Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [40]

Citation preview

Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Vierzigster Band

NÜRNBERG KOMMISSIONSVERLAG "DIE EGGE" 1949

Herausgeber: Prof. D. Dr. Karl Schornbaum Ardiivdirektor i. R.

Druck: K. Müller Torrn. Fr. Feuerlein, Roth b.Nbg.

INHALT: Seite Nürnberg im Geistesleben des 16. Jahrhunderts Ein Beitrag zur Geschichte der Konkordienformel Von Archivdirektor i. R. D. Dr. Karl Sdiornbaum . .

1

Aus der Geschichte der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg Von Konservator Dr. Wilhelm Schwemmer.................. 97 Nürnberg und der Stahlstich Von Archivrat Dr. Heinrich Gürsching........................... 207 Beiträge zur Geschichte der Nürnberger Stadt­ bibliothek Von Staatsarchivreferendar Dr. Max Piendl.................. 236 Miszelle: Zum Briefwechsel Melanchthons Von Archivdirektor i. R. D. Dr. Karl Sdiornbaum

.

240

Nürnberg im Geistesleben des 16. Jahrhunderts. (Ein Beitrag zur Geschichte der Konkordieniormel) von K. Schornbaum.

I Die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bedeutet für die Reichsstadt Nürnberg ein erbittertes Ringen auf religiösem Gebiet. Die Bürgerschaft hing an Luther1); das Wirken Osianders, Veit Dietrichs war nachhaltig genug gewesen. Nicht nur wenige glaubten eben aus ihrer Verehrung für Luther schuldig zu sein, einem seiner entschiedensten Schüler, Flacius, sich anschließen zu müssen2). Rege, wie die Bürger in geistiger Hinsicht waren, öffneten manche sich Schwenkfelds Ge­ danken’). Und auch die am weitesten abseits stehenden Wiedertäufer suchten hier immer wieder Einlaß. Am 25. Oktober 1565 verzeichnen die Verlässe der Herren Eltern: letzlich, weil die Wiedertäufer mit einem solchen Haufen hieher kommen und etlich tag hier verharrt, soll man auch ferner bedenken, wie solchs und sonderlich, daß hieige Bürger nit zu inen gen, zu verhüten — Kriegs­ herren. Die Patrizier dagegen verehrten Melanchthon. Die Verdienste des praeceptor Germaniae um die Stadt konnte man nicht vergessen. Wie eng war das Band, das ihn mit einzelnen Ratsherren, vor allem mit Hieronymus Baum­ gartner, dem Nürnberger Kirchenherren, verbunden hatte. Der reiche Briefwechsel gibt davon laut Zeugnis. Der charaktervolle Paul Harsdorfer (1546—1612), der sich offen als Lutheraner bekannte, stand einsam unter seinen Standesgenossen4). Von den gelehrten Leuten war Dr. Christoph Hardesheim, genannt Herdesianus, der viel vermögende Jurist der Stadt, ausgesprochener Calvinist5)- Unermüdlich ist er für Verbreitung der reformierten Lehre in Wort und Schrift tätig ge­ wesen; allerdings schrieb er meist unter fremdem Namen. Der Ratschreiber Matthias Schiller dachte nicht anders5*). Andere, wie der Arzt Dr. Gg. Rücker4) hielten sich dagegen zu den Lutheranern. Die Geistlichen waren ebenso ge­ spalten. Die Gebrüder Johann Kaufmann6*) (1532—1596) und Christoph Kauf­ mann (1529—1579 f 15806b) waren Lutheraner; die drei vordersten Geistlichen Maur. Heling bei St. Sebald, Laur. Dürnhöfer bei Aegidien und Joh. Schelhamer bei St. Lorenz Melanchthonianer. Die beiden ersteren wurden aber offen als Calvinisten bezeichnet. Vermittelte doch Dürnhöfer den Schweizer Theologen genaue Kenntnis von den Bemühungen der luth. Theologen; Heling den Cal­ vinisten in Pieußen, seiner Heimat, an deren Spitze Fabian von Dohna stand7). Die Drucklegung des „Consensus" und anderer, calvinischer Schriften von Herdesians Seite, wenn auch unter falschem Namen, erregte sogar das Mißfallen des ihm sonst sehr gewogenen Rates8)). ‘In der damaligen Zeit kannte man kein friedliches Zusammenleben bei ge­ trennten Anschauungen, man kannte kein Kämpfen mit geistigen Waffen. Jeder fühlte sich verpflichtet, seine Meinung offen kundzutun, Abweichendes offen zu bekämpfen. Dabei fand man nichts dabei, der Sache eine persönliche Note zu geben. Calumnieren und Holhippen war an der Tagesordnung. Geistliche und Laien taten es in gleicher Weise. 1585 erklärten Barthol. Pömer, Julius u. Anton Geuder, Paulus Coler im Auftrag des Rates den Geistlichen: „So were doch nicht allein ganz abscheulich und l

ergerlich, sonder auch keineswegs zu gedulden, das sie die herren Theoiogi als minder nicht auch andere eins erbaren rats kirchendiener. wenn sie je bis­ weilen nach gelegentheit ihrer vorhabenden materien oder sonsten ex proposito zu confutierung der irrtum oder gegenter griffen, sich darin so hitzig erzeigten, das sie mehr mit feindseliger verhaßter insectation der personen als mit hailsamer Widerlegung der irrtumen selbst, oder lehrhafter Unterweisung der ainfeltigen Zuhörer occupiert weren. Indem sie dann iren privat- und aignen affecten so weit indulgirten und nachhingen, das sie nicht allein ausländische fremde leut und kirchen mancherlei Irrtumb und kezerei öffentlich beschuldig­ ten, verlesterten und verdampten, sondern auch wol ire selbst collegas und mitbrüder auch eins erbaren rats academien und schulen und derselben zu­ getane und verwandte um schlechter geringer Ursachen willen in ebenmeßigen verdacht und argwon zügen, dergestalt, wann dieselben sich aus sondern be­ denklichen Ursachen nit gleiches eifers und hitzigkeit mit condemnirung fremder ort, kirchen und schulen in iren predigten gebrauchen, ungeacht ob sie schon das gemeine volck vor den schedlichen irrtumben sonsten gnugsam verwarnen, oder wann sie nicht allwegen in materia coenae dominicae' gleichstimmige phrases oder reden mit ihnen füren, das sies alspalden für stumme hund und heim­ liche sacramentirer ja ergere und schedlichere leut, dann die öffentlichen sacramentirer, Calvinisten oder andere selbst ausschrien"0).

Der Rat sah dieser Entwicklung nur mit immer größerer Besorgnis zu. Die gespannte pol. Lage bedingte die innere Geschlossenheit der Stadt. Und diese mußte man nun) aufs ärgste bedroht sehen. Der Rat vermied es, in den religiösen Kämpfen für eine Partei trotz seiner Zuneigung zu den Melanchthonianern, offen Stellung zu nehmen. Er suchte auf einer höheren Basis die Streiten­ den zu vereinigen. Aber gerade diese unentschiedene Haltung brachte ihn bei den Häuptern der Lutheraner, wie Sachsen, Brandenburg in den Verdacht der Zuneigung zur Schweiz.10)' Es half nichts, wenn man mit besonderer Rücksicht auf den Kaiser10®) immer wieder betonte, ein treuer Anhänger der Augsburger Konfession zu sein. Die Losung „variata" oder „invariata" hätte man klar beant­ worten müssen. 1573 hatte Nürnberg im Verein mit dem Markgrafen von Brandenburg sich für eine neue norma doctrinae entschieden. Eine breite Basis: Neben den loci communes, dem examen Theologicum, definitiones appellationum, responsiones ad impios articulos Bavaricos, responsio jde coritroveij&ia Stancari also sämtlich Melanchthons Schriften, hatte man den kleinen und großen Katechis­ mus, die Augsburger Konfession, Apologie, die Schmalkaldischen Artikel und die repetitio Augustanae Confessionis für das Konzil zu Trient gesetzt. Bei der Augsburgischen Konfession betonte man nicht nur die „letzte", sondern „die „erste, lateinisch und deutsch, wie sie 1561 zu Naumburg ratifziert und unter­ schrieben worden war". In dieser Tendenz lag auch die Wiederaufnahme der gemeinsamen Front in religiösen Dingen, wie sie einst in der Einführung der brandenburgisch-Nürnbergischen Kirchenordnung zum Ausdruck gekommen war11). Die Absicht des Rates, ein festes Bollwerk zur Verhütung von Streitigkeiten geschaffen zu haben, wurde aber bald hinfällig; ja die Streitigkeiten wurden heftiger denn je. Der Prediger bei St. Lorenz Joh. Schelhamer trennte sich von. seinen bisherigen Gesinnungsgenossen; die Frage des Abendmahls ließ ihn zu deren erbittertstem Gegner werden11®). Bei seinem stürmischen Temperament — der Rat hatte oft mit dem furchtlosen Prediger zu schaffen, der für das, was er als Recht erkannte, auch in den Dingen des täglichen Lebens, auf der Kanzel12) eintrat —, schaute der Rat besorgt in die Zukunft.

2

Die Philippisten wurden immer siegesgewisser. Die Gründung der Univer­ sität Altdorf bedeutete für den Philippismus eine bedeutsame Sftärkung seiner Position im Süden des Reiches, umso bedeutsamer, nachdem der Umschwung > in Kursachsen erfolgt war12»). Bereitwillig bot man dem aus Wittenberg ver­ triebenen Pfarrer Dr. Friedrich Widebram ein Asyl in der alten Reichsstadt13). Bei Linhart Wörlein in der Laufergasse fand er Unterkunft. Das steigerte die Erbitterung der Lutheraner. Am 4. Marz 1577 gab dem P. Harsdorfer auch offen Ausdruck. ,,Und nachdem durch Herrn Paulus Harsdorfer bei dieser Handlung mit etwas weitläufiger Erzählung vorgetragen worden, was für Spaltungen der Lehre halben täglich hier einreißen, wie es mit etlichen in specie benannten Herrn Prädikanten und anderen Personen bewandt und geschaffen und in was beschwerliche Nachreden gemeine Stadt deswegen an auswendigen Orten sein soll, daneben auch des aus dem Churfürstentum Sachsen hinweggeschafften Herrn Doctoris Friderici Widebrami Anregung getan, welcher etliche Zeit lang seinen Pfennig allhier gezehrt, ist befohlen,, gedachten Herrn Doktoris Wide­ bram halben Erkundigung zu tun, wo und bei wem er sich bisher gehalten und was sein Tun oder Vorhaben hier sei" verzeichnet der Verlaß des Rates von diesem Tage. Er hatte also sich nicht gescheut, die Personen offen zu benennen, die Träger des Philippismus in der Stadt waren. Einer der bedeutendsten, der Kirchenherr Hi. Baumgartner war abwesend gewesen; Joachim Nüzel beeilte sidv ihn von dem Angriff ii* Kenntnis zu setzen. Es kam infolge dessen am Mittwoch, dem 6. März 1577, in der Ratssitzung zu einem heftigen Zusammen­ stoß zwischen ihm und Harsdorfer, daß der Rat Mühe hatte, Frieden zwischen beiden zu stiften. ,,Die weil Herr Hier. Baumgartner mit Herrn Paulus Hars­ dorfer des Vorbringens halber, da$ gedachter Herr Harsdorfer nechst verschinen Montag der Spaltung halben in Re.igionssachen bei einem erbaren Rat getan, und sonderlich darum, daß er vermeldet, daß meiner Herrn Stipen­ diaten jetzt nicht mehr gen Wittenberg, sondern gen Jena geschickt würden, allda es die rechten Calvinisten hätte, etwas auf stößig worden, also, daß beide Herrn mit harten Worten aneinander erwachsen, soll man beden Teilen sagen, daß meine Herrn solches mit beschwerung vernommen, sie darauf ein Frieden mit Worten und Werken angeloben lassen und den Handel bis zur örterung der Hauptsache verschieben, daneben Erkundung tun, wer derjenige Herr sei, der des Herrn Harsdorfer Anbringen beim Rat alsbald an den Herrn Baum­ gartner gebracht". Man merkt dem Protokoll noch an, wie bewegt diese Sitzung gewesen sein muß. Widebram wurde aufgef ordert mit Rücksicht darauf, in welch prekäre Lage die Stadt bei den ev. Fürsten durch sein längeres Verweilen käme, die Stadt zu veiflassen; ob Dr. Fabius Gugel seine Bitte, ihm nur noch ein Vierteljahr das Verweilen zu gestatten, befürwortete, wissen wir nicht14). Joachim Nüzel aber, der Hier. Baumgartner von dem Vorgehen Harsdorfs in Kenntnis gesetzt hatte, bezeugte der Rat sein Mißfallen (8. III. 1577) „derhalben mit Bescheidenheit anzeigen, daß ihm solches nicht gebürt hat, soll des­ wegen hinfort in dergleichen Fällen behutsamer handeln"15). Aber Harsdorfer bekam Unterstützung von geistl. Seite. Am 7. März 1577 reichte Schelhammer eine Beschwerde gegen Maur. Heling, Laur. Dürnhöfer und Henricus Schmidel beim Rat ein. Er beschuldigte sie offen des Calvinismus. Die Anklage stützte sich auf 3 Punkte: 1) vermieden sie es, von der manducatio oralis ausdrücklich zu sprechen, 2) gäben sie keine Erklärung des Wortes: indigni, 3) vermieden sie jede Verurteilung der Calvinischen Lehre. Schelhamer bezeichnete 3 Punkte in der Lehre Calvins als besonders bedenklich. Gott sei darnach die Ursache des Bösen. Die Praescienz bedinge ja, daß alles,

r

3

Gutes und Böses nach Gottes Willen geschehe. Adam habe im Paradies ge­ sündigt und zwar durch Gottes Antrieb, Zwingen und Bewilligung. Die Gott­ losen verderben öder müssen verderbt werden deo volente. Alles was Gott dem Teufel zulasse oder verhänge, verhänge er ihm also, daß Gottes Wille dazu komme. Zum Zweiten wies er hin auf ihre Lehre von der Taufe. Demnach seien ja die Kinder gläubiger Eltern schon im Mutterleib geheiligt, sie be­ kämen keine Vergebung der Sünden; diese werden ihnen nur obsignirt. Beim Abendmahl leugneten sie die mündliche Nießung und die Nießung durch die Unwürdigen. Sie unterschieden einen sacramentale corpus Christi und einen substantiale. Ersterer sei nur ein Abbild des letzteren. Diesen genießen die Gläubigen im Abendmahl. Er wies ausdrücklich darauf hin, daß Luther, die Nürnberger Kirchenordnung 1533 und das scriptum declaratorium 1563 anders lehrten. Besold habe die rechte Lehre gegen Heling ausdrücklich verteidigt. Mauritius Heling habe viel Ärgernis mit seinen Predigten und Schriften an­ gerichtet; Dürnhöfer habe auf der Kanzel offen für die verjagten Calvinisten gebeten; nicht daß Gott sie erleuchte, sondern daß er ihnen Geduld in der Verfolgung verleihe, auch habe er seinen Sohn zum Studium der Theologie nach Genf gesandt; Schmidtlein habe offen erklärt, er könne Calvin nicht ver­ werfen; Calvin habe doch viel gutes geschrieben16). Schelhamer überreichte auch die Nachschrift einer Predigt Dürnhofers zur Prüfung, ob sie nicht von Calvins Schlag sei. Die Berechtigung der Klage konnte man nicht ab^treiten; der Rat verstand auch, was Schelhamer eigentlich bezwecken wollte. Aber klare Fronten lagen nicht im Sinne des Rates. Einer Desavouierung Helings hätte er nie zugestimmt. So dauerte es manchen Tag, bis man sich über seine Stellung­ nahme schlüssig geworden war. Man beschloß auf die bisher in dieser Sache abgegebenen Äußerungen zurückzugreifen, auf das scriptum declaratorium 156311) und eine an Pfalzgraf Wolfgang von Neuburg ergangene ausführliche Erklärung vom 28. 6. 156118). Letztere hatte besonders ausführlich und eingehend die streitigen Punkte behandelt. Da war die Rede von der „leiblichen“ und „münd­ lichen“ Empfahung des wesentlichen und gegenwärtigen Leibs und Bluts Christi; da waren dde indigni als die „unbußfertigen“ und nicht nach Schweizer Art als „schwachgläubige“ erklärt; kurz Schelhamer, der diese Schrift 1561 mit verfaßt hatte, hatte der lutherischen Auffassung vollen Ausdruck gegeben. Die beiden Schriften legte man am 18. März 1577 den 3 beschuldigten Geistlichen vor und forderte eine schriftliche Erklärung, ob sie denselben zustimmten, im verneinen­ den Fall sollten sie ihre Gründe darlegen19). Und alle 3 gaben nun die Er­ klärung ab, auf dem Boden obiger Schriften zu stehen. Zeltner redet von vafrities und lubrica responsa20). Der Rat aber schlug gerne den sich hier öffnenden Ausweg ein. Am 19. April faßte er ein eingehendes Dekret. Er be­ tont seine Treue zum ev. Bekenntnis besonders in der Lehre vom heil. Abend­ mahl; wenn auch etlichen Privatpersonen die in diesem Punkt eine besondere Meinung verträten, wenn sie in der Stille sich hielten, keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt worden wären, so sei doch für den Rat ein Abweichen von seiner bisherigen Halturig ausgeschlossen. Der Rat wies auf seine 1561 und 1563 eingenommene Haltung hin. Mit Befriedigung konstatierte er, daß auch die irriger Lehre in Verdacht gekommenen Geistlichen sich für dieselbe aus­ gesprochen hätten. Dem ganzen Ministerium sollte davon Kenntnis gegeben und besonders der Wille des Rats, an der von diesen Schriften fixierten Lehre festzuhalten, kund gemacht werden. Ein Abweichen hätte die Entlassung zur Folge21). Am folgenden Tage, 20. IV. 1577, wurde dem ganzen Ministerium das umfangreiche „Decret“ publiziert. Der Bedeutung dieses Aktes entsprach 4

es, wenn Willibald Schlüsselfelder, Philipp Geuaer, Hi. Baumgartner als Ver­ treter der Herrn Öltern und des geheimen Rates zugegen waren; auch der Syndicus Joachim König und der Ratschreiber Matthias Schrlldr fehlten nicht21a). Schelhamer mußte erkenhen, daß sein Vorstoß mißglückt war. Er bat nun um die Erlaubnis, am Sonntag, den 21. April, das ganze Dekret auf der Kanzel der Gemeinde zur Kenntnis bringen zu dürfen und um jährliche Ver­ pflichtung der Geistlichen auf dasselbe. Heling und seine Gesinnungs­ genossen fühlten, was Schelhamer damit bezweckte. Sie wandten sich ent­ schieden gegen das in dieser Forderung zu Tage gekommene Mißtrauen und bezeichneten sie als Eingriff in die Rechte des Rates. Da sprang Nie. Herold, Prediger bei U. L. Frau, Schelhamer bei; er wies darauf hin, daß auch der 1573 getroffene Consens nicht überall beachtet würde, ja die Verwerfung der calvinischen Lehre oft genug unterbleibe. Der wunde Punkt war damit getroffen. Heinrich Schmidlein, der Vikar von Heling, bezeichnete sich sofort als den, auf den der Angriff gemünzt sei. Er gestand zu, nie die Namen von „Sek­ tierern’‘ auf die Kanzel gebracht zu haben; der Rat wäre mit einer Darstellung in thesi zufrieden gewesen und niemand habe ihn aufgefordert mit solchen sectierischen Namen „auf der Kanzel zu toben oder zu fulminieren" Die Kirchenherren Hi. Baumgartner u. Gg. Volkamer hätten bei seiner Berufung auf seine Klage; „daß es jetzt leider dahin kommen, daß wenn einer auf der Kanzel nicht rumoren wollte und poltert und allerlei sektiererische Namen vor die Zuhörer bringt, er für einen Calvinischen ausgerufen wird" ihn gebeten: „allein die Lehre rein und lauter auszuführen, seine Zuhörer vor falscher Lehre warnen und Toben und Schelten bleiben lassen". Von seinem Schwager Herold hätte er allerdings einen Angriff an diesem Ort nicht erwartet. Der Rat brach ab, er fühlte, eine Einigkeit war im Grunde doch nicht erzielt worden22) Man lehnte am 26. April 1577 die Bitten Schelhamers ab; man nahm noch einen erneuten Versuch, Einigkeit unter den Streitenden zu stiften, in Aussicht: und dieweil aus angeregter relation ferner soviel erscheint, daß der Herrn Prädkanten Gemüter noch nicht, allerding zusammenstimmen, sondern noch etwas von einander alieniert seien, soll man Fleiß tun, ob sie wieder zu vertiaulicher reconciliation zu bringen und hiezu zu vermögen und erstlich a parte mit einem jeden in Sonderheit handeln, und wenn die Gebür gewinne, als dann sämtlich erfordern und zu vertraulicher Einigkeit und Versönung zu vermanen'V Ob man nur einen Versuch machte? Erhob nicht Dürnhöfer vor dem ganzen Kapitel St. Egidien die rechte Hand und erklärte, er würde dies Dekret nicht unterschreiben, eher wolle er sich dieselbe abhauen lassen. Er scheiße darauf. Der Rat werde ihm nicht vorschreiben was er predigen solle23). Man mußte noch einen anderen Handel schlichten. Harsdorfer hatte sich entschieden auch gegen Herdesian gewandt. Die Situation war für den Ra1 vielleicht noch schlimmer. Denn das Vorgehen Harsdorfers hatte hier seine vollste Berechtigung. Die Herren Eltern beschlossen 25. April 1577: Auf Ab­ hörung Herrn Dr. Christophori Herdesiani übergebene Bittschrift oder Klagschrift und Herrn Paul 'Harsdorfers darauf gegebene und von seinem Mund aufge­ schriebene Antwort ist befohlen, das Herrn Harsdorfer anzuzeigen, daß ihn keineswegs gebürt hätte, solch anzügliche und sowait ausstehende Sachen öffentlich bei sitzenden Rat vorzubringen, noch viel weniger, dasselbig, was er also vorgebracht, desto weiter auszubreiten, sondern, da er ja seines Ge­ wissens halben, dazu nicht hätte schweigen können, hätte ihm gebürt, solchs zuvor bei den Herrn Eltern vor- und anzubringen und nicht mit solcher Hitzig­ keit und Unbescheidenheit vor einem erbaren Rat herauszubrechen und unschul5

dige Personen besehener Maßen anzutasten mit Warnung, wo hierinnen mehr von ihm geschehe, würden meine Herrn zu gebührlichen Einsehen gegen ihn verursacht werden. Herrn Dodtori Herdesiano auch anzuzeigen, welcher Gestalt sich der Herr Harsdörfer auf seine vorgehaltene Klageschrift entschuldigt. Nichts destoweniger hätten meine Herrn ihm seiner gebrauchten Ungebühr und unge­ schickten Handlung halben ihrer Ehrbarkeiten ernstliches Misfallen anzeigea lassen. Und obwohl ihre Ehrbarkeiten endlich gemeint wären, keiner andern noch frem­ den Lehre in dieser Stadt, denn so bisher im Brauch gewesen, Raum und statt zu geben, so gedächten doch ihre Erbarkeiten, ihm Herrn Doctor und andern ihre Gewissen nicht zu binden, sondern dieselben frei zu lassen. Allein wollten ihre Ehrbarkeiten ihn Herrn Doctor sein selbst Person halben und ihm zum besten erinnert haben, sich des öffentlichen Disputierens in Religionssachen etwas zu maßen, wie man auch dem Herrn Harsdorf eingebunden, ihn hinfort mit Frieden zu lassen. Daneben ist befohlen, mit ihm Herrn Herdesian seiner Be­ stallung halben wieder zu handeln“24). Die Gemüter waren aufgeregt genug. Dem Ratsherren Bürgermeister Bal­ thasar Derrer wurde ein Pasquill zugestellt, das die Aufschrift trug: „Ein Ver­ zeichnis des Calvinischen Regiments zu Nürnberg“. „Darin viel ehrliche christliche Leute und vorderst etliche vornehme Herren des Rats an ihren Ehren an­ getastet und falscher irriger calvinistischer Lehre bezichtigt“. Man stellte um­ fassende Nachforschungen an — es wurden verschiedene bekannte Lutheraner wie Sebald Münsterer24*), der Messingbrenner Andr. Behem24b) eingehend ver­ hört} auch Mag. Nie. Herold wurde vorgerufen und durch Androhung der Entlassung zur Ableistung eines Eides gezwungen, bevor ihm eröffnet worden war, worum es sich handle. Matthias Löffelholz mußte Aufschluß geben über seine Gespräche mit Dr. Rücker, über das Vorgehen Paul Harsdorfers? Äußerun­ gen eines Andreas Gundelfinger am 2. Ostertag wurde eifrig nachgegangen. Man ließ es an keinen Druckmitteln fehlen, um Geständnisse zu erzielen. Aber alle betonten mit aller Entschiedenheit, von der ganzen Sache nichts zu wissen. Es blieb dem Rat nichts übrig, als sich zu bescheiden. Aber er hatte ein deutliches Zeichen von der Gesinnung der Bürgerschaft erhalten. Mag. Nie. Herolts Meinung, daß es sich um eine Fälschung der Calvinisten gehandelt habe, dürfte irrig sein25). Wie gespannt die Lage in jenen Tagen, im Mai 1577, war, zeigt auch ein Ratsveiüaß vom 31. 5. 1577, der in die Gesinnung der Bürgerschaft guten Ein­ blick gewährt: Auf die verlesen relation der mängel oder gebrechen halb, die sich bei den kaplänen im Spital gefunden, soll man inen solch ihrer mängel halben meiner Herren misfallen anzeigen, sie zu Frieden und Einigkeit und erbar guten wandel, auch fleißiger besuchung des kapitels ermanen^ mit bedrohung, bei welchem weiter mängel erscheine oder die geringste clage seinethalbeni Vorkommen würde, gegen dem sollte ein erbarrat mit enturlaubung seines diensts oder sonst in anderweg ein gebürlich ernstlich misfallen zeigen, dem prediger im spital (Chr. Kaufmann) a parte auch sagen, daß er nicht ge­ ringe ursach zu der dissension und Schwierigkeit zwischen herrn Barteime (Bauer) und dem herrn (Johannes) Schnerrer selbst hätte, in dem, daß er den Schnerrer durch den herrn Bartel anreden lassen, daß er von etlichen wegen, so ein bedenken an im hetten, sich auf den Sonntag des altars enthalte und ein andern an sein sta^t das hochwürdig Abendmal austeilen lassen wollt; und dieweil^ der prediger stets schwach ist und die zuhörer im Spital des viel­ fältigen Wechsels halben mit den kaplänen, so für ihn predigen, beschwerung 6

tragen, soll man auf einen beständigen capian bedacht sein, welcher den prediger, wenn er krank ist aber selbst nicht predigen kann, mit dem predigen vertritt. Und nach dem sich Endres Behem, Messingbrenner, bisher auch allerlei Trennung und Uneinigkeit iro ministerium anzurichten sich unterstanden, hin und wider geld ausgeben* erlich zu sträflicher subcription damit ^rkauft, etliche aber veracht, verkleinert und falscher irriger opinion oder secten be­ schuldigt hat, soll man deswegen auch meiner herren misfallen anzeigen und sagen, wenn ime dag hiesige ministerium nicht gefalle, so möge er wol an andern ort ziehen, da er seines gefallens ein anderes ministerium find*8). Der Rat wurde bald vor neue, folgenschwere Entscheidungen gestellt. Am 22. Sept. 1577 lief ein Schreiben Wilhelms von Hessen ein. Er sandte das Torgauer Buch mit den Korrekturen, die es im Kloster Bergen gefunden hatte? die Erklärung der 4 hessischen Landgrafen gegen dasselbe27) und das Bedenken der hessischen Theologen über dasselbe28). Wilhelm begründete seine ableh­ nende Haltung mit 3 Gründen: 1. die Hervorhebung der ungeänderten Augsburgischen Konfession, 2. das Verschweigen der Persönlichkeit Melanchithons und die Kanonisierung Luthers, 3. Die Aufnahme der Lehre von der ubiquität und die schroffe Haltung gegen Zwingli. Er bat um Stellungnahme sowohl der Nürnberger Theologen al^ des Rates selbst (d. d. Ems 4. Sept. 1577)*®). Der Rat wußte, worum es sich handele. Die Tragweite seiner Beschlüsse war ihm klar. Er entschloß sich die bisherige Linie einzuhalten. Extreme lehnte er nach wie vor ab. Der Ausschuß der Theologen, dem man die Beratung anveitraute, enthielt demnach keine Gnesiolutheraner? dem Einfluß Helings, Dürnhöfers, und Hch. Schmidleins glaubte man in Joh. Schelhamer und Nie. Herold ein Gegengewicht geben zu können. Diesen Fünf wurde am 24. Sept. die Beratung des Torgisch-Bergischen Buches übertragen30). Nach 8 Tagen erschien der brandenb. Rat Andreas Frobenius, der bereits ganz Franken bereist hatte. Er richtete auch an Nürnberg im Auftrag des Kurfürsten von Sachsen die Bitte, die Bei gische Formel durch Unterschrift sich aneignen zu wollen. So war der* Rat gezwungen, offiziell Stellung zu nehmen. Er konnte nicht anders, als auch davon seine Theologen in Kenntnis zu setzen. Bedeutsam war, daß Branden­ burg bereits den Anschluß an Sachsen vollzogen hatte81). Der Weisung, „nicht zu eilen" kamen die Theologen nach. Erst am 6. No­ vember 1577 übergaben Laur. Dürnhöfer und Nie. Herold die beiden von ihnen gefaßten Bedenken. Es scheint nicht ohne Kämpfe abgegangen zu sein. Wenn Dr. Rücker Joh. Kaufmann auch mitteilte, daß Schelhamer erklärte, Dürnhöfer sei so gut in der Handlung gewesen, daß er ihn wollte um einen Finger wickeln, so stimmt das wenig zu seiner anderen Bemerkung: „daß M. Moritz und Mag. Heinrich gesagt, der Schelhamer wäre so hart nicht wider sie und die Obrigkeit gewesen, wo er nit von D. Rücker also getrieben, wiewol ihnen Schelhamer das Maul gestopft, in dem, daß sie auch mit Christof umgehen, der doch ein ofenlicher Calvinist ist, das sie allezeit darauf Stillschweigen"8*). Herold berichtet, daß nur er mit Schelhamer der Weisung des Rates nach­ gekommen wäre, Stillschweigen, über die ganze Angelegenheit zu bewahren? wie es ihre ganze Art wäre, kümmerten die andern sich nicht darum? wenn keine Einigkeit zwischen ihm und Heling, Dürnhöfer, Schmiedel erzielt werden konnte, liefen diese bald da, bald dorthin und verkleinerten ihn und Schel­ hamer33). Es ist undenkbar, daß Herdesian sich zurückgehalten hätte. Das dürfte der Kern der Annahme Andreaes sein, der die Antworten der Theologen in Wirklichkeit als das Werk eines „Hofmanns im roten Bart" bezeichnete84).

7

Die beiden Gutachten der Theologen befleißigen sich einer bemerkenswerten Ruhe und Objektivität. Nur treten sie immer wieder für Melanchthon ein. Man kann der Pietät, der Schüler für ihren Lehrer seine Anerkennung nicht versagen. Das eine Schriftstück „Die unparteiische Censur und woigegründetes judicium über die Artikel des Torgischen Buches und die Bergische Correktur“ beschäftigt sich mit den vom Landgrafen Wilhelm von Hessen über­ sandten Schriftstücken. Es betont zunächst den einigen Wunsch und Begehren der Verfasser, daß eine gottselige und fridsame Vereinigung in den betrübten und zerrütteten Kirchen Gottes von neuem gepflanzt und beständig erhalten werde. Hierauf wendet es sich den verschiedenen Titeln der beiden Bücher zu. Den Titel „Bedenken“ des torgischen Buches läßt es sich gefallen, weil ja dadurch die weitere Beratung für jeden Stand gesichert wäre; dagegen lehnt es die Bezeichnung des Bergischen Buches: „Allgemeine lautere und endliche Wiederholung“ ab. Es handle sich doch nur um ein Werk von Etlichen Weni­ gen. In der Kirche müsse allen gestattet sein, ohne Bedrohung und Furcht sein judicium frei heraus zu sagen. Die Theologen stellen nun 7 Punkte auf, warum sie dies Buch „nicht durchaus approbieren, noch viel weniger für eine Richt­ schnur aller streitigen Lehre“ halten können. Zunächst befremdet sie das Verschweigen Melanchthons, „ihres lieben und treuen Präceptoris“, die Trennung der beiden Männer; „die Goitt der Herr selbst zusammengeführt hätte und die nur zusammen das Wort Gottes soweit hätten ausbreiten können“. Be­ sonders schmerzte es sie, daß das köstliche Buch loci communes verworfen sein sollte. Luther selbst habe doch erklärt, daß nach der Apostel-Zeit kein besseres Buch je von Theologen geschrieben worden sei. 2. Das Nürnberger corpus doctrinae sei in vielen Artikeln gegen das Torgisch-Bergische Buch; nicht minder 3. ebenso das scriptum deklaratorium 1563. 4. Irrig sei die Lehre vom freien Willen, Gesetz und Evangelium, von der Person Christi, wie sie im Torgisch-Bergischen Buch vorgetragen werde. 5. wenden sich die Theologen gegen die zugemutete Art der Subskriptiori. Eine Synode, wo jeder seine Meinung frei äußern könne, sei die unbedingte Voraussetzung jn solcher Sache. 6. Die Annahme des Buches gebe den Papisten Grund zu dem Vor­ wurf, die Augsburgische Confession wäre von den Unterzeichnern aufgegeben worden. 7. wiesen die Theologen auf die Ungleichheit zwischen dem Torgischen und Bergischen Buch hin. Im ersteren stünden viele Dinge „die recht und wohl gesetzt seien“; ohne Zweifel sei ,ein treuherziger, gelehrter Mann unter den Meistern dieses Buches gewesen, der es mit der Kirche Gottes wolgemeint und in dem Toigischen Buch auf des Herrn Philippi Schlag gangen und in vielen Stücken christlich und wol geredet habe“. Nach einer längeren Ausführung, daß in den verschiedenen Ausgaben der Augsb. Konfession nur Erklärungen der eisten Ausgabe, die Luther selbst gebilligt habe, zu erblicken seien, wenden sich die Verfasser zur eingehenden Besprechung der einzelnen Artikel. Sie erklärten sich einverstanden mit dem 1. 4. 6. 9, 11. Artikel. Doch finden sich 1 immer bezeichnende Bemerkungen. Beim 1. Artikel „de peccato originis“ wird anerkennend bemerkt, daß die Erbsünde also nicht zur Substanz des Menschen gehöre. Beim 4. Artikel „von guten Werken“ tadelte man, daß die Gründe, warum Wiedergeborne gute Werke tun sollen, gefährlich ausgemustert seien“. Das Nürnberger corpus doctrinae handle „eigentlicher“ und „herrlicher“ davon. Die verschiedenen irrigen Lehren hätten immer in gleicher „Milde“ behan­ delt werden sollen. Der 6. Artikel vom dritten Brauch des Gesetzes nahm man an. Die neuen distinctiones inter opera legis et fructus Spiritus hätten aber richtiger erklärt werden sollen. Der 9. Artikel von der Höllenfahrt fand ohne 8

weiteres Zustimmung; schwerer ward es den Theologen beim 10. Artikel von den Adiaphora. Sie fühlten, daß er sich gegen Melanchthon wendete. Der 11. Artikel „von der Prädestination' war deswegen „angenehm", weil man darin die Aufhebung der Ausführungen über den freien Willen erblickte. Beim letzten Artikel kätten sie gern die Aufzählung der „Sekten und Rotten" vermieden gesehen. Widerspruch erhoben die Theologen gegen die anderen Artikel. Beim 2. Artikel vom freien Willen beharrten sie auf der melanChthonischen Lehrweise von den 3 Ursachen der Bekehrung: Gott, Wort, des Menschen Wille. Im Unterschied vom Torgisdien Buch habe die Bergische Correktur den Streitpunkt verwischt. „Sie nehme Stellung gegen die Pelagianer, aber nicht die Eutychianer; daß der Mensch in der Bekehrung ein Stock, ein Stein, eine Salzsäule des Lots Weib, ein wildes tier sei" erregte ihr beson­ deres Mißfallen, „daß sie den Herrn Luther mit Gewalt und bei den Haaren auf ihre Seiten bringen und ihre Klotz, Buß- und Salzsäule aus den Büchern ihres summarischen Begriffs erzwingen wollen, wird ihnen zu tun unmöglich sein und werden einen Bloßen legen (sich eine Blöße geben) und ihre Meinung nimmermehr darauf erpauen können". Den 3. Artikel von der Gerechtigkeit des Glaubens fanden sie „verwirrt" und „ineinander gewickelt". Unverständ­ lich war ihnen, daß die Worte „in christlicher Buß und Bekehrung" „ausgelöscht" worden waren. Besonders schmerzte es sie, daß man Melanchthons Rede: Homo justus est imputatione et inchoatione verworfen hatte. Als Schüler desselben hätten sie an seiner eigenen Erklärung festhalten sollen. Die Rechtfertigung erfolge doch nur auf Grund der Gerechtigkeit Christi. Beim 5. Artikel „vom Gesetz und Evangelium" hielten sie mit laller Entschiedenheit daran fest, daß die Büßpredigt zum Evangelium gehöre. Sie beriefen sich auf die Augustana und die heilige Schrift: „Es werden auch in diesem Artikel von den Skriben­ ten viel ungeräumbter distinctiones, Abteilungen und etlicher Sachen unge­ wöhnliche Erklärungen mit eingesprengt, welche in unserer Kirche bis daher ungebräuchlich gewesen, nicht gleichstimmig, noch zur Erläuterung der wich­ tigen Articul vom Gesetz und Evangelio dienlich seien, noch irgend einigen Nutz haben, davon in einer christlichen, ordentlichen Zusammenkunft weit­ läufiger und ausführlicher könnte gehandelt werden". Beim 7. Artikel „vom Abendmahl" hoben sie den Unterschied der beiden Bücher hervor, die .vielen, schönen, nötigen, tröstlichen Lehren von diesem Geheimnus und dessen Nutzen" im Torgischen Buch hätte das Bergische Buch beibehalten sollen. Die Nürn­ berger erklärten, sich nur an die Einsetzungsworte halten zu wollen und lehrten die „ungeheure und allgemeine Ubiquität' und „realem communicationem idiomajtum" ab. Es sei doch manchem nur um die Eutychianische und Schwenkfeldische Vermischung der beiden Naturen zu tun. Nur kurz wehrte man sich auch gegen die Sakramentierer, man wollte überhaupt weitere Auf­ klärung. „Deshalben uns kein Mensch verdenken wird, ob wir gleich einen Bedacht nehmen und auf weitere Erklärung der Scribenten warten, und uns dodi indessen unverweislich gegen menniglich verhalten und der Wahrheit nichts begeben wollen". Infolgedessen fanden sie auch den 8. Artikel von der Person Christi „verwirrt, zweifelhaft und auf Schrauben gestellt und mit ihm selbst strittig". „Sie wollen dem Rauch entlaufen und fallen ins Feuer". Die Scribenten entfernten sich von der Augsburgischen Konfession und den Beschlüssen der alten Kirche. Die Lehre der comunicatio idiomatum führe zu einer exaequatio naturarum. Der Artikel leide an vielen Widersprüchen35). Die 2. Schrift trägt den Titel: „Resolution auf f. marggravische Instruktion und Erclerung der Ursachen, worum wir das aillhero geschickte Bergisch Buch 9

sowol vonwegen etzlicher darin verleibter Articul und Lehr, als sonst des gefehrlichen ergerlichen Prozesses und Nachfolge halben mit gutem Gewissen nicht unterschreiben können". Sie richtet sich also gegen die markgräfliche Petition. Sie ist schlüssiger, konzinner als die andere; dogmatische Erörterun­ gen meidet sie; dagegen läßt sie manchen Blick tun in die Gedankenkreise der Nürnberger Theologen; sie ist aktueller, persönlicher. Man merkt da, wie bitter sie es empfanden, daß sie nicht zur Beratung über das Torgische Buch herangezogen wurden. „Dazu wir vielleicht nicht tüchtig oder den Sachen zu gering und unverständig sind geacht worden" heißt es gleich am Eingang. „Also auch gleichen gestalt unser Judicium oder censura hätte sollen requiriert werden und in der Verbesserung etwas gellten". „Denn" setzten sie hinzu: „wir zu Gott das Vertrauen haben, daß wir durch sein göttliche Hilf und Gnade das genus doctrinae auch verstehen." Das Torgische Buch war ja nach ihrer Meinung nur ein „Flickwerk". Sie beginnen gleich mit der Feststellung, daß eine Billigung desselben ihnen unmöglich sei. Etlichen Artikeln, die man dulden könne, stünden viele Verwerfliche gegenüber. Sie seien gegen Gottes Wort, gegen das Nürnberger corpus doctrinae; es gäbe viele widerwärtige Fun­ damente; viel sei auf Schrauben und Walzen gestellt, vor allem suche es die Flaeianischen Irrtümer wieder einzuschieben. Die alte Kirchenordnung sowie das von Sachsen und Brandenburg auch angenommene corpus doctrinae er­ klärten die streitigen Artikel viel „treulicher, heller, klarer und unverdäch­ tiger“. Ohne legitimo ecclesiae judicio könne man davon nicht abweichen und dafür dies irrige und verwirrte Buch annehmen; lange es doch jenem bei weitem nicht das Wasser, es wird vielmehr immer ein Haderapfel bleiben Der Prozeß der Insinuation könne in keiner Weise gebilligt werden. Es sei widersinnig zuerst zu unterschreiben, dann erst einen Religionstag zu halten. Das Buch schmücke sich mit einem prächtigen Titel. Es verspreche eine end­ liche Vergleichung der streitigen Artikel und wolle eine Richtschnur der reinen Lehre geben. In Wirklichkeit handle es sich um eine Privatarbeit, die nur Verwirrung stifte, die Lehre der Augsburgischen Konfession verschlechtere und die vielen Religionsverhandlungen, die publico consensu approbiert worden wären, verkleinere und in schlimmen Verdacht bringe. Das Wort „Endliche“ werde schon dadurch zurückgewiesen, daß sovie'le Stände sich ablehnend ver­ hielten. Besonders rügten die Theologen die Verdächtigmachung der Schriften Mölanchthons. Es komme zu einer größeren Barbarei als unter dem Papsttum. Es habe alles nur den Zweck, die Eutychianisehen Irrtümer wieder in die Kirche einzuführen. Mit Entschiedenheit wandte man sich gegen den Versuch, die beiden Werkzeuge Gottes auseinander zureißen. Sölten dadurch nicht alte verlegene Streitigkeiten, die sich schon längst zu Tode geblutet hätten, wie­ derum auf die Bahn gebracht werden? Die Nürnberger würden nie calumniatores oder desertores beider Männer werden, schon um ihrer Verdienste um die Nürnberger Kirchen und Schulen willen. Würden durch dieses Verschweigen Melanchthons nicht alle seine Verdienste um die Kirche „illusorisch". Kämen nicht sie selbst in den Verdacht, länger als 50 Jahre falsch gelehrt zu haben? Die Verfasser des Bergischen Buches vergäßen, daß die späteren Ausgaben der A. C. nur eine Erklärung der ersten wären und als solche immer betrachtet worden seien. Das viele Unterschreiben schaffe keine Einigkeit. Eine Unter­ schrift sine libero judicio gehe gegen das Gewissen der Nürnberger. Eine solche Unterschrift könne nicht mit reinem Gewissen und Gemüt gegeben werden; jeder stünde unter einem Druck. Man fürchte eine gefährliche Exeku­ tion gegen die, die Gewissens halber nicht unterschreiben könnten. Der Pro10

zeß der römischen Kirche werde dadurch nachgeahmt. In der Lehre von der Person Christi sei Nürnberg auch bei der Lehre der alten Kirche geblieben. Die Lehre des Bergischen Buches schaffe eine ganz neue Situation. Gerade Nürnberg, das so manche Kirche unter dem Papsttum habe, komme dadurch in Gefahr5*). Anzuerkennen ist die Entschiedenheit, mit der die Nürnberger Theologen für Melanchthon eintreten; aber sie fragten sich nicht, welchen religiösen und theologischen Fragen und Problemen die Bergener Theologen Rechnung tragen wollten und ob durch deren Beantwortung nicht diese Fragen besser gelöst würden Sie erkannten deshalb auch nicht, daß die Zeit bereits weiter fort­ geschritten war und ihre Fragen beziehungsweise ihre Lösung derselben be­ reits überholt waren. Manche Woche war schon verstrichen, ohne daß man das Versprechen der baldigen Stellungnahme, das man Andr. Frobenius gegeben hatte, ein­ gelöst hatte. Deswegen bat dieser am 23. Oct. 1577 ziemlich kategorisch Barth. Pömer um Auskunft, ob den Theologen schon die Sache zur Beratung über­ geben, ob man auch die Landgeistlichen dazu aufgefordert und welchen Tag man zur Beratung bestimmt habe. Das verletzte. Die Antwort wies darauf hin, daß eine solche wichtige Sache reiflicher Überlegung bedürfe, umsomehr, als man erst jetzt im Unterschied von anderen Ständen davon Kunde erhalten habe. Man habe ja sichere Kunde, daß man wie Bremen auch Nürnberg von der ganzen Aktion habe ausschließen wollen (24. Oct. 1577). Alje Beteuerun­ gen des Ansbachischen Rates konnten den Eindruck nicht verwischen, den die Hinausschiebung der Verständigung in Nürnberg erweckt hatte. Man konnte diese Zurücksetzung nie yerwinden87). Umsomehr suchten die Anhänger des Konkordienwerkes über die Stellung der Nürnberger Klarheit zu gewinnen. Ein Anschluß der Reichsstadt, die ja zu den ersten Unterzeichnern der Augsburgischen Konfession gehört hatte, mußte für ihr Bemühen nicht nur eine psychologische Stärkung bedeuten. Andreae machte sich daher selbst auf den Weg nach Nürnberg. Ihm schlossen sich der Ansbachische Rat Andr. Musmann und der markgr. Superintendent Mag. Adam Francisci, der eben in Ansbach den Anschluß an das Concordienwerk mit durch­ geführt hatte, an. Am 6. Nov. 1577 erschienen sie in Nürnberg. Die Bestüizung war hier nicht gering. Man kannte und fürchtete die Gewandtheit Jacob Andreaes; man hatte offenbar damit nicht; gerechnet. Philipp Geuder und Barth. Pömer begaben sich mit dem Ratsschreiber Matthias Schiller zu der Gesandtschaft in ihr Absteigequartier, den Heilsbronner Klosterhof. Andreä säumte auch nicht, sein Begehren eingehend darzulegen. Das Bemühen des Kurfürsten von Sachsen, zwischen den Kirchen und Schulen der Augsburgi­ schen Konfession einen gleichmäßigen Verstand unserer christlichen Lehre auf­ zurichten, erfahre viele falsche Beurteilungen, ja Verdächtigungen; so werde vielfach verbreitet, man wolle des „erlauchten, teuren Mannes Philippi Melanchthons Bücher“ unterdrücken"; eine mündliche freundliche Besprechung mit den Männern die an diesem Werk arbeiten, könnte am ehesten diesen Miß­ verstand beseitigen. Da die Nürnberger Theologen eben mit der Beratung des Belgischen Buches beschäftigt wären, wäre er bereit, mit den brandenburgischen Gesandten allen gewünschten Aufschluß zu geben. „Im Fall etliche eines Rats Theologen dieses Werkes halben nachdenkliche Einfälle hätten, oder von anderen Leuten deswegen ungleich bemüht worden sein möchten, ihnen den Herrn Theologen in Beisein eines e. Rats dazu! verordneten, aller derselben Sorg11

feltigkeiten oder zweifenlichen Punkte halben, nottürftigen genügsamen Be­ richt und Erklärung geben". Es handle sich nicht um eine Privatsache, son­ dern um Repetierung der ersten alten, reinen Augsburgischen Konfession. Er bat um baldige Stellungnahme. Andreas Musmann entschuldigte sein Erscheinen nadi den dem Markgrafen gewordenen Zusicherungen mit der Wichtigkeit der Sache, stellte das Eintreffen einer eigenen Credenz in Aussicht und bat, dem Ersuchen Andreäes Folge zu gaben. Es handelte sich also um die Bitte eines öffentlichen Religionsgespräches. Geuder und Pömer setzten sofort etliche der Herrn Eltern in Kenntnis Noch am Nachmittag berieten sie sich auf deren Wunsch mit den Ratskon­ sulenten: Christ. Fabius Gugel, Chr. Herdesian, Phil. Camerarius, Marquard Fror. Sie waren natürlich nicht geneigt, dem Ansinnen Andreäs zu entsprechen; aber dennoch lassen ihre Beratungen erkennen, wie sehr man die Gewandtheit desselben fürchtete, man bangte vor dem Riß, den er nicht nur unter den Theologen, sondern auch in der Gemeinde hervorrufen könnte. Sie wiesen darauf hin, daß Andreae zunächst die Theologen für sich zu gewinnen suchen würde. Er würde auf alle deren Bedenken eingehen, ihnen zeigen, daß ihre Befürchtungen ungerechtfertigt wären und die Ausdrücke des Bergischen Buches nur richtig verstanden werden müßten. Sollte ihm aber dies nicht gelingen, so würde er schauen, wenigstens einen Teil der Geistlichen auf seine Seite zu bringen. Dies würde aber zur Folge haben, daß auch die Bürgerschaft sich spalten würde. Wenn es ihm gelingen würde, eine Spaltung unter den Theo­ logen zu bewirken, so würde er überall dies als Anlaß benutzen, Nürnberg in schlimmen Ruf zu bringen „die einen wären Calvinisch, die anderen hingen dem papistischen Greuel" an „denn solches wären seine öffentlichen Reden in seinen Büchern, daß, wer nicht glaubt und bekennet, daß der Leib Christi vorhin im Brot sei, ehe denn das Abendmahl nach der Einsetzung und Ordnung Christi gehalten würde, der sei entweder ein Calvinist oder aber der Zauberei der päpstlichen Consecration zugetan, daß der Leib erst durch das Sprechen der Wort Christi in das Brot gezaubert und gebannet werde und hab Christus anders nichts zu tun, denn das er immerdar mit seinem Leib vom Himmel auf und niederfahre". Auch glaube Andreä, wenn er nur die Theologen auf seine Seite bringen könnte, dem Rat eine Stellungnahme unmöglich gemacht zu haben. Vier Punkte aber machten es dem Rat doch unmöglich, das Buch zu subscribieren: de discrimine legis et evangelii, de bonis operibus et praesentia bonorum operum in justificatione, de coena domini wegen der Lehre von der Ubiquität, de persona Christi et unione duarum naturarum in Christo. „Und dieweil Jakobus Andreae das Buch gestellt und die Markgräfischen auch allbereit ihr Hand daran verbrannt, die doch zuvor mit meinen Herrn einerlei normam gehabt und auf einerlei Religion verglichen gewesen, so gingen sie jetzt darauf umb, wie sie meine Herrn auch ins Spiel bringen und in alienam litem zu subscribieren verursachen möchten, welches fürnemlich durch die begerte Unterredung mit den Theologen gesucht würde". Deshalb schlugen sie vor, das Gesuch um das publicum colloquium rundweg abzuschlagen. Derartige Angelegenheiten wären immer vom Rat verbeschieden worden? nachdem die Theo­ logen bereits ein Gutachten erstattet hätten, wäre eine Besprechung mit ihnen 'gegenstandslos. Der Rat solle aber seine Bereitwilligkeit, das Bergische Buch mit „förderlichster Gelegenheit" abzuhören und es in „Christlicher Andacht zu er­ wägen" und dann dem Markgrafen, „wie man es befinde zur Gebühr schriftlich beantworten" ausdrücklich erklären. 12

In diesem Sinne faßte der Rat seine Beschlüsse, nur gab er noch dem Be­ fremden, daß man Nürnberg, so spät in diese Aktion einbezogen habe, Ausdruck. Dem entsprechend wandten sich dann Phil. Geuder u. Barth. Pömer an die 3 Abgesandten am nächsten Tage. Sie gingen aus von der Tatsache, daß schon vor einem Jahr das Torgauer Buch verschiedenen ev. Ständen mitgeteilt worden wäre; Nürnberg sei unbekannt, warum es umgangen wurde. Dennoch habe der Rat, sofort nach der Überreichung des Bergischen Buches durch A. Frobenius seine Theologen mit der Beratung desselben betraut. Nach Abschluß derselben hätte nun der Rat die Aufgabe, wie es in Nürnberg immer der Fall gewesen wäre, abschließend Ste/llung zu nehmen. Dies würde baldigst geschehen und dem Markgrafen Nachricht gegeben werden. Nürnberg werde bei der einmal bekannten und erkannten Wahrheit des göttlichen Worts beständig verharren und davon keines Haar Breite abweichen. Andrea versuchte noch einmal seine Absicht zu erreichen. Er bestritt energisch, daß die Nürnberger absichtlich zuletzt von den Kurfürsten ins Vertrauen gezogen worden seien. Er wies hin auf Straßburg und Augsburg, die noch gar nicht verständigt worden seien. Der Kur­ fürst von Sachsen habe das Werk ganz klein anfangen und erst langsam schrittweise es ausdehnen können. Ganz irrig aber sei die Meinung, als ob man Nürnberg überhaupt von dem ganzen Werke habe ausschließen wollen. Das Gegenteil sei der Fall. Sachsen trage vielmehr viele Sorge um dasselbe. „Seien doch eine Zeit lang viel Schreiben von dieser Stadt ausgegangen, die zu er­ kennen gaben, daß es zwischen den Prädikanten in dieser Stadt der Lehr halben nicht aller Dinge rein were, sondern der Calvinismus nun bei vielen heftig eingerissen sei". „Derowegen denn sein gnedigster Herr der Kurfürst lange Zeit ein treuherzige Sorg, mehr dann man meinen möcht, für diese Statt getragen, sie auch eben der Ursachen halben abgefertigt, bevorderst einen E. Rat, her­ nach auch den Kirchendienern in der Stadt, welche in der Lehre rein seien, Bericht von allen Dingen und sonderlich, wie es dieses Concordienwerkes halben geschaffen, freundlich und brüderlich zu tun, und gar nicht mit beschwer­ lichem Begehren, einen E. Rat zu dringen oder ihre Erbarkeiten mit einem colloquio mit ihren Kirchendienern zu übereilen. Dann ihr Begehren dasselbig nicht gewesen, hab auch den Verstand nicht gehabt, mit den Kirchendienern von der Lehr zu colloquiren, es were dann, das sich ongefähr die Gelegenheit also zugetragen hätte, daß man von einem Punkt Erklärung tun müssen". Seine Aufgabe wäre aufzuklären und die bösen Verdächtigungen, denen dies Werk ausgesetzt sei, zurückzuweisen. So behaupte man, das Bergische Buch wolle einen neuen Glauben einführen. Das Gegenteil sei der Fall. Kurfürst August habe es sich viel kosten lassen, um den Wortlaut der Augsburgischen Kon­ fession, wie sie dem Kaiser 1530 übergeben worden war, festzustellen; nach demselben ist das Bergische Buch durch die „Hechel" gezogen und seien „alle Worte auf die Goldwage gelegt worden". Dagegen gäben jetzt „bezügliche" Theologen vor, daß, was Luther vor 50 Jahren geschrieben habe, irrig wäre. Wieder andere benutzen eben Luthers Lehre, um ihre irrige Lehren als wahr zu erweisen. So leiten sie aus dem 5. Hauptgtück, wo es heiße, uns „Christen zu essen und zu trinken" ab, daß nur die Gläubigen den Leib Christe im Abendmahl empfingen, aber nicht die Unwürdigen und Ungläubigen. Die Witten­ berger hätten absichtlich in ihrem corpus doctrinae nur Melanchthons Schriften aufgenommen, um Luthers Lehre zu verdrängen. Weil das vom Kurfürsten durchschaut worden wäre, behaupten sie jetzt das Gegenteil, man wolle Philipp Melanchthons Ansehen untergraben. Das Lesen seiner Bücher sei aber nie­ mand verboten worden; nur solle es cum judicio ecclesiae geschehen; dem 13

Urteil der Kirche habe er ja allezeit selbst seine Schriften unterworfen. Auch anderer gelehrter Leute wie des Brenz habe man nicht gedacht. Keiner sei ge­ zwungen worden, wider sein Gewissen zu unterschreiben, man hätte auch kei le ausländische Lehrer verdammt; man hätte sich nur gegen falsche Lehren aber nicht gegen Menschen gewandt. Pömer und Geuder beeilten sich zu versichern, daß der Rat von den erwähnten Briefen kein Wissen habe und, sowie er gründlicheren Bericht empfinge, ,,die Gebühr zu handeln nicht unterlassen würde". Die Stellung des Rats zum Abendmahl gäbe laut das Dekret vom 19. April 1577 zu erkennen. Die Gestattung eines publicum Colloquium würde wenig nützen, da, wie schon gemeldet, der Rat noch keine Zeit gehabt habe, seiner Theologen Zensur zu lesen. Wiederum versicherte Andrea, daß man an der Haltung des Rats nicht gezweifelt habe, „sondern es wäre treue Fürsorge ge­ wesen, wenn schleichende Meuchler sich unterstehen würden, dies heilsame Concordienwerk bei einem Rat zu verhindern oder ihren Ehrbarkeiten ein an­ ders vorzubilden, sie die Gesandten ihren Ehrbarkeiten und derselben Theo­ logen dagegen Bericht tun". Aber die Ratsgesandten erklärten, daß die Stel­ lung des Rats sich nicht ändern würde; Andreä mußte sich mit den Ver­ sprechen begnügen, daß seine Ausführungen dem Rat mitgeteilt würden38). Die Verhandlungen brachten keine Ausgleichung, sondern eine Verschärfung der Gegensätze. Jakob Andreä scheint nicht versucht zu haben, mit den Luthe­ ranern privat in Verbindung zu treten, obwohl der Rat dagegen keinen Widerspnich erhoben häitte, ;sond,ern 'durch Hier, Baumgartner u. J, Haller, nur angeraten hätte, in diesem Falle sich in keine längere Disputation einzu­ lassen*9). Nur mit Hier. Schürstab, einem älteren Bekannten aus Württemberg, suchte er in Ansbach Füh/lung aufzunehmen; es war aber vergebens. Noch lange trug Andreä schwer an diesem Mißerfolg40). Auch die Nürnberger waren in ihrem Widerstand gegen die SächsischBrandenburgische Aktion nicht wankend, sondern vielmehr bestärkt worden. Der Rat übergab jelzt den Theologen * auch den ganzen Briefwechsel Wilhelms von Hessen samt dem Gutachten dessen Theologen. Von dem Torgischen und Bergischen Buch wurden jetzt Abschriften hergeste!lt40a). Ihre neue Stellung­ nahme brachte ihre S/timmung voll und ganz zum Ausdruck. Der Rat konnte sich damit nicht befreunden. Sie war ihm zu „scharf und hitzig". Er beauf­ tragte die Juristen40!») mit der Verabfassung des abschließenden Gutachtens, das Hessen und Brandenburg übersendet werden sollte. Die Theologen nahmen es auch ohne weiteres an und billigten es durch ihre Unterchrift. Es trägt die Überschrift: „Der Theologen Censura oder Bericht auf das Bergische Concordibuch; wie der an unsere gnädige Herren Landgraf Wilhelm zu Hessen und Markgraf Georg Friedrichen zu Brandenburg überschickt worden". Es betont, daß „Viel hohe, christliche und wichtige Ursachen im Wege seien, daß sie ohne Verletzung ihres Gewissens dem Bergischen Buch nicht beipflichten, noch weniger es für eine Richtschnur aller streitigen Lehre annehmen und approbieren könnten". Die aljte Nürnberger Kirchenordnung und die vom ganzen Mnisterium approbierte und auch in Sachsen angenommene norma doctrinae führten die streitigen Artikel viel heller, klarer und richtiger aus. Gewissenshalber könne man von der einmal angenommenen norma doctrinae ohne Ursache und besonders absque legitimo ecclesiae judicio nicht weichen. Die Lehre der norma doctrinae stimme auch mit dem 1563 angenommenen scriptum declaratorium. Dadurch wäre viel Jahre her in Nürnberg Einhelligkeit erhallen worden. „Darum sei die Annahme des Bergischen Buches unmöglich: wir wollten denn alle unsere vorige Christliche und in Gottes Wort gegrünU

dete Vergleichungen, dadurch viel lange Jahre her in unsern Kirchen christ­ liche Einhelligkeit in der Lehr erhalten und der Lauf des Evangelii merklich befördert worden, als eine leichtfertige, unbesonnene und göttlicher Wahr­ heit zuwidrige Vergleichung wieder aufheben und vernichten und uns selbst tacito nostro praejudicio der ganzen Kirche Gottes zu lästern und zu ver­ höhnen darstel/len, als hätten wir bisher unsern befohlenen Kirchen falsche, irrige Lehr fürgetragen und viel christliche Seelen damit übel verführt, dafür uns ja Gott gnädiglich behüten wolle.“ Das Gutachten führt darauf die Lehr­ punkte auf, in denen man den Ausführungen des Bergischen Buches nicht folgen könne. Die Gedanken des früheren Gutachtens sind natürlich hier aufgenommen. Beim Artikel „Vomfreien Willen“ tadelte man, daß das Bergische Buch den Streitpunkt ganz verrückt habe. Man hielt fest an den tres causae concurrentes in conversione und verwahrte sich vor allem gegen die Darstellung, als ob „der Mensch in der Bekehrung einStock, Stein, Salzsäule, des Lots Weib, ein wildes ungezäumt Tier“ sei. Ebenso hielt man daran fest daß das evangeiium eine Büßpredigt sei; man verwarf die Meinung, als ob „Evangelium“ die ganze Christi. Lehre bedeute, wie das Bergische Buch festgestellt hatte. Beim Artikel über das Abendmahl sprach man den Wunsch aus, daß man bei den tröstlichen Lehren des Torgischen Buches hätte beharren sollen. Wie man bisher gelehrt habe, so müsse man daran festhalten, daß allen denjenigen, die sich dieses Sakraments der Einsetzung und "Ordnung Christi gemäß gebrauchen, sie seien wüidig oder unwürdig, nach laut und Zusage Christi wahrhaftiger Worte zu­ gleich mit Brot und Wein der wahre wesentliche und gegenwärtige Leib und Blut Jesu Christi mündlich, doch nicht capernaitischer sondern himmlischer, sakramentlicher, übernatürlicher und unserer Vernunft unbegreiflicher Weise gieichwol wahrhaftig zu essen und zu trinken ausgeteilt werde“. Die Gegen­ wart des Herrn stütze sich allein auf die Worte des Stifters und nicht auf die „übel erdachte und bisher unerhörte Lehre von der ubiquität und realis communicatio idiomatum“. In der Lehre von der Person Christi sei man bisher mit der ersten Kirche und der kath. Kirche einig gewesen. Das Bergische Buch bedeute eine Trennung von denselben. Der gewünschte modus der subcription sei gegen alles Herkommen der Kirche. Beratung der strittigen Punkte, Erörterung durch eine Synode könne allein eine einhellige Vergleichung herbei­ führen und eine richtige Unterschrfit, die nicht zur Zerreißung der Kirche führe, ermöglichen. Die Betonung des Wortes „ungeändert“ banstandete man, weil dadurch über alle späteren Ausgaben der Augsburgischen Confession ein verurteilendes Votum gesprochen sei. Schmerzlich empfand man auch die Nichterwähnung Melanchthons, der doch mit Luther zusammen die Kirche gebaut habe. Die Nichterwähnung seiner Schriften müßte besonders in Nürnberg schmerzlich berühren; es bedeute für diese Stadt eine Undankbarkeit. Zum Schlüsse betont das Gutachten noch einmal, daß die neuen Lehren des Bergischen Buches von der communicatio idiomatum und die vorgeschlagene Art der Unter­ schrift die Unterzeichunng unmöglich machten. „So verhoffen wir nicht allein bei menniglich unserer recusation halben, warum wir diesem Werk ohne Ver­ letzung unseres Gewissens nicht unterschreiben, noch ein anders, denn wir bisher ge/lehret, annehmen oder approbieren können, genugsamlich entschuldigt zu sein, sondern wir können auch unserm Gewissen nach nicht ermessen, daß solches Werk zu einer gottseligen, gewünschten und langbeständigen Goncordien gedeien, noch viel weniger der Papisten Lesterungen dadurch zu Steuern nütz­ lich oder ersprießlich sein könne“. Auch andere Stände trügen große Be­ denken; allein eine allgemeine Synode könne Abhilfe bringen41). Am 10. XII. 15

1577 teilte der Rat seine ablehnende Haltung dem Markgrafen mit und über­ sandte das Gutachten der Theologen und Juristen42). Wie die Lutheraner so waren auch die Philippisten, deren Haupt Wilhelm von Hessen war, gespannt über die Stellung, die Nürnberg zum Bergischen Buch einnehmen würde. Der Landgraf wurde in dieser Sache öfters beim Rat vorstellig. So sandte er am 15. X. 1577 eine Anfrage43) und legte die Antwort, die der Kurfürst von der Pfalz, Ludwig, auf eine Werbung der englischen Königin gegeben hatte, bei44); er wiederholte es am 4. Nov. 1577. Jetzt setzte er zugleich den Rat in Kenntnis von seiner mit dem Kurfürsten von der Pfalz und Herzog Julius von Braunschweig in dieser Angelegenheit gepflogenen Korrespondenz45). Der Rat vertröstete zunächst am 25. X. 1577 den Landgrafen; er gab Kunde von der Werbung des Andreas Frobeniusfür den Markgrafen Georg Fried­ rich45). Erst am 10. Dez. 1577 übermittelte er dem Landgrafen das Gutachten der Juristen und Theologen sowie eine Abschrift des Schreibens an den Mark­ grafen47). Es herrschte darüber in Kassell große Genugtuung. Obwohl die Nürnberger keine Stellung zu der im Bergischen Buch ausgesprochenen condemnatio der Schweizer Abendmahlslehre genommen, vielmehr die anderen strittigen Lehrpunkte in den Vordergrund gestellt und damit weit über die Pläne Hessens hinausgegangen waren, erkaryite man sofdrt, daß hier der Widerstand gegen die Lutheraner fest gegründet wäre und die Versuche, die luth. Partei zu Fall zu bringen feste Unterstützung finden würden48).

II. Nürnberg hatte damit seine Stellung genau umschrieben. Es hatte sich unzweideutig für den Philippismus erklärt. Gegen seine sonstige Gewohnheit, trotz der gespannten politischen Lage — es sei erinnert an die Erätreckung des Landsberger Bundes, an das Auflodern der alten Streitigkeiten mit Ansbach im großen Fraischprozeß — war es aus seiner Zurückhaltung herausgetreten Die Folgen auf politischem Gebiet konnten ihm nicht verborgen bleiben. Bei den Lutheranern galt Nürnberg als Abgefallen von der ev. Sache. Andreae wollte es allerdings noch nicht glauben, auf Nürnberg verzichten zu müssen. Wiederholt versuchte er die Beziehungen mit der alten Reichs­ stadt wieder anzuknüpfen. Sein alter Bekannter Schürstab sollte der Mittels­ mann werden. Neujahr 1578 ritt dieser mit Barthelmes Heinrichsdorfer, Ver­ walter zu Frauenaurach, nach Ansbach, um sich über die Eingriffe des Richters von Baiersdorf in ihre Rechte zu Möhrendorf zu beschweren. Ganz zufällig sah er dort am 2. 1. 1578 im markgräflichen Schloß den Württemberger Theo­ logen. Trotz seiner Bemühungen, das Gespräch immer auf andere Bahnen zu leiten, ließ sich Andreä die Gelegenheit nicht entgehen, seinem Unwillen über die Haltung Nürnbergs laut Ausdruck zu geben. Der Rat hätte sich gewiß nicht von dem christil. Concordienwerk abgesondert, wenn ihm nicht ein blauer Dunst vor die Augen gemacht worden wäre. Er lebe in der Erinnerung an Melanchthon und Camerarius und übersehe, daß diese an all den Streitig­ keiten schuld wären. Der Rat habe sich allein von Hi. Baumgartner und Phi*. Geuder bestimmen lassen. Trotz des Widerspruchs Schürstabs, der die Herren des Rats in Schutz nehmen wollte, ließ sich Andreä nicht irre machen. Von den Theologen hätten nur Heling, Dürnhofer und deren Gesinnungsgenossen an den Beratungen teilgenommen; Schelhamer, Herold und Kaufmann wären ferngehalten worden. Darum könne man aus dem Gutachten den Calvinischen 13

Geist erkennen, dessen Kennzeichen Lügen und Mord wären. Die Lehren des Bergisdhen Buches habe man als widersprechend mit der Augsburger Confession dargesteljlt, sodaß seine Anhänger des Religionsfriedens nicht mehr fähig wären. Dieses Beginnen, dessen sich schon die sächsischen Theologen schuldig gemacht hätten, habe dann zur Ausweisung aus Sachsen geführt. Es werde nun offen­ bar, wie man den Markgrafen mit der norma doctrinae hintergangen habe. Die Nürnberger beriefen sich jet4t nur auf das corpus Misnicum, Luthers Schriften setzten sie hinter den Ofen und verdammten seine Lehre. „Beineben denn auch von solchen Theologen, als sie wohl Doctor Luthers am Ende des Bedenkens nur allein pro fuco Meldung täten, zur besonderen wankelmütigen Ungleichheit mit Verwunderung anzuhören, daß sie sich, auf den catechisinum et scripta Lutheri, als ob sie% dieselben in ihrer norma ungeändert behielten, gezogen und doch des teuren Mannes Lehr und seiner Lehr gesetzte Gründe im Bedenken vom freien Willen, von der Person Christi und heiligen Abend­ mahl offenbar und ungesehenst hätten verworfen". Die Ausführungen vom heiligen Abendmahl wären „auf Schrauben" gestellt, jeder Kalviner könne sie unterschreiben. Der „verschlagene*' Zusatz von „Würdigen und Unwürdigen" könne daran nicht irre machen. Unter die „Unwürdigen" rechnen ja manche wie Eber auch die Frommen; sie sagen, die Frommen empfangen den Leib Christi unwürdig; die Gottlosen und Unbußfertigen nur Brot und Wein. Und diesen hätten sich die Nürnberger angeschlossen, da sie nur von denen redeten, die das Sakrament der Ordnung und Einsetzung Christi gemäß gebrauchten, den andern aber und den Gottlosen nur Brot und Wein reichen lassen. Es wäre eir. böser Widerspruch, wenn Nürnberg dem Kurfürsten von Sachsen und Markgrafen von Brandenburg es abgeschlagen hätte, seine Theologen von dieser ganzen Sache gründlich berichten zu lassen, nun dagegen seilbst den Vorwurf gegen sie erhebe, die Augsburger Confession verlassen zu haben und deshalb die Ausschließung aus dem Religionsfrieden zu befürchten haben. „Dessen hätte er sich gegen Nürnberg, so doch in allen politicis fürsichtichlich, wolbedächtig und leise pflege zu gehen" nimmermehr versehen. „Der Rat müsse fleißig aufsehen, die Augen nicht in den Beutel stecken. Der Teufel gehe in den heim­ lichen und offenbaren Sakramentierern mit großem Unglück schwanger". Es gebe keinen anderen Weg für den Rat und seine Theologen, als wenn sie sich von der Wahrheit überweisen ließen. Er hielte noch gänzljch dafür, „wenn sich ein erbarer Rat durch Herrn Baumgartner und andere, welche aus Frank­ reich die Calvinische Franzosen und Pestilenz mit sich herausgebracht, nicht allerdings einnehmen und nochmals des Grunds berichten ließe, so könnte unsern verirrten Kirchen und Schulen noch wohl geholfen, die Sache zu gutem Weg gerichtet und Böses verbleiben". Wiederholt sprach er dann, daß ihm Matthias Schiller und die Ratsherren von Anfang an verdächtig gewesen seien. Besonders habe er aus „den verdruckten und verdunkelten" Reden während der Mahlzeit bei Philipp Geuder den Eindruck gewonnen, daß er mit der Franzosenseuch des Calvinismi behaftet sei. Der Stil des Nürnberger Gutachten sei mehr juristisch als theologisch; wenn er etliche Concepte doctoris Herdesiani einsehen konnte, würde sich seine Vermutung auf die Autorschaft wohl bewahrheiten4*). Einen neuen Vorstoß unternahm Jakob Andreä am 20. Juni 1578 von Koburg aus. Er hatte inzwischen genauen Einblick in das Nürnberger Gutachten ge­ nommen 49a) und schrieb deswegen an Hier. Schürstab: Die Gnade Gottes sampt mein gutwiügen diensten und gebet zuvor. Sünder günstiger und ver^ trauter lieber Herr. Euch kann ich treuherziger Meinung nicht verhalten, daß ich heut dato allhie zu Coburg ankomen, ein Synodum zu halten in massen zu 2

17

Dresden, im Churfürstentum Sachsen und in Weimar audi geschehen, darmit das vorgenommene und underschriebne werck der concordien auch kunftiglichen beneben christlicher zucht unter den lerern und Zuhörern erhalten werden möge. Welche wol in disen landen neue, aber in wirtenberg ain alter löblicher brauch und Ordnung auch wol bekant; hie den fromen ein freud, aber den heimlichen sakramentierern ein herzleid und bitterer tode, denn sie sehen, das hiedurch alle ire böse falsche feindliche dückische anschlag ge­ brochen. Doch gehet es gotlÜob fort, dessen ich dem allmeditigen danke und viel frome herzen erfreue, die es für ein unmuglich werck gehabten,- etlich auch solche Visitation ein hispanische inquisitiOn gelaufU Aber im ausker wird es sich finden. Wie es sich mit eurer statt anlasset, möcht ich wol wissen, denn sie mich erbarmt, sunderlich ein erbar rat, das sie so schändlich sollen betrogen werden durch ein Juristen oder etlich, das nicht heimlich,* wenn ir sie gleich entschuldigen wollten-, desgleichen durch unreine theologi, denen man vor 20 Jahren nichts guts zutraut hätt. Ob einem erbarn rat der churf. sächsischen und f. brandenburgischen theologen bericht auf der nurnbergischen juristischen theologisch bedenken vom buch der concordien zuge­ schickt und was ir bedenken, mocht ich wol wissen; was euch ehren und pflichten halben zu schreiben geburdt, denn mehr ich von euch nicht bitte. Dann es je zu klagen und zu erbarmen, das dise löbliche stat durch solche leut soll so schändlich betrogen werden und mit sehenden äugen blind sein in einer so offenbaren Sachen. Man hat zuvor gesagt, das ganze teutsche lande sei blind, allein Nürnberg hat ei» aug. Vileicht ist es also gewesen, da noch mer weise heiren lebten, die gut Lutherisch, ja rechte Christen waren. Aber jetzund gedünkt mich, sie seien gar bdind, da andern leuten die äugen aufgehen. Darumb scheuet mich nicht, die warheit zu reden, wir wollen nicht im finstern mausern. Irer Theologen und Juristen erklerung ist nichts werde, sunder sie leidien mit den sakiamentierern. Ja man frage Hessiandern oder Herdessianum auf sein aide, er wird sich gut calvinisch erkleren; noch betöret man das gemein volck und ein erbarn rat, man sei noch gut lutherisch, so doch dr. Luthers 1er auf der Canzel sundernlich sein edel buch wider die sakramentierer, das dise wort, das ist mein leib noch feststehen, uff öffentlicher canzel verdampt wird, wie solichs nicht kan geleugnet werden. Darumb bauet und helfet euerm Vater­ land nicht auf calvinisch, das ist heimlich, falsch und tückisch, sunder rund, öffentlich und on allen scheu. Gott wird euch helfen und beistehen und sollt ir allein sein im rat, wie Paphnutius in concilio zu Nicea. Denn es soll und mus geredet sein. Ich beger kain heimlichait zu wissen. Aber euer statt und kircheq gönne ich guts und wollt, das sie von diesen juristen und theologen erlöset werden oder würden. Den sie werden nichts gut machen. Das glaubet mir. Da ir mir etwas schreiben wqjlllt, köndt ir es aWe tag; dann ich hie dem synodo antworten muß. Hiemit uns alle dem allmeditigen bevolen. Lasset euch gottes Ehr und die gotlich warheit seins Worts hoher angelegen sein, denn euer eigen wolfahrt; oder es wird nicht recht gehen. Köndt es auch weder gegen gott noch gegen euern Vaterland verantworten, da ir anders tut. Hiemit uns all dem allmeditigen bevolen50). Schürstabs Antwort war würdig. Am 4. Juli schrieb er: Die Maßnahmen tn Sachsen seien weder in Nürnberg noch sonst in Deutschland bisher bekannt gewesen; in der alten Kirche auch nicht zur Anwendung gekommen; darum würden sie von vielen mit der spanischen Inquisition verglichen. Mittel und Wege wie das Ziel seien die gleichen wie bei derselben. Er wolle allerdings kein Urteil fällen, sondern sfteäle alles dem Urteil der ganzen Kirche heim. Er in

denke an Gamalid. Die Nürnberger Theologen hätten schon vor Jahren sich über die strittigen Punkte geeinigt; darauf gründe sich auch ihr jetziges Be­ denken. Viele Stände der Augsburger Konfession hätten sich rühmend darüber ausgesprochen. Keine Rede könne davon sein, daß sich der Rat von etlichen Juristen und unreinen Theologen habe verführen lassen. Die Juristen hätten mit der ganzen Sache nichts zu tun. Die Theologen hätten vom Rat den Auftrag bekommen, auf Grund der norma doctrinae ein unparteiisches Gutachten zu er­ stellen; der Rat habe dann Artikel nach Artikel beraten und festgesteilt. Die Erkenntnis, daß das Bergische Buch eine ganz andere Lehrweise zeige, als man bisher gewohnt gewesen sei, hätte bewogen, den Vorschlag einer allgemeinen Synode zur Beratung der Sache' zu stellen. Der Rat sei wahrlich nicht blind gewesen, wenn er solche Neuerungen in der Lehr noch dazu auf solche ge­ fährliche und extraordinäre Mittel und Wege nicht angenommen hätte. Schon als man kaum etwas von Calvin gewußt hätte, hätte der Rat solche Neuerungen kommen sehen und gute Ratschläge dagegen verfaßt, die jetzt nicht nur ihm selbst, sondern auch vielen anderen Wohlgefallen hätten. Herdesianus habe mit der Kirche und Schule in Nürnberg nichts zu tun, er habe nur in rebus politicis zu beiaten; auch solche, die das Konkordienbuch unterschrieben hätten, bedienen sich seines Rates. Er sei weder calvinisch, noch lutherisch, sondern berufe sich auf die uralte kath. Lehre. Die Nürnberger Prediger verdammten auch nicht Luthers Lehre; sie wenden sich nur gegen die Ubiquität; ob sie damit Luthers Lehre verdammen, lasse er dahingestellt. Ein beigelegtes Traktätlein zeige, daß man in dieser Hinsicht mit Katholiken und Jesuiten einig sei. Die Nürnberger Theologen würden auf ihrem Gutachten beharren, bis die Sache auf einer allgemeinen Synode behandelt würde. Er werde sich weder von der kalvinischen noch einer anderen Sekte feiten lassen; auch nicht jedem neuen Dogma beipflichten. Die Rolle eines Paphnutius zu spielen, habe er keinen Anlaß; er brauche sidi nicht zu einem contradictor im Rat aufzuwerfen; das befehle er denen, die zu Dissension und Neuerungen Lust haben51). Dem Rat war die Sache nicht gleichgültig, nicht nur wegen der politischen Lage im Reiche, sondern auch mit Rücksicht auf die inneren Verhältnisse der Reichsstadt. Der ältere Bürgermeister Philipp Geuder halte unter Berufung auf seinen Ratseid am 18. Jan. 1578 schriftlichen Bericht erfordert52). Die Bürgerschaft war ja' auf Seiten der Lutheraner. 27. Jan. 1578 fand der Arzt Dr. Georg Rücker in seinem Hause einen Brief, mit dem ihm ein Unbe­ kannter eine neue Zeitung aus Leipzig zusandte. Sie trug den Titel: Treibe Warnung vor der geistlichen Hurerei der Stadt Nürnberg. Anno 1578. In dem Gedickt war geklagt, daß die Kalvinisten nicht kalvinisdi sein wollten und zeigten doch einen Kalvinisdien Schein, daß man das kalvinische Gift also ein­ reißen lasse, daß man Luther nur zum Schein lobe, heimlich aber schände, Philipps Schriften zur Verteidigung des Kalvinismus mißbrauche, obwohl er doch nicht kalvinisdi gewesen sei. Das Pasquill drohte .dann, daß das kalvinische Gift die Stadt verzehren werde und ermahnte, nicht allein 2 oder 3, die viel­ leicht noch schwankend wären, sondern auch andere zu befragen. Von den Geistlichen sollte Schelhamer in Kenntnis gesetzt werden. Dr. Rücker setzte so­ fort Joh. Kaufman in Kenntnis. Dem war es klar, daß der Autor ein „gelehrter, weiser und verständiger Mann sein mußte, der mit dem Status ministerii et reipublicae vertraut sei". „Ach Gott, weil man sonst niemand hören will, müssen die Steine oder Unsichtbare reden" schrieb er in sein Tagebuch; riet aber Rücker, alles dem Rat zu übergeben. Der war peinlichst berührt. Die Magd, die die Schriftstücke zuerst gefunden hatte, wurde durch einen verkleideten Stadt2«

19

knecht zitiert. Rücker wurde zur eidlichen Aussage veranlaßt. Die Ratsherren Jacob Haller und Ph. Geuder übernahmen selbst das Verhör. Man wollte wissen, wem Rücker von dem Vorfall Kenntnis gegeben habe-, und als er Schelhamer und C. Schürstab nannte, frug man gleich, was Kaufmann dazu geäußert habe. Da Rücker 'nur darauf verweisen konnte, daß dieser sich jeder Äußerung ent­ halten habe, beantragte der Ratsschreiber Matth. Schiller seine und seines Brudersn2a) Vorladung. Besonders hatte diesen der Schluß des Pasquilles, daß man andere um Rat fragen solle, erregt. „Ei, müßte man die stolzen Pfaffen wahr­ lich auch dazu nehmen", rief er58). Offenbar hielt man Kaufmann für den Verfasser des Pasquilles oder wenigstens Mitwisser. Daß er die Stütze der Luthe­ raner war, auch bereit, die Konkordienformel zu unterschreiben, stand fest54). Noch haben wir seine Gedanken über das Nürnberger Gutachten über das Bergische Buch, die er am 27. Jan. 1578 zu Papier brachte. Da weist er zu­ nächst darauf hin, daß zur Zeit Luthers Friede in der Kirche geherrscht habe, erst nach seinem Tode seien die Streitigkeiten entstanden. Die Fürsten hätten gut daran getan, Einigkeit zu stiften. Die Urteile über das Bergische Buch seien verschieden; man könne es nie allen recht machen; es sei ein gutes Zeichen, daß sich so viele gegen die Concordia sträuben; der Teufel lasse sich nicht so schnell austreiben. Weil Nürnberg offen als kalvinistisdie Stadt bezeichnet werde, sei wohl die Zusendung des Torgischen Buches unterblieben. Dagegen sei das Bergische Buch, das doch nur eine Überarbeitung des anderen dar­ stelle, durch Sachsen und Brandenburg überbracht worden. Ob es wirklich ein Concordienbuch werden werde, glaube er nicht; der Widerspruch der Kalviniten und Papisten sei zu erwarten. Am besten wäre es gewesen, die Declara­ tion der Augsburgischen Konfession Luthers Schriften zu entnehmen. Die Nürn­ berger hätten sich auf ihre Kirchenordnung berufen. Wenn sie ihr nur nach­ kämen! dann beriefen sie sich auf ihre norma doctrinae, die Sachsen und Bran­ denburg doch auch angenommen hätten. Dieser Vorwurf könne wohl dem Kurfürsten und Brandenburg nicht erspart werden. Kaufmann verwies darauf, daß die von beiden gemachten Zusicherungen nicht gehalten worden seien. Schelhamer und Herold und die Gemeinde können bestätigen, wie wenig man diese in Bezug auf das Abendmahl gehalten habe. Er verwies auf die Predigten am Palmsonntag, die Müller, Schnerrer, Rauenpusch, Dürnhöfer und Heling ge­ halten hatten. Das Declaratorium sei nur Gleisnerei; es konnte keine Einigung infolge dessen bringen; deswegen hätte man das Bergische Buch unterschreiben sollen, man hätte sich nicht von den anderen Kirchen trennen sollen. Vom freien Willen, de usu legis, de persona Christi habe er nie anders gelehrt als das Bergische BiÄh. Es könne sich nicht um widerwärtige fundamenta, dunkele und zweifelhafte Formulierungen handeln. Das gelte besonders von der Be­ hauptung. daß die Väter des Bergischen Buches bei dem Artikel über die tres causae concurrentes den status nicht richtig gesetzt hätten. „Man solle sie in die Schule schicken und Brillen aufsetzen". Sie meinen, sie seien allein ge­ lehrt, die anderen seien lauter blinde Narren. Kaufmann erklärte sogar die Bekehiung für eine Neuschaffung unter Bezug auf das Wort: cor mundum crea in me deus. Der Wille muß dem Wort beifallen, aber das muß Gott geben. Auch in Bezug auf die Lehre vom Evangelium vertrat er den Standpunkt der Bergischen Theologen. Das Nürnberger Bedenken rede nichts von der Substanz des Abendmahls. Es berufe sich auf Kirchenordnung, norma doctrinae, den Frankfurter Abschied, die Nürnberger Verhandlungen. Da brauche man nur bei Schelhamer nachzufragen, ob man alles gehalten habe. Schon zu Frankfurt liabe man eine Verdammung der Sakramentierer hintangehalten; 1566 habe man 20

diese zu Augsburg nicht ausschließen wollen. Peucer und Cracovius hätten den Kurfürsten hintergangen. Bei dem gewünschten Colloquium müsse man sich wohl vorsehen, daß man nicht zuviel nachgebe. Die Worte Sakrament, Ordnung Christi, Würdig und Unwürdig, mündlich, sakramentlidier Weise schlössen viel obscura und Schwankendes in sich. Kein Mensch wisse, in welchem Sinne sie das Nürnberger Bedenken gebrauche, was für ein Schalk dahinter stecke. So sei ,,mündlich“ nicht bei „Essen und Trinken“ zu finden. Wird nur der Leib „mundilich zu Essen“ oder „mündlich“ das ist „mit dem Munde“ ausgeteilt? Will es des Leibes Mund als os fidei, oraliter als spiritualiter verstanden sehen? Es schleicht im Finstern, ist schlüpfrig. Die Worte Christi werden auch nicht nach den Buchstaben erklärt, sondern nach der Lehre der alten Kirche, die wohl auf Zwinglis Weisung, da sie auf dianoia dringe, verstanden werden könne. Man sollte die richtige Meinung der alten Kirche zum Ausdruck ge­ bracht haben, aber man habe abgebrochen, damit man nicht zu weit heraus­ gehe. man möchte sonst den Vogel an den Federn und Gesang erkennen. Die Bergischen Theologen würden selbst die ubiquitas und realis communicatio in allen Kreaturen, welche die Nürnberger verwerfen, verantworten. Bei Er­ örterung der Worte: Sitzen zur Rechten Gottes beriefen sich die Nürnberger auf papistische Schriften. Das sei ein „lucifischer Possen“. So habe man es auch zu Wittenberg gegen Andreä getan. Es hat doch keinen Wert, sich seinen offenen Feinden zuzugesellen. Die Nürnberger beriefen sich auf die 4 ökume­ nischen Konzile, auf die ^lten Kirchenväter, warum nicht auf Luther. Warum erklärten sie nicht, wie die Vereinigung beider Naturen in Christus, das Sitzen zur Rechten Gottes zu verstehen sei. Doch nur deswegen, um sich nicht ver­ raten zu müssen. Der Hinweis auf die Nichterwähnung der Himmelfahrt Christi durch die Bergischen Theologen sei kein lautrer Ernst. Die Himmelfahrt ist der Sakramentierer Behelf. Man ahne, warum sie so tun. Die Abhaltung einer Synode sei nicht untunlich gewesen. Aber es hätte vielleicht noch mehr Zank gegeben. Dem Illyric^is habe man seine Bitte um eine solche immer abgelehnt; man könne nicht jedem Schwärmer eine solche bewilligen. Wenn man dazumal ohne Synode jemand verdammen konnte, müsse es auch jetzt berechtigt sein. Was habe das AHtenburger Gespräch für Erfolg gehabt? Die Wittenberger sind zum Tor hinausgezogen. Auch in Nürnberg hat man viele verdammt, verjagt, abgesetzt und das alles ohne Synode. Auf die erste Ausgabe der Augsburger Konfession, müsse man sich schon aus dem Grunde berufen, daß die Reden, man wisse nicht, was man für eine Konfession habe, unterbunden würden. Dann könnten sich auch nicht die Calvinisten listig dieser Tatsache bedienen. Diese Ausgabe würde wegen der angeblichen Zulassung der transsubstantiation und des canon verworfen. Die Hineinfügung derselben und Auslassung der condemnatio der Calviner sei erst bei der Drucklegung erfolgt. Die Ausgabe, die Chytraeus zum Abdruck gebracht habe, sei auf den Reichstagen als die rechte erklärt worden. Die Nürnberger bewegten sich in einem Widerspruch; sie sträubten sich dagegen neben ihrer norma doctrinae noch eine neue norma zu unterschreiben; eine neue Konfession neben der ersten zu unterschreiben, sei aber keine Leichtfertigkeit. Warum Melanchthon die erste Augsburger Kon­ fession geändert hat, darüber kann Kaufmann keine Auskunft geben; aber ohne Zustimmung der Kirche habe er kein Recht dazu gehabt. Durch die Abmachun­ gen 1536 sei man nicht von der Augsburger Konfession gewichen. Aus guten Gründen habe sie Luther in Übereinstimmung mit der ganzen Kirche getroffen wider Papisten und Zwinglianer. Wie dazumal habe man auch jetzt das TorgischBergische Büch machen müssen. Es handle sich nur um eine Erklärung der 21

Augsburger Konfession Die Nürnberger befürchten jetzt bei einer Unterschrei­ bung große Schwierigkeiten. Solche Bedenklichkeiten hegten sie bei der Unter­ schreibung des corpus doctrinae nicht. Warum blieb man da nicht bei den von der Stadt angenommenen Schriften. Was kümmere man sich um die Pa­ pisten? Warum sorge man für andere Kirchen? Auch in Sachsen und Thürin­ gen, wo ebenfalls zuvor das corpus doctrinae angenommen worden war, habe man unterschrieben. Zur Zeit des Interims hätte man solche Beschwerden nicht gehabt. Die Nichterwähnung Melanchthons bedeute nicht dessen Verdammung. Aber seine Bücher seien im Unterschied von Luthers Schriften nie in der Kirche als Norm anerkannt worden, es sind Privatschriften, Luthers dagegen publica et ab ecclesia publica approbata. Luther hat zuerst die Augsburger Konfession entworfen, dann zu Coburg korrigiert; sie sei also nicht allein des Philippus Werk. Von den loci communes habe Luther die erste Ausgabe. empfohlen. Kaufmann schätzt auch die letzte hoch; doch sei sie cum judicio besonders beim Punkt vom freien Willen zu gebrauchen, Philipp Melanchthon und Luther mit­ einander zu haben, sei gut, aber schwer. Denn ersfterer habe sich in Briefen von Luther getrennt. Es wäre besser gewesen, man hätte seines und des somniator Camerarius Rat z. B. beim Interim und Osiandrismus sich nicht bedient. Wenn man seine Bücher neben Luthers Schriften stelle, sage man, letztere ge­ nügen nicht. Kaufmann bezeichnete die Erkärung der Nürnberger, solang sie leben, nicht von den Schriften Luthers und Melanchthons weichen zu wollen, als Vermessenheit. Er forderte sie auf, einmal offen zu gestehen, ob sie nicht da­ mit wirklich den Calvinismus verteidigen wollten. Papisten und Calvinisten, die das Concordienwerk verhindern wollten, freuten sich über jeden, der nicht unterschriebe. Die Nürnberger seien bisher schon in diesem Verdacht und würden es noch mehr werden. Diese nähmen viel auf einen Bissen, wenn sie die Bergischen Theologen anderer Lehre, denn von der Augsburger Konfession und alten Kirche bekannt würde, beschuldigen. Dagegen müsse er sich wenden; er habe nie anders als wie das Bergische Buch gelehrt. Die Nürnberger hätten erklärt, sie wollten alles wegen ihres judicium beiden. Die großen confessores und Märtyrer! Wenn es zum Kämpfen käme, würden sie das Hasenpanier auf­ werfen50). ' Der Rat verfolgte dies mit großer Besorgnis. Ein Erstarken dieser Richtung wollte er nicht begünstigen; es würde ja sonst immer schwieriger werden, den Frieden aufrecht zu erhalten. Da bot sich Gelegenheit, einen der bedeutendsten Ratgeber des Markgrafen Georg Friedrich Dr. Hier. Fröschel in den Dienst der Stadt aufzunehmen. Schon im September 1577 hatte man allein ihm zu Liebe, seinen Schwager Franz Bronneck und dessen Frau Anna verw. Hofmann, seiner Schwester, die Aussicht auf Verleihung des Bürgerrechtes nach Bezahlung der 5 schuldigen Losungsfristen, für die man noch y? Jahr Aufschub gab, eröffnet50). Und kaum ein halbes Jahr später, mußte der Rat sich ernstlich die Frage vor­ legen, ob es nicht geraten sei, ihn ganz in den Dienst der Stadt zu übernehmen. Wenn man dann nach etlichen Wochen am 20. III. 1578 seinem andern Schwager Joh. Neudörfer eröffnete: Die Rücksicht auf den Markgrafen verbiete, diesen Plan weiter zu verfolgen. Hätte man doch erst kürzlich einen anderen markgr. Rat Dr. Martin . Fror zum Eintritt in Nürnbergische Dienste bewogen; wenn er auch einen gnädigen Abschied bekäme, würde doch der Markgraf seine Ver­ wendung in brandenburgischen Sachen davon ausnehmen; dann würde den anderen Nürnbergischen Consuilenten wenig geholfen, ja eine offene Beratung unmöglich sein, da der Geist des Mißtrauens sich nicht bannen ließe; auch mache die Rangordnung Schwierigkeiten, man könne ihn, wie er es doch ver22

langen könne als fürstlicher Kanzler, nicht den alten langjährigen Consulentert vorzieben — so braucht man nur an die religiöse Haltung des Kanzlers zu denken, um die wahren Gründe zu finden. Einen Freund des Flacius konnte der Rat nicht in seinem engsten Kreis von Ratgebern sehen57). Und doch wollte der Rat Jutherisch sein, den Verdacht ,,Calvinist“ zu sein Bekämpfte er, wo er konnte. Da kam zu gleicher Zeit der Landrichteramtsver­ weser von Amberg Lor. Strölein nach Nürnberg; der Rat verehrte ihm 6 fl. Im Gespräch aber mit Matth. Schiller scheint er die Stellung des Rates in den religiösen Fragen als des Kalvinismus verdächtig bezeichnet zu haben, worauf ihm nicht nur die obige Verehrung wieder entzogen, sondern er sogar aus der Stadt verwiesen wurde58). Doch konnte alles nicht helfen. Was Petrus Patiens 28. III. 1578 .aus Frankfurt an J. Marbach schrieb, dürfte die allgemeine Ansicht der Lutheraner gewesen sein: Norimbergenses theologi et politici sunt homines valde mali. Opposuerunt libro scriptum aulicum et mercatorium potius quam theologicum et quidem tamquam re bene ac praeclare gesta transmiserunt üllud etiam ad nostros, ut horum animos devincerent sibi, sociosque erroris ac pertinaciae sibi mature conciliarent, omnia interimistia et Calvinistica simul his stabiliunt59). Der Rat suchte natürlich möglichst Gesinnungsgenossen zu finden. Man sandte dem Rat zu Windsheim, der auch mancherlei Bedenken gegen die Unter­ zeichnung Jiatte, das Gutachten der Theologen und die Georg Friedrich über­ sandte Antwort. 31. I. 157860). Auch in der anderen Reichsstadt, Weißenburg, hatten die Theologen allerlei Bedenken, als Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg das gleiche Ansinnen stellte, und, als er keine Antwort deshalb er­ hielt, sein Ansuchen erneuerte. 3. Febr. 1578. Der Weißenburger Ratsherr Joh. Roth wurde vertraulich von der Stellungnahme Nürnbergs unterrichtet. Zu der gleicher. Stellungnahme ermunterte man sie wieder am 26. April 1578, als Philipp Ludwig durch eine eigene Gesandtschaft, Sup. M. Abraham Mann von Lauingen und Hofprediger M Laur. Drechsel doch sein Ziel erreichen wollte und Weißenburg sich wieder hilfesuchend nach Nürnberg gewandt hatte51). Die Aussicht, Gesinnungsgenossen in Straßburg zu finden, bewog den Rat Dr. Joh. Herei und Hi. Baumgartner zu beauftragen, dem Straßburgischen Rat Hoch­ felder Abschriften der nach Ansbach gesandten Schriften zukommen zu lassen52). Aber das alles bedeutete wenig für die Festigung der Position der Stadt. Viel wichtiger war, daß der Landgraf Wilhelm nicht müde wurde, bei seinem Kampf gegen die Konkordienformel auch immer die alte Reichsstadt beizuziehen. In Laugensalza hatte er sich mit August von Sachsen dahin geeinigt, am 7. Juni 1578 in Schmalkalden durch einen Convent von Theologen und Juristen die Einigung der ev. Gebiete versuchen zu wollen. Er sah aber bald ein, daß die philippistische Richtung nur dann Aussicht auf einen Erfolg hätte, wenn sie sich vorher zu einer Einheit 7uammengefunden hätte. Zu diesem Behufe sollten alle seine Gesinnungsgenossen schon am 21. Mai 1578 in Hersfeld Zusammentreffen. An Nürnbergs Beteiligung war ihm besonders gelegen. Wiederholt hatte er von seinen Bemühungen bei dem Kurfürst von der Pfadz und dem Kurfürsten von Sachsen schon Mitteilung gegeben,63) jetzt sandte er einen eigen Boten, Anton Winter, Amtmann zu Frauensee und Hauneck. Am 22. April 1578 machte er die Herrn Eltern in der Rats-Stube mit den Plänen seines Herrn bekannt. Auf dem Tag zu Schmalkalden sollte eine Einigung in der Religionssache versucht weiden. Die Nichterwähnung Philipp Melanchthons, die Lehre von der Ubiquität, die Verdammung der fremden Kirchen errege den meisten Anstoß. Es sei 23

also eine Umänderung des Torgisdien Buches nötig. Dazu erbitte sich der Landgraf den Rat der Nürnberger Theologen; wie er überhaupt Nürnberg um Ab­ ordnung geübter, erfahrener, qualifizierter Theologen nach Schmalkalden ersuche. Vom Hersfelder Tag erwähnte er nichts; er bewegte -sich im allgemeinen Aus­ drücken. Außerdem übergab er den Abschied von Langensalza64), ein Gut­ achten Andreaes (wohl die Liste der zum Erscheinen vorgesehenen Personen)65), die Traktation des Tages zu Langensalza'‘c), die Zensur von Tangermünde67), das Schreiben eines Theologen von Mömpelgard Marion an den König von Frank­ reich86). Die Herrn Eltern hallten definitive Vorschläge des Landgrafen erwartet, Der Vortrag schien „nur von einem leisen und behutsamen Vorgehen" zu reden und „nicht den wenigsten Weg oder Vorschlag anzuzeigen, den der Landgraf in dieser Sache zu wandeln gedächte1', „er wollte sich gleichsam entschuldigen, daß er mit qualifizierten, erfahrenen und in Disputationen geübten Theologen nicht versehen wäre, und wolle Nürnberg zum Verfechter seiner Sache machen". Darum gab man dem Gesandten nur eine höfliche aber wenig sagende Antwort, daß man alles gründlich beraten werde und wegen Wichtigkeit der Sache um Verzug bitte. Philipp Geuder und Hi. Baumgartner ließen nun die über­ gebenen Schriftstücke abschreiben und brachten sie am folgenden Tage den Gesandten zurück. Es stejftte sich heraus, daß auf beiden Seiten Mißverständ­ nisse obwalteten. Der hessische Gesandte hatte deswegen so allgemein sich ausgedrückt, weil er gehofft hatte, die Nürnberger würden sofort Einblick in die Schriftstücke nehmen und nach Kenntnis der hessischen Pläne sofort definitive Beschlüsse fassen; aus diesem Grunde hatte er auch zum guten Glück seine sofortige Abreise verschoben, sodaß die Nürnberger noch sögleich zur Beratung schreiten konnten. Anton Winter hatte nun den Anlaß benützt, die Pläne des Landgrafen genauer darzulegen, er hatte gebeten, wenigstens wegen des Tages zu Hersfeld sofort sich zu äußern. Der Ausschuß einigte sich dann am 24. April 1578 dahin, eine doppelte Zusage zu geben. 1. Die Stellungnahme zur Konkordienformel wollte Nürnberg durch Gelehrte und Theologen beraten und dann dem Landgrafen davon schriftlich oder mündlich auf dem Hersfelder Tag Kunde geben? 2. den Tag von Hersfeld wollte Nürnberg besuchen. Den Besuch des Tages von Schmalkalden dagegen lehnte man ab. Da Andreä von den Nürn­ berger Theologen nur Joh. Kaufmann geladen wissen wollte68») und die Nürn­ berger Juristen ausgeschlossen hatte, da man in Tangermünde das Nürnberger Gutachten als „sacramentierisch und pelagianisch" bezeichnet hatte, war diese ablehnende Haltung Nürnbergs leicht verständlich. Der Ausschuß präzisierte seine Haltung in 9 Punkten. 1. Nach den Abmachungen von Langensalza sollten viele Stände wie Nürnberg nur 1 Theologen abordnen, der sich nur auf die Bibel stützen dürfe. Man könne keinem Stand zumuten, besonders bei so ge­ fährlichen Leuten, die nicht allein via sermonis, sondern auch vi perduadendi etwas vermöchten, allein einem Herrn Vollmacht zu geben. 2. Da der abgeordnete Theologe in voller Vollmacht für seine Person handeln soTe, könne es leicht zu Zwistigkeiten in der Gemeinde bei andersartiger Stellungnahme der Obrigkeit kommen. 3. Da dem Urteil der Theologen sich alle anderen beugen mußten, könnte es leicht zu Gewissensbeschwerung bei den anderen kommen. 4. Die Erklärung der sächsischen Theologen, an dem Worljaut des Bergischen Buches starr festhalten zu wollen, mache die Hoffnung auf eine fruchtbare Vergleichung illusorisch. 5. Auf dem genannten Tag würden Andreä und seine Anhänger auch als Richter erscheinen. 6. Da Nürnberg die wichtigften Entscheidungen auch in Religionssachen immer durch seine Ratsherren getroffen hätte, müßte ihm der Ausschluß der Laien befremdlich sein. 7. Das 24

Bedenken zu Tangermünde bilde schon ein praejudiz für Schmalkalden. 8. Die Diffamierung des Nürnberger Rates durch Andrea. 9. Nicht nur beschwerlich, sondern auch pessimi exempli und intolerabilis praejudicii sei, daß einem Rat vorgeschrieben würde, welchen Theologen er schicken solle. Anton Winter war damit wohl zufrieden; an ein Zustandekommen des Schmalkaldener Tages dachte er selbst nicht, wie er am 24. 4. 1578 den Ratsherren mitteilte69). Der Ausschuß der Herrn Eltern ließ aber bald darauf (28. V.) sowohl die Juri­ sten als die Theologen auf dem Rathaus erscheinen. Den Juristen übergab man vormittags den gesamten Briefwechsel, weihte sie in die ganze Verhandlung ein und teilte den Beschluß, Besuch des Hersfelder Tages und Ablehnung des Schmalkaldischen Tages mit. Sie erhielten den Auftrag, die nötigen Instruktionen für die Gesandten zu entwerfen. Besonders sollten sie solche Weisung geben, daß wen ja zu Hersfeld der Besuch des Schmalkaldischen Tages beschlossen werden sollte, derselbe möglichst wirkungslos würde. Die 5 Theologen bekamen N. M. die Weisung, sich lauter zu erklären, ob sie bei ihrem Bedenken beharren woll­ ten und wie man sich zur Unterschrift eventuell bereit finden lassen könnte. Die Sächsischen Theologen würden vielleicht beim Artikel vom freien Willen auf das Torgische Buch zurückgreifen. Weder der Tag von Hersfeld noch der Tag von Schmalkalden sollte stattfinden89a). Die Politik des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz lenkte alles in andere Bahnen; so dürften weder Juristen noch Theoiogen an die Lösung ihrer Aufgabe haben zu schreiten brauchen und auch die Bemühungen des Rates, durch Konsulent Georg Roggenbach weiteren Auf­ schluß zu erhalten, konnten auf sich beruhen8^). Landgraf Wilhelm versäumte nicht, dem Rat auch ferner die wichtigsten Ereignisse mitzuteilen; 19. Mai 1578 sandte er ein Schreiben Kurfürst Ludwigs v. d. Pfalz vom 5. V. 1578 und seine Erinnerung an Sachsen und Brandenburg 1. V. 157870) und 11. Juli 1578 eine Korrespondenz Johann Kasimirs mit August v. Sachsen; doch war der Rat zu keiner Stellungnahme gezwungen71). Die Behutsamkeit des Rates zeigt aber ein anderer Vorfall. Die Grafen von Hohenlohe wollten ihre Kirchenordnung in Nürnberg drucken lassen. Prediger Schelhamer. dem Hier. Baumgartner die­ selbe vorlegte, wies auf die in der angefügten Vermahnung vorkommenden Ausdrücke hin, die „nach der irrigen und neu erfundenen Ubiquität schmeckten“, und farjLd in der Genehmigung des Druckes einen Widerpruch zu der bisher eingenommenen Haltung. Erst die Versicherung Meders, die Vorschläge Schelhamers seinem Herrn mitteilen zu wollen, bewog den Rat, wenn auch wider­ strebend, seine Einwilligung zu geben72). III. Die Bemühungen Sachsens und Brandenburgs, Kurfürst Ludwig von der Pfalz zur Annahme der Concordienformel zu bewegen, hatten Erfolg. In Schmalkalden73) hatte man durch die in Aussicht gestellte Verfertigung einer Präfation den Weg gefunden, seine Bedenken zu beschwichtigen. Wilhelm von Hessen erkannte bald, daß seine Bemühungen, seine Entschlüsse rückgängig zu machen, umsonst sein würden; um so eifriger ward er in seinem Bestreben, die Gegner des Bergischen Buches zu sammeln74). * Ara 6. Februar 1579 lud er den Rat von Nürnberg ein, zu einer Bespre­ chung mit ihm und Joachim Ernst von Anhalt deswegen am 5. März 1579 einen Ratsherren und 1—2 Theologen nach Kassel zu senden. Man solle sich be­ raten, was man tun sollte, wenn man zur Unterzeichnung unter die Formel, ge­ zwungen würde, oder, wenn ohne Befragen der opponierenden Stände dieselbe

25

in Druck ausginge, was zur Steuer der Wahrheit zu tun sei „damit wir also communieato consilio uns einer einhelligen declaration verglichen und die Con­ silia zusammenrichten, damit nit einer hier, der ander dort hinausfahre und sie darnach destomehr Gelegenheit haben, uns zu cavillieren, der tröstlichen Zuversicht, es werde der Allmächtige hiezu seine gnade und segen geben, da den dingen durch wenig stände der anfang gemacht, das denen noch viel, so die materien bishero auf verplendung nicht verstanden, beispringen und bei­ pflichten werden"75). Der Rat erwog mancherlei; einige rieten, den Besuch des Tages abzulehnen und seine Neutralität zu erklären. Sie fürchteten, daß Landgraf Wilhelm den gleichen Weg, wie Kurfürst Ludwig, doch schließlich gehen würde und die Reichsstadt ganz isoliert dann stünde; man hatte Be­ denken gegen die Abordnung eines Theologen. Denn der Ausfall der Wahl — man dachte an Laur. Dürnhöfer — war nur dazu angetan, die Erbitterung der Geistlichen gegen einander noch stärker werden zu lassen. Sah das nicht aus, als begünstige der Rat eine Partei? Das dürfte vor allem der Anlaß zu dieser zurückhaltenden Stellungnahme gewesen sein. Die Front der Philippisten war ja zerfallen; Schelhamer und Herold stunden im schärfsten Gegensatz gegen die andern wegen deren Stellungnahme zur Lehre vom Abendmahl. Sollten sie nicht mit den Lutheranern sich zuammenfinden? In Predigten und Schriften „stocherte" man gegeneinander. Das Bestreben des Rates, Ruhe und Einigkeit wenigstens in seinem Gebiet zu bewahren, schien ernstlich gefährdet. Aber die andern, die ein Zusammengehen mit Hessen und Anhalt befürworteten, drangen durch. Unter den zu Rate gezogenen Juristen hatte das entscheidende Wort Chr. Haidesheim, der ausgesprochene Gegner der Lutheraner. Am 12. Febr. 1579 be­ rieten Phil. Geuder und Hier. Baumgartner mit den sämtlichen Consulenten Chr. Fab. Gugel, Chr. Hardesheim, Joh. Herei, Phil. Camerarius, Marquard Froer und Joh. Monich. Die Juristen votierten alle für den Besuch des Tages. Gugel wies darauf hin, daß der Versuch, sich von den Verhandlungen fern zu halten, nur das Gegenteil erreichen würde. Sachsen und Brandenburg würden Nürnberg eben deswegen als kalvinisch bezeichnen. Hardesheim, erklärte, daß man nach der seinerzeit gemachten Zusage, den Tag zu Hersfeld zu besuchen, jetzt nur eine bejahende Antwort geben könne; es wäre Pflicht, die Front der Gegner der Präfation zu verstärken. Gugel erklärte sich aber gegen die Ab­ ordnung von Theologen. Bis jetzt hätte immer der Rat in Religiösen Dingen das entscheidende Wort selbst geführt. Es würde in der Stadt nur ein „ge­ mein Geschrei" geben, daß man etwas neues wider das Concordienbuch schmie­ den wolle, ein neuer Eifer ‘unter den Theologen gegen einander zu stechen, würde erregt; unter den Bürgern und Kaufleuten würde großes „Gemumel" ent­ stehen, warum man Schelhamer nicht abgeordnet habe. Dagegen nahm nun Herdesianus Stellung. Nicht auf die Bürgerschaft müsse man sehen, sondern auf das, was man gegen Gott und vor seinem Gewissen verantworten könne. Bereits 1529 habe man Osiander nach Marburg abgeordnet. Die Bekanntschaft mit anderen Theologen würde nur zur größeren Einigung unter denselben führen. Herei wies noch darauf hin, daß es Wilhelm v. Hessen eigen berühren müsse, wenn sich Nürnberg in diesem Punkte von den andern ausschließen würde. Der 3. Punkt „die Instruktion" veranlaßte Herei zum Vorschlag, Theologen zur Beratung beizuziehen. Die anderen aber griffen auch diesen Punkt auf. Wieder war Herdesian ihr Wortführer. Wenn auch der Kurfürst von der Pfalz die Unterschrift, vollziehen würde, Hessen und Anhalt blieben sicher auf ihrer ablehnenden Stellungnahme, sodaß man sich weiter nichts zu befürchten habe. Gegen das Concordienbuch sollte man nicht zu Gegenschriften greifen, bevor 26

es nicht erschienen wäre. Man solle aber an die 3 Kurfürsten mit der Bitte herantreten, vor der Drucklegung es einer allgemeinen Synode vorzulegen, wo liberis votis et sententiis absque praejudiciis multitudinis et ante actorum deliberlert werden könnte. Zur Begründung dienten 5 Punkte: 1) Der Kur­ fürst von der Pfalz habe sich nach dem Tag zu Langensalza zum gleichen Schritt bekannt. 2) Der Plan der Veröffentlichung sei bisher in der Kirche nicht gebräuchlich gewesen. 3) die Lehrart des Buches mache die Augsburger Kon­ fession verdächtig. 4) die Veröffentlichung bedeute eine Verdammung ohne Verhör und richterliche Erkenntnis. 5) Viele, die schon unterschrieben hätten, würden ihre Unterschrift für nichtig erklären76). Der Rat schloß sich dem Gut­ achten der Gelehrten an und beschloß am 13. Febr. 1579 den Tag zu Kassel zu besuchen. In diesem Sinne wurde auch über die den beiden Abgeordneten Philipp Geuder76*) und Dr. Joh. Herei mitzugebenden Instruktionen böraten. Herdesian wurde mit der Fixierung derselben beauftragt. Mag. Laur. Dürnhofei wurde unter den Theologen ausgewählt; aber erst nach seiner Abreise den Superintendenten also Heling und Schelhamer Kunde davon gegeben. Die Abgeordneten sollten sich genau an ihre Instruktion halten und weitere Ver­ handlungen in der Religionssache nur ad referendum aufnehmen77). Am 1. März reisten die Gesandten ab; am Freitag 6. 3. kamen sie in Kassel an. Sie wurden aufs freundlichste aufgenommen. Sie wurden die ganze Verhandlung über als Gäste des Landgrafen behandelt; die 3 Gesandten mußten sogar immer an der fürstlichen Tafel speisen. Am Samstag, 7. März, begannen in Gegenwart der beiden Fürsten Wilhelm u. Joachim Ernst die Verhandlungen. Die Räte derselben wiesen darauf hin, daß 2 Präfationen eine im Namen der Fürsten, die andere im Namen der Theologen erscheinen wür­ den. Wenn auch die Mängel des Bergischen Buches nicht behoben würden, so müsse man doch eine Stellungnahme finden, die ein Schisma verhindere, 4 Punkte stellten sie zur Diskussion: 1) Soll das Buch ganz oder nur teilweise angenommen werden. 2) Was ist zu tun, wenn man bei Nichtannahme zur Unterschrift gezwungen werden soKlte oder wenn es publiziert würde. 3) Es wäre bereits ein „Begriff" verfaßt worden, ob demselben beigestimmt werden solle. 4) Ob man an die Kurfürsten mit der Bitte, die Publikation einzustellen, herarttreten sojlle.) Es w^ren also die gleichen Gedankengänge, wie man sie in Nürnberg erwogen hatte. Geuder und Herei erbaten sich nun den erwähnten „Begriff" zur Einsicht und händigten andererseits dem Fürsten ihre Instruktion aus. Diese fand solchen Anklang, daß der vom hessischen Kanzlei Richard Scheffer gefertigte Entwurf eines Schreibens an August von Sachsen und Joh. Gg. von Brandenburg nach ihr vielfach geändert wurde. Ebenso einigte man sich dahin, auch ein Schreiben an den Kurfürsten von der Pfalz abgehen zu lassen. Vbn einer Protestationsschrift, die durch den Druck verbreitet werden sollte, hatten also Hessen und Anhalt abgesehen77*). Die Unterschrift glaubten allerdings die beiden Gesandten — Dürnhofer war eben­ sowenig wie die anderen Theologen zu den Beratungen beigezogen worden — „aus etlichen bei uns erwogenen Ursachen" allein den beiden Fürsten über­ lassen zu sollen. Sie sahen nun ihre Aufgabe gelöst an und erbaten sich am 10. März „Urlaub"; über Melsungen und Rotenburg kamen sie am 16. März wieder heim. Solange sie in der Landgrafschaft Hessen weilten, wurden sie als Gäste des Landesfürsten betrachtet78).

27

IV. Wer einen Blick in die Protokolle des Rates in dieser Zeit tut, kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß er besorgt genug in die Zukunft blickte. Besorgt im Hinblick auf die pol. Entwicklung des Verhältnisses der ev. Terri­ torien zueinander. Man dachte schon daran, daß man gewaltsam gezwungen werden könnte, das Bergische Buch anzunehmen79). Aber auch besorgt genug, wenn man auf die eigene Stadt blickte. Die Ablehnung des Bergischen Buches sollte erst recht der Auftakt zur religiösen Zerrissenheit werden. Die Stellung zum h. Abendmahl fand die schärfsten Gegensätze. Es gab Theologen, die ganz kalvinisch gesinnt waren, es gab solche, die in höchst grober Weise, luth. Lehren vortrugen. So trug der Prediger bei den Barfüßern, Stephan Engelpiunner89), auf der Kanzel vor: „im Abendmahl ißt man den Leib ^und das Blut Christi, solange dick und groß, als er am Kreuz gehangen"; er forderte das „Abscheren der Knebelbärte, damit das Blut Christi nicht daran hängen bliebe1. Andere wie Mag Mich Rauenpusch0') und Joh. Müllerbeck82) drückten sich in ihren Unterweisungen, den Katechismuspredigten, so zurückhaltend aus, daß sie in mancherlei Verdacht gerieten. Als Führer der einzelnen Richtungen traten immer mehr Laur. Dürnhofer an St. Egidien und Joh. Schelhamer an St. Lorenz hervor. Die Einwohner der Stadt blieben aber dadurch nicht unbe­ rührt. Die Spaltung der Parteien verschärfte sich, die einen waren für Dürn­ hofer wie Dr. Joh. Richthauser82*), die anderen und zwar vor allem die Bür­ ger, Kaufleute und Handwerker, wie der Stadtpfeifer Martin PaumannH2l)) für Schelhamer. Letzterer wird bald der Mittelpunkt der an der luth. Abendmah^slehre festhaltenden Kreise, während die philippinisch gerichteten Elemente sich mehr im musikalischen Kränzlein des Dr. Marquard Fror sammelten. Der Streit kam natürlich auf die Kanzefln. Schelhame^ fühlte sich ver­ pflichtet mit der gegensätzlichen Meinung sich weitgehend auseinandersetzen zu müssen; er beschäftigte sich weithin mit den Gegnern im phil. Lager, so besonders mit Sturm in Straßburg. Aber auch die Nürnberger Gegner, wie Dr Richthauser blieben nicht unangegriffen. Engelprunner gab den Zuhörern Anweisung, welche Fragen man den Leuten vorlegen solle, um die KalvinischGesinnten zu erkennen. Die Angegriffenen ließen sich das natürlich auch nicht gefallen. Richthauser erschien einmal mit 2 Notaren Hier. Rorscheit82c) und Joseph Lochner im Gottesdienst, um Schelhamer zur Rede zu stellen, was diesen natürlich nur noch mehr reizte. Rauenpusch und Engelprunner gerieten bei der Beichte nach der Absolution in heftigen Wortwechsel. Gleich nach dem Kasseler Tag hatte sich der Rat mit solchen Dingen zu befassen. Laur. Dürnhofer hatte dem Nik. Selneccer die bittersten Vorwürfe wegen seiner Haltung in theol. Dingen gemacht; pr handle nefarie an seinem Vaterland. Dieser beschwerte sich deswegen beim Rat. Beiden wurde nun am 2. 4. 1579 das Mißfallen der Stadt bezeugt; Laur. Dürnhofer wurde insbesondere die Mißbilligung des Rates ausgesprochen: „im untersagen sich hinfort mit niemand dergestalt weiter einzulassen auch ohne Wissen des Rats sein Schrei­ ben nicht spargieren"83). 1574 hatte man die Kommission zur Prüfung der Kandidaten, die aus Heling und Schelhamer bestand, durch Zuziehung eines weiteren Geistlichen, des Laur. Dürnhofer erweitert „damit der Schelhamer nicht ursach haben möge, uns in etlichen dingen anders zu deuten oder auszulegen wie es geredet oder handelt worden". 19. März 1579 erfolgte die Beizichung von 2—3 Räten. M. Joh. Schelhamer erregte ja allerlei Zank und Streit, da er sich von seinem Affekt hinreißen ließ, wenn er einen Wider26

willen auf jemand hatte. Die ersten weltl. Räte waren Hi. Baumgartner, Barth. Römer, Hier. Schürstab84). Im Febr. 1578 kam es zu Auseinandersetzun­ gen bei St. Egidien. Dürnhöfer beschuldigte im Kapitel den Kaplan Paul Pfister, einen Lutheraner, unrichtiger Lehre vom heil. Abendmahl. „Es wäre nicht aus Gott, auf seiner Kanzel wäre nie also gepredigt worden. Auf sich bezog er dessen Äußerung: Wie die 3 Knaben den gottlosen Nebukadnezar nicht verdammt hätten, so sollten die jungen Prediger auch tun“. Mag. Constaniin Fabricius stimmte Dürnhöfer bei. Wenn der Leib Christi mit dem Munde gegessen werde, so müsse er auch per anum. Das Kapitel teilte sich Fabricius, Joh. Ernst und Georg Dentner traten auf Seite Dürnhöfers, Andreas Hezel und Gg. Deminger84») stimmten Paul Pfisiter bei (Ms 416, 374). Hi. Baum­ gartner soll die ganze Sache unterdrückt haben. Am 2. Mai 1578 hatte man Mag. Georg Dentner als ausgesprochenen CalVinisten absetzen müssen. Er leugnete die leib. Gegenwart Christi im Abendmahl. Die einfachen Leute hielten ihm entgegen, wenn man geistlich den Leib Christi genießen wolle, müsse er auch leiblich da sein. Er fand anscheinend in Fürth Aufnahme. Es kam bald zu erneuten Zusammenstößen mit der Gemeinde. Schelhamer teilte 1579 die Aussagen dreier Fürther Hans Hauer, Jorg Negelein, Martin Hart­ mann über ein Gespräch mit ihm mit: „Wenn sie Christum im Abendmahl mit den Zähnen zerbeißen, so müßten sie ihm dann vollends die Hände und Füße abbeißen“ sollte er zu diesen gesagt haben. Dentner wurde auf den „türm“ verschafft; er eiltschudigte sich zunächst mit Trunkenheit. Der Be­ weis für die Richtigkeit ihrer Aussagen konnte aber von den dreien nicht erbracht werden. „Es würde ihnen etwas schwer fallen, solche Bezichtigung mit Grund der Wahrheit gegen ihn auszuführen“. „Der Rat hatte deswegen an ihrer ungeschickten Handlung ein ernstliches Mißfallen“86). Im Mai 1579 trafen nun die beiden Schuldiener Georg Körbgr87) und Joh. Keßler88) von St. Lorenz mit dem Stacjtpfeifer Martin Paumann zusammen. Ob zufällig, bleibe dahingestellt. Man hat den Eindruck, daß die Gegensätze einmal zum Austrag kommen mußten. Sollten sie nicht in der Sache vorgeschickt worden sein? In dem Gespräch gab der Stadtpfeifer seinem Unwillen über die reli­ giöse Entwicklung offen Ausdruck. Die beiden Schuldiener sprachen immer weiter auf ihn ein, sodaß er von einem „Ausbund der Calvinisten“ sprach,, der in der Stadt sein Wesen treibe, der nichts wert wäre, als daß man ihn aus der Stadt treibe. Besonders klagte er das musikalische Kränzlein an, daß sich bei Dr. Marquard Fror versammelte, daß es der Calvinischen Sekte zuge­ tan und verwandt sei. Die Kalvinisten leugneten die Allmacht Gottes und straften Gott in seinem Worte Lügen. Am Abend deis Himmelfahrtstages (28. Mai 1579) gab es einen neuen Zusammenstoß zwischen ihnen während der Vesper. Der Zinkenbläser Jakob von der Hufen hatte sich auch daran beteiligt. Die beiden Schuldiener setzten ihrer* Schulmeister80) in Kenntnis und so gelangte es zur Kenritnis des Rates. Aber auch Schelhamer versäumte nun nicht seine Beschwerden vorzubringen. Willibald Schlüsselfedler setzte er in Kenntnis von den Ausdrücken, die gegen ihn und seine Anhänger offen ge­ braucht würden: „Fleischfresser“, „Blutsaufer“; er beklagte sich, daß Dentner noch immer in der Stadt weile. Er verlangte eine Examination aller Bürger und Fortweisung aller Irrigen. Der Rat beschloß die Angelegenheit genau zu untersuchen. Schelhamer besonders bekam die Weisung, „nicht in der Luft umheizuflattern“, sondern gen^u die 'zu bezeichnen^ die solche Ausdrücke gebrauchten, ebenso die Schuldiener, Katechismusprediger und Schulmeister, die er auf der Kanzel der „unreinen Lehre“ beschuldigt hatte. Die Verhand29

lungen zogen aber immeT weitere Kreise. Dr. Fror und Dr. Richthauser be­ schwerten sich über Paumann und Schelljamer. Der Rat war offenbar der Meinung, daß letzterer an allem Schuld wäre, daß er der geistige Vater des ganzen Tumults wäre. Wiederholt wurde er aufgefordert, genaue Aussagen zu machen und ,,nicht mit bjloßem Wahn hineinzuplatzen". „Wenn er sich merken könne, was ihm die Ohrenbläser vorbrächten, könne er wohl auch die Autoren wohl behalten und sein Talent beweisen". Die Untersuchung ergab aber doch ein anderes Bild. Die Schuld lag auf beiden Seiten. Wohl ließ sich feststellen daß Schelhamer der Führer seines Kreises war, daß auf ihn inkriminierte Äußerungen zurückgingen, daß er viel auf den Mesner Cunz Schreck hörte, der ihn über die Stimmung der Stadt unterrichtet hatte; aber es stellte sich doch heraus, daß er Grund zu seinen Äußerungen gehabt hatte. Ja es scheint, aJs ob die Verhandlungen zu einer Krise im Rat selbst geführt haben. Der einflußreiche Ratschreiber Matthias Schiller mußte sich manche Vor­ würfe wegen seines Protokollieren machen lassen. Es bedurfte eines ausdrück­ lichen Vertrauensvotums des Rates, um ihn zum Bleiben zu veranlassen; er wollte wieder Kanzlist werden. Die Beschlüsse lassen es deutlich erkennen. Das hatte der Rat nicht erwartet, daß Schelhamer gegen Dürnhöfer einen Nürn­ berger Geistlichen A. Hezel90) als Zeugen aufrufen konnte; dieser hatte ja den Lorenzer Prediger in einem Schreiben von seiner Beschwerde Kenntnis gegeben. Der Rat suchte eine Basis zu finden, die jeden Zwiespalt von neuem aus­ schließen sollte. Die Kirchenordnung 1533, das Decret 1573 und die letzte Er­ klärung 1577 wurden wiederum als die Grundlagen des Kirchenwesens in Nürnberg erkärt, das sollte die Richtschnur für jeden Geistlichen sein. Die Überwachung aber behielt sich der Rat ausdrücklich selbst vor; den Geistlichen — und das bemerkte er besonders Schelhamer — gestand er kein Recht zu. Laien oder Geistliche wegen ihrer Glaubensüberzeugung vorzufordern, examinie­ ren, auf den Kanzeln auszuschreien; bei begründetem Anlaß hätten sie sich an den Rat zu wenden. Am meisten setzte sich der Rat für Dr. Marquard Fror ein. Der Stadtpfeifer Mart,in Paumann wurde mit Gefängnis für 14 Tage bestraft, er sollte „auf einem versperrten Turm mit dem Leib und Wasser" büßen und sich hinfort „dergleichen unrechtmäßigen Ausschreiens gegen ehrliche unschuldige Leute bei ferner eines erbaren Rats ernstlicher Strafe enthalten, sich seines Selbstberufs erinnern und denselbigen mit Ffteiß ohne Nachteil und Verkleinerung anderer Leute abwarten". Weil Paumann sich auf Schelhamer berufen hatte, wurde die­ sem ebenfalls eröffnet: weil der Rat „ihn Herrn Doctor Fror bisher in Reli­ gionssachen viel ein anders erkannt, das er Herrn Doctor sowohl auch seine Mitbrüder zufrieden und unausgeschrien lassen sollte, sonst könnten sie nicht umgehen, gegen ihn deswegen die Gebühr vornehmen zu lassen". Dr. Fror wurde von dem gegen Paumann ergangenen Urteil besonders verständigt. Aber schon Jakob von der Hufen bekam nur eine sträfliche Rede. Der Schuldiener Joh. Keßler wurde ernstlich verwarnt „dergleichen ungebührliche Reden mehr auszugießen"; es wurde ernstlich gerügt, daß er dem Paumann durch sein „Forschein" zu seinem Diffamieren Anlaß gegeben hatte. Man drohte ihm mit Einschreiten des Rates, wenn er sich nicht nach der Kirchenordnung und dem Dekret beim Abendmahl verhielte, „man würde sonst das gebührende ernst­ liche einsehen gegen ihn vorzunehmen nicht unterlassen*. Und da ein Stahl­ schießen am 24. VII. 1579 stattfand, holte man Paumann, aus seinem „ver­ sperrten Turm". 30

Dr. Joh. Richthausers Benehmen fand die schärfste Mißbilligung des Rates. Schon die von ihm auf Schelhamers Anklage erfolgte Antwort, konnte doch nicht ganz den Vorwurf „einer verführerischen Sekte'1 anhängig zu sein, ent­ kräften. Der Rat aber dachte, daß er wiederholt Dispute über die Abendmahls­ lehre veranlaßt und immer wieder „merlein in religions und anderen Sachen zu vieler ärgerung" verbreitet hatte, „welche seiner Profession und Berufs gar nicht seien". Es wurde ihm ernstlich bedeutet, hinfort seines Amtes besser zu warten. Besondere Rüge fand sein Benehmen im Gottesdienst; man be­ deutete ihm deutlich genug, wenn er sich nicht nach der Kirchenordnung richten wolle, solle er seine Nahrung an anderen Orten suchen; „denn man gedächte weder ihm noch einem anderen ein Besonderes allhier zu machen". Auch die beiden Notare wurden ernstlich verwarnt. Hatte man vielleicht anfangs ein schärferes Vorgehen gegen Schelhamer ins Auge gefaßt, so mußte man bald erkennen, daß er nicht nur „auf bloßen Wahn" hin auf getreten war, sondern Grund genug gehabt hatte. Die beiden Katechismusprediger Mag. Mich. Rauen­ pusch und Joh. Mullerpeck hatten wirklich Grund zu Beanstandungen Schel­ hamers gegeben. Sie hatten nicht so ausführlich geredet, wie es die Notdurft der Sache erforderte. Man verlangte von ihnen eine bündige Erklärung, ob sie an der Nürnberger Kirchenordnung und dem Dekret festhielten. Denn es wäre nicht genug von solch hohen Artikeln allein obenhin zu predigen ohne einige feste, lautere und verständige Erklärung. Sie sollten nicht hinter dem Berg halten. Rauenpusch wurde außerdem bedeutet, daß er sich in dem Streit mit EngeJprunner hätte etwas eingezogener halten sollen? nur weil er sich mit diesem bereits versöhnt hatte, stund der Rat von weiteren Maßnahmen ab; er hätte sich an das Lorenzer Kapitel wenden sdllen. Engelprunner wurde zwar eines „Rats Beschwerung und Mißfallen" angezeigt; „es hätte ihm nicht gebührt, in der Beichte vor dem Altar und den Umstehenden mit Rauenpusch ein solches Gezänk anzufangen sonderlich nach beschehener Absolution". Be­ sonders rügte man, „daß er sich in seinen Predigten vom Gebrauch des heil. Abendmahls etwas unbescheidentlich gehalten hätte, und, was das beschwer­ lichste sei, den Leuten Regel und Zeichen vorgesagt und eingebildet hätte, wie sie die Kalvinisten anlassen und erkennen sollen". Doch betonte man auch ihm gegenüber, daß es ihm unbenommen sei, Irrtümer, wenn auch mit christlicher Bescheidenheit dem Dekret hes Rats gemäß zu bestrafen. Aber man wußte, daß er der akademischen Bildung entbehrte. Der Kampf gegen den Flacianismus hatte ihm wohl den Weg zum geistlichen Amt gebahnt. Er hatte sich wegen der ungeschickten Reden auf sein mangelndes Wissen berufen. Er sollte also jetzt nicht scheuen, sich von gelehrten und richtig denkenden ^ehrern belehren zu lassen. Und Schelhamer, der doch die Seele des Widerstands in der Abendmahls­ frage war. Der Rat betonte, daß er unverrückt an der Augsb. Konfession, der Kir­ chenordnung und seinem letzten Dekret festhalten werde. Infolgedessen würde er keinen „Sektiererischen Einriß, Änderung oder Abfall" gestatten. Das Recht aber gegen solche, die mit einem sektiererischen Irrtum behaftet wären,, sich dessen öffentlich rühmten oder sonst Gotteslästerer oder Sakramentierer wären, diese Opinion verteidigten und andere Leute verführten, wider die Obrigkeit und deren Kirchenordnung redeten und handelten und sich nicht eines erbaren Rats Dekret und Gebot unterwerfen wollten, vorzugehen, behielt er sich ausdrücklich vor. Er verwies auf sein Vorgehen gegen Osiandristen, Schwenkfelder und Flacianer. Eine allgemeine Examination sämtlicher Einwohner der Stadt, um ihre Stellungnahme zu ergründen, lehnte er aber ab. Man bezeugte Schel­ hamer ausdrücklich, daß man an seiner Lehre keinen Mangel habe, man ge31

stand ihm auch das Recht zu, Sünde und Laster insgemein zu strafen und irrige falsche Lehre mit christlicher Bescheidenheit zu widerlegen; aber das Vorgehen gegen einzelne, besonders, wenn es keinen greifbaren Grund habe, nur den „Märleinstragern" Glauben schenkend verwies er. Demgemäß wäre auch der Fall Richthauser zu behandeln gewesen. Wenn der Rat auch ihm bedeutete, daß er gegen Dürnhöfer nicht nur auf die Klage eines einzelnen sich hätte stützen sollen und an die Klausel seiner eigenen Worte: contra presbyterum accusationem non esse recipiendam nisi ex ore duorum aut trium testium anknüpfte, so gab er doch zu erkennen, daß seine Klagen nicht unbe­ gründet, also sachlich gerechtfertigt waren, daß er nur mit der Art seines Vorgehens nicht einverstanden war. Man drohte ihm deswegen auch nicht mit Aufkündigung seines Dienstes, sondern erklärte nur, daß der Rat als Obrigkeit im Falle des Ungehorsams seiner Person und Widerspenstigkeit, auf andere Mittel und Wege bedacht sein müsse, damit die allhiesige Kirchenordnung, gemeiner Stadt und eines erbaren Rats reputation erhalten werden möge91). Der Rat war wohl selbst nicht der Meinung, daß mit dieser Erklärung und Ent­ scheidung allen künftigen Streitigkeiten vorgebeugt worden sei. Er war froh, eine augenblickliche Klärung herbeigefiihrt zu haben. 21. Juli 1579. V. Die Teilnahme Nürnbergs an der Kasseler Tagung war bald in Deutschland bekannt geworden. Was das bedeutete, war den Lutheranern klar. Der Ein­ fluß des Herdesian war immer stärker geworden. Der Unmut Andreäs steigerte sich immer mehr. Seinem Freunde dem Ratsherrn Hier. Schürstab gab er dies am 17 April 1579 deutlich zu verstehen. Ernvester, vornemer, E. E. seien die gnade Gottes durch Christum sampt mein gutwilligen diensten und gebet zu vor, sunders günstiger lieber herr und vertrauter freund. Es isit ein gemein Sprichwort, gut ding muß auch gute zeit haben. Das ist war in allen Sachen, sonderlich aber in geistlichen, da sich .der teufel sperrt und wert, so stark er kan. Das hab ich in dem gemeinen werk der Concordien erfaren, darwider der teufel bis daher mit allem betrug, listen, lug und calumnien gestürmet, ob er es möcht hindertreiben und zunichten machen. Aber der in der weit ist, der ist nicht so stark, als der in uns ist. Jener ist der lugengeist, dis ist der geist der warheit. Darumb drucket er auch vort, und jemehr er gedrucket wird, je mehr er sich aufrichtet wie ein palmpaum und lest falsche unbestendige leut immer vortfaren. Wenn sie sich gnugsam geoffenbart haben und ire lugen samt falschen practiken an tag kom­ men, alsdann erst kombt die warheit herfur getreten mit großen ehren und machet sie alle zu schänden. Das sollt ir an dem werk der concordian er­ fahren, darvon die kalvinianer vil vil vil lügen geschrieben, wie auch die flacianer. Dann von den papisten hetten wir fride, die nur mit einem, diese aber mit siben Teufeln besessen seien, und wie ich berichtet, der Formel concoidiae ein epitaphium geschrieben, als wann sie gestorben und begraben were. Darumb das zu cassel etliche Gesanten, unter welchen ich berichtet, daß euere herren sunderlich der lutherisch mann Dürnhöfer auch versammlet ge­ wesen. Ich hör aber auch widerrumb, daß ein beschisner abschid daselbsten erfolget. Dann die gesandten oder auf das wenigste die theologen nicht einig, es were dann, das Pomern und Holstein und Landgraf Ludwigs zu Hessen Theologen Calvinisch werden-, da ich das wiederspil für gewis weis, das sie nimmermehr mit dem Dürnhöfer und andern Calvinianern stimmen werden. Welches alles das werk offenbaren wird. Dann es sind Sampsons füchs, die 32

mit den schwänzen zusammengepundenr aber mit den köpfen getrennet werden; Das werdet ir erfaren-, dargegen aber die kirchen, so unterschrieben, seindt einer bekantnus in allen artikeln, darfur unsern lieben heren und gott zu danken. Und das solange zeit auf die andern stände geharret und dieselbige aber nicht herbeikommen, des haben sie sich nicht zu beclagen, dann sie nicht übereilet worden. Und soll demnach einer in dreien Jahren bei sich selbst schiiesen können, wes glaubens er sei oder doch endlich sein wolle. Dann drei gantze Jar haben sie nunmehr zu bedenken gehabt. Das man aber ein solche concordiam mache, die auf den calvinischen schlag gerichtet oder so auf schrauben gestellt, das man sie ziehen möge, wo man sie haben will, das kan nicht sein und soll auch nicht sein. Darumb soll auch dise formul nicht lengcr eingestellt, sunder durch den Trude aller meniglich mitgetailet werden. Daraus eure andere prediger sehen werden, ob sie auch mit dem Dürnhöfer, Heling und Schleichling einig seien, die nicht für Calvinisten wollen angesehen sein und seien es doch in der heut darinnen; die sich ires glaubens auf erden vor den menschen Schemen, und, da gleich recht were, was sie für recht halten, sie doch mit irem glauben zum iteufel fahren werden, den sie nicht bekennen dorfen. In Summa es ist ein lugenglaube und lugengeist. Und wann die fürsten und städt sehen werden, das sie durch dise calvinische prädlkanten betrogen sein, werden sie vieleicht auch anderst gesinnt werden, wo nicht, so wird doch" um iietwillen der christlich glaub nicht untergehen, und mögen sie Zusehen, wie sie es vor Gott verantworten. Dann das umb iren willen sollen andere iren glauben und einhelligkeit im selben nicht öffentlich bekennen, das werden sie wol lassen. Deshalben ir verhoffentlich in kurze neue und gute zeitung hören wirdet. Häemit uns alle d,em klflmechtigen befolen. Geben in eil den 17. Aprilis 1579”). Noch einmal versuchten Sachsen und Brandenburg, die Reichsstadt zur Änderung ihrer Haltung zu bewegen. Georg Friedrich feierte im Sommer 1579 seine Vermählung mit Sophie von Lüneburg in Kulmbach. Der Rat gab als Hochzeitsgeschenk ein lichtbraunes Pferd mit einer weißen Blässe ohne Sattel, nur mit einer weißen Decke; außerdem streckte er für die Hochzeitsfeierlidjkeiten 7000 fl vor. Man ahnte, daß bei der Zusammenkunft sovieler Fürstlichkeiten auch politische Angelegenheiten zur Sprache kommen würden., besonders dachte man an die Religionssache. Die beiden Ratsherren Clemens Volkamer und Jakob Haller, die Nürnberg bei den Feierlichkeiten vertreten sollten, bekamen die Weisung, „wenn der Kurfürst von Sachsen der Religionssache halben, das vorhabende Concordienwerk betreffend, an sie setzen würde, sich mit seiner Kurf. Gnaden nichts einzulassen, sondern die Sache mit Entschuldigung ihrer Unwissenheit glimpflich von! sich zu scheiden’*95). So geschah es auch. Bei den festlichen Tagen in Kulmbach setzte sich Dr. Paul Vogel, praeceptor am säch­ sischen Hof, ins Benehmen mit Clemens Volkamer. Wenn er auch jeglichen Auftrag von Seite des Kurfürsten ablehnte und nur als Privatperson sprechen wollte, so konnte jeder gleich merken, daß diese unverbindlichen Erörterungen die weittragendsten Folgen haben könnten. Dr. Vogel wußte wohl, wie ge­ spannt die Beziehungen zwischen dem Kurfürsten und der Reichsstadt waren; in Andreä und Hardesheim konzentrierten sich ja die Gegensätze jener Tage. Darum erklärte er mit weisem Bedacht, die Meinung der Nürnberger, als ob es Andreae gelungen wäre, die Gewogenheit des Kurfürsten gegen die alte Reichsstadt zu untergraben, wäre irrig. Dieser wisse ganz genau, daß der Rat zu den schlimmen Meldungen, die nach Sachsen gekommen wären, keinen An­ laß gegeben habe. Schuld wäre die Herausgabe eines „verhaßten Buches“94) 3

33

durch Hardesheim und der große Briefwechsel, den Nürnberger führten, welcher viel besser und ratsamer unterblieben wäre. Er hätte alles getan, um den Unwillen, der besonders gegen Herdesianus entstanden wäre, zu beseitigen. Der Kurfürst wäre auch jetzt noch geneigt, bezüglich der Concordia mit dem Rate einig zu werden; er würde wohl jeden Vorschlag desselben annehmen; sogar von der Person Andreä würde er absehen-, nur die Beziehungen zu Landgraf Wilhelm müsse der Rat wohl lösen. „Sie seien etwas zu heftig". Schon bevor die Gesandten zum Tag von Kassel abgereist wären, hätte der Kurfürst Kunde davon gehabt. Volkamer war wohl froh, daß er jedes Eingehen auf diese Vorschläge mit dem Hinweis auf seine Instruktion ab­ lehnen konnte; waren doch Vogels private Ausführungen mächtig unterstützt worden durch das Anerbieten, die Vermittlung in dem großen Fraischprozeß mit Brandenburg übernehmen zu wollen. 4 sächsische Räte, Dr. Andreas Pauli, Hartman Pistorius, Hans von Bernstein, Dr. Pfeiffer waren dazu sofort bereit. Nicht ungeschickt hatte Sachsen einen der empfindlichsten Punkte im Nürn­ berger Staatsleben herangezogen; wenn es selbst eine Ausschaltung der Per­ son Andreä vorschlug, so zeigte es, welches Gewicht man dem Beitritt der Reichsstadt beilegte. Wenn die Herrn Eltern aber am 20. 6. 1579 beschlossen, „die Sache an ihren Ort zu setzen", so läßt sich ermessen, wie groß der Einfluß des Herdesian, des Heling, des Dürnhöfer gewesen sein muß. Sachsen hielt allerdings noch lange die Hoffnung aufrecht, Nürnberg doch noch zu gewinnen; noch im August erklärte es sich wieder zur Vermittlung zwischen der Stadt und Brandenburg bereit*5). VI. Die Haltung Nürnbergs war klar. Der Riß zwischen der Reichsstadt und den iuth. Fürsten vergrößerte sich aber immermehr. Herdesian ließ ja eben in diesem Jahr seine fundamenta lutheranae doctrinae de ubiquitate in Genf ei scheinen. Daß er sich unter „Ambrosius Wolf" verbarg, dürfte bald ruchbar geworden sein"). So kam niemand von den Vätern der Konkordienformel auf den Gedanken, die Präfation Nürnberg zuzusenden. Der Bruch war vollständig97). Diese erhielt es erst im Herbst 1579 durch den Landgrafen Wilhelm von Hessen. Je mehr sich das Band zwischen ihm und dem Kurfürsten Ludwig lockerte, umso wichtiger erschien es ihm, die Korrespondenz mit der Reichsstadt 'aufrecht zu! erhalten; auf dem Kasseler Tag hatte sich ja ein enges Band zwi­ schen ihm und dem Ratsherrn Philipp Geuder geknüpft98). So hatte er am 4. April 1579 die Antworten übersandt, die Sachsen und Pfalz auf die An­ legungen der Fürsten von Kassel gegeben hatten99). Am 18. Juni 1579 setzte er die Reichsstadt in Kenntnis, daß seine Bemühungen, Ludwig von der Pfalz von der Unterzeichnung der Konkordienformel abzuhalten, umsonst sein dürften. „So haben wir doch von etlichen Fürsten die gewisse Kundschaft und Nach­ richtung, daß S. L. nach Verlesung gedachts unseres Schreibens heftig bewegt worden und darüber etliche Tage fast traurig gewesen"100). Sein nächster Brief vom 9. September 1579 zeigte dann, wie sehr diese Befürchtungen berechtigt gewesen waren; Kurfürst Ludwig hatte ihm unterm 20. August 1579 mitge­ teilt, daß seine Bedenken gegen den Anschluß an die Konkordienformel, durch die Präfation gehoben waren. Er war allerdings anderer Ansicht. Er fand daß die lutherischen Theologen alle ihre Positionen, besonders die Ubiquität, die Lehre von der Person Christi aufrecht erhalten hätten; er erbat „das vernünftigliche Nachdenken" und „rätliche Bedenken" des Rates über die gleich­ zeitig mitfolgende Präfation101). Am 2. November 1579 berichtete er dann von

dem letzten großen Versuch, den Andreä und Chemniz selbst bei ihm in Kassel unternommen hatten, um seine Zustimmung zum großen Einigungswerk zu erreichen. Es wäre ihm lieb gewesen, über die Haltung der Reichsstadt Nach­ richt gehabt zu haben, da jetzt die Entscheidung ganz allein bei ihm lag102). Auf den Rat war das Vorgehen der Kurpfalz nicht ohne Eindruck. Man überlegte sich doch reiflich die ganze Lage. Die Theologen bekamen die Wei­ sung darüber zu beraten, ob die Ansicht des Kurfürsten von der Pfalz „daß ihre Bedenken gegen das Konkordienbuch durch die Präfation gehoben seien und dasselbe durch letztere notdürftig erklärt sei, begründet sei“, ob der Rat solch ein Buch ungeachtet daß die nachdenklichen angefochtenen Phrases und Reden der Praefation zuwider darinnen ungeändert bleiben, mit gutem Gewissen und unver­ letzt ihrer bisher gehabten reinen Lehre und Kirchenordnung beipfiichten könnte“. Man forderte die Theologen allerdings nicht zu gemeinsamer Be­ ratung auf, sondern ersuchte sowohl Schelhamer ais die anderen; Heling, Düinhöfer, Fabricius um ihr Gutachten. Schelhamer wurde gestattet, auch seinen Schwager Mag. Nie. Herold beizuzihen103). Die beiden Gutachten kamen zu dem gleichen Ergebnis. Sie lehnten es ab, dem Beispiel des Kurfürsten von der Pfalz zu folgen. In der Begründung zeigte sich allerdings ein großer, wenn auch nur formeller Unterschied. Schel­ hamer behandelte die Angelegenheit nach großen Gesichtspunkten? Heling setzte sich mit jedem einzelnen Artikel der Präfation auseinanber. Schelhamer erkannte rühmend den Versuch der Kurfürsten, auf christ­ lichem Gebiet Einigkeit herzustellen, an; auch für den Eifer der fürstlichen Theologen hatte er das gleiche Verständnis. Nur wünschte er, daß sie nicht nur die Calviner, sondern auch die anderen irrigen Meinungen verurteilt hätten. Dazu müßten sie allerdings ihre selbstgefaßte Meinung, als wären sie den Aposteln gleich, aufgeben, und sich bereit finden lassen, dem Urteil der Kirche sich zu unterwerfen, das auf einer Synode gesprochen werden sollte. Schel­ hamer betonte mit Nachdruck seine streng lutherische Haltung in ber Abend­ mahlslehre, die ihn des Verdachts, ein Calviner zu sein, gänzlich befreie. Aber eben deswegen mußte er die schärfsten Einwände gegen die Lehren der churfürstlichen Theologen erheben. Er stimmte diesen vollkommen bei, wenn sie sich bezüglich dieses Punktes allein auf die Einsetzungsworte stützen woll­ ten. Dann hätten sie aber nicht die Lehre von der Ubiquität verteidigen sollen. Dann hätten sie bie 4 Gründe, die ihre Anschauung vom Abendmahl angeblich stützen sollten, ruhig auslassen sollen. Schelhamer war darin mit den an­ deren Theologen einig, daß ein Artikel des Glaubens durch den anderen er­ klärt werden müsse. Aber daraus schloß er nicht, daß ein Artikel das Fun­ dament des anderen, zu dessen Erklärung er herbeigezogen werde, sein müsse. Ein jeder Artikel hat sein besonderes Fundament. Ehe der Herr Chrisltus das Abendmahl eingesetzt hat, ist es nicht gewesen. Die Lehre der Ubiquität ist neu, eine neue phrasis. Sie Steht weder in der heiligen Schrift, noch bei den Kirchenvätern. Ebenso neu ist ihre Lehre von der Person Christi. Hier hul­ digten sie einem euthychianischen Irrtum; sie werfen beibe Naturen und der­ selben wesentliche Eigenschaften ineinander; sie lassen die wesentlichen Eigen­ schaften der göttlichen Natur in die menschliche Natur ausgegossen sein. Ihr Verständnis von der communicatio idiomatum sei falsch. Schelhamer erklärte: die communicatio idiomatum geschieht in der Person, die Eigenschaften der einen Natur werben der ganzen Person gegeben; die Bergischen Theologen sagen: sie geschehe in naturis die Eigenschaften der ein Natur werden der anderen 3*

35

gegeben. Wenn die sächsischen Theologen sagen, die menschliche Natur sei in die göttliche Einigkeit eingesetzt worden, so kömite man daraus schließen, daß der Mensch Christus Gott geworden sei. Der Vorwurf, daß sie eine doppelte Gottheit, eine „wesentliche" unb eine „mitgeteilte" lehren, sei aus Brenz und Andreas Schriften zu beweisen; ebenso die Lehre, daß die gött­ lichen Eigenschaften in die menschliche Natur Christi ausgegossen seien, daß die persönliche Vereinigung eine exaequatio naturarum sei. Nicht unrecht be­ haupte man, daß sie unrecht vom Himmel und Hölle lehrten und eine drei­ fache Himmelfahrt annähmen. Solches haben, so schlossen Schelhamer und Herold. Ewern Herrlichkeiten wir unterteniglich, auch Amtshalben kürzlich wollen vermelden. Dann sollten wir in dieser bösen und schweren Handlung alle Irrtum nach der Läng erklären, müßten wir Viel Zeit dazu haben. Daraus Euer Herr­ lichkeiten augenscheinlich zu vernehmen haben, was doch dieses Concordi Buch im Schild führe. Und ob es wohl bei den unerfahrenen Leuten, und, die dieser Sachen kein Wissenschaft noch Verstanb haben, sich läßt ansehen, als sei etwas Köstliches und Gutes darinnen, so ist es doch bei den Gelehrten und so diesen Handel verstehen, um dies Buch ajso geschaffen: Je mehr einer den Sachen nachdenkt, je übler sie ihm gefallen. Deswegen ist dieses der beste Weg, daß wir bei einer gewissen und richtigen Lehre und norma boctrinae bleiben, die wir von Anfang des gepredigten Evangelii gehabt haben und noch. Gott wolle uns auch forthin darbei gnediglich erhalten und nicht auf ein weit und ungestüm Meer uns begeben, damit mir endlich nicht des zeitlichen, sondern vielmehr des ewigen Brots uns hätten zu befahren. Sie schrieben den Ver­ fassern Cainicum Odium zu, diese haßten Philippus mehr als Kain seinen Bruder Abel. „Wir aber bezeugen vor Gott und seiner christl. Kirchen und solches mit Grund der Wahrheit: Hat jemals ein rechter Lehrer der Kirchen Gottes in vielen Jahren die Lehre von der Person und zweien Naturen in Christo recht christlich und wohlj erklärt, so hats Herr Philippus seliger getan. Es stehet auch diesen undankbaren Leuten zu beweisen, wie er in der Lehr von ber Person Christi geirret und Neuerung eingeführt habe'104). Die 3 anderen Theologen erklärten von vornherein, daß sie am liebsten ihrem Amte obliegen würden; sie hätten gar keine Hoffnung nach dem Schick­ sal, das ihr früheres Gutachten zu Tangermünde gehabt hatte, daß ihre Aus­ führungen beachtet würden. Nur der Gehorsam gegen die Obrigkeit habe sie bewogen, sich mit der Sache zu befassen. Durch die Präfation würden die Be­ denken gegen das Bergische Buch keineswegs behoben, „sondern finden viel­ mehr, daß darinnen die vorigen angefochtenen Mengel und neuen Lehren perseveianter verteidigt, mit allerlei angestrichenen coloribus beschönt und unter der löblichen Chur- und Fürsten Autorität und Namen in bie Kirchen einzuführen, unterstanden wird." Beim Eingang der Präfation vermißten sie neben Luther die Erwähnung Melanchthons. „Aber sehr fremd und seltsam ist uns, warum sie des Herrn Philippi bei dieser Sachen gar nicht gedenken und wie es der fromme gottselige Mann um sie verdient hab, daß sie ihn von diesem Werk der repurgierten und propagierten Lehre so gar ausschließen und nicht als einen getreuen coljlega und synergon des Herrn Luther neben ihn setzen". Das Augsburgische Bekenntnis sei allerdings, wie die Praefation er­ kläre, auf dem Grund der heil. Schrift verfaßt; aber sie könnten nicht zuge­ stehen, daß das Bergische Buch die rechte Erklärung derselben sei. Die Präfa­ tion wende sich gegen die Irrtümer, die nach Luthers Tode in der Kirche entstanden wären. Es werde aber alles dem frommen, unschuldigen Mann Phi­ lippus zugeschoben, der Irrungen, die sich an Flacius und Osiander u. a. knüp3ö

fen, gar nicht gebacht. Die Pflicht der Obrigkeit, die reine Lehre zu erhalten, erkannten sie gleich der Präfation an. Aber der rechte Weg sei die Fest­ setzung durch eine Synode und nicht die Unterschrift einer schon fertigen Formel. ,Da würde der Flacianer und Ubiquitisten Lehre im Rauch in der Feuerprobe verschwinden, dagegen des Herrn Philippi Lehre bestehen." Die verbesserte Augsburger Konfession sei keineswegs der ersten Ausgabe zu­ wider. Wenn die Bergischen Theologen alle Erklärungen der Fürsten verwürfen, so zeige das nur von ihrer Absicht, autoritativ die Lehre der Kirche festzusetzen und keine Beratung noch Synode zu bewilligen. Die Verleumdungen der Papi­ sten würden schwerlich durch dieses Buch beseitigt; dazu sei nicht Ein­ führung neuer Korruptelen sonbern die christliche Erklärung der Konfession nötig. Die Nürnberger Theologen stimmten den Bergischen Theologen darin bei, daß man die Einführung irriger Meinungen in Kirchen und Schulen ver­ hindern solle. Hier hätten aber letztere an das Wort zu denken: quod iustus in principio est accusator sui ipsius et postea inquirit in alium. Dann würden sie eikennen, wer irrige Lehren einführe. Diejenigen, die dessen von ihnen be­ schuldigt würden, hätten bas Recht, da sie die Beschuldigung als unrecht er­ klärten, vor einer Synode gehört zu werden. Beim Hinweis der Präfation auf die Entstehung des Torgischen und Bergischen Buches wiesen die Nürnberger auf die unterschiedliche Beachtung der einzelnen Zensuren hin; ja es habe eine „Ausmusterung" „vieler guter, nützlicher Erklärungen" und „Einmengung" vieler, „verwirrter" und „widriger Opiniones" stattgefunden. Nürnberg wun­ dere sich, daß viele trotzdem die Bergische Korrektur unterschrieben hätten. Viele wüßten noch gar nicht, was in dem Buche stehe; viele andere seien be­ schwert in ihrem Herzen. Viele schämten sich der Unterschrift. Vor allem erhoben die Nürnberger auch Widerspruch gegen die Ausführungen der Prä­ fation, daß sie die rechte Augsb. Konfession ihren Beratungen zu Grunde ge­ legt hätte. Das sei nicht deswegen geschehen, um die Sakramentierer zu ver­ werfen, sondern um Flacianische Irrtümer einführen zu können. Die gebesserte Augsburger Konfession verwerfe ja die Eutychianische Vermengung und confusio beider Naturen in Christus. Die verbesserte Konfession ist eine Er­ klärung der ungeänderten. Philipp Melanchthons Bücher stünden Luthers Büchern gleich. Die Nürnberger würden den Ausschluß des corpus doctrinae aus ihrer norma doctrinae nicht hinnehmen. Eine dictatoria protestas, zu bestimmen, welche Bücher anzunehmen oder auszuschließen seien, gestünden sie den Bergischen Theologen nicht zu. Der Grundsatz, quod quisque iuris statuit in alium gelte auch für sie. Daß die Lehre vom heil. Abendmahl allein auf die Stiftungsworte sich zu gründen habe, begrüßten die Nürnberger. Dann hätten aber die 4 Gründe in dem Bergischen Buch ausgemerzt werden sollen. Die Präfation nehme nur einen auf. „Wenn man mit, Laien rede, brauche man nur das erste Fundament, bei den Widersachern benötige man die anderen". Das sei doch nichts anderes, als was man mit der einen Hand gibt, dann mit der anderen wieder nimmt. Bei der Lehre von ber Person Christi hätten die Bergischen Theologen erklären sollen, die propositio in abstracto: humana natura in Christo est divina, omnipotens ist falsch; richtig ist die propositio in concreto: homo Christus est deus et omnipotens. Das Wort: abstractum bedeute die menschliche Natur Christi in der Vereinigung*, das Wort concretum die Person, in der die beiden Naturen vereinigt seien. Sie hätten gegen Eutychianische Gebanken Stellung nehmen müssen. Die dispensatio wird von der Person des Sohnes Gottes verstanden, nicht von der Natur, der Menschheit Christi an und für sich selbst. Gegen die condemnationes erinnerten die Nürnberger Theo37

logen nichts; sie fühlten sich dadurch nicht betroffen. Sie verfehlten aber nicht, noch einmal darauf hinzuweisen, daß allein eine Synode den besten Ausgleich in der strittigen Religionssache bringen könne. Zum Schlüsse stellten bie Nürn­ berger Theologen noch einmal die Punkte zusammen, die die Präfation hätte be­ seitigen sollen, in Wirklichkeit aber „kanonisiert" hätte. 1) die Einführung des judicirens in der Lehre, statt des ordentlichen Prozesses der Beratung. 2) Die Anathematisierung der Arbeit und der Bücher Philipp Melanchthons, der murus aeneus gegenüber dem Papsttum gewesen sei. 3) Die Zweifelhaftigmachung der veränderten Augsburger Konfession. 4) Die Außerkraftsetzung der Abschiede von Frankfurt und Naumburg. 5) daß die Autoren des Bergischen Buches sich zu magistri fidei et dominatoreg conscientiae aufwarfen und 6) Erklärungen auf­ stellen wider die Nürnberger Kirchenordnung. 7) die Verwerfung ber formuia concordiae Witembergensis und der Repetitio der Augsb. Konfession. „Aus diesen und anderen mehr bedenklichen Ursachen schließen und raten wir noch, baß weder die Präfation noch dem Buch zu unterschreiben, sondern daß E. H., hierinnen den geraden und sichern Weg gehen und ohne alles Wanken bei der einigen Augsburger Konfession in dem Verstand, wie sie erstlich angenommen, in diesen Kirchen bisher erklärt und alle fürgefallenen Controversien mit Rat des Herrn Philippi seligen daraus beigelegt und zur Einigkeit gebracht worden, auch bei unserem corpore doctrinae, zu welchem auch unser Kirchenordnung und Agendbüdilein gehörig, beständiglich bleiben und beharren105). Zu den Verhandlungen in Kassel beziehungsweise den hessischen Erklärun­ gen nehmen die Theologen ebenfalls Stellung. Sch$lhamer und Herold am Schlüsse ihrer Ausführungen, die anderen in einem besonderen Gutachten. Schelhamer begrüßte die Verwerfung ber Ubiquität, die Forderung einer Synode; dagegen vermißte er eine schärfere Stellungnahme gegen die Calvinisten. „Im Artikel vom heiligen Abendmahl sollten sie sich besser herausgelassen und er­ klärt haben". Umfangreicher sind die Erklärungen der drei anderen Prediger. Man rügte, daß die Bergischen Theologen alle die, die ihre Irrtümer angriffen, des Kalvinismus beschuldigten und jedem ihre Ansicht aufdringen wollten; sie hätten nicht, wie sie wollten, Dank dafür verdient, baß die Publizierung des Bergischen Buches nicht bereits erfolgt wäre, sondern müßten vielmehr selbst dafür dankbar sein, daß dieselbe bis jetzt verhindert und dadurch ihnen und ihren Fürsten mancher Schimpf erspart worben wäre. Die Landgräfliche Er­ klärung stimme mit der Nürnberger Theologen Bedenken überein-, die Funda­ mente seien ja die gleichen. Den Skribenten wurde ihr unzeitiges und doch „schwieriges" Apostema aufgestochen. Wenn an Nürnberg ein derartiges An­ sinnen gestellt würde, würde man mit den gleichen Gründen begegnen. In­ zwischen sei die Übereinstimmung eine starke confirmatio ihres guten Ge­ wissens. Dem Drängen nach einer Synode gaben sie ebenfalls vollen Beifall. Die Erklärung der churfürstlichen Theologen fand entschiedenen Widerspruch. Per fas et nefas ohne einigen Respekt der Personen und Lehre, verdamme und rechtfertige sie, wen und was sie wolle, lege heilsame Pflaster auf unheil­ bare Wunden, berufe sich vergeblich auf das Alter und Dekrete etlicher Conzilien, weiche von der rechten Bahn des allgemeinen Bekenntnisses, führe die ägyptische Finsternis ein, unterstehe sich durch mutwillige Verkehrung die Ubiquität zu stützen. Die bicta aus den Vätern sind verstümmelt, stracks wider die churfürstlichen Theologen, redeten von der unio beider Naturen und Praerogativen der menschlichen Natur oder von der ganzen Person Christi und seinem Amt, dazu er in regno et sacerdotio erhöht sei. Beim Handel vom Abend­ mahl sängen die churfürstlichen Theologen ihr altes Lied, suchten alte Lumpen 38

hervor, beschwerten mit dem schwierigen Handel viele gottselige Leute beson­ ders Philipp Melandithon. Allein aus dem Grunde, weil sie ihn verkleinern und seine nützlichen Bücher den Leuten verleiden wollen. Es sei nur ein Vor­ wand, wenn sie erkären, sie wollten bei den EinsetzungsWorten Christi ver­ bleiben. In Wirklichkeit wendeten sie sich zu ihren erdichteten und fehlgeschlagenen Fundamenten, darinnen sie sich mit Grübeln dermaßen verstiegen hätten und so gröblich verstoßen, daß jeder merke, wie nunmehr ihre Herzen palpieren und in Ungewißheit und kümmerlichem Bedrängnis sterben, daraus sie keinen Ausweg zu finden wüßten. „Solcher verzagter und bebender Herzen Anzeigung sei das stetige Revocieren vor den Richterstuhl Christi, damit aber ihnen aus dem Schlamm nicht geholfen wird, sondern vertiefen sich je länger, je mehr, sinken hinein und können doch keinen Grund finden. Der Allmächtige Gott gebe es ihnen zu erkennen“108). Dem Rat stund fest, daß gemäß bem Urteil der Theologen die Präfation abzulehnen wäre; aber er fürchtete politische Komplikationen, zu denen sich vielleicht Wilhelm von Hessen durch Joh. Kasimir von der Pfalz verleiten lassen könnte. Darum wollte er auch keine öffentliche Protestation gegen das Bergische Buch; die Beschlüsse des Kasseler Tages dünkten ihm genügend107). Er war sicher erfreut, als die Consulenten Christoph Hardesheim, Christoph Fabius Gugel, Joh. Herei, Philipp Camerarius, Marquard Froer sich im gleichen Sinne äußerten, „daß man sich in der Antwort an den Landgrafen nicht weit hinaus­ lasse, sondern die Sache so enge, als es immer füglich geschehen könne, ein­ spanne“. „Weil man die Sache sonst nicht ändern noch bessern könne, nach Gamaliels Rat, dem Urteil und Willen Gottes alles befehlen; der würde es vielleicht sonst mit diesem Concordienwerk verhoffentlich also schicken, daß es ben iecusierenden Ständen zu minster Gefahr, Beschwernis und Nachteil gereichen würde können“. Vielleicht würde man dadurch in keine weitere Handlung des Concordienwerkes halben geraten, sondern derselben hiermit einmal gänzlich abkommen108). In diesem Sinne verständigte man am 24. Oktober 1579 den Landgrafen109) und sandte ihm auch am 14. Dezember 1579 bie Bedenken der drei Theologen, wenn sie auch bei weitem nicht so realis und nervosa wie der hessischen und Anhaitischen Theologen Erklärungen wären110). Joh. Kasimir dagegen der seine umfangreiche Korrespondenz in dieser Sache mit Kurfürst Ludwig übermittelte, erhielt nur eine kurze Dankesanzeigung111). Der Rat hielt sich möglichst zurück. Wohl setzte man Veit Mumbrecht und Martin Minderlein, die Abgesandten der Stadt Weißenburg, auf deren Bitte davon in Kenntnis, daß man die Annahme der Präfation abgelehnt habe, und übermittelte eine Abschrift des Anhaitischen Bedenkens112); wohl bekam der markgräfliche Sekretär Joh. Büttner auf sein Ersuchen um Annahme der Präfation sofort eine abschlägige Antwort, da ja die Bedenken der Theologen gegen die Concordienformel nicht gehoben wären113), und wurde ber Rat zu Windsheim davon auch auf seine Anfrage in Kenntnis gesetzt114), ja man kam sogar dem Ersuchen des Landgrafen Wilhelm nach und sandte verstohlen die Anhaitischen Gutachten nach Amberg in die Oberpfalz118). Aber die Stadt Donauwörth, die wohl die Konkordienformel unterschrieben hatte, aber nun Bedenken trug, bem Ansinnen Philipp Ludwigs von Neuburg zur Unterzeichnung der Präfation folge zu leisten, erhielt auf ihren Wunsch um Rat nur eine hinhaltende Antwort, ja man überlegte schon, ob man ihr nicht antworten solle: Weil ihre Theologen vor 2 Jahren die Unterschrift bewilligt hätten, sei der Bock weit genug in den Garten gegangen; man wisse ihnen 39

nickt zu retten; sie soUten bei benachbarten Ständen um Rat suchen. Die definitive Antwort war zwar in freundschaftlichem Tone gehalten; man riet aber nur, bei Philipp Ludwig um Abstandnehmen von der Unterschrift vor­ stellig zu werden116). Nur mit Wilhelm von Hessen hielt man die vertrau­ liche Korrespondenz aufrecht117). Der Rat trat aber öfters ganz hinter Philipp Geuder zurück. So wenig man außerhalb Aufsehen erregen wollte, so wenig auch wollte man die Ruhe in der Stadt gestört sehen. Man beobachtete scharf die Kor­ respondenz Joh. Kaufmanns, man verwarnte ihn ernstlich, „sich fremder Sachen und die ihm nicht befohlen, sonderlich aber des Hin- und Widerschreibens von dem Concordienwerk an auswendige Orte, und anderen dergleichen Händel zu ent­ halten uüd zu anderm gebürlichem Einsehen nicht Ursach zu geben"; seine Verantwortung fand man dermaßen „verzikt, verschlagen, schlüpfrig, daß man Ursach gehabt hätte der Sache weiter nachzufragen um seiner getriebenen Re­ den halben zu mehreren Grund zu kommen118). Schelhamer wurde gerügt, weil er sich nach Amberg begeben hatte, um mit den dortigen Theologen zu beraten. Er bekam wohl wie öfter im Januar 1580 eine Verehrung von 100 fl., es wurde ihm aber „eingebunden, sich forthin etwas ruhiger und friedlicher gegen seine Kollegen zu verhalten desgleichen auch auf der Kanzel sich be­ scheiden erzeigen und die Obrigkeit nicht also anschreien119). VII.

In Kassel war es zu einem engen Einverständnis zwischen dem Landgrafen von Hessen und dem Bürgermeister Philipp [Geuder120) gekommen, Daraus entwickelte sich ein reger Briefwechsel zwischen beiden neben den offiziellen Schreiben ber beiderseitigen Gebiete. Der Rat von Nürnberg war damit voll­ kommen einverstanden.. Bei der gespannten politischen Lage war es ihm nur willkommen, sich möglichst zurückzuhalten. Der Landgraf aber benützte diese Verbindung, um sich des Rates der bewährten Nürnberger Juristen und Theo­ logen zu bedienen. So bat er am 13. März 1580 Philipp Geuder um Rat, was zu tun wäre, wenn die Präfation diel Erklärung enthalten würde, daß bie Kurund Fürsten in Bezug auf den Artikel de persona Christi bei den Beschlüssen der alten Konzile und den Aufstellungen des Briefes des Papstes Leo an Flavianus bleiben würden, daß danach aUe Aussagen Luthers zu verstehen seien und Subtilitäter vor dem Volk nicht vorgetragen werden sollten121). Der Nürn­ berger Bürgermeister kam dem gerne nach. Nach eingehender Beratung mit an­ deren kam er zu dem Entschluß, einen Vergleich mit den Bergischen Theologen widerraten zu müssen. Die Ausführungen des Bergischen Buches deckten sich in keiner Weise mit den Beschlüssen der alten Synoben. Man müßte also beide Erklärungen annehmen, was doch nur bedeuten könne, daß man keiner beistimme oder man müßte die Synodalbeschlüsse nach ihren Ausführungen umdeuten. „Zu einer Concordia würde das wenig- helfen, wie das Beispiel Osianbers und Marbachs zeige. Widerwärtige Lehre würde immer bleiben. Wenn die Bergischen Väter sich auf die alten Synoden beriefen, warum verdammten sie dann die damit übereinstimmende Lehre der Papisten und Calviner". Wenn man das Anerbieten derselben annehmen würde, hätte man nur heftige Angriffe der letzteren zu befürchten und müßte sich doch durch eine öffentliche Er­ klärung von ihnen lossagen. Die Annahme dieser Erklärung schließe eine Ab­ sage an die Anhaitischen Theologen in sich, ja ein Zugeständnis, als ob letz­ ter» durch die alten Synoden verworfen seien. ,Die Verletzung der göttlichen Wahrheit, guten Treuen und Glaubens, auch großes Ärgernis kann nur dann 40

bei einer Vergleichung mit dem Bergischen Buch vermieden werden, wenn die Lehre her Anhaitischen Theologen „passieren“ dürfe. Geuder sprach aber noch deutlicher seine Gedanken übert das ganze Konkordienwerk aus; er wird dabei im Rat nicht allein gestanden sein, sondern bie Anschauungen der Mehrzahl vertreten haben. Er wandte sich gegen die Condemnationen und forderte eine Besprechung der Beschuldigten. Darin liege die Aufhebung aller öffentlichen Religionsverhandlungen besonders wegen des 10. Artikels der Konfessio. „So wäre sehr bedenklich diesem Vorhaben, dahinter viel verdeckts Ding stecken möchte, beizupflichten, sondern wäre sicherer, der Sachen zuzusehen, wie es dise Leute hinausführen wollten. Denn letztlich wäre dieses ganzen werks halben nicht wenig mit Sorgen und Gefahr nachdenklich, weil man diese Leute, wie sie geartet und gesinnet, auch wie sie untereinander selbst nicht einig sondern getrennt seien, nun guter Maßen hat kennen lernen, desgleichen an ihrer Intention und Meinung, ob die recht christlich und gut sei, nicht wenig zu zweifeln, der Prozeß und modus agendi aber abscheulich und unerhört, auch nicht glaublich noch verhoffenlich, daß er wohl geraten könne. Und dann letzlich an der Lehre in vielen Punkten groß Mängel und Bedenken, ob man sich auf solchen bloßen Schein einlassen und dieses Werks teilhaftig machen wolle. Welches viel besser wäre, daß es nie angefangen oder auf ihm selbst ersitzen bliebe, dieweil doch keine Hoffnung sein kann, daß es einen Bestand haben werde, sondern daß eine viel größere Trennung daraus zu besorgen. Und wäre demnach das Beste, daß man sich sein ganz entschlüge und die Sache dieses Teils bei der provocatio ad liberam synodum bleiben und bewenden ließe, inmaßen man dann in guter Erfahrung hab, daß der mehrer Teil aller Augsburgischen confession Stände getan haben und darauf ohne einige andere conciliation zu beharren bedacht wären“122). Die Lage war für Nürnberg ernst. Herdesian, der entschiedene Gegner der Lutheraner, ließ in dieser Zeit unter dem Namen Ambrosius Wolf seine: „Historie von der Augsb. Confession“ erscheinen, in der er den Nachweis versuchte, daß die Lehre der Lutheraner nicht im Sinne der ev. Lehre sei, dieser allein die philippistische Denkweise entspreche123). Das rief die Gegner auf den Plan. Man argwöhnte in Nürnberg, daß die Kurfürsten im Sinne hätten, die Concordienformel als die allein rechtmäßige Erklärung der Augsburger Kon­ fession von Reichswegen festsetzen zu lassen und dann die zwangsweise An­ nahme von allen ev. Ständen ins Auge zu fassen. Bereits im lanuar 1580 hörte man durch Phil. Geuder von solchen Befürchtungen124). Diese Gerüchte vei stärkten sich im Laufe der Zeit. Der Kurfürst von Sachsen sollte angeregt haben, alle evangelischen Beisitzer des Reichskamrnergerichts auf die Concor­ dienformel zu verpflichten, ja er sollte schon Rittmeister angeworben haben, um die Annahme derselben mit Waffengewalt zu erzwingen125). Mit Besorgnis schaute man deshalb in Nürnberg dem Kurfürstentag entgegen, der in der alten Reichsstadt im Sommer 1580 abgehalten werden sollte. Dazu lief noch am 16. Mai 1580 eine Mitteilung des Landgrafen Wilhelm vom 10. V. 1580 ein, wonach der Druck des Concordienbuches vollendet sei und das Buch in den Leipziger Buchläden feilgeboten würde126). Das Buch war bald auch in den Nürn­ berger Buchläden zu finden. Die Bemühungen sächsischer und anderer Ge­ sandten um Quartier für diesen Tag, besonders auch das Erscheinen der Be­ auftragten des Reichserzmarschalls Konrad von Pappenheim zwangen den Rat zur Stellungnahme. Mußte das Verbot des Verkaufs nicht als Affront gegen die 3 weltlichen Kurfürsten erscheinen? Erwartete aber nicht das philjppistisch gesinnte Deutschland nach der Stellungnahme der Nürnberger Theologen 41

ein solches? Mußte man aber nicht auch Rücksicht nehmen auf die stark luthe­ risch gesinnte Bürgerschaft? Sagten doch manche: „Wenn sie kein Geld hätten, wollten sie eher ihre Röcke verkaufen*' damit sie nur solch Buch zuwege brin­ gen möchten“. Barth. PÖmer beriet 21. Juli 1580 mit den bewährten Consulenten Fabius Gugel, Chr. Herdesian, Johann Herei, Marquard Fror und Joh. Münich. Alle erklärten ein Verbot als unwirksam; die Leute könnten es sich ja leicht von anders woher verschaffen. Gugel wies daraufhin, daß man doch auch „(heidnische“ Bücher, Herei, daß man hier viel unnütze und futiles libros wie die Schriften des Jesuiten Nas und Selneckers verkaufen lasse. Herdesian stellte sich auf höheren Standpunkt; „daß es der Wahrheit frei und löblich anstünde, da man sagen könne, dis sei war, das sei nit wahr, und daß man einem jßden sein Gewissen freilassen soll und daß in Gewissenssachen nichts zu verpieten sei, denn treffs einer wohl oder übel, so müßte er es selbst gewarten“. Demgemäß wurde der Verkauf nicht inhibiert, nur von offenem Auflegen in den Buchläden sollite abgesehen werden. Der Nachduck dagegen wurde nicht gestattet127). Die Vorbereitungen für den in Aussicht stehenden Kurfürstentag forderten ebenfalls manche schwere Entscheidung. Dem Kurfürst von Sachsen, der mit 500 Pferden erscheinen wollte, wurde das Egidienkloster als Wohnung reser­ viert. Seine Abgesandten begehrten nun auch die Überlassung der Egidienkirche, der Predigtstätte Dürnhöfers, zur Abhaltung ihrer Gottesdienste. Als Hofprediger sollte Kurfürst August Martin Mirus bestimmt haben. Die Nürn­ bergei fürchteten aber, daß auch Andreä mit erscheinen würde. Auf seiner Reise nach Schwaben sollte er im Kloster Heilsbronn eine Zeitlang sich aufgehalten und „leichtfertige Reden von Nürnberg getrieben haben“. Auch wollte Philipp Geuder wissen, daß er einem seiner Nürnberger Bekannten durch einen dritten habe mitteilen lassen, er hoffe ihn in Kürze besuchen zu können. Der Rat fürch­ tete Uniuhen in der Bürgerschaft. Man war daher froh, daß man sich auf den bisherigen Usus, daß auf den Reichstägen die Stände nur in ihrer Wohnung Gottesdienste für ihre Abordnungen abgehalten hätten, sich beziehen könnte128). Mein wollte jedoch alles vereiteln, was Anlaß zur religiösen Entzweiung bieten konrite. Es wurden deshalb am 28. August 1580 sämtliche Geistlichen aufs Rathaus beschieden. Sie wurden zunächst ermahnt, gegen den Kaiser und die geistlichen Fürsten „sich aller verbitterter, verdrießlicher Anzüge“ zu enthalten. Die fremden Herrschaften, die der Augsburgischen Konfession nicht durchaus verwandt wären, sollten außerhalb und innerhalb der Kirche nicht als Sektierer bezeichnet werden. In den Predigten sollten allein die Sonntagsevangelien be­ handelt werden und zwar nur realia und doctrinalia unter Vermeidung aller Subtilitäten und Weitläufigkeiten, ohne gehässige Anzüge derer, die der Nürn­ berger Normae doctrinae nicht in allen Punkten beipflichten. Der Rat stellte als Lehrnorm die Augsburgische Konfession, die norma doctrinae 1573, die br. Nürnbergische Kirchenordnung und das Dekret vom April 1577 ausdrücklich fest. Die Ablehnung der Unterzeichnung der Concordienformel hätte nicht allein der Rat verfügt; die vornehmsten Theologen wären ebenfalls befragt worden; diese hätten das Buch in etlichen Artikeln dem hiesigen generi doctrinae nicht durchaus gleichförmig gefunden und demütig gebeten, sie bei den bisanher in diesen Kirchen gebräuchlichen generi doctrinae bleiben zu lassen und zu wider­ wärtiger Subskription nicht zu zwingen. Der Rat habe sich auch mit anderen Ständen über den einzigen Weg dirimendarum in ecclesiis litium et controversiarum, einer christlichen Synode, geeinigt. Der Rat gab seiner Erwartung Aus­ druck, daß sämtliche Kirchendiener dem Urteil der vordersten Geistlichen und AZ

des Rats beistimmen würden; wenn nicht, so würde der Rat die gebührliche Notdurft dagegen zu bedenken verursacht werden. Zusammenkünfte und Bespiechungeen mit anderen Theologen während des Kurfürstentages wurden strikte verboten. Übertretung dieses Verbotes sollte mit Entlassung geahndet werden129). Die Befürchtungen des Rates waren nicht grundlos; von allen Seiten er­ hoben sich Schwierigkeiten. Nicht am wenigsten war man besorgt, wenn man auf die Stimmung der Bürger schaute. Es war ein deutliches Symptom, wenn Dr. Georg Rücker sich wieder bemerkbar machte und Heinrich Fabricius auf der Straße wegen seiner Predigten öffentlich zur Rede stellte, wenn er mit Joachim von Ortenburg180) beim Bitterholt ungescheut über solche Fragen disputierte. Wenn auch sein Schwiegervater Hans Heß ihn so belastete, daß er sich der Ver­ haftung durch die Flucht entzog: „wenn meine Herren wüßten, was sein Aidam der Rücker für böse Reden in der Religionssache getrieben, daß sie ihn es ohne Zweifel nicht würden gut sein lassen131)" so fühlte man doch nur zu gut, daß die Vorwürfe nicht unbegründet waren; man gab strenge Weisung, all das zu verhüten, was den Verdacht, als ob man dem Calvinismus zuneige, bestärken konnte132). Wie froh war man, daß Schelhamer, der am eifrigsten die kalvinische Abendmahlslehre bekämpfte, sich ruhig verhielt. 15. März 1581 bewilligte man ihm die jährliche Verehrung von 100 fl., „weil er sonderlich ein Zeit lang her in seinem Predigtstuhl still und ruhig gewesen183). Die Verschiebung des Kurfürstentages und endlich seine Absage ließ den Rat wohl erleichtert auf atmen184).

vm. Die Befürchtungen Nürnbergs sollten nitht Wirklichkeit werden. Aber ganz unbegründet waren sie nicht. Die Fischer, die der Kurfürst von Sachsen beauf­ tragt hatte, für eine große Quantität guter Fische zu sorgen, führten, als der Tag abgekündigt wurde, bei dessen Hausvogt Klage über den ihnen entstan­ denen Schaden. Die Antwort lautete: Die Nürnberger hätten es gar nicht zu beklagen, daß der Kollegialtag nicht zu Stande gekommen wäre; wenn er zu Stande gekommen wäre, hätten die 3 weltlichen Kurfürsten wegen der ketzeri­ schen Stadl Nürnberg Dinge beschlossen, die ihnen schwerlich gefallen hätten183). Jedenfalls konnte der Rat trotz der Absage des Kollegialtages des Gefühls einer gespannten Lage gegenüberstehen zu müssen nicht ledig werden. Er war froh, daß seine »Bemühungen von Nürnberg als Tagungsort für den nun in Aussicht genommenen Reichstag abzusehen, Erfolg hatten138); hian wollte möglichst wenig heivoitreten; nur an der vertraulichen Korrespondenz mit Wilheln* von Hessen187) und Joachim Ernst von Anhalt hielt man fest. Man übernahm sogar die Patenstelie bei einem seiner Kinder138). Zum Glück lauteten die dadurch erzielten Nachrichten beruhigend; die gehegten Befürchtungen von einem gewaltsamen Vorgehen der 3 weltlichen Kurfürsten in der Konkordiensache verloren immer mehr an Boden189). Von seiner grundsätzlichen Haltung wich der Rat aller­ dings nicht ab. Man berief Edo Hildericus aus Heidelberg an die Akademie in Altdorf140). Dagegen konnte der Straßburgische Gesandte Johann von Mindelsheim nicht erreichen, daß sich der Ralt mit einem Schreiben an die Geheimen von Straßburg in die dortigen Kämpfe mit der dem Concordienbuch anhangen­ den Geistlichkeit einmischte141). Schwierigkeiten gab es auch mit 2 Pfarreien: Möhrendorf und Kornburg. Ersteres lag im Brandenburgischen Gebiet und gehörte zum Dekanat Baiersdorf. Das Einkommen des Pfarrers bestritt aber vor allem neben dem Almosen von 43

Nürnberg der Eigenherr von Oberndorf, Hier. Schürstab. Der Dekan Georg Grenner ließ dem Pfarrer Martin Berian im Januar 1581 das Concordienbuch durch die Gotteshauspfleger übergeben. Der Rat veranlaßte sodann unter Be­ zeugung seines Mißfallens über die Annahme desselben die sofortige Rück­ gabe. Berian kam dem auch am 23. Jan. 1581 nach. Aber weder der Dechant noch der Kästner ließen sich bewegen, es wieder anzunehmen; unverrichteter Dinge nach manchen schweren Verhandlungen mußte er heimkehren, um nun von Nürnberg bittere Vorwürfe zu hören. Es blieb ihm nichts anders übrig als das Buch wieder nach Baiersdorf zu tragen142). Die Nürnberger Patronatspfarrei Kornburg war Glied des Dekanates Schwabach. Pfarrer Urban Pistorius hatte 1577 die Unterschreibung der Konkordienformel abgelehnt. Sein Nachfolger Peter Klemm nahm das Konkordienbuch, das ihm der Richter im Auftrag des Dekans Homagius überreichte, nicht an; er fand es dann in der Sakristei. Die markgräflichen Behörden wiederholten 1582 ihr Ansinnen; bei seiner fortgesetz­ ten Weigerung wurde er 19. Juni 1583 in Schwabach in Haft genommen, aus der er erst 4. Juni 1584, nachdem man sogar das Reichskammergericht um Hilfe hatte anrufen müssen, von dem Schwabacher Amtmann entlassen wurde148). 2 Nürnberger Stipendiaten zu Wittenberg Tobias Engelbrunner, wohl der Sohn des Kaplans Stefan Engelbrunner, und Wolfg. Sengeisen, hatten sich miß­ billigend über die Haltung der Stadt in Religiösen Fragen geäußert; sie mußten unverzüglich sich in Nürnberg stellen. Der letztere zog es vor, sich unter fremde Herrschaft zu begeben; er mußte sein Bürgerrecht auf geben, des ersteren Sache wurde unter entsprechender Verwarnung beruhen lassen, „man wolle dem Han­ del ferner nachdenken und fragen; auch künftig die gebührende, wohlverdiente Strafe und Ernst nicht vergessen“144). Mehr Nachdenken erforderte wohl der Fall des Dr. Gg. Rücker. Er hatte sich nach Ansbach gewandt. Offenbar ließ er es nicht daran fehlen, die reli­ giöse Haltung des Rates in seinem Sinne entsprechend darzustellen. Seine Äußerungen waren wohl nicht am wenigsten daran schuld, wenn sdilimme Ur­ teile von Seiten der Lutheraner über die Nürnberger Theologen und Ratsherren gefällt wurden. Rücker aber ließ sich nicht einschüchtern; er erreichte es, daß der Kaiser beim Rat um seine Wiederaufnahme vorstellig wurde. Eine heikle Angelegenheit; es stand mehr auf dem Spiel als diese Angelegenheit. Sollte es der Anlaß sein, daß die Frage nach der Berechtigung der einzelnen ev. Stände im Reich aufgerollt werden sollte? gewiß zur Genugtuung der Lutheraner. Man erklärte sich daher 2. März 1581 bereit, Dr. Rücker ohne weiteres in die Stadt wieder aufzunehmen. Er hätte keinen Anlaß gehabt, da noch gar kein Urteil gefällt worden war, sich wegzubegeben und hätte seine Schuld damit selbst zugegeben, die Prädikanten auf offener Straße ohne Grund zu unbescheiden angepackt zu haben. Dem Kaiser zu Ehren solle von verdienter Strafe Um­ gang genommen werden. Das Verfahren aber gegen ihn wegen der Vorwürfe, als ob der Rat von der Augsburger Konfession und seiner norma doctrinae abgewichen sei, müsse er sich Vorbehalten-, auch könne er den angegriffenen Persönlichkeiten nicht verwehren, wenn sie sich zur Wehr setzten145). Man hat zunächst den Eindruck, als wenn nach dem geplanten Kurfürsten­ tag und dem eindringlichen Mandat des Rates die religiösen Gegensätze sich beruhigt hätten. Es dürfte aber nur Schein sein. Sie sollten bald wieder in aller Schärfe zu Tage treten. Die Geistlichen wie die Laien erörterten eifrig die theologischen Probleme. Daß die Gesinnungsgenossen sich zusammenschlossen, ist nicht verwunderlich. Daß die Laien sich zu den Geistlichen hielten, die ihrer Auffassung nahe standen, verständlich. Daß man miteinander disputierte, 44

eiklärlich. Mißverständnisse, Übertreibungen, „OhreBplasen" und „merleintragen", begreiflich. Die Kapläne Georg Holfelder, Michael Rauenpusch, Kaspar Coler scheinen besonders eifrig gewesen zu sein. Hardesheim war unermüdlich im literarischen Kampf. Neben der Hiatorie der Augsburger Konfession ließ er 1581 historia confessonis Aug. recusa auctior u. Synodes Ephesina cum adjunctis thesibus decoena domini erscheinen. Der temperamentvolle Prediger von St. Lorenz, Mag. Joh. Schelhamer war es. der den offenen Kampf in der Stadt wieder eröffnete. Im März 1582 war er mi/t Genehmigung des Hi. Baumgärtner in Amberg gewesen. Bei einer „Gastung“ hatte er viele „hitzige, anzügige' Worte gegen den dortigen Prediger M. Martinus Oberndorfer148) geäußert. Diesen hatte dies so erbittert, daß er auf der Kanzel sich so scharf gegen den Nürnberger Pre­ diger wandte, daß die Obrigkeit eingriff. Offenbar war die verschiedene Stellung­ nahme in der Abendmahlsfrage der Anlaß gewesen. Schon dies erregte beim Rat Unwillen; es entsprach nicht seiner Politik, durch solche Fragen in Streitig­ keiten vielleicht mit den Nachbarn zu kommen. Schelhamer aber selbst wurde in der Charwoche aufs höchste erregt, als er wohl Predigten über das Leiden Christi, aber keine richtige d. h. lutherische Erklärung der Abendmahlsworte vernahm. Offenbar wollten die philippistisch gesinnten Geistlichen vor allem Dürnhöfer allen solchen Fragen aus dem Wege gehen. Ostern (15. 4. 1582) hielt er nun eine äußerst heftige Predigt; er wandte sich scharf gegen die, welche die Gemeinde über das Abendmahl nicht richtig be­ lehrten und nannte sie „stumme Hunde". Er warf ihnen vor, daß sie nur ihre irrige Meinung verbergen wollten, Er nannte keine Namen, aber man merkte es, daß er vor allem Laur. Dürnhöfer ins Auge gefaßt hatte. So Mis. Dom. (29. 4. 1582) wiederholte er seine Angriffe-, er wandte sich nun gegen das geistige Haupt aller Philippisten, Dr. Christoph Herdesianus. Den orthodoxiis consensus desselben „ging er mit hitzigen Scheltworten durch". Aber auch die anderen Juristen des Rates, seine medicos und canceli^ten — man denkt sofort an Dr. Phil. Camerarius, Dr. Marquard Fror, Dr. Joh. Richthauser und nicht zuletzt an den Ratsschreiber Matthias Schiller — verschonte er nicht. Er sprach sich so in seine Erbitterung hinein, daß er förmlich „tobte". Allgemeines Auf­ sehen in der ganzen Stadt. Dürnhöfer erklärt, daß er auf der Kanzel antworten werde. Da greift der Rat ein. 3. Mai 1582 suspendierte der Ausschuß der Herrn Eltern den Prpdiger an St. Lorenz und forderte die Vorlage seiner Pre­ digten. Dürnhöfer bekam die Weisung, seinen Vorsatz nicht auszuführen, da der Rat sich interponierens würde147). Der Rat war erbittert. Schelhamer konnte mit Recht vorgehalten weiden, daß er sich nicht beherrschen konnte, daß er nur allzuschnell auf die Reden der Leute hörte, ohne sie zu prüfen. Aber daß tiefer liegende Gegensätze hier zum Austrag kamen, daß Schelhamer die führenden ev. Stände auf seiner Seite hatte, darüber war man sich auch beim Rate klar. Diesen Zwiespalt ließen alle seine Beschlüsse und Maßnahmen erkennen. Man setzte Schelhamer nicht ab. sondern öffnete, trotz aller Vorhalte, ilpn wieder seine Kanzel. 18. Juni 1582. Man wollte unter allem einen Strich gezogen haben. Soviel die Ratsprotokolle erkennen lassen, legte man Schelhamer nach Prüfung seiner Predigten bestimmte Fragen vor. Schelhamer hatte erkannt, er war zu weit gegangen. Seine Antwort bedeutete eine Abschwächung. Dies ver­ besserte seine Sache aber nicht. Der Rat hielt es ihm offen vor, nachdem er alle namhaft gemachten Personen eidlich verhört hatte. „Wider sein Gewissen, 45

auch d)ie überzeugte kündbare Wahrheit habe ier .seine gebrauchte Unbe­ scheidenheit vorsätzlich und böslich verlaugnet, andere fremde Sachen eingeführt, und etliche Personen allerlei abscheulicher Sachen beschuldigt", daß der Rat zur Untersuchung habe greifen müssen. Es hätte sich befunden, daß er sich etlichen leichtfertigen, unruhigen und friedhässigen Leuten und Märleintragern anhängig gemacht, denselben in ihrem Zutragen und Ohrenblasen stetig Raum und Platz und den vorgebrachten cal.umnien allzuschnell Beifall und Glauben gebe und dann! für sich selbst Lust und Neigung trage, sowie ihm etwas zu Ohren käme, dasselbige vor den gemeinen Mann auf die Kanzel zu bringen und unschuldige Leute ohne vorgehende genügsame Erhebung mit falscher Bezichtigung auszuschreien". Scharf verwies man ihm auch seine Ausrede, daß er niemand mit Namen genannt habe ,,so wären doch seine anzüglichen Worte der­ maßen beschaffen gewesen, daß sie jedermann leichlich verstehen und ver­ merken konnte". Man wollte von ihm eine klare Erklärung ,,ja" oder „nein", ob er dem Dekret vom 21. Juli 1579 nunmehr Folge leisten werde. Vor allem wollte man auch wissen, wen er mit den,,stummen* Hunden gemeint habe. 30. Mai 1582. Nach dem Ergebnis dieser Beschlüsse mußte sich das Weitere gestalten148). Schelhammer beugte sich nicht sofort. Er bestritt dem Rat das Recht, sich überhaupt um diese Sache zu kümmern; den Verlaß von 1579 wollte er nicht eröffnet erhalten haben. Wiederholte Beredungen führten zu keinem Ziele. Da riß dem Rat — Willibald Schlüsselfelder führte die letzten Verhand­ lungen — die Geduld. 18. Juni 1582 legte man ihm die Frage vor, ob er bereit sei, sich nach den früheren Edikten ferner zu richten? man verlangte eine endgültige Erklärung. Auch jetzt noch fügte er seiner zusagenden Ant­ wort allerlei längere Ausführungen bei, die dem Rate „unlauter, irrig und weitläufig" erschienen. Aber man sah darüber hinweg, eröffnete ihm aber unmißverständlich, daß es nicht in seinem Belieben stünde, ob er den Rats­ beschlüssen Folge leisten wolle? wenn ihm die Kanzel zu betreten wieder gestattet würde, hätte er unbedingt den Ratsbeschlüssen 1579 Folge zu leisten. Der Ratsbeschluß, der ihm wohl noch am 19. Juni mitgeteilt wurde — man hatte wiederholt im Rate darüber beraten — lautete folgendermaßen: Er wüßte sich genugsamlich zu erinnern, was ime des verschinen 1579 jars aus befel eines erbarn rats seins in seinem Predigtamt und beruf be­ gangnen exzeßn und gebrechen halben durch einen sonder verfaßten verlaß und ratsbeschaid für einhalt geschehen, welcher ratsbescheid, sintemal er ime neulicher Zeit von neuem wiederum furgelesen worden, disfalls weitleuftig zu erholen von unnoten. Wiewol sich nun ein erbar rat endlich versehen, er solte sich demselben bescheid gemäß auf dem predigtstuhl und sonst insgemein ver­ halten haben, so hätte man doch erst kurz verloffner zeit im grund sovil be­ funden, das er sich ob angeregtem bescheid zuwider in etlichen seiner predigten ganz unbeschaidentlich auf der Kanzel verhalten, sein mitbruder im ministerio auch schuldiner, als weren sie mietling und stumme hunde, lereten und underwisen die zuhorer und jugend nicht, wie sichs gepüret, beschuldigt, das er auch daneben andere unschuldige leut mer angetast and etliche derselben ergerlicher, hochstreflicher reden, so sie wider das heilige abendmahl des herrn getan haben fcollen, bezigen? alles on einichen grund, sondern allain aus falschem, eingepildeten won und hin und wider von weibern, ehalten, Schülern, kindern und der­ gleichen leuten aufgeklaubten ungründigen bericht, und, was im sonsten mer von unfridfertigen leuten, auch etlichen unruigen pfarern und caplanen zu oren ge­ tragen worden, das er sich auch fremder auswendiger religionshendel angenom46

men, item diejenigen Sachen von neuem auf die pan gebracht, welche vor etlichen jahren schon erörtert und darin ein erbar rat ir officium mit gepurendem einsehen und abschaffung genugsamlich exerziert und dasjenige gehandelt, was ein christliche obrigkeit ihres berufs und amts halben zu tun schuldig gewest, bei welchem es pillich hette pleiben sollen.

Das aber solches ungeacht auch unbetrachtet, das gottlob nun ein gute zeit her in diser unserer kirdien eine zimlich christliche ru und einigkeit gespurt worden, von ime ungezweifelt mer den fridhessigen zugefallen dann aus einem rechten christlichen eifer, widerum ein solich neu und unnötig gezenk und gepeis in kirchen und schulen auch in der gemeine zu erregen unterstanden werde, das were nicht allein zum höchsten ergerlich und unverantwortlich, sondern auch ganz geferlich. Und zu verwundern, das darunter eins erbaren rats auch nit verschont und ihre erbarkeiten ainer sondern collusion in etlichen feilen be­ schuldigt und dadurch gegen den zuhorern in der predigt verhaßt oder ja verdechtig gemacht werden wolten; so er herr Schelhamer sich doch selbst zu er­ innern, daß einem erbaren rat unrecht geschehe. Zu dem, das er sich gegen eins erbaren ra!ts verordneten in beschehener verhör so vermessentlich und one grund einem erbarn rat als seiner ordenlichen oberkeit zu sonderer Verachtung und Verkleinerung und, das ihre erbar­ keiten glefthsam nicht macht und gewalt hatten, ime einzureden vernemen lassen dorfen, als ob man ein ungewonlichen neuen prozeß seinethalben furneme, seine Sachen bei rechtsgelerten judizieren lasse, darwider er protestiert und bezeugt haben wolte, das er auch letzlich, unbedacht er sein unbeschaidenheit übel verantwortet, auch mit grund nicht verteidigen können, seiner Sachen noch darzu rechthaben wollen und einstails seine in seinen predigten herausgeschutten wort gar verlaugnet.

Diser und dergleichen ungepür were ein erbar rat nit wenig beschwert, sondern trügen darob nicht unzeitlich das höchste misfallen. Und wiewol ire erbarkeiten ungeacht gehörter seiner, wiewol ungereumter entschuldigung gnugsame ursach hetten, solich ir misfailen gegen ime jetzo alspalden amts und oberkeits halben im werk zu erzaigen und um die gegen unschuldigen leuten ausgegossene calumnien, welche weder erwisen noch erfunden worden, daß er sich auch unterstanden einen erbaren rate vermelter maßen mit ungrund auszuschreien, der gepür nach zu strafen und ine seiner predicatur und susperintendenz zu entsezen, jedoch, dieweiln er sich schließlich erpoten dem im 79 jar ime publicierten decret und beschaid seins inhalts hinfuro zu geleben, so wolt ein erbar rat die miltigkeit der scherpfe noch zu letztem mal fursetzen, ine bei seinen predigamt und der superintendenz mit offner hand pleiben lassen und sehen, wie er sich fürterhin auf das angeregt sein erpieten halten werde; jedoch solt ime hiemit abermals ernstlich gepoten und auf erlegt sein, sich aufn predigstul und sonst schuldiger, christlicher bescheidenheit im leren und predigen zu halten, niemands ferner mit ainichen ungegrunden nachreden und bezichtungen zu beschweren oder zu beschreien, seiner ordenlichen ober­ keit ungrundige unerfindliche ding, dadurch sie gegen der gemein verdechtig gemacht, nit zuzumessen, hievor gerichte und geschlichte religionshendel nit wider auf die kanzel zu zihen, noch geferliche hader und gezenk in kirchen und schulen von neuem anzurichten, vil weniger sich seiner vocation und super­ intendenz zu misbrauchen, noch ime selbst die rechnung und gedanken zu machen, das er von aller oberkeit eximiert sei, also daß man ime in nichts einreden dörfe. Denn da er sich wider sein ampt und die gepurliche schuldig47

keit mit merern dergleichen unerfindlichen unverantwortlichen riadireden und beschraiungen wider die obrigkeit oder sonder unschuldige personen, sie seien wes Stands die wollen, vergreifen, im ministerio zank und unru anrichten oder verursachen, werd man alsdann nicht umgehen können, nicht allein mit entsazung seines kirchenamts und Stands, sondern auch mit anderer rt chtmeßiger gespurender straf gegen ime zu verfaren. Was aber sonst seine 1er betrifft, hab ein erbar rat bisher an derselben kein mangl gehabt und seien ire erbarkaiten des gemuts und meinung garnicht, ine von der lautem, reinen 1er des heiligen, waren worts und evangetiums abzuhalten, sondern ein erbar rat hab nimals anderst begert und noch nit, denn das das gotlich wort angenommener und bekanter augspurgischen confession und aufgerichter hieiger kirchenordnung gemes, rein, lauter, unverfelscht und bestendiglich gelert, gepredigt und dem volk furgetragen, auch die einreisenden laster in gemein gestraft, die zuhorer vor schedlichen, verpotenen ergerlichen secten und opinionen, woferne diseiben allhie gespurt oder einreisen und durch jemands unter die leut geschoben werden wolten, sonderlich im articel das heilig abendmal des herren betreffend mit bester christlicher und fruchtpringender beschaidenheit nicht allain gewarnt werden, sondern das er auch derwegen einem erbarn rat als der oberkait jederzeit darvon gegrunden, guten bericht tue und sich in dergleichen feilen der Personalien auf der kanzl ent­ halt, alles, wie solchs die alten decret, so anno 1573 und 1577 dem ganzen hieigen ministerio furgehalten, publicirt und angenommen worden, seins merern inhalts ausweisen. Do dann er herr Schelhamer etwas unzimlichs, doch mit warem grund in erfarung pringen werde, welches ergerlich und pillig zu strafen und auszureuten, dergleichen, da ime sonst etwas widerwertigs von seinen mitbrudern oder in anderweg, dessen er sich pillich zu beschweren haben möcht, begegnet, stehe ime bevor, dasselbig jedesmals an gepurende ort schriftlich oder mundlidi zu bringen, wisse sich ein erbar rat alsdann aller gepur zu erweisen und ime pilligen schütz und schirm sowol als andern, die einem erbarn rat zu ver­ sprechen sten, von amts und oberkeit wegen mitzuteilen". Aber auch Dürnhöfer bezeugte der Rat sein Mißfallen, daß er den Streit mit Schelhamer hatte auf die Kanzel bringen wollen; letzterem sei seine Unbe­ scheidenheit verwiesen worden; er hätte sich in solchen Fällen immer an den Rat zu wenden; den Zuträgern und Ohrenbläsern solle er nicht Glauben schen­ ken Auch die Kapläne in den beiden Hauptkirchen, die man besonders „des merleinstragens" bezichtigte, vor allem Holfelder, Rauenpusch, Cöler bekamen eine scharfe Verwarnung149). Der Rat wußte, warum er so energisch durchgriff. Wie gespannt die Lage in der Stadt war, zeigt deutlich die Affaire Kregelmeier-Queck. Der erstere, Prediget an der Sutte, zeigte den Alumnus Georg Queck wegen Kalvinistischer Neigung beim Rat an. Was lag zu Grunde? Der Suttenprediger wollte am 8. Juli 1582 seinem in Altdorf studierenden Sohn etliches überbringen. In Fischbach verweilte er bei den Herrn von Harsdorf 3 Stunden; hier wurde er mit Wein bewirtet, daß er beim Fortgehen in angeregter Stimmung war. In Birnthon traf er dann seinen Sohn. Der Alumnus Georg Queck und die Gebrüder Paulus und Marx Eller waren in dessen Begleitung. Sie erboten sich auch, den Vater nach Nürnberg heimzugeleiten. Das Gespräch kam nun bald auf die theologische Lage. Kregelmeier warnte Queck vor Calvin. Queck wollte allerdings nicht zugeben, daß dessen Lehre falsch wäre. Darauf griff 48

Kiegelmeier zu einem Syllogismus: Quaecumque doctrina officit saluti animarum, ea est rejicienda Calvini doctrina officit saluti animarum ergo illa est rejicienda. Als nun Queck einen Beweis für den Untersatz forderte, kam Kregelmeier auf die Lehre vom Abendmahl zu sprechen. Der Binwand Quecks, daß auch Christus von einem geistlichen Essen und Trinken seines Leibes und Blutes rede, erregte Kregelmeier besonders. Er verlangte Aufschluß, wer solches ge­ lehrt habe. Und als Queck auf seine Lehrer verwies, stand es Kregelmeier fest, daß die Professoren in Altdorf kalvinisch lehrten. Erregt, wie er war, erging er sich in heftigen Schmähungen gegen dieselben. Die Bemerkung Quecks: er habe alles nur exercitii causa gesagt, brachte ihn vollends auf. „Er solle doch zu seinem Mauritio gehen und ihm solches kund thun. Den Kalvinischen Unflätern muß man auf die Haube greifen'*. Er griff nach seinem Degen, Queck desgleichen, daß sich die Gebrüder Eller zwischen sie werfen mußten. Kregelmeier rief noch: „Ha mich denn der Teufel zu einem Kalvinischen Studenten geführt”. Worauf Queck sich mit „Bengel”, „Bachant” re­ vanchierte. Nicht begründet war wohl die Meinung Quecks daß es sich um einen plan­ mäßigen Vorstoß gegen die Altdorfer Theologen handelte; es ist auch wenig glaublich, daß er das Eingehen auf den Syllogismus; Kregelmeiers nur exercitii causa getan habe; ebensowenig ist es wahrscheinlich, wie er angab, daß unter den Lehrern, auf die er hingewiesen haitte, Brenz und andere und nicht so­ wohl die Altdorfer zu verstehen seien. Ob Kregelmeier wirklich beweint war, dürfte auch etwas fraglich sein. Aber verschwiegen hatte dieser, daß er zuerst den Degen gezückt hatte. Der Vorfall aber hatte blitzartig die Lage beleuchtet. Der Rat hielt es darum für das Beste, die ganze Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen150). Nicht umsonst war Kregelmeier bei den Harsdorfern ge­ wesen. Sie waren der Rückhalt der Lutheraner. Der Rat hielt an seiner Politik mit aller Zähigkeit fest. Als Hans Georg und Bonaventura von Furtenbach Martin Seidler zum Pfarrer von Reichenschwand befördern wollten, verhinderte es der Rat. Das Examen hatte ihn als einen Gesinnungsgenossen der Flacianer erkennen lassen. Und als die Patronatsherren, um ihren Willen durchzusetzen, sich nun dem Kirchenregi­ ment zu Sulzbach unterstellen wollten, stießen sie auf energischen Wider­ spruch151). Der Pfarrer von Schwimbach, Stef. Frosch, wurde nach Hilpoltstein geladen um das Konkordienbuch zu unterschreiben; gehörte doch sein Filial Lohen zur jungen Pfalz. Er mußte das Dorf verlassen, als er der Zitation Folge leistete152). Nur Georg Rücker erlaubte man auf erneute Bitten des Kai­ sers und anderer Fürstlichkeiten , die Rückkehr, wenn man auch darauf drang, daß verschiedene private Angelegenheiten ordnungsgemäß geregelt würden158). Als Martin Berian, Pfarrer zu Möhrendorf, nunmehr vor das Konsistorium zu Ansbach Zitiert wurde, bekam er zunächst die Weisung, alles nur anzuhören; dann lehnte man jegliches Ansinnen zur Unterschrift des Concordienbuches ab154). Als er dann vom Amtmann in Baiersdorf gefangen gesetzt und sogar gefesselt wurde, beauftragte man den Syndikus Joh. Spölin sofort, nach dem wahren Grund zu diesem Vorgehen sich zu erkundigen? offenbar hielt man es nicht für möglich, daß die Stellung zur Concordienformeil der Grund sei. Diese Auffassung dürfte auch richtig gewesen sein. Man erklärte sich, nach­ dem man Einsicht in seinen Schriftwechsel mit dem Dechanten zu Baiersdorf 4

49

genommen hatte, außer stände, ferner für ihn einzutreten und sagte ihm seinen Dienst auf155). Es ist bezeichnend, daß, als man ki diesem Jahr daran ging, die Feier der Ordination in Altdorf einzuführen — man wollte die Verbindung mit Wittenberg lösen, — man Luthers Vorschlag wählte. Professor Edo Hildericus erkläite bezeichnend, diese Wahl diene dazu, um verschiedene Verleumdungen gegen die Reichsstadt zu entkräften156). IX. Bald aber kam es zu einer neuen Belastung der Politik des Rates. Es handelte sich aber diesmal, um einen großangelegten Versuch, dem Kalvinischen Geist die Bahn ig Nürnberg zu eröffnen. Die Lutheraner dürften nicht im Unrecht sein, wenn sie Dürnhöfer und Heling damit in Verbindung brachten157). 23. Juni 1583 hielt ersterer eine überaus scharfe Predigt gegen die Bilder. „Er frage nicht darnach, ob man sie für kalvinisch, sakramentierisch oder nicht halte158). Zur gleichen Zeit aber wurde ein anderer Streitpunkt aufgeworfen, die Frage des Exorzismus, In Nürnberg hatten Tuchmacher aus den Nieder­ landen eine nicht unbedeutende Niederlassung. Ihr gottesdienstliches Leben war zurückgezogen ohne jede Berührung mit dem offiziellen Kirchentum159). Zwar hatten sie bei der Aufnahme als Bürger versprechen müssen, nach der herrschenden Kirchenordnung sich richten zu wollen, aber sie vermieden es, an dem gottesdienstlichen Leben in der Stadt teilzunehmen. Besonders nah­ men sie Anstoß am Exorzismus; sie brachten ihre Frauen zur Entbindung in die benachbarte Oberpfalz. Dürnhöfer hatte versucht, ihre mannigfachen Be­ denken zu beschwichtigen. Theodor Beza hatte auf seine Bitte sich eingehend mit denselben befaßt und im Unterschied von den Theologen Johann Kasimirs sich bemüht, aus dem Wort Gottes nachzuweisen, daß sie am gottesdienst­ lichen Leben in Nürnberg ohne Gewissensbeschwerden teilnehmen könnten. (15. Nov. 1580)160). Er scheint aber nicht alle Bedenken, besonders nicht die wegen des Exorzismus beseitigt zu haben. Sie ließen ihre Kinder immer wieder in der Oberpfalz taufen. Bereits im Mai 1582 wies Joh. Schelhamer darauf hin. Der Bürger und Krämer Joh. de Brasseri bestätigte 1. Juli 1583, daß er vor 8 Monaten sein Kind deswegen nach Freystadt in der Oberpfalz gebracht hätte. Und nun fand sich, daß er nur dem Beispiele vieler anderer gefolgt war. Der Seidenfärber Stefan von Quickeiberg, der Bortenwirker Hans Morian, ein Goldschmied auf dem Ponnersberg wurden genannt161). Sie wurden deswegen alle einzeln verhört und nach den Gründen befragt, warum sie gegen den Exorzismus Stellung nähmen. Das Ergebnis war, daß der Rat ihnen ge­ stattete, ihre Stellungnahme eingehend darzulegen162). Florian von der Brucken, Stefan von Quickeiberg, Melchior Lauter, Hans Morian, Hans von Queuvenbeck genannt Wolf, Jakob Mormann, Jakob Bauer, Jakob Mundecken über­ gaben darauf eine eingehende Bittschrift. Sie gingen davon aus, daß man ihren Widerspruch gegen den Exorzismus und das Beschwören des Teufels dazu benutzte, um ihnen irrige Lehren von der Taufe und der Erbsünde vorzüwerfen. Zunächst fühlten sie sich verpflichtet, ihre Bedenken gegen den­ selben darzulegen. Er stehe doch nicht im Einklang mit den Gnadenver­ heißungen Gottes; sie könnten deswegen nicht zugeben, daß ihre Kinder vor der Taufe vom Teufel besessen wären. Es komme aber darin auch ein Wider­ spruch gegen die Kraft der göttlichen Verheißung zum Ausdruck. Wenn die Worte: „fahre aus" und die 4 daran anschließenden Gebete dem Willen Gottes entsprächen, so hätten sie Kraft und Wirkung, eine zweite Beschwörung aber 50

wäre unnötig. Gegen die Kindertaufe zu sein, wehrten sie sich. Glaubten sie doch, daß ihre Kinder, weil in der Erbsünde geboren, durch die Kraft des heiligen Geistes neugeboren werden müßten. Wie sie alle mit Adam stür­ ben, müßten sie alle durch Christus zur neuen Geburt kommen. Mit aller Entschiedenheit betonten sie es, daß die Befreiung vom Zorne Gottes allein durch die Reinigung durch Christi Blut in der Taufe geschehen könne. Die Taufe sei ein Bad der neuen Geburt. Sie betonten sehr die Berechtigung und Notwendigkeit der Kindertaufe. Wie die Eltern, so seien auch die Kinder zum Reiche Gottes berufen; wie jenen die Verheißung gelte, so auch diesen. Die Taufe sei das Unterpfand der Berufung. Wer seine Kinder nicht taufen lasse, entziehe ihnen die Verheißung und Berufung Gottes und lasse sie in der Erbsünde verderben. Damit reime sich aber die Lehre vom Exorzismus nicht. Wenn Christus die Kinder zu sich gerufen habe, wie könnten sie noch besessen sein. Ganz entschieden wehrten sie sich dagegen, als behaupteten sie, die Kinder würden ohne Erbsünde geboren und bedürften der Taufe nicht. Alle Kinder seien der natürlichen Geburt nach Kinder des Zornes; sie seien aber, als von christlichen Eltern geboren, deshalb zum Reiche Gottes berufen, warum sollten sie dann vom Teufel besessen sein. Die Niederländer baten um Erfaß des Exorzismus bei der Taufe der Kinder, die sie in der StiUle in ihren Häusern vornehmen wollten, oder um Abänderung des Formulars; sie wiesen darauf hin, daß sie nicht mehr verlangten als die Italiener in der Stadt, denen keine Vorschriften gemacht würden. Sollte man ihnen aber nicht entgegenkommen wallen, und sie daher gezwungen wären, die Stadt zu ver­ lassen, so erbaten sie sich eine ausdrückliche Bestätigung, daß sie keine Wie­ dertäufer seien188). Der Rat sah ein, hier handelte es sich nicht um Trotz oder bösen Willen, sondern um Gewissensbedenken. Die Niederländer hatten manche Gesinnungs­ genossen unter den anderen Stadtbewohnern. Im Agendbüchlein 1543 fand sich auch eine merkwürdige Diskrepanz. Die eine Seite trug den Randvermerk: „Diesen Exorzismus kann man ohne Sünde weglassen", die andere: .»Dieser Exorzismus ist nicht unrecht," „denn er ist eben ein Gebet". In etlichen Katechismen Luthers las man bei der Vorrede der Taufe „die Kinder vom Teufel besessen"; bei anderen fehlte es. Er war gewillt, den Bedenken Rechnung zu tragen. Daß Mauritius Heling das befürworten würde; wußte man, nicht umsonst stand er im Gedankenaustausch darüber mit Hier. Baumgartner, der ihm wohl von der Eingabe der Niederländer Kenntnis gab164). Der Rat beschloß den Theologen die Entscheidung zu überlassen; am 31. Juli 1583 beschloß man die Abhaltung eines theol. Colloquiums165). Aber er wollte im Hinblick auf die Vergangenheit Einmütigkeit sämtlicher Prediger. So erschienen am 5. August 1583 im Sebalder Pfarrhof neben Maur. Heling, Joh. Schelhamer, Laur. Dürnhofer, Heinrich Schmidlein, Nie. Herold, Linh. Schuster auch Joh. Kaufmann, dazu die beiden Schaffer von S. Sebald und S. Lorenz M. Leonh. Pfaüer und Sebast. Bader. Als Kanzlisten wurden Mag. Reuth und Titus Frecht beigezogen. Von den 3 Ratsherren Bartholomaeus und Joachim Pömer und Hans Starck leitete ersterer die Verhandlung. Er ließ durch Titus Frecht die Eingabe der Niederfänder verlesen und betonte, daß es sich nicht darum handeln könne, die brandenburgisch-Nürnbergische Kirchenordnung abzuschaffen, sondern darum, den Gewissensbedenken entgegenzukommen, umso mehr, als sie auch viele Zu­ stimmung in der Gemeinde fänden. Er unterließ auch nicht, auf die Unstimmig­ keiten* in den Agenden und Katechismen hinzuweisen. Das Ziel, das ihm vor4*

51

schwebte, war deutlich zu erkennen. Mauritus Heling ergriff das Wort. Er hatte sich genügend vorbereitet, seine Gedanken bereits auf einem Zettel notiert. Er konnte dem Ersuchen der Niederländer eine Berechtigung nicht absprechen; auch er hatte nur mit Widerspruch der Nürnberger Ordnung bei der Taufe seiner Kinder sich unterworfen. Er konnte es nicht für Unrecht finden, wenn man anders­ wo schon zur Beseitigung des Exorzismus geschritten war. Er sei in der Schrift nicht gegründet, gehöre auch nicht zur Substanz der Taufe, sei auch von keiner Synode approbiert worden. Die Gaben der ersten Christenheit wären zum Still­ stand gekommen; bei den Kirchenvätern wäre von der Art, wie man ihn jetzt ge­ brauche, nichts zu finden. Der Gebrauch des Exorzismus, der früher ein adiaphoron gewesen sei, reize zum Widerspruch. Sollten seine Worte stärker sein als fdie Worte Jesu? Könnte sonst der heilige Geist sein Werk nicht verrichten? Die kleinen Kinder sind nicht domicilia spiritus immundi, wie man nach dem Exor­ zismus annehmen müsse. De Kollekte bei der Taufe, nach der die Kinder Diener Gottes genannt würden, stehe im Gegensatz zu ihm. Dürnhofer konnte seinen Aus­ führungen nur beipflichten. Er betonte, daß der Exorzismus nicht in der Schrift zu finden sei und auch von Christus nicht gebraucht worden war. Er wies dar­ auf hin, daß Christus ja alle Kinder zu sich gerufen habe. Es sei eine magna absurditas, daß die Kinder besessen und doch Diener Gottes sein sollten. Die Lutheraner waren überrascht, sie hatten offenbar noch keinen genauen Ein­ blick in diese Angelegenheit bekommen. Sie waren nicht gleich gefaßt. Schelhamer konnte nur kurz darauf hinweisen, daß der Exorzismus nicht aus dem Papsttum stamme, sondern schon bei Justin und Augustin vorkomme; er wolle keine Neuerung. Eher faßte sich Kaufmann; er drückte zunächst seine Ver­ wunderung aus, daß man ihn jetzt zu solchen Beratungen beiziehe, nachdem man ihn 10 Jahre nie herbeigezogen habe. Es handle sich hier um eine alte Sache; man habe sich dahin geeinigt, wo er sei, ihn beizubehalten. Dies müsse er auch jetzt als das Beste ansehen. Man habe vor langer Zeit sich über ihn mit dem Markgrafen geeinigt und ihn bisher gebraucht. Würde es nicht einen großen Anstoß bei der Gemeinde geben, wenn man den wenigen Nieder­ ländern nachgeben würde? Es handele sich bei diesen nur um ein scandalum acceptum nicht datum. Man müsse bald wohl auch Bilder und Chorröcke ablegen. Würde nicht das alte Geschrei, daß man calvinisch sei, lOmal lauter erschallen. Würden nicht die Calvinisten triumphieren, sie hätten recht. Er bat um Einhändigung der Schrift der Niederländer. Das Unerwartesee aber war, als nun Heinrich Schmidlein, der bisherige getreue Schüler Helings das Wort ergriff und sich gegen dessen Vorschläge wandte. Er riet ab von einer Beseitigung des Exorzismus 1) mit Rücksicht auf die Gemeinde, in der es neuen Streit geben würde, 2) weil viele in Anfechtung kämen durch die Frage, ob ihre Taufe richtig sei, 3) mit Rücksicht auf das Geschrei, das sich wegen des Cajvinismus in Nürnberg erheben würde, 4) weil die Niederländer in ihren Landen den Nürnbergern zu Liebe auch nichts ändern würden. Hora quinta schloß Pömer die Versammlung. Er hatte seinen Plan nicht durchsetzen können. Er konnte nur 3 Punkte konstatieren. 1) Alle seien einig, daß der Exorzismus nicht zur Substanz der Taufe gehöre. 2) Alle stimmten für eine Beseitigung desselben, wenn es ohne Ärgernis der Gemeinde geschehen könne; das sei nicht der Fall. 3) Er wolle sich dafür verwenden, daß die Theologen die Kon­ fession der Niederländer einsehen könnten, und stellte eine neue Verhand­ lung in Aussicht. Von den 9 Theologen war nur Schuster noch auf Seiten 52

Heüngs und Dürnhofers getreten? aber er hatte den Eindruck der Ausführun­ gen Schmiedleins nicht verwischen können188). Die Lutheraner waren offensichtlich überrascht worden? sie besannen sich aber bald und überreichten bereits am 8. August 1583 eine genaue Darlegung ihres Standpunkts. Schelhamer und Kaufmann hatte sich Nik. Herold ange­ schlossen. Sie stellten sich zur Aufgabe, auf 2 Fragen Antwort zu geben. 1) Ob der Exorzismus in der heiligen Schrift begründet sei. 2) Ob man ihn mit Rücksicht darauf, daß er vielen Anstoß errege, mildern könne. Zunächst wiesen sie darauf hin, daß die Worte ,,fahre aus“ „ich beschwöre dich“ in der heili­ gen Schrift zu finden wären? doch betonten sie, nicht in dem Sinne, der ge­ wöhnlich damit verbunden sei. Die landläufige Meinung, die auch die Nieder­ länder verträten, als ob die Kinder vom Teufel besessen seien, als ob die Geistlichen den eine Schlange beschwörenden Gauklern glichen, bekämpften sie ganz entschieden als ein Greuel am Verdienst Christi. Damit habe man nur anzeigen wollen, daß die Kinder von Natur Kinder des Zornes, in Sün­ den empfangen und geboren, Gefangene und Leibeigene des Satans, in seinem Reich und in der Gewalt der Finsternis und geistlich besessen seien, daß sie erst ‘durch die Taufe dem Reiche Gottes einverleibt werden müßten. Die Verheißungen Gottes wären ohne Empfang der heiligen Taufe unwirksam. Die Kirche wolle nur sagen: ich gebiete dir in Gottes Namen, daß du, Satan, ausfahrest vom Täufling, den du in deiner Gewalt gehabt hast, daß er nun werde ein Kind Gottes, eine Wohnung des heiligen Geistes und ein Erbe des ewigen Lebens. Nun gehöre der Exorzismus nicht zum Wesen der Taufe, sei erst nach etlichen * Jahrhunderten eingeführt worden, sei aber auch nicht in der heiligen Schrift geboten. Wie viele schöne Gebräuche in der Kirche müß­ ten fallen, wenn nur solches beibehalten werden solle, was diese enthalte. Er sei ja auch schon längst vor dem Papsttum üblidi gewesen. Der wahre Grund der Bekämpfung desselben durch die Niederländer sei ihre gebrochene Stellung zur Erbsünde. Sie lehrten, daß von gläubigen Eltern nur gläubige Kinder geboren werden könnten. Ihre Meinung, nicht Wiedertäufer zu sein, sei auf Schrauben gestellt? Pelagianer könnten sich leicht darunter verbergen. Einem Nachgeben wollten die Lutheraner in keiner Weise das Wort reden. Jetzt handle es sich um den status confessionis. Die Niederländer würden ja sagen, die Nürnberger sind kalvinisch geworden! welches Aufsehen würde es in ganz Deutchland erregen. Es würde nicht nur als ein Nachgeben in der Form, sondern auch in der Lehre betrachtet werden. Es handle sich nicht um ein Schonen von Schwachen? böse, halsstarrige, verstockte Leute wären sie. 9 Punkte sprächen gegen ein Nachgeben. 1) Die ausdrückliche Weisung der Kirchenordnung, sie getreulich zu halten. 2) Die erst vor wenig Jahren er­ folgte Unterzeichnung der norma doctrinae, die ihn ja auch enthielte. 3) Die Abschaffung des Exorzismus bestätige die Phantasien der Pelagianer. 4) Wür­ den jetzt nicht viele irrig werden, ob sie richtig getauft worden wären. 5) Die Lutheraner seien mit den Niederländern bezüglich der Lehre nicht einig? diese lästerten jener Predigt, kämen nicht zu Taufe und Abendmahl. Damit sei ein Nachgeben in den Zeremonien ausgeschlossen. 6) Die üblen Nachreden, als ob die Nürnberger kalvinisch wären, würden nur bestärkt. 7) Paulus habe oft genug auf die christl. Freiheit hingewiesen. 8) Könnte ein Lutheraner auf gleiches Entgegenkommen bei den Reformierten rechnen? 9) Jedes Nachgeben sei umsonst? die Niederländer würden trotzdem Predigt und Abendmahl meiden. Die Lutheraner gingen auf die Erwähnung Pömers ein, daß auch viele andere die Bedenken der Niederländer teilten. Sie woll53

ten wissen, welche Motive dahinter verborgen seien; sollten es nicht Leute sein, die überhaupt mit den Niederländern sympathisierten. Die Lutheraner deckten zum Schluß die Grundlagen der ganzen Aktion npch einmal auf. „Unter der Eingabe der Niederländer verberge sich der Geist Calvins“. Taufe ist ihm doch nicht ein Bad der Wiedergeburt, sondern nur ein Siegel oder Be­ stätigung der Gnade167). Diese Erklärung war deutlich genug. Der Hinweis auf den Eindruck, den ein Nachgeben in ganz Deutschland machen würde, verfehlte seinen Zweck nicht. Der Rat wurde bedenklich. Daß die Hinneigung der Theologen zu Cajlvin und Beza so weitgehend sei, darüber war er sich vielleicht erst jetzt vollkommen klar geworden. So trug denn auch die 2. Sitzung am 16, August 1583 einen anderen Charakter. Heling und Dürnhofer dürften auch den Um­ schwung schon gemerkt haben. Kaufmann bemerkt; Dürnhofer ist diesmal viel demütiger gewesen sowohl als Mauritius, dann am nächsten. Fortassis daß sie den Braten geschmeckt oder ihnen gewunken oder sie ihr Gewissen überzeugt, da ihnen das Licht in die Augen geschienen168). Heling und Dürn­ hofer hatten zudem ihre Position auf andere Weise verschlechtert. Der Ver­ laß vom 7. Sept. 1583 sagt: daneben aber M. Maur. Heling und Joh. Müljlerpeck erfordern, ihnen, daß sie sich in solch strittigen Kaufmannssachen zu Unterhändlern gebrauchen lassen, meiner Herrn misfallen anzeigen und sagen, es hab ihnen keineswegs gebürt, sondern sollen sich fürbas solcher hendel entschlagen und ihres berufs und amts warten. Und Dürnhofer, der zunächst jede Beziehung zu den suppücierenden Niederländern abgelehnt hatte, mußte zugeben, zu 2 von ihnen in näheren Beziehungen zu stehen zu Florian von der Bruck, dem Schwiegersohn Meyers, der sich durch Wohltätigkeit und Unter­ stützung der Studenten bekannt gemacht hatte und Murmann, dessen Gevatter er auf seine Bitte geworden war. Es handelte sich nun darum, den schlechten Eindruck, den das Vorgehen der Niederländer gemacht hatte, möglichst zu beseitigen. Heling verfehlte nicht, Schelhamer darauf aufmerksam zu machen, daß er 1570 eine ganz andere, eine sehr entgegenkommende Stellung, wie er seiht eingenommen hätte160). Und Dürnhofer suchte die dogmatischen Ein­ würfe der Lutheraner zu entkräften. Man müsse zwischen einem Status naturae und dem Status promissionis oder gratiae unterscheiden, wenn man von Selig­ keit oder Verdammnis der kleinen Kinder rede. Schelhamer konnte sich leicht rechtfertigen. Nicht nur hätte das Bedenken 1570 nicht die Billigung des Rates gefunden, jetzt handele es sich um den Status confessionis. Und Kaufmann wies nocheinmal all die Gründe auf, die ihn zu einer ablehnenden Haltung mitsamt seinen Gesinnungsgenossen bewogen hatten, besonders auf den Ein­ druck, den ein solches Vorgehen des Rates in Deutschland machen würde. Die dogmatischen Einwürfe Dürnhöfers erledigte er mit dem Hinweis, daß auch die Verheißung der Gnade nur dann wirksam werde, wenn sie im Glauben angenommen würde und eine Neugeburt in der Taufe erfolge. Wenn man sich allein auf die promissio generalis verlasse, müßten ja alle Menschen selig werden. Er hielt es für das Beste, durch eine einfältige Erklärung die Laien über den wahren Sinn des Exorzismus aufzuklären. Barth. Pömer sah ein, daß mehr nicht zu erreichen war; aber auch seine Bemühungen wenig­ stens darüber Einverständnis zu erreichen, scheiterten; man konnte sich über die Form nicht einigen170). Der Rat war doch sehr beeindruckt durch die Ausführungen der Lutheraner. Der Blick auf die Folgen im weiterem Umkreis verfehlte seine Wirkung nicht. Deswegen beschloß der Rat, die Petition der Niederländer abzulehnen. Man 54

erkannte zwar ihre Gewissensbedenken an; glaubte aber diese durch eine ein­ gehende Belehrung, welches der eigentliche Sinn des Exorzismus sei, beheben zu können. Weitere Änderungen aber in den übrigen Zeremonien glaubte man mit Rücksicht auf die anderen Gemeindeglieder nicht bewilligen zu können. Der Rat drückte die Hoffnung aus, daß sie nunmehr den Besuch auswärtiger Kirchen einstellen würden. Sollten sie dem nicht nachkommen können, so stünde ihnen ja eine Verlegung ihres domiciliums frei, ausdrücklich aber sicherte man ihnen auch in diesem Fall Schutz zu ungehinderter Ausübung ihres Handels zu. Nur Jakob Bauer, der das Bürgerrecht noch nicht erlangt hatte, bekam die Weisung, die Stadt zu räumen171). Die bei den Buchhändlern beschlagnahmten Agendbüchlein wurden zurück­ gegeben, aber der Bogen mit den Zusätzen zum Exorzismus zuerst herausge­ nommen. Neue durften nur mit Genehmigung des Rates hinfort gedruckt wer­ den; beim Neudruck der Katechismen sollte Luthers Text genau zu Grunde gelegt werden. Die beiden Kapläne Nie. Herold und Heinrich Schmidlein be­ kamen die Weisung, die ins Auge gefaßte Erklärung des Exorzismus zu fer­ tigen172). In wenig Tagen, am 19. September, konnten sei dem entsprechen. Ihre Ausführungen gaben die Gedanken Kaufmanns und Schelhamers wieder178). Mit Zustimmung der beiden Herrn Pömer und Hans Stark wurden sie dann am 18., 19. XI. 1583 allen Geistlichen in den Pfarreien als autoritative Norm zur Beschwichtigung aller, die am Exorzismus Anstoß nehmen würden, mit­ geteilt174); sowohl Hehng als Dürnhöfer scheinen keine Einwendungen er­ hoben zu haben. So war der groß angelegte Versuch, dem Kalvinismus Ein­ gang in Nürnberg zu verschaffen, gescheitert. Ob beide es so leicht ver­ wunden haben? War es nicht auch ein empfindlicher Schlag für Hardesheim und seine Gesinnungsgenossen? Dessen Standpunkt war ja überall bekannt geworden. Lucas von Donauwörth lehnte ihn ja selbst in einer privaten Erb­ schaftssache mit den Erben des Nürnberger Bürgers Stefan Pauer als An­ hänger der kalvinischen Sekte als Gutachter ab175). Es dauerte nicht allzulange, bis Hardesheim nun selbst offen auf den Plan trat, und der alte Kampf heftiger als je entbrannte. Helling selbst war nicht gewillt, dem Mandat des Rates sich zu beugen. Er begehrte von Kaplan Mag. Joh. Ernst, bei der Taufe eines seiner Kinder Johann Moritz von demselben abzusehen. Und dieser kam dem Er­ suchen auch nach. Es sprach sich sofort in der Stadt herum Allerdings konnte man bald hernach nicht mehr feststellen, worin die von Ernst vorgenommene Änderung bestanden hätte. Der Pate Hans Küchenmeister wollte überhaupt nichts besonderes gemerkt haben; die Hebamme Marg. Werner erklärte: für „fahre aus" habe Ernst gesagt: „weiche du unreiner Geist", und beim 2. exorcismus statt „beschwören" „ich gebiete dir unreiner Geist". Der Kaplan Joh. Piobst, der als Schwager dabei war, gab zuerst an, für „fahre aus" habe Ernst gesagt: „weiche du unreiner Geist, von diesem Diener Jesu Christ Johann Moritz"; für „beschwören" sollte er „gebieten" gesagt haben. Nachmittag aber gab er vor, .sein Schwager hätte den ersten Exorzismus also geändert: „Du unreiner Geist, gib Raum dem heiligen Geist und wollest von diesem Diener Jesu Christi Johann Mauritius weichen". Ernst selbst erklärte sich ganz an die Agende gehalten zu haben. Und so wiid es gewesen sein. Denn in 2 Agend­ büchlein, die bei S. Sebald gebraucht wurden, war beim 1. Exorzismus mit Blei­ stift über „fahre aus" „weiche" und beim 2. Exorzismus in gleicher Weise über „beschwören" „gebieten" früher geschrieben; wenn es auch später ausge­ löscht wurde. In einem dritten Exemplar stunden beim Wörtlein „beschwören" 4 Singnoten. Der Rat gab Ernst eine ernstliche Verwarnung. Die Agend55

büchlein wurden eingezogen. Gegen Heüng wurde weiter nichts unternommen. Joh. Probst selbst mußte bald wegen seines ärgerlichen Lebenswandels abge­ setzt werden. Sofort aber wurde der Rat verdächtigt, es sei nur deswegen geschehen, weil er Mag. Joh. Emsts Änderungen am Exorzismus zur Anzeige gebracht habe. Am 26. März 1584 kam es im Sebalder Pfarrhof, als der Rat der Geistlichkeit eröffnen ließ, daß es sich bei dieser Sache um keine „Dehonestierung“ des geistlichen Ministeriums sondern vielmehr um dessen Schutz uhd Förderung durch Ausmerzung unwürdiger Persönlichkeiten gehandelt habe, zu einem ärgerlichen Auftritt. Schelhamer bezichtigte Heling und Ernst, die Dienstentlassung des Probsts verschuldet zu haben. Nur dem Eingreifen des jüngeren Herrn Bürgermeisters war es zu verdanken, wenn weiteres verhütet wurde. Offensichtlich war Schelhamer in die ganze Affaire nicht eingeweiht, man sah alles nur vom theologischen Standpunkt aus an176). Legte doch selbst der Schwager Probsts, der Schaffer Leonh. Pfaler von S. Sebald, Fürbitte für ihn ein. X. Zu einem Abschluß kamen diese Kämpfe erst im folgenden Jahr; nocheinmal prallten die beiden Parteien in aller Gegensätzlichkeit aufeinander. Herdesian trat selbst aus seiner Zurückhaltung heraus. Eine schwere Seuche be­ reitete noch dazu lange Zeit viele Sorgen. Dr. Joh. Richthauser ward ein Opfer derselben177). Ein Vorspiel war die Affaire Joachim Magdeburg. Dieser Flacianer hatte in Österreich die Ansicht vertreten: daß die Leiber der heiligen und gläubi­ gen Christen nach ihrem Absterben noch die wesentliche Erbsünde seien und blieben, daß Gesetz, Sünde, Tod und Gottes Zorn bei ihnen bis zum jüngsten Tage bleibe und erst durch die Auferstehung die Erbsünde von ihnen getilgt werde. Als exul Christi kam er 1533 nach Nürnberg. Seine Bitte „seinen Rauch daselbst haben zu dürfen“,wurde verständlicher Weiseabgelehnt. ,,Er solle seine Hoffnung an einem andern Ort suchen'. 6 fl. bekam er zur Verehrung. Aber ein Nürnberger Bürger, David Kreßer, gewährte ihm auf seinem Gut bei Allersberg Obdach. Da sein Sohn bei einem Nürnberger Drucker Nidas Knorr in der Lehre stand, schöpfte manbald den Verdacht, daß dieser der Verleger seines Büchleins, das „sonderlich zuvor unerhörte opiniones“ über die Erb­ sünde vertrat, wäre. Alle Bemühungen, der Sache auf den Grund zu kommen, erwiesen sich als umsonst. Magdeburgicus hatte sich nach Allersberg selbst be­ geben; Marx Közler, der Stadtschreiber von Hilpoltstein, scheint auch keine Lust zu schärferem Vorgehen gehabt zu haben. Magdeburgicus hatte ihm keine Aussagen weiter gemacht, um niemand in Gefahr zu bringen. Auch die Be­ fragung des Niclaus Knorr scheint zu keinem Ergebnis geführt zu haben. Magdeburgicus scheint bald diese Gegend verlassen zu haben. 1584178). Als dann Januar 1585 die Stände Niederösterreichs 2 Theologische Bedenken de substantia et accedenti peccati originis Joachim König, dem Nürnbergischen Gesandten am kaiserlichen Hof, übergaben, war der Rat froh, einer Stellung­ nahme enthoben zu sein; „aus bedenklichen Ursachen“, und übergab es dem Adiessaten, der Theol. Fakultät zu Altdorf179). Der Sommer 1584 fand Nürnberg in großer Erregung. Der Tübinger Bote brachte zu den Kaufleuten und Bürgern ein Büchlein, das allgemeines Aufsehen erregte. Andrea hatte es nie verwinden können, daß Nürnberg seinen Plänen so entschieden Widerstand entgegengesetzt hatte; er kannte auch nur zu gut die Seele desselben. 1584 fand er Muße, seinem Groll Luft zu machen. Bei Gruppenbach in Tübingen erschien: „Kurtze Erinnerung von ettlichen Schrif56

ten und Büchern, so zum Theil unter Ambrosi Wolfii und Christophori Hesiandri Namen, zum Theil one Namen in öffentlichem Trude, zu Verfälschung Aug. Konfession und Ausbreitung der Zwinglischen und Calvinischen falschen un­ reinen Lehr ausgangen". Die 22 Seiten enthielten einen scharfen Angriff auf Herdesian und die ihn schützende Stadt180). Die Gegensätze wurden unter der Bürgerschaft wieder deutlich vernehmbar; der Me^singbrenner Andreas Behem erhob wieder ungescheut seine Stimme in Gasthäusern und Gesellschaften und fand nicht wenig Zustimmung. Die theologischen Erörterungen auf den Kanzeln Jießen immer deutlicher das persönliche Moment in den Vordergrund treten. Die Zuhörer wußten, wer unter den angegriffenen Juristen gemeint war. Schelhamer allerdings scheint sich zurückgehalten zu haben. Dazu hielt Kaplan Leonhard Schuster am 10. August 1584 in der Frauenkirche eine Predigt gegen die Bilder in den Kirchen und über das Abendmahl, welche allgemein als An­ griff auf die luth. Abendmahlslehre auf gef aßt wurde181). Der Rat hatte an­ scheinend längere Zeit sich in Stillschweigen gehüllt; er wollte jeder Verwick­ lung aus dem Wege gehen. Herdesian andererseits scheint über dieses Zögern indigniert gewesen zu sein; er hatte ein Eingreifen und besonders den Schutz des Rates erwartet. Als nun etliche Heim Eltern es für nötig hielten, ihn deswegen „anzureden" bekamen sie seinen Unwillen deutlich zu spüren. An der Schmähschrift des Jakobus Andreä lag ihm nichts; vor allem auch, um der Stadt keine Unannehmlichkeiten zu schaffen, hatte er sich entschlossen, darauf nicht zu antworten. Gezwungen aber wäre er, sich gegen die beständigen An­ griffe des Andreas Behem und dessen Gesinnungsgenossen zu wehren. Damit aber auch dadurch dem Rat keine Schwierigkeiten erwüchsen; bäte er um seine sofortige Entlassung. Er fühlte sich also sichtlich zurückgesetzt; auch konnten die Herrn Eltern den Vorwurf der Schwäche und Unentschlossenheit deutlich spüren. Die Herrn Eltern scheinen etwas überrascht gewesen zu sein. So ganz unschuldig war ja Herdesian nicht. Die Politik des Rates war es gewesen, möglichst wenig Angriffspunkte dem Gegner zu geben. War das aber nicht durchkreuzt worden durch die unermüdliche schriftstellerische Tätigkeit Hessianders? Seit 1571 hatte er unaufhörlich die Lutheraner bekämpft. 15 Schriften zum mindesten hatte er deswegen in Druck gegeben. Wenn er auch seinen Namen zumeist nicht genannt hatte, der Deckname hatte wenig genützt. Be­ sonders hatte der 1574 zuerst in Heidelberg erschienene Consensus orthodoxus S S. et veteris ecclesiae de sententia et veritate verborum coenae dominicae Anstoß erregt. Man hoffte deshalb im Kreise der Herrn Eltern, daß vielleicht seine Erregung sich legen würde. Man bat am 21. Aug. 1584 ihn um eine aus­ führliche Darlegung der ganzen Sachlage. Der Rat sah voraus, daß die Stadt in manche Verwicklungen geraten könnte; eine Entlassung des Mannes, der der beste Ratgeber in den schwierigsten Angelegenheiten von jeher gewesen war, konnte aber keiner verantworten182). Herdesian war sichtlich gekränkt durch diese zögernde Haltung des Rats. Er beschloß die Sache zur Entscheidung zu bringen. Er legte dar, wie es zur Verabfassung des besonders incriminierten consensus gekommen wäre. Er hätte sich gegen die beständigen Vorwürfe und Angriffe des M. Joh. Schelhamer zur Wehr setzen müssen; das Buch wäre dann von Kurpfälzischen Theologen durchgesehen und vermehrt 1574 in Heidelberg und 1578 in Zürich zum Druck gekommen. Damit dem Rat aber ferner keine Ungelegenheiten entstünden, wie­ derholte er seine Forderung auf sofortige Dienstentlassung und Gewährung des freien Abzugs aus Nürnberg. Wenn aber der Rat verlange, daß er gemäß dem mit ihm geschlossenen Vertrag bis zum vorgeschriebenen Ende aushalte, 57

so müsse ihm all wegen seine defension wie seinen , Gegner ihr „Lästern“ und und „Schänden“ frei erlaubt und ohne Gefahr sein“. Nach Ablauf dieses Ter­ mins würde er dann die Stadt verlassen. Der Rat scdle sich bei Zeiten nach einer anderen „qualifizierten“ Person umsehen. Die Denkschrift Herdesians ist nicht erhalten-, aber man hat doch den Ein­ druck, daß sie nicht ganz «der Sachlage entsprechend war. Die Herrn Eltern scheinen doch etwas gekränkt gewesen zu sein. Denn sie bedeuteten am 11. Dezember 1584 ihm, daß sie sehr damit einverstanden wären, wenn er Andreaes Schrift nicht weiter beachte. Er müßte sich doch selbst sagen, es wäre besser gewesen, wenn der consensus gar nicht erschienen wäre. Die Berech­ tigung seiner Bitte um Dienstentlassung bestritten sie; man hätte ohne seine Klagen bisher nichts Sicheres erfahren. Der Rat erklärte sich bereit, bei begrün­ deten Klagen einzugreifen. Man appellierte an sein Pflichtgefühl, da er doch mit Nürnberg ganz verwachsen wäre, die alten Zusicherungen über Gewissens­ freiheit würden ausdrücklich erneut und besonderer Schutz noch zugesichert, wenn er sich aller weitläufigen Defension enthalten würde. Um seinen guten Willen zu bekräftigen, wurde Schelhamer ersucht, aljles „scharfe“ Predigen zu vermeiden; Endres Behem wurde sein „unzeitiger Eifer“ verwiesen. Doch scheint auch jetzt noch nicht der Unwill Hardesheims besänftigt gewesen zu sein18*). Der Verlaß der Herrn Eltern vom 22. IV. 1585 sagt; Herrn Doctor Hardesheim soll man auf seine fernere erclerung, so er auf die ime jüngst gegebene antwort getan, anzeigen, meine herrn haben sein beschwerung nicht gerne gehört, wollen aber bei den geistlichen allhier aigentüch daran sein und verfügen, da­ mit er und andere weiter auf der kanzel sollen unausgeschrieen bleiben, da­ gegen wollen ihre ehrbarkeiten sich zu ime versehen, er werde auf meinem Vorhaben nicht beharren und also von gemeiner Stadt streben, denn meine herrn irer diener- und bürgerschaft gottlob noch mächtig sein. Baumgartner war selbst Referent gewesen. Am 2. Okt. 1585 bekamen die Theologen vom Rat die kategorische Weisung, alle Angriffe auf die Juristen einzustellen. Am 5. Dez. 1585 traf ihn in der Egidienkirche, als er einer Predigt Laur. Dürnhofers beiwohnte, der Schlag. Der Rat wollte alle ärztliche Hilfe ihm angedeien lassen, auf der Stadt Kosten auswärtige Ärzte herbeiholen lassen; aber 23. Dez. 1585 verschied er. Am Sonntag, den 26. Dez. wurde er bestattet. Der Rat hatte die Ratsherren, die von Nürnberg abwesend waren, zurückgerufen, um das Leichenbegängnis dieses „teuren, vortrefflichen und um gemeine Stadt son­ derlich wohlverdienten Mannes“ möglichst feierlich zu gestalten184). Der Fall Herdesian war begleitet von einem Wiederaufleben der theologi­ schen Kämpfe. Laetare (29. III.) 1584 war Nie. Herold auf der Kanzel bei h. Geist nach vollbrachter Predigt vom Schlage getroffen worden, an dessen Folgen er noch die gleiche Nacht verstarb. Der Niederländische Maler Nicolaus Juvenel sollte sich bei der Beerdigung eines seiner Glaubensgenossen dahin geäußert haben, daß man darin die Strafe Gottes zu erblicken habe: ,/Wenn nur der Teufel den andern bei den Barfüßern auch hinweggetan hätte“. Wenn man weiß, daß dieser Prediger bei den Barfüßern, Stefan Engelbrunner, ein stram­ mer Lutheraner war, wenn man daran denkt, daß Herold vor kurzem in der Frage des Exorzismus sich gegen die Petition der Niederländer ausgesprochen hatte, so ist dieser Zornesausbruch leicht zu erklären. Aber der Rat war doch froh, als sich die Sache „etwas müder und so ärgerlicher Maßen nicht", als man Willibald Schlüsselfelder deferiert hatte, herausstellte und begnügte sich mit einer sträflichen Rede gegen Juvenel. Bedeutsamer waren andere Vor­ kommnisse180). 58

Bei dem im Juli 1584 zu Altdorf abgehaltenen Stipendiatenexamen waren schon Mag. Leonh. Schneck und Andreas Heinlein wegen ihrer Hinneigung zum Kalvinismus aufgefallen. Als nun im Nov. 1584 bei einer Nadihochzeit es zwi­ schen dem Kaplan Stefan Engelbrunner von St. Lorenz und Schneck, Esaias Lenker und Joh. Sebastian Scheuringer, dem Präzeptor der jungen Grafen von öttingen, ebenfalls zu theol. Erörterungen kam und Schneck offen den Cal­ vinismus verteidigte, hielt es der Rat für seine Pflicht, ihm sein Stipendium zu entziehen186). Das meiste Aufsehen aber erregte der Kaplan an unserer 1. Frau Leonh. Schuster. Am 10. Aug. 1584 wandte er sich in einer Montags­ predigt gegen den Götzendienst. Dabei kam er auf die Bilder und das Abend­ mahl zu sprechen. In der vom Rat als „aufrührerisch" und „ärgerlich" bezeich­ nten Rede hatte er u. a. gesagt: „abgötterei" heißt griechisch idolatria. Da ihm der Mensch einen Gott macht aus einem solchen Ding, da doch kein Gott ist, oder wenn man Gott an etwas bindet, dahin er sich mit seinem Wort nicht verbunden hat, als wenn man heutzutage Gott bindet an das Brot und Wein, die Elemente, so im Nachtmahl überreicht werden, und wollen die Leute über­ reden, Christi Leib sei im Brot verborgen, da doch Christus dem Brot nichts verheißt, auch nicht gesagt hat vom Brot, darinnen ist mein Leib, sondern das ist mein Leib" oder: „man will unsern lieben Gott zwingen, daß er an allen Orten sein muß, wie man ihn denn zwingen wolle, daß er im Abendmahl unter Brot und Wein sei". Von den Bildern führte dr aus: „man sagt, es ist nicht recht, die Bilder #) 20. II. 1585 zum Schulmeister an S. Sebald nach dem Tod von Paul Praetorius ernannt. R. V. Will, Gelehrtenlexikon II, 57. Steinmeyer S. 273. Rats­ buch 43, 254. Blätter für Fr. Familienkunde 13, 7. 20°) Will, Gelehrtenlexikon I, 90. 201) Will I, 67. 202) Will 4, 4. a°3) j)je Unterschrift am 6. 10. 1585 durch Dürnhofer und Schalling verzeichnet Andr. Würfel, diptycha ecclesiae Egidianae 1757. Nürnberg S. 41 u. diptycha capellae B. Mariae. 1761. S. 31. Die Unterschrift am 7. 10. 1585: Paulus Pfister. Andr. Würfel, diptycha ecclesiae Egidianae 1757. S. 45. am 8. 10. 1585 durch Joh. Henn. Würfel, diptycha capellae B. Mariae S. 47. Sutten­ prediger Marcus Eller war 25. 9. gestorben. 94

*•**) E. 279. 281. Deren Unterschrift erregte bei den Lutheranern großes Er­ staunen. Siehe den durch Zufall in die Hände eines Philippisten gekommenen Brief eines Lutheraners an Schelhamer. Reverende vir. scis haud dubie duos illos Calvinistas Egidianos initio recusasse subcriptionem. Nunc autem audio, quod se obtuWrint ad subscriptionem conditionalem et quidem mirabilem. Facile autem dolus intelligi potest. Sicut n. conditionalis propositio nihil affirmat, ita ejusmodi subscriptio nulla est. Dabis igitur cum D. Kauffmanno operam apud D. Schlus­ selfe! dei um et alios recte sentientes, ne cum tali subscriptione, praesertim senior ille, admittatur. Videtur n. si velit, vobis in ecclesia posse negotium facere, ipsumque hoc facturum jam aliquoties in concinionibus ipsius non obscure animadversum est, praesertim, si habuerit applausum populi et numerus auditorum ipsius in dies crescit; ab altero nihil admodum metuendum videtur. Sed non dubito, te sedule facturum, quod tui est muneris. B. V. Qui sim et quare interdum aliena manu uti soleam, nosti. Adr. Reverendo viro Johanni Schelhamero fratri suo. Mirabiliter has literas nactus sum. et videlis, quid isti homines moliantur. Estote ergo prudentes, sicut serpentes, et cavete vobis. T. et omnium orthodoxorum amicus Descripsi ex ipsis literis. Mit Bleistift: D. Constantino Fab. amico suo (E 279. Fasz. 2 Pr. 7). 2W,j Akten: D 212 Fase. IV (Originalprotokoll der anno 1585 konfirmierten normae doctrinae von allen Kirchen- und Schuldienern hiesigen Orts samt derselben teils schriftlich gegebenen Bedenken). Barth. Agricolae, Diakons ad Spir. S., Bericht bei G. E. Waldau, vermischte Beyträge zur Geschichte der Stadt Nürnberg I. 245 ff. Nürnberg 1786. R. V. 19. V. 1585. 17. IX. 14. X. 1585. Bera­ tung 27. 4. 1585: D 212, 280, 293. samt Erinnerung: Ms. 417, 214 ff. Ms. 194, fol. 331 ff. E. 281. Erl. U. Bibi. Ms. 913. G. G. Zehner, Historie app. S. 107—115. Nr. 20. 21. Nürnberger Stadtbibliothek Ms. Amb. 269. cf. Ms. 145 (7. X. 1585). Ms. 416, fol. 74. 223. Stadtarchiv Nürnberg. Y 492. Kirchenamt 20. Zehner, Historie S. 66 app. S. 182. vita Helingi S. 75. 76. 89 ff. G. A. Will, Nürnbergische Münzbelustigungen IV, S. 315. Rud. Hospinain, hist, sacramentariae pars altera. Tiguri 1602 fol. 379. Hirsch 431. *205) Am 14. 12. 1585 sandte das Landpflegeamt an die Pfleger von Lauf, Engel­ thal, Hersbruck, Velden, Reicheneck, Betzenstein, Gräfenberg je 1 Exemplar des Dekrets und der Erinnerung, mit der Weisung, dieselben bei den Pfarrern ihres Amts zirkulieren zu lassen. Jeder sollte sie nur 2 Tage be­ halten dürfen und sie keinem fremden Pfarrer mitteilen. Nach Rückgabe' derselben und Berichterstattung der Pfleger über die Stellung der Geist­ lichen würde weitere Weisung kommen. Am 15. II. 1586 wurden die Pfarrer des Amtes Lauf auf den 21. II., die des Amtes Hersbruck auf den 22. II. und die des Amtes Engelthal auf den 25. II. in das Landpflegeamt Nürnberg berufen. Am 22. II. 1586 ergingen gleiche Weisungen nach Reicheneck, Veldeq* Betzenstein, Gräfenberg, Lichtenau, ,,auf nächste Woche“. Landpflege­ amtliche Manuale 14. XII. 1585. 22. II. 1586. Landpflegeamtl. Briefbuch 51, 310. 52. 29. 30. 34. 35. 52,5. Von der Unterschrift sah man bezüglich der v. Furtenbachischen Patronatspfarrei Reichenschwand und der im Gebiet von Sulzbach gelegenen Pfarrei Etzelwang ab. L. Pf. A. M. 13. I. 21. I. 1586. L. Pf. A. Briefbuch 52, 12. Der am 23. 12. 1585 nach Velden ernannte Kaplan Georg Ursinus von Altdorf unterschrieb 1. II. 1586. L. Pf. A. M. 23. 12. 1585. 1. 2. 1586. Bei Ottensoos wies der Rat den Einspruch der Burggrafen von Rothenberg zurück. L. Pf. A. M. 1. 2. 1586. 23. II. 1586. Wie die Pfarrer des Landalmosenamtes, die vom Spital und von Patronen belehnten Pfarrer unterschrieben, muß noch aufgeklärt werden. Das Landpflegeamtl. Ma95

nuale 23. VII. 1586 verzeichnet nur folg. Verlaß: Den Amtleuten im Almosen und Spital anzeigen, mit ehester Gelegenheit ihre Pfarrer zur Unterschrift herein in die Landpflegstube zu verschaffen, jedoch auf einen Tag über 2 oder 3 nicht, wird man sich also endlich verlassen Im Subscriptionsbuch sind auch nur 4 von 13 landalmosenamtlichen Pfarrern vorgetragen, davon Joh. Paul Sutorius in Puschendorf am 12. 3. 1586. Peter Kögel in Eibach 9. Aug. 1586. Georg Seidel in Burgfarrnbach am 12. 9. 1586, Joh. Hasler von Lonneifstadt 16. Nov. 1586. Von Spitalpfarrörn: Georg Gruber in Schwimbach 2. März 1586. Th. Dietrich von Bechtal 7. März 1586. Am 28. II. 1586 unterschrieben die Pfarrer des Amtes Reicheneck und der Pfarrer von Mögeldorf; 1 u. 2. III. 1586 die Pfarrer der Aemter Gräfenberg, Hilpoltstein, Betzenstein, Lichtenau und Röthenbach b. St. Wolfgang; am 3. III. 1586 Leinburg 5. III. Kornburg und Feucht 10. März: Fischbach. ) votum de scripto 1563 anno edito et ad subscribendumanno 1586 dato ab domino Hieronymo Baumgartnero Ms. 416, 271. ) Das Subscriptionsbuch, aas alle Einträge bis 1806 erhält, war aus dem Besitz des Herrn Guido von Volkamer in den Besitz des Herrn Fr. v. Haller gekommen; eine Abschrift der Einträge habe ich angefertigt.

Aus der Gesdiidite der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg Von Wilhelm Schwemmer.

I. Teil

Reidisstädtische Zeit bis 1806 1. Gemäldesammlungen Die Rathausgalerie Im September des Jahres 1526 übersandte Albrecht Dürer dem Nürnberger Rate seine beiden Gemälde „Johannes und Petrus*’, „Paulus und Markus". Der Rat nahm das Geschenk dankbar entgegen und ließ Dürer als Anerkennung 100 Gulden sowie seiner Frau 12 Gulden überreichen. Die beiden Gemälde er­ hielten einen Ehrenplatz in der Regimentsstube des Rathauses1). Damit war der Grundstein gelegt zur Schaffung einer städtischen Gemälde­ galerie im Rathause, ja einer städtischen Kunstsammlung überhaupt. Denn wie anderwärts, so hatte man auch in Nürnberg bis dahin nicht daran gedacht, wertvolle Kunstwerke, insbesondere Tafelgemälde, systematisch zu sammeln. Der im Jahre 1510 an Dürer efteilte Auftrag zur Anfertigung der Bildnisse Kaiser Karls und Kaiser Sigismunds im Krönungsornate, wofür Dürer 1512 85 Gulden erhielt2), beweist keineswegs das Gegenteil. Denn diese Gemälde hatten ja die Bestimmung, jedes Jahr anläßlich der Weisung der Reichskleino­ dien im Schopperschen Hause am Marktplatz ausgestellt zu werden; sie ver­ danken also ihre Entstehung der Fürsorge des Rates für die Reichsheiligtümer und hatten damit auch einen geistlichen Zweck. Der Grund für dieses Fehlen einer Sammlung von weltlichen Kunstwerken liegt in der damaligen Zeit. Die bildende Kunst des Mittelalters stand im Dienste der Kirche. Diese erteilte die Aufträge und lieferte fast ausschließlich den Inhalt, der den Künstlern als Vorwurf diente. Sie bestimmte aber auch die Auffassung, a*i die sich die Gestaltung dieser Stoffe zu halten hatte, und den Geist, den sie zur Anschauung bringen mußte. Erst als der Einfluß der Kirche allmählich schwand, als die Einzelpersönlichkeit sich von ihren weltanschaulichen Fesseln befreite, als, um mit Hutten zu reden, „die Geister erwachten", konnte auch eine weltliche Kunst sich selbständig entfalten. Kunstsammlungen gab es im Mittelalter — soweit man von solchen überhaupt sprechen kann — vor allem in Kirchen und Kapellen, oder es handelte sich um private Reliquiensamm1) Baader I S. 9 f. 2) Baader I S. 6. 2

97

Jungen, in denen sich schüchtern das eine oder andere eigentlich nicht Hinzugehörige verbarg. Erst mit dem Zeitalter des Humanismus und der Renaissance war der Boden bereitet für die Kunstsammlungen, die Vorläufer der Museen, die von nun an in fast allen Mittelpunkten der Kultur, insbesondere an be­ deutenden Fürstenhöfen, entstanden. Nürnberg gehörte zu den ersten deutschen Reichsstädten, die eine solche Sammlung anlegten, und es ist kaum ein Zufall, wenn dies bereits ein Jahr nach Einführung der Reformation (1525) geschah. Wir wissen nicht genau, wie sich die städtische Sammlung in der ersten Zeit weiter entwickelt hat. Nur soviel ist sicher, daß schon sehr bald, nachdem die jährliche Weisung der Reichskleinodien eingestellt war, die hiefür bestimm­ ten Kaiserbildnisse Dürers als würdige Gegenstücke zu den Apostelbildern im Rathaus einen Ehrenplatz fanden, und daß noch andere Werke des Meisters, sei es in der letzten Zeit seines Lebens oder erst nach seinem Tode, in den Besitz der Stadt übergingen, so vor allem seine Selbstbildnisse von 1498 und 1500, das Bildnis seines Vaters von 1497 und die Darstellung von Adam und Eva aus dem Jahre 1507s). Damit hatte die Reichsstadt Nürnberg eine Sammlung hervorragender Werke ihres größten Sohnes aufzuweisen, die lang­ sam, aber stetig durch solche anderer Maler Vermehrung fand. So hat im Jahre 1548 der Dürerschüler Georg Pencz (1500 bis 1550) dem Rate seinen Hieronymus verehrt und dafür 80 Gulden als Gegengabe erhallen*4). Dieses Bild lehnt sich an das von Dürer auf seiner niederländischen Reise (1521) gemalte, später nach Portugal gelangte Werk an. Auf ähnliche Weise gelangte wohl aus der Hand des Meisters Georg Pencz ein 1545 vollendetes Bildnis des kaiserlichen Feldhaupitmanns Sebald Schirmer, eines geborenen Nürnbergers, in den Besitz der Stadt5).* Das dritte Werk von Pencz, das im Nürnberger Rathaus Auf­ nahme fand, ein Bildnis des bekannten Goldschmiedes Wenzel Jamnitzer, wurde allerdings erst im Jahre 1600 vom Sohne des Dargestellten dem Rate als Ge­ schenk übergeben8). Dagegen mögen die drei Bildnisse der sächsischen Refor­ mationskurfürsten (Friedrich der Weise, Johann der Beständige, Johann Friedrich der Großmütige) aus der Werkstätte Lukas Cranachs noch vor Mitte des 16. Jahrhunderts, sei es als Gabe des letztgenannten Kurfürsten oder auch auf Bestellung des Rates, nach Nürnberg gekpmmen sein; die gleiche Werkstatt hatte bereits 1522, noch unter einem vorwiegend kirchlichen (Gesichtspunkt, eine Darstellung der Maria mit dem Kinde als Geschenk Kurfürst Friedrichs des Weisen zur Erinnerung an dessen Reichsvikariat7) an die Stadt Nürnberg ge­ liefert Auch dieses Werk wurde nun mit der städtischen Sammlung im Rat­ haus vereinigt, die somit schon um 1550 Wert und Bedeutung hatte. Die bisher genannten Gemälde hingen übrigens fast sämtlich in der sogenannten Regiments­ stube des von Hans Beheim d. Ä. umgestalteten Rathausteiles. In diesem Repräsentationsraume wurden noch weitere Werke untergebracht, vor allem die Bildnisse Kaiser Karls V. „vor seiner Krönung" und Kaiser Maximilians I. In der alten Ratsstube scheint dagegen nur ein einziges Gemälde seinen Platz gefunden zu haben: die Darstellung des jüngsten Gerichts von einem unbekann­ ten Nürnberger Meister des späten 15. Jahrhunderts8). 3) Siehe unten, Abschnitt 3. Baader II S. 54. •) Lang S. 290. — Murr (Beschreibung S. 371. ®) Glauning u. S. 211. B Lang S 292. — Murr (Rathaus) S. 34. 8) Murr (Rathaus) S. 18.

98

Uber das weitere Wachstum der Galerie im Rathaus sind wir nur sehr spär­ lich unterrichtet. Eine (allerdings aus wesentlich späterer Zeit stammende) Nach­ richt besagt, daß vor allem noch drei Werke des 16. Jahrhunderts in der Sammlung Aufnahme fanden: ein „Ecce homo“ von dem Niederländer Jan Gossaert, gen. Mabuse (f 1536), eine Darstellung „St. Lukas malt Maria mit dem Kinde“ von Martin von Heemskerck aus Brüssel (t 1574) und „Herkules und Antäus" von Franz Floris (1567—1620) °). Ob jedoch die drei Gemälde noch im 16. Jahrhundert oder erst später, etwa als Geschenke, in den Besitz der Stadt gelangten, läßt sich nicht mehr feststellen. Immerhin wissen wir, daß die städtische Sammlung im Rathaus auch in dieser Zeit wertvolle Bereicherungen erfuhr. So hat z. B. der aus Bergen im Hennegau stammende MaierNikolaus Neufchatel, der sich 1561 für dauernd in Nürnberg niederließ, sein erstes hier entstandenes Werk, das treffliche Doppelbildnis des Nürnberger Schreib- und Rechenmeisters Johann Neudörfer und seines Sohnes, gleichsam als Probestück dem Rate der Stadt verehrt10). Übrigens bürgerte sich der Brauch, dem Nürnberger Rate ein Gemälde zur Probe zu übergeben, allmählich immer mehr ein, nicht nur für die aus der Fremde nach Nürnberg gekommenen Maler, sondern auch für alle Einheimischen, die sich berufsmäßig hier der Malerei widmen wollten. In der neuen Handwerks­ ordnung, welche der Rat am 30. März 1596 den Malern verlieh, die bis dahin eine „freie Kunst“ (das heißt ohne zunftähnliche Bindung wie die übrigen Handwerke) geübt hatten, fand die Pflicht zur Abgabe eines Probestückes ihre endgültige Festlegungn). Die Ordnung bestimmte, daß „diejenigen Gesellen, so allhie Bürger und Meister werden wollen, zuvor ein Prob- oder Meisterstück von Figuren, Bildern, Landschaften oder worinnen einer am besten geübt, machen und in ordentlicher Schau durch die Rugsherren besichtigen und darüber erkennen lassen sollen“; sie legte ferner fest, „alle Meisterstücke, die ein jeder machen wird, anstatt des Einschreibgelds, das sie sonst in die Losungsstuben geben mußten, auf dem Rathaus zu behalten, damit eins vor dem andern, und welcher an Fleiß und Geschicklichkeit der beste, desto besser erkannt werden möge“. Mit dieser Bestimmung der Malerordnung war zugleich das Entstehen einer umfangreichen Gemäldesammlung tan Rathaus gewährleistet. Allerdings mußte nun auch vieles Mäßige und Durchschnittliche in die Rathaus­ galerie gelangen, die sich dadurch mehr in die Breite entwickelte. Dennoch darf diese Maßnahme des Rates als glücklich bezeichnet werden; denn sie er­ möglichte ohne irgendeinen Kostenaufwand das Entstehen einer ausschließlich nürnbergischen Gemäldesammlung, an der gleichsam wie aus einem Spiegel die Entwicklung der reichsstädtischen Malerei abgelesen werden konnte. Unter den Neuzugängen von Gemälden im frühen 17. Jahrhundert verdient besonders das Probestück des Malers Lorenz Hoß aus dem Jahre 1626 Erwäh­ nung, das eine Innenansicht des großen Rathaussaales „mit vielen Figuren“ wiedergibt. Ein Beispiel für die mythologische Malerei in Nürnberg zeigt das Meisterstück des Christian Rupprecht „Tomyris mit dem Haupte des Cyrus" (1634); es läßt zugleich erkennen, daß man zu solchen Probestücken damals häufig Kupferstich-Wiedergaben von Gemälden bedeutender Meister, vor allem des Peter Paul Rubens, benützte. Sehr günstig wirkte sich für die Gemälde­ galerie der Bau des neuen Rathauses (1616—1622) aus-, denn nun war es mög­ lich, die bisher in ein bis zwei Zimmern zusammengedrängten Kunstwerke 0) Lanq S. 292. 10) Murr (Rathaus) S. 38. n) Baader I S. 40 ff. 7*

99

auf die gesamten Repräsentationsräume des neuen 2. Stockwerkes zu ver­ teilen. Der Maler Paul Juvenell erhielt zusammen mit Gabriel Weyer, Jobst Harrich und Jörg Gärtner vom Rate den Auftrag, die Decke des „Schönen Saales" im Neubau mit 13 Gemälden zu schmücken, von denen das mittlere den thronen­ den Kaiser, umgeben von allegorischen Gestalten der Tugenden, darstellt» während die Themen der übrigen 12 fast sämtlich der römischen Geschichte ent­ nommen wurden. Zu diesen Deckengemälden hatte Juvenell gleichzeitig vier ganzfigurige Ölbildnisse zu fertigen, die außer den zur Zeit des Rathausbaues regierenden Kaisern Matthias und Ferdinand II. auch deren Vorgänger Rudolf II. und ihren gemeinsamen Ahnherrn Rudolf von Habsburg darstellten12). Sie bil­ deten den Anfang der später fortgesetzten Reihe der Kaiserbildnisse im Rat­ haus und wurden zunächst in den Repräsentationsräumen des neuen 2. Stock­ werkes untergebracht (Anm. 1). Der 30jährige Krieg bedeutete auch für die Entwicklung der Rathausgalerie eine Periode des Stillstandes. Aber schon die Feierlichkeiten anläßlich des Friedensschlusses (1649/50) brachten ihr wertvollen Zuwachs. Vor allem ist das bereits im Jahre 1650 entstandene Gemälde „Das Friedensmahl im Großen Rat­ haussaal 1649" von Joachim von Sandrari zu nennen, das Pfalzgraf Karl Gustav, der schwedische Oberstkommandierende, in Auftrag gab und der Stadt Nürn­ berg zum Geschenk machte1S). Im Zusammenhang damit enstand ein Brust­ bild der damals regierenden Königin Christine von Schweden, der Tochter Gustav Adolfs, sowie ein größeres Gemälde, das den Pfalzgrafen Karl Gustav, der 1654 als Karl X. den schwedischen Thron bestieg, zu Pferde darstellte. Außer diesen mehr zeitgeschichtlich-offiziellen Werken J. v. Sandrarts erlangte die Stadt durch dessen testamentarische Schenkung zwei weitere Ölbilder seiner Hand: ein lebensgroßes Bildnis des Erzherzogs Ferdinand (er sollte als Fer­ dinand IV. deutscher Kaiser werden, starb aber noch vor seinem Vater) und „Die Erziehung des Jupiter"14). Mit der bildlichen Wiedergabe der Feierlichkeiten anläßlich des Friedensschlusses 1649/50 war übrigens noch ein weiterer Meister beauftragt. Von dem aus Schlesien eingewanderten Bartholomäus Wittig (1610 bis 1684) stammt die bekannte Darstellung des Löwen, der anläßlich des Frie­ densmahles der außen harrenden Volksmenge roten und weißen Wein spen­ dete (Anm. 2). Unmittelbar nach dem großen Kriege strömte der Nürnberger Malerei von außen her neues Leben zu. Eine Anzahl namhafter Künstler ließ sich hier nieder. Vor allem ist der aus Prag stammende Daniel Preisler (1627—1665) zu nennen, der dem Rat sein erstes in Nürnberg entstandenes Werk: „Kain erschlägt seinen Bruder Abel" als Probestück übergab; er ist der Ahnherr einer bedeutenden Nürnberger Malerfamilie geworden (Anm. 3). Man versäumte übrigens nicht, neben den zahlreichen, meist unbedeutenden Probestücken auch die Bildnisse der jeweils herrschenden deutschen Kaiser der Rathausgalerte einzuverleiben. Die Darstellung iKaiser Ferdinands III., seines Nachfolgers Leopold I. und dessen erster Gemahlin Margarete wurde dem Antwerpener Rubensschüler Franz Lauchs um 1656 übertragen, während das Jugendbildnis Kaiser Josephs I. von dem Italiener Marco Liberi stammt. So war bis um 1710/20, ein Jahrhundert nach Eröffnung des neuen Rat­ hausteiles, eine Sammlung von ungefähr 80 Werken entstanden, die ihrer Herl*) Lang S. 290 f. — Murr (Rathaus). 18) Lang S. 293. — Murr (Rathaus), l*) Lang S. 292.

100

kunft nach im wahrsten Sinne die Bezeichnung einer nürnbergisdben Galerie verdient, was um so mehr betont werden muß, als die großen fürstlichen Sammlungen dieser Zeit ja Kunst aus ganz Deutschland und vor allem Werke beiühmter Italiener und Niederländer zu. erwerben trachteten. Noch durch einen anderen Vorzug zeichnete sich die Nürnberger Rathaus­ galerie aus, nämlich durch die Art ihrer Unterbringung. Während damals in den üblichen Kunstkabinetten die Wände von oben bis unten gleichsam mit Bildern „tapeziert" waren, hat man hier der Gemäldesammlung die besten vorhandenen Räume gewidmet. Im 16. Jahrhundert waren dies die Regiments­ stube und die Ratsstube. 1622 wurde dann die Sammlung in die Repräsen­ tationsräume des Neubaues verlegt. Das ganze 2. Stockwerk dieses Rathaus­ teiles hatte im Haupttrakt nach Westen (gegenüber der Sebalduskirdie) nur fünf Räume, denen sich ein weiterer, nach der Theresienstraße gelegener, an­ schloß. Auf die sogenannte Eckstube (Zimmer 66) folgte nach Süden ein Zimmer (64/65), dann ein Sitzungssaal (Zimmer 63), weiterhin der Prunksaal oder „Schöne Saal" (62) und zuletzt, ganz im Süden, die Regiments-, später auch Regenten- oder Konferenzstube genannt (Zimmer 60 und 61) Das der Theresien­ straße zugewandte Zimmer, die „Kreisstube“, in der die Gesandten des Frän­ kischen Kreises ihre Sitzungen abhielten, hatte als einziges Gemälde die Bild­ nisse der drei sächsischen Reformationskurfürsten aufzuweisen15). Auch die als Vorzimmer gedachte „Eckstube** enthielt außer dem Bildnis des Feldhauptmanns Sebald Schirmer von Georg Pencz nur vier Brustbilder Kaiser Ferdinands II. und dreier Erzherzoge. Um so reicher war die Ausstattung der nach Süden weiterhin folgenden Räume. Der nächste Saal (Zimmer 64, 65) barg die Kaiser­ bildnisse von Paul Juvenell, Lauchs und Sandrart; vor allem aber hatten hier Al brecht Dürers Bildnisse Kaiser Karls und Kaiser Sigismunds ihren Platz gefunden, außerdem das Bildnis des Goldschmieds Wenzel Jamnitzer von Georg Pencz und das Bildnis Johann Neudörfers und seines Sohnes von Nikolaus Neufchatel, ferner der „Ecce homo" von Jan Gossaert sowie zwischen den Fenstern vier Probestücke kirchlichen Inhalts von Nürnberger Meistern. Der folgende Saal, im 18. Jahrhundert die „Silberstube" (Zimmer 63), enthielt Dar­ stellungen geschichtlicher Ereignisse: „Der weinspendende Löwe" von Barthol. Wittig, das Huldigungsbild von Rupprecht Hauer, wozu 1772 noch eine Kopie der „Belehnung des Nürnberger Rates durch Kaiser Matthias 1612" trat. Den wertvollsten Schatz dieses Raumes bildete Albrecht Dürers bekanntes Selbstbilbnis aus dem Jahre 1500, zu dem sich noch das mäßige, aber um so um­ fangreichere Bildnis Kaiser Josephs I. von Marco Liberi gesellte. Zwei alttestamentliche Darstellungen: „Simson und Delila" von Johann Murrer und Johann Leonhard Kramers Kopie nach Karl Loth, endlich das Marienbild aus der Cranach-Werkstätte vervollständigten den Bilderschmuck. Nun folgte der Prunksaal. Er war schon wegen der wertvollen Deckengemälde Paul Juvenells geeignet, ganz besonders wertvolle Stücke der Sammlung aufzunehmen. Hier fanden Dürers „Vier Apostel" und sein „Adam und Eva" ihren Ehrenplatz. Um diesen Glanzpunkt gruppierten sich „St. Lukas malt Maria mit dem Kinde" von Martin von Heemskerck „St. Hieronimus" von Johann Liss, ein Kruzifix von dem Schweizer Daniel Savoye und von Johann Ehmels. Dazu kamen Joachim von Sandrarts „Erziehung des Jupiter" sowie zwei Gemälde Nürn­ berger Meister: „Isaaks Opferung" von Heinrich Popp und „Die heilige Familie" von Georg Jakob Lang. Die südwärts an diesen Saal grenzende Regifnentsoder Konferenzstube (Zimmer 60 und 61) hatte als beherrschenden Blickpunkt 1B) Lang S. 290.— — Murr (Rathaus).

101

das „Friedensmahl" von Joachim von Sandrart aufzuweisen, welches die ganze Südwand einnahm. Dazu paßten gut die Bildnisse Kaiser Leopolds I. und seiner Gemahlin von Franz Lauchs, ein weiteres Bildnis dieses Kaisers (Feder­ zeichnung von 1675) und eine Tafel mit der Darstellung aller Reichskleino­ dien von Friedrich Juvenell (Anm. 4)16). Alle Gemälde, die nicht ohne weiteres in die Ordnung der Repräsentations­ räume des 2. Stockwerkes zu passen schienen, wurden in der sogenannten „Hintersten Kammer" (südwestlicher Eckpavillon. des Wolffschen Rathausteiles, 2. Stock, oberhalb des Großen Saales) oder in der „unteren Stube der Rat­ hausvogtei" vereinigt. Die hinterste Kammer beherbergte um 1710 im ganzen 28 Gemälde17). Hier allein hingen diese — es waren zwar meist Probe­ stücke, aber durchaus nicht die schlechtesten — so dicht, wie damals in den Gemäldesammlungen allgemein üblich. Zusammenfassend muß betont werden, daß die Gemälde in den Repräsentationsräumen außerordentlich gut gehängt waren. Jede Überladung wurde glücklich vermieden; mit seltenem Taktgefühl waren die Werke aufeinander und auf den betreffenden Raum abgestimmt. In den folgenden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wuchsen die Bestäide der Rathausgalerie nicht mehr in der gleichen Weise wie bisher. Das lag zu­ nächst daran, daß man nach der völligen Einrichtung der Räume im 2. Stock­ werk die gewonnene schöne Ordnung nicht gerne durch Einfügen neuer Ge­ mälde stören wollte. Außerdem konnten die neuen Werke dieser Zeit — es war eine Periode des Tiefstandes der Nürnberger Malerei — mit den älteren keinen Vergleich aushalten. Schließlich hatte ^ich inzwischen der Schwer­ punkt des Nürnberger Kunstlebens auf die „Malerakademie" verlegt, die unter ihren Direktoren Johann Daniel Preisler, Johann Martin Schuster und Johann Justin Preisler ihre Blüte erlebte (Anm. 5). Seit der Neuorganisation der Nürnberger Malerakademie und Zeichenschule durch Johann Daniel Preisler konnte sich jeder, der hier eine gewisse Zeit gelernt und gearbeitet hatte, als Maler in Nürnberg betätigen. Der Maler war damit äußerlich gleichsam vom Handwerker zum Künstler erhoben worden. Die Folge davon war, daß fortan nur noch wenige Nürnberger Maler unter Umgehung der Akademie nach der bisherigen Ordnung ihr Meisterstück mach­ ten und im Rathaus ablieferten. Die wenigen Werke, dre im Laufe des 18. Jahr­ hunderts noch als Probestücke hereinkamen, waren durchwegs nicht so bedeut­ sam, daß man ihretwegen die Ordnung der Rathausgalerie geändert hätte. Sie verschwanden also meist in der als Magazin benützten „Hintersten Kammer" (Anm. 6) 18). Nach jahrzehntelangem Stillstand erhielt die Rathausgalerie gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen wertvollen Zuwachs durch die Erwerbung eines Teiles der von Hagenschen Privatsammlung. Während sich die städtische Samm­ lung bis dahin im wesentlichen durch Einzelgeschenke und Probestücke ergänzt hatte, kam nun im Jahre 1786 zum ersten Male ein größerer zusammenhängender Bestand hinzu. Johann Georg Friedrich von Hagen (geb. 1723 zu Bayreuth) war als Kassier des Fränkischen Kreises und Markgräflich Bayreuthischer Hofrat im Jahre 1783 zu Nürnberg gestorben. Er hatte eine sehr wertvolle Kunst­ sammlung hinterlassen, die 869 Gemälde umfaßte. Da von Hagen ohne direkte Nachkommen war und seine Schulden selbst sein großes Vermögen überstiegen, i®) Murr (Rathaus). 17) Lang S. 293 f. 18) Vergl. Lang S. 293 f. mit Stadtbibi. Nor. H. 352.

102

mußte seine Sammlung 1786 auf dem Nürnberger Rathaus ausgestellt und ver­ steigert werden. Bei dieser Gelegenheit gelang es, für die Stadt etwa 40 Ge­ mälde zu erwerben, deren Hauptgruppe 17 Werke des bedeutenden Bildnis­ malers Johann Kupetzky (f 1740 zu Nürnberg) bildeten, darunter ein Selbst­ bildnis Kupetzkys mit seinem Sohne „in althussitischer Tracht", ein Bildnis seiner Frau, das Bildnis seines Hauslehrers Schlickeisen, nicht weniger als fünf Bildnisse des Nürnberger Kaufmanns Tobias Huth (zweimal „mit einer Kaffeetasse in der Hand", zweimal „eine Violine stimmend", einmal „mit einem Weinglas in der Hand, im Hintergründe seine Frau'), weiterhin Bildnisse (1Peters des Großen im Harnisch", de$ „Grafen Zinzendorf in Kavalierkleidung", des sächsischen Hofmalers Benjamin Müller, des sogenannten Findelknaben, der „Frau Haberstockin in Wien", ferner ein „Mann, der den Säbel zieht’, ein „Mann mit Helm und Brustharnisch", zwei „Holländische Bauernstücke" Dazu kamen zwei „Männliche Bildnisse" von Kupetzkys Schüler, Benjamin Müller, genannt Kupetzky-Müller, der später nach Dresden ging (Anm. 7) 19). Da wenigstens ein Teil dieser Gemälde in die Galerie eingefügt werden sollte und sich andererseits (infolge der fast gleichzeitigen Einrichtung des nordwestlichen Eckzimmers im 2. Stockwerk des Rathauses als „RentkammerRegistratur") die Entfernung der dortigen Gemälde als notwendig erwies, waren 1787 ziemlich umfangreiche Änderungen der Rathausgalerie unvermeidlich (Anm. 8). Im ganzen betrachtet, muß auch diese Umstellung in Anbetracht des herr­ schenden Zeitgeschmackes und des immer fühlbarer werdenden Raummangels als gelungen bezeichnet werden. Die Sammlung umfaßte jetzt die stattliche Zahl von 145 Gemälden. Sie enthielt alles, was die Nürnberger Malerei aus drei Jahrhunderten zu bieten hatte, und sie war — was immer wieder hervor­ gehoben werden muß. — im wahrsten Sinne des Wortes eine nürnbergische Galerie. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gelangten auch einige ältere Gemälde in die Rathausgalerie, die in den früheren Inventaren keine Erwähnung gefunden hatten und anfangs wohl in anderen städtischen Gebäuden untergebracht waren: „Die Schlacht bei Pillenreuth 1449" und „Das Lager der Nürnberger beim Königsweiher 1502" (beide Gemälde stammen aus dem Ende des 16. Jahr­ hunderts), ferner je ein Bildnis Kaiser Rudolfs II., Kaiser Matthias, König Gustav Adolfs von Schweden (von Gabriel Weyer) und ein Bildnis. König Karls XII. von Schweden. (Anm. 9) 20).

Die Gemäldesammlung auf der Kaiserburg Die Gemäldesammlung im Rathaus ist in reichsstädtischer Zeit nicht die einzige geblieben. Vielleicht schon im 16. Jahrhundert, sicher aber im Laufe des 17. bildete sich auch auf der Kaiserburg allmählich eine Gemäldegalerie, die ebenfalls dem Rate unterstand. Der Grund für ihre Entstehung lag in einem Privileg Kaiser Ludwigs des Bayern aus dem Jahre 1341, das die Reichsstadt für irfimer zur Hüterin der Burg bestellte,- denn damit war gleichzeitig auch die Baulast auf den Rat übergegangen samt der Verpflichtung, die Wohnläume dauernd für den Kaiser instandzuhalten und für ihre Ausstattung zu 10j Hagen. — Murr (Beschreibung) S. 372 ff. 30) Vergl. Lang S. 290—294 mit Murr (Beschreibung) und mit Stadtbibi. Nor. H. 352.

103

sorgen. So lag es nahe, einen Teil der überreich vorhandenen städtischen Probestücke zur Ausstattung der kaiserlichen Zimmer auf der Burg zu ver­ wenden. Es handelt sich um die gleichen Räume, die 1934/35 wieder hergestellt und in einen ihrer Vergangenheit würdigen Zustand versetzt wurden. Der große untere Saal, der zur Dienstwohnung des Kastellans (dieses Amt bekleidete seit 1657 immer der Vorderste Losunger) gehörte, enthielt gegen Ende des 18. Jahr­ hunderts an städtischen Gemälden allerdings nur ein Bildnis des vormaligen kastellans von Pfinzing von Johann Eberhard Ihle, das der Dargestellte zum Gesdienk gemacht hatte21). Auch die beiden romanischen Kapellen zeigten außer den Flügeln der noch jetzt vorhandenen drei Altäre keinerlei Werke der Malerei. Nur im kleinen „Oratorium des Kaisers*' hingen drei religiöse Dar­ stellungen unbekannter Meister des 16. Jahrhunderts: ,.Der Heiland segnet die Weltkugel* (Kniestück auf Holz), „Maria, das Kind säugend" und „Der Leichnam Christi, von Engeln umgeben". Um so besser war der große obere Saal, die sogenannte Ritterstube, mit Gemälden versehen. Das Hauptstück bildete eine historische Darstellung von dem Nürnberger Johannes Creuzfelder (f 1636, Schüler Nikolaus Juvenells): „Kaiser Matthias belehnt den Nürnberger Rat mit den Böhmischen Lehen", ein Vorgang, der sich am 7. Juli 1612 im gleichen Saale abgespielt hatte. Beson­ dere Erwähnung verdient auch ein Gemälde „Johannes der Täufer liest beim Schein einer Lampe", das Probestück des Nürnberger Malers Johann Hertz (um 1600—1635), das dieser 1627 dem Rate zur Verfügung stellte. Auch von mehreren anderen namhaften Nürnberger Malern des frühen 17. Jahrhunderts, die bereits im Rathaus mit Werken vertreten waren, enthielt dieser Saal wert­ volle Stücke. So von Michael Herr „Die Entführung Europas", von Paul Juvenell zwei allegorische Werke („Gespräche der Seele mit dem Heiland" und „Weis­ heit, Stärke und Gerechtigkeit") und von Friedrich von Falkenburg eine Landschaft. Das folgende Zimmer (der sogenannte Kurfürstensaal) enthielt außer einem „Prospekt des Nürnberger Rathaussaales" '(wohl Kopie nach dem Gemälde von Lorenz Hoß, 1626) und einem „Prospekt von der Veste herab über die Stadt" nur fünf lebensgroße Bildnisse von sächsischen Kurfürsten des 17. und 18. Jahr­ hunderts: Johann Georg I., II., III., IV. und August der Starke. Die westlich an dieses Zimmer angrenzende Kaiserstube hatte lebensgroße Bildnisse der deutschen Kaiser von 1635 bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts aufzuweisen, wohl fast sämtlich Kopien. In dem nun folgenden Zimmer des Kaisers hingen zehn Werke religiösen, mythologischen und allegorischen Inhalts. Leider kennen wir auch hier nur von drei Gemälden die Meister: es handelt sich um eine „Heilige Familie" von Markus Tüscher (1705—1751), eine Kopie des Dürerschen Gemäldes „Johannes und Petrus" von Joh. Georg Gärtner und die Darstellung des „Sieges des Marius über die Cimbern" von Lukas von Falkenburg (f um 1610). Von den übrigen Gemälden: Geburt Christi, Grablegung Christi, Christus und Nikodemus („Nachtstück"), „Abraham wird von den drei Engeln besucht", „Susanne und die beiden Alten", „Cimon und Pero" und einer allegorischen Darstellung der „Maler­ kunst" sind die Meisternamen nicht überliefert. Auf den großen Wandflächen im Söller vor den Kaiserzimmern hatte man einen Abzug des Holzschnittes „Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I." von 21) Murr (Beschreibung) S. 340. — Staatsav. N. Rep. 232 hfr. 4626.

104

Albredit Dürer (1515) angebracht, ferner einen „Prospekt der Stadt Wien mit Vor­ städten", Geschenk eines Fürsten von Thum und Taxis, 1779; außerdem hingen hier noch eine „Abbildung der Reichskleinodien*' und „Christus mit der Sünderin im Tempel" von Nikolaus Juvenell (f 1597). Die beiden Zimmer der Kaiserin zeigten als Schmuck wiederum nur Bild­ nisse, so das Wohnzimmer: Kaiser Karl VI. und Joseph I., Maria Theresia, Joseph II. als Erzherzog und Erzherzog Karl (Bruder Josephs) und das Schlaf­ zimmer: Maximilian I. (Kopie nach Dürer), Karl VI., Prinz Eugen von Savoyen, Herzog von Marlboröugh. Bildnisse herrschten auch im sogenannten Prinzen­ zimmer des unteren Stockwerkes vor: Kaiser Matthias, König Gustav Adolf von Schweden, ein „Graf von Nassau, 1610", Bildnis des Georg Volckamer, 1. Losungers der Reichsstadt Nürnberg (f 1637), dazu „Maria mit Kind in einer Land­ schaft". Die sogenannte Kanzlei (unterhalb der beiden Zimmer der Kaiserin) wies einen Zyklus von 16 Gemälden mit Darstellungen aus dem Leben Jesu auf (Anm. 10)22). Die Reichsstadt Nürnberg besaß also zwei vollständige Reihen von Kaiser­ bildnissen (seit Anfang des 16. Jahrhunderts), von manchen Regenten sogar drei Bildnisse; auch verschiedene biblische und mythologische Stoffe haben mehrmals Darstellung gefunden. Gute Arbeiten anderer Meister waren immer als Vorlagen für Probestücke beliebt und — was das wesentlichste ist — boten die beste Möglichkeit zum Nachweis soliden handwerklichen Könnens. So stellte auch die Burggalerie eine ausschließlich Nürnberger Sammlung dar; sie trägt als wertvolle Eigänzung der Rathausgalerie manches zur Kenntnis der Nürnberger Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts bei.

Die Gemäldesammlung in der Stadtbibliothek

Eine dritte bedeutende Gemäldesammlung besaß die Reichsstadt Nürnberg in der Stadtbibliothek. Sie war nicht durch einen besonderen Gründungsakt, sondern ganz allmählich im Laufe von zweieinhalb Jahrhunderten entstanden; sie sollte auch nie als selbständige Galerie gelten, sondern bildete immer nur einen Be­ standteil der Bücherei, die im Jahre 1525 durch Vereinigung der Bibliotheken auf­ gehobener Klöster begründet und 1538 in das ehemalig« Dominikanerkloster verlegt war. In verschiedene Gruppen lassen sich die Gemälde der Stadtbibliothek ein­ teilen. Zur ersten, die noch aus dem 16. Jahrhundert stammt, gehört eine kleine Anzahl von Werken, die am besten unter der Bezeichnung „Berühmtheiten aus der Zeit der Reformation" zusammengefaßt werden können. Da gab es ein Bild­ nis Martin Luthers, nicht weniger als fünf Bildnisse Philipp Melanchthons, da durften die Vorreformatoren Johannes Huß und Hieronymus von Prag ebenso­ wenig wie die gelehrten Humanisten Erasmus von Rotterdam und Willibald Pirkheimer fehlen, und schließlich ist hier auch das Bildnis des Arztes Theophrastus B. Parazelsus zu nennen. Das Lutherbildnis war bereits zu Beginn des 19. Jahr­ hunderts verschollen, ebenso ein Bildnis des Humanisten Joachim Camerarius und zwei von den fünf Melanchthonbildnissen2S). Dagegen sind drei der letzteren noch vorhanden, die, sämtlich auf Holz gemalt, dem 16. Jahrhundert angehören. Von keinem kennt man den Meister oder die genaue Herkunft; vielleicht sind sie mit der Melanchthonbibliothek, die der Wöhrder Prediger Strobel (f 1794) 2#) Murr (Beschreibung) S. 340—347. 23) Stadtbibliothek, Inventar v 1835.

105

der Stadt Nürnberg vermachte, in das ehemalige Dominikanerkloster ge­ kommen. Als wertvollstes Werk dieser ganzen Gruppe muß das Bildnis des Erasmus von Rotterdam von Georg Pencz aus dem Jahrd 1527 genannt werden, das sich an ein bekanntes Werk von Hans Holbein d. J. anlehnt. Es ist von einem Herrn Fürleger in die Stadtbibliothek gestiftet worden24). Das sogenannte PirkheimerBildnis entpuppte sich später als ein Bildnis des Nürnberger Gewandschneiders Hans Pickel und ist eine Kopie nach dinem Gemälde von Hans Brosamer (um 1520) 26). Den Hauptbestandteil der Bildnisgalerie der Stadtbibliothek stellt die Reihe ihrer Bibliothekare aus dem 17. und 18. Jahrhundert dar. Nachdem einmal einer — es war wohl der Kustos Christoph Fürer im späten 16. Jahrhundert — den Anfang damit gemacht hatte, sein Bildnis der Stadtbibliothek zu verehren, folg­ ten viele diesem Brauche, so daß hier eine Galerie von 14 solchen Bildnissen zusammenkam, deren ältestes jetzt das eines Bernhard Prätorius ist, des 8. Bibliothekars, der 1604 sein Amt übernahm. Ihm folgte Christoph Reich, der sein von Lorenz Strauch 1627 gemaltes Bildnis ebenfalls der Bibliothek über­ gab. Seit 1637 waren die Prediger bei St. Sebald jeweils zugleich Stadtbiblio­ thekare; unter ihren Bildnissen sind erwähnenswert: das des 11. Bibliothekars Johann M. Dilherr (von Rudolf Wernfels), das seiner Nachfolger Johannes Wül­ fer (f 1724) und Andreas Myldorfer. Ferner seien die Bildnisse der Prediger A. Rudolf Solger (* 1770), Johann Georg Spörl (t 1773; von Johann Jakob Klee­ mann) und des Christoph Melchior Schmidtbauer (f 1795) genannt sowie die Bild­ nisse einiger Geistlicher, die zwar nicht Bibliothekare, aber Gönner und eii’rige Benützer der Bibliothek waren, wie der 1592 verstorbene Leonhardt Pfahler oder auch Johannes Will (Schaffer von St. Sebald; beider Bildnisse von Lorenz Strauch) oder der 1717 verstorbene Geistliche an St. Lorenz, Andreas Will, und schließlich der Sudenprediger bei Heilig Geist, Ambrosius Wirth. Weitere Gemälde geben Rektoren und Professoren zu Nürnberg und Altdorf oder auch Gönner der Bibliothek wieder. Diese ließen ihre Bildnisse entweder selbst in den Räumen des einstigen Dominikanerklosters aufhängen oder es fand sich ein Stifter, der dies für sie besorgte. So verehrte im Jahre 1669 Johann Georg Volckamer die Bildnisse des Anatomen Volker Coiter und des Naturwissenschaftlers Georg Palma der Bibliothek2,;). Das letztere ist wahr­ scheinlich ein Werk Nikolaus Neufchatels, des bedeutendsten Nürnberger Bild­ nismalers der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts; die bisherige Zuschreibung des Coiter-Bildnisses an diesen Meister läßt sich aus chronologischen Gründen nicht mehr aufrecht erhalten26»). Beide Gelehrte hatten im Jahre 1592 ihre Büchersammlungen der Stadt geschenkt. An weiteren Bildnissen von nürnbergischen Schulmännern und Gelehrten seien die der Altdorfer Professoren Hugo Donellus (aus dem Jahre 1590) und Georg Queccius (aus dem Jahre 1628) genannt sowie das des Schuldirektors bei St. Lorenz, Johann Graßmann, der 1654 im Alter von 90 Jahren starb (Art Joachim von Sandrarts). Auch die Bildnisse des Pflegers des Nürnberger Kirchenwesens Wilhelm Imhoff und des Losungrates Jakob Imhoff fügen sich dieser Gruppe ein. Die Reihe der Bild­ nisse von Stiftern wertvoller Bibliotheken wird fortgesetzt durch zwei treffliche Werke von Lorenz Strauch, das Bildnis des Messerschmiedes und Verlegers •*•) Ranner. — Murr (Beschreibung) S. 396. — Städt. Galerie (Zettelkatalog). 26) Mitteilung v. Herrn Archivdirektor Dr. Reicke. 28) Murr (Beschreibung) S. 398. 2«a) Mitteilung v. Herrn Dr. Kn Pilz.

106

Johann Fenitzer und seiner Frau aus dem Jahre 1618; beide kamen mit der Fenitzersdien Bibliothek in Verwahrung der Stadt. Als Stifter einer bedeutenden juristischen Bibliothek wäre der Ratskonsulent und Gesandte Paul Jakob von Maiperger zu nennen (Bildnis von N. W. Kleemann aus dem Jahre 1746; sein weiteres Bildnis aus dem Jahre 1749 von einem Unbekannten), vor allem aber der Altdorfer Professor Georg Andreas Will, Gründer der Norischen Sammlung der Stadtbibliothek. Er schenkte mit dieser Bibliothek auch sein Bildnis samt dem seiner Frau und seines Sohnes (sämtlich von Johann Eberhard Ihle 1761 gemalt), dazu ein weiteres Bildnis seiner Frau vom gleichen Meister, 1754. Auch Susanne Maria Endter, Tochter Jakob von Sandrarts, die der Stadtbibliothek ihre i eiche Sammlung eigenhändiger Graphiken vermachte, fügte ihr und ihres Gemahls Wolf Moritz Endter Bildnisse bei. Als Stifter von Legaten für die Bibliothek sind der Ratskonsulent Marchdrenker von Högen und seine Frau durch Bildnisse verewigt (letztere setzte im Jahre 1741 elftausend Gulden testa­ mentarisch für die Nürnberger Schulen aus). Durch eine ähnliche Stiftung hat sich eine Frau Metzgerin verdient gemacht, deren Pastellbildnis die Bücherei verwahrt. Endlich sind als Geschenke zusammen mit Bibliotheken die Bild­ nisse des nicht näher bekannten Gelehrten Macedo Berrariensis aus dem Jahre 1626 und des Wittenberger Professors Josephus Adjutus Ninivita vom Jahre 1647 hierher gelangt. Darüber hinaus erhielt die Stadtbibliothek im Laufe des 17. und 18. Jahr­ hunderts auch Bildnisse von Fürsten, wie Kaiser Leopold I., Joseph I., Herzog Johann Friedrich von Sachsen — die Persönlichkeit eines „Staatsmanns“ ließ sich schon im 18. Jahrhundert nicht mehr feststellen — die wohl sämtlich schon zu deren Lebzeiten gestiftet wurden. übrigens bestand die Gemäldegalerie der Stadtbibliothek nicht ausschließlich aus Bildnissen. Auch eine Darstellung des Sitzungssaales der Gesandten des Fränkischen Kreises zählte dazu, der „Kopf eines Einhorns“, ein kleiner Holz­ schnitt: „Eigentliche Abbildung des ganzen Gewerbes der Kaufmannschaft 1589“ von Jost Amman, die Darstellung des im Jahre 1663 erschienenen Kometen (Stiftung von Jeremias Dümmler, 1665), die Darstellung des mechanischen Kunstvragens, den der gelähmte Altdorfer Uhrmacher Stephan Farfler im 17. Jahrhundert für sich konstruiert hatte, und mehrere Bilder religiösen In­ halts wie eine „Heilige Magdalena“, eine „Kreuzigung“ aus dem Jahre 1654* je ein „Kopf des Mose und des Paulus“, ein Gemälde „Paulus und Timotheus“ oder ein „Kanzelredner“27) Meist aus anderen Amts- und Stiftungsgebäuden gelangten (zum Teil erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts) insgesamt 16 Gedächtnis- und Schrifttafeln (soge­ nannte Schreibkunststücke und Zierschriften) in die Stadtbibliothek. Unter den letzteren seien die der Schreibmeister Johann Schenkel und Georg Wilmer (beide Ende des 17. Jahrhunderts) genannt. Gedächtnistafeln wurden z. B. angefeitigi im Jahre 1745 auf den Tod Kaiser Karls VII.; andere Tafeln enthielten fortlaufende Reihen von Namen und Wappen, wie die der Nürnberger Losunger von 1340 bis 1675 (entstanden Ende des 16. Jahrhunderts) oder die der Pfleger der Mendelschen Zwölf-Brüder-Stiftung von 1438—1725. 92 Bildnisse und andere Ölgemälde waren so im Laufe des 16. bis 18. Jahr­ hunderts, bis zum Aufhören der reichsstädtidien Selbständigkeit, in der Stadt­ bibliothek zusammengekommen, zum großen Teil von hoher künstlerischer Qua­ lität. Die Hauptbedeutung der Sammlung lag darin, daß in ihr die Nürnberger s7) Murr (Beschreibung) S. 396—408. — Ranner. — Stadtbibliothek. Inventar von 1835.

107

Gelehrtenwelt des 16. bis 18. Jahrhunderts im Bilde überliefert war. Daß diese ganze Sammlung ohne einen bestimmten „Jahresetat'' oder Zuschuß, ja seflbst ohne eigentliche Ankäufe seitens der Stadt zu solcher Bedeutung sich entwickeln konnte, ist ein beredtes Zeugnis für die Opferwilligkeit der Alt-Nürnberger Bürgerschaft und für die wahrhaft hohe Kultur der alten Reichsstadt. Als Beispiel dafür, daß nicht sämtliche der Reichsstadt Nürnberg gehörige Gemälde im Rathaus, auf der Burg oder in der Stadtbibliothek sich befanden, sei das Bildnis des Stifters Wolf gang Münzer von Babenberg genannt (* 1577), ein treffliches 4 Werk von Nikolaus Neufchatel, das als Vermächtnis des Dar­ gestellten an die Stadt Nürnberg gelangte und deswegen auch im Verwal­ tungsgebäude der Wohltätigkeitsstiftungen seinen Platz erhielt28). Auch eine Darstellung Kaiser Konstantins und der heiligen Helena (spät­ byzantinisch, aus dem 14. Jahrhundert) wurde nicht innerhalb der städti­ schen Sammlungen, sondern in der Spitalkirche verwahrt. Der Überlieferung nach befand .jsich das Werk in Mytilene, kam 1436 nach einer abenteuerlichen Fahrt auf einem venetianischen Schiff in die Lagunenstadt Venedig, wo es lange als wundertätig verehrt wurde, um schließlich im 18. Jahrhundert als Geschenk dieser Republik an die Reichsstadt Nürnberg zu gelangen29). Bildnisse in der Malerakademie

Als vierte, wenn auch kleine Gruppe von Gemälden aus reichsstädtischer Zeit muß die Sammlung der Nürnberger Malerakademie erwähnt werden. Diese im Jahrö 1662 gegründete Anstalt ist, wie bereits angedeutet, gegen Ende des 17. und in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts unter Leitung von Johann Daniel und Johann Justin Preisler zum Mittelpunkt des Nürnberger Kunstlebens geworden, um den sich die besten der hier anwesenden Maler und Graphiker scharten. Dadurch wird es ohne weiteres erklärlich, daß sich nicht selten Gönner fanden, die der Akademie Geschenke oder Vermächtnisse zu­ kommen ließen30). So verehrte der Nürnberger Gesandte am Kaiserlichen Hof, Heinrich Christian Hochmann von Hohenau, der Akademie sein von Kupetzky gemaltes Bildnis. Ein gewisser Christoph Gottlieb Schmidt gab 1718 das Bild­ nis seines Vaters sowie zwei eigene Bildnisse (sämtlich von unbekannten Meistern). Von besonderer Bedeutung wurde für die Akademie die Stiftung eines Dr. Pröbel im Jahre 1789, die ihr neun Werke von Kupetzky einbrachte (Bildnis eines „Kellners mit einem Glas Rotwein“, Bildnisse des Malers Blendinger, „der jungen Frau SchnelHin“, de* ,.Magd des Kupetzky“ und vier .•Männerköpfe'*). Direktor Johann Justin Preisler verehrte ein Pastelbildnis des Johann Kenkel (um 1720). sein Nachfolger Johann Eberhard Ihle überließ der Anstalt sein Selbstbildnis — alles in allem 14 Gemälde, zu denen noch eine reiche Sammlung von Gipsabgüssen (in der Hauptsache Stiftung von Johann Kenkel 1722) und eine bedeutende Kupferstichsammlung trat, die hier zunächst lediglich erwähnt werden soll.

28) Stödt. Galerie, Katalog 2. — Katalog G. M. (Lutze-Wiegand) S. 110. 2®) Murr ^Beschreibung) S. 108 ff. 80) Göschei. — Murr (Beschreibung) S. 386.

108

2. Die übrigen Zweige der bildenden Kunst Bildwerke

Die bisher betrachteten Sammlungen der Reichsstadt Nürnberg enthielten ausnahmslos Gemälde und illuminierte Graphiken. Gegenstände der Bildhauerei und dös Kunstgewerbes hatten hier von vornherein keinen Platz; denn bei diesen Kunstzweigen lagen die Verhältnisse vom 16. bis 18. Jahrhundert ganz anders. Niemandem fiel es ein, sie aus ihrem Zusammenhang, aus ihrer Um­ gebung herauszureißen und unvermittelt nebeneinanderzustellen. Mit anderen Worten; es gab vom 16. bis 18. Jahrhundert keine Sammlung von Bildwerken oder von kunstgewerblichen Gegenständen im engeren Sinne. Was wir uns heute unter einer Fachsammlung vorstellen, verdankt seine Entstehung erst dem Museumsgedanken des 19** Jahrhunderts, der auf die Herkunft der Gegenstände keine Rücksicht mehr nahm- Diese Dinge sollen daher erst mit der Entwicklung der Nürnberger Kunstsammlungen des 19- Jahrhunderts betrachtet werden. Lediglich einige Werke der Bildhauerei mögen gleichsam als Ausnahmen schon hier Erwähnung finden? die Gruppe des „Gerechten Richters1, ein Holzschnitz­ werk aus der Zeit um 1520, das symbolhaft über der Türe der Ratsstube ange­ bracht war, und die rein handwerkliche Holzfigur des Löwen, aus dessen Rachen anläßlich des Friedensmahles im Großen Rathaussaal 1649 dem Volke roter und weißer Wein gespendet wurde. Im Laufe des 17. Jahrhunderts ge­ langten noch Gußmodelle aus Peter Vischers, später Pankraz Labenwolfs und Benedikt Wurzelbauers Gießhütte im Bauhof in die Hände des Nürnberger Rates* die nach Auflösung dieser Werkstatt an die dortige städtische Glocken­ gießerei übergingen31); dazu gjdhörte z. B. das Holzmodell der Figur des St. Wenzel, die im Jahre 1532 Peter Vischers Söhne für den St. Veitsdom nach Prag lieferten, ferner Pankraz Labenwolfs Modell zu seinem bekannten Gänse­ männchenbrunnen am Obstmarkt, sowie auch das Modell des in der Städtischen Glockengießerei ausgeführten Grabdenkmals32) für den 1634 bei Nürnberg ge­ fallenen schwedischen Obersten Klaus Hastver, der in der Dominikanerkirche seine letzte Ruhe gefunden hatte. Zu den Bildwerken im weitesten Sinne können auch die im späten 16. und 17. Jahrhundert sehr beliebten „bossierten", d. h. aus farbigem Wachs herge­ stellten Arbeiten gezählt werden. Drei derartige Werke (sämtlich Flachreliefs) waren 1806 noch im Rathause erhalten33): Eine Darstellung der **8 Nürnberger Herren Eltern und Ratsherren aus dem Jahre 1591"* ein Bildnis des Kaisers Matthias und seiner Gemahlin (Kniestück mit Einfassung, wohl 1612) und eine Gruppe von Bildnissen sechs Nürnberger Ratsherren, an ihrer Spitze Endres Imhoff (um 1635/40).

Der Silberschatz der Reichsstadt

Unter den Erzeugnissen des Kunsthandwerks, die der Rat ebensowenig wie Bildwerke im heutigen Sinne „gesammelt" hat, nahmen die Goldschmiedearbeiten eine besondere Stellung ein, vor allem Gefäße und Geräte. Diese dien­ ten dem praktischen Gebrauch und darüber hinaus der Repräsentation der 81) Staatsav. N., Reg. Abg. 1932 Tit. XIII Nr. 2078. — HR V d 4 Nr. 13 — Akademie, Katalog. 32j Akademie, Katalog. *3) Staatsav. N„ Reg. Abg. 1932 Tit. XIII, Nr. 2078.

109

Reichsstadt. Man macht sich jedoch kaum eine richtige Vorstellung von dem Reichtum des Nürnberger Rates an solchen Gefäßen. Der Silberzettel des Rat­ hauses vom Jahre 1613 gibt hier einen überraschenden Einblick34). Er enthält nicht weniger als 174 silbervergoldete Trinkgeschirre. Da gab es 27 Becher und „Scheurn", 50 ,.Magöllein", 60 Hofbecher, 3 Salzfässer und 25 silberne Schalen, ,-so zu der Herren gewöhnlichen Mahlzeiten ordentlich gebraucht werden"- An nicht ständig gebrauchtem Tafelgerät sei genannt: 23 Schalen7 Köpfe (Gefäße in Form eines Kopfes), 10 große Kannen- teils mit dazuge­ hörigen Becken. 17 Doppelt", 2 Flaschen, 2 Kelche mit Patenen- Dann waren mehiere silberne Tafelschmuckstücke vorhanden, wie z. B. ein Marienbild, ferner 6 Credenzen, darunter ein Tisch mit vergoldetem Silberbeschlag von Wenzel Jamnitzer (1547) und der große silberne Tafelaufsatz von Wenzel Jamnitzer aus dem Jahre 1549, der allein 11,340 Kilogramm wog. Dazu kamen 24 silberne Schaupfennige „mit dem Bildnis, den Königreichen und Landschaften Kaiser Karls V." und 9 weitere Schaugroschen von 1538, die zur Zierde auf den Tisch gelegt wurden. In Verwahrung des Hauswirts und in einzelnen Zimmern be­ fanden sich u. a. 67 silberne Löffel und Gabeln, 4 Doppelt mit Deckeln, größten­ teils vergoldet, ferner zwei kunstvolle Uhren und endlich das ganze Silber­ inventar der Hausvogtei, das 1779 mit dem Rathausinventar im Losungsamt vereinigt wurde: 4 Doppelt, 25 Magöllein, 7 Becher, 3 Schalen- 39 Löffel und 16 Gabeln. — alles in allem 582 Silbergegenstände mit einem Gewicht von 9 Zentnern Silber, ein Schatz, wie ihn zu Beginn des 17. Jahrhunderts nur wenige der gioßen Fürstenhöfe auf weisen konnten.

Die graphische Sammlung Zwar enthielten die( städtischen Gemäldegalerien von Anfang an auch einzelne Handzeichnungen, illuminierte Kupferstiche und Holzschnitte. Da jedoch schon im 17. Jahrhundert ganz allgemein die Graphik als eigenes, neues Sammelgebiet betrachtet wurde, wandte die Reichsstadt Nürnberg auch diesem sehr bald ihre Aufmerksamkeit zu. Zwei getrennte Sammlungen Graphischer Blätter entstanden in Nürnberg. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine in der neuen Malerakademie und eine zweite seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts in der Stadtbibliothek. Es ist verständlich, daß die Sammlung der Maler­ akademie ihre Entstehung in erster Linie dem Bedürfnis verdankt, gute, brauchbare Vorlagen, gleichsam als Lehrmittel für den Unterricht zu besitzen. Infolgedessen wurden hier zahlreiche Kupferstiche angeschafft, die bedeutende Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts Wiedergaben und die dem Zug der Zeit entsprechend — die deutsche Kunst hatte ja damals einen Tiefstand zu über­ winden — meist von italienischen und französischen Stechern herrührten. Diese Kupferstiche wurden in Sammel-Foliobänden eingeklebt35). Vier solche mit bunt zusammenengewürfeltem Inhalt entstanden noch im 17. Jahrhundert fmit 30, 96, 72 und 75 Blättern). Bald folgte ein weiterer Band von P. S. Bartoli mit 81 Wiedergaben altrömischer Skulpturen. Als die Mitglieder der Künstlerfamilie Preisler die Leitung der Akademie übernahmen, vermehrten sie auch diesen Bestand durch Proben ihrer Kunst; besonders Johann Justin Preisler spendete zwei von ihm selbst herausgegebene Kupferwerke über antike Statuen: eines mit 20, das andere mit 50 Blättern nach Zeichnungen von Eduard Bouchardon. Das 18. Jahrhundert brachte weitere Schenkungen und Vermächtnisse; so 54) Stadtarchiv; abgedruckt bei Mummenhoff (Rathaus) S 265—288. 35) Gösel. — Murr (Beschreibung) S. 448 f.

110

gab bereits im Jahre 1718 Christoph Gottlieb Schmidt einen Band mit 179 Kupfer­ stichen und Holzschnitten (darunter mehrere von Albrecht Dürer), einen weiteren Band mit 121 Stichen von Bosse, Perelle und Zaemann und schließlich eine$ Band mit „174 Figuren" von verschiedenen Künstlern. Johann Kenkel stiftete Martin Schusters „Akademie" in 20 Schabkunstblättern. Durch Herrn von Eber­ meier erhielt die Maler-Akademie drei wertvolle Werke: Pietro Berettinis Galleria dipinta (26 Blätter), Fischer von Erlachs Historische Architektur (83 Blät­ ter) und Paul Deckers „Spanischen Erbfolgekrieg" (57 Blätter). Dazu kam eine dänische Ausgabe des ,.Vitruvius“ (2 Bände) und eine größere Anzahl von einzelnen Blättern, z. B. 55 Kupferstiche von Jakob Frey, 47 figürliche und landschaftliche Radierungen von Dietrici, 14 Blätter nach Riazetta von Pitteri, 17 Radierungen von Rembrandt, 24 Schlachten- und Pferdestücke von Rugendas und 52 Einzelblätter verschiedener Künstler- Schließlich besaß die Akademie noch eine Sammlung von Handzeichnungen ihrer Teilnehmer: 36 historische Skizzen, 16 Bildnisse, 59 architektonische und 51 perspektivische Zeichnungen, so daß um 1806 im ganzen vorhanden waren: 13 Bände mit insgesamt 973 Kupferstichen und Holzschnitten, 209 einzelne Kupferstiche und 162 Hand­ zeichnungen36)- Der Nürnberger Rat konnte sich rühmen, seine Akademie nach den Erfordernissen der Zeit mit den besten Unterrichtsmitteln ausgestattet zu haben. Die graphische Sammlung der Stadtbibliothek verdankt ihre Ent­ stehung zwei Vermächtnissen. Das erste bestand in einer Sammlung von 480 Handzeichnungen und Kupferstichen von Susanna Maria von Sandrart, der Tochter Jakob von Sandrarts, welche ihre Werke in einem mit Silber be­ schlagenen Band vereinigen ließ und testamentarisch bestimmte, daß diesen ihr zweiter Gemahl Wolfgang Moritz Endter nach ihrem Tode der Stadtbibliothek übergeben solle, was im Jahre 1716 auch geschah37). Die zweite, wesentlich um­ fangreichere Graphiksammlung gelangte erst gegen Ende der reichsstädtischen Zeit in die Stadtbibliothek. Am 7. Mai 1801 übergab Maria Margarete Magda­ lena von Holzschuher ungefähr 30 zum Teil starke Foliobände mit eingeklebten Kupferstichen verschiedenster Art und Herkunft38). Unmöglich kann der Inhalt der Sammelbände auch nur annähernd aufgezählt werden. Da waren Bände mit 280. 828, 700, 1107, 400, aber auch solche mit nur 90 oder 84 verschiedenen Blät­ tern. Neben diesen reinen Sammelfolianten enthielt das Vermächtnis aber viele Bände einheitlichen Inhalts: fünf Bände, von denen jeder ein prunkvolles öffentliches Fest in Frankreich zum Gegenstand hatte (von 1722, 1749, 1744, 1745, 1747); weitere, die bedeutende Ereignisse in Deutschland darstellten, wie das Leichenbegängnis des Großen Kurfürsten 1688; ferner religiöse Werke, w. z. B. die Meriansche Kupferbibel, die Kiliansdie Bibel (130 Blätter) und die „144 Vor­ stellungen zum Neuen Testament" von Fischer, die Biblische Geschichte von Pietro Monaco (Venedig 1739) und das ..Augsburger Friedensgedächtnis" von 1678 oder des Nürnberger Predigers Johannes Säubert „Emblemata Sacra“, wie auch die in Augsburg erschienenen „Herzerquickenden Trauerbücher" und schließlich J. A. Böners „Rennbahn der Ehren“. 1688; vor allem auch kunstge­ schichtliche Werke wie J. F. Prestels „Desseins des meilleurs peintres“ (17 Blät­ ter) oder die „Galerie du Palais Luxembourg" nach Rubens 1710. Bände mit Illustrationen zu Ovids Metamorphosen, und zu Vergils Aeneis (50 Blatt) oder zu Homer wechselten mit rein naturwissenschaftlichen, wie Dr. Trews ,.Osteologie des Menschen“. Tierstücken von Riedinger, einem Bande mit gemalten Muscheln 38) Staatsav. N., Reg. Abg. 1932 Tit. XIII Nr. 2078. — Murr (Beschreibung) S. 380 u. 448 f. 3Ü Ranner S 23. 38) Ranner S. 12.

111

oder gar einer „Abbildung und Beschreibung der Bergwerksbeamten und -be­ dienten, 1721“ und L. C Sturms „Vollständiger Mühlenbaukunst, 1718"- Natür­ lich durften auch die Prospekte nicht fehlen. Neben nürnbergischen von Wenzel Hollar, Graf, Heumann, Krauß, Delsenbach und Dietzsch waren auch die Heumannschen Prospekte von Göttingen oder van de Veldes „Landschaften" vorhanden und schließlich Sammelwerke über einzelne Städte und Schlösser, wie Frank­ furt, Würzburg. Pommersfelden, Seehof und Favorite, ferner holländische und französische Landschafts- und Gartenprospekte39). Die Sammlung umfaßte somit in 5000—6000 Blättern alle Gebiete und die bedeutendsten Meister des Kupferstichs vom 16. bis 18. Jahrhundert. Aber auch andere Bestände der Stadtbibliothek enthielten gelegentlich Kupferstich- und Holzschnittwerke. Erwähnt seien hier vor allem zwei Bände der Solgerschen Sammlung, einer mit 37 Holzschnitten von Albrecht Dürers Kleiner Passion und einer mit 39 Kupferstichen, meist von Dürer, Pencz und Aldegrever 4°). Holzstöcke Im Anschluß an die Betrachtung des Graphikbestandes muß eine Samm­ lung von 273 alten Holzstöcken (Druckstöcken zu Holzschnitten) erwähnt wer­ den, die kulturgeschichtlich Beachtung verdient41). Fünfzig davon stellten Männer­ und Frauentrachten des 15. bis 17. Jahrhunderts dar. Der Hauptbestaad von 191 Holztafeln zeigte Wappen von ebensovielen patriziatischen und ehrbaren (auch ausgestorbenen) Familien der Reichsstadt Nürnberg. Dazu kämen 11 Druck­ stöcke mit anderen Wappen (einer trägt die Jahreszahl 1629), 9 mit leeren Wappenschildern und 12 leere Holzplatten ohne jede Zeichnung oder Bearbei­ tung. Sämtliche Holzstöcke sind gleichzeitig entstanden und gehören zusammen. Sie sollten den Schmuck eines Geschlechterbuches bilden, das der Rat der Reichs­ stadt in den Jahren 1628 bis 1630 herauszugeben beabsichtigte. Infolge der immer näher rückenden Unruhen des 30jährigen Krieges wurden die Arbeiten jedoch vorzeitig eingestellt und auch nach dem Friedensschluß nicht wieder aufgenommen. Die Holzstöcke blieben vergessen in einem Raume des Alten Rathauses liegen bis man sie im Jahre 1876 wieder entdeckte und nun erst auf geeignetem Papier erstmalig abdrucken ließ. Sie stellten in ihrer Gesamtheit ein Unikum dar; denn es kommt außerordentlich selten vor, daß sich die ge­ samte Bilderausstattung eines alten Werkes im Holzstock ungeschmälert er­ halten hat. Holzmodelle Ebenfalls ohne besondere ursprüngliche Absicht entstand seit dem 16. Jahr­ hundert eine Sammlung, welche Holzmodelle von Gebäuden, Gebäudeteilen und Maschinen umfaßte. Sie gehen zum Teil auf direkte Aufträge des Rates, dann vor allem auf den Brauch des 16. bis 18. Jahrhunderts zurück, bei beabsichtigten öffentlichen Neubauten und einschneidenden baulichen Änderungen ein voll­ ständiges. bis in das kleinste durchgeführtes Holzmodell als Entwurf anzufer­ tigen. Ein weiterer Grund für das Anwachsen dieser Sammlung war die Be­ stimmung der Handwerksordnungen, insbesondere der für Zimmerleute, Schreiner und Mechaniker, als Meisterstück ein Modell herzustellen, das je nachdem ein 3») Stadt. Galerie, Katalog 2 (Anhang). 40) Stadtbibliothek, Handakt und Katalog. 41) HR. V d 4 Nr. 43.

112

ganzes Haus, einen einzelnen Bauteil oder eine Befestigungsanlage« Brücken, Dachstühle, Türme, Mühl- und Wasserwerke. Brunnen oder auch nur technische Gegenstände, wie Winden, Räder, Pumpen, Baggerwerke und Hebeanlagen dar­ stellen konnte. Diese Modelle wurden (ebenso wie dies bei den Meisterstücken der Maler der Fall war) nach der Prüfung nicht den Bewerbern zurückgegeben, sondern beim Amt, hier dem Bauamt im Bauhof, behalten und aufgestellt. So entstand mit der Zeit eine umfangreiche Sammlung, die 1806. beim Auf­ hören der reichsstädtischen Selbständigkeit, neben einer »«großen Menge sehr defekter Stücke", im ganzen 157 Modelle in gutem Zustande enthielt42). Darun­ ter waren z. B. die Modelle fast aller seit dem 16. Jahrhundert neuentstan­ denen oder wesentlich veränderten öffentlichen Gebäude, wie die Barfüßer­ kirche. die Egidienkirdie, das Zeughaus, das Rathaus, das Baumeisterhaus im Bauhof, das Waizenbrauhaus, das Fechthaus auf der Insel Schütt und das Gym­ nasium neben der Egidienkirdie. Da standen neben zahlreichen Hausmodellen vor allem die Modelle der Befestigungen des Mauerrings, soweit sie im 16. und 17. Jahrhundert Änderungen erfuhren, z. B. die Werke am Pegnitzeinlauf oder am Wöhrder Tor im Zustand vor und nach dem Umbau von 1613. Wälle und Türme, auch ganze Festungen, vor allem das starke Lichtenau, durften niiht fehlen. Besonders beliebt waren Modelle von Brücken, wie der Trockensteg, die Fleischbrücke und ihr Vorbild, der Ponte Rialto in Venedig* Da gab es Modelle des Neptunbrunnens und des Wasserspeiers auf dem Maxplatz, zahl­ reiche Mühlwerke mit ihren Einzelheiten, Wasserräder mit und ohne Schaufeln, Bagger, andere technische Geräte und Maschinen, wie Rammen, Kranen, Winden, Hebewerke, Pumpwerke. Eisenhämmer, Flaschenzüge, Schrauben ohne Ende, Vorlegeschlösser, ja sogar Feuerspritzen, Webstühle, Kamine und Backöfen und natürlich, als einfachere Meisterstücke von Zimmerleuten, eine große Anzahl verschieden gestalteter Dachstühle, Treppenhäuser und dergleichen mehr. Den Glanzpunkt der Sammlung, ja auch eines ihrer ältesten Stücke, bildete das Modell der ganzen Reichsstadt Nürnberg von Hans Peham, das der Rat im Jahre 1540 für 40 Gulden von dem kunstreichen Meister selbst erwarb48); es hat um 1613/16 in dem etwas kleineren Stadtmodell des Kunstschreiners Hans Wilhelm Beheim ein willkommenes Seitenstück erhalten. Wissenschaftliche Instrumente

Einer ausgesprochenen Fachsammlung muß in diesem Zusammenhang ge­ dacht werden: der astronomischen und mathematischen Instrumente in der Stadt­ bibliothek, die seit ihrer Gründung als die wissenschaftliche Anstalt Nürnbergs schlechthin galt. Die ältesten Gegenstände dieser .Sammlung stammen der Über­ lieferung nach von dem berühmten Astronomen Johannes Regiomontanus, näm­ lich ein kleines Horoskop und drei Astrolabien (darunter ein arabisches); sie wurden im Jahre 1505 oder 1506 aus seinem Nachlaß erworben44). Dazu kam das sogenannte Astrolabium seines Schülers Johann Werner aus dem Jahre 1516 und ein Solarium, angeblich aus dem Besitz von Georg Hartmann, 1523* Das wertvollste Stück der Sammlung bildete ein Erdglobus, den Johann Schöner, der erste Lehrer für Mathematik am hiesigen Gymnasium, im Jahre 1520 auf Kosten seines Gönners Johann Seiler zu Bamberg herstellte und nachmals der Stadt Nürnberg verehrte. Derartige Schenkungen bereicherten auch später noch «) Staatsav. N., Reg. Abg. 1932 Tii. XIII Nr. 2078. 4S) Baader I S. 39. 44) Murr (Beschreibung) S. 402—406.

8 '

113

die Sammlung; so übergab im Jahre 1522 der Mathematiker Christian Heyden einen ,»Mathematischen Pokal" (eigentlich eine Sonnenuhr mit Astrolabium und Kompaß) dem Bibliothekar Hieronymus Paumgartner d. Ä. für die Stadt. Ein wesentlicher Teil der Instrumente* gelangte übrigens im Jahre 1675 durch Kauf aus dem Nachlaß des bekannten Mathematikers Johann Prätorius in die Biblio­ thek, insbesondere ein Himmelsglobus, den dieser kurz vor seinem Tode (1676) für Egidius Ayrer fertigte und der erst durch Christoph Himrich seine Vollen­ dung fand; außerdem gehörten dazu ein Himmels- und ein Erdglobus aus dem Jahre 1568 (je mit Gestell und Kompaß), ein Kubus, in den ,»die 5 regulären Uhren nach der Nürnberger Polhöhe" gestochen waren, dazu ein Kompaß und „aufgerichteter Perpendickel (1562)", ferner eine »halbe hohle Stundenkugel" mit kleinem Kompaß von 1563, eine „hohle!, runde Horizontaluhr" samt Kompaß (1566). ein Astrolabium von 1568, ein großes Quadrat (mit Angabe der Sonnen­ zirkel. der Sonnendeklination und Stundenlinien) samt Gestell, endlich das „Torquetum" des Peter Apianus. Fast sämtliche Apparate waren aus Messing und Kupfer. Damit hatte die Sammlung im wesentlichen ihren Abschluß ge­ funden. Später kam nur noch weniges hinzu- wie ein Quadrant zum Richten von Geschützen (von Paul Reinmann, 1602) ein Maßstab, auf dem der altrömisdie und zum Vergleich der Pariser und der Nürnberger Fuß eingraviert war, eine astronomische Uhr („von vorzüglichem Kunstwert") und verschiedene Sonnen­ uhren 45). Das wertvollste Stüde dieser Sammlung allerdings, der berühmte Globus, den dör Nürnberger Seefahrer Martin Behaim im Jahre 1492 im Auftrag des Rates fertigte, stand nicht in der Stadtbibliothek, sondern in der Regimeintsstube des Rathauses; er war im 17. Jahrhundert auf ungeklärte Weise in den Besitz der Patrizierfamilie Behaim gelangt und konnte erst 1937 dank dem Entgegen­ kommen des letzten männlichen Nachfahren Martin Behaims vom Germanischen Nationalmuseum erworben werden45*). „Kuriositäten"

Anläßlich der Betrachtung der Gemäldegalerie im Rathaus wurde bereits erwähnt, daß die beliebtesten Gegenstände der Sammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts nicht etwa Gemälde oder andere Kunstwerke waren, sondern eigentlich .»Raritäten und Kuriositäten" verschiedenster Art. Diese zum Teil sonderbarsten Dinge füllten die fürstlichen Kunstkammern ihrer Zeit. Es wäre undenkbar, daß sie in Nürnberg gänzlich gefehlt hätten. Als Aufbewahrungsort wählte man für sie ebenso wie anderwärts die wissenschaftliche Anstalt, das „.Museum" der Stadt, hier die Stadtbibliothek46). Da war zunächst eine Reihe ausländischer archäologischer Gegenstände, wie zwei bemalte, der Überlieferung nach etruskische oder kampanische Gefäße, zwei antike Lampen aus gebranntem Ton, ein angeblich mexikanischer, nach anderer Meinung westindischer Götze namens „Fitzliputzli“ („eine kleine Affengestalt") oder ein „Palmblatt mit malabarischen Buchstäben". Nicht minder interessant schienen Kuriositäten aus neuerer Zeit, z. B. das „Trinkglas Martin Lutherswelches er dem Dr. Jonas verehrte" (mit dem Bildnis beider!), das .»Käppchen, welches Dr. Luther im Jahre 1530 zu Coburg trug" (entdeckt erst 1721 in „einer verschließbaren Kiste" zu Nürnberg!), ein hölzerner Dreifaltigkeitsring, „erfunden Murr (Beschreibung) S. 400—402. 45a) HR. V d 4 Nr. 90. 46) Ranner. — Hampe S. 100—102. 45)

114

von dem Jesuiter P. Scherer in Ingolstadt", der mechanische Kunstwagen, den der gelähmte Uhrmacher Stephan Farfler in Altdorf zu Beginn des 17. Jahr­ hunderts für sich verfertigte, ein Reliquiengehäuse, mit Silberblech überzogen (es trug das Behaimsche Wappen, war ursprünglich für die 1513 erbaute Kapelle St. Sebastian bestimmt und wurde nach deren Zerstörung 1553 in die Stadt­ bibliothek verbracht), eine Meilensäule, verfertigt von Johann Christ. Volckamer, 1702, zwei türkische Kleider, welche Johann Jakob Kiene 1683 anläßlich der Belagerung von Wien nach Nürnberg verkauft hatte und endlich eine Folge von 250 Bildnissen der Päpste von Petrus bis Clemens XI. (f 1721) auf ebensovielen Kupfermünzen in einem Kästchen aus Nußbaumholz. Selbstverständlich duiften auch die damals so beliebten ».Naturalien“ nicht fehlen. Da gab es exotische Tiere, wie einen jungen präparierten Haifisch oder zwei Schalen von einer größeren und kleineren Riesenschildkröte, einen großen versteinerten Stamm von einer Linde, „welche bei Farrnbach stand“, eine Aloe, 26 Schuh lang, die 1726 im Volckamerschen Garten zu Gostenhof blühte und endlich neben verschiedenen Versteinerungen auch den (unwahrscheinlich großen) Blasenstein, der dem Prediger und Bibliothekar Johann Säubert (f 1646) so sehr zu schaffen gemacht hatte (Anm. 10a).

3. Gemäldeverluste in reichsstädtischer Zeit Mit ihren drei Gemäldegalerien, die im ganzen etwa 300 Werke enthielten, hatte die Reichsstadt Nürnberg eine einzigartige Sammlung aufzuweisen. Kein Wunder, wenn sich die neidischen Blicke zahlreicher fürstlicher Sammler des In- und Auslandes nach Nürnberg richteten und immer wieder mit allen Mitteln Versuche unternommen wurden, der Stadt etwas von ihren wertvollsten Kunst­ schätzen zu entreißen. Hier soll zunächst eine Zusammenstellung der wesent­ lichsten Verluste folgen, soweit diese noch in die reichsstädtische Zeit fallen. Infolge der gewissenhaften und sorgsamen Beaufsichtigung der Sammlungen durch den Rat sind Ausfälle durch Schadhaftwerden verhältnismäßig gering­ fügig gewesen. Wir wissen nur von wenigen Werken die im Laufe des 18. Jahr­ hunderts aus den Inventaren verschwanden und beim Übergang Nürnbergs an Bayern (1806) nicht mehr vorhanden waren47). Da wären vor allem zu nennen: ».Eine große Landschaft“ von Wilhelm von Bemmel, eine Darstellung -,Tomyris mit dem Haupte des Cyrus“ (nach Rubens; Probestück von Christian Rupprecht). „Der blinde Tobias“ (Probestück von Daniel Schöner) sowie „Ahasver und Esther“, eine „Landschaft in Wasserfarben, mit Bergwerksarbeitern“ und der ^Evangelist Marcus“, Halbfigur — die drei letztgenannten Gemälde von unbekannten Meistern. Endlich fehlte bereits im 18. Jahrhundert ein Gemälde von Michael Herr: „Darstellung des großen Feuerwerks auf der Deutschherrn­ wiese anläßlich des Friedensschlusses 1650; sie ist uns wenigstens in einem Kupferstich überliefert (Anm. 11). Verluste an Werken Albredit Dürers

Erst im späteren 16. Jahrhundert begannen die Versuche, der Reichsstadt Nürnberg verschiedene ihrer bekanntesten Gemälde zu entwinden. Einer der leidenschaftlichsten Sammler seiner Zeit war Kaiser Rudolf II. (1576—1612). 47) Vergl. Stadtbibliothek Nor. H. 352.

115

Er hatte es besonders auf Werke Dürers abgesehen, und so ist es ohne weiteres erklärlich, daß er sein Augenmerk auf Nürnberg, die Dürer-Stadt, richtete. Der erste derartige Angriff erfolgte 1585; der Kaiser wandte sich an den Rat mit der Bitte, ihm das Allerheiligenbild, das seit 1511 den Altar der Kapelle des von Matthäus Landauer gestifteten Zwölfbrüderhauses schmückte, käuflich zu überlassen. Nun war nach Einführung der Reformation in Nürnberg dieses Zwölfbrüderhaus nicht wie die Klöster aufgelassen worden, sondern bestand nach wie vor unter der Aufsicht des Rates. Dieser trug keine Bedenken, das Altargemälde dem Kaiser abzutreten; er sorgte nicht einmal für die Her­ stellung einer Kopie, sondern ließ den leeren Rahmen einfach stehen. Man willfahrte der Bitte des Kaisers48), der sogleich die Überführung des Bildes nach Prag anordnete und für die erwähnte Wohltätigkeitsstiftung 700 Gulden, einen im 16. Jahrhundert immerhin noch angemessenen Preis, bezahlte. Das Ge­ mälde kam in Prag zunächst in die Kunstkammer des Kaisers, gelangte im 17. Jahrhundert in die geistliche Schatzkammer zu Wien, 1780 in die Samm­ lungen des Belvedere und schließlich in das Hofmuseum 49). Bereits im nächsten Jahre erlitt die Stadt Nürnberg einen weiteren Verlust eines ihrer besten Werke von Albrecht Dürer. Diesmal war die Rathausgalerie selbst betroffen. Der Kaiser begehrte nämlich im Jahre 1586 auch die beiden Gemälde Adam und Eva. Da der Rat auch diese Bitte des Kaisers nicht glaubte äbschlagen zu können, ließ eT die Übergabe mit größter Heimlichkeit vollziehen, vor allem auch als Ersatz eine Kopie — wahrscheinlich von Nikolaus Juvenell — fertigen und an die bisherige Stelle der beiden Gemälde in die Regimentsstube hängen. Nach einem alten Bericht wurden die Gemälde in der Nacht von mehreren Männern weggetragen50). Wir erfahren weiter nichts darüber, aber eine Prager Quelle meldet, daß am 22. Januar 1587 durch den Hofzahlmeister 100 Gulden an einen gewissen .,Mathes Breßlack von Nürnberg“ ausbezahlt wurden, „der zwo gemalte Dürerische Tafeln von dannen ihrer Kaiserl. Maiestät zum Sehen allher geführt' und daß ihm dieser Betrag „von Ihrer Kaiserl. Majestät . . . zur Ergötzung seiner gehabten Mühe und aufge­ wendeten Zehrung bewilligt worden“. Die beiden Tafeln sind also im Januar 1587 aus Nürnberg nach Prag gekommen und auch im ältesten Inventar der dortigen Kunstkammer enthalten. Um 1602 hat sie dort der niederländische Kunstschriftsteller Karel van Mander gesehen und in seinem „Schilder-Boeck“ erwähnt. Auch in den Prager Inventaren von 1621 und 1644 waren sie genannt, wurden aber bereits im Jahre 1648 mit der übrigen großen Kriegsbeute von den Schweden nach dem Norden entführt und kamen im Mai 1649 in Stockholm an. Dort blieben sie jedoch nur wenige Jahre. Königin Christine machte die beiden Gemälde 1654 von Antwerpen aus dem König Philipp IV. von Spanien zum Geschenk, nicht ohne daß man wiederum zuvor Kopien gefertigt hätte, die sich noch heute im Nationalmuseum zu Stockholm befinden. Die Originale aber gelangten nach Madrid. In den 1780er Jahren erwähnt sie der Ritter von Bourgoing51), im Laufe des 19. Jahrhunderts verbrachte man sie in das Pradomuseum, das sie noch jetzt verwahrt. In Nürnberg wurde der Verlust der beiden Werke damals und auch später, bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, überhaupt nicht öffentlich bekannt. Noch ein drittes Hauptwerk Dürdrs wollte Kaiser Rudolf II. für seine Kunstkammer erwerben. Er wandte sich im Jahre 1596 durch Vermittlung seines 48) 48) 50) 51)

116

Heller. — Eye. — Winkler. Winklqr. Glauning S. 215. Glauning S. 218.

Gesandten J. B. von Seebach an den Rat mit dem Ersuchen, ihm u. a. Dürers sogenannten „Paumgartner-Altar" zu überlassen, der In der Katharinenkirche die Ostwand des südlichen Seitenschiffes abschloß. Nach Aufhebung der betreffenden Klöster unterstanden auch deren Kunstdenkmäler der unmittel­ baren Aufsicht des Rates, doch wurde das Eigentumsrecht an Altären und Epi­ taphien den Nachkommen der Familien zugebilligt die sie gestiftet hatten, in diesem Falle der Familie Paumgartner. Sei es nun, daß der Gesandte dem Be­ gehren nicht den nötigen Nachdruck verlieh oder daß der Kaiser eben doch nicht mit ganzer Energie diese Erwerbung betrieb — jedenfalls fand der Rat den Mut, die Bitte des Kaisers diesmal einfach abzuschlagen02). Damit war jedoch für Nürnberg nur Zeit gewonnen; denn bereits im Jahre 1612 fand sich ein weiterer fürstlicher Interessent für den Altar, ein ebenso eifriger Kunstsammler, nämlich Herzog Maximilian I. von Bayern (1597—1651), der am 30. September 1612 einen Brief an den Rat richtete und sich den Paum­ gartner-Altar erbat, ,.um etwas von dieses Meisters Hand zu besitzen“. Gleich­ zeitig ersuchte er auch den ihm bekannten Ratsherrn Wolf Löffelholz (1563 bis 1617) und den aus München stammenden Genannten des Größeren Rates zu Nürnberg, Eustachius Unterhölzer, der mit einer Angehörigen der Nürnberger ehrbaren Familie Ayrer verheiratet war, ihm in dieser Angelegenheit bei den ein­ zelnen Nürnberger Ratsherren Erfolg zu verschaffen53). Nun lagen damals die politischen Verhältnisse so, daß Nürnberg sich nicht mit dem mächtigen Herzog von Bayern, dem Haupte der gesamten katholischen Fürstenpartei, aus solchen Ursachen verfeinden konnte. Man versuchte zunächst den Herzog durch die Be­ hauptung von seinem Vorhaben abzubringen „das Gemälde sei gar schlecht und nicht von Dürers Hand“. Daß Maximilian dies nicht glaubte, dafür sorgten wohl schon seine beiden Beauftragten. Auch die Mitteilung des Rates, daß sich nach dem Verlust dieses Gemäldes überhaupt in keiner Kirche Nürnbergs mehr ein Werk von Dürer befände, machte natürlich auf den Fürsten keinen Ein­ druck. Schweren Herzens entschloß man sich daher endlich, auch diesen Altar auszuliefern und durch eine Kopie in der Katharinenkirche zu ersetzen. Die Familie Paumgartner erklärte als Eigentümerin ihre Zustimmung und so kam das Werk 1613 nach München — zunächst nur das Mittelbild und erst auf die nochmalige dringende Vorstellung des Herzogs auch die beiden Flügel. Der Empfänger zeigte sich den Beteiligten durch kleine Gunstbeweise erkenntlich. Wolf Löffelholz und Eustachius Unterhölzer erhielten je ein vergoldetes Trink­ geschirr, Georg und Nikolaus Hermann Paumgartner je einen „Gnadenpfennig (Medaille), an einem goldenen Kettlein“ und der Rat das „Bildnis des Herzogs in Gold“b*). Dies alles konnte natürlich über den bitteren Verlust nicht hin­ wegtäuschen. In München war der Altar bis 1729 in der Kammergalerie der Residenz, dann wurde er nach Schleißheim überführt, 1781 in die Hofgartengalerie, um 1800 wieder nach Schleißheim und 1836 in die Alte Pinakothek ver­ bracht, zu deren wertvollsten Schätzen er jetzt noch gehört65). Der Paumgartner-Altar war übrigens nicht die erste Dürer-Erwerbung Maxi­ milians von Bayern in Nürnberg gewesen. Schon in der Zeit zwischen 1598 und 1607 hatte er die ..Beweinung Christi“, ein um 1500 im Aufträge des Goldschmiedes Albrecht Glimm entstandenes Gedächtnisbild Dürers erlangt. Es hing ursprünglich an einem Rundpfeiler unmittelbar neben der Kanzel der Dominikanerkirche, wurde aber schon einige Jahrzehnte später von dem ver»2) 53) «*) w)

Baader Hellar. Baader Katalog

I S. 12. — Eye. I S. 12. — Heller. — Eye. Ä. P. S. 68.

117

schwenderischen Sohne des Stifters an den Ratsherrn Hans Ebner für dessen Kunstsammlung verkauft. Nach Ebners Tode (1553) kam^das Gemälde in die Imhoff sehe Kunstkammer, aus der es. wie erwähnt, um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts Maximilian von Bayern für 1000 Gulden erwarb und sofort nach München bringen ließ58). Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gelangte es nach Schleißheim, 1781 in die Hofgartengalerie, um 1800 wieder nach Schleißheim und 1836 in die Alte Pinakothek57). Vierzehn Jahre lang zeigte sich Maximilian von Bayern durch die Schen­ kung des Paumgartner-Altars in seinen Ansprüchen befriedigt. Da Erschien im Juni des Jahres 1627 sein Kammerdiener und Bibliothekar Augustin Haimbl in Nürnberg und brachte zunächst dem Ratsherrn Siegmund Gabriel Holzschuher das Ansuchen seines Herrn vor. es möchten diesem die beiden Apostelbilder Dürers „Paulus und Markus" und „Johannes und Petrus" für die Münchener Sammlung überlassen werden. Man war in den Kreisen des Rates über diese neueste Anmaßung sehr erschrocken und ungehalten; aber die politischen Verhältnisse hatten sich seit 1613 noch weit ungünstiger gestaltet. Seit Jahren tobte der 30jährige Krieg; die evangelischen Stände schienen um diese Zeit bereits niedergeworfen. Maximilian von Bayern, das Haupt der katholischen Liga, hatte den Kurfürstentitel erlangt und war inzwischen Herr der Oberpfalz und damit der östliche Grenznachbar des Nürnberger Gebietes ge­ worden; er konnte die evangelische Stadt damals — es war vier Jahre vor dem Auftreten Gustav Adolfs — auf das schwerste schädigen, und man mußte sich ängstlich hüten, ihm dazu einen willkommenen Anlaß zu bieten. Trotzdem gestatteten die Sieben Herren Älteren zunächst nur, daß der Kurfürst die beiden Gemälde kopieren ließ; er sandte auch anfangs Juli seinen Hofmaler Johann Georg Fischer nach Nürnberg, der in erstaunlich kurzer Zeit, bis gegen Ende August, die Kopien vollendete. Aber der Kurfürst ließ doch von Anfang an keinen Zweifel darüber, daß ihm allein an den Originalen etwas gelegen sei, während er dafür die Kopien dem Rate überlassen wolle. Nach langem ernstem Widerstreben entschlossen sich daher die Sieben Herren Älteren am 23. August 1627, in weitere Verhandlungen wegen der Auslieferung eipzutreten und die Sache dem ganzen Rate vorzulegen, weil „einem ganzen Erbern Rat wohl wißlich, daß diese Stücke vorhanden" und es daher .,den Herren Älteren nicht gebühre, sich ohne desselben gesamtes Vorwissen in etwas zu erklären". Gleich­ zeitig erteilten sie dem Ratskonsulenten Dr. Ölhafen den Auftrag, ein Gut­ achten darüber auszuarbeiten. Dieser stellte darin zunächst fest, daß nach dem Urteil der besten Nürnberger Maler die Kopien Johann Georg Fischers ausge­ zeichnet gelungen wären und ,• nicht weit von dem Originale strichen", daß auch die Originale nicht mehr gut erhalten und insbesondere „am Marcus das ganze Gesicht und am Johannes der Rock" schadhaft wäre; er glaubte ferner, die Jesuiten in München würden die Originale schon wegen der bandartig um die ganzen Bilder laufenden Beischriften, die aus den vier Evangelisten Sprüche vom Widerchrist, von Menschensatzungen und Hoffart" enthielten, keineswegs behalten. Außerdem besäße der Rat ja noch andere Gemälde von Dürer, z. B. das Selbstbildnis und das Bildnis seines Vaters. Die Herren Ältern beschlossen daraufhin am 25. August 1627, dem Gesandten mitzuteilen, daß sie dem Kur­ fürsten die Originale überlassen wollten; es müsse nur noch die Zustimmung des gesamten Rates abgewartet werden. Diese erfolgte bereits am 27. August. Man billigte die Gründe, welche die Herren Ältern zur Abtretung der Bilder 66) Katalog A. P. S. 66. 67) Katalog A. P. S. 66.

118

bewogen, und so wurden denn die beiden Originale samt den Kopien nach München gesandt. Die Hoffnungen der Nürnberger erfüllten sich allerdings nicht. Der Kurfürst ließ sich durch die Bibelsprüche nicht von seinem Vorhaben abbringen, sondern behielt die Originale, ließ aber wie zum Hohn die Sprüche wegschneiden und samt den Rahmen sowie den Fischerschen Kopien nach Nürn­ berg zurückgehen, wo sie bereits am 18. September wieder eintrafen, übrigens ersetzte der Kurfürst dem Rate auch die 100 Gulden, die dieser im Jahre 1526 dem Albrecht Dürer anläßlich der Schenkung der Apostelbilder verehrt hatte. Maximilian zeigte sich außerdem noch dadurch erkenntlich, daß er dem Oberst Blarer, der sieben bayerische Fähnlein dem General Tilly als Nachschub zu­ führte, befahl, das Gebiet der Reichsstadt Nürnberg nirgends zu berühren und ihre Untertanen in keiner Weise zu beschweren58). Die beiden Gemälde kamen in die kurfürstliche Kammergalerie, 1729 wurden sie nach Schleißheim, 1781 in die Münchener Hofgartengalerie und endlich 1836 in die Alte Pinakothek, über­ führt. Im Jahre 1922 trat die Stadt Nürnberg auch die Beischriften und die alten Rahmen als Leihgabe an die Bayerische Staatsgemäldegalerie ab, so daß diese wieder mit den Originalen vereinigt werden konnten50). Wiederum vergingen nur wenige Jahre, bis die Stadt einen weiteren schweren Verlust an Werken ihres größten Sohnes beklagen mußte. Wieder hatte sich die* politische Lage entscheidend verändert. König Gustav Adolf von Schweden war gefallen und dem Siegeszug der Schweden durch die Schlacht bei Nördlingen 1634 Einhalt geboten worden. Der Nürnberger Rat trat dem Sonder­ frieden bei, den mehrere deutsche Reichsstände 1635 mit dem Kaiser schlossen. Andererseits wollte die Stadt aber doch auch mit den evangelischen Ständen enge Fühlung behalten, und hierzu schien sich noch im gleichen Jahre eine gün­ stige Gelegenheit zu bieten. Der englische Gesandte am kaiserlichen Hof, Lord­ marschall Earl of Arundel, war ein eifriger Sammler von Kunstwerken für sich und besonders für seinen König Karl I. von England, den Bruder der ehr­ geizigen Gemahlin Kurfürst Friedrichs V. von der Pfalz, des ehemaligen Haupttes der ,.Union" evangelischer Stände1 und „Winterkönigs" von Böhmen. Durch diese Königin Elisabeth bestanden damals Beziehungen der evangelischen Reichs­ stände zu England — oder wenigstens Hoffnungen. Natürlich erregte Nürnberg schon wegen der dortigen Werke Albrecht Dürers die Aufmerksamkeit des Engländers, und so spannen sich bald Verhandlungen zwischen dem Gesandten und dem Nürnberger Rate an, bei denen es sich um die Auslieferung von Dürers Selbstbildnis aus dem Jahre 1498 und dem Bildnis seines Vaters von 1497 drehte. Diese Verhandlungen wurden mit größter Heimlichkeit durch die Herren Altern geführt. Der Rat in seiner Ge­ samtheit erfuhr wohl überhaupt nichts davon, und als schließlich Arundel die beiden Bildnisse als ,.Geschenke" der Stadt an Karl I. wegführte, verzichtete man sogar auf die Anfertigung von Kopien. Der König dankte dem Rate in einem Schreiben vom 18. März 1636 für das Geschenk60). Wenn aber die Nürn­ berger Regierung an diese Schenkung irgendwelche politische Hoffnungen ge­ knüpft hatte, so wurden diese durch die folgende Entwicklung der Ereignisse gründlich zunichte gemacht. Karl I. ging im Jahre 1645 nach langep Kämpfen seiner Herrschaft verlustig und wurde 1649 enthauptet Sein Nachlaß, zu dem auch die beiden Dürer-Bildnisse gehörten, wurde zwischen 1649 und 1653 ver­ steigert. Das Bildnis von Dürers Vater kam in englischen Privatbesitz. Im 19. Jahrhundert besaß es der Herzog von Northampton, 1904 ging es aus der 68) Baader I S. 12 ff., 94 ff.; *•) HR. V d 4 Nr. 201. •°) Baader T S. 14.

II S. 72 ff.

119

Hand einer Lady Asherton durch Kauf an die Nationalgalerie in London über, wo es sich noch heute befindet61). Das Selbstbildnis Dürers von 1488 hatte da­ gegen auf der Versteigerung des Nachlasses Karls I. der König von Spanien* Philipp IV., für seine Sammlung erworben und sogleich nach Spanien über­ führen lassen62). Es blieb lange Zeit im königlichen Schloß zu Madrid und wurde erst 1827 der Gemäldegalerie im Prado einverleibt, der es bis zum heutigen Tage angehört. So zeigt sich mit großer Deutlichkeit, daß die Verluste an Nürnberger Kunstbesitz die völlige Machtlosigkeit kleinerer, angeblich unabhängiger Staatswesen gegenüber ihren stärkeren Nachbarn und ausländischen Staaten als Ursache hatten. Im Grunde spiegelt sich auch in dieser für Nürnberg so schmerzlichen Entwicklung die damalige Zersplitterung und Ohnmacht des Deutschen Reiches. Seit 1636 besaß der Nürnberger Rat nur noch drei Gemälde seineT einstigen Sammlung von Werken Dürers: die beiden Kaiserbildnisse von 1510/12, die eigentlich zu den Reichskleinodien gehörten, und das bekannte Selbst­ bildnis aus dem Jahre 150 0. Dennoch wollte es ein widriges Schicksal* daß auch dies der Stadt Nürnberg verloren ging, allerdings nicht aus politischen Gründen, sondern durch Betrug und Diebstahl. In einem der letzten Jahre des 18. Jahrhunderts erhielt der Nürnberger Maler Abraham Wolfgang Küfner (1760 bis 1817) das Gemälde, das mehr als zweieinhalb Jahrhunderte im Rathaus hing, auf seine Bitte für kurze Zeit ausgeliefert, um eine Kopie davon anfertigen zu können. Er sägte nun von dem Gemälde die Rückseite sorgfältig ab und malte auf die so gewonnene Tafel seine Kopie. Bei der Rückgabe in das Rat­ haus konnte er diese im Originalrahmen leicht unterschieben, da das alte echte Siegel auf der Rückseite nicht sofort Zweifel an der Echtheit des Bildes aufkommen ließ. An wen er das abgesägte Original zunächst verkaufte* ist nicht bekannt; es tauchte 1805 im Besitz des Nürnberger Stadtgerichtsassessors Georg Gustav Wilhelm Petz auf. Dieser veräußerte das Gemälde noch im gleichen Jahre um 600 Gulden an die bayerische Staatsgemäldesammlung zu München, deren Direktor Christian von Männlich es| als Original erkannte6S). Es wurde in die Hofgartengalerie verbracht und 1836 der Alten Pinakothek einverleibt. Gemäldeverluste an die Franzosen im Jahre 1801

Noch eine letzte, besonders schwere Einbuße traf die Rathausgalerie gegen Ende der reichsstädtischen Zeit. Sie hatte diesmal ihre Ursache in den außen­ politischen Verhältnissen. Im Laufe des 3. Koalitionskrieges gegen Frankreich war im November des Jahres 1800 eine französische Armee nach Franken ein­ gefallen. Am 10. Dezember erreichte die Vorhut Nürnberg und hielt nach ver­ schiedenen Gefechten mit den Österreichern auch während der ganzen Dauer des am 25. Dezember zu Steyr abgeschlossenen Waffenstillstandes (bis 1. April 1801) die Reichsstadt besetzt. Im Laufe dieser Besatzungszeit erschien am 30 Januar 1801 ein französischer Kommissar namens Frangois Marie Neveu in Nürnberg, der den Auftrag hatte, *,hier Gemälde und Wiegendrucke zu sam­ meln, die dem Museum und der Nationalbibliothek in Paris fehlten. Nürnberg solle dem Beispiel vieler Staaten Italiens und Deutschlands folgen, die um die Wette dazu beigetragen hätten, die Sammlungen Frankreichs zu bereichern“. «l) Winkler S. 387 f. «2) Kehrer S. 35. «3) Glauning S. 213.

120

*

Man werde dafür »,die Stadt gegen spätere Anforderungen Sickerstellen"*4). Neveu hatte sich anläßlich seines früheren Aufenthaltes in Nürnberg die nötige Kenntnis erworben und brachte auch gleich eine fertige Liste mit; sie erhielt neben 50 Büchern der Stadtbibliothek vor allem 15 der besten Gemälde: Albrecht Dürers Apostelbilder, Adam und Eva, das Selbstbildnis von 1500 (daß es be­ trügerischerweise durch eine Kopie ersetzt war, wußte ja niemand!), ferner das Bildnis Wenzel Jamnitzers von Georg Pencz. das Bildnis Johann Neudörfers und seines Sohnes von Nikolaus Neufchatel, den „Ecce homo" von Jan Mabuse, .,St. Hieronymus" von Jan Liss, „St. Lukas malt Maria mit dem Kinde" von Martin von Heemskerck, „Moses’ wird in das Wasser gelegt" von Karl Loth. das „Opfer Abrahams" von Heinrich Popp und schließlich fünf Bildnisse von Johann Kupetzky. Der Rat lehnte zunächst, am 31. Januar 1801, jedes Ein­ gehen auf die Forderungen Neveus mit der Begründung ab, «.daß die wenigen Gemälde und Bücher, die sich noch in den städtischen öffentlichen Sammlungen befänden, bereits in den Besitz der Staatsgläubiger übergegangen wären, so daß nicht mehr über sie verfügt werden könne. Nürnberg sei daher nicht in der Lage, dem Beispiel der von Neveu angeführten Länder zu folgen“. Nur für den äußersten Notfall sah man bereits die Schenkung eines wertvollen Ge­ mälde^ vor. Es entspannen sich nun wochenlange, schwierige Verhandlungen mit Neveu, die auf nürnbergischer Seite durch den Bürgermeister Jobst Wil­ helm Carl von Tücher und den Marktadjunkten Kießling geführt wurden. Der Franzose^ arbeitete mit mehr oder weniger versteckten Drohungen. Ein fran­ zösischer Divisionsgeneral residierte ja während dieser ganzen Zeit in Nürnberg, und der Feind hatte außerdem fast ganz Franken besetzt. Dennoch sah der Kommissar sehr bald ein, daß er gegen den von Anfang an sehr erbitter­ ten und mannhaften Widerstand des Nürnberger Rates nur wenig ausrichten könne und zog es vor, seine Forderungen erheblich einzuschränken; er ver­ langte schließlich nur noch zwei Werke von Dürer, ferner zwei Gemälde von Kupetzky und drei von Pencz, Neufchatel und Heemskerck, dafür aber jetzt auch das Altargemälde von St. Egidien aus der Werkstatt des Van Dyck. Der Rat zeigte sich immer gleich hartnäckig und suchte die Verhandlungen bis zu einer möglichen Änderung der militärischen Lage zu verschleppen. Wenn Neveu mit dem Eingreifen der französischen Militärstellen drohte (er hatte natür­ lich die Verbindung mit diesen auf genommen), so drohte der Rat, der ja eigent­ lich in diesem Koalitionskriege neutral war, mit Beschwerden bei der Regierung in Paris. Obwohl im Laufe des Februar der ersehnte Abzug der französischen Truppen nicht erfolgte, war schließlich Neveu, dank der klugen und gewandten Tätigkeit des Nürnberger Rates, der unbedingten Unterstützung der französischen Militärstellen doch nicht mehr ganz sicher und sah sich mehr und mehr zum Einlenken veranlaßt. So kam schließlich am 8. März 1801 ein Vertrag zwischen ihm und Neveu zustande, wonach die Stadt Nürnberg an die französische Re­ publik fünf Gemälde und zvfrölf Bücher abtrat. Es war Dürers Selbstbildnis von 1500 (also die Kopie von Küfner!). Adam und Eva (Kopie aus dem späten 16. Jahrhundert), das Bildnis Wenzel Jamnitzers von Georg Pencz, „St. Lukas malt Maria mit dem Kinde*' von Martin von Heemskerck und das Bildnis eines Kaufmanns von Johann Kupetzky. Diese Gemälde wurden sogleich verpackt und nach Paris versandt*6) So schmerzlich dieser Verlust der Kunstwerke für die Stadt auch sein mußte, so verfehlt wäre es dennoch, dem Rate aus seinem Verhalten irgendeinen *4) Glauning S. 177 f. 65) Glauning S. 192 f.

121

Vorwurf madien zu wollen. Im Gegenteil! Man muß sich vor allem die poli­ tischen Verhältnisse vergegenwärtigen: Von keiner Seite hatte der Rat irgend­ welche Hilfe zu erwarten — Nürnberg war ganz und gar auf sich selbst ange­ wiesen. Zudem stand ja der Feind mitten in der Stadt und alle Verhandlungen spielten sich unter den französischen Bajonetten ab! Daß überhaupt an einen Widerstand und an eine zähe Weigerung gegenüber den Forderungen Neveus gedacht wurde und der Franzose statt der geforderten 15 Gemälde nur 5, statt der 50 Bücher nur 12 erhielt, stellt dem Rate ein ehrendes Zeugnis aus. Der französische Unterhändler hatte, wie er selbst zugab, in Nürnberg seinen Meister gefunden. Das zeigt vor allem auch ein Blick *auf das Verhalten der damaligen bayerischen Regierung, an die sich Neveu noch im gleichen Jahre mit Gemälde­ forderungen wandte. Hier hatte man sozusagen völlig den Kopf verloren. Was der Unterhändler in der Reichsstadt Nürnberg nicht erreicht hatte, das gelang ihm fast mühelos in der Residenz des so viel größeren bayerischen Staates. 72 wertvolle Gemälde führte er aus München und Schleißheim mit nach Frankreich! ®8). Wir müssen hier das Schicksal der aus Nürnberg entführten Bilder wenig­ stens noch bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit verfolgen. Sie wurden nach ihrer Ankunft in Paris, am 28. Mai 1801, zunächst in das Louvre-Museum ver­ bracht. Dort hatte man jedoch nicht die Absicht, die damals so zahlreichen Neu­ ei Werbungen aus Deutschland zu behalten und in die Bestände einzugliedern* sondern man teilte sie meist durch eine Art Verlosung den französischen Pro­ vinzialmuseen zu07). Von den Nürnberger Gemälden gelangte (1803 bzw. 1804) das Bildnis Jamnitzers von Georg Pencz in das Museum zu Genf (damals fran­ zösisch!), das Gemälde „St. Lukas malt Maria mit dem Kinde" von Martin von Heemskerck kam in das Museum zu Rennes, die Kopie von Dürers Adam und Eva in das Museum zu Mainz (damals ebenso wie das ganze linke Fheinufer französisch!). Nur das Selbstbildnis Dürers von 1500 (Kopie!) blieb im Louvremuseum, ebenso zunächst auch das Bildnis von Kupetzky; doch wurde letzteres in der Folgezeit dem Museum der Stadt Braunschweig überwiesen, die ja seit 1807 zum Königreich Westfalen gehörte, in dem Napoleons Bruder Jerome regierte. Von dieser Verteilung wurde in Nürnberg nichts bekannt.

4. Privatsammlungen in der Reichsstadt Nürnberg Zu den Äußerungen der Renaissance-Persönlichkeit gehörte eine von Grund auf neue Einstellung zur Welt des Schönen, zu den kulturellen Gütern* zu Wissenschaft und Kunst. Diese Bewertung, die sich u. a. auch in der Schaffung von Kunstsammlungen ausdrückt, nahm von den 4 Fürstenhöfen ihren Ausgang. Daß aber schon im 16. Jahrhundert auch Angehörige des Bürgerstandes in Deutschland von der Sehnsucht, Kunstwerke zu besitzen, und der Leidenschaft des Sammelns ergriffen waren und es zu sehr beachtlichen Leistungen brachten, zeigt wohl am besten das Beispiel der Reichsstadt Nürnberg, in der seit Be­ ginn des Renaissancezeitalters mehrere private Kunstsammlungen entstanden. Auch hier liegen die Anfänge in der Zeit Albrecht Dürers. Der beginnende Humanismus warf sich jedoch in Nürnberg ebenso wie in anderen Städten zu^ nächst auf das Sammeln von Büchern, aus denen die neue humanistische Bil®«) Glauning S. 201. — Huber S. 345. •?) Huber S. 345.

122

düng geschöpft werden konnte. Als erste Sammlung dieser Art brachte der gelehrte Nürnberger Arzt Hartmann Schedel eine für jene Zeit sehr ansehnliche Bibliothek zusammen, die später größtenteils an das Egidienkloster und danach in die Stadtbibliothek sowie in die Bibliothek bei St. Sebald gekommen ist. Eine weitere größere Büdiersammlung, wohl die größte Nürnberger Familien­ bibliothek, besaß Dürers Freund Willibald Pirkheimer. Aber dieser beschränkte sidi schon nicht mehr auf Bücher allein; er sammelte auch Kunstgegenstände. Das Inventar seines Nachlasses, das sich im Frhrl. von Imhoffschen Familien­ archiv erhalten hat, enthält untör anderem viele Hunderte von Münzen und Medaillen, gegen 70 Silbergeräte und einige leider nicht mehr feststellbare Gemälde: ein „Marienbild mit einem Leuchter davor“, „eine gemalte Tafel mit dem Bilde des Herkules“, „eine Tafel mit einem gemalten Schiff" und zwei kleine „gemalte Täfelchen“68). Die lmhoiische Kunstkammer Da Willibald Pirkheimer keine männlichen Nachkommen hatte, gingen seine Kunstschätze auf seine beiden Töchter über. Der größere Teil kam an Felizitas, die mit Hans Imhoff (f 1526) verheiratet war, und nach dessen Tode dn beider Sohn Willibald Imhoff. Der kleinere kam an Pirkheimers jüngere Tochter Bar­ bara und deren Gemahl Hans Straub, gelangte aber dann sehr bald auf dem Erbwege an den Nachkommen der älteren Tochter, so daß also Willibald Imhoff den gesamten Kunstbesitz seines Großvaters wieder vereinigte. Dieser Enkel war nun selbst ein überaus verständiger und eifriger Sammler. Er hat gegen 1545 das bekannte Imhoffsche Kunstkabinett angelegt, das an Wert und Umfang zu dieser Zeit nicht leicht seinesgleichen fand. Er vermehrte nicht nur die Anti­ quitäten und Medaillen ganz bedeutend, sondern es gelang ihm z. B. auch, von der Witwe Endres Dürers (eines jüngeren Bruders Albrecht Dürers) zahl­ reiche Werke aus dem Nachlaß des großen Nürnberger Meisters zu erwerben, so daß er schließlich neben mehreren Gemälden Dürers (wie einem Madonnen­ bild, einem „Salvator Mundi", der Kreuzabnahme, dem Bildnis Hans Kleebergers und den Bildnissen der Eltern Dürers) auch viele Handzeichnungen (das Ver­ zeichnis von 158Q führt im ganzen 130 Arbeiten auf!) und darüber hinaus fast das ganze Kupferstich- und Holzschnittwerk des Meisters besaß69). Willibald Imhoff hatte bei seinem Tode 1580 bestimmt, daß seine Sammlung „dem Ge­ schlecht der Imhoff zu Ehren ewig bei ihrem Hause bleiben und von dannen nimmermehr sollte verwendet werden“. Aber schon seine Witwe und seine vier Söhne setzten sich über diese Bestimmung hinweg und knüpften 1588 mit Kaiser Rudolf II., dem größten Sammler seiner Zeit, Verhandlungen an, in deren Verlauf sämtlidie Gegenstände nach Prag gesandt wurden; sie gelangten allerdings, da der Kauf aus unbekannten Gründen nicht zum Abschluß kam, wieder nach Nürnberg zurück und wurden nun in den folgenden Jahrzehnten einzeln veräußert. Einen Teil erwarb um 1626 der schon erwähnte Lord Arundel; von diesem ging allerdings gar manches Werk in den Stürmen der bald darauf ausbrechenden englischen Revolution verloren. Der Hauptteil der Sammlung wurde noch während des 30jährigen Krieges nach Wien verkauft70); die meisten der im Inventar erwähnten Arbeiten Dürers befinden sich jetzt in der Albertina. Nur weniges aus der Sammlung, insbesondere Bücher, verblieb der Familie •8) Hampe S. 64. ••) Heller. — Hampe S. 79. 7o) Heller. — Hampe S. 80 i.

123

Imhoff und w?r im Hause Egidienplatz 25/27 in der sogenannten Kapelle ein­ gemauert, bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein neuer Besitzer des An­ wesens, Ratsherr Christoph Joachim Haller von Hallerstein, diesen Schatz an­ läßlich einer baulichen Änderung entdeckte. Es befanden sich darunter neben zahlreichen Büchern aus dem Nachlaß Willibald Pirkheimers auch mehrere eigen­ händige Briefe Albrecht Dürers an den Humanisten71). übrigens hatte noch um 1650 ein anderes Mitglied der Familie Imhoff, Hans der Ältere, vierzehn Aquarelle und Handzeichnungen Albrecht Dürers in seinem Besitz72). Das Praunsche Museum

Als der nach Willibald Imhoff bedeutendste Sammler im alten Nürnberg muß Paul Praun bezeichnet werden. Er war ein Menschenalter jünger als Imhoff, und seine Sammlung vertrat daher gleichsam einen etwas späteren Typus. Im Gegensatz zum Imhoffschen Kunstkabinett gliederte sich das Praunsche Museum bereits in mehrere, von Anfang an getrennte systematische Fachsammlungen und bestand auch entsprechend dem Zeitgeschmack zum großen Teil aus Werken italienischer Meister. Paul Praun, geboren 1548 zu Nürnberg, hatte angeblich schon im 15. Lebensjahre den Entschluß zum Anlegen einer großen Sammlung gefaßt und hielt sich nach Beendigung seiner Studien viele Jahre in Italien auf, wo er die Bekanntschaft von Künstlern, u. a. von Guido Reni, machte, die ihn beim Sammeln berieten. Auch in Deutschland hatte Praun kundige Rat­ geber75): Jakob Sprüngli in Zürich, die Nürnberger Maler Jost Amman und Lukas von Falkenburg sowie die Goldschmiede Christoph und Wenzel Jamnitzer. Von letzterem, der selbst eine umfangreiche Sammlung besaß, - kaufte Praun zahlreiche Werke Dürers, insbesondere Holzschnitte und Kupferstiche, die aus dem Besitz von Dürers Bruder Endres stammten. Paul Praun sandte einen großen Teil seiner Kunstschätze erst 1616 aus Bologna nach Nürnberg und starb, als er sich eben anschickter, selbst in seine Vaterstadt zurück­ zukehren. Die Sammlung enthielt 250 Gemälde, darunter überaus wertvolle. Der Murrsche Katalog74) schreibt zwei Gemälde dem Michelangelo zu, eines Leonardo da Vinci, zwei Raffael, eines Mantegna, fcwei Tizian und zehn Albrecht Dürer (darunter die Bildnisse seines Bruders und seines Lehrmeisters Michael Wolgemut). Die Handzeichnungen der Sammlung füllten 13 Bände. Dabei waren Blätter der bedeutendsten Meister, wie Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo, Tizian, Tintoretto und Veronese? unter den Deutschen nahm natürlich wieder Albrecht Dürer einen breiten Raum ein. Außerdem waren 25 Mappen mit Kupferstichen und Holzschnitten von fast allen bekannten Meistern des 15. und 16. Jahrhunderts gefüllt, im ganzen ungefähr 4000 bis 5000 Blätter. Dazu kamen eine Sammlung von großenteils antiken und italieni­ schen Bildwerken, ferner 1163 Gemmen, „darunter 111 teils in goldene Ringe, teils in Armbänder aus Gold gefaßt", zahlreiche antike Münzen und schließlich eine Sammlung von Büchern und „Naturalien“. Auch Paul Praun hatte seine Sammlung zum ewigen Fideikommiß seiner Familie testamentarisch bestimmt und damit deren Unveräußerlichkeit festgelegt. Zwei Jahrhunderte lang wurde der Wille des Stifters auch befolgt. Doch gegen 71) 7*J ?3) 74)

124

Murr (Beschreibung) S. 470. — Heller. — Eye. Heller. Hampe S. 83. Keyßler. — Murrscher Katalog (Stadtbibi. Nbg., Amb. 521, 8 °). — Hampe S. 84 f.

Ende des 18. Jahrhunderts mußte sich die Familie entschließen, wegen der „unglücklichen Lage des nürnbergischen Staatswesens, der Stockung, ja des fast gänzlichen Stillstandes der öffentlichen Zahlungen und der daraus entstehenden Verlegenheiten und Besorgnisse" die Sammlung ganz oder teilweise zu ver­ äußern 7Ö). Der bekannte Waagamtmann und Nürnberger Kunstschriftsteller Christoph Gottlieb von Murr erhielt den Auftrag, einen Gesamtkatalog zu fer­ tigen, der 1796 vollendet und gedruckt wurde. 1797 begannen Verhandlungen zwischen der Familie und dem Kaufmann Büttner sowie dem Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz, denen noch der Sammler Hans Albert von Derschau als „stillschweigender Mitkäufer" beitrat. Erst am 20. April 1801 gelangte man zum Abschluß; die Sammlung ging um 37 700 Gulden an die drei Käufer über und wurde sofort zerstreut70). Die Zeichnungen und Kupferstiche ließ Frauen­ holz bereits 1802 öffentlich versteigern; in das übrige teilten sich hauptsächlich er und von Derschau. Beide waren noch 1806, beim Übergang der Reichsstadt Nürnberg an Bayern, im Besitz dieser Schätze. Eine der größten Nürnberger Sammlungen hatte damit aufgehört zu bestehen77). Die Ayrersche Sammlung Noch eine dritte umfangreiche Kunstsammlung entstand bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Ihr Gründer war der 1520 zu Nürnberg geborene Melchior Ayrer, der 1542 zu Wittenberg von Philipp Melanchthon zum Magister kreiert war, nachher zu Leipzig und Bologna Medizin studierte und sich als Arzt in Nürnberg niederließ. 1549 wurde er vom Rat zum Spitalarzt ernannt. Er beschäftigte sich auch viel mit numismatischen und chemischen Arbeiten; vor allem aber legte er die erwähnt© Kunstsammlung an, die außer Gemälden und Büchern insbesondere Handzeichnungen und Kupferstiche enthielt. Leider er­ fahren wir nichts Genaues über ihre Zusammensetzung. Sie ging nach dem Tode Melchior Ayrers (1570) an dessen Sohn Julius über, der besonders die Ab­ teilung der Holzschnitte und Kupferstiche vermehrte, die schließlich 20 000 Blätter umfaßte78). Der nächste Erbe war Johann Egidius Ayrer (f um 1626). Er ordnete die graphische Sammlung chronologisch und wollte sie durch testa­ mentarische Bestimmung bei der Familie erhalten. Da aber diese noch im 16. Jahrhundert ausstarb, wurde auch die Sammlung von den Erben aufgelöst und in alle Winde zerstreut. Außer diesen bedeutendsten Privatsammlungen hat es in der Reichsstadt Nürnberg noch zahlreiche kleinere gegeben. Ja, man kann sagen, daß schließlich jede Patrizierfamilie in mehr oder weniger ausgedehntem Maße Kunstgegenstände sammelte. Da häuften sich im Laufe des 16. bis 18. Jahrhunderts in den Patrizier­ häusern die Bildnisse der Familienmitglieder und Gemälde mit Darstellungen von Schlössern und Dörfern, die sich im Besitz der betreffenden Familien be­ fanden. Besonders geschätzt wurden, der Sitte der Zeit entsprechend, die Goldund Silbergeräte vom einfachen Tafelsilber bis zum kostbarsten Schmuckstück. Außerdem hatte wohl jede Familie noch etwas ganz besonders Wertvolles aufzuweisen; die Holzschuher z. B. das bekannte Bildnis Hieronymus Holzschuhers von Albrecht Dürer oder den Holzschuherpokal von Peter Flötner, 75) 7e) 7?) 7ß)

Murr (Beschreibung) S. 452—61. — Hampe S. 86 f. Hampe S. 87. Will, Nörnbergisches Gelehrtenlexikon. Heller. — Hampe S. 87.

125

die Schlüsselfelder einen prächtigen Tafelaufsatz in Form eines Schiffes, die Tücher das eigenartige Tucherbuch, die Pfinzing die sogenannte Pfinzingbibel. Das alles aber — und wäre es noch so wertvoll gewesen — diente im Grunde nicht einem Selbstzweck, sondern dem täglichen Gebrauch, der Ausstattung der Wohnräume und der Repräsentation der Familie. Gerade in diese Gruppe ge­ hören die meisten Hauptwerke der Epoche, die noch heute in den Museen die Bewunderung der Besucher erregen. *

*

Seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts ist ein tiefgreifender Wandel im Kunstsammeln festzustellen. Das Kunstinteresse wich mehr und mehr einer Raritätensucht und Liebhaberei für Kuriositäten; dazu kam ein wachsendes In­ teresse für sogenannte Naturalien, d. h. allerlei seltsame Naturgebilde und Tiere, besonders solche ferner Länder. Vollzog sich diese Änderung auch lang­ sam und mit Übergängen, so war dennoch fortan kaum mehr eine Sammlung ohne Naturalien und Kuriositäten denkbar. Andererseits ist für diese Zeit eine besondere Hochschätzung des Kupferstiches bezeichnend: es entstanden nun auch ausgesprochene Kupferstichsammlungen. Die oben erwähnte Ayrersche kann (wenigstens in ihrem späteren Ausbau) bereits hierfür als Beispiel ge­ nannt werden. Vor allem aber legte Paul III. Behaim (1592—1637) eine solche an, die so ziemlich alles enthielt, was auf dem Gebiete der Druckgraphik damals aufzutreiben war und von der sich ein handschriftlicher Katalog in der Berliner Graphischen Sammlung erhalten hat79). Wohl ebenfalls bereits im 17. Jahrhundert wurde die Holzschuhersche Kupferstichsamm­ lung angelegt, die, in mehrere Bände zusammengefaßt, überaus zahlreiche, zeitlich geordnete Darstellungen aus der Mythologie und Geschichte (von 1526 bis 1760) enthielt. Die Bände gelangten im Jahre 1801 als Vermächtnis in die Stadtbibliothek80) Die Seherische Kunstkammer

Als eine gemischte Sammlung ganz im Sinne des 17. Jahrhunderts muß die „Kunstkammer” bezeichnet werden, die der Nürnberger Kaufherr Philipp Scherl besaß und von der wir erst anläßlich des finanziellen Zusammenbruches der Familie erfahren81). Das Inventar aus dem Jahre 1637 führt 24 Bücher an, darunter 9 mit insgesamt 1500 bis 1600 Kupferstichen, sowie über 80 Gemälde und graphische Einzelblätter (Anm. 12). Die Sammlung hatte sich bis 1637 im Seherischen Hause gegenüber der Barfüßerkirche befunden und wurde damals in das Haus des Mathes Praun am Roßmarkt verbracht. Bis 1645 war bereits ein wesentlicher Teil ihres Bestandes veräußert; der Rest ging an Philipp Scherls Töchter über, die ihn nach und nach ebenfalls verkauften. Die Viatis'sche und die Pellersche Sammlung

Eine eigenartige Erscheinung im Sammlungswesen dieser Zeit bildeten das Viatissche und das Pellersche „Kunstkabinett'‘, beide wohl zu Beginn des 17. Jahr­ hunderts entstanden. Die Pellersche Sammlung verdankt ihre Gründung wohl ?») 80) 81)

126

Hampe S. 88. Ranner S* 12. Gümbel S. 323.

allein dem Bestreben Martin Peilers, seinem neuen Hause am Egidienplatz eine entsprechend prächtige und wertvolle Ausstattung zu verleihen. Die Samm­ lung enthielt im wesentlichen Bücher und Gemälde, wenn man von dem kostbaien, in Mailand entstandenen Kronleuchter aus Bergkristall absieht, der in der sogenannten Kapelle des Hauses hing. Wir sind über die Sammlung nur sehr unzulänglich unterrichtet, weil erst aus dem 18. Jahrhundert ein Inventar darüber auf uns kam, aus einer Zeit also, in der ihr Bestand hauptsächlich durch eine Erbteilung von 1669/70 — bereits sehr vermindert war. Die Ge­ mälde hingen in den beiden vorderen Zimmern des 2. Stockwerkes sowie im „weißen Saar und in der „Kammer daran*'. Im 18. Jahrhundert werden hier im ganzen 34 Werke genannt, darunter vor allem Albrecht Dürers „Grablegung Christi", die Martin Peiler von der Familie Holzschuher aus der Sebalduskirche erworben hatte. Den Hauptbestand machten 12 Gemälde von dem jüngeren Jakob Palma aus (f 1626): „Bad der Diana, Triumphwagen der Luna, Ein Satyr bei einer Nymphe, Lukretia, Venus, Englischer Gruß", dazu von demselben Meister ein Bildnis des Barthel Viatis, Das Parisurteil, Judith und Holofernes, Venus und Adonis und „Der blinde Tobias". Als ein Werk von Paolo Veronese galt das Bildnis der Katharina von Medici, dem Tintoretto wurde die Grab­ legung Christi und ein „Ecce Homo** zugeschrieben, dem Leonardo da Ponte da Bassano (f 1626): Die Arche Noah, Der reiche Mann, die Austreibung aus dem Tempel, Die Sintflut und das Bildnis des Martin Peiler82). Die Sammlung wurde erst im 19. Jahrhundert aus dem Pellerhaus entfernt und befindet sich großenteils noch heute in auswärtigem Privatbesitz. Die von Johann Andreas Viatis im 17. Jahrhundert zusammengebrachte Sammlung gliederte sich in zwei Teile: eine Armaturenkammer und ein Kunst­ kabinett. Die Armaturenkammer, also eine Waffensammlung, war besonders reich an geätzten und damaszierten Degen und kunstvollen Gefäßen (Anm. 13). Das zugehörige Kunstkabinett war ebenfalls ein Produkt der Geistesrichtung des 17. Jahrhunderts. Es enthielt demgemäß nur wenige Gemälde „von aller­ hand guten Meistern", einige Schnitzwerke und Erzeugnisse der Keramik, dann vor allem Bücher, Münzen und Medaillen, 270 größtenteils antike geschnittene Steine, endlich einige hundert Stücke »,rarer, auserlesener großer und kleiner Muscheln" und einen „ziemlichen Vorrat an allerhand kuriosen Gewächsen, Steinen und Mineralien". Diese Sammlung wurde seit Anfang des 18. Jahr­ hunderts nach und nach aufgelöst und ging zum größten Teil in den Besitz eines Herrn Geyßel über83). Von ähnlicher Zusammensetzung mag die Karl Welsersche Sammlung gewesen sein, von der jedoch keine genaue Nachricht auf uns gekommen ist. Ein Teil der jetzt im Germanischen Museum deponierten Merkelschen Bücher und Archivalien weist sich durch eingeklebte Exlibris als ehemals zur Welserschen Sammlung gehörig aus, die nach ihrer Auflösung im Jahre 1792 durch den Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz erworben und 1793 öffentlich ver­ steigert wurde84). Die Sandrartsche Sammlung

Als Mischung von Kunst- und Raritätenkammer muß auch die Sandrartsche Sammlung angeführt werden, welche von der Witwe Joachim von Sandrarts 82) Murr (Beschreibung) S. 461—465. — Hampe S. 94. 83) Keyßler. — Hampe S. 94—97. M) Hampe S. 97. Vergl. Versteigerungskatalog.

127

(f 1688) größtenteils erst nach dessen Tode „zu ihrem Zeitvertreib'* angelegt wurde. Sie enthielt zahlreiche Gemälde und Zeichnungen des Meisters. Daneben herrschten jedoch die Kuriositäten vor, seien es Arbeiten in Elfenbein, wie z. B. „550 elfenbeinerne Becherlein in einem einzigen Pfefferkorn”, „ein Kegelspiel mit seinen Kugeln in einem Hanfkörn”, „ein Paar vollkommen große Frauen­ zimmer-Handschuhe in einer Walnuß” und „Landschaften aus Elfenbein*4 oder seien es Fayencen, auf denen „Farben von Seide aufgetragen waren, daß das Auge sie für Gemälde ansah”. Da waren ausländische Trachten, kuriose Holz-, Wachs- und Glasarbeiten, viele geschnittene Steine, Sammlungen von Münzen, Medaillen, Muscheln, Seegewächsen, Insekten, Vogelnestern, Zähnen, Messern, Schuhen, „Mücken-, Flöh- und Mäusefallen”, fremdartigen kleinen Tieren, end­ lich Mineralien und Reliquien85). Als größte „Sehenswürdigkeit” des Kabi­ netts wird von einem Reisenden des 18. Jahrhunderts die Besitzerin, Frau von Sandrart, selbst bezeichnet, die ihren Gemahl um mehr als vier Jahrzehnte überlebte und noch im Alter von 80 Jahren jeden Besucher selbst führte88). Joachim von Sandrart hatte 16*79 auch einen Band mit 236 Handzeichnungen Albrecht Dürers sowie einen weiteren mit 70 Handzeidmungen von Hans Hol­ bein d. Ä. und d. J. besessen, ferner drei einzelne Handzeichnungen Albrecht Dürers und fast dessen gesamtes Holzschnitt- und Kupferstichwerk87). Das Sandrartsdie Kabinett wurde übrigens sehr bald nach dem Tode der Witwe (um 1730) aufgelöst. Wir wissen leider nichts über das spätere Schicksal der einzelnen Gegenstände. Die Volckamersche Kunstkammer Ebenfalls noch ganz die Art des 17. Jahrhunderts zeigte die Volckamersche Kunstkammer, die erst gegen 1700 (durch Friedrich Volckamer (1651—1712) gegründet und durch Johann Magnus Volckamer (f 1752) sehr vermehrt worden war88). Sie befand sich im „Lusthaus” des bekannten Volckamerschen Gartens vor der Stadt und enthielt außer Gemälden — darunter drei Bildnissen aus der Werkstatt Lukas Cranachs — vor allem drei kleine Erzbildwerke (einen kleinen Hund und einen „Kardinalkopf” von Peter Vischer, e^inen „Ritter zu Pferd” von Georg Labenwolf), sodann Arbeiten aus Elfenbein wie „einen Genius mit Füll­ horn” von Leonhard Kern, einen mit Silber beschlagenen Elfenbeinkrug, „ein Paternoster, so klein, daß man es an eine Nadel anhängen kann” und mehrere dem Lorenz und Peter Zick zugeschriebene Werke. Dazu kamen Wachsbossierungen, geschnittene Steine, „alte Dolche", zahlreiche Zeichnungen, Bücher, ein großer Brennspiegel von }H Schuh Durchmesser (nach Murr gab es damals höchstens 6 solche auf der ganzen Welt!) und eine reiche Naturaliensammlung von „Erzstufen”, Versteinerungen, Schnecken und Muscheln, Insekten und Spinnen, einem Sägefisch, allerlei Vögeln usw. Die Volckamersche Sammlung ging Ende des 18. Jahrhunderts auf die Nürnberger Familie von Förster über. Zu den kleineren Nürnberger Sammlungen des 17. Jahrhunderts gehörte noch die des Patriziers Johann Christoph Harsdörffer. Sie sei nur deshalb er­ wähnt, weil sie u. a. Dürers Handzeichnungen vom Reichsornat enthielt, die sich 8*) Key61er. — Hampe S. 98 f. W) Keyßler. i «n Keyßler. — Heller. Murr (Beschreibung) S. 465. — Hampe S. 9?

128

vorher in der Imhoffsdien befunden hatten und später in die Albertina ge­ langten89). #

*

*

Im Laufe des 18. Jahrhunderts änderten sich wiederum die Kunstkammern in ihrer Zusammensetzung. Die allzu merkwürdigen Raritäten und Kuriositäten verschwanden nach und nach aus ihnen. Die Naturalienkabinette nahmen einen mehr systematisch-wissenschaftlichen Charakter an. Münzen und Medaillen, vor allem aber Gemälde Graphiken und Bücher, bildeten jetzt die beliebtesten Sammelgebiete. Eine derartige Bücher- und Graphiksammlung besaß der Nürnberger Theologe Joachim Ne ge lein (1675—1749), der 1702 zum Prediger und 1724 zum Professor der Dichtkunst und der griechischen Sprache an der Universität Altdorf ernannt worden war. Seine Bibliothek enthielt (nach Doppelmayer S. 154 und 252) Dürers Originalmanuskript über die „Proportion des menschlichen Körpers*'. In seiner Kupferstichsammlung befand sich das Stammbuch seines Schwiegervaters, des kurpfälzischen Hofmalers Wolfgang Leonhard Hopfer (* 1698), mit über 300 Handzeich­ nungen der besten damaligen Künstler und mit etwa 30 Autographien bekannter Persönlichkeiten ®°). Keysler erwähnt in seiner Reisebeschreibung um 1730 als besonders hervor­ ragende Nürnberger Sammlung auch die eines Herrn G e y ß e 1, die neben den noch üblichen Petrefakten, Fischen und Krebsen 300 alte Siegelstempel enthielt (Anm. 14). Außerdem besaß dieser noch eine einzigartige Sammlung von 21 000 PorträtKupferstichen, darunter 5000 nürnbergischen, und eine selten vollständige Me­ daillensammlung von über 7500 Stücken, allerdings zum Teil in Zinn-, Blei- oder Gipsnachbildungen. Die Kupferstiche bildeten nachmals den Grundstock der be­ kannten Porträtsammlungen des Nürnberger Geistlichen Georg Wolfg. Panzer91). Das Imhoffsche Münzkabinett

Eine ausgesprochene Münzen- und Medaillensammlung war die um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts entstandene zweite Imhoffsche, die sich somit anders zusammensetzte als das bekannte Kunstkabinett dieser Familie.' Als ihr Begründer kann Christoph Imhoff (1666—1723) gelten, der allerdings manches Stück aus der alten Willibald Imhoffsdien Kunstkammer übernommen hatte. Er verlegte sich aber nun hauptsächlich auf das Sammeln von Münzen und Medaillen, von denen er eine überaus große Zahl seinem Sohne Christoph Friedrich d. J. hinterließ, der seinerseits wiederum den Bestand wesentlich ver­ mehrte92). Der nächste Besitzer, Christoph Andreas Imhoff, baute die Sammlung zu einem unvergleichlichen Münzkabinett aus, das vor allem die reidisstädtischnürnbergisdien Prägungen in seltener Vollständigkeit vereinigte. Christoph An­ dreas Imhoff, der sich übrigens auch durch die Herausgabe eines großen Werkes „Sammlung eines Nürnbergischen Münzkabinetts, 1780—1782** einen Namen machte, vererbte die Sammlung an Johann Christoph Siegmund Kreß (f 1818). Nach dessen Tode wurde sie 1821 der Stadt Nürnberg übergeben mit der Be­ gründung, daß „ein Privatmann nie soviel Zeit, Geld und mühsames Studium 80) 90) 91) 92) 9

Heller, Keyßler. — Heller. Hampe S. 105. Hampe S. 103 f.

129

an die Sammlung wenden könnte als nötig wäre, um sie wirklich nutzbai zu machen"93). Sie befindet sich seit 1866 als Kreßsches Münzkabinett im Germanischen Museum. Zu den größeren Nürnberger Kunstkammern des 18. Jahrhunderts gehörte die Martin von Ebermayrsche, die außer Gemälden und antiken Bronze­ statuen vor allem kunstvolle Gläser, Pokale, achatene Geschirre und Brenn­ spiegel enthielt. Ihren Hauptwert machte eine große Anzahl geschnittener und ungesdmittener Steine aus. Die Beschreibung der Sammlung bei Keyßler94) macht es sehr wahrscheinlich, daß sie sich vorwiegend aus Beständen der ein­ stigen Viatissdien Kunstkammer zusammensetzte. Das Ebnersche Museum Das sogenannte „Ebnersche Museum" ist gleichsam als Anhängsel einer großen Bibliothek entstanden. Diese ging auf Christoph Imhoff (f 1726) zurück, der sie in seinem Hause bei St. Lorenz einrichtete. Nach dessen Tod gelangte sie auf dem Erbwege an den Losunger Hieronymus Ebner, der sie sehr ver­ mehrte und 1752 testamentarisch zum „öffentlichen Nutzen" bestimmte. Die Bibliothek enthielt neben 412 Handschriften etwa 22 000 Bände, darunter viele Inkunabeln. In der Sammlung ragten ein Kleinodkästchen aus dem 12. Jahr­ hundert und ein Kruzifix aus dem 13. Jahrhundert (Erz, vergoldet) hervor. Die sehr zahlreichen Kupferstiche füllten 36 große Mappen. Von den annähernd 100 Gemälden wurden einige berühmten Meistern zugeschrieben: Rembrandt (Bildnis), Teniers (zwei Landschaften), Willem van de Velde (Nachtstück); die Werkstatt Lukas Cranachs war mit fünf Arbeiten vertreten (Maria mit dem Kinde, Christuskopf, Luther, Melanchthon, Berthold Tücher), Dürer durch drei Kopien (Christi Höllenfahrt, Auferstehung, „Junges Mädchen'‘ 1507), Georg Pencz mit einem Gemälde „Cimon und Pero", Nikolaus Neufchatel mit einem Bildnis. Im übrigen handelte es sich hauptsächlich um Werke von Nürnberger Malern des 16. bis 18. Jahrhunderts, darunter Strauch, Gärtner, Wittig, Herr, Sandrait, Bemmel, Murrer, Falkenburg, Daniel Preisler und Kupetzky (Bildnis des H. W. Ebner)#5). Die Sammlung wurde 1815 größtenteils nach Wien ver­ kauft und die Bibliothek in Nürnberg öffentlich versteigert99). Die Hagensche Sammlung Als bezeichnendes Beispiel einer Sammlung des späten 18. Jahrhunderts mag die des Fränkischen Kreiskassiers und Brandenburg-Kulmbacher Hofrates von Hagen (1723—1783) genannt werden, die bereits in anderem Zusammen­ hang Erwähnung fand. Sie war durch Vereinigung mehrerer anderer entstan­ den97). So erwarb von Hagen 21 000 Kupferstiche, die ein „unbekannter Mini­ ster" schon vor dem 30jährigen Kriege gesammelt hatte. Dazu kam die Samm­ lung eines „Nürnberger Kupferstechers", ferner die Sammlung des Altdorfer Professors Wagenseil und des Nürnberger Predigers Georg Jakob Schwindel ®3) ®4) •5) ®«) ®7)

130

Hampe S. 104. Keyßler. Vergl. Hampe S. 99. Murr (Beschreibung) S,. 441—446. — Roth I S. 504. Gedruckter Katalog 1812—1896 (Stadtbibliothek Nbg., Amb. 187—191. 8®). Hampe S. 105.

(1684—1752), die in der Hauptsache Bücher enthielt. Von Hagen brachte seine Kunstschätze an drei verschiedenen Stellen unter: einen Teil im Schlosse Ober­ bürg, den zweiten Teil in einem Gebäude des sogenannten Rohlederergartens bei St. Johannis und den letzten in seinem eigenen Wohnhaus „auf der Eisgrube“ #8). Die Sammlung umfaßte außer etwa 20 000 Büchern, einem Naturalien­ kabinett, zahlreichen Elfenbeinarbeiten, geschnittenen Steinen, Gipsabgüssen von Bildwerken, 25 000 Kupferstichen* vielen Münzen und Medaillen (darunter 3000 Zinn-Abgüssen) besonders auch mathematische und optische Instrumente und — als erste in Nürnberg — „einen vollständigen Apparatus zu elektrischen Beob­ achtungen mit vielerlei Maschinen“. Der Hauptwert lag jedoch in der Gemälde­ sammlung, welche 869 Nummern aufwies. Darunter war angeblich voif Albrecht Dürer ein „Ecce homo“ und eine Handzeichnung von 1509 (Bildnis der Gemahlin Jakob Fuggers). Aus Lukas Cranachs Werkstatt stammte ein Bildnis des Prin­ zen Friedrich von Sachsen, ein Lutherbildnis, die „Darstellung einer Wall­ fahrt, 1539“ und ein Gemälde „Lot und seine Töchter“. Holbein dem Jüngeren wurde ein Selbstbildnis von 1518 zugeschrieben, Lukas van Leyden eine Heim­ suchung Marias (1525), *Rembrandt das „Bildnis eines kränklichen Mannes*' van Dyck das Bildnis eines Antwerpeners, A. Brouwer zwei Bildnisse und D. Teniers zwei „Bauernstücke". Hervorragend waren die Nürnberger Maler des 17. und 18. Jahrhunderts vertreten, vor allem Paul Decker (f 1742) mit 19 und Johann Kupetzky (f 1740) mit 21 Gemälden. Nach dem Tode von Hägens wurde die Sammlung 1786 auf dem Rathaus zu Nürnberg ausgestellt und öffentlich versteigert. Dabei erwarb die Stadt 42 Gemälde, die in die Rathausgalerie gelangten (vgl. S. 102). Die Kupfer­ stichsammlung ging im ganzen an den Kunsthändler Rost in Leipzig über, der sie 1787 ebenfalls auflöste und versteigerte ®9). Siiberradsche Sammlung Von ähnlicher Zusammensetzung war die Kunstsammlung des Dr. Johann Gustav Silberrad. Sie entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts und enthielt unter mehreren Bildwerken auch zwei Reliefs von Peter Vischer („Ecce homo“ 1515 und „Die Erinnerung des künftigen Lebens, 1525“) sowie ein Relief von Ludwig Krug (Adam und Eva). Die zugehörige, selten vollständige Münzenund Medaillensammlung umfaßte über 16 000 Stücke. Dazu trat hier noch eine kleine Sammlung von Originalurkunden, aus der 7 Kaiserurkunden (von 1277 bis 1576) und verschiedene päpstliche Bullen (1436—1568) hervorragten. Die Ge­ mäldesammlung enthielt kaum 20 Werke, meist von Nürnberger Meistern des 16. bis 18.' Jahrhunderts (Anm. 15). Der Hauptwert des Silberradschen Kabinetts lag in seiner graphischen Ab­ teilung, die fast alle erreichbaren Holzschnitte und Kupferstiche des 15. und 16. Jahrhunderts aufwies, darunter wiederum das gesamte graphische Werk Albrecht Dürers. Nach dem Tode Dr. Silberrads ging seine Sammlung 1782 auf dem Erb­ wege an die Witwe des Ratskonsulenten Högner über, die sie jedoch nach und nach veräußerte. Der Hauptbestand, darunter die Graphiken Dürers, gelangte um 1820 in den Besitz des preußischen Staatsrats von Naglerlfl0). •8) Hagen (Gemäldekatalog). ") Keyßler. — Heller. 10°) Heller. — Hampe S. 104 f. 9*

131

Als Beispiel für eine kleinere Sammlung verdient die zu Beginn des 18. Jahrhunderts von dem Maler Johann J. Dietzsch angelegte Erwähnung, die lange im Besitz der gleichen Familie blieb und erst zu Anfang des 19. Jahr­ hunderts veräußert wurde. Sie befand sich in einem Hause am Albrecht-DürerPlatz. Ihren Kern bildeten etwa 20 Gemälde, meist von Nürnberger Malern des 17. und 18. Jahrhunderts, darunter „Maria Magdalena" von Joachim Sandrart, ferner zwei Tierstücke von Johann Heinrich Roos. Außerdem enthielt die Sammlung mehrere in Wachs bossierte Stücke, verschiedene Naturalien und ein „vortreffliches" Muschelkabinett101). Eine ausgesprochene Gemäldesammlung, zu der noch einige ElfenbeinArbeiten gehörten, besaß ein gewisser Friedrich Birkner, „an der Fleischbrücke". Diese umfaßte 806 Werke, ungefähr zur Hälfte Aquarelle, und zwar wiederum hauptsächlich Nürnberger Arbeiten des 17. und 18. Jahrhunderts. Dem Albrecht Dürer wurde eine „Geburt Christi" und ein „Heiliger Hieronymus" zugeschrieben; sonst scheint es sich meist um wenig Bedeutendes gehandelt zu haben10*). Die Herkunft der Sammlung, die wohl erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden war, ist unbekannt; sie wurde übrigens noch im gleichen Jahrhundert aufgelöst und zerstreut.

Der Auflösungsprozeß, der durch die französische Revolution verursacht war, hatte auch Deutschland erfaßt und machte sich selbst auf einem Teilgebiete wie dem der Kunstsammlungen bemerkbar. War es bisher möglichst vermieden worden, Kunstgegenstände aus ihrem Zusammenhang herauszureißen und ein­ zeln für sich zu betrachten oder zu sammeln, so fielen jetzt auch diese letzten Bindungen an alte Überlieferung weg. Man räumte vor allem die Kirchen aus; „überflüssige" Altäre wurden entfernt und in einzelnen Teilen veräußert, Glas­ gemälde durch neue, farblose Gläser ersetzt, Bildwerke von ihren alten Stand­ orten genommen. Sammlung Derschau

Eine Sammlung, bei der diese neuen Bestrebungen deutlich zutage traten, war die des preußischen Hauptmanns a. D. Hans Albert von Derschau. Sie ent­ stand gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wuchs durch sehr günstige Erwerbungen dieses reichbegüterten Kunstliebhabers rasch zu großem Umfang an und hat insbesondere einen Teil des im Jahre 1801 aufgelösten Praunschen Kunst­ kabinetts in sich aufgenommen. Die Sammlung enthielt Bildwerke in Bronze (20), Elfenbein (17),* einige Holzbildwerke, geschnittene Steine, Kameen, Majoliken, 2618 Manuskripte und Druckschriften, ferner noch bei ihrer Auflösung — nach­ dem v. Derschau den weitaus größten Teil seiner Graphiksammlung an den preußischen Staat veräußert hatte, der sie zum Grundstock der Kgl. Kupfer­ stichsammlung in Berlin bestimmte — fast 2800 Holzschnitte und Kupferstiche. Neuartig war damals wie schon angedeutet, seine Sammlung von 72 Glas­ gemälden des 15. bis 17. Jahrhunderts, die in 12 Prügeln vereinigt wurden. Die Zahl der Ölgemälde von Derschaus erreichte kaum 100, aber es waren erst­ malig vorwiegend altdeutsche aus dem späten 15. und dem frühen 16. Jahr­ hundert, darunter eine Geißelung Christi und das Bildnis des Sixt Ölhafen von loi) io»)

132

Murr (Beschreibung) S. 469. Murr (Beschreibung) 1. Aufl. 1778.

Albrecht Dürer, außerdem, wenigstens der Zuschreibung nach, Werke Von Schongauer, Wolgemut, Cranach, Altdorfer und Pencz. Die Sammlung von Hand­ zeichnungen enthielt u. a. die Bildnisse Maximilians I., Hans Ebners und Mel­ chior Pfinzings von Albrecht Dürer und 12 weitere Blätter dieses Meisters. Nach dem Tode des Hauptmanns von Derschau wurde seine Sammlung im Jahre 1825 zu Nürnberg öffentlich versteigert103). Sammlung Frauenholz

Ganz und gar den Geist des Spätesten 18. und 19. Jahrhunderts ließ die Sammlung des Johann Friedrich Frauenholz in Nürnberg erkennen. Frauenholz betätigte sich vor allem als Käufer aufgelöster nürnbergischer und auswärtiger Sammlungen. Durch seine Hand gingen viele Kunstgegenstände, bevor sie end­ gültig aus Nürnberg verschwanden. Er war auch der erste, der hier von Zeit zu Zeit regelrechte Kunstauktionen veranstaltete, zu denen meist ein Katalog erschien. So erwarb er z. B. die bekannte Welsersche Sammlung, die er größ­ tenteils auf der 4. Versteigerung, 1793, veräußerte104). 1801 glückte ihm, wie schon erwähnt, die Erwerbung des Praunschen Kunstkabinetts, das den gleichen Weg ging. Was seine eigene Sammlung betriftt, so war diese bunt zusammen­ gewürfelt und umfaßte vor allem solche Stücke, die Frauenholz länger behielt, um die möglichst günstige Gelegenheit für die Erzielung eines guten Preises abzuwarten. Er vertrat weniger den Typ des Sammlers als den des Händlers. Damit wird aber bereits so recht der Umschwung deutlich, der sich um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts auf allen Gebieten vollzog und der sich auch in der Zusammensetzung der Kunstsammlungen bemerkbar machte.

l03) Derschau. (Versteigerungskatalog).

104j Vergl. Verzeichnis einer . . . Sammlung (J. P. Frauenholz 1790—1801). Stadtbibi. Amb. 418—428.

133

II. Teil

Vom Jahre 1806 bis zur Überführung in das Germanische Nationalmuseum 1875/78 Veränderungen im städtischen Kunstbesitz unmittelbar nach dem Übergang Nürnbergs an Bayern Am 15. September 1806 wurde der Übergang der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg mit ihrem ganzen Landgebiet an das neue Königreich Bayern feier­ lich vollzogen. Damit gelangte auch das Verfügungsrecht über den gesamten Kunstbesitz der Stadt — sowohl über den weltlichen wie über den kirchlichen, auf den sich ja der Nürnberger Rat seit der Reformation weitgehenden Einfluß zu sichern gewußt hatte — in die Hand des bayerischen Staates. Neuerrichtete AmtssteJlen, die nach Möglichkeit auf Verminderung der übernommenen Schulden­ last öei Stadt sannen, richteten ihr Augenmerk vor allem auf den ungewöhn­ lichen Kunstreichtum Nürnbergs, von dem ihrer Meinung nach der Verkauf unwesentlicher Teile am ersten und für die Bürgerschaft am wenigsten fühl­ bar die Kassen füllen sollte. Man ging hier sehr rasch ans Werk. Bereits am 6. November 1806 wurde das schwere Bronzegitter aus der Werkstatt Peter Vischers, das den westlichen Teil des großen Rathaussaales vom Hauptraum abgetrennt hatte, öffentlich versteigert. Das Kunstwerk wog 225 % Zentner und brachte bei einem Zentnerpreis von 52 Gulden 32 Kreuzern im ganzen 11900 Guide» ein106). Bekanntlich wurde ein Teil eijigeschmolzen, während die meisten Stücke in französischen Privatbesitz gelangten und zuletzt im Schlosse Montrottier bei Annecy (Haute Savoye) Aufstellung fanden. Im Jahre 1807 ging man dann dazu über, unbenützte öffentliche Gebäude auf Abbruch zu verkaufen und einlegen zu lassen. So verschwand z. B. auf der Insel Schütt der bis dahin völlig erhaltene Wehrgang der vorletzten Stadtumwallung über die beiden Pegnitzarme samt einem Turm, dem sogenannten Fraueneisen10*). Die einstige Dominikaner- oder Predigerkirche (Ecke Theresien- und Burgstraße) wurde um 1750 Gulden von einem Fabrikanten Neikam erworben, wobei aller­ dings die Kunstwerke und die Glasgemälde vom Staate zurückbehalten wur­ den107). Das gleiche Schicksal erfuhr noch im selben Jahre die Franziskaner­ oder Barfüßerkirche (Ecke Königstraße und Bankgasse), die um 5000 Gulden auf Abbruch in die Hände des Kaufmanns Bestelmeyer überging108). Ver­ schiedene Kultgeräte der Nürnberger Kirchen, darunter als wertvollstes die 105) Staatsav. N., Reg. Abg. 1932 Tit. XIII Nr. 2078. Vergl. Priem S. 320. io«) priem 3. 319. 107) Staat«av. N.( Reg. Abg. 1932 Tit. X Nr. 6180. 108) Priem S. 319.

134

große, unversehrt erhaltene silberne Monstranz des Adam Kraftsdien Sakramentshäusdiens in der Lorenzkirdie, wurden zu Geld gemacht und wanderten in den Schmelztiegel10B). Die gleiche Gefahr drohte auch bereits dem Sebaldusgrab in der Sebalduskirche; doch konnte der energische Einspruch des damaligen Stiftungsadministrators und späteren zweiten Bürgermeisters J. Sörgel, der sich darauf berief, daß es sich nicht um Staats-, sondern um Kirchenstiftungsver­ mögen handle, die Gefahr noch abwenden110). Dagegen verschwanden, zunächst fast unbemerkt, auch die umfangreichen, kunstvollen Eisengitter des Wasser­ speier-Brunnens am Maxplatz Und des Tugendbrunnens am Lorenzerplatzin). Als man daranging, auch den Schönen Brunnen am Hauptmarkt seiner Umgitterung zu berauben, wandte sich unter Führung von Albert Reindel und Baron Haller am 28. September 1811 der Verein der Nürnberger Künstler und Kunstfreunde in einem energischen, von 48 angesehenen Bürgern Unterzeich­ neten Schreiben an das Bayerische Stadtkommissariat. Darin wurde gegen diese Art von „Reformierungs- und Neuerungssucht“ protestiert; man erinnerte an den Verkauf des Bronzegitters im großen Rathaussaal, „einefc der schönsten Werke deutscher Kunst, als einen Verkauf, an den sich jeder Kunstkenner schmerzvoll erinnere und der dem Staat nicht einmal den völligen Metallwert eintrug, dem­ selben aber, hätte er durchaus nicht unterlassen werden können, bei gehöriger, vorhergegangener Bekanntmachung wohl den mehrfachen Wert eingetragen hätte, ohne daß das Verkaufsobjekt den Flammen übergeben worden wäre“. Man legte ferner dar, daß z. B. ein neues Gitter am Tugendbrunnen etwa 1600 Gulden, ein ganz einfaches immerhin noch 300 Gulden kosten würde, mithin die Entfernung des alten wirklich keinen Gewinn für den Staat bedeute. Die Lokalbauinspektion, an die diese Beschwerde weitergeleitet wurde, er­ klärte am 10. Oktober 1811, alle diesbezüglichen Aufträge von der General­ direktion des Straßen- und Wasserbaues in München sowie dem General­ kommissariat erhalten zu haben; übrigens wären an den beiden Brunnen keine neuen Gitter mehr vorgesehen. Das Generalkommissariat erwiderte, am 16. Okto­ ber 1811, daß jährlich 20 000 Gulden für Pflaster und Wasserbauten in Nürn­ berg ausgesetzt wären; daher könne mit gutem Recht der Erlös von Gittern ohne Kunstwert der Lokalbaukasse zukommen; trotzdem solle aber nunmehr da$ Gitter des Brunnens am Hauptmarkt unversehrt bleiben112). Außer diesem Erfolg hatte das Gesuch noch einen viel größeren, daß man nämlich jetzt auf die Stimmung in der Bürgerschaft etwas mehr Rücksicht nahm und künftig solche ,,wilde Reformierungen“ an Brunnen und anderen Kunstwerken der Stadt vermied. Nun wäre es jedoch unrichtig, annehmen zu wollen, alle diese Maß­ nahmen gegen Nürnberger Kunstwerke wären aus einer besonders feindlichen Gesinnung der bayerischen Beamten gegenüber der Stadt geflossen. Der Grund war vielmehr — neben der Notwendigkeit, möglichst rasch irgendwelche Geld­ quellen zu suchen — eine in dieser Zeit weitverbreitete Geringschätzung der Denkmäler alten deutschen Kunsthandwerks, die man z. B. gegenüber den Werken der Malerei überhaupt kaum als Kunstwerke betrachtete. Doch auch der Besitz Nürnbergs an Gemälden blieb in diesen Jahren nicht ungeschmälert. So berichtet der Rechnungssyndikus Hofrat Schwarz am 30. Juli 1807, er habe Befehl erhalten, vier Gemälde aus dem Rathaus in die Wohnung des Generalmajors von Eckart bringen zu lassen; Ein Selbstbildnis Dürers (wohl die Kopie aus der Hagenschen Sammlung), einen „Kreuzzug Christi zur 10*) Ho; Ui) 112)

StJUfctsav. prilm S. Staatsftv. Staatsav.

N., Rep. 232 Nr. 4537. — Friem S. 319. — Hampe-Lutze, Nürnberg, 1934. S. 239. 321. N., Rep. 232 Nr. 4629. N., Rep. 232 Nr. 4629.

135

Sdiädelstätte" und zwei Werke von Johann Kupetzky („Alter Mann, Tabak rauchend“ und frAiter Mann, ein Glas haltend“)113). Nur die beiden tetxten tauchten später im städtischen Besitz wieder auf. Am 1. November 1810 be­ richtet der gleiche Hofrat Schwarz, daß der vormalige Stadtgerichtsassessor von Waldstromer bei seinem Wegzug aus der Burg ein Bildnis des Reichs­ schultheißen Stromer mitgenommen hätte114). Auch dieses kehrte nicht mehr auf die Burg zurück. Schließlich mußte im Jahre 1812 das Bildnis des Hans Sachs von A. Herneisen in das Generalkommissariat abgeliefert werden; es blieb damals verschollen115). Das sind jedoch nur einige Beispiele, über die sich zufällig in den Akten Notizen vorfinden. Im Unterschiede zu der bisherigen Bevorzugung von Gemälden des späteren 16. bis 18. Jahrhunderts wurde seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert das Hauptaugenmerk auf die , altdeutschen Meister des 15. und 16. Jahrhunderts gerichtet, deren Werke in erster Linie kirchliche Altäre waren. Im übrigen machten sich die neuen, rationalistischen Ideen auf unserem Gebiete insofern einschneidend bemerkbar, als nun ein neues Sammelideal aufkam, nämlich das der streng systematischen oder auch chronologisch geordneten möglichst voll­ ständigen Fachsammlung, die sich nicht mehr wie früher gleichsam zwanglos in ihre Umgebung, sei es nun in Kirchen oder in Sälen eines Schlosses oder auch in kleinen Zimmern, einfügte, sondern ohne Rücksicht auf eine dekorative Zusammenstellung um ihrer selbst willen, rein zu Studienzwecken für ^pezialInteressentei^* aufgestellt war. Bei dieser Loslösung von der Umgebung war es natürlich ganz gleichgültig, was für Kunstwerke man eigentlich sammelte. Es konnten Gemälde oder auch — ganz unabhängig davon — Bildwerke sein. Man nahm jetzt auch aus den Fenstern von Kirchen und weltlichen Gebäuden alte Giasgemälde heraus um sie chronologisch in besonderen Räumen als Fachsammlungen zu vereinen und verfuhr ebenso mit anderen Zweigen des Kunstge­ werbes, mit Eisenarbeiten, Möbeln, ja schließlich sogar mit Öfen oder mit Ar­ chitekturteilen. Dies wirkte sich auch dahin aus, daß man Gesamtkunstwerke, die Arbeiten aus verschiedenen Kunstzweigen enthielen, z. B. mittelalterliche Schreinaltäre, in ihre einzelnen Teile auflöste. Wenn die Mittelschreine der Altäre Holzbildwerke enthielten, während die Flügel bemalt waren, trennte man die Werke der Plastik von denen der Malerei und ging häufig so weit, auch die Grüppen des Schreines auseinanderzunehmen, um möglichst viele Einzelfiguren zu erhalten. Die Malereien aber konnten nur dann voll ausgewertet wer­ den, wenn die beiderseits bemalten Flügel auseinandergesägt und mit den so gewonnenen neuen „Bildern“ die Gemäldegalerien gefüllt wurden. Kurz, der Museumsgedanke feierte seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts seine Triumphe. Die so entstandenen Einzelteile der Altäre gab man nun ganz willkürlich je nach Bedarf als Ausstattungsstücke in irgendwelche Kirchen, wo eben gerade etwas fehlte, oder verwendete sie in den neu entstehenden Kunstsammlungen. So kam es, daß ursprünglich zusammengehörige Teile von Altären in ganz verschiedene Kirchen und Sammlungen gerieten. Ein bezeichnendes Beispiel für eine solche Aufteilung ist der ehemalige Hochaltar der 1816 abgebrochenen Augustinerkirche, dessen Flügelgemälde schließlich an die evangelische KirchenVerwaltung St. Lorenz, die evangelische Kirchenverwaltung innerer Stadt, den bayerischen Staat und an die Stadt Nürnberg vergeben wurden, während der Mittelschrein, US) U4) U«)

136

Staatsav. N„ Rep. 232 Nr. 2382. Staatsav. N.f Rep. 232 Nr. 4629. HR. V d 4 Nr. 41.

der drei Schnitzfiguren enthalten hatte, bis heute überhaupt noch nicht wieder­ gefunden werden konnte lie). Wie schon anfangs erwähnt, fielen nach dem Übergang Nürnbergs an Bayern zunächst alle in öffentlicher Hand befindlichen Kunstwerke der einstigen Reichs­ stadt dem Staate Bayern zu. Doch schon 1811 — und endgültig durch die in der bayerischen Verfassung von 1818 den Städten gewährte Selbstverwaltung — kam ein wesentlicher Teil der übernommenen Kunstwerke wieder an die Stadtgemeinde zurück. Es waren natürlich meist! solche, die sich früher schon in weltlichen öffentlichen Gebäuden befunden hatten; aber es waren auch viele kirchliche Kunstwerke darunter. Umgekehrt ging gar manches einst in der Rathaus- oder in der Burggalerie hängende Gemälde nun in den Besitz des Staates über. Als dann 1836 auch das Kirchenvermögen, das seit 1811 die Stadt mitverwaltet hatte, wieder in die kirchliche Selbstverwaltung zurück­ gelangte, wurde ein fester Bestand von kirchlichen Kunstwerken wieder den Kirchen zugesprochen* natürlich nur solche, die schon vor 1806 in Nürnberger Sakralbauten ihren Platz hatten, insbesondere Altäre. Da jedoch viele inzwischen aufgelöst und ihre einzelnen Teile auf verschiedene Kirchen und Sammlungen verteilt waren, wurde die Kirchenverwaltung veranlaßt, sie bis auf weiteres dort zu belassen und sich mit dem Besitztitel der ihr zuerkannten Werke zu gnügen. All diese verwickelten Verhältnisse machen es erforderlich, daß wir bei der Betrachtung des städtischen Kunstbesitzes im 19. Jahrhundert unser Augenmerk häufig auch den in den Besitz des Staates und der Kirche überge­ gangenen Werken zuwenden. Die Staatliche Gemäldegalerie auf der Burg Obwohl gegen Ende des Jahres 1806 in Nürnberg ein Generallandkommissanat und ein Stadtkommissariat gebildet wurden, blieb auch der alte Rat zunächst noch im Amt und erledigte seine Geschäfte weiter bis zu seiner end­ gültigen Auflösung im Jahre 1808. Nun mußte das Rathaus größtenteils für an­ dere Ämter eingerichtet werden. Am 2. Juli 1807 berichtete die Rentkammer an das Generalkommissariat, daß die oberen Zimmer des Rathauses für das Kgl. Stadtgericht bestimmt wären; daher würde beantragt, „die in diesen Zimmern auf bewahrten Malereien auf die Burg bringen zu lassen; es erscheine zweck­ mäßig, hierfür und zur Arrangierung der Malereien in den Schloßzimmern den Bauinspektor von Haller zu bestimmen*1117). Bereits am 4. Juli 1807 ordnete dann auch das Generalkommissariat an, „daß vor der Hand bis zur Bestimmung eines passenden Lokals und bis für die sämtlichen hier in Nürnberg befindlichen Kunstwerke eine gnädige Entschließung erfolgen könne, die Malereien aus den oberen Zimmern des Rathauses auf das Schloß gebracht werden sollten'* U8). Auch der Vorschlag, mit der Neuordnung den Bauinspektor von Haller zu betrauen, fand Genehmigung. Damit hatte die ehrwürdige Rathausgaleiie ihr Ende erreicht und ihr Bestand wurde noch in diesem, zum Teil auch erst im nächsten und über­ nächsten Jahre auf die Burg verbracht. Es war aber nun durchaus nicht so, daß dort die Werke gleich Aufstellung gefunden hätten; vielmehr wurden die Ge­ mälde in den leeren Räumen der Burg zu Stapeln geschlichtet und blieben dort längere Zeit ohne besondere Aufsicht. Denn Herr von Haller konnte sich inlie) Katalog G. M. (Lutze-Wiegand) S. 127—129. 11?) Staatsav. N., Rep. 232 Nr. 2382. 118j ebenda.

137

folge baldiger Versetzung nicht mehr der Ordnung dieser Bestände widmen und sein Nachfolger Keim hatte zunächst noch keine Möglichkeit dazu. Da auch in den Räumen der Burg um diese Zeit wesentliche Veränderungen erfolgten — nÄan verkaufte z. B. im Jahre 1807 unter anderem die Betten im Schlafzimmer des Kaisers119) —, wurde sogar die bisherige Burggalerie abgehängt. Dazu kamen noch die Kunstwerke aus den geräumten Kirchen, ferner die aus den nach und nach aufgelösten städtischen Ämtern, so daß hier zwischen 1807 und 1809 ein Kunstdepot entstand, bei dem schließlich kaum jemand mehr die ursprüngliche Zugehörigkeit und Bezeichnung genau festzustellen vermochte und die Herkunft einzelner Werke in Vergessenheit geriet. So war es auch kein Wunder, wenn aus diesem Depot damals manches verschwand, dessen Verlust viele Jahre über­ haupt nicht bemerkt wurde, z. B. eine Madonna mit Kind von Lukas Cranach (Geschenk des Kurfürsten von Sachsen an die Stadt, 1522) und verschiedene Probestücke von Nürnberger Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts 12°). Nun sagte Ende des Jahres 1809 Kronprinz Ludwig von Bayern der Stadt Nürnberg seinen Besuch an. Er kam am 27. Dezember, und sein Hauptinteresse galt Nürnbergs Kunst und Künstlern. Nicht nur eine zu seinen Ehren in den Räumen der Burg durchgeführte Ausstellung von Werken der damals lebenden Nürnberger Künstler — es war übrigens die erste Nürnberger Kunstausstellung im modenen Sinn — fand seinen ungeteilten Beifall, sondern er wurde auch auf die zahlreichen in der Burg lagernden Gemälde aufmerksam und darf als Vater des Gedankens bezeichnet werden, hier in den Räumen der Kaiserburg aus den schon vorhandenen und weiteren auswärtigen Beständen eine umfangreiche, der Vergangenheit Nürnbergs würdige Gemäldegalerie zu bilden 121). Allerdings regte er auch bei der Centralgaleriedirektion in München an, eine Anzahl von Werken Nürnberger Meister zur Ergänzung der bayerischen Sammlungen gegen andere einzutauschen; denn schon am 12. Januar 1810 erschien folgende Entschließung des Innenministeriums: „Der Kgl. Galerieinspektor Dillis hat ein Verzeichnis veischiedener Gemälde vorgelegt, welche von ihm bei seinem Aufenthalt in Nürnberg teils auf der Burg, teils in den Kirchen als vorzüglich zur Vermehrung der Kgl. Gemäldesammlung vorgemerkt wurden. Da ihre Vereinigung mit der chronologischen Sammlung der Gemälde zu Schleißheim dazu dienen würde, der letzteren mehr Vollständigkeit zu geben, so ist die Kgl. Centralgaleriedirektion bereit, dagegen eine weit größere Zahl anderer Gemälde zum Ersatz der aufgezeichneten an die Stadt Nürnberg zu geben. Dem Kgl. Generalkommissariat des Pegnitzkreises wird daher der Auftrag erteilt, zu berichten, inwiefern ein solcher Austausch, besonders was die Gemälde in den Kirchen betrifft, statt­ finden könne, ohne bei dem Publikum einen nachteiligen Eindruck zu erregen" 12a). Das Verzeichnis der aus Nürnberg nach München zu verbringenden Gemälde, das Herr von Dillis schon am 10. Januar 1810 in Nürnberg zusammengestellt hatte, enthielt 13 Werke, die größtenteils aus der Katharinenkirche, der Margareten­ kapelle sowie der alten Rathausgalerie stammten (Beilage 1). Unter ihnen war nur eine einzige Graphik, eine farbige Zeichnung von Jost Amman „Einzug des Kaisers Maximilian II. in Nürnberg“ (ehemals in einem Zimmer des Rathauses aufgehängt). Vier weitere (zwei Flügel des einstigen Hochaltars der Katharinen­ kirche und zwei Flügel des einstigen Welseraltars der Frauenkirche) fanden 1911 li») Stadtav. N.# HR. II 8. 10 Nr, 6. i2oj vgi, p, x, Schulz, „Beschreibung der Städt. Kunstsammlung", Nürnberg 1910, S. 17 ff. 121) Staatsav. N., Rep. 232 Nr. 4620. — Stadt. N. HR. II 8. 10 Nr. 6. 122) Bay. Staatsmin. Geh. Reg. Akten 155 Vol. 1.

138

durch Tausch ihren Weg nach Nürnberg zurück12*). (Sie kamen in das Germanische Nationalmuseum). Das Gemälde von Nik. Neufchatel: „Johannes Neudörfer und sein Sohn" bildete später eine Zierde der Alten Pinakothek ebenso wie ein Altarflügel von Johann Leonhard Schäuffelein aus dem Jahre 1516: „Christus am ölberg" 124). Schon am 7. Mai 1810 wählte Centralgaleriedirektor von Männlich im „aller­ höchsten Auftrag in der Kgl. Filialgalerie zu Augsburg 31 Gemälde aus, die/ als Gegenleistung für die 13 aus Nürnberg erworbenen Kunstwerke bestimmt wur­ den (Beilage II). Sie trafen bereits nach kurzer Zeit in Nürnberg ein; es waren ausnahmslos Werke italienischer und niederländischer Meister, ursprünglich Be­ stände der Zweibrückener, Mannheimer, Schleißheimer, Münchener und Düssel­ dorfer Galerie. Ihr Wert war sehr unterschiedlich. Noch heute befindet sich ein Teil davon im Besitz der Stadt125). Das Hauptergebnis des Besuches von Kronprinz Ludwig für das Nürnberger Kunstleben war jedoch der Beschluß zur Errichtung einer Kgl. Provinz-Gemälde­ galerie auf der 'Burg. Hier hatte sich ja bereits ein großer Gemäldebestand an­ gesammelt; er wurde nun durch Bauinspektor Keim unter Mitwirkung und För­ derung des Stadtkommissars von Kraker geordnet und in verschiedene Zimmer verteilt. Man brachte jetzt auch Werke aus der Augustiner- und der Frauenkriche hierher128); da es nur auf „Bilder" abgesehen war, wurden die Altäre zerlegt, die Flügel abgehängt und — wenn doppelseitig bemalt — auseinandergesägt. Auf diese Weise ergab sich die Möglichkeit, sogar aus der Lorenzkirche Gemälde (durchwegs Altarflügel und gemalte Mittelstücke) zu gewinnen und der Burg­ sammlung einzuverleiben. Den Hauptzuwachs erhielt jedoch die Sammlung nicht aus Nürnberg, sondern aus Bamberg 127). In der dortigen Residenz lagerten große Teile der ehemaligen Zweibrückener, Mannheimer und der alten Bamberger Galerie und zwar alle diejenigen Gemälde, die Centralgaleriedirektor von Männ­ lich nicht als wertvoll genug zur Versendung nach München erachtet hatte. Durch Verhandlungen mit der Finanzdirektion des Mainkreises erreichte Stadtkommissar von Kraker, daß dieser ganze Bestand nach Nürnberg für die neue Burggalerie abgetreten wurde. Die Überführung aus Bamberg erfolgte bereits im Januar/ Februar 1811; so kamen 848 Gemälde aus der Zweibrückener, 642 aus der Mannheimer Galerie, 78 aus der Bamberger Sammlung, das heißt im ganzen 1568 Werke nach Nürnberg, wovon aber „nur 328 als gut und teilweise als sehr gut angesprochen werden konnten und ausstellungswürdig erschienen, während der Überrest nach Abzug von 55 alten, verdorbenen Familiengemälden so zerfetzt und schlecht war, daß er kaum den Platz zum Aufstellen ver­ diente" 128). Die Galerie wurde durch Stadtkommissar von Kraker und Bau­ inspektor Keim provisorisch gehängt, so daß schon am 13. März 1811 im Nürn­ berger Intelligenzblatt folgende Bekanntmachung des Stadtkommissars erscheinen konnte: „Die in verschiedenen hiesigen Kirchen, Kapellen und anderen öffent­ lichen Gebäuden zerstreut gewesenen Original-Gemälde alter deutscher Künstler sind vor geraumer Zeit in den Zimmern des alten Schlosses dahier zusammen­ gestellt worden. Durch die Großmut Sr. Kgl. Majestät unseres aUergnädigsten Herrn wurde diese Sammlung mit einer ansehnlichen Menge zum Teil sehr vorzüglicher Originalstücke aus den vormaligen Zweibrückener, Mannheimer und 123) HR. V d 4 Nr. 167. — Katalog G. M. (Lutze-Wiegand) S. 56 und 152. 12*) Katalog A. P. S. 175 f. und 236. 12B) HR. II S. 10 Nr. 6. 12#) Staatsav. N., Rep. 232 Nr. 4629. 12?) ebenda. 128) ebendta.

139

Bamberger Galerien vermehrt, so daß sie in ihrer gegenwärtigen Gestalt für den Liebhaber der Kunst einen interessanten Anblick, für den Künstler selbst einen belehrenden Stoff zu seiner Bildung gewährt. Voji künftiger Woche an steht diese Sammlung wöchentlich zweimal — und zwar Mittwoch und Sonntag nachmittag — dem Zutritt des gebildeten Publikums offen, dessen bekannter Kunst- und Biedersinn dafür bürgt, daß jede Ermahnung zur Schonung dieser Denkmäler der Kunst durchaus überflüssig sei". Am 2. Juni 1811 kamen noch 10 weitere Gemälde aus Bamberg auf der Burg an, um dieselbe Zeit 10 Werke aus dem Bayreuther Schloß, nachdem schon am 29. Oktober 1810 34 Werke eingetroffen waren, die im Schlosse Deberndorf bei Ansbach gesammelt wurden und ehemals zur Galerie des Markgrafen Friedrich von Bayreuth, zum an­ deren Teil zur Ansbacher Schloßgalerie gehört hattenl29). Auch ein wertvolles Bildwerk gliederte man dieser Sammlung ein, nämlich den aus dem Schieß­ hause am Sand stammenden Apollobrunnen. Außerdem erschien bereits am 4. Juli 1811 wieder eine Bekanntmachung im Intelligenzblatt, welche „den Ein­ wohnern zur Nachricht und zur Verhütung von Mißverständnissen" darauf hin­ wies, daß „der 1518 von Veit Stoß verfertigte Englische Gruß, der seit langer Zeit ungekannt und ungesehen von vielen hiesigen Einwohnern in einen grünen Sack gehüllt in der Höhe des Gewölbes der Lorenzkirche hing, herabgenommen und auf das Schloß transportiert wurde, um in der Schloßkapelle aufbewahrt und der Besichtigung mit den übrigen Gemälden zugänglich zu werden". Hier blieb jedoch das Kunstwerk nur bis 1816 und wurde dann zunächst in die Frauenkirche, bereits 1817 aber wieder in die Lorenzkirche überführt15ü). Im Juni 1811 besuchte Centralgaleriedirektor von Männlich die Burggalerie, um diese zu revidieren und völlig neu zu ordnen. Er teilte den Bestand in zwei Gruppen: gute Gemälde, die gehängt wurden — ihre Zahl betrug 566 — und 847 geringe, wobei sich jede Gruppe aus staatlichen, städtischen und aus Nürnberger Kirchen stammenden Gemälden zusammensetzte181). Nun waren bei der Galerie durch den Transport der Gemälde, insbesondere von Bamberg nach Nürnberg, ferner durch verschiedene bauliche Änderungen in der Burg sowie durch die Einrichtung selbst im ganzen 708 Gulden 8 Kreuzer Unkosten entstanden, für die keinerlei Deckungsmöglichkeit bestand, da ein Etat nicht genehmigt war und ein Eintrittsgeld nicht erhoben wurde. Inspektor Keim schlug infolgedessen am 20. Juni 1811 vor, aus dem Nürnberger Rathaus zwei Messing­ gestelle von den Öfen des kleinen Saales und eines angrenzenden Saales (sie wogen zusammen 716 Pfund!) an den Stückgießermeister Stumm zu verkaufen, der für den Zentner 70 Gulden 45 Kreuzer bot, so daß dadurch ein Kosten­ betrag von 506 Gülden gedeckt würde. Den Rest solle man durch einen Ver­ kauf geringwertiger Gemälde decken132). Der Vorschlag fand die Billigung des Stadtkommissariats und es erschien bereits am 28. September 1811 ein Regierungsreskript, das bestimmte, „die aus den Mannheimer, Zweibrückener und Bamberger Sammlungen vorhandenen Werke, welche gar keinen Kunstwert haben oder sehr beschädigt sind, von Zeit zu Zeit in kleineren Partien zu verkaufen und den Erlös zur Einrichtung und Verschönerung der Nürnberger Galerie zu verwenden" 133). Die Sammlung solle vorderhand nicht weiter ver­ mehrt werden. Bauinspektor Keim, Direktor Albert Reindel und eine GerichtsItt)

Staatsav. N., Rep. 232 Nr. 462t.

130) 131)

ebenda. ebencPa.

132) staatsav. N.( Rep. 232 Nr. 462». ?33) ebendfe.

140

person erhielten nun den Auftrag, die ausgeschlossenen Gemälde (mit Ausnahme von königlichen und fürstlichen Familienbildnissen) versteigern zu lassen. Diese Versteigerung fand tatsächlich Ende des Jahres 1811 in drei Partien statt-, sie betraf im ganzen 847 Gemälde, darunter 74 aus Nürnberger Besitz, die ehemals zur reichsstädtischen Rathaus- und Burggalerie gehört hatten, zum andern Teil auch Gemälde aus Nürnberger Kirchen (Beilage III). Die 74 Nürnberger Gemälde erbrachten 207 Gulden 43 Kreuzer; der Gesamterlös für die 847 Werke betrug 1735 Gulden 10 Kreuzer. Diese 207 Gulden genügten jedoch dem Staate nebst dem am 17. Juni 1811 für die zwei Ofengestelle aus dem Rathaus ver­ einnahmten Betrag von 506 Gulden immer noch nicht als Äquivalent für die Einrichtungskosten der Gemäldegalerie. Bauinspektor Keim verkaufte vielmehr am 3. November 1812 auch noch ein altes gegossenes Basrelief aus Messing, das „einen Ritter im Harnisch“ darstellte, 550% Pfund wog und 330 Gulden 27 Kreuzer einbrachte1S4). Es war dies die Grabplatte des 1634 bei Nürnberg gefallenen schwedischen Obersten Klaus Hastver aus der abgebrochenen Domini­ kanerkirche. Nach dem Gutachten von Direktor Reindel hatte sie keinen Kunst­ wert und „verdiente als solche nicht aufbewahrt zu werden, wie das noch vor­ handene Originalmodell bezeugt“ 1SÖ). Dieses Holzmodell befindet sich noch heute im Germanischen Museum. Alle bisher erwähnten Geldbeträge zog die Staats­ kasse ein; der Stadt Nürnberg kam also die Burggalerie doch ziemlich teuer zu stehen. Sie erhielt bei der endgültigen Abrechnung im Jahre 1816 lediglich eine Summe von 177 Gulden 46^ Kreuzern gutgeschrieben, die Keim aus dem Erlös der 74 städtischen Gemälde entnommen und für die Restaurierung staat­ licher Gemälde verwendet hatte. Erst 1819 war es so weit, daß man über­ haupt daran dachte, der Stadt Nürnberg für dieses Guthaben einen Ersatz in Form einer Gemäldeabtretung zu gewähren 1Sß). Die Stadt bat auf Vorschlag der beiden Galerieinspektoren Reindel und Baron Haller um Abtretung zweier Ge­ mälde von Pieter de Hooch (Gesellschaftsstück) und von Clas Berchem (Land­ schaft). Centralgaleriedirektor von Männlich war jedoch dagegen, da er die beiden geforderten Gemälde, von denen das letztere aus der Düsseldorfer Ga­ lerie stammte und im Privatkabinett des Königs gehangen war, für zu wert­ voll hielt. Er schlug vielmehr eine Rückgabe der beiden 1810 von der Stadt abgetretenen Flügel des einstigen Hochaltars der Katharinenkirche vor, die durch die inzwischen gelungene Erwerbung des Hofer Altars entbehrlich schienen. Aber das Ministerium wies diesen Vorschlag zurück, weil ja die zwei Gemälde seinerzeit dem Kronprinzen geschenkt waren. Männlich empfahl nun zwei Ge­ mälde aus dem Schleißheimer Depot: Januarius Zick, Himmelfahrt Christi und Oswald Onghers, Beschneidung Christi (1743). Aber jetzt lehnte der Nürnber­ ger Magistrat dieses Angebot rundweg ab und bestand auf seinem Wunsch nach Abtretung der beiden Gemälde von Pieter de Hooch und Clas Berchem oder — wenn nötig — nur des ersten. Erst nach dem Tode von Mannüchs, am 5. April 1822, kaöi die Sache dadurch zum Abschluß, daß dessen Nachfolger J. G’. von Dülis die Abtretung des Pieter de Hooch genehmigte137). Nürnberg hatte also gewissermaßen für 74 Gemälde ein einziges, allerdings überaus wert­ volles eingetauscht. Ganz allmählich, im Laufe der Jahre, war übrigens eine Klärung der Ver­ hältnisse dieser Galerie eingetreten. Die Aufsicht darüber hatte seit 1811 Bau134) ,35) 13f) 137)

Staatsav. N., Rep. 232 Nr. 4629. ebenda. Bay. Staatsrain., Geh. Reg. Akten 155 Vol. I. ebenda Vol. II.

141

inspektor Keim im Benehmen mit dem kunstsachverständigen Vorstand des Stadtkommissariats, von Kraker. Als im Jahre 1816 der Pegnitzkreis aufgelöst und Keim als Kreisbaurat nach Ansbach versetzt wurde, beauftragte das neue Kreiskommissariat den Hofrat Schwarz mit der Katalogisierung und Betreuung der Gemäldegalerie, bis dann 1818 zwei besondere Galerieinspektoren auf gestellt wurden: Direktor Albert Reindel und Baron Haller138). Das Jahr 1818 war auch insofern für die Galerie von entscheidender Bedeutung, als man damals die ehemalige Malerakademie als ,,Kunstschule“ aus dem alten Katharinenkloster in die Räume der Kaiserburg verlegte, wodurch die Galerie die Be­ stimmung einer Lehrmittel- und Vorbildersammlung erhielt. Die Aufsicht über die Galerie war nun so geregelt, daß Direktor Reindel, der übrigens die Wohnung Baurat Keims auf der Burg bezog, gemeinsam mit Baron Haller in allen vor­ kommenden Fällen entschied. Auch ein Galeriediener wurde bestellt, der zu­ nächst auf Trinkgelder angewiesen blieb, seit 1819 aber, weil er die Besucher zu sehr „brandschatzte“, das von nun an (mit Ausnahme der freien Sonntagund Mittwochnachmittage) erhobene Eintrittsgeld von 24 Kreuzern pro Person behalten durfte,w). Ein Jahresetat von 500 Gülden wurde für Vergütungen an die Inspektoren und für Restaurierung von Gemälden genehmigt; Neuan­ schaffungen waren nicht vorgesehen. Grundlegend für die Galerie war ein Erlaß der bayerischen Regierung vom 31. Januar 1819, der u. a. folgendes be­ stimmte: „Die auf der Burg aufgestellte Gemäldesammlung in Verbindung mit der Kunstschule ist fortan als eine der Stadt Nürnberg gewidmete öffentliche Anstalt zur Förderung der Künste und Gewerbe zu betrachten und zu be­ handeln. Es versteht sich jedoch von selbst, daß das Eigentum derjenigen Ge­ mälde und Kunstgegenstände, welche aus königlichen Sammlungen gegeben worden sind, dem Staate, auf gleiche Weise das Eigentum der aus öffentlichen Gebäuden und Kirchen in Nürnberg gesammelten Kunstsachen der Gemeinde bzw. den Stiftungen Vorbehalten bleibt, zu welchem Ende genaue Kataloge darüber anzufertigen und foTtzuführen sind"140).. Die Oberaufsicht wurde dem Regierungspräsidenten des Rezatkreises, Grafen Drechsel* übertragen. Ihren endgültigen Abschluß fand dann die Organisation der Galerie, ,als im Juni 1822 der neue Centralgaleriedirektor von Dillis nach Nürnberg kam und hier gemeinsam mit den beiden Galerieinspektoren und dem hierzu beigezogenen Hofrat Schwarz eine völlige Neuinventattsation der ganzen Sammlung vor­ nahm, bei der vor allem eine reinliche Scheidung in staatliche und städtische Gemälde (zu denen damals auch noch die aus Kirchen stammenden zählten) vorgenommen wurde. Es ergab sich im ganzen eine Zahl von 540 staatseigenen Gemälden, denen man die Nummern 4985—5528 gab. Die als Depot verwendete untere (Margareten-)Kapelle enthielt weitere 310 Werke, die nicht mehr einer Hängung würdig erachtet wurden. Eigentum der Stadt (und der Kirchenstiftun­ gen) waren 261 Gemälde von denen 5 in der Frauenkirche hingen. Das zu­ gehörige Depot enthielt 36 Bildnisse; es waren also insgesamt 297 Werkel41). Da die Beteiligten natürlich nicht die Herkunft dieser 1100 bis 1200 Gemälde kannten — ein Katalog, der darüber hätte Auskunft geben können: war ja nicht vorhanden —, unterliefen begreiflicherweise bei der Feststellung des staatlichen und städtischen Besitzes mehrere Irrtümer, die sich zum Teil bis zum heutigen Tage auswirken, das heißt, die Stadt verlor durch irrtümliche Zuteilung an den Staat verschiedene ihrer Gemälde, die sich vor 1806 in der IM) Bay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155 Vol. I. IM) ebenda. Vol. I und Stadtav. N., HR. II 8. 10 Nr. i. 140) stadtav. N., HR. II 8. 10 Nr. 6. 141) ebenda.

142

Rathausgalerie oder in der alten Burggalerie befunden hatten, wie z. B. ein „St. Hieronymus“ von Georg Pencz (Geschenk des Künstlers an den Nürn­ berger Rat aus dem Jahre 1548)l42) oder die ganze Reihe der Kaiserbildnisse aus der reichsstädtischen Burggalerie. Umgekehrt erhielt die Stadt manches Werk, das vor 1811 nichts mit Nürnberg zu tun hatte, so z. B. zwei Arbeiten von Bassano (,,Der letzte Schöpfungstag“ und die „Kreuztragung“), eine dem Lukas Cranadi zugesdiriebene Verkündigung an Maria, das Werk eines Rubenssdiülers „Vermählung der -Heil. Katharina“, ein Gemälde „Feldschlacht" und zwei „Tierstücke“. Auch die der Stadt zugesprochenen 36 Bildnisse (meist unbekannte Fürsten und Adelige) stammen sicher zum weitaus größten Teil aus der ehemaligen Zweibrückener und Mannheimer Galerie. So wirken sich die irrtümlichen oder vielleicht doch nidit immer ganz unbeabsichtigten Ver­ tauschungen vom Jahre 1822 bis zum heutigen Tage aus. In den folgenden Jahren ergaben sich nur noch geringfügige Verschie­ bungen des staatlichen und städtischen Gemäldebesitzes in dieser Galerie. Als im Jahre 1829 die neue Königliche Gemäldegalerie in der Moritzkapelle er­ öffnet wurde, lieh die Stadt zu deren Vervollständigung vier bis dahin in der Burggalerie hängende Flügel des sogenannten Augustineraltars und ließ dazu noch neue Rahmen anfertigen. Die Gemälde wurden in der Moritzkapelle unter lauter staatseigenen aufgehängt. Man vergaß allmählich, daß sie der Stadt gehörten. 1855, bei der Neuinventarisation des staatlichen Gemäldebesitzes, wurden sie unter Nr. 5788—5791 in das Inventar eingetragen. Damit waren sie stillschweigend der Stadt entzogen, ohne daß jemand den Verlust damals über­ haupt bemerkt hätte143). Eine andere Gemäldeabtretung fand in aller Form statt. Als im Jahre 1836 auf Wunsch des Königs zwei große Gemälde von Tintoretto zur Ausstattung des Augfebürger Rathauses Verwendung fanden, erhielt die Stadt als Ersatz das kleine Gemälde von Luka Carlevaris „Die Ab­ fahrt des Dogen von Venedig“ zugewiesen144). Ein mehr privater Bildertausch hatte bereits im Jahre 1822 stattgefunden. Der vormalige Stadtgerichtsassessor Karl Alexander von Waldstromer hatte das Bildnis des Deutschmeisters Herzog Anton, das dieser der damals noch reichsstädtischen Burggalerie geschenkt hatte, übernommen und dafür aus seinem Besitz ein kleines Rundgemälde von Roland Savery „Der Bau des babylonischen Turmes“ abgegeben. Da man aber letzteres für wertvoller hielt als das abgegebene Bildnis, beschloß der Ma­ gistrat, ihm zum Ausgleich noch drei weitere städtische Gemälde zu über­ lassen, und zwar drei Werke von Kupetzky: Brustbildnis Peters des Großen, des Malers Blendinger und „Eleasars"145). Wesentlich einschneidendere Ver­ änderungen im Gemäldebesitz der Stadt ergaben sich durch die Bildung einer protestantischen Kirchenverwaltung und eines vereinigten protestantischen KirchenVermögens im Jahre 1836. Dies hatte zur Folge, daß nun das Besitzrecht an den aus Nürnberger Kirchen stammenden und bis dahin unter Verwaltung der Stadt stehenden Gemälden wieder von der Kirche beansprucht wurde. Es handelte sich besonders um alle kirchlichen Gemälde, die im Jahre 1811 der Stiftungsadministratiort als ein dem Stiftungsvermögen verbleibendes Eigentum übergeben worden waren. Man berief sich vor allem auf den Regierungseriaß vom 31. Januar 1819, der den Besitz der Kirchenstiftung sicherstellte. Die Kirchenverwaltung stellte ein Verzeichnis von Gemälden (fast durchwegs Altar14a) l4*) “*) 148)

Baader II S. 54. HR. V d 4 Nr. 1 und Katalog G. M. (Lutze-Wiegand) S. 128. HR. V' d 4 Nr. 13. Stadtav. N., HR. II 8. 10 Nr. 6.

143

teilen) zusammen? sie stammten zum Teil (nämlidi 21, darunter Glasgemälde) aus der Lorenzkirche, zum anderen vorwiegend aus der Katharinen-, Augustinerund Karthäuserkirche 14#). Wenn auch die Kirche nicht die sofortige Auslieferung der in der Gemäldegalerie befindlichen Werke verlangen konnte, so rekla­ mierte Sie doch auch das Besitzrecht an den im Laufe der Zeit nach München abgegebenen Kunstwerken, insbesondere an zwei Glasgemälden aus der Katha­ rinenkirche, die 1812 von Baurat Keim an Direktor von Männlich gesandt wor­ den waren, und an zwei Gemälden von L. Schäuffelein. Der Stadt blieb nichts anderes übrig, als für die beiden verlorenen Glasgemälde zwei Kopien nach Dürers bekannten Apostelbildern (Halbfiguren!) der Kirchenverwaltung zu geben und für die beiden Altarflügel von Schäuffelein zwei andere Altarflügel von Hans von Kulmbach (St. Cosmas und Damian) auszuliefern, die sich jetzt als Leihgaben der protestantischen Kirchenverwaltung im Germanischen Museum befinden147). Im Jahre 1833 weilte König Ludwig I. einige Tage in Nürnberg und wählte die Burg zu seiner Wohnung. Die Galerie mußte infolgedessen vorübergehend geschlossen werden? die Gemälde wurden in einer Remise verwahrt und die Räume erhielten eine wohnliche Einrichtung. Da der König bestimmte, daß die Burgräume dauernd seinen Wohnzwecken Vorbehalten bleiben sollten und Zen­ tralgaleriedirektor von Dillis sogar den* Auftrag erhielt, sie mit etwa 70 Ge­ mälden der altdeutschen Meister des 15. und 16. Jahrhunderts auszustatten148) — sie wurden einfach aus den Galeriebeständen herausgezogen —, konnte man natürlich nicht an eine Wiedereröffnung denken, zumal auch noch im gleichen Jahre die Kunstgewerbeschule in das einstige Landauersche Zwölfbrüderhaus übersiedelte und Direktor Reindel dort seine Dienstwohnung bezog. Aller­ dings traf am 9. Januar 1834 eine Ministerialentschließung vom 31. Dezember 1833 ein, die sich mit der Ausstattung der Burg befaßte. Sie lautete: „Der König hat in fortgesetzter wohlwollender Fürsorge für die Ausschmückung der Burg in Nürnberg und um dieses bisher bloß zur Aufbewahrung der Gemälde be­ stimmte Gebäude in ein förmliches Museum mittelalterlicher Kunst umzugestalten, auf Antrag des Ministeriums des Innern genehmigt, daß verschiedene neu von auswärts auf die Nürnberger Burg geschaffte Kunstwerke in der dortigen Ka­ pelle, Sälen, Gemächern und Gängen dekorativ aufgestellt und in die Obhut der doitigen Galerieinspektion gegeben werden. Sie sollen gut aufgestellt und nicht nui allen zugänglich sein, sondern auch wesentlich dazu beitragen, der Kapelle und den Vorhallen der alten Kaiserburg ihren alten Schmuck wieder zu verleihen“140). Es handelte sich um sechs steinerne Basreliefs und neun Holzbildwerke, die großenteils in den beiden Kapellen zur Aufstellung kamen. Aber aus dem Erlaß geht doch auch deutlich hervor, daß sie in erster Linie dazu dienten, dife Burg wohnlicher zu machen. Soweit sie in der Kapelle ihren Platz erhielten, sind sie dort geblieben. Das Schicksal der Burggalerie war jedoch entschieden, sie wurde der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich gemacht. Alle Gemälde, die nicht durch Herrn von Dillis in den königlichen Wohnräumen ver­ teilt waren, blieben magaziniert. Der Rest der 310 seit 1811 in der Margareten­ kapelle aufbewahrten, für die Galerie unbrauchbaren Gemälde wurde im Jahre 1836 nach München gesandt, nachdem schon 1829 und 1832 zwei Partien dieses Bestandes vorausgegangen waren180). 14«) »47) 148) 14«) tl»0)

144

HR. V d 4 Nr. 15. ebenda. HR. V d 4 Nr. 13. — Bay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155 Vol. IIIHR. V d 4 Nr 10. HR. V d 4 Nr. 13.

550 ausgestellte Gemälde, auf 10 Räume verteilt, hatte die Burgsammlung umfaßt. Zum weitaus größten Teil enthielt sie Werke italienischer, nieder­ ländischer und deutscher Meister des 17» und 18. Jahrhunderts, und zwar nur wenige erstklassige Galeriestücke« vielmehr meist höchst durchschnittliche Arbeiten. Dies erklärt sich ja schon daraus, daß sie in der Hauptsache solche Be­ stände der Zweibrückener und Mannheimer Galerie aufwies, die man in der Münchener und Schleißheimer Sammlung glaubte ohne weiteres entbehren zu können. Die weitaus wertvollste Gruppe bildeten die im Besitz der Stadt und der Nürnberger Kirchenverwaltung befindlichen Werke. Wie man beim Nürn­ berger Magistrat selbst über den aus Staatsbesitz stammenden Teil der Galerie urteilte, geht aus einem Gesuche hervor, das Bürgermeister Binder am 1. Juli 1839 an den König richtete, als die Überführung der Burggalerie in die neuen Räume im ehemaligen Landauerschen Zwölfbrüderhause schon bevorstand: ,In der mehr als 600 Nummern zählenden Gemäldesammlung befinden sich verhält­ nismäßig nur wenig gute Bilder; namentlich sind die ersten Fächer der Malerei, besonders das historische Fach, nur durch einige beachtenswerte Stücke, größten­ teils aber durch verdorbene Originale oder geringe Kopien besetzt, und im Porträt- und Landschaftsfach sind in der Tat nur mittelmäßige Leistungen auf­ zuweisen. Dagegen ist an Jagdstücken aller Art, totem Wildbret, Früchten, Blumen und sogenannten Stilleben ein solcher Überfluß vorhanden, daß alle Räume des neuen Lokals kaum zwei Drittel davon aufnehmen würden. Mit solchen Bildern die neuen Säle füllen zu lassen, dürfte in der allerhöchsten Absicht nicht liegen; vielmehr glaubt der Magistrat annehmen zu können, daß des Königs Willensmeinung dahin gerichtet war, durch eine — wenn auch der Zahl nach mäßige — Sammlung vorzüglicher Gemälde aus allen Fächern die Bildung der jungen Künstler zu fördern und den Geschmack des Publikums zu veiedeln. Dieser schöne Zweck könnte vollkommen erreicht werden, wenn Euer Majestät geruhen wollten, aus der großen Menge guter Gemälde, welche noch dermals zu Schleißheim auf bewahrt sind, eine verhältnismäßige Anzahl zur Aus­ füllung der bedeutenden Lücken in der hiesigen Sammlung, namentlich zur Er­ gänzung des historischen, Landschafts- und Porträtfaches allerhuldvollst aus­ wählen und abgeben zu lassen“151). Am 25. September 1839 traf jedoch aus München der Bescheid ein, daß der König dem Gesuch der Stadt um Überlassung von Gemälden aus der Schleißheimer Galerie nicht stattgeben könne. Es wurde vielmehr der Stadt Nürnberg nahegelegt, sich auch bei der Neuaufstellung wieder mit Gemälden aus der bisherigen Burggalerie zu begnügen152). Der „Kgl. Bildersaal in der Moritzkapelle,,

Die Schließung der Burggalerie wäre allerdings nicht so ohne weiteres möglich gewesen, wenn nicht kurz vorher eine andere, dem Empfinden und den Wünschen der damaligen Zeit viel mehr entsprechende Galerie eingerichtet wor­ den wäre, nämlich die Gemäldesammlung oder — wie die amtliche Bezeichnung lautete — der Kgl. Bildersaal in der Moritzkapelle zu Nürnberg. Ihre Gründung ging auf einen freien Entschluß König Ludwigs I. zurück Am 1. August 1828 erhielt der Nürnberger Magistrat die amtliche Mitteilung, der König habe „an­ läßlich seiner Durchreise am Tage vorher als einen neuen Beweis seines vor­ züglichen Wohlwollens für diese Stadt die Erklärung abgegeben, daß es seine Absicht wäre, hier als gleichsam an der Wiege deutscher Kunst 151)

152)

10

ebenda. ebenda.

145

und im Mittelpunkte Deutschlands eine Auswahl klassischer Ge­ mälde der ober- und niederdeutschen Schule, entnommen aus dem reichen Schatz der königlichen Galerien, mit besonderer Rücksicht auf Vollständigkeit in An­ sehung der Meister und Geschlossenheit auf die eigentliche klassische Periode, aufzustellen und dadurch die Kunstmerkwürdigkeiten Nürnbergs durch eine Sammlung zu vermehren, welche in solcher Art noch nirgends in Deutschland anzutieffen und außer dem Königreiche auch kaum irgendwo zu begründen ist"153). Bei seiner Anwesenheit am 13. Juli 1828 wählte der König auf Vor­ schlag des Zentralgaleriedirektors von Dillis die Moritzkapelle hierfür aus, die von der Stadt Nürnberg noch im gleichen Jahre durch den Architekten C. A. Heideloff mit einem Kostenaufwand von 5330 Gulden instandgesetzt wurde. Die Überführung der Gemälde, die Einrichtung und Ordnung durch Herrn von Dillis erfolgte dann so rasch, daß die Galerie schon im Jahre 1829 eröffnet werden konnte und gleichzeitig ein gedruckter Katalog erschien, der 141 Nummern ent­ hielt. Es waren nicht durchwegs Gemälde Nürnberger Herkunft; die meisten entstammten der Sammlung Boisseree, die König Ludwig I. im April 1827 um 240 000 Gulden erworben hatte und die dem bayerischen Gemäldeschatz vor allem Meisterwerke der altniederländischen und der niederheinisch-kölnischen Schule zuführte. Ein anderer Hauptteil der Gemälde in der Moritzkapelle gehörte zum ehemaligen Bestand der 1828 vom König um 80 000 Gulden gekauften Sammlung des Fürsten Ludwig von Öttingen-Wallerstein, die insbesondere den Schatz an guten oberdeutschen Werken wesentlich vermehrte154). Die Hängung der Ge­ mälde in der Moritzkapelle entsprach den Gepflogenheiten der damaligen Zeit. Da in dem einzigen nicht allzugroßen Raume 141 Werke unterzubringen waren, mußten diese sehr dicht nebeneinander und dazu 2- bis 3fach, ja teilweise sogar 4- bis 5-fach übereinander angebracht werden, so daß besonders die Nordwand gleichsam mit Bildern tapeziert erschien155). Dennoch scheint der Gesamteindruck des ganzen Saales in Anbetracht der bedeutenden Qualität sehr günstig gewesen zu sein. Die Galerie blieb nach ihrer Einrichtung jahrzehntelang unverändert be­ stehen. Erst im Jahre 1875 vermehrte man den Bestand durch 21 oberdeutsche Gemälde aus Staatsbesitz, die ursprüng^ch zui? Burggalerie gehört hatten (Anm. 16). Im Jahre 1882 wurde die Galerie völlig aufgelöst und die Kapelle wieder der Evangelischen Kirche überlassen. Nur fünf Gemälde verbrachte man nach München, davon wurden vier (Barthol. Zeitblom: „Die hl. Margarete" und „Die hl. Ursula"; Hans von Kulmbach: „Die hin. Joachim und Anna“ und „Die hin. Willibald und Benedikt") dem Ausstellungsbestand der Alten Pinakothek ein­ gereihtlöe). Die übrigen 157 Bilder der Galerie kamen aus der Moritzkapelle in das Germanische Nationalmuseum und bilden dort seitdem einen wesentlichen überaus wertvollen Bestandteil der Sammlung von Gemälden alter deutscher Meister des 15. und 16. Jahrhunderts.

Die Gemäldegalerie im Landauersdien Zwöllbrüderhause Bereits am 28. August 1834 fand in Gegenwart des Regierungspräsidenten eine Konferenz der städtischen Vertreter und der beiden Galerieinspektoren w») HR. V d 4 Nr. 1. 15*) ebenda. — Vgl. Katalog Ä. P. S. XXXVII und XXXIX. 1*8) Moritzkapelle (Gemäldekatalog). 15«) HR. V d 4 Nr. 1. — Katalog A. P. S. 126 und 288.

146

statt, die sich damit befaßte, wo die 1833 geschlossene Burggalerie künftig auf­ gestellt werden könne. Man dachte zunächst an die einstige Herrentrinkstube (Winklerstraße 22), deren Säle aber zu niedrig erschienen. Der große Saal des ehemaligen Augustinerklosters wäre wohl passend gewesen, hätte aber nur ein Drittel aller Gemälde aufnehmen können. So einigte man sich auf Vorschlag von Direktor Reindel dahin, einen Teil der Gemälde im unteren Saal der Burg, der bisher der Kunstschule eingeräumt war, „bis zur Fertigstellung des vorgesehenen Neubaues im Landauerschen Zwölfbrüderhause'* zu hängen157), wo ja im Jahre vorher bereits die Kunstgewerbeschule ihr neues Heim gefunden hatte. Der für die Aufnahme der Galerie bestimmte Neubau war so gedacht, daß auf den nördlichen, ostwestlich verlaufenden Gebäudeteil ein zweites und drittes Stock­ werk aufgesetzt werde. Die Pläne fanden Genehmigung. Die Arbeiten verzögerten sich zwar, doch wurde der Bau, der auf Kosten der Stadt erfolgte und auf ins­ gesamt 20 682 Gulden kam, bis 1840 vollendet. Die Einrichtung der Galerie be­ sorgte Direktor Reindel unter der Oberleitung von Zentralgaleriedirektor von Dillis; sie war im Frühjahr 1840 durchgeführt und die Galerie konnte am 23. Mai dieses Jahres der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden158). Der gleichzeitig erschienene gedruckte Katalog weist 311 Gemälde auf (darunter 2 Glasgemälde) gegenüber 551 Nummern der vormaligen Burggalerie. Durch eine strenge Sichtung und Ausscheidung aller zu mäßigen Werke hatte die Galerie zweifellos an Wert gewonnen, abgesehen von den viel zweckmäßigeren Räumen, in denen sie nun untergebracht wurde. Die Gemälde waren auf einen großen und einen kleinen Saal sowie sechs Kabinette übersichtlich verteilt. 265 gehörten dem Staat, 44 der Stadt. Unter den letzteren stammten 18 aus der reichsstädtischen Rathaus­ und Burggalerie, 2 aus Nürnberger Kirchen, während 17 durch den Tausch von 1810 und die übrigen 7 erst nach 1811 erworben waren. Der kirchliche Gemälde­ besitz war nur noch durch 2 Werke vertreten? denn die Kirchen Verwaltung hatte die Auflösung der Burggalerie dazu benützt, eine möglichst große Anzahl der ihr zugesprochenen Gemälde zurückzuziehen und wieder in die alten Nürn­ berger Kirchen zu bringen. So erhielt z. B. die Lorenzkirche in dieser Zeit fast alle 1810/11 aus ihr entnommenen Gemälde wieder? auch der Imhoffaltar wurde von der Stifterfamilie mit Erfolg reklamiert und an seine alte Stelle auf der Imhoffschen Empore der Lorenzkirche verbracht mit Ausnahme der abgesägten Rückseite des Mittelbildes (Schmerzensmann, im Grabe stehend), die wohl durch stillschweigende Abtretung im Besitz der Stadt Nürnberg verblieb. Änderungen in ihrer Zusammensetzung hat die Galerie im Landauerschen Zwölf­ brüderhause während der gesamten Zeit ihres Bestehens nicht mehr erfahren. Sie erfüllte neben ihrer Bestimmung als öffentliche Galerie vor allem ihren Zweck als Vorbilder- und Lehrmittelsammlung der Kunstgewerbeschule. In der breiten Öffentlichkeit fand sie kein großes Interesse. Eine Entschließung des bayerischen Kultusministeriums vom 2. Juni 1863 klagt darüber, daß die Galerie r/nur wenig wertvolle Bilder umfaßt und daher fast gar nicht besucht wird" löi). Wie sie aber auch von einsichtigen Nürnbergern beurteilt wurde, geht aus einem Gutachten hervor, das Bürgermeister Seiler am 18. Juni 1863 erstattete. Die Kunstgewerbeschule war nämlich unter ihrem neuen Direktor Kreling, der seit 1852 die Leitung übernommen hatte, zu ungeahnter Blüte gelangt und hatte dringend eine Erweiterung ihrer Räume nötig, die nur durch Aufbau neuer Stock­ werke, zum anderen Teil auch durch Verwendung der bisherigen Galerieräume 15?) HR. V. d 4 Nr. 14 und Schulregistr. III Ca 2 Nr. 8. ,5M) ebenda. — Vgl. Landauer-Brüderhaus (Gemäldekatalog). 15»j B’ay. SUatsmin., Geh. Reg. Akten 155 Vol. V.

10*

147

zu Schulräumen erreicht werden konnte. Daher machte Bürgermeister Seiler den Vorschlag, die Gemäldegalerie zu schließen, bzw. teilweise in das Rathaus zu verlegen. Uber die Sammlung selbst erklärte er, daß sie „eine Menge Bilder enthält, die des kostbaren Platzes, den sie einnehmen, nicht würdig sind. Viele Gemälde haben kaum antiquarischen und noch weniger künstlerischen Wert. Die besten, 44 Stück, sind Eigentum der Stadt, die schlechtesten gehören dem Staat; . . . . je weniger Nürnberg aus alter Zeit gerettet hatte, um so lieber wurde das wenige, das noch da war, geschätzt, und der verstorbene Direktor Reindel hat die ihm anvertrauten Bilder vielleicht überschätzt . . Nur wenige gute, dem Staate gehörige Gemälde sind für die Schule taugliche Vorbilder; es folgt unter solchen Umständen von selbst, der Schule die ihr so notwendigen Räume dadurch zu verschaffen, daß ihr der zweite Stock überlassen und die dort hän­ genden Bilder entfernt werden. Es ist klar, daß die Galerie dadurch zerstört wird; das soll auch geschehen, aber nur zu dem Zwecke, um eine neue vereinigte Sammlung der städtischen Kunstschätze zu etablieren"18®). Die Vorschläge des Bürgermeisters fanden noch am 18. Juni 1863 die Billigung des Magistrats und des Gemeindekollegiums. Der Umbau der Schule wurde auf Kosten der Stadt durchgeführt und die Galerie am 10 März 1864 geschlossen. Die Stadt zog ihre 44 Gemälde zurück; sie mußten allerdings zunächst magaziniert werden. Bereits am 16. Dezember 1863 war übrigens aus München die Verfügung eingetroffen, daß von den 255 Gemälden des Staates nach Auswahl des Direktors 78 (und 2 Glasgemälde) zunächst im Landauerschen Zwölfbrüderhause verbleiben, die übrigen 185 aber zum Teil in die Depoträume der Burg, zum anderen Teil nach Schleißheim überführt werden sollten161). Damit hatte auch die Kgl. Gemälde­ galerie im Landauerschen Zwölfbrüderhause kaum 24 Jahre nach ihrer Eröff­ nung zu bestehen aufgehört.

Die Entwicklung des städtischen Gemäldebestandes von 1820/30 bis 1875. Inzwischen hatten sich im Besitzstand der städtischen Kunstsammlungen ver­ schiedene Änderungen ergeben. Daß der Magistrat bestrebt war, selbst neue Kunst zu sammeln und möglichst rasch eine moderne Galerie im damaligen Sinn zu erhalten, geht aus seinem Beschluß vom 22. August 1825 hervor, , man solle von jedem Maler, der hier lebt, ein Gemälde besitzen und daraus eine eigene Sammlung bilden; von Personen, die sich durch bedeutende Stiftungen ausge­ zeichnet, sollten ferner Bildnisse durch den Maler Fueß gefertigt und im oberen Rathaussaal aufgehängt werden0 18S). Aber diese Beschlüsse wurden leider nicht durchgeführt und scheinen bald in Vergessenheit geraten zu sein. Jedenfalls entstand dadurch keine neue Galerie. Man mußte vielmehr zum freien An­ kauf oder zu anderweitigen Erwerbungen von Gemälden übergehen. Die erste Neuerwerbung eines Gemäldes durch die städtische Kunstsamm­ lung des 19. Jahrhunderts erfolgte 1843. Der Maler Johann Andreas Engelhart bot um 500 Gulden sein Werk „Darstellungen aus Grübels Gedichten" an; Direktor Reindel wurde zu einem Gutachten veranlaßt, worin er bestätigte, „daß es, abgesehen von dem Lokalinteresse, einen der geforderten Summe von 500 Gulden nahestehenden Kunstwert habe, indem es die wichtigsten Eigen*®0) 1«*)

148

ebenda und HR. V d 4 Nr. 13. 14; Schulregistr. III Ca 2 Nr. 8. Bay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155 Vol. V. HR II 8. 10 Nr. 6 und HR. V d 4 Nr. 13.

schäften eines Kunstwerkes vereinige'**•*). Der Ankauf wurde daraufhin voü beiden Kollegien genehmigt. Dagegen traten im Laufe dieser Jahre noch ver­ schiedene Verluste ein. Schon 1842 war ein „altdeutsches" Gemälde auf Holz, ein „Säulenstück", das wahrscheinlich aus der Dominikanerkirche stammte, beim Altertumsverein verloren gegangen und mußte abgeschrieben werden. 1846 wurde ein Gemälde auf Leinwand („Christus am Kreuz") an die Dorfkirche zu Wengen abgetreten. 1851 verkaufte die Stadt das „Bildnis des Kaufmanns Hutb mit seiner Frau" von Kupetzky an einen Nachkommen des Dargestellten um 132 Gülden. Im gleichen Jahre beschloß der Magistrat, einen laufenden Etats­ posten von 100 Gulden zum Ankauf von Gemälden einzusetzen und zu admassieren, bis er zum Ankauf eines guten Bildes hinreichen würde. Da es aber wohl zu lange gedauert hätte, bis auf diese Weise ein entsprechender Ankaufs­ fonds zustandegekommen wäre, schlug man hierzu einen anderen Weg ein. Der Kunstpfleger stellte auf Vorschlag Direktor Reindels am 13. November 1851 beim Magistrat den Antrag, „etwa 40 Bilder, welche sich wegen ihrer Gering­ wertigkeit auf dem Boden befinden, zu veräußern und aus dem Erlös irgendein gutes Bild anzuschaffen"164). Der Magistrat genehmigte dies schon am 17. No­ vember, und Reindel erhielt den Auftrag, ein Verzeichnis der in Frage kommen­ den Gemälde aufzustellen und diese zu taxieren. Reindel wies am 28. Novem­ ber darauf hin, daß wahrscheinlich im Mai oder Juni 1852 „im Auftrag der Kgl. Zentralgaleriedirektion in München eine Partie von ca. 150 Stück Ölbildern aus dem hiesigen Depot der kgl. Gemälde, welche gleichfalls ihres unbe­ deutenden Kunstwertes wegen sich nicht zur öffentlichen Ausstellung eignen, hier vom Kgl. Galeriekonservatorium Versteigert werden sollten; die Ver­ äußerung der städtischen Gemälde könne sich daher unmittelbar an dieselbe anschließen und damit verbunden werden" 165). Das „Verzeichnis der im Gemälde­ depot befindlichen wertlosen, überzähligen und verdorbenen städtischen Gemälde" lieferte er am 24. Mai 1852 an den Magistrat ab; es enthielt 86 Num­ mern (vgl. Beilage IV). Deren Versteigerung fand am 4. Oktober 1852 unter Leitung von Auktionator J. A. Börner statt und erbrachte 846 Gulden 6 Kreuzer (abzüglich 26 Gulden Unkosen) während die allerdings absichtlich niedrig ge­ haltene Schätzsumme Direktor Reindels — für alle 86 Geikälde! —; nur 195 Gul­ den 42 Kreuzer betragen hatte. Das Verzeichnis umfaßte außer 29 sogenannten altdeutschen" Gemälden vor allem Arbeiten von Juvenell, Cramer, Michael Herr, Heinrich Roos, Sandrart, Joachim Beich, Kupetzky und Rosa di Tivoli, ferner von Bassano, Bellucci, Caravaccio, Schonyans und zahlreichen unbekann­ ten Meistern, dazu mehrere Kopien. Die Zuschreibungen sind selbstverständlich mit Vorsicht zu beurteilen. Die Zahl der Steigerer betrug 14, darunter die Nürnberger Maler Maar und Hanf, die Antiquare Geuder und Schreiber sowie der Kunsthändler Pickert aus Fürth; die meisten Werke gingen an eine Frau Supe über (17) und einen Herrn Oppenheimer „aus Paris“, der 43, also die Hälfte aller versteigerten Gemälde, erwarb, die damit wahrscheinlich in das Ausland wanderten168). Als Ersatz für diese 86 veräußerten Werke wurden auf Empfehlung Direktor Reindels durch Magistratsbeschluß vom 17./20. Januar und vom 6./10. Februar 1853 zwei neue Gemälde lebender Nürnberger Künstler angekauft: Johann Maar, „Die Einbringung der Reichskleinodien in die Stadt Nürnberg 1424" um 16s) 184) l6ß) 18«)

HR. V d 4 Nr. 13. ebenda. HR. V d 4 Nr. 13. ebenda.

149

660 Gulden und Johann Adam Klein, „Russisches Fuhrwerk" um 200 Gulden. Zur Deckung mußte auch ein Teil des Erlöses für das im Jahre 1851 verkaufte Gemälde von Johann Kupetzky, „Bildnis des Kaufmanns Huth", verwendet werden. Bald darauf, bereits im Februar 1855, erfolgte auf Vorschlag des neuen Kunstschuldirektors Kreling der Ankauf eines weiteren Werkes von Johann Adam Klein, „Fuhrwerk, mit 6 Pferden bespannt, auf der Straße vor dem Neuen Tor in Nürnberg" um den Preis von 290 Gulden. 1858 erwarb die Stadt von der Witwe noch ein Werk des Malers Engelhait, das mehrere Darstellungen zu Grübels Gedicht „Phaetons Sturz" vereinigte (Anm. 17). Ein Geschenk verdient noch Erwähnung: Im Jahre 1864 verehrte der Maler Anton Seitz sein Ölgemälde „Bildnis des Malers Johann Adam Klein" der Stadt Nürnberg, das bis heute eine wertvolle Bereicherung der Sammlung dar­ stellt 187). Erst 1876 erwarb die Stadt aus der Ausstellung des Nachlasses von August von Kreling dessen Großgemälde „Die belagerten Magdeburger nehmen das letzte Abendmahl 1631" um 14 000 Mark und vier weitere Werke von ihm: Die „4 Jahresfeste" (2 Blatt), „Das Blumenfest" (8 Blatt) und ,»Der Tafelzug" (6 Blatt) für zusammen 4000 Mark188). Die Aufsicht über die Galerie in Nürnberg lag, wie schon erwähnt, seit 1818 in den Händen zweier Kgl. Galerieinspektoren, des Direktors der Kunstgewerbe­ schule Albert Reindel und des Barons Haller, die fortan alle Geschäfte gemein­ sam erledigten. Seit 1829 war ihnen auch die Aufsicht über die Kgl. Galerie in der Moritzkapelle übertragen. Seit den 1830er Jahren führten sie den Titel „Konservator". Nach dem Tode des Freiherrn von Haller* (1839) wurde für ihn kein Nachfolger ernannt, sondern Reindel übte nun sein Amt allein aus. Er — und nach seinem Tode (1853) sein Nachfolger August von Kreling — war in allen Kunstfragen für die Stadt als Gutachter tätig. Diese Verbindung der städtischen Kunstsammlung mit der Leitung der staatlichen Kunstgewerbeschule fand 1863 ihr Ende? damals wurde der Maler Heinrich Ludwig Petersen zum städtischen Konservator ernannt, der dieses Amt bis zu seinem Tode 1874 be­ kleidete, worauf 1875 die Überführung der städtischen Kunstsammlungen in das Germanische Museum erfolgte. Die städtische Kunstsammlung im Rathaus und ihre überiührung in das Germanische Nationalmuseum Obwohl die Errichtung einer städtischen Gemäldesammlung im Rathaus be­ reits am 18.“ Juni 1863’ beschlossen worden war, verzögerte sich deren Eröff­ nung doch um mehrere Jahre. Eine Möglichkeit zur Vereinigung des städtischen Kunstbesitzes ergab sich durch die Verlegung des Stadtgerichts, das bisher im 2. Stockwerk des Rathauses seinen Sitz hatte und im Jahre 1862 einen 'Neubau bezog. Auf Vorschlag des Bürgermeisters Seiler wurden zunächst drei Räume für die Galerie freigemacht: Der große Saal im nördlichen Flügel gegen den Hof (bis 1945 Trauungssaal), der diesem gegenüberliegende kleine Saal mit Aussicht gegen die Theresienstraße und das daranstoßende Zimmer (Nr. 69) 189). Die Besetzung Nürnbergs durch die Preußen im Jahre 1866 bot dem Ma­ gistrat eine willkommene Gelegenheit, seine noch zur Ausschmückung der könig187) 188) 1®®)

150

hr. vj 4 4 Nr, 33. HR. V d 4 Nr. 44. HR. V d 4 Nr. 13, 14 und 15.

liehen Zimmer auf der Burg dienenden Gemälde und Bildwerke aus Sicherheits­ gründen vom Staate zurückzufordern. Die Auslieferung erfolgte am 30./31. Juli 1866 170). Damit war die Stadt wieder in den Besitz eines nicht unbeträchtlichen Teiles ihrer Sammlungen geraten, den sie nunmehr ebenfalls in das Rathaus bringen ließ (Anm. 18). Die neue städtische Rathausgalerie wurde zwar am 11. August 1867 eröffnet, doch mußten zahlreiche andere Werke auf dem Dachboden magaziniert werden Im kleinen Rathaussaal (Prunksaal) hingen die Gemälde. An den Fenstern waren die Glasmalereien in Rahmen zusammengefaßt. Der Saal wie auch der Vorplatz im 2. Stock enthielt aber auch noch Bildwerke und kunstgewerbliche Gegenstände. Daß diese Aufstellung der Sammlung nicht gerade ideal war, wird ohne weiteres deutlich, wenn wir erfahren, daß z. B. am 13. Oktober 1863 „militärische Konscriptionsverhandlungen“ im kleinen Saal stattfanden, weshalb an diesem Tage für die dort befindlichen Kunstgegenstände eine besondere Sicherung notwendig erschien. Ein völlig unhaltbarer Zustand ergab sich aber, als im Jahre 1868/69 auch noch sämtliche Insignien und Altertümer der aufgelösten Handwerks­ vereinigungen der Obhut der Stadt übergeben und den Kunstsammlungen im Rathaus einverleibt wurden171). Nun tauchte im Jahre 1872 der Plan auf, die Kreuzgänge samt dem ehema­ ligen Refektorium des alten Dominikanerklosters für die Aufnahme der ganzen städtischen Kunstsammlung einzurichten. Da alle Beteiligten, der Magistrat und das Gemeindekolleguium, insbesondere aber die als Sachverständige beigezogenen Professoren Jäger und Wanderer sowie Kaufmann Arnold als Vertreter der Hertelschen Stiftung einverstanden waren, begann man mit den unmittelbaren Vorbereitungen. Ein Kostenvoranschlag, der insgesamt 5500 Mark Ausgaben vor­ sah, wurde ausgearbeitet, die Werkzeichnungen der Pläne waren im Frühjahr 1874 vollendet172). Aber nun trat in diesem Jahre eine Stockung ein; am 4. August 1874 bean­ tragte nämlich der Direktor des Germanischen Museums, August von Essenwein, beim Magistrat die Vereinigung der städtischen Sammlung und die Bildung einer städtischen Galerie innerhalb der Sam ml ungen des Germanischen Museums. Noch im Oktober des gleichen Jahres starb der städtische Konser­ vator Heinrich Ludwig Petersen, und so mußte man sich auch über die künftige Betreuung der Sammlung schlüssig werden. Die Entscheidung fiel zugunsten einer Vereinigung mit dem Germanischen Museum. Schon am 8. Februar 1875 beschloß die hierfür eingesetzte Magistratskommission, „die zur Zeit im kleinen Rathaussal stehenden Sammlungen, dazu das deponierte Eigentum der früheren Gewerbe und das Kupferstichkabinett dem Germanischen Museum zu übergeben* die Gemälde sollten aber im Rathaus bleiben"17S). Der Magistrat trat am 10. Februar diesem Beschlussfe bei; ja er wollte auch noch die Pokale der Wohltätigkeitsstiftungen dem Museum überlassen. Das Projekt, das die Ver­ legung der städtischen Kunstsammlungen in das Dominikanerkloster vorsah, war damit endgülig gefallen. Die Sammlung im Rathaus wurde im gleichen Jahre geschlossen und mit der Übertragung der Kunstwerke in das Germanische Museum sofort begonnen. Man arbeitete einen Mietvertrag zwischen dem Ma­ gistrat der Stadt Nürnberg und dem Germanischen Museum aus, der bereits am 22. Mai 1875 die Genehmigung des bayerischen Kultusministeriums fand. Die *70) 17M 172) 173)

HR. V d 4 Nr. 35, 67, 69. HR. V d 4 Nr. 35. HR. V d 4 Nr. 39. HR. V d 4 Nr. 35.

151

Stadt mietete demnach in aller Form ab 1. Mai 1875 um den jährlichen Betifcg von 1200 Mark zwei aneinanderstoßende Zimmer im Erdgeschoß des damals vollendeten Augustinerbaues im Germanischen Museum samt dem sogenannten Konferenzzimmer und verpflichtete sich, in diesen \ Räumen einen Teil der städtischen Kunstsammlung aufzustellen und die Aufsicht darüber dem Direktor des Germanischen Museums zu übertragen. Eine jederzeitige Zurücknahme oder auch Revision der Sammlungen war Vorbehalten; auch sollte die städtische Sammlung an zwei Wochentagen zum unentgeltlichen Besuch geöffnet bleiben 174). Die Übertragung und Aufstellung der städtischen Kunstschätze, mit denen auch die goldenen und silbernen Pokale der Wohltätigkeitsstiftungen vereinigt wurden, begann sofort. Bereits am 16. Oktober 1875 war der Transport aller Werke durchgeführt. Bei der Neuaufstellung merkte man jedoch sehr bald, daß hierzu die zwei im Vertrage vorgesehenen Räume bei weitem nicht ausreichten, so daß schon im Januar 1876 in einem Nachtrag zum erwähnten Vertrage v,om Germanischen Museum drei weitere Säle und ein Kreuzgangflügel im Augustiner­ bau für die plastischen Kunstwerke und die Glasgemälde an die Stadt ver­ mietet wurden, ferner ein Raum als Depot für die Zunftaltertümer und ein Saal für die Kupferstichsammlung176). (Anm. 19). Die Erwerbung der Sammlungen des Handelsgerichtsasse&sors Johann Jakob Hertel

Am 26. Januar 1852 starb der Kaufmann und Handelsgerichtsassessor Johann Jakob Hertel, der bereits am 31. Dezember 1840 seine umfangreichen Samm­ lungen der Stadt Nürnberg vermacht hatte. Die gesetzlichen Erben fochten jedoch dieses Testament mit der Begründung an, daß Hertel der Handelsfirma Fendler & Co., deren Teilhaber er war, einen wesentlich größeren Betrag sdiuldete als der Vermögenswert seiner Sammlung ausmachte, so daß einem Gesamtveimögen von 94 800 Gulden etwa 108 000 Gulden Passiva gegenüberstanden. Es entspann sich ein langer Rechtsstreit zwischen der Stadt Nürnberg und den Erben, bei dem es vor allem darum ging, daß die Stadt nicht, wie die Erben es wünschten als Universalerbin auftrat und damit auch die finanziellen Verpflichtungen Heitels gegenüber seinen Teilhabern mit übernahm, sondern lediglich Ver­ mächtnisnehmerin sein wollte176). Nach langen Verhandlungen kam schließlich am 24. November 1862 ein Vergleich zustande, der im wesentlichen auf eine Teilung des Nachlasses hinauslief, das heißt die Erben behielten einen Teil der Sammlungen zurück, um sich für die Schulden und finanziellen Verpflichtungen des Erblassers schadlos zu halten, während der andere Teil der Sammlung in den Besitz der Stadt überging. Wenn auch die yolle Erfüllung des Testaments dadurch unmöglich schien, so war doch der Teil der Sammlung, der nach dem Vergleich an die Stadt Nürnberg .fiel, so wertvoll, daß er als die größte und glücklichste Erwerbung bezeichnet werden darf, die den städtischen Kunstsamm­ lungen je zuteil wurde177). Das Verzeichnis enthielt an erster Stelle 19 Ge­ mälde, fast sämtlich hervorragende Meisterwerke. Es sei nur auf die „Ma­ donna mit dem Kinde' (1509) von Hans Burgkniair hingewiesen, auf die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" von Hans Baidung-Grien und das Bild174) Städt. Galerie, Vertragsabschrift. i?5) ebenda, Nachtrag und Zusatzvertrag. 178) HR. V 4 Nr. 3—8. 177) Rathaus, Lagerbuchhaltung, Vergleich vom 24. November 1862 (Original).

152

nis eines jungen Mannes von Jakob Elsner, das Hertel 1832 aus der Samm­ lung Heinlein erworben hatte und das aus dem von Praunschen Kunstkabinett stammte, oder auch auf das angebliche Selbstbildnis von Rembrandt (bis 1832 Sammlung Heinlein), eine Landschaft von Jakob Ruysdael, ein Seestück von Willem van de Velde» den „Flötenbläser“ von Johann Kupetzky, eine Italienische Landschaft von Wilhelm von Bemmel. Leider lassen sich bei den meisten die Vorbesitzer nicht ermitteln. Die Zahl der an die Stadt überlassenen Glasgemälde betrug nach dem Katalog Hertels 54 (bei einer Gesamtzahl von 92). Drei gehörten dem 15. Jahrhundert, 34 dem 16. und 17. Jahrhundert an. Teils waren 'diese überaus wertvollen, farbenprächtigen Scheiben Nürnberger Herkunft, teils waren es Werke der Schweizer Renaissance. Hertel hatte sie zum allergrößten Teil auf der am 8. August 1832 durch J. A. Börner vorge­ nommenen Versteigerung des Anton Paul Heinleinschen Kunstkabinetts (Haupt­ markt) erworben (Anm. 20). Eine überaus umfangreiche Sammlung graphischer Blätter hatte Hertel angelegt: Aquarelle und Handzeichnungen, Kupferstiche und Radierungen, Schabkunstblätter und Steindrucke.. Sie enthielt mehrere tausend Arbeiten deut­ scher, niederländischer, französischer und englischer Meister. Von dem einige hundert Namen umfassenden Bestand an Handzeichnungen und Aquarellen gingen allerdings nur 21 an die Stadt über (Anm. 21). Dagegen gelangten Hertels Druckgraphiken fast sämtlich in den Be­ sitz der Stadt Nürnberg (mit Ausnahme der Werke von Wenzel Hollar, Rem­ brandt, Londino, Hogart, Ploos van Amstel), alles in allem über 6000 Blätter, unter denen fast jeder bekannte Meister vertreten war. Hervorzuheben sind etwa 170 Blätter von Albrecht Dürer und das gesamte graphische Werk Daniel Chodowieckis, das etwa 1000 Blätter aufweist. Aus der Hertelschen Sammlung von Plastiken, die nicht allzugroß war, fielen nur einzelne Stücke den Nürnberger Kunstsammlungen zu, vor allem kleinere Bildwerke (Anm. 22). Dazu kam noch der prächtige Imhoffsche Grabteppich von 1571 und ein rechteckiger Tisch aus dem 17. Jahrhundert mit Einlegearbeiten aus verschieden­ farbigen Zierhölzern. Von der Münzen- und Medaillensammlung, die Johann Jakob Hertel besaß und die im ganzen 495 Münzen und 634 Medaillen umfaßte ging eine kleine Reihe besonders erlesener Stücke in den Besitz der Stadt über. Es waren 32 deutsche Münzen des 17. und 18. Jahrhunderts (mit 23 Dubletten), darunter 11 nürnbergische; außerdem 29 Nürnberger Gold-, Silber- und Bronze­ medaillen des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts, die zur Erinnerung an bekannte Nürnberger Persönlichkeiten und an wichtige geschichtliche Ereignisse in der Stadt geprägt waren. Endlich gelangte aus der Sammlung Hertel eine größere Anzahl von wert­ vollen astronomischen Instrumenten in die städtische Obhut. So z. B. ein Tubus mit Pyramidalstativ, 3 weitere Tubi, 3 Zugfernrohre, je ein Mikroskop, 1 Quadrat, 1 Lichtfasser, 1 Glas-Prisma, 1 achromatischer Sucher und eine vollständige Einrichtung für eine Sternwarte. Diese Instrumente wur­ den der Polytechnischen Schule vom Magistrat zum unterrichtlichen Gebrauch überwiesen. Schließlich wurde die Bibliothek Hertels (insgesamt 444 Bücher) der Stadtbibliothek einverleibt. 153

So brachte die Sammlung Hertel in ihrer Vielseitigkeit den städtischen Kunstsdiätzen einen großartigen Zuwachs. Sie rundete nicht nur die Samm­ lungen in höchst erwünschter Weise ab, sondern bildete in manchen ihrer Abteilungen gleichsam einen festen Kern, der für den weiteren Ausbau von ent­ scheidender Bedeutung wurde.

Die einzelnen städtischen Fachsammlungen Bildwerke, kunstgewerbliche Gegenstände• „Zunftaltertümer", wissenschaftliche Instrumente Die städtische Sammlung plastischer Gegenstände stellt keinen alten Be­ stand aus reichsstädtischer Zeit dar? denn eine solche Sammlung gab es streng genommen vor dem 19. Jahrhundert überhaupt nicht. Erst als man in den Jahren nach 1806 verschiedene Nürnberger Kirchen abbrach oder auch sonst zum Teil ihres bildnerischen Schmuckes beraubte, waren zahlreiche plastische Kunstwerke verfügbar, die zum Teil zwar in andere Kirchen übertragen, zum anderen Teil aber von der Stadt übernommen und somit erst eigentlich zu „Museumsstücken" gemacht wurden. 'Schon bald nach dem Einzug der Kunstschule in die neuen Räume auf der Burg erhielt diese Anstalt eine kleine Sammlung plastischer „Vorbilder" von der Stadt überwiesen178). Es war dies aus der 1807 eingelegten Dominikanerkiiche die sogenannte Nürnberger Madonna, dann ein Rosenkranzrahmen aus der Werkstatt des Veit Stoß, in den man einen nicht zugehörigen Kruzifixus einfügte, und das steinerne Grabdenkmal des 1637 in Nürnberg verstorbenen kur sächsischen Gesandten von Blansdorf. Aus der Katharinenkirche kam eine Krönung Marias dazu (gefasstes Holzrelief j Stiftung für Ursula Horn, 1490), aus der Frauenkirche die große Rosenkranztafel (Werkstatt des Veit Stoß). An weltlichen Kunstwerken fügte man aus der einstigen städtischen Glockengießerei einiges bei: die aus der Werkstatt des Peter Vischer stammende Figur des hl. Wenzel (Güßmodell für ein Bronzebildwerk im Veitsdom zu Prag), ferner das Modell einer Löwin aus der gleichen Werkstatt sowie das Holzmodell der Grabstätte für den 1634 gefallenen schwedischen Obersten Klaus Hastver; end­ lich aus dem Schießhaus am Sand die Bronzefigur des Apollobrunnens (Werk­ statt des Peter Vischer). Woher das ebenfalls schon 1818 auf der Burg er­ wähnte, dem Peter Dell zugeschriebene Holzrelief „Allegorie auf das Christen­ tum" und ein kleines Relief aus Solnhofer Stein mit dem Bildnis des Pfalz­ grafen Philipp, Bischofs von Freising und Naumburg (1524; von Loy Hering)l7p), stammte, läßt sich nicht sicher nachweisen. Wahrscheinlich warem sie mit den zahlreichen 1810 aus Bamberg eingelieferten Gemäldebeständen in die Nürn­ berger Sammlung geraten, ebenso wie zwei Steinrahmen mit Mosaik-Darstel­ lungen von Blumen in Vasen (Florentinische Arbeiten). Abgesehen von der be­ reits erwähnten vorübergehenden Eingliederung des Englischen Grußes von Veit Stoß aus der Lorenzkirche (1811—17), fand die Sammlung von Bildwerken auf der Burg keinerlei Mehrung; sie diente ja vor allem Lehrzwecken und sollte in bescheidenem Maße die Gemäldegalerie ergänzen. Erst als die Kunstgewerbeschule im Jahre 1833 aus der Burg in die Räume des ehemaligen Landauerschen Zwölfbrüderhauses übersiedelte, fügte man der IW) 179)

154

stadtav. N., HR. II 8. 10 Nr. 6. ebenda und HR. V d 4 Nr. 13.

Sammlung den noch in der Landauer Kapelle stehenden Originalrahmen des Dürerschen Allerheiligenbildes ein. Aber es vergingen noch Jahrzehnte, bis sich der Magistrat zu einem systematischen Sammeln von Bildwerken und Kunst­ gewerbe entschließen konnte. Am 13. November 1851 faßte man auf Antrag des Kunstpflegers, Magistratsrat Wagler, den Beschluß, „daß die Antiquitäten, welche die Stadtgemeinde noch besitzt, nicht in fremde Hände zur Aufbe­ wahrung überlassen, dieselben vielmehr zusammengesucht, geordnet, in ein eigenes Lokal untergebracht und auch dem Publikum zur Ansicht ausgestellt werden sollten“180). Als dann am 24. Mai 1852 Herr von Aufseß für die Er­ öffnungsfeier des Germanischen Museums einen Reliquienkasten (vom Jahre 1649) aus der Stadtbibliothek als Leihgabe wünschte, ferner einen Harnisch aus der Kunstgewerbeschule, lehnte der Magistrat dieses Gesuch rundweg ab181). Bald mehrte sich die Sammlung übrigens durch eine Stiftung: Am 30. Septem­ ber 1852 schenkte Marktvorsteher von Förster eine Marmorbüste Thorwaldsens von Bildhauer Heller. Am gleichen Tage beantragte Direktor Reindel, die Gruppe des Richters aus der Ratsstube der Kunstsammlung im Landauerschen Zwölfbrüderhause einzuverleiben, was schon am 30. Dezember die Genehmigung des Magistrats fand182). Eine wesentliche Bereicherung erfuhr jedoch die Samm­ lung erst im Jahre 1862, als ihr die aus der Sammlung Hertel erworbenen, bereits erwähnten Kleinbildwerke eingegliedert wurden. Erst durch diesen Zu­ wachs ist das vorherige, gleichsam zufällige Sammelsurium von plastischen Werken zu einer Sammlung im eigentlichen Sinn geworden, die einen weiteren systematischen Ausbau erforderte und überhaupt erst ermöglichte. Als man die Sammlung mit der Eröffnung der neuen Galerie im Rathaus 1867 neu auf­ stellte und dem Publikum zugänglich machte, war es daher nur folgerichtig, sie durch eine Anzahl von weiteren Werken der alten Bildhauerei zu ergänzen und hier alles zu vereinigen, was sich an Denkmälern dieses Kunstgebietes in städtischem Besitz befand. So kamen verschiedene Werke hinzu, die einst in Nürnberger Kirchen ihren Platz hatten183): Aus der Frauenkirche ein kniender holzgeschnitzter Leuchterengel, aus der Dominikanerkirche ein Madonnenrelief (Gerungsepitaph, 1495), aus der Salvatorkirche eine Madonna mit Kind, aus der Katharinenkirche ein sogenannter Palmesel (Anfang des 15. Jahrhunderts) und die Meistersingertafel* aus der Stadtbibliothek ein kleines Hausaltärchen. Weiterhin das Stadtmodell von Hans Wilhelm Beheim (um 1616) und schließlich seit 1863 die prächtige, aus der Sammlung von Förster (ehemals der von Volckamerschen Sammlung) stammende Darstellung eines Hundes (Bronzeguß, Werkstatt Peter Vischers) sowie 1870 als Leihgabe der Kunstgewerbeschule das Holzmodell des Gänsemännchenbrunnens von Pankraz Labenwolf, übrigens schenktel84) Hans Freiherr von Aufseß in den 1860er Jahren einen gläsernen Pokal mit der eingeschliffenen Ansicht des Nürnberger Rathauses und im Jahre 1871 überließ Magistratsrat Andreas Winter einen silbernen Pokal (Filigran­ arbeit seines Vater). 1875 wurden auch die Kunstwerke der Wohltätigkeits­ stiftungen dieser Sammlung einverleibt, nämlich zwei goldene Becher (je einer Eigentum der Seifried-von-Pfinzing-Stiftung und der Burkhard-von-LöffelholzStiftung), ebenso ein Wappen der Familie Münzer (Solnhofener Stein, von 1577). 1879 wurde endlich ein Kruzifix aus dem 16. Jahrhundert von der sogenannten Korrektionshausstiftung der städtischen Sammlung im Germanischen Museum 18°) 181) 182j 188) t84)

HR. V d 4 Nr. 13. ebenda. ebenda. HR. V d 4 Nr. 35. HR. V d 4 Nr. 20, 53. — Städt. Galerie, Katalog 2, S. 788.

155

übergeben. Was sonst noch in diesem Zeitraum an plastischen Werken in die Sammlung gelangte, stammte erst aus dem 19. Jahrhundert (Anm. 23). Im Jahre 1869 war den städtischen Kunstsammlungen noch ein überaus wertvoller Gewinn an Zunftaltertümem zuteil geworden185). Die 1868 auf­ gelösten Alt-Nürnberger Handwerksvereinigungen übergaben sämtlich ihre In­ signien und Altertümer der Obhut des Stadtmagistrates. Dieser gelangte so in den Besitz von 20 Handwerksladen des 16. bis 18. Jahrhunderts (Beutler, Buch­ binder, Bürstenmacher, Büttner, Fleischer, Kürschner, Lebküchner, Müller, Nag^lSdimiede, Schleifer, Schlosser, Schneider (2), Schuster, Strumpfwirker, Wagner, Zirkelschmiede), 19 Gewerbefahnen, 13 altertümlichen Kostümen für die Fahnen­ träger, den Meistertafeln fast von jedem Gewerbe, Meister- und Gesellenbüchern, originalen Handwerksordnungen, Urkunden samt zugehörigen alten Holzbehältern, Siegeln, Rechnungs- und Aufschreibbüchern, Herbergsschildern, in vergrößertem Maßstab ausgeführten Schau-Werkzeugen, Gewerbeabzeichen und Erzeugnissen der betreffenden Handwerke (wie z. B. eine Rüstung der Flaschner). Dazu kamen noch verschiedene Zinnkannen, Zinnkrüge und Zinnteller. Besonders wertvoll waren die fünf von den Gastwirten abgegebenen silbervergoldeten Pokale und Becher des 17. und 18. Jahrhunderts, je ein weiterer Silberpokal der Schneider (1586), der Goldschmiede (Ende des 16. Jahrhunderts), der Spezereihändler (1675), endlich ein silbervergoldeter Becher der Schlosserinnung (1708). Alle diese Gegenstände wurden der Stadt unter Vorbehalt des Eigentums- und des Benützungsrechtes (für außerordentliche Fälle) durch die betreffenden Gewerbe übergeben. Lediglich die Gastwirte hatten bestimmt, daß nach dem Tode aller einstigen Innungsmitglieder ihre fünf Pokale endgültig in das Eigentum der Stadt übergehen sollten. Bereits im Jahre 1871 teilte die Stadt verschiedene zur Sammlung Hertel gehörige mathematisch-astronomische Instrumente, die bis dahin der Nürnberger Handelsschule zu Lehrzwecken belassen waren, dem Germanischen Museum zu, ferner ein Schiffsmodell, das Modell eines sächsischen Bergwerks und ein Fähn­ chen, das auf dem ersten Schiff des Ludwig-Donau-Main-Kanals geweht hatte. 1872 überließ man auch die vollständige Rüstung aus dem 15. Jahrhundert, die lange das Amtszimmer des Vorstandes der Kunstgewerbeschule geschmückt hatte, dem Germanischen Museum, ebenso eine Kastenspritze von 1699 und verschiedene aus dem alten Bauamt stammende „architektonische und plasti­ sche Gegenstände", wie die Figur einer Andromeda aus Messing, eines Silenus aus Blei, eines Drachen und einer Sirene. 1874 kamen noch zwei Tartschen und zwei Jagdspieße, eine Feuerspritze und der Rest der architektonischen und plastischen Gegenstände aus dem Bauamt hinzu, darunter Figuren, Wasser­ speier, Brunnenaufsätze, ein Aichpfahl von 1599 aus dem Dutzendteich, drei Holzmodelle (zwei Dachstühle und ein Hebewerk auf Rädern), endlich zwei Konvolute mit alten Plänen und Kostenvoranschlägen über die Fleischb rücke und andere Nürnberger Örtlichkeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts. Im Jahre 1877 wurden die wertvollen, bisher in der Stadtbibliothek verwahrten mathe­ matischen und astronomischen Instrumente in das Museum Verbracht, 1878 folgte der bis dahin im Rathaus verbliebene Teil der zur Sammlung Hertel gehörigen astronomischen Geräte sowie 35 Fußbodenfliesen samt 26 Bruch­ stücken, weitere 15 Bronzeepitaphien aus Nürnberger Friedhöfen, ein Eisen­ schloß des 16. Jahrhunderts, ein 1878 unter dem Pflaster der Gostenhofer Hauptstraße gefundenes Schwert des 14. Jahrhunderts und eine aus der ein*85) HR. V d 4 Nr. 35, 67, 69.

156

stigen Malerakademie stammende Sammlung von 4005 Gemmen-Abgüssen188). Nachdem 1882 aus städtischem Besitz noch zwei alte Spiegel, eine von Philipp Schwanhardt geätzte Glasplatte (1686) und ein grüner Glaskonus aus der ehemaligen Universität Alt dort in das Germanische Museum verbracht waren, 1883 vier Flügel vom Spittler- und Neuen Tor samt 11 alten Wappen­ steinen dieser Tore und endlich 1888 noch vier Feuerspritzen des frühen 19. Jahrhunderts folgten, konnte auf diesem Gebiete von einer selbständigen städtischen Sammlung keine Rede mehr sein; sie war fast restlos mit den Sammlungen des Germanischen Museums vereinigt. Die Aufzählung all dieser Gegenstände, die zum Teil eines besonderen Kunstwertes entbehren, ist nur deswegen etwas ausführlicher erfolgt, weil sie im Rahmen des Germanischen Museums sehr zurücktraten, während dergleichen Dinge in anderen Orten einen Hauptbestandteil der Stadt- und Heimatmuseen bilden, Nürnberg kann sich aber auch in dieser Hinsicht ohne weiteres mit anderen Städten messen. Glasgemälde Glasgemälde gehören zu den Kunstgegenständen, die erst seit den großen Veränderung eil im Anschluß an die französische Revolution gesammelt werden? denn eine solche Sammlung setzt von selbst voraus, daß viele Räume ihres ursprünglichen Fensterschmuckes beraubt wurden und daß umfangreichere Zer­ störungen erfolgt sein mußten, bis einmal auch die Glasgemälde in wahlloser, bunter Reihe sich in der Hand irgendeines Sammlers wieder vereinigten. Die Stadt Nürnberg hatte den ersten unbeabsichtigten Grundstock einer Glasgemäldesammlung erhalten, als in den Jahren 1807 bis 1809 mit dem Rat­ haus auch die Ratsstube einer neuen Bestimmung zugeführt und ihrer präch­ tigen Glasgemälde — vor allem der vier Tafeln von Christoph Maurer 1597/98 — beraubt wurdel87). Anläßlich des Verkaufs und der Einlegung der alten Dominikanerkirche (1807) erhielt das Generalkommissariat des Pegnitzkreises den Auftrag, die zurückbehaltenen Glasmalereien einzupacken und zur Aus­ stellung im Rahmen der Kgl. Kunstsammlungen nach München zu senden. Sie blieben aber größtenteils doch in Nürnberg und gelangten — wenigstens teil­ weise — in die städtische Sammlung. Die Gemäldesammlung auf der Kaiserburg enthielt 1811 im ganzen nur zwei Glasgemälde, die Eigentum der Stadt waren? sie stammten aus der alten Ratsstube. Es handelte sich um die erwähnten farbenprächtigen Arbeiten von Christoph Maurer (1597 98), Darstellungen der Nürnberger Wappen, gehalten von den allegorischen Gestalten des Friedens, der Gerechtigkeit und der Ein­ tracht188). Zu diesen zwei Scheiben gehörten noch zwei weitere, die im Jahre 1812 auf Betreiben des Zentralgäleriedirektors von Männlich durch Bauinspek­ tor Keim nach München gesandt und den Sammlungen zu Schleißheim einge­ reiht wurden. Im Jahre 1839 versuchte der Nürnberger Magistrat, diese Tafeln — die eine zeigte drei allegorische Figuren, die andere eine Darstellung von Salomos Urteil — durch ein Gesuch an den König nach Nürnberg zurücfczugewinnen, Es gelang aber nur, sie als Leihgaben des Staates ausgeliefert zu erhalten189)? sie befinden sich noch heute als solche im Germanischen Museum. Noch im gleichen Jahre 1839, anläßlich des Galerieneubaues im (Landauerschen ,8fl) 187) 188) 189)

Stadt. Galerie, Katalog 2 und 3. Staatsav. N.r Rep. 232 Nr. 2382. Stadtbibliothek Nor. H 352. HR. V d 4 Nr. 13.

157

Zwölfbrüderhause, beschloß der Magistrat, auch eine kleine Sammlung alter städtischer Glasgemälde anzulegen und mit der Gemäldegalerie zu verbinden. Deren Hauptstücke bildeten zunächst vor allem die zwei erwähnten Tafeln von Maurer aus der Ratsstube, ferner zwei weitere große Tafeln aus dem Rathaus mit dem Nürnberger Wappendreiverein auf der einen und den Wappen der reichsstädtischen Septemvirn des Jahres 1658 auf der anderen, Arbeiten des bekannten Nürnberger Glasmalers Johann Schaper aus dem letztgenannten Jahrelf0). Weitere Nürnberger Glasmalereien sollten in zwei Fensterstöcken des Treppenhauses (mit je acht Abteilungen) zusammengestellt werden. Auf Antrag von Direktor Reindel wurden die bis dahin fn der Registratur der Unterricbjtsstiftungen verwahrten ifünf gemalten Feqsitertafeln sowie 13 ge­ malte runde Wappenscheiben und , »mehrere Scherben'1 restauriert und im Juli 1839 für diesen Zweck verwendet191). Es waren Scheiben aus der Domi­ nikaner-, Augustiner- und Katharinenkirche mit insgesamt 17 Wappenmedaillons Nürnberger Patrizier aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Dazu kamen zwei prächtige Tafeln aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (St. Hieronymus am Bet­ pult und Wappen Hans (VI.) Tuchers samt denen seiner beiden Frauen), ferner eine Tafel mit dem Wappen des Abtes Hieronymus Hölein von Ebrach (1598), wahrscheinlich aus dem Ebracher Hof, weiter ein Brandenburger Wappen und sechs Scheiben mit Bildnisdarstellungen des Brandenburg-Ansbacher Geleitmannes Georg Tratz und seiner vier Söhne (um 1612), wohl alle aus dem ehemaligen Heilsbronner Hof stammend, endlich ein Wappen der Pfarrei St. Lorenz. Alles in allem hatte damit die Stadt eine Sammlung von 38 Glasgemälden aufzu­ weisen, die zusammen mit der Gemäldesammlung im Landauerschen Zwölf­ brüderhause ausgestellt wurde192) und solange diese bestand, keinerlei Ver­ änderungen erfuhr. Erst als im Jahre 1862 aus der Sammlung Hertel 54 Glas­ gemälde hinzukamen, die auch diesen Bestand erst zur eigentlichen Sammlung machten, entstand der Plan, alle bisher noch verstreuten Nürnberger Glas­ gemälde mit diesen zu vereinigen. So wurden im Juni 1865 auf Antrag des Bürgermeisters Seiler aus den Räumen der Stadtbibliothek alle dort noch vor­ handenen Glasmalereien in die städtischen Kunstsammlungen verbracht 193(). Es handelte sich um drei große Und 18 kleine Wappenmedaillons aus dem städtischen Leihhause (dem ehemaligen Klarenkloster). Diese sämtlichen Schei­ ben wurden nun in Rahmen zusammengefaßt und mit noch weiteren nach und nach wieder aufgefundenen der städtischen Sammlung im Rathause einverleibt, wo sie bis zu deren Auflösung (1875) verblieben, um dann mit in das Ger­ manische Museum überführt zu werden. Der Bestand hatte damals im ganzen etwa 240 Tafeln erreicht194) und veränderte sich seitdem nicht mehr; nur daß man im Jahre 1889 noch zwei Scheiben des 15. Jahrhunderts (Verklärung und Einzug Christi in Jerusalem) aus dem Leihhause (ehemals Klarenkloster) hinzufügte, während umgekehrt im Jahre 1907 acht Scheiben mit Darstellungen aus der Legende des St. Dominikus (um 1519; ehemals in der Dominikanerkirche) aus der Sammlung entnommen und in Fenster der Ratsstube eingesetzt wurden, so daß die Sammlung heute etwa 230 Glasgemälde aufweist. Es sind Werke des späten 15. bis 19. Jahrhunderts (darunter 98 Wappenscheiben und -medaillons Nürnberger patriziatischer und ehrbarer Familien), die zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Rathaus, vor allem aber den nachher abgebrochenen IW) HR. V d 4 Nr. 13 und 14. 1*1) HR. Vi d 4 Nr. 13 und 14. i*a) Landauerbrüderhaus (Gemäldekatalog). l»3) HR. Vi d 5 Nr. 35. i®*) Städt. Galerie. Katalog 3.

158

Kapellen, Klosterkirchen und -gebäuden, entfernt und magaziniert wurden. Ihre spätere rein systematische und chronologische Zusammenfügung in be­ sonderen Rahmen ist so recht ein Beispiel für das museale Verfahren der damaligen Zeit, das den einzelnen Kunstgegenstand nur für sich betrachtete und auf seine Herkunft und einstige Bestimmung keine Rücksicht mehr nahm. Eine völlig genaue, restlose Bestimmung, von welchen kirchlichen oder welt­ lichen Gebäuden alle diese Scheiben im einzelnen stammen, erfordert überaus umfangreiche, gründliche Studien, die bis jetzt noch nicht zum Abschluß ge­ bracht werden konnten. Die sichere Feststellung des ursprünglichen Standortes aller Scheiben wird sich aber schon wegen der Ungenauigkeit und Mangelhaftig­ keit der alten Beschreibungen und des sonstigen Quellenmaterials wohl kaum mehr restlos ermöglichen lassen. Graphik

Zur Zeit des Verlustes der reichsstädtischen Selbständigkeit besaß Nürnberg zwei Graphiksammlungen: eine in der alten Malerakademie, die 973 Kupfer­ stiche und Holzschnitte in 13 Bänden, weitere 209 einzelne Kupferstiche und 162 Handzeichnungen umfaßte, und eine größere in der Stadtbibliothek mit insgesamt 5000 bis 6000 Einzelbauern195). An diesem Bestand änderte sich auch in der folgenden Zeit nichts, nur daß die Sammlung der Malerakademie von deren Nachfolgerin, der Kunstschule, übernommen wurde. Erst im Jahre 1818 erhielt die Schule die aus mehreren tausend Blättern bestehende Sammlung von Kupferstich-Bildnissen, die der Altdorfer Universitätsprofessor Dr. Trew (nebst einer größeren Büchersammlung) seiner Hochschule vermacht hatte198), Sie war bei deren Aufhebung 1809 nach Nürnberg verbracht und zunächst dem neugegründeten Realinstitut zu Lehrzwecken überlassen worden? als aber auch dieses schon 1816 wieder aufgehoben wurde, bewahrte man die Kupferstichsammlung zunächst im Rathaussaal auf, bis sie, wie erwähnt, auf Reindels Amtrag die Kunstschule auf der Burg zur Benützung erhielt. Diese Trewsche Sammlung mußte allerdings später auf Anordnung der Regierung an die Uni­ versität Erlangen ausgeliefert werden197)? nur ein kleiner Teil der Porträt­ sammlung blieb in der Stadtbibliothek, da er bereits mit allen seinen Einzel­ blättern völlig unter die übrige dortige Sammlung eingereiht war, so daß ein Wiedererkennen und -zusammensuchen nicht mehr möglich erschien. Aber auch der Stadtmagistrat Selbst war bestrebt, Kupferstiche zeitge­ nössischer Meister, die in ihrer Bedeutung damals allgemein überschätzt wurden, zu sammeln und beschloß daher am 26. August 1822. „daß jeder lebende Kupfer­ stecher hier jetzt und künftig einen Abdruck von jeder Platte zur Gründung einer städtischen Kupferstichsammlung abzugeben eingeladen werde'*198). Es ist sicher, daß sich dieser Beschluß nicht streng durchführen ließ? aber eine größere Anzahl von Kupferstichen gelangte doch dadurch in den Besitz der Stadt. Innerhalb dieser städtischen Graphiksammlung gingen nun im Laufe der nächsten Jahrzehnte insofern größere Verschiebungen vor sich, als es Direktor Reindel gelang, eine Anzahl von Kupferstichen und Radierungen aus der Stadtbibliothek für seine Kunstgewerbeschule zu Lehrzwecken überwiesen zu er­ halten. Dies war schon 1822 mit einem Teil der Holzschuherschen Sammlung 105) 19e) l9‘) 198)

Stadtav. N., HR. II 8. 10 Nr. 6. Stadtav. N., HR. II 8. 10 Nr. 6. ebenda. HR. V d 4 Nr. 20.

159

der Fall. 1836 wurden durch Magistralsbeschluß weitere 348 Blätter aus der Stadtbibliothek an die Kunstgewerbeschule abgegeben, darunter 36 Stiche Dürers, 18 Prospekte von Wenzel Hollar, 14 „Imagines Christi und der Apostel“ von Lukas Kilian, 17 Tierbilder von J. E. Ridinger und 53 Delsenbachsche Nürn­ berger Prospekte, ferner 330 Prospekte und Grundrisse, 840 Bildnisse, meist von Nürnberger Patriziern, und 700 Kupferstiche „historischer, naturwissen­ * 3 *Reinael griff übrigens auch von schaftlicher und landwirtschaftlicher Art" l®9). sich aus in den Bestand der städtischen Graphiksammlung ein, als er im Jahre 1833, allerdings mit Genehmigung der städtischen und staatlichen Aufsichts­ behörden, 136 städtische Kupferstiche gegen 3 zeitgenössische vertauschte (Bild­ nis des Vizekönigs Eugen Beauharnais von Longhi, Bildnis des Jerome Bona­ parte von Müller, „Corinne auf dem Kap“ von Prevost) 20°). Zwei große Neuzugänge an graphischen Werken erfolgten in diesem Zeit­ raum: Im Jahre 1835 erwarb die Stadt die Bibliothek des Hofrats Schwarz, bei der sich auch ein Konvolut von Kupferstichen (meist Norika) befand201). Ihre Zahl läßt sich deshalb nicht genau angeben, weil ein eigenes Verzeichnis darüber niemals vorhanden war und sie nach ihrer Katalogisierung sofort in die übrige Sammlung eingereiht wurden? immerhin muß es sich um mehrere hundert gehandelt haben. Weit größer war der Zuwachs, den die Stadtbibliothek im Jahre 1844 an graphischen Werken erfuhr. Der in diesem Jahre verstorbene Nürnberger Kaufmann Georg Paul Amberger vermachte der Stadt nicht nur seine umfangreiche Norika-Bibliothek, sondern auch seine überaus bedeutende Samm­ lung von Kupferstichen 202). Letztere bestand aus 5719 nach Müllers Verzeichnis geordneten Prospekten, Ansichten und anderen Darstellungen aiis dem 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert, ferner aus 1423 „neuen Porträten“, die in zwei große Bände eingeklebt waren, und schließlich aus 23 Faszikeln mit „alten Porträten“, meist von Nürnbergern (Anm. 24). Dagegen erscheinen die Neuerwerbungen der bei der Kunstgewerbeschule verwahrten Graphiksammlung in diesem Zeitraum sehr gering (Anm. 25). Neben einigen unbedeutenden Geschenken hielten sich die Ankäufe für die graphische Sammlung in bescheidenen Gienzen 208). 1866 gelang es, das Skizzen­ buch des Architekten Baron Haller für 25 Gulden zu erwerben, 1867 schaffte man „zur Vervollständigung von Werken einzelner lebender Meister“ ausge­ rechnet das Blatt „Lais Corinthica“ von dem Basler Kupferstecher Weber an? im gleichen Jahre wurde ein Werk mit etwa 200 Lithographien um 50 Gulden angekauft, 1869 folgte das Werk „Adam Krafft und seine Schule'*, 1871 die von Rudolf Geißler illustrierten Bände „Glückliche Reise“ und „Kleine Welt“. Erst 1873 glückte der Ankauf zweier Dürer-Stiche („Christus am Ölberg“ und „St. Franziskus“). Abgesehen von der letzten beweisen jedoch all diese Neu­ erwerbungen, wie sehr man damals einzelne Kupferstiche, — zumal wenn sie Werke der Malerei Wiedergaben — überschätzte. So müßte der Zuwachs dieser Teile der städtischen Graphiksammlung als überaus gering bezeichnet werden, wenn nicht im Jahre 1862 durch die Erwerbung der Sammlung Hertel Tausende von Blättern hinzugekommen wären, so daß der Gesamtbestand dadurch auf über 10 000 stieg. Diese Sammlung wurde im Jahre 1875 zusammen mit den anderen städtischen Kunstsammlungen der Obhut des Germanischen National­ museums übergeben. IM) HR. V d 4 Nr*, 13. 30°) Bay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155, Vol. III. 201) HR. V d 5 Nr. 35. 3°ß) Stadtbibliothek, Katalog von 1844. 203) HR. V d 4 Nr. 20, 35.

160

Münzen und Medaillen Die Stadt Nürnberg ist seit dem frühen 19. Jahrhundert auch im Besitz einer sehr umfangreichen Münzen- und Medaillensammlung, die sich wieder aus ver­ schiedenen in sich geschlossenen ehemaligen Privatsammlungen zusammensetzt und deren Erwerbung fast durchwegs auf dem Wege des Vermächtnisses er­ folgte. Die größte und bedeutendste ist die sogenannte Kreßsche Samm­ lung. Sie geht auf den 1818 im 89. Lebensjahre verstorbenen Christoph Sig­ mund Frhrn. von Kreß zurück und ist das seinerzeit berühmte, von Christoph Friedrich Imhoff (f 1723) begründete Imhoffsche Münzkabinett (vergl. S. 129)* das inzwischen fortlaufend von seinen späteren Besitzern wesentlich vermehrt woifden war. G. Sigmund von Kreß hatte die Sammlung 1818 als unveräußer­ liche Familienstiftung seinen Erben mit der Bestimmung hinterlassen, „dieselbe zu seinem Andenken und zur besonderen Ehre der Stadt Nürnberg zu kon­ servieren und in sorgfältigster Bewahrung zu behalten“ 204). Zur Sammlung ge­ hörten auch verschiedene Münzbücher, vor allem die zwei prächtig gebundenen Beschreibungen der Hofrat von Hagenschen Münzsammlung, außerdem ein Band über die „Altdorfer Emblemata“ von 1617 sowie ein Kapital von 200 Gulden, dessen jährliche Zinsen zur Vervollständigung des Kabinetts dienen sollten. Mit Eingabe vom 26. August 1821 bot nun Joh. Sigm. Chr. Frhr. von Haller namens der Kreßschen Relikten das Münzkabinett samt den zugehörigen Münz­ büchern dem Nürnberger Magistrat als Depositum an, „da kein Kreßsches Familienmitglied sich der Last, das Kabinett dem Publikum zugänglich zu er­ halten, unterziehen wolle“. Die Stadt nahm auch wirklich mit Genehmigung der Regierung die Sammlung als Leihgabe entgegen 205). Sie wurde versiegelt und 1822 der Stadtbibliothek in Verwahrung übergeben, wo sie nun allerdings fünf Jahrzehnte lang unter doppeltem Verschluß und ohne auch nur im entfern­ testen ihrem Stiftungszweck zu dienen ruhte, bis der Magistrat im Jahre 1865 beschloß, die ganze Sammlung dem Germanischen Museum unter dem Vorbehalt der Rückforderungsmöglichkeit zu überlassen; außerdem wurde damals festge­ setzt, daß der von Freiherrn von Kreß zur Vermehrung von Münzen ausge­ setzte Betrag von 200 Gulden solange anzulegen wäre, bis die Zinsen und Zinseszinsen ein Kapital von 2000 Gulden erreicht hätten 209). Wie schon erwähnt, enthielt diese Sammlung nur Nürnberger Münzen und Medaillen, aber in einer einzigartigen, nie mehr zu erreichenden Vollständig­ keit. Sie umfaßte im ganzen 1426 Münzen und 1094 Medaillen also 2520 Stücke (darunter allerdings viele Dubletten) die im Jahre 1892 auf 50 966 Mark ge­ schätzt wurden. In späteren Jahren wurden aus Mitteln der Kreßschen Stiftung noch verschiedene Stücke dazugekauft, so daß der Bestand jetzt 2557 Nummern aufweist 207). Eine zweite große Münzen- und Medaillensammlung war ebenfalls durc^ testamentarische Bestimmung in den Besitz der Stadt, und zwar der Stadt­ bibliothek übergegangen: die Sammlung des im Laufe der 1820er Jahre ver­ storbenen Nürnberger Kreis- und Stadtgerichtsrates Johann Albert Colmar, der sie zusammen mit einem Betrag von 1200 Gulden für Vermehrung der Willschen Norikasammlung der Bibliothek übergeben hatte, wo sie auch lange Zeit fest verwahrt und völlig unzugänglich und unkatalogisiert lag, bis sie im 2(W) Städt. Galerie, Münzkatalog Vorbericht über das Krefische Münzkabinett. 2°ö) ebenda. 20e) ebenda. 20?) Städt. Gal., Münzkatalog. 11

161

Jahre 1877 der Magistrat unter denselben Bedingungen wie vorher das Kreßsdie Münzkabinett „mit ausdrücklichem Eigentumsvorbehalt dem Germanisdien Museum zur geordneten Aufbewahrung und entsprechend geregelten Ausstellung der einzelnen Stücke übergab" 208). Sie umfaßt 60 Goldmünzen, 9 vergoldete Medaillen, 96 Silbermünzen und -medaillen, 50 ältere kleine Scheidemünzen und 101 Taler und Guldengroschen. Zu diesen 316 Stücken kamen noch 1594 Münzen und Medaillen aus unedlem Metall, wobei es sich hauptsächlich um Zinn- und Bleinachbildungen von Originalmünzen und Medaillen handelte. Im ganzen enthält die Sammlung 1902 Stücke, für die sich im Jahre 1892 ein Schätz­ wert von 8050 Mark errechnete. Auch bei dieser Sammlung überwiegen bei weitem die Stücke Nürnberger Herkunft; doch legte man besonders bei den Münzen Wert darauf, daß nicht nur jede Münzsorte, sondern möglichst auch jedes Prägejahr mit einem Stück vertreten ist. < Die bereits besprochene, 1862 durch die Stadt Nürnberg erworbene Samm­ lung des Handelsgerichtsassessors Joh. Jakob Hertel enthielt ja auch 54 Me­ daillen und 29 Münzen (also im ganzen 83 Stücke), die mit den übrigen städti­ schen Kunstsammlungen bereits im Jahre 1875 dem Germanischen Museum übergeben wurden. Es waren wiederum ausschließlich Stücke Nürnberger Her­ kunft. Aber gerade diese Sammlung hat entsprechend der seinerzeitigen Be­ stimmung Hertels seitdem ständige Vermehrung erfahren. Alle Neuankäufe, alle größeren und kleineren Schenkungen und Vermächtnisse an Münzen und Medaillen werden bis heute dieser Sammlung eingereiht, so daß sie gegenwärtig 2682 Nummern umfaßt. Ein sehr großer Teil davon, nämlich 1039 Münzen deutscher Länder (besonders gut ist Vorderösterreich, Ansbach und Bayern vertreten), kam durch einen anläßlich des Abbruchs des alten Waisenhauses (Findelgasse 3) am 3. Oktober 1900 gelungenen Fund hinzu-, 263 in- und aus­ ländische Münzen (darunter auch mehrere römische) vermachte der im Jahre 1907 verstorbene Kunstmaler Johann Paul Ritter der Stadt Nürnberg. Weit über 100 Prägungen des 19. Jahrhunderts wurden durch die Firma Lauer als Geschenk überlassen, andere auf den Gebertschen Münzauktionen ersteigert 200)Zahlenmäßig von wesentlich geringerer Bedeutung ist ein Bestand von ins­ gesamt 281 Stücken des 17. bis 19. Jahrhunderts der im Jahre 1893 als Stiftung des in München verstorbenen Freiherrn Wilhelm von Mulzer in den Besitz der Stadt gelangte210). Er enthält neben 11 deutschen Original-Orden des 19. Jahrhunderts und 11 Miniaturbildnissen auf Elfenbein auch 24 Siegelstempel mit dem Wappen der Familie Mulzer-, dazu kommen 18 Medaillen des 18. und 19. Jahrhunderts und schließlich 209 Münzen deutscher Staaten (nebst einigen ausländischen Stücken) des 17. bis 19. Jahrhunderts (Anm. 26). So ist die Stadt Nürnberg im Besitz einer überaus umfangreichen, ihrer Bedeutung entsprechenden Münzen- und Medaillensammlung von z. Zt. 7429 Stücken, die zeitlich vom Altertum bis nahe an die Gegenwart reichen. Geogfaphisch erstreckt sie sich auf deutsche, europäische und außereuropäische Stücke. Die Prägungen der Stadt Nürnberg sind lückenlos vertreten.

■--------------------------^----------

20S) Stadt. Gal., Münzkatalog: Vorbericht über das Kolmarsche Münzkabninett, 1893. 209J Stadt. Galerie, Münzkatalog. *1°) ebenda.

162

Versuche des Nürnberger Magistrats zur Rückgewinnung verlorener Kunstwerke Im 19. Jahrhundert hat es nicht an Versuchen des Nürnberger Magistrates gefehlt, die unter teilweise sehr schmerzlichen Umständen verlorenen Kunst­ werke der städtischen Sammlungen wieder zurückzugewinnen. Allerdings, die meisten der im Laufe der vergangenen Jahrhunderte verlorenen Gemälde, ins­ besondere Werke' Dürers, waren ja in den Besitz der Häuser Habsburg und Wittelsbach übergegangen und hier schien jeder Versuch der Wiedererwerbung von vorneherein aussichtslos. Nur bei den im Jahre 1801 an den französischen Kommissär Neveu ausgelieferten Kunstwerken bestand Hoffnung auf eine Rück­ gewinnung. Man hatte es zunächst vor allem auf Dürers Selbstbildnis von 1500 und auf dessen Doppelgemälde Adam und Eva abgesehen. Ein derartiger Schritt konnte aber seitens des Nürnberger Magistrats nur über die bayerische Re­ gierung erfolgen. Am 6. Februar 1822 richtete daher der Magistrat an den König die Bitte um Restitution der 1801 ausgelieferten Gemälde und Bücher211); er berief sich ausdrücklich auf die den Franzosen im Friedensvertrag vom Jahre 1815 auferlegte Bedingung, alle derartigen Gegenstände zurückzugeben. Das Ministerium eröffnete der Stadt am 5. Juli 1822, daß bisher nur die Rück­ gabe von 28 bayerischen Gemälden, die sich im Louvre befanden, bewirkt weiden konnte — (die bayerische Regierung hatte nämlich auf Grund eines Gutachtens des Zentralgaleriedirektors von Dillis auf eine Rückgabe der seiner­ zeit an Provinzialmuseen abgegebenen Gemälde vorläufig verzichtet, „da die Kosten der Herbeischaffung unverhältnismäßig hoch seien") — und daß sich unter diesen das Selbstbildnis Albrecht Dürers aus dem Nürnberger Rathaus befände; wenn die Stadt es wolle, könne sie es haben. Der Nürnberger Ma­ gistrat bat am 9. Oktober 1822 um Auslieferung des erwähnten Dürer-Selbst­ bildnisses, weil „an dessen Wiedererlangung rücksichtlich seines besonderen Wertes viel gelegen wäre"212). Das Bild traf auch bald in Nürnberg ein, aber man erlebte insofern damit eine herbe Enttäuschung, als es sich erst damals als die gegen Ende des 18. Jahrhunderts untergeschobene Kopie des Malers Küffner herausstellte, auf die der bayerische Staat freilich ohne weiteres ver­ zichten konnte. Nach diesem Mißerfolg wandte sich der Magistrat wieder an das bayerische Ministerium mit der Bitte um Rückgabe der Dürersdien Gemälde Adam und Eva. Er erhielt am 12. Dezember 1822 die Antwort, daß diese Gemälde nicht unter den aus Paris zurückgekommenen wären, sondern von der französischen Regierung seinerzeit der Stadt Mainz überlassen wurden; daher müsse erst das Ministerium des Äußern die Restitution der fraglichen Gemälde auf diplo­ matischem Wege bewirken213). Der bayerische Gesandte in Mainz, Herr von Hörmann, erhielt tatsächlich den Auftrag hiezu; aber zeitlich wurde die Ge­ duld der Nürnbeiger nun auf eine sehr harte Probe gestellt. Es vergingen nämlich nicht weniger als 6 (!) Jahre, bis Hörmann die nötigen Erkundigungen eingezogen hatte. Er berichtete am 18. April 1828214), daß sich ln Mainz allerdings zwei nunmehr zusammengesetzte und ungeschickt restaurierte Ge­ mälde mit der Darstellung von Adam und Eva befänden. Sie unterschieden sich aber etwas von den Nürnberger Bildern in der Beischrift und der Kom­ position. Man wäre jedoch allgemein in Mainz der Überzeugung, daß die Bilder aus Nürnberg stammten. Nur der Sladtbibliothekar Lehne, dem die 211) 212) 213) 214) 11*

Bay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155, Vol. II ebenda. Eay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155, VoJ. II. ebenda.

163

Galerie unterstand, verbreite geflissentlich die Meinung, es handle sich um die vorher in Madrid im Palazzo Buen Retiro befindlichen Gemälde. Da jedoch dieser Palast erst im Jahre 1808 von Napoleon erstürmt wurde, während die fraglichen Bilder schon 1803 durch eine Verlosung aus Paris nach Mainz kamen, wäre eine Identität mit den Madrider Tafeln ausgeschlossen. Aus ähnlichen Gründen schiede auch die Möglichkeit aus, daß es sich vielleicht um die einst in Florenz befindlichen Kopien der Dürer-Originale handeln könne. Daraufhin gab am 8. Januar 1829 das bayerische Innenministerium der Stadt Nürnberg den Bescheid, daß ein diplomatisches Einschreiten in diesem Falle solange nicht erfolge, bis die Identität der Nürnberger mit den Mainzer Tafeln ein­ wandfrei feststehe215). Der Magistrat brachte nun am 7. April 1830 ein Zeug­ nis des Kupferstechers Ambrosius Gabler bei, der die Bilder noch in Nürnberg gesehen hatte, und erklärte die Abweichungen in der Beschreibung der bei­ den Bilder damit, daß die Angaben Chr. G. von Murrs, die der Magistrat benützt hatte, unrichtig und im einzelnen etwas oberflächlich wären; es müsse sich in Mainz auf jeden Fall um die Nürnberger Bilder handeln21®). Das Ministerium, ließ diese Erklärung gelten, zumal inzwischen am 9. Oktober 1830 auch der bayerische Gesandte in Paris, der den Auftrag erhalten hatte, über die Herkunft dieser Gemälde in Paris nachzuforschen, am 30. September 1831 von den Kgl. Museen den Bescheid erhielt, daß die seinerzeit aus Nürnberg eingesandten Gemälde, auch Albrecht Dürers Adam und Eva, an das Museum zu Mainz gesandt worden wären217). Am 7. Februar 1832 erging nun an den bayerischen Gesandten von Lerchenfeld der Auftrag, die Rückforderung bei dem Großherzogi. Hessischen Ministerium einzuleiten. Er konnte bereits am 4. November 1832 dem König über den Erfolg seiner unternommenen Schritte Bericht erstatten. Die Hessische Regierung hatte wörtlich erklärt: „Man kenne keinen Vertrag vom Jahre 1815, durch welchen von Seiten der französischen Regierung die Verbindlichkeit förmlich übernommen wurde, die infolge der vorhergegangenen Kriege aus Deutschland nach Frankreich gekommenen Kunst­ schätze zurückzugeben. Man kenne bloß mehrere Erklärungen über Grund­ sätze, nach welchen solche Kunstschätze 1815 taktisch zurückgegeben worden seien. Würde aber auch ein Vertrag vom Jahre 1815 existieren, so könnte derselbe doch nicht auf die Stadt Mainz angewendet werden, da diese bereits seit dem Jahre 1814 von Frankreich getrennt wäre. Großherzoglicherseits halte man sich daher um so weniger befugt, die Stadt Mainz zur Herausgabe der genannten Bilder anzuweisen, da dieselbe in den französischen Kriegen und während ihrer Trennung von Deutschland ebenfalls viele Kunstschätze ver­ loren habe, die sie niemals wieder erhalten würde. Aus diesen Gründen bedaure das Großh. Hessische Ministerium, den diesseitigen Anträgen zur Extradierung des fraglichen Bildes an die Stadt Nürnberg nicht entsprechen zu können, abgesehen davon, ob die Identität desselben mit dem in Nürnberg befindlichen Gemälde ganz hergestellt sei oder nicht*'2l8) Die diplomatische Aktion hatte natürlich damit ihr Ende gefunden; denn weitere Schritte der bayerischen Regierung waren in diesem Falle nicht möglich. }Es erscheint immerhin begreiflich, wenn der Nürnberger Magistrat, der nach mehr als zehn­ jähriger Wartezeit auf sein Gesuch von 1822 die ablehnende Antwort aus München erhielt, zunächst jede Lust verlor, die Rückgewinnung weiterer Ge­ mälde auf diesem Wege zu betreiben, zumal es ja sicher zu sein schien, daß sich 215) B*ay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155, Vol. II. 21®) ebenda. Bay. Staatsmin., Geh. Reg. Akten 155, Vol. II.

217) 218)

164

ebenda.

die Verhandlungen wegen der Rückgabe eines Bildnisses Von Kupetzky in Braun schweig, des Bildnisses Wenzel Jamnitzers (von Pencz) in Genf oder gar des Gemäldes von Heemskerck in Rennes auf keinen Fäll einfacher ge­ stalten würden. Am 13. September 1870, während des Deutsch-Französischen Krieges, wies Stadtbibliothekar Lützelburger erneut darauf hin, daß im Jahre 1800 und 1801 den Franzosen Bücher aus der Stadtbibliothek übergeben worden wären212). Der Direktor des Germanischen Museums, Dr. A. Essenwein, erhielt am 16. Sep­ tember 1870 vom Generalkonservatorium den Auftrag, Erkundigungen darüber einzuziehen; auch die Regierung in Ansbach verlangte am 24. September von der Stadt „schleunig und mit Vermeidung von Aufsehen“ nähere Mitteilungen. Der Magistrat belichtete am 22. Oktober an die Regierung. Aber nun wurde es plötzlich wieder still um die ganze Angelegenheit. Die Akten brechen hier ab. Wirkliche diplomatische Schritte scheinen damals unterblieben zu sein. Versuche des Bayerischen Nationalmuseums zur Erwerbung der Nürnberger Madonna und des Originalmodells zum Gänsemännchen-Brunnen Man begnügte sich übrigens in München nicht immer damit, Gesuche der Stadt Nürnberg um Rückgabe von Kunstwerken aus den alten reichsstädtischen Sammlungen, auf die Nürnberg nach wie vor zumindest ein moralisches Recht geltend machte, abzulehnen. Es kamen vielmehr sogar Angriffe von Mün­ chener Behörden auf einzelne Werke des städtischen Kunstbesitzes vor. Am meisten verdienen in dieser Hinsicht die Versuche Beachtung, die Nürnberger Madonna und das Originalmodell des Gänsemännchen-Brunnens für München zu ‘ ; I gewinnen. Im März 1864 wandte sich der rührige Direktor des Bayerischen National­ museums, Freiherr von Aretin, an das Bayerische Kultusministerium mit der Bitte, das Originalmodell des Nürnberger Gänsemännchen-Brunnens von Pankiaz Labenwolf, das sich als Staatseigentum in Verwahrung der dortigen Poly­ technischen Schule befände, dem Bayerischen Nationalmuseum zu überlassen, ,.da es sich vorzüglich zur Aufstellung in diesem Museum eigne“ a2°). Die Regierung von Mittelfranken wurde schon am 3. April beauftragt, zu unter­ suchen, ob und welche Bedenken gegen die Transferierung des Modells be­ ständen. Bereits am 10. April konnte jedoch der damalige Rektor der Poly­ technischen Schule, Romig, an die Regierung berichten, das Modell des Gänsemännchen-Brunnens wäre überhaupt nicht in Verwahrung seiner Schule, son­ dern bereits vor Jahren zusammen mit anderen Kunstgegenständen, worüber sich die Stadt das Eigentumsrecht Vorbehalten habe, den Sammlungen dei Kreisgewerbeschule in Nürnberg einverleibt worden. Es handele sich also auch bei dem Modell einwandfrei um städtisches Eigentum. Die Kreisregierung konnte infolgedessen in ihrem Bericht an das Ministerium vom 12. April 1864 nur die Unausführbarkeit der beabsichtigten Transferierung feststellen. Das Ministerium verzichtete denn euch unter diesen Umständen sofort aui die Er­ werbung des Modells durch das Bayerische Nationalmuseum221). Aber schon im nächsten Jahr erfolgte von der gleichen Seite ein weiterer Angriff auf eines der bedeutendsten Werke der Alt-Nürnberger Kunst, nämHR. V A 4 Nu. 38. 8S0) HRh V d 4 Nr. 20. **i) ebenda.

165

lieh auf die Nürnberger Madonna. Im Oktober 1865 berichtete der Direktor des Bayerischen Nationalmuseums dem Kultusministerium, daß die Direktion der Nürnberger Kunstgewerbeschule, „um Platz zu gewinnen, sämtliche in dieser Anstalt aufgestellten plastischen Werke an den Magistrat zurückgegeben hätte, dem sie gehörten. Die bei der gleichen Gelegenheit abgegebene soge­ nannte Madonna von Gnadenberg, anerkanntermaßen die schönste Holzfigur, die uns das Mittelalter hinterließ, wäre jedoch keineswegs Eigentum der Stadt, sondern seinerzeit durch Direktor Reindel beim Schulmeister in Gnadenberg, der den zugehörigen Christus und Johannes bereits verbrannt hatte, aufgefunden und in die Kunstschule verbracht worden. Ähnlich müsse es sich auch mit anderen plastischen Werken verhalten haben. Das Ministerium wolle daher die Auslieferung dieser Figur an das Bayerische Nationalmuseum verfügen und wegen der übrigen plastischen Werke genaue Recherchen anstellen lassen" *22). Tatsächlich beauftragte das Ministerium durch eine Entschließung den Direk­ tor der Nürnberger Kunstgewerbeschule, August von Kreling, mit der Durch­ führung dieser Recherche und dieser bat am 15. November 1865 den Magistrat der Stadt um Erklärung des Sachverhaltes. Nun war der Nürnberger Magistrat zwar von der Unrichtigkeit der Behauptung v. Aretins, daß die Nürnberger Ma­ donna aus Gnadenberg stamme, völlig überzeugt. Diese irrtümliche Annahme hatte zum ersten Male R. von Rettberg in seinem Werke ..Nürnbergs Kunst­ leben" 1854 geäußert, und sie war auch von Lotz in seiner Kunst-Topographie 1863 übernommen worden. Dennoch fiel es in Nürnberg nicht leicht, den Irrtum dieser Meinung zu beweisen, zumal über die städtischen Werke der Plastik keine genauen Kataloge vorhanden und über die Herkunft der einzelnen Denkmäler keine urkundlichen Nachweise aufzufinden waren. Man konnte sich nur darauf berufen, daß die Figur der Überlieferung nach ursprünglich in der Dominikanerkirche stand, wo sie Murr 1788 erwähnte und daß sie der Katalog der Kunst­ gewerbeschule vom 15. Mai 1858 ausdrücklich als städtisches Eigentum ausweise und die Bemerkung enthalte, sie stamme aus der Dominikanerkirche. Im übri­ gen waren sich die städtischen Kollegien darüber einig, daß Nürnberg im redlichen Besitz der Figur wäre, die unter keinen Umständen an das Bayerische Nationalmuseum herausgegeben werden dürfe; man wolle es auf einen Rechts­ streit ankommen lassen. In seiner Antwort vom 15. Dezember 1865 machte der Magistrat dem Direktor Kreling hievon Mitteilung und hob seine Bereitwilligkeit hervor, den Zivilprozeßweg zu beschreiten, in dem Direktor von Aretin seine Behauptung über die Herkunft der Madonnenfigur erst dokumentieren müsse. Darauf ließ man es jedoch in München nicht ankommen. Am 26. April 1866 er­ schien eine Ministerialentschließung des Inhalts, „daß unter den gegebenen Ver­ hältnissen auf die Erwerbung der fraglichen Madonna für das Bayerische NatiQnalmuseum nicht weiter bestanden werden könne" 223). Damit war auch dieser Angriff auf eines der bedeutendsten Denkmäler der Alt-Nürnberger Kunst ab­ gewiesen und hat seitdem keine Wiederholung mehr erfahren.

Der Verlust der Nürnberger Modellsammlung, insbesondere des Stadtmodells von Hans Bekam Wie erwähnt, war die Reichsstadt Nürnberg im Besitz einer reichen* mehrere hundert Werke umfassenden Sammlung von Holzmodellen (Gebäuden, Gebäude*«) 3*3)

166

HR. V d 4 Nr. 34. ebenda.

teilen, Brunnen, Mühl werken, Maschinen, Werkzeugen u. dergl.), die im städti­ schen Bauamt ihren Platz erhalten hatten. Sie wurden nach 1806 auf die Kaiser­ burg verbracht, mit der dortigen Gemäldegalerie aufgestellt und im Jahre 1811 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach der Gründung der Polytechnischen Schule im Jahre 1829 übergab sie der Magistrat an diese Anstalt zu Lehrzwecken und so gelangte die Sammlung wieder in den Bauhof zurück. Der zweimalige Transport scheint jedoch den Modellen durchaus nicht zu­ träglich gewesen zu sein. Zahlreiche Stücke zerbrachen dabei und wurden nicht etwa restauriert, sondern als unbrauchbar auf den Dachboden gestellt, wo sie schließlich ganz der Vernichtung anheimfielen. Bereits 1830 war von den 157 Nymmem des Inventars aus dem Jahre 1807 nur noch ein trauriger Rest vor­ handen224). Das im Jahre 1834 neu angelegte Inventar der Polytechnischen Schule enthielt außer dem Hans Behamschen Stadtmodell von 1540 und dem Modell des Rathauses noch die Modelle mehrerer antiker Säulen, dazu 16 Stück nicht näher bezeichnte verschiedene alte Modelle, ferner auf dem Dachboden „49 Stück alte Modelle, welche sich größtenteils in unbrauchbarem Zustand be­ finden und daher keinen höheren Taxwert zulassen", und schließlich in einem Nebenraum „eine kleine Anzahl zerbrochener, daher ganz unbrauchbarer Mo­ delle ohne ^len Wert“ 226). Daraus geht aber schon die Auflösung der Samm­ lung deutlich hervor. Bei den mehrfachen Umzügen dieser Schule im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden auch später immer wieder die schadhaften, unschein* baren Stücke entfernt, so daß heute von der einst so bedeutenden städtischen Modellsammlung außer dem wertvolle*! Stadtmodell Von Hans Beham aus dem Jahre 1540 fast nichts mehr vorhanden ist. Seine Schicksale sollen hier etwas nähere Betrachtung finden. Dieses Stadtmodell war nach seiner Vollendung 1540 vom Nürnberger Rat übernommen, der Sammlung des Bauamtes einverleibt und 1829 der Polytech­ nischen Schule überwiesen worden. Dort hat sich insbesondere der Lehrer für Architektur, Karl Alexander Heideloff, für das Modell interessiert und wieder­ holt auf dessen große Bedeutung hingewiesen. Es erscheint noch im Jahre 1834 im neuen Inventar der Schule unter der Nummer 465 228). Um dieselbe Zeit übergab allerdings Heideloff das Modell als Leihgabe dem 1833 von Hans Freih. von Aufseß gegründeten „Großen Altertums-Verein" und bereits 1836 kam es in die Sammlung des damals neu entstandenen „Nürnberger Geschichtsvereins", mit der es jeweils der Obhut des Vereinsvorstandes anvertraut war 227). So gelangte das Modell in den 1840er Jahren in die Hände des letzten Vor­ standes, des Archivsekretärs Dr. Moritz Maximilian Mayer, unter dem sich der Geschichtsverein allmählich auflöste. Der stark verschuldete Dr. Mayer ver­ pfändete schließlich um 1850/51 seiner Dienstmagd Margarete Frühwald als Sicherheit für einen Betrag von 400 Gulden einen Teil seiner Bücher und Stiche sowie verschiedene Altertumsgegenstände, die ihm gar nicht alle selbst ge­ hörten und worunter sich auch das Behamsche Stadtmodell befand. Als Mayer im Jahre 1852 seiner Schulden wegen einige Zeit aus Nürnberg verschwand, veräußerte Margarete Frühwald ihre Pfandstücke an den Nürnberger Antiquar Friedrich Schreiber. Somit kam 1852 auch das Modell in den Besitz dieses Händlers, der es längere Zeit im Albrecht-Dürer-Hause aufstellen ließ. Gerade dadurch wurde jedoch der Nürnberger Magistrat auf die Entwendung des Stückes aus den städtischen Sammlungen aufmerksam. Er ließ im Jahre 1860 den Sach224) Ohm-Polytechnikum Nürnberg, Registratur. 226) ebenda. 226) HR. V d 4 Nr. 26. 22?j ebenda.

167 \

verhalt genau untersuchen. Dr. Mayer und Schreiber wurden vernommen; man stellte fest, daß das Modell von der Stadt nie verkauft worden war und Schreiber eihielt eine amtliche Mitteilung, daß dieses Kunstwerk auf unrechtmäßige Weise aus dem Besitz der Polytechnischen Schule gekommen sei. überdies reklamierte 1860 der damalige Rechtsrat Seiler anläßlich einer Besichtigung des Modells bei Antiquar "Schreiber dieses ausdrücklich als Eigentum der Stadt. Da aber nun die inzwischen nach Fürth verzogene Margarete Frühwald erst nach längerer Zeit ermittelt werden konnte und zudem bei ihrer Vernehmung in dieser Sache (am 2. Januar 1862) aus leicht erklärlichen Gründen behauptete, sie könne sich überhaupt nicht an ein Modell erinnern, wurde die Untersuchung bedauerlicher­ weise nicht weitergeführt. Die Akten blieben unerledigt liegen, die Sache geriet allmählich in Vergessenheit und Schreiber blieb ungestört im Besitz des Mo­ dells. Als dann schließlich der Akt durch Bürgermeister von Stromer im Jahre 1871 noch wieder auf gegriffen wurde, konnte nur der inzwischen erfolgte Tod der Hauptbeteiligten, insbesondere Dr. Mayers und Schreibers, festgestellt werden, so daß eine Wiederaufnahme der Nachforschungen zwecklos erschien. Das Stadtmodell tauchte erst im Jahre 1878 wieder auf, und zwar im Besitz des Buchhändlers Hugo Barbeck. Leider läßt sich nicht feststellen, ob dieser es unmittelbar von Schreiber erworben hatte. Er scheint jedoch sehr gut die Her­ kunft des Modells gekannt zu haben; denn er hütete sich, es der Stadt anzu­ bieten, wandte sich vielmehr zwecks seiner Veräußerung an das Kreisarchiv Nürnberg, durch dessen Vermittlung es nach längeren Verhandlungen am 15* August 1879 um den Preis von 300 Mark vom Allgemeinen Reichsarchiv (dem jetzigen Hauptstaatsarchiv) in München erworben und sofort zum gleichen Preis an das Bayerische Nationalmuseum in München gegeben wurde. Da man dort zunächst über diese Neuerwerbung (wegen ihrer angeblichen Ungenauigkeit) wenig erbaut war, erhielt Archivsekretär Dr. Mummenhoff, der damals noch im Staatsdienst stand, von seiner Vorgesetzten Stelle den Auftrag, ein Gut­ achten darüber zu erstatten, in dem er von neuem den großen Wert des Mo­ dells betonte. Das Stadtmodell wurde daraufhin den Sammlungen des Bayeri­ schen Nationalmuseums einverleibt, bei denen es bis zum heutigen Tage ver­ blieben ist.

168

III. Teil

Von 1875 bis zum 2. Weltkrieg Die Entwicklung der städtischen Kunstsammlungen im Geimanischen Museum von 1875j78 bis zur Gegenwart 1. Die Gemäldesammlung Mit der Überführung des städtischen Kunstbesitzes in das Germanische Mu­ seum blieb dieser fortan der unmittelbaren Verfügung des Magistrats entzogen, bildete aber dennoch entsprechend dem zwischen Stadt und Museum geschlossenen Vertrage eine selbständige Abteilung, eine „Städtische Kunstsammlung inner­ halb des Germanischen Museums". Aber dieser Zustand lag wohl von Anfang an gar nicht in der Absicht des Direktors Dr. August von Essenwein. Denn dieser rührige Gelehrte hatte längst den Plan gefaßt, „durch Vereinigung der zahlreichen zerstreuten Nürnberger Gemäldegalerien die Möglichkeit des Ver­ gleiches und ein systematisches Studium der Kunstzustände Nürnbergs zu ge­ winnen" 228). Er wollte daher in Nürnberg „aus den verschiedenen vorhandenen Beständen eine der alten Kunststadt würdige Galerie bilden" und fand mit seinem Plan nicht nur in Nürnberg freudige Zustimmung, sondern vor allem auch beim bayerischen Kultusministerium, das die Zusage gab, der neuen Sammlung in diesem Falle zahlreiche Leihgaben aus Staatsbesitz einzuverleiben. Die ent­ scheidende Förderung ging aber schließlich doch von der Reichsregierung aus; denn als Direktor von Essenwein nachwies, daß die Gemäldebestände bereits vorhanden wären und die Galerie bei Schaffung eines Neubaues sofort ins Leben gerufen werden könne, wurden schon 1877 die Mittel bewilligt. Der Bau konnte sofort beginnen und bereits 1882 seine Vollendung finden. Die bayerische Staats­ regierung ließ durch Centralgaleriedirektor Dr. von Reber die „vereinigte" Ga­ lerie einrichten, die sich nun aus Beständen des Staates, der Stadt, der Kirchen­ stiftungen, mehrerer Familienstiftungen und aus Privatbesitz zusammensetzte. Als die wertvollste Abteilung des Museums und zugleich eine der hervorragend­ sten Galerien Deutschlands sollte sie den Entwicklungsgang der deutschen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts darlegen und war infolgedessen nach künstlerischen und kunstgeschichtlichen Grundsätzen, das heißt nach Meistern und Schulen zu­ sammengestellt22®). Damit hatte man die eigene städtische Gemäldesammlung aufgelöst und der Sammlung des Museums eingefügt. Sie umfaßte (unter den insgesamt 794 Gemälden des Museums) 169 Werke, von denen allerdings nur gegen 100 in der Galerie selbst hingen, während die übrigen, fast 70, ihrer Qualität wegen lediglich im Depot bleiben konnten. Da sich im Rahmen des HR. V d 4 Nr. 82. 22®j Katalog der Gemäldegalerie des Germ. Museums, 1882.

169

Museums für die letzteren kaum eine Verwendungsmöglichkeit bot, beschloß der Magistrat im Benehmen mit Direktor von Essenwein, sie zum Teil wieder zurück­ zuholen. Bereits am 29. Juni 1882 gelangten 35 Gemälde erneut in den unmittel­ baren Besitz der Stadt und wurden zunächst im Dachboden des Rathauses eingelagert (Anm. 27)230). Eine weitere Verminderung erfuhr der städtische Gemäldebestand im Ger­ manischen Museum, als am 18. Februar 1890 drei Werke in die damals im Neuen Rathaus errichtete städtische Galerie geholt wurden, nämlich Johann Adam Klein: „Siebenspänniger Frachtwagen vor dem Neutor", Lorenz Ritter: „Die WöhrderTor-Bastei" und A. von Kreling: „Die durch Tilly belagerten Magdeburger nehmen das letzte Abendmahl 1631"231). Diesen Verlusten standen jedoch zahl­ reiche Neuzugänge gegenüber, welche die städtische Gemäldesammlung im Ger­ manischen Museum immer mehr abrundeten und auch ihren Wert bedeutend er­ höhten232). Bereits im Jahre 1885 wurde ein dem Kreise des Hans Pleydenwurff angehörendes Votivbild (um 1470) mit der Darstellung der Vermählung St. Ka­ tharinas der Nürnberger Sammlung einverleibt. Es stammte aus der Allerheiligen­ kapelle bei Kornburg (Eigentum der Rieterschen Stiftung). 1891 kamen dazu die beiden Flügelbilder des Volckameraltars aus der Katharinenkirche (1493). Im Jahre 1893 schenkte Kommerzienrat Hugo Barbeck die Darstellung einer „Sing­ schule der Nürnberger Meistersinger des 17. Jahrhunderts". Um die gleiche Zeit wurden zwei Bildnisse für die Stadt erworben: „Landschaftsmaler Johann Konrad Kleemann" (1741—88) von J. J, Kleemann und „Bildnis des Porträtmalers Niko­ laus Christoph Kleemann" (geb. 1737) von einem Unbekannten. Nach längerer Pause erfolgte erst wieder im Jahre 1908 eine Schenkung zweier Miniatur­ gemälde aus der Zeit um 1840 durch Bezirksamtmann Batum. Dann begann von neuem der Ausbau aus öffentlichen Mitteln. 1912 gelang es, das Bildnis des Hans Sachs (von Andreas Herneisen) auf einer Auktion der Galerie Mebes in Berlin zu erwerben. 1914 glückte der Ankauf eines Bildnisses des Nürnberger Bildhauers Georg Schweigger (von E. Auer, 17. Jahrh.), und zwar aus Mitteln der Stiftung zur Erhaltung Nürnberger Kunstwerke, mit denen gleichzeitig auch ein Wandgemälde aus dem Hause Königstraße 2a gesichert und in das Ger­ manische Museum übertragen werden konnte. Im Jahre 1923 überwies die Stadt dem Museum noch mehrere Gemälde, die 1877 im Rathaus zurückgeblieben waren, von 1890 bis 1908 einen Bestandteil der neuen städtischen Kunstsamm­ lung im Rathaus gebildet hatten und seit 1908 im neuen Künstlerhaus am Königstor hingen 288). Es handelte sich vor allem um Gemälde von Prestel, Hoß Hauer, Wittig, und um zwei Darstellungen aus den Markgrafenkriegen (vgl. S. 186, Anm. Nr. 2—7), ferner um das wertvolle Bildnis des Stifters Münzer von Babenberg (von Nikolaus Neufchatel; Eigentum der Wohltätigkeitsstiftungen), das Bildnis des J. G’. Volckamer (von Lorenz Strauch), dazu ein Sammelbildnis „Die 8 Mitglieder des Rats und Regiments zu Nürnberg ,um 1520" (Geschenk von Komm.-Rat A. Wacker) und eine kulturgeschichtliche Darstellung der Schule Johann Neudörfers (gestiftet von A. Luckmeyer). Vorübergehend hatte man auch zwei Gemälde des 19. Jahrhunderts (J. Maar: „Der Schöne Brunnen" und K Take: „Die Kaiserburg von Westen") der städtischen Sammlung im Germani­ schen Museum eingereiht, beide wurden aber schon nach einigen Jahren wieder zurückgegeben. Handelte es sich hier eigentlich nur um Überweisungen aus alten Beständen, so erfuhr die Städtische Sammlung doch seit 1924 noch mehrere be»30) HR. V d 4 Nr. 45. »1) HR. V d 4; Nr. 81. 232) Städt. Galerie, Katalog 2 und 3. ?33J HR V d 4 Nt. 201.

170

sonders wertvolle Neuzugänge 234). Da ist an erster Stelle der Sebastiansaltar von Hans Baidung Grien zu nennen, dessen Erwerbung 1924 auf der Auktion der Brüsseler Sammlung Przibram in Antwerpen gelang. Auf der gleichen Auktion glückte auch die Erwerbung eines Flügels des Nürnberger Marienaltars aus der Zeit um 1400 (Darstellung Marias und Elisabeths? Rückseite: Gefangennahme Christi). Eine weitere Abrundung brachten der städtischen Sammlung zwei Werke des 18. Jahrhunderts: Bildnis des Dichters G. Chrph. Mämminger (t 1767; Art des Johann Daniel Preisler) und das dem gleichen Meister zugeschriebene Bildnis des Jakob Wilhelm Imhoff (erworben 1930), ferner in den Jahren 1937—1939 mehrere Erwerbungen aus Mitteln der „Stiftung zur Erhaltung Nürnberger Kunstwerke*4: ein Bildnis des Nürnberger Rechenpfennigmachers H. Lauffer (f 1632) und einer jungen Frau mit dem Wappen der Familie ’Mülich — beide von Lorenz Strauch, ein Bildnis des Johann Siegmund Pfinzing (f 1764) von Johann Eberhard Ihle, ein „Quodlibet von Musikinstrumenten, Drucken und Schriftstücken'' (von Cornelius Biltius, um 1660/80), eine Darstellung des Klosterhofes der Karthäuserkirche zu Nürnberg, 1857 (von August von Bayer) und eine „Flußlandschaft mit Hirtinnen und Herde'* (von Johann Hieronymus Hirschmann, 18. Jahrhundert)2M). 2. Bildwerke und Kunstgewerbe In einem gewissen Gegensatz zur städtischen Gemäldesammlung stand die städtische Sammlung von Bildwerken und kunstgewerblichen Gegenständen? sie war weniger geschlossen als erstere, sie verdankte ihr Entstehen mehr dem Zufall. Ihr Schicksal schien bereits wenige Jahre nach ihrer Errichtung besiegelt und die Aufteilung der einzelnen Bildwerke an andere Abteilungen des Museums er­ folgte schon seit den 1890er Jahren. Trotzdem war der Hauptgesichtspunkt, unter dem fortan die Vermehrung dieses Zweiges des städtischen Kunstbesitzes im Germanischen Museum betrieben wurde, nicht ein systematischer, sondern mehr ein denkmalspflegerischer, das heißt die Stadt erwarb und übergab dem Museum anläßlich von Wiederherstellungsarbeiten innerhalb des Mauerrings nach und nach zahlreiche Bauteile, Bildwerke und kunstgewerbliche Geräte, um sie vor der Verwitterung oder sonst vor dem Verderben zu schützen und nötigenfalls an Ort und Stelle durch getreue Nachbildungen ersetzen zu lassen. Auch mittelalterliche Funde, die man gelegentlich in Nürnberg machte, wurden dieser Sammlung einverleibt, die nicht zuletzt durch hochherzige Geschenke Nürnberger Bürger manche wesentliche Vermehrung fand 238). Entsprechend diesen Grundsätzen ließ der Magistrat aus denkmalpflegerischen Gründen schon im Jahre 1888 den Altaraufsatz aus der Allerheiligen­ kapelle Nürnberg in das Museum verbringen. In den Jahren 1889 bis 1909 überführte man Originale der Kreuzwegstationen Adam Krafts. 1898 folgte das Kruzifix von Veit Stoß aus dem Heilig-Geist-Spital, 1903 erwarb das Germanische Museum im ganzen 40 Bruchstücke von Originalskulpturen des Schönen Brun­ nens (spätes 14. Jahrh.) und zwei Sandsteinfiguren (weibliche Heilige) aus der Zeit um 1500 vom ehemaligen Leihhaus. Besondere Bedeutung kam auch der 1913 durchgeführten Übergabe des Originals vom sog. Hanselbrunnen aus dem Heilig-Geist-Spital (Ende des 14. Jahrh.) zu. Im Jahre 1914 überließ die Stadt zwei köstliche Arbeiten der Werkstätte Peter Vischers dem Museum: die Mau­ ritiusstatuette vom Brunnen im Hofe des Anwesens Theresienstraße 7 und zwei **4) Stadt. Galerie, Katalog 3. ebenda und HR. V d 4 Nr. 62 und 230. »»«) Stadt. Galerie. Katalog 2 und 3.

171

ruhende Bronzelöwen (Eigentum der Landalmosenstiftung). 1917 barg man die Kathaiinenfigur (Mitte des 15. Jahrhunderts) vom Hofportal des einstigen Ka­ tharinenklosters, 1928 die Figuren der ölberggruppe (um 1500) vom Burgberg, 1931 ein Sandsteinportal (um 1600) aus dem einstigen Zeughaus. Dazu kamen noch zahlreiche kunstgewerbliche Arbeiten wie fünf Gewölbeschlußsteine und vier Wappenmedaillons vom ehemaligen Fürerhof (Wolfsgasse 6, abgebrochen 1894), ein Wandspiegel und zwei Felder einer Wandbekleidung samt sechs Wand­ leuchtern (Rokoko; aus dem 1910 abgebrochenen Merkelschen Anwesen Sulz­ bacher Straße 32) sowie ein Topfhelm der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vom Rieterschen Totenschüd in der Allerheiligenkapelle bei Kornburg (1926). Vor allem sorgte der Magistrat dafür, daß die anläßlich von Bauarbeiten im Stadtgebiet gemachten mittelalterlichen Bodenfunde mit der städtischen Samm­ lung im Germanischen Museum vereinigt wurden. Den Anfang machte man im Jahre 1888 mit zwei Renaissanceschlössern, zwei Kacheln und einem Messing­ lineal aus dem Jahre 1620 (sämtlich im Alten Rathaus gefunden). 1896 folgte ein aus der Zeit um 1500 stammendes Bronzeepitaph, auf das man anläßlich einer Umpflasterung des Platzes vor der Wöhrder Kirche gestoßen war, 1906 ein Schwert und ein eiserner AnschnaUsporn aus dem 14. Jahrhundert, die bei der Herstellung der östlichen Stützmauer am Prinzregentenufer entdeckt worden waren und 1909 ein weiteres Schwert (sog. Chiavona) vom Ende des 16. Jahr­ hunderts, das aus dem Flußbett der Pegnitz geborgen wurde. Im Jahre 1892 überließ der Buchhändler und Magistratsrat Hugo Barbeck zwei in Blech ge­ triebene angebliche Arbeiten des Flaschnermeisters und Volksdichters Johann Konrad Grübel (ein vergoldetes Lamm und eine Blumenvase) und 1923 schenkte Apothekenbesitzer Sparrer die kostbare Sandsteinmadonna von der Mohren­ apotheke (um 1400) 287). Trotzdem wäre diese Art' des Ausbaus der städtischen Sammlung allzusehr von Zufälligkeiten abhängig gewesen, hätte nicht auch die Möglichkeit bestanden, gelegentlich das eine oder andere Denkmal durch Kauf zu erwerben. Hier war es vor allem der Magistrat, der tatkräftig eingriff und sich durch großzügige Genehmigung von Mitteln bleibende Verdienste erwarb. So konnte im Jahre 1913 das Kalksteinepitaph des 1554 verstorbenen Abtes Johannes Menger von Kastl von Loy Hering gewonnen werden, ferner ein Grenz­ stein aus dem Jahre 1709, der ehemals die Grenze des Nürnberger Gebietes bei Rupprechtstegen bezeichnet hatte. 1923 gelang auf einer Wiener Auktion die Er­ werbung eines eisernen bemalten Nürnberger Rundschildes vom Ende des 16. Jahrhunderts, 1931 in Stuttgart der Kauf eines Nürnberger Bronzegeschütz­ rohrs von Oswald Baldner (1550) und 1937 wurde aus dem Kunsthandel ein Deckelkrug von Indischem Jade mit Emailmalerei auf Silbermontierung (von Johann Wilhelm Heel, gest. zu Nürnberg 1709) erworben. Auch die Sammlung von sogenannten Zunftaltertümern fand durch Ankäufe aus dem Kunsthandel Vermehrung durch eine Meistertafel der Nürnberger Feilenhauer (1769, erwor­ ben 1909), je eine Tafel der Brillenmacher (aus dem 18. Jahrh.) und der Brauer, einen Siegelstempel der Heftelmacher (1583), je ein Herbergzeichen der Maurer (von 1659), der Bürstenmacher (1860. gekauft 1919) und der Nürnberger Kamm­ macher (1832, erworben 1920). Dagegen konnten vier Gartenfiguren und ein schmiedeeisernes Gartentor aus dem Anwesen Johannisstraße 21 im Jahre 1923 leider nur gegen drei Gemälde eingetauscht werden. Neben der Bewilligung der Ankaufsmittel von Fall zu Fall durch die Nürnberger Stadtverwaltung wurde schon frühzeitig ein anderer Weg gefunden, um das Abwandern wertvoller Kunstdenkmäler aus Nürnberg zu verhindern, nämlich die „Stiftung zur Erhal337) ebenda, Katalog 3.

172

tung von Nürnberger Kunstdenkmälern" a38). Bereits im Frühjahr 1882 hatte das Direktorium des Germanischen Nationalmuseums an die Einwohnerschaft Nürn­ bergs die Aufforderung ergehen lassen, einen Fond zu bilden, durch den der Kauf gefährdeter Nürnberger Kunstgüter für das Museum ermöglicht würde. 1885 errichtete man dann, aus den bis dahin angesammelten Mitteln f ine be­ sondere Stiftung mit dem Zweck, Kunstwerke der Stadt zu erhalten, denen die Gefahi drohte, von ihren Besitzern veräußert und der Stadt Nürnberg entzogen zu werden. Solche Werke sollten aus dem Stiftungsfond angekauft und dem Ger­ manischen Museum zur Aufbewahrung übergeben werden. Die Stiftung erwies sich nun im Laufe der Jahre als überaus segensreich. An bedeutenden Eildwerken konnte dadurch schon im Jahre 1893 die Madonna vom Hause des Veit Stoß (Wunderburggasse 7) erworben werden, 1904 zwei weitere Hausmadonnen (aus der 2. Hälfte des 15. und dem frühen 16. Jahrhundert), 1906 die Madonna vom Anwesen Albrecht-Dürer-Platz 4 und 1914 die Madonnenfigur vom Hause Theresienstraße 21. Dazu kamen verschiedene Bauteile, wie z. B. 1896 15 Fach­ werkspfosten und ein Gesimsbrett vom Hause Winklerstraße 5 oder 1918 eine ganze Wandvertäfelung vom Hause Hans Sachs-Gasse 9. Auch für kunstgewerb­ liche Gegenstände fanden die Stiftungsmittel Verwendung: 1883 waren drei silbervergoldete Pokale erworben worden, 1895 folgte ein Silberbesteck von Friedrich Hirsvogel (1610), 1897 ein wertvoller Nürnberger Frauenschmuck aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, 1904 ein Glashumpen mit Emailmalerei (Dar­ stellung des Schlosses Retzelsdorf und Wappen Kreß, 1657), 1905 der pracht­ volle Kokosnußpokal von Peter Flötner, aus Holzschuher’schem Besitz, 1918 ein Nürnberger Giebelschrank (um 1569/70), 1937 eine Holzschüssel mit Wismut­ malerei (um 1608) und 1939 eine Taschenuhr in Form eines Buches (von Michael Bumel, 1626),3#). 3. Graphik Als im Jahre 1875 die städtische Graphiksammlung in das Germanische Mu­ seum überführt wurde, umfaßte sie — ohne die zahlreichen mit Graphiken voll­ geklebten Sammelbände — insgesamt 10 763 Blätter (9627 Kupferstiche und Ra­ dierungen, 191 Lithographien, 393 Handzeichnungen und 180 Photographien) *40). Bis heute ist die Gesamtzahl der graphischen Blätter auf 16 800 gestiegen. Denn seit 1875 verging kein Jahr, in dem nicht diese Sammlung zahlreiche Zugänge zu verzeichnen gehabt hätte. Darunter war natürlich auch mancher größere, bis dahin zusammengehörige Bestand. Aber in den weitaus meisten Fällen handelte es sich doch jeweils nur um einzelne Blätter, die teils als Schenkungen von Privaten oder von den betreffenden Künstlern selbst, teils auch durch Kauf oder Erwerbung auf Auktionen in den Besitz der Stadt gelangten. Ebenso schwer läßt sich über die Art der Neuzugänge Abschließendes sagen. Ihre Zusammen­ setzung ist überaus mannigfaltig? es gibt kaum einen bedeutenden Graphiker des 15. bis 19. Jahrhunderts, der hier nicht wenigstens mit einem Werk ver­ treten wäre. Und wenn auch diesen Neuerwerbungen, wie überhaupt dem Aus­ bau der Sammlung, kein bestimmter Plan zugrunde lag, so kann doch festge­ stellt werden, daß in diesem Zeitraum die Sammlung ausländischer Blätter, an denen besonders der Hertelsche Bestand so reich gewesen war, zurücktrat hinter den Werken deutscher Meister. Hier waren es vor allem die Nürnberger, denen 238) HR. V d 4 Nr. 62* 23») HR. V d 4 Nr. 230 und 62. M0) Städt. Galerie, Katalog 2 und 3.

173

man besondere Aufmerksamkeit schenkte und deren graphische Arbeiten man doch in einer gewissen Vollständigkeit zu erwerben trachtete. An größeren einst geschlossenen Beständen innerhalb dieser Erwerbungen seien 60 Radierungen Johann Christoph Erhards genannt, deren Ankauf schon 1885 auf einer Leipziger Auktion glückte. Im gleichen Jahre gelang es, 320 Blätter des 16.—18. Jahrhunderts aus einer Auktion des Johann Martin Richterschen Nachlasses für die Stadt zu erwerben. 1887 schenkte Akademieprofessor J. L. Raab, München, seiner Vaterstadt Nürnberg fast sein ganzes graphisches Werk von 125 Blättern, 1891 gingen durch Schenkung etwa 100 graphische Ar­ beiten (Nürnberger Motive) des Nürnberger Künstlers Johann H. Autenried in den Besitz der Stadt über, 1899 folgten 119 Stiche des Nürnberger Julius Keller als Geschenk der Witwe des Künstlers. 1916 wurden etwa 375 Graphiken des Nürnberger Kupferstechers Johann Leonhard Möglich in München für die städtische Sammlung angekauft. Zwei weitere bedeutende Erwerbungen müssen in diesem Zusammenhang noch besonders hervorgehoben werden: die hoch­ herzige' Schenkung des Stadtobersekretärs Markus Schüßler, der im Jahre 1893 62 wertvolle Aquarelle und Handzeichnungen von Johann Adam Klein übergab und der im Jahre 1897 geglückte Ankauf der Georg Arnoldschen Norikasammlung. 776 Werke umfaßte dieser letztgenannte Bestand, davon allein 13 Ölgemälde sowie 280 Aquarelle und Handzeichnungen Johann Adam Kleins (34 Landschaftsdarstellungen, 94 verschiedene Studien, 70 militärische Studien, 71 Blätter von der italienischen Reise des Künstlers), außerdem 86 Original­ arbeiten von Mitgliedern der Nürnberger Künstlerfamilie Dietzsch (ebenfalls durchwegs Zeichnungen), ferner Werke zahlreicher anderer Nürnberger Meister (Karl Sebastian von Bemmel, Ambrosius Gabler, Gg. Chr. Wilder jun., Karl Kaeppel u. a.) — alles in allem eine überaus wertvolle Sammlung, die wesent­ lich zur Ergänzung und Abrundung des Bestandes an Arbeiten Adam Kleins beitiug, dessen gesamtes druckgraphisches Werk sich ebenfalls in seltener Voll­ ständigkeit im Besitz der Stadt befindet. Nürnberg darf sich glücklich schätzen, die größte Sammlung von Werken Adam Kleins ihr Eigen zu nennen. Das gleiche gilt von den Graphiken des schon 1822 im Alter von 27 Jahren zu Rom verstorbenen Nürnberger Malers und Radierers Johann Christoph Erhard. Auch von ihm sind die meisten Blätter durch Abzüge in der Nürnberger Sammlung vertreten. Aber auch sonst hat das Streben nach Vollständigkeit des Bestandes an Werken Nürnberger Meister in der städtischen Graphiksammlung im Laufe der Jahrzehnte reiche Früchte getragen. Sie bildet zusammen mit der des Germani­ schen Museums und der Stadtbibliothek die größte Norikasammlung überhaupt. 1941 Wurden die graphischen Bestände des 19. und 20. Jahrhunderts mit der Städtischen Galerie vereinigt. Bis zum Jahre 1922 war die städtische Graphiksammlung zwar im Germani­ schen Museum aufbewahrt, aber doch von der Graphiksammlung des Museums getrennt. Dies änderte sich 1923 insofern, als nunmehr eine völlige Vereini­ gung und Verschmelzung beider Sammlungen erfolgte 241). Dadurch ergab sich in der schweren Zeit der Inflation die Möglichkeit durch Veräußerung von 174 Dubletten minderer Qualität die Mittel für den weiteren systematischen Aus­ bau der Nürnberger Sammlung frei zu bekommen. Andererseits wurde so die Bedeutung und Benützbarkeit der vereinigten Sammlung wesentlich erhöht. Sie gehört seitdem in die Reihe der größten graphischen Sammlungen Deutsch­ lands. 241)

174;

HR. V d 4 Nr. 205.

Die städtische Gemäldegalerie im Neuen Rathaus 1890—1908

Die Eingliederung des gesamten städtischen Kunstbesitzes in die Samm­ lungen des Germanischen Nationalmuseums hatte zugleich den völligen Verzicht der Nürnberger Stadtverwaltung auf eine eigene Sammlung bedeutet. Wenn auch diese Vereinigung im Hinblick auf das Ganze von allen Seiten begrüßt wurde, so mehrten sich doch schon sehr bald Stimmen, die diesen Zustand im Interesse der Stadt lebhaft bedauerten, und immer lauter wurde der Ruf nach einer besonderen Städtischen Galerie, wie sie in gewissem Sinne jahrhunderte­ lang bestanden hatte. Als in den Jahren 1884 bis 1889 der Rathausneubau an der Theresienstraße entstand, benützte» man die Gelegenheit, dessen oberste Räume zur Aufnahme einer Gemäldegalerie einzurichten. Da nun aber keine Möglichkeit bestand, diese mit den wenigen Werken zu füllen, die 1875 im unmittelbaren Besitz der Stadt geblieben waren, lag der Gedanke nahe, eine Anzahl städtischer Gemälde wieder aus dem Germanischen Museum zurückzuholenDer Magistrat sandte bereits im September 1889 den Kommissar der städtischen Kunstsammlungen, Magistratsrat Tauber, zu Direktor August von Essenwein, um mit diesem über die Rückgabe zu verhandeln. Im Museum war man aller­ dings über die Absicht der Stadtverwaltung wenig erbaut. Der Direktor wies in einem Bericht an den Magistrat am 30. September 1889 darauf hin, daß die erst 1882 errichtete Gemäldegalerie schon in der kurzen Zeit ihres Be­ stehens ,,zu einem Mittelpunkte für das Studium der Geschichte der deutschen Malerei geworden wäre. Keine Abteilung des Museums dürfe sich eines solchen Zustromes von Fachautoritäten und Studierenden erfreuen wie gerade die Ga­ lerie; die Augen aller Fachleute wären auf sie gerichtet, so daß also die Ent­ fernung von Bildern aus ihr unter den Augen aller geschehe und sicher Mißmut und Schmerz in ähnlichem Grade hervor rufen würde, wie die Gründung seiner­ zeit Freude erregt habe. Solche Aufregungen ließen sich jedoch vermeiden, wenn die nur mit Mühe zusammengebrachten Bestände, die den gesamten Entwick­ lungsgang der deutschen Malerei bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zeigen, bei der Auswahl für die städtische Galerie überhaupt nicht in Betracht kämen, diese vielmehr lediglich auf die moderne Kunst beschränkt bliebe. In diesem Sinne habe er stets die Errichtung der Galerie im Rathaus aufgefaßt: Der neuen Kunst mitten unter dem Getriebe der städtischen Geschäfte eine Stätte zu be­ reiten, schiene ihm wünschenswert, nicht aber eine Konkurrenz für eine große Sache, wie sie die Galerie der alten Schulen im Germanischen Museum darstelle; denn nicht um die alte Galerie in ihrem Bestände zu schmälern, sondern um anderswo leere Räume zu füllen, habe er freudig die neue Galerie erbaut*). Das Germanische Museum wolle daher mit größtem Vergnügen bereit sein, die Bemühungen der Stadt bei Einrichtung der Galerie moderner Werke mit besten Kräften nach allen Richtungen hin und namentlich auch dadurch zu unter­ stützen, daß es seine eigenen Gemälde der Neuzeit dem Magistrate zur Aus­ stellung in der neuen Galerie überließe** 242). Der Magistrat beauftragte nun vor der Beantwortung des Essenweinschen Schreibens zunächst einmal den städti­ schen Künstberater, Professor Wanderer, mit der Ausarbeitung eines Gut­ achtens darüber, welche im Germanischen Museum befindlichen Bilder sich lür eine Überführung in die neue Rathausgalerie eignen dürften. Professor Wanderer ließ sich bei seiner Zusammenstellung tatsächlich von dem Grundsatz leiten, daß „die Bilder der altdeutschen Schulen durch die Einreihung unter die oft sehr schönen gleichzeitigen Bilder im Museum doch erst an Interesse gewännen, *) Das neue Rathaus war nach den Plänen von August von Essenwein gebaut wordön. 2«) HR. V d 4 Nr. 82.

175

während sie vereinzelt in der künftigen Galerie nur verlieren würden. Anderen­ teils müßten selbst die nicht sehr dekorativ wirkenden Bilder städtischen Eigentums aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wenn sie aus der bisherigen Zu­ sammenstellung unter den großenteils dem Staat gehörigen Bildern wieder fort­ genommen würden, eine arge Zerstörung der gegenwärtigen Ordnung und schwer ausfüllbare Lücken in der Gemäldesammlung des CJermanischen Museums hinterlassen“ 24S). Da aber doch die Notwendigkeit bestand, die Wände der neuen Räume mit Bildern zu schmücken und die vorhandenen dazu nicht ausreichten, mußte er natürlich trotzdem auf den städtischen Kunstbesitz im Germanischen Museum zurückgreifen und wählte neben drei Arbeiten des 19. Jahrhunderts (Johann Adam Klein: „Siebenspänniger Frachtwagen vor dem Neuen Tor“, Lorenz Ritter: . Die Wöhrder Tor-Bastei“, A. v. Kreling: „Die durch Tilly be­ lagerten Magdeburger nehmen das letzte Abendmahl 1631“) vor allem das Ge­ sellschaftsstück von Pieter de Hooch, das Brustbild eines jungen Mannes von Rembrandt, „Die Erziehung des Jupiter“ von J. von Sandrart, dazu die Ge­ mälde „Gastmahl im Park“ von J. Hulsmann, „Niederländische Bauernstube“ von Cornelius Saftleben und „Maria wird von Heiligen verehrt“ aus der Schule des Rubens. Ob auch die zwei Kaiserbildnisse von Düier und das Madonnen­ bild von Burgkmair in Betracht kommen sollten, wollte er dem Magistrat selbst zur Entscheidung überlassen. Dieses Verzeichnis Professor Wanderers wurde nun am 16 Oktober 1839 dem Germanischen Museum mit einem Begleitschreiben zugeleitet, in dem der Magistrat erklärte, es wäre „Pflicht der Stadtgemeinde* die vollkommen freie Verfügung über die in ihrem Eigentum befindlichen Kunst­ werke zu wahren. Der Magistrat wäre daher zu seinem Bedauern nicht in der Lage, ein Prinzip anzuerkennen, welches dieses Verfügungsrecht zu Gunsten des Germanischen Museums jetzt oder später schmälern würde; er könne un­ möglich alle vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts entstandenen städtischen Bilder in der Galerie des Germanischen Museums belassen und somit der im Rathaus aufzustellenden Gemäldesammlung hervorragende Zierden entziehen“ 244). Gleichzeitig wurde verfügt, die noch im Rathaus vorhandenen Gemälde einst­ weilen in einen Raum der neuen Galerie zu verbringen. Es dauerte diesmal einige Monate, bis vom Germanischen Museum eine Antwort eintraf. Am 24. Januar 1890 erklärte Direktor Hans Bösch als Vertreter des bereits leiden­ den Geheimrats Dr. v. Essenwein, „die von den städtischen Behörden in Aus­ sicht genommene Rücknahme der kostbarsten Perlen der Malerschulen des 17. Jahrhunderts müsse als Beginn des Ruins der Galerie im Germanischen Museum bezeichnet werden. Die Stadt Nürnberg würde durch die Rücknahme der erwähnten Bilder ein Beispiel geben, das leider nur zu schnell Nachahmung fände und alle Elemente in Bewegung setze, die einen Teil der staatlichen Bilder für München gewinnen möchten. Ein solches Vorgehen der Stadt bedeute also das Signal zum Anfang vom Ende der Galerie, eines der hervorragendsten Anziehungspunkte Nürnbergs. Er bäte daher dringend, die städtischen Behörden möchten sich doch bei der Auswahl der für die Rathausgalerie benötigten Bilder auf die Gemälde der neueren Meister Klein, Kreling und Ritter beschränken und dafür die modernen Gemälde des Museums als Leihgaben entgegennehmen, vor allem Eduard Schleich: „.Gegend bei Rotterdam“, Anselm Feuerbach: „Einzug Kaiser Maximilians II. in Nürnberg»“, Hermann Kaulbach: „Malender Mönch“, dazu je ein Werk von Anton Seitz, A. von Heyden und Wilhelm Lindenschmit” 245). 2*3) HR. V d 4 Nr. 82. 2*4) ebenda. 2*») HR. V d 4 Nr. 82.

176

Beim Magistrat hatte sich inzwischen eine etwas gemäßigtere Richtung gel­ tend gemacht. Er schrieb am 29. Januar 1890 an die Direktion des Museums, daß er sich zwar „von der Stichhaltigkeit der Bedenken gegen die teilweise Zurücknahme der gemeindlichen im Germanischen Museum aufbewahrten Ge­ mälde durchaus nicht überzeugen könne, aber gleichwohl beschlossen habe, vorerst und bis auf weiteres nur auf die Herausgabe der Bilder von J. A. Klein, L. Ritter und A. von Kreling zu bestehen. Man sehe sich jedoch zu besonderer Vorsicht veranlaßt, wenn wieder einmal der Fall eintreten sollte, wertvolle Kunstgegenstände dem Museum unter Eigentumsvorbehalt zu übergeben“24®). Die Entscheidung darüber, welche von den durch das Museum als Leihgaben angebotenen modernen Gemälden für die neue Galerie geeignet erschienen, übertrug man Professor Wanderer und Magistratsrat Tauber. Nun wurde in den eisten Monaten des Jahres 1890 die Einrichtung der Galerie unter Aufsicht von Piofessor Wanderer durchgeführt und am 19. März vollendet (Anm. 28). Sie enthielt im ganzen 42 Gemälde. Die feierliche Eröffnung fand am Sonntag, den 4. Mai 1890, statt. Dann war die Sammlung bis 17. Mai jeden Tag, von da an jeden Sonntag von 11—2 Uhr unentgeltlich zugänglich. Daran änderte sich nichts mehr bis zu ihrer endgültigen Schließung im Jahre 1908 (Anm. 29). Die neueröffnete Rathausgalerie gäb -zu mancherlei Stiftungen Anlaß24?). Schon im Jahre 1892 schenkte Magistratsrat Hugo Barbeck vier Gemälde (ein Bildnis des Arztes J. G. Volckamer, ein erst neuerdings als Werk Joh. Christoph Erhards erkanntes Ölgemälde „Schliersee“, dann J. Ph. Walther „Ovation auf dem Johannisfriedhof“ und Joh. Christoph Erhard „Russische Kosaken um die Stadt Nürnberg“). 1893 erwarb die Stadt durch eine hochherzige Stiftung von Wilhelm Frhrn. von Mulzer, München, 34 Gemälde deutscher und nieder­ ländischer Meister des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts, darunter Werke von Lingelbach, Platzer, Franz Probus, Rottenhammer, Chr. Gg. Schütz, Christoph Schwarz, Urlaß, Thomas Wyck. 1895 stiftete Fabrikbesitzer Ferdinand Seitz das Paul Rittersche Gemälde: „Die alte Schau in Nürnberg 1632“. Mehrere Bild­ nisse von Nürnberger Persönlichkeiten (Bürgermeister, Magistratsräte) gelangten auch in diesem Zeitraum als Geschenke in den Besitz der Stadt. Im übrigen mögen unter den Schenkungen noch folgende hervorgehoben werden: „Eine schöne Nürnbergerin“ (Geschenk von Fräulein Sophie Schumacher, 1900) und „Bildnis der Frau des Krankenhausdiiektors Dr. Geist'* (Geschenk von Ober­ medizinalrat Dr. Merkel, 1908), beide von Joh. Dietr. Karl Kreul, Alexander von Wagner „Heuernte“ (Geschenk von Rentier Carl von Faber, 1902) Paul Ritter „Weißer Turm mit Umgebung“ und „Auszug eines Brautpaares aus der Lorenzkirche*. Auch die Ankäufe aus der Bayerischen Landesausstellung 1896 gehören hierher, da diese „aus von wohlgesinnten Bürgern zur Verfügung ge­ stellten Mitteln“ vorgenommen wurden*, es handelte sich u. a. um Heinrich von Zügel „Schafe in Halbsonne“, Charles Palmie „Aus Franken“ und Richard von Poschinger „Im Schleißheimer Moor“. Auch anläßlich der Bayerischen Landesausstellung 1906 spendete ein „nicht genannt sein wollender Bürger“ einen namhaften Betrag, der die Erwerbung von 13 Gemälden ermöglichte, unter denen die bedeutendsten waren: Franz von Stuck „Bildnis des Prinzregenten Luitpold". Walter Geffcken „Gruppenbildnis", K. A. von Baur „Juratal", Rudolf Schramm-Zittau „Schwäne“. Bei ihren Ankäufen von Kunstwerken war die Stadtverwaltung in mancher Hinsicht gebunden. Doch wurde eine Anzahl von Gemälden gekauft 248), die 240)

ebenda.

247) HR. V d 4 Nr. 84, 94, 99, 120, 123, 130, 135. 2«) Städt. Galerie, Katalog 1 und HR. V d 4 Nr. 94, 101, 110, 120, 130, 137, 149.

12

177

den dafür Verantwortlichen ein ehrendes Zeugnis ausstellten. Im Jahre 1893 erwarb man das Ölgemälde von Ernst Loesch, „Der Fürers- oder Schickenhof". 1896 gelang der überaus günstige Ankauf der Georg Arnoldschen „Norikasammlung (vgl. Seite 174, die auch 13 Ölgemälde von Johann Adam Klein ent­ hielt und damit den Grundstock bildete für die heute größte Sammlung von Werken dieses Meisters. 1898 erwarb die Stadt von den Erben Konrad Wei­ gands, eines Nürnberger, dessen Historiengemälde „Luthers Hochzeitsfeier 1525", 1902 das Bildnis des Ministers Graf von Crailsheim von Leo Samberger. Der Ankauf des Gemäldes von Paul Ritter „Der Schöne Brunnen zu Nürnberg im Jahr 1632" schloß 1908 die Erwerbungen bis zur Eröffnung des neuen Künstler­ hauses vorläufig ab. Neben den Ankäufen erteilte jedoch die Stadt Nürnberg auch direkte Auf­ träge zu repräsentativen Gemälden. Im Jahre 1882 ließ sie durch Prof. Karl Jäger das Bildnis des Fabrikbesitzers Lothar von Faber malen. Der gleiche Künstler stellte 1882—86 im Auftrag der Stadtgemeinde sein großes Historien­ bild „Kaiser Maximilian bei Albrecht Dürer" her. Joh. Paul Ritter malte im Jahre 1885 für seine Vaterstadt „Die Einbringung der Reichskleinodien in Nürnberg 1424*. Auch für das Gemälde von Friedrich Karl Mayer „Inneres der Sebalduskirche" (1887/88) war der Stadtmagistrat Nürnberg der Auftraggeber 248a). Leider folgte man in Nürnberg auch noch zu Beginn des gegenwärtigen Jahr­ hunderts einer alten Überlieferung, fast ausschließlich Gemälde zu sammeln, nicht dagegen auch moderne Plastiken (Anm. 30). Diese Aufzählung der wichtigeren Neuerwerbungen aus der Zeit von 1890 bis 1908 läßt klar erkennen, daß die museale Unterbringung auch nur der künstlerisch wertvollsten Zugänge in der Rathausgalerie erhebliche Schwierig­ keiten bereiten mußte. Die Galerie war anfangs in sich geschlossen und bil­ dete nach ihrer Ordnung durch Professor Wanderer künstlerisch eine gewisse Einheit. Jede Vermehrung dieses Bestandes verursachte eine empfindliche Störung. Da aber keine anderen Ausstellungsräume vorhanden waren und man doch auch manche Neuerwerbung ausstellen wollte, mußten notgedrungen immer mehr Werke in den drei Sälen untergebracht werden, so daß die Sammlung im Jahre 1905 schon 85 Arbeiten enthielt und in keiner Weise, weder inhaltlich noch kunstgeschichtlich, irgendeine erkennbare Ordnung mehr aufwies, sondern schließlich ein „malerisches Kunterbunt", eine Häufung von Bildern darstellte. Kurz, hier herrschte ein Zustand, der dringend der Abhilfe bedurfte. Es wurde daher von allen Seiten freudig begrüßt, daß im Jahre 1908 in dem seit 1904 im Bau befindlichen Künstlerhaus am Königstor neue Galerieräume bezogen werden konnten. Alle als galeriefähig betrachteten Bilder überführte man dort­ hin (Anm. 31). Wie aber damals in maßgebenden Kreisen über die Bedeutung der städtischen Sammlung neuerer Kunstwerke geurteilt wurde, wie man sich auch ihrer Schwächen bewußt war, mag aus der Ansprache hervorgehen, die Bürgermeister von Jäger am 12. Dezember 1908 anläßlich der Eröffnung des neuen Künstlerhauses hielt: „Eine Sammlung, wie der Zufall sie zusammen­ geweht, zum Großteil aus hochherzigen Spenden und Gelegenheitskäufen her­ vorgegangen, kann nichts Einheitliches sein, sie muß in andauernder Arbeit erst dazu gemacht werden. Dennoch wäre es unrecht, wollte man ihr einzig den Wert beimessen, den eine Vielzahl mehr oder weniger guter Bilder überall zu haben pflegt. Ist es doch der Stadt geglückt, sich im Laufe der Jahre wenigstens jener Meister der letzten Vergangenheit und Gegenwart zu ver248a) Schulz (Beschreibung) S. 23 f.

178

sichern, die in Nürnberg selbst ihre Kunst betrieben haben oder durch sie mit Nürnberg verknüpft sind. So kommen immerhin Künstler, wie J. A. Klei/i, August von Kreling, Anselm Feuerbach, Karl Raupp, Konrad Weigand, Karl Jäger, F. C Mayer, die Künstlerfamilie Ritter, Ludwig Kühn, Ernst Lösch, Lenbach, Samberger und manche andere, dann die Bildhauer Zadow, Roth . . . mit ihrer Sonderart eindringlich zu Wort in dieser Sammlung ... Es wird nicht allzuviele geben, die völlig unbefriedigt weiterziehen werden . . . Aller Welt soll sich die Städtische Galerie zeigen und ihr Urteil empfangen*249). ('

.

ln den Besitz der Stadt Nürnberg übergegangene Privatsammlungen

Im Laufe der letzten Jahrzehnte kam die Stadt Nürnberg in den Besitz ver­ schiedener Privatsammlungen, die einen wesentlichen Gewinn bedeuteten, aber nach ihrer Eigenart, ihrem Umfang oder auch dem Willen ihrer Vorbesitzer nicht ohne weiteres mit den übrigen städtischen Kunstschätzen vereinigt wer­ den konnten. Die erste derartige Erwerbung war ein reicher, vor allem kulturgeschichtlich sehr wertvoller Bestand aus dem Nachlaß des 1913 verstorbenen Hofantiquars Pickert. Er umfaßte insgesamt 323 Gegenstände des 16.—19. Jahrhunderts: Möbel, Bildwerke, Brunnen, Waffen, Jagdtrophäen, Fayencen, insbesondere aber Hausgeräte (aus Kupfer, Messing, Zinn und Eisen 24°a). Bereits im Jahre 1916 ging der größte Teil der Sammlung von eigen­ händigen Arbeiten des Nürnberger Kunstdrechsler­ meisters Hermann Saueracker (gest. 1943) in den Besitz der Stadt Nürnberg über. Sie enthält im ganzen 251 Stücke, die in der Zeit zwischen 1882 und 1928 entstanden und sich somit über ein ganzes Menschenalter erstrecken 250). Es sind Kunstwerke aller Art, vom Pokal bis zum Reliefbildnis, phantastisch anmutende Gebilde, auch stereometrische Körper, sämtlich aus Holz, in jeder der möglichen Dreharten auf einer einfachen Drechslerdrehbank hergestellt, ab­ solute Höhepunkte dieser Fertigkeit, Werke, an denen die Grenze des auf diesem Gebiete überhaupt Herstellbaren erreicht wird. Die ganze Sammlupg hat der Meister aus Liebe und Begeisterung für sein Handwerk, „seinen Fach­ genossen zur Anregung und den Laien zur Bewunderung* im Sinne einer Stif­ tung an seine Vaterstadt Nürnberg als untrennbares Ganzes übergeben und dabei den Wunsch ausgesprochen, die Sammlung möge in einem besonderen Schrank in der Bayerischen Landesgewerbeanstalt zur Aufstellung kommen251) Eine überaus glückliche Erwerbung machte die Stadt im Jahre 1928 durch die Initiative von Dir. Prof. Dr. Fritz Traugott S di u 1 z. Der Potsdamer Sammlei und Privatgelehrte Dr. Paul Heiland verkaufte am 28. November dieses Jahres seine 350 einzelne Stücke umfassende Sammlung Nürnberger Fayencen um 80000 RM. an die Stadt Nürnberg und überließ dieser gleich­ zeitig auch seine wertvolle Sammlung von 650 Fayencen aus den Manufakturen Ansbach, Bayreuth, Crailsheim, Frankfurt und Hanau auf sechs Jahre als Leih­ gabe mit der Bestimmung, daß dieser ganze Bestand ohne weiteres in den Besitz der Stadt übergehen sollte, falls er vor dem 1. Januar 1935 sterben würde. Nun verstarb der Leihgeber tatsächlich am 21. September 1933, und der Stadt 24ft) 249a) 2«°) 95*)

12*

HR. V d 4 Nr. 165. HR. V 22 Nr. 108. HR. V d 4 Nr. 189. ebenda.

179

Nürnberg fiel damit ein einzigartiger Schatz zu 252). Die Sammlung wurde bereits im Jahre 1929 im Prunksaal des Alten Rathauses aufgestellt und der Öffentlichlichkeit zugänglich gemacht. Sie blieb dort bis Anfang 1933. Im Mai dieses Jahres überführte man sie in die Bayerische Landesgewerbeanstalt zur Ein­ gliederung in die dortige kunstgewerbliche Schau, bis sie im Jahre 1937 im Germanischen Nationalmuseum ihren Standort fand. Wohl besaß das Museum beieits eine ansehnliche Sammlung deutscher Fayencen; aber sie entsprach weder an Güte noch an Umfang der Bedeutung der deutschen Fayencekultur im Rah­ men der deutschen Gesamtentwicklung. Kurz nach dem Übergang der letztgenannten Sammlung in den Besitz der Stadt Nürnberg gelang im Jahre 1929 der Ankauf einer Fachsammlung des städtischen Oberbaurats a. D. Heinrich Wallraff (t 1930). Sie umfaßte in rund 1300 Einzelstücken Nürnberger Kunstschlosser­ arbeiten, wie sie in dieser Vollständigkeit heute überhaupt nicht mehr zu­ sammenzubringen wären (Schlösser, Schlüssel, Türangeln, Schrankbänder, Tür­ klopfer, Türgriffe, Schlüsselschilder, Türdrücker, Fensterbeschläge, Hängeschlösser, Zielscheiben), und zwar aus der Zeit vom 14. bis zum 19. Jahrhundert 208). Die Anfänge dieser Sammlung reichen bis etwa 1890 zurück; durch fortgesetzte, methodisch betriebene Erwerbung kleinerer Sammlungen und bedeutsamer Einzelstücke wuchs sie schließlich zu dem jetzigen stattlichen Umfang an. Be­ sonders bemerkenswert sind gute frühe Arbeiten, ferner die zahlreich vertre­ tenen geätzten Stücke, die bedeutende Schlüsselsammlung und die fast nur in Nürnberg vorkommenden Schlüsselschilder in Form kleiner Portale#). Obwohl es sich nicht eigentlich um eine Kunstsammlung handelt, muß an * dieser Stelle doch der „Kriminalistisch - kulturgeschichtlichen Sammlung Dr. med. Christian Rehlen" gedacht werden, die seit den 1870er Jahren im Fünfeckigen Turm aufgestellt war und im Jahre 1931 durch testamentarisches Vermächtnis in die Hand der Stadt überging 254). Sie enthielt vorwiegend Denkmäler der deutschen Rechtsgeschichte, daneben aber auch Waffen, Musikinstrumente, Spielwaren, ja eine Stock- und Pfeifensammlung, Ge­ mälde, Graphiken — kurz ein kulturgeschichtliches Kunterbunt, eine Sammlung, wie sie mit ihren insgesamt 2000 Nummern nur ein Antiquar im Laufe mehrerer Jahrzehnte zusammenbringem konnte. Dir. Prof. Dr. Schulz hat 1931/32 eine sorgfältige Neuordnung durchgeführt. Im Jahre 1934 erwarb die Stadt Nürnberg von Frau Berg-Brandmayr (f 1944) in Innsbruck eine Sammlung, die im wesentlichen den künstleri­ schen Nachlaß der Nürnberger Illustratorenfamilie Geiß­ ler umfaßt 255). Es sind insgesamt 1218 Nummern, nämlich 845 Zeichnungen, 353 Druckgraphiken, ferner 17 Bände (Skizzenbücher, Mappen u. a.). Der größte Teil trifft auf Arbeiten des Radierers und Illustrators Rudolf Geißler (geb. zu Nürnberg 1834, f 1906), und zwar 769 Zeichnungen, 115 Druckgraphiken, 12 Skizzenbücher, also im ganzen 897 Nummern. Ein weiterer Bestand von 97 graphischen Blättern und drei Büchern stammt von dem Vater Rudolf Geißlers, Peter Carl Geißler (1802—1872). Von den Mitgliedern dieser Künstlerfamilie sind noch Johann Martin Friedrich und Julius Geißler mit einigen Arbeiten vertreten, während sich die übrigen graphischen Blätter auf neun verschiedene •) Die Sammlung Wallraff wurde laufend für denkmalpflegerische Aufgaben herangezogen,

z. B. bei der Wiederherstellung der Kaiserburg 1934/35. W) HR. V d 4 Nr. 224.

SW] Städt. Galerie, Katalog der Eisenarbeiten. städt. Galerie, Katalog der Sammlungen im Fünfeckigen Turm. 2«) HR. V d 4 Nr. 236.

180

Nürnberger Künstler verteilen. Dazu kommt ein Bestand von i$2 Original­ radierungen Johann Adam Kleins. Eine Sammlung von besonderer Eigenart gelangte 1935 durch Kauf an die Stadt Nürnberg, nämlich die Ostasiensammlung des (1934 verstorbenen) Tübinger Universitätsprofessors Dr. Johannes Fuchs25*), dessen Eltern im 19. Jahrhundert Besitzer des Pellerhauses gewesen waren., Die Herkunft dieser Sammlung ist nachweisbar; der Hauptteil stammt aus der Sammlung des Japaners Hayashi, die zu Beginn des Jahrhunderts in Paris ver­ steigert wurde, ein Teil aus der Sammlung Gillot-Paris. Es handelt sich um 192 Gemälde, qualitätvolle Bilder (Götter- und Ahnen-, Tier- und PflanzendaiStellungen, Landschaften), die, mit Tusche und Farben auf Seiden- oder Papierrollen gemalt, fast durchwegs sehr gut erhalten sind. An Skulpturen enthält die Sammlung verhältnismäßig wenige, aber zum Teil sehr bedeutende Stücke. Dagegen ist der kunstgewerbliche Teil überaus umfangreich; er besteht aus 87 hochwertigen Keramiken, meist Teeschalen und Teedosen chinesischen, japanischen und koreanischen Ursprungs, ferner 42 Lackarbeiten (darunter viele sehr hochstehende chinesisch-japanische Stücke), ferner einer Sammlung von 100 Schwertstidihlatt,ern in dllen möglichen (Techfliken j(darunter wertvolle alte Stücke, aus Eisen geschnitten und gesägt) und endlich 12 Netzkes (Anhänger zum Befestigen von Medizindosen am Gürtel).

Ausklang Die städtischen Galerien 1908 bis zum 2. Weltkrieg.

Als am 12. Dezember 1908 die städtische Gemäldesammlung in das Künstler­ haus am Königstor übergeführt wurde bestand Klarheit darüber, daß hier eigentlich nur der verhältnismäßig geringerwertige Teil des städtischen Kunst­ besitzes eine würdige Stätte fand, während gerade das wertvollste Nürnberger Kunstgut nach wie vor im Germanischen Museum verblieb Ja, es fehlte (genau wie anläßlich der Eröffnung der Rathausgalerie im Jahre 1890) nicht an Stimmen, die für eine wenigstens teilweise Rückführung des städtischen Kunstbesitzes aus dem Museum eintraten. Diese vermochten sich jedoch nicht durchzusetzen; es blieb schließlich dabei, daß die Galerie mit Gemälden ausgestattet wurde, die ohne weiteres zur Verfügung standen 287). Allerdings ergab sich daraus eine Zusammenstellung von Werken des beginnende^, 17. bis 20. Jahrhunderts, die vielfach nichts miteinander gemeinsam hatten als den Besitzer. Andererseits konnte auch die Qualität nicht immer den höchsten Anforderungen entsprechen, schon deshalb, weil es sich bei sehr vielen Werken um Geschenke handelte, bei denen allein die Rücksicht auf den Spender für das Ausstellen entschied. Kurz, es blieben auch bei der neuen Galerie zunächst manche Wünsche offen, deren Er­ füllung der Zukunft überlassen werden mußte. In der Tat begann mit dem Jahre 1909 eine rege Sammeltätigkeit. Vor allem ging man dazu über, von nun an systematisch aus Ausstellungen des Albröcht-Dürer-Vereins geeignet erscheinende Werke anzukaufen, durchwegs Arbeiten nürnbergisch-fränkischer oder wenigstens in Nürnberg geborener Künstler, von denen nach und nach sehr viele hier Vertretung fanden, wie Johann Sperl, Ludwig Kühn, Rudolf Schiestl, Hans Blum, aber auch zahlreiche **>) HR. V d 4 Nr, 238. 257)

HR. V d 4 Nr. 155

181

Münchner, wie Konrad Weigand, Claus Bergen, Walter Firle, Rudolf Sieck. Außerdem entschloß man sich in diesen Jahren zu Ankäufen aus dem Kunst­ handel; so kamen z. B. im Jahre 1911 das Bildnis König Ludwigs I. von Franz von Lenbach und die Pastellbildnisse des Apothekers Traut wein mit Gemahlin von Georg Michael Hahn in die Galerie** oder 1913 Toni Stadlers ,,Vorfrühling an der Isar“ und Angelo Janks „Parforcejagd-. Rund 250 Gemälde umfaßte der gesamte Zugang der Städtischen Galerie in der Zeit von 1908 bis 1920 258). Darunter waren jedoch nur etwa 150 bis 160 Ankäufe, meist von lebenden Nürnberger Künstlern. Bei allen übrigen handelte es sich um Geschenke an die Stadt. Zum Beweise der Dankbarkeit gegenüber den Spendern mußten diese auch jetzt in der Galerie ausgestellt werden und bestimmten mit das künstlerische Gesicht der Sammlung. Die Zahl der Werke wuchs in wenigen Jahren so an, daß sie die neuen Galerieräume kaum mehr zu fassen vermochten. Daran konnte eine bereits 1911 durchgeführte Um­ hängung nichts ändern. Außerdem befanden sich unter all den Geschenken dieser Zeit doch nur verhältnismäßig wenige eigentliche Galeriebilder, wie z. B. Anselm Feuerbachs „Verbrennung der Hexe" oder Anton von Werners „Kron­ prinz Friedrich Wilhelm an der Leiche des Generals Abel Douay- oder auch Carl Kreuls „Bildnis Albert Reindels“, Eduard Grützners „Klosterbruder“, und Konrad Weigands „Selbstbildnis“, so daß also die Galerie noch nicht allen Anforderungen entsprach, zumal auch der Zugang an Plastiken in dieser Periode sich nur auf wenige Werke lebender Künstler beschränkte. Es fehlte auch jetzt noch ein ver­ antwortlicher hauptamtlicher Leiter der Sammlung. Man war sich nun aller­ dings der vordringlichsten Aufgaben für den Ausbau längst voll bewußt und hatte auch bereits 1913 eine durchgreifende Umgestaltung ins Auge gefaßt, die lediglich durch den Ausbruch des Weltkrieges Verzögerungen erfuhr. Aus dem gleichen Grunde wurde die im August 1914, bei Kriegsbeginn, geschlossene Sammlung auch nach dem Friedensschluß nicht eher wieder eröffnet, als bis die Neugestaltung völlig durchgeführt war. Bei dieser ging die Stadtverwaltung außerordentlich gewissenhaft vor und erbat u. a. von dem damaligen General­ direktor der bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Dr. Dörnhöffer, ein Gut­ achten, woriny dieser ebenfalls betonte, daß die Nürnberger Galerie „etwas den Charakter des Zufalls“ trage, weil eben sehr viele Bilder geschenkt wären; hier müsse man — wie in München — durchgreifen und Ungeeignetes rücksichtslos entfernen. Nach seiner Meinung solle sich Nürnberg entsprechend seiner hohen künstlerischen Vergangenheit das Ziel stecken, neue, wirklich gute Kunst zu sammeln . . .; man könne sich in dieser Beziehung ein bleibendes Verdienst erwerben ... Es gebe aber auch noch einen anderen Weg für die Neuorgani­ sation der Städtischen Galerie in Nürnberg, nämlich den, mit den brauchbaren vorhandenen Werken und unter Zuhilfenahme staatlicher Leihgaben die Grund­ lage einer modernen Sammlung zu schaffen, die erst allmählich auf Kosten der Stadt verbreitert werden würde“259). Daraufhin beschloß der Stadtrat, alle künstlerisch wertlosen oder gleichgültigen Bilder aus der Galerie zu entfernen, außerdem alle historischen und Historien-Gemälde an anderer Stelle unter­ zubringen und mit Hilfe von 16 Leihgaben moderner Gemälde aus Staatsbesitz sowie 25 aus dem Germanischen Museum zunächst eine Galerie einzurichten, die insbesondere die künstlerische Entwicklung seit dem Beginn des 19. Jahr­ hunderts deutlich machte. Die Durchführung dieser Maßnahmen war das Werk des Hauptkonservators am Germ. Nationalmuseum, Prof. Dr. Fritz Traugott Schulz, *«8) St&dt. Galerie, Katalog 1 und HR. V d 4 Nr. 161, 162, 172, 187. *M) HR. Vd 4 Ni. 192

182

der schon seit 1910 die Galerie betreute; er wurde nun zum nebenamtlichen Leiter ernannt und ein fünfgliedriger Ausschuß eingesetzt, in dessen Händen die Entscheidung über alle wichtigen künstlerischen Fragen und vor allem die Ankäufe lag (Anm. 32). Damit erhielt Nürnberg eine moderne Galerie, die einen wesentlichen Gewinn für die Stadt bedeutete. Sie wurde im Sommer 1921 dem allgemeinen Besuch übergeben. Nun begann auch eine lebhafte systematische Sammeltätigkeit. Insbesondere erwarb man Werke deutscher Meister des 19. Jahr­ hunderts M0). Allerdings konnte man in Anbetracht der Zeitlage Mittel für Neuerwerbungen anfangs zum Teil nur durch Verkäufe älterer Kunstwerke der Stadt flüssig machen. Am 31. Januar 1922 gingen 16 städtische Gemälde aus dem Germanischen Museum in den Besitz eines Nürnberger Kunsthändlers um 2000 000 Mark (Inflationspreis!) über, deren künstlerischer Wert nicht groß war. (Bei­ lage V). Weiterhin veräußerte man bis Juli 1923 im ganzen 54 Werke der Städtischen Galerie. Durch den erzielten Erlös war es möglich geworden, meh­ rere für den Ausbau der Galerie sehr willkommene Gemälde von hervorragender Qualität zu erwerben. Bei dieser nach 1921 einsetzenden Sammeltätigkeit kamen durch Ankäufe von Gemälden zeitgenössischer Maler die mannigfachen Richtun­ gen der damaligen Kunst zur Schau. Besonders nachdem im Jahre 1928 Prof. Dr. Fritz Traugott Schulz zum hauptamtlichen Direktor der Städtischen Kunst­ sammlungen ernannt war, trat neben die Hauptaufgabe des Ausbaues der Sammlung wertvoller Werke des 19. Jahrhunderts vor allem das Sammeln guter, bezeichnender Gegenwartskunst. Der Gemäldebestand nahm in wenigen Jahren derart zu, daß schon 1931 eine für die Entwicklung der Galerie einschneidende Maßnahme möglich schien, nämlich die Nürnberger und fränkischen Werke herauszunehmen und in der Kunsthalle am Marientor unterzubringen, die jetzt den Namen Fränkische Galerie erhielt. Das Gebäude war bereits im Jahre 1913 durch Geheimrat Ritter Dr. von Petri und seine Gemahlin Elisabeth als Kunstausstellungshalle gestiftet worden261). Durch die Umstellung konnte man den in der Städtischen Galerie zurückbleibenden Teil ider Sammlung lockerer hängen und erneut wesentlich ergänzen. Die ersten Jahre des „Dritten Reiches" brachen zunächst jäh diese Ent­ wicklung der Städtischen Kunstsammlungen ab. Nicht weniger als 123 der seit 1920 angekauften modernen Gemälde und Graphiken verfielen als „entartete Kunst“ der Beschlagnahme durch die damalige Reichskammer der Bildenden Künste, ein schwerer Verlust für die Galerie, zumal darunter neben zahl­ reichen Nürnberger und fränkischen Künstlern z. B. auch Ernst Barlach, Lovis Corinth, Otto Dix, George Groß, Karl Hofer, Oskar Kokoschka, Edward Munch, Joseph Scharl, Karl Schmidt-Rotluff u. a. mit Werken vertreten waren. Dennoch wurde auch in dieser Zeit der Ausbau der Galerie des 19. Jahrhunderts fort­ gesetzt. In wenigen Janren war eine merkliche Bereicherung zu verzeichnen, ohne daß deshalb die Pflege der Gegenwartskunst, der Ankauf von Werken zeitgenössischer Nürnberger und fränkischer Künstler, in den Hintergrund ge­ treten wäre. Die Städtische Galerie sollte auch jetzt eine möglichst vollständige Übersicht über die Entwicklung der neuzeitlichen Malerei etwa vom Jahre 1800 bis nahe an die Gegenwart vermitteln. Das Wesen des Klassizismus und der Romantik lassen Arbeiten des Tirolers Joseph Anton Koch und des Weimarers Friedrich Preller d. Ä. erkennen, ebenso wie Gemälde der Münchner Franz C a t e 1, Karl Rottmann und Max Joseph Wagenbauer oder des Dresdners Carl Gustav C a r u s, des Ber2«0) HR V d 4 Nr. 194, 218, 243. 2öi) HR* V d 4 Nr. 180.

183

liners J. E. H u m m el und des Düsseldorfers Karl Friedrich L e s s i n g. Einige treffliche Proben zeigen die Art der bekanntesten Romantiker Moritz von Schwind, Ludwig Richter und Karl Spitzweg. Die realistische Tier­ malerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt gut in einigen Werken von Albrecht Adam und Wilhelm von K o b e 11 zu Wort, denen sich Friedrich V o 11 z anschließt. Ganz besonders reich ist aber der zu Nürnberg geborene hervorragende Tier- und Landschaftsmaler Johann Adam Klein vertreten. Auch von der Nürnberger Bildniskunst des frühen 19. Jahrhunderts vermittelt die städtische Sammlung einen nachhaltigen Eindruck- Ihre besten Vertreter sind Johann Lorenz Kreul, sein Sohn Johann Dietrich Karl Kreul und der nicht minder begabte Georg Michael Hahn. Die norddeutsche Kunst wird durch gute Beispiele aus dem Schaffen des Berliners Franz Krüger, des genialen Adolf Menzel und des etwas trockenen ..Historiographen" Anton von Wer­ ner erläutert. Und nun folgen in bunter Reihe Werke der bekanntesten Meister des 19. Jahrhunderts. Voran die drei sogenannten Deutschrömer Feuerbach. B ö c k 1 in und Marees, dazu der neuromantische Maler der Gründerzeit Hans Makart. Sehr gut sind in Nürnberg die großen Meister des deutschen Realismus vertreten, die Wiener Friedrich Amerling und Ferdinand Wald­ müller, der bedeutende sächsische Bildnismaler Ferdinand von R a y s k i. Auch das überragende Schaffen Wilhelm Leibis ist angedeutet. Durch meh­ rere Gemälde kommt die Landschaftskunst seines aus Nürnberg-Buch stammen­ den Freundes Johann Sperl zu Wort. Das Lebenswerk des mit Leibi innerlich verwandten Wilhelm T r ü b n e r läßt sich hier selten gut in allen Entwick­ lungsphasen verfolgen, ebenso die Kunst des Altmeisters Hans T h o m a , end­ lich auch die Art des Märkers Walter Leistikow und des Karlsruhers Gustav Schönleber. Der Hauptakzent liegt in der Nürnberger Galerie neben der einheimischen und vor allem auf der Münchner Kunst, deren verschiedene Stiömungen hier übersichtlich zur Darstellung gelangen: die Landschaftsmalerei eines Eduard Schleich d. Ä. oder eines Karl Schuch, Stilleben von Theodor Alt und R. Hirth du Frenes, die Bildniskunst des „Malerfürsten- Franz von L e n b a c h und seines Schülers Leo Samberger, ferner Friedrich August K a u 1 b a c h und der Tiroler Franz von Defregger. Zu den modernen Meistern leitet die naturalistisch-impressionistische Kunst Hugo von Haber­ manns über-, dann folgen dekorative, glutvolle Gemälde von Franz von Stuck, einige Arbeiten Fritz von U h d e s und Tierbilder des Münchener Freilichtmalers Heinrich Zügel. Es versteht sich von selbst, daß die um die Jahrhundertwende tätigen bekannten Impressionisten ebenso wie die Meister der letzten und der gegenwärtigen Generation mit zahlreichen Werken in der Nürnberger Samm­ lung vertreten sind. Die beiden weiteren Sammelaufgaben — Gegenwartsschaffen und nürnbergisch-fränkische Kunst — finden bis zu einem gewissen Grade ihre Erfüllung in der Fränkisch en Galerie, die neben zahlreichen Werken Nürnberger Meister aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts z. B. auch einen Teil des künstlerischen Nachlasses der fränkischen Maler Rudolf Schiestl (f 1931) und Ludwig Kühn (t 1936) bewahrt. Das Sammeln von Gegenwartskunst, von Werken lebender fränkischer Künstler, ist ein wichtiger Beitrag der Stadtver­ waltung zur Erhaltung des fränkischen Kulturzentrums in Nürnberg, der die künstlerische Produktion beeinflußt und vor allem das Amt der Auslese aus den Werken der hier schaffenden Künstler übernimmt. Die städtische Kunst­ sammlung wird dadurch gleichsam zu einem Gradmesser für die fränkische Kunst selbst. 184

Neben ihrem Hauptgebiet, der Malerei, enthält die städtische Sammlung noch eine Abteilung für moderne B i 1 d n e r e i. Wir finden u. a. Arbeiten von Georg Kolbe, Ulfert Janssen, Fritz Koelle und Joseph Wackerle, Max Heilmeier, Kurt Schmid-Ehmen. Ferner sind Bernhard Bleeker, Schwegerle und außerdem eine Reihe nürnbergisch-fränkisdier Meister gut vertreten. Während des zweiten Weltkrieges lag für die Direktion der Städtischen Kunstsammlungen die Hauptaufgabe in der Bergung der wichtigsten Bestände. Diese wurden in sicheren, eigens dafür erbauten Bunkeranlagen (Obere Schmiedgasse, Neutorturm, Paniersplatz) untergebracht, zum Teil auch in auswärtigen, gemieteten Räumen. Sie haben dort mit zwei Ausnahmen (in Vohenstrauß und Hoheneck, wo nach der Besetzung im April 1945 durch Plünderung Verluste zu beklagen waren) den Krieg gut überstanden. Die zahlenmäßig größten Schäden traten jedoch in Nürnberg ein: Zunächst im Bergungsraum der Kaiserburg (wo unter anderem die 12 Bildnisse deutscher Kaiser des 17. und 18. Jahrhunderts zugrunde gingen), dann in den Schutzräumen der Städtischen Galerie, die eben­ falls erst anläßlich der Endkämpfe im April 1945 ausgebrannt wurden. Die meisten Verluste entstanden in den Büros durch die Luftangriffe (vor allem in den Rathäusern), da diese Räume bis zuletzt mit Bildern ausgestattet blieben,* natürlich handelte es sich dabei nicht um wertvolle Werke. Insgesamt betrugen die Kriegsverluste etwa 400 Gemälde, eine verhältnismäßig hohe Zahl, die sich jedoch zum weitaus größten Teil aus sogenannten Bürobildern und ausge­ sprochenen Depotbeständen (die kaum jemals zu Ausstellungen verwendbar waren) zusammensetzte, also qualitativ verhältnismäßig geringwertigen Werken. An wirklich beklagenswerten Verlusten müssen hervorgehoben werden: Platzer, Genreszene und Stilleben; J. A. Engelhardt, Die zärtliche Frau; Joh. Walther, Der Johannisfriedhof; A. Wagner, Heuernte; Jos. Willroider, Landschaft; Max Liebermann, Kind mit Puppe (Pastell); Ch. Palmie, Aus Franken,* R. v. Poschinger, Schleißheimer Moos; A. Jank, Parforcejagd; Ernst Liebermann, Frankenjura und Nachtgewitter; ferner an Plastiken: E. Barwig, Steinbock; H. Schwegerle, Luther" und „Thomas Mann". Wenn auch in den nächsten Jahren der Ersatz der Kriegsverluste und der weitere Ausbau der Städtischen Kunstsammlungen schon aus finanziellen Grün­ den größte Schwierigkeiten bereiten muß, so wird es sich die Stadtverwaltung doch angelegen sein lassen, durch tatkräftige Förderung die Galerie zur Stätte kunstreichen Erlebens und des Kunstgenusses zu machen. Die vorliegenden Blätter berichten von der Größe und den mannigfachen Schicksalen der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. Auch deren Geschichte wurde nicht als Selbstzweck geschrieben, sondern mit der bewußten Absicht, von der Vergangenheit her den künstlerischen Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft zu dienen.

185

Anmerkungen: 1. Bei einem weiteren in die Galerie aufgenommenen Gemälde Paul Juveaells: „Inneres einer Kirche" handelt es sich wahrscheinlich um ein Geschenk des Meisters, vielleicht auch um dessen Probestück, übrigens kamen mit den Kaiserbildnissen Juvenells noch vier andere Bildnisse zur Ausstattung der erwähnten Räume in den Rathausneubau: Brustbilder Kaiser Ferdinands II. und dreier nicht genannter Erzherzoge; es waren Kopien unbekannter Maler nach Österreichischen Originalen. Möglicherweise gehörte auch die Dar­ stellung des „St. Hieronymus in ganzer Figur* von Jan Liss (um 1590—1629) zur ursprünglichen Ausstattung der neuen Zimmer im 2. Stockwerk. 2. Dieser Meister hatte übrigens als Probestück 1645 „Die Aufnahme Kranker und Verstümmelter in einem Spital" geliefert- Ein anderer Maler, Michael Herr aus Menzingen (1591—1661), stellte das zum Abschluß der Friedens­ feste in Nürnberg auf der Deutschherrnwiese abgebrannte Feuerwerk dar; sein Probestück war ein allegorisches Gemälde gewesen: „Das Gesetz, die Kunst und der Krieg". Außerdem verehrte er ein zweites Werk: „Die Buße der Niniviten nach der Predigt des Jonas" 1650 in die Rathaussammlung. 3 Um die gleiche Zeit wanderte Ruprecht Hauer in Nürnberg ein (1667); er war längere Zeit in Rom gewesen und erwarb durch ein mitgebrachtes Ge­ mälde: „Innenansicht der Peterskirche" das Nürnberger Meisterrecht. Der Rat hat ihn später beauftragt, die „Huldigung vor Kaiser Leopold I. im Großen Rathaussaal 1658" durch ein Bild festzuhalten. Daniel Schöner lieferte 1654 als Meisterstück eine Szene aus dem Leben des blinden Tobias. Johann Philipp Lembke (1631—1711) vermehrte die Sammlung noch vor Antritt seiner Italienreise (1651) um das Gemälde ,,Josua rund die Amalekiter", Michael Kestner (t um 1674) wählte 1656 für sein Probestück die Geschichte von Judith und Holofernes. Heinrich Popp (1637—1682) stellte das alttestamentlidie Motiv „Abraham und Isaak" dar. Der 1661 aus der Kölner Gegend zugezogene Johann Franz Ermels (1621—1697) übergab das Probestück: „Christus und die Samariterin am Brunnen" dem Nürnberger Rat; er führte außerdem gemeinsam mit dem Schweizer Daniel Savoye (1654 bis 1716) einen „Christus am Kreuz" aus, während der treffliche Nürnberger Maler Johann Murrer (1644—1713) sich nach 11 jährigem Studienaufenthalt in Italien durch sein Probestück „Simson und Delila" im Nürnberger Rat­ haus verewigen wollte. Nikolaus Held stellte sich durch sein Probestück „Allerlei Waldvögel" als Tiermaler vor. Melchior Krieger zeigte die „Er­ weckung der Tochter des Jairus"; sein gleichhamiger Sohn wählte als Stoff die Grablegung Christi. Die damals sehr beliebten mythologischen Dar­ stellungen bevorzugte Johann Leonhard Hirschmann (1672—1750); Probe­ stück: „Susanna und die beiden Alten". Als guter Kopist muß der Nürn­ berger Johann Leonhard Kramer (1680—1720) genannt werden, der das Ge­ mälde von Karl Loth: ,-Moses wird in das Meer gesetzt" trefflich wieder­ gab. Ein ausgezeichneter Landschaftsmaler war der Utrechter Wilhelm von Bemmel (1630—1708), der 1662 sein Probestück in Nürnberg übergab. Eben­ falls vorwiegend der Landschaftsmalerei widmete sich Friedrich von Falken­ burg (1675—1745), der zuvor als Meisterstück die „Amazonenschlacht" dar­ stellte, aber dem Rate mit einer „Landschaft" eine weitere Probe seines Könnens gab. Hervorhebung verdient — allerdings schon für die Zeit nach 1700 — der vielseitige Direktor der Nürnberger Malerakademie Georg Jakob Lang (1680—1740), der zwei Werke seiner Hand dem Rate verehrte, eine „Heilige Familie“ und eine „Kreuzabnahme". Von den weniger be­ kannten Malern, die noch im späten 17. Jahrhundert Probestücke in das Rathaus gaben, seien wenigstens einige auf gezählt: Erhard Schultheiß (Christus und die zwei Jünger in Emaus), Johann Langmair, (Maria mit Kind), ein gewisser Vogel (Grablegung Christi), ein nicht näher zu ermitteln­ der Distau (Opfer der 3 Könige) und ein gewisser Schmidt (Adam und Eva). Von sechs weiteren Probestücken ließ sich bereits um 1710 der Meister 186

nicht mehr feststellen: Evangelist Markus (Halbfigur), St. Lorenz auf dem Rost, Landschaft mit Bergwerk, Ahasver und Esther (es könnte auch Ceres und Triptolemus gemeint sein) und Kopie von Dürers Vier Aposteln. 4. In diesen Rahmen fügten sich als rein dekorative Stücke ein: Michael Herrs „Büßpredigt", „Herkules und Antäus* von Franz Floris, ferner Daniel Prem­ iers Probestück und die Pieta von Georg Jakob Lang. 5. So weist denn das Verzeichnis des Inhalts der Rathausgalerie von etwa 1780 gegenüber dem von 1710/11 für die oberen Räume nur sehr geringe Änderungen auf. Da hing in der Kriegsstube das Bildnis Wallensteins, angeblich von Michael Herr. Die Ratsstube schmückten außer dem bereits erwähnten „Jüngsten Gericht" noch zwei Darstellungen (Kupferstiche) dieser Stube selbst. Im Treppenhaus zu den oberen Räumen hatte man die lebens­ große Abbildung eines Elefanten angebracht, der angeblich im Jahre 1652 im hiesigen Fedhthause gezeigt wurde. Übrigens war inzwischen auch die Rathausvogtei mit sehr reichem Gemäldeschmuck versehen. Ruprecht Hauers „Inneres der Peterskirche zu Rom" und eine „Marter des St. Lorenz", die früher in der „Hintersten Kammer" hingen, waren jetzt hier angebracht, dazu noch eine Anzahl nicht näher bezeichnter Gemälde: „Simson erlegt die Philister", „Beweinung Christi", ,,Ceres und Triptolemos", , Eine Schlacht“, „Ein Alter mit seiner Frau" (in der Art Rembrandts), ferner die Darstellung einer Nymphe (Probestück von D. Ammon, 1616) und „Susanna und die beiden Alten", wohl das Probestück von Johann Hieronymus Hirschmann (1708 bis 1790). 6. Da überdies gerade aus dieser Zeit die Namen der Meister in der Regel nicht genannt werden, können wir uns keine rechte Vorstellung von diesen Gemälden machen; sie sollen aber der Vollständigkeit wegen dennoch hier Erwähnung finden. Im „Schönen Saal" wurde der Gemäldebestand im 18. Jahrhundert durch eine „Kreuztragung“ und „Himmelfahrt“ vermehrt, ferner durch die Darstellung eines Hirten sowie „Zwei männliche Brust­ bilder" und „Zwei weibliche Halbfiguren"; nur von den beiden letztge­ nannten ist der Meister bekannt (Johann Heinrich Hirschmann). In der ♦ „hintersten Kammer" gab es verschiedene Darstellungen aus dem Alten Testament: „Isaaks Opferung' (zwei Fassungen), „Die Königin von Saba bringt Salomo Geschenke", „Simson und Delila", dann aus dem Neuen Te­ stament: „Maria, Joseph und das Jesuskind, dem ein Engel eine Schale mit Früchten reicht", „Flucht nach Egypten" und „Ruhe auf der Flucht nach Egypten", „Jesus kommt des Nachts zu Nikodemus", „Kreuzabnahme“, „Chri­ stus erscheint der Maria Magdalena als Gärtner", „St. Stephanus" und „Stephanus angebunden"; weiter zwei Werke aus der Heiligenlegende: „St. Lorenzius* und „Anfechtung des Heil. Antonius". Dazu kam noch die Darstellung eines Meßgewandes. Nur vier Gemälde können als weltlich bezeichnet werden: „Prospekt einer Stadt, im Vordergründe ein Lager“, eine „Liegende Venus, im Hintergründe Nürnberg", ein „Prospekt der Stadt Nürn­ berg von der Burgfreiung herab“ und ein „Hirte" — im ganzen 25 Ge­ mälde, leider durchwegs von unbekannten Meistern. 7- Unter den übrigen aus der Sammlung Hagen erworbenen Bildern ragten hervor: eine „Dornenkrönung" (Altargemälde nach P. P. Rubens), das „Bild­ nis eines Antwerpeners" von Hermann Vereist, 1670, ein „Ecce homo“ von Paul Juvenell, ein „Spinnender Herkules“ von Johann Murrer, „Herkules zwischen Tugend und Laster" von J. Georg Lang, schließlich eine Kopie des Selbstbildnisses Albrecht Dürers aus dem Jahre 1500. Bei dem Rest handelt es sich um wenig bedeutende Arbeiten, deren Meister wir nicht kennen: je zwei Bildnisse eines Landgrafen von Hessen und seines Sohnes, das Bildnis eines unbekannten Generals, „drei männliche Bildnisse“, das Bildnis eines jungen Mädchens, fünf weibliche Bildnisse, ,.davon eines mit blauem Schleier", endlich ein „Fischstück". An religiösen Darstellungen gehörten dazui eine „Verkündigung an Maria", „Die Flucht nach Egypten*, 187

„I.ot zieht mit seinen Töchtern aus Sodom", „Jqseph entflieht der Bathseba" und ein „St. Hieronymus". 8 Die bisher zwischen den Fenstern des Eckzimmers hängenden Brustbilder Kaiser Ferdinands II. und dreier Erzherzoge mußten magaziniert werden, während das Bildnis des Feldhauptmanns Sebald Schirmer von Georg Pencz in den „Schönen Saal" (Prunksaal, Zimmer 62) verbracht wurde. Im südlich angrenzenden Zimmer (64/65) änderte sich wenig; nur daß man „Die Auf­ erweckung der Tochter des Jairus" von J Franz Ermels in das Depot ver­ brachte und des gleichen Malers Probestück in den Schönen Saal überführte. Die nun folgende „Süberstube* (Zimmer öS’) hatte als Bereicherung das bisher nicht ausgestellte Bildnis König Karls X von Schweden, ein Werk und gleichzeitig Geschenk Joachim von Sandrarts, erhalten; dazu das aus der Sammlung Hagen stammende Bildnis des Kaufmanns „Tobias Huth, eine Tasse haltend" von Johann Kupetzky. Im Austausch wurden die Gemälde „Der weinspendende Löwe" von Barthel Wittig und die Kopie von J. L. Kramer nach Carl Loth, auch „Christus am Kreuz" von Daniel Savoye in den „Schönen Saal" verbracht, während an deren Stelle „Das Opfer Abra­ hams" von Heinrich Popp und der „Heilige Hieronymus" von Johann Liss in die Silberstube (Zimmer 63) kamen. Am meisten Änderungen ergaben sich im „Schönen Saal" (Zimmer 62). Außer den schon erwähnten Bereiche­ rungen war noch die Tafel mit der Darstellung der Reichskleinodien von Friedrich Juvenell (1645) aus der Regimentsstube hierher versetzt worden, ferner aus dem Depot „Die drei Weisen aus dem Morgenland" und „Chri­ stus und die Jünger zu Emaus“, beides Probestücke unbekannter Meister, endlich die „Grablegung Christi" von J. Hausmann 1615; außerdem hatten hier die besten Werke Kupetzkys Platz gefunden. Im ganzen waren nun 44 Gemälde (vorher 9!) in diesem Saale vereinigt. Auch das bisher nicht in der Galerie aufgehängte lebensgroße Sandrartsche Reiterbildnis König Karls X. von Schweden hatte zuletzt hier seine Stätte gefunden. Sehr geringfügig waren dagegen die Änderungen in der angrenzenden Re­ gimentsstube (Zimmer 60 und 61), aus der nur die „Reichskleinodien" von Friedrich Juvenell in den „Schönen Saal" und ein Bildnis Kaiser Leopolds J. in das Depot verbracht wurden. 9. Diese Gemälde, deren Meister fast durchwegs unbekannt sind, befanden sich um 1806 in der als Depot benützten „Hintersten Kammer". 10. Der Bestand dieser Gemäldesammlung, die mit Ausnahme des zuletzt ge­ nannten 16teiligen Zyklus im ganzen 42 Werke enthielt, darunter 26 Bild­ nisse, war bereits um 1720/30 im wesentlichen abgeschlossen. 10a Diese „Kuriositäten" haben sich fast sämtlich bis heute erhalten. Das an­ gebliche Käppchen Martin Luthers wurde den Sammlungen auf der Veste Coburg, das sogenannte Trinkglas Luthers dem Germanischen Museum als Leihgabe überlassen. Der Farflersche Kunstwagen gehörte seit 1932 zu den kulturgeschichtlichen Sammlungen im Fünfeckigen Turm, während die „Na­ turalien" der Naturhistorischen Gesellschaft anvertraut sind. 11. Diese sämtlichen sieben Werke waren 1711 in der „Hintersten Kammer", dem Gemäldedepot des Rathauses, verwahrt. 12. Darunter Dürers „Vier Apostel", Anna Selbtritt, St. Bartholomäus und Ecce Homo, sämtlich Kopien von Paul Bonacker. Acht Gemälde wurden zu Lukas Cranach in Beziehung gebracht. Dazu kam ein Gemälde „Das Goldene Zeit­ alter" von A. Bloemaert und eine Darstellung auf Kupfer „Johannes predigt in der Wüste" von A. Elsheimer. Die übrigen 166 Nummern des Inventars hatten jedoch mit Kunst nur wenig zu tun. Es waren zum Teil in Stein oder Wachs geschnittene Bilder oder auch Malereien auf Stein, wie z. B. „Eine Nümbergische Schlacht", ein „geschnittenes kristallenes Bild in einem Kästlein", ein „Wachsbild, Susanna genannt, in einer Büchsen neben zwei Greisen", eine „Gemalte Maus von Albrecht Dürer(!)\ ein Büchslein, darinnen 188

13.

14

15. 16

* 17.

18.

19.

der König von Schweden", ein Büchslein, darinnen eine Mücke und eine Spinne von Silber" „Zwei Frösche aufeinander von Marmelstein * und anderes. Dazu kamen Arbeiten in Perlmutter, besonders Löffel, Kleinbildwerke aus Stein, Elfenbein und Holz, Dutzende von nicht näher bezeichneten Antiquitäten aus Silber, Kupfer, Messing, Blei und schließlich Naturalien und Kuriositäten in großer Zahl, wie ein „Hasen­ geweih", eine „Schwertfischzunge", ein „Schnabel von einem wilden Vogel", ein Straußenei, Muscheln, Korallen, Hirschköpfe und -geweihe oder auch Dinge wie ein „indianischer länglicher Stein", ein „italienisches Körblein" und eine „gar große hölzerne Schreibfeder". Viele der Waffen wurden entsprechend dem Zeitgeschmack mit berühmten Persönlichkeiten in Zusammenhang gebracht, so ein „Stechzeug König Hein­ richs IV. von Frankreich", je ein Degen „Kaiser Maximilians I., König Gustav Adolfs von Schweden und Landgraf Friedrichs von Hessen". Da gab es ein Richtschwert „mit dem 362 Personen hingerichtet waren"- „die Par­ tisane, mit der Wallenstein den Todesstoß empfangen hatte", eine türkische Pauke, „mit Menschenhaut überzogen" oder die silberne Trompete, „mit der 1650 zu Nürnberg der Friede angeblasen wurde". Diese Sammlung war in Venedig durch einen gewissen Sartorio Ursato begründet worden und nach dessen Tode an den holländischen Konsul in Venedig, Stricker, gekommen, der sie zu Beginn des 18. Jahrhunderts dem mit ihm befreundeten Herrn Geyßel in Nürnberg schenkte Unter anderen eine Haridzeichnung von A. Dürer, eine Van Dyck zuge­ schriebene Darstellung der „Witwe von Sarepta" und eine Landschaft von P. BrueghelDamit war auch der letzte Rest der bereits seit 1833 geschlossenen Kgl. Burggalerie verschwunden, da die evangelische Kirchenverwaltung ihre 34 Gemälde und die Stadt Nürnberg ihre 18 Gemälde und Bildwerke, die sich gleichfalls zur Ausstattung der Kgl. Zimmer in der Burg befanden, schon Ende Juli 1866 (als Nürnberg von preußischen Truppen besetzt war!) zurückgezogen hatten. Bereits 1855 waren als Vermächtnis des Posamentierers E. J. Conrad Wilh. Jegel zwei Engelhartsche Gemälde „Maria mit dem Jesuskind" und „Die zärtliche Frau" nach Grübels Gedicht in den Besitz der städtischen Kunst­ sammlungen übergegangen. Es handelt sich um das spätbyzantinische Gemälde Konstantin und Helena, die Rückseite des Mittelbildes des Imhoff sehen Altars (Schmerzensmann), das „Jüngste Gericht" (Stromerepitaph aus dem Jahre 1421), eine weitere Darstellung des „Jüngsten Gerichts" aus der ehemaligen Ratsstube (um 1490), ferner um einen Altar von 1491 (Gregorsmesse) aus der Dominikanerkirche, eine dem Lukas Cranach zugeschriebene Verkündigung an Maria, zwei Flügelgemälde des Rochusaltars in der Lorenzkirche, die dem Paul Lauten­ sack d. ;Ä. zugeschriebene Tafel „Abschied Christi von seiner Mutter", Flügel mit je einer Darstellung der hl. Rosalie und Margarete, einen Altar­ flügel mit der Darstellung des hl. Matthäus und Lukas, die Bildnisse des Kurfürsten Friedrich von Sachsen (aus der Dominikanerkirche), Gustav Adolfs von Schweden (von Michael Herr) und Wallensteins, endlich die „Be­ lehnung des Nürnberger Rates durch Kaiser Matthias 1612" (von Prestel nach Kreuzfelder). Dazu kamen drei Holzbildwerke: die große Rosenkranz­ tafel (ehemals in der Frauenkirche), ein Relief „Krönung Mariens* (aus der Dominikanerkirche) und ein Relief „Allegorie auf Sünde und Tod*. Noch ein letzter Nachtragsvertrag wurde übrigens notwendig, als im März 1877 die städtischen Kollegien beschlossen, nunmehr auch die bisher im Zimmer 50 des Alten Rathauses verwahrte städtische Gemäldesammlung dem Germanischen Museum zu überlassen und in dem damals neu erbauten Gemäldesaal unterzubringen. Es wurde jedoch ausdrücklich betont, daß diese 189

20.

21

22.

23.

24.

190

Sammlung ein untrennbares Ganzes bilde, daß sie stets vereinigt bleiben müsse und die Abtrennung oder gesonderte Verwahrung einzelner Bestand­ teile ausgeschlossen wäre. Nur folgende 17 städtische Gemälde, die als zur Ausstattung des Rathauses gehörig betrachtet wurden oder mit der Ge­ schichte der Stadt im unmittelbaren Zusammenhang standen, blieben im Kleinen Rathaussaal zurück: Joachim von Sandrart „Das Friedensmahl 1649“ Barthel Wittig „Der weinspendende Löwe zur (Zeit des Friedensmahles 1649" Lorenz Hoß „Der Rathaussaal 1626" J. Prestel „Die Belehnung des Rates durch Kaiser Matthias 1612" R. Hauer „Die Huldigung vor Kaiser Leopold I. 1658" „Markgraf Albrecht läßt die Weiher zu Pillenreuth fischen" „Die Nürnberger in der Schlacht bei Pillenreuth" „Bildnis des Königs Gustav Adolf von Schweden" „Bildnis des Königs Karl XII. von Schweden" „Bildnis des Feldherrn Albrecht von Wallenstein" J. Maar „Die Einbringung der Reichskleinodien 1424" J. Engelhart „Szenen aus Grübels Gedichten" J. Engelhart „Szenen aus dem Gedichte Phaeton" H L. Petersen „Bildnis des Stifters J. J. Hertel" „Bildnis des Stifters Fleischmann" Anton Seitz „Bildnis des Malers Johann Adam Klein". Sie waren in zwölf Rahmen gefaßt zur Auktion gelangt; aber gerade wegen dieser Neufassung im 19. Jahrhundert ist es überaus schwierig, festzustellen, an welchen Gebäuden sich die Scheiben ursprünglich befunden hatten. Dazu sind noch sorgfältige Einzelforschungen notwendig. Johanm»Adam Klein: zwei Ansichten des Fünfeckigen Turmes; Georg Chri­ stian ^Wilder: Innenansichten von St. Sebald, St. Lorenz, der Augustiner­ kirche, der Allerheiligenkapelle, der Ruinen der Carmeliterkirche, Ansicht der Burgkapelle, des Tucherschlosses, des Toplerhauses und des Schlüssel­ felderschen Stiftungshauses; Philipp Walter: Inneres der Lorenzkirche, Tucherfenster in der Lorenzkirche, Johannisfriedhof; Konrad Wießner: zwei Nürn­ berger Ansichten; dazu einige Blätter von Dussirt, Londino, Candolfi, Raimondi und G. Hoffmann. Die wichtigsten und wertvollsten waren: ein kleiner geflügelter Putto von Peter Vischer, 23 kleine, großenteils aus der Sammlung Heinlein stammende Reliefs, ein Pokal und zwei Eidechsen (Silberguß), ein aus Eisen ge­ schnittener Stockgriff von Leygebe, acht Elfenbeinarbeiten, der kunstreichen Familie Zick, insbesondere Lorenz (vier Figuren) und Stephan Zick (zerleg­ bares Auge, „Dreifaltigkeitsring") zugeschrieben. Zum Beispiel die Statuette „Glaube, Liebe, Hoffnung“ von J. W. Henschel 1827, die Bildnisstatuette Thorwaldsens von Woltrek 1833, ein RelieiVBrustbild des Erzgießers Daniel Burgschmiet oder gar ein Reliefplan der Salz­ burger Alpen (Geschenk der Salzburger Liedertafel). Sie waren nicht gezählt; ihre Zahl wird schätzungsweise 1000 bis 2000 be­ tragen haben, so daß der gesamte Bestand der Ambergerschen Norika-Kupferstichsammlung mindestens 8000 bis 9000 Blätter ausmachte. Bei den Bild­ nissen handelte es sich meist um Stiche von J. C. Bock, C. W. Bock, Fried­ rich Fleischmann, Hessel, Küffner, Möglich, Nußbiegel* Schlemmer und Wallert. — Die graphischen Sammlungen der Kunstgewerbeschule und der Stadt­ bibliothek wurden völlig getrennt voneinander verwaltet. So blieb die Schwarzsche und Amberg ersehe Sammlung in der Stadtbibliothek, wo sie den bisher dort vorhandenen Bestand von immerhin annähernd 4000 bis 5000 Blättern vermehrte und nun etwa auf 14 000 Arbeiten brachte, die ent­ sprechend dem letzten Willen Ambergers seitdem dauernd durch Käure ver-

25.

26.

27.

28.

mehrt wurden, so daß heute in der Bibliothek etwa 8000 Bildnisse und 51 000 Ansichten vorhanden sind. Im Jahre 1835 schenkte Ministerialrat Boisseree ein Exemplar seines Werkes über den Kölner Dom, 1848 verehrte der Kupferstecher Friedrich Wagner der Stadt seinen Stich nach dem Sandrartschen Friedensmahl, 1853 der Kupferstecher R. Waagen seinen Stich nach W. Kaulbachs „Zerstörung Jeru­ salems", 1855 vermachte der Posamentierer E. J. Wilh. Jegel eine Guachemalerei von Heinrich Dünker-Bern und ein Aquarell von Lorenz Ritter: „Kircheninneres", 1870 übergab Kupferstecher Raab sein nachgestochenes Bildnis Wilhelm von Kaulbachs, 1871 und 1872 schenkte Pfarrer Ferdinand Lösch zwei seiner Radierungen (Kapelle zum Heiligen Grab und Augustiner­ kloster). Lediglich der Vollständigkeit halber muß in diesem Zusammenhang noch die J. von Payersche Münzstiftung Erwähnung finden, die aber nur noch sechs Stücke enthält: drei Altdorfer Prämienmedaillen, eine Klippe auf die Privi­ legien der Universität Altdorf und zwei Nürnberger Medaillen, sämtlich aus dem 17. Jahrhundert. Es handelte sich um die dem Johann Kupetzky zugeschriebenen Ölbildnisse der Frau des Meisters sowie eines „jungen Mannes mit langem Haar- und „Kopf eines alten Mannes", dann um je ein Bildnis Kaiser Maximilians I., (nach Dürer), König Gustav Adolfs von Schweden (von Gabriel Weyer), Kaiser Leopolds I. und Josephs II., endlich zehn weitere Fürstenbildnisse. Dazu kamen die Gemälde „Christus wird dem Volke vorgestellt" (angeblich von Mabuse), „Christuskopf, von einem Engel durch eine Wolke geführt" (von L. Bittner) und eine Tafel mit den Namen und Wappen der reichsstädtischen Kirchenpfleger. Von Werken des 19. Jahrh. gehörten hierzu: J. Engelhardt: „Maria mit dem Kinde und Johannes", „Johann Ferd. Hütter: „Von Adlern ge­ tragener Saikophag", Christiah Ferdinand Fueß: „Apotheose Albrecht Dürers", Professor Pochmann: „Römer, eine fliehende junge Frau verfolgend", zwei Felsenlandschaften von O. Dahl, zwei Darstellungen von Kakteen mit Schmetterlingen und schließlich ein „Häuschen am Felsen" von L. von Mayer sowie ein Karton mit der Darstellung einer „Großen Schlacht" von H. Stielke. Bemerkenswerterweise waren mit Ausnahme der Bildnisse Kaiser Maximi­ lians I. und Gustav Adolfs von Schweden sämtliche zurückgegebenen Gemälde als „wertlos und verdorben" bezeichnet. Seit 1900 schmücken die beiden genannten Bildnisse das Ratsstübchen neben dem großen Rathaussaal. Die übrigen verbrachte man 1903 in die Stadtbibliothek zur Ausschmückung der Räume. Von diesen Bildern wiederum'wurden acht im Jahre 1910 zur Aus­ stattung des Künstlerhaus-Restaurants verwendet. Nur sechs sind jahr­ zehntelang auf dem Dachboden des Rathauses geblieben; zwei davon „Ku­ petzky s Frau" und das dem gleichen Meister zugeschriebene Bildnis eines jungen Mannes) hängen jetzt im Mauerturm beim sogenannten Bürger­ meisterzwinger am Tiergärtnertor, während die restlichen vier bei der Neu­ katalogisierung 1930 nicht mehr aufgefunden werden konnten. In den' eisten, östlichen Saal kamen nur fünf Gemälde: an die Ostwand Albert von Baurs Historienbild „Die Leiche Ottos III. wird über die Alpen ge­ bracht"; an die Südwand., gleichsam als Gegenstück zu diesem: Werner Schuch Die Lei» gekleid. Mannes Kniestück. «r Vermählung der hl. Catharina. München Maria m. d. Jesus­ Holz kind, halbe Figur. Lebensgröße. Zweibrücken Biustb. d. Mutter Lwd. Gottes in einem Blumenkranz, Lebensgröße.

2*10“

4*8“

tt

0

19

3*5“

5*5“ 3*8"

4,2“ 3*2“

3*8“

3*1“

3*1“ 2*11“ 4*4“ 2‘3“6

Zweibrückener Sammlung : 6 Stück Mannheimer „ 1 ,, Schleißheimer „ 3 Münchener ,, 1 „ Düsseldorfer „ 20 „ 31 Stück.

x

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, Akt HR II. 8. 10. Nr. 6. 13*

195

Beilage III. Verzeichnis der Gemälde der Stadt Nürnberg, welche im Jahre 1811 versteigert wurden:

Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33/34 35/36 37 38/39 40/41 42 43 44 45 46 47 48 49 196

Gemäldetitel bzw. Künstler

Susanna im Bade .............................................. J. Kupetzky: Eine Trinkgesellschaft . . „ „ Johannes der Täufer .... „ * Eine Bauerngesellschaft . . . Ein Madonnenkopf.............................................. Esther .................................................................. Christus bei Nikodemus.............................. Hagar in der Wüste......................................... Mariä Heimsuchung......................................... Die Ehebrecherin vor Christo.......................... Adam und Eva................................................... Christus am ölberg......................................... Murrer: Der spinnende Herkules . . . Aussicht von der Burgfreiung.......................... Amazonenschlacht.............................................. Abraham wird von Engeln besucht .... Verkündigung an Maria.................................... St. Barbara (altdeutsch)........................................ M. Schön: Geburt Christi 1482 ............................. H. v. Kulmbach: Flucht nach Ägypten . . „ „ „ Ein Leichenzug....................... „ „ „ Mariä Reinigung .... St. Brigitte..................................................................... H. v. Kulmbach: Mariä Heimsuchung . . . Kindermord zu Bethlehem................................... H. v. Kulmbach: Mariä Himmelfahrt . . . „ „ „ Geburt Christi .... „ „ „ Mariä Verkündigung . . Die heilige Familie.............................................. St. Barbara und andere Heilige....................... Das Fegefeuer 1483 .............................................. Vier Heilige.......................................................... Zwei Altarflügel mit Heiligen..................... Zwei Heilige, altdeutsch.................................... Maria mit Kind................................................... 2 Altarflügel mit vielen Heiligen .... St. Katharina und St. Barbara..................... St. Katharina........................................................ H. v. Kulmbach: Pfingstfest.......................... Christus und Heilige, altdeutsch..................... H. v. Kulmbach: Die Auferstehung .... St. Katharina, altdeutsch............................... Ein Altarflügel mit 4 Szenen aus dem Leben Jesu.................................................................. Ein Altarflügel mit 7 Szenen aus dem Leben Jesu............................. ............................................. Altarflügel mit 2 Engeln...................................

Name des Käufers

Höhe Breite (in bayer. (in bayer Fuß und Fuß und Zoll) Zoll)

2*8" 3*6" 2,3" 3*6" 3*6" 3*6" 2*9" 1‘8" 2*2" 0‘11“ 2*8" 3'4" 3*6" 3*4" 4*9" 4*7" 3*3'* 3*6*' 3*4" 4*6**

2*5** 1*7" 1 *6‘* 1*6** 1*3" 2'10'* 2*10" 2*10“ 2*4** 2*4" 2'10" 2*4" 240" 4*6** 4*2" 3'-** 2*4" 041** 2*6" 2*9" 2*9** 2*9** 2*-** 2*9*' 1*5“ 2*9" 2*9‘* 2*9** 2*4*' 0*9'* 3*7*' 3*-" 1*2" 1*3" 2*6“ 1,5" 1*9" 1*6“ 3*3" 2*3" 3'-" 1*8“

Weyer

4*6"

1*8**

Frauenholz Alter

5*3“ 3*4"

1*4" 1*2"

H. Zapf Gusdörfer Frauenholz Gusdörfer „

Gusdörfer m

Salomon Gusdörfer rr Frauenholz H. Beits H. Zapf Rohrig 99

19

Oppenheimer Fror Bartolini Fror Rohrig »

Frauenholz Rohrig Fror Gusdörfer H. Zapf Förster Rohrig Fror Frauenholz Fror Rohrig Frauenholz 99

Bartolini Frauenholz Bartolini Rohrig Fror

3*1“

2*-" 2'-*‘ 2'-" 1*8“ 2*5" 2*4" 2*6" 2*10" 240" 3*6" 2*10" 3*9" 2*6" 2*2" 2 2*10" 3*3" 3*3" 3*6" 1*6" 3V1

Name des Käufers

Nr.

Gemäldetitel bzw. Künstler

50 51 52 53 54-59 60-63 64 65 66 67

Altarflügel mit 2 Heiligen *.................... Verspottung Christi, altdeutsch.................... Kreuzigung. 1515 . . ..................................... Drei Heilige, altdeutsch.................................... H. v. Kulmbach: 6 Altarflügel mit Engeln . 4 Heilige auf Goldgrund............................... Der Engelsgruß, altdeutsch............................... St. Aloisius, altdeutsch................................... Kreuztragung........................................................ Allerheiligen und Allerseelen in einem Rosenkranz ................................................... H. v. Kulmbach: Auferstehung Christi . . . Kreuzanheftung................................................... Paul Juvenell: Judith und Holofernes . . . Geburt Christi, altdeutsch.............................. St. Johannes........................................................ Maurer: Herkules zwischen Tugend und Laster........................................................ .

68 69 70 71 72/73 74

Alter Frauenholz Fror H. Zapf Alter Bartolini Rohrig Bartolini Alter

Höhe Breite (in bayer. (in bayer. Fuß und Fuß und Zoll) Zoll) 3'4“ 2‘3“ 3*3“ rio“ 3'-“ 2‘6“ 370“ 4‘6“ 270

1*4“ 2*-“ 2‘3“ 1‘4“ 17“ 3‘-“ 1'6“ 2‘4“

Rohrig General Eckert Womorilen Oppenheimer Weyer Frauenholz

3‘6“ 2'3“ 2'4“ 3*-“ 3'-“ 47“

3‘-“ 3'-“ 3'4“ 2‘4“ 2'4“ 1*6“

Oppenheimer

3'6“

2'9“

VT

Beilage IV. Verzeichnis aller der Commune gehörigen Gemälde, welche sich teils im x andauer Kloster, teils in der Frauenkirche und auf der Burg befinden. Revidiert am 5. September 1843. Höhe Breite Nr.

(in bayer.

Fuß und

Fuß und

Zoll)

Zoll)

cf

10 11 12 13 14 15 16 17 18

(in bayer.

00

1 2 03 04 05 6 7 08 09

Meister

Gemäldetitel

Der Babylonische Turm................................................................. Roland Savery 0,87," Gesellschaftsstück........................................ Pieter de Hooch no“ 2'10“ 3‘1172“ 4'9" 3 Schafe und 1 Ziege................................... L. Giordans Ruhende Schafe.............................................. H n >; Ruhende Schafe und Ziege......................... ii ii II Schlafender Hirt bei einer Ruine . . . H ft Sitzender Hirt; davor Schafe . . . . . n tt tt „ Schafe bei einem Felsen................................................................ „ tt Copie nach St. Katharina, Kniestück, lebensgroß Caravaggio 5‘5“ 3'9“ 270“ 3‘4“ Maria mit Kind und Johannes .... Cyrus Ferri Bildnis eines schwarzgekleideten Mannes Copie nach v.Dyck 3'6“ 3*3“ Gastmahl in einem Garten..................................................... Jan Hulsmann 2'3“ 47“ Vermählung der St. Katharina .... Theod. v. Thulden 3‘9“ 3T‘ St. Magdalena sitzend............................................ Gottfr. Schalcken 2‘1“ 270“ 3'4“ 4*0,5“ Maria u. Elisabeth mit Kind u. Johannes A. Bellucci Bärtige^ Alter, rauchefaid...................................................... Joh. Kupetzky 1‘6,5“ 170“ Bärtiger Alter mit Weinglas .... 99 1‘6,5“ 170“ 99 Der Waisenknabe........................................................................... l'll“ 2*6“ 99 99 ii

ii

197

Höhe Breite Nr.

19 20 21 22

023 024 25 26 27 28 29 30 33 34 36 37 38 39 49 71 72 73 74 88

089 90 91 92 93 95 96 97 100 111 112

113 114 115 116 117 118 119 120 121 198

Gemä1detite1

Meister

(in bayer. (in bayer. FuB und FuB und Zoll) Zoll)

2*8,5° 2*2° Bildnis des Malers Müller ..... Joh. Kupetzky 2*4° 2*11° ff ff Krieger im Harnisch und Pelz . . Junger schwarzgekleideter Mann . • Simon Verelst's 3*8,5° 2*11° Nichte 3*5° 2*11° Bildnis von Hohenau................................ Joh. Kupetzky 2*8° 2 *-° ff Kupetzky's Frau mit Fächer . . . . ff Christus u. Elisabeth in einem Tempel . Nikolaus Juvenell 2*7“ 2*11“ 6*6,5“ 2*3° Albrecht Dürer Johannes und Petrus....................... 6*6,5“ 2*3** Paulus und Markus........................... 5*9° 2*8° Kaiser Karl der Große.................. • 5*9“ 2*8° Kaiser Sigismund............................... . 2T‘ 1*6° Albrecht Dürer, Brustbild........................... Das Jüngste Gericht................................ M. Wolgemuts 3*3,5° 6*0° Schule 3*10** 3*-“ Bildnis des Sebald Schirmer.................. Georg Pencz Vor dem Rathaus während des Friedens­ 4*2** 4*10** mahles 1649 ... ........................... Barthel Wittig Bildnis des Kaufmanns Huth mit Frau 3*0,5** 2*5° (verkauft 1851)............................... • Joh. Kupetzky 2*8,5‘* 2*2° lf H Mann mit Kaffeetasse und Tabakpfeife . 4*4** 3*11° Kain erschlägt Abel ........ Daniel Preisler 2*8** 1*10“ Christus zwischen Pilatus u. Kriegsknecht J. Mabuse 4*0** 1*5“ Flügelaltar (Gregorsmesse), altd. 1493 . unbekannt Friede u. Eintracht m. Stadtwappen (Glas) Ch. Maurer 1598 1*9,5** 1*4° Gerechtigkeit und Friede mit Stadt­ 1*9,5‘* 1*4° wappen (Glas).................................... Inneres der Peterskirche zu Rom . . . Ruprecht Hauer 2*11,5° 2*2,5° J. v. Sandrart 8*11*' 12*11° Das Friedensmahl im Rathaussaal 1649 Kopie n. Veronese 4'-** 5*5° Die Entführung der Europa.................. 3*9° 2*8° unbekannt Venus, Ceres und Bacchus.................. 3*4° 2*8** Kurfürst Friedrich v. Sachsen.................. Cranach-Schule 5*3** 3*7° Kaiser Rudolf I. im Ornat ....................... unbekannt 11*-** 12*9° Grundriß der Stadt Wien, Kupferstich . ff 1*8,5° 2*3,5° Schaustellung Christi, illum. Kupferstich de Bruge 4*4° 3*2° Maria Magdalena zu Füßen Christi . . unbekannt 2*1° 1*8° Brustblid Gustav Adolfs v. Schweden . 2*10° 2*3° Bildnis Wallensteins................................ Michael Herr 6'-** 4*2“ Die Belehnung durch Kaiser Matthias 1612 J. G. Prestel 1*4° 1*9,5° Maria Magdalena und Lucia . . . . Wolgemut 1*4° 1*9,5** Cosmas und Damian................................ ff 4*-** 2*6° Abschied Christi von seiner Mutter . . . H. v. Kulmbach 3*5° 2*3° Gebet am Ölberg, Rückseite: Geißelung altdeutsch 3*2** 2*7° Das Leben der St. Katharina . . . altdeutsch Bildnis der 3 sächsischen Reformations1*7“ 3*3° kurfürsten............................................. Lukas Cranach 2*3** 2,10° Inneres des Rathaussaales....................... Lorenz Hoss Markgraf Albrecht läßt die Weiher bei 0*7° 1*1,5° Pillenreuth fischen ........ unbekannt 1*3** 1*3° Das Lager der Nürnberger bei Pillenreuth ff St. Hubertus............................................. Kopie nach Dürer 4*9“ 1*11° 4*9“ 1*11° St. Georg..................................................

Nr.

Meister

Gemä1detite1

122 St. Lukas und Matthäus, Rückseite: St. Johannes........................................... Lot wird aus Sodom geführt................... David mit Goliaths Haupt........................ 124 a Johannes und Lukas. Innen: Hieronymus u. Sebaldus . . Der letzte Schöpfungstag............................ Eine Feldschlacht...........................................< Vermählung der St. Katharina .... Greisenkopf, (Skizze................................. Weißes Pferd in einer Höhle................... Braunes Pferd an einem Bach................... 131 Brustbild eines Mannes............................ Kreuztragung m. Schweißtuch Veronikas Seestück im Mondschein............................ Venus und Adonis...................................... Verkündigung an Maria............................ Blumenbukett von Mosaik........................ 0 M 0 ................................. Bergige Flußlandschaft mit Staffage . . . Landschaft mit Pferd und Hund .... Landschaft mit Pferd, Ziege, Schaf und Hirt......................................................... 141 Toter aufgehängter Vogel....................... Toter aufgehängter Vogel............................ Belehnung Karls V. 1534, illum. Holzschnitt............................ .... 0147 Allegorie auf Krieg, Kunst und Wissenschaft . ................................................... Gottvater in den Wolken schwebend . . Damenbildnis............................................................................................................ Ruhe auf der Flucht nach Ägypten . . . 151 Paris entführt die Helena........................ 0153 Flußgott mit Nymphe............................. 0154 Landschaft, oben rund................................. Landschaft, oben rund................................. Der heilige Sebastian, lebensgroß . . . Der hl. Hieronymus........................................................................... Der Leichnam Christi, von Engeln gehalt. 0161 Susanna und die beiden Alten .... Fürstin mit Kindern, stehend........................................... Saturnus. Kniestück...................................................................................... 164 Maria mit Kind................................................................................................. Brustbild Marias, im Blumenkranz . . . Der Kaufmann Huth mit einer Kaffeetasse Die Aufnahme Armer in ein Spital . . . Die Erziehung des Jupiter...................................................... Moses wird auf dem Nil ausgesetzt . . Simson und Delila...................................................................................... 0171 Jonas predigt den Niniviten............................................ 172 Die Huldigung vor Kaiser Leopold 1658

Höhe Breite ! (in b«yer. ( Fuß und Ful und Zoll) Zoll)

Wolgemut altdeutsch unbekannt

1*9,5“ 2'8“ 2'5,5“

altdeutsch Bassano unbekannt nach Rubens unbekannt

2'4“ 47“ l'lO“ 6‘4“ 1*2" 1*3“ 1*3** 1‘8“ 1*2“ 2'-“ 10*6" 17“ 0*9“ O'Q“ vv 0*9“ 07“

„ „ „

Bassano Vernet H

Lucas Cranach unbekannt 0 w II „

Dietzschin

1* 6 “ 2'2“

2'2“ C i 1 6‘4“ HO"

1* 8 " 1 '8,5“ 1*9“ 2 : 10*6“ l'l“

C flu ( 0,8“

07“ 0'8“ 0*10,5*' C 0*10,5“ 0 6*9“

8*2“

8*11“ 6*4** 6*4“ 6*4“ C. Fern 10*0“ A. Schonjans 11*-“ A. Bellucci 4'-“ Joachim Beich 4*-“ tr ff 6*6“ A. Schonjans 3*5“ Andreas Schiavone 4*6“ 4*3,5“ Tizian ? 7 *-** J. v. Sandrart 5*5** HU H 3*r* Peter Candit 4*4“ Hessel 2‘H“ J. Kupetzky 3*5** B, Wittig 5 4*10“ 4*-*' Kramer 3*7“ 3*6“ Michael Herr 5*2** Ruprecht Hauer

10T' :

unbekannt nach van Dyck D. Zanetti

n

rr

4'8“ 4*1“ 6'3“ 8'6“ 6'5“ 6‘“ 6'-“ 3'7“ 3*2“ 3*6“ 3 '8,5“ 4*8“ 4‘2“ : 3 2 2 3'9“ 6*1“ 3'1“ 5'4“ 77“ 199

Höhe Breite Nr.

174 Die Himmelfahrt Christi (unauffindbar) 0175 Luther und Melanchthon teilen das Abendmahl aus...................................................................................... 0176 • Einzug eines Kaisers........................................................................... 178 Bildnis des Stifters Joh. Eisen (ging verloren)................................................................................................. 179 Bildnis der Stifterin M. M. Metzger . . 180 St. Constantin und Helena......................... 185 | Zwei Engelsbildnisse................................................................. 186 0187 J Zwei Engelsbildnisse............................... 0188 189 Christus vor Pilatus........................................................................... 190 Heiliger teilt das Abendmahl aus . . . 191 Frau vor einem Heiligen kniend Rückseite: Papst...................................................................................... 192 Kaiser Maximilian I. Illum. Holzschnitt 193 St. Apollonia und Margareta........................................... 194 Altärlein. Maria mit Kind und Engel . 0195 Heilige mit Palme...................................................................................... 0196 Pfingstfest. Rückseite: Enthauptung Katharinas........................................................................................................... 0197 Philosoph an einem Tisch sitzend . . . 0198 Das Abendmahl................................................................................................. 0199 Die heilige Familie......................................... 0202 Maria mit Kind, St. Katharina und Mar­ gareta. 1426 .............................................. 0203 Eine göttliche Eingebung............................... 0204 Engelsköpfe. Rückseite: Engel auf Goldrund . . ................................................... 0205 Gegenstück zum vorigen............................... 206 St. Hieronymus.............................................. 207 Heiliger, vor Papst und Kardinal kniend. Rückseite: St. Martin............................... 208 Die Reichskleinodien.................................... 0209 Bildnis M. Schlickeisen.............................. 0210 Bildnisse des Eleasar.................................... 0211 Weibliches Bildnis . . ............................... 0213 Kaufmann Huth mit Violine .... 0214 Gefangennahme Christi............................... 0215 Grablegung Christi.. .................................... 0217 Anbetung Christi......................................... 219 Das Jüngste Gericht. 1421.................... .... 0220 Das kursächsische Wappen......................... 221 Der Tod Mariä, Säulenstück (beim Al­ tertumsverein abhanden gekommen. 1842).................................... 0222 Christus am Kreuz......................................... 0223 Reitejngefecht................................................... 0224 Christus am Kreuz......................................... 0225 Christus mit zwei Aposteln ..................... 200

Meister

Gemäldetitel

(in baytr. (in bayer. Fuß und Zoll)

Fuß und Zoll)

unbekannt

3*5,5“

5*7“

unbekannt

3*8“ 4*4“

4*7“ 6*6“

2*10“ 2*6“ 2*8“

2*3“ 2*-“

2*6“

1*-“

2*6**

-

L. Strauch Ihle neugriechisch H. v. Kulmbach

unbekannt unbekannt

2*11“

1*4“ l'-*‘ 1*-**

A. Dürer unbekannt

2*11“ 2‘-‘* 1*10“ 1*10“ 4*5“

1*11“ 0*9“ 1*6** 1*10“







2*9“

1*-**

nach Rubens

6*-** 3*5“ 2*11“ 2*4** 2*9“ 2*3“ 1*2“ 0*11**

unbekannt H

2‘11“ 4'-“

f| „ Joh. Herz 1627

1*-** 1*8*' 1*-“ 1*8“ 2*10“ 2*11“

i#

n

2*3“ 3*-“

unbekannt „ J. Kupetzky

1*-** 2*9“ 3*8“ 2*9“ 1*11‘* 1*6“ 2*8“ 2* “ n 11 1*5“ 1*9,5“ n n 2*9“ 2*0,5“ H II 5*-“ altdeutsch, unbek. 3*6“ 2*9“ 2*3“ ff 3*9“ 2*10'* ff 3 *-“ 3*9“ 3*6“ 2*6** 4*6“ 2*4** ff „ ff

unbekannt w

2*4“ 2*6“ 3*7“ 3*7“

2*8“ 2'-“ 1*8“ 2*6“

Höhe Breite Nr.

Meister

Gemäldetitel

0226 Die Kreuzschleppujig.................................... 0227 Die heiligen Frauen........................................ 0228 Der Tod der St. Katharina, dabei

St. Bartholomäus und Andreas .

.

unbekannt

.

rr

0229 Prospekt der Stadt Nürnberg von der

Freiung aus.............................................. 230 Bildnis eines Markgrafen?......................... 0231 Der Triumphbogen Kaiser Leopolds.

Kupferstich...................................................

unbekannt

232 Kleiner Flügelaltar: Geschichte Jesu und 0233 0234 0235 0236 0 237 0 238 0 239 0240 241 245 0 246 247 0 248 0249 0 250 0 251 0 252 0 253 254 0257 258 259

der Apostel, illum. Holzschnitt . . . Bildnis Gustav Adolfs .............................. Die Reichskleinodien, Kupferstich . . . Der Zinsgioschen............................................. Ein „Memento mori" mit vielen Figuren. Mit Geuder- und Rieterwappen. 1469 Dasselbe, zum vorigen gehörig . . . . Der Brand von Troja................................... Isaaks Opferung •................................... Allegorie auf die Vergebung der Sünden Christus am Kreuz. (An die Kirche zu Wengen abgegeben 1844) . . Streit Josuas mit den Amelitern . . . . Verschiedene Heilige................................... Abnahme Christi vom Kreuz . . . . . Der Evangelist Lukas................................... Isaaks Opferung.............................................. Anbetung Marias . . ... ... Der Triumphbogen Kaiser Maximilians I. Kupferstich................................................... Grablegung Christi........................................ Christus erscheint den Frauen,- das Schweißtuch............................................. Herkules und Antäus................................... Maria mit dem Kind .............................. Allegorie auf das Christentum. Basrelief in Holz........................................................ siehe Nr. 2....................................................

Kopie auf Papier unbekannt

H. Popp unbekannt Lembke unbekannt J.

F.

G. Pencz ? 1548 unbekannt n

(in bayer. (in bayer. Fuß und Zoll)

Fuß und

3'5“ 3*5"

2‘9“ 1‘6“

2‘9“

6'-“

3‘4“ 2‘5“

2'-“

37“

1'5“

2'ir 2'3“ 27“ 5T'

2'4“ 27“ 17“ 57“

Zoll)

8‘-“ 571“ 571“ 2‘6“ 2‘6“ 270“ 6‘5“ 5‘2“ 7*4“ 57“ 67“ 470“ 270“ 57“ 7*3“ 47“ 5V 8‘9“ 47“ 47“ 4‘6“ 6'-“ 3‘9“ 5‘9“ 2'4“ 3'8“

1'8“ 47“

27“ 1500 Franz Floris . . 6‘iO“ Kopie n. Cranach 2T0“

5'8“ 4‘5“ 2'-“



P. Dell P. de Hooch

17“ 2‘3“ HO“ 270“

39 Stück diverse Porträts. 260 Christus im Grabe stehend mit Maria und Johannes. Rückseite des Imhoffschen Altars............................................................. unbekannt n 261 Ü' f"dr.fas I Flügel des Imhoff„ sdiean AUars in der 262 S . Jakobus „ 263 S . Philippus Lorenzkirdie w 264 St. Jakobus maior J 265 Ein Bischof von Freising, in Speckstein ,, geschnitten, 1524 ................................... 266 Die hl. Rosalie.............................................. altdeutsch « 267 Die hl. Margaretha........................................

3‘10“ 3'10“ 3‘10“ 370“ 370“

3'-“ 17“ 17“ 17“ 17“

07“ 2'9“ 2'9“

0‘5“ 17“ 17“ 201

Höhe Breite Nr.

Ge m ä 1 d e t i t el

Meister

(in

bayer.

Fuß und Zoll)

0280 281 0282 0283 0284 0285 286 0287 288 289 290 291

«5

0279

4'-“ Jacobus maior............................................. altdeutsch 7 Festgemälde zum Dürer-Jubiläum 1828 verschiedene Schü­ ler von Cornelius 7*9“ 3*11** Die Abfahrt des Dogen von Venedig . . Canaletto ? 1*6“ Szenen aus Grübels Gedichten.................. A. Engelhart Jakob Schmidmaier im Sarg (Stadt­ 4*1“ bibliothek Nr. 35)................................ unbekannt Büßende Magdalena (Stadt­ 3*4“ bibliothek Nr. 59)........................... Albrechts 2'-“ Kreuztragung (Stadtbibliothek Nr. 60) . . unbekannt Skizze zu Sandrarts Friedensmahl 1*3,5“ Sandrart (Stadtbibljdthek Nr. 61) . . 17,5“ Kopf des Moses (Stadtbibliothek Nr. 63) unbekannt 1*3“ « Kopf des Paulus (Stadtbibliothek Nr. 64) Paulus und Thimotheus (Stadtbibliothek 3*2“ il Nr. 65).................................................. Versammlung von Meistersängern, oben 1*6,5“ ff Gottvater (Stadtbibliothek Nr. 66) . . Der Komet von 1665 (Stadtbibliothek: Nr. 70).................................................. B. Wittig Bildnis eines Unbekannten ^Stadt2*2“ bibliothek Nr. 56)................................ unbekannt Eine Meistersingertafel (Stadtbibliothek 1*3“ i« Nr. 2).................................................. Altärchen, Maria und mehrere Heilige, in Holz geschnitzt, Flügel gemalt. 1*9“ (Stadtbibliothek Nr. 4)....................... ■ Altarflügel. Oben Bartholomäus und An­ dreas, unten Matthäus und Johannes. Frauenkirche ................................ altdeutsch, unbek. 5*3“ Altarflügel. Oben Jakobus und Petrus, 5*3“ 1* unten Paulus und Thomas ...

to

268 269 -275 276 277 278

bayer.

(in

Fuß und Zoll)

1*6“ 5*1“ 7*3“ 2*6“ 6*8,5“ 2*10“ 1*6,5** 1*10** 1*2“ 0*10,5“ 2*3,5** 1'-“ 3*4** 1*8“ 1*1“

1*-**

1*8“ 1*8'*

Alb. R e i n d e 1, Direktor und Galeriekonservator.

Außerdem wurden am 4. Oktober 1852 noch folgende Gemälde versteigert: 0295 St. Katharina wird von Engeln begraben: Pömer'sches u. Fürer'sches Wappen . 0297 Allegorie auf die christliche Liebe . . . 0298 Gottvater und Sohn, umgeben von den 14 Nothelfern (Anfg. d. 15. Jahrh.) 0300 Altarflügel, oben St. Barbara, unten St. Ursula............................................... 0301 Kaiser Matthias im Krönungsornat . . . 0302 Lebensgroßes Bildnis eines Fürsten . . . 0303 Altärchen, beideseits bemalt: Lukas und Johannes, Sebald und Hieronymus

altdeutsch; unbek.

n

2*6*' 5,7“

ii

6*-“

Wolgemut-Schule unbekannt ff

altdeutsch; unbek.

5*10“ •JtmU

6*-“ 1*3“

Anmerkung: Die mit O bezeichneten Gemälde wurden am 4. Oktober 1852 öffentlich versteigert. Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, Akt V d 4, Nr. 13, Seite 95 bis 108 und 170/71. 202

Beilage V. Nachstehend verzeichnete Bilder wurden am 31. 1. 1922 an den Kunsthändler Heinrich Nüßlein verkauft: Nr. de« St&dt. Kataloge«

1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14)

Nr. 804 Nr. 435 Nr. 376 Nr. 415

Unbekannter Meister, Brustbild einer Fürstin. Um 1740 Johann de Pey (1589—1660), Bildnis........................... Maria Vereist (1680—1744), Bildnis eines jg. Mannes Art des Licinio da Pordenore (1483—1539), Maria mit dem Kinde................................................................ Nr. 767 Unbekannter Meister, Knabe mit Taube spielend, um 1700 ......................................................................... Nr. 410 Gottfried Schal cken (1643—1706), Die hl. Magdalena Nr. 745 Unbekannter Meister, Christine von Schweden. Brust­ bild . . . . ....................................................... Nr. 157/ Unbekannter Meister, St. Barbara und St. Appollonia. 158 Ende des 15. Jahrhunderts.................................... Nr. 463/ August Querfurt (1696—1761), Zwei Pferdestücke . . 464 Nr. 798 Unbekannter Meister, unbekannter Fürst mit Allonge­ perücke. Ganze Figur; um 1730 ........................... Nr. 869 Friderike v. Liscewska (1772), Selbstbildnis. Um 1820 Nr. 527 Unbekannter Meister, Jakobus d. Ä. Um 1500 . . . Nr. 601/ Unbekannter Meister, Zwei Pferdestücke. Um 1700 . . 602 Nr. 356 Flämisch. Um 1630. Gefecht zwischen ungarischen und deutschen Reitern *....................................

119 15 22 68

49 39 105 95 41/42 129 150 20

104

32

Quelle: Hauptregistratur, Akt Vd 4, Nr. 181.

203

Quellennachweis 1. Handschriftliche Quellen Bay. Staatsmin.: Geh. Reg. Akten = Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, München: Geh. Reg.-Akten über die Gemäldegalerie und die Kunstschule in Nürnberg, 1818 ff. Stuatsav. N. = Bayer. Staatsarchiv Nürnberg: Rep. 232 (Regierungsabgabe 1900): Nr. 2239, 2382, 4537, 4629, 4649, 4650. Regierungsabgabe 1932: Tit. XIII Nr. 2078, Tit. XHIa Nr. 50. Repertorium 17 Nr. 1. Akt. S. II L. 103 Nr 4. Nürnberger Ratsverlässe. Stadtav. N. = Stadtarchiv Nürnberg: Gent. 101 Akten V, 4 Nr. 2—8. Akten II 8, 10 Nr. 6. Akten yy 182. HR. = Stadtarchiv Nürnberg und Hauptregistratur: Akten V d 4 Nr. 1, 10, 13, 15, 35, 38, 39, 43, 45, 78, 80, 81, 82, 89, 93, 99, 101, 109, 112, 114, 115, 117, 123, 124, 133, 134, 135, 136, 137, 141, 147, 149, 153, 155, 161, 162, 172, 179, 181, 189, 190, 193, 199, 201, 205, 207, 224, 230, 236, 238, 259. Akten V d'5 Nr. 26. Stadtbibi. = Stadtbibliothek Nürnberg: Acta über die von Holzschuhersche Kupferstichsammlung. Handschriftliches Inventar der Stadtbibliothek von Schräg-Ranner 1835. Norica-Handschriften Nr. 44 und 352. Katalog der Georg P. Ambergerschen Norica-Kupfer 1842. Verzeichnis der 1836 an die Kunstgewerbeschule übergebenen Kupferstiche. Lagerbuchhaltung: Vergleich zwischen der Stadt Nürnberg und den J. J. Hertelschen Erben. 1862. Schulregistratur Akt III C a 2 Nr. 8. Akademie, Katalog = Akademie der bildenden Künste Nürnberg: Katalog der königlichen Kunstgewerbeschule Nürnberg vom 13. Mai 1858. Städt. Gal. Katalog 1 = Städtische Galerie, Registratur: Katalog über die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, 1897 ff., 1. Band. Städt. Gal. Katalog 2 ~ Städtische Galerie, Registratur: Katalog der Städtischen Kunstsammlungen 2. Band, enthaltend die Kunst­ gegenstände der Stadt Nürnberg, welche dem Germanischen Nationalmuseum zur Aufbewahrung anvertraut worden sind. 1878. ' Anhang zu diesem Katalog in besonderem Band. Städt. Gal. Katalog 3 — Städtische Galerie, Registratur: Katalog der Städt. Kunstsammlungen, 3. Band, Fortsetzung von Band 2, geführt 1885 bis zur Gegenwart. Städt. Gal. Münzkatal. — Städtische Galerie, Registratur: Katalog der Städtischen Münzen- und Medaillensammlung. Städt. Gal. Verzeichnis 1912 = Städtische Galerie, Registratur: Revidierte Verzeichnisse der Städtischen Sammlung von Gemälden, Glas­ gemälden und Holzstödcen 1912. 2. Schrifttum Baader = Joseph Baader, Beiträge ?ur Kunstgeschichte Nürnbergs. 1. und 2. Bändchen. Nördlingen 1860/62. 204

Biedermann = J. G. Biedermann, Geschleditsregister des hodiadeligen •Patriziats zu Nürnberg. Bayreuth 1748. Der schau = Verzeichnis der seltenen Kunstsammlungen . . . des .... Herrn Hans Albrecht von Derschau. Nürnberg 1825 Doppelmeyr = Johann Gabriel Doppelmeyr, Historische Nachrichten von Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern. Nürnberg 1730. Eye = A. v. Eye, Leben und Wirken Albrecht Dürers. Nördlingen 1860. Glauning — Otto G1 a u n i n g , Neveu und der Raub Nürnberger Kunst- und Bücherschätze, 1801. (Mitt. d. Ver. f. Gesdi. d. Stadt Nürnberg. 22. Heft, 1918). Göschei = Johann Philipp G ö s c h e 1, Die Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Nürnberg 1862. Gümbel Albert Gümbel, Das Inventar der Seherischen Kunstkammer in Nürnberg 1637. (Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg. 30. Band 1931). Hagen = Verzeichnis von H a g e n i scher Gemälde-Sammlung .... welche .... durch öffentliche Versteigerung an die Meistbietenden überlassen wird. Nürnberg 1785. Ho.mpe = Theodor Hampe, Kunstfreunde im alten Nürnberg. (Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 16. Heft, 1904). Heinlein — Verzeichnis des Anton Paul H e i n 1 e i n sehen ausgezeichneten Kunstkabinetts. Nürnberg 1832. Heller = Joseph Heller, Das Leben und die Werke Albrecht Dürers. Bamberg 1827. Hertel = Die Sammlungen des Handelsgerichtsassessors Johann Jakob Hertel. Nürnberg (1840). Huber = Heinrich Huber, Der Nürnberger Kunstraub im Jahre 1801. (Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 28. Band, 1928). Katalog Ä. P. = Katalog der Älteren Pinakothek in München 1936. Katalog G M. (Gern. 1909) ~ Kataloge des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Katalog der Gemäldesammlung. 2. Auflage 1882; 4. Auf­ lage 1909. Katalog G. M. (Lutze) = Kataloge des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg: E. Lutze, Die Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts. 1934. Katalog G. M. (Lutze-Wiegand) = Kataloge des Germanischen National­ museums in Nürnberg: E. Lutze und E. Wiegand, Die Gemälde des 13. bis 16. Jahrhunderts. Leipzig 1937. Katalog G. M. (Josephi) — Kataloge des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg: Walter Josephi, Die Werke plastischer Kunst. Nürn­ berg 1910. Kehrer = Hugo Kehrer, Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-Bildnisse. Wien 1934. Keyßler = Johann Georg K e y ß 1 e r, Neueste Reisen durch Deutschland, Böh­ men, Ungarn, durch die Schweiz, Italien und Lothringen. Neueste Auflage von M. u. Gottfried Schütze. Hannover 1751. Lang = Ausführliche Beschreibung aller auf dem Rathaus . . . befindlichen .... Gemälde. 1711; abgedruckt bei Mummenhoff (Rathaus), S. 290—294. Landauerbrüderhaus (Gemälde) = Verzeichnis der königlichen und städtischen Gemälde in der Kgl. Gemäldegalerie in Nürnberg im Landauer­ brüderhause. Nürnberg 1840. Mummenhoff (Rathaus) — Ernst Mummenhoff, Das Rathaus in Nürnberg. Nürnberg 1891. Mummenhoff (Burg) = Ernst Mummenhoff, Die Burg zu Nürnberg. Nürnberg 1898. 205

Moritzkapelle (Gemäldekatalog) = Der Kgl. Bildersaal in der St. Moritz­ kapelle zu Nürnberg. Nürnberg 1829. Murr (Beschreibung) = Christoph Gottlieb von Murr, Beschreibung der vor­ nehmsten Merkwürdigkeiten in der Stadt Nürnberg. 1. Auflage, Nürnberg 1878; 2. Auflage, Nürnberg 1801. Murr (Rathaus) = Christoph Gottlieb von Murr, Beschreibung des Nürnberger Rathauses. 1790. Murr (Journal) = Christoph Gottlieb von Murr, Journal zur Kunstgeschichte, Band 15. Nürnberg. Nagler = D. K. Nagler, Neues allgemeines Künstlerlexikon. 1835—1852. Priem = Joh. Paul Priem, Geschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1875. Ranner = Gottfried Christoph Ranner, Kurzgefaßte Beschreibung der nürnbergisdien Stadtbibliothek. Nürnberg 1821. Rettberg = R. v. Rettberg, Nürnberger Briefe zur Geschichte der Kunst. Hannover 1846. Roth = Johann Ferdinand Roth, Nürnbeigisches Taschenbuch 1812. Satarik = Eduard S a f a r i k , Johannes Kupetzky. Prag 1928. Schulz (Beschreibung) = Fritz Traugott Schulz, Beschreibung der Stadt. Kunst­ sammlung, Nürnberg 1909. Nachtrag 1911. Schulz (Festschrift) = Fritz Traugott Schulz, Festschrift zur Einweihung des Künstlerhauses. Nürnberg 1910. Sdiulz (Galerie) = Fritz Traugott Schulz, Die Städtische Galerie. Monographien deutscher Städte, Band 23: Nürnberg. Berlin 1927. Stumpf = Stumpf, Beitrag zu Albrecht Dürers Lebens- und Kunstgeschichte. Zeitschrift für Bayern, 2. Jahrgang, 12. Heft, 1817. Taschenbuch = Neues Taschenbuch von Nürnberg (2 Teile). Nürnberg 1819/22. Thieme-Bedker = Thieme-Becker, Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1909 ff. Winkler = Friedrich Winkler, Dürer. Des Meisters Gemälde, Kupfer­ stiche und Holzschnitte. 4. Auflage, Berlin und Leipzig 1928.

206

Nürnberg und der Stahlstich von Heinrich Gürsching.

I.

Erfindung und Bedeutung des Stahlstiches Die große, in sich ruhende Geschichte der europäischen Metallgraphik, des Kupferstiches, endet kurz nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts sehr plötz­ lich, nachdem sie, wenn man von der Lithographie absieht, im Stahlstich eine letzte Nachblüte getrieben hat, die unmittelbar in das Zeitalter der Photo­ graphie einmündet. In diesem Augenblick erst lösen sich in der Graphik die beiden Welten ab, die sich anderweitig schon ein halbes Jahrhundert früher von einander abzusetzen beginnen. Der Metallstich hört jählings auf, der Re­ produktion von Kunstwerken aller Art zu dienen und gewissermaßen nur neben­ bei, im Atelier des schöpferischen „peintre-graveur*’, selber Kunst zu sein, nicht nur edles Handwerk. Fortan gibt es nur noch den freien Stecher eigener Ein­ fälle, den Radierer hauptsächlich,, der mit der kalten Nadel nachhilft. Die alten Techniken sterben zum großen Teil ab: der reprodukive Linien- und Kartonstich, die mühsame Grabstichelarbeit, die „Punktiermanier", die zur Wiedergabe des Inkarnates unentbehrlich gewesen war, die Schabkunst mit ihren malerischen Tonwerten.1) Die reproduktive Graphik strebte darnach, jede einzelne, mühsam gewonnene Platte in möglichst hoher Auflage auszunützen. Das Kupfer, das heute leicht verstählt werden kann, war aber ein sehr weiches Material, das stets nur eine recht begrenzte Zahl guter Abdrücke ermöglichte. Die Franzosen haben es um 1800 zu 1000 erträglichen Abdrücken gebracht; dann mußte die Platte neu *ufgestochen werden. Diesem Mangel hilft nun die Erfindung des Stahlstiches vollkommen ab. Sie rettet den reproduktiven Metallstich und damit ungezählte Stecher für ein halbes Jahrhundert vor dem Untergang. Aber sie industrialisiert die Stecherei bereits, langsam, aber umso sicherer. Sie geht auch Hand in Hand mit handwerklich-künstlerischen Veränderungen im gesamten Stecherbetrieb, die nur zum Teil aus der beginnenden Mechanisierung der graphischen Kunst stammen, zum Teil aber auch aus dem eigenartigen Material. Die Kunstwissen­ schaft ist ihr deshalb stets abhold gewesen. Dagegen ist diese Erfindung kultur­ geschichtlich so ungemein aufschlußreich, daß man sich wohl zu Unrecht mit ihr bisher so wenig befaßt hat. Das Stahlstichverfahren wurde in England erfunden und 1820 dort patentiert. England, das Land ohne große Revolution, überführte damit die ehrwürdige Tradition des europäischen Kupferstiches in die letzte, industriell besser zu ver207

wertende Blüte, die vom Kontinent aufgenommen und in einer Arbeitsleistung sondergleichen von Land zu Land getragen wurde. Der Vorgang ist umso reiz­ voller, als er voller demokratisch-bürgerlicher Impulse steckt. Den Ruhm der Erfindung trug der Londoner Kupferstecher Charles Heath (1785—1848) davon, Angehöriger einer jener erfolgreichen Kupferstecherfamilien mit umfangreichem Werkstattbetrieb, wie sie in der Riesenstadt nicht selten waren.2) Die Erfin­ dung lag wohl längst in der Luft; der Stahlstich wird sofort in England so allge­ mein aufgenommen, daß man wohl annehmen darf, auch andere Stecher seien längst dem neuen Verfahren auf die Spur gekommen; schon 1822 erhält Th L u p t o n (1791—1873) eine Goldmedaille für Mezzotintostiche auf Stahl. Die Erfindung hat dieselben Fortschritte der Stahlindustrie zur Voraussetzung die die Erfindung der Eisenbahn erst ermöglichte, die gleichzeitig ihren Siegeszug durch die Welt antritt. Auch die Schnellpresse wird zur selben Zeit in englischen Werkstätten, wenn nicht erfunden, so doch ausgebildet; damit ist der moderne Buchdruck geboren, der für den Stahlstich so wichtig wurde. Die Erfindung des Stahlstiches beruht auf der nunmehr durchführbaren Idee; den Stahl für Stich oder Radierung durch ,,Dekarbonisierung" genügend weich zu machen, um ihn sodann nach dem Stich oder der Ätzung für den Druck wieder zu härten. Man konnte dadurch eine etwa zehnmal größere Druckfähigkeit der Platte gegenüber dem Kupferstich erzielen, die sich ins Unendliche vervielfachte, wenn man mit Hilfe der ,,transferpress" Stahlmatrizen von der Platte anfertigte, von denen man neue Platten in beliebiger Zahl gewinnen konnte. Die an sich wenig bedeutsame Erfindung des Stahlstiches steht also mitten in der Fülle physikalisch-chemischer Umwälzungen die im Nu die Welt ergreifen und den Gang des neuen Jahrhunderts bestimmen. Nicht allein die Physik steht bei der Erfindung Pate, sondern auch die Chemie, die die Erweichung und Häitung des Stahls vollzieht und eine Unmenge neuer Ätzmethoden und Re­ zepte liefert. Es ist genau dieselbe Verbindung dieser beiden Wissenschaften, die später die Photographie ermöglicht. Man kann also ohne allzugroße Über­ treibung sagen, daß die Photographie, die um 1860 den Stahlstich zu erdrosseln beginnt, ihn als Vorstufe brauchte und benützte. Sie stammt im Gesamtbilde der künstlerischen Kultur Europas genau so von Marc Anton und Dürer ab, wie die vom reproduktiven Stecherwesen befreiten modernen graphischen Künstler, ein Klinger oder Schinnerer, und die paar Jahrzehnte des Stahlstiches haben in dieser Ahnentafel ihren bedeutsamen Platz. Die Stahlstecher des 19. Jahrh. wachsen zwar in eine neue Gesinnung hinein, wahren aber geflissentlich die alten Traditionen der Kupferstecherei, auch in den Äußerlichkeiten ihrer Erzeug­ nisse. Noch immer sind die vom Stecher selbst abgezogenen Erstlingsabdrucke „avant la lettre" (vor der Beschriftung) die besten. Wie bisher erhält der Stahl­ stich den aufgedruckten Namen des Zeichners oder Malers der Vorlage (,pinxit", „delineavit" oder ..invenit", meist links unter dem Bildrand), den Namen des Stechers („sculpsit", meist rechts) oder den Namen des Verlegers (,excudit" oder „imperit'). Geistige Urheber von Stahlstichen, wie etwa Lehrer auf Schüler­ stichen, unterzeichnen wohl auch mit „direxit". Es hat etwas zutiefst berühren­ des, wenn zu Ausgang der Periode in den sechziger Jahren der Stechervermerk mehr und mehr lautet: „Nach einer Photographie gestochen". Die englischen Stahlstecher bewahrten die neue Erfindung jahrelang als Firmengeheimnis in ihren Werkstätten, wie das in der langen Geschichte des europäischen Kupferstiches stets auch so gewesen war. Die Ergebnisse ihres technischen Fortschrittes wurden prämiiert; sie erregten überall Aufsehen, be­ sonders* da diese Ergebnisse auf einmal in Millionen von Exemplaren den Kon208

tinent überfluteten. Die Aufnahme des Stahlstiches ist nicht überall gleich: in Frankreich überwiegt das künstlerisch-technische Interesse, in Deutschland zugleich bereits das industrielle. Am ablehnendsten verhält sich in dieser Be­ ziehung lange Zeit das klassische Land des Kupferstiches, Jtalien. Der große deutsche Raum, auf Giund seiner politischen Zerstückelung aus ungezählten Zentren künstlerischen Betriebes bestehend, stand nach den Stürmen der napoleonischen Zeit vor ganz neuen Anfängen. Die Atmosphäre war durch fast, dreißig Gewitterjahre bis zur kristallinischen Klassik gereinigt, das Volk war in den Befreiungskriegen national erwacht, aber äußerst arm, und all das waren sehr günstige Vorbedingungen für eine geradezu feurige Aufnahme des Stahlstiches. Während in England der Stahlstich zunächst einzig zu einer er­ staunlichen Prosperität des Verlagsunternehmertumes führt, wurde in Deutsch­ land sogleich philantropisch-philosophisch über die Erfindung als Mittel zur Volks­ bildung debattiert und das größte deutsche Stahlstichunternehmen, Joseph Meyers ,»Bibliographisches Institut" in Hildburghausen, war sosehr politisch­ demokratisches Volksbildungsinstrument, daß seine Stahlstichpublikationen« ins­ besondere das „Neue Universum", zur Zeit der Metternichreaktion des öfteren verboten worden sind.3) Als die ersten englischen Stahlstiche bekannt wurden, saßen die Kupfer­ stecher der ganzen Welt kopfschüttelnd davor und bewunderten insbesondere die unermeßliche Feinheit, „Freiheit und Gleichheit" der Stechtöne, die sie alle anstrebten und auf dem Kupfer auch mit größter Mühsal keineswegs in dieser Vollendung fertig brachten. Es setzte ein gewaltiges Spionieren nach den eng­ lischen Werkgeheimnissen ein-, wer die Möglichkeit dazu hatte, ging selbst über den Kanal. Von den Deutschen hat sich der Karlsruher Kupferstecher Karl L. Frommei (1789—1863) den fast legendarischen Ruhm erworben, den Stahlstich in England kennen gelernt und in Deutschland eingeführt zu haben. Er nützte seine Beziehungen zu den F i e 1 d i n g s in London aus und arbeitete einige Zeit in den dortigen Werkstätten. 1825 kehrte er nach Karlsruhe zurück und brachte eine englische Stahlpresse mit. Ein englischer Freund, Henry Wink­ les, begleitete ihn; allein die Freundschaft mit diesem Stahlstecher ließ ihn den gesamten Umfang der englischen Fortschritte übernehmen.4) Nun kann freilich kein Zweifel bestehen, daß schon vor der Rückkehr From­ meis 1825 in Deutschland, sicher auch in Paris, in Stahl gestochen worden ist. Aber Frommei gebührt zweifellos der Ruhm, als erster den Stahlstich auf brei­ ter Grundlage und überaus uneigennützig gelehrt zu haben. Er war großherzoglicher Beamter, später Professor und Galeriedirektor, und sein Vertrag verpflichtete ihn zur unentgeltlichen Lehrtätigkeit; er hatte somit keine Werk­ stattgeheimnisse zu hüten. Allein dies hat ihn zum bedeutendsten Lehrmeister des Stahlstiches in ganz Deutschland gemacht; die meisten führenden Stahl­ stecher der Frühzeit sind nach Karlsruhe gegangen und haben seine Schule be­ sucht. Durch diesen großen Einfluß hat Frommei nicht nur den Boden für die spätere Karlsruher Akademie mit ihrer bis heute anerkannten Bedeutung für das graphische Fach bereitet, er hat auch die Kreuzbauer 'sehe Kunstanstalt in­ spiriert, die ein wichtiges Vorbild für die künftige Ausnützung der neuen Er­ findung wurde. Sein Einfluß reicht aber noch viel weiter und bis hinein in die seelischen Bezirke der deutschen Stahlstecher■, die vielfach als besonders fromme, der nazarenischen Richtung in der Kunst zuneigende Erscheinungen vor unseren Augen stehen, als höchst bezeichnende Typen ihrer Epoche. Wo dieser Zug fehlt, ist der Stahlstich meist nicht von Frommei übernommen worden; man kann bei­ nahe Schlußfolgerungen daraus ziehen. lft

209

Die Eigenart der pädagogischen Tätigkeit Frommeis konnte sich freilich nur allmählich auswirken; es ist mehr die zweite Stahlstechergeneration, die durch Frommei und seinen englischen Freund geprägt wird. Schon allein deshalb muß man annehmen, daß der Stahlstich keineswegs allein von Frommei in Deutsch­ land importiert sein kann. Heaths Verfahren wurde bereits 1820 patentiert; es ist sicher lange Zeit vorher in tausend Versuchen erarbeitet worden. 1825 erst, also sehr spät hat Frommei seine Karlsruher Presse in Tätigkeit gesetzt. Man muß den Rahmen viel weiter spannen, um den Vorgang der Übernahme dieser Erfindung auf dem Kontinent voll zu begreifen. Deutschland ist dabei besonders interessant. Wie so oft in den Räumen deutscher Kultur: die politische Zerrissenheit hatte ihre glückliche Seite. Früher oder später erfüllten sich alle Stätten und IStädte künstlerischer Tradition mit einem irgendwie gearteten Willen, die Stahlstichneuerufig aufzunehmen, mit der Tradition zu verbinden und zu nützen. Gei ade die Uneinheitlichkeit dieses Rezeptionsvorganges in den alten Resi­ denzen Berlin, Wien, Dresden, in den aufstrebenden Kulturzentren Stuttgart, München, Karlsruhe, in den Reichsstädten Frankfurt, Augsburg, Nürnberg, in eigenartig jugendlichen Städten ohne besondere politische Bedeutung wie Düssel­ dorf oder Leipzig, oder etwa gar in dem zufällig ausgesuchten Städtchen Hild­ burghausen — ergibt recht verschiedenartige Anfänge, die sich erst allmählich aneinander angleichen. Sie können gar nicht alle von Frommei stammen. In England ist der Stahlstich einzig in London zuhause, in Frankreich aus­ schließlich in Paris. Er verbleibt hier wie dort ein vergeistigter Exponent der bereits fest ausgebildeten Nation. Der Stahlstich in Deutschland ist nicht mit einem Blick zu übersehen, er ist primitiver und zukunftsträchtiger, sehr ver­ schieden in der Qualität. Es handelt sich in Deutschland um eine unermüdliche Zwiesprache zwischen Stämmen, Staaten, Dynastien, Landschaften und nicht zu­ letzt zwischen künstlerischen und allgentein-kulturellen, ja sogar konfessionellen Tiaditionen. Auch in Italien hätte der Stahlstich Träger des reichbewegten Zeitgeistes, etwa im Sinne des Risorgimento, werden können, wenn hier nicht der berechtigte Stolz auf die klassische graphische Vergangenheit den Stahlstich weithin unterdrückt hätte.5) Englische und französische Stahlstiche wirken im Vergleiche mit den deutschen raffiniert, aber einförmig; die deutschen aber wirken in ihrer vielfältigen Abstufung von primitiver Kindlichkeit bis zur letzten samtgetönten malerischen Fülle oft wahrhaft ergreifend. Der einzelne Stahl­ stich spiegelt bei uns niemals die Nation, wohl aber die Gesamtheit dieser Er­ zeugnisse. Dabei ist nun eines nachdrücklich zu bedenken: die so vielfach gespaltene deutsche Stahlstecherei auf dem Boden einer ähnlich gearteten kupferstecherisdien Vergangenheit wiegt zunächst insgesamt nicht so schwer wie die erdrücken­ den Einflüsse von London und Paris. Der Pariser Einfluß ist der ältere; Paris ist schon vor der großen Revolution dank der kupferstecherischen Tradition des „Institut", der großen akademischen Zentralstelle Europas für das graphische Fach, die höchste Instanz für den kupferstecherischen Fortschritt gewesen; die Revolution hat darin nichts geändert und Napoleon hat diesen Vorrang geradezu seiner Politik dienstbar gemacht. Die Pariser Blüte des Kupferstiches rührte aus der Zeit Ludwigs XIV., die alle Mittel der Repräsentation so überaus be­ vorzugte; das jüngere Barockporträt rührt davon her? es kam durch den Stich unter die Leute. Hier beginnt aber auch bereits die emsig von Staats wegen betriebene Reproduktion von Kunstwerken/ die längst, zum Te)il von den 210

Künstlern selber, in die Wege geleitet war und sich fest eingebürgert hatte. So hatte schon Raffael *,seinen“ Stecher Marc Anton, den Vater der ganzen Gattung. So war unter der Leitung von Rubens die Glanzepoche des freien repro­ duzierenden Kupferstiches unter Vorsterman, Boiswert und Pontius entstanden; und so hatte Ludwig XIV. die Übung übernommen, indem er von Staats wegen eine großartige Stechersdiule um Massen, Audran und Edelinck zur Entfaltung brachte. Sie war von Anfang an auf Langlebigkeit angesetzt. Als Paris den Stahlstich übernahm, geschah es ohne wesentliche Einbuße des bereits ausgebildeten Pariser graphischen Stiles und seiner Koryphäen, eines J. G. Wille (1715—1808) oder Ch. CI. Bervic (1756—1822) mit hunder­ ten von bedeutenden Schülern. In Paris herrschte noch immer das Porträt und die Galeriereproduktion; in der Landschaft ging der Kupferstich nicht über die klassische Ideallandschaft eines Poussin oder Claude Lorrain hinaus. Als der Stahlstich in Paris den Kupferstich abzulösen begann, viel vorsichtiger als in England, sollte man dies gar nicht bemerken; die Qualität der klassischen Kupfergravierung durfte nicht leiden; es kam hier einzig auf die technische Frage der Auflagenvermehrung an. In England aber, besser gesagt in London, der Geburtsstadt des Stahlstiches, bleibt die Erfindung nicht eine technische Frage, sondern sie wird sofort zur industriellen Neuerung. Die Londoner Stahl­ stichwerkstätten werden im Augenblick zu gewaltigen Verlagsbetrieben, die viel weniger an künstlerische Erbschaften gebunden sind, zum mindesten nicht an akademische Erbschaften Pariser Stiles. Die englischen Stahlstichbetriebe sehen sich zugleich nach der gängigsten Ware um und finden sie in der Land­ schaft, nicht freilich in der „Ideallandschaft“ des Barock und Rokoko, sondern in der „Vedute", die dem Zeitalter des mächtig erleichterten Reiseverkehrs so trefflich Rechnung trug. Nun bedeutet allerdings gerade diese Aufnahme des Landschaftlichen in die Welt der graphischen Motive überhaupt eines der anziehendsten Probleme des ganzen Zeitraumes zwischen 1750 und 1850. Es spielt sich damals ein wahrer, auch literarisch mit einiger Heftigkeit debattierter Kampf zwischen „Ideallandschaflt" und ,,Vedjute'* ab £ Kein Geringerer als Goethe hat in : seiner Hackertbiographie vermittelnd in diesen Kampf zwischen aristokratisch getöntem Klassizismus und beginnender Verbürgerlichung des Landschaftserlebnisses ein­ gegriffen; die Ideallandschaft mit meist mythologischer Staffage wird zur bloßen Landschaftsansicht, zum Reiseandenken. Gerda Kircher, die diese Dinge be­ schrieb, läßt die Frage offen, ob diese Entwickelung einzig in dem großen Reise­ land der Zeit, der Schweiz, begann, oder ob auch England selbständig zur Vedute kam, wie es fast den Anschein hat. Jedenfalls treffen sich beide Ström­ ungen gerade in der Person Frommeis sehr sinnfällig; Frommeis Lehrer Chr. Haldenwang (1770—1831) hat viele Jahre bei Chr. v. Me c hei (1737 bis 1817) in Basel gearbeitet, der auf den Spuren J. L. Aberlis (1723—1786) den kleinformatigen Vedutenstil im Kupferstich deutlich zur Ausbildung ge­ bracht hat. Der Stahlstich war wie geschaffen, um diesen Stil zu vollenden, mehr als die am Aquarell geschulte romantische Malerei. So wenig also die ersten Stahlstecher zunächst Grund hatten, die figür­ liche Reproduktion von Kunstwerken außer Acht zu lassen, so sehr waren ihnen zugleich mancherlei Wege vorgezeichnet, sich auf neuartige Weise intensiv landschaftlich zu betätigen. Die englischen Zuführungswege waren dabei für die deutschen Stahlstecher die einladendsten. Wie in England, so ist es auch in Deutschland noch kaum die absolute Landschaft, die im Stahlstich erfaßt wird, sondern die geschichtlich bedeutende, 14*

211

die historisch beglaubigte Landschaft mit ihren Schlössern, Burgruinen, Denk­ malskuriositäten. Auf Schritt und Tritt verrät sich die auftragsmäßige Her­ kunft dieser ganzen Produktion, ein bestimmtes Verlagsprogramm zur Heraus­ gabe von literarisch eingekleideten „Wanderwerken“ usw. So wird denn der Landschaftsbestand der ganzen Welt unversehens das große Thema des eng­ lischen und des deutschen Stahlstiches. Welch ein Verdienst! Der Stahlstich gibt in hunderttausenden von Landschaftsbildern ein treues Bild des , roman­ tischen' Landschaftsbestandes nicht nur von ganz Europa, sondern auch von Amerika und weiten asiatischen und afrikanischen Gebieten vor dem Einbrüche der modernen Zeit mit ihren technisch-sozialen Verwandelungsprozessen. Was Sebastian Münster für die mittelalterliche Gestalt deutscher Städte oder Meri an für ihre Rennaissancegestalt ist, das ist der englisch-deutsche Stahl­ stich für die Landschaft des ganzen Planeten am Ende ihrer reinen Existenz, am Vorabend ihrer chaotischen Eintrübung. Niemals mehr wird man das architektonische Charakteristikum einer ganzen Stadt im Rahmen der sie um­ armenden Landschaft so prägnant auf kleinstem Raum zu erfassen vermögen, wie dies die englischen und deutschen Stahlsticherzeugnisse vermocht haben! Um nun Maßstäbe zu gewinnen, kommt es besonders darauf an, im weiten deutschen Raum die ältere Einflußsphäre von Paris innerhalb der Kupferstecherei festzustellen und daneben die unmittelbar aus England herrührenden Einflüsse kennen zu lernen. Da zeigt es sich deutlich, daß Paris überall da herrschte, wo bereits eine starke Tradition stecherischer Betätigung vorhanden war, ganz be­ sonders in Süddeut$chland, wo außerdem der Rheinbund die Verbindung mit Paris neu gefestigt hatte. Die Pariser Ideale halten sich naturgemäß da besonders lange, wo berühmte Stecher mit ihren Schulen seit Jahrzehnten am Werke waren, so etwa in Stuttgart, wo der Kupferstecher J. G. v. Müller (1747—1830) als Berühmtheit herrschte. Aus den Zeiten des ancien regime her war die Pariser Tradition an den großen Höfen von Wien- Berlin und Dresden noch durchaus lebendig, in Wien und Dresden freilich stark unterstützt durch die noch älteren italienischen Einflüsse die insbesondere die Verhältnisse in Wien bis tief ins 19. Jahrhundert bestimmen. Hier ist überall die Galeriereproduktion und das Por­ ti ät im Geschmack des ausgehenden Barock und des beginnenden Klassizismus das allgemeine Thema des gesamten Stecherbetriebes und die Aufnahme des Stahlstiches bedeutet nicht sogleich einen neuen Stil. Und inmitten dieser zwi­ schen Wien und Paris flutuierenden kupferstecherischen Tradition lassen sich auch die süddeutschen Reidisstädte Frankfurt, Augsburg und Nürnberg eingliedern. Auch sie gehören mit ihrer umfangreichen kupferstecherischen Vergangenheit zum bewußtesten Kontinent und der englische Einfluß hat in ihnen einige Mühe, Fuß zu fassen. Wie sich am Beispiele Frommeis in der jungen Stadt Karlsruhe so besonders schön begreifen läßt: der englische Einfluß wurde da besonders rasch und leicht aufgenommen, wo keine ältere Tradition im Wege stand. Er petzte sich durch, wo besonders günstige Vorbedingungen für das industrielle Moment vorhanden waren, die im Wesen des Stahlstiches schlummerten; deshalb wird hinwiederum eine Stadt wie Nürnberg, trotz der älteren Tradition, zur Stahlstichstadt. Aber der Vorgang ist hier besonders kompliziert. Der englische Grundton mit seiner aus einem neuartigen Landschaftserlebnis gewonnenen atmosphärischen, etwas spannungslosen Verfeinerung, gewonnen in vielen neuartigen technischen Kniffen, beginnt in Deutschland in dem Maße Boden, als der Pariser Einfluß, überhaupt die ältere Tradition nachläßt. Es ging niemals ohne Einbuße des überkommenen Stiles ab. Wie sehr auch die 212

•rage der Konkurrenzfähigkeit dabei eine Rolle zu spielen begann, ersieht man us dem energischen Willen der durch den Stahlstich so ungeheuer mächtig ge­ wordenen englischen Verlagsunternehmungen, unmittelbar für und in Deutschl­ and zu arbeiten, hier gewissermaßen zu kolonisieren. Die mächtigen englischen Zerleger, die im übrigen für das Bedürfnis der eigenen Nation und der großen Veit auch Kunstwerke reproduzierten. (, National Gallery“), schickten während ler ganzen Stahlstichepoche mit Vorliebe ihre eigenen Zeichner und Stecher nach )eutschland. Es erschien 1832 Tomblesons Stahlstichserie über den Rhein, .843 Bartletts Prachtwerk über die Donau. Neben der traditionellen sächsi­ schen altehrwürdigen Kupferstichmetropole Dresden entsteht zu Beginn der 30er lahre in Leipzig ein rein englisches Stahlstichinstitut, das mit den „Wan­ derungen durch Franken" nach Zeichnungen Ludwig Richters tief nach Süddeutschand eingewirkt hat. Auch Frommeis Freund W i n k 1 e s ist später in Leipzig jewesen. Wer etwas geübt ist im Anschauen von Stahlstichen, der erkennt den englischen Unterton sofort. Er ist bis zum Ende der Stahlstecherei immer wieder lachzuweisen und setzt sich auch da durch, wo ursprünglich der französische figürlich-kompositionelle Einfluß überwogen und das Stahl stich verfahren anders lusgenützt hatte, als es die Industrie der ungezählten Landschaftsveduten mit sich gebracht hatte. Auch dies trifft für Nürnberg zu. Die stilistische Sonderart der englisch beeinflußten Landschaftsstahlstiche, die den Kunsthistoriker mit Recht bedenklich stimmt, ist deswegen so stereotyp übernommen worden, weil sie sehr wesentlich technisch bedingt ist. Die indu­ strielle Brauchbarkeit des Stahlstiches in Bezug auf unermeßlich hohe Auflagen­ ziffern hat sofort auch die Stecher selbst in industrielle Bahnen gezwungen. Der Stahlstecher wird hinfort von einer Menge von neuartigen Maschinen unter­ stützt, die ihm insbesondere die Grabstichelarbeit ersparen: Liniermaschinen für die Plattenhintergründe, den sog. „Pantographen“, eine Storchschnabelkonstruk­ tion, mit der man die allerfeinsten „Fernen“ in der Landschaft bewältigen konnte« die mit der freien Hand nicht in den Radiergrund gezogen werden konn­ ten. Schon in Frankreich waren dergleichen Maschinen erprobt worden, als Napoleon sein gewaltiges Kupferstichwerk über Ägypten mit Staatsmitteln herausbrachte; England hat diese Anregung privatindustriell unermeßlich ge­ schickt ausgebaut. Es ist dies auch ganz natürlich; je leistungsfähiger die gra­ phische Presse wird, desto leistungsfähiger muß der Stecher selbst werden,- die Vedutenindustrie englischer Herkunft konnte keine Stecher mehr beschäftigen, die jahrelang über einer Platte saßen, wie dies früher die Regel war. Kunst­ reproduktion im alten Sinne, der Galeriestich, von dem- noch Goethe unablässig träumt: hier findet man noch bis zur Mitte des Jahrhunderts die alten edlen Leistungen, die sich kaum mehr lohnen; auch in Nürnberg. Der englische Land­ schaftsstahlstich, kleinformatig, illustrativ, in Millionen von Vorlagen zur Nach­ ahmung einladend: hier wird die Kunst immer stärker in die Industrie hinüber­ gezwungen und gerät ständig in Konflikt mit der zur Verfügung stehenden Zeit. Man muß aber gerade den deutschen Stahlstechern, auch wenn sie derart in der Industrie aufgingen, die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie in der Hauptsache bis zuletzt ihr Künstlertum nicht verraten haben und lieber unter­ gegangen sind, als daß sie sich in dem dringenden Konflikt zwischen Gründlichlichkeit und Zeit allzusehr auf die leichtere Seite geschlagen hätten. Das sichert dem deutschen Landschaftsstahlstich bis zuletzt eine merkliche Überlegenheit an echt künstlerischem Reiz vor vielen anderen derartigen Erzeugnissen anderer Länder. 213

n. Kupferstich und Kunsthandel Stahlstich und „Kunstanstalt" in Nürnberg Wenn man die wunderbar geschlossene Geschichte der europäischen Kupfergraphik in den zwei Entfaltungsströmen des eigentlichen, handwerklich schwieri­ gen „Stechens" mit dem Grabstichel und des immer etwas freizügig-künstlerischen ,,Radierens“ mit der Radiernadel zu begreifen sucht, so hält sich Nürnberg stets mehr im handwerklich-stecherischen Bereich, wie es in Italien den hohen Barode begleitete und, wie wir sahen, auch das Paris des Rokoko noch aus­ schlaggebend beherrschte. Das „Radieren", ergänzt durch das ganz individuelle Spiel mit der »,kalten Nadel“, ging seit den großen Niederländern des 17. Jahr­ hunderts im Norden des Kontinents seine besonderen, weit in die Zukunft weisenden Wege; hier im Norden desi Kontinents werden auch die raffinierten Zusatzerfindungen der Stecherei, die „Schwarze Kunst“ oder Schabkunst, die Punktiermanier u. a., besonders gepflegt; England wird hier frühzeitig führend. Trotzdem wird auch die werkstattgerechte, konservative Nürnberger Stecherei nach dem Abklingen der Dürerzeit jeweils laufend vom Norden her beeinflußt; schon vor dem großen Krieg wirkt hier Peter Ysselburg (ca. 1580—1630) 6), des­ sen gestochene und radierte Blätter sichtlich Schule machen. Sie machen die Nürn­ berger Stecher mit einer ganz anders gestimmten Landschaftskunst bekannt, als die italienische Renaissance sie kannte; der in Köln geborene Meister ver­ mittelt Nürnberg wieder einmal starke niederländische Anregungen, die nach dem Kriege für Nürnberg so besonders wichtig werden. J. Sandrart (1606 bis 1688), der das künstlerische Leben in Nürnberg seit 1648 wieder zur Ent­ faltung bringt, sorgt bewußt für neuen niederländischen Zuzug; die Nürnberger Künstlerdynastie van Bemmel begleitet bis ins 19. Jahrhundert die spezifisch nürnbergische Kunstübung mit niederländischen Anklängen, die man auch in der Graphik verfolgen kann. Aus diesen Anklängen erwächst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts eine ganze, echt nürnbergische Kunstgattung: der weniger ge­ stochene, als vielmehr meist radierte „Prospekt“, der stadtbürgerliche Vorläufer der „Vedute“. Diese ungezählten Prospekte von Nürnberger Stadtpartien, aber auch Ansichten aus der ländlichen Umgebung von großer topographischer Ge­ nauigkeit sind zu bekannt, als daß sie beschrieben werden müßten; die Namen Joh. Alex. Böner (1679—1720), Joh. Adam Delsenbach (1687—1765), Chr. Mejch. Roth, Illustrator von Würfels „Dypticha“ (1720 — vor 1778; die „Dypticha“ ruinierten ihn, sodaß er für Jahre nach Petersburg ging), sind bis heute unvergessen. Selbstverständlich werden nicht nur in Nürnberg derartige Prospekte hergestellt, sondern schließlich in allen Städten von Ansehen; aber Nürnberg steht in der Frühzeitigkeit und Fülle dieser Erzeugnisse sicherlich sehr an der Spitze. Daß diese Nürnberger Spezialität eine wesentliche Voraussetzung ist für die Ausbildung der „Vedute“ in der Schweiz, erscheint kaum zweifelhaft; der oben erwähnte Chr. v. Mechel, der Favorit Goethes mit seiner für ganz Europa wichtigen Werkstätte in Basel, hat an der Nürnberger Akademie, aber auch als privater Lehrjunge, bei G. D. Heumann (1691—1759) gelernt. Von ihm zehrt über seinen Lehrer v. Mechel der Lehrer Frommeis Haldenwang, sodaß also der in der Stahlsfichzeit so wichtig werdende Karlsruher Aufschwung sichtbar auch aus einer Nürnberger Wurzel stammt.7) Es würde viel zu weit führen, alle die Lockerungen und künstlerischen Aufhellungen der schweren, düster-dekorativjen Nürnberger Kupferstedierei des 214

17. Jahrhunderts aufzuzählen, die sich in dichtester Fülle in Buchillustrationen, Titelblättern und Vignetten ausspricht. Charakteristisch ist vielleicht die Fülle der Werke von J. J. Schübler (1689—1741), an deren Architekturillustrationen viele anonyme Nürnberger Stecher beteiligt sind. Er selbst tritt in den Ra­ dierungen zu seinem