Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [19]

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Herausgegeben im Auftrag des Vereins von

Dr. Ernst Mummenhoff, Archivrat.

Neunzehntes Heft. Mit einem Plan und zwei Abbildungen.

NÜRNBERG. VERLAG VON J. L. SCHRÄG (In Kommission).

1911.

Inhalt Seite

Abhandlungen und Quellenpublikationen: Hans Sachs und die Reformation bis zum Tode Luthers. Von Dr. Jos. Beifus.................................................. ... Die Meistergesänge und Sprüche des Peter Probst. Von Dr. Emil Kreisler......................................... Briefe des Dr. Erasmus Topler, Probsts bei St. Sebald in Nürnberg, an den zum Probst bei St. Lorenz daselbst er­ wählten Anton Kreß. Von Justizrat Dr. P'reih. Gg. v. Kreß Die Pillenreuter Weiher und die Dutzenteiche. Eine ortsund wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung. Von Archiv­ rat Dr. E. Mummenhoff......................................................... Kleinere Mitteilungen: Kgl. Oberstudienrat Friedrich Mayer *j\ Von —ss .... Urkunden zur Geschichte der dritten Stadtummauerung. Von Archivrat Dr. E. Mummenhoff................................................. Eine Abbildung der Stadt Nürnberg aus der Mitte des 16. Jahr­ hunderts. Von Dr. Richard Wolff...................................... Zwei Nürnberger Pokale im historischen Museum zu Stock­ holm. Von —ss..................................................................... Aus den Pfarrakten zu Regelsbach. Von D. Dr. Karl Schorn­ baum, Pfarrer................. ................................................... Arbeiterwohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Fabrikorte Hammer. Von Chr. v. Förster, Privatier.................................................................................... Zur Abwehr. Von Archivrat Dr. E. Mummenhoff............... Die Weiher im Ursprungtal. Vondemselben......................... Literatur: Nürnbergs Ursprung und Alter in den Darstellungen der Geschichtsschreiber und im Licht der Geschichte. Von Dr. Ernst Mummenhoff,Archivrat . . Die St. Georgenkirche in Kraftshof. Von Dr. Fritz Traugott Schulz........................................................................................ Die Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Geschichte der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des deutschen Humanismus und der medizinischen Literatur von Dr. Richard Stäuber. Nach dem Tode des Verfassers heraus­ gegeben von Dr. Otto Hartig, Assistent an der kgl. Hofund Staatsbibliothek in München......................................... Neujahrsblätter, herausgegeben von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. V. Die Entwickelung der Buch­ druckerkunst in Franken bis 1530. Von Dr. Karl Schotten­ loher, Kustos an der kgl. Hof- und Staatsbibliothek in München....................................................................................

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IV Seite

Ernst Scheibe, Studien zur Nürnberger Waffenindustrie von

1450 bis 1550............................................................................. Das Nürnbergische Schönbartbuch. Nach der Hamburger Handschrift herausgegeben von Karl Drescher.............. Die Meisterlieder des Hans Folz aus der Münchener Original­ handschrift und der Weimarer Handschrift Q 566 mit Er­ gänzungen aus anderen Quellen herausgegeben von August L. Mayer.................................................................................... Hans Sachs als Humorist in seinen Gedichten und Schwänken. Sprachlich erneuert, ausgewählt und eingeleitet von Otto Band Vierzig Spiele des Hans Sachs. Für den Gebrauch bei Auf­ führungen bearbeitet von F. von Jäger. Mit Bildern von Georg Kellner................................................................. ... . Hans Sachs im Andenken der Nachwelt. Mit besonderer Be­ rücksichtigung des Dramas des XIX. Jahrhunderts. Von Dr. K. Fr. Baberadt................................................................. Die Bühne des Hans Sachs. I. Teil. Als Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät der Kgl. Ludwigs-Maximilians-Universität zu München ein­ gereicht von Anton Glock...................................................... Das Singebuch des Adam Puschmann nebst den Original­ melodien des M. Behaim und Hans Sachs herausgegeben von G. Münzer......................................................................... Die Anfänge der Tafelmalerei in Nürnberg. Von Carl Gebhardt Die Nürnberger Bildnerkunst um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts von Siegfried Graf Pückler-Limpurg . . Die Nürnberger Miniaturmalerei bis 1515 von Theod. Raspe Albrecht Dürer von Dr. Joh. Damrich.................................. Albrecht Dürer, sein Leben und eine Auswahl seiner Werke mit Erläuterungen zu den einzelnen Blättern. Im Auftrag der »Lehrervereinigung für Kunsterziehung Nürnberg« und mit Unterstützung der Stadt Nürnberg herausgegeben von Dr. Fried. Nüchter................................................................. Albrecht Dürer in seinen Briefen von Oberbibliothekar Markus Zucker........................................................................................ Albrecht Dürers schriftlicher Nachlaß. Familienchronik, Ge­ denkbuch, Tagebuch der niederländischen Reise, Briefe, Reime, Auswahl aus den theoretischen Schriften. Heraus­ gegeben von Ernst Heidrich Mit Geleitwort von Heinrich Wölfflin..........................................................................................

Das Bildnis Sebastian Brants von Albrecht Dürer von Julius Janitsch.................................................................................... Kaiser Maximilians I. Gebetbuch mit Zeichnungen von Albrecht Dürer und anderen Künstlern. Herausgegeben von Karl Giehlow........................................................................ Albrecht Dürers Pflanzen- und Tierzeichnungen und ihre Be­ deutung für die Naturgeschichte von Professor Dr. Sebast. Killermann................................................................................ Geographische Studien an der Universität Altdorf. InauguralDissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, vorgelegt vonGeorgGeiger aus Teisnach ... Die Geschichte der Physik an der Universität Altdorf bis zum Jahre 1650. Von Dr. Fried. Klee .. ..............................

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Die bayerische Oberrealschule vor ioo Jahren. Ein Beitrag zur Geschichte des Allgemeinen Normativs von 1808 und des Realschulwesens. Auf Grund der Quellen dargestellt von Dr. K. Küffner, k. Professor der Oberrealschule N ürnberg Die Entwicklung des Nürnberger Stadthaushaltes von 1806 bis 1906. Von Siegf. Bing, Doktor der Rechts- und Staats­ wissenschaften ............................................................................ Ergebnisse der allgemeinen Wohnungsuntersuchung in Nürn­ berg 1901/02. Im Auftrag des Stadtmagistrats bearbeitet von Dr. Karl Buechel, Direktor des Statistischen Amtes der Stadt Nürnberg................................................................. Das Arbeitsverhältnis im Nürnberger Handwerk von der Ein­ verleibung der Stadt in Bayern bis zur Einführung der Gewerbefreiheit von Max Held, Doktor der Staatswissen­ schaft . ..................................................................................... Die Nürnberger Arbeiterbewegung 1868 — 1908 von Georg Gärtner......................................................... Verhandlungen des 16. deutschen Geographentages zu Nürn­ berg vom 21.-26. Mai 1907. Herausgegeben von Georg Kollm, Hauptmann a. D........................................................... Das Anwachsen der deutschen Städte in der Zeit der mittel­ alterlichen Kolonialbewegung yon Dr. Alfred Püschel. . . Die Ortsnamen des Pegnitztales und des Gräfenberg-Erlanger Landes. Von ChristophBeck........................................ Hans Sebald Behams Holzschnitte zum alten Testament nach der 1537 bei Christian Egenolph in Frankfurt erschiene­ nen Ausgabe: Biblicae historiae artificiosissime depictae. Zwickauer FacsimiledruckeNr. 1............................................

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Hans Sachs und die Reformation bis zum Tode Luthers. Von

Dr. Jos. Beifus. Die Jugendzeit des Hans Sachs fällt in Jahre der größten Bewegung auf jedem Gebiete. Die Errungenschaften der Re­ naissance hatten auch in Deutschland Boden gewonnen und besonders in des Dichters Vaterstadt Nürnberg waren viele am Werk, dem wiedererstehenden Altertum in weiteren Kreisen Geltung zu verschaffen. Auf dem Gebiete der Religion, das uns hier besonders beschäftigt, machte sich in den Kreisen der Gelehrten auch jetzt in Deutschland ein Überwinden der mittel­ alterlichen Anschauung geltend. Nicht länger war man mit einem bloßen Hinnehmen des Überlieferten, Gangbaren zufrieden, sondern man hatte angefangen, auch die Grundlagen des christ­ lichen Glaubens einer Prüfung zu unterziehen1). Eine freiere Anschauung der Welt war gangbar geworden; eine Rückwirkung auf größere Kreise blieb nicht aus. Auch im Volke hatte vieles gewirkt, eine Entfremdung von der alten Kirche anzubahnen, nicht nur die rücksichtslose Ausnützung des Volks seitens der Kurie, nicht nur das Treiben der demoralisierten Geistlichkeit, sondern auch das weit ver­ breitete Sektenwesen. Der beständige Austausch mit Italien, bedingt einerseits durch regen Handel, andererseits durch die Verbreitung der humanistischen Studien, trug auch viel dazu bei, einer mehr verweltlichten Lebensanschauung, besonders in den Städten, Bahn zu machen. Die Kenntnis des Tuns und Treibens in Rom schwächte das Ansehen der Kurie nicht wenig. Die Klagen über römische und pfäffische Aussaugung und Korruption, die seit dem 14. Jahrhundert beständig wieder*) Dazu gehört des Erasmus Herausgabe des neuen Testaments nach dem griechischen Urtext.

2 kehren, geben doch ungefähr ein Bild von der Denkart des Volkes; die weitverbreiteten Pfaffenschwänke sind weitere beredte Zeugnisse. Der allverbreitete Glaube an eine kommende Refor­ mation des Reichs und der Kirche*) ist sicherlich von Bedeutung. Der Haß der Bauern gegen Klöster und Geistlichkeit, der schon bei den frühesten Bauernaufständen hervortritt*2),* läßt auf all­ gemeine große Erbitterung schließen. Die Verbreitung der Sekten, wovon ich schon oben sprach, ist im 15. Jahrhundert eine nie endende Sorge der Geistlichkeit. Die Bestrebungen und der Glaube der Böhmen, Waldenser und anderer Ketzer waren nicht ohne Wirkung in den deutschen Städten; strenge Bestrafung von Ketzern kam in Nürnberg wie andern Orts vor°). Daß die Sympathien für Huß in Nürnberg recht rege waren, ist klar genug durch die feierliche Dispu­ tation, welche er in der Stadt auf seinem Wege nach Konstanz abhalten durfte4), bewiesen. Es ist sogar geltend gemacht worden, und, wie ich glaube, mit Recht, daß das als ketzerisch geltende Hüttenwesen in naher Beziehung zu den Meistersinger­ schulen stand5). Ist auch die Geschichte des Meistergesangs noch wenig erforscht, so ist doch klar, daß die Kirche sich immer ab­ lehnend gegen die Singschulen verhielt6). Das Verbot der Bibellesung trug wesentlich zum 'Niedergang des Meistergesangs im 15. Jahrhundert bei. Karls IV. Erlaß vom Jahre 1369, worin alle Schriften und natürlich auch alle Lieder in deutscher Sprache als der Ketzerei verdächtig verboten wurden7), traf ja den Meistergesang ganz besonders. Starke antikirchliche Tendenzen *) Die sogenannte Reformation Kaiser Sigmunds oder die Kaiser Friedrichs. 2) Friedrich von Bezold, Geschichte der deutschen Reformation. Berlin 1890, S. 151, 152. 8) Haupt, Waldensertum und Inquisition im südöstlichen Deutschland. Freiburg i. B. 1890, S. 28 u. 62 ff. 4) Joh. Müllners Annalen z. J. 1414. Gg. Lommel, Joh. Hus. Nürn­ berg 1870, S. 20 f. 6) Ludwig Keller, Die Kultgesellschaften der deutschen Meistersinger und die verwandten Sozietäten. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft Bd. n, Berlin 1902, S. 274 — 292. 6) Ebd. S. 275. 7) Ebd. S. 280 und Wagenseil, Von der Meistersinger holdseliger Kunst etc. Altdorf 1697; in Wagenseils De . . . Civitate Noribergensi Commentatio S. 516.

3 treten denn auch im Meistergesang des 14. und 15. Jahr­ hunderts deutlich hervor1). Die bekannten Nürnberger Meister­ singer Hans Rosenpluet und Hans Folz polemisieren oft recht heftig gegen die Kirche. Noch wichtiger für uns ist, daß der Lehrer des Hans Sachs im Meistergesang, Lienhard Nunnenbeck, in seinen Werken oft eine sehr derbe Sprache der Kirche und ihren Einrichtungen gegenüber führt2), und zwar trotzdem er auf dem Boden der Kirche steht. Was also ist von Anfang an von Hans Sachs zu erwarten? Schon die ersten Jahre der dichterischen Tätigkeit des Hans Sachs bringen eine Reihe von Marienliedern, die ver­ schiedentlich als Zeugnisse seiner streng kirchlichen Gesinnung angeführt worden sind3). Ist aber eine solche Deutung gerecht­ fertigt? Hans Sachsens Marienlieder halten sich alle in den Bahnen der Konvention. Marienlieder, so zeigt sich bei näherem Studium der älteren Meistersinger, sind eben vom Minnesang in den Meistergesang gekommen, gerade sie bezeugen recht deutlich den Zusammenhang von Minnesang und Meister­ sang. Es gibt kaum einen Meistersinger des 14. und 15. Jahr­ hunderts oder gar bis in die Anfänge der Reformation, der nicht auch Marienlieder gedichtet hätte. Ich kenne keine Meisterliederhandschrift der früheren Zeit, die nicht ihrer eine große Zahl enthielte. Die Kolmarer Handschrift allein bringt etliche hundert4), Hans Sachsens eigene Meisterliedersammlung aus dem Jahre 1517 enthält sehr viele5);6 andere Handschriften zeigen dasselbe Verhältnis, in Wackernagels Sammlung der deutschen Kirchenlieder sind recht viele Meistersinger mit Marienliedern vertreten0). Hans Sachsens Marienlieder bieten nun durchaus nichts Abweichendes von denen seiner Vorgänger. Es sind entweder Bearbeitungen des Ave Maria, des Sanctus und anderer lateinischer *) Theodor Hampe, Meistergesang und Reformation, Monatshefte der Comeniusgesellschaft Bd. 7. Berlin 1898, S. 154. 2) Th. Hampe, Lienhard Nunnenbeck in den Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Stadt Nürnberg, Bd. 11, 1895, S. 172—190. 8) Franz Schultheiß, Hans Sachs in seinem Verhältnis zur Reformation, München 1879, S. 6-7. 4) Allerdings enthält die Kolmarer Handschrift auch Marienlieder von Minnesängern; doch die Mehrzahl ist von Meistersingern. 6) Handschrift der Kgl. Bibliothek zu Berlin Mgq 114 = Goedeke N 2. 6) Wilhelm Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied, Bd. 2, Leipzig 1867.

4 Kirchenlieder, allegorisierende Deutungen der Tugenden und Gaben Mariae oder doch etwas Ähnliches1). Als charakteristisches Beispiel mag folgendes dienen:2) In dem geschiden don Cunracz Nachtigals3) 3 lid H. S. gedieht. Ein engel wart gesante Von der heilligen drinidat Gen Jüda Nasaret der stat. Da er Mariam fante, Er grüßet sie mit eren. Ave gracia plena, gegrüst seistu genadevol. Nun folgt der englische Gruß, Gabriels Botschaft, dann wird die Geburt Christi erläutert und beschrieben, und schließ­ lich werden die Gaben Mariae aufgezählt: Sie ist des heils Ursprünge. Sie ist der gütikeit ein sarch Und ist der heiligkeit ein arch Und ein prun der parmünge; Mer, ein schrein vol genaden. Sie ist der Sie ist der Sie ist der Der inelag

zucht ein spigel; reinigkeit ein gart. güldin aimer zart, das sigel vor ewicklichem schad.

In den uns pracht Adame. Aller dügent ist sie ein pluedreisse.4) Sie ist nach got das höchste gut, Kein cristen sie lassen dut. Vereret iren namen! Die Pflege des Religiösen, die seit ältester Zeit ein Grund­ satz der Singschulen war, führte wie bei anderen5) so auch bei Hans Sachs zu einer Reihe allegorisierender, scholastischpredigthafter Gedichte. Er behandelt etwa »Pewerung vom sacrament« 6) oder er schreibt von der Dreifaltigkeit, der niemand *) Vgl. Wackernagel a. a. O. Bd. 2, S. 1136 ff. 2) Vgl. Mgq. 414 = Goetze: N 2, Bl. 25V—26v. 3) Bemerkt sei, daß in den Gedichten statt des vokalischen v und w des Hans Sachs stets u und statt y i gesetzt wurde. 4) blütenreis. 5) So z. B. Nunnenbeck. Vgl. Th. Hampe a. a. O. S. 176 ff. ®) Vgl. Wackernagel a. a. O. 1136, Nr. 1403.

5 nachspüren solle, z. B. in dem Lied: »Ein meisterstraff von der gotheit«1) oder er zählt die Freuden der Seligkeit auf, mit dem Hinweis, daß man sich zu Gott wenden müsse, um diese Freuden zu genießen.2) Überhaupt ist die Zahl der predigt­ haften Lieder bei Hans Sachs schon in den ersten Jahren keine kleine; er mag wohl oft gehörte Predigten bearbeitet haben. In späteren Jahren, in denen dieses predigthafte Element bei unserem Dichter noch stärker hervortritt, bearbeitet er viele Stücke Luthers, ja, er gibt zuweilen Predigten, etwa die Osianders, als Quelle an. Ich werde im Laufe dieser Unter­ suchung noch mehrmals davon zu reden haben. Nürnberg war bekanntlich eine der ersten Städte, in der Luthers Lehre Anhänger fand. Es sei hier daran erinnert, daß die Wittenberger schon seit 1516 in ganz reger Verbindung mit Gelehrten und anderen angesehenen Männern Nürnbergs standen. Schon 1516 hatte Luthers Vorgesetzter und Freund Johann von Staupitz durch eine Reihe von Predigten in Nürn­ berg großes Aufsehen erregt und war mit den bedeutendsten Geistern der Stadt in nähere Beziehung getreten;3) durch ihn kam Luther mit Scheurl und anderen in Verbindung. Gleich nach Staupitz traf Luthers naher Freund Wenczeslaus Link in Nürnberg ein, predigte im dortigen Augustinerkloster und ent­ faltete eine große Tätigkeit. Er ward Mittelpunkt eines Kreises, zu dem die bekanntesten Geistlichen der Stadt gehörten; unter anderen auch der Prior Volprecht,4) derselbe, der später ein besonderer Bahnbrecher der Reformation in Nürnberg werden sollte. Luthers Thesen fanden denn auch in der Reichsstadt sofort Anklang. Pirckheimer, Ebner, Albrecht Dürer, Lazarus Spengler und andere traten Luther alsbald näher; Kaspar Nützel, eines der angesehensten Mitglieder des Nürnberger Rats, übersetzte die Thesen ins Deutsche und trug so zu ihrer Verbreitung bei.5) Auch die folgenden Jahre zeigen ein immer wachsendes Interesse an Luther und seinen Schriften in *) Goedeke und Tittmann, Dichtungen von Hans Sachs. Leipzig 1870—71. Bd. 1, S. 5. 2) Vgl. »Zwölff frucht des ewigen lebens« N. 2, Bl. 84 V. 3) Vgl. Friedrich Roth, Die Einführung der Reformation in Nürnberg I5I7—1528* Würzburg 1885, S. 53—57« 4) Ebd. S. 5g. 5) Ebd. S. 61.

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Nürnberg; besonders treten nach der Leipziger Disputation hervor Pirckheimer mit seinem gehobelten Eck und Lazarus Spengler mit seiner »Schutzred und christliche Antwort« etc.1) Die Lehren Luthers wurden jedenfalls recht lebhaft in Nürn­ berg erörtert und nicht zum wenigsten auf der Kanzel; seine Schriften fanden regen Absatz in der Stadt. Unter diesen Ver­ hältnissen ist es also selbstverständlich, daß Hans Sachs bald damit bekannt wurde. Zeugnis hierfür ist jedenfalls die Tatsache, daß der Dichter im Jahre 1522 vierzig Schriften Luthers besitzt.2) Wie aber verhält er sich in seinen Gedichten aus diesen Jahren zu den Fragen des Glaubens? Noch 1518 behandelt er die Katharinenlegende,3) erst 1519 schreibt er sein letztes Marien­ lied4) und dieses weicht durchaus nicht von der gangbaren Form, die ich schon oben als durchaus konventional bezeichnet habe, ab. Die Gaben der Trinität an Maria werden aufgezählt, sie ist Fürsprecherin, Helferin, Königin u. s. w. Ich möchte hier nachdrücklich betonen, daß auch die Behandlung obiger Heiligenlegende uns durchaus keinen Grund gibt anzunehmen, daß Hans Sachs um diese Zeit noch ein treues Kind der alten Kirche ist. Wenn wir erwägen, daß die kirchliche Um­ wälzung doch nur langsam vonstatten ging, daß Luther selbst sich nur schwer von den alten Formeln und Gebräuchen trennen mochte,5) ja, den Heiligenkultus noch lange nicht abzutun bemüht war, nachdem er Christus als den einzigen Vermittler zwischen Gott und den Menschen hingestellt hatte; ferner, daß wohl kaum jemand damals dachte, daß eine nicht zu heilende Spaltung entstanden sei, so erscheint auch Hans Sachsens Heiligenlied in einem anderen Lichte. Gaben doch noch 1519 so bekannte Anhänger Luthers wie Hieronymus Ebner und Kaspar Nützel, der Übersetzer der Ablaßthesen 5 Vgl. Th. Pressei, Lazarus Spengler. Elberfeld 1872, S. 16—26. 2) Vgl. Salomon Ranisch, Historisch-kritische Lebensbeschreibung Hanns Sachsens. Altenburg 1765, S. 65. 8) Vgl. »Mirackel von S. Katerina«, abgedruckt Wackernagel 2, S. 1141, Nr. 1410. 4) Vgl. Die 7. wirdikeit Marie M 8a, Bl. I05v—106v. 6) Nachdem, durch den Einfluß der Zwickauer Propheten gewaltsam viele Neuerungen zu Wittenberg eingeführt worden waren, schritt Luther erst zu einer Änderung. Erst 1523 ließ man die Fronleichnamsfeier und die meisten Heiligenfeste eingehen. Vgl. Julius Köstlin, Martin Luther. Elberfeld 1875, Bd. 1, S. 550 ff.

7 Luthers, jeder eine Tochter ins Klarakloster.1) Die Verehrung der Heiligen war noch in keiner Weise erschüttert. Aus den Jahren 1520—1523 wissen wir wenig von Hans Sachs; er schreibt 1520 eine ganze Passion Christi in drei Liedern, doch behandelt er dieses so beliebte Thema späterhin noch mehrmals; so am 7. Juni 1543 und am 25. Juni 1550. Auch in der Behandlung von 1520 spielt Maria keine besondere Rolle, doch fällt die Behandlung wegen ihrer stark bildlichen Form auf; die späteren Behandlungen sind offenbar direkt nach der Bibel, während man sich diese als erläuternden Text zu den zwölf Stationen denken könnte.2) Ein Auszug mag als Beispiel dienen: Ge aus, du andechtige sele mein, Und dröste den treuen liebhaber3) dein; Der leit traurig in des ölperges garten Und ist petrachten sein zu künftig pein — Wan es nahet das leczte ende sein — Und ist zu stund seiner dotfeinde warten. Wie ist der guet So ungemuet. Schau, wie sein angsicht im erplaichen thuet; Sich, wie sein ganczer leib pidem und ziter; Schau, wie duerst er vor ängstlicher hicz; Sich, wie vor angst pluetiger schwais4) er schwicz; Wie forchtsam ist worden — der kune riter. 2.

Schau, wie erschröcklich kumb der jueden schar; Sich, wie guetlich er ge gegen in dar. Wie freuntlich peut er sein mund dem unwerden; Sich, wie sie fangen dein liebhaber gar Unparmherziclichen pei seinem har, Under sich nider werffen auf die erden. Wie ungestim, Zornig und grim x) Beispiele 2) 3) 4)

Vgl. Friedrich Roth a. a. O. S. 196 ff., wo noch eine Reihe ähnlicher angeführt werden. Vgl. Handschrift der Kgl. Bibliothek zu Dresden M 8a, Bl. 117r — 117vgeschrieben: liehaber. geschrieben: schawis.

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Sie in sein wunsam angsicht dretten im; Wie uberhart auf seiner pruest sie knien. Schau, wie man im sein hent pint auf den rueck, Wie unferschemt man in wider aufzueck; Sich, wie all sein jüngeren von im flihen. Genau in diesem Tone wird die ganze Passion behandelt, mit krassester Ausmalung aller Qualen, so etwa im zweiten Lied:*) Schau, wie hart in der richter schlagen lat Mit gaisel, rueten, ketten on genat Gar ab von der schaitel pis auf die solen. Schau,*2) wie hart wund er an der seulen stat Gepunden, schau, wie das pluet von im gat; Wie ist sein wunder leib so gar verschwolen. Schau, wie dein künck In omacht sinck Nider in sein pluet vor der seulen rinck. Sich,3) wie fuert man da hin den hoch geporen; Schau, wie pluetig sein fuesdrit sint allsant; Schau, wie sie im anlegen purpur gwant, Auf einem stuel flechtent ein krön von doren. In demselben Jahre 1520 schrieb Hans Sachs auch sein erstes geistliches Lied: »Ach huelff mich laid mein senlich klag«.4) Es ist dieses die Umdichtung eines weltlichen Liedes5) und ent­ hält ein Sündengeständnis und die Bitte an Christus um Vergebung. Ein anderes Lied: »Die epistel Pilati von Cristo, das bildnus Jesu Cristi«6) beschreibt die Eigenschaften Christi in der für Maria üblichen Art. Marienlieder schreibt Hans Sachs seit 1519 nicht mehr, die Lieder des Jahres 1520 behandeln andere Themata und während der nächstfolgenden Jahre schweigt er ganz. Es sind dieses die für die Entwicklung der Reformation bedeutendsten und gefährlichsten Jahre, und es mögen wohl für den Dichter Vgl. M 8a, Bl. II7*— 118r. 2) geschrieben: schwaw. 3) geschrieben: sie. 4) Vgl. Bd. 24, S. 36-38. 6) Vgl. Franz M. Böhme, Altdeutsches Liederbuch, S. 810. Goetze Bd. 22, S. 36 und Wackernagel II, S. 1081 —1082. ®) Handschrift der Breslauer Universitätsbibliothek, Meisterliederhand­ schrift IV, Fol. 88 b r= (Goetze) Br. S. 975. 1)

9 Jahre innerer Unklarheit und innerer Kämpfe gewesen sein.*) Finden wir doch, daß der Dichter später, in Jahren, in welchen wir bei ihm ähnliche innerliche Vorgänge annehmen können, ebenfalls schweigt.*2) Über die nächsten Werke des Hans Sachs, die in den Jahren 1523/24 verfaßten »Die Wittembergisch nachtigall« und die vier Dialoge ist so viel geschrieben worden, ihre Bedeutung für unsere Frage wie für die Geschichte der Reformation über­ haupt ist so oft behandelt worden,3) daß ich sie hier, wenigstens so weit ich mit andern übereinstimme, übergehen kann. Zu der oftmaligen Besprechung der »Wittembergisch nachtigal« wäre nur hinzuzufügen, daß der Dichter dieses Spruchgedicht wie so viele spätere zuerst in Meisterliedform behandelte, und zwar knapper, mit weniger allegorischem Beiwerk. Eben dieses Allegorisieren, welches Kawerau4) als unbeholfen bezeichnet, ist dem Dichter als ererbte Konvention zu gute zu halten; es gibt wohl kaum eine mittelalterliche, besonders biblische Allegorie, die er nicht in seinen Meisterliedern verwertet hätte. Die Polemik des bekannten Spruchgedichts findet sich im wesentlichen auch in diesem Meisterlied; die langen Ausführungen fehlen, dagegen ist Luthers Lehre in wenigen Worten zusammengefaßt.5) In sint sei wir geporen, Von natur kint des zoren, Nach inhalt des gesecz; Bis das wort gottes uns zu lecz Das ewangelisch liechte, Genad und frid versprichte: Cristus hab uns erlöst Von sint, dot, teuffei, hele, rost. !) Vgl. W. Kawerau, Hans Sachs und die Reformation. Halle 1889. S. 22. 2) So in dem Jahre 1525. 8) Vgl. F. Schultheiß a. a. O. S. 8—24. Kawerau a. a. O. S. 24—29 und 33—69. Charles Schweitzer, La vie et les oeuvres de Hans Sachs. Nancy 1887, S. 65—84. Rudolph Gen6e a. a. O. S. 137 —T50. Ernst Mummenhoff, Hans Sachs zum 400jährigen Geburtsjubiläum des Dichters. Nürnberg 1894. S. 21 ff. Leon Mettetal, Hans Sachs et la reformation. These. Paris 1895. S. 17 ff. und andere mehr. *) Kawerau a. a. O. S. 26. ö) Quarto II Bl. Xv. Obgleich das Lied als eines der wichtigsten Meister­ lieder des Hans Sachs bezeichnet werden darf, ist es noch nirgends vollständig abgedruckt worden.

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Auch die Vorrede zur »Wittembergisch Nachtigall« ist seltsamerweise trotz ihrer Bedeutung wenig beachtet worden1). Sie kann fast als Programm für des Dichters Absichten im Sinne der Reformation gelten. Er führt hier aus, wie die christliche Gemeinde durch sophistische Lehre von der wahren evangelischen Freiheit unter das römische Joch geraten sei, wie man sie mit Geboten, die Christus nicht gelehrt, gedrückt habe, trotzdem es heiße: »Das ist der ainig gelaub in Christo, welches ist das ainig göttlich werck« 2). Nun hebt Hans Sachs die Tätigkeit des Martin Luther, der trotz aller Verfolgung standhaft geblieben sei, hervor und schreibt, wie man jetzt, da alles andere nichts helfe, durch Verfolgen und Verbrennen das Evangelium zu überwinden trachte. Er aber wolle von all diesem eine Erklärung geben zur Belehrung des gemeinen Mannes, zur Ermahnung der Gläubigen, den Verfolgern zur Bekehrung3). Der vierte Dialog: »Ein gesprech eines evangelischen Christen mit einem Lutherischen, darin der ergerlich wandel etlicher, die sich lutherisch nennen, angezaigt und brüderlich gestrafft wird«4) hat verschiedene Deutungen erfahren. Die einen, so besonders Kawerau5), behaupten, daß in dieser Gegen­ überstellung von Evangelisch und Lutherisch keine besondere Tendenz zu Tage trete, daß hier Evangelisch und Lutherisch gleichbedeutend sei, gebrauche doch Luther selbst die Zu­ sammenstellung mit dem Hinweis, daß es nicht auf den Namen Luther, sondern auf das Evangelium ankomme. Ferner liege die Abhängigkeit dieses Dialogs von Luthers im Februar 1522 erschienener Schrift: »Treue Vermahnung zu allen Christen sich zu hüten vor Aufruhr und Empörung«6) klar vor Augen. Ludwig *) Vgl. Bd. 22, S. 3 — 5. Kawerau S. 27 gibt einen kleinen Teil davon im Abdruck, Schultheiß erwähnt sie S. 7—8. 2) Vgl. Ev. Johannis 6, 29. 8) Vgl. Schultheiß S. 8. 4) Vgl. Hans Sachs (Ausgabe von A. v. Keller und E. Goetze. Tübingen, Bd. 1—25. 1870 -1902), Bd. 22, S. 69 — 84. Diese Ausgabe dient mir als Grundlage für alle im Druck erschienenen Werke des Hans Sachs. 5) Vgl. Kawerau a. a. O. S. 62 ff. 6) Dr. Martin Luthers Sämmtliche Werke hrg. von J. K. Irmischer Frankfurt a. M. und Erlangen 1826—1857. Bd. 23, S. 43 ff. Diese Ausgabe benutze ich, wo die Weimarer Ausgabe mir nicht zugänglich war oder der betreffende Band der Weimarer noch nicht erschienen ist.

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Keller hatte in der Gegenüberstellung eine beabsichtigte Ten­ denz erblickt, die ja um so mehr gerechtfertigt erschien, als der als lutherisch bezeichnete Peter des Dialogs wegen seiner äußerlichen Religion und seines intoleranten Gebarens scharf ins Gebet genommen wird. Es ist ja sicherlich etwas ganz anderes, wenn Hans Sachs »lutherisch« und »evangelisch« gegenüber stellt, als wenn dieses von Luther selbst geschieht. Auch ist die Tatsache nicht von der Hand zu weisen, daß als Teil der Flugschrift, worin Hans Sachsens Dialog ausging, ein zweiter des Malers Hans Greifenberger, der doch am 31. Okt. 1524 wegen Ketzerei angeklagt wurde, enthalten war1). Später hat es sich noch erwiesen, daß Hans Sachs • zu den mit Hans Denk aus Nürnberg verwiesenen Malern Sebald und Barthel Beham in näherer Beziehung gestanden2) und daß er mit eben diesen zwei Beham, die wieder in die Stadt zurück­ gekehrt waren, mit Greifenberger und einigen anderen im August 1526 wegen »Schwärmerei« vor den Rat gefordert wurde3). Hans Sachs erhielt einen scharfen Verweis, er solle sich der Schriftstellerei enthalten; so wolle der Rat die Strafe, die er verdient habe, bei sich behalten4). Die oben bezeichneten Männer stehen alle in näherer Be­ ziehung zu Hans Denk5), seit 1522 Rektor der St. Sebaldusschule zu Nürnberg, der im Januar 1525 auf Osianders Klage hin verhört uud wegen Schwärmerei ausgewiesen wurde. Denk, zweifellos einer der bedeutendsten Geister nicht nur des Wiedertäufertums, in dem er eine so wichtige Stelle einnimmt, sondern der Zeit überhaupt6), hat wahrscheinlich auch auf Hans Sachs eingewirkt. Er war ein ruhiger Mann, der durchaus keinen Kampf suchte, wohl Mittelpunkt eines kleinen Kreises wurde, 1) Ludwig Keller, Aus den Anfangsjahren der Reformation, in den Monatsheften der Comeniusgesellschaft. Bd. 8, 1899, S. 177. 2) R. Muther, Die deutschen Bücherillustrationen der Gotik und Frührenaissance. München 1884, S. 181. Alfred Bauch, Repertorium für Kunst­ wissenschaft 1897, S. 198. 3) Ebd. S. 197. 4) Siehe Alfred Bauch a. a. O. S. 20. 5) Über ihn vgl. Ludwig Keller, Ein Apostel der Wiedertäufer. Leip­ zig 1882. 6) Alles, was ich von ihm zu lesen Gelegenheit hatte, und das sind besonders die in der Kgl. Bibliothek zu Berlin befindlichen Flugschriften, bestätigt, daß Kellers hohe Schätzung Denks vollkommen berechtigt ist.

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doch bis jetzt in keiner Weise gegen das Luthertum aufge­ treten war. Er suchte nach Art der Mystiker, mit denen er sich angelegentlich beschäftigt hatte, Gott mit dem Gemüt zu erfassen. Die Formel der lutherischen Lehre, Rechtfertigung durch den Glauben allein, widersprach ihm. Glauben ist ihm Gehorsam gegen Gott und die Zuversicht zu seiner Ver­ heißung1). Die heil. Schrift stellt auch er über alles andere, fragt aber: Woher wißt ihr, daß diese, von Menschenhänden geschrieben, der Ausdruck des göttlichen Willens ist? Woher haben die Menschen, welche die hl. Schrift nicht besaßen, ihren Glauben geschöpft? Die innere Stimme ist Denk ein Teil des göttlichen Geistes selbst. Nur der kann nach ihm die göttliche Lehre verstehen, der selbst vom Lichte des göttlichen Geistes durchdrungen ist. Sogar später noch, als Denk von allen Seiten angefeindet, in direkte Opposition gedrängt wird, zeigt er sich durchaus milde; beständig predigt er Liebe und Toleranz. Zu Luther sieht er in den ersten Jahren sicherlich auf, genau so wie Oekolampadius, sein Freund und Lehrer. In Opposition zu Luther tritt Denk, in die Apostellaufbahn gedrängt, erst 1526; seine Tätigkeit in Nürnberg im Jahre 1524 aber besteht neben seiner Schulleitung etwa in friedlichen Reden mit befreundeten Männern über Gott, Welt, Menschen und die hl. Schrift. Hans Sachs mochte, was Denk sagte, wohl mit der Lehre Luthers vereinen zu können glauben, um so mehr, als Denks sittlicher Lebensernst allen als Vorbild dienen konnte. Damit ist Hans Sachs so wenig, wie Denk selbst es um diese Zeit war, ein Wiedertäufer. In Gegensatz zu Luther tritt Hans Sachs sicher nie bewußt, dichtet er doch gerade jetzt, von Luther angeregt, eine Reihe von Liedern für die neue Kirche2). Andererseits enthält der betreffende Dialog keine Glaubensdeutungen, sondern predigt Liebe und nichts, was nicht auch Denk vertreten hätte. Die Polemik gegen die Zeloten des Glaubens ist dabei mehr in Denks wie in Luthers Sinn, der eben jetzt schon gegen Karl­ stadt vorging3). *) Vgl. L. Keller, Ein Apostel der Wiedertäufer. Leipzig 1882, S. 47—49. Siehe auch Hans Denks Protestation und Bekenntniß, Neudruck mit Einleitung von L. Keller. Monatshefte der Comenius-Ges. Bd. 7, 1898, S. 236 ff. a) Vgl. unten S. 15 ff. 3) »Wider die himmlischen Propheten von den Bildern und Sakrament« in der Erlanger Ausgabe Bd. 29, S. 134 ff.

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Der vierte Dialog predigt eben einzig Liebe und Toleranz. Peter, der erzählt, daß sein Schwiegervater Ulrich zornig sei, weil er ihn am Freitag beim Fleischessen betroffen, wird von Hans belehrt: »Die lieb ist die recht prob eines Christen und nicht das flaischessen, wenn das können hund und katzen auch«. Ulrich, der hinzukommt und höchst zornig auf die Predi­ ger schimpft, die, wie er von seinem Eidam höre, alle Werke und christlichen Übungen verwürfen, wird von Hans eines Bessern belehrt. Peter wird ermahnt, besonnen, mitleidig, brüder­ lich, herzlich zu sein, er aber antwortet:1) »Warumb schreien dann unser prediger der gaistlichen falsche verfürische leer, gotßdienst, gepot und leben also auff der cantzel auß? Deßgleichen doctor Martin mit vil sein nachvolgern schreiben vorgemelte stück so überflüssig unter die christliche gemain. Ist es in recht, so ist es uns auch recht.« Nachdem Hans erklärt, daß solches den unwissenden Verführern zugut aus christlicher Liebe geschehe, führt er aus: »Wo aber söllich predigen oder schreiben auß bößem gemüt und nicht auß christlicher liebe geet, so ist es unrecht und sünd, wie nutz und not das werck an im selber ist.« Hans gibt den Rat, daß man die Verstockten gehen lassen, weder fluchen noch schelten solle, denn das trage den Luthe­ rischen einen bösen Namen ein u. s. w. Ferner möchte Hans die schwachen Gewissen schonen, nur mit Liebe solle man unterweisen, die allein sei maßgebend, nur die, welche der Geist Gottes treibe, seien die rechten Kinder Gottes; er fährt dann fort: »Wenn ir evangelisch werent (wie ir rümet), so thäten ir die werck des evangeli, wann das evangelion ist ein wunsam frölich und lieplich botschaft von Christo. Darumb wann ir auß dem evangeli geporen wert, so verkündet ir das evangeli euern mitbrüdern in Christo holtselig und mit aller ersamkeit und füret ein gotseligen wandel, wie die aposteln, die so freuntlich gegen den leuten handleten, wie man in iren geschichten durch alle capitel liset. Drumb, lieber bruder Peter, merck nur eben mein red umb gottes willen und sag es deinen *) Vgl. Bd. 22, S. 78.

14 mitbrüdern von mir, wiewol si mich ain heuchler und abtrinnigen haissen und halten werden. Da ligt mir nit ain har brait an, ich han die Wahrheit gesagt, welche dann allmal vervolgt muß werden von den gotlosen. Und wölt got, daß es alle die gehört hetten, die sich gut lutherisch nennen; vileicht möcht in ir rum geligen und erst ain tail leren, recht evangelisch Christen zu werden«. Hans Sachs mag also um diese Zeit dem Hans Denk nahe gestanden haben;1) seine Zitation vor den Rat im August 1526 und der Verweis, der ihm erteilt wurde, könnten darauf zurückzuführen sein. Welche Schrift ihm aber den Verweis ein­ trug, von der Schriftstellerei zu lassen, ist nicht klar. Er mag das betreffende Stück, das aber doch in die Öffentlichkeit gedrungen sein muß, vernichtet und auch später nicht in sein Register aufgenommen haben. Unmöglich wäre es nicht, daß in obigem Dialog eine Spitze gegen verschiedene Nürnberger Prediger gesehen wurde. Jedenfalls bequemte sich Hans Sachs der Obrig­ keit an, oder es wurde ihm etwa von Osiander, der gewöhnlich mit den wegen »Schwärmerei« Angeklagten zu verhandeln hatte, klar gemacht, daß er auf eine schiefe Bahn geraten sei. Mit Osiander finden wir ihn im Jahre 1527 in enger Verbindung.2) Im Laufe des Jahres 1524 schrieb Hans Sachs noch eine Reihe anderer Stücke, oftmals geht er auf die Lehren des Glaubens ein. So läßt er im Spruchgedicht: »Der schafstal Cristi«3) den Heiland selbst aussprechen, daß gute Werke keine Bedeutung hätten; er allein habe den Menschen Seligkeit erworben und sei ihre einzige Hoffnung, denn nur der Glaube an ihn führe zur Seligkeit. Ein Engel muß warnen vor Menschen­ lehre und Lügengeboten; denn die heilige Schrift sei allein maßgebend, alles Heiligtun helfe nichts ohne Christus. Dem *) Hans Sachsens Schweigen während des Jahres 1525 mag mit Denks Ausweisung Zusammenhängen. Goetze datiert allerdings ein einziges Spruch­ gedicht 1525? Für die Datierung gibt es keinen besonderen Anhalt, es ist nur wahrscheinlich, daß dieses Stück vor 1530 geschrieben wurde. 2) Siehe weiter unten S. 28. Erwähnen möchte ich hier noch das ver­ lorene Lied des Hans Sachs auf den Tod Lienhart Kaisers. Kaiser wurde 1527 zu Passau des Glaubens wegen verbrannt; er ist oft als Wiedertäufer bezeichnet worden, doch jedenfalls ohne Grund. Hans Sachs wird die noch 1527 erschienene Flugschrift auf den Tod Kaisers gekannt haben (Luthers Schrift über Lienhart Kaiser erschien erst Anfang 1528). 3) Bd. 24, S. 3-5-

15 hält der gottlose Haufe die Argumente der Römischen entgegen, wobei der Dichter versucht eben diese römischen Argumente lächerlich zu machen. O engel schweig, sag uns nit mer Von diser neuen ketzer leer, Die unser gütte werck veracht, Sam hab uns Christus selig gmacht Unnd sei uns gar kain werck mer not Zur säligkait, das is ain spot. Und spricht, das evangeli weiß Das sei allain der seelen speiß, Darinn si hab ir gaistlich leben, Veracht all menschen leer darneben Und vernichtet unsern gotßdienst, Der doch gestanden ist auffs minst Bei drei oder vier hundert jaren. Viel hailig leut, die vor uns waren, Die solche werck uns hand geleert, Die wir täglichen hand gemeert. Das haist die neu leer gleißnerei, Wie hailig schon und güt das sei, Sam vermög wir nichts güts auff erden, Dardurch wir ewig sälig werden. Wir lassen euch schreiben unnd sagen, Auff unsre werck do wöln wirs wagen. Und darinn auch verharren gantz Und den schopff lassen bei dem schwantz. Auch in dem Spruchgedicht: »Von dem ampt des gesetz und krafft deß evangelii«*) aus demselben Jahre polemisiert Hans Sachs gegen Werkheiligkeit und warnt, sich in Glaubens­ sachen auf die menschliche Vernunft zu verlassen. Als einer der ersten dichtet Hans Sachs im Jahre 1524 Lieder für die neue Kirche. Er dichtet acht solcher Lieder, die alsbald weitere Verbreitung finden und auch schon früh in verschiedenen Gesangbüchern erscheinen.*2) Die Anregung zum* b Vgl. Bd. I, S. 394-396. 2) Siehe Goetzes Angaben zu Bd. 25, S. 11 und 12, besonders zu Nr. 95 und 96. Ferner Schultheiß a. a. O. ,S. 27.

16 Dichten dieser Lieder ging jedenfalls von Luther aus. Luther wünschte schon in seiner »Form der Messe«1) 1523 möglichst viele deutsche Gesänge, die nicht nur vom Chor, sondern auch vom Volke gesungen werden könnten. Er bedauerte, keine Dichter und Musiker zu kennen, welche deutsche Lieder dichten und setzen möchten, die des kirchlichen Gebrauches würdig wären; er versucht auch seine Freunde, so Jonas und Spalatin, zum Dichten anzuregen.2) Auch in der Vorrede zu Luthers erster kleiner Sammlung solcher Lieder, welche Anfang 1524 erschien, sagt er, er habe diese gemacht zu einem guten Anfang und Ursach für andere, die es besser vermöchten, und um das heilige Evangelium in Schwung zu bringen. Auch wünschte Luther, daß solche Lieder statt der üblichen Buhllieder bei der Jugend eindringen möchten. Psalmen erschienen ihm besonders gut als Vorlagen. Es wird sich zeigen, daß Hans Sachsens Kirchenlieder genau in diesem Sinne gedichtet sind. Sicherlich genügte dem Dichter, der, wie wir ja schon gesehen, Luthers Schriften eifrig kauft und liest, der so klar ausgesprochene Wunsch des Reformators.3) Die hier in Betracht kommenden acht Lieder sind zum Teil Umdichtungen von Marienund Heiligenliedern, zum Teil von Liebesliedern, nur eins scheint frei erfunden zu sein und dieses ist entschieden das kräftigste: »Ein cristlich lied wider das grausam droen des satans«4) Wach auf in gottes name, Du werde Christenheit! Danck deim gespons lobesame Der gnadenreiche zeit, Darum er dir sein worte Hat wider auff gethon, Das man an manchem orte Klärlich verkünden horte In teütscher nation. *) Weimarer Ausgabe Bd. 12, S. 218. Diese in lat. Sprache verfaßte Schrift Luthers wurde nach 1523 in Nürnberg, wahrscheinlich von Osiander, übersetzt und herausgegeben. Vgl. S. 199 und 203. 2) Julius Köstlin, Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften. Elberfeld 1875. Bd. 1, S. 573* 8) Bei der mannigfachen Verbindung Luthers mit Nürnberg 'wäre es auch möglich, daß einer seiner Nürnberger Freunde auf Hans Sachs einwirkte. *) Vgl. Bd. 22, S. 94-97*

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Dann wird erzählt, wie der Satan das Wort verfolgt habe mit Bann, Verjagen und Verbrennen, doch habe er es nicht unterdrücken können. Jetzt drohe er schlimmer denn je, doch solle sich niemand schrecken lassen;1) man habe manche Beispiele in der Bibel, daß Gott den Seinen helfe, darauf solle man bauen. Er kan dich wol bewaren, All dein har sind gezelt. Laß nur den sathan sich scharren,1) Thu im wort gots verharren, So bistu außerweit. Versteckte Hinweise auf Ereignisse, die den Glauben angehn, finden sich, wie im Obigen, auch in anderen Liedern. In »Wach auff meins hertzen schöne«2) wird ausgeführt, wie Christus viele Prediger sende, die das wiedererstandene reine Gottes­ wort verkünden. Ob ihrer auch viele geschändet und gemordet würden,3) solle sich die Christenheit doch nicht schrecken lassen. In einem andern der Lieder, der Umdichtung eines Liebesliedes: »Ach Jupiter hestu gewalt christlich verendert«: »O got vater, du hast gewalt«4) fleht der Sünder im Dialog mit Christus diesen um Gnade an, Christus verweist ihn auf den Glauben und erhört ihn.5) Das nach Goetzes Datierung6) nächste Stück: »Ein neuwer Spruch wie die gaistlicheit und etlich handtwercker über den Luther clagen«7) habe ich schon oben erwähnt8), auch, daß es wohl etliche Jahre später anzusetzen ist.9) Schultheiß10) *) Es ist daran zu erinnern, daß etwa um diese Zeit Ferdinand sich auf dem Tage zu Regensburg mit den bairischen Herzogen verband zur Unterdrückung der neuen Lehre (vgl. Bezold S. 441). Ein kaiserliches Edikt schärfte trotz des milden Nürnberger Reichstagsabschiedes Befolgung des Wormser Edikts ein und verbot die geplante Nationalversammlung zu Speier, sowie alle Dispu­ tationen (vgl. Bezold S. 443). ') Bd. 22, S. 91-93. 8) Es sei erinnert, daß schon im Juli 1523 die ersten Märtyrer der neuen Lehre, Heinrich von Voes und Johannes Esch, zu Antwerpen verbrannt wurden. Vgl. Bezold S. 377. Ende 1524 wurde auch Heinrich von Zütphen in Dithmarschen von den Bauern zu Tod geschlagen. Bezold S. 386. 4) Bd. 22, S. 104—108. 5) Vgl. auch Schultheiß a. a. O. S. 26. 6) Vgl. Bd. 25, S. 13, Nr. 98. 7) Bd. 23, S. 505—508. 8) Vgl. oben S. 14, Anm. 1. 9) Nach Goetze Bd. 23, S. 508 erscheint dieses Spruchgedicht überhaupt nicht in den Handschriften des Hans Sachs. 10) Vgl. Schultheiß a. a. O. S. 31. 2

18 erwähnt das Stück nur, es ist jedoch wichtig genug, daß ich es hier eingehender würdige. Schon die Form ist interessant, denn das Werk ist gegliedert in Klage, Verteidigung und Urteil. Die Gottlosen, als da sind Prälaten, Pfaffen, Mönche, Glocken­ gießer, wie alle, die aus den Formen der alten Kirche einen Nutzen gezogen, klagen, daß Luther das ganze Deutschland mit Schmähen und Lästern umgekehrt habe, die ehrwürdigen Geistlichen angegriffen und von ihren Pfründen getrieben habe, ihre Gebote verachte, ihren Kirchenschmuck für unnütz halte; entweder müsse er brennen oder revozieren. Luther verteidigt sich, man wolle ihn nur schrecken, weil er ihren falschen Gottes­ dienst und ihre Gleißnerei aufdecke, indem er das reine Wort Gottes lehre; hätte er durch seine Lehre ihr Gut gemehrt, würde man ihn loben. Christi Urteil lautet: »Verkündet das lautere evangelium, verachtet die falschen gottesdienste, laßt ab, die Wahrheit zu verfolgen, kümmert euch nicht um zeitlich gut, sondern sucht das reich gottes«. Die volkstümlich wirk­ same Art solcher Polemik ist nicht zu verkennen; natürlich fand das Stück als Flugblatt Verbreitung. Luthers Psalter, 1524 erschienen, muß Hans Sachs sich bald zu eigen gemacht haben, denn schon 1526 behandelt er dreizehn Psalmen als Lieder1) für die neue Kirche. Luther hatte, wie ich schon oben angeführt habe, Psalmen als besonders geeignete Vorlagen solcher Lieder empfohlen. Daß der erwähnte Psalter und nicht die schon früher erschienenen Lutherschen Psalmverdeutschungen von Hans Sachs benutzt wurde, ist außer Zweifel. Von den dreizehn Psalmen war nur einer und zwar Psalm 10 schon früher von Luther übersetzt worden.2) Charakteristisch ist auch die Auswahl der Psalmen. Des Dichters Bibelbenutzung scheint überhaupt selten zufällig zu sein. Die rasche Verbreitung dieser Psalmenlieder des Hans Sachs ist uns bezeugt. Zuerst erschienen sie als Flugblatt. Nach Will-Nopitsch, Nürnbergisches Gelehrten-Lexikon VIII, S. 9, waren sie im Enchiridon, Nürnberg 1527, enthalten; noch im Nürnberger Gesangbuch, Nürnberg 1637/8, sind sie zu finden3). b Bd. 22, S. 108—130. 2) In Luthers Betbüchlein vom Jahre 1522. Bd. 37, S. 443. a) Goetze Bd. 22, S. 109, Anm.

Vgl. Erlanger Ausgabe

19 Am 24. Juni 1526 beginnt Hans Sachs sein zweites Meistergesangbuch, und nun folgen in immer steigendem Maße seine Bibelbehandlungen, die vorbildlich für den ganzen späteren Meistergesang wurden. Die Wichtigkeit dieser Bibelbehand­ lungen für den Meistergesang und durch ihn für die Refor­ mation ist eine so große, daß es wohl am Platze ist, wenn ich hier eine zusammenhängende Übersicht gebe. Ludwig Keller hat darauf hingewiesen, daß die Sing­ schulen des 14. Jahrhunderts oft eine Art von Kultgesellschaften darstellten1). Ich habe schon oben davon gesprochen, wie das Verbot der Bibelbehandlung den Meistergesang lahm legte; die Stimmung der Handwerkerkreise der Kirche gegenüber habe ich in wenigen Worten zu charakterisieren gesucht. In den von Handwerkern erfüllten Städten gewann denn auch die Reformation am schnellsten Grund und Boden. Von der Bibel­ kenntnis des gemeinen Mannes, bald nachdem Luthers Über­ setzung erschienen war, haben wir beredte Zeugnisse2). Im Meistergesang, also einer von Handwerkern gepflegten Kunst, ist es Hans Sachs, der die Bibel wieder zum Grund­ stock dieser Art von Dichtung machte, zu gleicher Zeit zur Norm der Sprache3). Also auch zur Ausbreitung der Bibel­ sprache Luthers hat, wie ich nachdrücklich betonen möchte, der Meistergesang wesentlich beigetragen, und dieses Verdienst gehört zum großen Teil dem Wiedererwecker der löblichen Kunst Hans Sachs. Das Verbot der Veröffentlichung bestand für den Meistergesang schon lange, die Lieder sollten nicht Gemeingut werden, sondern waren nur für die Singschulen bestimmt. Die Meisterlieder des Hans Sachs wurden also durch mündlichen Vortrag und durch Abschriften verbreitet. Hans Sachs selbst macht Abschriften gegen Bezahlung, wie die Vor­ worte einer Anzahl der von ihm selbst aus seinen Werken 1) a. a. O. Monatshefte der Comeniusgesellschaft Bd. n (1902), S. 274 bis 292. 2) Eine ganze Anzahl von Streitschriften der Zeit, darunter auch Hans Sachsens Dialoge, die Angriffe auf eben diese Bibelkenntnis von seiten der Gegner, ergeben den Beweis. 3) Der Gebrauch der Bibelsprache, wie sie von Luther festgelegt, wird in Meisterliedern wie in den Tabulaturen oftmals als Gesetz der Singschulen bezeichnet. Vgl. etwa Adam Puschmann, Gründlicher Bericht des Deutschen Meistergesangs . . zusampt der Tabulatur . . 1571. 2*

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abgeschriebenen Bücher beweisen1); Gesellen auf der Wander­ schaft machen Abschriften und verbreiten diese Meisterlieder durchs ganze Reich, von Danzig, Breslau bis nach Straßburg. Die Meisterlieder des Hans Sachs bilden bis tief ins 17. Jahr­ hundert hinein den Grundstock aller Singschulen. Sie hatten also ein großes Publikum, belebten den Meister­ gesang aufs neue und halfen mehr wie irgend etwas anderes, ihm seine entschieden lutherische Tendenz zu geben. In den ganz altgläubigen Gebieten verschwindet der Meistergesang fast ganz, und zwar nicht viele Jahre nach den Anfängen der Reformation. Die Singschulen wurden entweder als ketzerisch unterdrückt oder konnten unter den bestehenden Verhältnissen gar nicht auf kommen2). Meisterlieder, die katholische Lehre predigen, sind mir in den Handschriften, die nach der Refor­ mation geschrieben wurden, überhaupt nicht zu Gesicht ge­ kommen. In protestantischen Gebieten hingegen breitet sich der Meistergesang erst recht aus, und damit wird besonders lutherische Doktrin und auch Bibelkenntnis verbreitet. Durch den Meistergesang, den Hans Sachs wieder zur Blüte brachte, gewinnt der neue Glaube sowohl wie die Bibelsprache Luthers eine nicht zu unterschätzende Stütze3). Hans Sachs gilt den Singschulen als Vorbild und Wiederbegründer der löblichen Kunst. In der Vorrede eines jeden seiner Handschriftenbände spricht Hans Sachs es aus, daß er schreibe zur Ausbreitung des lauteren Gotteswortes. Betrachtet man die große Anzahl seiner Meisterlieder, die nichts anderes als gesungene Predigten sind, oft direkt nach Lutherscher Vorlage4), so wird es klar, daß obige Absicht buchstäblich zu nehmen ist. Eine große Zahl der Meisterlieder des Hans Sachs wird auf gehörten 0 Vgl. Franz Schnorr von Carolsfeld, Zur Geschichte des deutschen Meistergesangs, Berlin 1872, S. 12 und S. 26. ®) Th. Hampe a. a. O. Mh. Comenius-Ges. 7, S. 148 —171. 8) Leider fehlen noch immer zusammenstellende Arbeiten über die Sing­ schulen der meisten Städte, sogar viele der bedeutendsten Meistersinger haben keine Bearbeiter gefunden. Die große Anzahl der Handschriften sind das beste Zeugnis für die weite Verbreitung des Meistergesanges. 4) Eine Vergleichung der Meisterlieder mit den Predigten Luthers, die im Druck erschienen, allerdings eine sehr große Arbeit, würde interessante Resultate liefern.

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Predigten beruhen, von einigen wissen wir es nach des Dichters eigner Angabe, von mehreren ist es nachgewiesen worden; es im einzelnen zu erweisen führt ins Uferlose, wie ich aus Er­ fahrung sagen kann. Es wäre noch besonders hervorzuheben, daß die Wahl der Bibelstoffe bei Hans Sachs durchaus nicht zufällig ist. Wo er sich nicht im Rahmen der gangbaren Perikopen oder Predigten, die auf diesen beruhen, hält, steckt gewöhnlich eine zeitgemäße Moral in den gewählten Stoffen, oder sie geben ihm Gelegenheit, auf Ereignisse der Zeit anzu­ spielen. Gleich auf den ersten Blättern seines zweiten Meister­ gesangbuches behandelt Hans Sachs die so heiß umstrittene Abendmahlsfrage und zwar ganz im Sinne Luthers. Es sei daran erinnert, daß gerade um diese Zeit, also im Jahre 1526, der Streit über diese Frage zwischen Luther und Zwingli und ihren beiderseitigen Anhängern heftig entbrannte. Schon in der Vorrede zu Agricolas deutscher Ausgabe der sogenannten schwäbischen Syngramma hatte Luther seinen Stand­ punkt scharf betont1); bald darauf, im Jahre 1526, erschien seine erste Schrift gegen Zwinglis und Oekolampads Abend­ mahlslehre, nämlich der »Sermon von dem Sakrament des leibes und blutes Christi wider die schwärmgeister« 2). Luther greift darin seine Gegner heftig an, weil ihre Beweise nicht aus den Einsetzungsworten3) gezogen seien, und ihre Gründe: 1. Die Gegenwart Christi sei »bei der Vernunft ein ungeschickt ding«. 2. Diese Gegenwart Christi im Abendmahl sei über­ haupt unnötig4), läßt er nicht gelten; dann aber wendet sich Luther überhaupt gegen Gründe der Vernunft in Glaubens­ sachen. Hans Sachsens Meisterlied: »Das abentmal«5), ebenfalls aus !) Vgl. a. a. O. Martin Luthers Werke. Weimarer Ausgabe Bd. 19, S. 457—461. 2) Weimarer Ausgabe Bd. 19, S. 482—523. ®) Nach Evangelium Matthäus 26. 4) Zwingli bestritt bekanntlich, daß der Leib Christi im genossenen Abendmahl gegenwärtig sei, er lehrt dagegen, das Abendmahl sei nur ein Symbol der Gegenwart Christi. 5) Vgl. Hans Sachs’ Handschrift im Zwickauer Ratsarchiv 40 2 Bl. 3* — 6r. In Goetzes Register, Bd. 25, ist diese Handschrift als M. G. 2 bezeichnet, diese Abkürzung werde ich hinfort benutzen, wie auch die von Goetze gebrauchten Abkürzungen für die folgenden Zwickauer Hans Sachs-Handschriften.

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dem Jahre 1526, ist wohl direkt auf diese Schrift Luthers zurückzuführen. Der Dichter beschreibt die Szene des Abend­ mahls Christi nach Matthäus 26, gibt dann die Einsetzungsworte genau und erklärt sie ganz im Sinne Luthers: Da sie aber aßen, do nam Jhesu das prot, danckt, es prach, Gab es seinen jünger alsam. Mit claren Worten er da sprach: Nemet, esset, das ist mein leib. Darnach nam er den kelich gut, Danket, gab in den, sprach pehent: Drinket al draus, das ist mein plut Des neu ewigen testament; Als auch Marcus und Lucas schreib. Allhie hastu den text gantz plos, an glos Des heren abentmal. Hör cristen mensch die claren wort, Die doch nit clarer möchten sein, Die mustu hie an diesem ort Fassen durch den gelauben rein. Mit der Vernunft weich ab zu tal, Sunst wirstu in zweiffel gevirt, Was leib und plut Cristi da ist. Darin manig weltweißer irt, Der die wort mit Vernunft aus mist. Der gleich artickel noch mer sent. Dann führt der Dichter in ähnlicher Weise auch Johannes 1 an mit der Nutzanwendung: Dissen artickel die Vernunft Mit nichte auch pegreiffen kan,

Allein der glaub peschleust in y. Wer mit Vernunft nach gruben weit, der velt In irrung ketzerei.

Dann erzählt er, daß viele, welche die Schrift mit Ver­ nunft zu ergründen suchten, zu Ketzern geworden seien, und folgert daraus, daß der Christ einfältiglich glauben müsse:

23 nit raub Du Cristo seiner er, Der eingesetzt hat durch sein wort Sein leib und plut in prot und wein. Ob al doctores auf ein ort Hie anders lerten uberein, Denoch gelaub du Cristo mer; Der selb die ewig warheit ist.*) Dieses Meisterlied deckt sich ganz mit der oben ange­ führten kurz vorher erschienenen Schrift Luthers und ist zweifellos erst durch sie angeregt worden. Auch in der Folge hebt Hans Sachs noch wiederholt die Abendmahlslehre Luthers hervor, wie ich zu zeigen Gelegenheit haben werde. In den folgenden Jahren wird Hans Sachsens Polemik gegen die alte Kirche, ihre Satzungen, ihre Stände, ihre Ver­ folgung der neuen Lehre, je nach den Zeitumständen immer heftiger; auch gegen die Wiedertäufer wendet er sich zuweilen. Die Meisterlieder besonders geben ihm hierzu reichlich Gelegen­ heit. Da diese nach den Satzungen der Schule nicht gedruckt werden durften, konnte die Obrigkeit ihretwegen wenigstens nicht gegen ihn einschreiten. In dem Meisterlied: »Das urteil Cristi«*2)3 greift Hans Sachs Kirchensatzungen und Werkheiligkeit an; er erklärt, daß alle Werke, Fasten, Beichten, Kutte, Platte, Strick, ohne Bedeutung seien, allein die Werke der Liebe, die da dem Glauben ent­ springen, seien Christo angenehm. Ein gutter paum pringt gutte frucht, Also ist glaub an liebe nit, Darum rieht Cristus nach der lieb, Und offenwart den glauben mit Der auserwelten. In einem andren Meisterlied derselben Zeit (1526): »Wie Cristus straf die falschen 1er«8) greift Hans Sachs die Schrift*) Die von Schultheiß a. a. O. S. 33 gemachte Behauptung, Hans Sachs mische sich nicht in theologische Streitigkeiten, erwähne auch das Abendmahl an keiner Stelle, ist mit Hinweis auf Obiges und auf viele andere Meisterlieder absolut unrichtig. 2) M. G. 2, Bl. 6r — 8v. 3) Vgl. M. G. 2, Bl. iov— 12v.

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gelehrten und Prälaten an, die ihre Werke verkaufen, die Leute schinden; dann die Mönche und Prediger, die Menschengebot aus Geiz höher stellen als das Gebot Gottes, sich den Himmel verzehnten lassen, die von Gott gesandten Prediger verfolgen und umbringen. Ähnlich klagt er in einem andren Meisterlied: »Di^ Verfolgung der apostel«1) darüber, daß man jetzt genau wie in alter Zeit die Apostel des Glaubens verfolge. Welche das Wort gottes nit widerruffen, Lassen hencken, ertrencken und verprennen Die wütigen tirannen uberalle; Der2) schwert sich in dem plut teglichen röttet. Auch werden vil aus den landen verjaget Die so dem reinen wort gottes anhangen. Also müessen die knecht des herren leiden Verfolgung allesamen. Natürlich droht der Dichter immer wieder damit, daß Gott die Verfolger und Verächter seines Wortes strafen werde; er schreibt eine ganze Anzahl von Meisterliedern, die ich hier nicht einzeln anzuführen brauche, mit dieser Nutzanwendung. Recht interessant und auch wichtig ist das auch als Flug­ blatt erschienene Spruchgedicht des Hans Sachs: »Der arm gemain esel.«*8) * Als Personen treten Geistliche, Gleißnerei, menschliche Vernunft, tyrannische Gewalt, Wucher und das Wort Gottes auf. Alle dringen auf ihre Art auf den »gemain esel« ein. Geistliche Gleißnerei klagt, wie das Wort Gottes ihr geschadet habe, der gemein Esel wolle ihr nicht mehr ge­ horchen, verschließe gar seinen Futterkasten. Menschliche Vernunft dringt in den Esel, auszuschlagen und seine Peiniger zu stürzen. Tyrannische Gewalt will den Esel zwingen, wenn er nicht gutwillig gehorche; auch Wucher droht heftig. Da wendet sich der Esel an die Gerechtigkeit um Hilfe, die aber ist gefangen von Wucher und Tyrannei und ganz machtlos; *) Vgl. M. G. 2, Bl. i3r—i4v. *) Genau so. 8) Vgl. Bd. 23, S. 12—15. Dieses Spruchgedicht ist vielleicht durch einen Dürerschen Holzschnitt, den »gemain esel« darstellend, angeregt worden. Auch erscheint eben dieser Holzschnitt auf dem Titelblatt der Flugschrift. Vgl. Goetze Bd. 24, S. 94 ff. zu Enr., 22.

25 dem klagenden Esel bleibt nur noch das Wort Gottes, und das rät zur Geduld, bis Gott helfe und die Peiniger stürze. Gegen den Wucher, der auch in obigem Stück übel weg­ kommt, wendet sich Hans Sachs im Laufe seiner dichterischen Tätigkeit noch recht oft; auch Luther1) und andere Reformatoren bekämpfen dieses weitverbreitete Übel. Es waren besonders Augsburger und Nürnberger Kaufleute, die wegen ihres Wucherns berüchtigt waren, auch in Nürnberg mehrere zu den Geschlechtern gehörige Familien. Gegen diese Wucherer wendet sich Hans Sachs auch in seinem in eben diesem Jahre (1526) geschriebenen Spruchgedicht: »Mercurius, ein got der kaufleut«.2) Er erklärt zuerst die Insignien Merkurs, erzählt, daß der auch Gott der Diebe sei, weil zwischen Dieben und Kaufleute wenig Unter­ schied. Dann wird das Treiben und Schinden dieser Kaufleute recht scharf charakterisiert, bezeichnend hebt er hervor: Wiewol man hie nit laut darff schreien, Wenn ich hie trieff, versteht mich wol. Er schließt das Stück mit dem Wunsche, daß keinem Unrat daraus erwachsen möge.3) In der reformatorischen Polemik werden im Jahre 1526 die Angriffe auf das Papsttum wieder häufiger, jedenfalls durch Luther selbst veranlaßt. Luther hatte nämlich ein zu Neujahr 1526 in Wittenberg erschienenes, mit Cranachschen Holzschnitten geschmücktes Büchlein gegen das Papsttum mit einem Nachworte versehen, worin er aufforderte, aufs neue wieder anzufangen, gegen das Götzengeschlecht zu schreiben, dichten, singen und zu malen.4) Mit anderen Holzschnitten, von Sebald Beham erschien das Büchlein neu aufgelegt auch in Nürnberg, allerdings ohne *) Schon 1519 hatte Luther heftig gegen den Wucher gepredigt. 1524 gab er eine Schrift heraus von Kaufshandlung und Wucher. Vgl. Weimarer Ausgabe Bd. 15, S. 49 ff. 2) Bd. 3, S. 512—516. Das Gedicht erschien später noch mehrmals als Flugblatt. Vgl. Goetze Bd. 24, S. 196. 8) Wie berechtigt Hans Sachsens Sorge in dieser Hinsicht war, geht daraus hervor, daß noch 1547 der bekannte Prediger Veit Dietrich vom Amt suspendiert wurde, weil er gegen den Wucher Nürnberger Kaufleute gepredigt hatte. Vgl. G. Th. Strobel, Neue Beiträge 3, 2, S. 125 ff. Hans Sachs trat damals für ihn ein, wenn auch nur in Meisterliedern. 4) So auch Kawerau S. 71. Vgl. Weimarer Ausgabe Bd. 19, S. 1—43, besonders S. 43.

26 das Luthersche Vor- und Nachwort.1) Kawerau hält das Büchlein und Luthers Zusätze berechtigter Weise für vorbildlich für das im Jahre 1527 gemeinsam von Osiander und Hans Sachs heraus­ gegebene Werkchen: »Eine wunderliche Weissagung von dem Papsttum«.2) Wahrscheinlich geht aber auch Hans Sachsens Polemik gegen das Papsttum und seine Knechte in dem Meister­ lied: »Die verkäuffer«3) auf obiges Büchlein zurück.4) Dieses Meisterlied wurde Ende 1526 geschrieben, also zu einer Zeit, wo Osiander wahrscheinlich den Hans Sachs schon aufgefordert hatte, die Reime zu den von ihm gefundenen Bildern5) zu dichten. In dem Meisterlied erzählt der Dichter nun die bekannte Bibel­ geschichte, wie Christus die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel trieb, dann aber bezieht er diese Erzählung auf Papst und Geistlichkeit, wie folgt: Der bapst ist der oberst in dissem spil, Mit simonei ist sein reich gar pesessen. Die pischoff mantel er verkauft, Cardinal huet um vil dausent ducatten. Die anatten an duncken alle samen, Pfar, probstei, pfrunt6) ist er verkauften vil, Um golt kauft man von im große freiheitte; Mit gnad prieff er uns uberhäuft. Wo man gelt geit, dut er die sunt verzeie, Löst die sei aus dem fegfeuer mit namen. Der gleich verkauften seine knecht Das predigen und alle gottes gäbe, Mit dem pan und geistlichen recht. Mit Steuer, zehenden sie schinden grabe, *) Ebd. S. 72 f. Vgl. Das Bapstum mit seinen gliedern gemalet und beschriben, gebessert und gemehrt. Nürnberg 1526. Vergleiche hierzu auch A. Rosenberg, Sebald und Barthel Beham, Leipzig 1875, S. 11, S. 126 u. 138. Auch A. Bauch im Repertorium für Kunstwissenschaft 1897. S. 197 ff. а) Bd. 22, S. 131— 136. 8) M. G. 2, Bl. 28r—29r. 4) Kawerau, wie fast alle Bearbeiter des Hans Sachs, beschränkt sich auf Spruchgedichte, die Meisterlieder Handschriften sind bis jetzt nur auf ihre Schwänke durchsucht worden, sonst sind sie fast unbenützt geblieben. 5) Osiander hatte die Bilder bekanntlich in zwei Exemplaren, eins in dem Kartäuserkloster, das andere in der Ratsbibliothek gefunden. Vgl. W. Möller, Andreas Osiander Leben und ausgewählte Schriften. Elberfeld 1870. S 97—98. б) geschrieben »prunt«.

27 Verkauften, was da wirt geweicht, Dauff, firmung, peicht. Das sacrament um gelt ists auch pereitte Mit heiltum, pruderschaft, Opfer. Ir werck auch mer Verkauften, vigil, jartag und sei messen. Hans Sachs wünscht dann zum Schluß, daß Christus sie aus seinem heiligen Tempel treiben möge. Daß solche Polemik, immer wieder in der Singschule vorgebracht, nicht ohne Wirkung blieb, kann man wohl glauben. Für das Jahr 1526 kommen dann noch einige Weihnachts­ lieder1) in Betracht, die auch nach des Dichters eigner Angabe zu Weihnacht in der Spitalkirche gesungen wurden, ein Umstand, der nicht ohne Bedeutung ist. Hans Sachs muß demnach nicht nur dem Osiander, sondern auch andern Predigern der Stadt schon um diese Zeit sehr nahe gestanden haben. Auch das Lied: »Conterfaction Theseus des itz Turckischen keissers im MDXXVI jar«, das als Flugblatt erschien und wohl durch den großen Türkenkrieg2) dieses Jahres hervorgerufen wurde, möchte ich erwähnen. Dem Dichter ist der Türkenkaiser eine von Gott gesandte Geißel zur Bestrafung der Sünden, denn trotz des lauteren Wortes würde beständig weiter gesündigt. Schon oben3) habe ich der Osiander-Sachsschen »Aus­ legung der wunderlichen Weissagung von dem papstum wie es ihm bis an das ende der weit gehen sol« gedacht. Das Stück ist sowohl wegen seiner Bedeutung für die Reformation, als auch wegen des Verweises, den sich Hans Sachs vom Nürnberger Rate zuzog, schon so oft eingehend behandelt worden,4) daß ich nichts hinzuzusetzen brauche. Das direkte Resultat des Verweises war, daß der Dichter eine Zeit lang möglichst wenig Spruchgedichte, also Gedichte, die für den Druck bestimmt waren, schrieb, aber *) Es sind diese i.) »Einweinachtpar, die verheissungCristi.« Vgl.M.G. 2, Bl. 33r—34r. Im Druck erschienen 1526 nach Enr. 21. Vgl. Goetze Bd. 24, S. 94. 2.)»Einweinacht par,Lucas der war ewangelist.« Vgl.M.G. 2,B1.34V —35v. 2) Bekanntlich wurde das ungarische Heer in eben diesem Jahre in der Schlacht bei Mohacs von den Türken aufgerieben. Vgl. Bezold S. 583. 3) Siehe oben S. 25 f. 4) Schultheiß a. a. O. S. 29— 30. Kawerau a. a. O. S. 72— 78. Mummen­ hoff a. a. O. S. 34. Schweitzer a. a. O. S. 85 — 87. Rud. Gen6e S. 165 —173 (allerdings ganz novellenhaft) und andere mehr.

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mehr wie zuvor im Meistergesang die Bibel und lutherische Glaubenslehre behandelte. Also in der Singschule wirkte Hans Sachs nach wie vor unbeirrt für die Sache der Reformation. Angesichts der immer heftiger werdenden Verfolgungen der Anhänger des neuen Glaubens in Bayern und den Habsburgischen Erblanden glaubt er, daß Gott die Tyrannen, die Gottes Wort mit Morden, Brennen, Hängen und Ertränken verfolgen, noch viel schlimmer strafen werde als Sodom und Gomorra1); doch ermahnt er immer wieder zur Standhaftigkeit. Ein anderes Meisterlied aus eben dieser Zeit ist, wie es mir scheint, mit der Hinrichtung Wolfgang Vogels in Verbindung zu bringen. Dieser nürnbergische Pfarrer zu Eltersdorf ^hatte in einem Sendschreiben die vom Evangelium wieder abgefallene Stadt Bopfingen, in welcher er früher Pfarrer gewesen war, so ver­ letzt, daß sie sich über ihn beim Nürnberger Rate beschwerte.2) Vogel war als radikal bekannt, er hatte während des Bauern­ krieges seine Pfarrkinder aufgewiegelt, später die zu Regensburg beratenden altgläubigen Fürsten als tolle Götzen bezeichnet. Man setzte ihn gefangen und verurteilte ihn zum Tode. Im Verhör hatte er sich, wie es scheint, zur Huttschen Lehre vom nahen Gericht bekannt, das wurde anscheinend als Beteiligung an einem Bündnis wider die Obrigkeit ausgelegt.3) In dem be­ treffenden Meisterliede: »Die enthauptung Johannis«4) erzählt Hans Sachs nach Mathäus VI die Geschichte von Herodes und Salome und wie schließlich Johannes enthauptet und sein Haupt auf einer Schüssel in den Saal gebracht wird. Doch schließt er wie folgt: Hiepei ein Cristen mensch petracht, Was da geschach, geschieht noch heut zu tagen. Manig prediger wirt umpracht Der die warheit und gottes wort ist sagen, Das übel straffet nach der schrift; So er dan drift, *) Vgl. »Der apostel perueff« M. G. 2 Bl. 40v — 41V. 2) F. Roth, Einführung der Reformation in Nürnberg, S. 257 und Uhlhorn in der Zeitschrift des histor. Vereins für Schwaben und Neuburg 1874, S. 215 ff. 3) F. Roth S. 257. 4) M. G. 2, Bl. 2I4V—215V.

29 Die ein gotlossen wandel hie sint treibe, Die stellen im dan heimlich nach Mit pein und schmach. Und dragen sie selb nicht gewaltes schlissel, So geben sie in dar gen der herschaft Durch schwinde pratic, lug und argeliste; Dan wirt der unschuldig pestraft An leib, er, gut oder gar an dem leben. Der Abendmahlstreit zwischen Luther und Zwingli wurde bekanntlich 1527 wieder recht heftig. Sogar Willibald Pirckheimer, der doch der Reformation gegenüber schon längst lau geworden war, trat in dieser Frage auf Seiten Luthers1). Luther selbst griff Zwingli heftig an in der Schrift: »Daß diese worte Christi: das ist mein leib, noch feststehen wider die schwärmgeister«2); auch Osiander beteiligte sich an der Polemik. Daraufhin behandelt denn auch Hans Sachs in den Meister­ liedern dieses Jahres wiederholt die Abendmahlsfrage3). Er erklärt die betreffenden Bibelstellen wie schon früher4) genau nach Luther, am ausdrücklichsten in dem aus sieben Teilen bestehenden Stück: »Das lebentig himelprot«5); in diesem Meisterlied wird jede Einzelheit der Lehre behandelt. Es ist erstaunlich, daß Hans Sachs, der sich gewöhnlich alle ihn interessierenden Ereignisse nutzbar macht, nichts über die Einnahme und berüchtigte Plünderung Roms vom Mai 1527 zu sagen hat. Daß ihm als Feind Roms die dortigen Vorgänge nicht gleichgiltig sein konnten, ist klar. Allerdings behandelt er um diese Zeit gerne Jubelpsalmen, auch sein Meisterlied: »Der Gideon«6) mag ein versteckter Hinweis sein, aber jeden­ falls kein deutlicher. J) Vgl, Drews, Willibald Pirckheimers Stellung zur Reformation. Leipzig 1887, S. 94 ff. Vgl. auch Rud. Hagen, Willibald Pircklieimer in seinem Ver­ hältnis zum Humanismus und zur Reformation. Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Stadt Nürnberg Bd. 4, S. 141. 2) Vgl. Weimarer Ausgabe Bd. 23, S. 64—283. 8) Vgl. »Das gros abentmal« M. G. 2, Bl. 90v— 91v und »Gespons Christi sein schacz«. M. G. 2, Bl. 96r—ioor. 4) Vgl. oben S. 22, 23. B) Vgl. M.G. 2, Bl. 136*— 14H. 5) Vgl. M. G. 2, Bl. i36r— 14ir. 8) Vgl. M.G. 2, Bl. ioor—ioiv.

30 Der Nürnberger Rat befahl im Januar 1528 seinen Pre­ digern, öffentlich gegen die Wiedertäufer, die sich in Nürnberg wieder blicken ließen, zu predigen *). Auch eine Schrift Luthers erschien im Februar 1528 gegen die Wiedertäufer in der Form eines Sendschreibens: »Von der wiedertaufe an zwei pfarrherrn«*2). Luther verlangt hierin von den Wiedertäufern den Beweis, daß die Kindertaufe gegen Gottes Wort sei, erklärt ihr Argument, daß die Kinder noch nicht glauben könnten, da sie ja noch keine Vernunft hätten, aus Bibelstellen für hinfällig. Auch Hans Sachs beteiligt sich an dieser Polemik und, wie ich zeigen werde, ganz im Sinne Luthers. Vorerst spricht der Dichter mehr allgemein gegen die, welche die Schrift mit Vernunft ergründen wollen. Es geschieht dieses in dem Meisterlied: »Die Dina alegoria«3), ein Lied, das nach des Dichters eigener Aussage4) auf einer Schrifterklärung Luthers beruht5). Hans Sachs klagt in der Erklärung zu dieser Allegorie, daß es auch so viele Orden, Sekten und Rotten in seiner Zeit gäbe. Uber einfalt christlicher zunft Machen sie gottes wort ein glos, Aus vurwicz menschlicher Vernunft,

Der aller grünt nur auf menschlicher Weisheit stat, Ein tichten glauben sie imaiginiren. Dann erzählt er, daß so viele Leute durch Prediger solcher Menschenlehre verführt würden, die Prediger des reinen Wortes aber diese Menschenlügen bekämpften. Bald *) Vgl. J. Müllners Annalen, Tomus V, S. 91. Handschriftlich in der Nürnberger Stadtbibliothek. 2) Vgl. Erlanger Ausgabe Bd. 26, S 254—294. 8) Vgl. M. G. 2, Bl. 259—262. 4) Vgl. ebnd. Ein Vergleich des Meisterliedes mit der betreffenden Predigt Luthers, Weimarer Ausgabe Bd. 24, S. 588, bestätigt, daß es eine Nach­ dichtung der Predigt ist. ö) Luthers Predigten über das erste Buch Mose waren 1527 im Druck erschienen. Hans Sachs muß das Buch bald darauf besessen haben, auch obiges Meisterlied ist dadurch angeregt worden. Schon mehrmals habe ich auf Luthersche Schriften in ihrer Bedeutung für Hans Sachs hinweisen müssen. Leider ist die Frage, wo, wie und wann Hans Sachs unter Luthers Einfluß steht, noch von niemand eingehend behandelt worden, ich kann sie nur zu­ weilen streifen, weiß jedoch, daß besonders in den Meisterliedern recht viel auf diese Frage Bezügliches zu finden wäre.

31 darauf schrieb Hans Sachs das Meisterlied: »Der kinder dauff«1), das gegen die Gewohnheit auch im Druck erschien unter dem Titel: »Wider die wiedertauffer«2). Wie ich schon erwähnt habe, ist das Lied ganz im Sinne Luthers und präzisiert Hans Sachsens Stellung zur Wiedertaufe genau. Der Dichter erzählt vom Bund der Beschneidung, den Gott mit Abraham geschlossen; ähnlich habe Christus den Seinen die Taufe gegeben zur Einverleibung in die christliche Gemeinde. Es heiße in der Schrift: »Wer glaubt und getauft wird, der wird selig werden«, auch befehle Christus im Evangelium Matthäi 28, alle Völker zu taufen; dann fährt er fort: Hie entspringet ein irttum schwere: Das man die cristen kinder sol tauffen nicht, Seit sie noch nicht haben Vernunft, Pis sie durch ihr Vernunft glauben erlangen.

Ich antwort nach christlicher lere. Paulus ad Corinthos am zehenden spricht: Der glaub mit des geistes Zukunft Der nem genczlich alle Vernunft gefangen.

Darpei sollen vermercken wir, Das die Vernunft nicht helft zu dem gelauben, Sünder hintert und machet ir; Durch plintheit ist sie das wort uns rauben. So das kint an Vernunft ist, Da leit nit vil daran, Vil pas kan es got sein gancz unterthan. Es suchet keinen eigenucz, Es leidet, duldet als, was im zu stet .... Doch kan sein geist im sein erleucht In muetter leib, in dem pestan, Als Johannes, der frum baptist, Und Jeremias, der heillige man. Auch Markus am zehnten: »Lasset die kindlein zu mir kommen, denn ihrer ist das reich gottes«, und die Tatsache, daß Christus die Kinder gerecht nenne, gelten ihm als Beweise für den Glauben der Kinder. Dem Verdacht, daß der Kinder *) Vgl. M. G. 2, Bl. i82v—i84r. 2) Vgl. Goetze Bd. 25, S. 25 zu Nr. 227.

32 Taufe nicht in der Schrift begründet, begegnet er, indem er sagt, daß sie ja nirgends verboten, sondern frei gelassen sei. Diese Argumente sind durchaus die Luthers. Man darf also annehmen, daß Hans Sachs, der ja auch kurz vorher das Abendmahl im Sinne Luthers behandelt hatte,1) sich ganz zur Lehre des Reformators bekennt, mag er auch früher eine Zeit lang von den Lehren ähderer beeinflußt gewesen sein.2)3 Einige Meisterlieder des Frühjahres 1528, wie z. B.: »Der ander psalm von der Verfolgung des reichs Christi«8) mögen sich auf die Packschen Händel4) beziehen, direkt greifbare Anspielungen sind jedoch nicht zu finden. Hans Sachs schreibt nur mehrmals von Verfolgern, die sich zusammenrotten, Gott aber mache ihre Anschläge zu nichte und rette seine Anhänger.5) Auf die auch in diesem Jahre wiederkehrenden Pfingst- und Weihnachts­ lieder brauche ich wohl nicht näher einzugehen; aus den bei Hans Sachs üblichen Angriffen auf das Papsttum, welches er für das Reich des Antichrists hält, sei nur das Meisterlied: »Von des anticristes und seiner gelider pös regiment«6)*hervorgehoben. Es ist eine Behandlung des zehnten Psalms mit dem für Hans Sachs charakteristischen Schluß: O cristen mensch, nun merck hie pei, Wer disser gotlos thiran sei Mit sein gewalt und thiranei, Der über got sich rumet Und meint, es hab um in kein not; Lauret durch sein gesecz, gepot, Die unschuldig sei würget dot, Verpanet und verthüemet. Den leib auch mort Und an dem ort *) Vgl. oben S. 21— 23 und S. 29. 2) Vgl. oben S. 11 f. 3) M. G. 2, Bl. 252^ — 2541-. 4) Otto von Pack hatte bekanntlich vorgegeben, daß ein Bündnis zwischen Österreich, Sachsen, Brandenburg und andern Fürsten bestehe zur Unterdrückung der Evangelischen. Sachsen und Hessen rüsteten schnell, und schon war Hessen in des Gegners Gebiet eingefallen, als sich der Betrug Packs herausstellte. Vgl. Bezold S. 589 ff. 5) Auch das Meisterlied: »Das drit und virt actis« M. G. 2, Bl. 223v — 225 v mag sich auf die Zeitereignisse beziehen. ®) M. G. 2, Bl. 233r— 235V.

33 Im wuergen er erwürget wirt Mit al den, so im haltten schucz Und cristen erwürgen mit drucz. Hie wirt erkent Des babstes gotlos reigiment.1) Das Jahr 1529 brachte für die Reformation zwei besonders wichtige Ereignisse, zuerst den gegen die Neuerer gerichteten scharfen Speirer Reichstagsabschied mit der folgenden Prote­ station, 2) ferner das Marburger Religionsgespräch. Ersteres Ereignis versetzte die Neugläubigen überall in gewaltige Aufregung, letzteres, bei dem Nürnberg durch Osiander vertreten war, wurde sicherlich mit Spannung erwartet; an die Möglichkeit einer Einigung glaubten zweifellos viele. Hans Sachs, der schon in den Monaten August und September 1629 wenig geschrieben, schweigt während des Monats Oktober, in dem das Religions­ gespräch stattfand, ganz und gar; auch in den Stücken der folgenden Monate hat er nichts Bezügliches zu sagen. Dagegen finden sich nach dem Speierer Reichstagsabschied eine Reihe von Anspielungen auf die drohende Gefahr. Beständig tröstet er, daß Sieg durch Gottes Hülfe wohl möglich sei, rät der christlichen Schar, Gott um Beistand anzurufen. Angriffe auf die Tyrannen und Verfolger des Gottesworts häufen sich, ein typisches Beispiel ist der Schluß des Meisterliedes: »Davit mit dem spies«:3) Der kunig Saul Deut al gotlos thirannen, Sint feint dem himlischen Dauit; Cristo mit all sein cristenlichen mannen, All die pekennen gottes wort, Stellen sie nach mit prant und mort Gancz dückisch mit geferden. Doch sint sie faul, So palt die cristen kumen Mit gottes wort, stil in dem frid, _______ So wirt in palt ir scharpfer spies genummen. *) Angriffe auf das Papsttum sind auch in den Meisterliedern: »Der morder Cain« M. G. 2, Bl. 202V—204v und »Von dem anticrist und abfaU M. G. 3, Bl. I4r—i6r enthalten. a) Bezold S. 592 ff. Die drohende Gefahr führte denn auch zum festen Zusammenschlüsse der protestierenden Fürsten und Stände. 8) M. G. 3, Bl. 150 r—15 iv.

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Dann fangen sie erst recht an zu morden, versuchen jedoch gleißnerisch ihrem Blutvergießen einen guten Anschein zu geben. Gott wird die tyrannische Rotte umbringen. Die Polemik gegen den falschen geistlichen Stand, der Anfang des Jahres mit dem schon von Schultheiß]) und Kawerau*2) genügend behandelnden »Inhalt zweierlei predigt«3) einsetzt, verschärft sich im Laufe des Jahres noch, wohl auch infolge der Speirer Beschlüsse. Hervorzuheben wäre etwa: »Die Baal prophetten mit Elia«4), in welchem Lied Hans Sachs besonders gegen die Abgötterei loszieht.5) Auch die Abendmahlslehre Luthers kontrastiert er noch im Juli des Jahres mit der Zwinglis, in dem Meisterlied: »Die schlang«.6) Noch eine ganze Reihe andrer polemisierender Stücke, die jedoch nur schon Gesagtes wieder­ holen, könnte ich anführen. In einem Spruchgedicht vom 10. November: »Die sieben anstös eines menschen, der von dem berg Sinay deß gesetz zu dem berg Zion deß evangelii gehen will«,7) faßt Hans Sachs nochmals alle Hindernisse, die dem Evangelium im Wege stehen, zusammen. Man habe Menschengesetze, Satzungen der Väter und Konzilien, den falschen Gottesdienst der alten Kirche und alte Gewohnheit zu überwinden; der Weg sei von Wölfen im Schafs­ pelz, Schwärmern und falschen Prälaten verlegt, man werde mit Bann und Gewalt bedrängt, dann folgt Der obrigkeit tyrannei, Die schilt gottes wort ketzerei Und thut auß Unverstand verjagen Den menschen zu martern und plagen, Verfolgen und gantz durchechten; Hilfft der geistlichen lüg verfechten, Den menschen von warheit zu dringen. Zum Schluß ermahnt Hans Sachs, nicht zu verzagen, sondern zu leiden, wie der Erlöser gelitten habe. *) 2) 8) 4) 5) Thamar« 6) 7)

Schultheiß a. a. O. S. 32. Kawerau a. a. O. S. 80. Bd. 1, S. 397—400. M. G. 3, Bl. 115r—n8v. Vgl. auch »Die stat Jericho« M. G. 3, Bl. nov — 115r und »Die M. G. 3, Bl. 119r — I23r. M. G. 3, Bl. 139 r— 142 vBd. 1, S. 383 — 390-

35 Im Frühjahre 1529 erschien Luthers »Deudsch Katechis­ mus«1), etwa im Spätsommer sein »Kleiner Katechismus«2). In der Vorrede zum ersteren sagt Luther, das Büchlein sei zum Unter­ richt, besonders für die Einfältigen, bestimmt; als Hauptstücke beider Katechismen nennt er: die zehn Gebote, den Glauben und das Vaterunser, diese, meint Luther, solle jeder kennen, an ihrer Ausbreitung sei ihm viel gelegen. Hans Sachs muß bald wenigstens einen der Katechismen besessen haben, und, wie so oft, ist ihm auch jetzt das Wort Luthers eine Ermahnung, zur Ausbreitung des Glaubens sein Teil beizutragen. Gleich zu Anfang 1530 behandelt er in Liedform »Die zehen gebot gottes zu singen im thon: o herre got begnade mich«3) und auch »Das deudtsche Patrem. Der glaub«4). Von letzterem Stück ist gar die ganze erste Strophe einem Liede Luthers entlehnt5). Beide Lieder erschienen auch als Flugblätter6), wahrscheinlich nicht lange nachher. Während des berühmten Reichstags zu Augsburg im Jahre 1530, auf dem einerseits das protestantische Bekenntnis öffentlich verlesen wurde7), andererseits, da Melanchthon sich so unglaublich nachgiebig zeigte, fast ein Religionsausgleich zu stände gekommen wäre, schweigt Hans Sachs fast ganz. Wenn ich an seine sonstige große Produktivität erinnere, auch daß er in andern für ihn besonders kritischen Zeitpunkten, wie in den Jahren 1521/23, 15258) und während des Marburger Religionsgespräches9), nichts zu sagen hat, so ist wohl klar, daß seinem Schweigen während dieser für den Protestantismus so wichtigen Periode auch einige Bedeutung beizumessen ist. Erst im September, nachdem sich die Religionsverhandlungen endgültig zerschlagen und die Lutherischen sowohl wie Rom die Artikel, über welche man so lange verhandelt, abgelehnt hatten, fängt Hans Sachs wieder an zu schreiben. Er behandelt 1) Vgl. Erlanger Ausgabe Bd. 21, S. 94—128. 2) Ebd. Bd. 21, S. 7 ff. 3) Bd. 22, S. 161—164. 4) Bd. 22, S. 165—168. B) Bd. 25, S. 38 zu Nr. 355. Vgl. Luthers Lied vom Jahre 1524 »Wir glauben all an einen gott«. 6) Bd. 24, Enr. 46 und Enr. 35. 7) Vgl. Bezold S. 619. 8) Vgl. oben S. 8 f. und S. 14 Anm. 9) Vgl. oben S. 33. 3

36 Jeremias Prophezeiung des Untergangs des Königs von Babylon nicht ohne Tendenz, wie der Schluß des betreffenden Meister­ lieds: »Ein prophezei« beweist: Hör mensch, pei diesem Babilon, Daran got rach das volcke sein, Magstu versten Den pabst und alle sein anhanck. Der hat in zwanck Gewaltes quel. Die auserwelten cristenheit, Die gar mit untreglicher pein Gefangen leit In dem strick der pebstlichen necz, Seiner gesecz Und triegerei; Doch lebet ir erlösser noch. Der ist starck, gewaltig und hoch, Das er das joch Des pabsts zu stör, Und an im üeb sein götlich rach. Seit im allein zu stet die sach, Das er mach frei Sein auserweiter erbetheil, Und wider heil Sein Israel. Im Januar 1530 schreibt Hans Sachs sein erstes biblisches Drama: »Die gantz histori Tobie mit seinem sun, hat XI1II person und V actus«1). Dieses ist zweifellos das erste biblische Drama der Reformation2), um vier Jahre früher, geschrieben als Joachim Greffs*8) * *»Jacob * und seine Söhne«, ein Drama, dem man als erstes und vorbildliches die größte Bedeutung beigemessen hat. Wie Hans Sachs zur *) Vgl. Bd. i, S. 134—162. 2) In bezug auf die Datierung vergl. J. Drescher, Die Spruchbücher des Hans Sachs und die erste Folioausgabe in Hans Sachs-Forschungen, Fest­ schrift zur 400. Geburtsfeier des Dichters. Nürnberg 1894, S. 230. 8) Greff kannte das Hans Sachssche Drama, wie aus einem Briefe Greffs an den Stadtschreiber Stephan Roth von Zwickau hervorgeht. Die betreffende Stelle abgedruckt bei Hermann Michel, Heinrich Knaust. Berlin 1903, S. 23 ff.

37 Behandlung des obigen Stoffes in dramatischer Form kam, ist nicht klar; daß es ihm auch hier darauf ankommt, zur Aus­ breitung der Bibelkenntnis beizutragen, dürfen wir wohl annehmen. Könnte aber Hans Sachs die Anregung zur Bearbeitung des Tobiasstoffes in dramatischer Form von Luther erhalten haben? Die bekannten und oft angeführten Stellen1) zu den Büchern Judith und Tobias, in welchen Luther sich nachdrücklich für Dramen biblischen Inhalts ausspricht, stammen erst aus dem Jahre 1534. Hans Sachsens Stück wurde aber schon im Januar 1530 geschrieben2). Luther spricht sich allerdings schon 1530 in einem Briefe3) dahin aus, daß er es nicht ungern sehen würde, wenn in den Schulen die Taten Christi in lateinischer oder deutscher Sprache aufgeführt würden, dazu kommt noch, daß Luther 1534 das Buch Tobias für besonders passend zur dramatischen Behandlung hält, ja in der ursprünglichen Form gar eine dramatische sehen will4). Es ist also sicherlich nicht unmöglich, daß Luther sich ähnlich schon vor Januar 1530 Nürnberger Freunden gegenüber ausgedrückt hat, die ihrerseits wieder auf Hans Saehs einwirkten. Eine direkte Anregung Luthers auf Hans Sachs ist auch nicht ausgeschlossen. Der schroffe Reichstagsabschied5), der all den nutzlosen Verhandlungen zu Augsburg folgte, beunruhigte die Protestanten nicht wenig. Die Fürsten schlossen sich zu Schmalkalden enger zu gegenseitiger Verteidigung in Sachen des Glaubens zu­ sammen6). Luther ließ im Januar 1531 eine Schrift: »Warnung an seine lieben Deutschen«7) ausgehen, worin er, der früher immer gelehrt, man müsse alles über sich ergehen lassen, sich vernehmen läßt, man dürfe sich wehren, so man angegriffen *) Vgl. Goedeke, Grundriß, 2, S. 329. Holstein, Die Reformation im Spiegelbilde der dramatischen Litteratur des 16. Jahrh. Halle 1886, S. 18 ff. und andere mehr. 2) Dreschers Datierung (vergl. oben) halte auch ich für durchaus richtig. 3) Vgl. Creizenach, Geschichte des neueren Dramas, 3, S. 354. Der betreffende Brief bei De Wette 3, 566, die Stelle auch abgedruckt Creizenach, Geschichte des neueren Dramas, 3, S. 354. 4) Vgl. Goedeke, Grundriß, 2, S. 320. 5) Vgl. Bezold S. 627. 6) Vgl. Bezold S. 630. Auch in Nürnberg erschien im Februar 1531 eine Gesandtschaft der Schmalkaldener Bundesgenossen, die Stadt zum Beitritt zu bestimmen. 7) Vgl. Erlanger Ausgabe Bd. 25, S. 1—50.

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werde. Bei Hans Sachs häufen sich jetzt die Ermahnungen, furchtlos und standhaft zu bleiben, auf Gottes Hilfe zu bauen; als Beispiel mag der Schluß des Meisterliedes: »David flucht auf dem perg«1) dienen: Hiepei verstet, ir cristen, Wo ein tirann euch heimsucht Mit pratic, falschen listen, Wider all pillikeit und recht Sich gwaltig an euch rieht, Cristen glauben zu dempfen, Und ir mügt haben kein ausflucht, Vermügt auch nicht zu kempfen, Den dot vor euren äugen secht, Das ir verzaget nicht. Wan got noch heut auf diesen tag Ein fremdes volck erwecket, Das den tirannen wider plag, Das er werd abgeschrecket. Got hencket pös an poesse, Das er aus tirannischer hant Sein cristlich volck erlösse2). Es lassen sich noch viele andre Beispiele beibringen3). Ganz im Sinne der oben erwähnten Schrift Luthers ermahnt dann auch Hans Sachs, fest an Gottes Wort zu halten und, wenn jemand den christlichen Glauben dämpfen wolle, zur Gegenwehr zu greifen. So schreibt er am Schlüsse des Spruch­ gedichts: »Die ehrenpord der zwölff sighaften helden des alten testaments mit herrlichen siegen und thaten zu einem trost­ spiegel aller christlichen obrigkeit wider den blutdürstigen Ttircken und andre thirannen«:4) *) Vgl. M. G. 3, Bl. 260V —262. 2) Hans Sachs, der bis jetzt wie Luther und Melanchthon nur Gutes von Karl V. erwartet hatte, scheint jetzt genau wie Luther zur Einsicht zu kommen, daß vom Kaiser Gefahr- drohe. Der erwähnte Tyrann kann in diesem Falle doch wohl nur der Kaiser sein. 8) Vgl. »Ein urstent« M. G. 3, Bl. 2521*—253 r, auch »Gott hilft seim volck gnedig« M. G. 3, Bl. 263V—264v, oder »Die flucht Pauli« M. G. 3, Bl. 292 V—294 V und andere mehr. 4) Bd. 1, S. 211—220.

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Du christenliche obrigkeit .... Thu all abgötterei abtreiben! Bei gottes wort thu fest beieiben! Handhab treulich gemeinen nutz! ... Wo denn auß frevel und hochmut Der Türck oder ander tyrannen Wider dich auffwürff sein streitfannen Und durch practick und hemisch dück Undter dem schein gerechter stück Zu dempffen christlichen gelauben . . . Dann habe deine Zuflucht zu Gott, suche aber auch Mittel und Wege, solche Tyrannei abzuthun, hilft alles nichts, dann Greift dapffer zu der gegenwehr, Zu retten gottes ehr vor an Und zu schütz deiner untherthan .... Ob es sich gleich ließ sehen an, Als ob die weit wolt undtergan, Laß du nur gott deß krieges walten! Den sieg wirt er dir wol erhalten .... Ir tyrannei1) in zu verhindern, Ir anschläg zu brechen und mindern, In nemen iren frechen mut, Wann gott lebt noch, der stürtzen thut Die gewaltigen von irem thron, Denn ligt ihr zepter, reich und krön, Ir bochen, trotzen, gwalt und macht, Ir stoltze hoffart, pomp und bracht Mit irem heer sampt dem streitfannen .... Hans Sachs ermutigt schließlich die Obrigkeit, in dieser gefährlichen Zeit trotz allem, was geschehe, nur Gutes von Gott zu erwarten. Ähnlich ermahnt auch der Dichter in dem Meister­ lied: »Der kunig Sanacherib«,2) dessen Inhalt, eine Wieder­ holung des Obigen, ich hier wohl übergehen darf. Es ist wahrscheinlich, daß Hans Sachs durch die oben erwähnte Schrift x) Mit dem Tyrannen kann auch hier nur der Kaiser gemeint sein, der gefürchtete Türke muß als Einführung dienen, da es für den Dichter in Nürn­ berg gefährlich sein würde, offen von Karl V. zu reden. *) M. G. 4, Bl. ir_3v

40 Luthers*) überzeugt wurde, daß Gegenwehr gegen etwaige Angriffe des Kaisers erlaubt und geboten sei; oben angeführte Stellen entsprechen ganz dem, was Luther gesagt hatte. Zwinglis Tod in der Schlacht bei Kappel2) scheint Hans Sachs nicht näher berührt zu haben. Es fehlt allerdings nicht an Andeutungen, die sich auf dieses Geschehnis beziehen könnten3), doch bietet keine einen greifbaren Anhalt. Auch die Angriffe auf Rom fehlen selbstverständlich unter solchen Zeitverhältnissen nicht, die Erklärungen von Bibelstellen in Meisterliedern legen dem Dichter diese Angriffe besonders nahe. So deutet er das 18. Kapitel Apokalypsis unter dem Titel: »Das gefallen Babilon«4) auf Rom. Er führt aus, wie das römische Papsttum durch giftige Menschenlehre die Völker ver­ zaubert habe, bis Gott durch sein Wort des Papstes Macht gebrochen, seine Lügen öffentlich so klar erwiesen, daß ein Kind sie sehen könne. Könige, Fürsten, Geistliche und alle, die durch den Handel mit Taufe, Sakrament, Pfründen, Ölung, Messe einen Nutzen gehabt, beklagten Roms Fall. Doch helfe das nichts, der römische Trug falle an manchem Ort. Auch in den Pfaffenschwänken, deren Hans Sachs in diesen Jahren eine ganze Anzahl schreibt, ist die polemische Tendenz nicht zu verkennen. So erzählt er etwa die bekannte Geschichte von der Päpstin Johanna5) und andere mehr. Mit besonderer Freude malt er aus, wie ein Dorfpfarrer für eine ersoffene Sau eine Seelenmesse liest;6) deshalb samt seinen Bauern in den Bann getan, beweist er dem Bischof, daß es eine ganz besondere Sau gewesen, denn sie habe ihm, dem Bischof, dem Offizial und Fiskal zusammen 100 Gulden geschafft, welche Summe er, der Pfarrer, überbringe. Damit löst er sich und die Bauern aus dem Bann. Auch in der Comedi: »Die Stulticia mit irem hofgesind«7) werden Mönch und Kurtisan stark mitgenommen. ’) Vgl. oben S. 74. 2) Vgl. Bezold S. 635. 8) Vgl. »Das zerstreut reich« M. G. 4, Bl. 25 v—26v. 4) M. G. 3, Bl. 299 V — 303 r. ö) Vgl. »Der babst mit dem kind« M. G. 4, Bl. 63—64. 8) »Der pfarer mit der sau«. Vgl. E. Goetze und C. Drescher, Sämt­ liche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, 3. Band, Halle 1900, Nr. 29. 7) Bd. 7, S. 17 — 40. Das Datum ist 1532 Februar 1, nicht 1552, wie im Bd. 7 angegeben. Vgl. C. Drescher, Nürnberger Festschrift, S. 228 u. 230.

41 Mit dem Religionsfrieden von Nürnberg vom Juli 1532 *) tritt die Reformation in eine Periode ruhigerer Entwicklung ein. Dieses spiegelt sich auch in den Werken des Hans Sachs. Er polemisiert weniger und fängt jetzt eigentlich erst recht an, Schwänke zu schreiben. Selbstverständlich behandelt er nach wie vor Bibeltexte im Sinne Luthers, oft direkt nach Luther; auch des Reformators Lehre, besonders die vom Glauben wird immer wieder hervorgehoben. Als Beispiel mag etwa das in der Welt­ literatur so verbreitete Thema: »Ein kampfgesprech zwischen dem tod und dem natürlichen leben«*2) dienen. In der Hans Sachsschen Fassung tröstet der Tod das Leben zum Schluß mit dem Hinweis auf Christus, der ihm zum Mittler bei Gott gegeben sei, ihm die Taufe als Wahrzeichen gelassen habe, das Leben solle Buße tun, so werde ihm Gott um seines Sohnes willen alle Sünden verzeihen, seinen Glauben aber solle es stärken durch das Sakrament von Christi Fleisch und Blut. Die Kraft des Glaubens hebt Hans Sachs dann noch besonders hervor in dem Spruchgedicht vom Juni 1535: »Die sieben fürtrefflichen geistlichen gaben, so auß einem waren glauben ihren Ursprung haben« :3) Der glaub ist das gantz fundament, Anfang, mittel und auch das end, Ein Ursprung andrer gaben allen, On den got niemand mag gefallen. Wer aber gott sich ist ergeben Und ist seines gelaubens leben, Der wird durch den geist neu geboren Und ist ein gottes kind erkoren. Den menschen all porten der hellen Ab diesem fels nit möchten feilen, Von Christo, der in hat erkaufft, In welches tod er ist getaufft, Den er vor aller weit bekent In gemeinschafft der sacrament, Versichert durch des geistes pfand, Macht uns erben zum vatterland. J) Vgl. Bezold S. 645. 2) Bd. i, S. 442 — 449.

8) Bd. 1, S. 353-35C

42 Dann führt Hans Sachs aus, wie die Liebe und die Hoffnung aus dem Glauben fließe. »Fürsichtigkeit« wache auf Gottes Wort, weil Satan als grimmiger Löwe umgehe und durch Ver­ führung und falsche Lehre den Menschen Stricke lege u. s. w. Der Witz wie die Klagen des Hans Sachs richten sich in den nächsten noch immer ruhigen Jahren mehr und mehr gegen die Moral und Sünden der Zeit. Die Sekten bekommen allerdings zuweilen ihr Teil, auch hört er nicht auf, sich über die Pfaffen lustig zu machen, doch ist die Grundtendenz seiner Schriften aus diesen Jahren eine moralische. Er klagt, daß das Predigen des heiligen Wortes keine gute Frucht mehr trage, da die Zuhörer voll von Spitzfindigkeiten, Spott und Irrtum seien,1) er ermahnt die Obrigkeit, die Übertreter von Gottes Wort scharf zu bestrafen.2) In der »Comedia oder Kampfgesprech zwischen Juppiter und Juno, ob weiber oder mender zun regimentn tüglicher sein,«3) läßt er Merkur sich darüber wundern, daß Jupiter nicht mit seinen Donnerkeilen dreinschlage bei all der in geistlichem und weltlichem Regiment herrschenden Ungerech­ tigkeit; und dergleichen mehr. Angriffe auf Pfaffen und Geist­ lichkeit überhaupt sind in diesen Jahren, etwa 1533 —1536, recht selten, aber klagend führt er sie mehrmals ein; so klagt der Pfaff im Fastnachtspiel: »Die sechs klagenden«4) Herr wist! ich bin ein arm kaplan, Mein herr nembt drei theil in absent, Der vierteil bleibt mir in der hendt. Darmit sol ich mein pfarr verwesen Mit singen, predigen und lesen; Und ist vorhin ein arme pfarr, Da muß ich sein der pauren narr, Die mir gar nicht mehr opffern wollen, Kein seelmeß sie auch mehr bestellen. So ist das beichtgelt gar verdorben Und ist der bann vor lengst gestorben, Damit ich pauren bracht zum paren. *) 2) brecher«. 8) 4)

Vgl. »Paulus zu Athen«. M. G. 4, Bl. 152V—I54r. Vgl. »Das gülden kalb«. M. G. 4, Bl. 122 r—123 r oder »Der sabat Bd. 1, S. 192—194. Bd. 4, S. 3-30. Bd. 9, S. 3—11.

43 Dann klagt er über Visitator und Offizial, die im jetzt das Leben schwer machen. Vor Jahren habe er es besser ge­ habt, da habe es Kirchweih, Wallfahrt und Ablaß gegeben, da habe er gut gegessen und getrunken. Itz iß ich brei, muß wasser sauffen, Das macht der Lutter und sein hauffen. Ich wollt, er het sant Urbans plag. Der Bauer antwortet dem Pfaffen, er solle sich nicht auf die faule Haut legen, sondern arbeiten. Ähnlich klagt auch der Mönch in dem Schwank: »Die neun elenden wandrer«,1) man sage ihm überall, er solle arbeiten statt betteln. Während des Osianderschen Streites um die Ohrenbeichte, so wichtig in der Geschichte der Nürnberger Reformation,2) verhält sich Hans Sachs sehr ruhig. Trotzdem ist er, wie wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen können, ein entschiedener Gegner der Ohrenbeichte, denn er polemesiert einige Jahre vorher in dem Meisterlied: »Die zehen auseczigen« 3)*vom 1. Juni 1531 scharf gegen sie. In einer Behandlung des betreffenden Textes Lukas 17 hebt er nämlich die Stelle hervor: »Gehet hin und zeiget euch den Priestern« und erklärt sie wie folgt: Aus dem haben gar leicht Die papisten pestet die müntlich orenpeicht Aus dem einigen wort: Get hin, erzeigt den priestern euch! Welches doch Cristus an dem ort Reth von dem gesecz des ausacz. Wo das stet clerlich Leuitici Am virzenden, wi Der priester sol reinigen di Auseczigen mit dem opfer auch. Dis ist die meinung Christi hi Und nicht, das er sie peichten 1er; Dar von nichts schriftlich haben wir. *) Vgl. Goetze und Drescher a. a. O., Fabeln und Schwänke, Bd. 3, Nr. 65. 2) Vgl. W. Möller, Andreas Osiander, Elberfeld 1870, S. 173 ff. Köstlin, Martin Luther, a. a. O. S. 280 ff. Georg Ellinger, Philipp Melanchthon, a. a. O. S. 371 ff. 8) M. G. 3, Bl. 306' —3071-.

44 3. Die oren peicht erfunden ist Allein aus menschen wan, Von gelcz wegen und ander list; Darob sie halten mit dem pan. Wer sie gewest noturfticlich, Sie wer mit heller schritt gegruent. u. s. w. Weshalb Hans Sachs, der doch fast bei allem, was den Glauben angeht, wenigstens in Meisterliedern Partei ergreift, sich jetzt während des Osiandrischen Handels ruhig verhält, liegt sehr nahe. Er stand in näherer Beziehung zu Osiander, wie schon aus ihrer gemeinsamen Ausgabe der »Wunderlich Weissagung von dem papstum« !) hervorgeht; er hielt viel von Osiander, wenigstens nach dem Zeugnis Niklas Prauns,2) deshalb mochte er, andrer Meinung wie der Prediger in diesem Falle, sich nicht gegen ihn aussprechen wollen. Das große Ereignis dieser Jahre, auch für die Reformation recht bedeutend, ist die Rückführung Ulrichs von Württemberg durch Philipp von Hessen. Für große politische Fragen hat nun aber Hans Sachs ebensowenig Verständnis wie Luther und Melanchthon.3) Die Rückführung Ulrichs und Eroberung Württem­ bergs, möglich gemacht nur durch die Unterstützung, die Hessen von Frankreich und einer Reihe auch katholischer Reichsfürsten erhielt, kann Hans Sachs nur als krasse Friedensstörung auf­ fassen. So läßt er denn in dem Spruchgedicht: »Des verjagten frids klagred über alle stendt der weit«,4) welches am 7. Mai 1534, also während der Württemberger Ereignisse geschrieben, sich doch wahrscheinlich auf diese bezieht, Frau Pax klagen, daß sie überall vertrieben werde. Sie klagt über alle Stände, besonders aber gegen die Mächtigen im Reiche: *) Vgl. oben S. 26 und 27. *) Niklas Praun, ein Freund Hans Sachsens, führt in seinem Dialog: »Der podagrische träum« den Dichter selbst als Xasius ein und läßt ihn recht lobend von einem Prediger sprechen, mit dem nur Osiander gemeint sein kann. Vgl. Victor Michels in Nürnberger Festschrift a. a. O. S. 10. 8) Luther und Melanchthon hatten auch hier sowohl ihrem Kurfürsten abgeraten, sich an dem geplanten Feldzug zu beteiligen, als auch recht heftig den Landgrafen abgemahnt. Vgl. Bezold S. 656. *) Bd. 3, S. 325-332.

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Ich hab ersucht von ferren Kaiser, könig, hertzog und fürsten, Der viel lassen nach blut sich dürsten Und füren groß verderblich krieg In wandelbarem glück und sieg On not, auß ubermut allein. Groß tyrannei war in gemein, Der halb ich raumen must ir landt. Nachdem sie über alle andern Stände geklagt, auch darüber, daß die Leute frohlocken über jede neue Märe" von Krieg und Kriegsgeschrei, fährt sie fort, daß Christus doch den Frieden verkündet habe und ihn dem Volke als Segen wünschte. Durch fried sein alle reich auff kummen, Großmechtig worden, zugenummen, Noch hat mich die falsch weit vertriebn Und thun den kriege für mich liebn, Der doch ist ein erschröcklich plag Gottes nach aller schriffte sag. So gott sünd straffen will auff erd, Droet er und schickt ihr das schwerdt, Noch ist die weit so doll und plind, Eigens verderben nit empfind, Ficht mit dem schwerdt und mit verdirbt; In ihrem würgen sie erstirbt. Dann zählt Frau Pax viele Reiche und Städte auf, die der Krieg zerstört habe, sie fürchte des noch dem römischen reich Geschehen wer auch deßgleich............. Sie will fort von der Erde, der Dichter bittet sie, wieder­ zukommen, sie aber weigert sich: Wann ich gleich kumb auf erd Und machet fried und ainigkeit, Heit man doch den ein kleine zeit. Verschreibung, bündniß, aidspflicht Die weit so unverschemet pricht, Das es mich thut im herzen trauren.

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Sie will den jüngsten Tag erwarten, der wohl nahe bevor­ stehe, weil man so viel Kriegsgeschrei höre. Nachdem die Württemberger Angelegenheit erledigt war, wurde es wiederum verhältnismäßig ruhig im Reiche. Den Protestanten drohte zunächst keine Gefahr; ihre inneren Religions­ streitigkeiten waren wenigstens, soweit sie Sachsen, Hessen und die oberdeutschen Städte betrafen, beigelegt,1) es war für den Protestantismus die Zeit des ruhigen Ausbaus. Bei Hans Sachs spiegelt sich dieses wiederum in einer Reihe stark moralisierender Schriften; seine Polemik wird zur Satire. Es entstehen eine ganze Anzahl von Pfaffenschwänken, als z. B. : »Der schmit im pachdrog«,2) »Der apt im wiltpad«,3) »Des Eulenspiegels oster­ spiel zu Pudenstete« 4) und andere mehr. Auch die Juristen und Wucherer bekommen ihr Teil.5) In dem Spruchgedicht: »Ein gesprech mit einem waldtbruder, wie frau Treu gestorben sei«6) klagt er über Treulosigkeit aller Stände. In einem anderen Stück: »Die undtertruckt frau Warheit«,7) klagt diese selbst, wie sie in allen Ständen so übel behandelt worden sei, sie habe geglaubt, daß sie sich jetzt wieder in die Welt wagen könne, weil Jupiter die göttliche Wahrheit wieder aus­ geschickt habe. Hans Sachs schließt mit der Klage, daß alle Stände mit Lüge, Betrug und Gleißnerei erfüllt seien.8) Auch gegen die Laster von Fürsten und Adel wendet er sich in dem Spruchgedicht: »Der klagend ernholdt über fürsten und adel«.9) Die Obrigkeit hingegen ermahnt er, nicht zu tyrannisieren,10) jedoch die Laster streng zu bestrafen und falsche Lehre aus­ zurotten, letzteres in dem Meisterlied: »Die drei frumen künig Jude«.11) *) Vgl. Köstlin, Martin Luther, a. a. O. S. 329 ff. 2) Vgl. Goetze und Drescher, Fabeln und Schwänke, a. a. O. Bd. 3, Nr. 69. 3) Ebd. Nr. 70. 4) Ebd. Nr. 103. B) So in den Schwänken: »Der procurator«. Vgl. Fabeln und Schwänke, Nr. 78 und »Der wucchrer«. Vgl. ebd. Nr. 80. ®) Vgl. Bd. 3, S. 306—310. 7) Vgl. Bd. 3, S. 311-319. 8) Auch in dem Spruchgedicht: »Misosternon, der ernstlich philosophus« findet sich eine ganz ähnliche Klage. Vgl. Bd. 3, S. 109—in. 9) Vgl. Bd. 3, S. 565-572. 10) Vgl. »Der prinnent pusch Mose«. M. G. 5, Bl. 36—37. n) Vgl. M. G. 4, Bl. 220 r— 223 »*.

47 Wer wo der frist, Falsch ler, goczdinst In deinem lant, Straff suent und. schant. Nach gottes wort und gepot las dich duersten. Toleranz in Glaubenssachen kennt Hans Sachs in diesen Jahren nicht, erst viel später wird er auch in dieser Hinsicht milder, wie ich noch Gelegenheit haben werde zu zeigen. In den Reihen der lutherischen Theologen entstanden im Jahre 1538 neue Streitigkeiten; Cordatus und Schenk wandten sich gegen Melanchthons Glaubenssätze1). Kleinere Streitig­ keiten gab es die Menge, aber auch ein so bekannter Mann wie ein Agricola machte Luther viel zu schaffen2). Der Anti­ nomismus, dessen Hauptvertreter Agricola war, fand immer mehr Verbreitung. Luther trat verschiedentlich dagegen auf. Bei Hans Sachs häufen sich, sicherlich im Zusammenhang mit all diesen Zänkereien, die Klagen über die Schriftgelehrten. Er sieht in seinem einfachen Wesen in ihrem Disputieren, Schreiben und Klügeln die Quelle aller Verderbnis. So klagt er in dem Spruchgedicht: »Mediocritas, die gülden mittelmessigkeit«3), nachdem andere Stände vorgenommen worden sind, heftig über die Gelehrten; in Meisterliedern wiederholen sich die Klagen. Ein besonderes Spruchgedicht: »Die gemartert Theologia«4) faßt alle seine Klagen in kräftigster Weise zusammen. Dieses Spruchgedicht ist schon verschiedentlich gedeutet worden, als ob es allgemein gegen das Schulgezänk gerichtet sei5), doch ist es mir durch die Häufung solcher Angriffe in dieser Zeit wahrscheinlich, daß es von den oben an­ geführten Zänkereien, nicht zum wenigsten von Luthers Auftreten dagegen, angeregt worden und als Hans Sachsens Beitrag zu dieser Polemik aufzufassen ist. Er schildert, wie Frau Theologia von bücherbeladenen Geistlichen umschwärmt wird, die aus Läusen Kamele machen, Strohleitern zum Himmel bauen, den großen Haufen zum b 2) 3) 4) 5)

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Köstlin, Martin Luther, II, S. 444 ff. ebd. S. 453 ff. Bd. 3, S. 256-263. Bd. 1, S. 338 — 344. Schultheiß S. 35, Kawerau S. 86.

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»Schwärmen« verführen, so daß Frau Theologia arg mißhandelt wird. Hans Sachs glaubt, daß diese Gelehrten sich nur aus Eigennutz mit der Schrift befassen; erzwängen sie doch ihre Lehre aus der Schrift und machten dann ein Geschrei, als ob Gottes Wort nur bei ihnen sei; aller Irrtum und jede Ketzerei gehe von ihnen aus. Er ermahnt dann, in rechter Einfalt zu glauben, weil sonst Gefahr drohe: Viel hierten seind, wie das Verkündt Jeremias, Zu narrn und Schelmen worden, Durch falsch lehr die seel morden Gweltig mit großem trutz. Zu ihrem rühm und nutz Die schrifft mit ihren zenen Krüplen, reissen und denen. Auch nicht allein die gierten, Sünder auch die verkerten Laien die gschrifft auch nützen, Ihr laster mit zu schützen, Zu verdaiding und bschönen, Verspotten und verhönen Die gschrifft auch an viel örtern Mit merlein und Sprichwörtern So grob und unbescheiden, Als ob es weren heiden, Und muß an allem ort Das teuer gottes wort Nur ein schanddeckel sein. Nochmals faßt Hans Sachs all seine Klagen über die Ver­ kehrtheit und Sündhaftigkeit aller Stände zusammen, in dem Spruchgedicht: »Der herzverkerer« *). Der Herzverkehrer erzählt ihm, wie er es dazu gebracht, daß alles verkehrt gehe, Bischöfe Kriege führen, weltliche Fürsten geweiht werden, Gerichte falsches Urteil sprechen. Jetzt würden Landsknechte zu Terminierern, Mönche zu Landsknechten, Spanier täten, als ob sie Deutsche wären, und Deutsche wollten Spanier sein. Der Dichter fürchtet, daß Gottes Rache über Deutschland kommen werde. ») Vgl. Bd. 22, S. 92.

49 Auf die Menge der moralisierenden Schriften des Hans Sachs, die in diesen Jahren entstanden, will ich hier nur hinweisen, gegen Unzucht eifert er beständig1). Zu immer erneuten Klagen und Angriffen veranlassen ihn die Laster der großen Kaufleute, Geiz, Wucher und Fürkauf, die auch Luther ver­ schiedentlich heftig angriff2). Auch in seinen Fabeln moralisiert Hans Sachs gegen diese Laster, er deutet in diesem Sinne etwa die Fabel: »Die spin mit der muecken«3). Hier wird die Spinne von der Biene zur Rede gestellt, weil sie den Unschuldigen, die sie mit List gefangen, das Blut aussauge. In dem Meisterlied vom 7. November 1540: »Der geiczig Erminius«4) erzählt er von dem geizigen Kaufmann, der sich bessert, nachdem ein Gast ihm geraten, das Bild der Frau Milde an die Wand malen zu lassen. Man möge sich auch jetzt bessern wünscht Hans Sachs, dann Nem ein ent vil schinterei, Wucher, vürkauf und simonei, Aufsecz, practic gros nach der paus Und unzal vil peschwerden. Die vielen Angriffe auf Wucher und Fürkauf, insbesondere aber das scharf zugespitzte Spruchgedicht vom Juli 1541: »Die gefangen göttin Ceres«5) mögen sich wohl auf Nürnberger Vorgänge beziehen. In dem Spruchgedicht wird dargestellt, wie Pluto die Göttin des Getreides gefangen hält. Avaricia ist Türhüterin des Gefängnisses und unterstützt res propria die hilfreiche Charitas verscheuchen. Hat doch res propria schon so viel verschlungen, Spezerei, Flachs, Metall, Wolle, und wider­ steht sie doch sogar der Res publica. Auch Usura, ihre Gehilfin, fragt nicht nach Recht und Billigkeit, nur nach Geld, deshalb will auch sie Ceres durchaus nicht loslassen. Res publica und Charitas suchen mit Hilfe der Penuria nochmals zu vermitteln, sic versprechen alles zu zahlen, was recht und billig sei, doch *) Sogar die Geschichte von Hero und Leander wird von Hans Sachs in diesem Sinne gedeutet. Vgl. »Die unglückhaft liebhabent Ero mit Leandro« M. G. 5, Bl. 190V— 191 r# 2) Besonders in der 1524 erschienenen Schrift: »Von kaufshandlung und Wucher«. Vgl. Weimarer Ausgabe Bd. 15, S. 49 ff. Vgl. auch oben S. 25. 3) Vgl. Goetze und Drescher, Fabeln und Schwänke, Bd. 3, Nr. 116. 4) Vgl. M. G. 5, Bl. I29r— 130r. 6) Bd. 3, S. 320—324.

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50 es hilft nichts. Da man auch Merkur, dem Abgesandten Jovis, nicht gehorcht, zerschlägt dieser den Turm, in dem Ceres gefangen liegt, mit einem Donnerstrahl. Hans Sachs ist sich bewußt, daß bei der angesehenen Stellung derer, die in Nürnberg Kornwucher treiben, es für ihn gefährlich ist, davon zu sprechen: Ich fragt gelerte leut, Die sagten, ich solt schweigen, Den träum niemand anzeigen, Er wer nit gut zu sagen Biß erst nach dreien tagen. Also hab ich geschwigen Des traums mich seidt verzigen. Das mir kein unrath wachs, Wünscht von Nürnberg Hans Sachs. Demgemäß datiert Hans Sachs denn auch das Stück 1543, trotzdem es schon am 2. Juli 1541 entstanden ist1). Ähnlich greift Hans Sachs neben obigen Sünden der Kauf­ leute auch die Sünden anderer Stände an. In dem Spruchgedicht: »Von dem teuffei, dem die hell will zu eng werden«2) rät er dem Teufel, von Vergrößerungen der Hölle abzusehen, da es ja bei der Gottesfurcht und Tugend aller Stände keine Sünde mehr gebe. Nun schildert er jeden Stand als in allen Tugenden glänzend, und zwar hebt er alle Tugenden hervor, deren Gegen­ teil den verschiedenen Ständen notorischer Weise anhaftet: Erstlich schau an den geistling stand, Wie babst, Cardinal und bischoff Jetz so demütig halten hof, Als ob sie recht apostel weren. Hochmuts und prachts sie gar emberen. Sie füren weder krieg noch raiß, Von gold sameln ir keiner waiß. Bei in find man kein simonei, Kein irrthumb und kein ketzerei. Und wo sie einen ketzer finden, Mit heiliger schrifft in überwinden. *) Vgl. hierzu auch Goetzes Anmerkung Bd. 21, S. 379 2) Vgl. Bd. 3, S. 586-592.

51 Könige und Fürsten schildert er als zum Frieden geneigt, der Armen Trost, als ihrer Pflicht so obliegend, daß kein Straßen­ räuber mehr zu finden sei, als ob sie ihren Bundsgenossen wie den Reichsstädten ihre Eide unverbrüchlich hielten. Von den Städten sagt er dem Teufel, daß dort alles eitel Gerechtigkeit sei, weder Fürkauf noch Wucher dort herrsche. Der Teufel aber droht, den Dichter zu sich in die Hölle zu holen, wenn er ihm nicht bis zu einer bestimmten Zeit zehn solch frommer Menschen zeigen könne. In einem andern Spruchgedicht, das an Obiges anknüpft: »Das hellbad«1) schildert der Dichter, wie er geträumt, daß der Teufel mit ihm in die Hölle fahre, und nun malt er in anschau­ lichster Weise alle Qualen aus, welche die verschiedenen Stände ihrer Sünden wegen in der Hölle erleiden müssen.2)* Hans Sachs scheint seine helle Freude an der Ausmalung dieser Höllenqualen zu haben. Ein anderes Spruchgedicht aus dem Jahre 1540: »Das klagende evangelium,«8) gibt ihm Gelegenheit, die Gestalt des arg mißhandelten Evangeliums, das nun all seine Klagen vor­ bringt,4) in Person einzuführen. Auch gegen die Sekten schreibt Hans Sachs immer wieder, besonders in Meisterliedern.5)* In den Türkenkriegen dieser Jahre sieht er selbstverständlich eine Strafe Gottes. Hans Sachs scheint also trotz der verhältnismäßigen Ruhe, welche der neue Glaube in diesen Jahren genoß, recht besorgt, sowohl wegen der allgemeinen Moral seiner Glaubensgenossen, als auch der vielen Gelehrtenzänkereien wegen. Die Bibel ist ihm aber bei allen Geschehnissen ein Halt, er beherrscht sie, wie wir noch oft sehen werden, bis ins Kleinste und findet in ihr für jeden Vorfall ein Gegenstück. In inniger Glaubenstreue sucht er recht viel zu ihrer Kenntnis und dadurch zur Ver1) Vgl. Bd. 3, S. 593—605. 2) Vgl. hierzu A. L. Stiefel in der Nürnberger Festschrift a. a. O. S. 71 — 78. Die Anschaulichkeit und naive Kraßheit, womit die Höllenqualen geschildert werden, übertrifft fast noch Lukas Cranachs bekanntes Bild der Höllenqualen im Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin. 8) Vgl. Bd. 1, S. 345—352. 4) Vgl. Schultheiß S. 35 f. Kawerau S. 88. 5) Vgl. »Der mergot Protheus« M. G. 5, Bl. 86 r—87 r. »Die wachtein« M. G. 5, Bl. 118 r—120 r oder auch »Der Epitectus« M. G. 5, Bl. 135 r—136 r.

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52 breitung des Glaubens beizutragen. Dabei ist ihm Luther nach wie vor ein Beispiel, und dessen neue Schriften, mit denen er immer schnell bekannt wird, finden oftmals ein Echo in den Liedern des Dichters. Das große Ereignis des Jahres 1541 war für die Protestanten der Reichstag zu Regensburg. Dort wurde ja wieder einmal eine Einigung in Sachen der Religion*) versucht, die auch diesmal fast zu stände gekommen wäre. Wir wissen, daß man sich mehr wie je anstrengte, den Konflikt beizulegen, und man sich allgemein Hoffnung machte, daß es gelingen werde. Auch Hans Sachs hoffte es. So schließt er denn auch sein Spruch­ gedicht: »Kayserliche mayestat Caroli des V. einreiten zu Nürnberg«*2) mit der Hoffnung, daß durch den Kaiser, von dem er sich jetzt alles Gute versieht, zu Regnspurg auff dem reichstag Werd abgelaint der groß zwispon Zwischn geistlicher religion.3) Dieses Zutrauen des Dichters hält nicht lange an. Schon Anfang Mai, also gleich nachdem (trotz der fast erzielten Einigung) die Umtriebe der strafferen Anhänger Roms begannen, und die Haltung Roms selbst mehr und mehr zu Tage trat,4) schreibt Hans Sachs eines seiner schärfsten polemisierenden Gedichte gegen den Papst und seine Kirche: »Des pabstes ackerpau«5.) In der bei ihm beliebten Form des Traumes beschreibt er einen großen Ackerbau. Gelehrte laden einen Mistwagen mit Büchern ab und streuen sie aus. Mönche ziehen einen Pflug, mit Paternoster, Rosenkränzen und Fastenspeise behängt, über das Feld, ihnen folgt ein Kurtisan, der Ablaßbriefe säet. Eine Egge, mit dem Fegefeuer geziert, wird von Pfaffen drüber hingezogen; überall schießen Beutel aus der Erde. Der Papst, der um das Feld getragen wird, flucht und macht dem Acker angst, wenn er eine Stelle findet, wo die Frucht nicht geraten. *) Ygl. Bezold a. a. O. S. 732 ff. Vgl. L. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Berlin 1843, Bd. 4, S. 204 ff. 2) Bd. 2, S. 381-394. 8) Ebd. S. 394. 4) Vgl. Georg Ellinger, Philipp Melanchthon, Berlin 1902, S. 397. 6) Bd. 22, S. 246—250.

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Bald kommen allerlei Pfaffen, schneiden die Frucht, dreschen die Beutel, daß viel Geld herauskommt. Das ausgedroschene Geld wird nun verteilt, Kardinale und Bischöfe bekommen Dukaten und Taler, Äbte und Domherren kleinere Münze, den Bettelmönchen und Dorfpfaffen aber, welche die Arbeit getan, verbleiben nur die Hülsen. Nachdem jeder sein Teil empfangen, schmausen alle recht fröhlich. Da kommt ein Held, so stark wie Herkules, zerbricht ihr Ackergerät und sät selbst einen guten Samen; der Haufe der Geistlichen setzt ihm wütend nach, doch lacht er ihrer. Nun folgt die Erklärung, die an Schärfe nichts zu wünschen übrig läßt, und wenn man der gleichzeitigen Regensburger Verhandlungen gedenkt, noch eindringlicher wirkt: Das ist des pabstes ackerpau: Erstlich die Sophisten eindrungen,

Die muesten diesen acker düngen Mit menschenler, welche den ist Vor got stinckent wie kot und mist; Darmit sie alle weit peretten, Vür gottes wort es ruemen detten Mit suptiligen Worten clueg. Nach dem herzogen in dem pflueg Die münch mit irer gleisnerei, Werckheilgen pockstenzlerei, Mancherlei supersticion, Machten ein schein dem gmainen mon, Als ob das wer der recht gotzdinst. Da stift man klöster, rent und zinst, Nach dem kam erst der fruchtpar sam, Ich main des pabst aplas von Rom, Der trueg vil geltz an mas und zal In deutschem lant mit ueberschwal. Nach diesem het er auch dargegen Das fegfeuer, ein guete egen, Von dem wuechsen jartag und pfruent, Seimes, jarteg darauf gegruent. Der babst war gar der irdisch got, Er macht vil geltstrick und gepot;

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Als, was er wolt, das macht er süent, Umb gelt er es wider abküent. In summa kurz: in aller weit War all sein ding gericht auf gelt, Sampt allen seinen meßknechten, Detten nur nach dem peutel fechten, Ganz selig nenntens, der in gab; Wer das nit det, der war schabab. Wer zu weit reden wolt darfon, Der war den in dem schweren pon. Land und leut theten sie peschwern, Sie hetten gar ein guete ern. Der Dichter erzählt dann, wie sie alle von dem Erlös in Prassen und Müßiggang die Zeit verbrachten. Dasselbig hat gewert so lang, Das sie drei zipfel habn eingnumen. Wer doctor Martinus nit kummen, Den virden hettens erlangt, also Legn sie im pet und wir im stro. Seit doctor Martinus hat geschrieben, Hat er sie von dem acker drieben, Zerbrochen in ir pflueg und egen Und predigt das wort gotz dargegen. Darin hat unser gewissen ru, Des strick wir itz die peutel zu; Deshalb der babst mit seinem häufen Duet also zuernen, wuetten und schnauften. Het aber Martin Lueter giert, Das sich ir ernet het gemert Und hetten mer peutel und deschen Gehapt zu schneiden und zu dreschen, So wer kein gelertrer man erstanden In teutschen, noch in welschen landen. Zum Schlüsse wünscht Hans Sachs, daß Gott alle Menschen­ lehre samt den Geldnetzen ausrotten möge, damit sein reines Wort wieder gedeihe. Es ist Hans Sachs klar, daß den Päpst­ lichen in Regensburg nichts am Wort Gottes, sondern nur an

55 ihrem Nutzen gelegen ist * und Martin Luther und die neue Lehre ihnen nur deshalb so verhaßt sind, weil durch sie ihr Nutzen geschmälert wird. Einen Monat später, im Juni 1541, also um die Zeit, da sich die Verhandlungen zerschlagen hatten und Rom gar die ausgeglichenen Fragen abgelehnt hatte,1) schildert Hans Sachs in dem Spruchgedicht: »Disputacion zu Regenspurg im 1541. jar«2)3 den * Verlauf der Verhandlungen. Er erzählt, wie er nachgesonnen, warum die zwei Parteien, die mit des Kaisers Willen zu Regensburg versuchten, den Zwiespalt beizulegen, nicht zu einer Einigung kommen könnten. Er glaubt, wenn man nur nach der Ehre Gottes und dem Heile der Seelen strebe und so Gottes Wort als einzigen Mittler gelten lasse, würde man sich bald einigen. Er schläft ein und träumt, daß ihn ein Genius vor Jovis Gerichtssaal bringe. Jupiter sitzt zu Gericht, zu seiner Rechten steht Frau Veritas gefangen und übel zu­ gerichtet, Hipocrisis, schön mit Pfauenfedern geschmückt, doch von einem Skorpionenschwanz verunziert, wird von Nequicia in ihrer Klage gegen die Wahrheit unterstützt. Minerva aber als Vertreterin der Wahrheit antwortet ihnen so gut, daß Hipocrisis eine Kette von der Wahrheit lösen muß,8) Bachus, Venus und Pluto aber sagen der Wahrheit ihren Schutz auf. Nun verhandelt Nequicia weiter, verdeckt und verblümt alles, jedoch ist die Unschuld der Frau Wahrheit so klar, daß auch Jupiter zur Geduld bewegt wird. Bald aber gelingt es Adulacio und Nequicia, ihn so zu verblenden, daß er die Wahrheit nicht mehr kennt, er, der gerne gesehen, daß sich die zwei Parteien vereinigt hätten, wird verwirrt und holt sich Rat bei Saturn und Neptun. Schließlich tritt Mars gerüstet ein und zerrüttet die Versammlung. Frau Wahrheit bleibt gefangen und weint, ob auch Patiencia und Justicia sie trösten; hatte sie doch ge­ glaubt, daß ihr Gefängnis sich nun öffnen würde. Der Dichter erwacht und wundert sich nun nicht mehr, daß zu Regensburg nichts ausgerichtet wurde. *) Vgl. Köstlin, Martin Luther, II, S. 535 f. Bezold S. 734. 2) Bd. 22, S. 253 — 257. 3) Offenbar eine Anspielung auf die den Protestanten bei den Verhand­ lungen gemachten Zugeständnisse.

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Weil der ain dail allein Sich suechet und das sein, Reichtum, gewalt und er, Woluest und anders mer, Derhalb er das liecht scheucht Und in die finster kreucht Durch mancherlei auszüeg, Pratic, argliest und lüeg, Wie er sein doch mueg schmüecken, Verdaiding und durchdrüecken Und die obrikait plent, Pis got selb an dem ent Durch sein himlische clarheit Sein wort, die heillig warheit, Wunderpar wirt erledigen, Öffentlich lassen predigen Durch die ganz cristenheit. Er wünscht dann zum Schluß, daß durch Einigkeit die heilige Wahrheit wiederum gedeihen möge. Diese allegorische Behandlung wird verständlich, wenn man der einzelnen Vorgänge zu Regensburg gedenkt. Hans Sachs ist natürlich davon überzeugt, daß Jupiter, also Karl V., das Beste will und eine ehrliche Einigung anstrebe. Die Kette, welche Hipocrisis von der Wahrheit lösen muß, soll wohl auf die Zugeständ­ nisse deuten, die man den Protestanten machte; die Umtriebe während der Disputation werden durch die Gestalten der Nequicia, Adulacio und des Pluto verkörpert. Saturn und Neptun, die Jovi Rat geben müssen, sind selbstverständlich als der Papst und König Ferdinand aufzufassen. Mars soll wohl auf die von Frankreich und den Türken drohende Kriegsgefahr deuten. Das Stück ist als Zeugnis der Stellung des Dichters zu den Regensburger Verhandlungen sehr wichtig. Es zeigt, daß auch Hans Sachs, genau wie viele der protestantischen Theologen, zu Vergleichen geneigt war und ebenso wie Melanchthon sich weismachte, daß Gutes von Karl V. zu erwarten sei. Natürlich hat er kein Verständnis für politische Erwägungen; die Bibel ist ihm einziger Maßstab. Das Scheitern der Verhandlungen beklagt er sehr, es ist ihm aber unter den geschilderten Umständen begreiflich.

57 Wiederum schreibt Hans Sachs in der Folge eine Reihe von Pfaffenschwänken1) und wiederum zieht er in dem Spruch­ gedicht: »Der klagent waltbruder über alle stend auff erden«2) über die Laster aller Stände her. Diesmal ist es ein Wald­ bruder, der, nachdem er etliche neue theologische Büchlein gelesen, glaubt, daß nun die Welt sich gebessert habe, und der deshalb unter die Menschen zurückkehrt; er findet aber durchaus nicht, was er gehofft, sondern vielmehr, daß alles in Sünden und Lastern befangen ist. Er klagt nun über die Sündhaftigkeit aller Stände.3) Am 1. Januar 1542 vollendet Hans Sachs das Kampf­ gespräch: »Der todt, ein end aller irdischen ding«4). Es ist dieses nichts anderes als eine Behandlung der bekannten Moralität vom Homulus oder Hekastus5). Diese in der Folge in Deutschland noch oft behandelte Moralität bekommt bei Hans Sachs, und auch hier wirkt er vorbildlich, eine entschieden lutherische Färbung. Während in den früheren Behandlungen gewöhnlich die guten Werke dem Sünder Hilfe bringen, ist es bei unserem Dichter der Glaube, der, durch Reue und Buße geweckt, tröstet, 1) Vgl. »Der münich mit dem testament«. Goetze und Drescher, Fabeln und Schwänke, a. a. O. Bd.3, Nr. 131. »Der münich mit dem kapaun« ebd. Nr. 132. *) Bd. 3, S 573—578*) Vgl. Schultheiß a. a. O, S. 36 ff. 4) Bd. 1, S. 460—477. 6) Goedeke in seinem Werk: Every man, Homulus und Hekastus, Hannover 1865, hat diese erste Behandlung des Stoffes durch Hans Sachs übersehen. Aus welcher Quelle Hans Sachs hier geschöpft hat, kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Jedenfalls kommen nur zwei in Betracht, des Macropedius Hekastus, auf welchem Werke ja Hans Sachsens Bearbeitung des Stoffes vom Jahre 1549 beruht (vgl. Goedeke S. 74), oder Jaspar von Genneps auf Umwegen deutsch bearbeite Moralität »Homulus« nach dem englischen »Every man«. Es bedürfte einer eingehenden Vergleichung des Gennepschen Stückes, das mir leider nicht zugänglich war, mit obigem Hans Sachsschen Kampfgespräch. In dem lateinischen Stück des Macropedius sind es auch Glaube und Reue, die dem Sünder in der Not beistehen (Macropedius kam ja dadurch in den Verdacht Lutherscher Sympathien. Vgl. Goedeke S. 56). Bei Hans Sachs ist aber die helfende Kraft des Glaubens, der wiederum die Liebe erweckt, direkt im Lutherschen Sinne vorgebracht. Trotz der lateinischen Sprache könnte Hans Sachs das Werk des Macropedius sehr wohl benutzt haben, da seine Kenntnis des Lateinischen, wie die Bearbeitung von Reuchlins »Henno« und das hie und da in den Meisterliedern angewandte fehlerlose Latein beweist, größer ist, als gewöhnlich angenommen wird; andrerseits wäre ich, auf Goedekes Inhaltsangabe des Gennepschen Stückes fußend, geneigt, anzunehmen, daß obiges Werk des Hans Sachs eine Erweiterung und Ausführung etlicher Szenen Genneps ist.

58 wo alles andere versagt. Ganz im Sinne Luthers erscheint dann erst die Liebe, durch den Glauben hervorgerufen. Das Jahr 1542 brachte viel Bewegung in das politische Leben Deutschlands, überall wurde gegen die Türken, die wieder einmal in Ungarn eingefallen waren, gerüstet. Frank­ reich machte die burgundisch-habsburgischen Erblande unsicher *). Im Innern des Reiches überfielen Hessen und Sachsen den berüchtigten Herzog Heinrich von Braunschweig, der sich ver­ schiedentlich Gewalttätigkeiten gegen die evangelischen Städte Braunschweig und Goslar erlaubt hatte, nahmen sein Land ein und vertrieben ihn12). Diese Ereignisse finden ein Echo in den Schriften des Hans Sachs; zum Vorgehen gegen den Türken ermahnt er immer wieder3). Er sieht natürlich nicht ein, daß diese Türkeneinfälle den Kaiser verhindern, an eine gewaltsame Unterdrückung der Protestanten zu gehen. Dem Braunschweiger mag vielleicht das Meisterlied: »Der künig Ella und Simri«4) gelten, das im Dezember 1542 geschrieben wurde, etliche Monate nach Heinrichs Vertreibung. Es enthält, nachdem der Bibeltext Könige 3,16 behandelt worden, folgende Schlußmoral: Wer hie verachtet Gottes wort und verfolget gar Und falscher 1er nachtrachtet, Ob dem schwebt gottes grimer fluech Und degliches ungelüeck. Zum andren pur: Wer macht aufrur, Sein herschaft duet vertruecken, Mit schwert und gift Vil mortes stift, Das nach den pueben duecken Er auch verleust leib, guet und er Durch sein treulos gemuet. Die inneren Unruhen und Parteikonspirationen einerseits, anderseits die Fortschritte des Protestantismus, wie etwa im 1) Vgl. Bezold S. 738 ff. 2) Vgl. Bezold S. 740 ff. 3) »Ein thyrannische that deß Türcken«. 4) M. G. 5, Bl. 273 V—274V.

Bd. 2, S. 431 — 433.

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Erzbistum Köln, im Bistum Münster, in Jülich-Cleve *), müssen Hans Sachs immer wieder anregen zum erneuten Polemisieren und zur Hervorhebung der Glaubensartikel. So behandelt er Glaube und Taufe wiederum in den Meisterliedern: »Die erscheinung und himelfart Christi«12) und »Das fues waschen«3). In dem Spruchgedicht: »Ein Warnung Hennsl narren den weltlichen stant vor dem geistlichen stant« 4) läßt er den Narren dem welt­ lichen Stand die Übel des geistlichen recht eindringlich vor­ führen, um zu zeigen, was man tun müsse: Ir herren, schaut auf, es ist zeit, Weil ir geschent worden seit; Der geschmirte hauff ist hei und glat, Der euch lang zeit geeffet hat, Doch als in eim geistlichen schein, Als müest ir im gehorsam sein Und alles glauben, was sie leren, Darmit detten ir schetz sie meren, Weil ir pabst, pischoff, mümch und pfaffen So ueberfluessig thet verschaffen Zu jardeg, pfründen und gotzdienst, Zu pistum, closter, rent und zinst, Dardurch künckreich, stet, leut und lant Ist kumen in der gaistling hant, Die daraus darnach nimer kamen. Daher leiden die alten Geschlechter Mangel, denn was die Kirche einmal genommen, ist nicht wieder zu erlangen; schreckt sie doch mit ihrem Bann selbst Könige und Fürsten. Derhalb wacht auf und last euch duersten Nach rainer leer hailliger schrift! Fliecht menschenleer als herbes gift, So wert ir rechte cristen frum, Pleibt pei lant, leuten und reichtum, Entget iren stricken und garnen. Ich, Hennsl, narr, thu euch treulich warnen. 1) Ygl. Bezold S. 743. 2) M. G. 5, Bl. 238V— 240*. 8) M. G. 5, Bl. 243 V—244r. 4) Bd. 22, S. 274-275.

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Dieses wie auch das folgende Spruchgedicht: »Vermanung des pabstes zu seinen thempelknechten«1) erschien als Flugblatt. In letzterem ermahnt der Papst seine Diener, ihre Schafe im Pferch zu halten, daß keines von der evangelischen Lehre vergiftet würde; so lange man sie im Pferch habe, würden sie sich gerne melken und schinden lassen. Er, der Papst, sitze ja höher als Kaiser, Könige und Fürsten, die schweigen müßten, obgleich sie ihm ins Spiel sähen. Wollte einer wagen, sich zu widersetzen, Den det ich in den schweren pan; Wolt er mit gwalt sich widersetzen, So thu ich ander an in hetzen, Die in uberzihent pekriegen, Den mues er sich ducken und schmiegen, Kreucht wider in schaffstal guetwillich, Geit dopelt wollen, kes und millich. Dann fährt der Papst fort, Luther habe ihm viel Abbruch getan, trotzdem er alles gegen ihn aufgeboten habe. Dann mit offenbarer Anspielung auf die den Protestanten vom Kaiser, der eben gegen Jülich-Cleve rüstete, drohende Gefahr, läßt Hans Sachs den Papst hoffen: Es wern etlich mein gelieder Mit der eiseren ruetten wider Das Deutschlant dreiben noch zu mal In unsren römischen schaffstal; Und wird uns dieser düeck geratten, Erst wolt wir metzgen, siedn und pratten, Den doppelt melcken, schinden und schern Und alles laids ergetzet wern, Wiewol der prophet Ezechiel Sagt: We euch, hirtten Israel, Die ir euch habt gewaident als, Das faist fräst ir in euren hals, Mit wollen klaidt ir euch aufs pest. Ir stächet ab das wolgemest. Auf ir waidnen ir gar nicht mercket, Das schwache habt ir nit gestercket. *) Bd. 22, S. 276—278.

61 Auch habt ir nit gsucht das verlorn; Ir habt geherscht in gwalt und zorn. Des ist mein hert ellent zerstreut. Das ret er auf uns gaistlich leut; Solch daidung thunt gar nit anfechten Mit sampt all meinen thempelknechten. Wenn sein Reich nur hier bestehe, sei er zufrieden, wisse man doch nicht, wie es in jenem Leben ergehe. Bedenkt man die politisch religiöse Lage eben dieser Zeit, Mai 1543, den Sieg der Clevischen bei Sittard1), des Kaisers eigene Vorbereitungen zum erneuten Clevischen Feldzug2), die Konspirationen gegen die beabsichtigte Evangelisierung Kölns, die immer wiederholten Machinationen innerhalb der Kurie, den Kaiser, der, eben verbündet mit England, gegen Frankreich, die Türken und Cleve zu rüsten hatte, zur Unterdrückung der Protestanten zu bewegen, so wird der Sinn des ganzen Stückes erst recht klar. Es ist eines der schärfsten polemischen Werke unsres Dichters. Ganz ähnlich greift Hans Sachs in dem am folgenden Tage, am 3. Mai 1543, geschriebenen Spruchgedicht: »Das sieben häuptig pabstier appocalipsis«3) das Papsttum an. Das Gedicht erschien gleichfalls als Flugblatt, wahrscheinlich mit einem Holzschnitt, das Papsttier darstellend, worauf der Anfang schließen läßt: Schaut an das sieben hauptig thier Ganz eben der gstalt und munir, Wie Johannes gesehen hat Ein thier an des meeres gestat, Das het sieben ungleicher haupt, Was enlich dem pabstum (gelaubt!). Die sieben Häupter, alle gekrönt, werden nun mit den Platten der Geistlichen verglichen, und die einzelnen Qualitäten des Tieres auf den geistlichen Stand gedeutet. Das Tier, einem Panther ähnlich, gleiche dem mörderischen Reiche des Papstes, richte doch der Papst alles hin, was ihm entgegen *) Vgl. Bezold S. 739. 2) Vgl. Bezold S. 7458) Vgl. Bd. 22, S. 279—280.

62 trete. Das breite Maul des Tieres deute auf die Unersättlich­ keit des Papsttums, das ja ganze Königreiche verschlungen habe. Das Tier sei aber tötlich verwundet: Deut, das doctor Martin hat geschrieben, Das pabstum dötlich wund gehieben Mit dem otten des herren mund. Got geb, das es gar ge zu grund Und ewig nimer mer aufwachs. So deutlich wie in diesen Spruchgedichten würde Hans Sachs für gewöhnlich wohl kaum zu reden gewagt haben, weil er dann zum mindesten einen Verweis vom Rate zu erwarten gehabt hätte. Der Sieg der Clevischen, den ich schon oben erwähnte, mag manches erlaubt haben, was in gewöhnlichen Zeitläuften gefährlich hätte werden können. Ende Juli zog der Kaiser stattlich gerüstet nordwärts gegen den Herzog von Cleve, überall Zuzug heischend. Hans Sachs wird sich nun mehr und mehr der Gefahr bewußt, die den Protestanten von seiten des Kaisers droht, immer mehr wird ihm der Kaiser zum Tyrannen. Hinweise darauf mehren sich, er spricht von den Lasten des Königtums, führt in dem Meisterlied: »Des künigs recht«1) die Prophezeiung Samuels (Könige 1,8) an und erzählt dann, wie sich die Prophezeiung erfüllte: Darnach erlaid das volck gros tiranei Von irem aigen künigtum, Frondienst, knechtschaft, aufsecz und schinterei, Weil got nit mer ir kunig war. Daraus man clerlichen abnemen mag, Das in got aus grimiger rach Ein kunig gab zu grimer rach und plag. Ich erwähne hier nochmals, daß die Wahl eines zu behandeln­ den Bibeltextes bei Hans Sachs je nach den Zeitumständen berechnet ist, abgesehen von den Feiertagstexten, welche sich zumeist im Rahmen der Perikopen halten. Bei freudigen Ereignissen behandelt der Dichter gern Jubelpsalmen, bei der späteren Belagerung Nürnbergs durch Albrecht Alcibiades von *) Vgl. Handschrift der Nürnberger Stadtbibliothek Will VIII, 235. Bl. 19^ — 20 r.

63 Brandenburg wählt er die Klagen des Jeremias. Ende. August 1543, also zur Zeit, da Karl V. Jülich-Cleve gewaltsam nahm und somit auch der dort begonnenen Evangelisierung ein Ende machte,1) behandelt Hans Sachs mit Hinweis auf die Tyrannen, zu denen er jetzt wohl auch Karl V. rechnet, einzelne Plagen Pharaos. Sein Meisterlied: »Die frösch Pharaonis«2) schließt: Pharao deut al gotlos leut, Die gottes volck durchechten. Was got gepeut, verachtens heut, Sampt allen seinen knechten. Was in got schickt für straff und plag, Werdens erger von tag zu tag, Pis si got entlieh niderschlag Mit sein götling almechten. In eben dem Sinne behandelt Hans Sachs zu dieser Zeit »Die finsternus Pharaonis«3) mit dem Schluß: Pharao uns bedeut hie pei Etlicher herschafft thiranei, Die auch nit frei Lassen die gottes kinder. Das hei liecht ist pei in veracht; Auff menschen 1er so stett ir pracht. Die finster nacht Macht sie ie lenger plinder. Sie troen mort, wer gottes wort Dut schreiben oder sagen ; Darum got si auff erden hi Und dort wirt schrecklich plagen. Trostschriften fehlen natürlich auch nicht in diesen Gefahren. In dem Meisterlied: »Die christlich kirchen«4) nach dem Text Apokalypsis 12 schreibt der Dichter, wie Gott die Seinen behüte trotz aller Verfolgung des Drachen. Gott kehre alle Verfolgung 1) Vgl. Bezold S. 745 ff. 2) Vgl. Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Berlin Folio 23, Bl. 159v—i6or, Nr. 155. 3) Vgl. Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Dresden M. 17, Bl. n6r — 1 i6v. 4) Vgl. Meisterliederhandschrift der Nürnberger Stadtbibliothek Solg. I, Bl. 162V — 164 V,

64 zum Besten, so daß Satan und seine Anhänger, wie sie auch wüten möchten, endlich verlieren müßten; die Kirche aber werde schließlich Christi Reich erben für ewig. Beständiges Klagen über die Sündhaftigkeit der Welt ist in solchen Zeit­ läuften bei Hans Sachs fast selbstverständlich. Er kann nicht begreifen, daß trotz des Evangeliums die Menschen sich nicht bessern. In dem Meisterlied: »Als Cristus die stet det schelten«1) meint er, wenn unter Juden und Heiden das Evangelium ebenso klar gepredigt würde wie in Deutschland in den letzten Jahren, würden sie gute Menschen werden; der Christen Verstocktheit aber fordere Gottes Rache heraus. Das Spruchgedicht: »Die wolffs klagen über die bösen menschen«2) gehört ebenfalls hierher, wie auch eine Reihe anderer Meisterlieder. Recht wichtig ist das im März 1544 wohl auf Anlaß des Treibens auf dem Speirer Reichstage geschriebene Spruchgedicht: »Ein artlich gesprech der götter die zwitracht des römischen reichs betreffend«.3) Das Stück ist jedoch schon von anderer Seite genügend charakterisiert worden.4) Der Religionszwiespalt macht Hans Sachs nach wie vor große Sorge, er glaubt, daß man auf dem Boden des Evangeliums zu einer Beilegung der Zwistigkeiten kommen könne. Politische Erwägungen kennt er nicht; einen andern Maßstab als die Bibel gibt es für ihn überhaupt nicht, und alles, was von Lutherischer Lehre abweicht, ist für ihn wenigstens in diesen Jahren Ketzerei. So eifert er denn wiederum gegen Menschenlehre, z. B. in den Meisterliedern: »Falscher gottesdinst«5), »Die brunnenAbraham«6). Selbstverständlich sieht Hans Sachs in der Gefahr, welche den Protestanten droht, eine Strafe für alle Sünden, deshalb predigt er Buße in einem fort; Beispiele aus der großen Anzahl solcher Stücke sind die Meisterlieder: »Der prophet Jona«7) und »Ver*) Vgl. M. G. 5, Bl. 244 — 245. 2) Vgl. Bd. 3, S. 554 — 560. 8) Vgl. Bd. 4, S. 178 — 188. 4) Vgl. Ernst Mummenhoff, Hans Sachs zum 400jährigen Geburts­ jubiläum des Dichters. Nürnberg 1894, S. 85 ff. ö) Vgl. Meisterliederhandschrift der Universitätsbibliothek zu Breslau IV, Fol. 88 B = Goetzes Bb., S. 263. 6) Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Dresden M. 192, Bl. 383 V _ 385 V. 7) Ebd. M. 8, Bl. 552r — 555v*

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monung zu pus«1). In anderen Stücken wie etwa in den Meisterliedern: »Die thirannei Antiochi«2) und »Die erbermlich belegerung und Zerstörung der statt Jerusalem«3) schildert er alles Übel, das hereinbrechen werde durch die Sünden der Christenheit, Gott schicke den Türken, wie er einst den Juden Antiochus gesandt; Krieg, Teurung, Pest und Aufruhr würden schrecklich aufräumen wie einst zu Jerusalem. In anderen Meisterliedern ermahnt Hans Sachs dann wieder zur Standhaftig­ keit in Glaubensverfolgungen.4) Auch an Ermahnungen an die Obrigkeit im gleichen Sinne fehlt es nicht. Er weist sie dabei noch auf ihre Pflicht hin, für Prediger zu sorgen, die Untertanen zu schützen gegen »financz und schinderei«. Als Beispiel, deren ich mehrere beibringen könnte, mag der Schluß des Meisterliedes: »Der künig Josaphat seczet richter«0) dienen: Schau an das lobwirdig exempel Du obrigkeit am frumen Josaphat! Bestei deim land an alle end Prister und prediger in alle gemeine, Frauen und man in gottes tempel Zu lehren gottes wort klar, lautt, fru und spat, Und zu raichen die sacramendt, Wie die Christus aufgeseczet reine. Dergleichen secz in dem gerichtt Gotts forchtig leut, die rechte urtheil sprechen.......... Dergleichen schau auf dein amptleut, Das nimandt werd beschwerd, Durch ir finanz gedrücket und gefert; Das man heit dreue hütt und schucz Ob deinem armen volck in deinem land. So wirt sich mehren gmainer nucz; Du obrigkeit wirst bei in lieb und wert. Die Klagen über Tyrannen, die das Evangelium und dessen Anhänger verfolgen, kehren auch in den Meisterliedern *) Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Dresden. M. 8a, Bl. 352**— 353r. 2) M. 8, Bl. 597r— 598v. «) Vgl. Bd. 1, S. 319 — 323. 4) Vgl* »Joseph wart gefangen« in. Bb., S. 699. ö) Vgl. Meisterliederhandschrift der Universitätsbibliothek zu Breslau IV, Fol. 88 b. — Goetzes Br. S. 920 — 921.

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des Hans Sachs aus dieser Zeit immer wieder *), charakteristisch hiefür ist der Schluß des Meisterliedes: »Der ausezig kunig Usia« *2):* Wen icz ausezig wueren, All den nit thuet gepueren Gaistlich religion, Wollen doch idermon Von gottes wort abtringen, Zu menschenlere zwingen. So wurd manch kabel wol Fuersten und herren vol. Überhaupt malt er sich gern die Strafe derer aus, die auf Erden tyrannisieren, der Gedanke, daß sie ihren Lohn em­ pfangen werden, tut ihm wohl. Der Dichter ist sich der für die Protestanten immer drohender werdenden Gefahr bewußt. Die beständigen Kon­ spirationen in beiden Lagern8) waren sicherlich auch in Nürn­ berg bekannt geworden, der immer wachsende Argwohn bezüglich der Absichten des Kaisers tritt klar hervor. Jetzt erst wird Hans Sachs sich voll bewußt, daß der Kaiser der größte Feind der Protestanten und von ihm nichts Gutes zu erwarten ist. Nur darauf beruhen die jetzt immer wiedet kehrenden Angriffe auf tyrannische Fürsten, deren Spitze nicht zuletzt gegen Karl V. gerichtet ist. Schon im November 1544, also nicht lange nach dem oben erwähnten Friedensschluß zu Crepy4), fängt diese Art von Polemik an, z. B. in dem Meisterlied: »Der tempel zu Delphis« 5):* Welch stoltzer fürst noch gott veracht, Verlest sich auf sein grose macht, Den selben plagt, Schiegt und verjagt Die göttlich krafft; *) Es ist daran zu erinnern, daß nach dem glücklichen Feldzug des Kaisers gegen Cleve im Jahre 1543 und besonders nach dem Friedensschluß mit Frankreich zu Crepy im Jahre 1544 die Maßregeln gegen die Protestanten in den Niederlanden verschärft wurden. Vgl. Bezold S. 756.

2) Vgl. a. a. O. M. 8a, Bl. 351 r — 352 r. 8) Vgl. Bezold S. 755 und 757 ff. 4) Vgl. Anm. 1. 5) Vgl. Meisterliederhandschrift der Großherzoglichen Bibliothek Weimar Fol. 418, S. 693 — 695.

zu

67 Und schüttet auf in seinen grim, Erhört seins armen volckes stim; Denckt an sein bund Und macht sein volck sighaftt. Noch schärfer tritt diese Tendenz hervor in dem Meister­ lied vom 9. November 1544: »Das ent kunig Joram und Jesabel«1), er schließt dieses mit der Drohung, daß Gott den Türken schicken werde. Hiraus merck, ein tiranisch regimende, Wo das auch vil unschuldig pluet Vergiesen thuet Und wider gottes wort sich het erhoben: Das im got wert schicken über den hals Den dürcken oder sunst einen tirannen, Der es auch straffen wert nachmals Und ausdilg das gancz gotlose geschlechte. Wan got thuet sein knecht rechen und erretten. In einem anderen Meisterlied vom 7. Dezember 1544: »Die unschuldigen kindlein«2) behandelt er ausführlich den Kindermord zu Bethlehem. Wenn man alle Zeitumstände bedenkt, auf die ich schon oben hingedeutet habe, so wird es ziemlich klar, daß Hans Sachs den Kaiser für eben einen solchen Herodes hält3): Auß der geschieht merck man eben Herodem noch im leben, Welcher duet widerstreben Christo, sein wort leit ungedultig. Wo sie Christum noch bekenen, Lest köpffen, hencken, prenen. Gott stürzt den, der also tiranisirt. Derlei versteckte Angriffe auf Karl V. kehren jetzt regel­ mäßig wieder. Das rücksichtslose Auftreten des Kaisers, be­ sonders die scharfen antiprotestantischen Maßregeln in seinen 5 Vgl. Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Dresden Fol. M n,

Bl. 157 r—158 v. 2) Vgl. Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Berlin Fol. 22, Nr. 36, Bl. 40 v — 4 iv. 3) Wie wir noch sehen werden, zieht Hans Sachs den Vergleich zwischen Karl V. und Herodes noch öfter, auch schon in dem am 26. November ge­ schriebenen Meisterlied: »Die drei weisen«. Vgl. Br. S. 1089.



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Erblanden geben Hans Sachs die Erkenntnis, daß Karl V. ein den Protestanten gefährlicher Tyrann ist. Auch das Bewußtsein der drohenden Gefahr, das doch allgemein war1), mag den Dichter zum immer erneuten Schreiben gegen den Tyrannen bewegen. Ich könnte noch eine Reihe von Beispielen beibringen, doch mag neben dem obigen nur noch der Schluß des einen Meister­ liedes: »Die drei gotlosen kunig Jude«2) genügen: Herr, nun ist unser pit: Du wölst zu unser zeit Auch untertruecken da, Welcher fuerst wuet, So deinem volck thuet widersten Mit morden, wueten unferschembt.............. Ste uns pei, uns pehuet Und schlag im aus sein packen zen. Las untergen Oder in leibs gefar in pring; Leg in die nasen im ein ring, Darmit in zwing: Ein got dich zu erkennen. Der Reichstag zu Worms vom Jahre 1545 beunruhigte die Protestanten berechtigter Weise. Man wußte trotz der anscheinenden Güte des Kaisers von päpstlich-kaiserlichen Be­ ratungen; die anwesenden Spanier sprachen offen von bevor­ stehender Vertilgung der Lutheraner;3) ein Priester wagte gar, öffentlich davon zu predigen. Auch Hans Sachs war, wie ich schon oben bemerkte, recht besorgt. Er sieht, daß trotz der herannahenden Gefahr die Zwistigkeiten unter den protestantischen Ständen4) nicht aufhören wollen; hatten diese doch zugesehen, wie der Kaiser den Herzog von Jülich-Cleve überwältigte5), und ließen sie es doch geschehen, daß der Erzbischof von Köln gemaßregelt wurde.0) *) Hans Sachs macht sich selbst in dem Schwank vom 27. Juni 1545: »Der perg gepar ein maus« (Vgl. Goetze und Drescher, Fabeln und Schwänke, Bd. 3, Nr. 204) über das beständige Kriegsgeschrei der Zeit lustig, meint jedoch, ihän solle gefährliche Gerüchte nicht Verachten, sondern sich vorsehen. *) Vgl. Meisterliederhandschrift der Kgl. Bibliothek zu Dresden M. 192, Bl. 5'r — nr. 3; Vgl. Bezold S. 757 ff. 4) Ebd. S. 759 ff. 5) Ebd. S. 745 ff. 6) Vgl. L. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, a. a. O. Bd. 4, S. 361 ff.

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Hans Sachs ermahnt jetzt zum Zusammenhalten. Er be­ handelt z. B. im Jahre 1545 die Äsopsche Fabel: »Die pöck mit dem meczger.«1) Recht ausführlich wird ausgemalt, wie die Böcke zusehen, als der Metzger einen von ihnen nach dem andern absticht, denkt doch jeder: »Was geht mich der andere an!« Erst der letzte Bock muß einsehen, daß man hätte Zusammenhalten sollen, weil dann der Metzger nichts vermocht haben würde; der Fabel folgt die Moral: »Haltet zusammen«. Sei freuntschaft, handwerck, stet oder ein reiche, Ob sich ein feind darwider seczt druczleiche, So sollens bleiben unzerstreut, Einig und ungespalten. Was einen darunder geht an, Das hab man inen allen than, Des feinds sich dapfer wehren. Wenn sie einander halten also dreuen schucz, Darmit erhalten sie sich samt gemeinen nucz, Und bleiben wol unausgereut An gwalt, macht und an eren. Des Dichters Absicht ist hier wohl kaum zu verkennen, er darf natürlich nicht wagen, offen zum Widerstand gegen den Kaiser aufzufordern, doch in versteckter Form geschieht das auch in dem Meisterlied vom Dezember 1545: »Die verprent stat Saguntum«2); er beschreibt die Zerstörung der Stadt durch Hannibal und schließt: Als der senat zu Rom den jamer höret, Da reuet sie, das sie nicht pei der zeitte Ir puntgenosen hetten entseczt. Also die guetten rett zu leczt Kumen doch vil zu spette. Auf die vielen Meisterlieder des Jahres 1545, die das Thema vom übermütigen Tyrannen, der doch später unglücklich wird3), behandeln, brauche ich hier nicht näher einzugehen, h Goetze und Drescher, Fabeln und Schwänke, Bd. 3, S. 389. 2) Vgl. M. G. 8, Bl. 13 v — i»4 r. 3) Vgl. »Der schentlich kaiser Andronicus« M. 8a, Bl. 12v—13v oder »Kaiser Valerius ein thirann« M. 8, Bl. 481 v— 482 V oder »Kunig Joas ein tirann« M. 8a, Bl. 35C>IIr—351 r.

70 doch aus den Trostschriften, worin er auf Gottes Hilfe verweist, mag der Schluß des Meisterliedes: »Die feuring ros und wagen«1) vom Februar 1546 hervorgehoben werden: Hiraus, du cristenheit, dich dröst, So dich ueberwelting wil ein tiranne, So hab zu got all dein zufluecht; Der selb all unser haille suecht Und unter seim streitfanne Wirstu erlöst. Sein heillig engel Peschueczen uns allein, Auf das uns widerfar kain mengel. Im Anschluß an diese auf den Kaiser bezüglichen Stücke häufen sich bei Hans Sachs auch wieder die Angriffe auf das Papsttum. Ich möchte erinnern, daß Luther in seiner Anfang 1545 erschienenen Schrift: »Wider das papsttum in Rom vom teufel gestiftet«2) direkt zum Kriege gegen den Papst auf­ gefordert hatte. Johannes Sleidanus, der Historiker des Schmalkalder Bundes, hatte ebenfalls in zwei Schriften an Kaiser und Reichsstände sich ähnlich und scharf ausgesprochen.3) Hans Sachs läßt sich am Schlüsse des Meisterliedes: »Kunig Pharao mit den leusen«,4) wie folgt vernehmen: Pharao uns pedeutte Den pabst, dem got entpeute Durch sein wort, das er hin Die cristen all las ledig Menschlicher saczung fort; Auf das sie hören predig Das raine gottes wort. Dis thuet er in abschlagen Durch Verfolgung und mort. *) M. G. 8, Bl. 33v — 35r. 2) Vgl. Erlanger Ausgabe Bd. 26, S. 108 ff. Das Papsttum gab ja sowohl wegen des eben tagenden Konzils zu Trient als auch wegen des bekannt gewordenen päpstlichen Breves an den Kaiser (vgl. Bezold S. 154) reichlich Gelegenheit zum Angriff. Luthers Schrift war eine allerdings recht derbe Ant­ wort auf das Breve. 8) Vgl. Johannes Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 3, Freiburg 1883, S. 541. 4) Vgl. M. 11, Bl. 185 r— i86r.

71 Aber man deckt all seine Laster auf; die Papisten lassen dagegen viele lügnerische Schmähschriften ausgehen. Der Papst selbst bleibt verstockt wie König Pharao. Auch das Meister­ lied: »Der 137. psalm, ein bit wider die spöter« *) richtet sich gegen das Papsttum. Mit der wachsenden Gefahr kommt Hans Sachs trotz seiner friedlichen Art schließlich zur Überzeugung, daß man sich wehren müsse, ja er rät direkt zum Kriege. So schreibt er im Meisterlied vom 13. Oktober 1545: »Der frumb Mathatias«*2) vom Priester, der das Volk selbst am Sabbat gegen die Feinde sammelte, und ermahnt zum Schluß: Ob ein tiran von gottes wort dich wolt gewaltig tringen, So folg im nit, wage dein leben. Got ist mit dir und kan dir ein gnedig erlossung geben, Auf das dir pleib Guet, sei und leib Vomb wueterich ungenumen. Wie mit den Feinden umzugehen, schildert er im Meister­ lied: »Perseus mit dem haupt Meduse«3): Ein fuerst hie anschaue, Wo er vil veinde spuere, So frid und recht nit kleck, so streck Er sein gwalt herfuere, Darmit er seine feint erschreck. Ähnlich ermahnt er am Schluß des Spruchgedichtes vom 12. November 1545: »Der herrlich sieg deß künigs Josaphat«4): Merk, du christliche obrigkeit! Thu auch also zu dieser zeit! Würfft wider dich auff sein streitfannen Der Türck oder ander tyrannen, So versamel mit fleiß dein heer, Provant, büchsen, harnisch und weer! Doch verlaß dich einzig auf Gott, der kann die Tyrannen stürzen durch Mittel, an die niemand gedacht. b M. 8, Bl. 588 r — 589 r. 2) M. 11, Bl. 38^ — 39V. 8) Vgl. Meisterliederbandschrift der Kgl. Bibliothek M. 12, Bl. 14. 4) Vgl. Bd. 1, S. 237-239.

zu

Dresden

72 Diese Beispiele mögen genügen, erschöpft sind sie damit keineswegs. In den Werken unseres Dichters aus diesen Tagen spiegelt sich klar die ganze politisch-religiöse Bewegung dieser für die Protestanten so gefährlichen Zeit. Jeder Vorfall gibt ihm An­ laß, auf seine Art auf die Gefahr hinzuweisen oder den Glauben zu verherrlichen. Solcher Art ist auch das Lied vom 5. Juli 1545: »Die zwo edlen junckfraun von des glaubens wegen im Niderlant verprent«1). Er erzählt ausführlich, wie die zwei in aller Qual beständig blieben, sich fest zur lutherischen Lehre bekannten und weder durch Ermahnung, noch Drohen zum Widerruf zu bewegen waren. Ihr Feuertod macht sie zu Märtyrern des Glaubens. Heinrich von Braunschweigs Niederlage und Gefangennahme bei seinem Versuch, sein Land gewaltsam wieder zu nehmen2), diesen letzten großen Erfolg der Schmalkalder, besingt Hans Sachs in dem Liede: »Der krieg herzog Hainrichs von Praunschweig«3). Bekanntlich erneuerte Luther im September 1544 in der Schrift: »Kurz bekenntniß vom heiligen Sakrament«4) seine An­ griffe auf die Sektierer, besonders weil er mit der von Butzer mit Melanchthons Zutun entworfenen Kölner Reformation nicht einverstanden war5). Auch bei Hans Sachs erscheinen, wahr­ scheinlich infolge der Lutherischen Schrift, wieder auf die Ketzer bezügliche Lieder6), die ich hier kaum zu behandeln brauche. Zu erwähnen wäre auch noch, daß Hans Sachs Ende 1545, zum erstenmal für ihn, die Fabel der Toleranz: »Der jued mit den dreien ringen«7) behandelte. Die üblichen Pfaffenschwänke fehlen bei Hans Sachs selbstverständlich auch in dieser Zeit nicht, doch ist keiner derselben von besonderer Wichtigkeit. Direkter als alle Schwänke richtet sich das Spruchgedicht vom *) Vgl. Bd. 22, S. 32A—^2C. 2) Vgl. Bezold S. 759. 8) Vgl. Bd. 22, S. 334—336. R. v. Liliencron, Die historischen Volks­ lieder der Deutschen, Bd. 4, Leipzig 1869, S. 264 ff. 4) Vgl. Erlanger Ausgabe Bd. 32, S 396 ff. 6) Vgl. Köstlin a. a. O. Bd. 2, S. 570 ff. ®) »Die schwanger Hagar«. Meisterliederhandschrift der Nürnberger Stadtbibliothek. Theol, 833, Bl. I24r—12c;v, »Die heuschrecken« M. 8, Bl. 651 r— 652L 7) Vgl. Goetze und Drescher, Fabeln und Schwänke, Bd. 4, No. 240.

73 10. Februar 1546: »Der fuechsschwenz kram«1) gegen die ein­ zelnen geistlichen Stände. Hans Sachs zeiht sie der Heuchelei und des Betrugs. Er führt ihnen gegenüber die bürgerlichen Stände an, die endlich erkennen, wie die Geistlichen sie be­ trügen. Alle geistlichen Stände kommen der Reihe nach zu einem Krämer, der seine Fuchsschwänze anpreist: Der babst spricht: Der gröste fuechschwanz zimet mir, Weil ich die gaistlikeit regir, Das ich im weltling regiment Kaiser, künig und füersten plent. Der Cardinal spricht: Heilliger vatter, ich ste dir pei. Gar guetter fuechschwenz dörft ich drei, Damit ich im concilium Erhalt das römische pabstum. Der pischoff spricht: Der fuechschwenz dörft ich auch wol her, Weil ich auch lant und leut regier, Auf das ich in meinem gewalt Gaistlich und weltling stant erhalt. Der thumher spricht: Gebt mir, thumhern, auch ain fuechschwanz! Mein andacht gibt gar klainen glanz. Mit dem fuechschwanz stel ich mich frum, Pis das ich erlang das pistum. Auf diese Art treten auch Karmeliter, Barfüßer und Predigermönche auf. Ihr Treiben erregt schließlich die Auf­ merksamkeit anderer Stände. Der hantwerksmon spricht: Ir herrn, schaut auf die pschornen knaben, Sie wollen alle fuechschwenz haben, Darmit sie schmaichlent uns petriegen, Auf iren dant und pschies uns piegen. *) Ygl. Bd. 22, S. 346—348.

Es erschien auch als Flugblatt.

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Der purger spricht: Pauer sag, was retzt den du ? Der pschoren hauff nempt1) deglich zu, Narrt mit seim fuechschwanz man und weib, Dreugt uns umb er, guet, sei und leib.. Der pauer spricht: Ich denck des sprichwortz unpetrogen: Wen man gar zu hart spant den pogen, So mues er von notwegen prechen. Dergleich mag ich von gaistling sprechen. Als die Nonne all dieses hört, will sie nicht länger im Kloster bleiben. Der Narr gibt ihr recht, denn Gott habe nur den Orden der Ehe eingesetzt, in den solle sie eintreten. Der Regent nolprueder spricht: Ach, warumb stöstu mich darnider Und schlechst mich mit dem fuchschwanz wider? Waist nicht, ich bin ain gaistlich mon; Des pistu in dem schweren pon. Die obrigkeit aber antwortet ihm: Ach, du hast uns lang mit petrogen, Den fuechschwanz durch das maul gezogen. Mit heuchlerei pistu pesessen: Ich mis dir, wie du hast gemessen. Daß eine solche Schrift, als Flugblatt mit entsprechendem Bilde verbreitet, ihres Eindrucks auf die Menge nicht verfehlte, darüber kann wohl kaum ein Zweifel herrschen. Wie also aus dem Gesagten hervorgeht, zeigt sich Hans Sachs auch in dieser für die Protestanten gefährlichen Zeit als eifriger treuer Streiter des neuen Glaubens. Er ist so von der Wahrheit der von Luther verkündeten Religion durchdrungen, er lebt so ganz in seiner Religion, daß ihm alles andere neben­ sächlich erscheint. Ein Paktieren mit den Feinden gibt’s für ihn nicht, weder jetzt noch später während des Interims, wie ich hier vorausgreifend sagen möchte. Die Glaubensfeinde sind *) »nempst« hat Goetze Bd. 22, S. 348, 2. »nempt« heißen.

Es muß aber doch wohl

75 ihm Tyrannen, die der allmächtige Gott zur Strafe aller Sünde schickt. In allen Glaubensstreitigkeiten steht er in diesen Jahren fest zu Luthers Lehre. Luthers Schriften liest er eifrig und verwertet sie auf seine Weise. Seine Verehrung für den Reformator, der ihm als Streiter und Prophet des Herrn gilt, findet oft beredten Ausdruck. Der Tod des Reformators, der ihm so lange Jahre als Meister gegolten, gerade jetzt, wo die Gefahr für den neuen Glauben größer als seit Jahren war, muß ihm nahe gehen. Hans Sachsens ganze Begeisterung für ihn, sowie sein Vertrauen, daß die Lehre Martin Luthers bestehen werde trotz aller Gefahren, findet ihren kräftigsten Ausdruck in dem als Flugblatt verbreiteten Spruchgedicht: »Ein epitaphium oder klag­ red ob der leich Dr. Martini Luthers«.1)

In einem zweiten Teile dieser Arbeit, zu dem ich das Material vollständig beisammen habe, werde ich Hans Sachsens Stellung zur weiteren Entwicklung der Reformation zu charakterisieren haben. Es wird sich zeigen, daß Hans Sachs auch fernerhin den regsten Anteil an allem religiös-politischen Tun nimmt und selten versäumt, von seinem Standpunkte aus sich damit schrift­ stellerisch zu beschäftigen. Vorgreifend möchte ich sagen, daß Hans Sachs genau wie der Prediger Veit Dietrich zu Nürnberg, zu dem er auch in näherer Beziehung stand, während des Interims fest auf dem streng lutherischen Standpunkte beharrte und in seiner Art gegen den zu Konzessionen geneigten Rat polemisierte. Fernerhin, daß die Belagerung Nürnbergs durch Albrecht Alcibiades von Brandenburg im Jahre 1552, die Hans Sachs als Strafe Gottes für alle Sünden auffaßte, eine deutliche Spur in seinen Werken, besonders in seinen Meisterliedern, hinterläßt. Es sei hervorgehoben, daß Hans Sachs sich auch fernerhin an der protestantischen Polemik beteiligt und zwar nach dem Tode Luthers mehr und mehr auf Seiten Melanchthons steht. Dieses tritt besonders hervor in dem bekannten Streite, der von Flacius l) Vgl. Bd. i, S. 401 — 403. Dieses Spruchgedicht ist so oft eingehend behandelt worden, daß nichts mehr hinzuzufügen ist. Vgl. Ranisch a. a. O. S. 112— 115; Schultheiß S. 38; Kawerau S. 90; R. Genee S. 234 ff. und andere mehr.

76 und anderen gegen Melanchthon geführt wurde. Nach wie vor versucht Hans Sachs zur Ausbreitung der Kenntnis der Bibel und dadurch des Glaubens beizutragen, wovon die große Anzahl der späteren Bibeldramen und die ungeheure Menge seiner Meisterlieder das beredteste Zeugnis geben. Nachdrücklich hervorheben möchte ich auch, daß mit zunehmendem Alter die Gesinnung unseres Dichters auch in Glaubenssachen mehr und mehr tolerant wird. Durch den dauernden Religionsfrieden, der zu Augsburg im Jahre 1555 geschlossen wurde, war ja das Bestehen des neuen Glaubens ein für allemal entschieden, die Gefahr war vorbei; nur die Gehässigkeiten im eigenen Lager gaben dem Dichter noch manchmal Gelegenheit zur Klage. In der Gesamtdichtung des Hans Sachs, ganz besonders aber in der Menge der Meisterlieder, spiegelt sich vollständig das gesamte Kulturleben des deutschen Bürgertums des 16. Jahr­ hunderts und damit auch die Entwicklung der Reformation und der Kampf für sie in allen Einzelheiten.

Die Meistergesänge und Sprüche des Peter Probst. Von

Dr. Emil Kreisler. I. Über Probsts1) Leben und Wirken2)* ist wenig genug bekannt. 1544 finden wir ihn als Rechenmeister8); 1545 wird er Kornschreiber4) im neuen Spital zum heiligen Geist und diese Stelle hat er bis zu seinem Tode 1576 bekleidet. Außerdem bekleidete er die immerhin ansehnliche Stellung eines Genanten.5) Eine Anzahl von Eintragungen in den Ratsprotokollen6) in den Jahren 1544, 1545, 1553, 1556, 1562, 1563, 1566, 1569, 1574, 1576 beziehen sich auf Probsts öffentliche und private Tätigkeit. Über seine Stellung als Dichter und über Aufführungen seiner Werke ließ sich bisher nichts Urkundliches ermitteln. Er war verheiratet und hatte Kinder, wie sich außer aus den Rats­ protokollen auch aus der Inschrift des Grabsteines, den er sich, seiner Gattin Kunigunde und seinen Kindern setzen ließ und der die Jahreszahl 1562 trägt, ersehen läßt.7) *) Über die Schreibung des Namens vgl. Anhang i. 2) Vgl. die dramatischen Werke des Peter Probst. Eingeleitet und herausgegeben von Dr. Emil Kreisler Halle a. S. 1907. Neudrucke deutscher Litteraturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts No. 219—221, S. I ff. s) Rechenmeister: 1. Beamter, Vorsteher eines Rechenamtes; 2. Rechen­ lehrer; 3. Meister der Rechenkunst. Probst war wohl Rechenlehrer. Vgl. Grimm, Wb. VIII, Sp. 343. 4) Korn Schreiber: Beamter bei einem städtischen und ärarischen Kornhaus, Kornspeicher, eigentlich Rechnungsführer. Vgl. Grimm, Wb. V, Sp. 1830. 5) Der Genannte, einer von den vorzüglichen Bürgern, die der Rat in wichtigen Händeln zu sich nahm und berief. Ebenso war auch in Nürnberg nach der reichsstädtischen Verfassung ein Genannter ungefähr das, was jetzt ein Gemeindebevollmächtigter. Vgl. Schmeller, B. Wb. I, Sp. 1747; J. F. Roth, Verzeichnis aller Genannten des größeren Rathes etc. Nürnberg 1802, S. 10. 8) Vgl. Neudruck S. I — VI, wo die betreffenden Nachweise gegeben sind; dann Manuskript des H. Geist-Spitales 1545 n. 7, ia, 1563 nr. 9, Bl. 46» (Stadtarchiv Nürnberg); Ratsbuch 1541;, Nr. 23, Bl. Ii6a. 7) Vgl. Neudruck S. IV f.

78 II. Probsts Werke, 8 dramatische und 28 Meistergesänge und Sprüche, sind bis auf 3 Meisterlieder1) nur in einer ein­ zigen Handschrift2) erhalten (M. 173, früher M. 85 der könig­ lichen Öffentlichen Bibliothek in Dresden3). Sie besteht aus 170 numerierten starken Papierblättern in 4° und ist in Pergament gebunden. Die Schrift, die Kursive des 16. Jahrhunderts, ist bis auf wenige Ausnahmen sehr sorgfältig und deutlich und stellt wohl die eigenhändige Reinschrift vor. Die Überschriften und szenischen Bemerkungen der dramatischen Werke sind mit roter Tinte geschrieben. Bl. la, 80b, 81a, 139b, 140a und die rückwärtige Innenseite des Einbandes sind wie von Kinder­ hand verkritzelt, vielleicht durch die Hand eines Kindes eines der Besitzer, wodurch auf Bl. la das Gesicht eines dort befindlichen Bildes zerstört ist4). Dieses ist eine Federzeichnung, den Herold5) darstellend, mit Aquarellfarben, wahrscheinlich in späterer Zeit, übermalt, darüber ein Spruchband mit der In­ schrift: »Ein schon buch von fasnachtspiln und maistergsangen/ durch Petter Probst zu Nurmberg gedieht anno 1553.« Unter dem Bilde steht: PETRUS PROBST. / ANNO MDLIII. Bl. lb: »Anno domini. / 1553.« Vorrede, aus 26 Versen bestehend. Bl. 2a — 81b: ein geistliches Drama und 6 Fastnachtspiele und zwar: 1. »Ein schon christlich comedia von dem plint J) Drei Meisterlieder sind auch anderorts überliefert und zwar in den Meisterlieder-Sammel-Handschriften M. 8 und M. 191 der Dresdener kgl. öffent­ lichen Bibliothek. M. 8, geschrieben von Valentin Wildenauer und Jörg Bauttenpacher in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts. Bl. 70a—71 a: »In dem pewerten thon Hans Sachsen. / Die Hochzeit zu Cana in Galilea«; am Schlüsse des Gedichtes steht: »Anno salutis 1553 gedieht / Am 26. tag Februarii Petter Probst« = nr. 5 des Textes (M. 173, Bl. 8qa — 90b) Bl. 158»—158h: »ln dem kurtzen thon Hans Sachsen. / Der bös voll mon« = nr. 11 des Textes (M. 173, Bl. iooa—ioia) M. 191 (früher M. 96), von unbekannter Hand aus dem 16. Jahrhundert. Bl. 175a — 177a: *ln 4er korweis Pfaltzen, der hundt, katzen und meuß hader.« Am Ende: »anno salutis 1544: den 14. Marty Petter Brobst / rechenmaister gedieht« = nr. 18 des Textes (M. 173, Bl. 107»—109b). 2) Vgl. Neudruck S. XVI f. 3) Die früheren nachweisbaren Besitzer waren der berühmte Nürnberger Arzt Gottfried Thomasius, ein Bruder des großen Christian. Aus der Ver­ lassenschaft von Thomasius kaufte sie Gottsched, aus dessen Besitz sie an die Gesellschaft der freien Künste in Leipzig gelangte; mit deren Büchersammlung gelangte sie an die Dresdener Bibliothek. Vgl. Neudruck S. XVII. 4) Vgl. Neudruck S. XVI. 6) Das Wappen, das einen doppelköpfigen Adler trägt, ist aber nicht das Nürnberger Stadtwappen.

79 gebornen« (2a —17 b). 2. »Ein schon vasnacht spil von einem mulner und seinem weib« (18a—28a). 3. »Ein ander fasnachtspil von zweien lantzknechten« (28a — 38b). 4. »Ein schon vasnacht spiel von zwaierlai eitern« (38b — 50b). 5. »Ein vasnacht spil von einer bauren heirat« (50b — 61a). 6. »Ein kurtzweilich fasnacht spil von kranken baurn« (61a — 7lb). 7. »Ein kurtzweilig fasnacht spil von zweien mendern sambt iren weibern« (71b — 81b). Bl. 81b: »Hernach folgen etliche schöne maister gsang.« (Bl. 82a— 113b): n. 1—8, 10—11, 13-23, 9, 24 des Textes. BL 114a—124b: »Ein kurtzweillig vasnacht spiel von eim freihirten«. Darunter: »Vollent den 20 november im 1556 jar«. BL 125a — 131b sind unbeschrieben. 131b — 140b: Ein geist­ liches Lied und vier Sprüche = n. 26, 25, 12, 27—28 des Textes. Auf BL 132a lesen wir unten: »adi 20. jenner im 1566. jar vollentn«. Die untere Hälfte von BL 135b und 140b ist leer. BL 1—124b ist in den Jahren 1553 —1556 niederge­ schrieben worden, BL 131b — 133a wurde am 20. Januar 1566 hinzugefügt, dann das übrige, wofür jedoch eine Datierung fehlt. Außer dem in dieser Handschrift Überlieferten ist nichts von Probst erhalten, auch Drucke seiner Werke sind bisher nicht bekannt geworden. III. Für die Datierung der Werke lassen sich nur aus Bemerkungen in den drei Handschriften M. 173, M. 8, M. 191 Anhaltspunkte gewinnen. Probsts frühestes datierbares Werk ist das Meisterlied von »der hunt, katzen und meuß hader« in M. 191, BL 175a —177a, nach welchem als Tag der Entstehung der 14. März 1544 angegeben steht. In M. 173 steht es an 20. Stelle; die Zeit der Niederschrift ist also nicht die der Ab­ fassung. Daß die Handschrift eine Reinschrift und kein Konzept­ buch war, ergibt sich aus der bestimmten Anordnung der Werke: dramatische Werke, das geistliche Drama an der Spitze, dann die Meistergesänge, zuerst die geistlichen, im Anschlüsse daran geistliche Lieder, hierauf weltliche Meisterlieder und zum Schlüsse Sprüche. Die Reihe der weltlichen Lieder wird durch ein Osterlied unterbrochen (Bl. 110b—111b — No. 9 des Textes). Man

80 wird annehmen dürfen, daß dieses Lied, früher übersehen oder eben gedichtet, hier eingefügt wurde. Die Bemerkung am Schlüsse: »Vollent den 20. november im 1556 jar« und der darauf folgende leere Raum zeigen, daß die Handschrift damit vorläufig ihren Abschluß fand. Der auf Bl. 131b— 132a enthaltene »Spruch von einem hasenkopf« ist, nach dem Vermerk am Schlüsse: »adi 20. jenner im 1566. jar vollent« zu schließen, 1566 entstanden. Der auf Bl. 132b folgende Spruch über die Pest in Nürnberg im Jahre 1562 ist, wie sich aus den letzten Versen des Gedichtes ergibt, noch 1562 entstanden. Ebenso sind das folgende geistliche Lied, sowie die anschließenden Sprüche vor dem Spruch vom Hasenkopf entstanden, aber, wie man aus der Schrift und der Anordnung der Gedichte annehmen muß, nach ihm nieder­ geschrieben worden. Nach dem bisher Gesagten erhalten wir nur folgende sichere Daten. 1544: »Von der hunt und katzen, auch meus und ratzen feindschaft« (M. 173, Bl. 107a — 109b = Nr. 22 des Textes). 1553: »Die hochzeit zu Cana in Galilea« (M. 173, Bl. 89a — 90b = Nr. 5 des Textes). 1562: Spruch: »Als man zeit funfzehen hundert jar und im zwaiundtsechzigsten für war« (M. 173, Bl. 132b = Nr. 25 des Textes) und das geistliche Lied: »Ach got von himel sich darein« (M. 173, Bl. 133a bis 133b = Nr. 12 des Textes). 1566: »Spruch von einem hasen­ kopf« (M. 173, Bl. 131b — 132a = Nr. 26 des Textes). 1556: Terminus ad quem für alle 8 Spiele. 2 und 3 sind sicher nach 1548 entstanden, da sie den »Esopus« des Burkard Waldis benützen, der 1548 gedruckt wurde.1) 8 ist zwischen 1553 und 1556 anzusetzen. Probsts dichterische Tätigkeit wird also etwa durch die Jahre 1540—1570 begrenzt, fällt demnach in die Zeit des fruchtbarsten Schaffens von Hans Sachs, in dessen Nähe er ja auch dichterisch gehört. IV. In seinen dramatischen2) Werken ist Probst wohl nach Sachs der bedeutendste Vertreter des Nürnberger Fastnacht­ spieles, ja geradezu ein Vorläufer seines großen Zeitgenossen. *) Vgl. Neudruck S. X f; Lier, Studien zur Geschichte des Nürnberger Fastnachtspieles I, Nürnberg 1889. S. 113. Über die einzelnen Stücke vgl. Lier, Studien, S. 69 ff.

81



Er steht ungefähr in der Mitte zwischen dem älteren Fastnacht­ spiele und Sachs; jenem verdankt er, wie ja auch Sachs, eine Menge von Zügen und Motiven.1) Ist auch der Ton nie so derb wie im Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts, so sagt Probst doch manchmal Dinge, wie in VI,2) die man bei Sachs kaum findet. Sehr groß ist der Einfluß, den Sachs auf Probst geübt hat. Abgesehen von der Menge von Parallelstellen3) bei beiden finden wir oft direkte Anleihen Probsts. Sprachlich und metrisch4) schließt sich dieser ganz enge an Sachs an, desgleichen im Wortschatz. Oft ist allerdings die Entscheidung schwierig, wem Probst die Unmasse Nürnberger Lokalausdrücke und Anspie­ lungen auf zeitgenössische Verhältnisse verdankt, ob Sachs oder seiner Vaterstadt direkt. Jedenfalls steht Probsts Sprache dem Nürnberger Dialekt viel näher als die des Sachs. Über die Meistergesänge ein ästhetisches Urteil zu fällen, ist überflüssig. Denn Neues über den Meistergesang werden uns auch sie nicht sagen und vom ästhetischen Standpunkte kommt man dem Meistergesang überhaupt nicht bei. Immerhin gehören die Probstschen zu den besten der Gattung, namentlich fallen sie trotz der hölzernen Form durch die Frische des Tones auf, besonders die, welche schwankhafte Stoffe behandeln. Diese letzteren erzielen durch die Lebendigkeit des Vortrages und die geschickte Be­ handlung des Stoffes oft eine recht hübsche Wirkung; es zeigt sich da der Meister des Fastnachtspieles. Für die Stoffgeschichte des Schwankes bieten sie manches Beachtenswerte. Die Stoffe sind: biblische (l—9), geistliche Lieder (10—12), schwankhafte (13—24), Pestgedicht (25), Spruchgedichte schwankhaften (26) und moralisierenden Inhaltes (27—28). Oft erinnern sie an die Art der alten deutschen Schwänke oder Boccaccios, ohne daß ein bestimmter Bezug möglich wäre. V. Probsts Vers im Spruch und Drama ist der im 16. Jahrhundert übliche, das kurze Reimpaar mit jambischem Rythmus, achtsilbig bei stumpfem, neunsilbig bei klingendem Ausgang. *) Vgl. Lier, Studien. 2) Vgl. Neudruck S. 91, Archiv f. Literaturgeschichte IV, S. 409 ff. 8) Vgl. Lier, Studien, S. 87 ff. 4) In der metrischen Sorgfalt wird Probst aber von Sachs übertroffen, dessen Verse auch schon in der Handschrift viel geglätteter als die Probstschen sind.

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82 Wortbetonung und Silbenzählung stimmen oft nicht zueinander; indessen sind die Fälle nicht gar zu zahlreich, wo jene sich Vergewaltigungen, wie oft genug auch bei Sachs, gefallen lassen muß. Gesprochen wurde der Vers jedenfalls nach der Wort­ betonung. Sicher ist es für das Fastnachtspiel; im Meistergesang ließ die Musik etwaige Verletzungen des Worttones nicht so fühlbar werden. Vortrag und theoretische Abmessung des Verses sind völlig von einander getrennt, der organische Zusammenhang zwischen Form und Inhalt ist verloren. Die von Sachs fast immer beobachtete Regel der Silben­ gleichheit ist bei Probst sehr oft, namentlich in den dramatischen Stücken, durchbrochen.1) In den meisten Fällen ist aber die Acht- bezw. Neunsilbigkeit durch Synkopierung und Apokopierung leicht herzustellen, wie auch durch Einfügung von synkopierten und apokopierten Vokalen unschwer die normale Silbenzahl herzustellen ist. Es finden sich also nicht nur stumpfreimende Verse von 8:72) und 7:83), sondern auch solche von 9:84) und 8:95), sogar 10:86) und 10:97) und endlich 7:78) und 7 : 9 9) Silben. Ebenso unregelmäßig sind oft die klingend reimen­ den Verse gebaut: 10:1010), 9:1111), 10:812), 9:813) Silben. *) In den Spielen sind nur etwa 71/2°/o unregelmäßig, namentlich in 4—7. Meinten: Weil er den sabat bricht, 2) Vgl.I. 23/24: So ist der mensch von got nicht; (Neudruck S. 3). O liebs volck, seit barmhertzich! 3) Vgl. I, 35/36: Secht an, wie ich so ellentlich (Neudruck S. 4). Dann was ich euch 1er und unterricht, 4) Vgl. I, 55/56: Das thu ich von mir selber nicht. (Neudruck S. 4 f.) Drumb nembt es an, weil ir habt zeit! 5) Vgl I, 51/60: So wert ir erkennen die warheit. (Neudruck S. 5) e) Vgl.I, 508/509: Dann von der weit an ist nicht erhört worn, Das jemant eim, der plint geborn (Neudruck S. 20). Sünder wie mich mein vater leren thut, 7) Vgl. I, 57/58: Das rede ich euch allen zu gut. (Neudruck S. 5). 8) Vgl. IV, 365/366: Potz! dort kumen si all zwu, Sich, du loser laur und pu! (Neudruck S. 69). 9) Vgl. VI,, 89/90: Wenn ich euch herbring irn saich? Ja, bauer, wen der pruntz ist dun und plaich, (Neudruck S.94). 10) Vgl. V, 271/272: Und geb im vom kuchenrat zwo pfannen, Den gar altn göcker zu eim haushannen. (Neudruck S. 84). “) Vgl. VI, 153/154: Den saufstu milch, so thuts dich plehen. Herr, ich glaib, ihrhabts in derprackigsehen. (Neudr. S. 72). Der praut und preutgam so will ichs bringen. u) Vgl. V, 11 /12 : Potz! dort thuts öls doher dringen. (Neudruck S. 75). 1S) Vgl. V, 139/140: Er thut ir ach schir öll nacht fenstern Hinten vorm kuestal umb drenstern. (Neudruck S. 80).

83 Welche Kürzungen — die Zahl der zu langen Verse über­ wiegt bei weitem die der zu kurzen — zur Herstellung der erforderlichen Silbenzahl möglich wären, zeigen Schreibungen wie gmain (I, 380), gwarsam (II, 102), gsetz (I, 359), pheltnus (II, 98), kabt = gehabt (V, 209), khert (VI, 58), bschwert (II, 228), zrissn (VII, 112), auft äugen (I, 337), auft hochzeit (IV, 197), umbpt muter (V, 147). Man muß sich aber hüten, sie zu schwer zu nehmen, da sie in der Volkssprache, an die Probst sich ja oft anlehnt, damals wie heute noch ganz üblich sind. Weit sorgfältiger ist Probst in der Behandlung der Reime. Im allgemeinen überwiegt der stumpfe Reim, der auch oft da auftritt, wo ein klingender erwartet wird, z. B. teifl: zweifl, lebm: gebm, verglimpfn: schimpfn u. dgl. In den Fällen, wo stumpfem Reime ein klingender entspricht oder umgekehrt, ist also wohl der stumpfe beabsichtigt gewesen, z. B. hörn : em­ pören (= empörn) (IV, 311/312); seusecken (= seuseckn) : kleckn (V, 35/36). Die Reinheit der Reime überwiegt, wird aber scheinbar oft auf Kosten der Sprachreinheit erreicht. Es ist auch die dialektische Färbung der Probstschen Sprache zu berücksichtigen, der so schrieb, wie man damals gesprochen hat. Am häufigsten begegnen dialektische Formen im Reime, wo die Reinheit eben dadurch hergestellt wird, z. B. laffen (= laufen): schaffen (III, 95/96); sei: drei (IV, 131 /132); vantasei: drei (VIII, 115/116); pflugch : pruch (V, 117/118) u. a. Oft ist der Reim nur scheinbar unrein, indem er bloß durch Auslassung des Umlautzeichens entstanden ist, was Probst überhaupt sehr liebt, z. B. empörn : horn (I, 364/365). In verschmohen : anfahen (V, 349/350) u. dgl. ist die Unreinheit durch Einführung einer dialektischen Form anfohen leicht zu beseitigen. Reimbrechung ist in den dramatischen Stücken etwas ganz Gewöhnliches, z. B. in I von Szene zu Szene, ja sogar vom 1. zum 2. Akt (V, 116/117); sie fehlt in den drei letzten Szenen (V, 549, 583, 618). Ähnlich verwendet Ackermann in seinem »Verlornen Sohn« *) die Reimbrechung von Akt zu Akt. Auch Sachs führt sie in seinen geistlichen Spielen nicht so *) Ausgabe von Holstein im Litt. Ver. 170. Bd. 1885. 6*

84 genau durch wie in den weltlichen1). Doch auch in den letzteren ahmt Probst seinem Zeitgenossen nicht nach, wenn er sie auch bisweilen passend anwendet. Strenger hält sich Probst an die Regel in seinen Meister­ liedern, wo nicht nur die entsprechenden Zeilen in der Strophe, sondern das ganze Gesätz ebenmäßig gebaut ist. Dialektische Formen treten hier, auch im Reime, zurück, während anderer­ seits, wie im Meistergesang nicht zu vermeiden ist, undeutsche Änderungen der Wortformen, Dehnungen, Anhängung von Silben usw. auftreten, die trotz der strengen Vorschriften des Schul­ zettels doch gestattet gewesen zu sein scheinen. »Meister« ist Probst wohl nicht gewesen, da er keinen einzigen Ton erfunden hat. Als »Dichter« verwendet er vor allem die Töne des Hans Sachs, von dessen 13 Tönen er 9, darunter einen zweimal benützt hat. Die übrigen von Probst verwendeten Töne, die sich alle auch bei Sachs finden, schließen sich im Schema eng an das bei diesem Überlieferte an. VI. In dem nun folgenden Abdrucke der Lieder und Sprüche Probsts wurde die Regellosigkeit der Rechtschreibung zu beseitigen gesucht, so vor allem die vielen Konsonanten­ häufungen und Verdopplungen vereinfacht, die wiederholte Schreibung des i durch y, des u durch v abgeschafft und dgl. Die Dehnungszeichen wurden, um ihren Gebrauch in ein System zu bringen, nach dem heutigen Gebrauch gesetzt. Bei verschie­ dener Schreibung desselben Wortes, namentlich in bezug auf die Mitlaute b und p, d und t, g und k, f und w und die Doppellaute wurde die gewählt, welche sich dem heutigen Sprachgebrauche nähert. Wo das Umlautzeichen fehlte, wurde es ergänzt. Rein dialektische Wendungen blieben möglichst unverändert. Die ganz willkürliche Setzung der Anfangsbuchstaben wurde geregelt, indem nur die Vers- und Satzanfänge und die Eigennamen groß geschrieben, sonst ausnahmslos kleine Anfangsbuchstaben ver­ wendet wurden. Die Satzzeichen, die in der Handschrift fehlen, wurden nach dem heutigen Gebrauche einzusetzen gesucht. *) Vgl. Rachel, Reimbrechung und Dreireim bei Hans Sachs. burg 1870, S. 19.

Frei­

85 Die Reihenfolge der Stücke, wie sie in der Handschrift besteht, wurde insofern geändert, als das stofflich Zusammen­ gehörige zusammengestellt wurde. Es entsprechen also die Nummern Ausgabe 1 — 8 | 9 j 10 | 11 | 12 | 13 — 23 j 24 | 25 > 26 | 27 — 28 Handschrift 1 — 8 ; 22 j 9 | 10 | 26 | 11 — 21 j 23 | 23 | 24 j 27 —28 Bl. 82a.

Ein schön meistergesang von den drien toten, die Christus erweckt hat1) [Nr. 1]. Im überlangen [ton] Hans Saxen.

1. Drei wunderzeichen uns die schrift vereinet Von Christo, wie Auf erden hie Der herr verbracht. Drei toten macht Er wieder lebendig; uns solchs berichte Erstlichen das Klärlich2) Lucas, Am siebeten Tut beschreiben: Als Christus in die stadt Nain hingienge Und mit ihm war Ein große schar Seiner jünger, Indem man her Trug einen toten aus der stadt, Der war ainzich ein sun3) einer witfrauen. Bei der bor4) die mutter herzlich weinet Umb ihren sun, Als solches nun Jesus ersach, \ Zuhand5) er sprach Zu dem weib: »Schweige du und weine nichte!«

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*) Quelle: Lucas VII [Der Jüngling zu Nain]; Math. IX, Marc. V, Luc. VIII [Jairus Tochter]; Joh. XI [Lazarus]. 2) klar. 8) Sohn. 4) Bahre. 6) auf der Stelle.

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Und gieng hinzu, Sprach: »Jüngling du, Rieht dich auf!« und Bai zu der stund Der jüngling das leben wieder empfienge. Wohl an dem ort Gab Christus fort Der mutter sein Den jüngling fein. Das volk sich wundert ob der tat; Ein forcht1) sie ankam das wunder zu schauen. 82h Ein ander wunderzeichen Tät Christus auch desgleichen, Mathäus am neunten tut uns erklären; Also von diesem wunder Schreibt Marcus auch besunder, Am fünften kapitel tut uns bewähren2); Lucas am achten schane3) Zeigt die Geschieht auch ane. Also das wunder drei texte betriffte, Das Christus der herr täte. Wie dann geschrieben stehte Von ihm klärlich in der heiligen schrifte Frei, höret ein oberster in dem lande Wohl von Christo. Der kam also In großer not, Wann im was tot Sein tochter, und fiel vor dem herren nieder Und sprach zu ihm: »Herr, mich vernimm! Mein tochter leit4), Gleich diese zeit Is5) sie gestorben. Aber kumb6) zuhande. *) Furcht. *) beweisen, dartun. 8) schön. *) liegt. 5) ist.

®) komm.

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87 Herr, du mit mir Und lege ihr Wohl an dem end') Auf sie dein händ Und hilf ihr, herr, durch deinen rat! So wird mein tochter auch lebendig wieder«.

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2.

83a

Do der oberst von Christo solchs begehret, Gewähret er ihm, Ging mit ihm hin Bai in sein haus Höret mit braus*2) Die pfeifer und das getümmel behende. Der herr mit gier Sprach: »Weicht von ihr! Das maidlein ist Nicht tot, das wißt! Sünder es schläft.« Das volk verlacht ihn sehre; Das volk fürbas Austrieben was. Der herr allein Ergriff da fein Bei der hand, das maidlein aufstund. Das gerüch3) erschall in dem land gar ferre. Johannes der ewangelist erkläret Die dritt geschieht; Am alften spricht: »Jesus nit weit War zu der Zeit Vor der stadt Bethania. An dem ende, Da sprach Christus: »Der Lasarus Ist gestorben. Kumbt, laßt uns gehn, *) auf der Stelle. 2) Lärm, Tumult. *) Gerücht.

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83b

Auf daß sich der glauben in euch mehre. Als Christus kam Und da vernahm Das volk in klag, Am vierten tag Lasarum tot im grabe fund. Bai tät das groß wunder Christus der herre Und da sein kraft beweiste; Ergrimmet da im geiste Und sprach: »Wälzlet1) ihr den stein von dem grabe!« Das volk tät also bale, Was ihn Christus befähle, Und hüben den stein von dem grab herabe. Als das volk stund davore, Da hub Christus empöre Seine äugen und spräche: »Vater meine, Dir sei lob und danke geben, Daß du mich erhörst eben! Doch erhörst du mich allzeit doch alleine, So tu ichs doch dem volk alles zugute, Auf daß sie nun Gelauben tun, Daß du hast mich Gesandt.« Als sich Der herre Christus die red vollendet hätte, Er bal darnach Laut rueft2) und sprach: »Lasarus kumb Raus wiederumb!« Und Christus also mit rechtem mute Den geist empfing Und wieder ging Aus dem grab fort Wohl durch das wort, Das Christus tät. Nun merk den grund, Was von den geschichten weiter geschrieben stehte. *) wälzet. 2) ruft.

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3. Hie bei den schön klärlichen wunderzeichen, Da sollen wir Mit herzengier Betrachten wohl, Wie ein Christ soll Nicht allein auf die großen wunder sehen, Sünder auf das, Wie gott an1) maß Geneiget ist. Das merkt und wißt, Daß er solchs hat getan von unsertwegen, Daß unser glaub Nit werde taub, Sünder sich mehr In rechter lehr. Wie uns Christus befohlen hat, Daß wir ihm sollen glauben und vertrauen, Wie ihm alle ding möglich2) sind desgleichen. Sünd, höll und tod, Das müß auch gott Gehorsam sein, Vor ihm allein Weichen, wann sich Christus tut zu uns nähen.3) Und durch sein wort Lernen wir fort, Wie daß Christus Mit Überfluß Unser in aller not tut treulich pflegen. Wer ihn anruft Derselbich prüft Des herren macht. Darumb betracht, Wie gott durch sein himmlischen rat Für uns sorgt und auf uns tut stätig schauen! *) ohne. 2) möglich. 3) nähern.

130

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84b

Darumb sollen wir eben Uns in Christum ergeben Von rechtem gmüt und auch von ganzem herzen, All unser not fürtragen Und an gott nicht verzagen! 165 Dann er ist, der uns erlöset aus schmerzen. Wer von herzen begehret Genad, der wird gewähret. Wer aber an gott tut gelauben nichte, Derselb hat schon auf ihme 170 Den zoren gottis grimme1) Und ist auch schon auf ihm hie das gerichte. Die aber glauben auf des herren güte Und bleiben stät2) In dem gebet, 175 Die haben schon Von gott fortan Den arm des herren, der sie tut bedecken In fried und ruh Und gibt darzu 180 Sein heiling3) geist, Welcher uns weist Den rechten weg und uns allzeit behüte Und wohnt uns bei Mit gnaden frei. 185 Auch nach der zeit In ewikeit Wird Christus uns durch sein wohltat Am jüngsten tag uns durch sein freuden auferwecken. Ein lied im neuen ton Hans Saxen [Nr. 2]. Der Philippus mit dem mohrn.4) 1.

In der geschieht der apostel, da steht, Lucas am achten kapitel tut sagen, *) grimmig. a) beständig, fest. 3) heilig. Quelle: Apostelgesch. VIII [Bekehrung des Kämmerers].

4)

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85a

Wie des herrh engel erschien Dem Philippo und er auch zu ihm spräche: »Steh auf! Geh gegen mittag auf die Straße!« Und Philippus stund auf zuhand. Er tat, Wie ihm des herren lehr tat geben Und er gieng auf die Straße hin Und sich1) ein mann, der war aus mohrenlande, Ein kämmerer und ein gwaltiger wasse2) Der kunigin Kandackes; der War kämmerer über ihr schätze gare. Und als gen Jerusalem er Auch anzubeten dahin kummen3) wäre Und er zog wiederumb heim fort Und an dem ort Saß auf seinem wagen und er las eben Den propheten Esaiam, In dem da kam Philippus durch geist zu dem wagen Und höret, daß der mohr las an dem end Den propheten Esaiam. Zuhande Philippus trat zu ihm behänd,4) Sprach: »Verstehst du, was du liest?« und darnache Antwurt der mohr, der auf dem wagen säße:

5

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2.

85b

»Wie kann ich das verstien?5)« und er bat ihn, Sprach: »Tritt herauf zu mir auf meinen wagen!« Und Philippus zu ihm aufstieg. Den texte tut Esaias beschreiben An dem dreiundfünfzigsten ganz klare, Spricht: »Er ist wie ein schaf geführet hin Zu der Schlachtung gar in den tod elende Und wie ein duldigs6) lämmlein schwieg Vor seinem scherer still demütigleiche, Hat er nit aufgeton 7) sein mund fürwahre; *) sah. 5) verstehen.

2) Vasall. 6) geduldig.

3) gekommen. 7) aufgetan.

4) schnell.

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92

Und auch in seiner niedrikeit, Da ist auch hoch erhaben sein gerichte. Wer will erzählen alle zeit Seins lebens lang?« Und darnach weiter sprichte: »Auch ist genummen von der erd Sein leben wert.« Der mohr fraget Philippum an dem ende, Von wem solches der prophet red. Philippus tät Auf seinen mund, tat ihm die schrift hersagen, Fieng an und prediget ihm gottes wort, Verkündt ihm von Jesu und seinem reiche. Als sie zogen die straße fort, Tät Philippus also bei ihm bleiben. In dem sie zu einem wasser kamen dare.

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3.

86a

Sprach der mohr: »Sieh, da ist wasser! Nun, was Hindert mich da, daß ich getauft müg1) werden?« Philippus aber zu ihm sprach: »Glaubst du das von ganzem herzen gare, So mag es sein, daß ich dich tauf alleine.« Und der mohr sprach: »Ich glaub gänzlich, daß Jesus Christus sei wahrer gottes sune,« Hies halten sein wagen darnach. Sie auch von dem wagen stiegen herabe Und sie beid traten in das wasser eine. Und da taufet Philippus ihn. Als sie aus dem wasser stiegen allbeide, Da zuckt2) der heilig geist hin Den Philippum; der nahm also abscheide Und ihn sach auch der mohr nit mehr. Fröhlich zog er Wieder sein straß. Da ward Philippus nune Gefunden in der stadt Asdot, Wandlet ihn gott b möge. 2) ergriff.

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93 Durch seinen geist und er lehrt mit begerden, Durch alle städt herumb tät predigen Das wort Christi rein durch des geistes gäbe, Bis er kam gen Cäsarien. Also endt sich der texte also klare. Herr send uns auch also dein geiste reine! 86b

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Ein lied in der gsangweis Hans Saxen [Nr. 3j. Von der urständ Christi.1) 1.

Am vierundzweinzigisten klar Lucas beschreiben tute, Wie die jünger waren allein Mit gar verzagtem mute. In hüte 5 Redten sie von der urständ Christi mit bgir. Indem Jesus zu ihnen kam, Wünscht ihn fried an dem ende. Aber der jünger glaub war klein, In forcht meinten behende 10 Elende,2) Es wär ein geist. Da sprach Jesus: »Was gedenket ir? Wie ist sogar betrübt eur herz und sinne? Fürcht euch nicht, sunder sehet hie Meine händ und füß und gelaubt forthine, 15 Daß ein geist kann nicht haben je Als wie Ich fleisch und gebein, wie ich vor euch bine!« Aber bei den jüngren da war Der gelauben noch schwache. 20 Christus aber mit Worten rein Redet mit ihn hernache. Und spräche: »Habt ihr zu essen, so tut solches reichen mir!« *) Quelle: Lucas XXIV [Auferstehung Jesu]. a) ganz verlassen, völlig hllfslos und beklagenswert.

94 2. 87a

Nachdem sie ihm fürlegten nun Von eim gebratnen fische Und honigseims, doch ihr glaub gar Klein war, in wunderfrische Am tische Aß Jesus mit ihn und zeigt ihn die schrifte an. »Das sind die wort«, er zu ihn sprach, »Die ich euch sagen täte, Dieweil ich auch noch bei euch war«, Wie dann geschrieben stehte, Und redte: »Es muß hie alles gar erfüllet werden schan, Was im gsetz Mose und propheten eben, Auch in psalmen beschrieben ist«. Also tät er ihn das verständnus geben, Verstunden die schrift zu der frist. Nun wißt, Mußte nit Christus leiden und sein leben Also lassen und gottes sun Wieder am dritten tage Aufferstien? Merkt hie also klar Die wort, so ich euch sage! Ohn klage Wird man durch sein namen verkünden jedermann

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3.

87b

Die büß und Vergebung der sünd Gar allem volk gemeine Zu Jerusalem heben an. Des sollt ihr zeugen sein! Gar reine Will ich euch senden die Verheißung gottes zart1). Ihr bleibt zu Jerusalem hie, Eurer keiner nit weiche, Bis ihr allsam werdt angetan Mit kraft aus meinem reiche! *) lieb, wert.

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95 Geleiche Sie hinaus führt. Als er zu Bethania ward, Hub er sein händ auf und sie segnen tat, Fuhr auf gen himmel angenehm. Sie ihn alle anbetten an der stätte, Giengen hin gen Jerusalem, Nachdem Ein jeder jünger große freude hätte. Dem volk ward da durch sie verkündt, Als wie sie Christus lehret. Herr send uns auch dein geiste schan, Der dem Unglauben wehrt, Mehret Den glauben, der uns führt zu solcher himmelfahrt!

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Ein lied in dem klingeten ton Hans Saxen [Nr. 4]. Der hundert und alfte psalmen1). Der hundert und alfte psalmen so klare David rühmet und singt mit ziere2) Und danket gott von herzen Im rat der aufrichtigen gemeine. Er spricht: Groß sind des herren werk, auch gare 5 Sucht er, die lust haben mit giere 88a Zu seim lobschmuck ohn schmerzen. Dann sein gerechtigkeit bleibt ewig reine, Wann er hat wohl btrachte, Ein gedächtnus gemachte 10 Seiner wunder der gütig herre. Er gibt mit fleiße Auch denen speise, Die ihn fürchten allzeite. Er denk ewig an sein bund offenbare, 15 Sein kraft von seim volk ist nit ferre3) Und durch sein herrlichkeite Gibt er ihn das erb der heiden alleine. ) Quelle: m. Psalm. !) in der gebührenden Art und Weise.

3) ferne.

96 2.

88b

Hie hört die auslegung des psalmen reine! Erstlich die danksagung hie merket, Daß der gottselig eben Allzeit lobt und preist gottes gnad und güete! Die sind die aufrichtigen der gemeine Und der schmuck, welche gott hie stärket Also in ihrem leben, Daß sie gott anrueften aus rechtem gemüete Und ihm allein vertrauen. So tut gott auf die schauen, Welche lust und begierde haben Zu seinem worte; Die speist er forte Herrlich und sie erleuchtet Durch sein kraft, das sind nun die werte alleine, Die uns den leib und die seel laben, Mit seinem geist durchfeuchtet, Welcher uns vor allem übel behüete.

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3.

89a

Er gedenk auch ewig an seinen bunde, Den er für die sünd machen täte In dem verheißnen samen Durch den heiland Jesum Christum alleine, Der für uns tod, höll, teufel überwunde. Darvon David hie klärlich redte, Daß wir durch seinen namen Erledigt sind aus aller not und peine Durch sein gerechtigkeite. Auch wird er allezeite Sein kraft der werk gedächtnus eben Seim volk anzeigen, Geben zu eigen Das erb der heiden schane Und seinem volk das heil hie machen künde. Das ist, daß wir nach diesem leben In freud ewig fortane Mit allen auserwählten leben reine.

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97 Ein lied im bewährten ton Hans Saxen [Nr. 5]. Die hochzeit zu Cana in Galiläa.1) 1.

89b

Johannes der evangelist Am andren kapitel allda Schreibt: Als die hochzeit gwesen ist Zu Cana in Galiläa, Darauf die mutter Jesu geladen was und 5 Jesus, auch sein jünger man gladen hätte. Als es aber an wein gebrach, Spricht die mutter Jesu mit gier: »Sie haben keinen wein.« Da sprach Jesus: »Was hab ich, weib, mit dir 10 Zu schaffen, denn es ist noch nit kommen mein stund?« Bai sein mutter den dienern sagen täte: »Was er euch sagt, das tut bal an dem ende!« Es waren aber da gesetzt mit fleiße Sex steine2) wasserkrüg wohl an dem orte 15 Nach der jüdischen reinigung und weise. Und Jesus darnach befahlch ihnen forte:3) »Füllt die wasserkrüg mit wasser behende!« Und sie fülltens bis oben an. 20 Er saget zu ihn: »Schöpfet nun Und bringets dem speismeister schan!« Als sie solches hätten getun,4) Der speismeister kostet den wein und da empfund5) Den, der vor was wasser gwest, an der Stätte. 2.

West6) doch nit, von wann kam der wein; Aber die diener westens all, Welche das wasser schöpften ein. Da ruefet der speismeister bal Dem bräutigam und sprach: »Ich verwundere mich. *) Quelle: Johannes II. 2) steinern. 3) weiter. 4) getan. 5) nahm wahr.

6) wußte.

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Jedermann tut zum ersten gut wein geben Und wann sie trunken worden sind, Alsdann bringt man ein gringen dar. Aber ich da an dir befind, Daß du den guten wein fürwahr Hast also behalten bisher, das merke ich.« Nun hört der geschichte auslegung eben! Das ist das erste wunderzeichen gewesen, Welches Christus der herre hat getane, Zu Cana in Galiläa geschehen. Gott sein herrlikeit offenbart schane. Als solches seine jünger täten sehen, Glaubten sie an ihn, als wir im text lesen. Also nun bei dieser hochzeit Sollen wir bedenken zuhand, Wie daß durch gottes herrlikeit Geehret wird der ehlich stand. Dann gott an dem hat ein gefallen eigetlich, Wann man recht und christlich darin tut.

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3.

Dann gott den stand hat selbst eingsetzt Im anfang, als er schuf die weit: Adam und Eva er zuletzt Gab zusammen, als die schrift meldt, Und segnet sie bede durch sein heiliches wort Und gab ihn gwalt über alles auf erden. Also segnet gott noch den stand, Wo er christlich gehalten wird, Und machet sein wunder bekannt, Sein kraft noch öffentlich regiert; Denn er sorget für uns herrlich an allem ort Und hilft, wo wir sein in not und gefährden. Darumb sollen wir allein auf gott schauen, In allen nöten anrueffen und ehren Und ihm kein maß noch zeit1) darzu nit geben! 5 Termin.

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90b

So wird er unser nahrung allzeit mehren, Uns nicht mangel lassen in unsrem leben, Wann wir nur gott von herzen tun vertrauen. Darumb, o herr, so steh uns bei! Hilf uns, herr, durch dein herrlikeit In not, anfechtung mancherlei! Stärk unsren glauben allezeit, Daß wir durch dich erhalten werden hie und dort, Ewig in freud mit dir vermähelt1) werden!

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Ein lied im rosenton Hans Saxen [Nr. 6). Von dem, so unter die Mörder gefallen ist.2) 1.

91a

Lucas beschreibet uns gar feine Am zeheten kapitel reine, Wie ein schriftgelehrter verrucht Christum, gott den herren, versucht. Sprach: »Meister, was muß ich tun eben, 5 Daß ich ererb das ewig leben?« Christus sprach: »Wie steht im gsetze gschrieben?« Der schriftgelehrt sprach: »Du sollt lieben Gott, dein herren, aus herzengrund, Von ganzer seel, auch kräften und 10 Dein nägsten als dich selber gare Auch von herzen lieben fürwahre. Christus sprach: »Recht ist dein antwort. Geh hin und tu desgleichen fort, So wirst du leben!« Der herr redte, 15 Der schriftgelehrte aber täte Sich selbst rechtfertigen und wollt, Daß ihm Christus auch sagen sollt. »Wer ist mein nägster?« er tät fragen. Christus ihm ein gleichnus tät sagen: 20 1) vermählet. 2) Quelle: Lucas X [Der barmherzige Samariter].

7*

100 2.

»Ein mensch von Jerusalem gienge Hinab gen Jericho. Da fienge Den die mörder, schlugen ihn hart, Zugen ihn aus wohl an der fahrt*). Sie ihn ließen liegen halb tote, Gingen darvon, der lag in note. Es begab sich, daß ungefähre Ein priester zoch die Straße. Da ere Kam an die stätt und diesen sach, Ging er fürüber; und darnach Zoch ein levit, der sach auch ihne An der straß, der ging auch fürhine2). Ein samariter reisen tät Und als er kam auch an die stätt, Da dieser mensch an dem weg läge, Erjammert er ihn und sein pflage; Verband ihm auch die wunden sein, Goß ihm darein auch öl und wein, 91b Darnach ihn auf sein tier auch nähme, Führt ihn, bis er zur herberg käme

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3.

Des andern tags er reisen wollte, Gab dem wirt zween groschen, er sollte Dieses verwundten pflegen schan; Und was er weiter wür3) dar tan, Wollt er ihms zahlen angenehme4), Wann er wiederumb zu ihm käme. Nun sag du mir wieder darbeie, Welcher ihm der nägst gwesen seie, Dem, der von mördern geschlagen ward!« Der schriftgelehrt antwurt an der fahrt: »Der war ihm am nägsten geneiget, Der an ihm die wohltat erzeiget.« Christus ihm wiederumb antwurt: »Geh hin und tu auch also fort!« *) Weg.

*) vorbei.

8) würde.

4) gerne.

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101

Nun merkt bei diesem texte eben, Was uns für lehr dardurch sind geben! Wann wir uns achten gerecht, frumm Und wollen treten für Christum, Als müß es uns gelten vor gotte, So werden wir darob zu spotte 4. Und geht uns eben auch zuletze 92a Als dem schriftglehrten, welchers gsetze Vermeinet, er hielts wohl und recht. Christus sagt ihm die gleichnus schlecht1), Welche der schriftgelehrt verstünde, Daß er das gsetz nicht halten kunte. Nun müß wir aber merken eben, Warumb uns dann das gsetz sei geben, Dieweils kein mensch nicht halten kann. Uns wird darmit gezeiget an, Daß wir darin lernen mit fleiße Was dient zu gottes ehr und preise. Dann das gsetz von uns fordren tut, Daß wir von herzen, sinn und mut Gott und den nägsten lieben sollen. Wann wir uns dann probieren wollen, Ob wir halten das erst gebot, So find wir nichts dann sünd und tod; Darnach das gwissen mk uns ringet, Uns zu rechter erkanntnus bringet,

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5.

Daß wir zu gott laufen und schreien: »O herr, hilf und tu uns verzeien All unser sünd und missetat!« Wann nun gsetz solchs gewürket hat, Daß sich ein Christ bekennen muße, 92b So folgt hernach die reu und büße Und wird also der mensch verneuet, Daß er sich gottes gnade freuet, *) gerade, geradezu, schlechterdings.

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Sucht hilf und trost bei ihm allein. Dasselb auch die rechten werk sein, Dardurch wir nun alle geleiche Erwerben auch das himmelreiche. Dann Christus uns aus aller not Erlöst hat, aus sünd, höll und tod, Dann er für uns gestorben iste. Wann nun solches gelaubt ein christe, Daß er allein gerecht und frumm Wär durch unseren herren Christum, So wird ihm auch durch Christum geben Nach dieser zeit das ewig leben.

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Ein lied in Hans von Mainz freudweis [Nr. 7|. Vom kunig, der mit seim knecht rechnung hielt.1) 1.

Mathäus am achzeheten Lesen Wir, wie Christus klärlich tut kund, Spricht: »Es ist gleich Das himmelreich Eim künig, der wollt rechnung han Mit sein knechten. Als er anfing, Dar ging 93a Ein knecht, der zehentausend pfund Ihm schuldig was, Und als er das Seim herren nicht bezahlen kann, Hieß ihn sein herr verkaufen in der statte Ihn und sein weib, kind und was er hätte, Und ihn bezahlen. Der knecht gar Fiel dar Für ihn, bet ihn an zu der stund, Sprach: »Hab geduld, Herr! Diese schuld Will ich dir alle zahlen schan«. *) Quelle: Matthäus XVIII [Gleichnis vom Schuldner].

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103 2. Da jammert den herren der knecht, Ließ schlecht1) Ihn los und auch die schulden sein. Der knecht zuhand Ging aus und fand Seiner mitknecht ein, der ihm ist Hundert groschen schuldig fürwahr. Der gar Den angriff, würget ihn und kein Erbarmung hätt, Sprach an der statt: »Bezahl, was du mir schuldig bist!« Dieser bat ihn und sprach: »Hab du mit mire Geduld, ich will alles bezahlen dire!« Er wollts nicht tan, sunder ging hin Warf ihn Grimmig in das gefängnus ein, Bis er ihm, das Er schuldig was, Alles bezahlt, gab ihm kein frist. 3. 93b Da solchs sahen sein mitknecht all, Gar bal Sie betrübt hingingen fürwahr Zum herren, schan Ihm sagten an Die ding, was sich begeben hätt. Der herr fordert den knecht zu ihm: »Vernimm, Du schalk! Die schuld tät ich dir gar Nachlassen ich, Weil du bats mich, Bai ich mich dein erbarmen tät. Warumb täst dich nicht erbarmen alleine Über deinen mitknecht als ich mich deine?« *) gerade, geradezu, schlechterdings.

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104

Sein herr zornich überantwort Ihn fort Zu den peinigeren bal dar, Bis ihn der knecht Bezahlet schlecht. Nun merkt die lehr, wie hernach steht!

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4.

Erstlich deutet der text gar fein Allein Auf Christum, unsren herren wert, Der in geduld All unser schuld Uns nachlassen will alle zeit, Wann wir unsrem nägsten guts tan Und van1) Herzen ihm vergeben auf erd. Aus rechter gier Sollen auch wir Gegen ihm tragen keinen neid, Sünder unsren nägsten lieben von herzen. So will uns gott auch bewahren vor schmerzen 94a Und uns kein schuld nit rechnen zu. Und wu2) Wir solches tun, wie gott begehrt, Nach seinem wort, Werden wir fort Mit ihm leben in ewikeit.

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5.

Darnach Christus noch weiter spricht: »Wer nicht: Seinem nägsten vergeben tut Aus herzengrund Zu aller stund Seine missatat allesam, Dem wird auch nit vergeben sein Und kein *) von.

2) wo, wofern.

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Teil haben am ewigen gut Und nach der zeit In ewikeit Auch leiden in ewiger flamm. Darumb ist uns auch der text fürgeschrieben, Daß wir einander auch von herzen lieben, Wie Christus uns geliebet hat, Aus gnad Uns erlöset mit seinem blut Und uns darbei Gemachet frei, Dann unser schuld er auf sich nahm.

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Ein ander lied in des Hans von Mainz freudweis [Nr. 8]. Das weiblein im ehbruch.1) 1.

94b

Johannes beschreibt ein geschieht, Bericht Uns das achte kapitel klar, Wie Jesus stund Im tempel und Lehret die juden allgemein. Die brachten da ein weib zu ihm: »Vernimm, Meister, das weib man offenbar Begriffen2) hat Auf frischer tat An dem ehbruch, so gar unrein. Nun hat Mose uns geboten im gesetze, Solche zu versteinigen« ; und zuletze Sie Jesum fragten: »Was sagst du Darzu ?« Wann die juden täten ihn gar Mit listen arg Versuchen stark, Ihn zu fangen in Worten sein. *) Quelle: Joh. VIII [die Ehebrecherin].

!) ergriffen.

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2.

Jesus merkt ihren falschen sinn, Vor ihn Er sich neigt und schrieb auf die erd. Die juden all Anhielten bal, Ihn zu fragen wohl an der statt. Und Jesus sich aufricht darnach Und sprach: »Welcher ist unter euch so wert, Der ohn sünd sei, Werf auf sie frei Den ersten stein!« Jesus das redt. Darnach er sich wiederumb neiget nieder, Schrieb auf die erden vor den Juden wieder, Und als die juden hörten das, Fürbaß Keiner zu fragen mehr begehrt, 95a Sünder sie gar Giengen fürwahr Hinaus, ihr keiner bleiben tät.

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3.

Und ließen da Jesum allein Gemein,1) Das weib auch also vor ihm stan.2) Jesus aufsach, Zum weib er sprach: »Wo sind, die dich verklagten sehr? Hat dich verdammet hie niemand Zuhand?« Sprach das weib: »Herr gar niemand schan.«3) Jesus sprach: »Ich Verdamm nit dich. Geh hin und sündig fort nit mehr!« Also ist nun Christus in die weit kummen Und hat auch viel der Sünden aufgenummen *) alle.

*) stehen,

3) fürwahr.

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107 Und will auch noch aufnehmen die, So hie Buß tun und an ihn glauben tan1) Von herzen frei. O herr, dir sei Ewig groß lob, preis und auch ehr!

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Ein schön osterlied im langen ton Nachtigall [Nr. 9]. Der dritt Psalm David.2) lila

l.

Hört, wie im dritten psalmen eben Der heilige David zu gott rufet aus rechtem glauben: Ach, herr, wieviel sind, die mein leben Hassen und sich wider mich setzen wollen, mich betäuben, Sagen mit quäl3) 5 Von meiner seel: »Er hat kein hilf bei gotte.« Doch bist du, herr, für mich der Schilde, Der mich zu ehren setzt und mein haupt auch aufrichten tute. Ich will mit meiner stimme milde 10 Den herren anrufen, so wird mich erhören der gute Vom heiligen Berge und wenn Ich schon lag in dem tode. Ich lag und schlief und bin erwacht. 15 Der herr enthielt4) mich, daß ich nit fürcht, keines Volkes höre, Die sich umbher in einer schiacht Widermich legen; dann du bist mein rechter schütz und wehre. Auf, herr, und hilf mir, mein gott, bale! Dann du schlägst mein feind auf den backen, zerbrichst ihr zähn alle 20 Und nur allein Das volke dein Errettst du aus der note! *) tun. 2) Quelle: 3. Psalm [Gebet und Trost Davids wider seine Verfolger]. 3) Qual oder verkürzt aus: quälen. *) erhielt.

108 111b

2.

Hie hört, wie klaget der prophete Über sein feind, daß sie sagen, er hab kein hilf bei gotte! 25 Mit den worten klärlich verstehte, Daß sie bedeuten Christum, der auch leiden mußt den tode! Da schrieren1) all Sein feinde bal: »Er ist verlassen gare. 30 Er hat allweg2) auf gott vertrauet, Der helf ihm- nun!« Solches mußt Christus auch am kreuze hören. Gott den tempel wieder aufbauet. Am dritt tag erstund Christus und tät ihr freud zerstören. Also David 35 Uns lehrt hiemit Auch in den Worten klare, Da er spricht: »Herr, du bist allein Mein schild, durch den mein haupt auch wiederum wird aufgerichte. Ich will mein stimm erheben rein. 40 Das ist, daß wir gott anrufen und an ihm zweifeln nichte. Ich lag und schlief und bin erwachte. Da wird der leiblich tod ein schlaf genennt, durch den mit machte Ist gottes sun Gedrungen nun 45 Und erstanden fürwahre. 112a

3. Darnach der prophet weiter sprichte: »Herr, hilf mir, dann du schlägst mein feind auf den backen im zoren3) Und verschonst der gottlosen nichte, Zerbrichst ihn ihre zähn und ihr anschläg sind auch verloren.4) 50 *) a) 8) 4)

schrien. immer. zorn. verdorben.

109 Erhälts allein Das volke dein Und läßt sie nicht verderben. Bedeut, daß gott hat überwunden Sünd, tod, höll, teufel und all unsre feind, von den wir waren 55 Umblägert1) und von ihn gebunden. Gott errettet uns vor ihn, daß uns nichts kunt widerfahren. Aus solcher not Erlöst uns gott Durch sein leiden und sterben. 60 Dem sei lob, ehr in ewikeit, Der uns so genädig erlöset hat aus allen schmerzen, Dem sollen wir zu jeder zeit Sagen groß ehr und preis, auch ihm danken von ganzem herzen Und seiner urständ2) alle freuen, 65 Ein jeder Christ von sünden abstien3) und sein herz verneuen Mit gottes wort, Auf daß wir fort Ewig freud erwerben!

Ein schön geistlich kirchengesang im ton [Nr. 10]. Erhalt uns, herr, bei deinem wort! Sambt eim kurzen nachgesang, auch in dem ton, so nach »Erhalt uns, herr« gesungen wird.4) 1.

95b

O herr, beweis uns dein genad Und wehr aller tyrannen rat, Die uns durch ihren gift und mord Wollen dringen5) von deinem wort! *) 2) 3) 4) 5)

umlagert. Auferstehung. abstehen. Vorlage: Luther. drängen, abbringen.

110

2.

Errett uns, herr, vor aller gfahr Und vor allen feinden bewahr, O herr, dein arme Christenheit! Mit deiner macht, herr, für uns streit! 3. Steh uns bei, o herr Jesu Christ, Denn du allein der herre bist, Der unsre feind wohl stürzen kann! Streits du für uns, wer will uns tan! Stärk uns durch In rechtem glauben Daß wir bständig1) Nicht fürchten höll,

4. dein heiligen geist allermeist, sein in der not, teufel, noch tod!

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5.

96a

Herr, wir rufen herzlich zu dir, Gib uns den sieg, das bitten wir! Herr, durch dein wort zu aller zeit Erhalt uns, herr, in ewikeit!

20

Das nachgesang. Verleih uns, herr, daß wir bestehn, Herrgott, in unsren nöten! Sei unser schütz und wehre den, Die uns grimmig wollen töten! Du bist unser trost alleine.

25

Ein ander kirchengesang, eh dann man anfecht2) zu predigen in der kirchen, zu singen im ton [Nr. 11]b Kumb heiliger geist, herre gott!3) Herrgott, wir bitten allermeist, Sende uns deinen heiligen geist In unser herz, daß wir dein heilichs wort Annehmen in rechtem gelauben fort *) standhaft.

2) anfängt.

8) Vorlage: Luther.

111

Und darnach leben allezeit Durch Jesum Christum in ewikeit! Daß dich fort preisen alle zungen, Das sei dir, lieber herr, zu lob und ehr gesungen. In deim namen Sprech wir amen.

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133a Ein schun geistlich lied in allen anfechtungen [Nr. 12] zu singen, im ton: Ach, gott von himmel, sich darein1) Und laß dich das erbarmen!2) 1.

O herrgott, wir rufen zu dir, Du wollest uns erhören! In aller not und gfar, da liegen wir, Die weit tut sich empören Wider dein heiligs wertes wort, Da erhebt sich krieg, brand und mord Über die armen Christen.

5

2.

Neid, haß, teurung, auch pestilenz Haben uns hart umbrungen. O herr, ist es dein will, so wends, Wehre des satans zungen, Der in der ganzen weite weit Verderbet sehr die Christenheit Mit seiner argen listen! 133^

3. Straf uns, herr, nicht in deinem grimm, Wend von uns deinen zoren! Zu gnaden uns, o herr, aufnimm, Dann wir sind sunst verloren! Kein trost, noch hilf haben wir sunst Dann nur deiner genaden gunst, Die wirst uns nicht versagen. *) sieh. 2) Vorlage: Luther.

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4. Dann du bei gott, dem vater mild, Durch deinen tod so herben Sein zoren für uns hast gestillt, Mit deim leiden und sterben Sind wir vom tod, teufel erlöst, Wer sein gewissen hiemit tröst, Der wird auch nit verzagen. 5. Ob schon der leib hie leiden muß, So schadts doch nit der seelen. Die straf, die reizt uns zu der büß, Weist uns ab von der hollen Und führt uns zu der selikeit, Die uns durch Christum ist bereit. Wer des begehrt, sprech amen!

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Hernach folgen etliche weltlich und kurzweilige meistergsang von allerlei meistergsang von allerlei meistertönen, alle durch Peter Probst, spitalschreiber, gedieht. Der erst im gülden ton Hans Saxen [Nr. 13]. Von eim bauernknecht, der buhlet.A) 1.

96b

Nun höret von eim bauernknecht, Einfältig, schlecht, Der buhlet umb ein baurenmaid, Durch die kam er in angst und leid. Vor großer lieb War er gar hart entzündt. Die maid kein gunst2) nit zu ihm hätt, Doch der knecht tät Einsmals kummen umb mittenacht. Es klopfet leis; do sie erwacht, Meint sie, ein dieb Vor dem haus draußen stünd.

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0 Vgl. die im alten Fastnachtspiele beliebte Figur des Liebesnarren [Keller Fastnachtspiele 116,26 f; 117,2of; 119,13 f; 333,1 f.]*) Wohlwollen.

113 Die maid war noch schlaftrunken gar Und nahm ihres buhlen nit wahr, Sünder lief ganz ungestüm dar Zu der haustür Und zuch1) herfür Ein flegel2) schan Und zu dem baurenknecht nauswischt3) Ihn umb die lend und den köpf drischt, Ihn weit umbtrieb, Zuletzt er ihr entrann.

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2.

97a

Die ander nacht er wieder kam. Die maid vernahm Den narren draußen klopfen an, Ganz finster in dem regen stan. Die maid gar bal Ein list erfunden hätt, Damit sie sein mocht kummen4) ab; Ihm antwort gab: »Geh eilends, daß man dich nit spür! Ich will itzt auch naus für die tür.« Zu dem kühstall Sie ihm verzielen5) tat; Vor dem war ein tiefe mistlach. Der knecht kam, weßt nit umb die sach, Ungstüm fiel nein der junge hach6); Darin er lag In not und klag. Die maid hört, daß Er sich im kot umbwälzlet sehr; Sie sprach: »Du narr, nun kumm nit mehr In die mausfall! Geh zum nächsten dein straß ! *) 8) 4) 5)

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zog. 2) Dreschflegel. hinaus schlug. ihn loswerden. eine Zusammenkunft gewähren (ver- bedeutet: um ihn zum besten zu

halten). ®) junger Bursche, Kerl.

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114

97b

3. Der knecht ruefft der maid in dem loch: »Ach hilf mir doch, Dann ich muß sunst verderben hin!«1) Sie sprach: »Ei, bad noch länger drin, Bis daß ich dir Vor ein fleulaugen2) bring!« Dem buhler war sein herz gar schwer, Kroch hin und her, Kam zuletzt raus mit angst und not, Hätt sich beklenet3) in dem kot; Mit solcher zier Und schmach wieder heimging. Also man solch buhler noch findt, Die bal mit lieb umgeben sind; Gien4) schnell hinan, sam5) sind sie blind, Sind toll und raß6), Halten kein maß. Ein ganze nacht Sie umbschlieffen7) all winkel aus, Kummen heim wie ein taufte maus; Darnach man ir Nur darzu spott und lacht.

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Ein ander lied im schatzton Hans Vogels [Nr. 14]. Die buhlerin mit dem geist.8) 1.

Hört von eim gar listigen weib, Die war schön und gerad von leib; *) adv., daß ich umkomme. 2) [Die Bedeutung von »fleulaugen« konnte ich nirgends erfahren], 3) besudeln, beschmieren. 4) gehen. 6) als. 8) scharf, heftig losgehend. 7) umschlüpfen, umschleichen. 8) Stoffliche Berührung mit Boccaccio, Decamerone, übs. von Steinhövel (her. v. Keller). S. 410 Bl. 235a).

115 98a

98b

Ein alten mann sie hätte, Der war gar einfältig und schlecht. Die frau gar falsch und ungerecht Buhlerei treiben täte, Ihren mann überredte Und sprach zu ihm: »O lieber mann, In unsrem haus, do tut umbgan Ein böser geist fürwahre. Der hat mich heint vom schlaf erweckt, Auch gar übel und hart erschreckt; Ich sah ihn sichtig gare, War schwarz und voller haare.« Der mann erschrak und fürcht si1) sehre, Sprach: »Wann nur der geist käm nit mehre!« Die frau wiederumb sprach: »Nun, lieber mann, schweig du nur still! Den geist ich wohl vertreiben will, Ein kunst kann ich darfüre. Etlich nacht zulieb ich ihm wach. Wann ich den geist mehr spüre, 2. So will ich ihn an allen graus Beschwören heint unten im haus. In dem bett sollt du bleiben, Auf daß dir kein schaden geschieht, Wann du was sichst, so reg dich nicht! Mein segen wir2) ich schreiben Und das gespenst vertreiben.« Die frau die sach listig anfing, Heimlich zu ihrem buhlen ging, Saget ihm da alleine: »Ich hab überredt meinen mann, Daß im haus tu ein geist umgan. Nun mußt du der geist seine, Ich der beschwörer deine. Kumb du morgen die ander3) nachte, So will ich haben auf dich achte. 9 sich.

2) werde.

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3) zweite, nächste.

8*

116 Der buhler das vernahm, Die ander nacht er kummen tät, Ein schwarzen rauhen pelz an hätt. Die frau lief bal herfüre Und höret, daß ihr buhlen kam, Sie öffnet ihm die türe. 3. Die frau den geist gar bal beschwur, Untern im haus, niemand erfuhr Ihr beder list und schäme;1) Solches ihr mann kein sorg2) nit hätt, 99 a Darnach den geist sie führen tät, Zu ihrem mann er käme, Dem sie war feind und grame. Der buhler in seim pelzenrock Kroch auf all vieren wie ein bock Mit rat der argen frauen, Stellt sich gleich wie der teufel gar, Dem mann angst in seim bette war, Als er den geist tät schauen, Kam ihm forcht, angst und grauen. Der mann erschrak wohl zu der stunde, Daß er kein wort nit reden kunnte. Indem si darvon schlich Der geist und durch den liste frei Geriet ihn da ihr büberei. Durch das falsch weib verlogen Wur der frumm mann gar listiglich Von ihn beden betrogen. Ein lied in kurzen ton Hans Saxen [Nr. 15]. Von dem vollen bösen mann.3) 1.

Hört wunder von eim bösen mann, der war Allzeit stetig gar voll und trunken gar; *) Schande, Schamlosigkeit. 8) Quelle unbekannt.

2) Besorgnis, Argwohn.

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117

99b

Wann er heim kam, wollt er nur hauen, stechen. Er hätt gar ein frumms weib und doch er Ziech1) die, wie sie ein große bübin war Und mit eim andern mann die eh tat brechen. Das tät sie nit, Hätt gar kein fried Vor ihrem mann, von dem sie viel erlitt. Einsmals die frau dacht, wie sie tät den Sachen. Als ihr mann wieder hinging zu dem wein, Die frau hosen und wames nestlet2) ein, Schob das voll stroh, tät ein mann daraus machen.

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2.

Und ihm auch ein schwert an die seiten hing, Stellt den für die haustür. Als nun heimging 15 Ihr mann ganz voll und sach den an dem ende Und sprach: »Was darfst du stien3) da für mein haus?« Zog in der vollen4) weis4) sein messer raus Und grimmig auf ihn schlagen tät behende. »Seh dir dein lahn!«5) 20 Der ausgfüllt mann Fiel umb, kunnt weder stien noch gan. Der volle mann meint, er hätt den erschlagen; Vor leid er seiner frauen klagen tät, Sprach: »Frau, du mich bei dem leben errett, 25 Hilf mir den toten mann heimlich vertragen!« 3. 100a

Die frau sprach: »Ich hilfe dir nichts darzu. Wann du voll bist, so hat niemand kein ruh. Itzund wir ich nun gerochen an dire.« Der mann schwur seiner frauen einen eid, Sprach: »Mein leben lang ich dir tu kein leid, So du aus dieser not tust helfen mire.« *) zieh. 2) zusammenschnüren, binden. 8) stehn. 4) trunkenen Art, Trunkenheit. 5) Lohn.

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118 Die frau gar klug Heimlich vertrug Den toten mann. Darnach sie nimmer schlug Ihr mann und dorft ihr auch kein bös wort geben, Den totschlag sie ihm sunst aufrupfen1) tat. Die frau fürbaß gar guten friede hätt, Bei ihrem mann darnach mit ruh tat leben.

35

Ein ander lied im kurzen ton Hans Saxen [Nr. 16]. Von dem bösen weib.2) 1.

Einsmals war gar ein frummer mann, der hätt Gar ein bös weib, vor ihr sich der mann tät Schmiegen3) und übel fürchten ihren zoren. Siemann4) war bei ihm eingeritten gar, Die frau in allen dingen herre war. Die bruch5) hätt er im ersten streit verloren, Die frau hätt an Die bruch; der mann 100b Mußt der frauen sein allbeg6) untertan Und er mußt auch spülen, betten7) und kehren. Wann ers nit recht tät alles richten aus, Was dann zu tun war in dem ganzen haus, So tät sie den mann mit eim prügel beren8).

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2. Einsmals der mann solchs sein freunden klagt Und sie all umb ein treue rate fragt,

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5 vorrücken, vor werfen. 2) Prügelrezept für böse Frauen. Vgl. Pichler, Über das Drama des Mittelalters in Tirol, S. 156; Von der Hagen, Minnesinger II, 196 a; Laßberg Liedersaal II, 531; Muskatbluet (Ausg. v. Grote) Nr. 77, 23; Uhland, Volks­ lieder, 281, 6. Hans Sachs, Fastnachtspiele (Ausg. v. Goetze), 26, 390; 49; 64, 273 f.; Ayrer (Ausg. v. Keller) 3085, 10 f.; Mittelniederländische Fastnacht­ spiele (Ausg. v. Seelmann) No. 1; Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts (Ausg. v. Keller) Nr. 114. 8) sich zurückziehen, sich einziehen, klein machen. 4) scherzhafte Benennung sowohl eines Ehemannes, der unter dem Pantoffel steht, als auch seiner Ehehälfte, auch »siman, simandl.« 5) Hose. 6) allweg, immer. 7) das Bett machen. 8) stoßen, schlagen.

119 Wie er bei seinem weib mit ruh tät leben. Seine freund ein guten rat gaben ihm, Sprachen: »Geh heim und einen prügel nimm! Und wann dir dein frau böse wort tut geben, Bai du behend Sie an dem end Bleu gar wohl umb den köpf und umb die lend! Wenn si dein frau dann gegen dir will wehren, So fall ihr dann erst grimmig in das haar, Stell dich, sam wollst du sie erwürgen gar, Tu die stuben auf und ab mit ihr kehren!«

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3. Der mann gieng heim und tät nach ihrem rat. Als er heimkam, das weib bal für ihn trat, Schmächt1) ihn und tät ihm gar sehr übel fluchen. 101a Der mann sich grausam wider2) wehren tät; Die frau das an ihm nicht gewohnt hätt. Der mann lief hin, tät bal ein prügel suchen, Das weib er schlug, Bei dem haar zug, Bis sie schrie: »Lieber mann, es ist genug. Fürbaß im haus solst du sein allbeg herre.« Also der mann durch diesen streit gewann, Daß er vertrieb aus seinem haus siemann, Der noch in manchem haus ist weit und ferre.

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Ein lied in Frauenlobs blütenton [Nr. 17). Von dem geizigen mann.3) 1.

Hört wunder von eim mann, der was Reich und untreu über die maß; Mit geiz, wucher gewonnen hätt Sein gut und zusambracht. Der hätt auch ein sun, der war Mutwillig, ungeraten gar, Was er auftrieb, er alls vertät Gar schändlich tag und nacht. *) schmäht.

2) dagegen.

8) Quelle unbekannt.

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Nun gedacht der geiziche mann: »Weil mir mein sun groß gut wirt an, 101b Ein schätz behalt ich nun, Daß er mirs nicht alles vertut.« Ging heimlich hinaus auf das feld Und nahm mit ihm groß gut und geld, Unter eim bäume an der stätt Er heimlich vor seim sun Eingraben tat groß gut.

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2.

Und er ging wieder heim zuhaus, Meint, sein gut war versorget dauß1). Doch sein sun heimlich auf dem feld Si da verborgen hätt, War dem vater geschlichen nach Und das geld ihn eingraben sach. Der sun wieder ausgrub das geld, Es auch schändlich vertät. Als der vater war innen, daß Sein gut ihm do gestohlen was, Erst war traurig, elend Sein herz, wann das gut war sein gott, Darauf er sich verließ allzeit, Sorget nur mit großer geizikeit, Wie er hätt genug in der weit. Doch gott ihn straft am end, 102a Daß er litt große not. 3. Kürzlich2) umb all sein gut er kam, Schändlich ein böses ende nahm. Sein geiz half ihn nicht an dem end, Noch sein gut, das er hätt. Solches zerging als wie der schnee, Der geizig mann mit angst und weh, Mit kummer, armut und elend Sein leben enden tät. 1) draußen.

J) in kurzer Zeit.

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121 Bei der geschieht merk ein jeder Christ,

Wie der geiz ein große sünd ist Vor gott, dem herren rein, Die er auch straft zu aller zeit. Darumb, o herrgott, durch dein güt Du unser herz, sinn und gemüt Vom geiz, wucher und Sünden wend, Daß wir alle gemein Erben die selikeit!

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Ein ander lied in Frauenlobs blütenton [Nr. 18]. Der mann in der schatzgruben.1) 1.

Nun hört wunderseltsame ding, Wie es eim geizigen mann ging, 102b Der am gut kein genügen hätt, Ihm nur zerinnen2) wollt! Einsmals in dem schlaf ihm fürkam, Durch einen träum gewiß vernahm, Wie im haus unten liegen tat Ein schätz von silber, gold. Der mann in großen freuden lag. Als nun anbrechen tät der tag, Gar bald aufstund der mann. Den schätz zu graben er begehrt, Lief unten in das haus hinab. Der geiz ihm viel zu schaffen gab Und er auch mit ihm selber redt: »Wo soll ich fangen an Zu graben in die erd?« 2.

Sucht im haus unten hin und her, Schlug auf die erd, wo es hohl wär, *) Quelle unbekannt.

2) zerrinnen.

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122 Do wur der schätz verborgen sein, Und zuletzt er auch kam Über das gewölb zum sprachhaus.]) Darauf schlug er an allen graus Und er brach auf auch etlich stein. Als er das loch vernahm, 103a Aus dem ein großer gestank ging, Der mann erst einen trost empfing Und meinet auf der fahrt, Aus war gefahren der bös feind Und ließ hinter ihm den gestank. Darvon der mann wur matt und krank, "Auch das gewölb brach mit ihm ein, Darein fiel er gar hart. Der mann laut schrie und weint.

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3. In jammer er und großer klag Gar tief in der schatzgruben lag Und ihm allein nit helfen kunnt, Muß also leiden not, Sein lebens ende nahend war. Als das volk kam geloffen dar Und fanden im loch zu der stund Den mann, der war schon tot. Also solcher leut findt man mehr, Die nach zeitlichem gut und ehr Stellen gar geiziglich. Ihr herz hat weder ruh noch fried, Müssen doch auch in dieser weit Hinter ihn lassen gut und geld, 103b Wann sie sterben, dann wird ihr mund Erfüllt mit erderich2) Und erfaulen darmit.3) l) Abtritt.

2) Erdreich.

*) verfaulen.

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Ein lied in des Müglins hofton [No. 19]. Von dem mann, der so hoch gewesen ist.1) 1.

Einsmals ein mann im schlaf entduckt2) Auf dem gebirg drei tage, Im träum er große wunder sach. Viel münch hernach Täten ihm weit nachspähen, Meinten, in himmel er verzückt Ward; darumb ward ihr frage, Welches der heiligst orden wär. Do antwurt er: »Franciscum tät ich sehen, Welcher erstlich tät fragen mich: »Sind noch mehr münch auf erden?« Ich antwort: »Ja!« Er wundert sich: »Groß stien sie in gefährden.3) Viel tausend ihr gestorben sein, Noch sich ich kein, Der mir zuteil will werden.« 104a

2. Der mann wieder vom birge4) zoch, Ein abt ihn weiter fraget: »Wann kumbst du her? Sage mir an!« So sprach der mann: »Ummer5) dort oben rabe.0)« Der abt sprach: »Bist du gwest so hoch?« Hielt an, daß er ihm saget, Ob er vom himmel kummen wär. »Ja«, antwurt der, »Ich viel gesehen habe.«

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h Stoffliche Berührung mit Hans Sachs’ Meistergesang »in der feuerweis Albrecht Leschen«, »Der staubig Franciscus« 1550. (Fabeln und Schwänke Nr. 639 — Neudrucke Nr. 207/11, S. 62 f.) und mit Burkard Waldis’ Esopus 1548. 4. Buch, Nr. 4. Über das Abhängigkeitsverhältnis dieser drei etwa zur gleichen Zeit entstandenen Bearbeitungen desselben Stoffes läßt sich schwer etwas Sicheres ermitteln. 2) einschlief, eig. eintauchte, sich bückte. 3) Hinterhalt, Hinterlist, böse Absicht, dolus. 4) Gebirge. 5) von. ®) herab.

124 »Sag mir, mein mannl« sprach1) sich1) der abt, »Gestorben ist ein kunder2) Franciscus, wie sich der gehabt?«3) Der mann sprach: »Er leit4) sunder5) Staubich vors himmels übertür.6) Wie ich kam für, Ihn fragt, er klagt mir wunder, 3. Wie der brauch in seim orden wär, Wann einer stürb auf erden, Käm er allein in himmel nit, Er hätt dann mit Seins ordens ein gesellen. Nun viel hundert jahr läge er, 104b Kein gesell wollt ihm werden, Und sagt, von allen orden groß Die münch gottlos All führen in die höllen. Dieweil doch keiner kummen wollt, Unrecht wär ihr gelaube. Niemand in orden kummen sollt; Dann ihr lehr mit verlaube Erlogen wär und ein gedieht. Ihr keiner nicht Erlöset ihn vom staube.

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Ein ander lied in des Müglings hofton [Nr. 20]. Die maid mit der beicht.7) 1.

Einsmals beichtet ein junge maid Ein münch, der si allwegen Stack aller list und schalkheit voll. Ihm gefiel wohl Die maid und fragt sie eben Und sprach: »Bist du zu keiner zeit Bei keim mannsbild gelegen? *) sprach. ß) abgesondert.

2) Mann. 3) betragen, befinden. liegt. 6) Oberschwelle. 1) Quelle unbekannt.

5

125 Das sollst du nicht verschweigen mir! So kann ich dir 105a All deine sünd vergeben. Die maid ihr heimlich leid gedacht, Fing an mit großer klage: »Mein größte sünd, die ich verbracht, Dieselb, herr, ich auch sage. Meins knechts hosen und wames ich Deckt über mich, Ein nacht darunter läge.

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2.

Der münch wieder zu der maid sprach: »Die sünd ist dir vergeben.« Sie sprach: »Ach, herr, vernembt mich recht! Es war der knecht In hosen auch bei mire.« Freundlich der münch die maid ansach Und dacht: »Du kumbst mir eben.1)« Sprach: »Liebe maid, mich des bericht! Schriest du dann nicht, Do er sich legt zu dire?« Sie sprach: »Ich schrie nit, aber doch Zwitzert2) ich wie die grillen. Dochts nit, daß ich tät schreien noch?« Der münch sprach: »Schweige stillen! Fang kein gschrei in der kirchen an! 105b Willt du auch tan3). Also nach meinem willen, 3. So will ich absolvieren dich, Dir all sünd verzeien,« Sie sprach: »Herr, ja!« Bai er sie nahm Und mit ihr kam Hinter einen altare. *) recht, gelegen.

2)

zwitschert.

3) tun.

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126 Der münch machet sie gar freundlich, Die maid fing an zu schreien Gar laut und das erhörten all. Die münch gar bal Kamen geloffen gare, Erwuschten1) den münch bei der maid, Sprachen: »Sieh, die unehre Soll dir saur gnug werden und leid!« Und schlugen ihn gar sehre, Auch in die prisaun2) führten ihn. Die maid lief hin Und beichtet fort nit mehre.

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Ein lied in der Römer gsangweis [Nr. 21]. Von dem bauren mit der latein.3) 1.

Nun hört, wie bei einer stadt nahend ein dorf was, 106a Darin ein ainfältiger baur saß. Der hätt ein sun, war in dem zwölften jahre. Einsmals der baur gar einfältiglichen wollt, Daß sein sun das latein auch gar bald lernen sollt 5 Von dem pfarrer, der auch in dem dorf wäre. An eim samstag früh ging bal hin Der baur zum pfarrer und ihm sagen täte: »Herr, merk, warumb ich kummen bin! Mein sun guten lust zu dem latein hätte. 10 Wann ihr ihn dasselb lernet bal, Daß ers kunnt auf den abend, merkt mich eben, Von roten gold ich euch bezahl, Zweinzig gülden tu ich euch geren geben.« Do verhieß ihm der pfarrer drat:4) 15 »Ich will ihns lernen feine.« Der baur sprach: »Ich will ins bad Gehn in die stadt. Lehrt ihn und auf den abend spat, Daß er kann das lateine!« 20 *) erwischten. 8) Quelle unbekannt.

2) prison, Gefängnis. *) schnell.

127

2. Nachdem sie miteinander machten das geding,1) Der baur hin in die stadt in das bade ging. Der pfarrer sich gar wohl besunnen hätte, Was er des bauren sun für latein lernen wollt, 106b Damit er verdienet die zweinzig gülden gold, Dem knaben ein latein fürgeben täte. Der pfarrer sprach: »Nun hör mir zu! Diese wort, die ich dir tu itzt vorsagen, Dieselben mir nachsprechen tu! Wann dein vater nun kumbt und tut dich fragen, Bai diese wort du zu ihm sprich: »Benedicite balneum!« Gar feine Merk diese wort, darnach stell dich Für deinen vater und sprich das lateine ! Wann die wort sind auf teutsch genennt: »Geseng2) dirs bad!« Merk eben, Wann ich muß lernen eilend Die wort behend, Dann dein vater wird an dem end Das baldgeld3) mir schon geben.

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3. Als nun der baur wieder aus dem bad heim kam, Ging er zum pfarrer und seines suns kunst vernahm, In latein gesengt das bad ihm der knabe: »Benedicite balneum! vater, kann ich.« Der baur sprach: »Widerdicte«, einfältiglich, 45 »Das latein ich auch schon gelernet habe.« Der pfarrer durch sein listkeit 107a Den einfältigen bauren überredte: »Ich hör, daß ihr gelehret seid, Daß ihr auch »widerdicte« sagen täte.« 50 Der baur ihm gar teuer schwur: »Herr pfarrer, mich lehrt niemand die lateine, Wenn es mir ungefähr raus fuhr, Hab es getroffen von mir selbst alleine. 0 Übereinkunft, Vertrag. 2) eigentlich: Gott g., Gott segne dir das Bad! 3) Geld für baldiges Lehren.

128 Fürwahr das »widerdicte« macht, Daß ich auch glehrt bin woren.« Der pfarrer ihm1) der2) schalkheit lacht Und ihm gedacht: »Das geld hab ich vom bauren bracht Und ihm trucken geschoren.«

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Ein lied in der rohrweis Hans Pfalzen [Nr. 22]. Von der hund und katzen, auch mäus und ratzen feindschaft.3) 1.

Nun höret, wie Vor Zeiten die hund großen mangel hätten. Wann es wohl in der fasten was Und kein fleisch aß, Hätten sie kein bein nichte. Da litten die 107b Hund großen hunger und darnach sie täten Ein scharpfen4) rat halten gar bal Und schwuren all Ein jeder bei der pflichte, Wann si die fasten wieder käm, Ihr keiner leiden sollte, Daß man ihn ihr grechtikeit näm, Oder ein jeder wollte Suchen sein speis und nehmen mit gewalt.

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J) bei sich. 2) über die. 3) Hans Sachs hat den Stoff etwas abweichend zweimal behandelt, im Meistergesang: »Warumb hund vnd kaczen vnains sind. In der hundzweis Hans Vogels.« 1547* (a. a. O. IV. Nr. 374 = Neudrucke 193/190, S. 210 ff.) und im Schwank: »Warumb die hund den kaczen vnd die kaczen den mewssen so piter feint sein.« 1558. (a. a. O. I, Nr. 200 = Neudr. 110/117, S. 591). — Der Gegenstand ist auf fliegenden Blättern im 16. Jahrhundert dargestellt worden, z. B. im Gothaer Sammelband. Xylogr. 13,239: Feindschaft der Hunde, Katzen und Mäuse. In der Briefweise Barthel Regenbogens ist er ebenfalls damals behandelt worden. Dresd. Handschrift M 5, S. 235: »Ursach der hund vnd kaczen feindschaft. Es ist ein frag, wo doch die feindschaft kume her« in 5 Gesätzen. Vgl. a. a. O. I — Neudrucke Nr. 110/117, S. 591. Über Stoff und Literatur vgl. a. a. O. I., S. XIX (Anm. zu Nr. 200) und IV. S. 210 (zu Nr. 374). 4) scharf.

129 Darüber machtens einen brief;1) Jedlicher sprach: »Mein pflicht ich treulich halte.« Der alt vom Hundsberg lag und schlief. Bai zu ihm lief Der oberst im gerichte2) 2. Und zu ihm sprach: »Steh auf! Mir haben all ein rat beschlossen, Daß man uns in der fasten doch Soll geben noch Unser nahrung und speise. Ganz alt und schwach, Der alt vom Hundsberg stund auf unverdrossen Und zum hundsgeschlecht er auch trat Und seinen rat 108a Gab auch der alt und weise Und sprach: »Nun wollt ihr folgen mir? Ich weiß ein gute liste. Zu dem von Katzwang3) wollen wir, Der itzt oberster iste, Wann der kann gar wohl steigen und auch springen, Den brief in die hoch stecken kann.« Bald tätens den brief dem Katzwanger bringen. Der von Katzwang nahm ihn auch an Und ihn gar schan Behielt mit ganzem fleiße. 3. Do nun verging Ein jahr und die fasten auch wieder käme, Woltens ihren brief wieder han Und täten gan Zum Katzwanger behende, Sprachen: »Uns bring Den brief!« Da es der Katzwanger vernähme, Wollte er den brief bringen ihn. Da war er hin Und nimmer an dem ende,

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0 Urkunde. 2) Gerichtsverhandlung. 3) Katzwang heißt auch ein Ort an der Rednitz, östlich von Schwabach.

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130 Da er ihn hingeleget hätt. Darvon kam er in leide. 108b Dem hundsgeschlecht ers klagen tat, Die schwuren all ein eide: »Du mußt darumb sterben, darnach dich richte! Kein gnad sollst du haben fürwahr, Du und dein geschlecht, ewig bei uns nichte!« Fielen ihm grimmig in das haar, Erwürgten gar Den Katzwanger elende.

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4. Nach dem totschlag Erfuhren die Katzwanger, wie der briefe Hinkummen was; da hätten ihn Die mäuse hin Zerkift1) und auch gefressen. Bai auf ein tag Der Katzwanger häuf auch zusammen liefe, Hielten auch einen rat gar bal Und schwuren all Einen eid gar vermessen2): »Wie uns ein maus auch werden tut, Sie muß von uns verderben. Darfür soll sie helfen kein gut, Sie muß des tods auch sterben!« Also kumbt her die feindschaft nun im lande, Daß hund und katz nicht einig sein. 109a Darzu die mäus im hatz sind auch allesande;3) Die katzen tun ihn große pein, Des briefs allein Kunnen sie nicht vergessen. 5.

Also fortan Die hund und katzen stet einander raufen. Wo si eim hund ein katz ersieht, Er ihr nachsticht4), *) zernagt. 3) insgesamt.

*) abgeredet, bestimmt. 4) nachjagt.

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131 Tuts ein gassen einjagen. Und auch wann man Die hund auch sieht wohl mit einander laufen, Schmeckens einander für das loch, Ob keiner doch Die brief tu bei ihm tragen, Fragen einander: »Wann kumbst her?« Und fangen an zu marren.l) Der ander spricht: »Ich bin vom quer,« Der dritt tut auch drein schnarren.2) Darnach sie dann einander gar hart reißen, Suchen die brief noch auf die stund Mit schlagen, raufen und darzu mit beißen, Daß manchem oft der köpf wird wund. Ein alter hund 109b Tut die histori sagen.

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Ein lied von eim fuhrmann mit seiner taschen [Nr. 23] und von seinem wirt. In der spruchweis Hans Sachsen. 3) 1.

Hört, wie vor kurzen jahren Ein häcker4) aus tät fahren Mit einem wagen weine Und in eim dorf eine. Darinnen ein wirt säße, Listig über die maße. Der häcker spannt da ause, Der wirt lief aus seim hause, Bracht wein in einer flaschen Dem häcker, der ein taschen Hätt, die war weit und große. Den wirt die tasch verdroße.

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0 knurren. 2) schwatzen. 8) Mit Probst berührt sich der Schwank in M. Lindeners Katzipori S. 47. Ähnliches bei Wickram im Rollwagenbüchlein (hg. v. Kurz) Nr. 4, S. 128. Goedeke, Schwänke S. 136, vgl. Sachs, Ein schwanck: Der rewter mit seim foglhünd (a. a. O. II, Nr. 315 = Neudrucke Nr. 116/134, S. 395 ff.) und Meistergesang im frischen thone Hans Vogels: Der hund im pett. Vgl. Neudrucke Nr. 126/154, S. 395 (zu Nr. 315). 4) Winzer. 9*

132 Der häcker das nit weßte. Der wirt hätt sunst mehr gaste Und setzt sie all zu tische, Gab ihn bratens und fische. Als nun aus war das mahle, Der wirt sprach: »Jeder zahle Sein zech, wie ich es mache!« Und zu dem häcker spräche:

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2.

»Hör, häcker, ich sage dire, Daß du sollst geben mire, Zweimal soviel, merk eben, Dann ander gäste geben!« Der häcker fragen täte, Wie ers verschuldet hätte. Der wirt ihm antwort gäbe: »Dein taschen ich auch habe Angelegt;1) tuts schon nit essen Hats doch ein statt2) versessen, Dann sie ist groß ungheure Und alle ding gar teure. Sunst hätt ich gsetzt hinone An ihr statt ein persone, Die mir hätt zahlt das mahle. Darumb du für sie zahle!« Der häcker zahlt bald dare Zwiefache orten3) bare Und vom wirt Urlaub nähme. Einsmals er wieder käme 3. Mit seiner großen taschen. Der wirt bracht bald ein flaschen Und ihn wieder empfinge. Als man zu tische ginge Und das bratens herbrachte, Der häcker sprach: »Hab achte,

110b

l)

hingelegt.

2) Art, Platz, Stelle.

3) Rechnung, Zeche.

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133 Mein tasch, und scheuß1) kein fehler!« Nahms bratens alls vom teller, Das in sein taschen stecket, Sprach: »Dir zunächst2) nit schmecket Das mahl und fraßt kein bissen, Warst umb die zech beschissen.3) Itzt bring das wieder reine!« Der wirt, der sach gar kleine,4) Daß sein bratens war hine, Hätt zwar5) nit viel gewinne Am häcker auf dies male. Hätt schon der wirt die wähle, Näm er den gwinn vom häcker. Also zahlt schalk den lecker.6)

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112b Ein lied in des Müglings hofton, ganz kurzweilig7) [Nr. 24]. 1.

Hört, wie mir ein mann klagen tät, Seines weibs ungedulde.8) Die hätt er gschlagen auf ein zeit,9) Denselben neid Sie stet hätt zu ihm tragen Und darumb ein gedanken hätt, Wie sie möcht alte schulde Wieder rächen an ihrem mann, Si kurz besann, Wies ihm möcht wieder zwagen.10) Nun hätten sie ein katz im haus. Hätt ein gwohnheit an ihre; Wann sie gefangen hätt ein maus, So lief sie mit begiere In ihr beder schlafkammer bal, Mit lautem schall Darin marret und schriere. *) schieße. 2) jüngst, neulich. 5) fürwahr. 8) Laffe, Schurke. 8) Feindseligkeit. 9) einmal.

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8) betrogen. 4) ganz und gar. 7) Quelle unbekannt. 10) zwicken, plagen.

134 2.

113a

Nun gab es sich wohl auf ein zeit, Die zwei gingen zu bette, Der mann gar hart und stark entschlief. Im schlafe tief Er zu schnarchen anfinge. Die frau hätt noch den alten neid,1) Die faust bal zucken täte, Schlug ihn gar hart in das gesicht. Der mann weßt nicht, Warumb er solches empfinge, Und sprach: »Frau, tust mirs in eim tratz?2) Halts du mich für ein narren?« Sie sprach: »Ich meint es wär die katz, In unsrem bett tät marren Und hätt drein getragen ein maus. Mir kam ein graus, Da ich hört das laut schnarren.

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3. Drumb, lieber mann, so zürne nicht! Es ist ungfähr geschehen. Dein lauts schnarchen im schlaf ich hört, 113b Welchs mich betört, Daß ich den streich verbrachte.« Mit dem sie ihren neid verricht;3) Der mann dorft nichts mehr jehen,4) Mußt ihm also die schlappen5) han, Wiewohl der mann Des schimpfs ihm wenig lachte. Also der weiber find man mehr, Die sich noch unterfangen. J) Haß, Zorn. 8) Ausdruck gab. 6) Ohrfeige.

2) im Trotz, zu trotz. 4) sagen.

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135 Wann einer rett sein männlich ehr, 50 steht bal ihr verlangen, 51 zu rächen mit ungemach. Drumb bleibt der bach1) Im teutschen hof stet hangen.2)

132b

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Als man zählt fünzehenhundert jahr [Nr. 25]. Und im zweiundsechzigsten fürwahr, Erhub sich gar ein großer sterb.3) Da war kein handel und kein gewerb. In Nürmberg in der stadtgemein War dieser sterben nicht allein, Sünder in allen grenzen rumb4) Bei zehen meiln fast umb und umb. Ihr viel von Nürmberg den sterben flohen Und wo sie hin und wieder zohen, Wurden sie gehalten unwert. Mancher mit weib, kind, wagn und pferd Nicht atzung nach seim gfallen hätt. Ob mancher schon viel gelds vertät, Gab man ihm dannoch kein gut wort. Also währt dieser sterben fort Gewiß länger dann jahr und tag. In dieser not, jammer und plag Macht ich hie dieses geistlichs lied.5) Gott uns noch allesam behüt Vor dieser straf und schweren zeit Von nun an bis in ewikeit!

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*) die geräucherte oder zur Räucherung bestimmte Speckseite eines Schweines. 2) Anspielung auf die alte nürnberger Lokalsage. Vgl. H. Sachs, das Pachenholen im deutschen Hof “ Fastnachtspiele I Nr. 12 — Neudrucke Nr. 26/7, S. 146 ff. Anspielungen auf die Sage finden sich in den Werken von Sachs massenhaft. 3) Über die Pest des Jahres 1562 in Nürnberg vgl. Hans Sachs (her. von Keller), Litterar. Verein 15, 17 f. 556. 1563. 4) herum. 8) Vgl. Nr. 12 des Textes.

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Ein spruch von einem hasenkopf*1) [Nr. 26]. Hört, wie einmals ein höfling was Sehr hoffährtig über die maß, Der ward geladen auf ein zeit Und neben ihm auch ehrlich leut. Als man setzet zu tisch die gäst, Meint der höfling, er war der best. Derhalben ließ man ihm die ehr. Des erhub er sich hoch und sehr; Und als man das essen auftrug, Da brauchet2)3 sich der höfling klug Mit eim hasenkopf, den er sollt Zerlegen, und als wollt Aus der schüssel tun auf sein teller, Da tat er einen großen fehler Und ließ ihn vor den gästen allen In einen becher mit wein fallen. Als er den eilend wollt raus tan, Ihm noch einmal der kunst zurann,8) Ließ ihn fallen unter den tisch. Des erschrak dieser höfling frisch Und sich nach dem hasenkopf bückt, Nicht weiß ich, wie er sich verrückt, Daß ihm halt drob ein nestel4)* riß, Vor angst tät er ein großen schiß.

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*) Vgl. die beiden Bearbeitungen des Stoffes bei Hans Sachs, der statt des Höflings einen Mönch einführt: »Der munich mit dem hasenkopf«, 1546 (Meistergesang in »Sämmtliche Fabeln und Schwänke IV, Nr. 330 nr Neudrucke Nr. 193/9, S. 148, f.) und »Der munich mit dem häsenkopf zw Halsprün, 1555 (Schwäncke a. a. O. I. Nr. 158 == Neudrucke Nr. 110/17, S. 437 ff.) — Ein ähnliches Mißgechick, wie hier der Mönch bez. der Höfling, hat ein junger Mann im »Grobianus« Dedekinds, übersetzt von Caspar Scheidt, 1551, II. Buch, 4. Kapitel (her. v. Milchsack. Neudrucke Nr. 34/35, S. 100 ff.) Vgl. auch A. L. Stiefel. Über die Quelle der Fabeln, Märchen und Schwänke des Hans Sachs: Festschrift zur 400jährigen Geburtsfeier des Hans Sachs. Nürnberg 1894, S. 122. Probst Quellen haben wahrscheinlich sowohl Sachs wie Dedekind gebildet. Von jenem hat er den Gang der Handlung, von diesem die Figur des Höflings genommen. 2) der machte sich zu schaffen. 3) zuschanden wurde. 4) Schnur oder Riemen, gewöhnlich mit einer Art Nadel, Stift oder Beschlag, an dem einen Ende zum Durchstecken versehen.

137 Des lachten die gäst allesam. Das bracht dem höfling große schäm Und wollt von dem tisch hinweg fliehen; Da fing er und tat mit ihm ziehen Das tischtuch und was darauf stund, Warf alls hinab der höfling rund. Damit endet er sein hofweis, Des ihm war zwar ein schlechter preis, Doch gschah dem narren eben recht, Weil er die andern gäst verschmächt Und wollt der fürnehmst unter ihn sein. Da leget er drei schände ein Sehr grob, als er am tisch tät scheißn; Das sollt ein jeder hart verbeißn Und sehen, wie ers loch verstopf. Das sei gesagt vom hasenkopf. Von dem nehmbt euch ein unterricht, Wünscht Peter Brobst in seim gedieht!

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adi. 20. jänner im 1566. jahr vollendt. 134a Ein spruch von der buhlerei für die jungen gesellen [Nr. 27]. Ich rat allen jungen gesellen, Daß die sich fleißig hüten sollen Vor allen unzüchtigen frauen, Sich keiner denen nicht vertrauen. Dann sie sein arg, falsch und vertrogn1), Unstät, unkeusch und auch verlogn, Ihr herz und mut ist nicht beisamm; Dadurch sie machen feurersflamm2) Dem mann und ihn darmit gewinnen. Darob tun all künst eim zurinnen, Der ihn will büßen den fürwitz, Nehmen eim darob sinn und witz, Stärk, kraft und all seine geberd.3) Dann kein ding ist auf dieser erd, !) gerne betrügend.

2) Feuersflamme.

3) Haltung.

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138 Das also gar betrüglich ist Als weiberlieb in argem list. Wann sie es tun in gutem schein, So durchdringen sie mark und bein 134b Dem mann und nehmen ihn gefangen Daß er ihn allweg an muß hangen Und stet nach ihrem willen leben. Wann er hat nimmer auszugeben, So halten sie ein für ein lappen1), Schneiden ihm bal ein narrenkappen, Hängen ihm zwo groß schellen an, Schreien: »Oho, wohl bist ein mann! Hast dich große ding unterstanden2), Itzund wirst du vor uns zuschanden. Wir haben dir dein taschen gelehrt, Nit lang hat es um dich gewährt. Troll dich, wir haben dir geschorn, Ehr, hab und gut hast du verlorn! Nun wöll wir nach ein andern sehen, Dem soll also wie dir geschehen, Und ihm sein federn auch ausziehen!« Darumb ein jeder gsell tu fliehen Solche weiber in der Unzucht, Dann sie sein falsch und ganz verrucht. 135a Wann sie äffen ein solchen knaben, Muß er das gspott zum schaden haben. Dann weiberlist ist unergründt, Ihr herz in falscher lieb entzündt Gegen eim jeden, wer er sei. Wann nur ihr teil ist auch darbei, So gilt ihn einer wie der ander. Sie sprechen: »Hast nicht geld, so wander!« Dann tasch ist bei ihn lieber mann. »Hast nimmer, so mußt ach darvan!« Dann ihr lieb eim das herz erweicht Nit weiter, dann eins beutel reicht. b Narren. a) unternommen.

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139 Wann sie nun des ein end erharren, So halten sie ein für ein narren, Spotten und hüenen1) eins darzu. Darumb ich jedem raten tu, Daß keiner sich zu weit begeh Zu solchen frauen, sunder leb In zucht und aller ehrbarkeit. So wird ihm gott zu seiner zeit 135b Geben ein frumb, tugendsam weib, Die ihm ist nutz zu seel und leib, Und haben keinen mangel nicht, Wünscht Peter Brobst in sein gedieht!

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136a Ein schöner Spruch von dem ehlichen stand2) [Nr. 28]. Gott will, daß wir zu jeder zeit Leben recht in gottselikeit Und nach dem willen gottes tun. Hie wollen wir betrachten nun Gott zu lob, ehr und seinem preis Den heiligen ehstand mit Heiß! Wo sich zwei darein tun begeben, Daß gott wöll all ihr tun und leben Segnen und darzu wenedeien,3) Sein trost, hilf und genad verleien, Daß ihr anfang, mittel und end Sich alls nach gottes willen lend Und in dem ehstand leben recht, Dieweil der ehstand ist nit schlecht, Sunder von gott selbst eingesetzt. Drumb soll er nit werden verletzt Mit unzucht oder büberei. Wer solches tut, der merk dabei, Daß über dem ist gottes zorn, 136b Hat auch sein gnad und hilf verlorn. Drumb merkt ihr jungfrau und ihr gselln, Die sich in ehstand geben wollen *) höhnen. 2) Quellen: Moses I; i. Corinth. VII; Ephes. I; Joh. II. 8) benedeien, segnen.

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140 Oder welche vorhin drin sein, Niemand soll den halten unrein, Weil er von gott verordenet ist, Wie man in der heiling schrift liest. Mose in seinem ersten buch In dem ersten kapitel such Ein jedes und lerne darinnen, So wird man von dem ehstand Annen,1) Daß man den halten soll in ehren. Wie ihr hernach werdt weiter hören, Daß der text an dem ort auch meldt, Im anfang, eh dann war die weit, Gott die himmel und erd beschuf, Ein jedes nach seinem beruf Und alles, was drin leben tut, Das sach gott an alles für gut. Nachdem der ewig vater mild Erschuf zu einem ebenbild Ein menschen zu eim bild gottis, 137a Ihm atem und leben einblies, Darnach sprach gott: »Es ist nit gut, Daß der mensch allein wohnen tut. Wir wolln ihm ein gehilfen schaffen!« Und gott ließ den menschen entschlafen. Als der- mensch lag im schlafe tief, Nahm gott ein ripp, dieweil er schlief, Von seiner seiten aus seinem leib Und gott bauet daraus ein weib, Weil der mensch lag in seiner ruh, Schloß die stätt mit fleisch wieder zu. Darnach stellt gott das weibe für Den menschen, der sprach aus begier: »Das ist ein malbein von meim gebeine Und fleisch von meinem fleisch alleine. Man wirds männi[n] heißen«, sprach er, »Drumb daß vom mann genummen wär.« !) finden.

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141 Adam und Eva ward ihr nam. Gott segnet sie und gabs zusamm. Also ist der ehstand herkummen, Das weib ist von dem mann genummen, 137b Durch gott erschaffen mann und weib, Beede zwo seel und nur ein leib. Derhalben wird forthin ein mann Sein vater und mutter verlan Und allein an seim weibe hangen In rechter liebe und verlangen. Weil gott dann hat nun selbst erwählt Den ehstand, der ihm wohlgefällt, Sollen wir den nit gering achten, Sünder den recht und wohl betrachten Alle die, so sich drein begeben, Daß sie recht und wohl darin leben, Und die, so nicht heiraten wollen, Dieselben sich auch halten sollen In aller zucht und ehrbarkeit Gottselig in rechter keuschheit! Dann der heilige Paulus spricht Zu den Corintern, uns bericht Am siebeten kapitel eben, Daß niemand soll in unzucht leben, Wöll wir uns anderst Christen nennen. 138a Besser sei freien weder1) prennen2) Und vermohnt3) darmit die hierinnen, Die sich je4) nit enthalten künnen, Den sei besser ehlich zu sein. Wiederumb so ist auch nit fein, Wann so gar bal heirat die jugend, Eh sie kumbt zum verstand und tugend. Dann wann sie hat kein rechtes alter, So werden daraus bös haushalter. Dann die jugend hat kein erfahrung, Wie zu gewinnen sei die nahrung, *) als. 3) ermahnt.

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2) um seine Jungfernschaft bringen, hier etwa buhlen. 4) zu aller Zeit, auf jede Weise.

142 Sünder ihn steht ihr sinn allein Nach ihrem lust ehlich zu sein. Darnach sind auch leut in der weit, Die nur nach großem gut und gelt Heiraten und bedenken nicht Den ehstand, auch ihr glaub und pflicht, So ein ehgmahel dem andern tut. Da sicht man nur auf zeitlich gut, Haben doch zam1) kein lust noch lieb, Ist auch ihr herz darneben trüb, 138b Bei einander zu wohnen fort, Sehen wenig auf gottes wort, Dazu auf die lehr Pauli nicht, Wie er zu den Ephesern spricht An dem fünften kapitel schan: Ihr weiber seid ganz untertan Euren mannen als dem herren gar! Dann der mann ist das haupt fürwahr, Gleichwie Christus das haupte ist Der gemein, und ihr mender2) wißt: Liebe ein jeder knecht sein weib Von herzen als sein eigen leib! Aber da ist bei jung und alt Die lieb bei ihr vielen erkält Und wird darbei wenig geacht Der heiling schrift, sunder man tracht, Wie man durch gut und gold allein Vor anfechtung, armut mocht sein Und nicht dorft leiden im ehstand. Was tut nun aber gott zuhand? Er schickt oft den mehr kreuz und weh, 139a Krankheit und plag in solche eh, Dann den, so gott tun recht vertrauen. Darumb soll man wohl darauf schauen, Wer sich in ehstand geben will, Daß mans nit halt für kinderspiel, *) zusammen, zu einander. 2) Männer.

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143 Sünder für ein werk gottes halt. Es sei gleich eins jung oder alt, Soll es sich vor bedenken wohl Und gott fleißig anrueffen soll, Daß gott jedem in diesem leben Ein frummen ehgmahel wöll geben, Die ihm nutz sei zu seel und leib. Also soll sich nun mann und weib Schicken zu dem ehlichen stand, So wird gott durch sein milde hand Ihn sein genad auch teilen mit. Daran soll niemand zweiflen nit! Wer den ehstand mit gott anfächt,1) Dem wird es auch gien wohl und recht. Obschon Zeiten anfechtung kummen, So verläßt doch gott nit die frummen, 139b Sünder tut den noch hilf und rat, Wie man dann des exempel hat, Daß gott den ehstand hat geehrt, Als der heilig Johannes lehrt, Der evangelist, am andren klar, Als Christus, unser heiland, war In Cana in Galilea Auf ein hochzeit geladen da, Auf welcher es an wein gebrach. Als Christus der herr solches sach, Daß an dem einen mangel hätt, Gar bal er auf der hochzeit tät Sein erstes wunderzeichen rein, Machet allda aus wasser wein Und tät solchs dem ehstand zu ehren. Bei der geschieht sollen wir lehren, Daß gott noch alle zeit will geben Denen, so recht im ehstand leben, Alles, was sie notdorftig2) sind, Auch erhalten mann, weib und kind. 5 anfängt. 2) bedürftig, bedürfend.

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144 Ob es nit gleich alsbald geschieht, Soll wir gott kein zeit setzen3) nicht, 140a Dann er weiß die rechte zeit wohl, Wie und wann er uns helfen soll, Wann wir nur im gelauben stet Zu ihm ruefen durch das gebet Und ihm von herzen tun vertrauen, Darneben auch fleißig aufschauen, Warzu*2) gott ein jedes beschuf, Daß es recht bleib in seinem beruf. Der mann soll sein das haupt im haus Und sein gewerb wohl richten aus Nach männlichen ehren und preis. Das weib soll auch mit ganzem fleiß Ihrem mann untertänig sein Und was im haushalten gemein Ihr da zu tun nun will gebürn, Daß sie dasselb tu recht regiern Nach weiblichen ehren allzeit In aller zucht und ehrberkeit. Wann sich zwei ehleut also üben, Von herzen recht einander lieben Und führen ein gottseling wandel, So wird ihr beder gwerb und handel, 140b Auch ihr anfang, mittel und end Bleiben in gutem regiment3) Und nimmermehr zu schänden wern. Gott wöll, daß alle, die auf ern4), So sich in ehstand tun begeben, Führen alle ein solches leben, Gott zu lob, ehr zu jeder zeit. Hie und dort in der ewikeit Wolle uns gott verlassen nicht, Wünscht Peter Probst in seim gedieht! J) 2) s) 4)

keinen Termin setzen. wozu. Ordnung. erden.

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Anhang. 1. ) Die Schreibung des Namens ist sowohl bei Probst selbst als in den Urkunden schwankend. Der Dichter schreibt siebenmal »Probst«, daneben viermal »Brobst«. Der Name ist übrigens seit dem 15. Jahrhundert in Nürnberg zahlreich ver­ treten: 1448 Hans Probst, Schulmeister zu Wörth [Bürger und Meisterbuch. 1448. Kgl. Archiv zu Nürnberg. Nr. 2034, Bl. 184b]; zwei Kürschner: Peter und Hans Pr. 1491 [am gleichen Orte Bl. 205a und Nr. 2035, Bl. 211a]; Hans Pr., Beutler, 1507 [am gleichen Orte Nr. 2036, Bl. 110b]; Hans Pr., Schreiner, 1515 [am gleichen Orte Nr. 2037, Bl. 97 a]. Ferner verkaufen [Lib. litt. tom. 91, Fol. 7 u. 8 im Stadt. Archiv zu Nürnberg]: »Hans Probst, Beutler, für sich selbst, Hans Karg, Gürtler, und Hans Marschalck, Beutler, anstatt ihrer abwesenden Frauen Katharina und Ursula, dann Elsbeth, Georg Preuens, auch Beutlers, Ehewirthin, und Konrad Probst, Beutlergesell, sämtlich zu Nürnberg, die Erbgerechtigkeit ihrer Behausung und Hofrait, Nägeleinsgasse zwischen Sebald Schmids, Gürtlers, und Wolf Schorrers, Beutlers, Häusern gelegen, an den ehrbaren Peter Probst, Kornschreiber in neuen Spital; am 26. October 1574. Damit ist Probsts Verwandtschaft mit den Vorgenannten wohl gesichert. Endlich: 1572 eine Philipp Pröbstin bei der Barfußerbrücke. — In Wills Bibi. Norica Bd. 7, S. 355, Nr. 1488 wird unter Schriften des 18. Jahrh. ein von einem Kammacher Probst verfaßtes Verzeichnis aller Stifter, welche das Jahr hindurch in Nürnberg ausgeteilt werden, genannt. 2. ) Sehr interessant für Probsts amtliche Tätigkeit ist folgende Urkunde1): Im namen unsers liben herrn und heilants Jesu Christi! Ich Petter Brobst, burger und derzeit kornschreiber im neuen spittal zu Nurmberg zum Heiling Gaist genant, an solchen dinst und ambt von eim erbarn und weisen rat allhie am abent des heiligen Andrei nach Christi unsers lieben herrn und seeligmachers gebürt fünfzehn­ hundert und im funfundvirtzigsten iar angenumen und in spittal verordent worden, habe aus bewegenden Ursachen mit sunderm getreuen wolmainen, alle dieweil ich im anfang meines dinsts in bemeltem spittal von allerlai notwendigen wissenschafften, desgleichen im buch und 5 Stadtarchiv Nürnberg: Manuskript des Heilig-Geist-Spitals Nr. 7, Titelblatt. io

146 haushalten seer weitleuftige und etwo zum tail gar kainen bericht oder anweißung gefunden, dardurch dann nicht allein mir, sundern auch allen nachvolgenden amptleuten solcher dinst oder ampt zuversehen beschwer­ lich, demnach zu fürkumung desselben etliche furnemste und teglich furfallende handlungen des spittals, auch von der ganzen haubt und andern darzugehorenden rechnungen ein lautern bericht, wie solche in allen posten verstanden, zusam getragen und gesetzt werden soll, diß gegenwurdig buch nach meinem pesten vermögen gefertigt in hoflfnung, das solchs eim jeden spittelmaister, kornschreiber, auch dem ampt und den armenleuten im spittal zu gutem raichen, daneben mein gehabte muh und arbeit in guter wolfart gedacht werde. Got der allmechtig wolle einem jeden, so an disen stant kumbt, sein genat und segen verleihen, damit er solchem getreulich vorsteen und gottselliglich vollenden möge amen. Ir lieben Christen in gemein, last euch allzeit bevolhen sein die armen leut in diser weit, helft in mit eurem gut und gelt, damit si auch erhalten werden, dan vill armer sint hie auf erdn, di in irer not und drubsal erhalten werden im spittal mit aller nottorft frue und spat, darumb erzaigt auch eure woltat, dan wer hie gutes tut den armen, deß will sich got dort auch erbarmen, solchs bezeugt uns die heilig schrift, weil dan der spittal ist gestift im anfang auf gar wenig leut, aber der spittal sint der zeit mit vil mer armen wirt belegt, des itzt weit die Stiftung nit klegt, so unsre eitern haben tan, drumb sei vermanet jederman, das er bedenk der armen not, so wirt auch unser lieber got eim jeden, der von seinem gut den armen etwas raichen tut, wider reichlich ergetzen wern, drumb sollen wir auch helfen gern den armen willig on verdrus von unserm gut und uberflus, uns auch stiften ein gedechtnus, darzu helfif uns der herr Christus amen. [Rückseite des Titelblattes].

Herr Professor Dr. Leonhard Li er in Dresden hatte die Liebenswürdigkeit, mir sein reichhaltiges Material über Peter Probst zur Verfügung zu stellen, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche. Ich bin ihm vor allem verpflichtet für die von mir im Anhang und zum Teil für die in den Anmerkungen gegebenen Nachweise, ferner für die Partie über die Datierung der Werke und vor allem für das über Probsts Metrik Gesagte. Ferner bin ich Herrn Archivrat Dr. Mummenhoff in Nürnberg für mannigfache güte Ratschläge Dank schuldig.

Briefe des Dr. Erasmus Topler, Propsts bei St. Sebald in Nürnberg, an den zum Propst bei St. Lorenz daselbst erwählten Anton Kreß in Pavia und Rom. 1503 — 1504. Von Justizrat Freih. Georg v. Kreß. Dr. Christoph Scheurl schreibt in seiner noch ungedruckten Übersetzung seiner Vita reverendi patris domini Antonii Kressen, j. u. d. et praepositi sancti Laurentii Nurenbergensis *): »Und als er [Anton Kreß] jezo für hett, gen Wien in Österreich zu ziehen, die recht, so er gelernet hätt, andern leuten umb ehrliche belonung wiederumb zu lesen und auszulegen, indem begab sich, daß doctor Sixt Tücher die probstei sanct Lorenzen, so im sein vetter doctor Lorenz Tücher übergeben het, wiewol ine ein erbar rat dafür pate und es das gemain volk ganz ungern sähe, frai abstund, damit er sich von der herrlichen prälatur in rue und mußen begeben und von der gemeinschaft der menschen abgesundert gott so viel dest stattlicher dienen mocht. Als aber ir vil nach der fürnemsten wirdigkeit stunden und die vom rat treffenlich ratschlagten, wem si ire seelen sicherlich mochten bevelhen und zu irem geistlichen haubt erwölen, nit unwissent, das vilmals die Schalk­ heit der prälaten ein merkliche ursach ist des vals der Unter­ tanen, zugeschweigen, das zu Zeiten die schäflein irem hirten nachfolgen. Und aber herr Hieronymus Ebner als ein gelerter und sonderlicher patron der gelerten • herrn Antoni Kressen tugent, so er, wie oben bemelt, von jugent auf erkannt, in sizendem rat volkumenlich gelobet und gepreißet hett, haben die herren des rats seiner fürsichtigen waisheit gevolgt und inen entlieh wiewol abwesig und diser handlung ganz unwißent mit den merern stimmen zu probst erwelt, wann also schreibt Gregorius in seinem bischöflichen buch, das regiment soll den begerenden versagt und den flihenden gegeben werden. Und 1) Das lateinische Original opera S. 349 ff. abgedruckt.

ist bekanntlich in Goldasts Pirkheimeri 10*

148 nachdem im solchs zuwißen worden, hat er einem erbarn rat gedankt, aber seinem vatter geschrieben, ob er villeicht aus vetterlicher Zuneigung angeregte dignitet durch practica wider wöllung der geistlichen recht erlangt habe, so solt er jezo wissen, alsbalt er des wurd gewies macht, das er sich dero an mittel entschlahen wolt. Als er aber vernam, das alle dink frumplich, erbarlich und redlich gehandelt waren, inmaßen sie auch im grund der warheit frumplich, erbarlich und redlich gehandelt sein, do hat er sich nach Rom erhaben, do er, wie sich gebürt, die päbstlichen bullen ausgericht, gewalt und befelch zu pinden und entpinden, entpfangen, priesterliche wird an­ genommen und am herausziehen zu der hohen Sen [Siena] in beiden rechten nit on sonder lob doktorirt hat. Und alsbald er nachfolgent im apprillen im jar Christi 1504 an das ampt des hirten angetreten ist, hat er sich ganz und gar zu der sorg der bevolhen schäflein, dero über zwölf tausent communicanten waren, gekert und fürwar durchaus gott und den menschen ein behaglich angenem leben gelebt . . .« Anton Kreß, der so unversehens und ohne sein Zutun auf Betreiben seines Freundes Hieronymus Ebner vom Rate seiner Vaterstadt zu einem der ersten geistlichen Würdenträger der Reichsstadt auserkoren worden war, war am 3. Februar 1478 als Zweitältester Sohn des Anton Kreß des Älteren und seiner Gattin Katharina, einer geborenen Löffelholz, geboren, somit damals erst 25 Jahre alt. Seit 1498 weilte er in Italien, wo er sich zuerst in Pavia, dann in Padua und dann wieder in Pavia dem Studium des römischen und kanonischen Rechts mit Eifer und Erfolg gewidmet hatte. Es ist begreiflich, daß ihn die unvermutete Wahl, zum Propst bei St. Lorenz in Nürnberg aufs höchlichste überrascht hat und daß er mutmaßte, daß nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Sein Vater, der selbst als alter Genannter seit 1492 im Rate saß, wandte sich nicht nur an den Vorgänger seines Sohnes im Amte, Herrn Dr. Sixt Tücher, mit der Bitte, dem neugewählten Propste mit Rat und Tat an die Hand zu gehen, wie er es anzufangen habe, um die priesterlichen Weihen und die päpstliche Be­ stätigung zu erlangen, sondern er veranlaßte auch den Propst bei St. Sebald, Dr. Erasmus Topler, dem jugendlichen Propste

149 von St. Lorenz entsprechende Instruktionen zu erteilen. Die Briefe beider sind unter der Korrespondenz des Dr. Anton Kreß in Frhr. v. Kressischen Familienarchive erhalten. Vor Jahren habe ich die Briefe des Dr. Sixt Tücher veröffentlicht1) und in den Noten dazu auch Auszüge aus den Briefen des Dr. Erasmus Topler abdrucken lassen. Die letzteren scheinen mir aber wert zu sein, auch im Wortlaute veröffentlicht zu werden, da sie den in diplomatischen Geschäften wohlerfahrenen Staatsmann und geistlichen Würdenträger besser charakterisieren als alle bisher über ihn bekannten Nachrichten. Dr. Erasmus Topler war im Jahre 1495 an Stelle des Herrn Marx Hirschvogel Propst bei St. Sebald in Nürnberg geworden2). Auch er hatte in Italien studiert3), war Jurist wie Anton Kreß und hatte erst nach seiner Erwählung zum Propst sich um die geistlichen Weihen bemühen müssen. Entsprossen aus dem bekannten Rothenburger Geschlechte, von welchem eine Linie sich in Nürnberg niedergelassen hatte und dort in den Rat gekommen war, genoß Dr. Erasmus Topler hohes Ansehen beim Rat und der Bürgerschaft der Reichsstadt. Er kannte aber auch den Geschäftsgang und die Gepflogenheiten bei der päpstlichen Kurie und hatte schon während seiner Studienzeit Proben seines hervorragenden diplomatischen Geschicks abgelegt, das sich später bei den wichtigen Missionen, die ihm vom Rate übertragen wurden, glänzend bewährte. Er war am 26. April 1462 zu Nürnberg als der Sohn des Johann Topler und seiner Gattin Margarete, einer geborenen Müller, geboren, also zur Zeit, als er die Briefe an Anton Kreß schrieb, 43 Jahre alt4). Die Briefe selbst sind mit schöner kräftiger Hand ge­ schrieben und bis auf verhältnismäßig wenige Stellen leicht leserlich. Ich hoffe sie richtig entziffert zu haben. Im Abdruck sind die zahlreichen Abkürzungen aufgelöst, die Interpunktion ist durch die moderne ersetzt. Die ersten beiden Briefe sind am 5. und 15. Oktober 1503 unmittelbar nach der Wahl des Anton 0 Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 24. Bd.

1877, Sp. 45 ff. 2) Städtechroniken Bd. XI, S. 582, Note 5 und 6. Würfel, Nachrichten zur Nbgr. Stadt- und Adelsgeschichte, II, 685 ff. und Diptycha der Sebalduskirche S. 49. 3) Acta Nationis Germanicae Universatitis Bononiensis.. S. 240. *) Will, Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, IV. Teil, S. 39 ff.

150 Kreß zum Propst geschrieben. Am 31. Dezember 1503 [im Briefe steht 1504, weil Neujahr vom 1. Dezember an gerechnet wurde] beantwortet der Propst einen Brief des Anton Kreß vom 11. Dezember 1503 und verspricht darin für den nächsten Tag weitere Nachricht. Aber auch dieser Brief ist vom letzten Dezember datiert. Es muß also ein Irrtum vorliegen, entweder ist der dritte Brief am 30. und der vierte am 31. Dezember geschrieben oder, was wahrscheinlicher ist, jener ist am 31. Dezember, dieser aber am 1. Januar entstanden. Weiter folgt unter No. 5 ein Zettel, der vom 1. Januar datiert ist und offenbar eine Einlage des letzterwähnten Briefes war. Und endlich ist noch ein Zettel sine dato aus der späteren Zeit der Amtstätigkeit der beiden Pröpste beigegeben. In außerordentlich präziser und klarer Form erteilt Dr. Erasmus Topler in diesen Briefen dem jüngeren Freunde die Information für das gebotene Verhalten. Er schickt ihm, was gewiß höchst zweckmäßig war, seinen Vertrauten Johannes, wahrscheinlich seinen Sekretär, der in Rom bekannt ist und den jungen Propst dort einführen kann und soll, zugleich aber Geldangelegenheiten für Topler selbst dort zu ordnen hat. Er rät ihm ferner, so rasch als möglich seine Studien dadurch zum Abschluß zu bringen, daß er sich die Doktorwürde verschafft, und gibt ihm weiter den praktischen Rat, an derjenigen italienischen Hochschule zu doktorieren, an welcher dies mit den geringsten Kosten und Umständlichkeiten zu erreichen ist, nämlich in Siena. Dann soll er ohne Verzug nach Rom reisen und unter Beihilfe des nürnbergischen Syndikus Kaspar Wirth, dessen Treue und Integrität wiederholt gerühmt werden, die erste Tonsur und die päpstliche Bestätigung zu erlangen trachten. Ganz besonderes Gewicht legt Topler darauf, daß dem abgetretenen Propst Dr. Sixt Tücher das Wiedereintrittsrecht Vorbehalten wird. Dem Kardinal Alexandrinus schuldet die Propstei eine jährliche Pension von 100 Gulden, was bei Ausfertigung der Bullen nicht zu über­ sehen ist. Bei etwa sich ergebenden Schwierigkeiten soll Kreß sich im Notfall an den kaiserlichen Gesandten wenden. Dringend legt endlich Topler demselben ans Herz, seine erste Messe in Rom zu lesen. Im zweiten Brief werden vorsorglich für den Fall, daß der erste verloren gehen sollte, diese Instruktionen in

151 Kürze wiederholt. Daß Anton Kreß die Ratschläge gewissenhaft beobachtete, zeigt der Umstand, daß er schon am 20. November 1503 zu Siena zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. In Rom aber stieß er alsbald auf Schwierigkeiten; der Papst weigerte sich entschieden, dem zurückgetretenen Propste das Wiedereintrittsrecht zuzugestehen. Wir sehen auch aus dem dritten Brief, daß der Rat es war, der auf diesen Vorbehalt Gewicht legte, nicht etwa Dr. Sixt Tücher. Seitdem die Pfarreien zu St. Sebald und St. Lorenz zu Propsteien erhoben waren und der Rat im Jahre 1477 vom Papste das Privilegium erlangt hatte, während der päpstlichen Monate die Pfarreien selbst besetzen zu dürfen1), hatte letzterer ein wesentliches Interesse daran, es nicht auf Erledigung der Propsteien ohne Vorkehrungen für die Wahrung seines Präsentationsrechts an­ kommen zu lassen. Denn bei jedem Erledigungsfalle erneuerten sich die Versuche des Bischofs von Bamberg, diese Pfründen mit seinen Günstlingen zu besetzen, Kämpfe, welche erst im Jahre 1513 ihre Erledigung fanden. Sixt Tücher war aber nicht etwa wegen hohen Alters, sondern wegen seiner Kränklichkeit zurückgetreten; er war damals erst 44 Jahre alt und der Rat hoffte offenbar, daß er wieder gesund werden würde, und wollte auf seine Dienste nicht gänzlich und für alle Zeiten verzichten. Der Papst aber verspürte keine Lust, dieses Recht irgend jemanden zuzugestehen. Ob die Vermutung Toplers begründet war, daß der Kardinal Alexandrinus, der von der Pfründe eine jährliche Pension von 75 Dukaten bezog2), gegen die Bewilligung des regressus arbeitete, läßt sich nicht aufklären. Topler gibt nun verschiedene Ratschläge, welche Mittel Anton Kreß an­ wenden soll, um die Bewilligung des Regresses durchzusetzen, x) Städtecbroniken Bd. XI, S. 471 und Note 1, S. 472, 481, 582 und Note 5 und 6. 2) Der Rat beschloß z. B. kurz vor dem Tode des Propsls Dr. Lochner bei St. Sebald, dem bisherigen Propste, wenn er die Pfarre »einem, den ein rat im zuschieben wirdet«, resignieren wolle, »sein lebtag auß alle jar zweyhundert gülden und nach seinem tod 14 jar alle jar hundert gülden« anzubieten. Städtechroniken Bd. XI, S. 481, Note 2. Auf diese Art behielt es der Rat in der Hand, die Erledigung der Propsteien in dtn päpstlichen Monaten herbeizuführen und sich das Präsentationsrecht zu sichern. *) Der Kardinal Johannes Antonius de S. Georgio, der Alexandriner genannt. Vgl. Miltenberger Auszüge aus den päpstlichen Rechnungsbüchern des 15. Jahrhunderts für Nürnberger Geschichte in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Bd. XI, S. 93 ff.

152 und übermittelt im vierten Brief den Auftrag des Rates, daß Kreß, wenn es durchaus nicht gelingen sollte, die Bewilligung durch­ zusetzen, so rasch als möglich in die Heimat sich begeben solle. Bezeichnend ist dabei die deutlich ausgesprochene Sorge, es könnte dem künftigen Propste in Rom etwas Menschliches passieren und die Propstei auf solche Art in die Hände eines dem Rate unwillkommenen Nachfolgers fallen. Aus dem ersten Briefe sind die Angaben über die beträchtlichen Taxen, die der Neugewählte überall zu entrichten hatte, hervorzuheben und interessant ist ferner, mit welcher Wärme Topler dafür eintritt, daß Anton Kreß seine erste Messe in Rom lese. Anton Kreß hat die Ratschläge des erfahrenen und welt­ gewandten Propstes gewissenhaft befolgt. Ich verweise auf die Einleitung zu den Briefen des Dr. Sixt Tücher. In Nürnberg traf er am Samstag vor Ostern, 6. April 1504, ein. Dr. Erasmus Topler war wie Dr. Anton Kreß nicht lange Propst. Er starb im Jahre 1512 auf dem Reichstag zu Trier, wohin er vom Rate deputiert war, angeblich infolge einer Vergiftung,1) während Dr. Anton Kreß am 7. September 1513 das Zeitliche segnete.

1.

S. p. mi Antoni! Accepi superioribus diebus literas tuas et ornatissimas et jocundissimas. Exoptasti tibi in ecclesiastico statu provideri, quod opera genitoris tui et amicorum habes. Es enim electus per senatores nostros in prepositum ecclesie sancti Laurencii; quod vix sperare licuit, jam habes. Tu ergo ita age, ut debita spe tui non fraudentur. Rogavit me genitor tuus, ut brevissime ad te scriberem, quid jam tibi in hoc principio faciendum esset. Volui votis suis satisfacere ac nedum literas ad te dare, verum etiam familiärem meum, qui in urbe Roma notus est, ut tecum urbem adiret, ad tua obsequia non negare, qui, si et tuo voto satisfecerit, et michi satisfaciet. Quod inprimis tibi faciendum esse consulo, hoc est, ut quantocius in utraque censura doctoratus insignia accipias tarn, ut *) Vgl. noch über den Propst Dr. Erasmus Topler Diptycha ecclesiae Sebaldinae 1756, S. 49, ferner die Inschrift der Gedächtnistafel S. 27, dann Würfel, Nachrichten zur Nürnberger Stadt-und Adelsgeschichte, Bd. II, S. 685 ff., Will, Münzbelustigungen, I, 262.

153 bone omnium de te spei, quam, ut parentum votis ac dignitati ecclesie tue consulas. Tue dico; tua enim est, si caute et bene singula ages consilio domini Casparis Wirdt, qui integerrimus est, ad quem et ex me et senatu literas habes. Cum autem honera plurima ac expense permagne doctorantibus in omnibus fere gymnasiis instent, consultum duco ex innumeris causis, quas calamo explicare superfluum est et aliquando ex me sencies, ut Senis insignia capias, dum ad urbem Romam perges, in biduo te illic expedire poteris, habebis illic scolasticos et doctores excellentissimos obsequentes, nec ullum a doctoribus juramenti vinculum, sicut in aliis gimnasiis promoveri volentibus extorquent, nosti magnam libertatem rerum esse; sunt preterea minores expense, poteris enim te summo honore in utraque censura inpensa 35 ducatorum auri ad majus expedire. Tu ergo tibi consulito, deinde, cum ad urbem veneris Romam, primam tonsuram consilio Casparis Wirdt quantocius capito, ut beneficii capax efficiaris ac deinde caute cum consilio prefati Casparis signaturam ex summo pontifice obtineas ac bullas in cancellaria expediri eures cum bulla regressus pro antecessore tuo Sixto. Ita enim pater tuus senatui promisit. Credo, si diligenciam feceris, habebis regressum gratis, pro quo alias ducatos auri 100 exponere oportuit. Pro anata credo solves 165 ducatos, pro bullis credo 59 ducatos, si quid minus exposueris, lucro cedet; taxavi hanc summam ad majus. Tu quoque rebus peractis cura dictum Casparem Wirdt aliquo munere afficere: ita etiam genitor tuus constituit ducatos auri decem; oportet in bullis extrahendis advertere, nam cardinalis Alexandrinus pensionem habet florenorum 100 annuam ex prepositura illa. Senatus et ei scribit, ego singula tibi literis scribere non valeo. Necesse est te ipsum negociis applices. Caspar Wirdt in singulis tibi proderit et consulet. Scripsi eciam domino Luce, oratori Cesaris, si opus erit seu aliquid difficultatis emergeret; hic omnia mei intuitu pro te apud pontificem acturus est tibique assistet. Reliquum est, ut te moneam, quod omnino ac cicius omnes sacros ordines illic assumas, qui tibi expedite conferentur, ac primicias tuas illinc in Urbe celebres meique in oracionibus tuis memor sies. Hoc defuncti parentes tui in alio forte orbe expectant; hoc desiderium genitoris ac matris tue exoptat; hoc

154 eciam persuadent mores huius nostre patrie, ubi si primicias tuas celebrares, nulli satisfacturus fores. Tu satis intelligis, tu ipse tibi consulito. Necesse est, ut te jam ad nostros mores conformes. Magistratus virum ostendit. Vale ac me ama. Ex Nurenberga die 5. octobris 1503. Tuus Erasmus Topler quidquid est. Mitto ad te copiam inclusam literarum per te senatui nostro scribendarum, quibus addere vel detrahere poteris tuo arbitrio. Cogita, ut in Urbe te cicius expedias, ac cicius redi, cave quoque in itinere pericula. Adresse:

Affini meo carissimo domino Antonio Kressen Papie in gimnasio. 2. S. p. mi Antoni! Scripsi superioribus diebus ad te cum familiari meo Johanne. Spero eas ad te delatas literas. Voluit genitor tuus, ut iterum ad te scriberem; et si multis negociis occupatus sim existimemque has literas superfluas, volui tarnen voto suo satisfacere. Mittit ad te genitor tuus instrumenta ac commendacionum literas duplicatas, cum quibus, si alias literas superiores per famulum meum non recipis, preposituram hic sancti Laurencii obtinebis in Urbe inpetrandam. Singula consilio Casparis Wirdt expedies. Erit ille tibi fidus et verus amicus, est inquam integer ac dominorum nostrorum sindicus universalis. Regressus tibi obtinendus ac expediendus est pro Sixto Tücher. Oportuit alias pontifici ducatos 100 pro composicione solvere, credo jam mores Urbis meliores effectos, tu eum gratis consequeris. Cogita ergo, ut in singulis diligenter te expedias et cicius teque sacris inicias ac illinc in Urbe primicias tuas offeras. Hoc parentes tui exposcunt, hoc ad nos conferas nobisque, quando valeas, prius scribe. Vale ex edibus meis die 15. octobris 1503. _ _ ^ . Tuus Erasmus Topler, i. u. doctor etc.

155

Item quia dominus noviter electus dominus Georius Marschalk Bambergensis mittit oratores suos ad pontificem dominum Georium Stiber et dominum Bernhardum Arzt curiales, dicite domino Caspari Wirdt, quod advertat ne quid contra dominos meos Nurenbergenses vel eorum priuilegia vel eciam aliquid contra me moliantur, . et quod me hoc de utrisque huc certiorem reddat, faciet dominis meis rem gratam. Ipsi ex certis causis ea de re jam non scripserunt. Adresse:

Clarissimo i. u. consulto domino Antonio Kressen Rome, affini meo carissimo. 3.

Salutem mi Antoni! Accepi literas tuas unicas ex Urbe quarto idus decembris datas et ex eis [vidi], quod suplicacio tua pape porrecta super resignatione ecclesie sancti Laurencii fuerit signata, cassato tarnen regressu, quem pontifex iste nemini concessurus est, uti ex reverendissimo domino cardinali Alexandrino accepisti, utque, quid tibi agendum sit, respondeam et quia hoc vespere literas tuas accepi, certi nil tibi respondere possum. Agam tarnen crastina luce cum senatoribus, ut ocius responsum accipias. Tu tarnen interea non cessa sollicitare nec pecunie parcens, ut omnino regressum obtineas: dubito, ne forte dominus cardinalis Alexandrinus tibi obsit. Veilem, ut consulte ageres; scribo cum hiisce literis cuidam domino Johanni Regine, i. u. doctori, familiari reverendissimi domini cardinalis sancti Georgii, qui forte tibi proderit. Veilem, quod aliquid ad me scripsisses, quid Romani regis orator an tibi meo nomine conferret, ve! et dominns Joh. Lucidus, marchionis Mantuani orator. Responde ocius, curabo et ego tibi mentem senatus ocius aperire. De domino sancti Laurencii nulla est cura. Ille enim regressum non querit, sed solus senatus et credo, quod pontifex, si bene informaretur, non deberet facere difficultatem. Attento, quod est de jure patronatus laicorum, qui hoc desiderant, et quia et antea super eadem ecclesia obtentus fuit, qui jam extinctus est; dubito autem, ne forte cardinalis Alexandrinus, qui super ea ecclesia pensionem habet, forte non videat libens regressum, sperans forte, pro se ipso

156 retinere, sic, quidquid sit, accinge te tempori et para te foro (?). Scribis preterea, quod debitores mei nil solverunt preter Michahelem Bubherren, qui 6 ducatos solvit. Oro, ut curetis, quod familiaris meus et Caspar Wirdt omnino instent eciam cum censuris, quod totum debitum, quod est 50 flor. ren. et 6 duc., per Michalem exsolvatur et peccunie domino Caspari Wirdt tradantur quodque eciam ducati centum ex Barnaba Cristino, qui sub penis camere obligatus existit, exigantur, non attenta eius paupertate ob preteritam egritudinem incursa, nec curent verba eorum, quia sic in perpetuum differrent. Scio, quod Barnabas Cristinus officialis est nec potest censuras ferre, curate, ut nulla eis detur dilacio et si non solverint, quod excommunicentur et declarentur. Scio, quid ad vos scribo, non curet eorum verba, que vana sunt, novi ego homines. Iniquum eciam esset differre solucionem ducatorum 80 largorum debitorum domino Eberhardo Kadmer, qui ex illis ducatis 100 solvi debet. Rogo itaque, quantum me amas, curate, ut ego omnino ab ere illo alieno liberer. Vale. Veloci calamo ex Nurenberga, die ultimo decembris 1504. Vester Erasmus Topler etc. Recepi pridie certas literas ex domino Caspare Wirdt, cui ob temporis brevitatem respondere non possum. Adresse:

Clarissimo u. i. consulto domino Antonio Kressen Rome, fratri optimo, Rome. Cito. 4. Salutem, mi Antoni! Scripsi hesterno vesperi me hodie in senatu de rebus tuis acturum. Accepi responsum et a domino sancti Laurencii eos contentari, quod si utique regressum obtinere nequiueris: quem summa diligencia obtineri laborare debes, quod nichilominus te quanto cicius cum prouisionibus, utcunque caucius poteris, expedias et ad patriam conferas. Cura igitur, ut omnino regressum expedias, si prece vel alio ingenio

157 obtineri potest, eciam si cui vel mediatori, vel sollicitatori pro regressu expedito ducatos ducentum elargiri debeas; adsunt cause plures, que eum promovere debent, quod alias in eac|em ecclesia regressus concessus est quodque et patroni pro eo instant et ecclesia jure patronatus laicorum existit etc, que tu melius ponderare poteris, et si pure regressus obtineri nequit,1)2 cura, si tibi nocivum non est, et si obtineri ibidem [?],8) ut committatur recepcio resignacionis et provisionis vel michi, vel alteri prelato tibi convenienti ad partes, que expediri poterunt, tanquam esses absens. Hoc michi videretur et tuis eciam ac senatui caucius, ut minus insidie vite tue parentur nec eciam, si, quod absit, vel naturalis mors vel violenta te interciperet, domini mei racione presentacionis in periculum laberentur et ecclesia illa in manus alicuius contra votum dominorum meorum veniret; si enim in Urbe fierit resignacio et tibi provideretur et tibi quid humantus contra votum nostrum accideret, ecclesia illa forte vacans in alienas manus veniret. Cura igitur ipse ei morbo mederi, quod si autem utique nec regressum, nec quo scripsi modo te expedire poteris, age cuni consilio domini Casparis Wirdt et te caucius, ut poteris, ex­ pedito, ad patria limina cito confer. Dominus Caspar in singulis peroptime tibi consulere potest, hupe habebis semper fidissimum achatem, scripsissem et ei, sed nupcii celeritas et temporis angustie et plurima negocia me urgencia vetant. Tu me eiclem commendabis, curabis eciam, quod debitores mei exigantur et pecunie in eorum manus, de quibus tibi scripsi, deveniant, efficies michi rem gratissimam. Vale ex Nurenberga die ultima decembris 1504. Tuus Erasmus Topler etc. Adresse:

Clarissimo u. i. consulto domino Antonio Kressen Rome tanquam fratri optimo Rome in edibus domini Casparis Wirdt ad sanctam Mariam in pace. *) Handschrift: nequid. 2) Wahrscheinlich poterit zu ergänzen.

158 5. Mitto insuper, mi Antoni, copiam indulti cuiusdam, quod ego alias in Urbe obtinui ex penitenciaria, dubitans, si forte Bambergenses, cum regressum hic obtenturus esses, tibi adversari vellent et solitam animarum curam concedere recusarent, quod tarnen prouisus esses, ne scandala in ecclesia tua oriaritur et ipse eam per simile indultum proprio jure obtineres. Vale. Vides modo, si pro te vigilo. Tu quoque pro me facito. Iterum vale. Die lfL januarii 1504. Commissio executorum posset in me vel eos, qui tibi placituri forent, fieri. Tuus Erasmus Topler. 6.

Reverende pater! Dominus doctor Johannes Letzscher misit ad me scripturas, de quibus heri inter nos sermo habitus est, quas vidi et relegi una cum nonnullis articulis per eum in solo possessorio conceptis, qui michi placent, nec eis quidpiam addendum censeo vel dctrahendum, illi in facto consistunt, placet eciam adicio per eum in prologo facta. Scripsit ille ad me, ut addam vel detraham ac deinde ad paternitatem vestram mittam. Cum autem nil habeam, quod addam vel detraham, velim pater­ nitatem vestram examinare ac deinde ad dominum doctorem Petrum Stahel, ut et ille suum judicium aperiet, transmittere, qui eciam ad dominum doctorem Udalricum transmittet. Hiis me paternitati vestre commendo. E. Topler etc.

Die Pillenreuter Weiher und die Dutzenteiche.1) Eine orts- und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung. Von Archivrat Dr. E. Mummenhoff. Wer aufmerksam das Gelände der Nürnberger Umgebung betrachtet, der wird an vielen Stellen tiefere oder seichtere Einsenkungen wahrnehmen, die von einem Bache oder einem kleineren Rinnsale durchzogen werden. Diese oft nicht ganz unbedeutenden Mulden sind meist künstlicher Natur; zum wenigsten hat die Menschenhand durch weitere Ausgrabung der natürlichen Vertiefungen und Anlage von Dämmen nach­ geholfen, um hier möglichst umfangreiche Wasserbecken zu schaffen. Auch Herrensitze liebte man mit breiten und tiefen Gräben zu umziehen, in erster Linie, um sich gegen unvorher­ gesehene Angriffe in Krieg und Fehde und gegen Diebs- und Räubergesindel zu schützen, dann aber auch, um Teiche zur Fischzucht zu gewinnen. Denn alle diese Bodenvertiefungen, die in späterer Zeit und noch in unseren Tagen in Wiesenland umgewandelt wurden und werden, hatten keine andere Bestim­ mung, denn als Fischteiche zu dienen. Im Mittelalter bis zur Zeit der Reformation war der Fleisch­ genuß durch die von der Kirche vorgeschriebenen Fasttage bedeutend beschränkt. Da waren die 40 tägigen Fasten vor Ostern, dazu kamen die Quatemberfasten, die Fasttage vor den hohen Festtagen und die vielen Abstinenztage, die, wie die Freitage, zwar kein Fasten, aber doch die Enthaltung von Fleischspeisen vorschrieben. Ersatz für den verbotenen Fleischgenuß gewährte der Fisch. Schon in früher Zeit kam der Hering in Tonnen aus den Niederlanden, von der Nord- und Ostsee nach Süddeutsch*) Bezüglich der Schreibweise sieh die vortreffliche Abhandlung von J. Schmidkontz: Der Name Dutzenteich im 17. Heft der Mitteilungen, S. 292 ff. 305» 30h.

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land herüber. Er bildete sehr häufig einen nicht unbedeuten­ den Bestandteil der mittelalterlichen, vom Norden und Westen kommenden Warenzüge. An sonstigen gesalzenen Fischen kamen nach Süddeutschland der Platteis, wohl die Flunder, der Stock­ fisch, der Stör und der Lachs. Aber auch der einheimische Fisch und er ganz vorzugs­ weise mußte dazu dienen, um über die schlimmen Fasttage hinwegzukommen, ja die Fleischenthaltung gar nicht als einen Mangel fühlen zu lassen. Man wußte sich durch die mannig­ faltigen Arten der Fische, die die Bäche, Flüsse und Teiche füllten, und die vielfache Zubereitungsweise leicht über die Enthaltung von Fleischspeisen zu trösten. Wo wir uns auch umsehen in der näheret} und weiteren Umgegend der Stadt, stoßen wir auf alte Fischteiche. Da ist an erster Stelle der Dutzenteich zu nennen, ein ganzes System von Weihern, mit den vorgelagerten Teichen, die sich bis zum Hallerschlößchen hinziehen, die Weiher bei Hummelstein und Lichtenhof, dann die Teiche zwischen Gleißhammer und Valznerweiher, bei Mögeldorf, Altenfurt, die unterhalb und oberhalb von Unterbürg, bei Malmsbach, Heroldsberg, Stettenberg, die ganze Reihe von Teichen bei Kloster Pillenreuth, deren Flächen­ inhalt dem des Dutzenteichs nicht nachstand, die Teiche unterhalb des Dorfes Fischbach und jene oberhalb der sogenannten Gauchs­ brücke westlich von Birnthon, die Gauchsweiher, die den Fisch­ bach mit Wasser versorgten, die Weiher bei Birnthon selbst und der Weiher Neideck, der dort in der Nähe lag, die Weiher beim Weiherhaus in der Nähe von Hahnhof, bei St. Wolfgang, bei Feucht, dann bei Rückersdorf, Engeltal u. s. w. Ferner die vielen Weiher in der Erlanger Gegend, wo noch heute, z. B. in den Bischofsweihern bei Dechsendorf die Weiherwirt­ schaft mit Erfolg betrieben wird, die bei Gründlach, die Weiher im Aischgrund. Wo man auch hinsieht, überall erkennt das aufmerksame Auge in der für Weiheranlagen so geeigneten muldenreichen Gegend Spuren von ehemaligen Teichen, die zum Teil bis in die früheste Zeit zurückreichen.1) J) Es ist ganz unmöglich, sie alle hier aufzuführen. Man begegnet ihren Spuren auf Schritt und Tritt. Eine Menge werden im Verlauf der Ab­ handlung noch genannt werden.

161 Dazu kamen die fischreichen Bäche wie der schon genannte Fischbach, das Langwasser, der Rötenbach, die Gründlach, die Schwarzach, die Schwabach u. a. Alle diese Bäche des Reichswaldes waren in alter Zeit mit Fischen besetzt, während sie jetzt meist verödet sind. Beim Fischbach deutet schon der Name auf seinen Fischreichtum hin, der wohl auf die vielen Teiche zurückzuführen war, aus denen er kam und die er durchfloß. Dann aber bargen die beiden Flüsse des ältesten Nürnberger Gebietes, die Pegnitz und Rednitz, einen Fisch­ reichtum in allen möglichen Arten. Da werden genannt: Hechte, Karpfen, Eschen, Forchen (Forellen), Barben, Orfen (auch Nörfling genannt), Prechsen (der oder die Brächsen, der Brassen), Alten (Alt, Ältlein, der Alant, Rohrkarpfen), Ruppen (Aalraupe, Quabbe), Birsing (Birschling, Bars oder Börs, Barsch), Rotaugen, Kurtein (der Name entzieht sich vorläufig jeglicher Erklärung), Haseln (Laseln), Neßling (Isling), Schleie, die als große Fische aufgeführt werden, ferner die kleineren Arten wie: Grundeln (Gründling) oder Sengelein, Erlizen (Elritzen), Plicken (Pricken), Gugelhaupt (Mühlkoppen oder nach Nürnberger Benennung Rotz­ kolben) und Kressen. Der Krebsfang war bedeutend. Was das Fischereirecht anlangt, so war es nicht jeder­ mann gestattet, in den öffentlichen Flüssen und Bächen zu fischen. Ähnlich wie das Jagdregal bildete sich schon früh ein Fischereiregal aus. Durch königliche Belehnung kam es an die Landesherrn, die es weiter verliehen. Durch Urkunde vom 21. Juli 1339 befreit Burggraf Johann von Nürnberg dem Schultheißen Konrad Groß den Weiher und die Wiese dabei zwischen dem Dorf Wöhrd und der Gleißmühle beim Gleiß­ hammer und das Fischwasser, das sich anhebt bei Wöhrd und sich erstreckt bis an das Wehr der Mühle unterhalb der Fleisch­ bänke zu Nürnberg, welche Stücke der Burggraf dem Schultheißen nach Erbrecht verliehen hat, von aller ungewöhnlichen Steuer, Zins und Gült. Nur das gewöhnliche Geld, wie es von altersher gegolten hat, soll davon gereicht werden. Im Besitz dieses Fischwassers erscheint nach einer Urkunde vom Jahre 1408 der Nürnberger Münzmeister Herdegen Valzner, von dem der Valznerweiher seinen Namen erhielt. »Das fischwasser«, heißt es in der Urkunde, »das ich han an der Begnitze, als weite und als 11

162 verre (fern) das mit aller seiner zugehörung begriffen hat« (sich erstreckt), das er von Konrad Groß erkauft hatte. Er verspricht dem Rat, es nur an ihn oder an einen eingesessenen Nürnberger Bürger zu verkaufen. Man sieht daraus, wie viel dem Rat daran gelegen war, das Fischereirecht der Pegnitz nicht in fremde Hände übergehen zu lassen und es womöglich in seinen Besitz zu bringen. Das Fischwasser pegnitzabwärtz von den Fleischbänken bis zur Weidenmühle gehörte nach einer Urkunde vom Jahre 1437 den Deutschherren. Aber man darf wohl annehmen, daß sie hier längst vorher das Fischereirecht ausübten. Sie erhielten es wohl schon im Jahre 1236, als die Fleischbänke von Hermann Anguilla an sie übergingen. Der römische König Konrad, Kaiser Friedrichs II. Sohn, belehnte übrigens als Vertreter des Reichs den Orden ganz ausdrücklich mit diesem Besitz und damit einschließlich wohl auch mit dem Fischereirecht. Das Fischereirecht zwischen den Siechen, d. i. St. Johannis, und Schniegling, das bis dahin Seitz Holzschuher von den Burggrafen als Lehen innegehabt hatte, kam im Jahre 1331 durch Schenkung des Burggrafen Friedrich als Seelgerät — d. h. als Stiftung zur Abhaltung von Seelmessen — an den Komtur und die Brüder­ schaft des Deutschen Hauses in Nürnberg. Sofern nicht anderweit über die Fischerei in der Pegnitz und Rednitz, wo sie Nürnberger Gebiet berührten, und in den öffentlichen Bächen zugunsten anderer Herren verfügt war, gehörte sie dem Nürnberger Rat, der im übrigen das Aufsichts­ recht beanspruchte und Bestimmungen bezüglich der Ausübung der Fischerei als Landesherr traf. Ein großer Teil der Fischwasser war übrigens ebenso wie die Pegnitz ursprünglich im Besitz des Burggrafen, den der Kaiser damit belehnt hatte. So belehnte Kaiser Ludwig der Bayer noch im Jahre 1328 den Burggrafen Friedrich IV. von Nürnberg, seinen »lieben getreuen heimlichen«, wegen der treuen Dienste, die er ihm von langen Zeiten her bis jetzt getan, sein und des Reichs Recht an dem Weiher, »der da heißet an dem Vischbache und vor dem Nurenberger forste und bi dem Galgenhofe gelegen ist«. Dieser Weiher ging später allem Anschein nach an die Oberforstmeister des Nürnberger

163 Reichswaldes, die Waldstromer, über, die sich auch sonst nicht unbedeutende Nutzungsrechte am Wald zu sichern und in den Besitz weiterer Weiher und Fischwasser zu setzen wußten. So hatten sie von altersher das Fischereirecht an dem Fisch­ wasser der Rednitz bei ihrem Stammgut Reichelsdorf, das übrigens auch nichts anderes als ein Reichslehen war, das sie als des Reiches Forstmeister innehatten. In einem Rechtsstreite mit Albrecht von Eglofstein wurde Konrad Waldstromer im Jahre 1355 in Nutzgewehr des Rötenbachs und seines Fisch­ wassers gesetzt.' Und daß ihm auch der Dutzenteich zustand, werden wir noch erfahren. Das Fischwasser der Schwarzach unterhalb Rötenbach von der Brücke bis an die Mahlmühle zu Wendelstein wird ausdrücklich als Lehen des heiligen römischen Reichs bezeichnet, das an die dem fränkischen Landadel und Nürnberger Patriziat angehörige Familie der Rieter verliehen war. Hans Rieter von Kornburg verlieh es 1605 an den brandenburgischen Richter zu Wendelstein Zacharias Heroldt gegen Reichung eines Eigen­ zinses von llU fl. und einer lebendigen Fastnachthenne. Doch bedang er sich aus zu seinem Privatgebrauch den großen See unter der oberen Brücke zu Rötenbach mit seinem Schlund oder Einfluß bis in die Schwarzach und zugleich die Freiheit, daß er und seine Nachkommen einmal im Jahr »zu ihrem Lust und zu was Zeiten es einem fügt und gefällig ist, in diesem zu Erb verkauften Fischwasser fischen mögen«. Den Untertanen blieb das Recht der Wiesenwässerung Vorbehalten, jedoch sollte sich der Erbberechtigte »der Fisch­ nutzung in solchen Wassergräben wie auch zu Güßzeiten auf den Wiesen, wann das große Gewässer die Fische daraufschlägt, unverhindert männiglichs wohl gebrauchen und unterfangen«. Später gingen indes diese und andere Fischereirechte in andere Hände über, und oberherrliche Verfügungen bezüglich der Ausübung der Fischerei trifft der Rat. Er trifft aber auch als Landesherr polizeiliche Anordnungen bezüglich der Fischerei in den kleineren Gewässern, soweit sie nicht Privateigentum sind, in den sog. Freibächen und anderen Wassern. Diese kleineren Fischwasser und Bäche standen den Untertanen, den Bauern, Dörflern und Eingesessenen der Städte noch bis in das 11*

164 16. Jahrhundert und wohl noch lange darüber hinaus für die Fischerei frei und hießen deshalb auch Freibäche. Es ist nun wohl anzunehmen, daß nur die Eigentümer und die Gemeinden, in deren Gebiet das Fischwasser lag, in der Regel zu dessen Ausbeutung berechtigt waren. Ohne Vergünstigung und Er­ laubnis derer, welchen solche Bäche, Wasser oder Weiher, Fisch- und Schlegelgruben zustehen, soll niemanden das Fischen und Krebsen gestattet sein. Später erhob man staatlicherseits Anspruch auf die Fischerei in den fischbaren Bächen, soweit sie das Nürnberger Waldgebiet durchflossen. Die Nachrichten, die wir darüber besitzen, gehören allerdings einer recht späten Zeit an, aber man darf doch wohl annehmen, daß der Staat hier längst vorher ein Recht geltend gemacht und ausgeübt hatte. 1807 verpachtete das Waldamt Laurenzi den Gauchsbach bei Feucht, soweit er durch das Waldgebiet floß, um 2 fl. 30 kr., 1808 wurden der Fischbach, der Rötenbach, das Langwasser, der Gauchsbach, die Altach und die Gründlach auf 6, bezw. 3 Jahre um 4 fl. bis herab zu 1 fl. 30 kr. jährlich verpachtet. Aus den niedrigen Pachtsummen darf man übrigens wohl auf einen recht geringen Fischbestand in diesen Waldbächen schließen. Eine eigentümliche Bewandtnis hatte es noch im 14. Jahr­ hundert mit dem Fischwasser der Pegnitz zwischen Ruprecht­ stegen und Artelshofen. Im Jahre 1358 lagen die Bürger und der Markt Velden mit den Dörfern Ruprechtstegen, Enzendorf und Artelshofen wegen dieses Fischwassers in Streit. Durch Urkunde vom 31. August 1358 vereinigte Kaiser Karl IV. die streitenden Parteien dahin, daß das Fischwasser den genannten Dörfern gemein sein sollte. Aber nicht allein das, es sollte auch seinem Land gemeiniglich in Bayern zustehen, also daß alle die, die in demselben unserm Land zu Bairn gesessen sein und wohnen, freilichen und ohne alles Hindernis fischen sollen und mögen, wenn sie das Verlust, als das von alter Gewohnheit herbracht und gehalten worden ist. Nicht anders war es im folgenden Jahrhundert, als die genannten Ortschaften unter bayrischer Herrschaft standen. Vor der Landschranne oder dem Landgerichte zu Sulzbach wurde im Jahre 1429 abermals eine Irrung zwischen dem Dorf

165 Enzendorf und denen von Velden entschieden. Die Enzendorfer klagten, die von Velden beengten sie an einem Briefe, der klärlich ausweise, wie und in welchem Maße sie mit den Veldenern der »gemein des genannten wassers« wegen unter­ schieden wären. Sie wollten sie nicht bei ihren Rechten, altem Herkommen und guter Willkür bleiben lassen und fischten ihnen darüber in ihrem Teil der genannten Gemein, die ihnen mit Recht zugesprochen worden, gegen ihren Willen und »anders dann recht wäre und mit ungewöhnlicher fischung« . . Aber der Veldener Vertreter widersprach dem. Das Wasser wäre »ein recht landesgemein und sie hätten gut recht, darin zu fischen oben und nieden«, wo es ihnen eben wäre. Sie berufen sich auf die Urkunde Karls IV., die König Wenzel und Herzog Johann bestätigt hatten. Es blieb denn auch bei dem durch Kaiser Karls IV. Brief festgelegten alten Herkommen. Die von Velden und die im kaiserlichen Brief genannten Dörfer und alle, die zur Herrschaft gehören, sollen fischen dürfen in dem genannten Fischwasser der Gemein oben und nieden, wo sie das gelüstet, wie von Alters Herkommen und der Brief ausweist. Bezüglich der Fischzucht wird sich Gelegenheit finden, beim näheren Eingehen auf die Pillenreuter Weiher und den Dutzenteich Mitteilungen über den früheren Betrieb zu machen. Für den Fischfang waren schon in der älteren Zeit genauere Vorschriften maßgebend. Die Ordnung der Pfalzgrafen Ludwig und Otto, Herzoge in Nieder- und Oberbayern, vom Jahre 1478 schrieb vor, niemand solle aus dem schon erwähnten Fisch­ wasser zwischen Ruprechtstegen und Artelshofen Fische fangen, sie seien denn an St. Nikolaustag (6. Dezember) zwei Jahre alt gewesen. Eschen sollten nur dann dem Fang unterliegen, wenn sie an St. Gertrudentag (17. März) ein Jahr alt geworden. Der Nürnberger Rat, der das bayrische Land im bayrischen Erb­ folgekrieg (1504) an sich gebracht hatte, änderte die Schonzeit insofern, als er bestimmte, daß die Eschen im Laich 14 Tage vor und 14 Tage nach Gertrudis, und die Forellen im Laich 8 Tage vor St. Katharina (25. November) und 3 Wochen dar­ nach geschont werden sollten. Die Pfleger zu Hersbruck und Velden werden ermahnt, auf die Einhaltung der Ordnung fleißig

166 acht zu haben. Die Hälfte der Strafgelder soll ihnen, die andere der Herrschaft zufallen. In der Verwendung des Fischgeräts war den Fischern eine große Beschränkung auferlegt. So sollten sie nach der Urkunde der Sulzbacher Landschranne (Landgericht) vom Jahre 1429 nach altem Herkommen nicht fischen mit ungewöhnlichem Zeug, wie mit Zugnetzen, Reusen, Fachen (Wanden), Nachtzeug (Leg­ angeln) und mit einem Zeug, genannt der Perk, das aller Wahrscheinlichkeit irrig statt »Pern« in der mir vorliegenden Urkundenabschrift gesetzt ist. Nach der bayrischen Ordnung vom Jahre 1478 war das »streimen« bei Nacht mit einem »dicken pern« verboten. »Aber mit dem hintern pern mag ein ider fischen, wie von alter gewohnheit ist«. Der Pern ist identisch mit dem Streifhamen und der Ausdruck heute noch in Gebrauch. Auffallend muß es auch erscheinen, daß nach dieser Ordnung für das erwähnte Pegnitzfischwasser von den Angeln nur die Federangel, die wohl durch eine Feder, die auf dem Wasser schwamm, gehalten wurde, gestattet war. Sie untersagte auch das Fischen vom Schiff aus und in einer größeren Anzahl als zu zweien, endlich das Fischen an Sonn­ tagen und den »gebannten Feiertagen«. Für den Verkauf der Fische trifft diese Ordnung noch besondere Bestimmungen. Die Fische sollen zunächst den bayrischen Untertanen in der Herzoge Herrschaften zum Kaufe angeboten werden, »edlen und unedlen, reichen und armen, wo sie zu ihnen — den Fischern — kommen und der begehren«, und sollen sie nicht verleugnen und jeglichen Fisch nach seinem Wert verkaufen. Einen Vorhen-Schrankfisch (Forelle), der zwei Jahre alt ist, um 5 einen Schrankaschen um 4 einen jährigen Aschen um 1 eine Maß kleiner Fische um 10 virne [vorigjährige], zeitige und große Fische um ziemlichen Pfennig [nach dem Werte, wie man sie schätzt]. Wenn jemand Fische in den bayrischen Herrschaften hat, die niemand kaufen will, die mag der Fischer verkaufen, wo er will. Für die Übertretung eines jeden Artikels der Ordnung ist eine Strafe von 4 fl. gesetzt, die an die Amtleute zu Velden und Hersbruck fällt. Die gleiche Strafe haben jene zu gewär­ tigen, die von der Übertretung wissen, aber keine Anzeige

167 erstatten. Und wenn einer dem, der es angezeigt, übel darum redet, ihn deshalb »einen Fürbringer, Kläffer, Darleger, Verräter« heißen oder andere ähnliche Worte ihm zulegen würde, die ihm an seiner Ehre oder seinem Leumund Verletzung bringen würden, der soll gleichfalls der Strafe von 4 Gulden verfallen sein und dazu sollen ihn die Amtleute nach Erkenntnis der Gerichte zu Hersbruck und Velden noch besonders in Strafe nehmen. Im Beginn des 16. Jahrhunderts war eine neue Art — Kunst nennt sie die Ordnung — aufgekommen, mit Kügelein, »so dazu gemacht und zubereitet werden«, nicht allein Fische zu fangen, sondern auch zu töten. Man fischte auf diese Weise fremde Teiche aus und fügte dadurch den Eigentümern beträcht­ lichen Schaden zu. Der Rat verbietet diese Art von Fischerei, die er als Diebstahl bezeichnet und unter besonders schwere Strafe stellt. Auch sonst untersagte er damals das unberechtigte Fischen in der Pegnitz, in Weihern, Bächen und anderen Wassern, sowie die Raubfischerei in den Freibächen und den Fischwassern, Bächen, Weihern, Fisch- und Schlegelgräben und Behältern der Bürger und Untertanen in Städten und Flecken, der Bauern und Schutzverwandten ohne deren Erlaubnis, sei es mit Händen, Sägen (Zugnetzen), Hamen, Reusen, Schöpfen oder anderen Zeugen oder Künsten, bei Verlust des Fischzeugs, Ersatz des Schadens, einer Buße von 10 fl. und in schwereren Fällen einer weiteren Strafe an Leib und Gut. Geschieht aber das Fischen bei Nacht oder verwendet jemand Nachtzeug, wie Angeln, Reusen, Schnüre, Garne oder anderes, so soll das als Diebstahl gelten und gegen den Verbrecher nach Maßgabe eines beson­ deren Ratsbeschlusses vorgegangen werden, »daß man eines Rates Ernst mit der Tat daraus spüren soll.« Diese wenigen Bemerkungen, die noch vielfach ergänzt und erweitert werden könnten, mögen als Einleitung in eine Darstellung des Nürnberger Fischereiwesens genügen. Dieses aber im einzelnen nach seiner historischen und wirtschaftlichen Seite hin darzustellen, erschien mir als eine ebenso verlockende wie wichtige Aufgabe, an die ich mich vielleicht nicht herangewagt hätte, wenn mir gleich von Anfang an klar gewesen wäre, mit welchen Schwierigkeiten ich zu kämpfen haben würde. Wenn es nicht möglich war, sie alle zu überwinden, so lag das an

168 der Lückenhaftigkeit und Sprödigkeit des Stoffes, der besonders bei der Feststellung des Werts und der Rentabilität des Weiherguts wiederholt zu Kombinationen und Analogieschlüssen Anlaß geben mußte. Da Urkunden und Rechnungen in größerem Umfange zu­ nächst nur zur Geschichte solcher Weiher erhalten sind, die der Nürnberger Rat in eigener Verwaltung bewirtschaftete, so beschränkt sich die Darstellung auf diese Weiher, die zwei großen Gruppen der Pillenreuter und der Dutzenteichweiher. Erstere sind die älteren und ich beginne daher mit ihnen meine Darstellung.

i. Die Pillenreuter Weiher unter den Fischbecken und dem Nürnberger Rat bis zum Jahre 1518. Nördlich und nordöstlich von dem ehemaligen Kloster Pillenreut verzeichnet die Karte ein ausgedehntes Gelände als »Königsweiherlach«. Es ist eine niedrig gelegene, zum Teil sumpfige, von Ackerland, Wiese und auch Wald einge­ nommene Fläche, in der noch im 18. Jahrhundert der Weiher Königsbruck oder, in der einfacheren Form, der Königs­ weiher gelegen war. Dieser Weiher ist heute im allgemeinen nur noch dem Namen nach bekannt und doch umfaßte sein Spiegel eine Fläche von nicht weniger als IO8V2 Nürnberger Morgen, war also um ein beträchtliches größer als der große Dutzenteich. Königsweiher hieß er, weil er ursprünglich Königs­ gut war, ebenso wie der in der Nähe gelegene Königshof, die Königsbrücke und die Königsmühle oder der Königshammer an der Schwarzach zwischen Neuses und Erichmühle, Königsgut endlich der ganze Reichswald, zu dem er gehörte. Von diesem mächtigen Weiher, dem größten im Nürnberger Waldgebiet, weiß man im allgemeinen nur zu erzählen, daß in seiner Nähe im Jahre 1450 die Schlacht zwischen dem Markgrafen Albrecht Achilles und den Nürnbergern stattfand,1) wo jener seine über­ mütige Einladung zum Fischessen mit einer schweren Niederlage büßen mußte. Der Weiher Königsbruck war übrigens keines*) Die Schlacht fand wohl südlich von Pillenreut nach Herpersdorf zu statt, da nach den anderen Seiten Weiher und Wald lagen und der Feind von den Nürnbergern nach dieser Richtung hin bis nach Schwabach verfolgt wurde.

169 wegs der einzige in der Gegend. In drei Gruppen lagen bei Pillenreut, bei Weiherhaus und östlich von dem Reichelsdorfer Keller und dem heutigen Sportplatz im ganzen 12 Weiher; nördlich von Pillenreut der Weiher Königsbruck, an den sich westlich beim Königshof der kleine Königsweiher anschloß, westlich von Pillenreut der Weiher Rietenbühl mit dem sich westlich anschließenden kleinen Rietenbühlerweiher; bei Weiher­ haus und zwar oberhalb desselben in der sich nach Herpersdorf hinziehenden Niederung die beiden oberen Erlach- oder Stock­ weiher und unterhalb der Weiherhauses die im untern Erlach. Endlich weiter südwestlich die Weißenseegruppe, bestehend aus dem großen und kleinen Weißensee und dem alten und neuen Burgstallweiher. Von all diesen Weihern ist heute keiner mehr im Betrieb. Den Weiher Königsbruck bedecken, wie schon bemerkt, Äcker, Wiesen und Wald. Der alte Rietenbühl, die Erlach­ weiher oberhalb und unterhalb des Weiherhauses und der große Weißensee sind in Wiesen und Ackerland umgewandelt, während der neue Weiher Königsbruck, der neue Rietenbühl, der kleine Weißensee und die beiden Burgstallweiher schon seit mehr als 100 Jahren ausschließlich wieder zur Waldwirtschaft verwendet werden. Nur die gewaltigen Dämme, die uns hier heute noch aufstoßen, erinnern daran, daß die ausgedehnten Bodenein­ senkungen einst durch künstliche Absperrung in Weiher ver­ wandelt worden sind. Im oberen Erlach ist neuerdings wieder ein Weiher angelegt worden, der sich aber mit den alten Weihern, die hier lagen, keineswegs deckt. Als älteste Weiher werden genannt der zu Königsbruck, der zum Erlach und der Weißensee, alle drei an die Straße nach Katzwang stoßend. Kaiser Ludwig verleiht sie 1336 den Brüdern Fritz und Johann den Fischbecken.1) Diese Weiher bestanden noch nicht lange, sie waren erst von den genannten Fischbecken angelegt worden,2) ohne Zweifel mit des Königs Einwilligung, da der Wald, in oder vor dem sie lagen, Reichsgut *) Rep. des 7‘farbigen Alphabets im kgl. Kreisarchiv Nürnberg Schwarz T, NjL i. Urkunde nicht mehr vorhanden. 2) Die Urkunde des Rats vom 20. November 1339 spricht ausdrücklich von den sechs weiern, di si — die Fischbecken — gemacht haben in dem walde und da vor.

170 war. Bis zum Jahre 1339 legten dann die beiden Brüder noch 3 weitere Weiher an, nämlich den Weiher Rietenbühl und zwei weitere im Erlach unterhalb Herpersdorf, womit Kaiser Ludwig in dem genannten Jahre die Fischbecken mit der Be­ stimmung belehnte,1) daß sie jährlich auf die Burg zu Nürnberg 3 ®) Haller als Burghut zahlen sollten. Diese Weiher hatten bisher, wie eine andere Urkunde bemerkt, dem Reiche keinen Nutzen getragen, und deshalb sollten jetzt die Fischbecken diesen Lehenzins an den Burggrafen, der zur Zeit die Reichsburg zu Nürnberg im Auftrag inne hätte,2) entrichten. *) Die Belehnungsurkunde ist leider nicht mehr vorhanden, wohl aber ein Eintrag im Rep. des 7farbigen Alphabets unter Schwarz T, N£_ 4, der besagt, daß Kaiser Ludwig 1339 Friedrich und Johannsen den Fischbecken 6 Weiher auf des Reichs Boden bei Nürnberg zur Königsbruck, Katzwang, Herpersdorf und dem Erlach zum Erblehen verliehen habe mit dem Gedinge, daß sie jährlich auf die Burg zu Nürnberg 3 Haller zu Burghut zahlen sollen. In dem Willebriefe Erzbischof Balduins von Trier vom 13. März 1339 (Lochner in seinem Aufsatze: die Fischbecken und ihre Weiher im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1865, Sp. 62) werden diese Weiher genauer bestimmt: de vivariis prope Nuremberg, videlicet de vivario dicto Konigesburg [so! statt Konigesbruck] et altero eidem annexo sito iuxta stratam villamque in Katzwangen et in Herbrechtzdorf et tribus vivariis sitis in Erleche sub villa Herbrechtzdorf versus stratam Katzwangen et vivario dicto Weizzensew [so!] . . . In der Urkunde wird der Weiher Rietenbühl zwar nicht mit Namen genannt, aber unter dem zweiten Weiher, der mit dem Königsweiher verbunden war, kann nur der Rietenbühler Weiher verstanden werden, der seinen Wasserzufluß von dem unmittelbar neben ihm und zwar höhergelegenen großen Königsweiher empfing; der kleine Königsweiher kann aber deshalb nicht als vivarium annexum in Frage kommen, weil er erst im Jahre 1440 angelegt wurde. In der vom Schultheißen Heinrich vom Berg ausgestellten Stadtgerichtsurkunde vom 21. August 1348 (Lochner a. a. O., Sp. 93) wird dann auch der Weiher zu dem Rietenbühel ausdrücklich genannt. 2) Ohne Zweifel war Erzbischof Balduin von Trier bezw. seine Kanzlei schlecht unterrichtet, wenn sie annahm, daß der Lehenzins an den Burggrafen, der damals die Reichsburg innegehabt hätte, zu entrichten war. Davon kann in keiner Weise die Rede sein. Wohl erhob der Burggraf zuzeiten Anspruch auf die Reichsburg, so z. B. 1362 vor dem vom Kaiser eingesetzten Fürstengeiicht, vor dem er behauptete, er wäre des Reichs Burggraf und hieße deshalb ein Burggraf zu Nürnberg, weil er des Reichs Burg ob Nürnberg sollte ein­ nehmen, wenn ein Kaiser abginge. Aber den Urkunden gegenüber, auf die sich die Stadt berufen konnte, drang der Burggraf nicht durch, sie blieb bei ihrem althergebrachten Recht. Schon Kaiser Heinrich VII. hatte 1313 der Stadt das Privileg erteilt, daß die Burg niemals von der Stadt getrennt werden und diese sie im Fall eines Interregnums besetzen sollte, um sie einem zukünftigen Könige zu übergeben. Kaiser Ludwig der Bayer und Karl IV. sprachen sich 1341 und 1347 in demselben Sinne aus: Stadt und Burg sollten ein Ding sein. Wenn Kaiser Karl IV. 1365 dem Burggrafen Friedrich V. die Burg zu Nürnberg für seine — des Kaisers — Lebenszeit verschrieb, so ist es trotzdem doch ganz ausgeschlossen, daß der Burggraf diesen Besitz auch an­ getreten hätte. Der Burggraf hatte der Stadt nach dieser Urkunde die Gelübde zu leisten nach laut der Urkunden, die sie vom Kaiser darüber hatte. Mon. Zoller. IV, NJL 72.

171 Diese Verfügung über Reichsgut erschien so wichtig, daß die Kurfürsten des Reichs Markgraf Ludwig von Brandenburg, Herzog Rudolf von Sachsen und Pfalzgraf Rudolf bei Rhein am 9., König Johann von Böhmen und Erzbischof Heinrich von Mainz am 10. und Erzbischof Balduin von Trier am 13. März 1339 ihre Willebriefe dazu erteilten und weiterhin auch der Schultheiß Konrad Groß, der Rat und die Gemeinde der Stadt am 20. November 1339 und die Burggrafen Johann und Albrecht von Nürnberg noch nachträglich am 16. November 1341 ihre Zustimmung urkundlich erklärten.1) Die mit den Weihern belehnten Brüder Friedrich und Johann, die Fischbecken, stammten von Fischbach, zählten nach Ulman Stromer zu den Nürnberger ehrbaren Geschlechtern und gehörten nach dem Zeugnis Kaiser Ludwigs des Bayern zu seinen lieben Dienern, die ihm in deutschen und wälschen Landen treue Dienste geleistet hatten. Am 12. März 1339 hatte ihnen der Kaiser deshalb das Dorf Eckenheid gegen 1000 S) Haller verpfändet.2) Weiter trugen sie von Kaiser und Reich zu Lehen die Burghut auf der Reichsburg, die nach ihnen König Karl IV. seinem Kammermeister Sbinko Hase von Hasen­ burg am 8. September 1349 verlieh.3) Durch diese Urkunde war den Fischbecken auch alles an­ dere Gut, das sie noch besaßen, abgesprochen und dem Sbinko Hase von Hasenburg verliehen worden, und zwar, wie die Ur­ kunde sagt, »von missetat derselbin Fritzen und Heintzlins, di sie an uns und dem rieh begangen habin darum, daz sie an uns meineidig worden sint«. Sie hatten nämlich die Partei des Gegners Karls IV., des Markgrafen Ludwig von Brandenburg, ergriffen und 1349 mit den Nürnberger Aufrührern gemein­ schaftliche Sache gemacht. So wurden sie denn als lehensbrüchig ihrer Lehen entsetzt. Die Hasenburg auf der Burg zu Nürnberg, die noch heute nach den Hasen ihren Namen führt, eine Burghut gegenüber dem Sinwellturm nach der Stadt hin, haben sie nicht wieder erlangt, dagegen blieben sie im Besitz des Reichslehens Eckenheid, des Gutes Malmsbach und der Pillenreuter Weiher, als deren Besitzer sie bis zum Verkauf an den Rat erscheinen. *) Lochner a. a. O. 63, 64. 2) Reg. Boic. VII, 240. 3) Orig.-Urk. im kgl. Kreisarchiv Nürnberg.

172 Sie hatten ebenso wie andere vornehme Nürnberger Familien oder hochgestellte Reichsbeamte, wie die Waldstromer und Forst­ meister, mit dem König Frieden zu schließen gewußt, der ihnen, wie es scheint, fast ihren ganzen früheren Lehensbesitz beließ. Kehren wir zu unseren Weihern zurück. Von den Zu­ stimmungsurkunden zu der kaiserlichen Belehnung der Fisch­ becken vom Jahre 1339 erscheint die des Rats1) für uns von besonderer Wichtigkeit. Schon deshalb, weil es ein in seiner Art einziger Fall ist, daß der Rat zu einer kaiserlichen Urkunde seine Zustimmung erteilt. Er tat es aber, weil er an der Sache in hohem Maße beteiligt war. Weiter erfahren wir aus der Urkunde Zahl und Lage der Weiher und außerdem noch, daß dazu auch ein Gesäß2) — ein Sitz — und eine Hofreit — hier wohl der Bauernhof3) — gehörte. Die Burg stand wohl an der Stelle des späteren Klosters Pillenreut, der Hof war entweder Weiherhaus oder der Königshof. Da aber der Königshof sonst nie in Verbindung mit den Weihern genannt wird, sondern als selbständiger Hof erscheint, so darf der in der Urkunde angeführte Hof mit dem Weiherhaus als identisch angesehen werden. Pläne und Beschreibungen aus viel späterer Zeit, der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, gleichwohl aber für die Lage und die Größenbestimmung der alten Weiher sehr wohl verwendbar, weil sich daran im wesentlichen nichts geändert hat, geben uns nach dieser Richtung sichere Anhaltspunkte.4) *) Urkunde vom 20. November 1339. Lochner a. a. O., Sp. 63. 2) Wohl identisch mit dem Hause, das nach der Pillenreuter Kloster­ urkunde vom 5. August 1392 im Weiher stand, dem Herrenhaus bei Weiherhaus. Es war wohl im Städtekiieg niedergebrannt und damals noch nicht wieder aufgebaut worden. S. auch S. 179, Anm. 3. 3) S. Lexer I, 1366. 4) Wie schon bemerkt, sind die Weiher heute nicht mehr vorhanden und auf den Karten nicht verzeichnet. Ich habe sie sämtlich unter Aufwand von viel Zeit und Mühe wieder feststellen können. Der beigegebene Lageplan stützt sich zunächst auf die Einzelpläne und Aufzeichnungen in einem der Kopialbücher über das Weiherhaus, die sich im Besitz der Freih. v. Geuderschen Familie in Heroldsberg befinden, die das Weiherhaus im 18. Jahrhundert lange Zeit in Besitz hatte. In diesem Kopialbuch sind der große Königsweiher, der große Rietenbühler Weiher, der große und kleine Stockweiher, der große und kleine Weißensee mit dem großen Burgstallweiher und der untere Erlach­ weiher, jeder für sich, abgebildet und der Flächeninhalt der sämtlichen Pillen­ reuter Weiher angegeben. Ein alter Lageplan ist leider nicht mehr vorhanden, so daß nichts anderes übrig blieb, als die Lage der Weiher auf Grund der vorliegenden Anhaltspunkte zu rekonstruieren.

Lageplan der Pillenreuter Weiher.

173 Der Weiher Altkönigsbruck oder der große Königsweiher hatte einen Flächeninhalt von 108 V2 Nürnberger Morgen und erstreckte sich auf der Südseite bis fast an das Kloster Pillenreut, von diesem nur durch die Klosterwiese, Zell genannt, geschieden. Seinen Hauptzufluß, den aus der Otterlach bei Worzeldorf kommenden Otterbach, erhielt er auf seiner östlichen Seite, weitere kleinere Rinnsale mündeten im Norden und auf der Nordostecke. Ein südlicher Abfluß speiste den Graben um das Kloster Pillenreut und floß dann in den Hauptzufluß des Rietenbühler Weihers. Ein weiterer Abfluß des großen Königs­ weihers auf der Südwestseite ging direkt in den großen Rieten­ bühler Weiher und der Hauptabfluß im Westen, der Otterbach, unter der alten Königsbrücke weg in eine talartige Niederung, die später zum Teil von dem kleinen Königsweiher eingenommen wurde. Westlich und südwestlich von Pillenreut und nur durch ein paar kleine Wiesen und ein Äckerlein getrennt, lag der Weiher Altrietenbühl, sich in einer Größe von 56V2 Morgen bis an den Weiherdamm erstreckend, der zugleich den Weg nach Weiherhaus und Katzwang bildete. Zwischen dem Weiher Rietenbühl im Westen und dem Königsweiher im Norden lag auf einer kleinen Erhebung das Kloster Pillenreut. Außer dem Zufluß aus dem Königsweiher und dem Abfluß aus dem Kloster­ graben wurde der Weiher Rietenbühl besonders durch den Wasserzugang aus der Worzeldorfer Gegend versorgt. Sein Abfluß speiste später den kleinen Weiher Rietenbühl. Was den Namen Rietenbühl angeht, so bedeutet Bühel bekanntlich Hügel, das Bestimmungswort rieten könnte mit rieten = roden, reuten (Riet, Geriet == ausgerodetes Buschwerk) zusammen gebracht werden, so daß also Rietenbühl der »gerodete Hügel« wäre. Besser aber ist das erste Wort wohl von Riet, mit Zusammen mit Herrn Lithographen Malter in der Firma E. Nister habe ich die Weiher abgegangen, und Herr Malter hat dann auf Grund der alten Zeichnungen, der Generalstabskarte und der gewonnenen Wahrnehmungen den schönen Lageplan entworfen, den die Kunstanstalt E. Nister in so vorzüglicher Weise wiedergegeben hat. Besonderen, herzlichen Dank schulde ich der von mir hochgeschätzten und verehrten Frau Baron Charlotte von Geuder, die mir ihr ganzes archivalisches Material über die Pillenreuter und die weiter dazugehörigen Weiher in so überaus liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellte. Meine Arbeit wurde dadurch für die ältere Zeit in hohem Maße gefördert und für die spätere erst ermöglicht.

174 Schilf oder Sumpfgras bewachsener Grund oder auch einfach Schilfrohr, abzuleiten, demnach der mit solchem Gras bewachsene oder an einem solchen Schilfgrund liegende Hügel. Die Lage der Weiher im Erlach wird schon in den ältesten Urkunden mit aller nur wünschenswerten Genauigkeit bestimmt: »drei Weiher unter dem Dorfe Herbrechtsdorf auf der Straße niden und oben zu Katzwang«. Sie lagen demnach in der bedeutenden Bodeneinsenkung, die sich westlich von Herpersdorf zur Katzwanger Straße oberhalb des Weiherhauses erstreckt und unterhalb desselben in der Richtung auf Reichels­ dorf zu ihre Fortsetzung findet. Zwischen Herpersdorf und Weiherhaus lagen die zwei oberen Erlachweiher, später der kleine und der große Stockweiher genannt, mit einem Flächen­ inhalt von 5V2 und 103/4 Morgen. Sie waren nur durch einen Weiherdamm geschieden. Ein Zufluß ist zwar auf einem Plan vom Jahre 1617 nicht verzeichnet, doch führt, wie heute noch der Augenschein lehrt, ein Rinnsal das Wasser von Herpersdorf, Kornburg und Gaulenhofen her dem obersten Weiher zu. Während in einer Urkunde vom Jahre 15721) von drei Weihern im untern und obern Erlach und vom Weiher zum Weiherhaus die Rede ist, spricht eine weitere vom Jahre 1595 von vier Weihern im unteren und obern Erlach, ohne den Weiher zum Weiherhaus weiter zu erwähnen. Dieser ist eben mit dem oberen Weiher im unteren Erlach als identisch anzunehmen.2) Der Weiher zum Weiherhaus empfing sein Wasser durch eine Schlegelrinne aus dem unteren Stockweiher und gab es weiter an den erst später und zwar im ersten Viertel des 15. Jahr­ hunderts entstandenen unteren Erlachweiher, von dem er durch einen besonders hohen und starken Damm geschieden war. Der untere Erlachweiher war von dem Wiesengelände, das sich noch weiter in den Wald hineinzieht, durch einen Damm *) v. Geudersches Kopialbuch über die Pillenreuter Weiher, das auch die weiteren Urkunden über diese Weiher und das Weiherhaus enthält. *) Weiter wird in den erwähnten Urkunden von 1572 und 1595 von bloß einem Weiher im oberen Erlach, der auch Stockweiher genannt wurde, gesprochen, während nach dem Plan von 1617 im obern Erlach 2 Weiher lagen. Man betrachtete demnach die beiden Stockweiher gewissermaßen als nur einen Teich, sie waren ja auch nur durch einen schmalen Damm getrennt und der obere speiste den untern.

175 abgesperrt. Diese beiden letzten Weiher hatten ungefähr die gleiche Größe von je 2XU Morgen. Der letzte der alten Weiher, der große Weißensee, lag etwa V2 Kilometer süd­ westlich von Weiherhaus in einer langgestreckten Niederung und umfaßte einen Flächeninhalt von 21V* Morgen.

Bezüglich der 6 alten Weiher nun bestimmte die vorhin erwähnte Ratsurkunde vom Jahre 1339, daß die Fischbecken sie mit dem Sitz und dem Hof nutzen sollen mit den Wassern und mit allem Nutz, der davon kommen mag, soweit die Wehre — die Dämme — sich erstrecken und soweit die Weiher stauen.1) Wo die Stauung im Sommer und Winter aufhört, sollen sie nicht weiter gemacht und der Wald da nicht weiter ausgereutet werden. Wo die Wehre an den Weihern nicht hoch genug gezogen oder diese nicht eingefriedigt sein sollten, mögen sie die Dämme höher ziehen und die Weiher einfriedigen. Werden die Wehre baufällig oder zerbrechen sie oder werden sie vom Wasser weggeführt, so dürfen die Fischbecken sie bessern und wiedermachen. Wollen sie oder ihre Erben Gesäß, Hofreit und Weiher verkaufen oder in fremde Hand hingeben, so sollen sie sie zunächst dem Rat zum Kauf anbieten, der sie dann um das gelegte Angebot an sich bringen kann, während sie, wenn der Rat sie nicht kauft, einem Nürnberger Bürger und dann erst einem andern überlassen werden sollen. Als Kaiser Ludwig der Baier im Jahre 1345 im Reichs­ walde bei seinen Fischweihern in der Nähe des Hofes Pillenreut das Frauenkloster Maria Schiedung errichtete,®) vertraute er es dem Schutze der Brüder Friedrich und Johann der Fischbecken an. Den beiden der Klause zugeteilten Priestern wurde das Recht eingeräumt, auf dem Hofe zu Pillenreut und der Burg — castellum sive munitio — und dem Hofe der Fischbecken alle gottesdienstlichen Handlungen zu verrichten. Die Klause oder das Kloster Pillenreut bezog von den Weihern einen jähr­ lichen Zins oder Zehnten von 5 Goldgülden. *) stemmen heißt es in den Urkunden. 2) Urkunde bei Würfel, Gesch. des ehern. Klosters Pillenreuth, S. 4 ff.

176 Mit den angrenzenden Bauern und Dorfgemeinden gerieten die Weiherbesitzer jetzt wie später wiederholt in Streit und Irrungen. Schon 1348 hatten der Schultheiß Heinrich vom Berg und die Schöffen der Stadt Nürnberg über die Klage der Dorfgemeinden Herpersdorf, Gaulenhofen, Worzeldorf,1) Katzwang, des Stock von Schwabach und Merkels des Stör von Nürnberg wegen Beschädigung durch die Weiher der Fisch­ becken zu befinden. Die Klage wurde in den Rat gedingt, der die Fischbecken freisprach und noch hinzufügte, daß sie mit den Weihern und Gütern vor ihren Klägern ewiglich in Ruhe sitzen sollten ohne alle Ansprache und in dem Recht, wie die Briefe es besagten, die sie von Kaisern, Kurfürsten, den Burggrafen und der Stadt Nürnberg empfangen hätten.2) Die Fischbecken müssen sich schon vor dem Nürnberger Aufstand, als ihre Güter der Konfiskation unterlagen, in miß­ lichen Vermögensverhältnissen befunden haben. Sie verpfändeten nämlich 1347 für eine Judenschuld, von der sie Konrad Wald­ stromer und dessen Sohn gleichen Namens löste, diesen außer allen Weihern an der Straße nach Katzwang mit ihren Zu­ gehörungen auch das reichslehenbare Dorf Eckenheid und den Hof Malmsbach. Aber noch in demselben Jahre wurden sie vom König mit den Weihern und mit Eckenheid belehnt, doch sollten sie jährlich auf des Königs Haus — die Burg — zu Nürnberg dem, der es von des Königs und des Reichs wegen innehätte, drei SB Haller ewiglich entrichten.3) Im Jahre 13504) wurden die Fischbecken dem Rat zunächst 400 SB Haller schuldig unter derselben Bedingung, zu der dieser 800 $> von Burkhard von Farnbach entliehen hatte. Diese besondere Bedingung bezog sich wohl auf den hohen Zins von 10°/o, den die Fischbecken dem Rat zu zahlen hatten, ebenso wie dieser dem Farnbacher. Der Rat aber hatte wohl das Kapital bei dem letzteren aufgenommen, um den Fischbecken die von ihnen geforderte Summe vorschießen und damit Rechte auf deren Güter und insbesondere die Weiher erwerben zu *) 4) 3) 4) archiv zu

Urk.: Wozelndorf. Urkunde vom 21. August 1348 bei Lochner a. a. O. Sp. 93. Urk. vom 25. November 1347. Lochner a. a. O. Sp. 92. Orig.-Urkunde vom 2. September 1350 im kgl. allgemeinen Reichs­ München.

177 können. Von der Verpfändung der Weiher ist allerdings in dieser Urkunde noch nicht die Rede, wohl aber waren sie mit inbegriffen, denn als Pfand und in Nutz und Gewähr setzten die Fischbecken alle ihre Güter, die sie hatten, Eigen, Erbe oder Lehen, mit Ausnahme ihrer Güter zu Fischbach und zu Malmsbach und unbeschadet der Rechte, die Konrad der Wald­ stromair an ihren Gütern hatte. Ferner hatten sie ihm eingesetzt alle Urkunden über ihre Güter, die Konrad Waldstromer ihnen selbst und dem Rat in Treues Händen bewahren soll, bis sie die 400 und den jährlichen Aufschlag — die Zinsen — zurückgezahlt haben. Die Fischbecken verpflichteten sich weiter zu einer jährlichen Abgabe von 2 Fastnachthühnern und 2 Käsen an den Frager oder den älteren regierenden Bürgermeister und zu einem Fisch an denselben aus jedem Weiher, so oft sie einen ablassen würden. Diese Abgaben erfolgten zu einer Ur­ kunde darüber, daß »di vorgenanten unser herren die burger [vom Rat] deu vorgeschriben unsereu gut elleu in nutz und in gewer inne haben und inne haben schulen, biz wir oder unser erben deu vorgenanten vier hundert pfunt haller und den aufslag, der jerlich dar auf gen schol, gentzlich und gar wider bezalt und beriht haben«. Wenig später1) lieh der Rat zu ganz den­ selben Bedingungen noch weitere 200 Die jährliche Gült wurde nicht erhöht, der Weiherzins aber etwas bestimmter gefaßt: »Und auz ietleichem unserm weier in den vier tagen in der vasten einen erlichen vische, durch daz si die gut mit recht dester baz versprechen mügen«. Zwei Jahre später war die Summe, die die Fischbecken dem Nürnberger Rat schuldeten, auf 1000 Haller angewachsen. Dadurch war der Übergang der Weiher an den Rat, wie wir sehen werden, so gut wie besiegelt. Über diese Schuld stellten sie dem Rat eine Urkunde2) aus, auf die hier einzugehen ist. Damit sie um so besser bei ihren Gütern und insbesondere bei ihren Weihern bleiben können, hat ihnen der Rat ein Kapital von 1000 Haller vorgeliehen, das er selbst von dem Ritter Burchard von Farnbach aufgenommen hat. Wie der !) Orig.-Urkunde vom 23. November 1350 im kgl. allgemeinen Reichs­ archiv. 2) Urkunde vom 6. Februar 1352 bei Lochner a. a. O. 139. 2

178 Rat dem Farnbacher, so haben die Fischbecken dem Rat jähr­ lich 10°/o Interesse zu zahlen. Die nicht bezahlten Zinsen werden zum Kapital geschlagen »zu einer Summe«, wovon 10°/o zu entrichten sind. Für die 1000 und den Aufschlag, der dazu kommen mag, setzen sie dem Rat die erwähnten Weiher zu der Königsbruck, zu dem Rietenbühl, zum Erlach und Weißensee und was sie an Weihern und Weiherstätten vor und in dem Walde besitzen und was dazu gehört, zu Pfände mit der Bestimmung, daß ihnen selbst die Nutzung zukommen soll. In Jahresfrist wollen sie die Weiher niemand verkaufen und versetzen und nach Jahresfrist wollen sie, gleichviel, ob sie die Pfandschaft gelöst haben oder nicht, für den Fall des Ver­ kaufs dem Rat oder Nürnberger Bürgern das Vorkaufsrecht lassen. Weiter verpflichten sie sich — auch hier ist wieder gegen früher eine Änderung eingetreten — den ersten beiden Fragern zum neuen Rat je einen Hecht zu St. Walburgismessc zu reichen »durch nucz und gewer willen der selben stat«, eine Abgabe, die auch noch im folgenden Jahrhundert bestehen blieb. Zur größeren Sicherheit überantworten sie alle Urkunden über die Weiher, die sie vom Reich, von den Kurfürsten, dem Burggrafen zu Nürnberg und der Stadt Nürnberg besitzen, Philipp Groß, dem Bruder des Reichsschultheißen, sie zu treuen Händen zu bewahren dem Rat, Konrad dem Waldstromer, den Nonnen in der Klause von des Zehnten wegen und ihnen selbst, jeglichem zu seinem Recht.1) Schon zwei Jahre später (1354) kamen die Weiher an die Stadt. Nach der von König Karl IV. darüber ausgestellten Urkunde2) sind die Bürger vom Rat und die Gemeinde der Stadt zu Nürnberg mit ihm überein gekommen um dritthalbtausend ® Haller, die sie ihm und dem Reich von Friedrich und Johann den Fischbecken versprochen und gelobt haben zu kaufen *) Die Fischbecken übergaben ihre Urkunden an den Treuhänder Philipp Groß, um damit die Rechte der genannten Schuldner anzuerkennen. Daß die Nonnen zu Pillenreut über den an sie zu reichenden Zehnten ein besonderes Dokument in Händen hatten, ist eine bloße Vermutung Lochners (a. a. O. Sp. 140). Ebenso die Aufstellung, daß Konrad der Waldstromer einen Brief von ihnen gehabt habe, daß der Wald nicht solle geschädigt werden. Das Kloster Pillenreut wie Konrad Waldstromer werden in der Urkunde ebenso wie die Stadt Nürnberg aus dem Grunde genannt, weil die Fischbecken ihre Schuldner oder ihnen doch, wie beim Kloster, verpflichtet waren. 2) Urkunde vom 29. Dezember 1354 hei Lochner a. a. O. Sp. 140 f.

179 nach der Fünfer Spruch, die darüber genommen und benannt waren. Der König spricht die Stadt ihres Versprechens frei und gelobt ihr, sie aller Ansprüche und Forderungen, die die Fischbecken wegen der Weiher und ihres Kaufes erheben könnten, zu entledigen zwischen dem Datum der Urkunde und dem nächsten Johannistag zur Sonnenwende. In einer weiteren Urkunde vom selben Jahre erklärt er, daß er die Weiher, die die Fischbecken bisher vom Reiche innegehabt, wieder geledigt und gekauft habe und gelobt bei seinem königlichen Gnaden für sich und seine Nachkommen, Kaiser und Könige, diese Weiher niemals von dem römischen Reich und der Stadt Nürnberg mit Verkaufen, Versetzen, Vertauschen, Verschenken oder auf andere Weise zu scheiden und zu entfremden.1) Damit war die Stadt Nürnberg die Besitzerin der Pillenreuter Weiher geworden. Mit den Klosterfrauen traf sie 1392 ein Abkommen, ein­ mal2) wegen der Stellung der Nonnen, die jetzt zu ihr in ein Schutzverhältnis traten und sich verpflichteten, nicht mehr als 12 Chorfrauen und eine Pröbstin zu haben und nicht mehr als 3 Novizen aufzunehmen, während ihnen bezüglich der Zahl der Dienstboten im Kloster und auf dem Hofe keinerlei Be­ schränkung auferlegt werden sollte, dann aber in einer zweiten Urkunde3) wegen der Rechte des Klosters an den Weihern. Die Klosterfrauen wollen keinerlei Zuspruch noch Forderung erheben an den Rat wegen des Zehnten oder der Stemmung der Weiher weder mit geistlichen noch mit weltlichen Gerichten. Nur soll der Rat oder wer die Weiher von seinetwegen inne hat, jährlich in den Fasten ihnen, wenn sie es fordern, 5 fl. oder für 5 fl. Fische reichen. Die deutschen Könige hatten an den Weihern als Lehens­ herrn ein besonderes Interesse, das noch dadurch erhöht wurde, daß sie, wenn sie wollten, in den bedeutenden Waldweihern J) Urkunde vom i. Januar 1354 bei Lochner a. a. O. Sp. 141. 2) Urkunde vom 5. Aug. 1392 bei Lochner a. a. O. Sp. 141, 142. v. Wölckern, Hist. Nor. dipl., No. 252. v. Falckenstein, Cod. dipl., No. 259. Würfel a. a. O. S. 34 ff. 3) Lochner a. a. O. Sp. 142. Falckenstein, Antiq. Norgav. II, p. 325.^ Orig, im Reichsarchiv zu München. In der Urkunde wird außer den Weihern Königsbruck, Reitenpühel, Erleich, Weißensee auch der Weiher genannt, »darinne daz hause stund«. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Weiher beim Weiherhaus gemeint. S. a. S. 172, Anm. 2.

180 dem Fischfang obliegen konnten. Wie Kaiser Karl IV. im Nürnberger Walde und namentlich in der Brunner Gegend, wo er eine feste Burg, allerdings nur von geringem Umfang, besaß, um hier auch weilen und übernachten zu können, des edlen Weidwerks pflegte, so ersehen wir aus einem Eintrag in den Stadtrechnungen1), daß sein Sohn, König Wenzel, an dem Fisch­ fang seine Freude fand. Aber er scheint sich, wie das so seine Art war, auch hier in etwas gewalttätiger Weise aufgeführt zu haben. Der Eintrag vom Jahre 1388 lautet nämlich: »Item dedimus ei« — nämlich Andres Pfinzing, der damals die Aufsicht über die Weiher von Ratswegen führte — »55 guidein, die im der kunig schaden tet, do er drei naht dort außen bei den weiern waz«. König Wenzel bestätigte übrigens der Stadt Nürnberg durch Urkunde vom 23. Oktober 1397 den Besitz der Weiher in all der Weise und den Rechten, wie sie die beiden Brüder Fritz und Johann die Fischbecken vom Reiche innegehabt hatten, ebenso König Ruprecht am 6. Januar 14012) und König Sigmund am 1. Oktober 1414.3) Als Lehensherrn bezogen die deutschen Könige von den Pillenreuter Weihern einen jährlichen Zins. 1378 zahlte der Rat 200 fl. Zins »von anderthalb jaren, die wir die weir gehabt heten biz uf die zeit«. Daraus geht auch hervor, daß sie vorher verpachtet gewesen waren. 1381 erhielt der Pfleger vom Rotenberg Ulrich vom Wolfsberg 40 fl., die ihm der Kaiser, überwiesen hatte. Es waren dann jährlich 80 fl., die ihm der Rat infolge kaiserlicher Überweisung entrichtete und häufig auch vorausbezahlte. Im Jahre 1385 wurde ihm der Königszins zur Hälfte vorausbezahlt. Die Losungsstube vermerkt deshalb, daß dieser Betrag für den Fall, daß Ulrich von Wolfsberg in der Zwischenzeit mit Tod abgehen oder abgesetzt werden sollte, den Bürger des Rats wieder zurückzuerstatten sei. L. Lang­ mann wurde deshalb Bürge und der Rat hatte sich außerdem eine Urkunde und eine Quittung vom Pfleger vom Rotenberg *) Jahresregister und Stadtrechnungen, worauf im Folgenden Bezug genommen wird, im kgl. Kreisarchiv Nürnberg. 2) Regesten K. Ruprechts hrg. von Jos. Chmel No. 64. 8) Müllners Annalen z. J. 1313 unter »Weiherhaus bei Wildenreut« (Abschrift im städt. Archiv Bd. II, 291). Nach einem Regestenblatt im kgl. allg. Reichsarcbiv München würde das Ausstellungsdatum nicht Montag nach, sondern vor Michaelis, also der 24. September 1414, sein.

181 geben lassen. 1392 entrichtete Hermann Ebner für den Rat 80 fl., die man von diesem jar im schuldig. Hermann Ebner leistete dem Rat Bürgschaft für den Fall, daß Herr Worziboy von Swinar, des Königs Diener, gleichfalls, wie man zu befürchten schien, darauf Anspruch erheben könnte. 1395 empfing des Pflegers zum Rotemberg Witwe den Weiherzins; sie verpflichtete sich dem Rat durch Urkunde mit den Siegeln etlicher Bürgen [selbscholn], daß sie, falls der König etwa deshalb Ansprüche geltend machen sollte, ihm den Zins wiedererstatten werde. 1397 erhielt den Zins von 80 fl. der neue Pfleger zum Rotemberg Dietrich von Loputz. Hartmann Stralnfelser und Jörg Sittenpeck verpflichteten sich dem Rat gegenüber urkundlich, des Königs Quittung zu erwirken bis zum nächsten Walburgis­ tag. Zum letztenmale erscheint dieser Zins 1397 in den Stadt­ rechnungen, die dann, abgesehen von der des Jahres 1406, bis zum Jahre 1418 verloren gegangen sind. Es ist deshalb anzunehmen, daß er in der Zwischenzeit vom Rat abgelöst worden ist. Bis zum Jahre 1518 blieben die Pillenreuter Weiher im eigentümlichen Besitz des Rates. Während dieser Zeit hatte er sie bis in die 70 er Jahre des 15. Jahrhunderts meist in eigener Verwaltung, dann verpachtete er sie und verkaufte sie 1518 zu Erbrecht an den Landbaumeister Hans Beheim. Aus der langen Zeit bis zum Verkauf geben die StadU rechnungen mancherlei Aufschlüsse über die bauliche Unter­ haltung der Weiher und des Weiherhauses, über die Neuanlage von Weihern und die Weiherwirtschaft des Rats, die so wichtig und auch zum Teil so anziehend und merkwürdig sind, daß hier näher darauf eingegangen werden muß. Daß an den Weihern fortwährend und zwar oft nicht geringe Ausbesserungs-, Erneuerungs- und auch Erweiterungs­ arbeiten vorgenommen wurden, braucht kaum gesagt zu werden. So erhielt Thoman, des Mörders Sohn, der sonst in der Wald­ wirtschaft der Stadt Verwendung fand, im Jahre 1387 3 Haller vom Rate ausgezahlt »von der bäu wegen, die sein vater und er getan haben an denselben weiern«. Aber er mußte ver­ sprechen, für' die Zukunft auf alle Ansprüche und Forderungen für sich und all die Seinen wegen dieses Baus zu verzichten.

182 Andres Pfinzing verbaute 1391 als Weiheramtmann 9 % und 7V2 ß Haller an den Weihern. Auch am Weiherhaus wurden wiederholt Bauvornahmen erforderlich. Der eben erwähnte Andres Pfinzing erhielt 1385 40 V2 fl. für die an dem Hause zu den Weihern vorgenommenen Bauten und anfangs 1388 113 V2 Sb Haller, wofür er im Jahre vorher einen Zaun um das Weiher­ haus und den Hof geführt hatte. Das war für die damalige Zeit eine sehr beträchtliche Summe, und der Zaun, den er dafür errichtete, muß besonders umfangreich und stark gewesen sein, wie man ihn damals brauchte, um sich gegen Räuber, Wegelagerer und Diebesgesindel zu schützen. Was es mit dem Schaden auf sich hatte, den, wie schon erwähnt, König Wenzel anrichtete, als er sich 138 7 drei Nächte bei den Weihern auf­ hielt, ob er an diesen selbst oder am Weiherhaus sei es aus Unerfahrenheit oder Übermut etwas beschädigte oder zerstörte, läßt sich aus dem Eintrag nicht erkennen. Aber der Schaden, dessen Wiederherstellung 55 fl. kostete, erscheint nicht unbe­ trächtlich und entstand vielleicht durch ungeeigneten Gebrauch der Stauvorrichtungen. 1406 verbaute Martin Haller am Weißensee 72 Haller. Für die Ausbesserung des Weihers Rietenbühl, für die »Ausführung« des Weiherhauses und der drei Fischbehälter und die Erneuerung der Rinnen und Schlegel, wozu noch die Kosten für das Ausfischen des Weihers Königsbruck kamen, verausgabte Veit Pfinzing im Jahre 1428/1429 57 3 ß und 4 Haller ver­ rechnet. Der Stadtfischer Ulmann Knopf löste 1431 6 $b aus den Fischen, die er in dem neuen Weiher bei Pillenreut gefangen hatte, als er versuchte, wie derselbe Weiher angesetzt hätte. Der neue Weiher wird dann wieder 1433 genannt, als er mit dem Weiher zu Königsbruck und jenem zu Feucht neu besetzt wird, und im Jahre 1435/36 begegnen dann zusammen die drei benach­ barten Weiher Burgstall, Altenweißensee und Neuenweißensee. Diese Weiheranlagen konnten sich zwar mit den größeren des Königsweihers, des großen Rietenbühls und des großen Weißensees nicht messen, immerhin aber hatte der kleine Weißen­ see eine Wasserfläche von 11 Vs Morgen und der Burgstall eine solche von 3 Morgen. Besonders die Anlage des neuen Weißen­ sees erforderte einen beträchtlichen Aufwand an Arbeit und Geld. Wenn man vom Reichelsdorfer Keller den Weg zum Weiherhaus einschlägt, so kommt man in einigen Minuten an den ihn im Südwesten abschließenden hohen und starken Damm, der sich an einem Fahrweg entlang zieht. Dieser Damm ist im allgemeinen sehr wohl erhalten und hat an der Sohle, wo er am breitesten ist, einen Durchmesser von etwa 18 Meter. Auch die übrigen Dämme sind entweder noch erhalten, wie der im Südosten und Nordosten, oder doch noch sehr wohl erkennbar, wie jener im Nordwesten, neben dem der Weg nach Weiher­ haus läuft, während der nordöstliche zugleich als Fahrweg dient. Der vorhin erwähnte Weiher zum Burgstall liegt nahe beim großen und kleinen Weißensee. Wendet man sich von dem diese beiden Weiher trennenden Damm nach links, so stößt man nach einigen hundert Schritten im Wald auf einen kreis­ förmigen tiefen Graben, aus dem ein abgestumpfter Kegel her­ vorragt, der einst ohne Zweifel ein burgartiges Gebäude getragen hat. Außen am Graben sind noch die Reste einer Erdum­ wallung sichtbar, die wohl aus dem Aushub des Grabens her­ gestellt worden ist. Zu welchem Zwecke diese kleine Burg ehemals gedient hat, ob sie etwa ein Wärter bewohnte, ob sie einst den Fischbecken gehörte und mit dem Übergang der Weiher an den Rat von diesem irgendwie verwendet wurde oder ob endlich der Kaiser, wenn er einmal die Weiher fischen

184 wollte, in ihrem Schutz übernachtete, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Da das Weiherhaus mit seinem Sitz schon bestand, so wird es nicht recht erkennbar, wozu noch diese kleine Wasserburg dienen sollte, die ohne Zweifel zu den Weihern in der innigsten Beziehung stand. Sie war älter als der Weiher zum Burgstall, der nach ihr benannt wurde. Am nächsten liegt es wohl anzunehmen, daß diese Weiherburg für den Kaiser bestimmt war, ebenso wie die Waldburg oder das Haus zu Brunn dem Kaiser als Jagdhaus diente. An Größe werden sich die beiden Burgen kaum merklich unterschieden haben. Der Weiher gleich oberhalb dieser Burg war der Weiher zum »Burgstall« oder zum »alten Burgstall«, da hier später noch ein weiterer Weiher, der »neue Burgstallweiher« *), angelegt wurde, dessen zum erstenmale in der Stadtrechnung von 1470/71 — »aus den zwein Burgstaln« und »in die zwei Burgstall« — Erwähnung geschieht. Der obere Burgstallweiher lag in einer Mulde. Die Dämme, die ihn zum Teil umgaben, sind im Gelände nicht mehr zu erkennen. Oben war er durch einen Damm abgesperrt, der wohl bestimmt war, den größeren Teil des Zulaufs in den großen Weißensee abzuleiten. Der untere Burgstallweiher, auch Neuweiherlein genannt, der unmittelbar an den oberen grenzt, liegt in einer tiefen Einsenkung, die nur unten durch einen starken Damm abge­ sperrt ist. Er hatte einen Flächeninhalt von 21U Morgen, während der obere 3 Morgen umfaßte. Diese vier Weiher bildeten eine zusammengehörige Gruppe, die durch einen Abfluß des Weihers oberhalb des Weiherhauses — des unteren Stockweihers — gespeist wurde. Schon bei der Anlage der ältesten Weiher etwa in den 30 er Jahren des 14. Jahrhunderts hat man, so muß *) In der Urkunde v. J. 1518 werden die beiden Weiher »zum alten Burgstall« und zum »neuen Burgstall« genannt. Danach sollte man annehmen, daß hier in nächster Nähe beieinander zwei Burgställe bestanden hätten, was als durchaus unwahrscheinlich bezeichnet werden muß. Die Sache verhält sich vielmehr folgendermaßen. Der in unmittelbarer Nähe des Burgstalls angelegte ältere Weiher erhielt nach Anlage des zweiten nur durch einen Damm von ihm geschiedenen die Bezeichnung alter Burgstallweiher oder alter Burgstall, während dieser neuer Burgstallweiher oder neuer Burgstall genannt wurde. Später kann man dann in Verkennung der wirklichen Sachlage auf die irre­ führenden Bezeichnungen: Weiher zum alten und zum neuen Burgstall.

185 angenommen werden, einen Graben vom Weiherhaus zum Weißen­ see geführt, durch den diesem das Wasser zugeleitet wurde. Der Weißensee hat nämlich auf keiner Seite einen Wasserzulauf und konnte durch die atmosphärischen Niederschläge allein bei seinem großen Umfang wohl kaum genügend gespeist werden. Das Jahresregister vom Jahre 1436 verzeichnet 2 Haller, die verbaut wurden am Rechen im Weißensee und den Brücken über den neuen Graben und über den Ablaß am Rietenbühl. Es kann zweifelhaft sein, ob man den neuen Graben beim Weißensee oder beim Rietenbühl annehmen soll. Aber wenn man sich das Gelände unterhalb des Weiherhauses zum Burgstallweiher hin näher ansieht, so wird man sich kaum der Annahme verschließen können, daß der hier genannte neue Graben derselbe ist, der heute noch zum Teil in sehr beträcht­ licher Tiefe seine Richtung auf den obern Burgstallweiher und ' den Weißensee nimmt. Von den beiden Armen, in die er sich oberhalb des großen Burgstallweihers teilte, ging der westliche in diesen Weiher, speiste zugleich — der Verbindungsgraben ist heute noch deutlich zu erkennen — den unmittelbar angrenzen­ den Graben um den Burgstall, um von hier aus auch den unteren Burgstallweiher mit Wasser zu versehen. Der östliche Arm mündete in den großen Weißensee ganz an dessen unterem Ende, von wo aus auch der untere Weißensee durch eine Schlegelrinne sein Wasser empfing. Wollte man übrigens die vorhin angeführte Stelle vom Jahre 1436, die von Bauten an den Brücken über den Graben spricht, nicht, wie wir, auf diesen Zuleitungsgraben beziehen, so steht, wenn auch aus späterer Zeit, so doch mit rückwirkender Beweis­ kraft, eine weitere Angabe zu Gebote, die mit Notwendigkeit zu der Annahme führt, daß die Weißenseegruppe vom Weiher­ haus aus gespeist worden ist. In der Markungsurkunde der zum Weiherhaus gehörigen Weiher und Äcker vom Jahre 1528 wird nämlich ausdrücklich gesagt, der alte und der neue Weißensee, »das alte und das neue Burgstall« hätten ein »Gußbett«. Guß­ bett kann hier nichts anderes als Zuleitungskanal bedeuten. Die Wasserzuleitung war aber nur von den höher gelegenen Weiherhausweihern, dem oberen Erlach- oder dem unteren Stockweiher, aus möglich. Wenn man hier das Wasser staute,

186 konnte man es sehr wohl in den schon erwähnten Graben bringen, der heute noch südwestlich vom Weiherhaus in be­ trächtlicher Breite und Tiefe wahrzunehmen ist. Durch die Weiherhausrechnungen des 17. Jahrhunderts aber wird es völlig sichergestellt, daß die Speisung der aus 4 Weihern bestehenden Weißenseegruppe vom unteren Stock­ weiher aus geschah.1) x) Adi 5. und 30. September [1610] dem Michel, daz er den Graben, so von Stockweier in Weisensee ghett, aus gefegt, 11 daglonn a 4 ß. . 2 fl. 4 ßFischbuch Jak. Büttners 1609—1619, Bl. 82. 1631 Oktober 29. Zalt dem Köbler von den Graben vom Stockweir bis zu den Weisensee zu buzen, auch die Rechen..........................4 fl. 30 xr. Weiherhausrechn. 1625 —1649, Bl. 46. 1637 November 5. Zalt dem Fischer vom Graben vom Stockweir in Weisen­ see zu fegen...................................................................................................... 3 fl. Ebend. Bl. 76’. 1644 Februar 10. Zalt dem Köbler Taglohn, den Graben bei dem Weisensee gegen das Burkställein zu fegen 6 xr. und ll2 Tag zu eisen 8 xr. . . 24 xr. Ebend. Bl. 121’. 1649 November 3. Den 3ten Novembris den fünf Weiermachersgesellen, den Graben im Weißensee völlig auszureumen bis zue den großen Stockweier, 6 Taglohn.................................................................................................12 fl. dem Meistergesellen6 Taglohn a 30 xr.................................................... 3 fl. Dem Maister Marxen 4^2Taglohn ä40 xr.................................................3 fl. Weiherhausrechn. 1650—1672, Bl. 10. 1650 Oktober 26. Den Weiermachern 6 Taglohn, die 5 Wochen in Gräben von Stockweier in gr. Weisensee.......................................................... 10 fl. Ebend. Bl. 24’. 1653 September 19. Item dem Reichel bezahlt, den großen Graben von Stockweier bis in den großen Weisensee von neuen zu fegen und auszu­ heben, 11 Taglohn ä 16 xr.......................................................... 2 fl. 56 xr. Ebend. Bl. 66’. 1657 o. D. Dem Taglöhner, Graben zu fegen von Stockweiher bis ins neu Weiherlein. Item die Schütz zwischen Burgställein und neu Weiherlein, so das Wasser weggeführt, wie auch den Kessel in neu Weiherlein auszubutzen, zusammen 6 Taglohn ä 20 xr. . . . 2 fl. Ebend. Bl. 133. 1663 o. D. Dem Köbler von dem Graben vom Stockweiher bis zu dem Weißen­ see zu seubern und die Rechen auszubessern, zalt in Summa 4 fl. 30 xr. Ebend. Bl. 218’. 1667 o. D. Den Jacob zu Herpersdorf widrumb aufs neue bezahlt, den Graben von Stockweier an bis in den großen Weißensee zu fegen, 4 Taglohn . 1 fl. 4 xr. Ebend. Bl. 265’. Der Eintrag vom 10. Januar 1634 Bl. 60: Mehr ihme |dem Fischer] 4 Taglohn vom Graben vom Rüttenweir zum Weisen­ see zu fegen und dem Schwarzen dergleichen, auch ihren beeden Weibern, tut zusammen............................................................................. 2 fl. 40 xr. kann unmöglich richtig sein. Da das Wasser nicht (vom Rietenbühlerweiher zum Weißensee) hinauf laufen kann, so muß es statt des aus Versehen gesetzten »Rüttenweier«, wie auch bei den früheren Einträgen: »Stockweiher« heißen.

187 Nachdem der Rat beim alten Weißensee die zwei neuen Weiher angelegt hatte, ging er noch in den 30 er Jahren des 14. Jahrhunderts an den Bau von zwei weiteren Weihern von nicht unbedeutender Ausdehnung. Das allgemeine Bestreben, überall, wo es das Gelände erlaubte, neue Weiher anzulegen, das man beinahe als eine Art Fieber bezeichnen könnte, hatte auch den Rat ergriffen, der sich vielleicht goldene Berge davon versprach. Die weitgestreckten Niederungen unterhalb des Königs- und Rietenbühlerweihers luden förmlich zu neuen Weiheranlagen ein, und das um so mehr, als sich diese Bodeneinsenkungen ohne allzu große Kosten und Arbeit in stattliche Weiher umgestalten ließen. Der Otterbach durchrinnt nach seinem Austritt aus dem Königsweiher ein Tal, das sich zunächst nach Süden weiter ausbuchtet und dann durch einen sich vorschiebenden Hügel verengt wird. Hier brauchte man nur das Tal durch einen Damm abzusperren und ein neuer großer Weiher war gewonnen. Im Sommer 1439 nahm dann auch der Rat die erforderlichen Arbeiten in Angriff, die er im folgenden Jahre fortsetzte und vollendete. Noch heute ist der an die 200 Schritt lange und an der Sohle etwa 19 Meter dicke Damm sehr wohl erhalten mit seinen zwei Wasserabflüssen, dem einen am Süd-, dem andern am Nordende des Dammes. Der Damm ist von sehr solider Arbeit und heute noch betrachtet man mit Freude seinen schönen und gediegenen Bau. Ebenso ließ der Rat im Jahre 1439 die Niederung unter­ halb des alten Rietenbühler Weihers, die dessen Abfluß aufnahm, im Westen, wo sie sich verengte, durch einen kurzen Damm abschließen. Die Leitung und Überwachung der Weiherbauten hatte der Rat dem Gabriel Tetzel, einem Patrizier, der nicht zum Rate gehörte, übertragen, der aber ihre Vollendung nicht mehr erlebte. Gebaut wurden die Weiher von zwei Weiher­ meistern. Aber auch den Rat und Beistand des Stadtfischers Knopf nahm Gabriel Tetzel für diese Weiherbauten in Anspruch. Knopf bezog dafür ein besonderes »Solar«. Für den neuen Weiher Rietenbühl berechnet die Losung­ stube im ganzen an Baukosten 234 ff 6 ß 8 Haller1), für den l) Jahresreg. 1439/1440: 234 $5 6 ß 8 hlr., das der weier gekost hat, genant der neu Rietenpühl, mit allen Sachen, den man in dem nechstvergangen Sumer gemacht bat.

188 Weiher Neukönigsbruck 581 8) 2 ß 7 Haller. Das Jahres­ register von 1439 verzeichnet außerdem noch besonders 18 fl. für Meister Pauls, des Büchsenmachers, Pferd und für die beiden Meister noch 2 8., die sie über ihr »Solar« an Liebung erhielten1). Die letzten Arbeiten am Weiher Königsbruck wurden unter dem Weiheramtmann Paulus Stromer ausgeführt. Unter den Ausgaben sind 1441/42 einmal für Besserung des Gieß­ betts an der neuen Königsbruck verrechnet 3 8> und weiter 3 15 ß vom Gießbett an diesem Weiher zu machen »und auch von eim klein güßbett zu eim nebenabgang an der Kiingsbruck«, dem zweiten Abfluß dieses Weihers, der heute noch besteht. Von den Einnahmen des Jahres 1441/42 wurden ihm vom Rat noch angewiesen 18 8> für seine Mühe, die er 41 Wochen in der Pflegnis und wegen Fischens der Weiher und den einen Weiher unter der Königsbruck »ganz zu machen« und 3327 Stück Fische zu verkaufen, gehabt hatte. Im ganzen erreichen die Kosten der beiden Weiher rund 860 8i, eher mehr als weniger. Nach diesen Weiheranlagen hat der Rat, abgesehen vom kleinen Burgstallweiher, bei Pillenreut keinen weiteren Weiher­ bau mehr unternommen, obgleich noch genug geeignete Niede­ rungen vorhanden waren. Dagegen ließen die Klosterfrauen von Pillenreut zu ihrer eigenen Nutzung einen Weiher oberhalb des Klosters hersteilen. Im Jahre 14562)3 entschied nämlich Hans Waldstromer d. ä. auf Bitten der Pröpstin Barbara von Pillenreut, *) Was sonst noch an Kosten verbucht steht, ist in der Summe von 581 tt 2 ß 7 hlr. inbegriffen. Ich setze den ganzen Eintrag hierher. Jahresreg. 1440/1441: Item dedimus 81 % n. 9 ß 10 hlr. und 56 guidein 3 ort landswerung Gabriel Tetzeis seligen witwen, des hette ir man selig und sie geben den arbaitern auf den neuen weier unter der Kungspruck 45 $5 n. 6 ß und 17 guidein und 36 n. 10 hlr. umb 3500 Setzling in die weier und 29 guidein 3 ort für zwai pferd zu deß weiers arbait, die auch dabei beliben, und 10 guidein 3 ß dem Knopf vischer pro solario von 18 wochen nach anzal, als in Gabriel Tetzel selig ein jar zu dienen umb 29 guidein bestellt hette, das allez Gabriel Tetzel selig und sein wirtin ausgeben hetten vom montag nach Bonifacii [6. Juni] bis auf den samstag vor Petri et Pauli [25. Juni] allez nechstvergangen, die wir in widergeben und bezalt haben, als der rate nach des Tetzeis seligen tode die weier zu iren hander« namen. Item dedimus 287 tt 5 ß 5 hlr., das der obgemelt neu weier unter der Kungspriick über der Teczlin ausgeben den sümer her kost hat, bis er gar gemacht und bereit worden ist, als man im grünen weierpuchlein geschriben vindt. Was er ganz und gar zu machen kost hat, facit in summa totali 581 #5 n. 2 ß 7hl r. 2) Urkunde vom 4. Mai 1456 im kgl. Kreisarchiv Nürnberg.

189 seiner Muhme, einen Streit als Eigenherr zwischen dem Konvent und Elsen der alten Nünlin und anderen wegen eines neuen Weihers oberhalb des Klosters, den die Klosterfrauen von ihres Klosters Notdurft wegen hatten machen lassen.

Mit der Pflege der Weiher und der Weiherwirtschaft betraute der Rat den Weiheramtmann, in der Regel eine ihm geeignet erscheinende Persönlichkeit aus seiner Mitte, in der älteren Zeit wohl auch einen Patrizier, der nicht zum Rat gehörte, ganz ausnahmsweise auch den Stadtfischer. Er verfuhr hier nicht anders als in anderen Zweigen der städtischen Verwaltung. So begegnen uns in den letzten drei Jahrzehnten des 14. Jahr­ hunderts als die über die Weiher gesetzten Herrn Berthold Behaim und Andreas Pfinzing. Vom Jahre 1385 bis gegen Ende 1424 waren die Weiher allem Anschein nach ununterbrochen verpachtet. In dem letztgenannten Jahre stellte dann der Rat in der Person des Karl Koler, der die Weiher zuletzt in Pacht gehabt hatte, wieder einen Weiheramtmann an. Wenige Jahre später ging man daran, die Weiherwirtschaft hauptsächlich durch die Ausnutzung der sich zum Weiherbau besonders eignenden Waldniederungen zu erweitern. Es kam der Sache sehr zu statten, daß dem Weiheramtmann damals der sehr tüchtige Stadtfischer Ulman Knopf beigegeben war. Ihm hatte der Rat zeitweilig ganz außerordentliche Befugnisse eingeräumt, so daß seiner Tätigkeit gegenüber die des Weiher­ amtmanns zuweilen fast völlig in den Hintergrund trat. Nach Veit Pfinzings Tode, der im Anfang der 30er Jahre zum Weiheramtmann ernannt worden war, übernahm allem Anschein nach Peter Grundherr das Amt, dann Erhärt Schürstab d. j., der 1437 Setzlinge in den Weiher Rietenbühl setzte. 1440 führen die Einnahmen aus den Weihern der Fischer Knopf, Hans Graser und Paulus Stromer an die Losungsstube ab, und es ist wohl kaum ein Zufall, daß Ulman Knopf an erster Stelle genannt wird. Knopf bekleidete dann, wie wir weiter sehen werden, eine Zeitlang sogar die Stelle eines Weiheramtmanns. Ein Jahr später erscheint Paulus Stromer als der Vertreter des Amts. Der Rat ersucht ihn, dem Weiheramt vorzustehen, bis

190 man einen anderen dazu bestellt hätte. Er war dann bis in das Jahr 1441 hinein 41 Wochen Weiheramtmann und führte die letzten Bauarbeiten am neuen Weiher Königsbruck aus. Zuweilen scheint das Amt nicht besetzt oder die Stellung des Weiheramtmanns nur ganz vorübergehend gewesen zu sein. Im Jahre 1467 lehnte es der Rat dem Stephan Haller ab, ihm wegen der Weiher im Wald etwas zu geben. Was ihm aber als Lohn des Waldes halb gebühre, das solle ihm, wenn die ob dem Wald — die Waldherrn — es anerkennen würden, gegeben werden.1) Stephan Haller war nämlich als Forstmeister vor kurzem abgetreten2) und da er zugleich wohl, wenn auch nur vorübergehend, mit der Aufsicht über die Weiher befaßt worden war oder sonst in Weiherangelegenheiten etwas besorgt haben mußte, so war er beim Rat um eine Entlohnung einge­ kommen, die ihm nun rundweg abgelehnt wurde. 1458 sehen wir Ludwig Pfinzing als Weihermeister ange­ stellt. Er erhält für sich selbst eine Liebung von 12 tb und für seinen Ehalten — Knecht — 3 8. Aber noch im selben Jahre wird er durch Lienhard Groland ersetzt, der 1460 dieselbe Liebung für sich und seinen Ehalten erhält. Im Jahre 1468 ernennt der Rat wieder den Ludwig Pfinzing zum Weiheramt­ mann mit der Anweisung, Leute zu sich zu nehmen und zu sehen, wie der Stadt ein besserer Nutz davon zu schaffen sei.3) Er empfängt dieselbe Liebung für sich und seinen Knecht, 12 8 und 3 8, die aber für den letzteren im folgenden Jahre auf 1 8 herabgesetzt wird. Der wohl an erster Stelle Sachverständige in der städtischen Weiherwirtschaft war der Stadtfischer. Er stand in dem gleichen Verhältnis zum Weiheramtmann, wie etwa der Werkmeister und Anschicker auf der Peunt zum Baumeister. Er besaß vor allem die notwendigen Erfahrungen, die ihn in den Stand setzten, den Ertrag der Weiher einigermaßen abzuschätzen, für die Aufzucht und den Ankauf der Brut zu sorgen, die Einsetzung vorzunehmen, *) Ratsbuch I, Bl. 135, quinta post assumptionis etc. [Aug. 20]. 2) Item Stephan Haller vorstmeister soll in dem allerminsten drei tage in der wochen den walt bereiten. Actum 5. post quasimodo 1462 [29. April]. Item Jeronimus Rummel ist erteilt uf dem walt Laurenti an Steffan Hallers stat. Actum quinta ante Walpurgis 1467 [29. April]. Ebend. Bl. 20‘ u. 130. s) Sabbato ante cantate [17. Mai]. Ebend. Bl. 151.

191 die Abfischung zu überwachen und jede Arbeitsvornahme zur entsprechenden Zeit anzuordnen. Der Fischmeister war die rechte Hand des Weiheramtmanns und für eine rationelle Weiher­ wirtschaft geradezu unentbehrlich. Es kann daher wohl kaum zweifelhaft sein, daß sich der Rat schon gleich nach dem Erwerb der Pillenreuter Weiher des Rats und Beistandes eines tüch­ tigen Fischmeisters, den er zugleich mit dem Amte eines Stadt­ fischers betraute, versichert hat. Diese Annahme erscheint not­ wendig, auch wenn wir erst später von einem Stadtfischer und noch viel später von einem jährlichen Gehalt etwas vernehmen, das ihm von der Losungsstube ausgezahlt wurde. Wenn in der älteren Zeit der Stadtfischer nicht genannt wird, so ist das noch kein Beweis, daß noch keiner angestellt war. Zum erstenmale hören wir im Jahre 1428 von dem Fischer Engelhart, dem der damalige Weiheramtmann Veit Pfinzing einige Tagelöhne ausgezahlt hatte und von dem wohl auch die zwei Sägen (Zugnetze), die zwei Fässer und Brenten (Kufen) beschafft worden waren, die jener alles in allem mit 15 'tb 15 ß und 2 Haller in Rechnung brachte. In den 30 er Jahren des 15. Jahrhunderts ist der Stadtfischer Ulman Knopf als Fisch­ meister angestellt. Auf seine Meinung und Beihilfe legte der Rat einen besonderen Wert. Ulman Knopf besetzte die Teiche mit neuer Brut und mit Setzlingen, die er von allen Seiten im Auftrag des Rats herbeigeschafft hat und um die er sogar aus­ reitet (1441). Er kaufte sie vom alten Rutz von Pirkach, vom Kraft zum Dörfleins, vom Störnschatz zu Brunn, dem Schult­ heißen zu Hüttendorf, vom Hofmann zu Höfen u. a.1) Es waren fast ausschließlich Karpfen, zu einem geringen Teil auch wohl Hechte, selten Schleien, Weißfische und Brechsen. Er verkauft auch für den Rat den Ertrag der Weiher und verrechnet den Erlös der Losungstube, er stellt ferner die erforderlichen Geräte, wie Wagen, Hanf und Seile zur Verfügung und führt sogar Bauten an den Weihern aus, so am Weiher Königsbruck, dem Neuweiher und am Weiherhaus. Auch die Arbeiten an den Weihern zu Rückersdorf und Feucht überwacht er und erhält zeitweilig sogar zu deren besserer Förderung vom Rat Pferd und Futter gestellt. Als jährlichen Sold bezieht er 36 fl. *) Sieh Seite 214, 215 und 217.

192 Landeswährung bis zum Jahre 1440/1441. In diesem Jahr, »als er nach Gabriel Tetzeis seligen abgang an den dienste der weiher körnen was«, erhielt er auch den von Tetzel bezogenen Sold, 18 fl. 4 ß 10 Haller, den er im folgenden Jahre mit dem Solde des Fischmeisters von 36 fl. Landeswährung wieder ver­ tauschte. Die Übertragung des Weiheramts an Ulman Knopf ist wohl der beste Beweis, wie hoch man seine Erfahrungen und Dienste im Rate schätzte, zu einer Zeit, da man auf die Aus­ dehnung der Weiherwirtschaft besonders bedacht war. Seine Dienste mußten damals geradezu unentbehrlich erscheinen. Denn der Nürnberger Rat liebte es sonst nicht, verantwortungsvolle Aufgaben durch untergeordnete Organe oder Personen ausführen zu lassen, solange sich im Patriziat und der Ehrbarkeit eine nur irgendwie geeignete Kraft für den Zweck beschaffen ließ. Es stand eben damals, als die neuen Weiher gebaut wurden, nicht stets eine Persönlichkeit aus dem Patriziat zur Verfügung, die vermöge ihrer Erfahrungen geeignet gewesen wäre, überall die richtigen Anordnungen zu treffen und zum Rechten zu sehen. Und wenn dann, als Ulman Knopf bald wieder vom Amt zurück­ trat, in Paul Stromer wieder ein Weiheramtmann aus dem Patriziat bestellt werden konnte, so stand trotzdem auch ferner­ hin noch der Fischmeister mit dem Losungsamt in direkter Verbindung, das ihm gleichfalls das für den Ankauf von Setz­ lingen nötige Geld überwies.1) Endlich war im Weiherhaus selbst noch ein besonderer ständiger Weiherwärter angestellt, dem die tägliche Aufsicht der Weiher oblag. 1428 wird ein Rösner als Weihermann aufgeführt, der von Zuwartens wegen jährlich 6 SB Haller er­ hielt (1433/1434). Denselben Lohn erhielt sein Nachfolger Ulrich Kötzler (1435/1436), dann Hermann Holzheimer (1438/1439, 1439/40) »wegen Pflegnus des Weiherhauses«. Er hatte wohl auch für die Vertilgung des Raubzeugs zu sorgen, wenn auch zeitweilig für diesen Zweck ein besonderer Otterfänger aufge­ stellt war. Konrad der Otterfänger, auch Öfterer genannt, trat *) Es wird ausdrücklich gesagt, daß er nach Gabriel Tetzeis tödlichem Abgang zum Dienst der Weiher berufen worden sei, und 1441 erhielt er 1 © neu, das er verzehrt in »Pflegnus und Bewahrung der Weiher zu Pillenreut«.

193 1435 in des Rats Dienst und schwur seinen Treueid, bei welcher Gelegenheit er 1 ®> 7 ß zur Liebung erhielt. Er stammte von Hammelburg und war nicht ständig in seinem Berufe bei Nürn­ berg tätig. Einträge in den Jahresregistern wie: 3 ® 6 ß K. Ötterer von Hammelburg, dem Otterfänger, als er um Fast­ nacht 5 Wochen lang hier gewesen war, oder 3 ® 6 ß dem Otterfänger pro Solar, als er um Pfingsten hier war (1436), 3 SB 6 ß demselben pro Solar von den nächstvergangenen Wintermonaten, als er hier ging und Ottern fing (1437), 3 fl.» K. Ötterer von den nächstvergangenen Wintermonaten dafür, daß er hier herum die Ottern gefangen hat (1439), lassen er­ sehen, daß er seine Dienste nicht bloß dem Nürnberger Rat widmete, sondern seine, wie es scheint, viel begehrte Kunst auch in anderer Herren Gebieten ausübte. Einmal begegnet auch ein Eintrag (1441), wonach jemand 10 ß zur Liebung ausbezahlt wurden, der einen «Güßgeier«1) brachte, der in den Weihern großen Schaden angerichtet hatte. Doch das war nur eine Ausnahme. Wenn aber ein Otterfänger nicht angestellt war oder, weil abwesend, seines Amtes nicht walten konnte, so lag es ohne Zweifel dem Weihermann oder Weiherwärter ob, dem Raubzeug, als Ottern, Geiern und Fisch­ reihern, wie sie damals noch in großer Anzahl auftraten, den Garaus zu machen. Der Weiherwärter hatte seine Wohnung beim Weiherhaus. Wie wir vorhin schon gesehen, gehörten zu den Weihern mehrere Gebäude, wie das Weiherhaus selbst, das Hofhaus, das Wärter­ haus, die Fischgruben und andere kleine Baulichkeiten, die in der älteren Zeit ein starker Holzzaun umschloß. Im Weiherhaus nahm der Weiheramtmann Wohnung, wenn ihn die Weiher­ geschäfte zwangen, dort über Nacht zu bleiben. Wir ersehen das aus einem Eintrag des Jahresregisters vom Jahre 1435/1436. Danach erhielt Peter Grundherr 6 12 ß2) für ein Bett und anderen Hausrat zum Weiherhaus, die Veit Pfinzing sei. gehört hatten und nun beim Weiherhaus bleiben sollten. *) Wahrscheinlich der Fluß- oder Fischadler, der bei uns von März bis Oktober lebt und sich nur von Fischen und in der Not auch von Lurchen nährt. 2) Es heißt: 6 tt) 12 ß haller, an 6 guidein, Petern Gruntherrn etc. Es scheint, daß der Rat die Schuld jetzt erst völlig beglich. 13

194 Es wirft sich nun ganz von selbst die Frage auf, wie sich die Weiherwirtschaft des Rats gestaltete, ob sie einen lohnenden Ertrag abwarf und ob es sich auf die Dauer empfehlen konnte, auf die Unterhaltung so ausgedehnter Weiher bedeutende Aus­ gaben zu verwenden. Die angeführten Weiher waren nämlich nicht die einzigen, die der Rat bewirtschaften ließ. 1427 waren mit dem Verkauf der Burg, der dazu gehörigen Orte und des burggräflichen Anteils am Reichswald auch eine Anzahl Weiher an die Stadt gekommen. In den Stadtrechnungen werden eine geraume Zeit die Fischlehen zu Wöhrd und einmal der Weiher zu Buch1) aufgeführt. Auch die Weiher zu Stettenberg über­ nahm der Rat wohl zugleich mit den burggräflichen Rechten am Sebalder Wald. Stettenberg bei Heroldsberg war ein sog. Wasserhaus, ein durch einen breiten Wassergraben befestigter Sitz, der dem Burggrafen als Jagdhaus diente. Burggraf Fried­ rich V. überließ 1391 seinen Sitz zu Stettenberg mit Äckern, Wiesen, Holzrechten, Wassern, Weiherstätten, Wunnen und Weiden dem Hermann Sackmann zu Erbrecht gegen ein jähr­ liches Reichnis von 6 Sümer Haber und 4 Hühnern. Falls Hermann Sackmann oder seine Nachkommen das Erbrecht wieder aufgeben, soll ihnen alles wieder ersetzt werden, was sie daran verbaut haben. »Wann das verwüst und abgeprennt ist worden«, setzt die Urkunde hinzu.2) 1388 hatten nämlich die Nürnberger im großen Städtekrieg außer einer beträchtlichen Anzahl von burggräflichen Dörfern, Märkten und Festen auch Stettenberg, »ein Wasserhaus und der Burggrafen Jagdhaus« niedergebrannt.3) Aber erst im Jahre 1409 erwirkte sich der Nürnberger Bürger Otto Heiden vom Burggrafen die Erlaubnis, einen neuen Weiher zu bauen zu Schwant und den alten Weiher zu Stettenberg und ein Jagdhäuslein darin.4) Der Rat nahm, wie es scheint, die Weiher in Stettenberg zeitweilig in eigenen Betrieb; in der Jahresrechnung von 1471/1472 verrechnet die Losungstube 105 Karpfen, 24 Hechtlein und etliche Weißfische, die in den 2 Weihern zu Stettenberg gefangen worden waren, *) Jahresregister 1436. Der Rat läßt damals Setzlinge hinein setzen. Es kann übrigens wohl kaum Buch bei Nürnberg gemeint sein, sondern wohl Weihersbuch bei Zirndorf oder auch Kleinbuch bei Herzogenaurach. 2) Monum. Zoller. VIII, N_^. 399. 3) Ebds. 377. 4) Ebds. VI, 481.

195 als Einnahmen. Der Rat verpachtete später die Weiher — 3 an der Zahl — für jährlich 7 fl. So waren sie 1520 und in den folgenden Jahren an die Nürnberger Fischer Hans Zotmann und Gabriel Pulz, 1523 bis 1532 an Martin Geuder von Heroldsberg verpachtet, von dem sie dann Hans Geuder noch ein Jahr in Pacht übernahm, 1534 hatte sie Peter Stettenberger von Stetten­ berg inne, der statt der früheren 7 fl. — 17 fl. an die Land­ pfleger abführte. Auch in Feucht, wo der Burggraf die Pfandschaft der Zeidelgerichte und Güter vom Reich innegehabt und 1427 gleich­ falls an die Stadt Nürnberg verkauft hatte, besaß die Stadt einen Weiher, den sie wenige Jahre später (1430/1431) mit einem Aufwand von 105 Gulden und einem Ort Landeswährung hatte anlegen lassen. 1433 wurde er besetzt,1) mußte aber noch im selben Jahr, weil er »abgebrochen«, d. h. abgerissen war, neu wiederhergestellt werden, was einen Kostenaufwand von 202 !Eb und 2 ß verursachte, neben den 5 die der Weihermacher Hans Weigel als Liebung für seine Mühe erhielt.2) Als Weiherwärter war hier Hermann Plest angestellt, der dafür 1433 15 ß zur Liebung erhielt. Auch in den Jahren 1435, 1437 und 1439 nahm man Ausbesserungen an diesem Weiher vor, ließ ihn aber im Jahre 1440 eingehen. Im Reichswaldbezirk lagen übrigens noch Weiher am Rötenbach, im Ursprung, bei Ungelstetten, bei Brunn, zu Rückers­ dorf, Altenfurt, das Fischwasser zu Schwarzenbruck, zu Grüns1) Item dedimus [dem Fischer Knopf] iterum 56 tb 5 haller umb Setzling, der ein tail in die Küngspruck, ein tail in den neuen weier und ein tail in den weier zu Feucht kommen sind. Item dedimus 11 $5 hlr. Veiten Pfinzing umb 800 Setzling, die man auch in den weier zu Feucht tet. 2) Item dedimus 202 ® 2 ß hlr., das der weier zu Feucht gekostet hat wider zu machen, als er abgeprochen was, und des gab man H. Weigel 5 hlr. für sein mue. Die Jahresrechnung von 1435 enthält einen weiteren Betrag für den Bau dieses Weihers: Item dedimus 5 #5 5 ß hlr. von paus und pesserung wegen des weiers zu Feucht, das Hans Weigel ausgericht hat, des gab man dem Plesten 15 ß hlr. zu liebung, daz er desselben weiers das jar gewartet hat. Actum Michaelis. Dann verzeichnet die Stadtrechnung noch 6 Jahre später (1441/1442): Item 23 n., 6 guidein n., des gab man die 23 €5 n. der wirtin von Feucht für Hansen Weigel, die man vor 5 jaren zu ir verzert hette, als man an dem weier daselbst gearbeit etc.

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196 berg, die Weiher auf dem Mögeldorfer Espan und der Egel­ weiher bei Mögeldorf. An diesen Orten ließ der Rat zeitweilig die Fischerei ausüben oder er erhob doch Ansprüche auf das Fischereirecht. Der Rötenbach ist in seinem Laufe unterhalb Ungelstetten als Weiher verwendet worden. Etwa 2 Kilometer bachabwärts sind heute noch an dem äußersten Punkte der bedeutenden Krümmung, die hier der Bach beschreibt, die Reste eines starken Dammes bemerkbar, und geht man einige Minuten weiter hinab, so gewahrt man in dem Flußbett noch bedeutende Reste einer Sperrmauer von Hausteinen, welche entweder, wie man annehmen möchte, die Stelle bezeichnet, wo das Wehr zur Stauung des Weihers sich befand, oder aber ein solches für die schon im 14. Jahrhundert und später geplante Ableitung des Rötenbachs nach Nürnberg errichtet worden war. Gerade der Rötenbach mit seinem hier auf eine lange Strecke breit und tief ausge­ spülten Bett ließ sich ohne besondere Schwierigkeiten in eine Reihe zusammenhängender Teiche verwandeln, die sich bis nach Ungelstetten hinauf ausdehnten, ja sogar oberhalb der Ungei­ stetter Mühle eine Fortsetzung gefunden zu haben scheinen1). Schon 1355 läßt sich der Rötenbach als Fischwasser nachweisen. Damals war er im Besitz des älteren Konrad Waldstromer, des obersten Forstmeisters des Reichswaldes. Den Waldstromern gehörten ja bekanntlich eine ganze Anzahl Weiher im Walde, ferner die Fürreute und andere ausgedehnte Besitzungen, die sie, begünstigt durch ihre Stellung als oberste Reichsforstmeister, als erbliche Lehen an sich gebracht hatten. In dem ebengenannten Jahre wurde Konrad Waldstromer vom Landrichter am Landgericht Nürnberg Hermann Graf zu Kastei in Nutzgewähr gesetzt des Baches, »der do der Roten­ bach genannt ist, und des fischwassers desselben baches«.2) Albrecht von Egloffstein hatte den Waldstromer wider Recht *) Ein Ratsverlaß vom 21. Januar 1520 besagt: Item Hansen Peeren von Ungelstetten soll man zu ainer erstattung seines zugepürenden tails an den begeben pfänden in der hofmark Altdorf nachlassen die zehen guldin verfallens zins von etlichen bestanden weiherlin zum Nurmberger wald gehörig und darbei auch Zusagen, das im der bestand solcher weiher alle jar umb fünf guldin sein leben lang unbenomen plaiben soll, doch das er umb sein vorderung vermelter alten begeben holzpfand halben quittir. Die waldherren. Ratsbuch 11, Bl. 262. 2) Urkunde vom 7. Januar 1355 im kgl. allg. Reichsarchiv zu München.

197 in seinem Besitz gekränkt und dieser ihn deshalb an das Landgericht geladen. Da der Egloffsteiner weder selbst, noch jemand von seinetwegen auf dem Rechtstage erschienen war, so wurde das Urteil dahin gesprochen, daß Konrad Waldstromer mit dem Rötenbach und dem Fischwasser vor Albrecht vom Egloffstein geruhet sitzen und dieser ihn auch in Zukunft daran nicht mehr hindern noch irren solle mit keinen Sachen. Dem Waldstromer aber solle man zu Schirmer geben, wes er begehre. Später — wahrscheinlich i. J. 1396, als mit dem Forst­ meisteramt auch die sämtlichen Fürreute und' andere Besitzungen von den Waldstromern an den Rat übergingen — kam auch der Rötenbach in dessen Besitz. Der Eintrag der Stadtrechnung vom Jahre 1431, wonach dem Goldhansen, dem Knecht zu Rötenbach, 1 wegen Zuwartens des Wehrs daselbst ausgezahlt wurde, dürfte sich auf das vorhin erwähnte Wehr im Rötenbach beziehen. Ebenso ist wohl das Fischwasser des Rötenbachs im Jahre 1435 gemeint, als der Rat die geringe Ausgabe von 6 ß Haller auf ihn verwendete. »Den Weiher im Walde auf der Seiten in St. Lorenzen Pfarr, der Rötenbach genannt, mit seiner Nutzung und mit der Stemmung, als er jetzunt begriffen hat«, verleiht dann der Rat wenige Jahre später — 1439 — Peter Mendel d. ä. zu Erbrecht gegen einen jährlichen Zins von 9 fl. Landeswährung.1) Zur Bedingung wurde ihm gemacht, daß er 150 fl. daran ver­ baue. Sollte aber der Rat in Zukunft des Weihers mit seiner Stemmung wieder bedürfen, so sollte Peter Mendel gehalten sein, ihn nach halbjähriger Kündigung mit dem Anspruch auf die verbauten 150 fl. wieder abzutreten. Mendel erwarb zugleich mit der Erbgerechtigkeit am Rötenbach noch drei Flecken oder größere Grundstücke in demselben Revier des Reichswaldes vom Rat zu Erbrecht,2) nämlich am Kranichsee auf der rechten Seite des Rötenbachs, am Geutleinsbrunnen und am Graben unterhalb seines alten Weihers bis an den Weg und endlich weiter ab­ wärts zwischen dem Rötenbach und dem oberen Ursprung das Zeidelgut Wimmerslohe, auf das nur mehr der gleichlautende Namen einer Waldabteilung hindeutet, während von den Gebäuden *) Urkunde vom 16. Mai 1439 im kgl. Kreisarchiv Nürnberg. buch im städt. Archiv. 2) Urkunde vom 16. Mai 1439 im kgl. Kreisarchiv Nürnberg. buch im städt. Archiv.

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198 des ehemaligen Zeidelanwesens auch nicht mehr die geringste Spur Zeugnis ablegt. Die Gegend ist hier überall wasserreich. Besonders gilt dies von dem Ursprungtal, wo die tieferliegende in einer tiefausgebauchten Mulde sich hinziehende Lettenschicht ein natür­ liches unterirdisches Bassin bildet, dessen Abfluß der wasser­ reiche Ursprung war. Die Brunnen, die hier an manchen Stellen des Waldgebiets auftreten, je nach der Jahreszeit mehr oder weniger Wasser führen und in heißen Sommern zum Teil ver­ siegen, speisten in früherer Zeit eine Anzahl von Weihern, die wir heute noch, wenn auch nur mehr dem Orte nach, nachzu­ weisen vermögen. So speiste z. B. der Gödleinsbrunnen zwischen Ungelstetten und Winkelheid den heute noch in einer Wiesen­ mulde erkennbaren Gödleinsweiher, der vorhin erwähnte Kranich­ see unterhalb Ungelstetten auf der rechten Seite des Rötenbachs erhielt sein Wasser von den dort an die Oberfläche tretenden Quellen, der jetzt dem Namen nach gänzlich verschollene, in Wirklichkeit aber noch vorhandene, aus einer lochartigen Ein­ senkung hervorquellende Votzenbrunnen lief ehemals in die längst verschwundenen Gauchsweiher, die ihren Wasserüber­ schuß an den Fischbach abgaben. Weiter nordwestlich von diesem Brunnen begegnen wir einem zweiten, der wie jener in Stein gefaßt ist; dann nordwestlich von Ungelstetten dem Hühnerbrunnen, dessen Abfluß in den Rötenbach fällt; westlich von dem genannten Dorfe den aus einer tiefen Einsenkung frisch und reich hervorsprudelnden kalten Brunnen, den man seinerzeit zur Ursprungleitung heranzuziehen gedachte. 1585 wird auch der jetzt verschollene Penzenbrunnen erwähnt. Bei Brunn bricht oben aus dem Bergeshang die Quelle, welche in die unter ihm liegenden Weiher floß und auch das Örtlein selbst mit Wasser versah. Auch dieser Weiher wurde zeit­ weilig vom Rate selbst bewirtschaftet, z. B. im Jahre 1469, wo von den Fischen die Rede ist, die in den Weiherlein zu Brunn und den Stadtgräben gefangen und von Ludwig Pfinzing verkauft worden seien. Auch das Ursprungtal ist ebenso wie der Rötenbach durch Stauung für die Weiherwirtschaft gewonnen worden. Oberhalb der früheren Rösmühle bemerkt man noch einen solchen Weiher

199 und der obere Teil des tiefeingesenkten und breiten Bettes hat, wie aus den noch zum Teil vorhandenen Resten von Stauvor­ richtungen hervorgeht, gleichfalls als Weiher gedient. Endlich liegt noch der Krämersweiher im Ursprunggebiete. Die Weiher im Ursprung, 5 an der Zahl1), hatte der Rat im 16. Jahrhundert zunächst verpachtet, später nahm er sie in eigene Verwaltung, wenn auch nur auf wenig Jahre. Es waren Forellenweiher ebenso wie jener, den der Rat 1530 bei Altenfurt anlegen ließ. Zu den älteren Fischwassern des Rats gehörte auch jenes zu Schwarzenbruck, das 1515 und später an den Pfleger um den Pachtzins von 8 fl. verpachtet war2). Mit dem im bayerischen Erbfolgekrieg eroberten Gebiet kam das Forellenwasser der Pegnitz bei Velden, das sogenannte Herrenwasser, an den Rat, ferner die Weiher zu Deinschwang und zu Hainburg. Höchst bezeichnend für die damalige Zeit ist ein Rats­ beschluß vom Jahre 1505, der den Kriegsherrn anbefiehlt, sie sollen einen Fischer bestellen, der in des Truchseß Wasser zu Grünsberg fische, damit der Rat darin eine Gewere erlange3). Mit der Säkularisation des Kirchenguts im Jahre 1525 brachte die Stadt endlich noch die Weiher der Klöster Gründ­ lach und Engeltal an sich. Auf diese und einige der vorhin genannten Weiher näher einzugehen wird sich bei der Be­ sprechung der Dutzenteichweiher Gelegenheit finden. Selbst die Stadtgräben verwendete man zur Zeit, in der die Fischzucht des Rats die größte Ausdehnung erreicht hatte, an einzelnen Stellen zu Fischereizwecken.4) Sowohl beim Wöhrder*) Ratsverlaß vom io. Juli 1537. Die fünf weiherlein im Ursprung Hannsen Hübner unnd Jörgen Gräber dermassen vererben, das sie jerlich davon 5 fl. und 1 faßnachthennen geben und im fahl, das sie künftig zeit solch weiher­ lein ungebaut ligen und verlassen würden, das sie alsdan mein hern 20 fl. heraus betzalen und di weiherlein meinen herren wider zustendig sein sollen. Lanndspfleger. 2) Landpflegamtsrechnungen. ' 3) Rats verlaß vom 21. Mai 1505. Ratsbuch VIII, 132. 4) Stadtrechnung 1469/1470: Und damit hat er widerrechent die 2050 karpfen und 230 hecht, die man an dem vergangen herbst aus dem alten Rietenbuhel gefischet hat, und die 500 karpfen und 30 hecht aus dem alten Erlach gefangen, aus den hat er über die, [die] er den alten herren und andern nach alter gewohnheit verschenkt hatt und auch aus den vischen aus dem weierlein zu Prunn und aus der stat greben gefangen, gelost, als obgegeschrieben stet. Actum tercia ante Tiburicii 69 [1469 April 11J.

200 türlein und zwar allem Anschein nach in der Nähe des Pegnitz­ einflusses, als auch beim Irher- oder dem Hallertürlein waren im Stadtgraben kleinere Teiche angelegt oder Fischbehälter an­ gebracht, vielleicht wurden hier auch die Stadtgräben unter Wasser gesetzt und nicht bloß Brut und Setzlinge, sondern auch Speisefische gezogen oder doch aufbewahrt. Die hier angeführten Weiher kommen übrigens im Ver­ gleich mit den Pillenreuter kaum in Betracht, sie sind zu unbedeutend und wurden auch nur zeitweise von der Stadt in eigener Regie bewirtschaftet. Will man sich ein Bild von der Weiherwirtschaft des Rats in unserer Zeit machen, so ist man fast ausschließlich auf die Pillenreuter Weiher angewiesen, deren Bewirtschaftung in den Stadtrechnungen, soweit sie noch erhalten sind, im ganzen und großen noch ersichtlich ist. Im Jahre 1378 verzeichnet die Stadtrechnung eine Ein­ nahme von 69 ®> 4 ß und 100 fl. ungarisch und böhmisch, den fl. zu 1 S> 1 ß gerechnet, oder 174 US 4 ß, die Berthold Beheim1) nach Abzug der Kosten für die Besetzung der Weiher und anderes an die Losungsstube abgeliefert hatte. An Ausgaben sind 66 ® 13 ß 9 hl. für Bauten, aufgeführt.2) 1381 — die Stadtrechnungen zwischen 1377/1378 und 1381 sind verloren gegangen — führt der ebengenannte WeiherStadtrechnung 1470/1471: Recepimus 87 €b n. 14 ß 6 haller mit dem 7 ß vom graben beim Irher Steg gefallen von Ludwig Pfinzing, weiermeister, so er das vergangen jare aus allerlai vischen gelost hat etc. Actum 3. ante dominicam jubilate 70 [1470 Mai 8]. Rechnungsbelege 1475/1476: Item mer antwort wir itzund par, das mon aus der stat gräben bei Werter türlein gelost hat, 10 tb alt. Item mer aus dem greblein bei dem Irher steg 40 Eine Stelle in der Stadtrechnung von 1460 könnte gleichfalls auf die Fischzucht in den Stadtgräben bezogen werden, wenn hier nicht etwa die Gräben bei den Pillenreuter Weihern gemeint sind: 1460/1461: Und damit hat Lienhard Groland widerrechnet die 4030 karpfen und 550 hecht, die er am vergangen herbst aus dem alten Rietenpühel, aus den zweien Weißenseen und dem Burgstall gefangen, auch 3 tb n. 5 ß aus den vischen in den greben gelöst über die die 81^2 tb n., die er umb 450 Setzling geben und 18 tb n. 6 ß umb zeug, kost, furlon und das er daran verpaut hat, als sein rechenzettel ausweist. Dabei sind von rats wegen gewest herr Erhärt Schürstab und herr Hans Coler. Actum feria sexta post Egidii confessoris [1460 Sept. 5]. Zieht man die oben angeführte Stelle vom 11. April 1469 zum Vergleich heran, so kann auch hier wohl nur der Stadt­ graben gemeint sein. *) Geschrieben nach der Vorlage. *) Auf die Bauausgaben komme ich an anderer Stelle zurück.

201 amtmann 66 Haller an die Losungsstube ab. Er besetzte den Königsweiher mit 8000, den Weiher unter dem Hause — Weiherhaus — mit 2000, den Weißensee mit 1700 Setzlingen. Diese 11700 Setzlinge kosteten 108 fl. 18 ß 3 Haller, die er wieder aus den gefangenen Fischen löste. Es ergab sich dem­ nach ein Ertrag von 66 ®, nicht mit eingerechnet die Fische, die er den Herrn des Rates schenkte. Dagegen führte die Losungsstube für die beiden letzten Jahre bis auf den Tag der Rechnung 160 fl. oder 176 hlr. Königszins ab. 1382 bucht die Rechnung 93 Jffi Haller als Ertrag des Weihers, Ausgaben sind außer 80 fl. Königszins, die für Licht­ meß zur Hälfte vorausbezahlt worden waren, keine aufgeführt. Die Liebung — Verehrung für seine Mühewaltung —, die Berthold Beheim bis dahin ausbezahlt erhielt, ist in ihrem Betrage nicht angegeben.1) 1383 lieferte Berthold Beheim 162 ®> Haller und 2 ß Haller an die Losungstube ab, der Königszins betrug 80 fl. oder 92 Haller, da der fl. damals 1 ® 3 ß galt. 1384 verzeichnet die Stadtrechnung weder Einnahme noch Ausgabe für die Weiherwirtschaft, nur der von Wolfsberg empfing wieder den Königszins von 80 fl.; 1385 gibt Andres Pfinzing 161 fl. Währung an die Losungsstube, die diese — den fl. zu 1 8 3V2 ß Haller — mit 186 31/2 ß Haller berechnet. Die Baukosten für das Weiherhaus betrugen 401U fl. oder 48 $> 12 ß, da der fl. auf 1 4 ß gestiegen war. Ulrich von Wolfs­ berg erhielt an Königszins 80 fl. ausgezahlt, davon 40 fl. für den nächsten Termin Lichtmeß. Für 1386 verzeichnet das Jahresregister keine Einnahme, an Ausgaben lediglich 40 fl. Königszins, die übrigens erst Licht­ meß 1387 fällig waren. 1387 vereinnahmte die Losungstube von Andres Pfinzing 161 fl. oder, da der fl. 1 & 4'k ß Haller galt, 197 & 4lU ß Haller, die er schon Walburgis 1386 hätte bezahlen sollen. An Ausgaben sind 40 fl. Königszins für Lichtmeß aufgeführt. Für 1387 wurde vom Königszins der Betrag von 40 fl. wieder vorausbezahlt. J) Und ist seiner liebung verricht biz auf disen tag. ante Egidii [26. August] 1382.

Actum feria tercia

202

1388 verzeichnet das Jahresregister 161 fl. oder 193 U 4 ß — der fl. zu 1 Sb 4 ß —, die Andres Pfinzing schon Walburgis 1387 sollte abgeführt haben, während die Baukosten und der Königszins 228 13 ß ausmachten. Für 1388 kamen noch 80 fl. oder 86 fl. Haller Königszins dazu. 1389 lieferte Andres Pfinzing 161 fl. für Walburgis 1388 und 161 fl. für Walburgis 1389 ab, im ganzen 322 fl. oder, da der fl. weiter auf 1 5V2 ß Haller gestiegen war, 410 8> 11 ß. Haller. Die Königszinse zahlte der Rat voraus für Licht­ meß 1390 80 fl., 1391 50 fl., zusammen 130 fl. oder 169 JtE Haller, da nun der fl. schon 1 6 ß Haller wert war. 1391 gibt er »über daz, daz im die burger liezzen, daz er schuldig waz von dritthalben iar, 3221U fl.«1) an die Losung­ stube ab. Die Bauausgaben betrugen für Haus, Stadel und Zaun mit allen Sachen 204 fi> Haller, der Königszins, wie immer, 80 fl. Die Gesamtausgaben stellten sich demnach auf 332 Haller. 1392 waren es 50 fl. und 18 $b Haller oder im ganzen 95V2 Haller — der fl. hatte einen Wert von 1 S 11 ß —, die Andres Pfinzing an die Losungstube bezahlte. Das war wohl noch eine Schuld von früher. Denn 1392/1393 zahlte er in 2 Terminen, Martini und Walburgis, 160 fl. oder 252 ffi Haller, den fl. zu 1 ®> IIV2 ß gerechnet. Der Königszins wurde für Lichtmeß vorausbezahlt und Andres Pfinzing ent­ richtete den Klosterfrauen zu Pillenreut den Zins von 5 fl. »von der weier wegen zu der goltvasten invocavit anno 93. Und man gibt in«, fügt die Rechnung hinzu, »all iar als vil auf dieselben zeit«. Diese 85 fl. machten in der Hallerrechnung — der fl. zu 1 E 12 Haller — 136 ^tb Haller. 1394 entrichtete Andres Pfinzing 80 fl. Zins für Martini 1393 und ebensoviel für Walburgis 1394, oder, da jetzt der Wert des fl. 1 14 ß Haller war, 232 U Haller. Der Königszins wurde für nächste Lichtmeß vorausbezahlt und die Pillenreuter Kloster­ frauen erhielten ihren Weiherzins, so daß sich an Ausgaben 85 fl. oder 1441/2 fi> Haller ergaben. 1395 waren es wieder 160, 1396 152 und 1397 160 fl., die Andres Pfinzing an die Losungstube bezahlte. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß 1395 der Gulden auf *) Der fl. galt jetzt schon i tt n ß Haller.

203 2 S gestiegen war, so daß sich der von ihm abgeführte Betrag auf 320 $b Haller belief, 1396 erreichte er gar die Höhe von 3 tEb Haller, so daß also Pfinzings Zahlung von 152 fl. in Hallern 456 Sb ausmachte, während 1397 der Kurs des Guldens wieder auf 1 Sb 6 ß Haller gesunken war und nun 160 fl. nur noch 208 SB Haller betrugen. Daß der Jahreszins 1396 von 180 auf 152 fl. herabgesetzt worden war, dürfte auf den übermäßig hohen Kurs, den der Gulden in diesem Jahre erreicht hatte, zurückzuführen sein. Die Ausgaben für den Königszins betrugen nach der Hallerrechnung 240 SB, die Gesamtausgaben für den Königs- und Klosterzins 255 SB. In den Rechnungen der letzten 12 Jahre — von 1385 an — ist der jährliche Betrag, den Andres Pfinzing an die Losungstube abführte, fast regelmäßig 161 dann 160 fl. Schon die Gleichmäßigkeit dieser Abgabe zwingt zu dem Schluß, daß sie als Pachtzins aufzufassen ist. Zur Gewißheit wird diese Vermutung dadurch, daß der Betrag 1394 als Zins in der Rechnung erscheint. Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Weihermeister Berthold Beheim, der 1383 mit einem Reinerlös von 162 $B Haller abgeschlossen hatte, damals vom Weiheramt zurückgetreten. Ein Jahr lagen die Weiher öde und 1385 über­ nahm sie dann Andres Pfinzing in Pacht und behielt sie bis wenigstens ins Jahr 1397, wahrscheinlich aber noch länger. Es läßt sich das nicht mit Gewißheit sagen, weil die Stadtrech­ nungen und Jahresregister von 1397 bis 1418 abgesehen von den für uns belanglosen Jahren 1406 und 1413 nicht auf uns gekommen sind.1) In diesem Jahre erscheint Michel Pfinzing als Pächter der Weiher, von dem leider nicht festzustellen, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis er zu Andres Pfinzing stand. Michel Pfinzing zahlte von 1418 bis 1421 jährlich 200 fl. Pacht, den fl. zu 1 ® 4 ß oder 240 Haller. Er muß nicht auf seine Kosten gekommen sein, da ihm 1421 der Pacht auf 180 fl. = 216 Haller herabgesetzt wurde. 1423 trat an Pfinzings Stelle Karl Koler als Pächter, für den Wilhelm Rumei d. ä. denselben 0 Die Stadtrechnung von 1406 hat nur den Eintrag: Von den weiern. Primo Mertein Haller dedit nobis . . und bricht dann ab. An anderer Stelle verrechnet sie für den Bau am Weißensee im ganzen 72 $5 hlr. Die von 1413 verzeichnet lediglich die an die ersten Bürgermeister im Jahre für Hechte verausgabten 2

204 Pachtzins von 180 fl. entrichtete.*) Aber auch Karl Koler trat schon 1424 vom Pachtvertrag zurück oder vielmehr, der Rat hielt es wohl für vorteilhafter, die Weiher wieder in eigene Verwaltung zu nehmen. 1424 hatte Koler zunächst nur noch den Rietenbühl in Pacht und zahlte 50 fl. für die Zeit von den Fasten bis Martini oder für 8 Monate. Der Rat hatte ihm, »des gegünnet«, wie der Eintrag lautet, »daz man im den liß sten von der vasten bis Martini nechst vergangen«. . . . Am Dienstag vor Nikolaus 1424 rechnete die Losungstube mit ihm ab, »als sein zeit aus was, nachdem als er von den weiern abtrat.« Im Jahre 1424 erscheint er als Weiheramtmann im Dienste des Rats, für den er im ganzen für 260 fl. 15 ß 10 hl.*2) = 282 ® 9 ß und 2 Haller Setzlinge einkaufte. Karl Koler war allem Anschein nach in der Weiher­ wirtschaft besonders erfahren. Man darf dies wohl daraus schließen, daß Wilhelm Rumei 1423 den Pachtzins für ihn er­ legte, ihn demnach doch wohl für einen tüchtigen Weiherwirt hielt, und derselben Ansicht war auch der Rat, als er ihn jetzt gleich bei der Wiederaufnahme der Weiherwirtschaft in eigener Verwaltung zu seinem Weiheramtmann bestellte. Die Rechnungen der folgenden Jahre — und zwar vom Jahre 1428 an — bieten eine geeignete Grundlage, der Renta­ bilität der Weiherhauswirtschaft des Rats im allgemeinen wenigstens nachzugehen. Die Kosten der Wirtschaft werden im einzelnen genauer bekannt und es lassen sich insbesondere die für die weiteren Weiheranlagen entstandenen Kosten einiger­ maßen ausscheiden. Ferner fallen in diese Zeit einige ausge­ zeichnete Jahre, gute Mitteljahre, aber auch solche mit geringeren oder gar keinen Erträgen und endlich solche mit geringen Mindereinnahmen. Gerade weil sich die Erträge innerhalb so weit gezogener Grenzen bewegen, eignen sie sich in besonderer Weise zur Berechnung eines normalen Mittels. Dazu kommt, daß der Geldkurs für eine Reihe von Jahren sich auf derselben Höhe hält und erst zu steigen anfängt von der Zeit an, wo die Rechnungen nicht mehr im Zusammenhang vorliegen. Bekannt *) Er kam aber nur mehr 195 tt Hallern gleich, da der Geldwert des Gulden unterdes von 1 tb 4 ß auf 1 % 1 ß 8 hlr. gesunken war. 2) fl. = 1 ® 1 ß 8 hlr.

205 ist der Preis, um den der Rat das Weiherhaus mit den Weihern erwarb, ebenso auch im allgemeinen, was er für Anlegung neuer Weiher verausgabte. So ist es denn möglich, zwar nicht bis ins einzelne, aber doch im großen und ganzen zu ermitteln, in welchem Verhältnis der Ertrag der Weiher zu dem Werte der Anlage stand. Auszuscheiden sind bei unserer Berechnung die Weiher zu Feucht, Rückersdorf und Rötenbach. Weder können ihre Anlagekosten für die Bestimmung des Werts der Stadtweiher herangezogen werden, noch auch die Rechnungsergebnisse der Bewirtschaftung jener Weiher, so weit sie sich aus den Stadt­ rechnungen ermitteln lassen. Sie sind zum Teil unbekannte Größen, deren Wert und Ertrag nicht zu bestimmen sind. Dann sind sie viel zu kurze Zeit in Betrieb. Bei dem Weiher zu Feucht steht außerdem die Höhe der Baukosten ganz außer Verhältnis zu dem Ertrag von nur wenigen Jahren. Die Bau­ kosten betrugen 1430 »mit allen Sachen zemachen« 105 fl. und 1 Ort Landeswährung. Obschon er völlig ausgebaut worden war — es wurden in ihn 1431 bereits 1290 »gewerte Setzlinge« zu den 600, die, im Graben bei des Erkels Garten gefangen worden waren, eingesetzt —, so bedurfte er doch schon im gleichen Jahre einer Ausbesserung, die 11 fl. 13 ß kostete. Seine Anlage war wohl nicht in jeder Beziehung einwand­ frei, es muß sogar angenommen werden, daß seine Dämme keineswegs die erforderliche Widerstandskraft besaßen. Er brach nämlich schon im Jahre 1433 ab. Jetzt aber stiegen die Kosten des Baus auf 202 SB 2 ß, wozu noch 5 SB Liebung für Hans Weigel kamen, der den Bau geführt hatte. Auch 1435 baute und besserte Hans Weigel an diesem Weiher, wofür er 5 SB 5 ß erhielt. Dann wurden noch 1439 Ausbesserungen an ihm vorgenommen.*) Trotz dieser bedeutenden Aufwendungen war der Ertrag kein großer. 1440 ist er angegeben und betrug im ganzen in diesem Jahre nur 8 SB 18 ß. Wohl infolge dieser üblen Erfahrungen bewirtschaftete man den Weiher zu Feucht seit dem Jahre 1440/1441 nicht weiter.2) *) i tt io ß für 15 taglon am weier zu Feucht. Recepit Knopf. Hielier gehört wohl auch der gleich folgende Eintrag: 5 tt 5 ß dem Knopf vischer von eins pferds wegen und für i1/* sumer habern. 2) 1440/41: Item dedimus dem Pleßen von pflegnüße wegen des weiers zu Feucht, ee dann man in ligen ließ.

206 Bei Rückersdorf hatte der Rat, wie aus der Stadtrechnung von 1440/1441 hervorgeht, allerdings nur kurze Zeit, 2 Weiher in Betrieb, »den großen Weiher« und »den Weiher an der Straße«. Ersterer wird mit dem zu Buch 1436, als man beide wie andere Weiher mit Setzlingen versah, genannt. 1439 ver­ zeichnet das Jahresregister 21 fä) 10 ß, die der Weiher zu Rückersdorf an der Straße zu machen gekostet. Über den Ausbau des Rötenbachs zu einem Weiher geben die Stadtrechnungen keinen Aufschluß.*1) Die Kosten einer solchen Umwandlung des Baches unterhalb Ungelstetten konnten übrigens nicht allzu bedeutend sein, da es sich hier nur um den Bau einer Sperrmauer handelte. Was wir über diese Weiher, über die Kosten ihrer Anlage und die Ergebnisse ihres Betriebs erfahren, reicht auch nicht im entferntesten aus, uns auch nur ein ungefähres Bild ihres Wertes zu ermöglichen. Sie sind zudem auch viel zu kurze Zeit in Betrieb, als daß sie bei der Berechnung als Faktor eingestellt werden könnten. Aus diesen Gründen sind sie aus der Berechnung des Werts und Ertrags auszuscheiden und nur die Pillenreuter Weiher zur Berechnung der Rentabilität der Weiherwirtschaft des Rats heranzuziehen. Dagegen sind die Weiher in den Stadtgräben zu berück­ sichtigen, weil sie längere Zeit zur Besetzung der Pillenreuter Weiher herangezogen wurden. Einen Einfluß auf den Ertrag der Weiherwirtschaft haben sie übrigens nicht ausüben können. Gehen wir die einzelnen Jahre durch, so konnte der neue Weiheramtmann in dem ersten Jahre seiner Wirtschaftsführung noch keinen Ertrag an die Losungsstube abführen, was wohl darin seinen Grund hatte, daß er die Wirtschaft wieder einrichten, sozusagen erst wieder von vorn anfangen mußte. Die Ausgaben, welche die Wirtschaft erforderte, betrugen im ganzen 94 fl. oder 103 S> und 8 ß.2) Dazu kamen noch die 2 ® für die ersten Bürgermeister zum neuen Rat Hans Tücher und Hans Tetzel *) Die 6 ß, die 1435 als Ausgabe für den Rotenbach verzeichnet stehen, beziehen sich nicht auf einen Bau, sondern auf die Weiherwartung. 2) Wo es nicht ausdrücklich anders bemerkt wird, gilt der Gulden stets I tt 2 ß hlr.

207 »für zwen hecht, die man in gibt von den weiern zu Pillenreut.« *) Dagegen belief sich der Erlös aus der Weiherwirtschaft im Jahre 1426/1427 auf 41V2 Sb und 152 fl. oder im ganzen 230 S> 14 ß, dem eine Ausgabe nicht gegenüberstand. Für die beiden Bürgermeister der ersten Frage, jetzt Stephan Koler und Görg Stromeyr, sind wieder wie gewöhnlich 2 SB für Hechte berechnet. 1427/1428 beziffert sich der Ertrag auf nur 32 fl. oder 35 Sb 4 ß, wovon der Weiherzins für die Klosterfrauen zu Pillenreut mit 5 Sb 10 ß, die Besoldung des Weiheramtmanns Karl Koler und des Weihermanns oder Wärters Rösner, die in ihrem Betrage leider nicht angegeben sind, abgehen. Für den Weiherwärter darf ein Jahreslohn von 6 SB angenommen werden, den er seit 1431 nachweislich erhielt. Was aber Karl Koler für die Wirt­ schaftsleitung an Gehalt ausbezahlt wurde, dafür bestehen keine näheren Anhaltspunkte. Endlich erhielten die beiden Bürgermeister zum neuen Rat Erhard Schürstab und Fritz Holzschuher 2 Sb für Hechte. Der Reinertrag belief sich demnach auf weniger als 21 Sb 14 ß. Man darf sogar annehmen, daß er nach Abzug der Besoldung des Weiheramtmanns auf oder gar unter 0 herab­ sank. Die beiden Jahre 1426/1427 und 1427/1428 sind übrigens ganz anormale Jahre, das eine ohne alle Einnahme, das andere mit keiner nennenswerten Einnahme und Ausgabe. Die schlechten Abschlüsse haben ihren Grund, wie schon bemerkt, ohne Zweifel darin, daß die Weiherwirtschaft wieder ganz neu eingerichtet werden mußte. Im Jahre 1428/1429 betrug der Erlös, den der neue Weiheramtmann Veit Pfinzing an die Losungstube ablieferte, 313 Sb 5 ß. Dagegen erhielt er vom Rat 88 Sb 13 ß 2 hlr. für 4821 Karpfen- und Hechtsetzlinge, worunter auch Mütter und Weiß­ fische waren, womit man das Erlach und das Burgstall neu besetzte und den Rietenbühl und die anderen Weiher etwas besser speiste. Die Unterhaltungskosten waren in diesem Jahre bedeutend. Für die Ausbesserung des Rietenbühls, die Aus­ führung des Baues am Weiherhaus, der drei Behälter, die mit Rinnen und Schlegeln verneuert wurden, das Fischen des *) Diese Ausgabe steht nicht bei den Weihern, ist aber wie andere, die auch unter den allgemeinen Ausgaben aufgeführt sind, hierher zu rechnen.

208 Weihers Königsbruck verausgabte Veit Pfinzing 57 19 ß. Dazu kamen noch die Kosten für 2 Sägen (Zugnetze), zwei Fässer und Brenten (Kufen) und für einige Taglöhne für den Fischer Engelhart hinzu, was 15 S> 15 ß 2 hlr. ausmachte, und die 2 Hechte an die ersten Bürgermeister im neuen Amtsjahr im Wert von 2 8:.1) Die Ausgaben betrugen demnach im ganzen Ausgaben Einnahmen

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164 ® 313 »

Mehreinnahmen .

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148

7 ß 4 hlr. 5 »— » 17 ß 8 hlr.

1429/1430 führte Veit Pfinzing als Erlös für die im Weiher Königsbruck gefangenen Fische an die Losungstube ab 204 SB 9 ß 10 hlr.; aus dem Weißensee über das, was er kostete, 17 SB 6 ß 6 hlr. ; aus dem Erlach 82 SB; im ganzen 303 SB 16 ß 4 hlr. Dagegen kaufte er Setzlinge für den Weiher Königsbruck um 112 SB 15 ß 4 hlr. Ferner erhielt er zweimal 22 SB hlr., das einemal als Nachzahlung für das Jahr 1428/1429, das anderemal für das laufende Jahr als Entgelt für seine Mühe­ waltung.2) Die beiden Bürgermeister zum neuen Rat erhielten ihre hergebrachten 2 SB. Die Ausgaben für den Wirtschafts­ betrieb betrugen demnach Ausgaben Einnahmen

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158 SB 15 ß 4 hlr. 303 » 16 » 4 >

Mehreinnahmen.

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145

SB

lß—hlr.

Da aber aus den Einnahmen auch Bauten am Weißensee gedeckt worden waren, so war der Ertrag wohl noch um ein Erkleckliches höher. 1430/1431. An Einnahmen sind gebucht 329 SB 8 ß 2 hlr., die der Stadtfischer Ulman Knopf an die Losungstube abführte. *) Der Weiherzins an das Kloster Piilenreut ist wie auch im folgenden Jahre nicht aufgeführt. 2) 30 tt hlr. sind noch aufgeführt, »die er verpauen soll auf den Weißen­ see, als wir das über uns genomen haben zu dem gelt, des er sich verpflicht hat zuverpauen, als in dem roten püchlein fol. 103 gescriben stet«. Diese Bau­ ausgabe ist deshalb hier nicht eingesetzt worden, weil sie, wenn auch auf den alten Weißensee verwendet, doch ohne Zweifel mit der gleich folgenden Neu­ anlage des unmittelbar angrenzenden kleinen Weißensees in Beziehung stand. Auch die Bauausgabe für den kleinen Weißensee konnte, weil sie keine Betriebs­ ausgabe darstellt, hier nicht berücksichtigt werden. Der darauf bezügliche Ein­ trag lautet: Item dedimus 193 tt 3 ß 4 hlr., das der neu weir und der prunnen gekost hat.

209 Im einzelnen erlöste er aus 54 Karpfen, die im Weiherhaus geblieben waren, 6 SB 6 ß, dann aus den im Rietenbühl ge­ fangenen Fischen die bedeutende Summe von 323 SB 2 ß 2 hlr. Für die Wiederbesetzung dieses Weihers hatte er 5140 Setz­ linge gekauft, aber er deckte die Kosten dafür sowie für das Fischen und Wiederbesetzen aus dem Verkauf von Fischen. An Ausgaben fielen an ohne die Baukosten für den Weiher zu Feucht für 2400 »gewerter« Karpfensetzlinge in das Erlach 43 SB 19 ß 2 hlr., die sie »mit allen Dingen« kosteten und von denen der Fischer Knopf annahm, daß sie drei Jahre gehen müßten, für 600 Setzlinge in das Weiherhaus 15 SB 15 ß Haller, und für die herkömmlichen Hechte an die beiden Bürgermeister zum neuen Rat Stephan Koler und Hans Tetzel 2 SB. Ausgaben . Einnahmen .

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61 SB 14 ß 2 hlr. 329 » 8 »2 »

Mehreinnahmen.

.

267

SB 14ß — hlr.

1431/1432. Der FischerUlrich Knopf löste aus Fischen aus dem Rietenbühl 103 SB 3 ß 6 hlr., aus dem neuen Weiher bei Pillenreut, als er versuchte, wie er angesetzt hätte, 6 SB, aus Fischen des Weihers Königsbruck 404 SB 6 ß. Aus dem Ertrag bezahlte er noch 19 SB für 1900 Setzlinge, die in den Weiher Königsbruck, und 13 SB für 5000 Setzlinge, die in den Rötenbach kamen. Im ganzen konnte er 513 SB 9 ß 6 hlr. an die Losungstube abführen. An Ausgaben bucht die Stadtrechnung 22 SB 7 ß für 1290 »gewerter« Setzlinge, die man in den neuen Weiher zu Feucht setzte zu den 600 Setzlingen, die man aus dem Graben bei des Erkels Garten fing. Dazu kam der Weiherzins für die Kloster­ frauen zu Pillenreut, 5 fl. Landeswährung, das »Solarium« für den Weiherwärter Kötzler beim Weiherhaus 6 SB, dem auch noch für das vergangene Jahr 6 SB zu zahlen waren und 2 SB den Bürgermeistern zum neuen Rat für Hechte. Ausgaben . Einnahmen .

. .

Mehreinnahmen

. 41 SB 17 ß —hlr. . 513 » 9 » 6 » . 471 SB 12 ß

6hlr.

Von den Ausgaben sind aber noch auszuscheiden die 22 SB 7 ß für die in den Weihern zu Feucht eingesetzten Setzlinge, 14

210 so daß sich die Ausgaben für die Pillenreuter Weiher nur noch auf 19 SB 10 ß belaufen. Dagegen sind die in der Stadtrechnung nicht in Ansatz gebrachten 600 Setzlinge, die aus dem Graben bei des Erkels Garten in den Feuchter Weiher kamen, deren Wert auf 10 SB zu schätzen sein dürfte, als Einnahme zu buchen. Einnahmen demnach 523 SB 9 ß 6 hlr. Ausgaben. . . . 19 » 10 » — » Mehreinnahmen.

.

503

SB 19 ß 6 hlr.

1432/1433. Für dieses Jahr ist nur die unbedeutende Einnahme von 21 SB 15 ß 4 hlr. verzeichnet, der an Ausgaben gegenüberstehen 44 SB 16 ß 7 hlr., die in die Weiher Rietenbühl, Burgstall und Königsbruck gesetzt wurden, 5 fl. Zins an das Kloster Pillenreut, 6 SB Lohn für den Weiherwärter Rösner in Weiherhaus, 36 fl. Besoldung1) für den Fischer Ulman Knopf, 2 SB für Hechte an die ersten Bürgermeister des Jahrs, im ganzen . .

.. ..

97 21

SB 18 ß 7 hlr.

Mehrausgaben

..

76

SB

Ausgaben Einnahmen

» 15 » 4

»

3 ß 3 hlr.

1433/1434 liefert Ulman Knopf an die Losungstube ab 301 SB 1 ß 6 hlr. als Erlös aus dem im großen Königsweiher gefangenen Fischen.2) Dagegen erhält er an Kostgeld, als er die Königsbruck fischte, 2 SB 10 ß, ferner über die 7 SB alt, die er aus übriggebliebenen Hechtlein und Schleihlein gelöst, wovon er zum Teil Hanf angeschafft hatte, 20 Sb für Setzlinge, von denen 1100 in das Erlach und 350 in den neuen Weiher gesetzt wurden, zu den 300, die aus dem Burgstall kamen; dann wieder 56 SB 5 hlr. für Setzlinge, wovon ein Teil in die Königsbruck, ein Teil in den neuen Weiher und der Rest in den Weiher zu Feucht kamen. Veit Pfinzing erhielt für 800 Setzlinge, die gleichfalls in den Weiher zu Feucht gesetzt wurden, 11 SB. Die Klosterfrauen zu Pillenreut bekamen ihren Zins von *) Sie sind an ganz anderer Stelle des Jahresregisters unter der Rubrik: Stipendium et scultetus aufgeführt. 2) In diesem Jahre wurde indes der neue Weißensee fischbar, aus dem man im Jahre vorher schon Fische im Betrag von 6 tb zur Probe entnommen hatte. Daß er 1433 gefischt wurde, geht auch aus der Wiederbesetzung im gleichen Jahre hervor.

211

5 fl., der Rösner zu Weiherhaus für die Weiheraufsicht 6 SB, der Stadtfischer Knopf seinen Jahreslohn von 36 fl., die beiden ersten Bürgermeister im Jahr 2 SB. Weitere Kosten ergaben sich durch die Ausbesserung des Wehrs und des Grabens am Erlach, wozu der Rat seinen Anteil mit 1 Sb 11 ß 8 hlr. bei­ zusteuern hatte, für ein Wägelchen zum Weiherhaus, das der Fischer Knopf angeschafft hatte, 2 ® 6 P 2 hlr., ferner für Hanf und Seile 1 SB 17 ß 6 hlr. Demnach Ausgaben . . . 148 SB 7 ß 9 hlr. Einnahmen . . . 301 » 1 »6 » Mehreinnahmen . 152 SB 13 ß 9 hlr. Von den Ausgaben sind wieder die für den Ankauf von Setzlingen für den Feuchter Weiher auszuscheiden, einmal die aufgeführten 11 SB, dann aber der Anteil dieses Weihers an den Setzlingen, die für ihn, den großen Königsweihers und den kleinen Weißensee um 56 SB 5 hlr. angekauft worden waren. Man darf ihn wohl auf 10 SB anschlagen. Ausgaben 127 SB 7 ß 9 hlr. Damit stellt sich die Mehreinnahme aus den Pillenreuter Weihern auf rund 174 SB. 1434/1435 gibt Ulmann Knopf 283 SB 14 ß an die Losung­ stube ab. An Ausgaben für die Besetzung unter Einrechnung des Klosterzinses von 5 fl. und 6 SB für den Weiherwärter Rösner sind gebucht 58 SB 7 ß 2 hlr. Dazu kommen noch die Besoldung des Stadtfischers Knopf im Betrag von 36 fl. und 2 SB für die an die Bürgermeister zum neuen Rat gereichten Hechte. Ausgaben . . . 99 SB 19 ß 2 hlr. Einnahmen . . 283 » 14 > — » Mehreinnahmen . 183 SB 14 ß 10 hlr. 1435/1436. Einnahmen, die der Stadtfischer Ulmann Knopf an die Losungstube abliefert, 300 SB 7 ß 10 hlr. Ausgaben wegen Abfischung des Weihers Königsbruck 6®, für 2776 Karpfen- und 300 Brechsensetzlinge in den Weiher Königsbruck 44 SB 2 ß 6 hlr., für 3350 Setzlinge, wovon 150 in »das Burgstall«, 800 in den alten Weißensee, 1400 in den neuen Weißensee und 1000 in das Weiherhaus kamen, 21 SB 10 ß, den Nonnen zu Pillenreuth 5 fl. Landeswährung, dem Plest für Wartung des Weihers zu Feucht 15 ß, von des Rötenbachs wegen 14*

212

— ohne Zweifel wegen Beaufsichtigung — 6 ß, dem Weiher­ hauswärter 6 SB, dem Stadtfischer Knopf 36 fl., dem Otterfänger 1 SB 7 ß, als er schwur und man ihn bestellte, und 3 SB 6 ß Lohn, den Bürgermeistern zum neuen Rat 2 SB. Hierher rechnen wir auch die 17 SB 13 ß, die Ulman Knopf auf den Weiher Königsbruck, den neuen Weiher und das Weiherhaus verbaut und sonst noch zu der Weiher Notdurft verausgabte, sowie 15 ß, wofür er Hanf kaufte, endlich 6 SB 12 ß für das durch Peter Grundherr aus Veit Pfinzings Nachlaß übernommene Bett und andern Hausrat im Weiherhaus. Ausgaben . . . 155 SB 8 ß 6 hlr. Einnahmen . . 300 » 7 » 10 » Mehreinnahmen

. 144 SB 19 ß

4 hlr.

Es gehen noch ab von den Ausgaben die für Feucht und den Rötenbach aufgewendeten 1 SB 1 ß, sodaß die Mehrein­ nahmen rund 146 SB betragen. 1436/1437. Der Stadtfischer Ulman Knopf liefert ab 336 SB 6 ß 8 hlr. Ausgaben für Setzlinge in den Rietenbühl, in das Erlach, in die zwei Weißensee, in den Weiher bei Rückersdorf und in den zu Buch, Kost und Zehrung und 6 SB 10 ß mit eingerechnet, die man am Rechen im Weißensee, an den Brücken über den neuen Graben und über den Ablaß am Rietenbühl verbaut, 102 SB 10 ß; den Nonnen zu Pillenreut 5 fl., dem Kötzler für die Behütung der Weiher zum Weiherhaus 6 SB, dem Konrad Ötterer von Hammelburg, dem Otterfänger, als er um Fastnacht 5 Wochen lang dagewesen, 3 SB 6 ß und ebenso 3 SB 6 ß, als er um Pfingsten Ottern gefangen hatte, 36 fl. dem Stadtfischer Knopf und 2 SB den Bürgermeistern zum neuen Rat für Hechte. Ausgaben . . . 162 SB 4 ß — hlr. Einnahmen . . . 336 » 6 » 8 » Mehreinnahmen 1437/1438. 9 ß 4 hlr.

. 174 SB 2 ß 8

hlr.

Einnahmen des Stadtfischers Knopf 342 SB

Ausgaben für Brechsen, die Knopf auf die Weiher aus­ geteilt, 2 SB 12 ß, dem Fischer Hans für 4500 kleine Setzlinge

213 9 Florin, dem Konz von Kagenhof für 500 Setzlinge 5 Flor. *), Erhard Schürstab d. j. für 100 Setzlinge in den Rietenbühl 3 SB, der Snöden für 550 Setzlinge in den neuen Weißensee 8 SB 5 ß, den Klosterfrauen zu Pillenreut den Weiherzins von 5 fl., dem Weiherhüter Kötzler zu Weiherhaus 6 JE, dem zu Feucht 15 ß, dem Otterfänger »Solar von den nächstvergangenen Winter­ monaten, als er hier ging und Ottern fing«, 3 SB 6 ß (»an 3 fl.«) und nochmals 3 ® 6 ß, die Besoldung des Stadtfischers Ulman Knopf mit 36 fl., die Hechte für die beiden Bürgermeister zum neuen Rat 2 SB. Ausgaben . . . 89 SB 14 ß — hlr. Einnahmen . . 342 » 9» 4 » Mehreinnahmen . 252 SB 15 ß 4 hlr. Von den Ausgaben gehen aber die für den Weiher zu Feucht aufgewendeten 15 ß ab, sodaß sich also die Mehrein­ nahmen auf 253 SB 10 ß 4 hlr. belaufen. 1438/1439. Einnahmen des Stadtfischers Ulman Knopf 198 SB 7 ß 10 hlr. Ausgaben für 600 Setzlinge, die Knopf von Hermann Rütz zu Pirkach12) gekauft, in den alten Weißensee, das 100 zu 7 SB alt, 10 SB 10 ß; 900 Setzlinge vom alten Rütz, das 100 zu 5 8 alt, mit Zehrung 11 SB 11 ß; 2000 kleine Setzlinge vom jungen Rütz zu Pirkach 3 SB 10 ß; in mehreren Einzelbeträgen für Setzlinge 85 SB 11 ß; an die Klosterfrauen zu Pillenreut 5 SB 10 ß; Besoldung des Stadtfischers Ulman Knopf 39 SB 12 ß; Liebung für den Plasten wegen Hütung des Weihers zu Feucht 15 ß; des Otternfängers 6 SB 12 ß; Hechte an die neuen Bürgermeister 2 SB. Nach Abrechnung der 15 ß für den Plasten zu Feucht Ausgaben . . . 164 SB 16 ß — hlr. Einnahmen . . 198 » 7 » 10 » Mehreinnahmen . 33 SB 11 ß 10 hlr. 1439/1440. Einnahme des Stadtfischers Ulman Knopf 181 SB 19 ß 8 hlr. 1) Ein Florin galt, wie die Berechnung ergibt, gleichfalls i fl. oder I 2 ß, war demnach mit dem Gulden gleichbedeutend. 2) Das Jahresregister hat Pirchech. Es ist Pirkach nördlich von Langenzenn gemeint.

214 Ausgaben1) für Setzlinge dem alten Rütz von Pirkach und seinem Sohn, im ganzen 2450, 30 Sb 12 ß 6 hlr.; dem Kraft zum Dörfleins für 1000 Setzlinge 10 SB; dem Störnschatz von Prunn für 1000 Setzlinge 26 SB 5 ß; dem Volkart von Räubers­ riet2) 4 SB; für eine Neige junger Setzlinge 4 Sb; dem Schult­ heißen von Hüttendorf für Setzlinge 6 SB 10 ß; dem Hofmann von Höfen für Setzlinge 7 SB 10 ß; für 4000 Setzlinge, die man in die Weiher setzte, 64 SB 17 ß 6 hlr.; für Zehrung bei dieser Gelegenheit 1 SB 5 ß; dem Weiherwärter Hermann Plolzheimer 12 SB; dem Hüter des Weihers zu Feucht 15 ß; dem Otterfänger 6 SB 12 ß; dem Stadtfischer Knopf 39 SB 12 ß; den Kloster­ frauen zu Pillenreut 5 Sb 10 ß; den Bürgermeistern zum neuen Rat 2 SB. Nach Abrechnung der 15 ß für den Feuchter Weiher Ausgaben . . . Einnahmen . . Mehrausgaben .

220 SB 14 ß— hlr. 181 » 19 » 8 » 38 SB 14 ß 4 hlr.

Außerdem ist für dieses Jahr noch verrechnet für den Fuhrmann, der das Heu von der Steinach geführt, 6 SB 5 ß, für das Heuen und Mähen dieser Wiese 11 SB und das Mähen im vorhergehenden Jahr 13 Sb 15 ß. Doch bringen wir diese Beträge nicht in Ansatz, da das Heu doch wieder Verwen­ dung fand. 1440/1441. Einnah men des Fischers Knopf, des Hans Graser und des Paulus Stromer .... 320 SB 17 ß 8 hlr. Die Einnahmen sind in der gleichfallserhaltenen Stadt­ rechnung im einzelnen aufgeführt. Der Stadtfischer Ulrich Knopf lieferte für 225 Fische, die er aus dem großen Weiher zu Rückersdorf gefangen hatte, 6 SB 7 ß 7 hlr. an die Losung­ stube ab, Hans Graser von Fischen aus dem Weiher zu Feucht 8 SB 10 ß, Paulus Stromer von Fischen desselben Weihers 2 SB 8 ß, aus dem Weiher bei Rückersdorf an der Straße 5 SB 8 ß, aus dem Weiherhaus 3 SB 11 ß 5 hlr., von 3332 Hechten, *) Der Wert des Guldens schwankt, einmal ist er mit i 2 ß ange­ geben, dann wieder mit i 4,/a ß. Wir haben den im allgemeinen üblichen Kurs von i $6 2 ß angenommen. 2) Das Jahresregister hat Rabersreut.

215 Karpfen und Brechsen aus dem großen Weiher Königsbruck vom 21. Oktober 1440 bis zum 15. März 1441 294 SB 12 ß 8 hlr. Ausgaben. Der Fischer Knopf kauft von einem oberhalb Zenn1) 900 Setzlinge um 17 SB, das 100 zu 8 SB alt. Davon kam ein halbes Hundert in den neuen Weiher unter der Königs­ bruck.2) Hermann Korner von Oberreisbach3) lieferte 500 Setz­ linge um 10 SB, das Hundert zu 8 SB alt; Hermann Götz von Rotspach4) 650 Setzlinge um 13 fl., das Hundert zu 2 fl.; Hans Kneuerlein vom Neckenberg5) 500 Setzlinge um 11 SB 5 ß, das Hundert zu 9 SB alt; Hans Götz vom Neckenberg 450 Setzlinge um 10 SB 10 ß, das Hundert um 9 SB alt 10 dn.; C. Hagen vom Neckenberg 4 fl. für 300 Setzlinge. Diese von Hermann Korner und den weiter genannten Fischbauern gelieferten Setzlinge kamen sämtlich in den neuen Weiher unter der Königsbruck.6) Kunz Hagen lieferte weiter 400 Setzlinge um 8 fl., das Hundert zu 2 fl., die in den Weiher Königsbruck kamen.7) Dabei wurden verzehrt 1 SB 10 ß. Dann kamen noch in die Königsbruck 1200 Setzlinge um 13 fl. und 1600 Setzlinge um 24 SB 10 ß, 1400 Setzlinge um 6 SB 2 ß 6 hlr. in die beiden Weißenseen auf ein Jahr, »auf ein fürsorg, ob man die in den Rietenpühel setzen wiird.« In die Königsbruck wurden noch um Allerheiligen gesetzt 1784 Setzlinge um 31 SB 10 ß 10 hlr. Davon kosteten 1100 6 SB, 600 9^2 SB alt und 150 6 SB alt. Verzehrt wurden dabei 1 SB 8 ß. Ferner 2150 Setzlinge um 42 SB 2 ß 8 hlr., das Hundert zu 1V2 fl. Diesmal betrugen die Zehrungskosten 1 SB 1 ß. Gabriel Tetzeis sei. Witwe erhielt für 3500 Setzlinge noch 36 SB 10 hlr. Das Fischen des Weihers Königsbruck kostete mit Zehrung und allem, was man für Schäffer, Brenten und sonst »allerlei hadrei«8) ausgegeben, 12 SB 9 ß 10 hlr. Hermann Holzheimer erhielt für die Pflege des Weiherhauses 6 Sb; dem Plasten gab man von der Pflegnis wegen des Weihers zu Feucht, ehe man ihn liegen ließ, 15 ß; b Langenzenn. 2) Actum feria sexta post Michaelis [30. Sept. 1440]. 8) Wahrscheinlich Oberasbach bei Fürt. 4) Wahrscheinlich Roßbach bei Neustadt a. A. 5) Neckenberg oder Neckenberg, nicht nachzuweisen, wohl eingegangen. •) Actum feria quarta ante Galli [12. Oktober 1440]. 7) nachdem und man sie jeczo gevischt hat. Actum ut supra. Es ist der große Weiher Königsbruck gemeint. 8) Kleinigkeiten.

216 dem

Otterfänger

Konz

Ötterer

von

den

nächstvergangenen

Wintermonaten 3 fl., dem Stadtfischer Knopf 18 fl. und 4 SB 10 ß 10 hlr.1), »als er noch Gabriel Tetzeis seligen abgang an den

dienste

der weier

körnen

was«;

die ersten Bürger­

meister im Jahr Karl Holzschuher und Hans Tetzel erhielten für Hechte 2 SB und die Klosterfrauen zu Pillenreut den Weiher­ zins von 5 fl. Ausgaben .

.

.

289

SB 13 ß

Einnahmen

.

.

320

» 17 »

Mehreinnahmen .

31

SB



8 hlr. 8 » — hlr.

Aus den Einnahmen sind die vom großen Weiher zu Rückersdorf mit................................................... 6 8 7 ß 7 hlr. vom Weiher zu Feucht mit..........................10 »

18 » —

»

und vom Weiher zu Rückersdorf an der Straße mit................................................... 5»

8» —

22 SB 13 ß

»

7 hlr.

auszuscheiden und aus den Ausgaben die für Wartung des Weihers zu Feucht verrechneten 15 ß. Demnach Einnahmen.

.

.

298 SB

4ß 1

hlr.

Ausgaben

.

.

288 »

18 » 8

»

Mehreinnahmen

.

9 SB

5ß 5

hlr.

.

1441/1442. Einnahmen 409 SB 11 ß 6 hlr.

Paulus Stromer

führt in zwei Malen an die Losungstube ab 161 SB 7 ß 6 hlr. für 1654 Fische, ferner 272 SB 4 ß für 835 Fische aus dem neuen und 3235 aus dem alten Rietenbühl, davon aber hat er als Liebung zugewiesen erhalten 18 SB für seine Mühe,

die

er 41 Wochen »in der pflegniisse und vischens der weier und den neuen weier unter der Kungspruck ganz zu machen und die obgeschriben stuck visch zuverkaufen, gehabt hat«, und der *) So das Jahresregister. Die Stadtrechnung spezifiziert: Item dedimus 4 $) io ß io hlr. dem Knopf vischer sind [seit] vom erichtag nach assumpcionis [16. August 1440] bis auf die goltvasten crucis exaltatio crucis [14. September], als er an den dinst wider antieten ist, das was 5 wochen, facit 1 wochen 3 alt 19 dn. Recepit ipse. Item dedimus ei 9 guidein landsweiung zu der goltvasten Lucie [Lucia, 13. Dezember]. Recepit ipse. Item dedimus ei 9 fl. landswerung zu der goltvasten invocavit [5.März 1441]. Recepit ipse. Summa 18 fl. n. 4 ^ 10 ß 10 hlr.

217

Kalkmesser 6 SB für seine Arbeit beim Fischen und den Verkauf der Fische.*) Es bleiben demnach an Einnahmen, wie es auch die Rechnung verzeichnet, 409 SB 11 ß 6 hlr. An Ausgaben sind verrechnet 10 ß Zehrung der Fischers Knopf, als er nach Setzlingen ausgeritten war; 10 ß zur Liebung »eim, der uns ein giißgeier bracht, der in unsern weiern groß schaden getan hette«; 1 SB Zehrung des Knopf in der Pflege und Bewahrung der Weiher. Für 600 Setzlinge erhält Ulein Schetter von Hiltmannsdorf*2) 8 SB 5 ß, das Hundert um 5Vs SB alt; Bertold Volckmer3) für 400 Setzlinge 9 SB hlr., das Hundert zu 8 SB alt; Cunz Seitz von Vach für 450 Setzlinge 11 SB 9 ß 6 hlr., das Hundert zu 10 SB alt 6 ^; der Dorer und die Fischerin von Dambach 9 SB 5 ß für 300 Setzlinge, das Hundert zu 12 SB alt 10 der Fischer Knopf 5 SB 15 ß »zu zerung nach den obgeschriben Setzling und das man auch verzert hat, als man den weier genant der neu Rietenpiihel gefischt hat«. Diese 1750 Setzlinge, die im ganzen 43 SB 14 ß 6 hlr. kosteten, setzte man in den Neurietenbühl. Weiter lieferte Heinz Knopf 500 Setzlinge um 10 SB, das 100 zu 8 SB alt; Hans Knauer vom Neckenberg 800 Setzlinge um 13 SB, das Hundert für 6V2 SB alt; der Frau gab man zu Weinkauf 3 ß 6 hlr.; Fuhrlohn 7 ß; Hans Götz vom Neckenberg 600 Setzlinge um 7 SB 18 ß, das Hundert zu 5 SB alt 3 /v^ ; Fuhrlohn 7 ß; Hans Heusner 2 SB 15 ß für 200 Setzlinge, das Hundert zu 5V2 SB alt; Craft von Dörfleins4) 10 Sb 2 ß 6 hlr. für 750 Setzlinge, das Hundert zu 7 SB alt; Hermann Schmid von Tuchenbach 12 SB 6 ß 10 hlr. für 925 Setzlinge, das Hundert zu 5 SB alt 10 Fuhrlohn 12 ß; Hans Hübner von Aurach5) 5 SB 10 ß für 275 Setzlinge, das Hundert zu 7V2 SB alt; Craft von Dörfleins 11 SB 7 ß 6 hlr. für *) Die Stadtrechnung enthält noch den folgenden Eintrag, der zur Rech­ nung von 1440/1441 gehört: Item so hat er uns vormals herauf geben und geantwurt 294 tb hlr n. 12 ß 8 hlr., die er aus 3332 stuck vischen gelöst hette, die man all aus der Kungspruck gefangen hette. Dieselben summ wir im 40. register fol. 18 für ein einnemen verschriben und verrechnet haben. 2) Die Rechnung hat: Hilmannstorf. Gemeint ist Hiltmannsdorf zwischen Fürt und Kadolzburg. 3) Volckamer. 4) wohl Dörfles bei Höchstadt a. A. 5) wohl Herzogenaurach,

218 700 Setzlinge, das Hundert zu 6\;2 SB alt; 10 ß Zehrung; Ulrich Knopf zur Zehrung bei der Herführung dieser Setzlinge 3 SB 14 ß. All diese Setzlinge, die in den alten Rietenbühl kamen, kosteten 80 SB 18 ß 2 hlr.1) Die Abfischung des Rietenbühls kostete 5 SB 14 ß. Außerdem bekam der Stadtfischer Knopf noch an Zehrungsgeld und als Beisteuer zu einem Paar Stiefel 1 S 5 ß 6 hlr.; an Jahressold erhielt er 36 fl. Landeswährung; Hermann Holzheimer für die Pflege des Weiherhauses 6 Sb; die Klosterfrauen zu Pillenreut den Weiherzins von 5 fl.; die Bürgermeister zum neuen Rat Paul Vörchtel und Hans Tetzel 2 SB für Hechte. Ausgaben . . . 184 SB 9 ß 4 hlr. Einnahmen . . . 409 » 11 » 6 » Mehreinnahmen

. 225 SB

2 ß 2 hlr.

1442/1443 liefert Paul Stromer an die Losungstube ab 121 SB 14 ß 7 hlr. Die Ausgaben für die Setzlinge und alle anderen Sachen betragen 145 SB 12 ß; der Sold des Stadtfischers 36 fl., die Liebung »Contzen Oterer von des sumermonds wegen die ötter hie umb zu vahen« 3 fl., der Klosterzins an die Frauen zu Pillen­ reuth 5 fl.; die Hechte für die Bürgermeister zum neuen Rat Paulus Vörchtel und Hans Tetzel 2 SB. Ausgaben . . . 196 SB — ß — hlr. Einnahmen . . 121 » 14 » 7 » Mehreinnahmen . 74 SB 5 ß 5 hlr. Für die Zeit, in der die Stadt die Weiherwirtschaft in eigener Verwaltung führte, sind noch die Rechnungen der Jahre 1458/1459, 1460/1461, 1469/1470, 1470/1471 und 1471/1472 auf uns gekommen. Es können aber für unsere Zwecke, wenn erforder­ lich, nur noch die beiden Jahrgänge 1458/1459 und 1460/1461 herangezogen werden, da der Geldkurs nur für diese beiden Jahre der früheren Zeit entspricht, dann aber bedeutenden Schwankungen unterworfen ist. 1458/1459 belief sich der Ertrag, den Veit Pfinzing und der Weihermeister Lienhard Groland an die Losungsstube abgaben, im ganzen auf 104 SB 18 ß. Zunächst lieferte Pfinzing 12 ß *) Es liegt hier eine Unstimmigkeit vor, da die Gesamtsumme 78 #5 13 ß 4 hlr. beträgt. Für uns war der von der Stadtrechnung berechnete Betrag maßgebend.

219 8 hlr. ab, die Restsumme aus dem Erlös des letzten Herbstes, in dem er 2500 Karpfen und 165 Hechtlein in den beiden Erlachweihern und den beiden Weißenseen gefangen und noch 3 SB aus den Fischen in den Gräben gelöst, aber andererseits auch 99 SB für 4450 Setzlinge und 15 SB 16 ß 8 hlr. für Bauten am Weiherhaus und Hausrat verausgabt hatte. Lienhard Groland gab 104 SB 5 ß 4 hlr. als Erlös der im vergangenen Herbst verkauften Fische an die Losungsstube. An Ausgaben sind verrechnet an Besoldung für Ludwig Pfinzing 12 SB, an Liebung für seinen Ehehalten 3 SB, an Kloster­ zins 5 fl. oder 5 SB 10 ß, für den Fischer Rudel wegen Wartung der Weiher und des Weiherhauses 6 SB, den Bürgermeistern der ersten Frage Erhard Schürstab und Niklas Groß für Hechte 2 SB. Einnahmen1) . . . 104 SB 18 ß Ausgaben .... 28 » 10 » Mehreinnahmen . 76 SB 8 ß 1460/1461. Lienhard Groland liefert zunächst 187 SB 16 ß 8 hlr. ab, die er aus Fischen in den vergangenen Fasten bis zum 9. Mai (sexta post inventionis crucis) gelöst hat, dann 44 SB 17 ß 6 hlr. aus dem Erlös von Fischen bis zum 5. September (sexta post Egidii). Er hatte in den beiden Rietenbühl, den beiden Weißenseen und dem Burgstall 4030 Karpfen und 550 Hechte gefangen und aus den Fischen in den Gräben 3 SB 5 ß gelöst, von seinen Einnahmen aber auch noch 81V2 SB für 4500 Setz­ linge und 8 SB 6 ß für Zeug, Kost, Fuhrlohn und Bauten bestritten. Die Summe der Einnahmen, die er an die Losung­ stube ablieferte, ergab 232 SB 14 ß 2 hlr. An Ausgaben sind verzeichnet 12 SB und 3 SB Liebung für Lienhard Groland und seinen Ehehalten, 44 SB 16 ß Lohn des Fischers Heinz Knopf, 6 SB Lohn des Michel Waibel wegen Wartung der Stadtweiher und des Weiherhauses, 5 fl. Kloster­ zins. Danach betrüge die Summe der Ausgaben 71 SB 6 die Stadtrechnung aber weist 73 SB 18 ß 6 hlr. Dieser Unter­ schied ist nur aus den Kursschwankungen des fl. Landeswährung *) Die Stadtrechnung bezeichnet als Einnahme der Losungsstube 89 tö 18 ß. Sie zieht nur die 15 für Ludwig Pfinzing und seinen Ehehalten ab. Die übrigen Posten stehen an anderem Ort in der Stadtrechnung.

220 zu erklären.*1) Als maßgebend hat zu gelten der von der Stadt­ rechnung gebuchte Betrag von 73 ® 18 ß 6 hlr., wozu noch die an anderer Stelle der Stadtrechnung verzeichneten 2 SK für die Bürgermeister der 1. Frage kommen. Demnach Ausgaben. . . 75 16 18 ß 6 hlr. Einnahmen . . . 232 » 14 » 2 » Mehreinnahmen . 156 ® 15 ß 8 hlr. Die Rechnung des Jahres 1460/1461 können wir noch zur Abschätzung des Wertes des Weihergutes verwenden, da der Wert des Guldens nur erst vereinzelt und nicht sehr bedeutend von dem der früheren Jahre abweicht. Dagegen dürfte die nächst erhaltene Stadtrechnung von 1469/1470 für unsere Zwecke nicht mehr heranzuziehen sein, da jetzt der Wert des Guldens auf 2 $6 8 hlr. gestiegen ist. Die Rechnungsergebnisse dieses und der beiden folgenden Jahre mögen hier gleichwohl der Vollständigkeit halber eine Stelle finden. 1469/1470. Vom Weihermeister Ludwig Pfinzing empfing die Losungsstube 201 13 ß, die er im vergangenen Jahr aus allerlei Fischen erlöst über die 84 $86 10 ß 6 hlr., die er für Setzlinge und anderes ausgegeben. Aus dem alten Rietenbühl hatte er 2050 Karpfen und 230 Hechte, aus dem alten Erlach 500 Karpfen und 30 Hechte gefangen, dazu kamen weitere Fische aus dem Weiherlein zu Prunn und den Stadtgräben. Die Fische, die er nach alter Gewohnheit an die alten Herrn des Rats und andere verschenkte, sind in der obigen Summe nicht miteingerechnet. Von den gekauften 3300 Setzlinge setzte er in den alten Rietenbühl 2700, in das alte Erlach 520 und in das Weiherhaus 80. Die Ausgaben betrugen 12 Liebung für Ludwig Pfinzing, 1 S) für seinen Ehehalten, 28 fl. Landeswährung Lohn für den Stadtfischer Heinz Knopf und 6 $6 für Kraft Furter bezw. Hans Frischmann wegen Wartung der Weiher und des Weiherhauses, der Weiherzins an Kloster Pillenreut 5 fl. Die Stadtrechnung beziffert diese Ausgaben auf 85 $6. Die 33 fl. der Rechnung 0 Nach Bl. 9 der Stadtrechnung betrug zwar I fl. Landeswährung i 2 ß (StadtWährung i tt 4V2 ß) und nach Bl. 78 waren 600 fl. Landes­ währung 660 was wieder einen Wert des fl. von 1 2 ß ergibt, aber bei dem Lohn des Fischers Knopf werden 11 tb 4 ß Landeswährung zu 7 fl ange­ nommen, was einem Wert des Guldens von 1 tb 12 ß gleichkommt.

221 entsprechen demnach geradeaus 66 SB, so daß der Wert des Guldens im Durchschnitt 2 SB gleichkam. Dazu kommen noch 2 SB für Hechte an die beiden ersten Bürgermeister im Jahr. Einnahmen . . . Ausgaben ....

201 SB 13 ß 87 » — »

Mehreinnahmen .

114 SB 13 ß

.

Im Jahre 1470/1471 betrugen die von Ludwig Pfinzing an die Losungsstube abgelieferten Einnahmen aus verkauften Fischen, einschließlich der »7 ß vom graben bei dem Irher steg gefallen«, nach Abzug der Kosten, die er für Setzlinge, Weiher­ fischen und anderes gehabt hatte, 87 Sb 14 ß 6 hlr. Die Einnahmen ergaben sich aus 1922 Karpfen und 131 Hechtlein, die er im vergangenen Herbst aus dem neuen Weißensee, den beiden Burgställen, aus dem neuen Rietenbühl, aus der neuen Königsbruck, aus dem alten Weißensee und aus dem untern Erlach gefangen »über die, [die] er den alten herren und andern nach alter gewonheit verschenkt hat.« Von den angekauften 2850 Setzlingen waren 600 in den neuen Königsbrucker Weiher, 600 in den neuen Rietenbühl, 600 in das untere Erlach, 600 in den alten Weißensee, 200 in den neuen Weißensee, 150 in die 2 Burgställe und 100 in das Weiherhaus gesetzt worden. An Ausgaben verzeichnet die Rechnung 28 fl. Landes­ währung als Lohn des Heinz Knopf, 12 SB Liebung für Ludwig Pfinzing, »als er sein rechnung der weier halten tett,« 1 SB seinem Ehehalten, 6 SB Hansen Frischmann zum Lohn wegen Wartung der Weiher und des Weiherhauses, 5 fl. Landeswährung Weiherzins an das Kloster Pillenreut, 2 SB für die ersten Bürger­ meister im Jahr. Im ganzen Ausgaben ... 89 SB 4 ß1)—hlr. Einnahmen . 87 » 14 » 6 » Mehrausgaben

.

1 SB

9

ß

6 hlr.

1471/1472. Der Weihermeister Ludwig Pfinzing erlöste über die 115 SB 7 ß 6 hlr., die er für Setzlinge, für das Fischen der Weiher und anderes laut seines Rechenzettels ausgegeben hatte, 216 SB 2 ß 6 hlr. Damit widerrechnete er die 2030 Karpfen *) Demnach war der Wert des Guldens beinahe

2 €b

i ß.

222 und 440 Hechtlein, die er im Weiher Königsbruck gefischt, und die 105 Karpfen, 24 Hechtlein und etliche Weißfische aus den zwei Weihern zu Stettenberg über die, die er an die alten Herrn und andere nach alter löblicher Gewohnheit verschenkt hatte. Von 3450 Setzlingen setzte er 3100 in die Königsbruck und 350 in die beiden Weißenseen. Er rechnete ab vor den beiden Ratsherrn Hans Koler und Niklas Groß am Dienstag vor Viti [11. Juni 1471]. An Ausgaben verzeichnet die Stadtrechnung den Gehalt des Heinz Knopf, im ganzen 28 fl., Liebung des Ludwig Pfinzing, als er Rechnung gelegt hatte, 12 t£, 1 ® seinem Ehehalten, dem Hans Frischmann wegen Wartung der Weiher und des Weiherhauses 6 ®, 5 fl. den Klosterfrauen zu Pillenreut und 2 den Bürgermeistern zum neuen Rat. Ausgaben . . . 89 SS 4 ß — hlr. Einnahmen . . . 216 » 2> 6 » Mehreinnahmen.

. 126

18 ß

6 hlr.

Für die Schätzung des Wertes der Pillenreuter Weiher besitzen wir, wie schon bemerkt, im großen und ganzen die erforderlichen Grundlagen. 1354 hatte sie der Rat um 2500 erworben und durch Ablösung des Königszinses von 80 fl. in der Zeit von 1397 bis 1418 den Wert des Gutes bei Annahme des damals üblichen Kapitalzinses von 5°/o um 1600 fl. oder 1760 8> verbessert. Jene 2500 SB vom Jahre 1354 aber stellten 1428, für welchen Zeitpunkt der Wert des Gutes festzustellen ist, einen Wert von 3493 SE> 12 ß dar, so daß also der Gesamt­ wert 3494-f-1760 = 5254 betrug1). 1) Herr Numismatiker Hans Stahl dahier hatte die große Liebens­ würdigkeit, mir den Wert des Goldguldens, wie er sich beim Ankauf der Weiher durch den Rat im Jahre 1354 [1356] darstellte, in jenen vom Jahre 1428, wie wir ihn für unsere Berechnung brauchen, auf Grund der in Betracht kommenden Urkunde Karls IV. v. J. 1356 und des Feingehalts des Gulden aus der Zeit von 1356 und 1428 umzurechnen. Ich spreche ihm für seine große Liebenswürdigkeit und den besonderen Dienst, den er mir dadurch geleistet, auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aus. Herr Stahl bemerkt: Die Münzordnung Kaiser Karls IV. vom Jahr 1356 *) bestimmt, daß man 1 Pfund Haller für einen Gulden und umgekehrt nehmen solle. *) Nach der Münzordnung Kaiser Karls IV. von 1356 sind 31 Schilling und 4 Haller (r= 376 Haller) — 1 Pfund.

223 Im Laufe der Jahre erforderten die Weiher allerdings noch so manche, zum Teil bedeutende Ausgaben. Aber es kann doch nicht zweifelhaft sein, daß diese, soweit sie eine Ver­ besserung der Substanz des Gutes nicht bedingten und eine Neuanlage nicht darstellten, zur Berechnung des Wertes nicht herangezogen werden können. Wir werden in der späteren Zeit der Weiherwirtschaft im einzelnen sehen, wie außerordent­ lich hoch die Kosten sein konnten, welche die fortwährende bauliche Unterhaltung der Weiher und des Weiherhauses erforderte. Von diesem Gesichtspunkte aus kann so manche bedeutende Ausgabe, die man anfänglich gern auf das Konto der Anlagen schreiben möchte, doch nur auf das der baulichen Unterhaltung und des Betriebes gesetzt werden. So wurden am Weißensee im Jahre 1406 nicht weniger als 72 S Haller durch Martin Pfinzing verbaut. Leider läßt die Rechnung in keiner Weise ersehen, was denn im einzelnen gebaut wurde. Es kann aber nicht angenommen werden, daß es Neubauten oder Er­ weiterungsbauten waren, wir haben vielmehr an Erneuerungen der Abfall- und Schlegelrinnen, der Brücken und Stege, der Dämme und Wehre, der Gräben und Zuleitungen, auch an die Räumung des Weihers zu denken, was alles sehr wohl eine so hohe Summe erfordern konnte. Was wir einzig in Betracht zu ziehen haben, ist die An­ lage der neuen Weiher in den 20 er, 30 er und 40 er Jahren des 15. Jahrhunderts. Somit waren um 1356 2500 tb Haller = 2500 fl. Gold. Der Feingehalt eines dieser Gulden1) war 3,50 gr. und von 2500 fl. (2500X3,50=) 8750 gr. Gold. Dagegen darf der Feingehalt eines Guldens Nürnberger Landeswährung im Jahre 14282) nur mit 2,775 gr. angenommen werden. 8750 gr. Feingold hatten, wenn man von einer Berechnung der Prägekosten absieht, damals einen Geldwert von (8750:2,755=) 3176 fl. Landeswährung und diese hinwiederum zum Kurs3) der damaligen Zeit von 1 bb 2 ß einen Wert von 3493 tb 12 ß. Es entsprechen 2500 tb aus der Zeit von 1349 3493 tb 12 ß im Jahr 1428. h Das Rauhgewicht eines ungarischen, böhmischen oder rheinischen Goldguldens belief sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf 3,560 bis 3,580 gr. bei 0,980 bis 0,990 Feingehalt. 2) Das Rauhgewicht eines rheinischen oder Nürnberger Landwährungs* Goldguldens belief sich nach Belegstücken meiner Sammlung im 2. und 3. Jahr­ zehnt des 15. Jahrhunderts auf 3,47 bis 3,48 gr., der Feingehalt nach der Münz­ ordnung Kaiser Sigmunds vom Jahr 1422 Sept. 13 auf 19 Karat oder 0,792. 8) Sieh die Chroniken der deutschen Städte von Hegel, Bd. I, S. 250—251.

224 In den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts wurde, wie mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, zunächst noch der kleine Erlachweiher unterhalb des Weiherhauses angelegt. Über die Kosten dieses Baues sind wir leider nicht unterrichtet, aber wir können sie doch einigermaßen schätzen, wenn wir in Betracht ziehen, was der kleine Weißensee, der um dieselbe Zeit (1429) angelegt wurde, kostete. Der neue Weiher — der kleine Weißensee nämlich — erforderte mit dem neuen Brunnen einen Kostenaufwand von 193 3 ß 4 hlr. Da aber auch die Vorarbeiten, wie wir gesehen, nicht ganz geringe Kosten ver­ ursachten, so können wir unter Einrechnung dieser und des für den neuen Brunnen aufgewendeten Betrags, wodurch die Sub­ stanz des Gutes gleichfalls verbessert wurde, rund 250 SB an Baukosten für den kleinen Weißensee einsetzen. Der kleine Weißensee hatte nun einen Flächeninhalt von 11 l/s Morgen, während der kleine Erlachweiher einen solchen von 2lU Morgen aufwies. Die Baukosten, die er erforderte, dürften demnach etwa Vs der für den kleinen Weißensee aufgewendeten — 260U = 50 SB — betragen haben. Auch die Anlage des oberen Burgstallweihers fällt noch in die Zeit vor 1428. Die Baukosten betrugen, wenn wir die für den kleinen Weißensee aufgewendeten als Maßstab anlegen, bei einer Größe des Burgstallweihers von 3 Morgen, weniger als den vierten Teil, und zwar 67 SB oder rund 70 SB. Durch die Neuanlage des oberen Burgstallweihers und des kleinen Weißensees wurde endlich auch ein weiterer Ausbau, eine Verbesserung, Verbreiterung und Vertiefung des Grabens erforderlich, der der Weißenseegruppe das Wasser aus dem unteren Stockweiher zuleitete. Das Jahresregister vom Jahre 1436 spricht ausdrücklich von dem neuen Graben, ein Beweis, daß ganz umgestaltende Arbeiten an ihm vorgenommen worden waren. Noch heute ist dieser Graben in einzelnen Teilen sehr wohl erhalten und gleich zu Anfang in einer Tiefe und Breite durch eine Bodenerhebung geführt, wie sie für die damalige Zeit als etwas Ungewöhnliches angesehen werden müssen. Die Kosten dieser wesentlichen Verbesserung können gleichfalls nur geschätzt werden. Wir setzen sie auf 50 SB Haller an. Da die Baukosten dieses Grabens in den 30 er Jahren des 15. Jahrhunderts in

225 den Stadtrechnungen nicht aufgeführt werden, so darf mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß er schon in den 20 er Jahren und zwar in Verbindung mit dem Bau des oberen Burgstallweihers und unter Berücksichtigung des in Aussicht genommenen kleinen Weißensees umgebaut worden ist. Nach allem ergibt sich als Gesamtwertsumme für das Weiherhaus mit seinen Weihern für die 20 er Jahre des 15. Jahr­ hunderts : 5254 SB Wert des Gutes vor Anlage der neuen Weiher 50 » Bau des unteren Erlachweihers 67 » Bau des oberen Burgstallweihers 50 » Bau des neuen Grabens 5421 oder rund 5420 SB Wert des Weiherhauses im Jahre 1428. Wie vorhin schon bemerkt, kostete der Bau des neuen Weißensees rund etwa 250 SB. Gebaut wurde er im Jahre 1429, besetzt zum erstenmale wahrscheinlich 1430, da der Fischer Knopf im Sommer des folgenden Jahres aus »dem neuen Weiher bei Pillenreut«, das kein anderer als der kleine Weißen­ see sein kann, um 6 SB Fische fing, um zu sehen, »wie derselb weier angesetzt hett.« Gefischt wurde er allem Anschein nach zum erstenmale erst im Jahre 1433, was daraus hervorgehen dürfte, daß er damals wieder von neuem besetzt wurde. Der Wert des Weiherhauses ist mit der Inbetriebnahme des kleinen Weißensees im Jahre 1430 mit 5420 -f-250 = 5670 SB anzunehmen. Größere Weiherbauten wurden dann in den Jahren 1439 und 1440 ausgeführt. Der zunächst angelegte kleine Rietenbühler Weiher kostete »mit allen Sachen« 234 SB und der kleine Königsweiher, der 1439 und 1440 gebaut wurde, nach der Stadtrechnung 581 SB1). Dazu kamen allerdings noch 1441 3 SB vom »güßbett zu bessern an der neuen Küngspruck« und 3 SB 15 ß als weitere Kosten für dieses Gießbett und für ein kleineres zu einem Nebenabgang. Die Gesamtbaukosten des kleinen Königsweihers erreichten demnach die Höhe von 587 SB 15 ß oder rund 588 SB. Der Wert des Weihergutes belief sich um diese Zeit auf etwa 6500 SB, eher mehr als weniger. *) Jahresregister 1440/41: was er ganz und gar zu machen kost hat, facit in summa totaliter 581 tt 2 ß 7 hlr.

5

226 Um nun zu ermitteln, wie sich die Weiher verzinsten, muß für jeden Zeitabschnitt, in dem die Weiher einen konstanten Wert darstellen, eine besondere Berechnung aufgestellt werden. Zunächst für die Jahre 1428 und 1429, für die als Wertsumme 5420 SB zu gründe zu legen ist, mit dem Jahre 1430, in dem der neue Weißensee in Betrieb genommen wurde, 5670 Sb, mit dem Jahre 1440, als der neue Rietenbühl hinzukam, 5904 SB oder rund 5900 Sb und mit dem Jahre 1441, mit der Inbetriebnahme des kleinen Königsweihers, rund 6500 Sb. Die nachstehende Tafel läßt ersehen, wie sich die Erträge der Weiherwirtschaft in „ ihrer Rentabilität für die in Betracht kommenden Jahre 1428—1442 gestalteten.

Jahr

Einnahme

1428 3i3^

5?

tb 329 U 523 tt) 21 tb

16 ß

4 hlr.

8 ß

2 hlr.

1429 303

1430 H3i

1432

9 ß

6 hlr.

15 ß

4 hlr.

Ausgabe

tb tb 61 tb 19 tb 97 tb 127 tb 99 tb 164

7 ß

4 hlr.

158

15 ß

4 hlr.

14 ß

2 hlr.

10 ß 18 ß

7 hlr.

H33 301 #5



U tb

14 ß 7 ß 10 hlr.

>54

1436 336$

6 ß

8 hlr.

H37 342 #5 1438 198 tb

9 ß

4 hlr.

tb 298 tb 409 tb 121 tb 104 tb 232 tb

19 ß

tb 4 ß 88 tb 19 ß 164 tb 16 ß 220 tb 14 ß 288 tb 18 ß 184 tb 9 ß 196 tb 28 tb IO ß 7 5 tb 18 ß

1434 283 1435 300

1439 181 1440 1441 1442 H58 1460

6 hlr

7 ß 10 hlr. 8 hlr.

4 ß

1 hlr.

11 ß

6 hlr.

14 ß

7 hlr.

18 ß 14 ß

2 hlr.

7 ß

9 hlr.

19 ß

2 hlr.



6 hlr.

162

Ertrag

tb tb 268 tb 5°4 M

8 hlr.

6 hlr.

wert

Rentab.

149

5420

2,75 %

145

>

2,68 %

5670

4.73 %

%

»

8,89

»

—1.3 > %

174

»

3.07 %

184

»

3.25 %

~7 6

u tb 146 % >74 tb 254 (t

»

1429 wird der kleine Weißensee gebaut und 1430 in Betrieb genommen.

2,57 %

4,43 »

0,60

tt 57

Bemerkungen

3.07 %

34 ® -39 4 hlr.

Guts­

5900 6500

0,15

% % % %

3,46 % -1,14 %

6550 *

1,16 % 2,40

%

1439 wird der kleine Rietenbühl gebaut und 1440 in Betrieb genommen. 1439 un(l x44° wird der kleine Königsee gebaut und 1441 in Betrieb genommen. Nach 1442 wird der kleine Burgstall ge­ baut.

Man wird vielleicht den Einwand erheben, daß die beiden Jahre 1439 und 1440 mit einem Fehlbeträge oder doch einer minimalen Reineinnahme hätten ausgeschieden werden müssen, weil sie als Baujahre, in denen der Weiherwirtschaft nicht die erforderliche Sorgfalt hätte zugewendet werden können, als keine normalen Jahre angesehen werden könnten. Ein solcher Einwand

227 erscheint auf den ersten Blick nicht ganz unberechtigt. Aber es ist doch zu berücksichtigen, daß, wenn auch die Roh­ einnahmen das einemal zwar ganz bedeutend unter dem Mittel zurückblieben, sie das anderemal wieder als ein guter Mittel­ ertrag gelten konnten. Der Fehlbetrag bezw. der ganz geringe Reinertrag der beiden Jahre erklärt sich nicht aus dem Umstande, daß sie Baujahre waren, sondern aus den ganz bedeutenden Kosten, welche die Wirtschaft infolge der außer­ gewöhnlichen Ankäufe von Setzlingen erforderte, den größten in dem ganzen Zyklus der herangezogenen 15 bezw. 17 Jahre. Auf der anderen Seite aber war das Jahr 1431 mit einer Rentabilität von beinahe 9°/o, die auf die außerordentliche Jahreseinnahme von 524 ®, woran allein der Weiher Königs­ bruck mit 404 beteiligt war, und die geringe Ausgabe von nur 19 SB zurückzuführen ist, ebenfalls ein ganz anormales, das die Mißjahre 1439 und 1440 völlig ausgleicht. Es besteht übrigens noch ein Ausweg, der es ermöglicht, diese beiden Jahre außer Ansatz zu lassen, ohne andererseits 2 Jahreserträge in unserer Berechnung zu verlieren. Die beiden Stadtrechnungen der Jahre 1458 und 1460, die aus unserer Zeit erhalten geblieben sind, können noch herangezogen werden, da der Wert des Guldens darin im allgemeinen noch mit 1 SB 2 ß angenommen ist. Es muß aber mit dem Umstande ge­ rechnet werden, daß um diese Zeit vielleicht schon der zuletzt angelegte Weiher, der kleine Burgstall, der zum erstenmal in der Stadtrechnung von 1470 erscheint,in den Betrieb einbe­ zogen war. Dieser Weiher hatte einen Flächeninhalt von nur 2l/2 Morgen. Und da seine Anlage — er lag in einer Mulde und brauchte nur auf der unteren Seite durch einen kurzen Damm abge­ schlossen zu werden — nur geringe Kosten verursachen konnte, so wird das Rechnungsergebnis durch seine Einbeziehung nur unwesentlich beeinflußt. Wir können seine Anlagekosten auf höchstens 50 SB schätzen, so daß das Weihergut nach seiner Inbetriebnahme einen Wert von 6550 SB darstellte.

*) Die vorgehenden Rechnungen bis zurück zum Jahre 1442 sind nur ganz sporadisch vorhanden. 15

228 Ziehen wir die beiden Jahre 1439 und 1440 in die Rechnung ein, so ergibt sich für den Zeitraum von 1428 bis 1442 — 15 Jahre — eine durchschnittliche Rentabilität der Weiher von 2,65°/o. Scheiden wir aber diese beiden Jahre aus und setzen dafür die Erträgnisse von 1458 und 1460 ein, so erhöht sich die Rentabilität auf 2,87 °/o. Berücksichtigt ist freilich in der Berechnung nicht der Wert des Waldbodens von mehr als 33 Tagewerk, der durch die Anlage der neuen Weiher, allerdings zum Teil erst spät, der Waldwirtschaft ent­ zogen wurde. Er läßt sich nicht schätzen. Einen bedeutenden Wert kann er indes bei seinem durchaus sandigen und unfrucht­ baren Charakter nicht darstellen und das Rechnungsergebnis nur ganz unwesentlich — auf der zweiten Dezimale — beeinflussen. Auch die Erträge der Feuchter Weiher, soweit wir sie nicht auszuscheiden vermögen, fallen kaum ins Gewicht, weil sie sich auf einen zu geringen Zeitabschnitt erstrecken. Nehmen wir alles in allem, so dürfen wir eine durchschnittliche Rentabilität von über 2,50 °/o für die 15 in Rechnung gezogenen Jahre an­ nehmen. Und das wäre im Vergleich mit dem Ergebnis des 17. Jahrhunderts, das sich auf Grund von 56 Jahresrechnungen ermitteln läßt, immer noch ein glänzendes. Im 17. Jahrhundert, in dem die Wirtschaftsergebnisse von 1610—1671 mit Ausnahme von 4 Jahren vorliegen, verzinsten die Weiher das in ihnen angelegte Kapital mit nur 0,73 °/o, und greift man die beste Periode der damaligen Weiherwirtschaft, die merkwürdigerweise gerade in die für Nürnberg schlimmste Zeit des 30jährigen Krieges (1632—1648) fällt, heraus, doch mit nicht mehr als 1,78 °/o. Aber hier bleibt doch zu berücksichtigen, daß das Gut allem Anschein nach, wie wir später sehen werden, viel zu hoch eingeschätzt war, die Bewirtschaftung, die beinahe jede einzelne Dienstleistung des bedeutenden in der Wirtschaft be­ schäftigten Personals ablohnte, sich außerordentlich kostspielig gestaltete und die fortwährenden großen Bauten am Weiherhaus und seinen einzelnen Gebäuden sowie an den Weihern ganz außergewöhnliche Summen verschlangen. Für die ältere Zeit, für die wir leider nur 15 Jahresrechnungen aus den schon dar­ gelegten Gründen für die Berechnung heranziehen konnten,

229 dürfte der herausgerechnete Rentabilitätssatz wenigstens einiger­ maßen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Ihn genauer zu fixieren ist bei dem Fehlen der Stadtrechnungen für ganze Zeitabschnitte und den oft dürftigen und ungenügenden Angaben in den noch erhaltenen Bänden ein Ding der Unmöglichkeit. Man könnte schließlich noch daran denken, daß der Erfolg der Weiherwirtschaft schon im 15. Jahrhundert durch das Ver­ schenken von Fischen, das später immer mehr einriß, ungünstig beeinflußt worden wäre. Diese Fische kamen nämlich nicht in Anrechnung. Zunächst erhielten nur die beiden ersten Bürger­ meister des Amtsjahres den ihnen zustehenden Hecht, der aber für jeden mit 1 S Haller in Rechnung gesetzt wurde. Aber es wurden dann auch andere Mitglieder des Rats mit Fischen be­ dacht. Schon die Stadtrechnung vom Jahre 1381 bemerkt, daß der Weiheramtmann Berthold Haller den Herrn — und das können doch nur die Herrn des Rats sein — Fische »aus den­ selben Weihern« geschenkt habe. 1441 schenkte Paul Stromer, der damals Weiheramtmann war, 56 Fische den Sondersiechen, was ja nur zu loben war. 1469 erfahren wir, daß Ludwig Pfinzing den alten Herrn und andern nach alter Gewohnheit Fische schenkte, ebenso 1470 und 1471. Die Bemerkung »nach alter Gewohnheit« oder »nach alter löblicher Gewohnheit« läßt erkennen, daß die Geschenke damals alljährlich an die älteren Herrn und andere Mitglieder des Rats gereicht wurden, wenn sich auch darüber in den Stadtrechnungen nichts findet. Auf das Rechnungsergebnis konnten diese Reichnisse keinen Einfluß ausüben. Daß übrigens dem Rat die Erträge der Weiherwirtschaft nicht genügten, muß daraus geschlossen werden, daß er dem Ludwig Pfinzing 1468 beim Wiederantritt des Weiheramts die Anweisung gab, Leute zu sich zu nehmen und zu sehen, wie der Stadt ein besserer Nutz zu schaffen sei. Aber »der bessere Nutz« blieb aus, der jährliche Ertrag ging sogar, soweit man sehen kann, zurück und kam 1470 einem Fehlbeträge nahe. Der Rat verlor deshalb allem Anschein nach die Lust zur Weiter­ führung der Weiherwirtschaft in eigener Verwaltung. Er gab die Weiher 1476 in Bestand, d. h. er verpachtete sie1) und zwar *) Urk. vom 25. März 1476 im kgl. Kreisarchiv Nürnberg.

230 die Pillenreuter Weiher sowohl als auch die 3 Weiher zu Stetten­ berg, den zu Brunn, das Weiherlein zu Ungelstetten, die Fisch­ grube in der Stadt bei St. Katharinen und den Stadtgraben beim Irhertürlein an Peter Volckmair und Nikolaus Glockengießer oder Gnotzheimer,1) wie er mit seinem eigentlichen Namen hieß, auf 12 Jahre um einen jährlichen Pachtzins von 150 fl. rh. Landes­ währung und mit der Verpflichtung, den Klosterfrauen zu Pillenreut den jährlichen Zehnten von 5 fl. »aus etlichen Weihern« zu entrichten. Zur Ausbesserung und für den Bedarf2) der Weiher soll ihnen eintretenden Falles durch die Amtleute beider Wälder auf ihr Ersuchen das erforderliche Bauholz zu hauen angewiesen und ohne Pfand abgegeben werden. Stößt ihnen an einem oder mehreren Weihern ein so jäher Unfall zu, daß sie zu deren Bewahrung und Notdurft Holz gebrauchen, aber der Amtleute Erlaubnis so schnell nicht erlangen können, so sind sie befugt, in solchen Notfällen ohne der Amtleute Erlaubnis die Wälder in ziemlicher Weise in Anspruch zu nehmen. Nach Ablauf der 12 Jahre sollen sie die Weiher und die Grube, falls sie der Rat wieder zu seinen Händen nehmen will, frei und ohne Verzug und ohne alle Irrung und Eintrag wieder abtreten unter Entrichtung aller etwa versessenen Zinse. Für den Fall aber, daß die beiden Beständner nach Ablauf der Pachtzeit oder später die Weiher nicht länger behalten wollen, sollen sie 200 fl. mit den etwa versessenen Zinsen bezahlen. Will die Stadt etwa die Grube bei St. Katharinen benutzen, so sollen sie ihr darin willfährig sein. Sollte es sich zutragen, daß die Stadt von irgend­ welchen Fürsten befehdet oder überzogen würde, wodurch den beiden Beständnern an den Weihern merklicher Schaden oder Abbruch geschehen würde, so ist der Rat verpflichtet, den Schaden zu mäßigen und ihn von dem jährlichen Zins abzuziehen. Außer dem ausbedungenen Pachtzins von 150 fl. hatten Volkmair und Glockengießer zur nächsten Heiltumsweisung noch 70 fl. für Setzlinge, überlassenen Hausrat und Werkzeug zu entrichten. Der Pachtzins von 150 fl. ging ganz bedeutend über den durchschnittlichen Ertrag der Weiher unter der Verwaltung des *) Stadtrechnung 1482/83.

2) Urkunde: Notdurft.

231 Rats hinaus. 150 fl. galten nämlich damals nicht weniger als 250 Si,1) während der Rat in jenen 15 Jahren durchschnittlich nur etwa 165 herauszuwirtschaften vermochte. Der Rat kam so zu einer jährlichen Einnahme, auf die er bei eigener Wirtschaft niemals hätte rechnen können und die auch die nunmehrigen Pächter auf die Dauer nicht erzielen konnten. Deshalb traten sie auch wohl schon bald vom Pachtvertrag zurück. 1490 nahmen nämlich die beiden Fischer Eberhard Stricker und Klas Pulz die Pillenreuter Weiher in Pacht. Sie zahlten für das Jahr, in dem sie antraten, nur noch einen Pachtschilling von 100 fl., der dann auf 130 fl. festgesetzt wurde. 1514 standen die Weiher öde. 1515 wurde der Zins auf 115 fl. ermäßigt und betrug 1516 bis 1518 nur noch 105 fl., wohl ein Beweis, daß der Pachtschilling früher zu hoch angesetzt war. Hans Pidendorfer und Gerhaus Klas Pulz2) traten in diesem Jahre vom Vertrage zurück oder der Rat kündigte ihnen wohl, weil ihm die Pachtsumme nicht mehr angemessen erschien und er sich vielleicht aus anderen Gründen dieser Weiher entledigen wollte, wozu sich ihm eine günstige Gelegenheit bot. Er hatte nämlich unterdessen — 1495 — den Dutzenteich, der damals übrigens höchstens zwei Weiher umfaßte, erworben, und es mochte ihm der Besitz der Pillenreuther Weiher, der ihm im ganzen nur wenig Freude bereitet haben konnte, allzu lästig erscheinen. Genug, er nahm die sich ihm bietende Gelegenheit wahr, sie zu Erbrecht zu verkaufen. Am 8. März 1518 faßte er den Beschluß, Hans Beheim dem jüngeren, dem Landbaumeister, die 6 Weiher zu Königsbruck, Erlach, Weißensee und dazu etliche Eigenweiher zu Afterlehen zu vererben unter Vorbehalt der Eigenschaft und unter Festsetzung eines Eigenzinses von 16 fl. rh., den man gesondert zu 1 und 2 fl. auf die Weiher schlagen wolle. Doch solle er für das Erbe herausgeben bar 1100 fl. rh. und sich in genügsamer Weise verschreiben und verpflichten, daß er und seine Erben diese Weiher mit Wehren und allen Sachen bäulich und im Wesen halten und stemmen lassen, wie mit Alter herkommen, und mit Erhöhung der Wehre ohne 0 Nach einer Berechnung auf Grund der Stadtrechnung von 1478 — eine solche von 1476 und 1477 ist nicht erhalten — hatte damals der fl. Landeswährung einen Wert von 1 tb 13 ß 4 hlr. 2) Frau des unterdes verstorbenen Klas Pulz.

232 Wissen und Willen eines ehrbaren Rats keinerlei Gebäu oder Neuerung vornehmen wollten. Zunächst aber sollte die Zu­ stimmung des Kaisers erlangt und dann erst die Vererbung in vorbezeichneter Gestalt erfolgen. Die kaiserliche Zustimmung zu dieser Vererbung war durch­ aus notwendig, weil es sich um Reichsgut handelte. Es wäre sonst auch zu befürchten gewesen, daß später bei irgend einer Gelegenheit das Rechtsgeschäft, das einer wesentlichen Vor­ bedingung ermangelt hätte, angefochten worden wäre. Zudem hielt man in jener Zeit mit der größten Peinlichkeit auf der­ gleichen Formalitäten. Und daß die kaiserliche Genehmigung in der Tat eingeholt wurde, geht aus der 6 Monate später aus­ gestellten Vererbungsurkunde hervor, in der der Rat ausdrücklich hervorhebt, daß er zur Vererbung der reichslehenbaren Weiher von römischer kaiserlicher Majestät Bewilligung und Zulassung erlangt habe. Die Vererbungsurkunde, die Bürgermeister und Rat am 22. September 1518 dem Landbaumeister Hans Beheim d. j. ausstellten, nennt als Gegenstand der Vererbung die sämtlichen Weiher bei Pillenreut,1) von denen, soweit sie von den Fischbecken stammten, jährlich 3 8) Haller auf die Reichs­ feste zu reichen waren, weiter den Weiher zu Brunn und das Weiherlein zu Ungelstätten mit dem Weiherhaus und allen Herrlichkeiten, Nutzungen und Gerechtigkeiten, Ein- und Zuge­ hörungen, wie sie alle vermarkt und um Zins je zu Zeiten ver­ lassen worden waren. Hans Beheim soll sie mit allen Gebäuden *) Die Urkunde nennt nur ii Weiher, es sind aber im ganzen 12, die 2 Weiher im oberen Erlach sind nämlich nur als einer gerechnet. Im einzelnen werden aufgeführt 2 Weiher zu Königsbruck, zu Alten- und Neuenkönigsbruck, bei der Katzwanger- und Herpersdorferstraße, 3 Weiher im Erlach unter Herpersdorf »vff den Strassen hernieden und oben zu Katzwang, die genannt werden zu undern und obern Erlach und zum Weierhaus« und den Weiher zu Weißensee gelegen, der alte Weißensee genannt, »die wir bishere von dem heiligen reich zu erblehen ingehabt und ettwo der Vischpecken gewest sein«, wovon sie jährlich auf des Reichs Feste zu Nürnberg oder denen, die solche Feste von des Reichs wegen innehaben, 3 $5 Haller zu reichen schuldig, dann die Eigenweiher des Rats, nämlich den Weiher zum neuen Weißensee, zum alten Rietenbühl und den zum neuen Rietenbühl, den Weiher zum alten Burg­ stall und den zum neuen Burgstall. Die Urkunde irrt übrigens, wenn sie beide Königsbrucker Weiher zu den alten von den Fischbecken angelegten Weihern zählt und den alten Weiher Rietenbühl zu den jüngeren, den Eigenweihern, die der Rat erst angelegt hatte. Wie wir oben bereits gesehen haben, bestand der alte Rietenbühl schon 1339 und war von den Fischbecken schon vorher angelegt worden, während der kleine Königsweiher, den die Urkunde für einen alten Weiher hält, erst 1439 und den folgenden Jahren hergestellt worden war.

233 und Erfordernissen, die zur Unterhaltung der Weiher und Fischerei notwendig sind, baulich und im Wesen erhalten, neue Bauten, wodurch die Weiher weiter als jetzt gestaut und erweitert werden, oder sonstige Veränderungen ohne Wissen und Willen des Rats nicht vornehmen. Zu rechtem ewigem After- und Eigenzins soll er jährlich reichen von den 2 großen Weihern zu Altenkönigsbruck und Altenrietenbühl 2 Gulden und von jedem der übrigen 11 Weiher1) je 1 fl., also im ganzen 15 fl. Ferner ist er verpflichtet, der Pröpstin und dem Konvent des Klosters Pillenreut den gewöhnlichen Zehnten von 5 fl. jährlich zu gewöhnlicher Zeit zu geben. Er verpflichtet sich weiter, Weiher und Hof, falls er sie etwa wieder verkaufen wolle, nur an einen eingesessenen Nürnberger Bürger zu verkaufen. Dagegen macht der Rat sich anheischig, Hans Beheim und seinen Erben aus seinem Nürnberger Wald, wann er dessen bedarf, zu allen erforderlichen Bauten der vererbten Weiher gegen Entrichtung der gewöhnlichen Waldrechte und nach vor­ hergehender Besichtigung durch die Waldamtleute hinreichendes (ziemliches) Holz zu geben an den Orten, wo es dem Wald am wenigsten schädlich und den Weihern gelegen ist. Es soll auch der Inhaber des vorgenannten Hofs zwischen den beiden Weihern zu Ober- und Niedererlach, zum Weiherhaus genannt, welcher Hof Feuerrecht und im Nürnberger Wald gleich andern Wald­ recht hat, weshalb er verpflichtet ist, der Weiher zu warten und die Fische hin und wieder zu führen, wie mit Alter herkommen, solcher Waldgerechtigkeit nicht benommen sein, sondern sich der mit dem erforderlichen Brennholz wie andere Untertanen, die dergleichen Gerechtigkeit in der Stadt Gehölz haben, gebrauchen. Für das Erbrecht hat er 1125 fl. rh. entrichtet, wovon der Rat ihn und seine Erben gar und gänzlich quitt, ledig und los sagt. Drei Jahre später2) erwarb Hans Beheim noch vom Rat das Erbrecht an der bei der Katharinenmühle zu Nürnberg zwischen den beiden weiteren städtischen Fischgruben, die den Losungern verliehen waren, gelegenen Fischgrube, die, wie wir *) S. vorige Seite und Anm. daselbst. 2) Urkunde vom 19. September 1521 im Kopialbuch des Weiherhauses im Freiherrl. v. Geuderschen Archiv zu Heroldsberg Bl. 25.

234 sahen, schon 1476 bestandsweise auf 12 Jahre an die damaligen Pächter des Weiherhauses Peter Glockengießer und Nikolaus Groland verlassen worden war, um 25 fl. Beheim soll sie, wie es die Notdurft erfordert, nach Erbrecht baulich und im Wesen erhalten, sie nicht erweitern und jährlich davon zu rechter Eigengült und Zins eine Fastnachthenne reichen. Mit dem Verkaufsvertrag vom Jahre 1518 hatte sich der Rat der Pillenreuter Weiher fast gänzlich begeben. Er blieb nur mehr Erbherr oder Obereigentümer. Später gingen die Weiher völlig in privaten Besitz über. Auf die weiteren Schick­ sale des näheren einzugehen, möchten wir um so weniger unter­ lassen, als dafür ein reiches und kulturhistorisch wichtiges und anziehendes Material vorliegt, das der allgemeinen Wissenschaft nicht vorenthalten werden darf.

Bemerkung zu Seite 184. Bezüglich der Größe der beiden Burgstallweiher stoßen wir in den Quellen auf Wider­ sprüche. Im Weiherverzeichnis des Kopialbuchs des Weiher­ hauses heißt es: »Burgstellein hat in sich 21/a Morgen, wird mit 100 Karpfensetzling besetzt« und gleich darauf: »Neuweiherlein hält in sich 3 Morgen, wird auch mit 100 Karpfen besetzt.« Der Plan des großen Weißensees in dem genannten Kopialbuch, der auch das obere, »das groß Burgstellein«, verzeichnet, gibt dessen Größe mit 2V2 Morgen an. Demnach war das »Neu­ weiherlein« oder der untere Burgstallweiher der kleinere und konnte nicht 3 Morgen und der obere bloß 2V2 Morgen Flächen­ inhalt umfassen. Es muß vielmehr angenommen werden, daß dem Schreiber eine Verwechslung unterlaufen ist. Der größere Weiher, der obere Burgstallweiher, hatte 3 Morgen, der kleinere, der untere Burgstallweiher oder das Neuweiherlein, nur 2xh Morgen, wie ich es auch in meiner Abhandlung angenommen habe.

Kleinere Mitteilungen. Kgl. Oberstudienrat Friedrich Mayer f. Am 14. März 1910 erlag der Rektor des kgl. Neuen Gymnasiums in Nürnberg, kgl. Oberstudienrat Friedrich Mayer, im eben erst angetretenen 60. Lebensjahre einem schweren Herz­ leiden. In ihm hat der Verein für Geschichte der Stadt Nürn­ berg ein Mitglied seines Ausschusses verloren, das die Achtung und Verehrung seiner Kollegen im Ausschuß im höchsten Maße genoß und auf das der letztere, wiewohl jenem vorerst die Last der Berufsgeschäfte nur selten die aktive Mitarbeit an den dem Vereine gestellten Aufgaben gestattet hatte, doch die aller­ größten Hoffnungen setzte. Die persönliche Liebenswürdigkeit des Verstorbenen aber, sein reiches und vielseitiges Wissen und seine hervorragende Bildung sichern dem ausgezeichneten Schul­ manne, wie bei allen, die mit ihm in Berührung kamen, so ganz besonders unter den Mitgliedern unseres Vereins ein dankbares und lebendiges Andenken. Friedrich Mayer war geboren am 10. März 1851 in Bayreuth, wohin auch die Mutter Auguste, eine geborene Heerwagen, nach dem frühen Tode des im Jahre 1858 in Hof verstorbenen Vaters, des kgl. Bezirksgerichtsrats Oskar Mayer, wieder übersiedelte. An der Mutter hing denn auch der Sohn mit besonderer Zärtlich­ keit ihr Leben lang; sie hat auch um seinetwillen später ihren Wohnsitz nach Nürnberg verlegt, wo sie am 31. Januar 1893 zum tiefen Schmerze des unvermählt gebliebenen Sohnes ver­ storben ist. In Bayreuth absolvierte Friedrich Mayer im Jahre 1868 das Gymnasium und studierte alsdann in Erlangen, wo er sich der Verbindung Uttenruthia anschloß, und in Leipzig mit großem Fleiß und Eifer klassische Philologie. Nach bestandenem Staatsexamen fand er die erste Anstellung als geprüfter Lehr­ amtskandidat am 1. Mai 1873 an der von seinem vortrefflichen Onkel, dem kgl. Rektor Heinrich Heerwagen, geleiteten Anstalt,

236 dem alten Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg. Am 1. Februar 1875 wurde er Studienlehrer in Ansbach, am 1. September 1887 Gymnasialprofessor in Schweinfurt, von wo er im Mai 1888 in gleicher Eigenschaft an das Gymnasium in Landau versetzt wurde. Am 1. September 1899 wurde er als Rektor an das Gymnasium in Zweibrücken berufen. Während seines mehr als 14jährigen Aufenthalts in diesen beiden Städten war er auch ein eifriges Mitglied des historischen Vereins der Rheinpfalz. Am 1. September 1902 wurde er als Nachfolger des ausgezeichneten ersten Rektors des Neuen Gymnasiums in Nürnberg, des Oberstudienrats Lechner, mit der Leitung dieser großen Anstalt betraut, an der ihm indessen nur sechs und ein halbes Jahr lang tätig zu sein ver­ gönnt war. Gerne war er nach Nürnberg, dem er von seinem ersten Aufenthalt her eine warme Anhänglichkeit bewahrt hatte, zurückgekehrt. Ein offenbar aus der Feder eines seiner Kollegen herrührender warmer Nachruf (in der Augsburger Abendzeitung vom 24. März 1910 Nr. 85) rühmt ihm nach, daß er seiner umfassenden Vertrautheit mit den alten wie mit den deutschen Klassikern, sowie der hervorragenden pädagogisch-didaktischen Erfahrung, die er als Lehrer in Nürnberg, Ansbach, Schweinfurt und Landau gesammelt hatte, schon seine ehrenvolle Berufung zur Leitung des Gymnasiums Zweibrücken verdankt habe und daß niemand geeigneter gewesen sei, die schwierige Nachfolge Lechners anzutreten als er. Es sei ihm bald gelungen durch seinen lebensvollen und anregenden Unterricht, namentlich durch seine mit feinem Humor gewürzten Horazlektüren, sowie durch die Wärme seiner Literaturstunden seine Oberklasse zu fesseln und zu fördern; er habe sich allen Schülern seiner Anstalt, nicht zum wenigsten den kleinsten, als ein gütiger, humaner Vorge­ setzter erwiesen und die Eltern hätten gegenüber den unaus­ bleiblichen Nöten und Reibungen des Schullebens gewiß sein dürfen, in ihm stets einen ausgleichenden und, wenn es irgend möglich war, hilfsbereiten Berater zu finden. Auch bezeugt ihm jener Nachruf, daß »zwischen ihm und seinem Lehrerkollegium ein selten harmonisches Einvernehmen bestand, daß das »Nicht auf das Seine sehen, sondern auch auf das, was des anderen ist« als ein Grundzug seines Wesens erschien, daß in unver­ drossener Arbeitslust und Dienstwilligkeit der Vorstand allen

237 voranleuchtete und daß ihm die Kunst, in der Leitung einer großen Anstalt und eines zahlreichen Lehrkörpers die Zügel nicht aus der Hand zu verlieren und dabei doch den einzelnen in seiner Eigenart nicht zu hemmen, im hohen Maße eigen gewesen sei.« Uns, die wir Friedrich Mayer in seiner Berufstätigkeit zu beobachten keine Gelegenheit hatten, machte den so vielseitig gebildeten Mann die Schlichtheit und Anspruchslosigkeit seines Wesens, seine durch und durch wohlwollende, liebenswürdige Art, sein trefflicher, feiner Humor, der gewissenhafte Pflichteifer, den er auch außerhalb seines Berufslebens an den Tag legte, ganz besonders lieb und wert. Keine Veranstaltung unseres Vereins, keine Ausschußsitzung versäumte er, wenn ihn nicht die in Nürnberg reichlich gebotene Gelegenheit, gute Musik zu hören, in Konflikte brachte, in denen in der Regel die edle Frau Musika die Siegerin blieb. Denn für die Musik lebte und webte er in seinen karg bemessenen Mußestunden mit wahrer Begeisterung; er war selbst ein vortrefflicher Geiger und mancher von uns verdankt seinem Können auch auf diesem Gebiete genußreiche Stunden. Rasch tritt der Tod den Menschen an, rasch und zur Überraschung vieler ward auch Friedrich Mayer einem reichen, noch vielverheißenden Wirkungskreis entrückt. Aber das Ge­ dächtnis des edlen Mannes wird unter uns in Ehren bleiben für alle Zeit. —ss.

Urkunden zur Geschichte der dritten Stadtummauerung. In meinem Altnürnberg S. 72, Anm., habe ich zuerst darauf hingewiesen, daß nach einer Urkunde vom 24. April 1346, die sich seit 1890 im städtischen Archiv befindet, das »auzzere spitaler tor« und die »newe maur« beim heutigen Spittlertor damals schon bestanden und demnach der Bau der dritten Stadt­ mauer um ein beträchtliches früher begonnen wurde, als man bis dahin angenommen hatte. Ältere Urkunden zur Geschichte der dritten Stadtbefestigung habe ich seitdem trotz aller Bemühungen nicht auffinden können und es darf wohl so ziemlich aussichtslos erscheinen, hier noch

238 weitere Entdeckungen zu machen. Es kann nicht genug bedauert werden, daß der 1. Band der Jahresregister, der sich im kgl. Kreisarchiv Nürnberg befand, mit einer Reihe von 1377 bis etwa in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurückreichender Stadt­ rechnungen etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts verloren gegangen ist. Durch den Verlust dieses mächtigen Folianten ist der Kultur-, Wirtschafts-, Kunst- und Baugeschichte Nürn­ bergs für jene Zeit eine der wichtigsten Grundlagen entzogen worden. Auch für die allmähliche Entwicklung der dritten Stadtbefestigung hätte diese hervorragende Quelle die wichtigsten Beiträge liefern können. In seinem vortrefflichen Buche: Das Anwachsen der deutschen Städte in der Zeit der mittelalterlichen Kolonialbewegung1) be­ klagt Dr. Alfred Püschel den Mangel an Nachrichten über die ältere Geschichte Nürnbergs vom 11. —14. Jahrhundert, auch an solchen zur Geschichte der Stadtbefestigung.2) Püschel bezeichnet das als »einen Zustand, der zu der Bedeutung Nürnbergs im 13. und 14. Jahrhundert in schreiendem Mißverhältnis steht.« Es ist darauf zu erwidern, daß es sich hier bei Nürnberg nicht viel anders verhält als bei einer Reihe von anderen Städten, die Nürnberg durch ein viel höheres Alter überragen. Nürnberg ist im 11. und 12. Jahrhundert eine noch viel zu junge Stadt, als daß man bei ihr einen so großen urkundlichen Niederschlag erwarten könnte. Nürnberg war zudem eine Stadt, die ganz und gar aus sich emporwuchs und durch eigene Kraft sich enth Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschichte im Auftrag des hansischen Geschichtsvereins. Hgg. von Dietrich Schäfer, Bd. 4. Berlin, Carl Curtius 1910. S. 141. 2) Benützt wurde von Püschel nicht der Aufsatz Lochners im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, Jahrg. 1869, Sp. 294 ff. und 328 ff., Nürn­ bergs zweite Ummauerung, der dann wörtlich in seine Geschichte der Reichs­ stadt Nürnberg zur Zeit Karls IV., Berlin 1873, S. 99 ff., übergegangen ist. Bemerkt sei hier, daß Lochner in der Überschrift von einer zweiten Ummauerung spricht, während gleich im Anfang der Abhandlung selbst von einer dritten — und zwar der letzten — Erweiterung, die doch eine vierte Ummauerung vor­ aussetzen würde, die Rede ist. Bezüglich der zweiten Befestigung — nach unserer Rechnung — nimmt er an, »daß diese unter den Staufen wenigstens begann und ohne Übereilung betrieben und weiter geführt wurde« bis ins 14. Jahrhundert. Abgesehen von dieser großen Konfusion ist aber Lochners Abhandlung immer noch die beste und zwar auf Urkunden beruhende Darlegung des Zuges der dritten Stadtummauerung und der Beschaffenheit der sogenannten Vorstädte und gibt auch noch einzelne Anhaltspunkte für den Lauf der vorhergehen­ den. Es wäre zu wünschen gewesen, daß Püschel sich bei der Darstellung der Nürnberger Verhältnisse auf diese maßgebende Untersuchung gestützt hätte.

239 wickelte und groß wurde. Es war auch keine Bischofstadt und es fehlen in ihr die mancherlei Beziehungen freundnachbarlicher, aber auch feindseliger Art, die Reibungen, Irrungen, Zusammen­ stöße und Kriege, die in solchen Städten zwischen der Bürger­ schaft und dem Bischof ausbrachen und in Verhandlungen, Verträgen, Sühnen und sonstigen Urkunden beglichen und in den Annalen und Chroniken festgehalten wurden, wobei gerade auf die topographischen Verhältnisse der Stadt nicht selten ein heller Lichtstrahl fällt. Daß aber Nürnberg trotzdem sich einen reichen Schatz von historischen Zeugnissen erhalten hat, wird wohl jeder zu­ geben müssen, der die in verschiedenen Archiven zerstreuten Urkunden der alten Reichsstadt durchgesehen hat.1) Das Nürn­ berger Urkundenbuch, dessen erste Bände nahezu vollendet im Manuskript vorliegen, wird das wohl noch näher ersehen lassen. Wenn aber Püschel, wie es ganz den Anschein hat, von dem Urkundenbuch auch noch besondere Aufklärungen bezüg­ lich des Mauerbaus erwartet, so dürfte ihm eine große Ent­ täuschung wohl kaum erspart bleiben. Fehlen schon die älteren Stadtrechnungen, so sprechen sich die älteren reichsstädtischen Urkunden, soweit sie erhalten sind, nicht näher über den Mauerbau aus und die Urkunden der Klöster und insbesondere der den Stadtmauern nahegelegenen, wie des Egidien-, Augustiner-, Katharinen-und Klaraklosters, sowie der Deutschordenskommende, liefern in ihren privatrechtlichen Urkunden nur ein negatives Ergebnis. Immerhin ist es möglich, daß sie in Zukunft noch einiges Material beisteuern werden. Die sonstigen Privaturkunden aber, die so oft in topographischer Beziehung ausschlaggebend sind, haben sich für die Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts nur allzu spärlich erhalten. Vielleicht wird sich aber aus ihnen doch noch das eine oder andere ergeben, Wesentliches ist indes auch hier kaum zu erhoffen. So muß man denn wohl die Hoffnung *) Daß die auf den fabulierenden und ganz unzuverlässigen Chronisten Sigm. Meisterlin zurückgehende Erzählung von der Vernichtung des städtischen Archivs durch den Pöbel während des Aufstandes i. J. 1348 unhaltbar ist, hat schon Lochner erkannt, der in seiner Geschichte der Reichsstadt Nürnberg unter Karl IV., S. 23, bemerkt: »Es sind keine Urkunden vernichtet worden, so wenig als der in dem Original der Pridericiana von 1219 befindliche schad­ hafte Fleck von einem Fußtritt herrührt, sondern vom Alter und von einge­ drungener Feuchtigkeit.« Man kann sich dem Wort für Wort anschließen.

240 aufgeben, noch weitere belangreiche Anhaltspunkte aus den urkundlichen Quellen zu gewinnen, während es keineswegs aus­ geschlossen erscheint, daß man bei Aufgrabungen noch auf Reste der älteren Stadtmauern stoßen werde. Die paar Urkunden aber, die ich bis zum Jahre 1380 noch für die Geschichte der dritten Stadtbefestigung habe aufspüren können, will ich, wenn die beiden ersten auch schon von mir selbst oder sonst1) verwertet worden sind, hier in ihrem voll­ ständigen Wortlaut mitteilen. Bezüglich der letzten vom Jahre 1380 sei noch folgendes bemerkt. Während in Ablaßbriefen für das Pilgrimspital St. Martha aus den Jahren 1366, 1367, 1368 und 1372 noch vom »hospitium pauperum extra portam civitatis Nuremberg« die Rede ist, bestimmen zwei weitere Ablaßbriefe des Kardinals Pileus vom 22. August 1380 die Lage dieses Spitals als »ante portam dictam Frowentor opidi Nuremberg prope muros exterioris porte«. Der Bau des äußeren Frauentors fällt demnach in die Zeit von 1372 bis 1380. In einer weiteren Urkunde des städtischen Archivs vom 6. Mai 1387, wodurch Frau Mechtild, die Eberhard Vorchtelin, dem Leupold Schürstab d. ä. einen halben Hof zu Vach verkauft, wird zugleich bestimmt, »daz der selb halb hof mit aller seiner zugehorung furbaz ewiclichen zu sand Marthen in der vorstat zu Nuremberg bleiben solt,« ein Beweis, daß hier das Gelände schon durch die äußere Mauer abgeschlossen war. Ein Ablaßbrief des schon genannten Kardinals Pileus vom 18. Juli 1379 liegt auch für das Kloster St. Katharinen vor, der es aber noch als »extra muros civitatis Nuremberge« gelegen bezeichnet. Eine sehr verdienstliche Aufgabe wäre es, einmal alle auf den Mauerbau in den Stadtrechnungen von 1377 — der ältesten der auf uns gekommenen — an enthaltenen Nachrichten zu­ sammenzustellen. Für die Geschichte der Stadtbefestigung und der Topographie der Stadt überhaupt würde sich daraus ohne Zweifel noch so manches Wichtige und Interessante ergeben. Ich selbst aber werde nicht verfehlen, der Geschichte der Nürnberger Stadtbefestigung auch in Zukunft meine besondere Aufmerksam­ keit zuzuwenden. *) Püschel a. a. O. S. 146.

241 i. 1346 April 24. Vor dem Landgericht zu Nürnberg erbringt Konrad Waltstromeir von Nürnberg durch Zeugen, daß ihm Kunigunde, Heinrich des Gostenhofers sei. Witwe zu dem Gostenhof, 2 Sümer Roggen und 2 Haller von ihrem Hof daselbst zu der alten Gült und ferner die 5 Hofstätten bei dem äußern Spitaler Tor innerhalb der neuen Mauer und noch 2 weitere Hofstätten verkauft habe.

Ich Chunrat von Asche, lantrihter ze Nürnberg, tun kunt an disem brif, daz für mich kom in geriht Chunrat der Waltstromeir von Nürnberg vnd erzwügt, als reht was, mit den ersamen mannen Chunrat dem Stromeir vor den predigern vnd Chunrat dem Pilgrein vom Newenmarkt, den gesworn bürgern in der stat ze Nürenberg, die sagten auf ir eide, daz si von beden teilen geladen zwg worden wern nach reht, daz ver Chüngunt, Heinrich des Gostenhofers seligen witibe zdem Gostenhof, mit vollem gewalt, den si braht mit einem güten brif, versigelt mit des lantgerihtz ze Nürnberg anhangendem insigel, im dem vorgenanten Chunrat Walt­ stromeir reht vnd redlich het zechaufen geben zwei sümer lauters rokken korns alle iar ze geben auf sant Jacobs tag vnd alle iar zwei pfunt haller gelts, ein pfunt ze geben auf sant Walpurg tag vnd ein pfunt auf sant Michels tag, auz irm hof zdem Gostenhof vnd ouz allem dem, daz darzu gehört ze dorf vnd ze velde, wo ez gelegen wer, besucht vnd vnbesucht, daz allez ir erbe von dem egenanten Chunrat Waltstromeir wer. Vnd di gült solt si im alle iar geben zu seiner alten gült, die si im vor alle iar von dem egenanten hof geb. Vnd wer auch ir erbe von im vmb die gult vnd vrob die alten gült, die si im vor alle iar auz dem egenanten hof geb. Auch sagten die gezwg, daz si dem vorgenanten Chunrat Waltstromeir mit vollem gewalt, den si ouch braht mit dem brif, als vorgeschriben stet, het ledicleich ze chaufen geben di fünf hof stet, die gelegen wern bei dem auzzern Spitaler tor in wendich der newen maur, dorauf Fritzz Gollir, der Pravn, Wernleim der zolner, . . der Veirtag, . ., der keser, vnd . ., der hüter, gesezzen wern, vnd ein hof­ stat zdem Gostenhof, do der Scherlein auf sezze vnd die hofstat, dorauf Cunrat des Kieners ziegelhütt stünde, mit allen nützzen vnd rehten vnd mit allem dem, daz darzu gehört, besucht vnd vnbesucht, also daz si noch ir erben kein reht nimmer mer doran haben solten fürbaz ewiglich. Vnd di selben hofstet alle vnd swaz darzu gehört solten in den vorgenant'en hof niht mer gehörn. Vnd der keuf aller het si in gelobt ze wern, als reht wer. Ez sagten ouch di gezwg, daz fmb die vorgeschriben werschaft derselben keuf aller bürgen vnd selbscholn vnuerscheidenlich wern worden Albreht, ir sün, Fritzz der Gostenhofer bei Spitaler tor vnd Chunrat der alt Gostenhofer, ir bede sweger. Vnd do Cunrat der Walt­ stromeir daz allez also wol erzwgt het, do bat er fragen ein vrteil, ob man im des iht billich einen brif von geriht geben solt. Der wart im erteilt vnd geben, versigelt mit des lantgerihts anhangendem insigel. Daz geschach, do man zalt von gotz gebürt drwzenhundert iar vnd in dem sehs vnd viertzigstem jar an montag nach der Osterwochen. Orig. Perg. Siegel abgefallen.

Städt. Archiv Nürnberg. 16

242 2.

1373 März 5Vor dem Landgericht zu Nürnberg verlautbart Eisbet, Albrechts von Leonrod sei. Witwe, daß sie dem Rat zu Nürnberg ihr Haus und ihre Hofreit innerhalb des deutschen Hauses, innerhalb und außerhalb der äußern neuen Mauer verkauft habe.

Wir Friderich, grafe zu Kastei, lantrihter zu Nürenberg, tun künt an diesem brief, daz fiir vns kom in griht die erberg fraw Elspet, hern Albreht von Leonrod seligen wittib, vnd hat veriehen vnd bekant vnbetwungenlichen, daz sie reht vnd redlichen verkaufet vnd zu kauffen geben hab den ersamen weissen mannen . den burgermeistern, dem rat . . vnd den bürgern gemainclichen der stat zu Nürenberg ir havs vnd hoffreit enhalb dez tewtschen havses inwendig vnd auzwendig der auzzeren newen mavr zu Nürenberg, als ez vmb vnd vmb begriffen ist, mit allen seinen zügehoren, besucht vnd vnbesucht, also daz sie daz selb havs haben vnd niessen solten vnd da mit tun lazzen nach irem besten willen, wie sie gut dewht. Vnd sie het sie auch dez selben havses vnd hoffreit gelobt zu wern, als dez landes vnd der stat zu Nürenberg gewonhait vnd reht ist. Vnd sie hat sich auch dez egenanten havses vnd hofreit mit allen seinen zugehoren entewssert vnd verzigen allerding, also daz sie, noch ir erben, noch niemand von iren wegen kain ansprach, noch vorderung darnach nimmere gehaben noch gewinnen siillen fürbas ewiclichen. Vnd darnach weist die selb fraw Elspet von Leonrod ainen gerehten, redlichen brief, versigelt mit hern Wilhelmz, Schencken von Schenckenstain, ires aidens, vnd mit der stat zu Poppfingen anhangenden insigeln, der laut also, daz der selb her Wilhelm Schencke mit gesampter hant frawn Eua, seiner elichen wirtin, veriehen vnd bekant heten, daz der obgeschriben kauff ir gut will vnd wort wer vnd daz sie sich dez selben havses vnd hoffreit gar vnd gentzlichen verzigen vnd entewssert heten vnd daz sie, noch niemand von iren wegen kainerlay ansprach, noch vorderung darnach nimmer gehaben, noch gewinnen siillen fürbas ewiclichen. Vnd da die vorgenant fraw Elspet, hern Albreht von Leonrodz seligen witib, disen kavff also veriehen vnd bekant het vnd auch wolbraht het, daz der selb kauff mit irs aidens hern Wilhelms Schenckenz vnd mit frawen Eua, seiner elichen wirtin, irer toliter, willen vnd wort geschehen wer, da bat vns Ulrich Stromeir zu der guidein rosen, bürger zu Nürenberg, fragen ainer vrteil von sein, . ., der burgermeister, des rates vnd . . der . . burger gemainclichen der stat zu Nürenberg wegen, ob man in diesew bekantnuzz, kavff vnd beweisüng dez egenan­ ten briefs, als vorgeschriben stet, wolbillichen besteten vnd verschreiben solt mit des lantgrihtz briefe vnd insigel also, daz ez krafft vnd mäht haben solt, ez wer vor gaistlichen oder wertlichen gerihten, inwendig vnd auswendig gerihtz vnd an allen steten, wa in dez not geschech. Daz selb allez ward in erteilt mit gemeiner volg vnd vrteil auf den ayde. Geben mit vrteil vnter dez lantgrihtz insigel am samstag vor dem weissen suntag von gotes gebürt drewtzehenhundert jar vnd darnach in dem drew vnd sibentzigstem jare. Orig. Perg. mit anh. Landgerichtssiegel des Burggrafentums Nürnberg. Stadt. Archiv Nürnberg.

243 3Nürnberg, 1380 August 22. Kardinal Pileus verleiht auf Bitten der Nürnberger Bürger Johannes Wald­ stromeier und seiner Brüder allen wahrhaft Reumütigen, die nach abgelegter Beichte an namentlich genannten Festtagen die Kapelle Corporis Christi und St. Martha vor dem Frauentor in der Nähe des äußeren Tors besuchen und zum Kirchenvermögen Almosen spenden, Ablässe.

Pileus, miseracione diuina tituli sancte Praxedis presbyter cardinalis. Ad infrascripta apostolica auctoritate suffulti vniuersis et singulis presentes litteras inspecturis salutem in domino. Splendor eterne glorie, qui sua mundum illuminat ineffabili claritate, pia vota fidelium de sua clementissima maiestate sperancium tune precipue pio fauore prosequitur, cum deuota ipsorum humilitas sanctorum precibus et meritis adiuuatur ac Christi fideles eo libencius ad deuocionem confluunt, quo ibidem uberius dono celestis gracie conspexerint se refectos. Cum igitur dilecti nobis in Christo Johannes et fratres sui dicti Waltstromeyer, opidani Nurembergenses, ad capellam corporis Christi et sancte Marthe ante portam dictam Frowentor1) opidi Nuremberg prope muros exterioris porte specialem gerant deuocionem et affectionem, prout accepimus, nobisque humiliter supplicauerint, ut pro deuocione ipsorum augmentanda omnibus deuote ipsam capellam visitantibus spiritualia munera largiri dignaremur, nos dictis supplicacionibus inclinati et fauorabiliter annuentes de omnipotentis dei misericordia et sanctorum Petri et Pauli apostolorum eius meritis et auctoritate predicta confisi, omnibus vere penitentibus et confessis, qui dictam capellam in festiuitatibus domini nostri Jesu Christi, videlicet natiuitatis, resurrectionis, ascensionis, penthecoste, trinitatis et corporis Christi ac singulis festis beate Marie virginis, sanctorum apostolorum et quatuor doctorum neenon singulis festis patronorum et die dedicacionis ipsius capeile deuote visitauerint ac manus ad fabricam dicte capelle porrexerint adiutrices, centum dies de iniunctis eis penitenciis prelibata auctoritate misericorditer in domino relaxamus. Datum Nuremberge Bambergensis diocesis XI. septembris pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini Vrbani, diuina prouidencia pape VI. anno tercio. Auf dem Bug rechts: Gerlacus. Auf dem Rücken: R. Orig. Perg. mit anhangendem Siegelfragment. Städt. Archiv Nürnberg. A) es ist hier das innere Tor gemeint.

Dr. E. MummenhofF.

16*

244

Eine Abbildung der Stadt Nürnberg aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Unter den handschriftlichen Schätzen der Heidelberger Universitätsbibliothek befinden sich eine Reihe von Formular­ büchern der beim kaiserlichen Kammergericht zu Speyer in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingegangenen Schriftstücke.1) Sie rühren alle von der Hand des Kammergerichtssekretärs Johann Adler her und enthalten in bunter Abwechselung bald Formulare für Lehnsbriefe und Adelspatente, bald Urkunden der kaiserlichen Kanzlei und Urteilsverkündigungen des höchsten Gerichtes, bei dem dieser Schreiber tätig war. In einem dieser Formularbücher (Pal. Germ. No. 491 Fol. 393 B) befindet sich eine Federskizze der Stadt Nürnberg. Das Alter der Zeichnung läßt sich ziemlich genau feststellen. Sie ist sicher nicht vor dem 3. Juni 1551 angefertigt worden; denn dieser Tag ist das späteste in diesem Bande angegebene Datum für einen von Adler abgeschriebenen Lehnsbrief. So findet sich z. B. unmittelbar vor der Zeichnung, sogar noch auf derselben Seite, ein Formular für eine Bannbefreiung einer Stadt durch Karl V. mit dem Ort und Datum: Gent den 20. April 1540. Wenn auch dieses Formular in Wirklichkeit nicht aus­ geführt zu sein braucht, mithin das Datum fingiert sein kann, so spricht doch die Tatsache, daß Kaiser Karl am 20. April 15402) wirklich in Gent weilte, dafür, daß unsere Abbildung nach dieser Zeit entstanden ist. Sie wird demnach in der Mitte des 16. Jahrhunderts ausgeführt sein. Über die Persönlichkeit des Johannes Adler läßt sich nicht viel berichten. Bevor er Kammergerichtssekretär geworden ist, war er Gerichtsschreiber des Grafen Ladislaus zum Hage.3) Er scheint ein wüster Geselle gewesen zu sein; denn neben 1) Jakob Wille, Die deutschen Pfälzer Handschriften des 16. und 17. Jahrhunderts der Universitätsbibliothek in Heidelberg (Band II des Katalogs der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg) Heidelberg 1903. Pal.Germ.no 159, 178, 179, 459, 460, 491—494, 604, 785, 824, 827—829. 2) Vgl. hierüber die Jtinerare Karls V. bei L. F. v. Stälin (Forschungen zur deutschen Geschichte Band V), L. Bradford. Correspondance of the Emperor Charles V. London 1850, S. 516 u. a. m. 8) Jakob Wille a. a. O. Pal. Germ, nr 829.

Federzeichnung der Stadt Nürnberg aus der Mitte des 16. Jahrhunderts von Johann Adler.

245 einigen derben Versen, die er in den Formularbüchern nieder­ geschrieben hatte und die auf seine Bildung kein allzugünstiges Licht werfen, wissen wir nur noch von ihm, daß er im Jahre 1535 mit einem anderen Kammergerichtsschreiber, Johann Bayer, eine Schlägerei gehabt hatte, bei welcher ihm der Daumen der rechten Hand abgeschlagen wurde. Der von Adler des­ wegen angestrengte Prozeß, der schließlich zu seinen Gunsten endete, machte den Kammerrichtern nicht wenig Mühe. Die Akten hierüber füllen einen stattlichen Pergamentband von nicht weniger als 700 beschriebenen Seiten!1) Die Zeichnung ist hier in natürlicher Größe wiedergegeben worden. Bei der großen Ungenauigkeit der Skizze ist für die Topographie gar nichts zu gewinnen. Einen Vergleich mit den uns erhaltenen Prospekten des 16. Jahrhunderts kann sie nicht wagen. Wahrscheinlich hat Johann Adler in der Muße seiner Amtsstunden das Abschreiben der Urkunden unterbrochen und diese Skizze entweder nach einer Vorlage oder in Erinnerung an den ehemaligen Aufenthalt des Reichskammergerichtes in Nürnberg aus dem Gedächtnis angefertigt. Nach der Natur scheint die Zeichnung nicht ausgeführt zu sein. So erklärt sich denn auch im Bilde der phantastische Aufbau der Stadt, wie er der Wirklichkeit nicht entspricht, und namentlich die Verschiebung der Burg nach rechts. Vier charakteristische Punkte: Die Burg, St. Sebald, St. Lorenz und das Frauentor lassen immerhin er­ kennen, daß der Prospekt von der Südostseite aufgenommen worden ist. Eine gewisse zeichnerische Gewandtheit ist dieser flüchtig hingeworfenen Skizze nicht abzusprechen; auch ist in der Wiedergabe der Burgtürme ein Fortschritt gegenüber der übertriebenen gotischen Manier bei dem berühmten Stiche von Schedel zu erblicken. Wenn auch mit dieser bisher unbekannt gebliebenen Ab­ bildung Nürnbergs keine Errungenschaft im künstlerischen und wissenschaftlichen Sinne gemacht worden ist — man muß sich hüten aus derartigen Abbildungen Schlüsse für die Topographie, wie das jetzt soviel gemacht wird, zu ziehen2) — so zeigt sie *) Jakob Wille a. a. O. Pal. Germ, nr 783 und die dort angegebene Literatur. 2) Es braucht nur an den jetzt währenden Streit um die Topographie der wieder aufgebauten Hoh-Königsburg erinnert zu werden.

246 doch von neuem, wie die alte Reichsstadt Nürnberg mit ihrer unvergleichlichen geschichtlichen Vergangenheit schon damals im 16. Jahrhundert zur Wiedergabe ihres herrlichen Stadtbildes immer wieder und wieder verlockte.

Dr. Richard Wolff.

Zwei Nürnberger Pokale im historischen Museum zu Stockholm. Als König Gustav Adolf von Schweden siegreich in Franken vorgedrungen war und die Reichsstadt Nürnberg durch dringende Vorstellungen und scharfe Drohungen nach langer Weigerung dazu bewogen hatte, ihre neutrale Haltung aufzugeben und mit ihm eine Spezialallianz abzuschließen, und als er nun um die von Tilly bedrohte Stadt zu schützen, sich Nürnberg mit seiner Armee immer mehr näherte, wurde es wahrscheinlich, daß der König auch nach Nürnberg kommen werde, und der Rat der Stadt traf umfassende Vorkehrungen, um den Verbündeten festlich zu empfangen. Am Mittwoch den 21./ 31. März 1632 hielt der König durch das Spittlertor seinen Einzug in die Stadt, wo ihm im Imhoffschen Hause auf dem Egidienberg Quartier bereitet war.1) Nach althergebrachter Weise wurden ihm dort auch die üblichen Ehrengeschenke überreicht. Das Schenkbuch der Stadt von 1340 bis 1625 (Kgl. Kreisarchiv Nürnberg, Msc. 488) ent­ hält darüber Bl. 41 folgende Notiz: A° 1632 den 21. Marti, als der durchleuchtig, großmechtigst Fürst und Herr Gustavus Adolphus, der Schweden und Gothen etc., Wenden König, das erstemal alhero kommen, ist Ihrer Konigl. M£ durch Herrn Christoff Fürern und Herrn Georg Chr. Volckamern etc. in Herrn Wilhelm Im Hoffs Behausung uff dem Thilinghof verehrt worden, als 2 Wägen Habern, 2 Wagen mit Wein, darauf 5 Vaß Reinwein, halten 23 Aimer und 2 Maß ä f 15.— . f 345 — 4 Lägel Rosatzer ä 26 Thlr..........................................f 156 — 4 Schaf Visch laut Wochenzettel Nr. 3, haben kost f 103 [kr.] 50. *) Vgl. die eingehende Beschreibung des Einzugs des Königs in der Abhandlung von Dr. Donaubauer »Nürnberg in der Mitte des dreißigjährigen Krieges«. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, io. Heft, 1893, S. 200 ft*

Nürnberger Pokal, den Herkules mit der Erdkugel darstellend, im historischen Museum zu Stockholm.

247 Item 2 Pocal silber verguldt, als 2 Globi, dern einer caelestis, der ander terrestris, künstlich von Christoff Jamitzern angefangen und von Jer. Rittern ausgemacht, haben in allem gewogen 19 M 15 L und gecos[t] . f 1479 — [^] 7. Die beiden hier erwähnten Pokale sind auf unsere Zeit gekommen und befinden sich im historischen Museum zu Stock­ holm. Dort wurden sie von verschiedenen Nürnbergern, die Schweden bereist haben, gesehen und bewundert, unter anderen auch im Jahre 1904 von Herrn Direktor Dr. Theodor Hampe, der mir freundlichst die Notizen, die er sich über diese schönen Nürnberger Arbeiten gemacht hat, zur Verfügung stellte. Beide Pokale bestehen, wie schon aus der Beschreibung im Schenk­ buch hervorgeht, in silbernen, innen vergoldeten Globen, die von gleichfalls silbervergoldeten Figuren getragen werden und bei denen das obere Kreissegment als Deckel gedacht ist und sich abheben läßt. Den Himmelsglobus trägt auf schönem Postament, das mit Delphinen und leeren Kartuschen verziert ist, die Figur des Atlas mit einer zierlich gearbeiteten Krone auf dem Haupte und dem Schwert an der Seite. Der Globus in Silber zeigt den Sternenhimmel und in einer Kartusche die Inschrift in schwarzer Gravierung: »1620 Johan Hauer Norimbergae caelavit« und ist bekrönt von einer kleinen Minervafigur ohne Attribute, welche als Handhabe zur Öffnung des Deckels dient. Am Fuße befindet sich das Nürnberger Beschau­ zeichen (N) und das Meisterzeichen des Jeremias Ritter, ein ein Schwert haltender Arm mit drei Sternen. Ganz entsprechend dieser Komposition ist der andere Pokal komponiert. Herkules mit Keule, Köcher und Löwenfell trägt den Erdglobus mit der Inschrift »Johann Hauer globum hunc terrestrem in celeberrima urbe, quae est Norimberga, caelavit Anno x),eavTß07C0ü 1620« in einer Kartusche in schwarzer Gravierung. Bekrönt ist dieser Pokal durch eine kleine Fama, während an dem dem Postamente des andern Pokals ganz gleichen Fuß ebenfalls das Nürnberger Beschauzeichen und das Meisterzeichen des Jeremias Ritter angebracht sind. Die beiden Werke sind von gleicher Höhe und Breite: 59:18 cm. Aus der Jahrzahl 1620 ist zu entnehmen, daß die Pokale nicht erst zu dem Zwecke hergestellt worden sind, sie dem

248 König Gustav Adolf zu schenken, sondern daß sie dem Silber­ schatz der Stadt entnommen wurden. Nach der Notiz im Schenk­ buch muß man annehmen, daß der Entwurf zu ihnen von Christoph Jamnitzer, geb. 1563, Meister nach 1585, Genannter 1607, Geschworener 1613, f 1618 (vgl. Dr. Marc. Rosenberg, der Goldschmiede Merkzeichen. Frankfurt a. M. 1890, S. 245), herrührt, wiewohl sein Meisterzeichen sich an keinem der Pokale findet. Der ausführende Künstler war Jeremias Ritter, der 1605 Meister und 1626 Genannter in Nürnberg wurde, 1631 als Ge­ schworener erscheint und 1646 verstarb. Von ihm rührt eine beträchtliche Anzahl bekannter Pokale her (vgl. Rosenberg a. a. O. S. 286 ff.). Die Gravierung der Pokale hat Johann Hauer besorgt, ein sehr tüchtiger Maler und Graveur, geb. 1586, gest. 1660 (vgl. Joh. Gabr. Doppelmayr, Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern 1730, S. 227). In dem Katalog des historischen Museums in Stockholm von Oskar Montelius vom Jahre 1901 sind die beiden Pokale im Abschnitt III, Nyare Tiden (frän omkr. 1523 tili nuvarande tid) unter Ziff. 33 B (S. 109) kurz wie folgt beschrieben: Tvä dyrbara silfverpokaler, den ena förest ällande jordgloben, hvitande pä Herkules, den andra himmelsgloben buren af Atlas; arbetade af Jeremias Ritter i Nürnberg. Skänkta af staden Nürn­ berg tili K. Gustaf II Adolf är 1631. Hvardera pokalen innehäller 178 lod (öfver 21/3 kg) silfver. — In einer Abhandlung Nägra ord om gammal guldsmedskonst in den Meddelanden frän Svenska Flöjdföreningen är 1903 erwähnt Franz Malmberg S. 35, daß die beiden Pokale von den Juwelieren Hallberg und K. Andersson ein paarmal kopiert worden seien und daß König Oskar das erste Paar Kopien, das von Hallberg hergestellt wurde, wenn er sich nicht irre, dem deutschen Kaiser zum Geschenk gemacht habe. Der Liebenswürdigkeit des Herrn Professors Oskar Montelius in Stockholm verdanke ich eine vortreffliche Photographie des Erdglobus, getragen von Herkules, nach welcher die beigefügte Abbildung hergestellt ist. Eine photograpische Aufnahme des Atlas mit dem Himmelsglobus soll nicht existieren. —ss.

249

Aus den Pfarrakten zu Regelsbach. Die Pfarrei Regelsbach im kgl. Dekanate Schwabach, welche einst dem Kloster St. Klara zu Nürnberg inkorporiert war, besitzt noch manche Schriftstücke aus alter Zeit. So z. B. eine Kirchen­ rechnung 1483 —1503. Am interessantesten sind wohl die Auf­ zeichnungen des Pfarrers Heinrich Hertel 1487 —1499. Sie zeigen, wie man in dem kurzen Zeitraum von 12 Jahren es möglich machte, die Kirche zu Regelsbach reich mit kirchlichem Schmuck auszustatten. Nicht zum wenigsten waren die Kloster­ frauen und Nürnberger Bürger gerne bereit, auf jede Weise den Pfarrer und seine Gotteshauspfleger zu unterstützen. Die Aufzeichnungen H. Hertels folgen unter Nr. I. Wie reich das Gotteshaus an Meßgewändern schon früher war, zeigt die Bei­ lage II. In der Reformationszeit blieb die Kirche, wie Beilage III zeigt, ruhig im Besitze ihres Eigentums. Denn der im letzten Inventar genannte Pfarrer Hans Beheim amtierte 1553—1569 in Regelsbach (G. E. Waldau, Nürnbergisches Zion. Nürnberg 1787. S. 145). I. Aufzeichnungen des Pfarrers H. Hertel. Im siben und aczigsten jar haben laßen machen Heinrich Hertel, die zeit pfarrer, Fricz Mair, Heinrich Vogel, bed zu Regelsbach, Fritz Ringler zu Leuteishof, die zeit goczhauspfleger, den stul in dem chor, und gestund 3 gülden. In dem jar kaufet der obgenant pfarrer und Fritz Ringkler an des goczhaus stat die tafel auf unser frauen altar um 34 gülden und samelten in der pfarr 15 fl und zu Nurnwegk 5 fl und daz ander gelt unter den nachtpaurn, wan die 2 goczhauspfleger stürben ab. In dem jar gaben uns die. wirdige frauen zu Sant Clären die ander tafel auf des heiling creuz altar und daz creuz in den swinpogen. In acht und achtzigsten jar do haben laßen machen der obgenant pfarrer und die goczhauspfleger mit namen Fricz Ringkler zu Leuteishof, Herzog zu Regelsbach und Peurlin zu Regelsbach an des goczhaus stat den kalter in dem sagerer, do man die mesgewant einlegt, und den kalter in der maur, und gestunden fünf gülden.

250 In dem jar ließen sie hengken die glocken und gestunden 17 pfund. Anno 89 haben laßen der obgenannt pfarrer, Fricz Ringler, Herzog und Haincz Hegendorfer, die zeit gochauspfleger, den himel, den man an unsers herrn leichnamstag umbtregt, und gestund 8 fl. In dem jar kaufen sie die monstranzen umb 1 fl. In dem jar kaufen sie das papiern meßbuch umb 5 fl. Anno 90 do ließen der obgenant pfarrer und goczhauspfleger mit namen Ringkler, Hegendörfer und Cunz Essenseiner zu Regels­ bach decken das langkhaus an der kirchen und pflastern die kirchen, und gestund 17 fl. In dem jar gaben uns die wirdigen frauen zu Sant Clären den kormantel. Anno 91 haben laßen schreiben der obgenant pfarrer und die obgemelten goczhauspfleger den antiphonarium und das gradual und gestund 4 fl. In dem jar kaufen sie 3 par meßer leuchter umb 3 gülden. Anno 92 hat der obgenant pfarrer zuwegen bracht durch gotz willen das grün zendel mesgewand von dem Ingram, der ein gescheftherr waz Cristina Lindnerin. Anno 93 haben kauft die obgemelten pfarrer und goczhauspfleger den zinen kupferling umb 1U fl. In dem jar gaben uns die wirdigen frauen zu Sant Clären das praun lundisch mesgewant mit aller zugehorung, mer ein schön Christum, den man allwegen an den heiligen tagen auf den altar seczt, mer 3 pacem auf ein jtlichen altar eins. In dem jar gaben uns zwu burgerin von Nuernwergk dacz leinwanttuch über die tauf. Anno 94 haben die negstgemelten goczhauspfleger und pfarrer gekauft ein monstranzen umb 1 fl und die wirdigen frauen zu Sant Clären haben uns das heiltum darein geben und gemacht. In dem jar gaben uns die Cartheuser ein meßen reuchvaß.

251 Anno 95 hat Peter Drechsel zu Nurnwergk verneuen laßen Sant Jorgen vor dem tore, und gestund 6 pfund. In dem jar haben die negstgemelten pfarrer und goczhaüspfleger die tafel auf Sant Jorgen altar und gestet erstkauf 44 fl und samelten in der pfarr und zu Nurnwergk 25 fl. Anno 96 wart der kirchhof entert, do must man in weihen und gestund das goczhaus 8 fl. In dem jar haben laßen machen die nechstgemelten goczhauspfleger und pfarrer 2 silberne kelchlein, und gestund 40 fl und den großem haben bezalt der Pesolt gescheftherrn. Anno 97 hab ich obgemelter pfarrer dem goczhaus zu wegen bracht 3 morgen ecker, die frei lauter aigen sein, die do liegen zu dem Leuteishof und der Pesolt in hatz gehabt. Anno 98 hab ich obgemelter pfarrer kaufet ein wislein und ein eckerlein zu dem goczhaus umb den Süsner zu Leutsdorf, das auch frei eigen ist, umb 3 fl und tregt ein jar pei 50 oder 60 pfennig unge verlieh. Anno 99 haben wir negstgemelte gochauspfleger und pfarrer gekauft die tafel auf des heiligen creuz altar, und gesteet erstkauf 51 fl. Daran haben wir zalt 20 fl und haben gesamelt zu Nuernwergk 7 fl. In dem jar haben uns die wirdigen frauen zu Sant Clären geben zwen corporal, ein grüne damasch, ein roten schamloten, daran hat in das gotzhaus geben 60 pfennig, aber sie sind viel beßer. In dem jar haben uns die wirdigen frauen geben ein schöne grüne sameten docken zu dem sacrament. In dem jar haben wir goezhauspfleger und pfarrer laßen decken die ain seiten des turns und das langhaus und den sagerer, und gesteet 13 V2 fl.

252 II. Inventar zu Regelsbach. 1487. Was man zu Regelsbach hat, das zu dem altar gehört. 1 praune corporaltaschen von samat mit einem crucifix. 1 swarcze mit gülden fogelein, ist alt. 1 alte rot guld. 1 plob gemusirte leinene mit gold. 1 swarcze schettrene mit einem Johannspild, do ist kein weiße corporal innen. Item mer 1 grüne domascat, haben si selber kauft im 1498. jar. Mer ein rote mit einem kreuz, hat man in geschenkft] in dem obgenanten jar1). Ein sacrament tocken, ist praun seiden. Mer 1 alte seidene. Mer 1 rot zendlein von der Hans Pahamin1). 1 weiß mesgewant mit einem guten alm und dazu ein roten stolen und hantfanen. 1 rocz arlaß mesgewant mit alm und allen dingen. 1 swarcz wurschates meßgewant mit dem alm und allen dingen. Ein gemusirz meßgewant, plob und rot und gülden, mit alm und allen dingen. 2 ubrich stolen. 6 alter tuchen mit porten und alter zier (?), der sein 2 rot und gel gewürkt als tuch und mach (?), ein rot und gruns arlass, 1 prauns parchatas, 1 plabs leinas mit gülden fögelein. 1 roz gemusirz und 1 zwehel mit einem porten. 1 hantzweheln. Unser frauen 2 weis leinen mantel. 1 sleir. 5 poß tocklein, 3 kelchtuchlein, 3 kelchseck. 2 rote und weise fendiein, mer 1 große fanen. Die vorgeschrieben stuck 'hab wir all gepeßert und ge­ waschen und besichtigt zu S. Margarethen im 87. jar [13. Juli]. Zu dem mal gab die würdigen muter abtißin hinaus ein alten tafe[l]n, die was gestunden in unser kirchen auf unser lieben 1) Spätere Zusätze.

253 frauen altar, und ein schons groß crucifix, das war vor etlichen jar in unser kirchen gewest. Zu der zeit was abtissin Margaretha Gruntherrin und pfarrer herr Heinrich Hertel, dem was vor der zeit zu cantate im 87. jar die pfarr gelihen worden [13. Mai]. III. Inventar zu Regelsbach. Ein gut schwarz samatas mit eim fesperbilt meßgewant mit allem seinem zugehorung. Ein praun wulla mesgewant mit sampt seinem zugehorung. Ein grün seidas mit seiner zugehorung on stol. Ein schwarz purschetes on stol. Ein praun schamlotes on umbmeral und stol. Ein kormantel decken über die sacrament puxen. Ein grün samata deck — ein rota, ein prauna seida — ein roda seida deck — alter deck und zu (?) unten und oben. Ein guta roda deck, ein guta goldfarba — ein gelba — ein roda und weißa — widerum ein goltfarba gar gut — ein goltfarba — ein guta praun rota und all sein zugehorung deck. Ein gelba deck on das tuch auf den altar — ein deck auf den altar mit dem gefrens — ein guta corporal taschen schwarz samatas — etliche tuchla weis. Ein gelb schamlotes mesgewant mitsampt seinen zugehorung. Ein schwartz samatas mesgewant mit einem Marienpilt mit iren kindlein. Ein schwarz schamlotes meßgewant. Ein kupferfarbes damasket meßgewant. Ein schwartz schamlotes meßgewant. Ein kupferfarbs damaschket meßgewant. Ein schwartz schamlotes on stol. Ein gestreintz mesgewant. Ein weis arres mesgewant. Ein alt goltfarbes. Ein rota seida deck und manipel. Neun corporaltaschen gut und pos on corporal. Trei kelch seck, 6 fatzanetla in einem sack. Ein jetlicher altar hat seine alte deck. Ein kelch und sein zugehorung.

254 Sex meßa leuchter auf die alter — sex zinna — ein großer henketter leuchter. Fünf stol und ein manipel — ein kupfer weihkeßel. Das hunger tuch — zwei tucher für die altar in der fasten. Ein kormantel — trei meßpucher, das ein hab ich Hans Peham pfarher. Siben gesangpucher mit sampt andern pergamenen und papieren. Ein himel. Ein kelchla zu den kranken und corporal hab ich. Alfeld.

D. Dr. Karl Schornbaum, Pfarrer.

Arbeiterwohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Fabrikorte Hammer. Wenn wir auf dem Gebiete der Arbeiter- und Wohnungs­ frage die in Deutschland bestehenden Fürsorgegesetze und Ein­ richtungen, wie Krankenkassen, Invaliden- und Altersversorgung sowie Unfallgesetze, in Betracht ziehen, so muß allseitig zuge­ standen werden, daß in dieser Beziehung vom Staat, den Gemein­ den und Privaten Großes geleistet wird und ein großer, ja vielleicht der größte Teil der arbeitenden Bevölkerung in Stadt und Land jetzt schon gegen die Folgen von Krankheit, Todesund Unglücksfällen sowie verminderter Arbeitsfähigkeit im Alter durch diese Maßnahmen geschützt sind. Hiezu treten in nächster Zeit die in Aussicht genommenen Erweiterungen in der gesetz­ lichen Fürsorge für Witwen, Waisen, Arbeitslose und in Krankheits- und Todesfällen. Vielfach sind auch in staatlichen und privaten Betrieben billige und gute Wohnung, Badegelegenheit und billige Lieferung von Speisen und Getränken vorgesehen und hiefür besonders die staatlichen Unternehmungen mustergiltig. Ziehen wir nun zwischen den heute bestehenden gesetz­ lichen und privaten Leistungen einen Vergleich mit denjenigen früherer Zeit und sehen wir von dem damaligen und dem der­ zeitigen Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber in sozial­ politischem Sinne ab, so ergibt sich die Tatsache, daß alles, was durch Gesetz in den letzten 20 Jahren den Arbeitern geboten wurde und wird, im 16. Jahrhundert und später bereits

255 bestand und überdies noch bei angenehmerer Beziehung zwischen beiden Teilen. Fabriken im heutigen Umfange bestanden ja nicht, die Betriebskraft bestand nur in Wasserkraft, und so finden wir besonders im Nürnberger Gebiet und auch in Nürn­ berg selbst mit seiner umfassenden Industrie größtenteils Hand­ werksbetrieb, nur an der Pegnitz, den größeren Bächen, wie Röthenbach, an Stauweihern, wie u. a. Dutzendteich und Falznerweiher, Mühlen und Papierfabrikation. Diese gingen teilweise hauptsächlich an die Metall verarbeitenden Handwerker über; die Rotschmiedsmühle in Nürnberg, die Kleinweidenmühle, die Hadermühle und andere waren früher nur Mahlmühlen oder Papiermühlen. Gleiches war auch pegnitzaufwärts der Fall, in Mögeldorf, dem Hammer und Röthenbach. Eine der ältesten Ansiedelungen zur Ausnützung der dortigen vorzüglichen Wasserkraft wird wohl der Fabrikort Hammer bei Laufamholz sein. Hammer, sonst »auf dem Hof« genannt, bestand ursprüng­ lich aus einer Mahlmühle mit 3 Rädern und 6 Gängen, einem Gang für »Köchert«1) nebst 3 Hirsstämpfen, wozu der Bauerngarten und der Erich2) im Wasser gehörten. 1535 wird eine Schleif­ mühle, ein Kupferhammer und ein Eisenhammer erwähnt. Kupfer- und Eisenhammer wurden in einen Messinghammer umgewandelt (es wird 1562 als Hammerschmiedmeister Erhard Raab genannt), die Anlage umfaßte alle Werkstätten nebst Lager­ häusern, wie sie zur Anfertigung von Messing-, Tombakblechen sowie Draht und Rauschgold nötig waren, einschließlich der Wohngebäude für die Arbeiter und andere Einwohner. Die Bauart dieser Fabrikanlage ist den damaligen unsicheren Verhältnissen entsprechend eine vollständig geschlossene. Die Häuser sind nach den Außenseiten des Ortes zusammengebaut und bilden ein längliches Viereck. Die Gebäude laufen gegen Westen bis zu der an der Pegnitz liegenden Mühle zusammen­ hängend fort und sind nur durch ein Einfahrtstor unterbrochen, südlich ist eine weitere Reihe von Gebäuden aneinander gebaut, in deren Mitte sich das Wirtshaus befindet, ebenso ist gegen *) Sonst auch »Kochet« genannt, nach dem Idiotikon in der Nürn­ berger Stadtbibliothek Amb. 511, 40 »allerlei Mehl, welches man in Kästen zu Speisen sammelt und aufbewahret.« Hängt wohl mit Kochen zusammen. 2) Erich oder Aalfang, Vorrichtung mit Rechenbeim Mühlwehr zum Fischfang.

256 Osten, woselbst sich ein Ausfahrttor befindet, der Ort vollständig abgeschlossen, im Norden durch den Fluß und die Fabrikanlagen. Das Innere des Ortes besteht aus einem größeren freien Platz, einigen Straßen mit dem sogenannten Herrenhaus, dem früheren Schulhaus, Bäckerei und einigen weiteren Gebäuden. Geziert ist der Platz seit dem Jahre 1861 mit dem 1709 im ehemaligen Volckamerschen Garten in Gostenhof durch Christoph Volckamer errichteten Obelisk, welcher dem in Konstantinopel stehenden in 1/3 Größe nachgebildet ist. Dieser für sich abgeschlossene Fabrikort stand unter der Gerichtsbarkeit des Volckamerschen, später Forsterschen Patrimonialgerichts, welches die umliegenden Ortschaften Laufam­ holz, Malmsbach und Schwaig umfaßte, und wurde und wird, soweit es seinen inneren Teil betrifft, heute noch beinahe aus­ schließlich von den in der Messingfabrik Beschäftigten bewohnt. Nach Süden zu haben sich hauptsächlich die Distriktsstraße ent­ lang eine stattliche Reihe von Neuansiedlungen gebildet. Nach diesen Vorbemerkungen möchten wir nun darlegen, was in früheren Zeiten für Arbeitsfürsorge geleistet wurde, bitten dabei aber immer im Auge zu behalten, daß sämtliche Leistungen privater Natur waren und ganz allein auf den Schultern der Fabrikinhaber ruhten. Vor allem ist es die Wohnungsfrage. Dieser wurde durch Einzelwohnungen genügt, soweit es der Familienstand zuließ; zwischen dem Ein- und Ausfahrtstor finden wir eine Reihe niederer Häuser, nur Parterrewohnungen enthaltend. Jede dieser Wohnungen umfaßt Stube, Kammer, Küche und Boden­ raum, wurde mietfrei überlassen und kostenlos in der Zeit vor Pfingsten, der Kirchweih, ausgetüncht und der Ofen ausgebessert. Es zeichneten sich — auch heute noch — die Wohnungen der Inwohner durch peinliche Sauberkeit aus. Nach Westen und Osten wie im Innern sind größere Wohnungen für entsprechenden Familienstand im sogenannten Uhrenhaus im Erdgeschoß und ersten Stock, aber sämtlich mit eigenem Eingang. Zu den Wohnungen gehörte etwas Feld mit Kartoffelbau, auch zu einigen Geiß- und Schweineställe, alles mietfrei. Witwen von Arbeitern wurde nach dem Tode des Mannes, wenn es der Familienstand verlangte, ihre innegehabten Wohnungen



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belassen oder kleinere angewiesen, die sie ebenfalls mietfrei bis zu ihrem Tode behielten. Heute noch sind zwei in den 80 er Jahren stehende Witfrauen in dem freien Genuß ihrer Wohnungen und einer Pension. Es wird aus Vorstehendem ersichtlich, daß in früherer Zeit in der Nürnberger Industrie schon so manches zum Wohle der Arbeiter geleistet wurde, was allgemein erst die neuere Zeit bietet. Die Folge war damals, daß beide Teile in einem sehr guten Verhältnisse zu einander standen, Arme gar nicht vor­ kamen und eine gewisse Wohlhabenheit vorhanden war; meistens folgte der Sohn dem Vater in seinem Berufe, und so finden wir Namen durch 5—6 Generationen, welche in aufsteigender Stellung im Werke tätig waren und es noch sind. Gewöhnlich kehrten die jüngeren Leute nach geleistetem Militärdienst und Wanderschaft wieder nach Hause zurück. Ihre Ausbildung erhielten die Kinder der Arbeiter eben­ falls kostenlos in der Fabrikschule, für welche das Haus und Inventar wie der größte Teil des Gehaltes des Lehrers, der auch frei wohnte und im Genuß eines ziemlichen Stück Landes und Gartens war, von Seite der Fabrikinhaber gestellt wurden. Die Schule ging im Jahre 1865 an die Gemeinde Laufamholz über und war eine der besten der Umgegend. In Krankheitsfällen wurde Unterstützung geleistet, bei Unglücksfällen im Betriebe oder im Alter Invaliden- und Alters­ pension gewährt. Diese schönen humanen Einrichtungen wurden von den jeweiligen Besitzern pietätvoll gepflegt, und nur der Umschwung der Zeiten, die Einführung gleichartiger Gesetze veranlaßten und zwangen zur Annahme der neuen Bestimmungen. Immerhin ist aber damit der Beweis geliefert, wie sehr den früheren Wohlfahrtseinrichtungen alle damals mögliche Sorg­ falt zugewendet und sie trotz Kriegs und teurer Zeiten mit großen Opfern durchgeführt wurden. Auch heute noch wird den Arbeitern, wenn auch nicht mehr völlig freie, so doch außer Verhältnis billige Wohnung gewährt und der größte Teil ihres gesetzlichen Beitrages zur Kranken- und Invalidenkasse von dem dermaligen Inhaber der Fabrik getragen. Hammer bei Nürnberg. Chr. v. Förster, Privatier. --------------17

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Zur Abwehr. »Zur Abwehr. Antwort auf die Angriffe des Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. Gerhard Seeliger an der Universität Leipzig« betitelt sich ein Schriftchen, das der ordentl. Prof, der Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen Dr. Siegfried Rietschel im Jahre 1909 in die Welt sandte. Diese Schrift ging hervor aus der Meinung des Verfassers, von Prof. Seeliger »auf Grund einer unrichtigen Darstellung des Tatbestandes« in dessen »Studien zur älteren Verfassungsgeschichte Kölns« zu Unrecht angegriffen worden zu sein. Diese Angriffe stellen nach Rietschel »nur das letzte Glied in einer Kette von Angriffen dar, die Seeliger in den letzten zwei Jahren gegen ihn gerichtet hat, von Angriffen, die, unter sich durch kein sachliches Band zusammengehalten, sämtlich den Zweck verfolgen, seine wissen­ schaftliche Persönlichkeit herabzuwürdigen, und die schließlich dabei von Mitteln Gebrauch machen, welche unbedingt Miß­ billigung verdienen«. So im Vorwort von Rietschels »Abwehr«. Darauf und auf die in der Schrift selbst gegen Prof. Seeliger gerichteten Angriffe etwas zu sagen, kann nicht in meiner Absicht liegen, sie berühren mich nicht, und Seeliger hat, wie nicht anders zu erwarten, Prof. Rietschel in der Historischen Viertel­ jahrsschrift 1909, S. 98—107 in gebührender Weise geantwortet. Ich habe nur deshalb das Wort zu ergreifen, weil Rietschel auch mich in den Streit hineingezogen hat. In drei Fällen hat Seeliger nach ihm die Gelegenheit ergriffen, in Rezensionen in der von ihm herausgegebenen Hist. Vierteljahrsschrift gegen ihn in unberechtigter Weise vorzugehen. In einem Falle war es aus Anlaß eines kleinen Aufsatzes »von Mummenhoff, Die älteste Stadtbefestigung Nürnbergs, der in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 17, S. 319—338 erschienen ist«. »Während die Untersuchungen über die älteste Ummauerung der deutschen Städte«, fährt Rietschel fort, »die ich in meinem Buche »Das Burggrafenamt« veröffentlichte, im übrigen in der lokalgeschichtlichen Forschung Dortmunds, Frankfurts, Braunschweigs und anderer deutscher Städte freudige Zustimmung fanden, stießen sie auf den Widerspruch des Nürnberger Historikers Ernst Mummenhoff, der sie lebhaft bekämpfte und ihnen — übrigens ohne wesentliches neues Material beizubringen —

259 seine eigenen älteren, auch innerhalb der Nürnberger Lokalforschung höchst bestrittenen Ansichten über die Entstehung der Nürnberger Stadtbefestigung entgegenstellte. Erscheint es schon seltsam, daß dieser in einer lokalen Zeit­ schrift erschienene, rein lokalgeschichtliche, ganze 20 Seiten lange Aufsatz der Ehre einer besonderen Besprechung in der Hist. Vierteljahrsschrift gewürdigt wurde, so bleibt es völlig unerklärlich, worauf Seeliger, der sich nie mit Nürnberger Geschichte oder mit der Frage der Ummauerung der deutschen Städte beschäftigt hat, seine Kompetenz, in dieser Streitfrage den Schiedsrichter zu spielen, gründet« etc. Man wird es wohl kaum auffallend finden, wenn ich auf diese neuerlichen Anzapfungen Rietschels hin an der Stelle, wo ich auch meine früheren Ausführungen gegen Rietschels Angriffe veröffentlichte, mich äußere. Ich bemerke zunächst folgendes. Meine Entgegnung erschien schon in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg im Jahre 1906. Seitdem sind über vier Jahre ins Land gegangen und Rietschel hat sich bis auf den heutigen Tag noch nicht gerührt, um meine Ausführungen zu entkräften. In seiner Abwehr (1909) bemerkt er zwar S. 5, Anm. 1: »Wenn ich bisher auf die m. E. unzutreffenden Ansichten Mummenhoffs nichts erwidert habe, so hat das seinen Grund einmal in der Überlastung mit anderen Arbeiten, dann aber in der mir zuge­ kommenen Mitteilung, daß Mummenhoff eine neue größere Arbeit über den Gegenstand vorbereite«. Man sollte doch annehmen dürfen, daß Herr Professor Rietschel in einer Sache, die ihn und nur ihn angeht, in der ich seine lokalgeschichtliche Unkenntnis und Verwirrung an der Hand der Quellen und des topographischen Tatbestandes nach­ gewiesen und sein System angegriffen habe, endlich einmal trotz Überlastung auch mit anderen Arbeiten etwas Zeit gefunden hätte, meine »unzutreffenden Ansichten« zurückzuweisen. Ich warte immer noch darauf, aber meine Hoffnung, von ihm einer Entgegnung gewürdigt zu werden, schwindet von Tag zu Tag. Wenn er dann weiter bemerkt, ich bereite »nach der ihm zugekommenen Mitteilung eine neue größere Arbeit über den Gegenstand vor«, so ist mir selbst über diese mir zugeschriebene 17*

260 Absicht auch nicht das Geringste bekannt. Rietschel ist hier ganz und gar falsch unterrichtet worden und es will scheinen, als ob sein Gewährsmann, wie es ja zuweilen vorkommt, seine rein subjektive Annahme als eine feststehende Tatsache aus­ gegeben hätte. Etwas mehr Sorgfalt in der Auswahl der Quelle wäre in solchen Fällen doch dringend anzuraten. Rietschel behauptet weiter in dem mich betreffenden Teil seiner Ausführungen, seine Untersuchungen über die älteste Um­ mauerung der deutschen Städte hätten in der lokalgeschichtlichen Forschung Dortmunds, Frankfurts, Braunschweigs und anderer deutscher Städte freudige Zustimmung gefunden, nur ich hätte sie lebhaft bekämpft. Bezüglich Dortmunds ist es ja richtig, daß man dort von der früheren Ansicht, die die Nachricht von der Wiederherstellung Dortmunds in der Chron. Col. von 1115 auf die Stadt bezog, wieder abgekommen ist und jetzt die Ummauerung in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts setzt1). Aber eine Umwallung nimmt die lokalgeschichtliche Forschung Dortmunds auch für die frühere Zeit an. »Als in Dortmund der Rat die Regierung in die Hand nahm, bot der Ort schon das äußere Bild einer Stadt: gedrängte Anordnung der Wohnhäuser in Straßen um den Markt und ohne Zweifel eine Umwallung. Mag auch die ansehnliche Stadtmauer erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet sein,2)3 Wall und Graben mit Pallisadenzaun hatte die reiche Ansiedlung jedenfalls schon lange Zeit früher — setzt doch der Sachsenspiegel voraus, daß jedes Dorf umwallt ist«. In Frankfurt hält man heute noch an den Ergebnissen fest, die die dortige lokalgeschichtliche Forschung gewonnen hat: der Kern der Altstadt wurde in der Karolingerzeit befestigt, die erste Erweiterung erfolgte um 1150, die zweite, die man Neu­ stadt nennt, von 1333 an.*) *) Dr. P. Baedeker, Richter und Gericht im alten Dortmund, in den Beiträgen zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark XVII, 237 2) Baedeker a. a. O. S. 237. Mit voller Überzeugung kann sich dem­ nach — man bemerke das »Mag auch etc.« — unser Gewährsmann immer noch nicht zu der Meinung bekennen, daß die Stadtmauer erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sei. 3) Wolff und Jung, die Baudenkmäler in Frankfurt a. M. 1898. 2. Bd., S. 1 ff..

261 Für Braunschweig stellen die dortigen Lokalforscher H. Mack und H. Meier fest, daß die Altstadt Braunschweig schon vor Heinrich dem Löwen befestigt gewesen ist.1) H. Meier nimmt eine Befestigung der Altstadt schon im 11. Jahrhundert an und legt es Rietschel auch sonst noch nahe, seine vor 11 Jahren aufgestellte Theorie zu revidieren.2) Neuerdings stellt sich Püschel in seinem schon erwähnten vortrefflichen Buche über das »Anwachsen der deutschen Städte« auf den Standpunkt, daß schon Heinrich der Löwe die von ihm angelegte neue Stadt, den Hagen, sogleich durch Be­ festigungen sicherte und daß außer dem Braunschweigischen Reimchronisten auch die Annales Stadenses z. J. 1166 einen Mauerbau erwähnen.3) Rietschel gegenüber aber, der nach Fritz die planmäßige Gründung Braunschweigs wie bei den ostelbischen Städten wegen ihrer planmäßigen Bebauung behauptet und das des genaueren ausführt, zeigt Püschel4) ebenso, wie die beiden schon genannten Braunschweiger Lokalforscher erwiesen haben, daß »der Plan keineswegs die regelmäßige Anlage der bisher behandelten Kolonialstädte« ersehen lasse. Wie Rietschel sich in dem Traume wiegen kann, seine Ausführungen hätten in den drei genannten Städten freudige Zustimmung gefunden, ist nach dem Gesagten nicht recht be­ greiflich. Frankfurt hat ihm gegenüber noch gar keine Stellung genommen, sich noch in keiner Weise geäußert, in Braunschweig tritt ihm ganz energischer Widerspruch entgegen und auch in Dortmund kann von einer freudigen Zustimmung nicht die Rede sein, in die Öffentlichkeit ist davon zum wenigsten noch nichts gedrungen. *) Braunschweigisches Magazin 1906, Nr. 11 und 1908, Nr. 12. 2) Braunschweigisches Magazin 1906, S. 123, 1908, S. 167. Auch sonst werden Rietschel Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten nachgewiesen, z. B. a. a. O. S. 161 von Mack. In der Braunschw. Landeszeitung vom 14. No­ vember 1908, Nr. 537 bemerkt dieser wohlunterrichtete und gewissenhafte Forscher in dem Artikel: Zur Frage nach der Entstehung der Stadt Braunschweig in Anm. 5: »Die widersprechenden Behauptungen Prof. Rietschels können mich nicht veranlassen, den Einfluß der natürlichen Verhältnisse auf die Entstehung der deutschen Städte und insbesondere Braunschweigs außer Rechnung zu stellen«. 3) a. a. O. S. 71, 72, 73. 4) S. 70, 71.

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Bezüglich der sonstigen Städte, die gleichfalls ihre freudige Übereinstimmung zu Rietschels Untersuchungen über die älteste Ummauerung der deutschen Städte kundgegeben, kann ich noch nichts sagen, da Rietschel sie nicht nennt. Im übrigen handelt es sich bei den drei genannten Städten nur um die Zeit, nicht aber auch um die Art und Weise der Anlage der ältesten Befestigung, wegen der ich ganz besonders — R. behauptet, daß zuerst die Neustadt St. Lorenz und im Anschluß daran erst die Altstadt St. Sebald in Nürnberg um­ mauert worden sei — gegen R. auftreten mußte. Wenn er noch meint, ich hätte ihn bekämpft, ohne wesent­ lich neues Material beizubringen, so befindet er sich doch in einem großen Irrtum. Um ihm darzutun, daß er bezüglich der Entwicklung der Stadt Nürnberg eine ganz unzutreffende Ansicht hat, des Annalisten Müllners Darlegung des Laufes der zweiten Befestigung auf eine falsche Zeit bezieht, daß er sich unverzeih­ liche topographische Verstöße in ganz elementaren Dingen aus purer Unkenntnis der Nürnberger Verhältnisse zu schulden kommen läßt, daß er den Begriff burgum viel zu enge faßt, daß seine über die Befestigung von Regensburg beigebrachten Nachrichten unvollständig sind etc., konnte ich doch mancherlei — wenigstens für ihn — neues Quellenmaterial vorführen und hätte es noch weiter ergänzt, wenn ich nicht hätte fürchten müssen, allzu weit­ läufig zu werden. Und auch für Nürnberg habe ich manches beigebracht, was Rietschel nicht bekannt war. Und wer, dem es um die Klarstellung der Sache selbst zu tun ist, wird es mir verdacht haben, daß ich auf schon früher von mir Vorgebrachtes wieder zurückgriff, das in den ent­ scheidenden Punkten doch von mir zuerst aus den Quellen geschöpft worden war. Ich bedurfte dieses Materials, um ihn zu widerlegen, oder vielmehr, um die tatsächlichen Verhältnisse klarzulegen, und konnte es nicht etwa deshalb beiseite lassen, weil ich es schon an anderer Stelle und in anderem Zusammen­ hänge veröffentlicht hatte. Es kommt doch wohl einzig und allein darauf an, daß das Vorgebrachte auch beweisend sei. Und das steht für jeden fest, der die historisch-topographischen Verhältnisse Nürnbergs auch nur einigermaßen kennt.

263 Es ist auch nicht an dem, daß meine Ansichten über die Entstehung der Nürnberger Stadtbefestigung, wie R. behauptet, »auch innerhalb der Nürnberger Lokalforschung höchst bestritten seien«. Mit solchen Gründen kämpft man nicht, und ein Forscher, der auf einer Warte steht wie Universitätsprofessor Dr. R., sollte sich solcher Waffen enthalten, die für einen ehrlichen Kampf ungeeignet und im übrigen stumpf sind. Eine Differenz wegen des Zuges der ältesten Stadtmauer besteht nur für den kleinen Teil vom Malertor bis zum Wolfsgäßchen zwischen mir einer­ und Dr. Schäfer und Max Bach andererseits, die mit mir im übrigen bezüglich des Bestehens dieser ältesten Befestigung, die R. verwirft, völlig einig sind, ja auf mich fußen. Es würde mich daher sehr interessieren, welche Nürnberger oder sonstige Forscher R. noch nennen kann, die meine Aufstellungen bezüglich der Entstehung der Nürnberger Stadtbefestigung bestritten haben. In seinem »Burggrafenamt« bemerkt R. gleich zu Anfang des Vorworts, »daß nur eine Verbindung von lokaler und all­ gemeiner Geschichtsforschung imstande ist, eine gesicherte Lösung der stadtverfassungsgeschichtlichen Probleme zu bringen«. Das ist gewiß ein wahres und beherzigenswertes Wort. Aber der­ jenige, der ein so schweres Problem zu lösen sich vorsetzt, muß vor allem die Lokalgeschichte und die lokalgeschichtliche Forschung von wo er zu einer allgemeinen Darstellung emporsteigen will, aus dem Grunde kennen und beherrschen. Vor allem aber darf man von ihm verlangen, daß ihm belangreiche Irrtümer und Verstöße nicht begegnen, die das Bild, das er zeichnen will, verwirren und entstellen und das dann bei der Autorität des Urhebers von Nachbetern gern als echt und ungetrübt hin­ genommen wird. ' _ „ b Dr. E. Mummenhoff.

Die Weiher im Ursprungtal. Außer dem Ratsverlaß über die 5 Weiherlein im Ursprung vom 10. Juli 1537, den ich S. 199, Anm. 1 mitgeteilt habe, finde ich nachträglich noch einen Verlaß des Landpflegamts vom Jahre 1535 in meiner Sammlung, der hier noch eine Stelle finden möge.

264 1535 Februar 13. Die fünf weier im Ursprung hinter Leinpurg wollen Hans Haubner und Jorg Gräber miteinander auf zehen jarlang die nechsten bestandsweise annemen, dieselben an schlegeln, rinnen, casten, dämmen und sunst mit aller noturft uf iren costen erhalten, doch das man inen holz zu solchem geben solt und das man inen auch darzu lassen solt die zwo vischgruben oder vorhenweierlein beim Altenfurt, von solchem allem wolten sie einem erbern rat jerlich und jedes jars besonder auf Michaelis 10 fl. zins geben, und das man inen auch die speisvisch, so noch in den weiern sein, darzu wol volgen lassen tc. Das hat Jorg Gräber den herrn also ut supra angesagt, ist auf der herrn bedenken angestelt samstag 13. februarii anno tc. 1535. Landpflegamts-Memorial im kgl. Kreisarchiv Nürnberg I, S. 22.

1520—1535.

Dr. E. Mummenhoff.

Literatur. Nürnbergs Ursprung und Alter in den Darstellungen der Geschichtschreiber und im Licht der Geschichte. Von Dr. Ernst Mummenhoff, Archivrat. Mit zwei Plänen. Nürn­ berg. Verlag von J. L. Schräg 1908. 8°. VIII und 142 S. So gründlich und erschöpfend ist wohl die Frage nach dem Ursprung und Alter der Stadt Nürnberg noch nicht unter­ sucht worden wie in der oben angezeigten Abhandlung des dazu freilich auch ganz besonders berufenen Archivars der Stadt Nürnberg, wohl des besten Kenners der Nürnberger Lokal­ geschichte. Noch nie ist aber auch so überzeugend dargetan worden, daß die Sage von dem hohen Alter der Stadt, von ihrem römischen, keltischen oder slavischen Ursprung nur der Kombination und Einbildungskraft unkritischer Historiker ent­ sprungen ist und daß nichts zu der Annahme berechtigt, daß die Stadt schon vor der Gründung des Bistums Bamberg durch Kaiser Heinrich II. im Jahre 1007 entstanden ist. Der Verfasser hat sich zur Aufgabe gemacht, zunächst einmal in kurzen, aber scharfen Umrissen die Hypothesen aller namhafteren Historiker, welche sich mit der frühesten Geschichte der Stadt beschäftigt haben, von Sigmund Meisterlin an bis auf die Gegenwart im Zusammenhang darzustellen und ihre Unhaltbarkeit nachzuweisen. Sigmund Meisterlin, der gelehrte Benediktinermönch und nach­ malige Pfarrer an verschiedenen Orten, hat zuerst in lateinischer Sprache unter dem Titel Exaratio rerum gestarum inclitae civitatis Neuronbergensium eine Nürnberger Geschichte geschrieben, die er im Jahre 1485 vollendete und der er im Jahre 1488 eine deutsch geschriebene Cronica der Stadt Nürnberg folgen ließ. Er sieht die Stadt als eine Gründung des römischen Feldherrn Tiberius Claudius Nero an, den Kaiser Oktavian gegen die Pannonier, die Goten, Vandalen, Illyrier und andere wilde Völker, insbesondere aber den König von Thüringen aussandte, um sie niederzuwerfen, und der im Jahre 12 vor Christi Geburt bei

266 einem Felsen in einer Ebene im Wald sein Lager aufgeschlagen, einen Turm zu bauen angefangen und dann die Stadt gegründet haben soll, die er nach seinem Namen Neronberg getauft habe. Dabei beruft er sich auf Eusebius, Sueton und Strabo, von denen aber keiner das erzählt, was Meisterlin aus ihnen ent­ nommen haben will. Seine Erfindung war’s, die der phantasie­ reiche Historiker als historische Wahrheit auftischte und an der seine Nachbeter lange festhielten. Eine andere Fabel rührt von dem Prior des Klosters Ebersberg Veit Arnpeck her, dem Verfasser eines Chronicon Bajoariorum bis 1495, der Nürnberg auf Grund mittelalterlicher Quellen als eine Gründung des Noricus, des Sohnes eines deutschen Herkules, angesehen wissen will. Aventin, der Vater der bayerischen Geschichte, übernahm diese Sage vom Alman, dem deutschen Herkules, und seinem Sohne Norikus oder Norein, der dem Noreinsberg seinen Namen gegeben habe. Eine andere Erzählung, welche die Stadt Nürn­ berg als Gründung der von den Hunnen vertriebenen Noriker angesehen wissen will, also ihren keltischen Ursprung behauptet, wurde auf Grund älterer Überlieferungen von Konrad Celtis, dem gekrönten Poeten, in seinem de origine situ, moribus et institutis Norimbergae libellus übernommen und poetisch aus­ geschmückt und fand bei dem Ansehen, das dieser Schriftsteller genoß, unter den Nürnberger Historikern lange Zeit gläubige Anhänger. Schon zu des Nürnberger Ratschreibers und Annalisten Johannes Müllners Zeiten waren die Meinungen der Gelehrten über das Alter und den Ursprung Nürnbergs so verschieden­ artig und einander so widersprechend, daß dieser sich nicht getraute, sich entschieden für die eine oder die andere zu erklären. Brandenburgische, ansbachische und preußische Schrift­ steller, wie Johann Peter Ludwig, dann Johann Heinrich von Falckenstein etc. traten zuerst dem allgemeinen Glauben an das hohe Alter der Stadt auf das entschiedenste entgegen und wiesen darauf hin, daß sie von den ältesten deutschen Geschichts­ schreibern nicht vor dem Jahre 1072 genannt werde. Mit ihnen war der Altdorfer Professor der Rechte Johann Christian Sieben­ kees der erste, der kritisch zu Werke ging und sich auf den Boden der urkundlichen Forschung stellte. Nach ihm kann Nürnberg nicht früher als im 11. Jahrhundert entstanden sein.

267 Daran haben auch die neueren, ernst zu nehmenden Lokal­ forscher festgehalten, wenn es auch gerade in neuerer Zeit nicht an Versuchen gefehlt hat, aus dem Namen der Stadt deren slavischen Ursprung abzuleiten oder die alte Fabel von ihrer Gründung zu der Römer Zeiten wieder aufzuwärmen. Im zweiten Abschnitt seiner Abhandlung geht dann Mummenhoff zur Untersuchung der Frage über, was denn die Geschichte über das Alter und den Ursprung der Stadt und was sie zunächst über den Beginn der Besiedlung ihrer Umgebung, des Reichs­ waldgebiets, weiß, und führt an der Hand der Urkunden, die wir noch besitzen, den schlagenden Beweis, daß, weil erst in einer Urkunde Kaiser Heinrichs II. vom 13. November 1021 das nächste Gebiet nördlich von Nürnberg erwähnt ist und in einer weiteren Urkunde vom gleichen Datum berichtet wird, daß die zum Hofe Aurach gehörigen Ansiedler dem bayerischen Rechte unterworfen waren, mit zwingender Notwendigkeit ange­ nommen werden müsse, daß es deutsche, im besonderen bayerische Kolonisten waren, welche in der Waldgegend nördlich von Nürnberg angesiedelt worden waren, wofür auch die Namen der in diesen Urkunden angeführten Ortschaften sprechen, ferner daß diese Ansiedlungen kaum vor Gründung des Bistums Bamberg im Jahre 1007 entstanden sein können, mit der erst eine rege deutsche Pionierarbeit in den von Slaven besetzten Gegenden des Frankenlandes begonnen habe, daß aber nach einer weiteren undatierten Urkunde des Bischofs Eberhard von Bamberg (1007 bis 1040), mit welcher er den Hof Aurach an die Kanoniker des Bistums schenkte, die Pertinenzien des Hofes auf der anderen Seite der Regnitz in terra et terminis Franchorum, im Land und Gebiet der Franken, gelegen waren, daß ferner im höchsten Maße wahrscheinlich sei, daß Nürnberg gleichzeitig mit diesen offenbar erst kurz vor der Schenkung entstandenen Ansiedlungen entstanden ist, zumal auch Mögeldorf in Urkunden aus den Jahren 1025 und 1030 zuerst genannt wird, und daß, wenn Heinrich III. im Jahre 1050 in Nürnberg — in suo fundo — also in seinem Eigenbesitz — die Fürsten von ganz Bayern versammelt, um mit ihnen über die gegen die in die Ostmark eingefallenen Ungarn zu ergreifenden Maßregeln zu beschließen, Nürnberg doch nicht erst unmittelbar vorher gegründet worden sein kann, sondern

268 damals schon ein Ort von einer gewissen Bedeutung mit einer festen Burg gewesen sein muß, daß also der Schluß gerechtfertigt sein dürfte, daß der Ausbau des Orts zu einer festen Burg in die Zeit von 1030 bis 1050 falle. Höchst verdienstlich ist nun die sorgfältige Untersuchung, welche der Verfasser im dritten Abschnitt seines Buches über die Burg anstellt, über­ zeugend die Darlegung, daß die heute nicht mehr existierende Burggrafenburg mit dem fünfeckigen Turm die ältere und ursprüngliche Kaiserburg gewesen, auf der der Burggraf als Stellvertreter des Kaisers saß, die heutige Kaiserburg aber erst später entstanden ist, durchaus zutreffend die Schlußbehauptung, daß Gegend, Burg und Stadt von Nürnberg weder römische, noch keltische, noch endlich slavische Gründungen waren, sondern urdeutsch und im besonderen bayerisch. Mummenhoff hat seiner Abhandlung noch vier Exkurse angehängt, die höchst dankens­ wert sind, auf die wir aber, um den uns zur Verfügung gestellten Raum nicht zu überschreiten, leider nicht näher eingehen können. Sie behandeln Johann Miillners, des bekannten Ratschreibers, Annalen, Lochners, des trefflichen Nürnberger Lokalhistorikers, Meinungen über Alter und Ursprung Nürnbergs, dann den fünf­ eckigen Turm, das älteste Bauwerk Nürnbergs, das man viel­ fach als ein wohlerhaltenes Werk der Römer angesehen wissen wollte, und endlich Graf Konrad von Dornberg, den angeblichen ersten Castellanus der Reichsburg zu Nürnberg. Durch Beigabe von Urkunden und historischen Ortsbeschreibungen hat der Verfasser die Beweiskraft seiner Behauptungen wesentlich ver­ stärkt, in Anmerkungen und Erläuterungen aber sind auf das gewissenhafteste die nötigen literarischen Nachweise für die in der Abhandlung aufgestellten Behauptungen gegeben. Nicht unerwähnt darf endlich bleiben, daß dem Buche nach trefflichen Zeichnungen des Architekten H. J. Dennemarck zwei Tafeln bei­ gegeben sind, welche den Grund- und Aufriß des Erdgeschosses des fünfeckigen Turms und einen Situationsplan der ganzen Burganlage in anschaulicher Weise wiedergeben. —ss.

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Die St. Georgenkirche in Kraftshof. Von Dr. Fritz Traugott Schulz. Mit 35 Abbildungen auf 21 Tafeln (Studien zur Deutschen Kunstgeschichte Heft 107). Straßburg, J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 1909. 8°. 67 Seiten. Noch nicht vielen Dorfkirchen wird eine so verständnis­ volle und gründliche Würdigung zuteil geworden sein wie der alten Pfarrkirche in dem zwischen Nürnberg und Erlangen ge­ legenen Dorfe Kraftshof in der oben genannten Monographie. Freilich bieten auch nicht viele Landkirchen so reiche Schätze an kunsthistorisch interessanten Einzelheiten wie gerade diese Kirche. Schon ihre Lage inmitten eines mit Mauern und Türmen wohlbefestigten Kirchhofs reizt das Interesse des Altertumsfreunds. Im Innern aber ist das vom Stammvater eines alten Nürnberger Patriziergeschlechts in den Jahren 1308 bis 1315 erbaute und 125 Jahre später von dessen Urenkel wesentlich erweiterte Kirch­ lein so reich an bemerkenswerten Kunstgegenständen der ver­ schiedensten Art, daß sich die eingehende Beschäftigung mit ihm und seiner Geschichte wohl verlohnt. Gegen Ende des 13. Jahr­ hunderts taucht ein Fritz Kreß, dessen Voreltern im Vogtlande und vorher in Böhmen bei Eger ansässig gewesen sein sollen und der mit Margareta Strobel, einer Tochter des Ritters Konrad Strobel von Atzelsberg, vermählt war, als Lehensmann der Herren von Berg vom Altenberg und Besitzer des Burgstalls in Krafts­ hof auf. Er faßte den Plan, in der Nähe seines Sitzes sich eine Kapelle zu bauen, in der er begraben sein wollte. So entstand das Kirchlein in Kraftshof. Seine Nachkommen erwarben das Bürgerrecht in dem benachbarten Nürnberg und wurden rats­ fähig. Das Landgut in Kraftshof aber verblieb mit einer kurzen Unterbrechung im Besitz seiner Nachkommen und ist heute noch nach Ablauf von fünf Jahrhunderten im Besitz der jetzt Frhrl. von Kressischen Familie. Da aber die Kressen schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts vom Pfarrer von St. Sebald in Nürnberg zu obersten Gotteshauspflegern über die Kirche zu Kraftshof ein­ gesetzt worden waren, wandten sie zu allen Zeiten der von ihrem Vorfahren gestifteten Kirche ein warmes Interesse zu, und ihren zahlreichen Stiftungen verdankt dieselbe ihre reichen Schätze an Kunstdenkmälern. Im Laufe des 18. Jahrhunderts durch ein Tauschgeschäft mit der Reichsstadt Nürnberg auch in den Besitz

270 des Patronats gelangt, hat die Familie auch heute noch die mannigfachsten Beziehungen zu dem Kraftshöfer Kirchenwesen. Es ist erklärlich, daß sich in ihrem Familienarchiv erschöpfende Aufschlüsse über die Geschichte der Kirche finden lassen. Ein Glied des Geschlechts, Herr Marx Christoph Kreß von Kressen­ stein, hat sich im 17. Jahrhundert recht eingehend mit diesen Archivalien beschäftigt und eine recht wertvolle Beschreibung der Kirche geschrieben, welche im Manuskript vorhanden ist. Mit großer Sorgfalt und Umsicht hat der Verfasser aus diesen Quellen geschöpft und sie durch genaues Studium des Bauwerks und seiner Kunstdenkmäler ergänzt und vervollständigt. In drei Abschnitten behandelt er seinen dankbaren Stoff. Im ersten schildert er die äußere Geschichte der Kirche, der zweite be­ schäftigt sich mit ihrer baugeschichtlichen Entwicklung, der dritte ist ihrer Innenausstattung und ihren Kunstdenkmälern gewidmet. Überall verrät sich die reiche Erfahrung, welche sich der Ver­ fasser auf dem Gebiete der Inventarisation durch seine Bearbeitung der Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Nürnberg zu eigen gemacht hat. Mit wohltuender Sicherheit geht er allen Spuren nach, welche Anhaltspunkte für die mancherlei baulichen Ver­ änderungen an der Kirche im Laufe der Jahrhunderte und für die Entstehungszeit ihrer Kunstdenkmäler bieten. Wertvolle Nachweise über die einzelnen Stifter der letzteren bringt er bei. Man sieht, das Buch ist mit Lust und Liebe geschrieben, und so ist es nicht etwa nur für die nächstbeteiligte Familie wertvoll, sondern ein recht schätzbarer und dankenswerter Beitrag zur Nürnberger Kunstgeschichte überhaupt geworden. Eine ganze Reihe von hochinteressanten Abbildungen ist dem Werkchen auf 21 Tafeln beigegeben, teils Wiedergaben alter zeichnerischer oder in Kupfer gestochener Aufnahmen und Situationspläne, teils neuer vom Verfasser selbst oder der Kunstanstalt von Müller in Nürnberg photographisch aufgenommener oder von Herrn Architekt H. J. Dennemarck vortrefflich gezeichneter Einzelheiten, wobei wir nur bei einigen bedauern müssen, daß das Format zu klein ist, als daß sie scharf genug die Originale wiedergeben könnten. Das Buch zeigt aber aufs neue, wie viel des historisch und kunstgeschichtlich Wertvollen auch in der Umgebung von Nürn­ berg zu finden ist, und wird gewiß so manchen Kunst- und

271 Altertumsfreund verlocken, doch einmal auch dem überaus malerischen Kirchhof und der altehrwürdigen Kirche in Kraftshof einen Besuch abzustatten, der ihn nicht gereuen wird. — ss.

Die Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Geschichte der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des deutschen Humanismus und der medizinischen Literatur von Dr. Richard Stäuber. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Dr. Otto Hartig, Assistent an der Kgl. Hof- und Staats­ bibliothek in München. Freiburg i. Br., Herder. 1908. A. u. d. T.: Studien und Darstellungen aus dem Gebiete der Geschichte . . . herausgegeben von Dr. Herrn. Grauert . . . VI. Bd., 2. und 3. Heft. XVI und 277 S. Der Verfasser dieses verdienstlichen Buches ist nicht mehr am Leben. Geboren am 9. März 1879 zu Freising, stand Dr. Richard Stäuber 4lU Jahre im Dienst der Hof- und Staats­ bibliothek in München, seine Stelle als Assistent an der kgl. Bibliothek in Bamberg, wohin er im Frühjahr 1907 versetzt wurde, hat er kaum angetreten. Eine Lungenkrankheit raffte ihn am 1. Juni 1907 dahin. Wir entnehmen Vorstehendes dem warmen Nachruf, den Grauert dem verstorbenen Verfasser, dem er die Anregung zu seinem interessanten Thema gegeben hatte, gewidmet hat. Grauerts Hand begegnen wir auch gelegentlich in den Anmerkungen, insbesondere aber in einem wertvollen Exkurs am Schlüsse des Buches. Stäuber hatte in einer aus der Schedelschen Bibliothek stammenden geographischen Inkunabel eine lateinische Niederschrift Hartmann Schedels über den Behaimschen Globus gefunden, woraus er den Schluß ziehen zu müssen glaubte, daß Hartmann »bei der Herstellung dieses berühmten Werkes einen wesentlichen Anteil genommen habe«. Er hatte aber auch erkannt, daß ein größerer Teil dieser Nieder­ schrift wortwörtlich aus der »Asia« des Aeneas Sylvius abge­ schrieben ist. Grauert stützt diese Behauptung, indem er in seinem Exkurse den Abdruck der Schedelschen Aufzeichnung, den schon Stäuber im Text gegeben hatte, noch einmal mit einigen Verbesserungen wiederholt und diesem die in Betracht

272 kommenden, von Stäuber nur teilweise angemerkten Parallel­ stellen aus der Asia gegenüberstellt. Wenn er aber dann weiter darauf aufmerksam macht, daß Aeneas im Pluralis majestatis schreibt, daß also bei Schedel, der ihm so sklavisch folgt, auch dort, wo es darauf ankommt, der Plural vielleicht nichts zu bedeuten habe, so werden auch wir mit Grauert an Schedels Mithilfe beim Behaimschen Globus doch etwas irre. Auch der neueste Biograph Martin Behaims, der Deutsch-Engländer E. G. Ravenstein, macht, was allerdings noch nichts beweist, von einer Mitarbeiterschaft Schedels nicht viel Aufhebens. Schade übri­ gens, daß Ravenstein und auch Stäuber auf die Schedelsche Notiz nicht näher eingegangen sind. Sie hätte es verdient, weil eine Stelle darin recht schwer zu verstehen ist. Auch über das gleichfalls von Stäuber in einer Abschrift Hartmann Schedels aufgefundene Brieffragment des Nürnberger Arztes Dr. Hieronymus Münzer an König Johann II. von Portugal, worüber er schon in einem längeren Artikel im Historischen Jahrbuch (Band 29, S. 304 ff.) gehandelt hatte, macht Grauert weitere bemerkenswerte Ausführungen. Allerdings kann ich diesem Schreiben — Münzer fordert darin den König von Portugal auf, den Ozean nach Westen zu durchqueren, um so das Reich China aufzufinden, wozu er sich des Martin Behaim bedienen solle — nicht die Bedeutung zusprechen, die ihm Grauert beilegt. Der Brief ist am 14. Juli 1493 geschrieben, Kolumbus landete aber schon am 4. März dieses Jahres in Lissabon. Es fällt schwer anzunehmen, bei den regen Handels­ beziehungen der Nürnberger Kaufleute, daß die Kunde von dieser denkwürdigen Reise im Laufe von mehr als vier Monaten nicht bis Nürnberg gedrungen sein sollte. So kommt der Brief Münzers doch etwas sehr post festum. Immerhin aber sind es zwei für die Gelehrtengeschichte und zwar nicht nur für die nürnbergische sehr interessante Beiträge, die wir Stäubers von Finderglück belohnten Bemühungen verdanken. Neben Grauert hat sich um die Herausgabe der Stauber­ schen Arbeit besondere Verdienste erworben Dr. Otto Hartig, ein Freund des Verstorbenen. Ihm lag die Nachprüfung des Manuskripts sowie die mühsame Korrektur ob. Hartig hat sich dieser Aufgabe sehr zur Zufriedenheit erledigt.

273 Unter der Schedelschen Bibliothek ist eigentlich nur die des Dr. Hartmann Schedel zu verstehen. Sein Sammeleifer in der Erwerbung von gedruckten Büchern und Handschriften ist bekannt, was er sich nicht kaufte, hat er, wenn es ihn interessierte, selber mit einem bis ins hohe Alter unermüdlichen Fleiße abge­ schrieben oder sich wenigstens Auszüge daraus gemacht. Die hohe archäologische Bedeutung seines von ihm selbst als liber antiquitatum cum epigrammatibus bezeichneten Inschriftenwerks über Italien haben Otto Jahn, Wattenbach u. a. hervorgehoben. Die Verbreitung geschichtlicher Kenntnisse unter den Zeitge­ nossen hat seine mächtige Chronik nicht unwesentlich fördern helfen. In die Bibliothek Hartmann Schedels sind aber auch eine Anzahl Bücher übergegangen aus dem Nachlaß seines Vetters, nicht Oheims, wie man bisher angenommen hat, Hermann Schedel (geboren 1410 zu Nürnberg, gestorben daselbst am 4. De­ zember 1485). Stäuber schildert nun auf den ersten 101 Seiten den äußeren Lebensgang, die Familienverhältnisse, die Geistesrichtung, vor allem aber die allmähliche Entstehung der Biblio­ theken dieser beiden Bibliophilen. War letzteres wesentlich nur auf Grund von Einträgen oder von gewissen Indizien in den derzeit noch nachweisbaren Bänden aus Schedelschem Besitz möglich, so bot für die Familienverhältnisse eine in der kgl. Bibliothek in Berlin aufbewahrte Handschrift, auf die Dr. Emil Jacobs, Biblio­ thekar an genannter Bibliothek, den Verfasser hingewiesen hat, eine sehr willkommene Ausbeute. Ein Eintrag darin belehrt uns, daß Hartmanns Enkel Melchior Schedel als voraussichtlich letzter seines Stammes*) 1552 die auf ihn gekommene »Liberey« an Hans Jakob Fugger in Augsburg um 500 Gulden verkaufte. Herzog Albrecht der V. von Bayern, der Begründer der Hofund Staatsbibliothek in München, hat also nicht, wie man bisher annahm, die Schedelsche Bibliothek direkt von den Erben, sondern erst auf einem Umweg durch den Kauf der Bibliothek des genannten Hans Jakob Fugger erworben. Der Verfasser weist aber nach, daß schon an Fugger nicht die ganze alte Schedelsche Bibliothek übergegangen, daß vielmehr schon vor­ her ein Teil der Bücher aus Hartmanns Besitz veräußert oder *) Nach Imhoffs genealogischem Handbuch erlosch das Schedelsche Ge­ schlecht erst 1699. 18

274 sonstwie entfremdet worden war. Den Beleg dafür entnimmt er einem von Hartmann Schedel gefertigten und in sein und seines älteren Vetters Rezeptbuch wahrscheinlich 1498 und danach 1507 hineingeschriebenen Verzeichnis der Schedelschen Familienbibliothek, wie Hartmann selbst seine Bücherei bezeich­ net. Da nun obendrein in München in späterer Zeit von den Schedelschen Büchern Exemplare zu den Dubletten gestellt und verkauft wurden, so ist von den in Hartmanns Verzeichnis aufgeführten 623 Werken, zu denen übrigens bis zu seinem Tode (1514) noch eine Reihe weiterer hinzukam, gegenwärtig nur etwas mehr als die Hälfte auf der Hof- und Staats­ bibliothek vorhanden. Stäuber hat auf Seite 102 —145 das alte Schedelsche Verzeichnis abgedruckt, bis zu Seite 225 folgt dann ein genaues, mit erläuternden Notizen versehenes Verzeichnis aller derjenigen Werke aus dem Besitz von Hartmann und Hermann Schedel, die sich noch heute auf der Münchener Hofund Staatsbibliothek sowie in einigen anderen Bibliotheken nachweisen lassen. Zu letzteren gehört auch die Stadtbibliothek in Nürnberg. Ein Überblick über die Zusammensetzung der ehe­ maligen Bibliothek Hartmann Schedels nach Fächern usw., zum Schluß als Anlagen der Abdruck einer Reihe bisher unbekannter, von Hartmann selbst in verschiedene seiner Bücher und Hand­ schriften eingetragener Briefe — darunter der schon besprochene von Hieronymus Münzer —, weiter, aus dem Berliner Kodex, der Abdruck der Testamente der beiden Schedel, endlich noch ein Stammbaum der Familie Schedel sowie ein Handschriften-, Schrift­ steller- und Personenverzeichnis — diese beiden wären übrigens besser ungetrennt geblieben — erhöhen den Wert des in mehr als einer Hinsicht, namentlich für Nürnberg, lehrreichen Buches. An Fleiß hat es Stäuber ja gewiß nicht fehlen lassen. Und doch hätte er mit verhältnismäßig geringer Mühe noch manchen interessanten Nachweis den von ihm gewonnenen Resultaten hin­ zufügen können. Wenn er sich z. B. um die Geschichte der Nürnberger Stadtbibliothek etwas gekümmert hätte, wäre es ihm nicht entgangen, daß die Bücher aus Schedelschem Besitz, die, sei es durch Schenkung, Vermächtnis oder sonstwie, an eines der Nürnberger Klöster gefallen sind, von Rechts wegen heute noch in dieser Bibliothek verwahrt sein sollten. Wie es zuerst Säubert

275 in seiner Historia bibliothecae reip. Noribergensis bringt, wurden die Büchereien der infolge Einführung der Reformation aufge­ hobenen hiesigen Klöster in das Predigerkloster übergeführt, wo sie noch heute mit den wertvollsten Bestand unserer Stadt­ bibliothek ausmachen. So sind in dieser, was Stäuber entgangen ist, beispielsweise die Sermones Ruperti de adventu domini, die Hermann Schedel dem Nürnberger Kartäuserkloster vermachte, unter der Signatur Theol. 340 4°, die dem Egidienkloster ver­ machten Epistolae Cypriani unter Inc. 166 2° vorhanden. In Verbindung damit hätte Stäuber sich auch die Aufgabe stellen müssen, ob es denn nicht möglich sei, eine für die Geschichte der Rezeption des Humanismus in Nürnberg wichtige Frage zu erledigen. Max Herrmann veröffentlichte in seinem unter diesem Titel erschienenen, in Nürnberg nicht ohne Grund ziemlich miß­ trauisch aufgenommenen Büchlein, einen heute im Germanischen Museum befindlichen handschriftlichen Katalog der ehemaligen Bibliothek des Egidienklosters, in dem sich unter der Signatur L 1 bis L 86 auch eine Reihe humanistischer Werke, meist Sammel­ bände — ob Drucke oder Handschriften, ist nicht ersichtlich — aufgeführt finden. Herrmann stellte nun die aus verschiedenen Gründen an und für sich nicht unglaubwürdige Behauptung auf, daß diese eine damals moderne Geistesrichtung verratenden Bücher aus dem Nachlaß Hermann Schedels für das Kloster erworben wurden. Auf die naheliegende Frage, ob sich diese Bücher denn nicht noch irgendwo nachweisen ließen und, wenn ja, ob sie dann nicht den Beweis für ihre Herkunft aus Schedelschem Besitz enthielten, sind aber weder Herrmann trotz einer gelegentlich von ihm ausgesprochenen Vermutung, noch auch Stäuber näher eingegangen. Diese Frage wenn möglich zu beantworten, gehörte aber entschieden zu der Aufgabe einer Schilderung der Schedelschen Bibliothek. In erster Linie mußten die alten Handschriften- und Inkunabelbestände der Nürnberger Stadtbibliothek daraufhin durch­ gesehen werden. Ich selbst habe einige Stichproben angestellt, leider aber keinen der im Egidienkatalog unter der Abteilung L verzeichneten Sammelbände gefunden. Es geht übrigens daraus hervor, daß die Stadt die Klosterbibliotheken doch nicht in dem Umfange übernommen haben kann, wie man nach unsern alten 18*

276 Nachrichten anzunehmen Grund gehabt hätte. Dafür aber fand sich ein anderer von Herrmann ehemals im Schedelschen Besitz vermuteter Band, nämlich ein nach ihm statt in die Abteilung L unter B 33 gestellter Orosius, der übrigens gleich den ihm bei­ gebundenen Büchern kaum der humanistischen Literatur zuzu­ sprechen sein dürfte. Laut handschriftlichem Eintrag ist dieser Orosius von einem gewissen Conrad Kelermann 1457 geschrieben und von dem Prior des Egidienklosters Sebaldus, offenbar dem gleich noch zu nennenden späteren Abt, verbessert worden, also kein Schedelscher Kodex. Weiter hat sich dann auf meine Anfrage bei der Erlanger Universitätsbibliothek herausgestellt, daß der im Egidienkatalog unter L 41 verzeichnete Sammel­ band dort vorhanden ist (Signatur: Inc. 1032) und zwar, wie mir Herr Oberbibliothekar Dr. Zucker gütigst mitteilte, mit der alten handschriftlichen Notiz, daß er von dem Abt Sebald Helmasperger für das Kloster gekauft worden sei. Die Angabe des Jahrs fehlt leider, aber da nach Würfels Diptychen Helmas­ perger oder Helmonsperger, wie Würfel ihn nennt, 1473 starb, so hat sich damit Herrmanns Behauptung, die ganze Abteilung L stamme aus des 1485 verstorbenen Hermann Schedels Nachlaß, als irrig erwiesen. Zugleich damit wird auch seine ohnehin schon stark erschütterte Annahme noch hinfälliger, daß zu jener Zeit in Nürnberg nur Schedel humanistische Schriften gesammelt haben könne. Übrigens wäre es doch sonderbar, wenn sich von jenen 86 Nummern der Abteilung L des alten Egidienkatalogs nicht auch noch andere in irgend einer deutschen Bibliothek finden sollten. Stäuber hätte sich an das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken wenden sollen. Noch einige glückliche Funde — und wir hätten eine endgültige Antwort gehabt auf diese für die Geschichte des Frühhumanismus in Nürnberg nicht unwichtige Frage. Interessant ist Stäubers Nachweis, daß die von Hans Tücher für die Stadtbibliothek 1486 aus dem Nachlaß Hermann Schedels erworbenen 59 Bücher (vgl. die Abhandlung von Petz in den Mitteilungen VI, S. 148) sich mit einer einzigen Ausnahme in dem von Hartmann Schedel später angelegten Verzeichnis seiner Familienbibliothek wiederfinden, daß wir es also hier mit einem Dublettenverkauf, wenn auch nicht ganz in unserem Sinne,

277 zu tun haben. Sonst leidet übrigens Stäubers Darstellung des Verbleibs der Hermann Schedelschen Bibliothek an manchen Ungenauigkeiten. So wundert er sich, daß Hartmann im Testament seines älteren Vetters nur so spärlich mit Büchern bedacht worden ist. Dabei hat er aber übersehen, daß, wie wir dem in der Anlage wörtlich abgedruckten Nachtrag zu diesem Testament entnehmen können, Hermann Schedel seinem Vetter alle die Bücher vermacht hat, die er mit eigener Hand geschrieben hatte, und daß auch bei allen übrigen von ihm hinterlassenen Büchern Hartmann ein Vorkaufsrecht haben sollte. Um noch einige kleine Irrtümer zu berichtigen, so sind die Scheurischen Kollektaneenbände im Germanischen Museum S. 2 Anm. 2 fälschlich als Briefbücher bezeichnet. Daß Hartmanns erste Frau Anna, die Tochter Albrecht Heugels, eine Nürnbergerin war, hätte bemerkt werden sollen. Über das Haus bei der »Schildröhre«, in dem die Schedels wohnten, vermissen wir eine Angabe, die Stäuber leicht dem Nürnberger Wegweiser von Nopitsch hätte entnehmen können. Hermann Schedel berichtet uns in einem seiner Kodizes gewissenhaft über die Geschenke, die ihm bei seinem wiederholten Einzug in Nürnberg (1467 und 1473) von seinen Mitbürgern dargebracht wurden. Sehr interessant, aber daß die kleinen Summen, die er bei jedem Geschenk bezahlt hat, Trinkgelder sind, wird nicht gesagt. Die Keuper oder Keiper waren kein Nürnberger Patriziergeschlecht. Hans Imhoff, Mitglied des Rats, war nicht selbst Baumeister, jeden­ falls hat er nicht die Fleischbrücke (Stäuber schreibt: Fleischer­ brücke) erbaut*). Von den aus Hermann Schedels Nachlaß für die Stadtbibliothek 1486 erworbenen Büchern hätte Stäuber wohl noch manches Weitere nachweisen können, wenn er sich nicht auf die Durchsicht der Kataloge über die Handschriften und Inku­ nabeln beschränkt hätte. Der gesondert aufgestellte Inkunabeln­ bestand umfaßt nur einen verhältnismäßig kleinen Teil sämtlicher auf der Stadtbibliothek vorhandener Wiegendrucke. So sind bei­ spielsweise Cäsars Commentarien, wie das Schedelsche Wappen, ein Mohrenkopf, erweist, unter der Signatur: Hist. 144. 2° vor­ handen. Stäuber fällt es auf, daß einige der 1486 für die *) Vgl. Städtechroniken X, S. 355 Anm. 4 und 359 Anm. 3. meister im Rat war 1479 und 1480 Hans Volckamer.

Bau­

278 Stadtbibliothek erworbenen Bücher nur Einträge Hartmanns auf­ weisen, wiewohl sie doch von Hermann stammen sollten. Nun, da ist doch nichts Wunderbares, wenn es sich wirklich, wie Stäuber ja selber sehr richtig bemerkt hat, um einen Dubletten­ verkauf handelte. Hartmann hat eben wohl manchmal das Exemplar seines Vetters als das bessere für sich behalten und das seine verkauft oder er hat vielleicht bei jenem Verkauf einige seiner eigenen Bücher dazugegeben. In dem aus dem Eintrag in einer Schedelschen Inkunabel abgedruckten Schreiben Kobergers muß es »gerne« heißen statt »verehre«, »bringer« statt »ginger«, »albeg« statt »albey«. Die »janua, ubi intronizantur sponse« ist natürlich die Brauttür bei St. Sebald. Noch manche andere Ausstellung hätte ich machen können, manche Verbesserung hier einzuflechten, wäre ich imstande gewesen. Es würde dies aber viel zu weit führen. Ohne Frage hätte Stäuber selbst noch vieles korrigiert, noch vieles nachträglich gefunden, wenn ihn schwere Krankheit nicht behindert hätte. Der Bearbeiter aber und der Herausgeber verdienen so schon unsern Dank, daß sie sich um diesen wenig übersichtlichen, eine Fülle von oft nicht genügend belohnten mühsamen Detailuntersuchungen verlangenden Stoff angenommen haben. Der Gewinn für die Wissenschaft ist bei alledem kein kleiner. Auf eine Reihe dem humanistischen Bildungskreis nahestehender Personen in Nürnberg, Konrad Celtis, Peter Danhauser, Johann Radenecker, den 1504 verstorbenen Abt von St. Egidien, u. a. m. fällt neues Licht, und die Bücher­ verzeichnisse, sowohl die alten von Schedel selbst herrührenden, wie auch die auf Grund des jetzigen nachweisbaren Bestandes von Stäuber mitgeteilten, werden gewiß noch oft nachgeschlagen werden. Es ist bekannt, daß man gerade in neuerer Zeit auf die Geschichte mittelalterlicher Bibliotheken sein Augenmerk gerichtet hat, nicht weniger als fünf Akademien hat man für diese Sache zu interessieren gewußt. Stäubers Buch über die freilich schon wesentlich humanistischen Büchereien der beiden Schedel wird unter den hier einschlägigen Arbeiten stets einen wichtigen Platz einnehmen, sie sichert dem leider so früh dahingegangenen Verfasser ein ehrenvolles Andenken.

Emil Reicke.

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Neujahrsblätter, herausgegeben von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. V. Die Entwickelung der Buchdruckerkunst in Franken bis 1530. Von Dr. Karl Schottenloher, Kustos der kgl. Hof- und Staatsbibliothek in München. Würzburg. Druck und Verlag der kgl. Universitäts­ druckerei H. Stürtz, A.-G. 1910. 8°. VIII und 98 Seiten. Wenn der Verfasser in seinem Geleitswort sagt, daß »der Gegenstand seiner Abhandlung bedeutend und umfassend genug sei, um dem Leser darüber hinaus ein kleines Stück geistigen Lebens in Franken aus der Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Entwicklung umwälzender neuer Strömungen und Lebensformen vorführen zu können«, wird man ihm Recht geben müssen. Es ist ihm aber auch gelungen, in dem engen Rahmen, welchen die Neujahrsblätter der Gesellschaft für fränki­ sche Geschichte nach deren Normen nicht überschreiten sollen, eine dankenswerte Übersicht über die recht bedeutende Ent­ wicklung der Buchdruckerkunst in unserem Franken zu geben. Sehr bald schon nach der großen Erfindung des Mainzers Gutenberg, dessen erstes Druckwerk im Jahre 1455 erschien, fand die neue Kunst Eingang in den fränkischen Städten. Der berühmte Bamberger Buchdrucker Albr. Pfister taucht 1460 auf, in Nürnberg verbanden sich Heinrich Kefer und Johann Sensenschmied 1472 zu gemeinsamer Druckertätigkeit, denen bald andere folgten. Überhaupt bot die alte Handelsstadt dem neuen Gewerbe den ergiebigsten Boden, wenn es auch Bamberg, Würzburg und Eichstätt, den Bischofsitzen, zumeist nicht an Buchdruckern fehlte. Erschöpfend bespricht der Verfasser die Drucker dieser vier fränkischen Städte und würdigt er ihre hauptsächlichsten Druckwerke, in erster Linie natürlich Nürnbergs berühmtesten Drucker Anton Koberger, dessen Geschlecht Oskar Hase sein vortreffliches Buch »Die Koberger«, in 2. Auflage 1885 in Leipzig erschienen, hauptsächlich gewidmet hat. Neben anderen ist dabei die Druckertätigkeit der Nürnberger Stüchs, des Friedrich Peypus, des Johann Petrejus und Heinrich Form­ schneider eingehender behandelt. Wenn der Verfasser dabei den Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler gelegentlich zum Nürnberger Ratsherrn macht, wird man ihm das um so weniger verübeln können, als ja der vortreffliche Lazarus Spengler

280 faktisch im Rate größeren Einfluß besaß als so mancher Rats­ herr. Auch die Bezeichnung des 1. Losungers Hieronymus Ebner als Stadtkämmerer wird der Nürnberger Lokalhistoriker als zutreffend nicht anerkennen. Gerade diesen 4. Abschnitt seiner Darstellung, in welcher der Verfasser die fränkischen Druck­ denkmäler in ihrem Verhältnis zur Scholastik, zum Humanismus und zur Reformation klarlegt, sehen wir für besonders dankens­ wert an. Mit Recht betont Dr. Schottenloher überall den mächtigen Einfluß, welchen besonders die Tätigkeit der Nürn­ berger Drucker jener Zeit auf die Förderung des Humanismus und noch mehr der Reformation übte. In Kürze wird dann noch im 5. Abschnitt die äußere Anlage der Druckwerke be­ sprochen, welche durch den Abdruck zahlreicher Wiegendrucke, die an verschiedenen Stellen des Büchleins in den Text ein­ gereiht sind, und durch Beigabe von fünf Tafeln in erfreulicher Weise verdeutlicht wird. Den Schluß bildet in einem 6. Ab­ schnitt eine kurze Abhandlung über die alten Druckerschriften und den allmählichen Sieg der Frakturschrift über die sich lange Zeit behauptende alte gotische Schrift. Wir haben das treff­ liche Schriftchen mit Vergnügen und mit Nutzen gelesen und wünschen, daß es recht viele Leser finden möge. —ss#

Ernst Scheibe, Studien zur Nürnberger Waffenin­ dustrie von 1450 bis 1550 (Unter besonderer Berücksich­ tigung der Arbeitsteilung). Bonn, 1908. Carl Georgi, Universi­ tätsbuchdruckerei und Verlag. 8°. 136 S. Die Bedeutung Nürnbergs auf dem Gebiete der Waffen­ industrie in dem vom Verfasser behandelten Zeiträume ist bekannt und wiederholt gewürdigt worden von Seiten der Kunsthistoriker und Technologen. Mit den inneren Verhältnissen dieses Ge­ werbes vom wirtschaftlichen und nationalökonomischen Stand­ punkte aus hat sich bisher noch niemand eingehender befaßt. Scheibe unternimmt in seiner Schrift einen Versuch, in die noch herrschende Unklarheit Licht zu bringen. In dem Rahmen, in den er seine Arbeit beschränkt hat, hat er bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen. — Sch. versteht unter Arbeitsteilung,

281 sofern sie für seine Untersuchungen in Betracht kommt, die Berufsspaltung, die praktisch sich darin äußert, daß ein Hand­ werker nur eine bestimmte von allen ins Waffengewerbe fallenden Arbeiten herstellt. Eine sehr ins Einzelne gehende Quellenuntersuchung war vonnöten, um ein einigermaßen klares Bild zu gewinnen. Ebensowenig wie in anderen Gewerben haben in Nürnberg in der Waffenindustrie Zünfte bestanden. Es bestand vielmehr eine vom Rate stark abhängige Hand­ werksorganisation. Deshalb kamen als Quellen hauptsächlich die von Th. Hampe herausgegebenen Ratsverlässe in Betracht. — An Hand der Ratsverlässe und einer Handwerkerrechtskodifikation läßt sich der Nachweis erbringen, daß in den Hauptbetrieben der Waffenindustrie starke Tendenzen, die auf Arbeitsteilung abzielten, sich geltend zu machen suchten, daß sie aber vom Rate konsequent zurückgedrängt wurden. Eine Arbeitsteilung im Sinne der vom Verfasser gegebenen Erklärung hat sich niemals durchsetzen können. Wie im modernen Wirtschafts­ leben bestand eine Arbeitsteilung, die auf technischen Ver­ schiedenheiten in der Herstellungsweise und Arbeitsweise der einzelnen Objekte und Betriebe beruhte. Hier spielte das Meisterstück eine große Rolle. Von großer Wichtigkeit ist, daß Sch. den Nachweis bringt, daß nicht die große Anzahl von Handwerken bestanden hat, wie man sie aus der Menge der verschiedenen Bezeichnungen hat folgern wollen. Das Handwerk zerfiel in mehrere Branchen, von denen jede durch ein Meister­ stück repräsentiert wurde, d. h., wenn jemand in einer dieser Branchen Meister sein wollte, so mußte er in dieser sein Meisterstück herstellen. Eine Betriebserweiterung war nur auf diesem Wege möglich. — Das Bestreben, die Möglichkeit einer Garantie für reelle Ware zu gewinnen und das Ansehen der Nürnberger Gewerbetätigkeit zu wahren, also wirtschafts­ politische und außerpolitische Gründe, veranlaßten den Rat, das Handwerk unter starker Bevormundung zu halten und auch seine Handelsbeziehungen sehr scharf zu beaufsichtigen. — Sch. unter­ scheidet Betriebe, die blanke Waffen, und solche, die Feuer­ waffen herstellten. Die ersteren zerfallen in zwei Gruppen: 1. die Plattner mit Verwandten, 2. die Messerer mit Verwandten. Da die Handwerke mit Hilfe des Rates sich energisch

282 Sonderbestrebungen entgegenstemmten, nahm die Entwicklung einen derartigen Verlauf, daß am Schlüsse der behandelten Periode die verwandten Betriebe von dem führenden Handwerk aufgesogen waren oder doch, wenn sie aus eigener Kraft eine gewisse Unabhängigkeit sich hatten erringen können, in engster Verbindung mit dem führenden Handwerk gehalten wurden. So läßt sich durch die Jahrzehnte ein hartes Ringen der Polierer mit den Plattnern, das auf größere Selbständigkeit der Polierer hinzielt, verfolgen. Der Rat tritt diesen Bewegungen immer wieder entgegen und bringt die Polierer in immer größere Abhängigkeit von den Plattnern. — Die Schilderung der inneren Zustände der Industrie der blanken Waffen nimmt den weitaus größten Teil der Arbeit Scheibes ein. Sie bietet eine große Menge an wirtschaftsgeschichtlich und auch kulturgeschichtlich wichtigen Momenten, und es ist zu bedauern, daß der Verfasser nicht auch die inneren Zustände der Feuerwaffenindustrie einer so tief eindringenden Untersuchung unterzogen, sondern sich nur mit einer kurzen Skizzierung begnügt hat. Er möchte dieses einer weiteren Spezialarbeit überlassen. Für eine Geschichte der Nürnberger Waffenindustrie bieten diese Studien wertwolle Vorarbeiten. Neuhaus.

Das Nürnbergische Schönbartbuch. Nach der Ham­ burger Handschrift herausgegeben von Karl Drescher. Mit 97 Abbildungen auf 78 handkolorierten Tafeln. Weimar 1908. Gesellschaft der Bibliophilen. 2°. XII und 20 S. »Die Geschichte des Nürnbergischen Schönbartlaufens ist hingegen für Mannspersonen, die sich mit wichtigen Dingen und keinesweges mit Kleinigkeiten beschäftigen wollen, eine sehr erwünschte Erscheinung. Jedermann siehet sehr leicht ein, wie viel der ganzen gelehrten Welt und insbesondere allen Lieb­ habern der schönen Wissenschaften daran gelegen sei, zu wissen, daß: 1451 lief der Schönbart und waren Kunz Eschenlörer und Hans Weiß Hauptleute. 1462 lief der Schönbart und war Hauptmann Hans Flock, Schreiner . . .«

283 So ließ sich in unverhülltem Spott der Rezensent der »Literaturbriefe« über die im Jahre 1761 und 1762 durch den Alt­ dorfer Gelehrten Georg Andr. Will verfaßte »Kleine Geschichte des Nürnberger Schönbartlaufens« vernehmen, ohne sich über die kulturgeschichtliche und volkskundliche Bedeutung des Schön­ bartlaufens klar geworden zu sein. Will hat sich damals nicht beirren lassen und hat seine Abhandlung über das Nürnbergische Schönbartlaufen zum dritten Male drucken lassen. Mit dieser dritten Ausgabe verband er den Abdruck einer guten Schön­ barthandschrift mit den zugehörigen Illustrationen in verkleinertem Maßstabe. Nach ihm hat noch der Nürnberger Gelehrte Mor. Max. Mayer den Versuch einer Herausgabe des Nürnbergischen Schönbartbuches unternommen. Es ist bei dem Versuch ge­ blieben. Das Werk blieb in den Anfängen stecken. — Weder Will noch Mayer bringen nähere Angaben, welche Handschrift ihrer Ausgabe zugrunde gelegt ist. Der kritische Wert ihrer Werke ist deshalb nur gering anzuschlagen. Eine kritische Ausgabe einer Handschrift ist seit Mayers mißglücktem Unternehmen nicht wieder versucht worden. Karl Drescher, der bekannt ist durch seine Hans Sachs-Forschungen, hat sich dieser Aufgabe unterzogen, unterstützt von der durch ihre gediegenen Veröffentlichungen in hohem Ansehen stehenden Gesellschaft der Bibliophilen. Der Gelehrte und der Bücher­ freund haben in dankenswerter Weise zusammengewirkt, ein Werk herauszubringen, das nicht nur als Liebhaberausgabe Wert besitzt, sondern auch auf wissenschaftlichen Wert Anspruch erheben kann. Die Anzahl der uns überlieferten Schönbartbücher, die im Grunde alle auf eine und dieselbe Handschrift zurückgehen, ist groß. Die Nürnberger Stadtbibliothek, das Germanische National­ museum, das kgl. Kreisarchiv in Nürnberg, die Hof- und Staats­ bibliothek in München, die Universitätsbibliothek in Erlangen und der Privatbesitz weisen eine ganze Reihe von Schönbart­ büchern auf. Drescher legt seiner Ausgabe die schöne Hand­ schrift der Hamburger Stadtbibliothek zugrunde. Für eine Liebhaberausgabe hätte Nürnberger Privatbesitz wohl ein schö­ neres Exemplar bieten können. Dem Abdruck der Handschrift schickt Drescher kurze Abhandlungen über die Quellen und die

284 Literatur zur Geschichte des Schönbartlaufens, über die Erklärung des Namens »Schönbart«, über die Entwicklung und den Unter­ gang dieses eigenartigen Fastnachtsmummenschanzes und eine eingehende Kritik der vorliegenden Handschrift voraus. — Die einschlägigen Quellen führen die Entstehung des Nürnbergischen Schönbartlaufens auf ein Edikt Kaiser Karls IV. zurück. Diese Erklärung wird von Drescher mit Recht zurückgewiesen. Es ist, wie bei allen derartigen Volksbelustigungen, eine allmähliche Entwicklung anzunehmen, die ihre Wurzeln hat in altgermanischen Fastnachtsbräuchen, ihren Höhepunkt erreicht mit dem Jahre 1495, als das markgräfliche Haus zur Teilnahme an den Fast­ nachtsfestlichkeiten erschien, und die schließlich derartige Aus­ artungen zeitigte, daß die Unterdrückung des Mummenschanzes dem Rate der Stadt Nürnberg ratsam erschien. Zur Erklärung des Namens »Schönbart« und seiner Bedeutung hat D. wert­ volles neues Material zusammengestellt. Wünschenswert wäre ein Vergleich mit der Entwicklung des Schönbartlaufens an anderen Orten gewesen. Er hätte sicher noch weitere wert­ volle Aufschlüsse gegeben und hätte auch wohl den Herausgeber vor dem Irrtum bewahrt, den Tanz der Metzger zu Nürnberg schlechthin als den Schönbart zu bezeichnen. Bei der Wiedergabe des Textes und der Abbildungen, die in der Handschrift so verteilt sind, daß auf der Vorderseite des einen Blattes jedesmal der kurze Text, auf dem folgenden Blatte die zugehörige Abbildung gegeben ist, wurden der Raum­ ersparnis halber beide Teile getrennt, ein Verfahren, das das Studium des Werkes sehr erschwert. Der Druck, den Pöschel und Trepte besorgten, die litho­ graphische Behandlung der Tafeln von H. F. Jütte und ganz besonders die Handkolorierungen von H. Gustav Brinckmann müssen als mustergültig bezeichnet werden.

Neuhaus.

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Die Meisterlieder des Hans Folz aus der Münchener Originalhandschrift und der Weimarer Handschrift Q 566 mit Ergänzungen aus anderen Quellen herausgegeben von August L. Mayer (Deutsche Texte des Mittelalters herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften Bd. XII). Mit zwei Tafeln in Lichtdruck. Berlin, Weidmannsche Buch­ handlung, 1908. XXII und 438 S. 4°. Eine kritische Ausgabe der Meisterlieder des Hans Folz, von denen bisher nur ein verschwindender Bruchteil überhaupt veröffentlicht worden war, mußte schon lange als ein wirkliches Bedürfnis gelten. Nicht als ob in diesen Liedern ein Schatz echter, vielleicht sogar noch in unseren Tagen genießbarer Poesie zu heben gewesen wäre: abgesehen von dem frischen Leben und dem oft überderben Witz seiner Fastnachtspiele und Schwänke kann Hans Folzens Dichtung eigentlich nur noch historisch gewürdigt werden; und insbesondere bei den Meister­ liedern hindert meist schon der Zwang der künstlichen, aller­ dings ganz auf gesanglichen Vortrag berechneten Form den Genuß. Aber ohne die Kenntnis seiner meisterlichen Pare fehlen doch in dem Bilde des Dichters, der, talent- und temperament­ voll, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts — er wurde 1459 zu Nürnberg Bürger und starb daselbst 1515 — einer der beliebtesten und einflußreichsten unter den deutschen Poeten war, sehr wesentliche Züge; und für die Geschichte des Meister­ gesangs, dieser kulturgeschichtlich so bedeutsamen Erscheinung, bilden gerade einige dieser Gedichte eine wichtige Quelle. So muß man es der Preußischen Akademie der Wissen­ schaften in mehr als einer Plinsicht Dank wissen, daß sie die Meisterlieder des Hans Folz in die von ihr unternommene Sammlung »Deutsche Texte des Mittelalters« aufgenommen hat, und dem Herausgeber der Lieder müssen wir danken für die entsagungsvolle Sorgfalt, mit der er bei der Edition zu Werke gegangen ist. Er legte dabei vor allem die von Hans Folzens eigener Hand herrührende Niederschrift seiner Meistergesänge zugrunde, wie sie uns in einer Handschrift der Münchener Hof- und Staatsbibliothek (Cgm. 6353), die 1904 von dieser Bibliothek bei der Versteigerung der Habel - Conradyschen

286 Sammlungen auf Schloß Miltenberg für 3405 Mark erworben worden war, erhalten geblieben ist. Außerdem sind namentlich noch die Weimarer Handschrift Q 566 und der Cod. germ. 414 4° der Berliner königlichen Bibliothek auf Meisterlieder von Folz durchgesehen und exzerpiert worden. Aus dem Berliner Kodex, der ehemals der berühmten Ebnerschen Bibliothek zu Nürnberg angehörte, hat der Unter­ zeichnete selbst vor vielen Jahren eine Reihe von Abschriften Folzischer Gedichte, darunter auch der auf Geschichte und Technik des Meistergesangs bezüglichen Lieder (Nr. 89 bis 94 der Mayerschen Ausgabe), genommen, und wesentlich auf einer Ver­ gleichung mit diesen Abschriften gründet sich mein Urteil, daß der Herausgeber, wenn auch vielleicht nicht überall ganz gleich­ mäßig1), so doch im allgemeinen mit größter Genauigkeit seines Amtes gewaltet und, soweit es die Beschaffenheit der Hand­ schriften zuließ, eine vortreffliche, durchaus zuverlässige Text­ ausgabe hergestellt hat. Ob es aber ratsam war, namentlich aus dem Berliner Kodex auch diejenigen Lieder mit aufzunehmen, die, in dem Münchener Kodex nicht erscheinend, auch sonst als »Hans Volczen gedieht« nicht sicher bezeugt, sondern nur *) In der Regel sind alle orthographischen Besonderheiten genau ange­ geben worden, da sie ja in der Tat für die Geschichte der Sprache des 15. Jahr­ hunderts von Wert sein können. Dabei ist aber nicht immer — die Vertiefung in den Stoff zwang wohl nach und nach zu immer größerer Genauigkeit — völlig konsequent verfahren worden. Nur als Belege für das Gesagte führe ich folgende nicht begründete Abweichungen des Mayerschen Textes von seiner Vorlage an: S. 261 Zeile 78: gut; die Hs. (cod. germ. berol. 414 40) hat: gut. Nr. 72 Zeile 3: floß; Hs.: flöß. Ebenda Zeile 5: daw; » : daw. » »6: durch feucht; Hs.: dürch feücht. S. 336 Zeile 103: auch; Hs.: aüch. Ebenda » 126: o her; Hs.: so her (so hör)% was auch besser ist. » » 127: meistersinger; Hs.: meister singer. Zu Zeile 128 wäre doch anzumerken gewesen, daß sich unter dem »vor aus« der Hs. wahrscheinlich der Name der Stadt Worms verbirgt. S. 339 Zeile 99: Adames; Hs.: Adanes. S. 340 » 123, 124 wäre wohl richtiger zu emendieren gewesen: »Der ist geleich Eim, der ein schu an hate«. Nr. 91 Zeile 14: all; Hs.: al. S. 341 Zeile 56: nome; Hs.: nome, also wohl nöme. S. 348 » 96: lyten; Hs.: leten. » 140: deutsch; Hs.: deusch. u. s. f.

287 in Folzens Tönen verfaßt sind, ist mir zweifelhaft und dem Heraus­ geber doch auch selbst bedenklich vorgekommen, wie aus der darauf bezüglichen Bemerkung in seiner Einleitung (S. XVII) hervorgeht. Für die beiden Nummern 90 und 91 (bei Mayer) ist ja allerdings die Zugehörigkeit zu dem oben erwähnten Zyklus Folzischer Meisterlieder einleuchtend genug; die anderen Num­ mern indessen (71, 74, 78—88) wären besser in einen Anhang verwiesen worden, solange nicht eingehendere Untersuchungen über die Sprache des Dichters vorliegen, die ihre Zugehörigkeit zu Folzens Werk mit größerer Sicherheit dartun. Wie aber dergleichen sprachliche Untersuchungen, so fehlt auch, wohl dem Programm der »Deutschen Texte des Mittel­ alters« entsprechend, jede sonstige Kommentierung der oft schwer verständlichen Gedichte in Mayers Ausgabe fast völlig1). An die Beschreibung der genannten drei Handschriften in der Ein­ leitung schließt sich fast unmittelbar der Text der Gedichte. Aus jener ist u. a. der besondere Hinweis auf die für Folzens Biographie nicht unwichtige in dem Münchener Kodex enthaltene Nachricht (Nr. 9, 27 ff. bei Mayer) hervorzuheben, wonach der Niederlassung des Meisters in Nürnberg ein Aufenthalt in Landshut vorangegangen sein muß, während dessen er sich auch meistersingerisch betätigte. Danach wäre es, möchte ich hinzufügen, vielleicht nicht ausgeschlossen, daß auch das »güldin Alfabet« (mit dem Anfang: »Ob ich der hohen gotheit zart«), das sich in der Berliner Handschrift auf Blatt 250 findet und hier als »meister Hanssen von Lanczhüt gedieht« bezeichnet wird, Hans Folz zum Verfasser haben könnte. Im übrigen will ich aus der Einleitung nur noch erwähnen, daß der Herausgeber durch einen genauen Vergleich der Weimarer mit der Münchener Handschrift zu dem Ergebnis gekommen ist, daß sich die erstere wohl mit allen ihren Teilen gleichfalls in Folzischem Besitz befunden habe, ja zu einem beträchtlichen Teil von ihm selbst niedergeschrieben zu sein scheine. Und die beiden dem Buche in Lichtdruck bei­ gegebenen Schriftproben (aus der Münchener und aus der Wei­ marer Handschrift) sprechen ohne Zweifel für die Richtigkeit dieser Vermutung. *) Einige Erklärungen bietet das »Wortverzeichnis am Schluß des Buches«.

288 An die Texte aus den genannten drei Kodices, zu deren Gestaltung gelegentlich auch Lesarten aus der Valentin Hollschen Liederhandschrift (im Besitz des Paul Wolfgang Merkelschen Familienstifts, auf bewahrt im Germanischen Museum), aus der Lamprecht Krollschen Handschrift zu Heidelberg, aus der Hand­ schrift Will III, 782 der Nürnberger Stadtbibliothek und wenigen alten Drucken — die eigentlichen Meisterlieder durften von den Mitgliedern der Genossenschaft nicht in den Druck gegeben werden — herangezogen worden sind, schließt sich namentlich noch ein »Anhang« mit einigen wiederum der Weimarer Hand­ schrift entnommenen sonstigen Gedichten und Skizzen von Hans Folz, darunter ein paar Kampfgespräche zwischen Juden und Christen, zwischen Synagoge und Ecclesia, in Prosa. Ein Ver­ zeichnis der vorkommenden Töne, ein gut gearbeitetes Namenund ebensolches fast zu einem kleinen Wörterbuch ausgearbei­ tetes Wortverzeichnis 'sowie ein alphabetisches Verzeichnis der Liederanfänge bilden sodann den Beschluß des stattlichen Bandes. Die Wege zu einem besseren Verständnis des Dichters, seiner Art und Kunst und Zeit sind durch die neue Veröffent­ lichung erschlossen. Freuen wir uns des Gebotenen und hoffen wir, daß bald auch ein Literatur- oder Kulturhistoriker die neu eröffnete Bahn nutzbringend beschreiten werde.

Th. Hampe.

Hans Sachs als Humorist in seinen Gedichten und Schwänken. Sprachlich erneuert, ausgewählt und eingeleitet von Otto Band. München 1907. Hans Sachs-Verlag (SchmidtBertsch). 135 S. Das vorliegende Büchlein verdankt seine Entstehung dem gesunden Gedanken, durch Neuausgaben guter Bücher der »Über­ setzungsseuche« und »Ausgrabungswut« entgegenzuarbeiten und für die Bildung des Volkes zu sorgen. Kein Zweifel auch, daß Hans Sachs namentlich in seinen humoristischen Werken dem Verständnis weitester Kreise noch nahe genug steht, um in leichter Überarbeitung, in vorsichtiger Modernisierung auch heute noch überall des Erfolges sicher zu sein und mit seinem heiteren Spott, seinem sinnigen Witz veredelnden Genuß zu bereiten.

289 Für die starke Lebensfähigkeit des alten Meisters zeugt am besten die große Zahl solcher Bearbeitungen vor allem seiner hauptsächlichsten Fastnachtspiele und Schwänke, die gerade in den letzten Jahren wiederum erschienen ist. Als gut getroffene Auswahl von 30 der am unmittelbarsten wirkenden Meisterlieder und Schwänke des Hans Sachs verdient die Bandsche Ausgabe alles Lob. Gerade auch die Aufnahme einiger der Meisterlieder an Stelle der den gleichen Stoff behan­ delnden Spruchgedichte ist wohl zu billigen; haben doch jene vor diesen nicht selten die anmutigere Form und eine größere Knappheit des Ausdrucks voraus. Der sprachlichen Erneuerung selbst liegt im wesentlichen die Übertragung von Pannier zugrunde, aus dessen Ausgabe (in Reclams Universalbibliothek) die Bearbeitung von vier Schwänken direkt übernommen werden durfte. Die kaum fünf Seiten umfassende Einleitung ist recht dürftig und in ihren Angaben nicht überall einwandfrei. Woher der Herausgeber z. B. die Nachricht hat, daß Hans Sachs »im Jahre 1513 in Innsbruck mit Nunnenbeck zusammengekommen« sei, habe ich nicht ermitteln können. Als gute volkstümliche Ausgabe ist aber dem Bandschen Buche der Erfolg, der in der Einleitung erhofft wird, gleichwohl zu wünschen. Th. Hampe.

Vierzig Spiele von Hans Sachs. Für den Gebrauch bei Aufführungen bearbeitet von F. von Jäger. Mit Bildern von Georg Kellner. Nürnberg. Druck und Verlag von J. L. Stich. 1908. 8°. X und 528 S. Die hohe dichterische Bedeutung des Hans Sachs zeigt sich am meisten in seinen epischen und dramatischen Schwänken. Diese Dichtungsarten sagten seiner gemütlichen, schalkhafte Lust und Lebensfreude atmenden Natur am meisten zu. Hier bot sich ihm ein weites und fruchtbares Feld, wo er die mannig­ faltigsten Stoffe aus Natur, Fabel, Geschichte und Leben zur Darstellung bringen, sie mit seinem unvergänglichen Humor durchtränken und seiner Lebensweisheit und Erfahrung Worte verleihen konnte. Was uns Hans Sachs so überaus wert macht 19

290 und ihn über alle anderen erhebt, ist dann ganz besonders die Wahrheit und Gegenständlichkeit seiner Dichtungen. Vornehmlich ist es aber das Fastnachtspiel, das er mit einer wahren Meisterschaft handhabte, wie keiner vor und nach ihm. Es war schon ein ihm nicht hoch genug anzurechnendes Verdienst, daß er, in gesittetere Bahnen einlenkend, das damalige Drama von dem groben Schmutz und Unflat befreite, die ihm auch in den Stücken von Hans Rosenblüt, Hans Folz und Kunz Has anhafteten, und es in eine sittliche Sphäre emporhob, wenn er auch nicht durchaus auf das grob Derbe und Rohe verzichten konnte und mochte, weil es doch dem Charakter der Zeit und damit auch seiner eigenen Natur entsprach. Er hat aber auch das Fastnachtspiel auf eine dramatische Höhe gebracht, die keinem seiner Nachfolger zu erreichen beschieden war. Hans Sachs verfolgte in seinen Dichtungen ausgesprochenermaßen das Ziel, die Menschen zu erfreuen, zu erheben und zu belehren. Auch die Spiele, die zunächst in dem überschäumenden Jubel und Trubel der Fastnacht aufgeführt wurden, dienten diesem Zwecke, wenn sie auch der ungebundenen Lust und Fröhlichkeit, dem übersprudelnden Humor jener Tage, wo alles in tollem Überschwang sich zu erlustieren suchte bei Spiel und Gelage, bei Tanz und Mahl und der Schembart durch die Straßen tobte, vollauf Rechnung trugen. Die Figuren, die Hans Sachs aus allen Ständen übernahm, waren treu gezeichnet, sie spiegelten besonders ihre Fehler und Gebrechen auf das augenfälligste wieder, freilich in einer Übertreibung, die der Fasching erlaubte, ja sogar verlangte. Und auch wir versenken uns noch nach Jahrhunderten gern in diese lebenswahren, frohen und humorvollen Stücke oder sehen sie noch viel lieber auf der ursprünglichen Bühne des Hans Sachs dargestellt, um uns gleichfalls an ihnen zu erfreuen und beinahe ebenso aus innerstem Herzen zu lachen und zu jubeln wie die Zeitgenossen des Dichters, die den Spielen und den darin vorgestellten, ihnen näher stehenden Vorgängen und Personen und der ganzen Art der Darstellung wohl noch ein ganz anderes Interesse abgewinnen mußten. Es ist ein großes und dauerndes Verdienst des hochver­ dienten Verfassers, eine ganze Reihe der besten Fastnachtspiele

291 des Hans Sachs — es sind nicht weniger als 40 — durch Übertragung in unser modernes Deutsch den weitesten Kreisen zugänglich gemacht zu haben. Er war dazu berufen wie kein anderer. Seit Jahren sich in die Dichtungen des Nürnberger Meisters vertiefend, ausgerüstet mit feinem Urteil und ästhetischem Gefühl, selbst ein Dichter, wie es doch der Bearbeiter solcher Dichtungen sein soll, wenn er dem Dichter gerecht werden will, hat er uns ein Werk geschenkt, das seinen Wert nicht verlieren wird. Und es war oft nicht leicht, den spröden Stoff zu meistern, immer das rechte Wort zu finden für so außer­ ordentlich viele ältere Ausdrücke und Wendungen, für so viele dialektische Nuanzierungen, die unsere Sprache längst verloren hat oder die überhaupt nicht von ihr übernommen worden sind! Dann aber mußte sich der Bearbeiter nicht selten zu kleinen oder größeren Änderungen des Textes entschließen. Denn so manches, das einer ganz anders gearteten Zeit mit naiveren und derberen Anschauungen und unmittelbaren Gefühlen paßte und behagte, ist uns Modernen nicht mehr gemäß, wirkt roh, anstößig und gemein. Hier mußte gemildert, ausgemerzt oder ganze Stellen durch eine ganze andere Wiedergabe und durch anderweitige Wendungen ersetzt werden. Wo dies notwendig erschien, ist der Verfasser ganz im Geist und der Weise des Dichters verfahren, von dem etwas auf ihn übergegangen zu sein scheint. Man könnte noch gegen das Werk einwenden, daß dafür kein rechtes Bedürfnis bestanden hätte, da ja schon eine Reihe Hans Sächsischer Fastnachtspiele bearbeitet worden und Karl Pannier insbesondere schon eine ganze Anzahl — 29 — ver­ öffentlicht hätte. Aber unser Verfasser hat zum größten Teil eine ganz andere Auswahl getroffen und eine Reihe kaum bekannter Spiele bearbeitet. Dann aber hat die Jägersche Bearbeitung vor der seines Vorgängers Pannier große Vorzüge voraus. Sie schließt sich viel enger an das Vorbild an, liegt viel mehr, wo Änderungen nicht zu umgehen, im Geist des Dichters und hat vor allem auch die alte Patina nicht abgescheuert, die so überaus wohltuend berührt. Das Werk will dazu beitragen, dem Volk den Hans Sachs wieder zurückzugeben, ihn in seiner Ursprünglichkeit und Schönheit zu zeigen und die Wiederauf19*

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führung der Fastnachtspiele nach Kräften zu fördern. Denn in der Absicht, Hans Sachs wieder auf der Volksbühne erscheinen zu lassen, sind diese Stücke bearbeitet worden. Daß sie sich immer noch zu Aufführungen trefflich eignen und einen durch­ schlagenden Erfolg davontragen, haben zahlreiche Versuche zur Genüge dargetan. Und gerade die vorliegenden Bearbeitungen eignen sich in hervorragender Weise für Vereine und Gesellschaften, die sich wieder einmal an einem Hans Sächsischen Spiel erfreuen und erbauen möchten. Im Eingang ist die einfache Bühne jener Zeit, das Spielgerüst, abgebildet, bestehend aus einem unteren Teil mit Tisch und drei Stühlen und einem oberen, zu dem drei Stufen hinaufführen, rechts durch einen Dornbusch gedeckt, Den Fastnachtspielen vorauf geht eine wirkungsvolle Dichtung des Verfassers, zerfallend in Vorspiel, Zwischenspiel und Nachspiel, in die vier Spiele eingefügt werden können. Sehr zu begrüßen sind die Vorbemerkungen zu den einzelnen Spielen, die in diese einführen, ihre Bedeutung darlegen und Anweisungen für die Spielenden bringen, wie auch die vielfachen Bemerkungen des Verfassers bei den Stücken selbst den Spielenden manch lehr­ reichen Fingerzeig geben. Die Ausstattung des schönen und gediegenen Werkes macht dem Verleger alle Ehre. Acht Abbildungen zu den Schwänken: »Narrenschneiden«, »St. Peter letzet sich mit seinen Freunden unten auf Erden«, »Krämerskorb«, »der fahrend Schüler ins Paradies«, »der Abt im Wildbad«, »der tote Mann«, »Eulenspiegel mit dem Pelzwaschen« und »der Doktor mit der großen Nase«, von der Künstlerhand Kellners gezeichnet, gereichen dem Buche zur Zierde. Dem volkstümlichen Werke aber ist ein durchschlagender Erfolg von Herzen zu wünschen. Möge es beitragen zu einem immer tieferen Eindringen der Dichtungen des Hans Sachs in die weitesten Schichten des Volkes, zu einer Wiederbelebung seiner unvergänglichen Fastnachtspiele, zur Festigung gesunden deutschen Sinnes und Gefühls.

Dr. E. Mummenhoff.

293 Hans Sachs im Andenken der Nachwelt. Mit beson­ derer Berücksichtigung des Dramas des XIX. Jahrhunderts. (Gekrönte Preisschrift). Ein Beitrag zur Hans Sachs-Literatur von Dr. K. Fr. Baberadt. Halle a. d. S. Verlag von Max Niemeyer, 1906. 8°. VII und 74 S. Verfasser berücksichtigt fast ausschließlich die dramatische Literatur des 19. Jahrhunderts, soweit darin Hans Sachs als handelnde Person auftritt. Für die früheren Jahrhunderte, in denen der Quell der Hans Sachs-Dramen ja nur sehr spärlich fließt, gibt er nur weniges, hauptsächlich im Anschluß an Ferd. Eichler, das Nachleben des Hans Sachs vom 16. bis ins 19. Jahrhundert, Leipzig 1904. Verfasser will seine Arbeit, wie er im Vorwort erklärt, auch geradezu als Ergänzung zu dem Buche Eichlers, der seinerseits — abgesehen von den Roman­ tikern — auf das 19. Jahrhundert nur kurz eingeht, betrachtet wissen. Er bespricht, wenn auch zum Teil nur mit ganz wenigen Worten, alle Dramen, die ihm bekannt geworden sind. Unter diesen sind nicht wenige, die Hans Sachs zum Titelhelden haben. Einflußreich wurde Deinhardstein, dessen »Hans Sachs« betiteltes »dramatisches Gedicht« 1828 in Berlin zum erstenmale auf­ geführt wurde. Dann kam Lortzing mit seiner gleichnamigen Oper, leider erfahren wir nicht, wann dieselbe entstand, wo sie zuerst und ob sie wohl oft aufgeführt wurde. Am genauesten geht der Verfasser auf Wagners Musikdrama ein, die verschie­ denen Entwürfe dazu und die endgültige Fassung werden uns eingehend geschildert. Von den nachwagnerischen Hans SachsDramen findet hauptsächlich das von Martin Greif größere Anerkennung. Warum es aber gerade eine »kaum zu glaubende Geschmacklosigkeit«, eine »künstlerische Roheit« sein soll, 25 Jahre nach Wagners Meistersingern Hans Sachs als »Ballet­ staffage« auf die Bühne zu bringen, wie dies W. Reisinger getan hat in seinem komischen Ballet »Hans Sachs im Schlaraffenland«, vermag ich nicht einzusehen, wenn auch das Reisingersche Ballet in seiner Ausführung fade sein mag. Der Schuhmacher-Poet, mag er von Wagner noch so tief und gemütvoll verkörpert worden sein, bietet doch der Anhaltspunkte genug für derbe und lustige Szenen und ist so populär, daß es schade wäre, wenn man nun im Hinblick auf jenen Großen darauf verzichten

294 wollte, ihn je nach Zweck und Gelegenheit dichterisch zu vei werten. Eine Anzahl Stücke sind Baberadt unbekannt geblieben, darunter auch die vielen Lesern dieser Zeitschrift gewiß noch in angenehmster Erinnerung stehende Hans Sachs-Szene — mit Prolog des Ehrenhold — von Ernst Mummenhoff, die gelegent­ lich des fünfundzwanzigjährigen Jubiläums unseres Vereins (1903) und neuerdings auch bei der Versammlung der deutschen Bib­ liothekare in Nürnberg am 18. Mai 1910 aufgeführt wurde1). Wenn der Verfasser von einigen anderen ihm nur dem Namen nach bekannten Hans Sachs betreffenden dramatischen Schriften meint, daß sie belanglos seien, so mag das stimmen, auftreiben hätte er sie aber wenigstens teilweise recht wohl können, näm­ lich in der Nürnberger Stadtbibliothek, die er doch nach seiner Bemerkung im Vorwort benützt hat. So z. B. die kleine von einem Nürnberger Geistlichen verfaßte Szene: Hans Sachs, der Meistersänger, als evangelischer Zeuge, Nürnberg, 1894. Dann wäre es ihm auch nicht entgangen, daß das von Jean Braun in seiner verdienstlichen »Hans Sachs-Literatur« zitierte dramatische Gedicht »Hans Sachs«, das ohne Angabe des Autors und des Ortes 1820 erschienen sein soll, nichts anderes ist als das Deinhardsteinsche Schauspiel. Braun hat dieses nach einem alten Exemplar unserer Stadtbibliothek aufgeführt, dem zufällig der Titel fehlt. Auch Haupt, Leben u. s. w. des Hans Sachs (S. 50 Anm.), hätte Baberadt bei uns einsehen können. An Einzelheiten hätte ich sonst noch zu bemerken, daß der Ver­ fasser sich manchmal in seinen Ausdrücken etwas vergreift, so gleich im Anfang und namentlich am Schluß, wenn er Hans Sachs des deutschen Volkes »größten Sohn« (!) nennt. Woher weiß Baberadt, daß Kaiser Maximilian I. ein Verehrer der Sächsischen Dichtungen gewesen ist (S. 10)? Mit der kritiklosen Aufführung der Hans Sachs-Literatur aus der Zeit von 1870 bis 1894 dürfte an dieser Stelle kaum jemand gedient sein. Sonst ist das Büchlein ganz interessant zu lesen und jedenfalls eine dankenswerte Zusammenstellung. Von wem es als Preisschrift gekrönt wurde, ist nicht gesagt. Emil Reicke. *) Vgl. Die Pflege der Dichtkunst im alten Nürnberg. Dramatische Szenen aus drei Jahrhunderten von Ernst Mummenhoff, Emil Reicke, Heinrich Tölke. Herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Mit 3 Tafeln. Nürnberg. Bei Joh. Leonh, Schräg in Komm. 1904, S. 15—37.

295 Die Bühne des Hans Sachs. I. Teil. Als Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät (I. Sektion) der Kgl. Ludwigs-Maximilians-Universität zu München eingereicht von Anton Glock. Passau. Buchdruckerei AktienGesellschaft Passavia. 1903. 8°. 33 S. Die Dissertation Glocks liegt nun bereits sieben Jahre lang vor, ohne daß ein II. Teil, der für einige Ansichten und Auf­ stellungen des Verfassers die genauere Begründung bringen, andere Punkte eingehender behandeln, auch dem in der Disser­ tation Gebotenen besondere Kapitel über die Musik, über die auf der Bühne des Hans Sachs zur Verwendung gekommenen Theaterrequisiten u. s. f. hinzufügen sollte, bisher erschienen wäre. Nur das erste Kapitel (»Historische Voraussetzungen«) hat inzwischen in des Verfassers Aufsatz »Zur Mysterienbühne«1) eine Art Ergänzung erfahren. So, wie sie sich in der Dissertation darstellt, sagt uns die Arbeit Glocks nicht eben viel Neues, nur wenig, das wir nicht schon vorher gewußt oder vielmehr angenommen hätten. Ihr nicht zu unterschätzender Wert liegt aber darin, daß sie diesen stillschweigenden Annahmen eigentlich zum erstenmale durch eine streng methodisch geführte kritische Untersuchung des gesamten Materials, wie es in den urkundlichen Nachrichten über die Aufführungen der Meistersinger und in den Bühnen­ bemerkungen des Hans Sachs erscheint, die wissenschaftliche Stütze, die zuverlässige Begründung zuteil werden läßt. Von dem primitiven Schauplatz der Fastnachtspiele, die ohne weitere Vorbereitungen und Vorrichtungen in Wirts- und Privathäusern agiert worden waren, hatte sich der Spielraum der Meistersinger, der jüngeren Inszenierungsweise der Volks­ spiele mit einheitlichem Schauplatz von wechselnder Bedeutung folgend, zu einer richtigen Bühne, einem etwa halbmannshohen Podium, fortentwickelt. Dieser Aufführungsraum wird nun nicht selten als »Saal« bezeichnet. Er war im Hintergründe wohl durch eine Wand abgeschlossen und hatte für den Zu- und Abgang der Personen eine, ja wahrscheinlich sogar zwei Türen. Außerdem ist ein Raum »hinter den Kulissen« für die Bühne *) Erschienen in den »Analecta germanica Hermann Paul zum 7. August 1906 dargebracht«. Amberg, H. Boes, 1906.

296 des Hans Sachs aus dessen szenischen Bemerkungen sicher zu erschließen. Dies sind die Hauptergebnisse der Glockschen Untersuchung, bei der es hauptsächlich auf eine klare Scheidung dessen, was in jenen szenischen Bemerkungen sich in der Tat auf Schau­ spieler und Bühne bezog, von dem, wobei der Dichter lediglich die Personen und den eingebildeten Schauplatz seines Stückes im Sinne hatte, ankommen mußte. Möchte uns der Verfasser nicht allzulange mehr auf die Fortsetzung seiner Studien warten lassen. Daß übrigens auch in späterer Zeit neben der theatralischen Kunst der Meistersinger, die sie auf der oben geschilderten, wesentlich entwickelteren Bühne in der Martha- oder in der Klara­ kirche, im Frauenbrüderkloster und Predigerkloster — hier jedoch nicht in der Kirche, wie Glock (S. 9) sagt, sondern im Remter — im Augustinerkloster oder Heilsbronner Hof (kein »Gasthaus«, wie Glock S. 9 meint, sondern Eigentum und Absteigequartier der Äbte von Kloster Heilsbronn)* ausübten, auch die ursprüng­ liche Art der Fastnachtspiele noch fortbestand oder doch gelegentlich wieder auflebte, geht aus einem Ratsverlaß über die Fastnachtspiele der Wagner- und Hufschmiedsgesellen aus dem Jahre 1593 hervor. Ich gebe diese Notiz nebst einigen anderen Nachträgen zu meiner Arbeit über die Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg1), wie sie sich mir bei einer wieder­ holten Durchsicht der Ratsprotokolle zu anderen Zwecken, für die ich mich nicht lediglich an die Register halten konnte, ergeben haben, im folgenden wieder. Die Nummern bezeichnen dabei den Platz, an dem sich diese Nachrichten im II. Teil der genannten Arbeit einzuschieben haben würden: 27a. [Jahrgang 1505/6, Heft XII, Blatt 9a] Sabato Valentini [14. Februar] 1506: Genßklepprer2) mit seiner geselschaft ist auf morgen nach der predig ein faßnachtspil vergönt. W. Pirckhaimer. *) Vgl. diese »Mitteilungen« Heft 12 und 13. Buchausgabe: Nürn­ berg, J. L. Schräg T900. 2) Über den städtischen Spruchsprecher »Gensklepperer« vgl. meine Arbeit über das Nürnberger Theaterwesen, Buchausgabe S. 15 Anm. I.

297 31a.

[1515/16, XI, 17b] Secunda post Blasii [4. Febr.] 1516:

Item den faßnachten, so spil haben, soll man ablainen, die 2 tag ir spil ze treiben, dweil es dem schempart ein abpruch sei. 58a [1551/52, XI, 9b] 13. Januar 1552: Michel Stauden vorhabenden commedi halb, die er mit etlichen armen Schülern recidiren wil und sant Martha kirchen darzu gebeten hat, beim Schulmeister zu sant Sebald und Lorenzen erkundigung thun, obs mit irem willen und wissen geschehe, deßgleichen erfaren, was es für ain commedi sei oder warvon es laut, und widerpringen. 58b [15b] 15. Januar 1552: Michel Stauden auf den bericht des schulmaisters zu sant Sebald, das man im nit den rechten grund angezaigt, die begerten commedi zu halten ablainen und bei ains erbern raths ernstlicher straf verpieten, on erlaubdtnus kaine zu halten. Was magister Joachim Heller1) zu sant Egidi für commedi zu halten vorhab, dess soll man sich gründlich bei im erkundigen und widerpringen. 58c [17b] 18. Januar 1552: Joachim Heller, magister zu sant Egidi, die lateini­ schen commedi aus dem Terentium, desgleichen die ain teutsch von der histori Thobie zu recidiren vergönnen, aber die ander teutsch commedi sol im zu halten abgelaint und da­ neben gesagt werden, [18 a] weil meine herren angelangt, das er in der schul noch ganz hinlessig und unfleissig, heten sich meine herren nit versehen, das er die jüngst warnung so pald in vergessen solt gestellt haben, mit abermals ernstlicher erinnerung, die lectiones in der schul daneben nichts destminder auszu­ richten und seins ampts fleissiger zu warten, dann bishere geschehen, oder, wo nit, wöll man in gar feiren lassen. 59a [34a] 27. Januar 1552: Herrn Hannsen Voyt2), caplan zu sant Lorenzen, des­ gleichen Hanns Sachsen und Lorenzen Rappolt3) ire Ö Über J. H. (1518-1590) s. Will,Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, 2, 84 ff. 2) Vgl .En twicklung des Theaterwesens, Buchausgabe, S. 5 4 f.u.Teil II, No. 5 9. 8) S. ebenda an verschiedenen Stellen (vgl. das Register).

298 angezaigte commedicn und faßnachtspil, weils für unnachtailig angesehen seien, an den feiertägen und sonst in der wochen noch ain tag zu agiren und offenlich zu spilen vergönnen, doch einpinden, außerhalb derselben kain neus mer on wissen und erlaubdtnus meiner herren furzunemen. *) 200a [1592/93, XI, 13b] 10. Januar 1593: Simon Martin von Laugingen, welcher etliche comoedias alhie zu agiren begert, soll man solch sein begeren ablainen. 200b [1592/93, XII, 38a] 20. Februar 1593: Den wagner- und huofschmidtgesellen soll man erlauben, das an der faßnacht sie ihre vätter mit einem spil besuchen und ihnen schenken mügen, doch nur einen tag, und das sie keinen tanz dabei nicht halten sollen. 203a [1594/95, II, 11b] 7. Mai 1594: Den supplicirenden Simon Martin von Laugingen, comoedianten, soll man abweisen und inge-[l2a]denk sein, wann den spilleuten und gaukleren hinfüro erlaubt wirdet, daß sie ihre spil alhie halten mügen, das man ihnen keine trummeter, noch das sie ihr spil unter den göttlichen ämpteren halten thun, gestatten soll.

Theodor Hampe.

Das Singebuch des Adam Puschman nebst den Original­ melodien des M. Behaim und Hans Sachs herausgegeben von G. Münzer. Leipzig, Breitkopf und Härtel, (1906). 2°. 96 S. (mit 3 Tafeln). In der Literatur über den Meistergesang, die in den letzten Jahren erschienen ist, nimmt die Arbeit über das Singebuch des Adam Puschman von G. Münzer vielleicht die hervorragendste Stelle ein, weil sie sich mit einem Gebiete befaßt, das bisher von der Forschung sehr vernachlässigt worden ist, ja nahezu öde gelegen hat, mit der Musik der Meistersinger. Diese Nicht­ achtung, die den Melodien selbst eines Hans Sachs bis in unsere Tage hinein zuteil geworden ist, hatte wesentlich ihren Grund 0 Dies ist also der (bisher, auch von Viktor Michels, übersehene) »weitere beschaid« an Hans Sachs und die anderen Spielhalter, von dem in dem Ratsverlaß vom 25. Jan. 1552 die Rede ist.

299 in dem vernichtenden Urteil, das einst Joh. Christoph Wagen­ seil in seinem Traktat »Von der Meistersinger holdseligen Kunst Anfang, Fortübung, Nutzbarkeiten und Lehrsätzen« (Altdorf 1697) über die musikalische Seite der meistersingerischen Tätigkeit und insbesondere über die »vier gekrönten Töne« gefällt hatte. Wie aber Wagenseil, der selbst nur noch den tiefsten Verfall der holdseligen Kunst vor Augen hatte, auch sonst durch sein vielbenutztes Buch zahlreiche Irrtümer und verkehrte Auffassungen auf die Nachwelt gebracht hat, so muß auch jenes Verdikt bei näherer Prüfung der Musik der Meistersinger in ihrer guten Zeit als ungerecht bezeichnet werden. Die sorgfältige Erforschung und verständnisvolle musik­ ästhetische Analyse der Töne, wie sie in Adam Puschmans in der Stadtbibliothek zu Breslau verwahrtem »Singebuch« und einigen, doch nicht sehr zahlreichen anderen Handschriften der Ratsbibliothek in Zwickau, der Münchner Hof- und Staats­ bibliothek, der Stadtbibliothek in Nürnberg u. s. w. notiert sind, führten zu dem Ergebnis, daß »die Melodien der Meistersinger besser sind als ihr Ruf«. Einige Weisen Frauenlobs, des jungen Stollen und Muskatblüts, die Marienweise des Nürnberger Mei­ stersingers Jörg Schiller, der »geschieden Ton« Konrad Nachtigalls, »eines der bedeutendsten Musiker unter den Nürnbergern«, die »Steyrweise« Mathes Schneiders von Steyr, »eines der besten Musiker von allen«, oder Hans Folzens »Kettenton« können sich gar wohl unter der gleichzeitigen musikalischen Produktion sehen lassen, und Hans Sachsens musikalisches Meisterstück, seine Silber­ weise, ist »an Schönheit und Kraft den besten Kirchengesängen ebenbürtig«. Allerdings ist keine der uns bekannten und von Münzer benutzten Handschriften als direkte Quelle oder ein »Schulbuch mit Melodien, das unter den Augen der Meister aufgezeichnet worden wäre«, zu bezeichnen. Die Notierungen der gleichen Töne boten oft nicht geringe Abweichungen, was die Herstellung der Originalmelodie sehr erschwerte und in Einzelheiten häufig nicht über Wahrscheinlichkeit und Vermutung hinausgelangen ließ. Gleichwohl aber darf dieser erste Versuch einer Er­ schließung der meistersingerischen Musik als sehr wohl gelungen gelten und ist der kühne und kraftvolle Vorstoß in kaum

300 bekanntes Land, den G. Münzer unternommen, alles Lobes wert. Möchte dem Pfadfinder aus den Reihen der Musikhistoriker noch die nötige Gefolgschaft erwachsen. Th. Hampe.

Die Anfänge der Tafelmalerei in Nürnberg. Von Carl Gebhardt. Heft 103 der Studien zur deutschen Kunst­ geschichte. Mit 34 Lichtdrucktafeln. Straßburg, J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 1908. 8°. 203 S. Schon von jeher haben die Werke der älteren Malerschule Nürnbergs den Gegenstand nachhaltigen Interesses gebildet. Der ferner Stehende mag sich hierüber wundern. Der mit der Materie Vertraute aber weiß, daß es sich hier um ein Gebiet handelt, das noch sehr viel Neuland bietet, ja das eine Fülle von Rätseln in sich birgt. Namentlich gilt dies von den Anfängen der Tafelmalerei. Trotz der verdienstvollen Forschungen Thodes, die zu ihrer Zeit eine förmliche Tat auf kunstgeschichtlichem Gebiet bedeuteten, die ein unvergängliches Gut der methodischen Kunstforschung unserer Zeit bilden werden, gibt es doch gerade hier noch manche Frage zu klären. Karl Gebhardt hat es unternommen, auf diesem noch schlüpfrigen Boden festeren Fuß zu fassen. Das Bedürfnis hiezu lag um so mehr nahe, als seit Thode die Forschung weitergeschritten, neue Gesichtspunkte eröffnet und als weiterhin unterdessen manche wichtige neue Entdeckungen gemacht worden sind. Es kann nicht geleugnet werden, daß Gebhardt mit Vorsicht und Überlegung kombiniert, daß er das, was Thode geschaffen, in vielen Punkten erweitert, daß er neue Gruppen erkannt und neue Meister aus dem Chaos der vielen namenlosen Künstler herausgehoben und mit Schärfe Umrissen hat. Eine andere Frage ist die, ob die Parallelen, die der Verfasser ziehen zu müssen glaubt, immer am Platze sind. Ich wenigstens vermag ihm hier nicht immer zu folgen und meine, daß doch häufiger mit dem Zufall paralleler Entwicklungen gerechnet werden muß, daß nicht immer gleich Beziehungen zu bestehen brauchen, wenn einzelne Figuren ähnlich auch anderswo Vor­ kommen. Allerdings will ich nicht verkennen — es wäre Unrecht, wenn ich es täte —, daß den Verfasser hiebei das Streben nach Ergründung der Wahrheit geleitet hat. Hie und

301 da ist er mir etwas zu rasch mit Namensnennungen bei der Hand. Auch kann man zuweilen in Zweifel geraten, ob die Beziehungen zu Italien in der Art, wie sie konstatiert werden, immer haltbar sind. Wichtig aber und verdienstvoll ist der Hinweis auf Italien unter allen Umständen. Man wird den entdeckten Spuren entschieden noch weiter nachgehen müssen. Der Ver­ fasser darf den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, hier zuerst mit Nachdruck eingesetzt zu haben. Sehr der Beachtung wert ist die von Gebhardt unter­ nommene prägnantere Fixierung des Meisters Berthold Landauer. Er spricht fortan von dem Meister des Imhoff-Altares als einem eigenen Meister. Auch der Meister des Kadolzburger Altares, den Friedländer zuerst in die Kunstgeschichte einführte, wird nunmehr in seinen richtigen Zusammenhang gebracht. Gebhardt vermag ihn jedoch nicht mit dem Meister des Imhoff-Altars zu identifi­ zieren. Im Gegensatz zu Voll erklärt er den Meister des Bamberger Altares für einen Nürnberger und leugnet das Vor­ handensein einer eigenen Bamberger Lokalschule. Die Möglich­ keit, daß der Altar von einem Mitglied der Familie Löffelholz gestiftet ist, gibt seiner Argumentation einen guten Rückhalt. Weiter tritt er Dörnhöffer entgegen, der die Altarflügel in der Sakristei von St. Jakob mit den Werken des Imhoff-Meisters in Zusammenhang bringen wollte. Überzeugender ist das, was Gebhardt sagt, der die Flügel für das Hauptwerk des DeokarusMeisters erklärt. Beherzigenswert dürfte des Verfassers Anregung sein, einige Tafelbilder in St. Sebald auf ihren ursprünglichen Zustand zurück­ zuführen und das herrliche Ehenheim-Epitaph in St. Lorenz reinigen zu lassen. Dieses ist ein sehr bedeutungsvolles Werk, ein Werk von bewunderungswürdiger Kühnheit der Komposition, in welchem die Nürnberger Epitaphienkunst einen Höhepunkt erreichte. Wie Gebhardt aus den Abtsrechnungen des Heilsbronner Klosters feststellen konnte, ist das berühmte Heilsbronner Schutz­ mantelbild wahrscheinlich i. J. 1442 entstanden. Er betrachtet es als ein Früh werk Hans Peurls, der seine Schulung, wie weiter festgestellt wird, nicht in Nürnberg, sondern in Venedig empfing, und auf den, wie Gebhardt glaubhaft zu machen sucht, Giovanni d’Alemagna den größten Einfluß ausgeübt hat.

302 Der Tucher-Allar wird auf Grund der Zeitereignisse (Pest, Krieg) in das Jahr 1451 gesetzt. Wenn diese Datierung nach äußeren Umständen auch nicht voll überzeugt, so trifft sie doch an­ scheinend annähernd das Richtige. Im Gegensatz zu der bisherigen Anschauung, daß der Tucher-Altar das Werk eines Mannes sei, führt Gebhardt den Nachweis, daß er von zwei Meistern geschaffen worden ist, die, zwar verschieden in der Herkunft ihres Stiles und im Wesen ihrer Kunst, sich aber in ihrer Arbeit gegenseitig beeinflußten. Dieser Nachweis dürfte im großen und ganzen gelungen sein. Die Außenseiten wurden von Hans Peurl geschaffen, die Kreuzigung sowie die Gespräche zwischen Augustin und Monica, dann zwischen den heil. Anachoreten Paulus und Antonius vom Meister des Hallerschen Altares, dessen Kunst aber hier mehr verinnerlicht und vergeistigt erscheint. Auch in den beiden seitlichen Teilen des Mittelstückes erkennt Gebhardt die Hand bezw. den Geist (Verkündigung) seines Hans Peurl. Nicht leugnen aber will ich, daß für mich die Feststellung des Namens auf Grund der Gewandsauminschriften etwas Gequältes, Erzwungenes hat. Auch in den beiden anderen , Fällen komme ich nicht darüber hinweg. Den Dreikönigs-Altar in St. Lorenz weist Gebhardt nicht, wie bisher meist, Hans Pleydenwurff zu, sondern dem Meister des Löffelholz-Altares in St. Sebald. Er betrachtet ihn als sein Meisterstück und läßt ihn Ende der vierziger Jahre entstanden sein. Pleydenwurff aber wurde erst 1457 Bürger. Mit diesem Altar hebt eine neue Periode der Nürnberger Kunst an, die Einbeziehung des Menschen in die Landschaft und damit die Einführung der Landschaft in die Nürnberger Kunst. Der Meister mag bei den Italienern in die Schule gegangen sein. Aber die Annahme einer unmittelbaren Anlehnung an ein bestimmtes Vorbild (Anbetung des Gentile da Fabriano in Florenz) will mir doch als etwas zu gewagt erscheinen. Das Altärchen in der Johanniskirche, das ich damals in die historische Ausstellung gebracht hatte, wird von Gebhardt als das letzte Werk hingestellt, das wir in Nürnberg von der Hand Hans Peurls nachweisen können. Gebhardt bringt uns viel Neues. Er erweist sich als ein scharfer Beobachter, der keineswegs gewaltsam vorgeht. Den

303 Meistern, welche Thode konstruiert, wird manches genommen und anderen, neu erkannten Meistern zugewiesen. Auf der anderen Seite aber wird ihr Werk vergrößert und weiter ausgedehnt. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Die Nürnberger Bildnerkunst um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts von Siegfried Graf Pückler-Limpurg. Mit 5 Autotypien und 7 Lichtdrucktafeln. Straßburg, J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 1904. Heft 48 der Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 8°. VII und 180 S. Liegt diese Arbeit auch schon sieben volle Jahre zurück, so mußte ihrer doch an dieser Stelle, schon der Vollständigkeit halber, Erwähnüng getan werden. Mittlerweile ist sie in ver­ schiedenen Fachzeitschriften unter Abwägung von Licht und Schatten gewürdigt worden. Aus diesem Grunde konnte und durfte ich davon absehen, Einzelfragen zu berühren. Graf PücklerLimpurg war der erste, der sich an die Aufgabe heranwagte, die Nürnberger Bildnerkunst um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert zum Gegenstand einer stilkritischen Untersuchung zu machen. Als Vorbild diente ihm die Malerschule von Thode. An ausgesprochenen Vorarbeiten fehlte es trotz des Vorhanden­ seins einer ziemlich umfangreichen älteren Literatur. Sie konnte im Grunde genommen nur als Materialsammlung in Betracht kommen. Im übrigen mußte sich der Verfasser seinen Weg selbst bahnen. Wertvolle Fingerzeige bot ihm die Geschichte der deutschen Plastik von Bode. Es ließ sich nicht vermeiden, daß auch die vorhergehende Zeit bis etwa 1350 rückwärts hereinbezogen wurde. So begann der Verfasser mit dem Hauptportal von S. Lorenz, dem größten zyklischen Werk, das Nürnbergs Bildnerkunst je geschaffen, und zugleich der ersten wirklichen monumentalen Schöpfung der jung aufwachsenden Schule. Im weiteren Verlauf seiner Untersuchung spielt die Schule der Tonbildwerke, nicht zum mindesten aber der Meister der Propheten und derjenige der Helden des Schönen Brunnens und schließlich der Deokarus-Altar eine besondere Rolle. Namentlich hier kam er zu wichtigen neuen Ergebnissen und mußte er zugleich entschieden gegen Thodes Aufstellungen Front

304 machen. Bei alledem ist es dem Verfasser ergangen wie jedem, der als erster ein großes bedeutsames Gebiet neu in Angriff nimmt. Hie und da scheint er nicht das Richtige getroffen zu haben. Aber als Ganzes genommen, ist seine Arbeit trotz der unterdessen weiter geschrittenen Forschung noch heute ein Nachschlagebuch, dessen Zuverlässigkeit meist eine gesicherte ist. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Die Nürnberger Miniaturmalerei bis 1515 von Theodor Raspe. Mit 10 Lichtdrucktafeln und 1 Textabbildung. Heft 60 der Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Straßburg. J. II. Ed. Heitz (Heitz & Mündel). 1905. 8°. 78 Seiten. Es war eine dankbare Aufgabe, die der Verfasser über­ nommen, und das um so mehr, als hier wirklich eine Lücke im Geschichtsbild der älteren Nürnberger Kunst zu füllen war. Das Gebiet der Miniaturmalerei ist ein umfangreiches. Noch gibt es hier vieles zu klären, ehe der Versuch verwirklicht werden kann, es in Form einer zusammenfassenden Darstellung zu überblicken. Nur auf dem Weg der lokalen Sonderforschung können die einzelnen Bausteine zusammengetragen werden. Ein solcher will auch die vorliegende Schrift sein. Nicht immer war es dem Verfasser möglich, aus dem Vollen zu schöpfen. Aber es ist ihm gelungen, ein festgefügtes Gerüst zu kon­ struieren, mit dessen Hülfe erfolgreich weitergebaut werden kann. In dem wogenden Auf und Nieder sind jeweilig die charakteristischen Merkmale herausgehoben, begonnen mit dem großen jüdischen Machsor der Nürnberger Stadtbibliothek vom Jahre 1331 und endend mit den Randzeichnungen Dürers zum Gebetbuch Kaiser Maximilians. Vor allem war es die Person Jakob Elsners, die der Verfasser in ein neues glänzendes Licht gerückt hat. Er ist ein feingebildeter, erfindungsreicher Künstler, der seine Technik meisterhaft beherrscht und unter den Nürn­ berger Illuministen fortan an erster Stelle genannt werden muß. Fehlt es auch an sicheren Daten für sein Leben, so hat er doch eine solch stattliche Zahl illuminierter Handschriften hinterlasscn, daß wir ihn als Künstler fest zu umgreifen vermögen. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn ihm die führende Stelle

305 in der Nürnberger Schule eingeräumt wird. Man denke nur an sein im Besitz der Freiherrlich von Kressischen Familie befind­ liches Missale, das gleichzeitig die einzige Handschrift ist, in der Elsner seine Urheberschaft selbst bezeugt hat! Eine an­ sehnliche Reihe gut gewählter Abbildungen vervollständigt das Bild, welches der Verfasser zu entwerfen bestrebt war. —1 z.

Albrecht Dürer von Dr. Joh. Damrich. Mit 60 Ab­ bildungen. München, Kommissionsverlag der Gesellschaft für christliche Kunst. 1909. 4°. 48 S. Albrecht Dürer, sein Leben und eine Auswahl seiner Werke, mit Erläuterungen zu den einzelnen Blättern. Im Auf­ trag der »Lehrervereinigung für Kunsterziehung, Nürnberg« und mit Unterstützung der Stadt Nürnberg herausgegeben von Dr. Friedrich Nüchter. Mit 50 Tafeln und Bildern im Text und 1 Farbendruck. Verlag von Fr. Seybolds Buchhandlung, Ansbach. 1909. 2. 80 S. Zwei Arbeiten populären Charakters, deren Verfasser je in ihrer Art bestrebt sind, das vorgesteckte Ziel zu erreichen. Der eine schickt eine kurze Übersicht über das Leben und die künstlerische Entwicklung Dürers voraus, um sich dann seinen Werken, die er nach den Rubriken »Gemälde«, »Kupferstiche« und »Holzschnitte« gegeneinander absondert, zuzuwenden. Eine große Zahl von Abbildungen sorgt dafür, daß die textliche Darstellung bei seinem Leser greifbarere Form annimmt. Der andere beschäftigt sich weit eingehender mit dem Bildungsgang Dürers, er geht viel intensiver auf Dürer als Menschen und als Künstler ein. Und erst dann beschäftigt er sich mit den Werken des Meisters, doch nicht in gruppenweiser Umgrenzung, sondern gleichviel, ob Gemälde, Kupferstich oder Holzschnitt, unter Beobachtung der zeitlichen Aufeinanderfolge und unter Berücksichtigung des in besonderem Maße Wesentlichen. Und zwar ver­ fährt er hiebei so, daß Text und Abbildung in sich abgeschlossen aufeinanderfolgen. Die beiden Bücher sind für verschiedene Kreise geschrieben. Sie haben ihre Vorzüge und Mängel. Damrich schreibt lebendig und frisch, Nüchter ruhig und sachlich, aber 20



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dafür um so eindringlicher. Namentlich kommt seinem Buche das große Format und die vornehme Ausstattung zu gut. Doch sind wir beiden Verfassern Dank dafür schuldig, daß sie zur Popularisierung Dürers ein weiteres Teil beigetragen haben. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Albrecht Dürer in seinen Briefen von Oberbibliothekar Markus Zucker. Mit 20 Abbildungen im Text und auf 12 Tafeln. 1908 Leipzig und Berlin. Druck und Verlag von B. G. Teubner. 8°. 128 S. Es ist in unserer Zeit, deren Hauptmerkmal ebenso ein immer mehr sich steigerndes Selbstbewußtsein wie eine tiefe Ehrfurcht vor dem aus früheren Tagen überkommenen Kulturgut ist, zur Gewohnheit geworden, die großen Männer vergangener Jahr­ hunderte nicht nur an ihren Werken, sondern auch in ihrem häuslichen und intimeren Familienleben zu verfolgen. Die Berechtigung hiezu kann nicht weggeleugnet werden. Wir werden vertrauter mit jenen Persönlichkeiten, wir gewinnen aber hie und da auch neue wichtige Anhaltspunkte zu einer klareren Erkenntnis dessen, was sie geschaffen. Bei keinem Künstler stoßen wir auf so viel Rätsel und schwer zu lösende Fragen wie bei Dürer. Wir müssen darum geradezu darnach streben, dem nachzugehen, was an eigenen Aufzeichnungen von ihm auf uns gekommen ist. In besonders nahe Berührung bringen uns mit ihm seine Briefe. Beanspruchen diese schon um der Seltenheit willen allgemeineres Interesse, so enthüllen sie uns auf der anderen Seite Grundzüge in Dürers Wesen, die sonst nicht so ohne weiteres klar vor Augen liegen. Wir vernehmen seine eigenen Worte, wir hören ihn selbst sprechen. Wir sehen, daß auch ihm die rauhe Wirklichkeit des Lebens nicht erspart war, daß er aber zugleich auf der anderen Seite neben großer Freudigkeit des Weiterstrebens über Frohsinn und Heiterkeit verfügte. Von besonderer Wichtigkeit sind seine Briefe an Pirckheimer und an Jakob Heller. Wir lernen aus ihnen viel zur Beurteilung seiner Person und der Art seines Schaffens, wir erraten, wie lebhaft sich in seinem Innern der weltbewegende geistige Kampf

307 seiner Zeit wiederspiegelte, und gewinnen weiterhin ein Bild von der hohen Achtung, deren er sich allgemein au erfreuen hatte. Es ist darum ein Verdienst, wenn Zucker es unternahm, diese und andere Briefe Dürers in weitere Kreise zu tragen. Er versah sie mit erklärenden Anmerkungen und kurzen Einleitungen und schickte dem Ganzen einen sorgfältig durchgearbeiteten Überblick über Dürers Leben und Schaffen voraus. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Albrecht Dürers schriftlicher Nachlaß. Familienchronik, Gedenkbuch, Tagebuch der niederländischen Reise, Briefe, Reime, Auswahl aus den theoretischen Schriften. Mit neun Zeichnungen und drei Holzschnitten Dürers. Herausgegeben von Ernst Heidrich. Mit Geleitwort von Heinrich Wölfflin. Verlegt bei Julius Bard, Berlin 1908. 8 °. 364 S. Die vorliegende Publikation ist keine Gesamtedition des ganzen Dürerschen Nachlasses. Eine solche steht noch aus. Es wird ihr aber durch jene in dankenswerter Weise vorge­ arbeitet. Seit der Ausgabe von Lange und Fuhse, die eine für alle Zeit grundlegende sein und bleiben wird, sind manche neue Nachweise und Vermutungen hinzugekommen. Es lag nahe, ja es war ein förmliches Bedürfnis, daß auch diese ein­ mal, und zwar in möglichster Vollständigkeit, registriert wurden. Von diesem Gesichtspunkte aus bezeichnet die Heidrichsche Ausgabe des Dürerischen Nachlasses einen Fortschritt. Dabei war es nicht die Absicht des Herausgebers, den ganzen gelehr­ ten Apparat der älteren Ausgaben in noch vergrößerter Gestalt zu übernehmen. Da diese für die Spezialforschung doch nicht entbehrt werden können, war es vielmehr am Platze, ihn an Zahl und Umfang zu beschränken. Aufgenommen wurden sämtliche autobiographische Schriften, die uns erhaltenen Briefe mit Aus­ nahme der ganz fragmentarischen und unbedeutenden Stücke, weiterhin die Aufschriften der Apostelbilder und endlich die Reime Dürers. Dagegen wurde von den theoretischen Auf­ zeichnungen eine Auswahl getroffen, aber eine möglichst reich­ haltige. Der Verfasser strebte nach dieser Richtung zugleich Klarheit und Übersichtlichkeit an. Die Bruchstücke und Trümmer 20’

308 der Überlieferung, wie sie bei Lange und Fuhse zum Abdruck gebracht worden sind, wurden stark gesichtet. Die Grenzen wurden auch hier weiter gezogen als in der von Osborn her­ gestellten Auswahl (1905). Der Verfasser hat sich Mühe ge­ geben, den Text möglichst verständlich darzubieten. Schon im Text finden wir moderne Wendungen, heutige Bezeichnungen bei Ortsnamen und Daten und kurze Erläuterungen beigefügt. Hierin liegt ein großer Vorzug, und ich zweifle nicht, daß er dem schon an sich höchst verdienstlichen Buch viele Freunde gewinnen wird. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Das Bildnis Sebastian Brants von Albrecht Dürer von Julius Janitsch. Straßburg, J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 1906. Mit 3 Lichtdrucktafeln und 2 Abbildungen im Text. Heft 74 der Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 8°. 18 S. Gar mancher mag sich schon bei Betrachtung der anziehen­ den Silberstiftzeichnung eines älteren Mannes mit Barett, faltiger Pelzschaube, ineinander gelegten Händen und nachdenklichem, zugleich von leichter Ironie durchzogenem, bartlosem Antlitz im Berliner Kupferstichkabinett die Frage nach dem Namen der dargestellten Persönlichkeit vorgelegt haben. Und das um so mehr, als sich in Zeichnung und Haltung die Hand des größten deutschen Künstlers, nämlich Albrecht Dürers, offenbart. Kaum einer wäre imstande gewesen, in damaliger Zeit ein Bildnis von gleich liebevoller und eingehender Arbeit zu geben wie eben er. Ein Zweifel an seiner Eigenhändigkeit dürfte so gut wie aus­ geschlossen sein. Aber noch keiner hat jene Frage bislang zu beantworten gewußt. Dies blieb Julius Janitsch Vorbehalten. Er erkannte, daß der Dargestellte der bekannte Verfasser des Narrenschiffes, der Straßburger Stadtschreiber und Doktor der Rechte Sebastian Brant sei. Als Handhaben zu dieser Fest­ stellung dienten ihm einerseits der Profilholzschnitt von Tobias Stimmer in Reusners Icones sive imagines virorum literis illustrium (1587), andererseits ein Ölgemälde im Bürgermeisteramt zu Straßburg, offenbar das Werk eines Kopisten des 16. Jahr­ hunderts und vielleicht ein dürftiger Nachklang eines verschol­ lenen Originals von Hans Baidung Grien. Zeitlich ist die Zeich-

309 nung in die Jahre 1520—21 zu setzen, wo Dürer in den Nieder­ landen weilte. Allerdings ist von einer Begegnung beider Männer in des Meisters sonst so sorgfältig geführtem Reisetagebuch nirgends die Rede. Doch auch diese Schwierigkeit weiß der Verfasser hinwegzuräumen. Er stellt fest, daß Sebastian Brant zur gleichen Zeit wie Dürer in Antwerpen weilte, wo er als Führer der Straßburger Stadtboten zu dem neugewählten Kaiser Karl V., vor dem er am 6. August 1520 im nahen Gent die Begrüßungsrede hielt, haltmachte. Und nochmals hielt er hier auf der Rückreise zur Erledigung gewisser Geschäfte Einkehr. Im gastlichen Hause des Magisters Petrus Aegidius, des Sekre­ tärs des Antwerpener Schöffenrates, wo auch Erasmus von Rotterdam, zu dem Brant seit Jahren freundschaftliche Beziehungen unterhielt, abzusteigen pflegte, wird es gewesen sein, wo sich beide Männer trafen und Dürer einen günstigen Augenblick be­ nutzt haben mag, um den Dichter des Narrenschiffes im Bilde festzubannen. So ist diese kleine Studie Janitschs trotz ihres bescheidenen Umfangs ein wichtiger neuer Beitrag zur Klärung des Lebenswerkes unseres großen Meisters. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Kaiser Maximilians I. Gebetbuch mit Zeichnungen von Albrecht Dürer und anderen Künstlern. Faksimiledruck der Kunstanstalt Albert Berger in Wien. Mit Unterstützung des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht in Wien und des königl. Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und MedizinalAngelegenheiten in Berlin. Herausgegeben von Karl Giehlow. Wien, Selbstverlag des Herausgebers, im Buchhandel zu beziehen durch die Verlagsanstalt F. Bruckmann in München. 1907. 2°. Bekanntlich hat sich Goethe im Jahre 1808 seinem Privat­ sekretär Riemer gegenüber dahin geäußert, daß er sich ärgern würde, wenn er gestorben wäre, ohne die Randzeichnungen ge­ sehen zu haben. Und doch lagen ihm diese in Reproduktionen vor, deren Unvollkommenheit sofort einleuchtet, wenn wir die vorliegende Publikation zur Hand nehmen, die in technischer Beziehung das Vollendetste bezeichnet, das wir heute zu

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erreichen imstande sind. War seine Begeisterung schon auf Grund der Strixnerschen Steindruckvervielfältigung eine so stürmische, welchen Gipfel würde sie wohl erreicht haben ange­ sichts dessen, was eine in technischer Beziehung unendlich viel weiter entwickelte Zeit mit Anspannung aller Kräfte zu Wege zu bringen vermocht hat! Nur ein Verfahren konnte sich als tauglich erweisen, das die Feinheit der Striche zu wahren und auch den verschiedenen Druck der Feder anzudeuten vermag. Ein solches ist die Photolithographie. So erfolgte die Giehlowsche Reproduktion des Gebetbuches einheitlich im Wege des mit Hilfe der Photographie Naturtreue erreichenden Steindruckes. Ihre eigentliche Wirkung erzielen die Randzeichnungen erst im Zusammenhang mit dem ihnen ebenbürtigen Druck. Es genügt nicht, daß sich der grüne, violette oder rosafarbene Ton der Randleiste mit dem Rot und Schwarz der Lettern verbindet. Es muß noch die gelbliche Färbung des Pergamentes, das grau­ bläuliche Durchschimmern der auf der anderen Seite gedruckten Lettern, das Rosa der Linien und schließlich auch die Ein­ prägung der roten Buchstaben hinzutreten. Wenn man in Erwägung zieht, daß die vorliegende Ausgabe nach diesem Gesichtspunkte erfolgte, wird man sich eine ungefähre Vorstellung von den großen Schwierigkeiten machen können, die es zu überwinden galt. Aber sie wurden überwunden. Und wir müssen allen dabei beteiligten Faktoren dafür Dank wissen. Alle bislang erschienenen Ausgaben entbehrten des künst­ lerischen Reizes, der in dem harmonischen Zusammenklang von Zeichnung und Textdruck liegt, vollkommen. Es fehlte sogar eine vollständige Wiedergabe des nicht illustrierten Textes der Fragmente, zu geschweigen einer Ergänzung der verlorenen Druckseiten aus den erhaltenen vollständigen Exemplaren. Selbst eine Vervielfältigung, die dem Beschauer den Gesamt­ eindruck einer mit Randzeichnung ausgestatteten Druckseite zu verschaffen vermag, fehlte bis heute. Nimmt man dies alles zusammen, so wird man den rechten Gradmesser erhalten, um den Wert der Ausgabe, die uns Giehlow bietet, bestimmen zu können. Sie ist eine der bedeu­ tungsvollsten und wichtigsten für die Epoche der deutschen Frührenaissance.

311 Nicht minder bedeutsam aber ist das Geleitwort, das Giehlow dem Werke, auf das soviel Fleiß, Mühe, Sorgfalt und Ausdauer verwandt worden ist, beigegeben. Es bringt uns viele wichtige neue Forschungsresultate. Besonders interessant ist die Fest­ stellung, daß das Gebetbuch nicht, wie man bislang annahm, zum persönlichen Gebrauch des Kaisers bestimmt war, sondern für den St. Georgen-Ritterorden, dessen von ihm gegründeter freiweltlicher Bruderschaft der Kaiser i. J. 1494 selbst beigetreten war. Die übliche Benennung »Gebetbuch Kaiser Maximilians I.« erscheint darum eigentlich als zu eng. Die Randzeichnungen, an denen neben Dürer dessen Bruder Hans, weiter Lucas Cranach, Jörg Breu und ein weiterer, einstweilen dem Namen nach un­ bekannter Meister arbeiteten, waren also auf den Leserkreis der St. Georgsbrüder, deren Orden zur Abwehr der Türken gegründet war, berechnet und als Vorlagen für Holzschnitte bestimmt. Dr. Fritz Traugott Schulz.

Albrecht Dürers Pflanzen- und Tierzeichnungen und ihre Bedeutung für die Naturgeschichte von Professor Dr. Seb. Killermann. Heft 119 der Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Straßburg. J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel). 1910. 8°. 120 Seiten mit 22 Tafeln. Schon seit Goethe war man sich darüber einig, daß keiner eine solche Fähigkeit besessen, Gegenstände aus allen Reichen der Natur darzustellen wie Albrecht Dürer. Mit seltener Innig­ keit liebte er die Natur und was in ihr lebte, und mit geradezu wissenschaftlicher Genauigkeit versenkte er sich in deren Wieder­ gabe. Aber mit der Peinlichkeit der Darstellung verband er zugleich eine erstaunliche Größe der Auffassung, wie wir sie wohl kaum bei einem anderen Künstler seiner Zeit und in späteren Jahrhunderten antreffen. Ein eigentümlicher Zauber ruht auf seinen Pflanzen- und Tierzeichnungen, die meist erst entstanden, als Dürer schon ein gereifter Künstler war. Erst als solcher begann er, wie Melanchthon schreibt, die Natur zu betrachten und deren ursprüngliches Antlitz nachzubilden. Erst als solcher erkannte er, daß diese Einfachheit der Kunst höchste Zierde sei. Und doch ist Dürer von dieser Seite noch nicht

312 so gewürdigt worden, wie er es verdiente, vielleicht nur deshalb, weil man ihn in erster Linie vom künstlerischen Gesichtspunkt aus zu umgreifen bestrebt war. Der Verfasser glaubte der Kunstwissenschaft einen Dienst zu erweisen, wenn er sich das Ziel setzte, alle auf die Natur bezüglichen Darstellungen von Dürers Hand zu registrieren und sie vom naturwissenschaft­ lichen Standpunkt aus zu würdigen. Bedürfen wir dieser Stütze, um in dem Lebenswerk dieses allumfassenden Meisters klarer zu sehen? Ich glaube, daß wir ihrer nicht ganz zu entraten ver­ mögen, und das um so mehr, als viele der Arbeiten Dürers nur unter diesem Gesichtspunkt ganz verstanden werden können, da sie nichts anderes sind als Kopien der Natur, und zwar, wie der Verfasser mit Recht betont, solche von wunderbarer Treue und Auffassung. Ein näheres Studium des Buches zeigt, daß Dürers Persönlichkeit, unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, nicht etwa verliert, sondern weiter gewinnt, ja daß unsere Achtung vermehrt und gesteigert wird. Auf manches Neue werden wir aufmerksam gemacht, vor allem aber auf die bislang unbeachtet gebliebene Tafel mit Naturdarstellungen in den sogenannten »Zellen Philipps II.« im Escorial. Es bleibt ab­ zuwarten, ob die Autorschaft Dürers, die dem Verfasser selbst nicht über allen Zweifel erhaben ist, von der Kunstforschung als zu Recht bestehend anerkannt werden wird.

Dr. Fritz Traugott Schulz.

Geographische Studien an der Universität Altdorf. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexanders-Universität Erlangen vorgelegt von Georg Geiger aus Teisnach. BornaLeipzig, Buchdruckerei Robert Noske 1908. 8°. 39 S. Der Verfasser rühmt, daß im Gegensatz zu dem Zustande, der zumeist an den deutschen Hochschulen des 17. und 18. Jahr­ hunderts geherrscht habe, an der Universität Altdorf während der ganzen Zeit ihres Bestehens die Geographie rege Pflege fand. Freilich geschah dies nur im Nebenamte. Geiger verfolgt nun die wissenschaftliche und literarische Tätigkeit, welche Altdorfer

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Professoren auf den verschiedenartigsten Gebieten der Geo­ graphie selbst wie ihrer Nachbargebiete entfalteten. Er ver­ fährt dabei allerdings nicht in entwicklungsgeschichtlicher Dar­ stellung, sondern so, daß er die einzelnen Persönlichkeiten, deren Namen und Zeit der Amtsführung die Überschriften bilden, nebeneinander stellt. So ziehen Freigius, Prätorius, Hildericus von Varel, Odontius und Saxonius, Schwenter, Abdias Trew, Jungermann und Moritz Hoffmann, Baier, Sturm, Johann Heinrich Müller, Köhler, Will, Späth und Männert an unserem geistigen Auge vorüber. Unter anderem treten uns die Ver­ dienste des Prätorius um Kalenderwesen und Astronomie deut­ lich entgegen. Über Abdias Trew vernehmen wir das UrteiT, daß er nicht auf der Höhe seiner Vorgänger stand. Junger­ mann und sein Schüler Moritz Hoffmann werden als Vorläufer der wissenschaftlichen Pflanzengeographie bezeichnet; beide waren nacheinander Präfekten des Altdorfer botanischen Gartens, welcher der größte in Deutschland wurde und auch den zu Leiden an Umfang übertraf. Baier erscheint auch unserem Verfasser als Begründer der fränkischen Geognosie. Abdias Trews Nachfolger war Johann Christoph Sturm gewesen; dieser Gelehrte, welcher der Universität zu Altdorf hohen Ruhm eintrug, brachte jedem Zweige der Erdkunde ein großes Verständnis entgegen. Köhler war auf dem Gebiete der historischen Geo­ graphie und auch als Kartograph hervorragend tätig, wobei er zumeist den Meridian von Ferro als Nullmeridian angab. Auch Späth, an den neben dem mathematischen Lehrauftrag ein solcher für Forstwissenschaft erging, erwarb sich neben pflanzengeographischen zugleich kartographische Verdienste. Männert begann während seiner Altdorfer Amtstätigkeit unter anderem sein Werk über die »Geographie der Griechen und Römer« auszuarbeiten. Geiger weist darauf hin, daß Sturm, Müller, Köhler und Späth auch erdkundlichen Unterricht an der Hochschule erteilt haben. Wir hören, daß der Jurist Ritterhausen sich nicht nur als Kartograph hervortat, sondern auch Vorlesungen über historische Erdkunde hielt. In einem letzten Abschnitt ver­ breitet sich Geiger über die »Dissertationen geographischen Charakters«, die er in astrophysikalische und geographisch­ physikalische einteilt; aus dem Bereiche der politischen Geo-

314 graphie kann er nur eine einzige derartige Arbeit namhaft machen. Schließlich wird noch des Professors Adelbulner ge­ dacht, der vor Antritt seines akademischen Lehramtes die Zeit­ schrift »Commercium literarium ad astronomiae incrementum« herausgab. Diese enthielt leichtverständliche Abhandlungen astro­ nomischen und geographischen Inhalts, darunter Aufsätze aus der Feder des Altdorfer Professors Kelsch; ihre Fortsetzung bildeten die »Merkwürdigen Himmelsbegebenheiten«. Am Ende seiner Schrift gibt der Verfasser ein Verzeichnis der von ihm benutzten Literatur. In jeder Hinsicht erscheint er dazu berufen, seine bisherigen Ausführungen weiterhin mit Mark und innerem Leben zu erfüllen. Zum Schlüsse sei noch bemerkt, daß eine gleichzeitige Vereinigung der durch königlichen Erlaß vom 24. September 1809 aufgelösten Universität Altdorf mit der Hochschule zu Erlangen deshalb ausgeschlossen war, weil letztere Stadt damals noch nicht zum Staate Bayern gehörte. Dr. Ludwig Wolfram.

Die Geschichte der Physik an der Universität Altdorf bis zum Jahre 1650. Mit 21 Abbildungen. Von Dr. Friedrich Klee. Erlangen. Max Mencke, Universitäts-Buchhandlung. 1908. 8°. 180 S. Der Verfasser dieses aufschlußreichen Buches hält seinen Blick stets auf ein großes Ganzes, auf die Geschichte der physikalischen Wissenschaft als solche und auf die Gesamt­ verhältnisse der nürnbergischen Universität Altdorf gerichtet. Er hat seine Untersuchungen auf breiter Basis aufgebaut und selbst mit außerdeutschen Gelehrten deswegen Korrespondenzen geführt; auch die Sammlungen des Germanischen National­ museums wurden benutzt und zu photographischen Aufnahmen verwendet. Klee betont, daß die Physik in Altdorf zwar keine epoche­ machende Förderung erfuhr, aber von Männern vertreten wurde, die sich allgemeinen Ansehens erfreuten; die dortige Universität war die erste in Deutschland, an der und zwar durch Sturm die Experimentalphysik eingeführt wurde. Zunächst handelte es sich freilich um die aristotelische Physik, die von der

315 modernen sehr verschieden und viel weiter als diese gefaßt war; sie wurde bis zum Jahre 1650 von Medizinern vorgetragen, die gleichzeitig der philosophischen Fakultät angehörten. Optik und Mechanik wurden wie die Astronomie in die mathematischen Vorlesungen einbezogen. Im Jahre 1650 wurde auch die ari­ stotelische Physik mit der Mathematik vereinigt. Klee ver­ öffentlicht die im Codex legum antiquus von 1582 und in den Leges et statuta von 1623 enthaltenen Vorschriften über, die Behandlung des Lehrstoffes seitens des »Physicus« und »Mathematicus«, in denen es letzterem anheimgegeben wurde, ob er die Planetentheorie des Ptolemäus oder des Kopernikus lehren wollte. Die in den Kollegien benutzten Apparate be­ fanden sich größtenteils im Privatbesitz der Professoren; unser Verfasser erwähnt jedoch etliche Instrumente, die der Universität selbst eigen waren, und ist in der Lage davon aufs eingehendste einen komplizierten scyphus mathematicus und eine Armillarsphäre fcu besprechen, die heutzutage beide im Germa­ nischen Museum aufgestellt sind. Auch von der Sternwarte wird etwas ausführlicher gehandelt. Nach den Akten von 1812 wurden sämtliche Apparate nach Nürnberg in das dort neu­ errichtete Realinstitut verbracht. Die Betrachtung des Zeitraums bis zur Loslösung der aristotelischen Physik von der Medizin und ihrer Vereinigung mit der Mathematik ergibt eine Teilung in zwei Abschnitte, deren erster die aristotelischen »Physici«, der zweite die Mathe­ matiker zum Gegenstände hat, »die als Lehrer der Optik und Mechanik, besonders aber als Astronomen und deshalb als wirkliche Forscher für die Geschichte der Physik mehr in Be­ tracht kommen als die auf dem Boden der Naturphilosophie stehenden »Physici« «. Die erste Persönlichkeit, auf die der Ver­ fasser hinweist, der Gymnasialrektor Freigius, ein Gesinnungs­ genosse des Antiaristotelikers Pierre de la Ram6e, dozierte zwar nicht Physik, ist aber Verfasser eines einschlägigen ausführlichen Buches. Als erster Fachprofessor erscheint Hegius. Die Blüte­ zeit der Altdorfer Naturphilosophie hebt mit dem von Autoritäts­ wahn freien Taurellus an. Dessen Nachfolger, Soner, war Anhänger des Sozinianismus, einer Richtung, welche die Drei­ einigkeitslehre verwarf. Eine zweite Professur für Physik

316 wurde damals Waldung übertragen. Der letzte zugleich der medizinischen Fakultät angehörende »Physicus« war Nößler. Kaspar Hofmann brachte, ohne Vorlesungen über Physik zu halten, dieser hohes Verständnis entgegen. Prätorius, der erste Altdorfer Mathematiker, hatte sich früher als Verfertiger mathe­ matischer Instrumente in Nürnberg aufgehalten; er erfand den noch heute in Gebrauch stehenden Meßtisch, verbesserte den Jakobstab und konstruierte ein Nivellierungsinstrument, mit dessen Hilfe er eine Wasserleitung von Bühlheim nach Altdorf führte. Eine Veröffentlichung über den neuen Stern des Jahres 1572 brachte ihn mit Tycho de Brahe in Verbindung und Kepler bekannte von ihm gelernt zu haben; doch hing Prätorius noch dem ptolemäischen Weltsystem an. Als im Jahre 1624 zwei mathematische Lehrstühle errichtet wurden, erhielt Saxonius die professio mathematum superiorum und Odontius die professio mathematum inferiorum. Von Saxonius ist ein Kupferstich vor­ handen, der eine Beobachtungsreihe von Sonnenflecken enthält. Im Jahre 1628 wurde Schwenter wieder der gesamte mathema­ tische Lehrauftrag erteilt; diesem Mann widmet Klee volle 56 Seiten seiner Darstellung. Schwenters Geometria practica wird von Cantor das beste Werk genannt, dessen man sich damals bedienen konnte. Er machte Erfindungen in der Feld­ meßkunst und praktischen Mechanik. Unter anderem wurde er bei der Anlage von Festungen um Rat und Beistand ange­ gangen. In eine Rede über Optik flocht er einen kurzen Überblick über die Geschichte dieser Wissenschaft ein und wußte dabei auch die Verdienste der Araber zu berühren. Bedeutend reichhaltiger waren die »Deliciae physico-mathematicae oder Mathematische und philosophische Erquickstunden«, in denen man jedoch nicht ein systematisches Lehrbuch erblicken darf. Nicht zum Studium, sondern zur Ergötzung geschrieben, verbreiten sie sich als Sammlung kurzweiliger Aufgaben und mathematisch-physikalischer Spielereien über Arithmetik, Geo­ metrie, Stereometrie, Musik, Optik, Katoptrik, Astronomie und Astrologie, Gnomonik- und Thaumatopoetik (Sonnen- und Schlag­ uhrenkunde), Statik, Bewegungslehre, Pyrobolia (Feuerwehrkunst), Pneumatik, Hydraulik, Schreibkunst, Architektur und Mechanik sowie schließlich über Chemie. Aber die »Deliciae« waren

317 mit der obenerwähnten Rede die ersten in Altdorf erschienenen Abhandlungen, die sich über eigentliche Physik ausließen. Übrigens beruhten sie auf ziemlich genauer Anlehnung an ein fremdes Original, die »Recreations mathematiques«, die einen französischen Jesuiten zum Verfasser hatten. Allerdings fügte Schwenter viele Aufgaben hinzu und erklärte, die meisten »Künste« seien ihm schon bekannt gewesen. Unser Verfasser widmet dem Buche eine tief ins Detail gehende fachwissen­ schaftliche Analyse. Für Schwenter steht die Erde noch unbe­ weglich im Mittelpunkt der Welt. Wenn er von einem Nürn­ berger berichtet, der vor vielen Jahren mit Flügeln versehen von seinem Hause habe herabfliegen wollen, so sieht Klee hierin »sicherlich einen der älteren Flugversuche, der einiger­ maßen historischen Untergrund besitzt«. Hervorgehoben sei noch, daß Schwenter wie jener Franzose im Gegensatz zu der herrschenden Meinung, wonach der Regenbogen aus drei, höch­ stens vier Farben bestand, deren mehr herausfanden! Auf Schwenter folgte Abdias Trew, dem im Jahre 1650 zur Mathe­ matik noch die aristotelische Physik übertragen wurde. In einem zusammenfassenden »Schluß« unseres Buches wird noch einmal darauf hingewiesen, daß die zu Altdorf von den Medizinern gepflegte Physik im allgemeinen die aristotelische war, daß man aber doch den Forderungen der Zeit in mannig­ facher Hinsicht Rechnung trug. Naturforscher waren in höherem Grade die Mathematiker. Indem sich Schwenter dem Experiment zuwandte, hat er auf seinen großen Nachfolger J. Chr. Sturm eingewirkt. Überraschend ist die Wahrnehmung, daß Galileis Lehren so gut wie gar nicht beachtet wurden. Auf ein Verzeichnis der »Physici« und »Mathematici« und ein solches der hauptsächlichst benutzten Quellen läßt der Verfasser noch einen kurzen »Nachtrag« folgen. Alles in allem erweist sich seine Leistung als erfreulicher Niederschlag emsigen und ausgreifenden Forschens. Man darf der geplanten Fort­ setzung mit guten Erwartungen entgegensehen.

Dr. Ludwig Wolfram.

318 Die bayerische Oberrealschule vor ioo Jahren. Ein Beitrag zur Geschichte des Allgemeinen Normativs von 1808 und des Realschulwesens. Auf Grund der Quellen dargestellt von Dr. K. Küffner, k. Professor der Oberrealschule Nürnberg. Nürnberg 1908. Verlag von Heerdegen-Barbeck (Bruno Hen­ nings). 8°. 88 S. In hoher Befriedigung über die Errichtung bayerischer Oberrealschulen lenkt der Verfasser dieses Büchleins in dankens­ werter Weise seine Blicke auf eine unter dem Ministerium Montgelas erfolgte, damals freilich nur von ganz kurzem Bestände gebliebene Schulschöpfung zurück, in der er mit Recht einen ersten Anlauf zu den heutigen Errungenschaften sieht. Wir unsrerseits fügen nur vom rein historischen Standpunkt aus hinzu, daß eben jenes ephemere Dasein in der Natur der Dinge be­ gründet lag, da eine höhere realistische Lehranstalt den Zeit­ verhältnissen, wie sie vor hundert Jahren in unserem Vaterlande obwalteten, noch nicht gemäß war. Wenn Küffner selbst uns darüber belehrt, daß die damaligen Realinstitute »vornehmlich für die Bildungsbedürfnisse des Adels zugeschnitten« waren — er versteht darunter allerdings ausschließlich den patrizischen Adel —, so möge dies zum Belege unserer Auffassung dienen. Einleitungsweise werden wir in die Anfänge eines baye­ rischen Realschulwesens unter der Regierung des Kurfürsten Maximilian III. Joseph zurückgeführt. Auf die rückläufige Re­ gierungsperiode Karl Theodors folgte diejenige seines aufgeklärten Nachfolgers Maximilian IV. Joseph. Der Wismayersche Lehr­ plan vom Jahre 1804 beruhte auf einer Verschmelzung der beiden Systeme des Humanismus und Philanthropismus. Wismayer selbst redete später von dessen »Zwitter- oder Amphibiennatur« und gab deutlich zu erkennen, wie wenig das darin herrschende Prinzip die organische Verkörperung seiner eigenen innersten Anschauungen war. Da wurde im Jahre 1807 der Protestant und geborene Württemberger Niethammer als Zentralschulrat ins Ministerium berufen, ein Theologe und Philosoph, der, in Jena von den beiden Häuptern unserer Dichtkunst sowie von Fichte lebhaft berührt, auch mit Hegel und Schelling bekannt geworden war. Alsbald wurde ihm der Auftrag, die bestehende Schulordnung

319 zu revidieren, und als Frucht dessen ergab sich das Normativ des Jahres 1808. Niethammer setzte Gymnasium und Realschule, die humanistische und realistische Bildung gleichberechtigt neben­ einander; Gymnasium wie Realinstitut sollten beide in letzter Linie zur Universität vorbereiten. Als gemeinsamer Unterbau sollte ihnen eine Primärschule dienen und in allen Städten eine solche mit noch angefügter erster Klasse des Realinstituts, in den meisten eine Unter- und Mittelklasse desselben errichtet werden. Die Unter-, Mittel- und Hauptklasse sollte wieder jedes­ mal in zwei Unterabteilungen zerfallen und die aus der Primär­ schule eintretenden Schüler vom 12. bis 18. Lebensjahre festhalten. Der aus Gotha nach Bayern berufene Philologe Jacobs trat in gutachtlicher Äußerung auf Niethammers Seite; der Lyzealrektor Weiler dagegen, der an dem Einfluß der aus Norddeutschland Zugewanderten an und für sich Anstoß nahm, unterzog seinen Plan einer abfälligen Beurteilung, indem er nicht die Trennung, sondern die Mischung humanistischer und realistischer Bildungs­ stoffe für wünschenswert erklärte; Wismayer wendete sich be­ sonders gegen die von Niethammer vorgeschlagenen Primärschulen. Dieser ergriff wider die beiden letztgenannten Gegner das Wort der Verteidigung; indem er Wismayer gegenüber aufs neue die Notwendigkeit der Primärschulen betonte, machte er jedoch das Zugeständnis, sie mit einem späteren Lebensalter beginnen zu lassen und ihre zwei oberen Kurse zu einer eigenen Sekundär­ schule umzubilden, die sich wieder in Progymnasium und Real­ schule gabeln sollte.' Am 21. Oktober 1808 ward Niethammer beauftragt, den Lehrplan zu entwerfen; um aber jedes Aufsehen zu vermeiden, sollte derselbe nicht durch den Druck veröffentlicht, sondern in lithographierten Exemplaren als Instruktion hinaus­ gegeben werden. Am 3. November konnte das Allgemeine Normativ der Krone vorgelegt werden; zwei Tage darnach er­ hielt es die königliche Unterschrift. Nur die Hauptpunkte wurden am 28. Januar 1809 in den Regierungsblättern zu allgemeiner Kenntnis gebracht. Gehen wir nunmehr auf den Inhalt des Normativs ein, so sollte der regelmäßige Eintritt in die Primärschule mit dem 8. Lebensjahr erfolgen; sie zerfiel in eine Unter- und Ober­ primärschule. Daran schloß sich in zweijährigem Kursus die

320 Sekundärschule vom 12. bis 14. Jahre. Sie gliederte sich in die zwei parallel laufenden Anstalten des Progymnasiums und der Realschule. Primär- und Sekundärschulen zusammen bilden sogenannte Studienschulen, die auch in kleineren Städten bestehen sollen. Auf die Sekundärschulen sind die vierjährigen Real­ institute, beziehungsweise Gymnasien aufgebaut. Erstere sollten freilich nur zwei an Zahl, zu Augsburg und Nürnberg, ins Leben treten. Für die Primärschulen waren wöchentlich 10 lateinische Unterrichtsstunden vorgesehen. Die Lehrgegenstände des Real­ instituts waren: Mathematik und Technologie, Physik, Chemie und Warenkunde, Mineralogie, Botanik, Zoologie und systema­ tische Naturgeschichte, Geographie, Kosmographie, Religionslehre, Mythologie und Archäologie, allgemeine und Kulturgeschichte, Studium der deutschen Klassiker mit eigenen Übungen sowie philosophische Propädeutik, schließlich Französisch und Italienisch. Das Normativ führte zu einem heftigen Konflikt zwischen Niethammer und Weiler, der seinen tieferen Grund in der bekann­ ten Gegnerschaft des letzteren gegen die reformierenden Nicht­ bayern hatte. Zur Leitung des Nürnberger Realinstituts wurde der Sachse Gotthilf Heinrich Schubert berufen; fast alle an demselben angestellten Lehrer erhielten nachmals Universitätsprofessuren. Schubert selbst war gleich vorzüglich befähigt, in den Natur­ wissenschaften wie in der deutschen Sprache zu unterrichten. Auch Dante, Cervantes, Shakespeare und Milton, ja selbst die altindische Literatur wurde von dem geistvollen Manne, der zu Herder in nahen Beziehungen gestanden war, in den Kreis der Schullektüre einbezogen. Auch wurde an der Anstalt fakultativer Besuch des Englischen gewünscht. Unter ihren Absolventen befanden sich solche, die Medizin und Jurisprudenz zum Lebens­ beruf wählten; unter anderen ist Bändel, der Schöpfer des Hermanndenkmals, als Schüler zu nennen. Allein schon mit dem Schuljahre 1815/16 hörten die Realinstitute zu bestehen auf. Die als Realschulen eingerichteten Sekundärschulen wurden in höhere Bürgerschulen umgewandelt. Zu Beginn des Büchleins gibt Küffner das von ihm ein­ gesehene archivalische und literarische Material an. Die Schrift wird jedem Leser mannigfache Anregung bieten.

Dr. Ludwig Wolfram.

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Die Entwicklung des Nürnberger Stadthaushaltes von Von Siegfried Bing, Doktor der Rechts- und Staatswissenschaften. Leipzig, A. Deichertsche Verlagsbuch­ handlung Nachf, (Georg Böhme). 1908. Heft 31 der Wirt­ schafts- und Verwaltungsstudien mit besonderer Berücksichtigung Bayerns. Herausgegeben von Gg. Schanz usw. 8°. X und 176 S. Vor 8 Jahren erschien das für die Verwaltungs-, Wirtschafts­ und Finanzgeschichte der Reichsstadt Nürnberg wichtige, hervor­ ragende und nunmehr unentbehrliche monumentale Werk Paul Sanders: Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs, dargestellt auf Grund ihres Zustandes von 1431 —1440, dessen Ausführungen übrigens weit über den bezeichneten Zeitraum hinausgehen, da die Ergebnisse der Stadtrechnungen, die Entwicklung der Ein­ nahmen und Ausgaben der Stadt bis zur Zeit ihres Aufgehens in den bayerischen Staat fortgeführt sind. Es ist nun höchst erfreulich, daß ein wohl vorbereiteter und mit dem erforderlichen wissenschaftlichen Rüstzeug ausge­ statteter junger Wirtschaftshistoriker es unternommen hat, die Arbeit Sanders bis auf unsere Tage in übersichtlicher und sach­ gemäßer Weise fortzuführen. So sind wir jetzt in den Stand gesetzt, nicht allein die Entwicklung des modernen Nürnberger Stadthaushaltes zu überblicken, sondern auch anziehende und lehrreiche Vergleiche zwischen einst und jetzt zu ziehen, zwischen dem Haushalt der ehemaligen Reichsstadt und der jetzigen Stadt­ gemeinde Nürnberg. Zunächst mag bemerkt werden, daß die vorliegende Arbeit die erste ihrer Art in Bayern ist und daß von außer­ bayerischen Städten erst sehr wenige eine Darstellung ihrer finanzwirtschaftlichen Entwicklung gefunden haben. Um so mehr ist das vorliegende Werk zu begrüßen, das hoffentlich analoge Bearbeitungen für die weiteren größeren Gemeinwesen Bayerns anregen wird. Es ist nicht wohl möglich, die gewonnenen Ergebnisse, auch nur die wichtigsten, hier im einzelnen darzulegen, wir müssen uns vielmehr darauf beschränken, den Inhalt des Werkes kurz zu skizzieren, und es dem Leser überlassen, den Dar­ legungen des Verfassers näher nachzugehen. 1806—1906.

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322 Nachdem der Verfasser zunächst die Bevölkerungszahl und den Flächenraum der Stadt in ihrer stets steigenden Entwicklung gezeigt hat, gibt er im weiteren ein genaues und zutreffendes Bild über die Ausgaben der Stadt auf allen Gebieten, so dem der eigentlichen Stadtverwaltung, dann dem der Sicherheit, der Armenpflege und sozialen Fürsorge, des Gesundheitswesens und der öffentlichen Reinlichkeit, des Bauwesens, des Unterrichts, der Wissenschaft und der Kunst und endlich der Schulden­ verzinsung und -Tilgung. Die Einnahmen der Stadt stellen sich dar als privat­ wirtschaftliche, gemeinwirtschaftliche und außerordentliche. Die privatwirtschaftlichen umfassen die Einnahmen aus dem Grund­ vermögen und den Gewerbebetrieben, wie dem ehemaligen Unschlittgeschäft, den Wasserwerken, dem Gas- und dem Elektri­ zitätswerk und der Straßenbahn, die gemeinwirtschaftlichen aus den Gebühren der allgemeinen Verwaltung sowie jener aus Gewerbe, Handel und Verkehr u. a., dann aus den Gemeinde­ steuern. Letztere setzen oder setzten sich zusammen aus den Verbrauchssteuern, wie dem Fleischaufschlag, dem Getreideund Mehlaufschlag, dem Lokalmalzaufschlag, der bis 1876 be­ stehenden Abgabe des Abwurfholzes, ferner einer Luxussteuer, nämlich der Hundegebühr, und einer Verkehrssteuer, der Besitz­ veränderungsabgabe. Dazu kommt noch als wichtigste Steuerart die Gemeindeumlage und als außerordentliche Einnahme die Anleihe. Eine große Anzahl statistischer Tafeln unterstützt und fördert das Verständnis und bringt es am deutlichsten zum Bewußtsein, in welchem Maße die Bedürfnisse und Ausgaben der Stadt seit der Aufgabe ihrer Reichsfreiheit sich mehrten und erhöhten. Gerade diese Tafeln, die vielleicht manchem im ersten Augenblick als unfruchtbar erscheinen und von der Lektüre und dem Studium des Buchs abschrecken könnten, geben das zutreffendste und anschaulichste Bild von dem steten Voranschreiten des Gemeinwesens, wie es durch lange und ein­ gehende Darstellungen nicht erreicht werden könnte, und es müssen der Fleiß, die Umsicht und die Sachkenntnis anerkannt werden, womit der Verfasser diese mühevollen und oft schwie­ rigen Zusammenstellungen durchgeführt hat.

323 Wie außerordentlich die Ausgaben auf allen Gebieten gestiegen sind, möge die Zusammenstellung einiger der wich­ tigeren Posten ergeben, wobei wir das Anfangsjahr der städti­ schen Verwaltung 1818/19 und das Jahr 1906 berücksichtigenEs erforderte die eigentliche Stadtverwaltung 1818/19: 84300 UP, 1906: 716300 ^; die Polizei 1818/19: 7481 Ji, 1906: 838214 Ji; das Feuerlöschwesen 1817/18: 680 ^, 1906: 147728 Ji; die Straßenbeleuchtung 1820/21: 17 682 Ji, 1906: 325800 Ji. Die Ausgaben für wohltätige Zwecke sind zunächst sehr gering. Die persönlichen und sächlichen Ausgaben für die Wohltätigkeitsstiftungen betragen z. B. 1835/36: 4697 Ji, während die Stadt zu den 1906 im ganzen 1000140 Ji betragenden Kosten der Armenpflege nicht weniger als 811804 JI zuschießen mußte. Die Ausgaben für das Volksschulwesen wurden vor dessen Reorganisation ausschließlich aus Stiftungsmitteln be­ stritten. 1830 betrugen die Reinausgaben für das gesamte Schulwesen 21239 Ji, wovon 10683 Ji auf die Werktagsvolks­ schule fielen, 1904 aber 2866 702 Ji, woran die Werktags­ volksschule mit 2 437351 Ji partizipierte. Und doch sind die für die Schulhausbauten verausgabten Kosten in dieser Summe nicht mitinbegriffen, weil sie ganz vorwiegend aus außerordent­ lichen Mitteln gedeckt wurden. Auch von den Einnahmequellen seien hier einige wichtige hervorgehoben. So ergab das Grundvermögen der Stadt 1817/18: 8681 A, 1906: 1133070 Ji \ die Wasser­ werke 1870: 40863 Ji, 1906: 136596 A; das Gaswerk 1888: 310759-//, 1906: 783488 ^#; das Elektrizitätswerk 1896: 16154-//, 1906: 457168 die Straßenbahn 1904: 153056 JI, 1906: 356482 Ji; Gebühren der allgemeinen Verwaltung 1817/18: 1956 Ji, 1906: 265000 Ji \ Markt­ gebühren 1817/18: 13803 A, 1906: 976179 ^; Pflaster­ zoll 1819/20: 12486, 1906: 181533 Ji; Fleischaufschlag 1818/19: 20376 Ji, 1906: 285000 Ji ; Getreid e-und Mehl­ aufschlag 1818/19: 49823 Ji, 1906: 594000 A\ Lokalmalz­ aufschlag 1820/21: 51686, 1905: 562000 ^ etc. etc. Die Umlage, welche 1869, dem Jahre ihrer Einführung, 240368 Ji betrug, erreichte im Jahre 1906 die Höhe von 4215100 Ji. 2

324 Und doch reichten diese und andere Steuerquellen nicht aus, um die vielfachen und immerfort nach Zahl und Umfang wachsenden Bedürfnisse der Stadt zu decken. So beschritt sie denn seit 1868 zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse den Weg des Anlehens. In einem besonderen Kapitel behandelt der Verfasser die Geschichte des Anleihewesens der Stadt, und man darf wohl behaupten, daß gerade dieser Abschnitt besonders interessant, lehrreich und aktuell ist. Es kann auf diese Aus­ führungen nur hingewiesen werden. Auch das Schlußkapitel, das die Ergebnisse zusammen­ faßt und einen Ausblick in die Zukunft eröffnet, enthält eine Reihe zutreffender Darlegungen und Bemerkungen. Nur zwei Punkte seien daraus hervorgehoben. Einmal das ungeheure Anwachsen der Summen der städtischen Einnahmen und Aus­ gaben in ihrer Gesamtheit. Denn die Einnahmen, die im Jahre 1811 noch nicht Millionen Jt betragen hatten, waren 1904 auf beinahe 28 Millionen gestiegen, in noch nicht 100 Jahren um weit mehr als das Hundertfache. Dann die Stellung Nürn­ bergs hinsichtlich der Gesamtaufbringung der Steuern gegenüber den übrigen größeren deutschen Städten. Sie sind verhältnis­ mäßig ziemlich niedrig. »Im Jahre 1902 betrug die Belastung auf den Kopf mit Gemeindesteuern nach Schöbel in Nürnberg 20.55 A. Damit steht Nürnberg unter 60 Städten an 44. Stelle; von 7 Städten, die größer waren als Nürnberg, hat erst eine einzige niedrigere Steuerbelastung, Frankfurt sogar mehr als die »doppelte (45.08 A)