen Arbeitsgang des Malers ergibt sich ebenso schlüs­ sig als terminus a quo der Zeitraum zwischen 7. Nov. 1623 und 7. Nov. 1624. In diesen Zeitraum fiel die von Bell ausführlich beschriebene und mit Ur­ kunden belegte Palastrevolution im Kreise der Nürnberger Meistersinger, die im August 1624 mit einem glatten Sieg der konservativen Gruppe endete. Grillenmair, Hager und Bauttner waren die Wortführer dieser Gruppe und Gleckler war ihr Heros. Bell hat festgestellt (Georg Hager I, S. 44), daß die 4 Flügelporträts auch in Heins Mittelbild (Singergruppe links unten) stark verkleinert wiederkehren. Wenn also wirklich, wie ich zu beweisen suchte, die Flügelbilder frühestens 1624 gemalt wurden und zwar in einer Auswahl, die vor 1624 kaum vorge­ sehen war, so entsteht die weitere Frage, wie gerade diese vier Männer in dem 1621 signierten Bild neben Hans Sachs ihren Platz finden konnten? Tatsächlich schließen sich dem Hans Sachs in derselben Rangordnung wie auf den Flügeln (oben links Gleckler, oben rechts Hager, unten links Giillenmaier, unten rechts Bauttner) dieselben Porträts nach den gleichen Vorlagen wie oben an. Aber auch hier unten kann man eine interessante Beobachtung machen: Bauttners Bild erscheint sehr deutlich erst nachträglich in eine Bildlücke eingeflickt; nichts könnte besser beweisen, daß die Vorlage für sein Porträt tatsächlich erst 1624 vorhanden war. Auch das kleine, besonders wenig charakteristisch ausgefallene Porträt Grillenmairs mutet übermalt an; möglicherweise war an seiner Stelle ursprünglich ein anderer Singer abgebildet, der erst nach der Kampfzeit 1624 366

die Züge Grillenmadrs aufgemalt erhielt. Eine besondere Ehrung Grillenmairs war erst 1624 so recht verständlich, denn gerade er hätte seiner von Hampe so genau beschriebenen Wesensart nach auch zu den Revolutionären gepaßt; bei Bauttner war es vielleicht ähnlich. Das erst 1624 eingeflickte Porträt Bauttners würde wohl auch besser verständlich machen, daß das Bild schließlich nicht 12, sondern 13 Personen zeigt. Ich möchte also annehmen, daß auch dieses untere Bild von 1621 im Jahre 1624 oder etwas später verändert wurde, um es mit den Flügelbildem in Einklang zu bringen. Beils Formulierung, daß die untere linke Darstellung des Mittelbildes „the entire School in formal session“ sei, müßte dann allerdings angezweifelt werden. Auch diese Darstellung wäre dann mehr ein Ehrengedächtnis; sie war es wohl von Anfang an, denn 1621 war Sachs längst tot und auch Gleckler war als Spitalit wohl längst nicht mehr aktiv bei den Meistersingern tätig. Vergleicht man mit diesem Sachverhalt die Urkundennachricht von 1620, die besagt, daß bereits damals die Flügel an dem Schrein waren; erwägt man ferner, daß nach den Inschriften offenbar die gesamte, von Stamler bezahlte Malerarbeit am Schrein in ihrer ursprünglichen Gestalt 1621 beendet wurde, so wird man zur Annahme gezwungen, daß auf den Flügeln anstelle der spä­ teren Merkerporträts ursprünglich andere Malereien waren, die erst später, frühestens 1624, übermalt wurden. Diese Maßnahme läßt sich mit den Vor­ gängen des Jahres 1624 ungemein plausibel begründen. Offenbar sollten die verdienten Retter der Tradition geehrt werden. So ergibt sich in kurzer Zusammenfassung folgendes Bild: Der Schreiner Jacob Schneider stiftete noch im Jahre 1620 den von ihm gefertigten Schrein in seiner Urgestalt (Hartholzschrein) noch ungemalt den Meistersingern. Sie fanden in der Person Adrian Stamlers sofort einen zweiten Stifter für die Malerei. Stamler dingte den Maler Frantz Hein, der die Malerei des ganzen Schreines in seiner damaligen Gestalt 1621 durchführte. Im ein­ zelnen malte er: die Mitteltafel, die er signierte; den Schrein selbst, dem er zweimal dieselbe Jahreszahl 1621 auf malte; die Flügel, d. h. auf der Innenseite an der Stelle der späteren Porträts irgend etwas anderes, was wir nicht ken­ nen, und auf der Außenseite die 4 Evangelisten, die 1742 heftig aufgefrischt wurden. Frühestens 1624, aber auch nicht viel später, wurde derselbe Maler Frantz Hein wieder herangezogen, diesmal wohl nicht von dem Stifter des Jahres 1621 Adrian Stamler, sondern von der Gesellschaft selbst, um nach Vor­ lagen die vier Porträts auf die inneren Flügelseiten zu malen und zugleich das untere Bild zu berichtigen. Was er dabei von seiner früheren Arbeit übermalte, wissen wir nicht. 1742 wurde der Schrein architektonisch durch eine zeitgemäße Anfügung aus Weichholz ergänzt und malerisch übergangen, jedoch nur in den Teilen, die durch Staub und Lichteinwirkung unansehnlich geworden waren. Deshalb finden wir die meist verschlossene Mitteltafel und die inneren Flügel­ bilder noch heute in ihrer ursprünglichen Fassung und Verfassung vor. Von der Übermalung des Jahres 1742 stammt die neue Inschrift auf dem erst jetzt angefügten unteren' Weichholzbrett, stammen u. a. einige dekorative Schnörkel rechts und links der alten Konsoleninschrift, durch die die beiden letzten Buchstaben dieser Inschrift überstrichen wurden, und stammen insbesondere die heftigen Übermalungen und schmissigen Übergehungen der 4 Evangelisten­ bilder. Diese Evangelistenbilder haben durch diesen Eingriff ihren ursprüng­ lichen frühbarocken Charakter so sehr eingebüßt, daß man an ihnen die Hand367

schrift Heins nur noch unvollkommen und mit allerhand Zweifeln wird nachweisen können. Daß trotzdem alle Malerei des Schreines, außer den Erneuerungen und Zutaten von 1742, von Frantz Hein stammt, ist höchst wahrscheinlich, obwohl er sich in den Porträts von 1624 ff. etwas anders gibt als in den kleineren Formaten der Mitteltafel. Wenn die Porträts von einem anderen Maler gemalt worden wären, dürften wir wohl auch von diesem irgendeine Signatur erwar­ ten, von der aber keine Spur vorhanden ist. Der ganze Schrein ist heute nicht mehr das, was man ein Werk aus einem Guß nennt. Die Übermalung von 1742 hat offensichtlich den ursprünglichen Charakter des Werkes sehr fühlbar verändert, mehr, als man dies bisher in Rechnung zog. Eine Frage für sich ist es, wie es bei diesem an sich recht eindeutigen Sachverhalt überhaupt zu der Meinung kommen konnte, daß der Schrein zum Teil schon 1581 oder 1583 entstand. Sämtliche Zahlen der Inschriften und Sig­ naturen sind heute ohne besondere Schwierigkeit erkennbar und lesbar; es besteht aber die Möglichkeit, daß sie um 1890 herum, als der Schrein erstmals beachtet wurde, noch stark verschmutzt waren. So ist es wohl verständlich, daß die erste wissenschaftliche Beschreibung des Schreines von Th. H a m p e 1894 (Mitt. des Germ. Mus. 1894 S. 37) den Schrein einzig nach kunstkritischen Gesichtspunkten und allgemeineren Erwägungen der Zeit ,,ca. 1615“ zuwies und daß sich diese Datierung in den Museumsführern bis 1922/23 weiterschleppte (vgl. „Wegweiser“ II, 1922/23, S. 78). Leider hatten die Kunsthistoriker damals immer noch die schlechte älteste Reproduktion des Schreines der 80er Jahre vor Augen, die erstmals in Königs ill. Literaturgeschichte erschienen war, die auqh Hampe nachdruckte und auf die leider auch Bell immer noch angewiesen war. Auf dieser Reproduktion sieht man nur von der älteren Konsoleninschrift eine leise Spur. Im „Führer“ des Germ. Museums von 1924/25 (S. 140) ist nun erstmalig die Zeitangabe „ca. 1615“ aufgegeben; dafür finden wir die verlesene Zahl 1581 statt 1621 der Mitteltafel zur Datierung der dargestellten Meistersingerver­ sammlungen eingesetzt. Damals erst las man in der von Hein gemalten Zahl die 6 als 5, folglich die 2 als 8. Man kann diese falsche Lesung nur verstehen, wenn man bedenkt, daß oberhalb der Signatur Heins just Hans Sachs abge­ bildet ist und daß inzwischen eine wahre Sachs-Renaissance die Gemüter be­ herrschte. Man konnte sich offenbar nicht von der Vorstellung freimachen, das Bild müsse notwendig nahe an Sachsens Lebenszeit heranreichen, der 1576 starb. Als endlich Stuhlfauth sein 1939 herausgekommenes Buch über die Bild­ nisse des Hans Sachs vorbereitete, kam ihm die irrtümliche Lesung in den offiziellen Museumsführern zu statten, denn er hatte ein gewisses Interesse, das hübsche Bildnis des Hans Sachs als einigermaßen authentisch zu erweisen. Auch ihm fehlte offenbar die paläographische Erfahrung, sodaß er sich frug, ob die Schluß-Eins der Jahreszahl nicht als 3 zu lesen sei. Diese Eins läuft in eine späte schreibmeisterliche Rundung aus, die uns aber heute nicht mehr geläufig ist. Die Fünf erscheint um 1580 noch durchweg geschwänzt. So sehr man auch dem epochemachenden Urteil Herders über die wirkliche Meistersingerei (Andenken an einige ältere d. Dichter, 6. Brief 1793) zustimmt, die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihrer Hinterlassenschaft ist von Jakob Grimm bis heute stets gleich lohnend geblieben! 368

Zur Tätigkeit des Suttenpredigers Ambr. Wirth Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum Der Dreißigjährige Krieg bedeutete auch für Nürnberg eine schwere Schä­ digung des sittlich-religiösen Lebens. Geistliche und weltliche Obrigkeit ver­ kannten nicht die ihnen daraus erwachsenen Aufgaben. Man nahm die Be­ seitigung der Mängel energisch in die Hand. Eine Kirchenvisitation gab ge­ nauen Einblick in die Verhältnisse; der Rat erließ nun eifrig Mandate, um die Mißstände zu beheben. Der Bildung der Geistlichen wandte man sein beson­ deres Augenmerk zu. Der Erfolg blieb nicht aus. Nach einem Menschenalter konnte man doch einen allgemeinen Aufschwung des religiösen Lebens kon­ statieren. Allerdings erstreckten sich all diese Bemühungen zunächst auf Bes­ serung des sittlichen Lebens: aber je länger je mehr zeigten sich Bestrebungen, darüber das religiöse Element nicht zu vergessen. Speners und Hartmanns, des Rothenburger Superintendenten Gedanken, bleiben hier nicht unbeachtet. Es waren besonders die Suttenprediger Ambrosius Wirth, f 1723, und der Pre­ diger Tobias Winkler an u. L. Frau, f 1720, die in diesem Sinne wirkten. Der erstere hielt Bibelstunden; er gab denen, die daran teilnahmen, eine bestimmte Regel, welche in den Geist der Stunden genauen Einblick gewähren. Sie sind noch nicht bekannt geworden. Deshalb sollen sie in Folgendem abgedruckt wer­ den. Sie befinden sich (Abschrift) unter den Akten der reformierten Pfarrei St. Martha. Das könnte Schlüsse auf die Gesinnung der damals dahier wirken­ den reformierten Geistlichen erlauben. Umsomehr, als sich im gleichen Akt der schon bekannte Satzungsentwurf Winklers für seine Bibelstunden auch findet. Durch ihn wird das bei G. A. Will, Bibliotheka Norica Williama, Altdorf 1773 II S. 358, angegebene Datum 1702 richtiggestellt. Schade ist, daß die bei Will II Nr. 1547 angeführte Abschrift verloren gegangen ist. Etliche christliche Regeln und Pflichten, welche guten Grund haben und in der h. Schrift, dazu sich etliche gottselige Herzen freiwillig verbinden, daß sie durch Gottes Gnade nach denselben sorgfältig wollen einhergehen. Ambrosius Wirth A. 1700. I.

Soll ein jeder den rechten Ernst und gottseligen Fürsatz fassen, das teure Wort unsers Gottes in allen Ehren zu halten, dasselbige inniglich zu lieben, fleißig zu hören und wer des Lesens kündig ist, täglich darinnen zu lesen, zum wenigsten im N. Testament und, wie der 1. Psalm redet, Tag und Nacht zu betrachten nach dem Befehl unsers großen Lehrers Joh. 5 V. 39: Suchet in der Schrift, damit wir daraus die Erkäntnis der Wahrheit zur Gottseligkeit schöpfen und erlangen mögen. 2. Tim. 3, 15. Tit. 10, 224

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II. Soll ein jeder sich zu der reinen evangelischen Kirchen aufrichtig bekennen, als in welchen gelehret wird, daß wir allein durch den glauben an Jesum Christum ohne zutun aller unserer werk und verdienst für Gott müßen gerecht werden, und daß wir gleichwol solchen glauben mit heiligen und guten Werken, die Gott selber in seinem Wort uns anbefohlen hat, als mit schönen Früchten und Würkung des inwohnenden h. Geists bezeugen sollen. Denn die Recht­ fertigung und Heiligung sollen zwar recht unterschieden, aber nimmermehr von einander sein. III. Sollen sie sich befleißen, wo es geschehen kan, wöchentlich einmal zusamen zu kommen mit Gesang, Gebet und Handlung des göttlichen Worts sich unter­ einander zu erbauen, auf daß das Gute, das der h. Geist in der Taufe bei und in uns angefangen, immer wieder fortgesetzt, und wider also alle weg erhalten werden bis auf den Tag Jesu Christi. Hebr. 10, v. 24, 25. IV. In solchen Versammlungen und bei denen darinnen furkommenden Gesprä­ chen, als die bloß zu gottseligen erbauung zielen sollen, soll ein jeder sich fleißig fürsehen, daß er nichts zu Verkleinerung des öffentlichen Gottesdienstes, des h. Predigamts, der christlichen Obrigkeit noch einigen Menschens, wer der auch sein mag, forbringen möge. V. Man soll sich auch hüten, daß man aber denen dingen, die etwan fürkom­ men mögen, keinen unnötigen streit anfange, auf daß das Band der Liebe, als um deren befestigung wir fümemlich sollen bekümmert sein, nicht möge zerrißen werden. Phil. 3; Eph. 4, 15, 16; Col. 3, 14. VI. Es soll ein jeder alle Versuchung und Gelegenheit zur Sünde, absonderlich die Wirtshäuser, Comoedien und dergleichen Örter, wo man kan zur Sünde verleitet werden, sorgfältig fliehen und meiden, nachdem geschrieben stehet: Ein Weiser fürchtet sich und meidet das Arge, ein Narr aber fähret hindurch durstiglich. Prov. 14, 16, und abermal, der frommen weg meidet das Arge und wer seinen Weg bewahret, der behält sein leben. Prov. 5, 16, 17. VII. Man soll etwas zu Ausübung Christlicher Liebeswerken an Arme und arme Kinder beizutragen nicht vergeßen, jedoch ein jeder nach seiner Willkür; dann einen frölichen Geber hat Gott lieb. 2. Cor. 9, 7. Hebr. 13, 16. VIII. Es soll ein jeder darauf sehen, daß er mit jedermann gerecht und gewissen­ haft möge handeln, weil Gott ein Rächer ist über alle Ungerechtigkeit. 1. Thess. 4, 6. 370

IX. Es soll keiner den öffentlichen Gottesdienst mutwillig versäumen noch ver­ achten; man soll zum öftem beten und nicht müde werden, wie uns der Heiland vermant. Luc. 18, 1. Man soll aber beten insgemein für alle Menschen, inson­ derheit für die 3 Hauptstände der Christenheit und hiesigen Orts wie auch für die Glieder dieser Gesellschaft. 1. Tim. 2, 1, 3. Eph. 18, 19. X. Man soll zum öftem das h. Abendmal gebrauchen und sich mit Beten und Fasten zum wenigsten mit Abbrechung des Gewöhnlichen dazu schicken und vorbereiten. 1. Cor. 11, 26, 27, 28. XI. Es soll ein jeder als Junger des sanftmütigen und demütigen Heilands gegen alle Menschen auch gegen die Feinde sich aller Sanftmut und Demut befleißigen. Und wenn er um der Gottseligkeit willen geschmähet, gehasset und verfolgt wird, solches mit stiller Geduld ertragen, auch für die Lästerer und Verfolger beten. Matth. 11, 29. XII. Keiner soll den andern freventlich richten, wie uns Christus dafür warnet. Matth. 7, 1. XIII. Man soll sich an allen Orten zu h. Gedanken gewöhnen, weil Gott der Herr überall zugegen, alles siehet und erkennet, was wir tun, reden und gedenken, wie der h. Geist uns lehret. Ps. 139. XIV. Wir sollen bedenken, das wir alle Glieder eines geistlichen Leibes sind, wie nun die Glieder für einander sorgen, also sollen wir audi in Nöten ein­ ander beipringen und nach Vermögen einander dienen. 1. Cor. 12, 25. 1. Petr. 4,10. XV. Sonderlich soll sich die rechtschaffene Brüder- und Schwester-Liebe in einer brüderlichen, freundlichen Bestrafung herfür tun, wie der Herr selbst befielt. 3. Mos. 19, 17 und in der brüderlichen Liebe soll man darreichen gemeine Liebe nach der Mahnung des Apostels Petri. 1. Ep. 107 1). XVI. Bei Handlung des brüderlichen Worts soll ein jeder allemal die Zueignung auf sich selbst machen. Dann auf dise Weise, wann ein jeder sich selbst strafet und bessert, so werden wir alle gebeßert. Röm. 4, 23, 24. XVII. Es soll ein jeder fleißig gedenken an die unendliche Ewigkeit und an den ungleichen und bederseits unveränderlichen Zustand der Seligen und Ver­ dammten, dahin wir gleichwol so geheimd und one alles Aufhalten forteilen. 24*

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So werden wir destomehr selbst untereinander wamehmen mit reizen zur Liebe und guten Werken und nicht verlaßen unsere versamlung, sondern unterein­ ander vermahnen und das so viel mehr, sovil wir sehen, daß sich der Tag des Herrn nahet. Hebr. 10, 24. XVIII. Es soll ein jeder dieser nötigen Christenpflicht sich fleißig erinnern, daß wir uns alle Abend über den Geschäften und Verrichtungen des vergangenen tages sorgfältig sollen prüfen, auf daß wir Gott für das empfangene und ge­ schenkte Gute loben, für Unterlaßung des Guten und Verzeihung des Bösen um Verzeihung bitten und hinfüro fürsichtiger und Heiliger zu wandeln einen neuen fürsatz fassen mögen. Ps. 139, 25. 2. Cor. 13, 6. XIX. Wer es dauren kan und es zur Creuzigung des Fleisches nötig befindet, der soll bisweilen fasten, oder etwas an den gewönlichen abbrechen, damit man zum Gebet und andern heiligen Betrachtung desto geschickter seie nach der schönen Erinnerung des Ap. Petri. Es ist nahe kommen das Ende aller Dinge, so seid nun mäßig und nüchtern zum Gebet. 1. Petr. 4, 12. XX. Soll ein jeder alle geistliche Hoffart, Einbildung, eigene Gerechtigkeit, Ehr­ geiz, Verachtung anderer Leute und andere dergleichen Ausbrüche des Fleisches mit allem Ernst hassen, meiden und ablegen. Gal. 6, 3. XXI. Wer ein Hausvater oder Hausmutter ist und Kind und Gesind hat, der soll fleiß anwenden, daß er ihnen Gottes Wort und Willen treulich forhalte und nach dem Exempel Abrahams dahin führt, daß sie des Herrn Weg halten und tun, was recht und gut ist. Gen. 18, 49. XXII. Summa ein jeder soll die Ehre Gottes in allem Thun sein Endzweck sein laßen. 1. Cor. 10, 31, nebst deme, allen fleiß anwenden, daß er niemand mit Worten oder werken ärgere, sondern vielmehr jedermann mit einem christ­ lichen, sanftmütigen und demütigen Wandel gewinnen und erbauen möge. Köm. 14, 19. Nun der Geist und Gott der Geduld und des Trostes gebe uns allen, daß wir einerlei gesinnet seien untereinander nach Jesu Christo, auf daß wir einmütiglich mit einem Munde loben Gott und den Vater unsers Herrn Jesus Christi und für seiner allerheiligsten Gegenwart in dieser Welt also gewissen­ haft und gottselig leben mögen, damit wir dermaleins for dem Angesicht seiner Herrlichkeit unsträflich mit Freuden gestellet werden und ihme in der seligen Ewigkeit mit allen Engeln und Auserwehlten für alle seine unverdiente Gnade und Liebe und erzeugte Woltaten und Gaben loben und preisen mögen immer und ewiglich. Amen. 372

Zur Entstehung der Bibelgesellschaft in Bayern Von Lic. Matthias Simon In meinem Aufsatz über „Die Entstehung des Zentralbibelvereins in Bayern“ in: Festgabe, Herrn Landesbischof D. Hans Meiser zum 70. Geburtstag darge­ bracht, München 1951, mußte ich auf Seite 51 die Befürchtung aussprechen, daß von dem Neuen Testament, das 1805—1806 von der ersten bayerischen Bibel­ gesellschaft in Nürnberg gedruckt wurde, kein Exemplar mehr vorhanden zu sein scheint. Ich tat das, nachdem ich mich bei verschiedenen in erster Linie dafür in Frage kommenden Bibliotheken und Antiquariaten erkundigt hatte und nachdem ich bereits geraume Zeit eine Suchanzeige des Fernleihverkehrs der deutschen Bibliotheken laufen hatte. Kurze Zeit, nachdem der Aufsatz er­ schienen war, erhielt ich aber erfreulicherweise doch ein Exemplar dieses Buches. Es befindet sich bei der Universitätsbibliothek Leipzig unter der Signatur Biblia 1418 g. Es trägt den Titel: „Das Neue Testament unsers HErrn und Heylandes JEsu Christi, verdeutscht von D. Martin Luthern mit jeden Capitels kurzen Summarien auch richtigen Parallelen. (Verlagssignet) Nürnberg, in der Raw’schen Buchhandlung 1805.“ Als Verlagssignet ist ein sehr kleines Bild (8:15 mm) eines weidenden Lam­ mes verwendet. Das Buch ist in beschnittenem Zustand ohne die Einbanddecke 194 mm hoch, 115 mm breit und 18 mm stark. Der Satzspiegel ist zweispaltig, 104 mm breit und — unter Nichtberücksichtigung des Kolumnentitels und der Kustoden — 167 mm hoch. So bleiben für den äußeren und inneren Rand nur je knapp 5 mm, für den oberen und unteren Rand knapp 8 mm. Das Buch besteht aus 309 gezählten Seiten, wozu noch 3 ungezählte Seiten mit der „Anweisung der Evangelien und Episteln“ kommen. Als Hauptschriftart wird die Fraktur (in engerem Sinn) in Petitgröße verwendet. Hervorgehobene Verse sind in einer kaum stärkeren Schwabacher Schrift des gleichen Schriftgrades gesetzt. Die Parallelstellen sind in der gleichen Schriftart gesetzt. Dagegen ist die kurze Inhaltsangabe vor den einzelnen Kapiteln, die Bezeichnung der Evangelien und Epistelabschnitte in Nonpareille-Schrift gesetzt. Die gleiche Schrift ist auch bei den verhältnismäßig zahlreichen Worterklärungen verwendet. Der erste Eindruck von diesem Buch erweckt nun sofort die verwunderte Frage, wie das bei seinem Erscheinen laut gewordene und von seinem Urheber Gottfried Schöner uneingeschränkt zugegebene Verwerfungsurteil darüber mög­ lich geworden ist. Wenn 1805 die Schriftgröße als zu klein beurteilt wurde, so besteht doch die Tatsache, daß die 1814 in Basel gedruckte Handbibel eine noch kleinere Schrift verwandte. Sie ist in Kolonel gedruckt, steht also genau in 373

der Mitte zwischen den beiden in Nürnberg benützten Schriftgrößen Petit und Nonpareille, ist also für den Text sogar noch kleiner als die Nürnberger. Daß das Nürnberger Papier nicht gerade gut ist, muß zugegeben werden, eben­ so wie der andere Umstand, daß der Gesamteindruck des Schriftbildes in der Basler Bibel ruhiger ist als im Nürnberger Testament. Das hängt, abgesehen von dem Papier, zuerst davon ab, daß Basel keine Worterklärungen bringt und außerdem weniger Parallelstellen. Außerdem ist der Nürnberger Druck inso­ fern nicht ganz sauber, als sich wiederholt Buchstaben anderer Schriftarten und -großen eingemischt finden und als die Zeilen nicht immer genau gerade laufen. Aber alle diese Anstände berechtigen in gar keiner Weise zu dem Ur­ teil, das Schöner selbst über sein Werk als berechtigt anerkennt. Die Ursachen dafür liegen also weniger in diesem Buch als vielmehr in den Ansprüchen, die man an es stellte, und in den Erwartungen, die man von ihm hegte. Aber auch diese Erwartungen sind unbegreiflich; denn Bibelausgaben in dieser Schrift­ größe waren damals nichts ungewöhnliches. Die im Jahre 1742 z. B. in Altdorf bei Johann Adam Hessel gedruckte und bei Emst Friedrich Zobel verlegte Bibelausgabe verwendet genau die gleiche Schriftgröße. Das Papier ist freilich etwas besser, vor allen Dingen glatter, sodaß der Druck sauberer in Erschei­ nung tritt. Auch treten die hervorgehobenen Verse, die wie in der Nürnberger Ausgabe in Schwabacher Schrift gesetzt sind, deutlicher als solche hervor. Außerdem fehlen dort Erklärungen, sodaß auch in dieser Hinsicht das Druck­ bild ruhiger bleibt. Eine kleine Bemerkung verdienen noch die Anmerkungen, die das Neue Testament bringt. Sie scheinen nicht aus irgendeiner der damals geläufigen Bibelausgaben übernommen zu sein, stammen also zweifellos von Schöner selbst. Sie betreffen im allgemeinen nur Wort- und Sinnerklärungen. Lediglich in der Offenbarung wird gelegentlich davon abgewichen. Hier werden anscheinend im allgemeinen in Anschluß an Bengel Deutungen nach der kirchengeschicht­ lichen Auslegung gebracht. Die Ereignisse, die mit den Posaunenstößen der 6 Engel nach Öffnung des 7. Siegels in Kapitel 8 und 9 erfolgen, werden ein­ zeln auf die Zeit von 114 bis gegen 900 nach Christi Geburt festgelegt. Für den 7. Engel wird zu 10, 9 die Zeit „von Anno 800 an bis ans Ende der Welt“ fest­ gestellt. Das mit der Sonne begleitete Weib in Kapitel 12 wird als „die Kirche Christi: die Gemeinde der wahren Christen“ gedeutet und ihr Zufluchtsort in der Wüste (Vers 6) als „Böhmische Kirche vor der Reformation“. Andere Deu­ tungen finden sich jedoch nicht. Es ergibt sich, daß die Frage nach den Ursachen des Mißerfolges dieser Ausgabe des Neuen Testamentes nicht eigentlich in ihr selbst gesucht werden muß. Die zweifellos vorhandenen Mängel hätten sich wohl fast alle bei einer weiteren Auflage beheben lassen. Schöner hat sich gewiß durch die an seiner Ausgabe geübten Kritik zu sehr beeinflussen lassen. Es ist bedauerlich, daß weder er noch seine Freunde bei ihrem Werk verharrten und es in einer neuen Auflage verbesserten.

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Buchbesprechungen Johannes B i s c h o f f : Grundlage zur Geschichte der Erlanger Real-Zeitung 1741—1829. Coburg 1949. 20 S. Als Anhang zu Alfred Sauerteig: Coburger Zeitungsgeschichte, Coburg, Veste-Verlag 1949, und auch als Sonderdruck vorhanden, schildert die Arbeit, höchst solid fundiert, wie wir es vom Verf. gewohnt sind, die Schicksale dieses für fränkische Zeitungsgeschichte so wichtigen Blattes, mit dem der Name seines Begründers Johann Gottfried Groß unzertrennlich verbunden ist. Be­ sonders dankenswert ist die Liste der Bibliotheken und sonstigen Stellen, wo Jahrgänge der Zeitung heute noch zu finden sind, und zwar genau nach den je­ weils vorhandenen Jahrgängen. Friedrich Bock. Festgabe aus Anlaß des 75. Geburtstages von D. Dr. Karl Schornbaum, Archivdirektor i. R., Professor der Universität Erlangen, Mitglied der Bay. Akademie der Wissenschaften, am 7. März 1950. Hrsg, im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Landeskirchlicher Archivare, des Landeskirchl. Archives Nürnberg u. des Vereins für Bay. Kirchengeschichte von Hein­ rich Gürsching. Neustadt a. A.: Schmidt 1950. 159 S. DM 4.80 Der 75. Geburtstag des bekanntlich auch um den Verein für Gesch. der Stadt Nürnberg als Mitarbeiter und nun seit Jahren als Vorstand hochverdien­ ten Gelehrten wird mit der vorliegenden Festschrift in würdiger Form gefeiert. Den Auftakt bildet das Verzeichnis sämtlicher Arbeiten des Jubilars, von ihm selbst zusammengestellt, das mit einem runden Vierteltausend von Num­ mern ein Bild von der imponierenden Fülle dieses wissenschaftlichen Lebens­ werkes gibt, imponierend erst recht, weil ja diese reiche Ernte „im Nebenamt“ eingebracht wurde, im Pfarramt, in einem arbeitsreichen Dekanat und in der Stellung eines Archivdirektors, der sein Institut erst neu geschaffen und zur Blüte geführt hat. (Für weniger Bewanderte mag zu S. 16 auf einen „lapsus calami“ hingewiesen werden: es muß da heißen „Die Religion in Geschichte — nicht „Vergangenheit“ — und Gegenwart“.) Dem hohen Ansehen des Gefeierten entspricht es, daß über den engeren Kreis der bayerisch-protestantischen Kirchengeschichtsforschung hinaus auch Nicht-Theologen und Nicht-Bayern stark beteiligt sind. Unter den Beiträgen von katholisch-theologischer Seite verdient die an den Anfang gestellte Arbeit A. Bigelmairs besondere Hervorhebung: „Das Jahr der Gründung des Bis­ tums Eichstätt“; hatte man neuerdings meist 741 angenommen, so entscheidet sich B. wieder für 745. Ein Glanzpunkt ist auch das letzte Stück: Hans L i e r m a n n behandelt in seiner gewohnten scharfsinnig-schlichten und gepflegten Art „Kirchliches Archivwesen und evangelisches Kirchenrecht“; wohl die erste erhebliche Unter­ suchung dieses Themas. Nicht alle Beiträge können hier genannt werden. Nur auf das sei noch im einzelnen hingewiesen, was mit Nürnberger Geschichte und Kirchengeschichte zu tun hat: Wilh. Kraft „Vom alten Spital in Nürnberg“ druckt die „Anzeig eines alten Dieners des Deutschen Ordens, den alten Spital zu St. Elisabeth

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betreffend“ nach einer Handschrift des Germanischen Museums ab und kom­ mentiert sie; ein beachtenswerter Beitrag zur Rechtsstellung des Spitals und seinem Verhältnis zum Deutschiherrnorden. H. Gürsching, dem wir auch die mühevolle Gesamtredaktion der Fest­ schrift verdanken, trägt bei: „Neue urkundliche Nachrichten über den Mystiker Heinrich von Nördlingen?“ Die geistvollen Ausführungen gehen vor allem der Frage nach, wieweit sich nähere Beziehungen dieses Freundes der beiden Ebnerinnen zu Nürnberg wahrscheinlich machen lassen, wobei das Kloster Pillenreuth eine wichtige Rolle spielt. Auf die Einbettung jener späten Phase der Mystik in das ritterschaftliche Standesgefüge fallen beachtenswerte Lichter. Helene Burger schenkt uns, unter dem anspruchslosen Titel „Bemerkun­ gen zu den Nürnberger Totenbüchem“, eine „Handreichung* ‘ für die Kenntnis dieser wichtigen Quellen, die wir nicht nur nach den Worten der Verf. als eine „kleine“ gewürdigt wissen möchten. Den Nürnberger Kurfürstentag von 1640 beleuchten die Briefe des Braun­ schweigischen Vizekanzlers Jacobus Lampadius, die Walter Lampe unter der Überschrift „Ein niedersächsischer Staatsmann in Nürnberg“ bekannt macht. Der Aufsatz „Der Besuch der Universität Jena durch Studenten aus dem rechtsrheinischen Bayern 1548—1723“ von Reinhold Jauernig läßt den leb­ haften Zustrom von Nürnbergern zu dieser Hochschule, auch nach der Grün­ dung Altdorfs, erkennen. Nicht weniger als 751 Studierende aus Nürnberg und seinem Gebiet (so wird „mit Vororten“ zu verstehen sein) können nachgewie­ sen werden, ohne daß freilich einzelne Namen genannt würden. Daneben fallen fruchtbare Bemerkungen über kulturelle, vor allem kirchliche Beziehungen unserer Stadt zu Thüringen ab. Auch in Paul Schattenmanns Beitrag „D. Joh. Valentin Andreae, 1586—1634, und seine Beziehungen zu Bayern“ spielt Nürnberg, besonders der Theologe Joh. Säubert (d. Ä.), eine große Rolle. Friedrich Bode. „Nürnberger Gestalten aus neun Jahrhunderten“, ein Heimatbuch zur 900-Jahr­ feier der ersten urkundlichen Erwähnung Nürnbergs. Herausgegeben vom Stadtrat zu Nürnberg (Nürnberg 1950). Wer Nürnberg liebt und sich mit der Stadt verbunden fühlt, wird sich herzlich freuen über dieses inhaltlich reizende und vorzüglich ausgestattete Büchlein. Welche andere deutsche Stadt kann sich rühmen, im Laufe ihrer Geschichte eine solche Anzahl hervorragender Persönlichkeiten in ihren Mauern beherbergt zu haben wie unser Nürnberg? Der heilige Sebald als der erste „namhafte“ Nürnberger eröffnet die Reihe der Großen, die mit der tragischen Gestalt Karl Brögers endet. In ihrem Leben und in ihrem Wirken sind hier 50 Persönlichkeiten dargestellt, ohne die man sich die deutsche Kultur schlecht­ hin nicht vorstellen kann. Mit Recht sind die bildenden Künste mit ihren glanzvollen Namen besonders herausgestellt, man staunt aber doch auch über den Anteil Nürnbergs an der deutschen Dichtung, wie er durch die feinsinnigen Aufsätze Hilsenbecks deut­ lich wird: Die Nürnberger Mystik ist schon seit Josef Nadler in helles Licht gerückt. Wer vertritt — neben Luther — im Reformationszeitalter deutsche Dichtung würdiger als unser Hans Sachs? An der Barockpoesie ist die Stadt der Pegnitzschäfer lebhaft beteiligt, um im Zeitalter der Frühklassik immerhin noch einen Grübel hervorzubringen. Daß auch auf dem Gebiet der Musik die Reichsstadt bedeutende Talente stellte (Häßler, Pachelbel), mag manchem bisher 376

noch kaum zum Bewußtsein gekommen siein. Mit Recht betonen einige Ver­ fasser die Bedeutung der ganz großen Nürnberger über die deutschen Grenzen hinaus: Die europäische Geltung der Künstler, Dürer, Vischer, Stoß ist so wenig bestritten wie die des Seefahrers Martin Behaim. Nicht alle Gestalten, die in diesem Buch behandelt sind, wurden hier geboren, aber sie waren mit der Stadt durch ihr Leben und Wirken eng ver­ bunden. Nürnberg erwies sich als der große Magnet, der immer wieder schöp­ ferische Menschen anzog. Es ist die Frage, wie weit das reichsstädtische „Milieu“ Charakter und Begabung beim einzelnen gefördert hat, wie weit die Anlage gerade hier den entscheidenden Anstoß bekam. Denn mehrere, darunter wahrscheinlich auch Veit Stoß, hatten überhaupt kein Nürnberger Blut in ihren Adern. So hat auch Nürnberg, wenngleich nicht in dem fast ausschließlichen Maße wie München, gefördert und fremde Schöpferkraft erst zum Reifen gebracht. Mag demnach mancher der Großen erst durch die Berührung mit Nürnberg zu einem „Nürnberger“ geworden sein, so verkörpern doch die meisten der hier dargestellten Persönlichkeiten so viel Bodenständigkeit und ortsgebundenes Schöpfertum, daß wir nicht den Vorwurf zu fürchten brauchen, Nürnberg sei erst durch die Zugewanderten zu seinem Glanz gekommen. Es gibt unzweifel­ haft eine „Nürnberger Art“, die viele der behandelten Persönlichkeiten nicht verleugnen können. Manche Verfasser haben darauf angespielt, wenn sie vom „fränkisch-herben Naturalismus“, von der Nürnberger Nüchternheit, vom echt nürnbergischen „klaren Geist der Mäßigung“ sprechen. Die Verfasser erstrebten eine gemeinverständliche Darstellung; man kann nicht auf drei, vier Seiten große neue wissenschaftliche Ergebnisse bringen. Aber viele Nachrichten, die bisher in entlegenen Zeitschriften vergraben waren, sind hier nun, gesammelt, leicht erreichbar. Das allein schon rechtfertigt das Büchlein. Daß alle Abhandlungen gleichwertig sind, kann man bei der Vielzahl der beteiligten Autoren kaum erwarten. Doch sei den Kritikern gesagt, keine dieser Biographien fällt merklich ab. Einige kleine Schnitzer wird man bei jeder derartigen Gemeinschaftsarbeit finden. Daß es ausgerechnet dem hochverdienten, mittlerweile heimgegangenen Nestor der Nürnberger Geschichtsforschung passieren mußte, den Markgrafen Albrecht Achilles zum Vater Kasimirs zu stempeln und ihn fast zwanzig Jahre nach seinem Tod noch heftig Krieg führen zu lassen! Ein Lapsus, der im Festestaumel des Jubeljahres seine Erklärung finden mag. Lebhaft bedauert habe ich, daß neben Osiander und Spengler nicht auch Caritas Pirckheimer zu Worte kommen durfte, die größte Frauengestalt Nürn­ bergs neben Christina Ebner. Schon um ihretwillen, deren Nicht-Aufnähme einen Mangel bedeutet, möchte man wünschen, daß das angekündigte 2. Bänd­ chen auf alle Fälle folgt. Es wären da noch eine ganze Reihe hervorragender Nürnberger zu würdigen: Künstler wie Labenwolf, Jost Amann, Wolf und die „gottlosen Maler“, Ärzte wie Hieronymus Münzer und Trew, die Humanisten Celtis, Cochläus und Hartmann Schedel, der Dichter Siegmund von Birken, der glänzende Kartograph Karl Pfinzing, der „Vater der Nürnberger Kunstgeschichtsschreibung“ Neudörfer, die Verleger und Buchhändler Endter, Felsecker, Campe und Palm, Kaufleute wie Bonaventura Furtenbach u. a. und — last not least — Regiomontanus. Das vorliegende Bändchen gibt einen überzeugenden Gesamteindruck von Nürnbergs Kultur und Nürnberger Leistung in einzelnen Gestalten, das 2. Bänd­ chen möge diesen Eindruck vertiefen. Dr. Fritz Schnelbögl. 377

Erlanger Heimatchronik . . . für Stadtarchiv und Heimatverein Er­ langen, hrsg. v. Johannes Bisch off. 1. Folge, Erlangen 1950: Dr. von Höfer u. Limmert. 32 S. 8°. DM 0,75. Die Heimatchronik soll allmählich die längst veraltete Steinsche Stadtge­ schichte ersetzen Die 1. Folge bringt als Wichtigstes drei Aufsätze des Heraus­ gebers: 1. „Essenbach, junger Weiler oder Urzelle Erlangens?“ Auf Grund ein­ dringender archivalischer Forschung entscheidet sich B. für das Zweite. — 2. „Erlangens Stadtrecht im Lichte neuer Forschungen.“ Erlangen gehört zum Amberger Stadtrechtskreis — nicht zum Nürnberger — und hatte enge Rechts­ beziehungen zu dem im 14. Jhdt. wichtigen Auerbach. — 3. „Das junge Markt­ recht des alten Dorfes Bruck.“ Als das heute in Erlangen einverleibte Bruck zwischen 1553 und 1556 zum Nürnberger Gebiet gehörte, gab der Rat 1554 dem „Dorfe“ Bruck eine Gemeindeordnung. Erst 1778 nennen die Brücker selbst ihren Ort einen Markt. Endgültig heißt es Markt statt Dorf erst um 1812. Es ist sehr zu bedauern, daß diesem hoffnungsvollen Anfang bisher noch keine Fortsetzung folgen konnte. Nach persönlicher Mitteilung des Heraus­ gebers besteht aber dazu leider vorerst noch keine feste Aussicht. Friedrich Bock. Hans Hubert H o f m a n n , Herzogenaurach, Die Geschichte eines Grenzraumes in Franken, Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung, Hist. Reihe Bd. 2, Nürnberg 1950. Diese aus einer Erlanger Diss. 1948 herau9gewachsene, überaus reichhaltige Schrift hat materiell bereits das vorbildliche Heimatbuch Herzogenaurach von 1949 maßgeblich beeinflußt, sodaß ihre Veröffentlichung unnötig erscheinen möchte. Sie bietet jedoch soviel Größeres und Neues, daß man auch sie dankbar begrüßt. Insbesondere bietet sie zum ersten Mal einen tieferen Einblick in die Methoden und Formungswünsche, die im Institut für fränkische Landesforschung zur Er­ arbeitung des künftigen, schon von Schmeidler geplanten fränkischen Orts­ lexikons Gestalt gewinnen, das zu den Zielen E. Frh. v. Guttenbergs gehört. Was hier besonders interessiert, das ist die stete Verbindung des ge­ schilderten Raumes mit der Entfaltungsgeschichte Nürnbergs, ein Muster­ beispiel für die Vielzahl der politischen, rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen Verflechtungen im Umkreis der „alten“ Nürnberger Landschaft. Herzogen­ aurach hat nie zu ihr gehört, war aber immer in ihren Kreis einbezogen; wenn noch 1806 die in Nürnberg lebenden Katholiken zur Bestattung nach Herzogen­ aurach gefahren werden mußten, so ist dies wie ein Symbol für einen höchst selt­ samen Zusammenhang. Für die Frühzeit der Stadt vertieft Hofmann die Kennt­ nis dieser Zusammenhänge durch erneute geistvolle Untersuchung der Königshofzusammenhänge im Keuperlande, die unmittelbar auf die Gründung des Bis­ tums Bamberg und die der späteren Reichsstadt wirken; Würzburg, Bamberg und Nürnberg halten sich in der Ecke von Herzogenaurach stets in Spannung und schließlich im Gleichgewicht. Kirchlich obsiegt Würzburg, territorialherr­ schaftlich Bamberg, grundherrschaftlich und wirtschaftlich Nürnberg. Wenn man bei der lückenlosen Durchverfolgung der Dinge, die der Verfasser bietet, von Nürnberg her kritisch beizusteuem wagt, so kann es vielleicht am ersten für die erste Einwirkung des wirklichen Nürnberger Patriziates geschehen, die zugleich die große Rolle des Hl. Geistspitals für den Plan der „alten Land­ schaft“ beleuchtet: für die Erwerbungen des Conrad Groß in Herzogenaurach 1337. Hier hätte vielleicht das authentische Hl. Geist-Copiale Cod. man. la mit 3 Urkunden zur Sache herangezogen werden dürfen, um die von Hofmann S. 126 selbst bemerkten Unstimmigkeiten zur Lösung zu bringen. Nicht Friedrich, sondern Philipp v. Brauneck resignierte 1337 Juni 28 die Pfarrei, um sie für die Inkorporation ins Hl. Geistspital freizumachen, die Würzburg 1337 Juni 25 378

(„septima Cal. Julii“, f. 121 v.) aussprach. Von größerem, auch topographischem Interesse ist die 3. Urkunde 1341 Jan. 5 (f. 122 v.): hier läßt Bischof Leupold dem Conrad Groß ein früher Seckendorffisches Grundstück zur Fundation eines monasterium oder aliud pium corpus auf: „areas in Hertzogenurach prope cymiterium sitas et ah utraque parte cime plebani [was heißt das?] et fossato ibidem confinitas“. Es wäre reizvoll, diese Nachrichten erneut mit Schöffel, Wächter, Amrhein, Mon. Boic. 40 in Verbindung zu bringen, aber auch mit den Planungen Groß’ in Gründlach, ja mit der nach Schultheiß höchst bemerkenswer­ ten Rolle, diie das Spitalrecht in den Plänen der Anhänger Ludwigs des Bayern spielt. Ähnlich wie in Memmingen oder in kleinerem Lauf hat das Spitalrecht oft genug zum Instrument für landschaftliche und kirchliche Verselbständigungs­ tendenzen gedient, nicht zuletzt in Nürnberg, wo die Gründung des Neuen Spitals nicht nur die beiden Stadtkerne, sondern auch die auf Grundherrschaft und Kir­ chenrecht aufgebaute alte Landschaft verklammern soll. Eine Kleinigkeit darf in diesem Zusammenhang berichtigt werden: eine Verwaltungsänderung des Spitals seit der Reformation infolge der „Säkularisation“ des Kirchengutes konnte nicht stattfinden, weil seit dem Konzil von Vienne 1311 die Laienverwaltung der Spitäler ähnlich wie die der Kirchenfabriken zugelassen war, sodaß das Hl. Geist­ spital fast von Anbeginn in der Verwaltung des Rates von Nürnberg sein konnte, ohne die Rechtsqualität des geistlichen Gutes zu verlieren (S. 127). Man sollte überhaupt den erst 1646 auftauchenden Begriff der „Säkularisation“ für die Kirchengutsvorgänge der Reformationszeit nicht mehr anwenden, sondern von „Reformation“ sprechen, es ist richtiger. Die Nürnberger Almosenämter, in die fast aller kirchliche Grundbesitz, manche Klöster und alle Pfaffenpfründen konzentriert wurden, sind Verwaltungseinheiten. Daß das Spital nicht wie großenteils sie 1834 in die kirchliche Verwaltung überführt wurde, rührt u. a. daher, daß Montgelas die Einheit Kultus-Erziehurug-Wohltätigkeit, den alten Inbegriff der „pia causa“, stiftungsgesetzlich auflöste, wie es überall ähnlich geschah. Dafür mußte 1840 ein „Kultusanteil“ aus dem Spitalvermögen aus­ geschieden werden. Das „Reichsalmosen“ S. 88 ist wohl ein Druckfehler; man sprach vom „reichen Almosen“, meinte aber wohl ein „Reich-Almosen“, ein Almosen, das aus einer Stiftung den Hausarmen „gereicht“ wurde. Das sind kleine Ausstellungen, die wohl von den Spezialisten auf ein­ zelnen Gebieten noch vermehrt werden könnten; wer so ungemein viel bringt und auf die lückenlose Durchdringung des Stoffes ausgeht wie Hof­ mann, wird nur dankbar sein, wenn sie vermerkt werden. Eine Besprechung des Teiles B S. 168 ff. (Ortslexikon für die 32 behandelten Orte) liegt nicht in meiner Absicht; persönlich mag man den Verzicht auf jeden Rest von „Dar­ stellung“ zugunsten ungemein gehäufter Abkürzungen, sogar ohne Punkte, bedauern, es wird nicht anders möglich sein, den großen Stoff zu bewältigen. Sollte man nicht allgemein die kirchenbaulichen Notizen noch weiter ausbauen? Der Typus der einfachsten Landkirche, Westturm, Ostturm, Pultdach, weiterhin etwa Anklänge an „Julius“- oder „Markgrafenstil“, Lettner, Vorhalle, Wehr­ friedhof usw. geben oft den Schlüssel für ein Gutteil Geschichte. H. Gürsching. Eugen Kusch, Nürnberg, Lebensbild einer Stadt, Verlag Nürnberger Presse G.m.b.H., Nürnberg 1950 (2. durchgesehene Aufl. 1951). Emil Reicke, der uns 1896 seine längst vergriffene Geschichte Nürnbergs geschenkt hat, hat kurz vor seinem Tode das vorliegende Werk kennen gelernt und warm begrüßt. Einer der angesehensten deutschen Dichter der Jetztzeit, Hans Carossa, hat dasselbe getan. Man kann also von vorneherein erwarten, daß das Werk nicht nur künstlerisch, sondern auch im wissenschaftlichen Gehalt dem entspricht, was es sein soll: eine würdige Selbstbesinnung der Bürgerschaft einer berühmten Stadt auf ihre bedeutende Geschichte im Jahre der 900-Jahr379

feier. Das Buch hat sogleich nach dem Erscheinen trotz des relativ hohen Preises (gegenwärtig DM 25.—) ungemein „eingeschlagen“, es hat eine sehr breite Käuferschicht erfassen können. Es ist selbst ein Erzeugnis typisch Nürnbergischer Geisteshaltung, ein Ergebnis raschen, umfassenden Sehens, herzlicher Liebe zur Vaterstadt, demokratischer Vertrautheit mit den Problemen des eigenen Nestes, ernsthaft-humoristischer Schlagkraft im Ausdruck; man findet hier eine treffende Charakteristik fast aller geistig-künstlerischen Leistungen dieser Stadt, ihr Bild ist unwahrscheinlich gelenkig geworden und zeitlich nahegerückt. Das alles sind Vorzüge, die den wissenschaftlichen Beurteiler zunächst nachdenklich stimmen möchten; gerade der Heimatforscher schlägt sich mit seinen größeren oder kleineren Einzelproblemen Jahr um Jahr herum und wagt je länger je weniger die stark aufgetragene Synthese. Er sieht sich vor solch einem Buch zunächst geschlagen und überflüssig. Vieles, was ihm wichtig erscheint, klingt in solch einem Buch nur an; anderes, was ihm weniger wesentlich war, überwältigt ihn durch seinen plötzlichen Glanz; schließlich ergibt er sich in einer Mischung von Bewunderung und Zweifel in sein ärmeres Los. Alles in allem: das Buch atmet von Anfang bis Ende jenen geschichtlichen Urinstinkt, den die Geschichtsschreibung verlangt, den man nicht eigentlich lernt, sondern entfaltet. Daß er hier durchaus von der Stadt selbst her, nicht so sehr von außen, etwa vom „Reiche“ her, von den vielen hier durchflutenden Macht- und Geistesströmungen her zur Entfaltung kommt, liegt im Untertitel „Lebensbild einer Stadt“. Die Wissenschaft arbeitet methodisch anders, sie findet ihre befriedigenden Lösungen niemals, wenn sie sich mit dem Gegen­ stand ihrer Forschung gleichsetzt, in ihn hineinschlüpft, sie trägt die Maßstäbe von außen heran. Daß dabei viel Glanz verloren geht, den die Liebe sieht, kennzeichnet die Standpunkte. Trotzdem ist man erstaunt, daß Kusch wesent­ liche Verzeichnungen kaum werden nachgewiesen werden können. Es ist das morphologische Feingefühl, das ihn trotz einer im Grunde nicht wissenschaft­ lichen, sondern intuitiven Methode auch größere und ganz große Zusammen­ hänge aus den sicher abgesteckten Binnentatsachen erfühlen läßt. So werden alle Biographien geschrieben. Höhepunkte des Buches, auch nach der wissenschaftlichen Seite hin, sehe ich in der ausgezeichneten Darstellung der Zeit Ludwigs des Bayern und der überaus gegensätzlich herausgestellten Ära Karls IV. mit all den inneren Spannungen, die sich für Nürnberg aus diesen beiden Gestalten ergaben. Glänzend ist die Zeit größter künstlerischer Talente der Stadt erfaßt; wiederum stark auf Gegensatz gearbeitet etwa Wolgemut und sein „Schüler“ Dürer. Die ältere Handelsgeschichte der Stadt erhält bei aller Beschränkung auf wenige Züge auf einer einzigen Seite, auf die viele Ansätze hinstreben, eine meiner Ansicht nach neue und wesentliche Beleuchtung. Neu ist die um­ fassend gesehene Rolle, die Nürnberg in der Musikwissenschaft spielt; hier war man auf sehr verstreute Nachrichten angewiesen, die längst zur Gestaltung aufforderten. Die Reformationszeit ist zwar kurz behandelt, doch überrascht gerade dieser Teil durch sehr nachdenkliche Urteile z. B. über Osiander, die zwar eine Vertiefung vertrügen, aber an sich gerechtfertigt erscheinen; der spätere Melanchthonianismus der Stadt ist auch das Ergebnis eines nie ganz ruhenden ökumenisch-seelischen Kampfes dieser kerngesunden Stadt, wenn man so sagen darf. Sollte nicht der 1. große calvinistische Emigrant Le Grand 1562 Erwähnung verdienen? Ich glaube auch, daß die Periode des Nachlassens der Kräfte im 17. und 18. Jahrhundert, gekennzeichnet durch eine auf die Spitze getriebene Ökonomie in der Verwaltung materieller und geistiger Erb­ schaften, richtig und ergreifend genug geschildert ist. Etwas weniger dicht und prägnant ist die Frühgeschichte der Stadt gefaßt, auch topographisch gesehen; es fehlen hier allerdings noch sehr die Grund380

lagen, das Urkundenbuch, aber auch Arbeiten, wie wir sie etwa für die Rechts­ geschichte Rothenburgs haben. Die Staufenzeit, das Herauswachsen der patriziatischen Verfassung aus „landgerichtlichen“ Anfängen vertrüge noch manches Glanzlicht. Auch die Art, wie die Stadt zu Ende der staufischen Periode den „ritterlichen“ Lebensstil in den bürgerlichen umzuwandeln verstand, wie etwa höfischer Sang und Mystik in bürgerliche Anfänge umgegossen wurden, könnte noch positiver herausgekehrt werden; der „weiche“ Stil in der Nürnberger Kleinkunst steht am Anfang der gesamten Nürnberger Kunst. Das in allen äußeren Zusammenstößen köstlich geschilderte Burggrafenproblem könnte noch drastischer mit rechtsgeschichtlichen Mitteln abgerundet werden. (Deutsches und römisches Rechtsdenken!) Am meisten habe ich die rechte Belebung der vielgestaltigen Vorgänge zu Ende der Reichsstadtzeit vermißt, die merkwürdige Neubelebung der Nürnberger Kunst im Augenblick der letzten politischen Agonie, die „Pariser“ Kolonie der letzten Nürnberger Akademisten, die früh­ zeitige Rheinbundstimmung der kulturell interessierten Kreise, Namen wie Heideloff, Fleischmann, Friedrich Geißler, Peter Geißler vermißt man ungern. Das Nürnberg des beginnenden 19. Jahrhunderts ist voller innerer Spannungen, die freilich das Schicksal hatten, sich an wenig bedeutenden Geschehnissen (Kaspar Hauser!) zu entzünden. Das geistige Gesicht Nürnbergs in dieser Zeit ist bedeutender, als man bisher glaubte; G. Pfeiffers grundlegender Aufsatz über Ghillany, A. Jegels Arbeit über Fr. Campe u. a. kann einem hier die Augen öffnen. Der Schicksalsweg des „romantischen“ Nürnberg im 19. Jahr­ hundert ist letzten Endes der Anfang vom Ende des alten Stadtbildes; das wiederentdeckte „Schatzkästlein“ des Reiches wurde schließlich in den Strudel der Vernichtung hdneingezogen. Man hat Hemmungen, angesichts der plastischen Schönheit von Kuschs Buch zu kritischen Bemerkungen anzusetzen. Es geht doch weit hinaus über ähnliche Arbeiten, wie Uhde-Bernays’ Rothenburg. Ist es dem Verfasser nicht sogar gelungen, das Gebiet der Sage seinem Geschichtsbilde organisch einzu­ flechten, was bisher außer W. Kraft noch niemand so glücklich gewagt hatte? Es sind meist Wandersagen, die hier auf gegriffen wurden; selbst die Imhöfische Pokalsage hat sich an 2 verschiedene Stiftungen der Imhof angesetzt: an das Lorenzer Tabernakel und an den St. Johannisaltar der Renaissance, vor dem in evangelischer Zeit die Copulationen stattfanden. Manches zu tiefst geschicht­ liche Verhältnis der Stadt ist noch überaus wenig erforscht, sodaß die organi­ satorischen Grundlagen des „evangelischen Territoriums“ Nürnberg in einer Anmerkung gestreift werden mußten: in Wirklichkeit hat Nürnberg hier eine für die Gestaltung des territorialen Protestantismus geradezu bedeutende Rolle gespielt, ein ewiges Menetekel für fürstliche „Säkularisatoren“. Man kann auch kulturell diese Dinge kaum ernst genug nehmen. Wenn es wohl auch nicht im Plan des Buches liegen konnte, die Geschichte der Stadt im Spiegel der Reichs­ geschichte zu verfolgen, so wäre doch die Charakterisierung des Verhältnisses zu anderen Reichsstädten, insbesondere den „mitausschreibenden“, wertvoll gewesen; so ergibt sich z. B. aus dem Verhältnis zu Straßburg das Verständnis für die raffinierte Unionspolitik 1608/18 und noch viel mehr (Verhältnis zu Kursachsen und Kurbrandenburg). Ganz anders steht Nürnberg zu Augsburg und Frankfurt, wo die „Mercatores“ den Ausschlag gaben. Ich halte das Buch von Kusch auch für den künftigen Nürnberger Forscher für wertvoll, weil es seit einem halben Jahrhundert wieder einmal eine Zusammenschau von großer Farbentreue wagt; die Nürnberger Geschichtsluft ist umfassend eingefangen. Einer künftigen rein wissenschaftlichen Darstellung der Stadtgeschichte steht das schöne Buch mit den unübertrefflichen Bildern in keiner Weise im Wege; ja, es wird sie entlasten. Man möchte meinen, daß für eine solche die Zeit noch nicht ganz reif sei. H. Gürsching. 381

Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, herausgegeben vom Institut für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen. 10. Band. Verlag Lor. Spindler-Nümberg. XVIII 3. 46 S. 8°. 2,60 DM. Erfreulich, daß das Institut für Fr. Landesforschung an der Universität Erlangen wieder an die Öffentlichkeit treten kann. Allerdings, das Warten von 7 Jahren ist nicht gleichbedeutsam mit Stillestehen gewesen. Wie der Tätig­ keitsbericht des verdienten Vorstandes, Prof. Dr. v. Guttenberg, zeigt, ist auch in dieser Zeit emsig gearbeitet worden. Alle Abteilungen, die landesgeschicht­ liche, geographische, geologische und germanistische haben in edlem Wettstreit sich eifrig bemüht, das Werden und Entstehen der fränkischen Landschaft auf­ zuhellen. Nimmt man noch dazu das Verzeichnis der seit 1942 der Universität Erlangen vorgelegten Arbeiten aus dem Bereich der fränkischen Landes­ forschung, das S. XIII—XVII sich findet, so kann man nur staunen über die Fülle dessen, was für unser Frankenland hier erarbeitet wurde. Auch für die Kirchengeschichte findet sich manches Wichtige. Vor allem wird begrüßt, daß die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg aus der Feder des Vorsitzenden in einer 3. Lieferung festgesetzt werden konnten. Wurm, Gertrud behandelte Bischof und Kapitel in der Bamberger Gegenreformation 1945; Strobel, Erwin die Entwickelung des prot. Kirchenstuhlrechtes in der Stadt Hof 1948; Hirschmann, Emst das Konsistorialrecht der ev.-luth. Kirche im ehemaligen Fürstentum Bayreuth 1948; Neumar, Rudolf die recht­ liche Stellung des Domkapitels im Fürstbistum Bamberg von der Gründung bis 1693, 1949; Fab er, Konrad die staatsrechtliche Stellung des Stiftes St. Ste­ phan in Bamberg 1949; Hauck, Hch. Rechtsgeschichte des hl. Geistspitals zu Rothenburg o. d. Tauber 1950; Heidacher, Alfred die Entstehung und Wirtschaftsgesichte des Klosters Heilsbronn bis zum Ende des 15. Jahrhdts. 1948. Nur schade, daß das Wenigste durch den Druck den Weg in die Öffentlichkeit finden konnte. Man möchte aus mancher Arbeit, wie von der über die Konsistorialverfassung in Bayreuth, ersehen, welche grundsätzlich neuen Erkennt­ nisse gewonnen wurden, ob das alte Bekannte, wie hier die Arbeiten Vogtherrs, wirklich der Nichterwähnung wert waren. Das besondere Interesse wendet sich natürlich der Arbeit von Hanns Hubert Hofmann: „Nürnberg, Gründung und Frühgeschichte“ zu. Ein jeder Freund der Vergangenheit begrüßt es, daß der im Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg einst gehaltene Vortrag nun mit dem wissenschaftlichen Rüstzeug versehen gedruckt wurde. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß damit alle bisherigen Arbeiten zu einem ge­ wissen Abschluß gekommen sind und hier die Grundlage für alles weitere Ar­ beiten geschaffen wurde. Die These, daß Nürnberg seine Entstehung der weit­ ausschauenden Reichspolitik Heinrich III. verdankt und speziell die Feldzüge gegen Böhmen der Anlaß zur Gründung waren, dürfte schwer zu erschüttern sein. Dieses Ergebnis wurde aber dadurch erzielt, daß nicht nur all die neueren Forschungsergebnisse in wissenschaftlicher Weise verwertet und gegeneinander abgewogen wurden, sondern daß die Lösung der Frage vom Standpunkt der Reichsgeschichte unternommen wurde. Im ersten Teil setzt sich der Verfasser mit den bisherigen Versuchen zur Lösung dieser Frage auseinander. Der 2. Teil behandelt die siedlungsgeschichtlichen Grundlagen um Nürnberg. Daran schließt sich die Gründung Nürnbergs durch Heinrich III., um in einem 4. Teil kurz die Entwicklung bis zum 13. Jahrhdt. zu behandeln. Die Arbeit zeigt uns aber, wie viel noch zu tun ist, um zur vollen Klarheit zu gelangen. Es soll nur auf Etliches aufmerksam gemacht werden. Wie verhält sich die fränkische zur bayer. Kolo­ nisation? Die Franken scheinen doch an der Rednitzlinie Halt gemacht zu haben. Oder wie verhält sich die Kirche in Poppenreuth zur Kirche in Fürth? Beide verfügen über ausgedehnten Grundbesitz, ist das nicht von besonderer Bedeutung? Zum Patronat des Pfarrers v. Sebald gehörte die Pfarrei Bruck. Ist das nicht wichtig für die erste Zeit? (S. 12 Z. 8 dürfte es wohl heißen: 382

S. Sebald.) Die Gestalt des Sebald ließe sich vielleicht schärfer fassen, wenn man seine Verehrung (von der Donau her) schärfer ins Auge fassen würde und den Kern der heiligen Legende zu ergründen suchen würde. Doch mögen diese kurzen Bemerkungen genügen. — Die Ausführungen Dr. Fritz Schnelbögls „Nürnberg im Verzeichnis der Tafelgüter des römischen Kö­ nigs“ 1065, mit denen das Heft schließt, werden die Forschung lange hinaus anregen. Die Deutung, die hier die schwierige Urkunde findet, ist nicht nur scharfsinnig, sondern auch bestechend. Und doch. Ist der ganze Text einwand­ frei? Das „Nurrenwat cum mille mansis“ ist ein Fremdkörper. Auch die Na­ men der andern Orte sind schwer zu deuten. Kann denn schon eine sichere Lösung versucht werden? Wenn auch das castrum Nurenberc VII servitien zu liefern hatte und in diesen VII servitien die vorher aufgeführten enthalten sein sollen, so fehlt immer noch das 7. servitium. Der Verfasser denkt, das 7. servitium hätte der von Dr. Pfeiffer bei der Burg eruierte Bauhof zu leisten ge­ habt. Aber es heißt hier castrum. Und bei den 2 servitien, die Nürnberg zu leisten hatte, könnte man denken, daß die beiden Höfe bei St. Jacob und bei der Burg je ein servitium leisteten. Die Deutung der Orte ist sehr schwer. Havenberc soll Heimburg sein; für Turenborc hat sich noch keine Deutung finden lassen; es muß doch in der Nähe Nürnbergs gelegen haben. Botinga könnte Peunting b. Altdorf sein, das sehr früh erwähnt wird. Seybol dürfte wirklich Schübelsberg sein; nur sei darauf aufmerksam gemacht, daß es heute noch ein festes Haus Schübelberg gibt; es schützt mit Schoppershof den Renn­ weg, der dann im weiteren Verlauf von Weigelshof und Rechenberg, samt dem Vorwerk Winzeiberg betreut wird, denen dann der Spitalhof und Schafhof fol­ gen. Eine gedankenreiche Studie, die hoffentlich zu neuem Forschen vielen der Anlaß wird. Das Verhältnis Schübelsberg/Rechenberg dürfte noch zu klären sein. K. Schornbaum. Schwemmer, Wilhelm. Die Kunstdenkmäler des Landkreises Hersbruck mit einer geschichtlichen Einleitung. 1950. Karl Pfeiffers Buchdruckerei und Verlag. Hersbruck. 66 S. Für die, welche 1949 an den Fahrten des Vereins in die Hersbrucker Schweiz sich beteiligt haben, war von besonderem Wert die auf umfassender Sach­ kenntnis fußende feinsinnige Erläuterung, die Dr. Schwemmer überall zu geben wußte. Sie alle werden sich freuen, wenn sie dieses Büchlein in die Hand nehmen. Denn hier finden sie kurz aber erschöpfend die seinerzeitigen Aus­ führungen gut niedergelegt, ja noch mehr, sie bekommen das gleiche Bild von dem ganzen Hersbrucker Land. Aber auch die, welche nicht an jenen Fahrten teilnehmen konnten, werden mit Gewinn dieses Büchlein zur Hand nehmen. Ein vortrefflicher Führer, wenn sie selbständig jene Gegend durchwandern. Ob allerdings alle ganz ermessen können, welche Fülle von Arbeit und Mühe hin­ ter all den Angaben steckt, ob alle ermessen, welches scharfe Auge dazu ge­ hört, um alles recht zu werten und würdigen. Der Verfasser beginnt mit einem kurzen Abriß über die Geschichte des Hersbrucker Landes. Was sich jetzt als Wahrheit erweisen läßt, hat er mit sicherer Hand zusammengestellt. Es wirkt wohltuend, wie von allen Hypothesen abgesehen wird. Daran schließt sich die kurze Beschreibung der einzelnen Kunstdenkmale, meist Kirchen und Schlösser. Aber die Beschreibung faßt alles ins Auge; vom größten bis zum kleinsten; und nicht nur schaut sie auf die fernere Vergangenheit, sie schaut auf die nächst vergangene Zeit. Den Abschluß bilden 1) die kurze Zusammenstellung aller Denkmale nach Stilgruppen, 2) die Entwicklungsgeschichte des Bauernhauses. Die Aufgabe, die sich das Büchlein stellt, wird bestens gelöst. Man lernt schauen in die Vergangenheit; so manche einheimische Künstler werden auf einmal wieder lebendig. Wie lehrreich zu sehen, wie nach der Zeit des Mittel­ alters erst wieder der Barock sich reichlich bemerklich macht und das Bild des 383

Hersbrucker Gebietes gestaltet. Vielleicht könnten noch berücksichtigt werden die mancherlei Grenzsteine bei Waller, Hofstetten, Willersdorf etc., die einst H. Enslin alle aufnahm; in der Pfinzingschen Karte sind sie ja alle verzeichnet. Die Kunstdenkmale in Hersbruck hat Volkmar Wirth im Hersbruck-Laufer Wochenblatt 1905, 57. Jahrg., Nr. 43—73 genau beschrieben. Zu S. 11: Der Allar­ schrein ist leider dem Krieg zum Opfer gefallen. — S. 12: Diakone waren der 2. u. 3. Pfarrer. — S. 20 u. 37: Frühmesserhaus (primissarius), Mesner = mansionarius. — S. 25: Nehr s. Jahresbericht von Mittelfranken 7, 15 (1836). — S. 19: Fischer, Jahresbericht 1853. — S. 44: Kirchenheiliger v. Reichenschwand war St. Alban. — S. 46: Kapelle von Thalheim, von Peter Tezel gestiftet. — Die Kirchen sind alle ev.-lutherisch. K. Schornbaum. Nürnberger Urkundenbuch. 1. Lieferung (Bogen 1 bis 10), heraus­ gegeben vom Stadtrat zu Nürnberg, bearbeitet vom Stadtarchiv Nürnberg (Nürnberg, Selbstverlag des Stadtrats) 1951. Das Nürnberger Urkundenbuch hat selbst schon eine kleine Geschichte hinter sich. Bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Aus­ sicht genommen, wurde es ernsthaft bearbeitet seit 1888. Widrige Umstände, nicht zuletzt die Weltkriege mit ihren Folgen, haben die Herausgabe immer wieder verzögert. Heute freut sich jeder Nürnberger Geschichtsforscher des endlich geglückten ersten Wurfs, dem die nächsten Lieferungen in regel­ mäßigen Zeitabständen im Verlauf weniger Jahre folgen sollen. An dem Werk sind drei Persönlichkeiten maßgeblich beteiligt, die früheren Leiter des Stadtarchivs Dr. Ernst Mummenhoff und Dr. Reinhold Schaffer, und der jetzige Stadtarchivdirektor Dr. Gerhard Pfeiffer. Es ist — zumal dem Außenstehenden — kaum möglich, die Anteile der drei Bearbeiter auseinander­ zuhalten. Und doch wird man dem Letztgenannten für die Energie, mit der das Werk zum Abschluß gebracht wurde, und zwar in so mustergültiger Form, be­ sonders dankbar sein müssen. Die Anlage des Buches ist etwas neuartig: Es sind hier, wenigstens aus den ersten Jahrhunderten, alle irgendwie erreichbaren Quellen, die über Nürn­ berg aussagen, zusammengetragen, ob es sich nun um Urkunden i. e. S. han­ delt oder um Briefe, Notizen in Traditionsbüchern, in Rechnungen und sonsti­ gen Ueberlieferungen. Alle chronikalischen Stellen über Nürnberg sind, wenig­ stens in den Anmerkungen, zu finden. Selbst die Nachrichten über Nürnberg bei den Dichtern (Walther von der Vogelweide) wurden, um ein denkbar voll­ ständiges Bild zu geben, mit Recht auf genommen. Je nach der Bedeutung der einzelnen Belege sind sie im Wortlaut oder in Regestenform wiedergegeben. Erstaunlich ist die Fülle der Quellen werke und der Literatur, die hier hinein­ gearbeitet wurde und die nun dem Benützer freigiebig dargeboten wird, dabei immer in der bescheidensten Form, die sich denken läßt. Umfangreiche Auseinandersetzungen, wie 'etwa die zum Diplom König Heinrichs (VII.) von 1225, XI. 30 (Nr. 205) oder die meisterhafte Terminsbe­ stimmung für die Bamberger Synode von 1219 (Nr. 162) sind knapp, aber für den Kundigen durchaus genügend, in den Anmerkungen eingefangen; dabei stellen sie — nach ihrem Inhalt beurteilt — ganze wissenschaftliche Abhand­ lungen dar. Nie vermißt man in diesen Ausführungen das wohlabgev^ogene Urteil, auf das es namentlich bei der Feststellung der mittelalterlichen Ur­ kundenfälschungen so sehr ankommt. Bei jedem Nürnberger Hoftag wird die ganze chronikalische Ueberlieferung dargeboten und erörtert. Tritt eine neue Familie auf, die mit Nünberg zu tun hat, ob als Burggrafen oder kaiserliche Beamte, als Reichsministerialen in der Umgebung der Stadt oder als einflußreiche Patrizier, so wird deren Früh384

geschichte anmerkungsweise in nuce beigegeben. Das erstmalige Auftauchen des Aegidienklosters gilbt Anlaß zu einer Besprechung der frühesten Quellen des Klosters. Und ist nicht in den Regesten 94 und 100 praktisch eine Früh­ geschichte des Nürnberger Münzwesens gegeben? Kaum eine wichtigere Nach­ richt dürfte übergangen worden sein, alle erreichbaren Quellen sind herange­ zogen, selbst die noch ungedruckt vorliegende Fortsetzung der Bamberger Regesten von Univ.-Prof. Dr. E. Frhr. von Gutteniberg wurde dank der groß­ zügigen Genehmigung ihres Verfassers eingesehen, ein schönes Beispiel selbst­ loser gegenseitiger Gelehrtenhilfe. Die Nürnberger Geschichtskunde ist durch das neue Urkundenbuch um ein gutes Stück vorwärts gekommen. Seine Auswirkungen in der Erforschung der älteren Geschichte unserer Stadt und ihrer Umgebung werden bald sichtbar sein. Einige Vorschläge für die weitere Bearbeitung und für das Register: Mag man auch ein Urkundenbuch in der Regel vom Register her benützen, so wäre es für den Leser doch eine Erleichterung, wenn jene Stellen im Text, die den Namen Nürnberg bringen, durch Sperrdruck hervorgehoben wür­ den, damit man nicht z. B. in einer umfangreichen Zeugenreihe erst nach dem Namen lange zu suchen braucht, auf den es hier in erster Linie ankommt. Bezüglich einiger Urkunden bezweifele ich, daß sie sich im Urkundenbuch zu Recht befinden: Die Urkunde von 1109, VI. 14 (Nr. 25) und die von 1205, IV. 14 (Nr. 116) beziehen sich bestimmt nicht auf Schnepfenreuth bei Nürnberg. In den genannten Klosterurkunden erscheint Schnepfenreuth jeweils in dieser Reihenfolge: Krummennaab (bei Erbendorf), Eppenreuth (nördl. Neustadt/ W.-N.), Schnepfenreuth, Cretsinreuth (= Grötschenreuth bei Erbendorf), Her­ bindorf (Eibendorf). Gehören sohin die vorhergehenden und die nachfolgenden Orte dem gleichen Raum nördl. Neustadt/W.-N. an, so ist auch Schnepfenreuth dort zu suchen. In einer Urkunde vom Jahre 1423 (RB. VIII, 23) wird tatsächlich neben dem obengenannten Eppenreuth auch ein Schnepfenreit erwähnt, das vom Bearbeiter des Registers zu Reg. Boica J. Wiedemann mit Schnepfen­ hof nördl. Neustadt/W-N. identifiziert wird. Sollte nicht auch Snichenrut (Nr. 98) der Weißenoher Urkunde von 1195 gleichfalls in der nördl. Oberpfalz und zwarNin der Gegend von Kemnath zu suchen sein, nachdem die in der Urkunde darauffolgenden Orte Spieresdorf = Speichersdorf und Immenreuth ebendort gelegen sind? Auch das in den Urkunden von 1182, V. 9 (Nr. 83) und 1182, VIII. 11 (Nr. 84) genannte Schnepfenreuth möchte ich lieber in der Aurach-Gegend annehmen. Der Wortlaut der letztgenannten Urkunde läßt darauf schließen, daß es sich bei diesem Schnepfenreuth um einen Ort in der Nähe des Aurachflusses („iuxta fluvium Vraha“) handelt, der entweder abgegangen ist oder umbenannt wurde. Die Ortsnamen haben in dieser Urkunde keine Präposition; nur wenn sie näher bestimmt sind, tritt die Präposition „in“ an: decinam in Zodenruote, curiam in Owe, also auch: sex mansos iuxta fluvium Vraha in Snephenruote. Für meine Auffassung spricht auch, daß das Kloster St. Theodor in Bamberg nach dem ältesten Urbar noch im 15. Jahrhundert (Staatsarchiv Bamberg, Bam­ berger Standbuch Nr. 4890, Fol. 2a) in Aurach Besitz hatte. Zum Regest von 907, III. 19 (Nr. 1) sei hervorgehoben, daß neben Fürth bei Nürnberg mit mindestens demselben Recht wie Furth i. W. oder Furth, Ldkr. Altötting auch F o r t h an der Altstraße Forchheim—Hersbruck als Aus­ stellungsort in Anspruch genommen werden kann. Der Ort wurde bisher nur deshalb nicht in Betracht gezogen, weil er in neuerer Zeit die Namensform mit „o“ angenommen hat, während er früher regelmäßig Furt hieß. Dem Dank des Vereins an die Bearbeiter schließe sich an der Dank an die Stadt, die die Herausgabe des Werks auf sich genommen hat und hoffentlich recht bald die Früchte des Unternehmens in Gestalt aufschlußreicher Unter­ suchungen zur Frühgeschichte Nürnbergs ernten wird. Dr. Fritz Schnelbögl. 26

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Zu Nürnberger Urkundenbuch Nr. 249. Die Urkunde Nr. 249 des Nürnberger Urkundenbuches vom 7. Januar 1234, die nur in einer Abschrift vom Jahre 1504 erhalten ist, dürfte vermutlich erst aus dem Jahre 1274 oder 1284 stammen. Im ersteren Falle hätte der Würzburger Kopist statt einem L ein X übertragen, im anderen Falle wäre die falsche Da­ tierung durch Auslassen des L bei der Abschrift zu erklären. Für die bedeutend spätere Ansetzung dieser Urkunde spricht folgendes: Die Lebenszeit der in der Urkunde erwähnten Nürnberger Patrizier fällt auf Grund der Nennung in anderen Urkunden in das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts. So finden wir die drei Brüder Friedrich, Herdegen und Lupoid Holzschuher erst in den Jahren 1269—1291 zahlreich urkundlich belegt (Chroust-Prößler, Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg, Erlangen 1934, S. XXIII f.). Das Auftreten des Sifrid Ebner würde ebenfalls ganz vereinzelt stehen, erst in den Jahren 1251—1263 wird ein Albertus Ebner fünfmal bezeugt, während Sifrid Ebner — doch wohl der Gleiche wie in der fraglichen Urkunde — erst in den Jahren 1274—1282 gleich fünfmal belegt ist (Manuskript des Nürnberger Ur­ kundenbuchs). Ähnlich ist es bei der Familie Forchtel. In den Jahren 1236—1276 finden wir allein Berthold und Konrad Vorchtel, Vater und Sohn, zahl­ reich belegt, während ein Heinrich Vorchtel, soweit ich sehe, erst 1282 genannt wird (G. W. K. L o c h n e r, Der Ausgang der Vorchtel, Mitteilungen des Ver­ eins für Geschichte der Stadt Nürnberg 2 (1880), S. 1 ff.; sowie der noch unge­ druckte Teil des Nürnberger Urkundenbuchs). Dieses in drei Fällen überein­ stimmende spätere Auftreten der in der fraglichen Urkunde genannten Per­ sonen macht deren spätere Ansetzung doch sehr glaubhaft. Dr. Gerhard Hirschmann.

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Der ursprüngliche Bereich des Königsgutes Velden

Abb. 1: Euchariuskapelle. Inneres nach Osten.

Abb. 2: Euchariuskapelle (Südansicht) während der Renovierung 1949.

Abb. 3: Zustand der Euchariuskapelle nach der Zerstörung (Ansicht von Westen).

Abb. 4: Ausgrabung 1946. Ansatz des Chores der Euchariuskapelle.

Abb. 5a: Ehemaliges romanisches Kundbogenfenster, Ansicht vom Treppenturm.

Abb. 5b: Reste eines romanischen Torbogens an der Euchariuskapelle.

Abb. 6a: Fenster in der Ostwand der Wolfgangkapelle vom Gewölbe der Euchariuskapelle gesehen.

Abb. 7: Widerlager eines Bogens in der ehemaligen Nordwand der Wolfgangkapelle.