Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [16]

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Herausgegeben im Auftrag des Vereins von

Dr. Ernst Mummenhoff, Archivrat.

Sechzehntes Heft. Mit zwei Abbildungen.

NÜRNBERG. VERLAG VON J. L. SCHRÄG (In Kommission).

1904.

Kgl. Bayer. Hof buchdruckerei G. P. J. Bioling-Dietz, Nürnberg.

Inhalt Seite

Abhandlungen und Quellenpublikationen: Zum 25 jährigen Vereinsjubiläum. Von Justizrat Georg Frei­ herrn von Kreß.................................................................* . Kunstfreunde im alten Nürnberg und ihre Sammlungen (nebst Beiträgen zur Nürnberger Handelsgeschichte). Von Dr. Th. Hampe................................................................................ Sebald Schreyer und die Sebalduskapelle zu SchwäbischGmünd. Von Albert Gümbel, k. Kreisarchivsekretär. . . Das Zeughaus der Reichsstadt Nürnberg. Von Generalmajor z. D. von Dotzauer................................................................. Das Glockendonsche Missale der Nürnberger Stadtbibliothek, ein künstlerisches Kopialwerk. Von Dr. E. W. Bredt . . Der Rechenberg und der unterirdische Gang daselbst. Eine ortsgeschichtliche Untersuchung. Von Archivrat E. Mummenhoff. Mit einem Anhang: Die vom städtischen Bauamte im Jahre 1902 vorgenommene Erforschung des unterirdischen Ganges am Rechenberg. Vom städtischen Ingenieur Konrad Böllinger.................................................. Kleinere Mitteilungen: Die neueste Ableitung des Namens Nürnberg aus dem Slavischen und die angeblich slavische Ansiedlung in der Solach am Röthenbach im Nürnberger Reichswald. Von E. Mummenhoff...................... Ein neues Gedicht von Kunz Has. Von Hans Boesch. . . Dürers Anteil an den Gemälden des großen Rathaussaales und der Ratsstube. Von E. Mummenhoff.......................... Glückwunschschreiben der Reichsstadt Nürnberg an König Karl XII. von Schweden nach seiner Rückkehr aus der Türkei 1714/15. Von Georg Schrötter............................... Ein merkwürdiger Ziegel vom nördlichen Turm der St. Lorenz­ kirche. Von E. Mummenhoff.............................................. Literatur: Dr. Joh. Petz. Die älteren Urbare des Burggrafentums Nürn­ berg unter dem Gebirge bis 1450 (Mon. Boica, 47. Band. Neue Folge, 906 S. 40). Von Hermann Knapp............... Festzeitung für das X. deutsche Turnfest zu Nürnberg 1903. Herausgegeben vom Preßausschuß. Schriftleitung: Kgl. Gymnasialrektor Dr. W. Vogt und Lehrer Karl Schmidt. Druck und Verlag Willi. Tümmels Buch- und Kunstdruckerei. No. 1 —14. 292 S. 20. Von E. Mummenhoff................... H. Uhde-Bernays, Nürnberg. Die Kunst, herausgegeben von Richard Muther. Berlin 1904. Julius Bard. 8°. 79 S. Von Hans Stegmann........................................................................ Beiträge zur Stoß-Forschung. Veit Stoß und seine Schule in Deutschland, Polen und Ungarn. Von Berthold Daun. Mit 89 Abbildungen in Autotypie. Verlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig 1903. VIII und 187 S. 8°...............

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IV Zur Dürer»Literatur. Von v. Bezold...............................291—299 Über Dürers künstlerisches Schaffen. Von Ludwig Justi. Rep. für Kunstwissenschaft XXVI, S. 447. Über die Proportionsgesetze des menschlichen Körpers auf Grund von Dürers Proportionslehre. Von Constantin Winterberg. Ebend. XXVI S. 1, 100, 202, 296, 411. Die Ornamentik bei A. Dürer. Von Valentin Scherer. Straßburg 1902. VIII, 139 S. u Tafeln (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 38. Heft). Die Perspektive und Architektur auf den Dürerschen Handzeichnungen, Kupferstichen und Gemälden. Von Dr. Karl Rapke. Straßburg 1902. IV, 88 S. 10 Tafeln (Ebend. 39. Heft). Versuch einer Dürer-Bibliographie. Von Dr. Hans Wolfg. Singer. Straßburg 1903. 98 $. (Ebend. 41. Heft). Friedrich der Weise als Förderer der Kunst. Von Dr. Robert Bruck, Privatdozenten an der kgl. Technischen Hochschule zu Dresden. Mit 41 Lichtdrucktafeln und 5 Textabbildungen (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Heft 45). Straß­ burg J. H. Fr. Heitz (Heitz & Mündel) 1903. 8°. 336 S. Von -ss........................................................................................ Die Kirche der heil. Elisabeth in Nürnberg. Zur Erinnerung an ihren Ausbau utod ihre Wiedereröffnung am 6. Dezember 1903. Von Dr. Georg Schrötter. Nürnberg 1903. 8°. 61 S. mit 3 Tafeln. Verlag der katholischen KirchenVerwaltung St. Elisabeth. Von H. Stegmann...................................... Katharina Regina von Greiffenberg (1633—1694). Ein Beitrag zur Geschichte deutschen Lebens und Dichtens im 17. Jahr­ hundert. Von Hermann Uhde-Bernays. Berlin W. F. Fontane & Co. 1903. 8°. VII und 115 S. 1 Porträt. Von Emil Reicke............................................................................ Die überseeischen Unternehmungen der Welser und ihrer Gesellschafter. Von Konrad Haebler. Leipzig. Verlag von C. L. Hirschfeld. 1903. VIII und 397 S. 8°. Von E. Mummenhoff............................................................................ Markgrafen-Büchlein. Kurz zusammengefaßte Geschichte der Markgrafen Ansbachs und Bayreuths und ihrer Vorfahren, der Burggrafen in Nürnberg. Von Franz Herrmann. Bayreuth. Druck und Verlag von Emil Mühl. 1902. 371 S. 8°. Von Heinrich Heerwagen..................................................... Das Spiel von den sieben Farben von Dr. Walther Gloth Teutonia Arbeiten zur germanischen Philologie. Heraus­ gegeben von Dr. Wilh. Uhl, außerordentl. Professor an der Albertus-Universität. 1. Heft. Königsberg i. Pr. Ver­ lag von Gräfe & Unzer. 1902. X und 92 S. 8°. Von E. Mummenhoff...................................... .................................. ie Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegen­ wart. Nach den besten Quellen bearbeitet von Willibald Leo Freiherr von Lütgendorf. Frankfurt a. M. Verlag von Heinrich Keller 1904. 8°. XX und 312 S..........................

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Zum 25jährigen Vereinsjubiläum. Von Justizrat Georg Freiherrn von Krefs.

Der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg feiert sein erstes Jubiläum. Mit seinem Lebensalter kann er sich nicht brüsten; er ist ein Spätling unter den historischen Vereinen. Während die meisten von ihnen das fünfzigjährige, ja nicht wenige das fünfundsiebzigjährige Fest ihres Bestehens schon begangen haben, sind seit seiner Gründung erst fünfundzwanzig Jahre verflossen, und fünfundzwanzig Jahre sind eine kurze Spanne Zeit in der Geschichte. Allein auch bei historischen Vereinen ist es Sitte, den Ablauf des ersten Vierteljahrhunderts ihres Bestehens nicht unbeachtet vorübergehen zu lassen, sondern dabei Halt zu machen und Rückschau zu halten auf das Er­ strebte und Erreichte, und diese Sitte ist löblich und verständig. Denn fünfundzwanzig Jahre sind hinreichend, im Gedächtnisse der Lebenden die Erinnerung an so manche nicht unwichtige Begebenheit zu verwischen oder zu verblassen. In fünfund­ zwanzig Jahren pflegt sich die Physiognomie eines Vereins recht wesentlich zu verändern. Die Alten sterben dahin, die Jüngeren werden alt und neue Menschen kommen hinzu, welchen fremd ist, was der Verein bisher gewirkt hat. Darum bedarf es kaum der Rechtfertigung, wenn auf den folgenden Blättern versucht wird, von der Entstehung des Vereins, seinen Bestrebungen und Leistungen in dem abgelaufenen Zeitraum in kurzen Zügen ein getreues Bild zu geben. Einerseits fühlen die Leiter des Vereins das Bedürfnis, bei diesem Anlaß sich und allen Freunden der Sache Rechenschaft über das Geleistete abzulegen, andererseits spornt vielleicht ein solcher Rückblick zu neuer Kraftentfaltung und zur Inangriffnahme neuer Aufgaben an.

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Daß in einer Stadt von der Vergangenheit Nürnbergs mit ihren reichen Schätzen an Denkmalen der Vorzeit und mit ihrer vorbildlichen Bedeutung für die Kulturgeschichte unseres Volkes erst Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Verein für Erforschung dieser Vergangenheit und für Pflege des histo­ rischen Sinns in das Leben trat, wird immer auffallend bleiben. Das Wiedererwachen des historischen Sinns im deutschen Volke geht ja in eine frühere Zeit zurück; es trat bald nach den Freiheitskriegen zu Tage. Die Enttäuschungen, welche damals die Gegenwart bereitete, lenkten den Blick mehr und mehr auf die Vergangenheit zurück. Die edelsten Männer der Nation waren eifrig bemüht, durch Versenken in die tatenreiche Vorzeit sich und ihren Volksgenossen den Glauben an die Zukunft zu bewahren und das tief gesunkene Nationalgefühl wieder zu stärken. Damals, in den zwanziger und dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, entstanden aller Orten historische Vereine, die sich der Pflege der Heimatskunde widmeten und die Geschichts- und Altertumsfreunde ihres Bezirks zu gemein­ samer Arbeit vereinigten. Auf Bayerns Thron saß der deutsch­ gesinnte, für Kunst und Altertum begeisterte König Ludwig I., er wandte auch der Altertumswissenschaft seine warme Fürsorge zu. Von dem Ansbacher Geheimrat und quieszierten Regierungsdirektor Karl Heinrich Ritter von Lang ging die Anregung aus, historische Kreisvereine zur Ergründung und Bearbeitung der vaterländischen Geschichte ins Leben zu rufen. Dieser Gedanke fand den Beifall des hochgesinnten Königs und er ordnete im Jahre 1827 die Gründung solcher Kreisvereine an, die nach und nach in allen acht Kreisen des Königreiches entstanden. Sie hatten ihren Sitz in den Kreishauptstädten. Der historische Verein für den Rezatkreis trat sohin nicht in Nürnberg, der wirtschaftlich und historisch wichtigsten Stadt des Kreises, sondern in Ansbach ins Leben. Aber auch in Nürnberg war das Interesse für die Sache lebendig geworden. War auch die Zahl der Männer, welche die Bestrebungen der Geschichtsfreunde mit Freuden begrüßten, nicht groß, sie standen an Begeisterung für die Sache den anderen nicht nach. »Muß nicht«, so schreibt einer der eifrigsten von ihnen, »die Brust eines jeden sein Vaterland liebenden Bayern innige Freude und herzlicher Dank erfüllen,

3 wenn er die väterlichen Absichten seines Königs erwägt, welche derselbe in den Verordnungen über die Erhaltung geschicht­ licher Denkwürdigkeiten und Denkmale sowie über die Unter­ stützung gründlicher historischer Forschungen so deutlich aus­ spricht, wenn er sieht, wie vom Throne her der Wert, den die Geschichte für Volk und Regierung hat, erkannt wird, wenn er seinen König die treiie Anhänglichkeit an die historische Wahrheit, die Mutter der Gegenwart und Zukunft, loben hört, wenn er sieht, wie man allenthalben bemüht ist, die Belege für vaterländische Geschichte, Literatur, Kunst und Sitte zu be­ wahren und ihre Zerstörung und Verschleppung zu verhindern?« Solchen Gesinnungen zu begegnen, darauf rechnete der fränkische Rittersmann Dr. Hans Freiherr von Aufseß, der seit Jahren auf seinem Schlosse Aufseß in Oberfranken antiquarischen Studien obgelegen und auf das eifrigste Altertümer gesammelt hatte, der, von hochfliegenden Plänen erfüllt und mit einem ungewöhnlichen Maße von Energie ausgestattet, von seinem König durch ein Kabinetsschreiben animiert worden war, seine Sammlungen mit denen anderer Sammler unter Eigentums­ vorbehalt zu vereinigen und öffentlich zur allgemeinen Be­ schauung und Belehrung auszustellen, als er sich die vormals freie Reichsstadt Nürnberg als Wohnsitz auserkor und im Jahre 1832 seine Sammlungen dorthin überführte* Er hatte schon vor einiger Zeit eine kulturhistorische Zeitschrift, den Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters, begründet und wirkte darin unermüdlich für die Erhaltung und Erforschung der Denk­ mäler deutscher Vorzeit. Nun bemühte er sich, in Nürnberg geistesverwandte Männer für die Errichtung einer Gesellschaft für Erhaltung von Denkmälern älterer deutscher Geschichte, Literatur und Kunst zu gewinnen, welche nicht nur sich selbst die Sammlung solcher Denkmäler zur Aufgabe machen, sondern auch alljährlich eine Zusammenkunft aller Vereine und Männer, die sich um die Förderung älterer deutscher Geschichte, Literatur und Kunst verdient machten, veranstalten sollte. Es gelang ihm in überraschend kurzer Zeit, alle Elemente in Nürnberg, welche wir in jener Zeit auch sonst für gemeinnützige Zwecke wirken sehen, um sich zu scharen und zu regelmäßigen Zu­ sammenkünften zu bestimmen. Die Herren, welche am Dienstag i*

4 den 22. November 1832 bei Herrn von Aufseß sich ein­ fanden und zunächst beschlossen, alle Donnerstage abends von 6 bis 9 Uhr im Gasthaus zur Krone im Heugäßchen zusammen­ zukommen und sich über geschichtliche Gegenstände zu unter­ halten, waren außer Aufseß der Rittergutsbesitzer Ludwig Freiherr von Löffelholz, der k. Galerie-Inspektor und Lehrer an der Kunstschule Freiherr von Haller, der Architekt und Lehrer an der Polytechnischen Schule Heideloff, der Ober­ leutnant von Gemming, der Subrektor Lochner, der Archiv­ verweser Dr. Lommel und der Archivpraktikant Dr. Moritz Maximilian Mayer. Ihnen gesellten sich bald andere hinzu; der I. Bürgermeister der Stadt Dr. Binder, Buchhändler Main­ berger, Buch- und Kunsthändler und Buchdruckereibesitzer Dr. Campe, Stadtpfarrer Hilpert, Gütsbesitzer Frhr. von Tücher, Direktor der Kunstschule Reindel, Auktionator Börner und andere wurden in das Interesse gezogen und am 31. Januar 1833 konnte im Bayerischen Hofe zur Bildung der Gesellschaft geschritten werden. Sie erhielt den Namen Gesellschaft für Erhaltung der Denkmäler älterer deutscher Geschichte, Literatur und Kunst, und als Zweck wurde in den gedruckten Statuten bezeichnet, zu Nürnberg teils in Originalien, teils in Kopien eine möglichst vollständige Sammlung genannter Denkmäler zu begründen und daselbst jährlich eine Versammlung der Freunde älterer deutscher Geschichte, Literatur und Kunst zu veranstalten. Zum Direktor wurde der I. Bürgermeister Dr. Binder gewählt, zu Sekretären Buchhändler Mainberger und Archivverweser Dr. Lommel, zum Kassier Kaufmann J. A. Cramer, zum Inspektor der Sammlung Hans Frhr. von Aufseß. Daneben aber wurde ein besonderer Ausschuß für die Sammlung, für welche 15 Ab­ teilungen vorgesehen wurden, bestellt, in welchen die Herren Stadtpfarrer Hilpert, Archivpraktikant Dr. Mayer, Buch- und Kunsthändler Dr. Campe, Subrektor Lochner, Gottlieb Freiherr von Tücher, Galerie-Inspektor Freiherr von Haller, Auktionator Börner, Kunstschuldirektor Reindel, Architekt Heideloff, Ober­ leutnant von Gemming und Gutsbesitzer Ludwig Freiherr von Löffelholz abgeordnet wurden, die sich in die Fürsorge für die verschiedenen Abteilungen der Sammlung teilen sollten. Aufseß erwirkte von Sr. Majestät dem Könige die Genehmigung

5 der Gesellschaft, der Magistrat überließ die Walburgiskapelle ‘und die Burgamtmannswohnung zur Unterbringung der Sammlung, das erste gedruckte Mitgliederverzeichnis weist 51 Namen auf. Diese Gesellschaft war nun freilich kein Nürnberger Lokalgeschichtsverein, wenn auch diejenigen, welche sich damals mit der Lokalgeschichte beschäftigten, an ihm beteiligt waren. Lochner, Dr. Mayer, Dr. Campe, Hauptmann von Soden waren ja sämtlich unter den Mitgliedern. Die Pläne, welche die Gesellschaft verfolgte, waren viel weiter gehende* es waren die gleichen, welche 30 Jahre später in der Gründung des Ger­ manischen Nationalmuseums ihre Verkörperung fanden. Damals aber stießen diese Pläne auf entschiedenen Widerspruch. Vor allem war es der schon obengenannte Ritter von Lang, der Ver­ fasser der bekannten Memoiren und der Hammelburger Reise, der Herrn von Aufseß mit beißendem Sarkasmus entgegentrat und dessen historischen Riesenverein, wie er ihn betitelte, in einem in den Blättern für literarische Unterhaltung veröffentlichten Aufsatze (Jahrgang 1833, No. 175) mit der Schale seines Spottes übergoß. Er erblickte in dem Unternehmen des Freiherrn offenbar eine Ge­ fährdung seiner eignen Gründung der historischen Kreisvereine in Bayern, auf die er nicht ohne Stolz in der Einleitung seines Auf­ satzes hinwies. Bei dieser Gründung war er von der Grundidee aus­ gegangen, daß die alten Denkmäler ihre vorzüglichste Deutung oder Erklärung aus dem Standpunkte der Orte zu empfangen hätten, wo sie gefunden würden, die Urkunden aus jener Gegend, worauf sie verlauten, die Überlieferungen und Sagen auf dem Boden, dem sie ursprünglich entsprossen, und daß bei der jetzigen Vereinigung so mannigfacher Länder in ein Reich jeder einzelne Bezirk oder Kreis seine eigene alte Geschichte selbst zu bewahren besonders berufen sei, bis dann endlich aus allen diesen Einzelheiten ein kunstreiches Ganzes hervorgehen könnte, und er warnte jetzt davor, nach dem Vorbilde der Naturforscher Wanderungen und Zusammenkünfte der Geschichts­ freunde zu veranstalten, bei welchen nichts Gedeihliches heraus­ kommen könne, weit eher aber Ungedeihliches, als da wäre ein schnell dahinfahrendes historisches Plaudern und Absprechen, ein Waffenstillstand für die alten Fabeln, das Eindringen einer kränklichen und nur allzuleicht überschätzten Mittelaltertümlichkeit,

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welche in Ermanglung eines Bessern ihre alten Grabestöpfe, Streithämmer, Bierhumpen, verrosteten Spangen und verzerrten* Heiligenbilder als vermeintliche geschichtliche Leckerbissen dar­ zubieten gezwungen sein würde. Im reinsten Interesse der Wissenschaft, im freundlichsten Sinn für die Nürnberger Anstalt selbst, der er sonst das fröhlichste Gedeihen gönne, sobald sie sich nur — wozu sie auch wohl die wenigsten Ansprüche habe — nicht als den Haupt- und Einigungspunkt aller historischen Provinzialvereine ohne Vollmacht und Beruf gleichsam zu einem neuen historischen Papsttum aufdringen wolle, erlaube er sich den innigsten Wunsch auszusprechen, daß man doch den Wert und die Wichtigkeit des Besonderen nicht plötzlich wieder in der Unreife und Leerheit einer hohlen Allgemeinheit unter­ gehen lasse. Hans von Aufseß war nicht verlegen um die Ant­ wort, sie fiel kräftig aus, und als Geheimrat von Lang darauf nicht weiter reagierte, schrieb er ihm am 3. November 1833 noch einen Brief, den der Adressat als persönliche Beleidigung aufnahm und mit einer an das kgl. Kreis- und Stadtgericht Nürnberg gerichteten Ehrenkränkungsklage beantwortete. Aber die warnende Stimme des Herrn von Lang war nicht vereinzelt geblieben, namhafte Gelehrte, sogar Jakob Grimm, hatten sich gegen die weitaussehenden Ideen des Herrn von Aufseß ge­ wendet, und in der Gesellschaft selbst regte sich eine entschiedene Opposition gegen ihn. Buchdruckereibesitzer Dr. Campe scheint der Führer der letzteren gewesen zu sein, unterstützt namentlich von Dr. Moritz Maximilian Mayer, welcher die Tätigkeit der Gesellschaft hauptsächlich auf die Geschichte der Stadt Nürn­ berg gerichtet wissen wollte. Aufseß ließ sich nicht beirren; er machte in seinem Anzeiger eifrig Propaganda für seine Ideen und setzte durch, daß eine allgemeine Versammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsforscher auf Dienstag den 24. Sep­ tember um 9 Uhr vormittags in die Burg nach Nürnberg berufen und die Einladung dazu in alle Welt versandt wurde. Der Ver­ lauf dieser Versammlung, auf welche Aufseß die größten Hoff­ nungen gesetzt hatte, entsprach aber nicht entfernt seinen Er­ wartungen. Eingefunden hatten sich 16 Fremde und 42 Ein­ heimische. Zum Vorsitzenden wurde der kgl. Staatsrat und Regierungspräsident Herr v. Stichaner aus Ansbach gewählt, zu

7 Sekretären die Herren Spindler aus Baden und Professor Dr. Böttiger aus Erlangen. Es wurden Ausschüsse bestellt, welchen die vorliegenden Anträge zur Beratung überwiesen wurden. Herr v. Aufseß hatte insbesondere beantragt, den von ihm bisher redigierten Anzeiger für Kunde des Mittelalters zum Gesellschafts­ organe zu bestimmen und die Herausgabe eines Archivs auf Rechnung der Gesellschaft zu beschließen. Beides lehnte die Generalversammlung ab. Auf das Gutachten des zweiten Aus­ schusses beschloß sie, daß die Übernahme einer eigenen Zeit­ schrift und die Herausgabe eines Archivs nicht der Beratung der Generalversammlung unterliege, wohl aber der des Lokal­ vereins in Nürnberg, wobei der Wert des Anzeigers für Kunde der deutschen Vorzeit gerne anerkannt werde. Damit war ganz gegen die Intentionen des Herrn von Aufseß wieder der Lokal­ verein in den Vordergrund geschoben und es kostete dem Vater des Gedankens nicht geringe Mühe, den Beschluß durchzusetzen, daß die Gesellschaft als ein allgemeiner Verein zu betrachten sei und sich demnach als solcher zu konstituieren habe. Vergeb­ lich waren alle Anstrengungen, nachträglich doch noch die Über­ nahme des Anzeigers für Rechnung der Gesellschaft durchzu­ setzen, vergeblich überhaupt jeder Versuch, die Sache einen Schritt vorwärts zu bringen. Die Versammlung beschloß, im nächsten Jahre wiederzusammenzukommen und vorerst zur Wahl einer Örtlichen Direktion zu schreiten, welche die Geschäfte auf die Dauer eines Jahres bis zur nächsten Generalversammlung leiten sollte. Baron Aufseß lehnte den Eintritt in dieselbe auf das bestimmteste ab. Er zog sich tief verstimmt zurück. Die No. 278 des in Bamberg erscheinenden Fränkischen Merkurs vom Samstag den 5. Oktober 1833 brachte eine Korrespondenz aus Nürnberg vom 2. Oktober, welche offenbar von Aufseß herrührt und ein anschauliches Bild der Situation gibt: >Mit der Gesellschaft für Erhaltung der Denkmale des deutschen Altertums nahm es eine sonderbare Wendung. Ihr von dem Stifter Freiherrn von Aufseß und seinen Mitverwandten aus­ gesprochener und längst öffentlich verkündeter Zweck war, einen allgemeinen Verein für ganz Deutschland zu bilden und aus dessen Umfange die Denkmale zu sammeln. Seine Majestät der König genehmigten nicht nur einen so gestalteten Verein, sondern erlaubten

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auch allergnädigst, daß die alten Waffenstücke in dem untern Saale der Burg aufbewahrt wurden. In diesem Sinne erging die Einladung an alle Kenner und Freunde des Altertums, am 24. v. Monats bei der zu haltenden Versammlung sich ein­ zufinden, welche darnach alle Jahre stattfinden sollte. Der Er­ folg, von einer Stimmenmehrheit durchgesetzt, War gegen die ursprüngliche Bestimmung, daß man, wie es in dem gestrigen Korrespondenten heißt, den ostensiblen Titel eines Zentralvereins der Geschichts- und Altertumsforscher für ganz Deutschland in Nürnberg nicht annehmen wolle, sondern daß sie Gesellschaft in Nürnberg heißen und nur eine würdige (?) jüngere Schwester ähnlicher Gesellschaften in Deutschland sein solle. Man beschloß ferner, den Anzeiger des Freiherrn von Aufseß nicht zu über­ nehmen und keine Druckschriften herauszugeben, sondern die allenfallsigen Mitteilungen vorläufig durch jenen Anzeiger ergehen zu lassen. Dieser ist aber nur für kurze Aufsätze bestimmt. Dieses Benehmen mußte notwendiger Weise Ehren halber be­ wirken, daß der Stifter sogleich abtrat. Seinem Beispiele folgen wahrscheinlich andere bisherige Teilnehmer, welche sich nicht für einen Lokalverein in Nürnberg hergeben wollen. Es steht zu erwarten, wie dieses Benehmen sonst aufgenommen werde. Offenbar hat eine unsichtbare, aber doch sehr bekannte Hand die Bewegung geleitet«. Unter solchen Umständen hatte die neugewählte Direktion, an deren Spitze wieder der I. Bürgermeister Binder als I. Direktor und der Buchhändler Mainberger als I. Sekretär standen, eine recht schwierige Aufgabe. Zwar der letztere, ein trefflicher, gewissenhafter Mann, bemühte sich eifrig, Leben in die Gesell­ schaft zu bringen, aber er fand keine Unterstützung; die Sache ging nicht vorwärts; man brachte nicht einmal die statuten­ mäßigen Vierteljahresversammlungen zustande. Dem leidenschaft­ lichen Hans von Aufseß riß die Geduld; er schrieb am 3. De­ zember 1834 dem Ausschuß einen kategorischen Brief, in welchem er sich über die Teilnahmlosigkeit desselben der Gesellschaft gegenüber bitter beschwerte, den Austritt des größten Teils der Mitglieder in Aussicht stellte und die Rückgabe seiner Samm­ lungen bis Lichtmeß des darauf folgenden Jahres forderte. Seinem Beispiele folgten ändere. Der Ausschuß setzte demungeachtet

9 seinen Winterschlaf fort. Aber nicht nur Herr von Aufseß, auch seine Gegner, insbesondere Dr. Moritz Maximilian Mayer, waren mit der Untätigkeit des Ausschusses nicht einverstanden. Auf ihr Drängen dürfte es zurückzuführen sein» .daß im April 1836 Beratungen über eine Reorganisation der Gesellschaft stattfanden. Man kam zu der Überzeugung, daß eine Änderung des Gesellschaftszweckes unerläßlich sei. Die von dem Frei­ herrn von und zu Aufseß geplante und von Sr. Majestät dem Könige gewünschte Errichtung eines Museums für Denkmäler der vater­ ländischen Geschichte, Literatur und Kunst nach dem Muster des böhmischen zu Prag sei unerreichbar, weil dazu Summen erforderlich wären, welche vom Staate und von Privaten nicht zu erwarten seien, und weil ferner bei der Existenz der histo­ rischen Vereine der Kreise des Königreichs der zu weit aus­ gedehnte Zweck, welchen sich die Gesellschaft ursprünglich ge­ setzt habe, nimmermehr verfolgt werden könne, ohne mit jenen Spezialvereinen in unangenehme Kollisionen zu geraten. Da­ gegen sei es bekanntlich die erklärte Absicht und der feste Wille Sr. Majestät des für Wissenschaft, Kunst und das intellek­ tuelle Fortschreiten seiner Bayern so hochgesinnten Königs und des hohen königlichen Staatsministeriums des Innern, die Belege der vaterländischen Geschichte zu Licht gefördert, den artisti­ schen Reichtum der Monarchie in Evidenz gestellt, jedem Orte die Überlieferungen seiner Voreltern und die künstlerischen so­ wohl als sonstigen Urkunden seiner Vergangenheit bewahrt, auch alle diejenigen Objekte, welche in irgend einer historischen Be­ ziehung eine Art von Wert sei es für das Königreich im all­ gemeinen oder nur für die Lokalitäten einzelner Distrikte und Orte behaupten, vor Beschädigung oder Verschleppung gesichert sowie ihre Bedeutung und ihren Wert erforscht zu wissen, und wenn daher die bis jetzt bestandene Gesellschaft diesen Zweck, vorzugsweise mit Bezeichnung auf das an innnern Gehalt reiche Nürnberg, sich aneignen wolle, so unternehme sie etwas, was fast allein mit gutem Willen, mit Liebe und Lust zur Sache und mit patriotischem Sinne vollbracht werden könne. Mit dieser Be­ gründung unterbreitet die Direktion den Mitgliedern den Vor­ schlag, es möge den geschätzten Mitgliedern der bisherigen Gesellschaft gefallen, sich als eine Gesellschaft zu konstituieren,

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welche den Zweck hat, sich der Aufsuchung, Erhaltung, Auf­ bewahrung und Bekanntmachung der Denkmäler vaterländi­ scher, als zunächst bayerischer und vorzugsweise Nürnberger Geschichte, Literatur und Kunst zu widmen. Zugleich wurde der Entwurf neuer Statuten mitversandt und die Hoffnung ausgesprochen, daß auf solche Weise etwas geleistet werden könne, was mit den Kräften und Mitteln der Gesellschaft in Einklang stehe und in seinen Resultaten sich nicht als undankbar darstellen werde. In diesen neuen Statuten war aber wieder fast nur vom Sammeln und Erhalten der alten Denkmäler die Rede; die Mittel, welche angewendet werden sollten, um Sinn und Verständnis dafür unter der Einwohner­ schaft zu erwecken, um die Erforschung der Vergangenheit zu fördern und ihre Erkenntnis zu verbreiten, sind kaum erwähnt. Die Vereinsmitglieder sollten sich alle Monate versammeln und das von ihnen Erworbene, Entdeckte und Untersuchte vorzeigen und besprechen Eine literarische Tätigkeit des Vereins wurde nicht in Aussicht genommen; es sollte nur von den Bemühungen und Erfolgen der Gesellschaft von Zeit zu Zeit öffentlich Rechen­ schaft abgelegt und das Aufgefundene und Gerettete zum Nutzen der Geschichte, Literatur und Kunst bekannt gemacht werden. Herrn von Aufseß gab dieses gedruckte Ausschreiben vom 26. April 1836 wiederum Anlaß zur Veröffentlichung eines Protestes. In der Nummer 172 des Korrespondenten von und für Deutschland vom 29. Juni 1836 ließ er im Anzeigeteil eine Berichtigung erscheinen, welche wir der Vollständigkeit halber gleichfalls wörtlich einfügen wollen: >Da die verehrliche Direk­ tion der Nürnberger Altertumsgesellschaft in einem gedruckten Ausschreiben vom 26. April 1. J. in Bezug auf meine Person angab, daß ich meine Sammlungen an Kunstsachen, Büchern etc. der Gesellschaft zum Geschenk gemacht und bloß wegen Ver­ werfung meines Antrages, den Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters zum Gesellschaftsblatt zu machen, wieder zurück­ genommen hätte, so sehe ich mich veranlaßt, diese Angabe dahin zu berichtigen, daß meine Sammlungen nach Ausweis der vorliegenden Kataloge der Gesellschaft nicht geschenkt, sondern bloß nach § III No. 4 der ersten Statuten mit Vor­ behalt des Eigentums zur Beschauung und Benützung der

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Gesellschaft mitgeteilt wurden und nicht mit Verwerfung meines oben erwähnten Antrags bei der Generalversammlung vom September 1833, sondern dann erst, als ich längere Zeit hin­ durch wahrnehmen mußte, daß die Sammlungen der Gesellschaft fast unbenutzt blieben und meine Sammlungen daher zwecklos aufgestellt seien, von mir umsomehr zurückgenommen wurden, als auch anderseits bald mein Abzug von Nürnberg diese Rücknahme erheischte . . . Die ausgesprochene Ansicht, als hätte sich der Wunsch Sr, Majestät des Königs, ein deutschvaterländisches Museum nach Muster des böhmischen zu begrün­ den, nicht nach den ersten Statuten erreichen lassen, scheint nur insofern begründet zu sein, als die an der Spitze stehen­ den verehrlichen Herren Mitglieder leider durch anderweitige Berufsgeschäfte bisher außer Stand waren, ihre sehr wünschens­ werte Tätigkeit der Sache der Gesellschaft vollständig zuzu­ wenden* Denn vor diesem Zeitpunkt hat die Erfahrung gerade das Gegenteil gezeigt, indem die Gesellschaft in wenigen Monaten für das Begründen eines solchen Museums nicht Un­ erhebliches leistete, wovon sich Se. Majestät der König selbst zu überzeugen Gelegenheit fand. Freilich dürfen wir den Maßstab Prags zu Nürnberg nicht anlegen, indem die groß­ artigen Sammlungen des reichen böhmischen Adels und dessen Freigebigkeit uns abgehen. Die Art und Weise jedoch, durch »geliehene Gegenstände« das Museum zu bereichern, wie es zu Prag geschah, wurde ausdrücklich von Sr. Majestät dem Könige empfohlen und so auch von mir bei Stiftung der Ge­ sellschaft in Vorschlag gebracht. Dieß, wenn auch ungern gesagt, diene zu meiner Rechtfertigung für die verehrlichen Mitglieder der Gesellschaft, denen ich solches schuldig zu sein glaubte, wobei ich wünsche, daß das nun wieder neu begonnene Streben der Gesellschaft durch die gewiß zeitgemäße Um­ gestaltung glücklichen Fortgang haben möge* Aufseß 10* Juni 1836. Hs. Frhr. v. u. z. Aufseß, Mitglied des Nürnberger Altertumsvereins «. Im Oktober 1836 wurde der inzwischen zum kgl. Archiv­ sekretär ernannte Dr. Moritz Maximilian Mayer zum I. Vorstand des neuen Vereins gewählt. Er genoß in Fachkreisen wegen seiner historischen Arbeiten ein wohlbegründetes Renommee

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und diese seine Arbeiten sind heute noch geschätzt. Seit 22 Jahren hatte er Norica gesammelt und konnte in einer ungedruckten Aufzeichnung von sich sagen, er sei im Besitz einer solchen Sammlung von Nürnberg betreffenden Gegen­ ständen, daß er, ohne zu prahlen, Wichtigeres aufzuweisen habe als Will oder jeder andere Noricasammler nach ihm. Auf dem Titel einer Broschüre, die betitelt ist: »Der Nürnberger Geschichtsverein. Einige ernste Worte und Bitten in Bezug auf diesen Verein an die Mitglieder desselben, an Nürnbergs Bürger und an alle diejenigen, denen Nürnberg und das, was in Nürnberg je für Gewerbe, Künste und Wissenschaften geleistet wurde und noch geleistet wird, lieb und wert ist«, nennt er sich ordentliches Mitglied der historischen Vereine für den Rezat- und Unterdonaukreis des Königreichs Bayern, Ehrenmitglied des königlich Sächsischen Vereins zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer, korrespondierendes Mitglied der Teutschen Gesellschaft zur Erforschung vater­ ländischer Sprache und Altertümer in Leipzig, der Gesellschaft für Pommerische Geschichte und Altertumskunde zu Stettin, des archäologischen Vereins zu Rottweil, des Vereines für Ge­ schichte und Altertumskunde Westfalens in Münster und des Hennebergischen altertumsforschenden Vereins zu Meiningen. Man sollte meinen, daß es einem Manne von solchem Ansehen und solchen Verbindungen bei den Geschichtsfreunden in ganz Deutschland, bei der Begeisterung, von der er für die Sache erfüllt war, und dem redlichen Willen, der ihn unstreitig beseelte, unschwer hätte gelingen müssen, die vorgesteckten Ziele zu erreichen. Aber auch seine Bemühungen waren fruchtlos. Die meisten Mitglieder des alten Vereins traten zwar dem neuen bei, manche gaben sogar ihren besonderen Beifall über die Umgestaltung zu erkennen, nur wenige traten zurück. Der Stadtmagistrat genehmigte die neuen Statuten, der König ge­ ruhte, dem Verein die nachgesuchte königliche Bestätigung mit dem Ausdruck allerhöchsten Wohlgefallens über sein gemein­ nütziges Beginnen zu erteilen. Dabei aber blieb es*, von einer wirklich ersprießlichen Tätigkeit des Vereins finden sich keinerlei Spuren. Der neue Vorstand beging alsbald den Fehler, in der obenerwähnten Broschüre mit unnötiger Schärfe gleich-

13 zeitige literarische Unternehmungen anzugreifen, welche nach seiner Meinung Verstöße gegen die geschichtliche Wahrheit sich zu schulden hatten kommen lassen, und damit warme und verdiente Anhänger der Sache vor den Kopf zu stoßen, so insonderheit den oben genannten Buchhändler C. Mainberger. Er verfiel in den Fehler, alles allein und selbst machen zu wollen* das Talent, andere zur Mitarbeit anzuregen, junge Kräfte heranzubilden, scheint ihm vollständig abgegangen zu sein. Der Verein vegetierte Jahre lang ohne irgend welche Lebensäußerung* wir wissen nichts von seiner Wirksamkeit, von Versammlungen, die er gehalten, von Drucksachen, die er herausgegeben hätte. Wann er vollständig entschlafen ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Doch finden sich unter den spär­ lichen Aktenprodukten, welche über ihn erhalten sind, noch aus den Jahren 1848 und 1849 datierte, an ihn gerichtete, den Schriftentausch betreffende Schreiben von auswärtigen historischen Vereinen. Wir haben ausführlich über die rühmlose Geschichte des ersten Nürnberger Geschichtsvereins berichtet, weil sie voll­ kommen in Vergessenheit geraten war und doch allein er­ klärt, wie es gekommen ist, daß erst Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg ins Leben trat. Die schlimmen Erfahrungen, welche man damals gemacht hatte, wirkten lange nach: den älteren Lokalforschern war der Gedanke an die Gründung eines Nürnberger historischen Vereins so sehr verleidet, daß sie vor der Erneuerung des Versuches auf das eindring­ lichste warnten. Der alte quieszierte Studienrektor und Stadt­ archivar Dr. Lochner, unstreitig damals der beste Kenner der Nürnberger Geschichte, wollte nichts von einem solchen Verein wissen. Auch in der Einwohnerschaft Nürnbergs war herzlich wenig Sinn und Verständnis für die Vergangenheit und fast gar kein Interesse für die Schätze der Vorzeit vorhanden. Es mußten andere Zeiten kommen und sie kamen auch. Im Jahre 1852 erlebte Hans von Auffeß auf der General­ versammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsforscher in Dresden den Triumph, mit seiner Idee der Gründung eines

14 allgemeinen deutschen Museums Anklang zu finden. Das Ger­ manische Nationalmuseum trat ins Leben und Nürnberg wurde definitiv zum Sitze desselben erkoren. Aus kleinen Anfängen erwuchs die patriotische Anstalt unter den energischen Händen ihres hochverdienten Stifters und seines hochbedeutenden Nach­ folgers zu einem Institut, das jedem Altertumsfreünd Anregung in Hülle und Fülle bot und reichsten Segen vor allem auf seine nächste Umgebung ausströmte. Die Geschichtswissenschaft hatte sich im deutschen Vaterlande zu herrlicher Blüte entfaltet und in Bayerns König Maximilian II. einen feinsinnigen, hoch­ herzigen und huldreichen Gönner gefunden. Seiner Munifizenz war die Gründung der historischen Kommission bei der könig­ lich bayerischen Akademie der Wissenschaften in München zu ver­ danken. Die Kommission nahm alsbald die Herausgabe der deutschen Städtechroniken, vornehmlich aus dem 14. und 15. Jahrhundert, in ihr Programm auf und betraute mit der Leitung dieses Unternehmens den kgl. Universitätsprofessor Karl Hegel in Erlangen, der den Entschluß faßte, mit der Herausgabe der Nürnberger Chroniken den Anfang zu machen. Es konnte nicht ausbleiben, daß diese beiden für Nürnberg so überaus erfreulichen Tatsachen, die Begründung des Germanischen Nationalmuseums in seinen Mauern und die Herausgabe seiner Chroniken durch die historische Kommission, belebend auf den historischen Sinn seiner Bewohner wirkten. Hegel klagte später oft darüber, daß er, als er an die Ausführung der übernommenen Arbeit ging, in Nürnberg selbst auf wenig Verständnis gestoßen sei, daß er und seine trefflichen Mitarbeiter mit ihren Studien sich damals fast vereinsamt am Orte fanden. Aber schon der persönliche Verkehr mit diesen ausgezeichneten Historikern, von welchen sich der leider zu früh verstorbene nachherige Uni­ versitätsprofessor Dr. Theodor von Kern und der jetzige großh. badische Generallandesarchivdirektor Friedrich von Weech damals längere Zeit in Nürnberg aufhielten und nicht nur die öffentlichen Archive, sondern auch diejenigen verschiedener Patrizierfamilien benützten, blieb nicht ohne Einfluß auf einen Teil von Nürhbergs Bewohnern. Kleinere Quellenpublikationen erschienen gelegentlich der Bearbeitung der Städtechroniken oder gleichzeitig mit ihr entweder im Anzeiger für Kunde der

15 deutschen Vorzeit oder in den Jahresberichten des historischen Vereins von Mittelfranken und lenkten die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die reichen Schätze, welche noch ungehoben in den Nürnberger Archiven schlummerten. Es regte sich wieder das Interesse für die Reste der Vorzeit und ihre Geschichte. Indessen würde das alles doch schwerlich dazu geführt haben, die Gründung eines besonderen Vereins für Nürnberger Lokal­ forschung ins Auge zu fassen. Es kamen noch andere Momente dazu. Die Stadt Nürnberg war im raschen Aufschwung begriffen und reifte einer neuen Blütezeit entgegen. Mächtig liahm die ' Einwohnerzahl zu, ihr Mauergürtel war ihr längst zu enge geworden. Die Bedürfnisse der Gegenwart erheischten neue Verbindungen. Da und dort waren die alten Stadtgräben schon überdämmt, die ehrwürdigen Stadtmauern durchbrochen, die herrliche Wöhrder Bastei war eingelegt worden und andern drohte das gleiche Schicksal. Die Rücksichtslosigkeit, mit der dabei zu Werk gegangen, und die Gleichgiltigkeit, mit welcher das Zerstörungswerk aufgenommen wurde, öffnete so manchem Altertumsfreund die Augen darüber, wie gering in weiten Kreisen der Bevölkerung das Verständnis für den historischen Wert dieser einzigartigen Reste der Vorzeit war. Die Zahl derer mehrte sich, welche von dem Wunsche beseelt waren, daß für die Pflege der Lokalgeschichte und der Pietät für das von den Vätern Überlieferte unter der Bevölkerung etwas geschehe, nicht in dem Sinne etwa, daß der Entwicklung der Stadt ein Hemmschuh in den Weg gelegt werden wollte, sondern in dem Sinne, daß bei der nach Lage der Dinge* unvermeidlichen Um­ gestaltung der Stadt mit mehr Vorsicht und Pietät verfahren werde als bisher. Mit Anfang des Jahres 1877 rüstete sich das Ger­ manische Nationalmuseum, sein fünfundzwanzigjähriges Bestehen zu feiern; dem zur Vorbereitung dieses Jubiläums gebildeten Lokal­ ausschuß gehörte eine Anzahl begeisterter Altertumsfreunde der Stadt an, denen dadurch reichliche Gelegenheit zum Ideenaus­ tausch geboten war. Stärker denn zuvor drängte sich ihnen gerade jetzt das Bedürfnis auf, einen Verein für Lokalgeschichte ins Leben zu rufen. So kamen die Augusttage heran, in welchen das Germanische Museum sein Jubiläum feiern sollte; im An­ schluß an dasselbe wollte der Gesamtverein der deutschen

16 Geschichts- und Altertumsvereine seine Generalversammlung in Nürnberg halten. Am 13. August 1877 und den folgenden Tagen fand unter dem Vorsitz des Oberappellationsgerichtsrats Draudt aus Darmstadt die Tagung statt. In der von dem Archivar Dr. Grotefend geleiteten Sitzung der III. Sektion kam im Anschluß an die Verhandlung über die Frage, ob sich der Gesamtverein der Bewegung der deutschen Architekten an­ schließen und mit ihnen eine Fürsorge des Reiches für Er­ haltung der Altertümer und Baudenkmale anstreben solle, ein Antrag ‘des Dr. Theobald aus Hamburg zur Diskussion, die Versammlung wolle Stellung zu der Frage des Abtrags eines großen Teils der alten Nürnberger Stadtbefestigung nehmen. Das heikle Thema wollte mit größtem Takt und äußerster Vor­ sicht behandelt sein, wenn eine Einmischung in diese rein städtische Angelegenheit nicht mehr schaden als nützen sollte. Der Schreiber dieser Zeilen, welcher die Empfindlichkeit der städtischen Kollegien in solchen Dingen kannte, riet von der Annahme einer Resolution ab und schlug vor, die Bildung eines Geschichtsvereins in Nürnberg zu empfehlen, der die historischen Interessen der Stadt nach allen Richtungen hin vertreten könnte. So beifällig dieser Gedanke aufgenommen wurde, man konnte sich nicht entschließen, auf den Protest gegen das Einreißen der Stadtmauern gänzlich zu verzichten. Die Sektion ließ der Plenarversammlung vom 16. August 1877 durch Oberst von Cohausen eine langatmige, wenig glücklich gefaßte Resolution unterbreiten, die angenommen wurde, aber den erwarteten Ein­ druck gänzlich verfehlte. Im Anschluß daran aber sprach die Generalversammlung einstimmig den Wunsch aus, es möge sich in Nürnberg ein Geschichtsverein bilden, welcher die historischen Interessen der Stadt nach allen Rich­ tungen vertreten könnte. Damit war es den an der Generalversammlung beteiligten Nürnbergern gleichsam zur Pflicht gemacht, die Gründung eines historischen Lokalvereins in die Hand zu nehmen. Sie konnten sich bei ihrem weiteren Vorgehen auf das Mandat einer an­ gesehenen Versammlung von Vertretern der historischen Wissen­ schaft berufen und waren der Sympathien der von diesen ver­ tretenen Körperschaften sicher. Aber der ungünstige Eindruck,

17 den der von der Generalversammlung des Gesamtvereins be­ schlossene Protest gegen das Einreißen der Stadtmauern auf die Bewohner Nürnbergs gemacht hatte, mahnte zur Vorsicht. Der Sympathien des Publikums konnte der neuzubildende Verein nicht entraten. Er brauchte unterstützende Mitglieder, wenn er seine Arbeiten drucken und verbreiten lassen wollte; er mußte aber auch auf Zuhörer bei seinen Vorträgen rechnen dürfen, wenn er in weiteren Kreisen den historischen Sinn und das Verständnis für die Vorzeit erwecken und stärken wollte. Schon die Rücksicht darauf verbot den Männern, welche sich mit der Absicht trugen, den Verein ins Leben zu rufen, ihm einen aggressiven Charakter zu geben. Nicht mit der Gegen­ wart sollte sich der Verein beschäftigen und mit dem Wider­ streit der Meinungen über Tagesfragen-, er sollte seine Aufgabe nur in der Erforschung der Vergangenheit und in der mustergiltigen Darstellung des Erforschten erblicken. In diesen Ab­ sichten waren die fünf Altertumsfreunde vollständig einig, welche im Spätherbst 1877 mit dem Vorsatze zusammentraten, dem auf der Generalversammlung des Gesamtvereins so lebhaft geäußerten Wunsche Leben und Gestalt zu geben. Die Fünfe waren der 1. Direktor des Germanischen Nationalmuseums August Essenwein, der Vorstand des kgl. Kreisarchivs in Nürn­ berg Dr. Heinrich, der k. k. Major a. D. Georg Freiherr von Imhoff, der kgl. Advokat und Rechtsanwalt Georg Freiherr von Kreß und der kgl. Archivsekretär Ernst MummenhofF. Sie er­ ließen an etwa 30 Nürnberger Herren die Einladung zur Bildung eines vorberatenden Komitees, in welcher betont war, daß die großen nationalen Anstalten, welche die Stadt in ihren Mauern berge, mit ihren viel weiter gehenden Zwecken einen Verein für die Lokalgeschichte Nürnbergs so wenig zu ersetzen ver­ möchten, als der historische Verein von Mittelfranken, welcher nur nebenbei mit Nürnbergs Vergangenheit sich zu befassen Anlaß habe und zudem wegen seines Sitzes in Ansbach keinen Einfluß auf die Bewohner Nürnbergs üben könne. Niemand werde leugnen, daß bei der materiellen Richtung der Zeit die Vereinigung aller derer, welche die reichen von den Vorfahren überlieferten Schätze an Baudenkmalen, Kunstwerken und Ge­ schichtsquellen jeder Art in Stadt und Land, in Archiven, 2

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Bibliotheken und Sammlungen zu würdigen wissen, not tue, nicht nur, um die Erforschung der Geschichte Nürnbergs zu fördern, sondern auch um "das Interesse und die Pietät für die Vergangenheit der Vaterstadt unter den Bewohnern der Stadt wachzurufen und zu erhöhen. Mit unverhohlener Freude begrüßten die eingeladenen Herren das Vorgehen der Fünfe. Von keiner Seite wurden prinzipielle Bedenken laut. Auch solche, welche ihres hohen Alters oder ihrer Gesundheit wegen Anstand nahmen, sich per­ sönlich zu beteiligen, gaben schriftlich ihre Zustimmung kund. Besonders eingehend sprach sich ein Nestor der Geschichts­ wissenschaft, der bejahrte Archivar des Germanischen Museums, Professor Dr. Flegler, aus. Er schrieb: Hochzuverehrende Herren! Mit aufrichtiger Teilnahme begrüße ich die Bildung eines historischen Vereins für Nürnberg, die ich mit anderen längst schon als ein dringendes Bedürfnis angesehen habe. Ich bin um so erfreuter über den Gedanken zu einem solchen, da demselben gerade bei dem gegenwärtigen Stand der geschichtlichen Arbeiten über das deutsche Städtewesen die Gegenstände seiner Tätigkeit bereits ziemlich deut­ lich vorgezeichnet sind. Man wird nämlich über kurz oder lang zur Herstellung eines umfassenden nürnbergischen Urkundenbuches schreiten müssen, welches den Gang der inneren Gesetzgebung wie die auswär­ tigen staatsrechtlichen Beziehungen der Reichsstadt in ihrer Reihenfolge klar überschauen läßt. Mögen die Schwierigkeiten, welche sich einem derartigen Plan ent­ gegenstellen, noch so groß sein sie werden über­ wunden werden müssen, weil nur ein solches Werk für die bisherigen Leistungen zur Prüfung und Berichtigung, für die künftigen zur Richtschnur und Grundlage dienen kann. Je anziehender und verlockender es nun für mich wäre, in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit andern in den reichhaltigen Stoff der nürnbergischen Geschichte tiefer einzudringen, desto mehr bedaure ich für mich selber, dem im Entwurf liegenden Verein nicht beitreten zu können. Ich habe mir für mein Alter einen Kreis von

19 Arbeiten unwiderruflich festgestellt, welchen die ganze Muße, die meine Berufsgeschäfte mir übrig lassen, ge­ widmet bleiben soll. Sie vertragen weder Unterbrechung noch Verschiebung und untersagen mir jede Zersplit­ terung meiner Kräfte. In dem vierundsiebenzigsten Jahre meines Lebens angelangt, werde ich durch das Horazische: Eheu fugaces — labuntur anni täglich und stündlich gemahnt, daß ein Abschied aus dem Leben nicht mehr ferne liegen kann. Hier heißt es demnach: Sarcinas colligere! Bei so bewandten Umständen bleibt mir in der Tat nichts übrig, als mit den besten Wünschen für das Gedeihen des neuen Vereins die Erfüllung seiner Aufgaben jüngeren und rüstigeren Kräften zu über­ lassen. Daß ich mit den Hilfsmitteln, welche das Archiv des Germanischen Museums bieten kann, soweit meine Kenntnis derselben reicht, die Bestrebungen des histori­ schen Vereins auf das bereitwilligste unterstützen werde, versteht sich im übrigen ganz von selbst. Hochachtungs­ voll! Nürnberg, am 20. Christmond 1877. A. Fleglerc. Am gleichen Tage fanden sich 18 der eingeladenen Herren im Konferenzzimmer des Germanischen Museums ein, um über die vorbereitenden Schritte zur Gründung des Vereins zu beraten, 5 weitere Herren hatten brieflich ihren Beitritt zum Komitee erklärt. Unter Direktor Essenweins Vorsitz einigte man sich über das weitere Vorgehen. Ein von Rechtsanwalt Frhr. von Kreß entworfener und in Vorlage gebrachter Statutenentwurf wurde gutgeheißen. Beschlossen wurde, auf Donnerstag den 17. Januar 1878 abends 8 Uhr in den Saal der Restauration zur Wartburg am Weinmarkt eine konstituierende Generalver­ sammlung einzuberufen und hiezu sowohl öffentlich durch ein Ausschreiben in den Tagesblättern als auch privatim durch Ver­ sendung eines gedruckten Aufrufs mit den Unterschriften der sämtlichen Komiteemitglieder einzuladen. Der Aufruf trug folgende Unterschriften: Buchhändler H. Ballhorn, Privatgelehrter K. Bergau, I. Direktor des Germanischen Museums Dr. Essenwein, II. Direktor des Germanischen Museums Dr. Frommann, kgl. Oberst a. D. Gemming, Direktor der kgl. Kunstschule Gnauth, kgl. Professor und Studienrektor Dr. Heerwagen, kgl. Kreis2*

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archivar Dr. Heinrich, k. k. Major a. D. Frhr. v. Imhoff, Lehrer an der kgl. Kreisrealschule Kamann, kgl. Advokat Frhr. v. Kreß, kgl. Oberst a. D. v. Moor, kgl. Archivsekretär Mummenhoff, kgl. Stadtpfarrer Nagel, Privatgelehrter Dr. Pöhlmann, Stadtbibliothekariatsverweser Priem, Kustos am Bayerischen Gewerbe­ museum Dr. v. Schorn, II. Bürgermeister Seiler, Hofbuchhändler S. Soldan, I. Bürgermeister Frhr. v. Stromer, Gutsbesitzer Frhr. v. Tücher, kgl. Bezirksgerichtsrat Vocke, kgl. Professor Dr. Wan­ derer. Ein wehmütiges Gefühl beschleicht uns, wenn wir die Liste dieser dreiundzwanzig Stifter des Vereins durchgehen. Die Hälfte von ihnen ist aus dem Leben geschieden, Männer, deren Mitwirkung nicht nur bei der Gründung des Vereins überaus wertvoll war, sondern auch später noch wesentlich zu seiner gedeihlichen Entwicklung und Blüte beigetragen hat. Wir wer­ den im Verlaufe dieses Aufsatzes noch Anlaß haben, auf sie einzeln zurückzukommen. An dieser Stelle sei ihrer aller in Dankbarkeit gedacht. Sechs von den Unterzeichnern sind im Laufe der Jahre von Nürnberg weggezogen, zum Teil aber noch treue Anhänger und Mitglieder des Vereins geblieben. Nur sechs weilen noch in den Mauern Nürnbergs. Der Aufruf hatte erfreulichen Erfolg. Etwa sechzig Herren fanden sich am Abend des 17. Januar 1877 im Saale der Restauration zur Wartburg ein. Die Versammlung übertrug den Vorsitz an den I. Bürgermeister der Stadt Herrn von Stromer und wählte den kgl. Archivsekretär Mummenhoff zum Schrift­ führer. Rechtsanwalt Frhr. v, Kreß begründete den Antrag auf Bildung eines historischen Vereins für Nürnberg und brachte den von ihm ausgearbeiteten Statutenentwurf zum Vortrag. Nach sorgsamer Beratung der einzelnen Bestimmungen desselben und Vornahme einiger Änderungen genehmigte die Versammlung den Entwurf. Hierauf konstituierte sich die Versamm­ lung als Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Die Anwesenden erklärten ihren Beitritt. Die schriftlich erfolgten Beitrittserklärungen wurden bekannt gegeben. Es ergab sich, daß schon 114 Beitrittserklärungen erfolgt waren. Als Zweck des Vereins war in den Satzungen angegeben, die Kenntnis der Vergangenheit der Stadt Nürnberg und ihres vormaligen Territoriums auf allen Gebieten des Kulturlebens

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zu fördern, für Erhaltung und Bewahrung der hierauf bezüg­ lichen Geschichtsquellen jeder Art zu wirken und das Interesse für die Geschichte Nürnbergs sowohl unter seinen Mitgliedern als in weiteren Kreisen zu beleben und wachzuhalten. Räum­ lich also war das Forschungsgebiet beschränkt auf die ehemalige Reichsstadt und das in der Blütezeit derselben bekanntlich nicht unbeträchtliche reichsstädtische Gebiet; stofflich dagegen sollte der weiteste Spielraum gelassen werden, kein Kulturgebiet sollte außer Betracht bleiben. Die Beschränkung, die sich der Verein damit auferlegt hat, hat er noch nicht zu bereuen gehabt. Schier unerschöpflich ist der Stoff, der sich auch heute noch dem Forscher bietet, und die Intensivität der Arbeit hat durch die Beschränkung gewiß nur gewonnen. Im übrigen war die Aufgabe, die dem Verein gestellt war, eine zweifache: einmal sollte er sich der Erforschung der Vergangenheit Nürn­ bergs und ihrer Förderung widmen, dann aber war ihm die Fürsorge für die Erhaltung und Bewahrung der Geschichts­ quellen jeglicher Art und für die Erweckung und Stärkung des Interesses für die Geschichte der Vaterstadt zur Pflicht gemacht. Als die Mittel, diese Ziele zu erreichen, waren in den Satzungen bezeichnet: 1. regelmäßige Vereinsversammlungen zur Mitteilung von Arbeiten auf dem Gebiete der Quellenforschung und Geschichtsschreibung, soweit sie mit der Geschichte Nürnbergs im Zusammenhänge stehen, und zum Mei­ nungsaustausch hierüber; 2. Veröffentlichung derartiger Arbeiten von Mitgliedern und Nichtmitgliedern in Vereinspublikationen; 3. Veranstaltung öffentlicher Vorträge über Themata aus der Vorzeit Nürnbergs; 4. Gründung einer Vereinsbibliothek und eines Vereins­ archivs. Auch hiebei war man mit weiser Mäßigung verfahren und hatte nicht zu viel in Aussicht genommen, Auf die Anlegung einer eignen Sammlung war verzichtet worden, weil sie in der Stadt, in welcher das Germanische Museum seinen Sitz hat, kein Bedürfnis war. Denkmäler der Vorzeit, die allenfalls in den Besitz des Vereins kommen würden, fanden am

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besten in den reichhaltigen Sammlungen der großen nationalen Anstalt ihre Unterkunft, wo auch ein Teil der städtischen Sammlung untergebracht war. Auch die Herausgabe einer periodisch erscheinenden Zeitschrift wurde in den Satzungen dem Verein nicht zur Pflicht gemacht; es sollte ihm freie Hand gelassen werden, je nach seinen Kräften und Mitteln zu Ver­ öffentlichungen zu schreiten. Die Entscheidung darüber wie die Geschäftsführung überhaupt wurde einem zwölfgliederigen Ausschüsse übertragen, der immer auf drei Jahre gewählt wer­ den und aus seiner Mitte einen 1. und 2. Vorstand, einen 1. und 2. Schriftführer, einen Schatzmeister, einen Bibliothekar und einen Archivar aufstellen sollte. Ordentliches Mitglied des Vereins konnte und kann ohne Rücksicht auf Stand und Wohnort jeder Freund der Geschichte Nürnbergs werden. Auch Frauen konnten und können also die Mitgliedschaft erwerben. Ebenso ist Behörden, Ämtern, Körperschaften, Stiftungen und Vereinen die Möglichkeit des Beitritts eingeräumt. Die Aufnahmsgebühr, welche inzwischen wieder abgeschafft worden ist, wurde auf 3 jU, der Jahresbeitrag auf 5 Jt fest­ gesetzt. Durch Zahlung eines einmaligen Beitrags von 100 jü sollte die Mitgliedschaft auf Lebenszeit (35 Jahre) erworben werden können. Wer sich um die Stadt Nürnberg oder den Verein hervorragende Verdienste erworben hat, kann durch einstimmigen Beschluß der Generalversammlung zum Ehrenmit­ glied ernannt werden. Das sind die Grundzüge der Verfassung, welche die konstituierende Generalversammlung dem neuen Vereine gab. Sie schritt nun aber auch in geheimer Abstim­ mung zur Wahl des Ausschusses für die nächsten drei Jahre. Gewählt wurden: Direktor Dr. A. Essenwein, Direktor Dr. C. Frommann, Direktor A. Gnauth, Kreisarchivar Dr. Heinrich, Major a. D. Georg Frhr. v. Imhoff, Rechtsanwalt Frhr. v. Kreß, Professor Krück, Archivsekretär E. Mummenhoff, Privatgelehrter Dr. Pöhlmann, Kustos Dr. v. Schorn, Hofbuchhändler Sigmund Soldan, Bürgermeister Frhr. v. Stromer und Professor Fr. Wanderer. Hochbefriedigt von dem glatten Verlauf der Ver­ handlungen und voll der besten Hoffnungen für eine gedeih­ liche Zukunft des Geschaffenen ging die Gründungsversammlung auseinander.

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Die äußere Form für eine verständige Pflege der Lokal« geschichte war unter den günstigsten Auspizien geschaffen. Die angesehensten Männer der Stadt hatten bei der Gründung mitgewirkt, die Leiter der wissenschaftlichen Anstalten und höheren Schulen der Stadt, die Vorstände der Archive und Bibliotheken waren an ihr beteiligt. Nun galt es dieser Form auch den richtigen Geist einzuflößen, und das war die Aufgabe des gewählten Ausschusses. Er mußte dafür sorgen, dem Ver­ ein einen wissenschaftlichen Charakter zu geben und seichten Dilettantismus ferne von ihm zu halten. Ihm lag ob, die Be­ strebungen des Vereins populär zu machen und ihm dadurch die Sympathien weiterer Kreise zu erwerben und Einfluß auf sie zu sichern. Er mußte die Kräfte aufsuchen und zu gewinnen trachten, deren Mitarbeit eine ersprießliche Wirksamkeit des Vereins verbürgte. Mit einem großen Aufwand von Gelehr­ samkeit allein wäre noch wenig erreicht gewesen, der Verein mußte die Brücke bauen zur Vermittlung der Arbeit der Ge­ lehrten an das Publikum. Diese Rücksichten mögen in die Wagschale gefallen sein, als der Ausschuß bei seiner Kon­ stituierung nicht einen Fachgelehrten an die Spitze stellte. Er wählte zu seinem I. Vorsitzenden den Rechtsanwalt Frhr. v. Kreß, dem dieses Amt bei späteren Wahlen immer wieder übertragen wurde und der es noch heute bekleidet. Zum II, Vorstand wurde der I. Direktor des Germanischen Museums Dr. August Essenwein gewählt. Zum I. Schriftführer bestimmte der Aus­ schuß den Archivsekretär Ernst Mummenhoff, zum II. den Privat­ gelehrten Dr. Robert Pöhlmann. Die Funktion des Schatz­ meisters übernahm der Hofbuchhändler Sigm. Soldan, die des Vereinsbibliothekars der II. Direktor des Germanischen Museums Dr. Karl Frommann, die des Vereinsarchivars der kgl. Kreis­ archivar Dr. Heinrich. So waren die Rollen verteilt und der Ausschuß entwickelte alsbald rege Tätigkeit nach allen Seiten. Zunächst erwarb er dem Verein durch Vorlage der Sat­ zungen bei Gericht und Erwirkung ihrer Genehmigung die Rechte eines anerkannten Vereins. Der Verein erlangte damit die Rechtsfähigkeit und die rechtliche Befugnis, Eigentum zu erwerben. Seine Vertretung vor Amt und Gericht war dadurch gesetzlich geregelt. Der Aufruf zum Beitritt wurde umredigiert und neu

24 aufgelegt und an zahlreiche Nürnberger hier und auswärts ver­ sandt. Der Erfolg war, daß der Verein bis Mitte Februar 1878 200 Mitglieder zählte. Kunstschuldirektor Gnauth übernahm es in liebenswürdiger Weise, einen künstlerischen Entwurf für die Mitgliedskarte mit einer passenden Initiale und einem Ver­ einssiegel zu entwerfen und die Holzstöcke und Cliches dazu hersteilen zu lassen. Die geschmackvolle Karte ist uns heute noch eine liebe Erinnerung an den leider so früh verstorbenen, vortrefflichen Künstler. Mit besonderem Eifer ging der Aus­ schuß an die Vorbereitung der Vereinsversammlungen, die allmonatlich stattfinden sollten; man bemühte sich, einen Tag ausfindig zu machen, der nicht schon von anderen verwandten Vereinen als Vereinstag beschlagnahmt war, wählte den Donners­ tag und bestimmte als Vereinslokal den Saal der Restauration zur Wartburg am Weinmarkt. Eine besondere Subkommission wurde zur Beschaffung von Stoff für die Monatsversammlungen und zur Gewinnung von Vortragenden eingesetzt. Es sollte an jedem Vereinsabend ein größerer Vortrag gehalten werden, die hiedurch nicht ausgefüllte Zeit aber zu kleineren Mitteilungen, zu Diskussionen, zur Vorlage von Altertümern und Besprechung literarischer Erzeugnisse verwendet werden. Allerdings erhielten die Monatsversammlungen durch den Katheder-Vortrag einen etwas akademischen Charakter; es wurde dadurch aber auch verhindert, daß sich ein dünkelhafter Dilettantismus breit machen konnte. Die Vortragsabende mußten vorbereitet sein und ohne Zustimmung des Vorstandes konnte keine Arbeit zum Vortrag gebracht werden. Diese Methode hat sich bewährt und ist des­ halb auch die fünfundzwanzig Jahre hindurch beibehalten worden. Die erste Versammlung fand am Donnerstag den 21. März 1878 ira kleinen Saale des Gasthofs zum Adler statt. Sie wurde eingeleitet durch einen längeren Vortrag des I. Vorstands Rechtsanwalts Frhr. v. Kreß über »Nürnbergische Geschichts­ schreibung und die Aufgabe des Vereins«, welch letztere der Vortragende nach ihren verschiedenen Richtungen, sowohl was Förderung der Forschung und Geschichtsschreibung als was Erhaltung der Geschichtsdenkmäler und Erweckung des Interesses für die Geschichtsschreibung betrifft, eingehend besprach und als eine zwar schwierige und ernste, aber auch Erfolg versprechende

25 charakterisierte. Kreisarchivar Dr. Heinrich schilderte hierauf unter Vorlage von Abbildungen den »Einzug des Erzherzogs Ernst von Österreich in die Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1593«. An diese Vorträge schlossen sich noch Mitteilungen an über die vom Direktorium des Germanischen Museums beabsichtigte Gründung eines eigenen von seinen übrigen Sammlungen aus­ geschiedenen Handelsmuseums und über eine Anzahl einge­ laufener auf die Handelsgeschichte Nürnbergs bezüglicher Fragen. Mit dieser Vereinsversammlung war ein guter Anfang gemacht. Sämtliche Tageszeitungen berichteten ausführlich darüber, wie es sich der Ausschuß überhaupt angelegen sein ließ, über die Vereinstätigkeit fortlaufend und ausführlich in der Tagespresse zu berichten. Später wurde die Einrichtung getroffen, daß der II. Schriftführer den größeren Zeitungen in Nürnberg über jede Vereinsversammlung einen ausführlichen, sorgsam ausgearbeiteten Bericht mitgenauer Angabe des Inhalts der Vorträge zugehen ließ. Die Presse hat diese Berichte stets bereitwillig zum Abdruck ge­ bracht und überhaupt dem Verein gegenüber eine wohlwollende Haltung eingenommen, so daß wir allen Anlaß haben, bei Gelegen­ heit des 25jährigen Jubiläums auch ihr für die dem Verein ge­ widmete Förderung ein warmes Wort des Dankes zu sagen. Die weiteren Versammlungen fanden nun regelmäßig an den dritten Donnerstagen des Monats im Saale der Restauration zur Wartburg statt, der lange Jahre dem Verein mit nur einer einmaligen kurzen Unterbrechung als Vereinslokal diente. Erst im Jahre 1898 sah sich die Vorstandschaft veranlaßt, den von verschiedenen Seiten lebhaft geäußerten Wünschen nach Verlegung der Vereinsversamm­ lungen in ein den gesteigerten Ansprüchen der Gegenwart mehr ent­ sprechendes Lokal Rechnung zu tragen. Die Wahl fiel auf den sehr hübschen Saal in dem damals neugebauten Gasthof zum roten Hahn in der Königsstraße, in welchem die Gesellschaft seitdem freundliche Aufnahme gefunden hat und ein behagliches und beliebtes Heim besitzt. In den Sommermonaten wurden die Monatsversammlungen ausgesetzt, so daß sieben bis acht Vereins­ abende im Jahre in der Regel stattfanden, diese aber so regel­ mäßig, daß nur äußerst selten einmal eine Versammlung ausfiel. Im ganzen fanden in den fünfundzwanzig Jahren einhundert­ neunundachtzig Vereinsversammlungen statt, gewiß eine statt-

26 liehe Anzahl, die Zeugnis ablegt von dem regen Leben, das im Verein herrscht. Noch größer ist natürlich die Zahl der Vorträge, welche gehalten wurden, da in mehreren Versamm­ lungen zwei oder mehr Vortragende sprachen* Außerordentlich mannigfaltig waren die Themata, welche von den Vortragen­ den behandelt wurden. Fast kein Gebiet der Geschichte, keine Zeitperiode bieb unberührt. Kulturgeschichtliche und kunstgeschichtliche Stoffe kehrten am häufigsten wieder. Vor­ zügliche Arbeiten waren darunter. Es geht nicht an, sie in dieser zusammenfassenden Darstellung einzeln aufzuzählen. Leider ist auch nur ein Teil der Vorträge gedruckt; die Mittel des Vereins waren nicht beträchtlich genug, um alle drucken lassen zu können. Die Zahl der Herren, welche Vorträge hielten, beträgt 64. Darunter befanden sich 1 5 Museumsbeamte, 11 Pro­ fessoren und Reallehrer, 10 Juristen, 10 Theologen, 7 Archivund Bibliothekbeamte, 3 Offiziere, 2 Buchhändler, 2 Kaufleute, 1 Numismatiker, 1 Lehrer, 1 Apotheker, 1 Künstler. Die meisten Vorträge hielt Archivrat Mummenhoff; ihre Zahl ist 37. Justiz­ rat Frhr. v. Kreß sprach 17 mal, der verstorbene Landgerichts­ assessor Georg Lehmann 12 mal. Von den beiden Vettern, Major a. D. Georg Frhr. von Imhoff und Major a. D. Wil­ helm Frhr. von Imhoff, hielt jeder 7 Vorträge. Auch Biblio­ thekar Dr. Theodor Hampe hat 7 Vorträge gehalten. An je 6 Abenden sprachen der verstorbene Rechtsanwalt Hartmann, Pfarrer Dr. Hagen und der verstorbene Universitätsprofessor Dr. Adolf Frhr. von Scheurl. Direktor von Bezold hielt 5 Vor­ träge. Bibliothekskustos Dr. Reicke ebenfalls 5, Generalmajor a. D. von Dotzauer 4. Die übrigen Herren sprachen zumeist nur 1 mal, einige 2 oder 3 mal. Was da geleistet worden ist, verdient die wärmste Anerkennung. Die meisten der gehaltenen Vorträge beruhten auf mühseligen Quellenstudien und sorg­ fältiger Vorbereitung. Die Zuhörergemeinde, welche sich zu ihrer Entgegennahme zusammenfand, war nicht groß, aber sie war treu und dankbar. Es ist nicht jedermanns Sache, nach des Tages Last und Mühe abends noch einem einstündigen wissenschaftlichen Vortrage zu lauschen, auch ist nicht jedem Redner ein packender Vortrag und eine lebendige Darstellungs­ weise gegeben. In einer der Großstadt entgegenreifenden Stadt

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ist überdies die Zahl der gebotenen musikalischen und theatrali­ schen Genüsse so groß, daß Kollisionen mit solchen Ver­ anstaltungen ganz unvermeidlich sind. Daraus erklärt sich wohl, daß sich zu den Vereinsversammlungen zumeist nur ein ver­ hältnismäßig kleiner Bruchteil der Mitglieder einfand. Aber wer kam, ging schwerlich unbefriedigt von dannen und kam auch gerne wieder. Es bildete sich ein fester Kern von treuen Anhängern des Vereins, der immer wieder zur Stelle war, und es läßt sich mit gutem Grund behaupten, daß während der ganzen fünfundzwanzig Jahre des Bestehens des Vereins keine Zeit eintrat, in welcher eine Abspannung der Kräfte und ein Nachlaß der Teilnahme der Mitglieder bemerklich geworden wäre. Die Vereinsleitung trachtete, von Zeit zu Zeit durch besondere Veranstaltungen Abwechslung in die Versammlungen zu bringen. Das freundliche Entgegenkommen des Direktoriums des Germanischen Museums und der Beamten der Stadtbibliothek ermöglichte, viele Vorträge durch Vorlage älterer Abbildungen, Drucke, Porträts u. s. w. zu illustrieren. Auch von Privaten wurden interessante Medaillen, Pläne, Handzeichnungen u. dgl. an manchem Vereinsabend vorgelegt. Vielen Anklang fanden topographische Erläuterungen zu dem großen Stadtplan von Hieronymus Braun, welche von verschiedenen Mitgliedern gegeben wurden. Neuere auf Nürnberg bezügliche Literaturerzeugnisse wurden mitunter besprochen. Regelmäßig waren auch an den Vereinsabenden die seit der letzten Versammlung eingelaufenen Tauschschriften und Bibliothekgeschenke zur Einsichtnahme für die Mitglieder aufgelegt. In den letzten Jahren war die Einrichtung getroffen und dankbar begrüßt worden, daß im Herbst vor Wiederaufnahme der Monatsversammlungen das Verzeichnis der für die ganze Saison bis zum Wiedereintritt der Sommerpause in Aussicht genommenen größeren Vorträge den Mitgliedern bekannt gegeben wurde, so daß sie sich die Tage freihalten konnten, an welchen Vorträge stattfanden, deren Thema ihr be­ sonderes Interesse erregte. Ein engerer Kreis namentlich von solchen Mitgliedern, welche sich aktiv an den Arbeiten des Vereins beteiligten, fühlte das Bedürfnis, sich nicht nur in den Monats­ versammlungen des Vereins zu begegnen, sondern häufiger zum zwanglosen Meinungsaustausch zusammenzufinden. Es fanden

28 deshalb an einem Donnerstag des Monats anfänglich in einem gemütlichen Extrazimmer des evangelischen Vereinshauses und in neuerer Zeit in einem der Kneipzimmer der Restauration zum Krokodil in der Weintraubengasse gesellige Zusammen­ künfte statt, bei welchen die wissenschaftlichen Interessen und Arbeiten des Vereins erörtert und mancherlei nützliche An­ regungen gegeben wurden. Viele unserer Mitbürger gedenken sicherlich mit Dankbarkeit der vielfachen Belehrung und An­ regung, welche sie im Laufe der Jahre in den Monatsversamm­ lungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg gefunden haben. Die Wirkung dieser eifrigen und ununterbrochenen Vereinstätigkeit erstreckt sich aber noch weiter. Ohne Selbst­ überhebung darf der Verein von sich sagen, daß er wesentlich dazu beigetragen hat, daß heute unter den Bewohnern der Stadt im allgemeinen mehr Pietät für die Vergangenheit und ein besseres Verständnis für die Reste der Vorzeit vorhanden ist, als dies vor fünfundzwanzig Jahren der Fall war. Wir haben, um ein Gesamtbild der Vereinstätigkeit in den Vereinsversammlungen während des ganzen abgelaufenen Zeitabschnitts zu geben, die chronologische Darstellung ver­ lassen, müssen aber doch noch einmal zu den Anfängen des Vereins im Jahre 1878 und zu den Beratungen und Beschlüssen seines ersten Ausschusses zurückkehren. Als Mittel zur Erreichung der Ziele, welche die Satzungen dem Vereine vorgesteckt hatten, waren neben den regel­ mäßigen Vereinsversammlungen Veröffentlichungen des Ver­ eins ins Auge gefaßt und mit der Frage der Veröffentlichungen beschäftigte sich denn auch der Ausschuß schon in seinen ersten Sitzungen. Von der Gründung einer periodisch er­ scheinenden Vereinszeitschrift hatte man abgesehen, da der Verein über die Mittel dazu noch nicht verfügte. Seine Ein­ nahmen bestanden lediglich in Aufnahmsgeldern und Mitglieder­ beiträgen und reichten nicht aus, um sich auf kostspielige Unternehmungen einzulassen. Andererseits war man sich klar darüber, daß das Gedeihen des Vereins davon abhängig sei, daß er mit Publikationen an die Öffentlichkeit trete. Nur durch Herausgabe gediegener wissenschaftlicher Arbeiten konnte er sich der Wissenschaft nützlich erweisen, nur durch sie

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verschaffte er sich die Möglichkeit, mit anderen historischen Ver­ einen in Verbindung zu treten, nur durch sie eröffnete sich ihm die Aussicht, auch auswärts Mitglieder und Förderer zu gewinnen. Übrigens tauchte schon damals die Meinung auf, der Verein müsse alles auf bieten, um mit der Zeit sich an größere Aufgaben und Unternehmungen wagen zu können. Von fciner Seite wurde angeregt, von Vereins wegen eine Heraus­ gabe der Nürnberger Kunstdenkmäler ins Auge zu fassen, von anderer Seite wurde empfohlen, bei Zeiten an die Edition eines Nürnberger Urkundenbuches zu denken. Beide Gedanken blieben zwar bis jetzt fromme Wünsche. Indessen hat die Herausgabe des Nürnberger Urkundenbuches, veranlaßt hiezu durch den Verein, die Stadt Nürnberg auf ihre Kosten in die Hand genommen und dem Vorstande des Stadtarchivs, Herrn Archivrat Mummenhoff, übertragen, der seit Jahren mit den Vorarbeiten für diese umfangreiche Publikation beschäftigt ist, während Reichsarchivrat Dr. Petz im Aufträge der Stadt für die Edition der Ordnungen der alten Reichsstadt arbeitet, welche als besondere Abteilung des Urkundenbuches erscheinen soll1). Der andere Gedanke wird sich vielleicht verwirklichen lassen, wenn das vom Verein mit Unterstützung der Stadt unternommene Werk der Inventarisation der Bau- und Kunst­ denkmäler, von welchem später noch zu reden sein wird, voll­ endet ist. Damals in den ersten Sitzungen des Ausschusses mußte man sich bescheiden und von größeren Unternehmungen absehen. Der I. Schriftführer, Archivsekretär Mummenhoff, wurde beauftragt, ein Gutachten darüber auszuarbeiten, wie die ersten Publikationen des Vereins einzurichten seien, und in der vierten Sitzung des Ausschusses vom 18. Oktober 1878 beschloß man dann auf Grund dieses Gutachtens zu Beginn des zweiten Vereinsjahres ein Heft »Mitteilungen des Vereins für Ge­ schichte der Stadt N ürnberg« mit wissenschaftlichem Inhalt erscheinen zu lassen. Es wurde eine Kommission bestellt, welche die Redaktion übernehmen sollte und aus den Herren *) Infolge größerer und kleinerer Hindernisse, die sich dem höchst um­ fänglichen, nun schon weit gediehenen Unternehmen fortwährend in den Weg stellten, und mannigfacher amtlicher Aufgaben und Geschäfte konnte die Her­ ausgabe bis jetzt noch nicht in Angriff genommen werden, wird aber in wenigen Jahren begonnen werden können. M*

30 Direktor C. Frommann, Archivsekretär Mummenhoff und Privat­ gelehrter Dr. Pöhlmann zusammengesetzt war. Wegen des Drucks der Publikation wurde mit verschiedenen Nürnberger Druckereien verhandelt und schließlich mit der alten und leistungs­ fähigen Druckerei von Fr. Campe & Sohn ein Vertrag abge­ schlossen, der aufrecht erhalten blieb bis zum Ableben des Inhabers dieser Firma Herrn Hilmar Campe und der Auflösung des Geschäfts im Jahre *1885. Die Redaktion bestimmte zur Aufnahme in die erste Publikation außer einem von dem I. Vorstande verfaßten und in der Generalversammlung vom 13. Februar 1879 vorgetragenen Jahresbericht und einem Ver­ zeichnisse der Mitglieder, deren Zahl auf 204 angewachsen war, zwei größere Originalbeiträge, eine Abhandlung des Archivsekre­ tärs E. Mummenhoff über »Nürnberg im Kampf mit der Vehme« und eine Quellenpublikation von Rechtsanwalt Frhr. v. Kreß »Acht Briefe Wilibald Pirkheimers«. Eine zweite Abteilung des Heftes sollte kleinere Mitteilungen bringen, eine dritte die Be­ sprechung der neueren auf Nürnberg bezüglichen Literatur­ erscheinungen. Angefügt werden sollte eine von Archivsekretär Mummenhoff verfaßte höchst verdienstliche, leider seitdem nicht fortgesetzte Übersicht über die auf Nürnberg bezügliche historische Literatur seit 1870. Die eigentliche Redaktions­ arbeit besorgte bei diesem und den folgenden Heften Direktor Dr. C. Frommann, der, bekanntlich eine Autorität auf diesem Gebiet, für sprachliche Korrektheit und einheitliche Durch­ führung der Rechtschreibung bei dem ganzen Inhalte der Publi­ kation mit peinlicher Gewissenhaftigkeit Sorge trug und sich das Verdienst um den Verein erwarb, daß dessen Veröffent­ lichungen von Anfang an auch nach dieser Richtung hin jede, auch die strengste Kritik vertragen konnten. Ende März 1879 erschien das mit Ungeduld erwartete Heft in hübscher Aus­ stattung, etwa 10 Druckbogen stark. Es fand allgemeinen Anklang und sehr günstige Beurteilung. Der Verein hatte be­ wiesen, daß es ihm Ernst war mit der Erforschung von Nürn­ bergs Vergangenheit. Die Publikation hatte einen durchaus wissenschaftlichen Charakter, war aber keineswegs ungenießbar für Laien. Nun konnte auch der Versuch gemacht werden, in Schriftentausch mit anderen historischen Vereinen und gelehrten

31 Gesellschaften zu treten und dies geschah auch ohne Verzug und mit dem besten Erfolg. Vorstand und Ausschuß gewannen die Überzeugung, daß die Fortsetzung der Veröffentlichungen nach den aufgestellten und durch den Erfolg des ersten Heftes erprobten Grundsätzen von der größten Wichtigkeit für das fernere Gedeihen des Vereins sei, und beschlossen, nach Jahresfrist ein weiteres Heft der »Mitteilungen« erscheinen zu lassen. Der Redaktionsausschuß war bald in der Lage, eine Reihe wert­ voller Beiträge in Vorlage zu bringen. Der hochbetagte Stadt­ archivar Dr. Lochner hatte eine bisher ungedruckte Arbeit über den Ausgang der Vorchtel zur Verfügung gestellt, Archivsekretär Mummenhoff war mit der Bearbeitung von Lutz Steinlingers interessantem Baumeisterbuch vom Jahre 1452 beschäftigt und Realienlehrer J. Kamann gedachte über die Pilgerfahrten Nürn­ berger Bürger nach Jerusalem im 15. Jahrhundert, namentlich die Reiseberichte des Dr. med. Hans Lochner und des Jörg Pfinzing, zu handeln. Gerne wurden diese Beiträge angenom­ men. Ein glücklicher Gedanke war der Vorschlag des Frhrn. Georg von Imhoff, von den k. Archivbehörden die Erlaubnis zu erbitten, von den im k. Kreisarchiv zu Nürnberg befindlichen Originalkupferplatten des Hans Sebald Lautensack von 1552 neue Abdrücke fertigen lassen zu dürfen, um den Mitgliedern einen alten Prospekt der Stadt Nürnberg als Vereinsgabe bieten zu können. Die Erlaubnis wurde erteilt und im Juli 1880 war das zweite Heft der »Mitteilungen« samt einer Beilage, Pro­ spekt von Nürnberg, Kupferstich des Hans Sebald Lautensack von 1552, fertig gestellt. Niemand ahnte, daß diese zweite Veröffentlichung des Vereins, welche an Umfang und Mannig­ faltigkeit des Inhalts die erste beträchtlich übertraf, den Anlaß zu ernsten Meinungsverschiedenheiten im Verein geben könnte. Aber es kam so. Das Ausschußmitglied Privatdozent Dr. Pöhlmann in Erlangen hatte über ein im Jahre 1879 unter dem Titel: »Nürnbergisches Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts. Schilderungen aus dem Nürnberger Gewerbeleben, nach archivalischen Quellen bearbeitet von Dr. J. Stockbauerc vom Bayeri­ schen Gewerbemuseum herausgegebenes Werk eine scharfe Rezension geschrieben und mit seiner Unterschrift versehen in jenem Heft der Mitteilungen veröffentlicht. Die Redaktions-

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kommission hatte keinen Anstoß genommen, sie aufzunehmen, da der Verfasser durch seine Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt übernommen hatte. Allerdings hatte er auch eine Bemerkung über die Publikationen des Bayerischen Gewerbemuseums im allgemeinen einfließen lassen, die dort verletzen konnte. Ein Teil der Ausschußmitglieder, an ihrer Spitze Direktor A. Essenwein, mißbilligte auf das schärfste die Aufnahme einer solchen Rezension in die Mitteilungen des Vereins, deren Aufgabe es nicht sei, Kritik zu üben, sondern nur referierend über die auf Nürnberg bezüglichen Literatur­ erzeugnisse zu berichten. Die schroffe, ja geradezu feindselige Art der Besprechung der Stockbauerischen Schrift sei geeignet, das Ansehen des Gewerbemuseums zu untergraben; dafür könnten sie die Verantwortung nicht übernehmen und müßten deshalb die Zurücknahme der bereits verteilten Exemplare des Hefts und den Umdruck der letzten Bogen verlangen. Diesem Verlangen traten der I. Vorstand und die übrigen Ausschuß­ mitglieder entschieden entgegen; es kam zu einer erregten Diskussion. Die Mehrheit des Ausschusses wollte sich das Recht nicht nehmen lassen, freimütig sachliche Kritik zu üben, und verstand sich nur dazu, die abweichende Ansicht der Minderheit in einer gedruckten Erklärung zur Kenntnis der Mitglieder bringen zu lassen. In dieser Erklärung wurde kurz über den Sachverhalt referiert und die Ansicht der Minderheit des Ausschusses dahin formuliert, daß es nicht Sache eines zu­ meist aus Geschichtsfreunden und nicht aus Gelehrten bestehen­ den Vereines sei, auf solche Weise wissenschaftliche Kritik zu treiben. Mit Ausnahme der Herren Direktor Gnauth und Kustos Dr. von Schorn, die ihren Austritt aus dem Verein erklärten, beruhigten sich die in der Minderheit gebliebenen Ausschuß­ mitglieder bei dieser Erledigung der Sache, und die dem Ver­ eine drohende Gefahr war verhütet. Die Friktion ging ohne weitere Folgen vorüber und glücklicher Weise kam es in dem abgelaufenen Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren nicht zum zweiten Male zu so ernstlichen Meinungsverschiedenheiten im Ausschüsse. Bestandteile der beiden bis jetzt herausgegebenen Hefte der »Mitteilungen« waren auch die Jahresberichte über das



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erste und zweite Vereinsjahr. Diese Einrichtung ließ sich nicht aufrecht erhalten, wenn man nicht von dem Grundsätze ab­ gehen wollte, die »Mitteilungen« nicht in regelmäßigen Zwischen­ räumen erscheinen zu lassen. Das letztere wollte man nicht; der Verein sollte freie Hand haben, nach Maßgabe seiner Kräfte und Mittel wissenschaftliche Publikationen herauszugeben, und an keine Zeit gebunden sein. Eine periodisch erscheinende Zeitschrift hätte ihn in der freien Verfügung über seine Mittel allzusehr beschränkt. Deshalb beschloß der Ausschuß auf An­ regung des I. Vorstandes Ende des Jahres 1880, die Jahres­ berichte mit dem Mitgliederverzeichnis, dann dem Kassabericht und dem Verzeichnisse der Bibliothekzugänge gesondert heraus­ zugeben und regelmäßig zu Anfang des Jahres bei Einhebung der Mitgliederbeiträge den Mitgliedern zustellen zu lassen. Diesem Beschluß gemäß erschien der »Jahresbericht des Ver­ eins für Geschichte der Stadt Nürnberg über das dritte Vereins­ jahr 1880* zu Anfang des Jahres 1881. Auch diese Einrich­ tung hat sich bewährt und ist deshalb bis heute beibehalten worden. Etliche Wochen nach der Generalversammlung konnte alljährlich den Vereinsmitgliedern der ausführliche Rechenschafts­ bericht über die Tätigkeit des Vereins im abgelaufenen Jahre gedruckt in die Hand gegeben werden. Die an den Vereins­ versammlungen nicht regelmäßig teilnehmenden, insonderheit die auswärtigen Mitglieder konnten sich daraus von dem jeweiligen Stande der Vereinsangelegenheiten, von dem steten Blühen und Gedeihen des Vereins unterrichten. Über die gehaltenen Vor­ träge wurde namentlich in späterer Zeit, nachdem der zweite Schriftführer die Aufgabe übernommen hatte, der Tagespresse über jede Versammlung ein sorgfältig ausgearbeitetes offizielles Referat zu liefern, an Hand dieser Referate gewissenhaft auch in den Jahresberichten berichtet. Sie haben daher auch bleiben­ den Wert. Es steckt ein gut Stück fleißiger und mühseliger Arbeit in ihnen. Die »Mitteilungen«, von welchen in den abgelaufenen fünfundzwanzig Jahren fünfzehn stattliche Hefte bald mit, bald ohne künstlerische Beilagen herausgegeben wurden, erschienen in unregelmäßigen Zwischenräumen. Das 3. Heft war gegen Ende des Jahres 1881 fertig gestellt; das 4. erschien im Jahre 3

34 1882. Von da an traten größere Pausen ein. Das 5. Heft gelangte erst 1884, das 6. im Jahre .1886, das 7, im Jahre 1888 zur Versendung. Dagegen folgte das 8. Heft wiederum nach Jahresfrist 1889,-wogegen bis zum Erscheinen des 9. Hefts eine dreijährige Unterbrechung eintrat, die sich durch eine andere größere literarische Unternehmung des Vereins, von welcher nachher die Rede sein wird, erklärt. Das 10. Heft wurde 1893, das 11. im Jahre 1895, das 12. aber schon 1896 ausgegeben, wogegen dann wieder eine längere Pause bis zum Erscheinen des 13. Heftes eintrat, das erst anfangs 1899 fertig gestellt werden konnte. Das 14. Heft folgte im Jahre 1901, das 15. im Jahre 1902. Verschiedene Hefte waren mit Kunst­ beilagen ausgestattet. Außer dem bereits erwähnten Prospekte der Stadt Nürnberg von Hans Sebald Lautensack vom Jahre 1552, welcher dem 2. Heft beigegeben war, brachte das 3. Heft als Beilage zu dem ersten Beitrag eines Nichtmitglieds des Vereins, des Direktors Dr. W. Loose in Meißen, über das Kriegstagebuch des Hieronymus Kreß von 1571 bis 1576 den Abdruck eines alten Kupferstichs, das Porträt dieses Nürn­ berger Kriegsmanns darstellend, und zwei Abbildungen des Nürnberger Peuntbrunnens, von Fr. Wanderers geschickter Hand gezeichnet, die zuerst wieder die Aufmerksamkeit auf jene von unseren Vorfahren dem Marktplatz zugedachte Zierde lenkte, mit der er in unseren Tagen durch die Freigebigkeit eines hochgesinnten Mitbürgers wirklich geschmückt wurde. Den im 5. Heft veröffentlichten Studien des Stadtarchivars Mummenhoff zur Topographie und Geschichte der Nürnberger Rathäuser war ein Prospekt des alten Rathauses in Nürnberg vom Jahre 1614 beigegeben, einem Aufsatz über die Mauern Nürnbergs von Max Bach in Stuttgart, der im gleichen Hefte erschien, diente ein historischer Plan der ehemaligen Reichsstadt Nürn­ berg zur Illustration, welchen der Verfasser nach authentischen Quellen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts bearbeitet hatte. Das 10. Heft brachte einen Aufsatz über Hans Kleberg, den guten Deutschen, sein Leben und seinen Charakter aus der Feder des Dr. Richard Ehrenberg in Altona, dem eine ganz vortreffliche Reproduktion des Bildnisses von Kleberg nach dem Gemälde Albrecht Dürers beigegeben war. Eine Kunst-

35 beilage von ganz besonderem Wert aber verehrte der Verein seinen Mitgliedern im Jahre 1898 mit dem 12, Hefte der Mit­ teilungen in dem großen Prospekt der Stadt Nürnberg von Hieronymus Braun von 1608 auf 16 Blättern in Lichtdruck mit Titelblatt und Übersichtsplan nach der im kgl. Kreisarchiv zu Nürnberg befindlichen Originalzeichnung, deren Reproduktion Professor Wanderer angeregt und das kgl. Reichsarchiv gütigst gestattet hatte. Der von Dr. Schäfer zu diesem Plan geschrie­ benen Abhandlung waren Abbildungen älterer Ansichten der Stadt Nürnberg von Vorläufern des Hieronymus Braun bei­ gegeben. Der Wert dieses Prospekts wird noch immer nicht entsprechend gewürdigt. Er hat der neueren Lokalforschung schon die wichtigsten Dienste geleistet. Endlich war noch die Festgabe, welche der Verein dem Germanischen Nationalmuseum aus Anlaß seines fünfzigjährigen Jubiläums im Jahre 1902 über­ reichte und welche nachher, ergänzt und erweitert, aber ohne Abbildungen, als 15. Heft der Mitteilungen erschienen ist, mit einem trefflich gelungenen Porträt des verstorbenen Geheim­ rats August von Essenwein und mit vorzüglichen Abbildungen des Nassauerhauses geschmückt. Die Sorgfalt, mit welcher bei der Auswahl der auf­ genommenen Beiträge zu Werke gegangen wurde, der wissen­ schaftliche Charakter, der ihnen sämtlich anhaftet, die Ge­ diegenheit der veröffentlichten Geschichtsquellen und die Fülle des in den kleinen Mitteilungen gebotenen Stoffes, wie endlich die Gewissenhaftigkeit und Objektivität, mit welcher über alle auf Nürnberg bezüglichen Literaturerscheinungen in den Mit­ teilungen berichtet wurde, erwarben ihnen immer neue Freunde. Ihr Ansehen wuchs zusehends. Die Zahl der auswärtigen Mit­ arbeiter, welche unaufgefordert Beiträge einsandten, mehrte sich. Sie wurden mehr und mehr zum Zentralorgan für alle auf die Erforschung der Vergangenheit Nürnbergs abzielenden Arbeiten. Die Redaktion lag ’ zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Händen. Anfangs wurden Kommissionen bestellt, welchen im Zusammenwirken mit dem I. Vorstand die Sorge für die Heraus­ gabe der Mitteilungen überlassen war. Der großen Verdienste, welche sich der II. Direktor des Germanischen Museums Dr. Frommann als Mitglied dieser Kommissionen erworben hat, 3*

36 haben wir oben schon in aufrichtiger Dankbarkeit gedacht. Später nahm sich der damalige Kreisarchivar und jetzige Reichs­ archivrat Dr. Petz in opferwilliger Weise der Redaktionsgeschäfte an. Unstreitig das größte Verdienst um die Publikationen des Vereins hat sich aber der frühere I. Schriftführer und jetzige II. Vorstand Archivrat Ernst Mummenhoff erworben, der vom Anfang an seine eminente Arbeitskraft und seine hervorragen­ den Fachkenntnisse in ihren Dienst gestellt und 1898 ihre Redaktion allein übernommen und in musterhafter Weise ge­ führt hat, nachdem er früher schon mehrere Hefte redigiert hatte. Dem I. Vorstand sei gestattet, ihm dafür an dieser Stelle den wärmsten Dank des Vereins zu sagen. Die Zahl der Mitarbeiter, welche im abgelaufenen Zeitabschnitt größere oder kleinere Beiträge geliefert haben, ist allmählich zu einer recht beträchtlichen angewachsen. Es sind nach unserer Zu­ sammenstellung 57 Namen und darunter viele recht klangvolle Namen. Dies ist um so mehr hervorzuheben, als es dem Verein viele Jahre lang nicht möglich war, die eingesandten Beiträge zu honorieren. Erst seit dem Jahre 1898 werden Abhandlungen mit 30 Mk. für den Druckbogen, Textpublikationen mit 24 Mk. für den Druckbogen honoriert. Bis dahin bildeten Sonderabzüge die einzige Gegenleistung des Vereins. Der Druck der Mit­ teilungen ist seit dem Jahre 1885 der kgl. bayer. Hofbuch­ druckerei G. P. J. Bieling-Dietz übertragen, welche ihnen in dankenswerter Weise alle Sorgfalt zuwendet und für musterhafte Ausstattung der Vereinspublikationen gewissenhaft Sorge trägt. Möge sich die Zeitschrift ihren guten Ruf bewahren und fort­ fahren, aus dem reichen Born der Archive und Bibliotheken zu schöpfen und die Vergangenheit der ruhmreichen Reichsstadt immer mehr aufzuhellen 1 Aber der Verein ließ es bei diesen Publikationen nicht bewenden. Der Umbau älterer baufällig gewordener Teile des ehrwürdigen Rathauses der Stadt und die’ Vergrößerung des­ selben durch Neubauten an Stelle benachbarter Privathäuser nach Direktor August von Essenweins Ideen und Plänen und unter seiner Leitung — wir geben hier wörtlich wieder, was der Jahresbericht über das 14. Vereinsjahr von dieser Vereins­ unternehmung berichtet — hatte im Januar 1888 dem Aus-

37 schusse des Vereins Veranlassung gegeben, in einer an den Stadtmagistrat gerichteten Vorstellung den Gedanken anzuregen, entsprechend dem bei Ausführung solcher Monumentalbauten anderwärts geübten Brauche in einer besonderen Denkschrift mit reichem künstlerischem Schmuck den Gesamtbau im Bilde darzustellen, eingehend zu beschreiben und seine Entstehungs­ geschichte zu erzählen; es wurde die Bitte gestellt, die Er­ möglichung der Herausgabe einer Denkschrift über das Nürnberger Rathaus aus Anlaß der bevorstehenden Vollen­ dung der Rathausneubauten durch Bewilligung eines Zuschusses von mindestens 1500 Jl aus städtischen Mitteln in Erwägung zu ziehen. Die Anregung fiel auf fruchtbaren Boden-, am 20. Mai 1888 erhielt der Verein die erfreuliche Mitteilung, daß die beiden städtischen Kollegien in der Erwägung, daß es der Stadt Nürnberg nur zur Ehre gereichen könne, wenn aus Ver­ anlassung des Abschlusses der Rathausneubauten die vom Verein projektierte Denkschrift veröffentlicht werde, daß man ferner die volle Überzeugung hegen dürfe, daß dieses Werk eine durchaus gediegene Ausführung sowohl in künstlerischer und wissenschaftlicher Hinsicht als auch bezüglich seiner äußeren Ausstattung erhalten werde, übereinstimmend beschlossen hätten, unter der Voraussetzung und Bedingung, daß auf dem Titel des Werks vorgetragen werde, »im Auftrag und mit Unterstützung der Stadtgemeinde herausgegeben«, und daß der Stadtgemeinde eine zu vereinbarende Zahl von Exemplaren behufs Abgabe als Ehrengaben gratis zur Verfügung gestellt werde, dem Verein den Betrag von 2000 M aus städtischen Mitteln ä fond perdu zu bewilligen. Gerne unterwarf sich der Verein diesen Be­ dingungen. Stadtarchivar Ernst Mummenhoff, welcher sich seit geraumer Zeit mit sorgfältigen Studien über die Nürnberger Rathäuser beschäftigt hatte, übernahm es, eine vollständige Geschichte des Rathauses zu schreiben und für die ältere Zeit das Illustrationsmaterial zu beschaffen. Direktor August von Essenwein unterzog sich der Aufgabe, für die künstlerische und illustrative Ausschmückung des Buches, soweit die Zeit des Neubaues in Betracht kam, Sorge zu tragen. Der Verlag des Werkes wurde, nachdem ein detailliertes Programm für dasselbe ausgearbeitet und von den städtischen Kollegien ge-

38 nehmigt worden war, der Firma Johann Leonhard Schräg über­ tragen. Als Direktor von Essenwein im September 1889 in­ folge seiner Erkrankung sich genötigt sah, die von ihm über­ nommene Aufgabe anderen Händen anzuvertrauen, trat sein treuer Gehilfe bei den Rathausbauten, der städtische Architekt Heinrich Wallraff, für ihn ein. Nach den teils von dem letzteren selbst, teils unter seiner Leitung von Architekt Steinlein und anderen hergestellten Zeichnungen, nach älteren sorgsam aus­ gewählten Prospekten und Abbildungen, sowie endlich nach photographischen Aufnahmen des Photographen Ferd. Schmidt wurden durch die Firma C. Meisenbach und die AutotypieCompagnie in München die Cliches zu den Illustrationen des Werkes hergestellt. Professor Friedrich Wanderer hatte die Freundlichkeit, Original-Initialen für das Werk zu entwerfen, Direktor C. Hammer schmückte es freiindlichst mit OriginalZierleisten. Mehrere Verleger, Heinrich Keller in Frankfurt a. M., Theodor Schiener in Nürnberg, Velhagen und Klasing in Leipzig, überließen bereitwilligst Originälzeichnungen und Cliches zur Be­ nützung. So konnte im Laufe des Jahres 1890 mit dem Drucke des Werkes begonnen und dasselbe bis Ende des Jahres 1890 fertig gestellt werden. In den ersten Tagen des Januar 1891 wurden dem Stadtmagistrate die ausbedungenen Exemplare in Vorlage gebracht*, er erkannte mit Dank die Sorgfalt an, mit welcher das Werk hergestellt worden war, und erklärte den ab­ geschlossenen Vertrag für vollkommen erfüllt. Mummenhoffs treff­ liche Arbeit fand überall die günstigste Beurteilung und den lebhafte­ sten Beifall. Die Geschichte des Nürnberger Rathauses war auf das gründlichste erforscht und in anziehendster Form dargestellt. Es lag von vorneherein im Plane, das Rathauswerk als ersten Band einer Reihe von ähnlichen Monographien über die Monu­ mentalbauten der Stadt anzusehen. Als daher das große Werk der Restauration der herrlichen St. Sebalduskirche in Nürnberg beschlossen und in Gang gekommen war, machte der I. Vor­ stand der Generalversammlung des Vereins im Januar 1897 den Vorschlag, die Herausgabe einer illustrierten Bau- und Kunst­ geschichte der St. Sebalduskirche in Nürnberg ins Auge zu fassen. Der Gedanke wurde mit ungeteiltem Beifall begrüßt. Eine größere Kommission, welche das Programm für das Werk

39 feststellen und dem Bearbeiter des Textes mit Rat und Tat zur Seite stehen sollte, wurde bestellt und wiederum wandte sich der Ausschuß an die städtischen Kollegien mit der Bitte um finanzielle Unterstützung des Unternehmens. In dankens­ werter Bereitwilligkeit beschlossen dieselben auf die Dauer von drei Jahren je 1500 Jl für das Werk unter ähnlichen Bedin­ gungen zu bewilligen, unter welchen seiner Zeit 2000 Jf für das Rathauswerk bewilligt worden waren. Der Restaurator der St. Sebalduskirche Akademieprofessor von Hauberisser in München wie der örtliche Leiter der Restauration Professor Schmitz brachten dem Projekte lebhaftes Interesse entgegen und versprachen ihre Unterstützung. Die Bearbeitung des Textes wurde einem jungen Kunsthistoriker, Dr. Fr. W. Hoffmann, übertragen, der sich dieser Aufgabe ausschließlich widmen und binnen drei Jahren d. h. bis 1. Oktober 1900 das Manuskript druckfertig abliefern sollte. Dr. Hoffmann wurde aber bald nachher als Assistent am Bayerischen Nationalmuseum in München angestellt und hat seine vertragsmäßigen Verpflichtungen dem Verein gegenüber noch nicht erfüllt, wiewohl beinahe sechs Jahre verflossen sind, seitdem ihm der Auftrag erteilt wurde. Die Lage, in welche er durch seine Saumseligkeit den Verein versetzt hat, ist um so peinlicher, als der Verein durch ihn ge­ hindert ist, die den städtischen Kollegien gegebenen Zusagen zu erfüllen, und als längst umfassende Vorbereitungen für eine würdige Ausstattung des Werkes getroffen sind. Professor von Hauberisser hat die von ihm herrührenden Zeichnungen der Se­ balduskirche auf seine Kosten neu zeichnen lassen, um brauchbare Unterlagen für deren Reproduktion für das Werk zu schaffen. Der Verein selbst hat im Jahre 1899 mit freundlicher Unter­ stützung des Herrn Professor Schmitz und mit freiwilligen Bei­ trägen, welche eine große Zahl von Mitgliedern gütigst spendete, umfassende Ausgrabungen im Ostchor der Kirche vornehmen lassen, um die ursprüngliche Gestalt des romanischen Baues und die Beschaffenheit der unter ihm befindlichen Krypta fest­ stellen zu können. Vorstand und Ausschuß sind fortgesetzt eifrig bemüht, den Bearbeiter des Textes zur endlichen Erfüllung seiner Zusagen anzuhalten, und hoffen in absehbarer Zeit das Erscheinen des Werkes ermöglichen zu können.

40 Nicht alle Projekte, welche im Laufe der Jahre auftauchten, konnten verwirklicht werden. Der Verein muß immer in Betracht ziehen, daß ihm nur beschränkte Mittel und nicht immer Kräfte zur Verfügung stehen, welche über ihre Zeit frei verfügen können. Zu verschiedenen Malen hat deshalb der Ausschuß abgelehnt, auf größere Unternehmungen sich einzulassen, zu welchen die Anregung gegeben worden war. Im Jahre 1881 war ihm nahe gelegt worden, sich an der im Jahre 1882 in Nürnberg statt­ findenden Bayerischen Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunst­ ausstellung durch Veranstaltung einer Spezialausstellung von in Privatbesitz befindlichen Kunst- und kunstgewerb­ lichen Altertümern aus Nürnbergs Vorzeit zu beteiligen. So verlockend diese Anregung war, der mit der Ausarbeitung eines Programmes beauftragte Unterausschuß riet nach sorg­ fältigen Beratungen und Recherchen von dem Unternehmen ab, weil bei der stark hervortretenden Unlust der Privaten, ihre kostbaren Kunstschätze aus der Vorzeit den Augen habgieriger Liebhaber preiszugeben, und bei der Schwierigkeit, besondere Garantien gegen Diebs- und Feuersgefahr zu beschaffen, auf eine würdige und großartige Repräsentation der Glanzperiode Nürnbergs nicht zu rechnen sei, und der Verein verzichtete auf die Beteiligung an der Landesausstellung. Ein anderer Plan, der im Jahre 1883 und den folgenden den Ausschuß vielfach beschäftigte, scheiterte an dem Mangel geeigneter Spezialisten im Verein. Der deutsche Geographentag hatte im Jahre 1882 sich mit der Frage beschäftigt, wie das systematische Studium der Landeskunde im deutschen Vaterlande gefördert werden könnte, und eine Kommission eingesetzt, welche die Vorarbeiten für eine umfassende, den Anforderungen der Wissenschaft ent­ sprechen de Landeskunde in Deutschland in Angriff nehmen sollte. Diese Kommission wandte sich in einem Aufruf an die geographischen, naturgeschichtlichen und geschichtlichen Vereine Deutschlands mit der Bitte, zu dem Werke behilflich zu sein. Im Ausschüsse unseres Vereins war man geneigt, dieser Bitte zu entsprechen, und dachte zugleich daran, an die Bearbeitung einer Topographie der Stadt Nürnberg und ihres vormaligen Gebiets zu gehen. Aber der Plan mußte aus dem erwähnten Grunde fallen gelassen werden.

41 Dagegen gelang es nach vieljährigem Bemühen in den letzten Jahren, eine vom Vereine fast von Anbeginn seiner Existenz an verfolgte Absicht, deren Weiterverfolgung sich immer wieder Hindernisse in den Weg gestellt hatten, ihrer Verwirk­ lichung entgegenzuführen. Schon in seiner sechsten Sitzung vom 21. Februar 1879 war dem Ausschuß der Antrag unterbreitet worden, eine Kommission zu wählen, deren Tätigkeit auf das Aufsuchen und die Bekanntgabe von bisher wenig oder gar nicht bekannten, in architektonischer Hinsicht wichtigen Bau­ denkmäler in Nürnberg gerichtet sein sollte. Der Gedanke war von Direktor Gnauth ausgegangen und fand die volle Zu­ stimmung des Ausschusses. Die Kommission wurde gewählt und nach jeder Neuwahl des Ausschusses neubestellt; aber die Sache kam nicht in Gang. Die Aufgabe war zu groß und um­ fangreich, um so nebenher von Herren, die durch ihren Beruf vollauf in Anspruch genommen waren, gelöst werden zu können. Auch mußten reichliche Mittel zur Verfügung stehen, wenn brauchbare Abbildungen der betreffenden Baudenkmäler beschafft werden sollten. Im Jahre 1901 endlich entschloß man sich, auch hiefür die finanzielle Unterstützung der Stadt zu erbitten. Am 1. Oktober 1901 kam eine Vereinbarung zwischen der Stadtvertretung und dem Verein zustande, nach welcher eine umfassende handschriftliche Aufnahme jener architek­ tonisch und kunstgeschichtlich merkwürdigen Bau- und Kunstdenkmäler, die an und in den Häusern und son­ stigen Gebäuden der Stadt aus älterer Zeit vorhanden sind, mit Abbildungen herbeigeführt werden sollte und die Stadtvertretung dazu für das Jahr 1901 einen Beitrag von 750 jU und für die folgenden Jahre von je 1500 Jl zur Verfügung stellte. Der Ausschuß für die Inventarisation wurde insbesondere durch Delegierte der städtischen Kollegien ver­ stärkt und reorganisiert. Den Vorsitz übernahm der I. Vor­ stand, die technische Leitung der Sache der städt. Oberbaurat Weber, dem als Stellvertreter der städt. Oberingenieur Wallraff an die Seite gestellt ist. Die eigentlichen Inventarisations­ arbeiten wurden den beiden Schriftführern des Ausschusses Assistent Dr. Schulz und Assistent Dr. Heerwagen übertragen, von welchen der erstere die photographische Aufnahme und

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die kunsthistorische Bearbeitung der Denkmäler, der letztere die Sammlung des historischen Materials übernahm. Der Eifer dieser beiden Herren und das Entgegenkommen des städtischen Bauamts bieten volle Garantie dafür, daß die handschriftliche Aufnahme der Bau- und Kunstdenkmäler in absehbarer Zeit durchgeführt werden wird. Die Veröffentlichung des gesammelten Materials ist für spätere Zeit Vorbehalten. In den ersten Jahren seines Bestehens wurde der Verein auch mehrfach vom Stadtmagistrat um Abgabe von Gutachten ersucht*, so hatte er sich im Jahre 1878 in einer Streitfrage über die Identität des Wohnhauses des Nürnberger Bildschnitzers Veit Stoß zu äußern, im Jahre 1879 richtete der Magistrat an den Verein das Ersuchen, eine größere Partie von auf die Geschichte Nürnbergs bezüglichen Archivalien und Büchern, die ihm zum Kaufe angeboten worden waren, zu prüfen und über deren Wert und Preiswürdigkeit ein Gutachten zu erstatten. Die dem Adreßbuch für Nürnberg einverleibte Übersicht der Bau- und Kunstdenkmale sowie der Sammlungen Nürnbergs mußte der Verein einer Revision unterziehen. Im Jahre 1881 erging wieder das Ersuchen an den Verein, über eine Anzahl Archivalien, welche der Stadt zum Kaufe angeboten waren, ein Gutachten abzugeben. Umfängliche Recherchen erforderte ein anderes Gutachten, das über die Entstehung und die Rechts­ verhältnisse der Rieterischen Kirchhofkapelle zu Allerheiligen bei Kornburg eingefordert worden war. Daß auch von Privaten in und außerhalb Nürnbergs mannigfache, oft recht wunderbare Anfragen und Zumutungen im Laufe der Jahre an den Verein gestellt wurden, braucht kaum erwähnt zu werden. Die Tätig­ keit des Vereins wurde im Laufe der fünfundzwanzig Jahre von den verschiedensten Seiten in Anspruch genommen, und in vielen Fällen vermochte er den geäußerten Wünschen gerecht zu werden, in anderen mußte er die Fragesteller an die könig­ lichen oder städtischen Archivbehörden oder das Germanische Nationalmuseum verweisen, auf deren freundliches Entgegen­ kommen er jeder Zeit mit Sicherheit rechnen konnte. Neben den Vereinsversammlungen und Vereinspublika­ tionen war in den Satzungen als Mittel zur Erreichung der Vereinszwecke die Gründung einer Vereinsbibliothek und

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eines Vereinsarchivs vorgesehen, Auch dieser Aufgabe hat der Ausschuß von Anfang an seine volle Aufmerksamkeit zu­ gewendet. Mittel zu größeren Ankäufen Standen ihm freilich nicht zur Verfügung. Aber er durfte auf die Opferwilligkeit seiner Mitglieder bauen und besaß in seinen Publikationen das Mittel, einen umfassenden Tausch verkehr mit verwandten Gesell­ schaften und wissenschaftlichen Instituten einzuleiten und dadurch den Grundstock zu einer ansehnlichen Büchersammlung zu legen. Als Vereinsarchiv war nicht eine Sammlung alter auf Nürnberg bezüglicher Urkunden und Schriftstücke gedacht, durch deren Anlegung nur den in Nürnberg bereits vorhan­ denen Archiven eine zwecklose Konkurrenz gemacht worden wäre; das Vereinsarchiv sollte vielmehr nur die auf den Verein selbst bezüglichen Akten und Dokumente aufnehmen und sorg­ fältig aufbewahren. Die Protokolle über die ersten Sitzungen des Ausschusses weisen aus, daß alsbald nach der Gründung des Vereins von verschiedenen Seiten Geschenke für die Ver­ einsbibliothek einliefen. Alljährlich konnte in den Jahresberichten über zahlreiche Schenkungen berichtet werden, welche im Laufe des Jahres für die Vereinsbibliothek gemacht worden waren. Die Mitglieder des Ausschusses und diejenigen, welche sich durch Vorträge oder durch Mitarbeit an den Vereinsheften am wissenschaftlichen Leben des Vereins beteiligten, machten es sich zur Pflicht, ihre schriftstellerischen Arbeiten der Bibliothek zuzuwenden. So bereicherten die Herren Hochschul-Professor Dr. Sigm. Günther, Bibliothekar Dr. Hampe, Reallehrer Dr. Heide, Dekan Dr. Herold, Professor Joh. Kamann, Kreis­ archivar Dr. Knapp, Justizrat Frhr. v. Kreß, Landgerichtsrat a. D. Georg Lehmann, Realschuldirektor Dr. Loose, Archiv­ rat E. Mummenhoff, Reichsarchivrat Dr. Petz, Kustos Dr. Reicke, Privatgelehrter Dr. Sander, Universitätsprofessor Dr. Frhr. v. Scheurl und viele andere die Bibliothek durch Zu­ wendung wertvoller von ihnen verfaßter Schriften. An Mit­ gliedern des Patriziats finden wir außer den bereits genannten die Herren Freiherrn von Imhoff, Freiherrn v. Stromer, Frei­ herrn von Tücher, von Volckamer und Freiherrn von Welser unter den Donatoren der Bibliothek. Von Buchhändlern sind namentlich die Herren Ballhorn und Barbeck zu nennen, von

44 welchen der erstere im Jahre 1890 einhundertzwanzig Num­ mern Ratsmandate und andere Norica schenkte, der andere wiederholt dem Verein recht wertvolle Zuwendungen machte. Ältere auf Nürnberg bezügliche Werke schenkten auch die Herren Kaufmann Friedrich Bleicher, Landgerichtsrat Cnopf, Großhändler G. Arnold und Großhändler Albrecht Heerdegen. Buchhändler Dr. Oskar Hase in Leipzig dedizierte sein Buch über die Koberger, Stadtsekretär M. Schüßler eine Anzahl neuerer Medaillen, Bezirksgerichtsdirektor Wilh. Hammer einen Kodex des 15. Jahrhunderts mit verschiedenen Schriften geist­ lichen Inhalts, Professor Dr. Freiherr von Scheurl eine Reihe Nürnberger Sterberegister vom 1. Januar 1633 bis zum 17. Februar 1643 laufend, Zivilarchitekt Karl Frhr. von Haller die fünf Bände Nürnberger Stadtchroniken, herausgegeben von der historischen Kommission bei der k. b. Akademie der Wissenschaften durch Universitätsprofessor Dr! Hegel. Eine Serie von 33 kleineren, heute schon schwer aufzutreibenden Schriften des verstorbenen Ehrenmitgliedes Dr. Lochner hatte dessen Nichte und Erbin dem Verein zu überlassen die Güte. Ganz wesentlich aber hat der Stadtmagistrat zur Mehrung des Bücherschatzes des Vereins dadurch beigetragen, daß er Jahr für Jahr fast alles, was auf seine Veranlassung im Druck erschien, dem Verein in einem Exemplar für seine Bibliothek überwiesen hat. Außer Büchern wurden auch wiederholt Porträts, Karten, Wappen und andere Kupferstiche geschenkt. Einen weit größeren Bestand­ teil als die Schenkungen machen in der Vereinsbibliothek die Tauschschriften aus. Sofort nach dem Erscheinen des ersten Heftes der »Mitteilungen« des Vereins hatte der damalige I. Schrift­ führer Archivsekretär Mummenhoff unter Übersendung des Heftes an eine große Zahl von historischen Vereinen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Einladung gerichtet, mit dem Nürnberger Geschichtsverein in regelmäßigen Schriftentausch zu treten. Im Dezember 1879 hatten bereits 61 Vereine ihre Be­ reitwilligkeit dazu erklärt. Seitdem ist ihre Zahl von Jahr zu Jahr gewachsen. Wissenschaftliche Institute, Bibliotheken und Museen gesellten sich zu ihnen. Auch einige schwedische, fran­ zösische, deutsch-russische, amerikanische und belgische Gesell­ schaften schlossen sich ihnen an. Heute steht der Verein mit

45 188 Vereinen, Korporationen und wissenschaftlichen Instituten in regelmäßigem Tauschverkehr. Die Versendung der VereinsPublikationen an sie ist der kgl. Hofbuchhandlung Heinr. Schräg in Nürnberg übertragen, welche mit rühmenswerter Sorgfalt dabei zu Werke geht. Bis Ende Dezember 1902 wurden im ganzen 6281 Zugänge im Zugangsregister der Vereinsbibliothek verzeichnet. Diese sind heute in 1794 Nummern aufgestellt, von welchen eine große Zahl aus einer ganzen Reihe von Bänden besteht, da den verschiedenen Bän­ den eines Werkes oder Jahrganges einer Zeitschrift immer nur eine und dieselbe Nummer gegeben wurde. Die Zahl der Bände der Ver­ einsbibliothek ist zur Zeit nicht genau gezählt*, sie deckt sich mit der obenangegebenen Zahl der Zugänge nicht, da bei diesen jedes neuhinzugekommene Heft als Zugang eingetragen wurde, ein Band der Fortsetzungswerke aber häufig aus mehreren Heften besteht. Ein gedruckter Katalog über die Vereinsbibliothek existiert noch nicht. Es wird eine der nächsten Aufgaben des Vereins sein müssen, für die Drucklegung des Bibliothekkatalogs zu sorgen. Die Vereinsbibliothek war in den ersten Jahren in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums untergebracht und der Aufsicht und Verwaltung des Bibliothekars dieser Anstalt Direktor C. Frommann unterstellt, der sich um ihre Organisation und Mehrung nicht minder große Verdienste erworben hat wie um die Vereinspublikationen. Im Laufe des Jahres 1884 wurde sie aus den Räumen des Germanischen Nationalmuseums in die­ jenigen des städtischen Archivs übertragen und in einem sehr geeigneten Lokale desselben, welches der Stadtmagistrat Nürn­ berg dem Vereine auf Ruf und Widerruf gütigst zu diesem Zweck überlassen hat, neu aufgestellt. Die Bibliotheksverwaltung über­ nahm Stadtarchivar Mummenhoff. Über zehn Jahre lang hat er ihr seine Fürsorge in dankenswertester Gewissenhaftigkeit zu­ gewendet. Um ihn zu entlasten wurde im Jahre 1895 Bibliothek­ kustos Dr. Emil Reicke, der 2. Schriftführer des Vereins, gebeten, die Bibliothekverwaltung mitzuübernehmen und seiner Aufsicht und Fürsorge untersteht dieselbe noch heute. Daß die Bibliothek in einem dem Verein nur auf Ruf und Widerruf überlassenen Raume untergebracht ist, ist freilich mißlich. Zwar hat dieser Umstand die Annehmlichkeit zur Folge* daß sie dort ein recht

46 wertvolles Supplement der Stadtbibliothek bildet und den Be­ nutzern dieser Bibliothek stets mit zur Verfügung steht; aber es ist fraglich, ob die Stadtbibliothek auf die Dauer diesen Raum entbehren kann und ob er bei dem steten Anwachsen der Vereinsbibliothek auch späterhin noch zu ihrer Aufstellung aus­ reichen wird. Der Verein wird deshalb gut daran tun, mit der Möglichkeit zu rechnen, daß er später selbst für ein geeignetes Lokal zur Unterbringung seiner Bibliothek zu sorgen haben wird. Von der Überzeugung beseelt, daß ein lebendiger Verkehr des Vereins mit anderen, verwandte Ziele verfolgenden Gesell­ schaften Überaus anregend und fördernd auf die Vereinstätigkeit einzuwirken vermag, haben die Leiter des Vereins sich nicht damit begnügt, den Schriftentausch zu pflegen und dadurch den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich über die Bestrebungen und Leistungen anderer Vereine zu unterrichten; sie haben auch getrachtet, in engere Verbindung mit anderen Vereinen zu treten und an allgemeinen Tagungen und Kongressen teilzunehmen. Dem Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertums­ vereine, der bei seiner Geburt gewissermaßen Pate gewesen war, ist der Verein im Jahre 1885 beigetreten; er war seitdem fast regelmäßig auf seinen Generalversammlungen vertreten, hat sich über seine Verhandlungen und Beschlüsse stets ausführlich berichten lassen und seine für das gesamte historische Leben so wichtige Wirksamkeit stets mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt. Im Jahre 1885 fand die Generalversammlung des Gesamtvereins in Ansbach statt. Der I. Vorstand wohnte ihr als Vereinsdelegierter bei. Auf der Heimreise nahm ein Teil der Teilnehmer in Nürnberg Aufenthalt und wurde von Vereins­ mitgliedern begrüßt und bei Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Stadt geführt. Zu den späteren Generalversammlungen wurde in der Regel Stadtarchivar Mummenhoff als Delegierter abgeordnet, einmal auch der damalige II. Vorstand Direktor Dr. Essenwein. Im Mai 1888 feierte der historische Verein von Oberbayern sein fünfzigjähriges Jubiläum; der Verein beauftragte seinen II. Vorstand, an der Jubelfeier des befreundeten Vereins teilzunehmen und ihn dazu zu beglückwünschen. Dem in der Zeit vom 24. bis 28. September 1893 in Nürnberg tagenden kunsthistorischen Kongreß zu Ehren veranstaltete der Verein

47 einen Familienabend, zu dem ihm von der Gesellschaft Museum deren Königssaal in freundlichster Weise überlassen worden war und zu welchem sich die auswärtigen Gäste zahlreich ein­ gefunden hatten. Der I. Vorstand begrüßte dieselben in längerer Ansprache, welche von dem Vorsitzenden des Kongresses Prof. Dr. von Lützow aus Wien herzlich erwidert wurde. Vom 13.—15. April 1898 tagte der deutsche Historikertag in Nürn­ berg. An den Arbeiten des unter Leitung des Gymnasial­ rektors Dr. Vogt zur Vorbereitung dieses Kongresses berufenen Ortsausschusses beteiligten sich auch Mitglieder des Vereinsaus­ schusses und andere Vereinsmitglieder. Der Ausschuß beschloß, ein Heft der Vereinszeitschrift den Teilnehmern am Historiker­ tag als Festgabe zu widmen, und erbat sich von dem Vor­ sitzenden des Verbandes deutscher Historiker Herrn Professor Dr. Felix Stieve in München die Erlaubnis, die Ausrüstung eines der zu geselliger Unterhaltung bestimmten Abende wäh­ rend der Dauer des Kongresses übernehmen zu dürfen. Der II. Vorstand des Vereins Archivrat Mummenhoff hielt am 13. April im großen Rathaussaale vor einem zahlreichen Pub­ likum einen öffentlichen Vortrag über den geschichtlichen Ent­ wicklungsgang der Reichsstadt Nürnberg. Am nächsten Abend, Donnerstag, den 14. April, fand im Saale des Historischen Hofes die vom Verein veranstaltete Versammlung mit geselliger Unter­ haltung statt. Leider erwies sich der Saal als zu klein; ein Teil der Geladenen fand keinen Zutritt mehr. Der I. Vorstand be­ grüßte die Gäste in längerer Ansprache, auf welche namens der Historiker Professor von Thudichum aus Tübingen erwiderte. Direktor von Bezold hielt einen interessanten Vortrag über die Baugeschichte Nürnbergs unter Vorführung zahlreicher Illustra­ tionen. Im Juni 1902 endlich nahm der Verein den wärmsten und herzlichsten Anteil an der großartigen, unvergeßlichen Feier des 50 jährigen Jubiläums des Germanischen Museums. Auch ihm überreichte er mit seinen herzlichsten Glückwünschen ein Heft seiner »Mitteilungen« als Festgabe. Die schöne Feier ist noch in aller Gedächtnis. Ihrer hier eingehender zu gedenken ist deshalb nicht nötig. Wohl aber wird es am Platze sein, an dieser Stelle der außerordentlichen Förderungen in dankbarer Gesinnung

48 zu gedenken, welche der Verein von seiner Gründung an bis auf den heutigen Tag durch das Germanische Nationalmuseum erfahren hat. An ihm hatte er eine feste, niemals versagende Stütze in allen Fällen, in denen er einer solchen bedurfte. Seine Direktoren A. Essenwein und C. Frommann gehörten mit zu den Gründern des Vereins. Sie und ihre Nachfolger G. v. Bezold und H. Bösch und die Beamten des Museums fast ausnahmslos waren und .sind die treuesten und opferwillig­ sten Mitarbeiter. Bereitwillig wurden die Räume des Museums dem Verein für seine Zwecke zur Verfügung gestellt; im Kon­ ferenzzimmer desselben fanden lange Jahre die Sitzungen des Ausschusses statt, bis es angezeigt schien, sie in die Abend­ stunden zu verlegen; in der Bibliothek des Museums fand Jahre lang die Vereinsbibliothek gastliche Unterkunft. Die an Denk­ mälern aus Nürnbergs Vorzeit so reichen Sammlungen der nationalen Anstalt standen den Vereinsmitgliedern bei ihren Arbeiten stets zur Verfügung; oft dienten wertvolle Bestandteile derselben in den Vereinsversammlungen zur lehrreichen Illu­ strierung der Vorträge. Das Verhältnis zwischen Museum und Verein war das denkbar freundschaftlichste und ungetrübt zu allen Zeiten. Möge es immerdar so sein und bleiben! Aber auch der anderen Gönner und Förderer, denen unser Verein zu Dank verpflichtet ist, wollen wir hier dankbarst gedenken. Die städtischen Kollegien in Nürnberg haben dem Verein bei den verschiedensten Anlässen ein überaus schätz­ bares Wohlwollen bewiesen, sind auf seine Anregungen stets mit großer Bereitwilligkeit eingegangen und haben ihn durch beträchtliche Geldzuschüsse in die angenehme Lage versetzt, auch größere, seine eigenen Kräfte übersteigende Unterneh­ mungen in würdiger Weise durchzuführen. Es ist oben bereits erwähnt, daß zur Herausgabe des im Jahre 1891 erschienenen großen Rathauswerks ein Beitrag von 2000 Jt aus Mitteln der Stadtgemeinde bewilligt wurde; zu den Vorarbeiten für das noch nicht vollendete Werk über die St. Sebalduskirche hat die Stadt in drei Jahresraten je 1500 M beigesteuert. In neuester Zeit haben die Kollegien dem Verein die unter­ nommene Inventarisation der Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt durch Bewilligung jährlicher Beiträge von 1500 M ermög-

49 licht und zugleich das städtische Bauamt ermächtigt, das Unter­ nehmen in ausgiebigster Weise zu fördern. Auf Anregung des Vereins hat die Stadt die Herausgabe eines Nürnberger Ur­ kundenbuchs beschlossen. Der Vereinsbibliothek ist in den Räumen der Stadtbibliothek ein sicherer Standort gewährt. Oftmals und in warmen Worten hat der Stadtmagistrat die gemeinnützige Wirksamkeit des Vereins anerkannt. Auch der Landrat von Mittelfranken und die Kreisregierung von Mittel­ franken haben ihr Interesse für unsere Bestrebungen durch regelmäßige Bewilligung von jährlichen Zuschüssen früher im Be­ trage von 200 My jetzt von 350 M in dankenswerter Weise an den Tag gelegt. Ganz besonders aber ist der Verein den Verwaltungen der Archive in Nürnberg zu Dank verpflichtet, welche ihm durch das bereitwilligste Entgegenkommen jeder Zeit das Verfolgen seiner Zwecke erleichterten. Die Vorstände des kgl. Kreisarchivs wie der städtische Archivar bekun­ deten warme Teilnahme für alle seine Arbeiten und unter­ stützten sie nach besten Kräften. Kreisarchivar Dr. Heinrich war seiner Zeit Mitgründer des Vereins; seine Nachfolger, der jetzige Reichsarchivrat Dr. Petz, der leider so frühe verstor­ bene Kreisarchivar Dr. Bauch und der jetzige Kreisarchivar Dr. Knapp, wirkten eifrig im Ausschüsse des Vereins mit. Der außerordentlichen Verdienste, die sich der Vorstand des Stadt­ archivs Archivrat MummenhofF um den Verein erworben hat, ist oben schon wiederholt gedacht worden. Er hat in allen seinen verschiedenen Stellungen, als kgl. Archivsekretär sowohl wie später als Stadtarchivar, mit den Beamten des Stadt­ archivs und der Stadtbibliothek unendlich viel zum Blühen und Gedeihen des Vereins beigetragen und sich den Anspruch auf die wärmste Dankbarkeit des Vereins erworben. Auch eines ungenannt sein wollenden Gönners des Vereins wollen wir nicht vergessen, welcher sein lebhaftes Interesse für den Verein durch ein Vermächtnis von 100 Jl an den Tag gelegt hat. Dreimal im Laufe der fünfundzwanzig Jahre war der Ver­ ein veranlaßt, Mitglieder, welche sich um die Erforschung der Geschichte Nürnbergs besondere Verdienste erworben hatten, durch die Ernennung zu Ehrenmitgliedern auszuzeichnen. Schon in der Generalversammlung vom 9. Januar 1879 wurde 4

50 auf Antrag des I. Vorstands beschlossen, den Nestor der Nürn­ berger Lokalforscher, der sein langes Leben lang der Erforschung der Geschichte Nürnbergs gewidmet hatte, Herrn k. quieszierten Gymnasialrektor und Stadtarchivar Dr. Georg Wolfgang Karl Lochner, zum Ehrenmitglied des Vereins zu ernennen. Lochner hatte, wie wir oben berichtet haben, von der Gründung eines historischen Vereins in Nürnberg nichts wissen wollen* er brachte auch anfänglich dem Verein unverkennbares Mißtrauen entgegen. Aber schon die erste Publikation bekehrte ihn. Zur zweiten steuerte er selbst einen Beitrag, eine Abhandlung über den Aus­ gang der Vorchtel, bei. Als ihm nun im März 1879 durch die beiden Vorstände und den I. Schriftführer des Vereins im Namen des letzteren der von Herrn Architekt Theodor Eyrich künstlerisch ausgeführte Ehrenbrief feierlich überreicht und dabei seiner großen Verdienste um die Erforschung der Vergangenheit Nürn­ bergs gebührend gedacht wurde, war der alte Herr sichtlich ge­ rührt über diese Aufmerksamkeit und versicherte die Mitglieder der Deputation seines lebhaften Interesses für die Bestrebungen des Vereins. Daß dies Interesse kein erheucheltes war, zeigte die Ungeduld, mit der er die weiteren Publikationen des Ver­ eins erwartete. Am 9. März 1881 schrieb er an den Vorstand: »Hochwohlgeborener Herr Freiherr! Da ich schon vor einigen Wochen in den Zeitungen Berichte über die neuere Tätigkeit des historischen Vereines gelesen habe, so glaubte ich mich zu der Annahme berechtigt, es sei ein drittes Heft erschienen und ich würde durch Zusendung desselben erfreut werden. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Ich erlaube mir daher die gehorsamste Anfrage, ob ein solches drittes Heft erschienen ist, und in diesem Falle die ebenfalls gehorsamste Bitte, das­ selbe mir gütigst zukommen zu lassen, oder wenigstens anzu­ ordnen, daß dieses geschehe; im entgegengesetzten Falle aber diese meine Bitte und Anfrage als nicht geschehen zu be­ trachten. In allervollkommenster etc. Dr. Lochner, Stadtarchivar«.

Schon am 3. Dezember 1882 schloß der hochbetagte Forscher, 84 Jahre alt, die Augen. Stadtarchivar Mummenhoff hat ihm im 5. Heft der »Mitteilungen« des Vereins ein lite­ rarisches Denkmal gesetzt. Zehn Jahre später verlieh der Verein zwei anderen um die Geschichte Nürnbergs hochverdienten Männern die Ehren-

51 mitgliedschaft. In der Generalversammlung vom 8. Januar 1891 wurden auf Vorschlag des Ausschusses Direktor Dr. August von Essenwein und Universitätsprofessor Dr. Karl von Hegel in Erlangen in dankbarer Anerkennung der hohen Verdienste, welche sich beide um die Geschichte der Stadt Nürnberg er­ worben haben, zu Ehrenmitgliedern ernannt. Direktor Essen­ wein war damals, schon schwer leidend, aus dem Ausschüsse ausgetreten. Wie sehr ihn die ihm vom Verein erwiesene Auf­ merksamkeit freute, beweist das Dankschreiben, das er auf die Überreichung des in Form einer alten Urkunde von Privatier Johannes Luckmeyer in vorzüglicher Weise ausgeführten und mit einem Wachssiegel nach Professor Wanderers Entwurf ver­ sehenen Ehrenbriefs und auf ein bald darauf aus Anlaß seines 25jährigen Jubiläums an ihn übersandtes Glückwunschtelegramm von Gries bei Bozen aus am 1. März 1891 an den Verein richtete und das nachstehenden Wortlaut hatte: »Dem sehr geehrten Verein für die Geschichte Nürnbergs spreche ich innigsten Dank für die mir erwiesene freundliche Teilnahme aus, die mich hoch erfreut hat. Es ist mir eine große Ehre, von einem Verein ausgezeichnet zu werden, der solch vorzügliche Leistungen aufweisen kann wie der Nürn­ berger Geschichtsverein und ich habe deshalb vor kurzer Zeit die Ernennung zum Ehrenmitgliede mit Freude und Dankbar­ keit angenommen, wie ich jetzt dankbarst den freundlichen Glückwunsch annehme und mit dem Wunsche erwidere, daß der Verein stets blühen und gedeihen möge! Hochachtungs­ vollst und dankbarst A. v. Essenwein.«

Nur kurze Zeit war dem Verein vergönnt, den ausgezeich­ neten Mann sein Ehrenmitglied zu nennen. Am 13. Oktober 1892 erlag er seinen Leiden. Erinnerungen an ihn hat der I. Vorstand im 15. Heft der »Mitteilungenc veröffentlicht. Da­ gegen konnte der hochbetagte Herausgeber der Städtechroniken noch ein Jahrzehent lang sein warmes Interesse für die Be­ strebungen des Vereins betätigen. Auch ihm bereitete die Er­ nennung zum Ehrenmitgliede des Vereins unverkennbare Freude. Mit warmen Worten dankte er dem Verein. Am 6. April 1891 schrieb er von Erlangen aus: »Hochgeehrte Herren! Sie haben mir in Anerkennung meiner Arbeiten bei Herausgabe der Chroniken Nürnbergs die Auszeichnung erwiesen, mich zum Ehrenmitgliede Ihres 4*

52 Vereins zu ernennen. Ihr Vorstand, die Herren Freiherr von Kreß und Archivar Mummenhoff, hatten gestern die Güte, mir den künstlerisch schön geschriebenen und verzierten Ehren­ brief persönlich zu überreichen und zugleich die bisher er­ schienenen Schriften des Vereins »Jahresberichte, Mitteilungen und das kostbare Werk über das Nürnberger Rathaus« als Ge­ schenk darzubieten. Für alles dieses Ehrenvolle und mich hoch Erfreuende spreche ich Ihnen meinen tiefgefühlten und wärmsten Dank aus. Ich erkenne darin, wie selbst schon in dem Be­ stehen Ihres Vereins und seinen bisherigen Lebensäußerungen, in welchem Grade die Teilnahme an der ruhmvollen Vergangen­ heit und Geschichte Nürnbergs seit der Zeit, da ich mit einigen trefflichen Mitarbeitern die Herausgabe seiner Chroniken aus­ führte, immer mehr gewachsen ist. Damals fanden wir uns mit unseren Studien fast vereinsamt am Orte. Jetzt haben sich zahlreiche Teilnehmer und Kräfte in Ihrem Verein zusammen­ gefunden, um das Werk der Geschichtsforschung Nürnbergs auf jegliche Weise zu fördern, und was auf solchem Wege erreicht werden kann, hat der Verein bereits durch die Tat bewiesen. Mit gerechter Befriedigung kann derselbe auf das von ihm mit Unterstützung der städtischen Behörden heraus­ gegebene herrliche Werk über das Rathaus hinblicken, welches in weiten Kreisen die verdiente rühmliche Anerkennung gefunden hat. Eine andere größere Aufgabe, die Sie gleichfalls sich zum Ziele gesetzt haben, steht noch bevor. Je mehr ich bei meinen der Geschichte der Stadt gewidmeten Studien ein solches wich­ tiges und fast unentbehrliches Quellenwerk vermißte, um so größer war von Anfang an mein Interesse für das Zustande­ kommen desselben. Nürnberg soll nicht länger hinter anderen deutschen Städten, die bereits ihre Urkundenbücher besitzen, zurückstehen. Die vorbereitenden Arbeiten haben begonnen und befinden sich in bewährten Händen, so daß man sich das beste davon versprechen kann. Von ganzem Herzen wünsche ich dem Verein ferneres Gedeihen, Zunahme an Mitgliedern und Gönnern und Früchte seines Wirkens, welche, indem sie der historischen Erkenntnis nützen, zugleich ihm selbst und der Stadt zur Ehre gereichen. Ich fühle mich mit Ihnen, hochgeehrte Herren, in der Liebe zu meiner Geburtsstadt Nürnberg verbunden und darf mich nun auch mit Freude als Ihren Vereinsgenossen betrachten. Mit vollkommener Hochachtung! Ihr ergebener Professor Dr. K. v. Hegel«.

So warme und uneingeschränkte Anerkennung des vom Verein Geleisteten aus so berufenem Munde war hocherfreulich für seinen Vorstand und Ausschuß und mußte aneifern, das

53 gespendete Lob auch zu verdienen. Leider ist auch dieser warmherzige Gönner des Vereins schon heimgegangen. Er starb am 5. Dezember 1901 zu Erlangen im 89. Lebensjahre. Seinem Andenken ist ein Nekrolog des I. Vorstands im 15. Heft der »Mitteilungen« des Vereins gewidmet. Der Tod hat in den fünfundzwanzig Jahren eine reiche Ernte unter den Mitgliedern und Mitarbeitern des Vereins ge­ halten. Eine ganze Reihe trefflicher Männer, die länger oder kürzer im Ausschüsse für den Verein gewirkt haben, sind ab­ berufen worden. Von den 33 Mitgliedern, welche im Laufe der 25 Jahre zu Ausschußmitgliedern gewählt waren, sind nicht weniger als 12 verstorben. Es sind die Herren: G. Frhr. v. Im­ hoff f 1881, Ad. Gnauth f 1884, C. Frommann f 1887, Otto Frhr. v. Stromer f 1891, Bernh. Hartmann f 1892, Aug. von Essenwein f 1892, Dr. Adolf Frhr. v. Scheurl f 1893, Sigm. Soldan f 1894, Dr. Adolf Cnopf f 1896, Dr. O. von Schorn f 1899, Dr. A. Bauch f 1902, W. Frhr. v. Imhoff f 1903. Wir fügen noch ein Verzeichnis der sämtlichen Ausschußmit­ glieder unter Beifügung der Jahre, in welchen sie im Ausschüsse gewirkt haben, und der Funktionen, die sie bekleidet haben, bei. Die Namen der jetzt noch dem Ausschüsse angehörenden Herren sind fett gedruckt. von Krefs, Georg, Frhr., k. Advokat und Rechtsanwalt, später Justizrat, I. Vorstand seit 1878. von Essenwein, August, Geheimrat, I. Direktor des Ger­ manischen Nationalmuseums, II. Vorstand 1878—1891, f 1892. Mummenhoff, Ernst, k. Archivsekretär, dann Stadtarchivar und Archivrat, I. Schriftführer 1878—1887, II. Vorstand seit 1891. Pöhlmann, Robert, Dr., Privatgelehrter, dann Privatdozent, jetzt k. Universitätsprofessor in München, II. Schriftführer 1878—1881 Soldan, Sigmund, Hofbuchhändler, Schatzmeister 1878—1894, f 1894. Frommann, Carl, Dr., II. Direktor des Germanischen National­ museums, 1878—1887, f 1887.

54 Heinrich, Franz, Dr., k. Kreisarchivar, jetzt k. Reichsarchiv­ rat a. D. in München, 1878—1891. Gnauth, Adolf, k. Direktor der Kunstgewerbeschule in Nürn­ berg, 1878—1880, f 1884. von Imhoff, Georg, Frhr., k. k. Major a. D., 1878—1881, f 1881. Krück, M., k. Professor, jetzt k. Gymnasialrektor und Ober­ studienrat in Würzburg, 1878. von Schorn, Otto, Dr., Kustos am Bayerischen Gewerbemuseum, 1878 — 1880, f 1899. von Stromer, Otto, Frhr., I. Bürgermeister der Stadt Nürn­ berg, 1878—1887, f 1891. Kamann, Johannes, Realienlehrer, jetzt k. Professor in München, II. Schriftführer, 1881 —1900. Wanderer, Friedrich, k. Professor an der Kunstgewerbeschule, seit 1881. Cnopf, Adolf, Dr., k. Amtsrichter in Fürth, später k. Land­ gerichtsrat in Nürnberg, I. Schriftführer, 1887—1891, f1896. von Scheurl, Adolf, Frhr., Dr., k. Universitätsprofessor a. D., 1882 — 1893, f 1893. Hagen, Rudolf, Dr., Realienlehrer, dann Rektor der städtischen Handelsschule, jetzt k. Pfarrer in Nürnberg, 1882—1891. Petz, Hans, Dr., k. Archivsekretär, dann k. Kreisarchivar in Nürnberg, jetzt k. Reichsarchivrat in München, 1887, dann 1892—1896. von Imhoff, Wilhelm, Frhr., k. Major a. D., 1888—1903, f 1903. Hartmann, Bernhard, k. Advokat und Rechtsanwalt, 1888 bis 1892, f 1892. Boesch, Hans, II. Direktor des Germanischen Museums, I. Schrift­ führer seit 1891. Schulze, Eduard Otto, Dr., Archivassistent, jetzt Professor und Direktor der Handelsakademie in St. Gallen, II. Schrift­ führer, 1891. von Tücher, Christoph, Frhr., k. Kämmerer und Regierungs­ rat a. D., seit 1892. Reicke, Emil, Dr., Kustos an der Stadtbibliothek und am städtischen Archiv, II. Schriftführer, seit 1892. von Oelhafen, Sigmund, k. Oberamtsrichter, seit 1894.

55 Stahl, Job. Chr., Kaufmann, Schatzmeister, 1894—1897. von Bezold, Gustav, Dr., I. Direktor des Germanischen Nationalmuseums, seit 1896. Fuhse, Franz, Dr., Bibliothekar des Germanischen National­ museums, jetzt Museumsdirektor in Braunschweig, 1897, Luckmeyer, Johannes, Privatier, Schatzmeister, 1897 —1902. Bauch, Alfred, Dr., k. Kreisarchivar, 1898—1901, f 1901. Vogt, Wilhelm, Dr., k. Gymnasialrektor, seit 1900. Knapp, Hermann, Dr., k. Kreisarchivar, seit 1902. Meyer, Max, Kommerzienrat, Direktor der Yereinsbank in Nürnberg, Schatzmeister seit 1903. Die Zahl der Mitglieder des Vereins ist im Laufe der fünfundzwanzig Jahre langsam, aber stetig gewachsen. Heute gehören ihm 411 ordentliche und 2 immerwährende Mitglieder an. 84 von ihnen wohnen außerhalb Nürnbergs*, 329 in Nürn­ berg. Diese Zahl ist nicht groß im Vergleich zur Größe der Stadt und ihrer Einwohnerzahl. Der Ausschuß hat es nicht fehlen lassen an Einladungen und Aufforderungen zum Beitritt. Fünfmal sind Aufrufe an eine große Zahl von Mitbürgern ver­ sandt worden, um ihr Interesse für die Vereinsbestrebungen zu erwecken. Mancher hat sich dadurch bestimmen lassen, dem Verein beizutreten. Viele aber, von denen man glauben sollte, daß sie von warmer Anhänglichkeit an die Vaterstadt beseelt sind und die Erforschung ihrer Vergangenheit gerne fördern möchten, halten sich noch immer ferne. Wir hoffen auch sie noch zu gewinnen und zum Anschluß an unseren Verein zu bewegen. Je größer die Zahl der unterstützenden Mitglieder wird, um so mehr kann der Verein leisten, um so häufiger und stattlicher werden insbesondere seine Publikationen werden. Denn die Hauptquelle seiner Einnahmen werden immer die Mitglieder­ beiträge bilden und von ihrer Ergiebigkeit wird auch die Leistungs­ fähigkeit des Vereins abhangen. Übrigens waren die Finanzen des Vereins dank der Sparsamkeit und Umsicht seiner Schatz­ meister niemals schlecht bestellt. Jeder von ihnen (es waren Schatzmeister die Herren Hofbuchhändler Sigm. Soldan, der über 15 Jahre lang die Kasse des Vereins verwaltete, Groß­ händler Joh. Chr. Stahl, Privatier Johannes Luckmeyer, und heute ist es Kommerzienrat Max Meyer) hat sich durch treue

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und gewissenhafte Geschäftsführung Anspruch auf die Dankbar­ keit des Vereins erworben. Überschauen wir nun am Schlüsse der fünfundzwanzig ersten Jahre die Gesamtleistung des Vereins, so werden wir uns nicht verhehlen, daß sie nur Stückwerk ist, nur ein kleiner Bruchteil dessen, was zu leisten wäre. So stattlich die Zahl der Publi­ kationen ist, die der Verein in diesem Vierteljahrhundert heraus­ gegeben hat, so wertvoll ihr Inhalt im einzelnen sein mag, davon kann keine Rede sein, daß die Aufgabe gelöst wäre, die Ver­ gangenheit der vormaligen Reichsstadt Nürnberg und ihres Terri­ toriums auf allen Gebieten des Kulturlebens zu erforschen und darzustellen. Dazu ist der Stoff zu gewaltig, dazu war der Zeit­ raum zu kurz und sind die Kräfte und Mittel des Vereins zu bescheiden. Aber ein würdiger Anfang ist doch gemacht. Es ist vor allem gelungen, diejenigen, welche einig sind in der Liebe zur heimatlichen Geschichte und im Streben nach Wahrheit, zu gemeinsamer Tätigkeit zu verbinden* ein Mittelpunkt ist ge­ schaffen für alle auf die Erforschung der Geschichte Nürnbergs gerichteten Bestrebungen und er ist allüberall als solcher an­ erkannt und geschätzt. Mancherlei treffliche Arbeiten sind ent­ standen, die mustergiltig sind und als Vorbild für die Nach­ kommen dienen können. Der Sinn für die Heimatsgeschichte ist erweckt und eine treue Gemeinde von begeisterten Verehrern des alten Nürnberg ist verbunden in dem Vorsatz, seine Ge­ schichte auch fernerhin zu pflegen. Unternehmungen sind im Gange, die in absehbarer Zeit durchgeführt werden können und dem Verein wie der Stadt zur Ehre gereichen werden. Der Verein braucht sich seiner Leistungen nicht zu schämen, er kann mit Stolz und Befriedigung auf sie zurückblicken. In dem Bewußtsein, unsere Pflicht gewissenhaft erfüllt zu haben, und in der frohen Hoffnung, auch in Zukunft auf die Gunst und das Wohlwollen der vielen Freunde und Gönner mit Sicher­ heit rechnen zu dürfen, treten wir getrosten Mutes in das neue Vierteljahrhundert des Vereinslebens ein. Möge es reich sein an Erfolgen für den Verein, möge ihm alle Zeit eine Schar treuer und begeisterter Mitarbeiter beschert sein, möge es mächtig beitragen zur Aufhellung der ruhmreichen Vergangenheit der über alles geliebten teueren Vaterstadt!

Kunstfreunde im alten Nürnberg und ihre Sammlungen (Nebst Beiträgen zur Nürnberger Handelsgeschichte).*) Von

Dr. Th. Hampe. Der gewaltige Kulturwandel, der, in der zweiten Hälfte des Mittelalters sich langsam anbahnend, allmählich zu so neuartigen Erscheinungen führte, daß wir damit eine neue Epoche der Welt­ geschichte anheben zu lassen wohl berechtigt sind, erstreckte sich, wenn nicht auf alle, so doch auf zahlreiche Äußerungen des öffentlichen und privaten Lebens. Der neue Geist mußte sich notwendig andere Formen schaffen. In den Wissenschaften entsprangen diese Umgestaltungen der zunehmenden Beschäftigung mit dem klassischen Altertum, dem stetig wachsenden Verständnis, der stetig wachsenden Liebe und Bewunderung für die großen Dichter und Denker der Alten, für ihre hohen Errungenschaften insbesondere auf dem Gebiete des Staatswesens. Gewiß mischte sich in dem zerrissenen Italien sowohl, von wo die ganze Be­ wegung ausging, wie auch in dem zersplitterten, als Staat ent­ kräfteten Deutschland diesen Bestrebungen von vornherein auch ein romantisches Element bei, die Sehnsucht nach besseren, ge­ ordneteren Zuständen, und ließ die untergegangene griechischrömische Kultur in einem verklärenden Lichte erscheinen. Be­ wußt und vielfach auch unbewußt trachtete man, Leben und Denken nach antiken Normen zu gestalten, und ein Zug wenigstens, der eben hieraus seinen Ursprung nahm, prägt sich nun immer deut­ licher bei allen denen aus, die überhaupt vom Wellenschlag der neuen Bildung berührt wurden, nämlich der Zug zu einer freieren Entwicklung der Persönlichkeit, zu einer kräftigeren *) Nach zwei im Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg gehaltenen Vorträgen.

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Betonung der Individualität, als sie das Mittelalter — wenige Ausnahmen abgerechnet — gekannt, der' kirchliche, ganz an das Transcendentale hingegebene Geist des Mittelalters geduldet hatte. Rom stand auf wider Juda, um mit Nietzsche zu reden, und im Großen wie im Kleinen beeinflußt und bestimmt eben dieser wesentliche Charakterzug der neuen Zeit die Ereignisse und die Kultur der folgenden Epoche. Im Großen sehen wir den Drang nach Befreiung des eigenen Ich aus den Fesseln von Tradition und Konvention unter anderm tätig beim Werke der Reformation, das jedoch im übrigen mehr auf dem Boden der Mystik als auf dem des Humanismus erwuchs, im Kleinen sind eine Frucht jenes schon den frühesten Vorfechtern des neuen Geistes innewohnenden Strebens beispielsweise die An­ fänge von Kunstsammlungen und Museen in modernem Sinne. Nicht als ob es nicht vorher bereits zahlreiche und reich­ haltige Sammlungen oder besser Ansammlungen von Kunst­ schätzen gegeben hätte. Geht man insbesondere die Kircheninventare des Mittelalters durch, so ist man häufig genug erstaunt über die Fülle von goldenen und silbernen Geräten aller Art, von kunstvollen Schnitzwerken, kostbaren Gewändern, Decken, Teppichen, die — ganz abgesehen von dem malerischen und bild­ nerischen Schmuck der Baulichkeiten selbst — manches reich begabte und bevorzugte Gotteshaus oder Kloster bewahrte. Was sich davon aus jener frühen Zeit bis heute erhalten hat, sind zumeist nur kümmerliche Reste, und die späteren Jahrhunderte haben kaum in einem Falle aufs neue ähnliche Schätze an heiliger Stätte gehäuft. Dennoch waren diese Sammlungen nicht Kunstsammlungen in unserem Sinne. Sie entsprangen nicht dem Bedürfnisse nach Schönheit, der Bewunderung für die Werke der Kunst, sondern in erster Linie religiösen Gefühlen und Bedürfnissen. Auch war niemals von einem plan­ mäßigen Sammeln bestimmter Gegenstände die Rede; vielmehr brachte größtenteils der gläubige Sinn nach Stand und Bildung sehr verschiedener Stifter eine solche Sammlung zusammen, die sich danach oft buntscheckig genug ausnahm und namentlich hinsichtlich des künstlerischen Wertes in der Regel jegliche Ein­ heitlichkeit vermissen ließ. Kurzum es fehlte die Persönlichkeit, die nach eigenem künstlerischen oder historischen Ermessen die

59 Entwicklung gelenkt hätte. Die soeben charakterisierten Samm­ lungen des Mittelalters waren lediglich um Gottes willen da, nicht aber um der Menschen willen, am allerwenigsten zur Freude und zur Befriedigung eines einzigen. Gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen diesen und den späteren Kunstsammlungen nehmen in Deutschland die großen Heiligtumsammlungen des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts ein, die, von einzelnen Fürsten, wie dem Kardinal Albrecht von Brandenburg, mächtig gefördert und mehrfach auch in Holz­ schnitt veröffentlicht, in ihrer Zusammensetzung teilweise bereits ein persönlicheres Gepräge tragen und neben dem religiösen doch auch zugleich ein lebhaftes, zuweilen sogar überwiegendes Interesse an den Kunstwerken selbst als solchen deutlich er­ kennen lassen. Von da war bis zum Fallenlassen des religiösen Gedankens und zum uneingeschränkten Sammeln nach eigenem Geschmack und zu eigener hoher Lust nur noch ein Schritt, mit dem in Italien die Mediceer und andere Fürsten längst vor­ angegangen waren, Deutschland im Laufe des 16. Jahrhunderts nachfolgte. Doch steht bereits am Anfang dieses Zeitraums jenes Wort Wimpfelings, daß »alle Welt nach Kunstwerken ver­ lange und in der Kunst die besten Arbeiten am liebsten habe«, und schon 1565 erscheint in Deutschland und zwar in München bei Adam Berg das merkwürdige Buch »Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi« etc. etc. des Samuel von Quickeiberg, das den vollständig ausgearbeiteten Plan zur Anlegung eines Uni­ versalmuseums enthält. Deutschland bemühte sich also alsbald nach besten Kräften, den Vorsprung, den andere Länder, nament­ lich Italien, auf diesem Gebiete gewonnen hatten, wieder ein­ zubringen. Der soeben genannte Samuel von Quickeiberg, ein Niederländer von Geburt, war als Agent in Kunstsachen für Herzog Albrecht V. von Bayern tätig, der, bis an seinen Tod (1579) ein eifriger Sammler namentlich von Gemälden, zu dem heutigen Reichtum der königlichen Sammlungen den Grund ge­ legt hat. Und wie hier, so waren es überhaupt in der ersten Zeit bis in das 17. Jahrhundert hinein so gut wie ausschließlich die Fürsten, die durch Anlegung von Kunstkammern dem Zuge der Zeit in hervorragenderem Maße folgten und vermöge ihrer reicheren Mittel zumeist auch allein folgen konnten. Denn der Lieb-

60 haberwert der Kunstwerke stieg schon im Laufe des 16. Jahr­ hunderts ganz ungemein, und es ist nur zu bekannt, welche Un­ summen vor allem Kaiser Rudolf II., weitaus der größte Sammler des 16. Jahrhunderts, dessen Sammlertätigkeit allerdings nicht ganz frei von einem pathologischen Zuge ist, für die Kunst­ werke, die er von allen Enden der zivilisierten Welt auf sein Schloß zu Prag zusammenschaffen ließ, und zur Besoldung seiner zahllosen Agenten ausgegeben hat. Daß indessen — und zwar schon im 16. Jahrhundert — auch zahlreiche Privatpersonen in Deutschland von der Sehn­ sucht, Kunstwerke zu besitzen, und der Leidenschaft des Sam­ melns ergriffen waren und es sogar zu sehr achtungswerten Leistungen auf diesem Gebiete gebracht haben, zeigt vielleicht am besten das Beispiel Nürnbergs, zu dessen Kunstfreunden und Sammlungen ich mich nunmehr wende, indem ich aber gleich hier betonen möchte, daß es im Folgenden auf eine Er­ schöpfung des Themas nach irgend einer Richtung hin keines­ wegs abgesehen ist, noch auch bei der Fülle des Materials und dem zur Verfügung stehenden nur beschränkten Raume abge­ sehen sein kann. Es ist mir vielmehr im wesentlichen darum zu tun, die Hauptpunkte in der Entwicklung möglichst klar her­ vorzuheben und die wichtigsten der daran beteiligten Persönlich­ keiten sowie ihre Sammlertätigkeit in Kürze zu charakterisieren. Ein genaueres Eingehen auf die Bestände der Sammlungen durfte nach dem ursprünglichen Zweck dieser Ausführungen überhaupt kaum in meinem Plane liegen, da solches in einen Vortrag nur schlecht gepaßt haben würde und notwendig ermüdend hätte wirken müssen. Indessen habe ich in der vorliegenden Über­ arbeitung der beiden Vorträge, soweit es der Raum gestattete, ver­ sucht, eben hier einige Ergänzungen zu bieten, die zum Teil in die Anmerkungen und Anhänge verwiesen worden sind. Freilich wären insbesondere die Manuskripte Willibald Imhoffs und die Inventare seiner Sammlungen, die von Eye, Thausing und anderen bisher lediglich mit Bezug auf Dürer durchgesehen worden sind, für die Kunstforschung noch in weit höherem Maße nutzbar zu machen, als es von mir aus Anlaß der vorliegenden Arbeit ge­ schehen konnte.' Da jedoch eine wohl kommentierte Ausgabe der Imhoffschen Bücher, wie sie diese ohne Zweifel verdienten,

61 vermutlich noch eine Weile wird auf sich warten lassen, so wer­ den inzwischen gerade hier, wie ich denke, einige nähere Mit­ teilungen nicht unwillkommen sein. Entsprechend der oben skizzierten allgemeinen Entwicklung reichen auch in Nürnberg die ersten Anfänge von Kunstsamm­ lungen über die Zeiten des Humanismus bis weit ins Mittelalter zurück. Bei dem stetig wachsenden Reichtum und der Welt­ stellung der Stadt, bei der Blüte, in der Kunst und Handwerk — damals noch fast ein Begriff—hier schon im 14. und 15. Jahrhundert standen, ist es nicht zu verwundern, daß Nürnbergs berühmte Kirchen sich frühzeitig zu wahrhaften Museen aus­ gestalteten, wie sie ja auch heute noch, mit anderen Kirchen verglichen, verhältnismäßig viel von den Kunstschätzen der Vor­ zeit bewahrt haben. Dennoch dürften die heutigen Bestände mit dem ehemaligen Besitz bei keiner derselben auch nur ent­ fernt zu vergleichen sein. Man gehe nur einmal das Schatz­ verzeichnis der Frauenkirche, das Joseph Baader *) aus einem Salbuche des 15. Jahrhunderts veröffentlicht hat, mit seinen langen Reihen silberner Monstranzen, Kelche und Reliquiarien aller Art, seiner Fülle von Meßgewändern, Ornaten, Chorkappen, Altartüchern, Teppichen, Schnitzwerken und Gemälden darauf­ hin durch oder erinnere sich etwa der Notiz, die uns Heinrich Deichsler in seiner Chronik mitteilt, daß nämlich in Nürnberg vom Jahre 1488 bis zum Jahre 14Q1 23 Altartafeln »neu schon geschnitzt, auch vergult« worden seien 2), die doch auch wohl größtenteils in den Kirchen der Stadt selbst und des Landgebiets oder in den Hauskapellen reicher Bürger Aufstellung fanden. Der beginnende Humanismus warf sich dann, in Nürnberg wie in andern Städten dem Vorbilde Italiens folgend, zunächst auf das Sammeln von Büchern ifnd zwar solcher Bücher, aus denen die neue Bildung geschöpft werden konnte oder die dem Kreise der neuen Bildung entstammten. So brachte nament­ lich der gelehrte Nürnberger Stadtarzt Hermann Schedel eine für jene Frühzeit sehr ansehnliche Bibliothek dieser Art zusammen, *) Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs I, 74 ff. a) Chroniken der deutschen Städte, Nürnberg, V. Bd., S. 549.

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die aus seinem Nachlaß größtenteils an das St. Egidienkloster, die Stadtbibliothek und die Bibliothek bei St. Sebald gekommen zu sein scheint. Eine beträchtliche Anzahl juristischer Bücher, namentlich solcher, die ihren Stoff dem neu aufkommenden römischen Recht entnahmen, ererbte Willibald Pirckheimer bereits von seinem Vater Johann, viele andere erwarb er selbst hinzu. Über die Bestände dieser neben der Christoph Scheurischen wohl be­ deutendsten Nürnberger Familienbibliothek jener Zeit und über ihre späteren Schicksale wird ohne Zweifel das zweite Buch von Arnold Reimanns Pirckheimer-Studien, von denen bisher nur ein paar Bruchstücke samt einer genauen Inhaltsübersicht des ganzen als Berliner Dissertation erschienen sind, interessante Aufschlüsse gewähren. Aber Pirckheimer beschränkte sich schon nicht mehr allein auf Bücher- er sammelte auch Münzen und verfaßte sogar gegen das Ende seines Lebens (1528) eine lateinische Beschreibung seiner Sammlung, eine Art Katalog, der drei Jahre nach seinem Tode (1533) unter dem Titel: »Priscorum numismatum ad Nurenbergensis monetae valorem facta aestimatio« nebst einigen anderen kleinen Schriften ver­ wandten Inhalts von seinem Sekretär Andreas Rüttel heraus­ gegeben wurde. Wenn nun auch offenbar bei Anlegung dieser Sammlung das künstlerische Interesse hinter dem rein wissen­ schaftlichen ganz zurückstand, wie denn auch die gelehrten Hu­ manisten Italiens schon im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert oft nur aus sprachlichen und epigraphischen Gründen von ihrer Liebhaberei für Bücher auf das Sammeln von Inschriftsteinen, Münzen, Gemmen und dergleichen geführt worden waren, so dürfen wir dennoch bei Pirckheimer, dem Freunde Albrecht Dürers, zweifellos auch ein sehr reges Interesse für die Kunst und ihre Erzeugnisse voraussetzen und annehmen, daß er seine Sammlertätigkeit auch auf andere Gegenstände als bloß auf Münzen ausgedehnt habe. Eine Stütze findet diese Annahme in dem Inventar des Nachlasses Willibald Pirckheimers, das sich im Original im freiherrlich von Imhoffschen Familien­ archive erhalten hat und das ich in einer von dem vor kurzem verstorbenen Major Wilhelm von Imhoff gefertigten Abschrift benutzen konnte. Zunächst erweitert sich durch dieses Inventar,

63 wie auch teilweise bereits durch die von Campe um das Jahr 1830 Zu Willibald Pirckheimers Andenken: veröffentlichten Erb­ teilungsdokumente unsere Kenntnis von der Münzsammlung Pirck­ heimers dahin, daß er nicht nur Münzen, sondern auch Me­ daillen gesammelt hat. Posten wie altern vier gülden medeia«, »Ain guldiner Schilling in der groß wie ain Schreckenperger, herzog Friedrichs von Sachsen münz«, »Mer 187 allerlei silberin stück und medeia groß und clain undtereinander«, »20 silberin stück von allerlai contrafacten, angesichter und pildnüs«, »Gar viel medeia von kupfer, plei und anderm schlechten metallc lassen mit annähernder Sicherheit auf eine Sammlertätigkeit auch nach dieser Richtung hin schließen; denn so ansehnliche Mengen von Medaillen waren schwerlich nur durch den Zufall gele­ gentlicher Dedikationen zusammengekommen, für die überdies »Kupfer, Blei und anderes schlechtes Metall« nur selten oder nie verwandt worden sein wird. Von seltenen Medaillen in Edel­ metall hat er sich offenbar Bleiabschläge fertigen lassen oder sonst zu verschaffen gewußt. Zu einer ähnlichen Überlegung regt das Willibald Pirckheimersche Inventar auch sonst an, namentlich das darin aufgezählte und kurz beschriebene Silber­ geschirr. Ich zähle allein 7 große silbervergoldete Scheuern, zum Teil zwiefache oder Doppelscheuern, 14 silbervergoldete »Köpfe« und Becher, 2 Sätze von je acht silbernen Magöllein, 2 Sätze von je 4 silbernen sog. Hofbechern, 7 weitere, silberne oder silbervergoldete Trinkgefäße, die als Kelche, Köpfe, Becher u. s. w. bezeichnet werden, 9 silberne Schalen, 6 silberne Salz­ schälchen, ein silbernes Handbecken, einen silbernen Hirsch­ kopf mit einem Geweih von Korallen zum Handwasser, ein silbervergoldetes Mischkännlein u. s. f. Daß alle diese Gegen­ stände lediglich als Hausrat aufzufassen seien, ist doch wenig wahrscheinlich. Richtiger haben wir sie wohl als eine Art Samm­ lung anzusehen und anzunehmen, daß Pirckheimer für sie eine besondere Vorliebe gehabt habe, so daß er sich ihre Vermehrung eifrig angelegen sein ließ. Manche dieser Geschirre trugen reichen Schmuck an Wappen, Maskarons in getriebener Arbeit — »aufgetriben angesichten« sagt das Inventar — Figuren u. s. f. und würden vermutlich heute, wenn sie sich erhalten hätten, jedem Museum zur Zierde gereichen. Dasselbe gilt von Pirckheimers

64 Ringen und sonstigen Kleinodien, die das Inventar ebenfalls, wenn auch weniger zahlreich verzeichnet. Von Gemälden wird nur eines »Marienbildes mit einem Leuchter davor«, einer »ge­ malten Tafel mit dem Bildnis Herculis«, einer »Tafel mit einem gemalten Schiff« und »zweier kleiner gemalter Täfelein« gedacht. Von Bronzen und Marmorarbeiten, die, wie A. von Eye1) meint, neben den Münzen den Hauptbestandteil von Pirckheimers Samm­ lungen ausgemacht hätten, findet sich auch in dem Inventar so wenig wie in den Erbteilungsdokumenten etwas erwähnt. Daß Willibald Pirckheimer etwa auch die öffentlichen Büchersammlungen oder die Kirchen Nürnbergs mit nennens­ werten Stiftungen bedacht habe, ist uns nicht überliefert. Er war auch in diesem Punkte bereits mehr ein Mensch der neuen Zeit, dem es bei seinem Sammeln und Kaufen von Büchern und Kunstgegenständen wesentlich um die Befriedigung seines eigenen Wissensdurstes, seiner eigenen künstlerischen Bedürfnisse zu tun war. Indessen stand er mit dieser Tendenz noch als Zeit- und Stadtgenosse neben Männern der alten Art, und es ist für die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts sehr charakteristisch, daß beide Strömungen noch ungeschwächt nebeneinander bestehen, wie bei unserem Beispiel, dem Sammlertum, wie bei unserem Beispiel Nürnberg, so im Geistesleben des damaligen Deutsch­ lands überhaupt. Wie Pirckheimer der letzte seines Geschlechts war Sebald Schreyer (1446—1520), den wir hier nicht ganz mit Stillschweigen übergehen dürfen, obgleich uns von ihm nicht bezeugt ist, daß er für sich eine Kunstsammlung angelegt oder eine Bibliothek zu­ sammengebracht habe. Dennoch würden ja auch heute noch, selbst wenn Konrad Celtis seinen Gönner nicht in klassischen Versen als den »musarum hospitem et patronum«, den »musarum et Apollinis cultorem fidissimum« gefeiert hätte, zahlreiche Werke seinen Ruhm als Vorkämpfer der neuen Bildung, als uneigen­ nützigen Förderer der Künste und Wissenschaften -verkünden. So vereinigten sich in dem Wesen dieses einen Mannes die Strebungen der alten und der neuen Zeit zu einem harmonischen, überaus anziehenden Ganzen, und es ist nur zu bedauern, daß *) Leben und Wirken Albrecht Dürers (1869) S. 483.

65 seiner Persönlichkeit von seiten der Forschung bisher nicht die Aufmerksamkeit geschenkt worden ist, die sie vollen Maßes ver­ diente. Außer in der allerdings vortrefflichen, aber doch nur knapp zwei Seiten umfassenden biographischen Notiz von Ernst Mummenhoff in' der Allgemeinen deutschen Biographie erscheint Sebald Schreyer in der neueren Literatur überall nur gelegent­ lich als Nebenfigur. Und doch ergäbe sich bei einer Durch­ forschung unserer Archive gewiß noch manche urkundliche Nach­ richt, die uns über Schreyers Leben und Entwicklungsgang ge­ naueren Aufschluß und damit zugleich wertvolles Material für die in neuerer Zeit vielfältig umstrittene Frage nach den An­ fängen des Humanismus in Nürnberg böte. Die Zimmer seines Wohnhauses in der Burgstraße ließ er mit Bildern des Amphion, Orpheus und Apollo, der sieben Weltweisen und der neun Musen schmücken, wechselte mit Konrad Celtis, Johann Werner und anderen Humanisten lateinische Briefe, die, wie Mummenhoff hervorhebt, eine nicht geringe humanistische Bildung bekunden, und wandte sich in späteren Jahren sogar noch dem Studium der griechischen Sprache zu. Die Förderung, die er dem Chro­ nisten Sigmund Meisterlin zu teil werden ließ, die tätige und selbstlose Fürsorge, die er der Herausgabe des gewaltigen Werkes der Schedelschen Weltchronik widmete, die Verdienste, die er sich um den Ausbau und Schmuck der Kirche seines Schutz­ heiligen und um die größte Schöpfung Peter Vischers, das Sebaldusgrab, erwarb, sind zu bekannt, als daß ich hier näher darauf einzugehen brauchte. In die Sebalduskirche stiftete er auch kostbare Kirchengeräte und Meßbücher, wie er denn in ähnlicher Weise auch andere Kirchen und Sammlungen d. h. insbesondere Bibliotheken Nürnbergs freigiebig mit Geschenken bedachte. So bewahrt unter anderem auch noch die »Bibliothek der neuen Spitalkirche zum heiligen Geist«, wie die genaue alte Bezeichnung lautete, heute wohl auch kurz die Spitalbiblio­ thek genannt, deren teilweise recht interessante Bestände bis­ her so gut wie unbekannt geblieben sind, ein prächtiges, ganz auf Pergament gedrucktes und mit geschmackvoll kolorierten Initialen geschmücktes Bamberger Missale aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, das sich durch eine längere, kalligraphisch geschriebene Widmung als ein solches Geschenk Sebald Schreyers 5

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»sacrae huic domini Sebastiani edi ac morbidorum receptaculo« kundtut. Ja, bei der Verbindung eifrigsten humanistischen Strebens mit dem kirchlich frommen Sinn des Mittelalters, wie sie aus den angeführten mannigfaltigen Interessen und Betätigungen Schreyers spricht, ist dieser mehr noch als Pirckheimer ein Typus der Kunstfreunde dieser Übergangszeit, und zu ihm ließen sich noch manche ähnlich gesinnte unter Nürnbergs Patriziern und reichen Kaufleuten gruppieren, wie Matthaeus Landauer, Hans Tücher, der es 1486 vermittelte, daß der Lesemeister bei den Minoriten und Prediger am Frauenkloster St. Clara, Stephan Fridolin, dem Rat eine Sammlung antiker Münzen, die er von einem Mainzer Geistlichen erhalten hatte, samt einer Abhandlung über diese »Kaiserangesichte« zum Geschenk machte, Antoni Tücher u. a. m. Die ausgeprägtere und, wenn man so will, egoistischere Eigenart eines Pirckheimer steht dagegen zunächst noch mehr allein, gehört im Grunde bereits einer neuen Ent­ wicklungsphase an. Ehe ich indessen zu dieser weiterschreite, muß ich hier noch einer merkwürdigen, bisher wenig beachteten Nachricht Erwähnung tun, die uns zeigt, daß auch der geringere Bürgerstand, wozu die Handwerker und Künstler zu rechnen sind, schon in jener frühen Epoche gleichfalls zuweilen Ge­ schmack am Sammeln von Kunstwerken bekundete und daß sich — allem Anscheine nach — bereits zu Anfang des 16. Jahr­ hunderts in Nürnberger Privatbesitz eine ansehnliche Gemälde­ sammlung befand. Die betreffende Notiz rührt von der Hand Kaiser Maximilians I. her und findet sich in dem Gedenkbuche, das der Kaiser etwa von 1506—1508 gebraucht hat. Sie ist samt den übrigen Eintragungen des Notizbuches im Regestenteil des V. Bandes des Wiener Hofjahrbuches unter No. 4021 ver­ öffentlicht und lautet: »Item bei maister Peter rotschmid zu Nurmberg di altfrenkischen pild ab lassen malen, der er bei 3 bis 400 haben sol, als Jeronimus Haller wais«. So also notierte sich Maximilian, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen. .Der hier genannte Gewährsmann des Kaisers, Hieronymus Haller, kann nur jener Stifter der Hieronymus Hallerischen Linie des Hallerschen Geschlechtes sein, der Kaiser Maximilians Rat und Zahlmeister war und 15IQ, also im gleichen Jahre wie der

67 Kaiser selbst, starb. Wer aber war der »maister Peter rotschmidt«, der glückliche Besitzer der drei- bis vierhundert alt­ fränkischen Bilder, bei denen man doch wohl nur an Gemälde, an Tafelbilder denken kann? Etwa Peter Vischer? Sollte wirk­ lich er die erste Gemäldesammlung in Nürnberg gehabt haben? Die Vermutung, daß er gemeint sei, liegt ohne Zweifel nahe. Dennoch wird man die Entscheidung der Frage eingehenderen Nachforschungen, beispielsweise auch darüber, wieweit das Wort »Rotschmidt« im 15. bis 16. Jahrhundert als Familienname in Nürnberg verbreitet war, Vorbehalten müssen. Die Peter VischerForschung, die allerdings noch immer sehr im Argen liegt, hat sich meines Wissens bisher noch niemals mit der Sache be­ schäftigt. Der Hauptvertreter der Hochrenaissance im Bereiche des Nürnberger Kunstkenner- und Sammlertums ist Willibald Imhoff, der Enkel Pirckheimers. Wenn wir heute des Mannes gedenken, so taucht alsbald sein Bild vor uns auf, wie es jener im übrigen unbekannte niederländische Meister Jan de Zar, der für Willibald Imhoff arbeitete, in gebranntem Ton verewigt hat. Lange zierte es die Kapelle im ehemaligen Imhoffschen Hause »uf sant Egidien (oder »Gilgen«) hof«, heute Egidienplatz, aus der es offenbar nach mancherlei Schicksalen in die Sammlung Minutoli gelangte. Aus dieser wurde es 1858 für die königlichen Museen zu Berlin erworben. Willibald Imhoff ist hier in Halbfigur mit einer feinen schwarzen Schaube mit weißer Halskrause angetan dargestellt. Den kurz geschorenen Kopf mit dem edel geschnittenen Profil und dem lang auf die Brust herabfließenden schwarzen Barte hält er ein wenig gesenkt*, in die ergänzte linke Hand hat man ihm in Erinnerung an die Liebe und das Verständnis, die er für die Kunst hegte, einen Ring gegeben, den er mit zwei Fingern vorsichtig gefaßt hält und mit Kennerblicken zu be­ trachten scheint. Ob diese Ergänzung das Richtige getroffen hat, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls entspricht sie durch­ aus der Vorstellung, die man sich für die Zeit, in der die Figur gefertigt wurde — sie stammt aus dem Jahre 1570 —, von dem Dargestellten zu machen hat. Aber nicht immer war Willibald Imhoff so vorwiegend auf Kunst und auf die Vermehrung seiner 5:

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reichen Sammlungen bedacht gewesen, wie in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens, deren Grenzscheide jenes Datum bezeichnet. Zwar beginnt er im Jahre 1573 seine Aufzeich­ nungen über seine »antiquitett, auch andere künst und gemek, die heute nebst einigen anderen handschriftlichen Büchern aus seinem Besitze der Ambergerschen Sammlung der Nürnberger Stadt­ bibliothek angehören, mit den Worten: »Zu wissen sei meinen lieben kinderen, demnach ich von erster jugent an aus angeporner art zu den medailen -und antiquiteten große naigung gehabt«, aber der kaufmännische Beruf, dem er sich widmete, nahm frühzeitig seine Kraft und sein Denken in einer Weise in Anspruch, die für zeitraubende Liebhabereien wenig Raum ließ. Eingetreten in die große Imhoffsche Gesellschaft, die nach Italien, Frankreich, den Niederlanden und Spanien namentlich Safranhandel betrieb und der damals Willibalds Oheim, Endres Imhoff, Vorstand, hatte er, nachdem er von seinem 14. bis zu seinem 18. Jahre ständig in Lyon und drei weitere Jahre in Antwerpen gelebt, um beiderwärts die Verhältnisse aus dem Grunde kennen zu lernen, zunächst wiederum zweimal zwei Jahre, von 1540—42 und 1542—44 auf Geschäftsreisen in Frankreich und Spanien zu verbringen und dann vom Herbst 1544, also von seinem 25. Lebensjahre an — geboren war er 1519 —, die Reise nach Lyon und manchmal auch weiter bis nach Saragossa alljährlich, von 1554 bis 1560 nur noch alle zwei Jahre zur Winterzeit von Nürnberg aus zu machen. In seinem »Memoriabuch«, das für sein Leben die wichtigste Quelle ist und sich gleichfalls in der Nürnberger Stadtbibliothek befindet, hat er alle diese Reisen, zu denen noch gelegentlich andere nach Antwerpen, Augsburg oder »gen Frankfurt in die fastenmes« kommen, in möglichster Kürze, aber bezüglich der Daten mit größter Genauigkeit, dazu unter häufiger Danksagung gegen Gott, der ihn sicher geleitet und vor Gefahren beschirmt habe, aufgezeichnet. Danach verritt er aus Nürnberg in der Regel Ende August oder Anfang September und kehrte zumeist im Januar des folgenden Jahres dorthin zurück. Von den Strapazen solcher Reisen bei den mangelhaften und teilweise unsicheren Straßen damaliger Zeit können wir uns heute nur noch schwer einen richtigen Begriff machen. Aber Imhoff war mit Leib und

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Seele Kaufmann. Ein etwas nüchterner Sinn spricht unter anderm beispielsweise auch aus den knappen Aufzeichnungen, die sich in seinem Memoriabuch über seine Brautwerbung und Bräutigamszeit finden.*) Und der gleiche ernste Geschäfts* und Wirklichkeitssinn durchzieht auch die Briefe, die uns von ihm erhalten geblieben sind.2) Die meisten derselben sind an Paulus Behaim I., einige wenige aus den siebziger Jahren an Paulus Behaim II. gerichtet. Namentlich in ersteren ist fast ausschließ­ lich von Geschäftsangelegenheiten die Rede; höchstens daß er hin und wieder seinen Vetter Paulus, wenn dieser sich in Ant­ werpen aufhält, in einem kurzen Briefchen bittet, ihm doch einige holländische Käse zu besorgen. Aber nichts von Kunst, nichts, was seine Liebhaberei für Antiquitäten und Kunstwerke verriete. Und doch war Paulus Behaim selbst ein großer Freund namentlich von venezianischen Gläsern und Majoliken, die er sich in ansehnlichen Mengen durch die in Venedig und Aquileja stationierten Vertreter der großen Imhoffschen Handelsgesell­ schaft, der auch er angehörte, erst Hieronymus, den Bruder Willibalds, später den jüngeren Endres Imhoff, schicken ließ.3) !) Memoirabuch Bl. lob: »Den 24. Juni 1544 hab ich mein praut erstmals gesehen. — Adi 5. luyo [d. h. Juli] und 13. ditto wurd mit mir darvon geredt. — Adi 23. ditto entschlüs ich mich und denselbigen abent würbe man [Lücke] junkfrau. — Adi 28. ditto gab mein schweher antwort. — Adi 29. ditto redet ich mit ir im garten. — Adi 31. ditto wurd es im nomen gottes peschlossen (Steinpock). — Adi 2. augusto wünschet ich ir glück. — Adi 11. ditto am mantag ward der hantschlag (Zwilling), — Adi 12. febrer an einem donerstag, sant Gebhartstag, hab ich hochzeit gehabt mit junkfrau Anna Harsdorferin. Gott der herr gebe uns seinen segen, amen (Visch, 1545)«. 2) Jetzt im Archive des Germanischen Museums. 3) z. B. Jeronimus Imhoff »im Adler« d. h. zu Aquileja an Paulus Behaim in Nürnberg, 31. Dezember 1546: » ... So wurdest du . . . von vetter Endres [Imhoff d. j.] vemomen haben, das ich dir dasjenig alls, so mir für dich zu kaufen befollen host, . . . alles kauft hab, wie ich dan auch wissen hab, das es dir von Venedig schon und vorlangst zugesant ist worden, in hoffnung, dir vor diesem wol zukomen werd sein, welches und wie dir all ding auch gefallen wird haben, ich hernoch eins von dir zu vernemen gewertig bin; dan wan all ding zu deinem begnügen und wolgefallen werd, höret ich gern. — Unter den schusseln von mayolicha, deren ich 2 mer kauft, dan ich befelch gehabt hab von dir, sind 2 schüssel, so einer andern färb wreder die andern, und von grün und rotter färb sind; die hab ich darumb kauft, das mich schon haben gedaucht und mir so wol gefallen, das ich sie also gleich kaufen hab müssen, mir gedacht, mechst der gleichen gattung vor nie gesehen haben, wie wol, im fall das sie dir nitt gefielen, so behelt sie mir, wan mir eins gott der herr ein mal hinaus hilft [er war höchst ungern in Aquileja], will ich dir solche, was costen

70 Gleichwohl werden wir kaum an der Richtigkeit der Angabe Willibald Imhoffs, daß er von Jugend auf große Vorliebe für Medaillen und Antiquitäten gehabt, zweifeln dürfen. Gehörten doch Interesse für Kunst und Wissenschaft und eifrige Förderung dieser schönsten Blütenzweige der Kultur nicht nur zu den Traditionen der Familie seiner Mutter, der Felicitas Pirckheimerin, sondern waren ähnlich auch bei dem durch Reichtum blühenden alten Geschlecht der Imhoff seit lange hergebracht. Selbst Endres Imhoff d. ä., der in einem langen und reich gesegneten Leben (1491 —1579) die ganze Stufenreihe der öffentlichen Ämter bis zum höchsten Amte des vordersten Losungers, dem er 14 Jahre hindurch Vorstand und in dem er sich den Ruf eines geschickten, ja bedeutenden Staatsmannes erwarb, durchlief, daneben die Interessen der weitverzweigten Imhoffschen Handelsgesellschaft in hervorragendem Maße wahr­ nahm und als Familienältester manche interne Angelegenheiten zu besorgen hatte, namentlich auch günstige Heiraten ausfindig zu machen und ins Werk zu setzen sich angelegen sein ließ — es ist erstaunlich, wie viele und wie lange Briefe er allein in solchen Sachen an den oben genannten Paulus Behaim ge­ schrieben hat —: auch er hat vielfach das lebhafteste Interesse insbesondere für die Kunst betätigt. Es ist bekannt, wie er mit nicht geringen Kosten die Rochuskapelle, die letzte Ruhe­ stätte der Imhoffs, vollendete, wie er Albrecht Dürer für dessen der Vaterstadt zum Geschenk gemachte unvergleichliche Apostel­ bilder eine Verehrung von 100 Goldgulden verschaffte, Hans Sachs 1554 die Erlaubnis zur Aufführung seiner Komödien er­ wirkte, Pankraz Labenwolf zum Guß des reizvollen Brunnens im Hofe des Rathauses Geschützstücke vermittelte u. s. f. Nicht minder läßt die Aufzählung seines Inventars, in dem werden, zu sambt dem fuerlon zu gutem dank bezalen, dan mir gefalt die selb färb schier pas weder die ander von plow und weis . . . « Derselbe an denselben, n. März 1547: » . . . Das aber ettlich stück maiolicha prochen sind, ist mir nit lieb. Es ist ein mißliche war, so weit zu schicken, sonderlich auf die stroß, wie solche geschickt sind worden; kan nit wol on sein pei so vil auf- und abladen, das nit etwas zerprochen werd . . . « Die Warenballen gingen entweder über Salzburg oder über Augsburg, wo sie dann von dem dort wohnenden Simon Imhoff in Empfang genommen und weiter expediert wurden, nach Nürnberg.

71 allein 78 Prunk- und Tafelgeschirre figurieren, auf einen warmen Verehrer der Kunst schließen und denselben Eindruck gewinnen wir aus mehreren Briefen, die er an Paulus Behaim nach Ant­ werpen richtet mit der Bitte, ihm dort Wandteppiche wirken zu lassen. Bei einem derselben, den er »zu seiner gebührenden Zeit« d. h. also wohl bei festlichen Gelegenheiten in seinem Hofe aufhängen will, gibt er nicht nur die Maße an, sondern schreibt auch im übrigen genau vor, wie er ihn haben will: »dorft nit köstlich, sonder von mittelmessiger arbeit sein, doch mer zu schlecht, dan zu köstlich, aber auch nit zu gar schlecht«, Dargestellt soll darauf sein die Hochzeit zu Cana. *) Bezeichnend für die Sphäre, in der Willibald Imhoff aufwuchs, ist unter anderm auch, daß sein um ein Jahr älterer Bruder Hieronymus von Albrecht Dürer über die Taufe gehoben wurde und seine engere Familie offenbar dauernd mit der Familie des großen Meisters und mit der seines Bruders Andreas (Endres) befreundet blieb. Von Endres Dürers Frau erwarb Willibald in späteren Jahren mehrfach Werke ihres Schwagers und 1557 finden wir die »Endres Dürerin« in seinem Memoriabuch als »Doth«, d. h. als Patin, seiner zweiten Tochter Ursula genannt. Wenn also Willibald Imhoff kaum vor den fünfziger Jahren des Jahrhunderts dazu kam, seiner Liebhaberei für Kunstwerke aller Art in umfassenderer Weise nachzugehen und die Schätze, die er von seinem Ahnherrn Pirckheimer überkommen hatte, zu einer wirklich bedeutenden Kunstsammlung auszugestalten, so hatte das in erster Linie in der unermüdlichen Sorge für das Geschäft, in seinem anstrengenden Berufe, der ihn überdies bis zu seiner Verheiratung (1545) fast ganz von der Heimat fernhielt und ihn auch später noch lange Jahre hindurch das Glück einer behaglichen Häuslichkeit nur mit großen, mehr­ monatlichen Unterbrechungen genießen ließ, seinen Grund. Und ich glaube, die Gestalt Willibald Imhoffs darf uns gerade wegen dieser in seiner Jugend trotz mancher widersprechender Triebe und Gefühle geübten strengen Beschränkung und Selbstzucht, wegen dieser Konzentration auf das, was im Augenblicke vor allem nottut, die auch im einzelnen aus mancher seiner Aufl) Vgl. Anhang i.

72 Zeichnungen spricht, nur um so anziehender und verehrungs­ würdiger erscheinen. Zudem muß man bedenken, wie ansehn­ liche Mittel eine ins Große gehende Kunstsammlertätigkeit doch bereits im 16. Jahrhundert erforderte, und daß eine beträcht­ liche Vermehrung des ererbten Vermögens vielleicht die not­ wendigste Vorbedingung zur Ausübung solcher Tätigkeit war. Darin aber hat Imhoff eben infolge seines Fleißes und seiner zähen Energie gleichfalls man kann wohl sagen Bedeutendes geleistet. Obgleich aus sehr wohlhabender, reich begüterter Familie stammend und trotz des frühen Todes seiner beiden Eltern — sein Vater Hans Imhoff starb bereits 1526, seine Mutter heiratete bekanntlich 1528 in zweiter Ehe jenes aben­ teuernde Finanzgenie Hans Kleberg, starb aber schon zwei Jahre darauf, wie der alternde Pirckheimer, dem diese Heirat die letzten Lebensjahre verbitterte, behauptete, an Gift, das ihr der eigene Gatte gegeben, — tritt Willibald Imhoff uns doch keineswegs sogleich im Glanze des verschwenderischen — doch das Wort entspricht nicht seiner Natur, sagen wir lieber: des sich auch kostspielige Liebhabereien gestatten dürfenden Reich­ tums entgegen, der namentlich die beiden letzten Jahrzehnte seines Lebens umgibt. Für seine sich erst allmählich immer mehr verbessernden Vermögensverhältnisse spricht u. a. deut­ lich genug derjenige Abschnitt seines Memoriabuchs, der den Wohnungen, die er nach und nach innegehabt hat, gewidmet ist. »Item adi 12. junio 1546«, heißt es da1), »am pfingstabend zu abents pin ich das erstemal eingezogen und ange­ fangen haus zu halten in herrn Endres Imhoffs hinterhaus in der Kottgassen, der herr verleihe glück. — Adi 28. mayo 1556 an einem freitag in der wochen cantate pin ich das ander mal von obgemeltem ort eingezogen in Antoni Schlüsselfelders eckhaus pei sant Lorenzen, gib. im ein jar fl. 60 und vom keler fl. 12. Gott der herr geb mir gesundheit und hail, amen. — Adi 17. mayo 1561, als ich 5 jar in obgemeltes Schlüssel­ felders haus im zins gesessen und solchs verkauft hot müessen werden, hab ich müessen ausziehen und pin also an einem sampstag auf 17. mayo in Lienharden Kobolts haus jegen den Memoriabuch Bl. 8b—9a.

73 parfüessern über eingezogen*, ist mir auf ein jar verlossen wor­ den umb 105 fl. gold zins, Gott der almechtig verleihe mir gesundheit, amen. — Adi 9. mayo 1562 am sampstag vor exaudi, als mich Conrad Peyr aus der Kobold haus auspestanden hat und ich mich nun 16 jar in zinsheusern peholfen, hat mich got der herr mit einem haus versehen, so ich von Franzen Tücher erkauft hab umb 4850 fl. grobe münz-, und pin darein gezogen, wie ob [gemelt]. Gott der almechtig geb sein genad, das ichs mit gesundheit lang mag pesitzen. — Item als mir Franzen Sträuben große pehausung aus gottes des herren wunderparlicher Schickung uf sant Egidien hof in kraft meiner eigenschaft umb 7000 fl ist angepotten worden, hab ichs zum ersten mal ausgeschlagen, als es aber zum anderen mal wider an mich ist kumen, im namen des herren angenumen. Und nachdem ich mein haus auf der Füll Jergen Goswein umb 4900 fl., meinem weib 50 fl. und 1 oxen leikauf, zil */2 jar, verkauft hab, pin ich im namen gottes des herren auf sant Egidienhof eingezogen am mitwoch sant Thomas abent den 20Ef? decembris anno 1564. Gott der almechtig verleihe mir genad und segen, das ichs mit gesundheit und wolfhart nach seinem göttlichen willen mag besitzen. Amen«. 7000 Gulden dürften nach heutigem Gelde und Geldwerte annähernd 175 bis 200 000 Mark entsprechen, und in Willibald Imhoffs Unkostbuch — ebenfalls auf der Stadtbibliothek — finden sich noch fast alljährlich beträchtliche Summen als »ver­ baut im haus am Egidienhof« aufgeführt, woraus bei dem Kunst­ sinne des Besitzers wohl auf die geschmackvolle Pracht und Behaglichkeit, die in dem Hause walteten und es durch viele Jahrzehnte hindurch zu der beliebtesten Fürstenherberge machten, geschlossen werden darf. Wohl als der erste fremde vornehme Herr logierte bei ihm drei Jahre nach seinem Einzuge in das neue Haus (1567) Eustachius von Liechtenstein, der Kom­ missar des Domprobsts zu Bamberg, der zu Verhandlungen mit dem Rat nach Nürnberg kam. Der Rat, als dessen Gast der Unterhändler betrachtet wurde, hatte in diesem Falle zuvor bei Willibald Imhoff angefragt, ob er bereit sein würde, den Herrn aufzunehmen, und ersetzte ihm nachher die dadurch verursachten Unkosten sogar unter Hinzufügung einer besonderen Verehrung,

74 wovon bei späteren Gelegenheiten, als der Wohlstand Imhoffs auf seiner Höhe war, in den Ratsverlässen nicht mehr die Rede ist. So beherbergte er in seinem Hause am Egidienberg im Juni 1570 während des Aufenthaltes Kaiser Maximilians II. in Nürnberg Herzog Albrecht V. von Bayern nebst Gemahlin, 1575 den auf der Rückreise von der Kaiserwahl Rudolfs II. begriffenen Kurfürsten von Köln, 1576 im Mai Herrn Marquard, Bischof zu Augsburg und Domprobst zu Bamberg, der, infolge eines Mißverständnisses sich von der Stadt eingeladen glaubend, nach Nürnberg gekommen war, und im Juni abermals Albrecht V. von Bayern und dessen Gemahlin nebst Sohn (Herzog Ferdinand) und Tochter, die sich auf der Heimreise aus Sachsen befanden, end­ lich, wie es scheint, noch im Januar 1579 des Kurfürsten August von Sachsen Tochter, die Pfalzgräfin Elisabeth. Und auch nach dem Tode Willibald Imhoffs hat sein Haus noch verschiedent­ lich als Fürstenherberge gedient. Seine Witwe beherbergte und bewirtete im März 1582 den Erzherzog Mathias von Österreich, den nachmaligen Kaiser, im Mai desselben Jahres Herrn Joachim Friedrich, »postulierten Administrator des Primats und Erzstifts Magdeburg« u. s. f. *) Auf manche dieser Fürsten und Herren, wie namentlich Herzog Albrecht V., übten ohne Zweifel die Persönlichkeit Willibald Imhoffs selbst, wie nicht minder die Kunstschätze, die er inzwischen in seinem Hause angehäuft hatte, eine starke Anziehungskraft. Ohne einen geläuterten Geschmack und ein für die damalige Zeit bedeutendes Kunstverständnis wäre eine so erlesene Sammlung, wie sie das Haus »auf St. Egidienhof« barg, nicht möglich gewesen, und daß Imhoff beides besaß, dafür sind uns auch noch andere Zeugnisse aufbewahrt geblieben. Seinen Schönheitssinn hatte er offenbar zumeist durch den Um­ gang mit Künstlern gebildet. Wie zur Familie Albrecht Dürers, so unterhielt er beispielsweise auch nahe Beziehungen zu Georg Penz, von dem er bereits in den 40er Jahren — denn Georg Penz starb 1550 — allerlei »gemelwerk« gekauft zu haben x) Diese Angaben sind zum überwiegenden Teil den im kgl. Kreis­ archiv Nürnberg aufbewahrten Ratsveriässen entnommen Ich verweise dafür auf Anhang II, wo sich zugleich noch einige weitere ebenfalls den Rats­ verlässen entstammende Nachrichten zu Willibald Imhoffs Biographie wieder­ gegeben finden.

75 scheint, ferner mit dem tüchtigen Nürnberger Medailleur Joachim Teschler, den er 1555 als »Doth« seines 4. Sohnes Karl nennt (»Joachim Deschier, ein künstner«) und von von dem er 1557 »6 gerissene stück« d. h. Handzeichnungen kauft. Auch mit dem schon erwähnten Jan de Zar oder Zara muß er näher bekannt gewesen sein. Außer dem eigenen lebensgroßen Bildnis aus gebranntem Ton und vermutlich auch dem seiner Frau, das sich gleichfalls heute im Berliner Museum befindet, aber merk­ würdigerweise in den Aufzeichnungen Imhoffs nirgends erwähnt wird, bewahrte seine Sammlung noch ein weiteres Werk dieses Meisters, das er 1572 für 32 fl 1 $ 12 ^ kaufte. Es wird in seinem Unkostbuch als »das weibpild von Jan de Zara mit dem kindlein, Fortuna maritima«, in den Inventaren, in denen es nur auf 12 Gulden geschätzt wird, als »ein meergottin von gips geprant von maister Jan« bezeichnet. Vielleicht läßt sich nach diesen Angaben das Werk noch im Besitz irgend eines Museums oder eines Privatsammlers nachweisen. Für seinen großen Ruf als Kunstkenner spricht unter, anderm, daß er verschiedentlich von anderen Kunstfreunden um seine Vermittlung oder auch um seinen Rat in Kunstsachen angegangen wurde. So lesen wir zum 12. Januar 1571 in den Ratsprotokollen: »Auf Willi­ balden Imhoffs anlangen soll man auf seinen costen dem herrn von Bernstein kaiser Karin magnum in der obern regimentsstuben« — gemeint ist natürlich das Dürersche Bild — »ab­ malen lassen«. Als 15 73 der bekannte Agent Kaiser Rudolfs II. Jakob Strada für sein in Druck zu gebendes Werk über die von ihm zusammengebrachten Antiquitäten etc. Geld, also ge­ wissermaßen Subskribenten, sammelt und sich, durch ein kaiser­ liches Schreiben unterstützt, in der Sache auch an den Nürn­ berger Rat wendet, betraut dieser Willibald ImhofF mit der Begutachtung. Durch Imhoffs Vermittlung läßt sich 1576 Herzog Albrecht von Bayern den zu den Reichskleinodien gehörigen heiligen Speer »abkontrafetieren«, und gleichzeitig, bei seinem damaligen Besuch in Nürnberg, muß der Herzog seinen kunst­ verständigen Wirt aufgefordert haben, zu ihm nach München zu kommen, um seine Sammlungen zu ordnen und insbesondere einen Katalog seiner Medaillen anzulegen. In der Tat scheint sich Imhoff noch gegen den Schluß seines Lebens dieser

76 ehrenden Aufgabe unterzogen zu haben, denn noch zum selben Jahre 1576 finden wir in seinemUnkostbuche die Kosten einer Reise nach München verzeichnet. Eine Hauptquelle, ja man darf wohl sagen, die Haupt­ quelle dieses von den Zeitgenossen so geschätzten Kunstver­ ständnisses bildete nun aber zweifelsohne die liebevolle Be­ schäftigung mit seinen kostbaren Sammlungen selbst. Wie diese zusammengekommen, darüber gibt er uns in dem schon früher citierten Verzeichnis seiner Antiquitäten und sonstigen Kunst­ sachen vom Jahre 1573 und 1574 sowie in seinen mit größter kaufmännischer Genauigkeit geführten »Unkostbüchern« den zu­ verlässigsten Aufschluß. Eine ziemliche Anzahl Medaillen und Antiquitäten, sagt er, habe er von seinem Ahnherrn Willibald Pirckheimer ererbt, wozu ihm noch seine liebe Muhme die Sträubin — Pirckheimers zweite Tochter Barbara hatte den Hans Straub geheiratet — ihren anererbten Teil überlassen und den auf seine Geschwister entfallenden Teil vermittelt hatte, so daß sich also Pirckheimers Sammlung, die wir bereits kennen gelernt haben, einigermaßen vollständig in seiner Hand vereinigte. »Dardurch ich also ein anfang gemacht«, fährt er fort, »und in den handel kumen pin*, auch zu Lion auf absterben meiner 2 kinder anno 1551, als ich darfur hielt, ich wurd weiter keine kinder pekumen« — er bekam deren zu seinem 1548 geborenen ältesten Sohne Willibald noch 7 —, »zu Lion einem canonico oder conte de sant Johann ein ganz kestlein vol abgekauft, die Ordnung aber nit zusammen pringen konden* hab ich hernach noch teglich zu Lion, auch zu Venedig hernach kauft. Und als ich hernach mit kinderen wider überfallen pin und zu Lion gesehen etliche personen, so daran wol gewunnen, hab ich mich noch mer darauf gelegt und rechnung gemacht, mit der zeit auf einen reichstag alhie etwas statlichs daran zu gewinnen*, das ist pisher verplieben, mir daran nit wenig gelts verlegen. Hergegen hab ich mein zeit damit vertrieben, demnach ich als ein melancolicus mich der geselschaft noch anderen freud nit geacht«.1) Wie man sieht, verleugnet sich auch in diesen Sätzen der anerzogene Kaufmannsgeist keineswegs. Dennoch möchte ich die darin enthaltenen Angaben nicht allzu ernst nehmen. Sollte *) Memoriabuch Bi. 11 a ff.

77 Willibald Imhoff wirklich, auch wenn zu gelegener Zeit kein Reichs­ tag in Nürnberg stattfand, die Möglichkeit gemangelt haben, seine Schätze preiswert wieder an den Mann zu bringen, wenn es ihm ernstlich darum zu tun gewesen wäre? Angesichts der vielfachen Beziehungen, die er unterhielt und die wir zum guten Teil be­ reits kennen gelernt haben, kann man das nur schwer glauben. Wohl mag er im Beginn seiner Sammlertätigkeit die Idee ge­ habt haben, daß, wenn er seiner Neigung zum Ankauf von Anti­ quitäten folge, damit ja zugleich eine ganz gute Kapitalsanlage verbunden sei, und eben das wollte er auch in jenen Sätzen ohne Zweifel seinen Kindern zu Gemüte führen, um den Vor­ wurf etwa der Unwirtschaftlichkeit oder Verschwendung von sich abzuwehren. Allein seine prächtige Sammlung zu veräußern, ist ihm später gewiß nicht mehr in den Sinn gekommen. Dazu hing er zu sehr an ihr, wie schon der letzte der citierten Sätze andeutet und auch aus der Bestimmung zu schließen ist, die er weiterhin trifft und in der er es seinen Kindern zur Pflicht macht, die Sammlung ungeteilt zu erhalten, nicht etwa die besten Stücke daraus zu verkaufen und sie dadurch in ihrer Gesamt­ heit zu entwerten. Über die Bestände nun von Willibald Imhoffs Sammlungen geben uns außer dem mehrfach citierten, von Imhoff eigenhändig geschriebenen Inventare von 1573 und 1574, seinem Memoriabuch und dem »anderen Unkostbuch« auch eine Anzahl weiterer Inventare Aufschluß, die alle auf jenen eigenhändigen Aufzeich­ nungen fußen und über die schon verschiedentlich gehandelt worden ist. Den vollständigsten Überblick über seine Kunst­ schätze gewinnen wir ohne Zweifel aus demjenigen Inventar, das seine Witwe bald nach des Gatten Tode (25. Januar 1580) anfertigen ließ. Dasselbe existiert in drei Exemplaren, von denen als das Original wohl die noch heute im freiherrl. von Imhoffschen Familienarchive aufbewahrte Handschrift anzusehen sein dürfte. Eine kalligraphisch auf Pergament geschriebene Abschrift davon, die den berühmtesten nürnbergischen Schreib­ meister damaliger Zeit, Paulus Frank, zum Urheber hat, befindet sich im Archiv des Germanischen Museums sowie noch ein größeres Bruchstück von einer zweiten Abschrift. Erstere ist wohl dasjenige Exemplar des Inventars von 1580, das später

78 auch Kaiser Rudolf II, Vorgelegen hat. Es verzeichnet aller­ dings ebenso wie die anderen Exemplare keineswegs allein Willibald Imhoffs Kunstgegenstände, sondern überhaupt seinen gesamten Besitzstand und ist aus diesem Grunde auch für ver­ schiedene Zweige der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte von nicht geringem Interesse. Den Ausgangspunkt für die Sammlertätigkeit Imhoffs bil­ deten, wie man sich leicht denken kann, die ihm von seinem Ahnherrn Pirckheimer überkommenen Kunstgegenstände und das durch diese geweckte Interesse für bestimmte Spezialgebiete, wie beispielsweise für Medaillen. Die Pirckheimersche Medaillen­ sammlung hat er sehr ansehnlich vermehrt und ihr eine kostbare Sammlung geschnittener Steine, deren Pirckheimer wohl nur erst wenige besessen hatte, hinzugefügt. Von diesen schritt er fort zu anderen Werken der kleinen Plastik: antiken Bronzen, modernen Plaketten, Reliefs und Figürchen aus Stein, Holz, Ton u. s. f. Unter diesen verzeichnet das Inventar von 1580 beispielsweise auch »in einem bichßlein doctor Johan Birckhamer, in stein geschnitten von Albrecht Dürer c, ebenfalls aus Pirckheimers Nachlaß stammend. Willibald Imhoff selbst in seiner Aufzeichnung von 1573 —1574 erwähnt übrigens nichts von Dürers Autorschaft. Gerade solche Werke der Kleinkunst finden sich in den Inventaren besonders eingehend beschrieben, antikes von modernen Werken überall wohl unterschieden. Auch andere antike Gegenstände kauft er, wo er sie bekommen kann. So verzeichnet das Inventar von 1580 u. a. »ein schön grosen römischen irden krug, wie man diser zeit dieselben von silber macht, sampt noch vierundzwainzig allerlei alter römischer vasa oder gefeß«, sowie »ein vasum mit silber eingelegten blechen, kaiser Traiani zu ehren gemacht, mit schöner alter schrift« u. s. f. Aber, wie schon früher bemerkt, ein näheres Eingehen auf Einzelheiten würde hier viel zu weit führen und ebenso eine Betrachtung etwa über die Preise, die Willibald Imhoff gezahlt und die zumeist erheblich höheren, die er bei den einzelnen Gegenständen als Schätzungswert bemerkt hat. Ein Eingehen darauf würde überdies, um wirklich fruchtbar zu sein, zur not­ wendigen Voraussetzung haben müssen, daß uns die betreffenden Objekte noch erhalten oder richtiger ihrem Verbleib nach

79 bekannt geblieben wären. Das trifft aber leider kaum in einem einzigen Falle zu} und was von den Werken der Kleinkunst gilt, das gilt ähnlich auch von den Skulpturen größeren Umfangs, den Statuen und Büsten aus Marmor oder Ton, unter denen wiederum die antiken Werke sich der besonderen Gunst und Liebe ihres Besitzers erfreuten, ferner von den Gemälden, der reichen Kupferstichsammlung, den Handzeichnungen berühmter Meister, der ansehnlichen Bibliothek, der Sammlung von Majoliken, von venezianischen Gläsern u. s. w., die einst Willibald Imhoff sein eigen nannte. Nur in seltenen Ausnahmefällen vermögen wir, wie etwa bei jener Büste Willibald Imhoffs von Jan de Zar oder bei den Gemälden, Handzeichnungen und Kupferstichen Dürers, die Rudolf II. kaufte, noch heute mit Bestimmtheit ihren Aufenthalts­ ort anzugeben. Andere vermutlich bedeutende, zum mindesten kunstgeschichtlich hochinteressante Werke, wie ein Salvator, ein Marienbild, eine Veronica von Dürer, zwei 1494 zu Straßburg von ihm gemalte Bilder — »ein alter man in ein tefelein, ist zu Stroßpurg sein meister gewest, auf pergamenc und »ein weibspild auch in ein tefelein, olifarb, so darzu gehört, gemalt von im zu Straspurg 1494« schreibt W. Imhoff selbst in dem Verzeichnis von 1573/1574, wonach an der Tatsache eines Aufenthalts Dürers in Straßburg zu der angegebenen Zeit doch wohl kaum, wie Thausing es tut, gezweifelt werden kann —, eine »Lucretia, von meister Lucas [sc. Cranach] zu Wittenberg gemalt«, »ein tefelein, olifarb, von Wolgemut, ist ein frau mit einer alten paurenhauben«, mehrere Bilder von Penz und noch vieles mehr ist heute entweder ganz verschollen oder doch nicht mehr mit Sicherheit zu identifizieren. *) Auch von einer kleinen, aber gewählten Geweih- oder, wie der alte Ausdruck lautet, »khürn-«, »gehürn«, d. h. Gehörn-Sammlung, deren Anfänge gleichfalls auf Pirckheimer zurückgehen, hat sich nichts erhalten. Eines der Hauptstücke dieser Sammlung war »in einem vier*) Im Anhang III gebe ich eine Zusammenstellung der nicht lediglich ganz allgemein bezeichneten, sondern etwas genauer beschriebenen Kunstgegen­ stände der Willibald Imhoffschen Sammlung nach der Hs. Amb.. 66 4° der Nürnberger Stadtbibliothek. Von den Albrecht Dürer zugeschriebenen Werken ist jedoch bei dieser Zusammenstellung abgesehen worden, da hier die Arbeit im wesentlichen bereits von Eye a. a. O. in seiner »Übersichtstafel« geleistet worden ist, einige der wichtigsten Notizen ja überdies in die vorliegende Ab­ handlung selbst Aufnahme gefunden haben.

80 eckichten schwarzen schubledlein von ebeneholz ein hasen-gehürn, geschezt umb sechzehen gülden«.1) In den eigenhändigen Auf­ zeichnungen Imhoffs figuriert dieses seltene Naturspiel als »ein recht warhaftig hasengehurn, kost mich vom Christof Ebner selbst fl. 16«.2) 1634 ward dieses »haasengehirn mit seiner schaln, so ao. 1525 aus Hispania gekommen« von Johann Hieronymus Imhoff, dem Enkel Willibalds, an Mathäus von Overbeck nach Leiden in Holland für 30 Reichsthaler verkauft.3) Im übrigen will ich auf die späteren Schicksale des Imhoffschen Kunstkabinettes, auf die Geschichte der allmählichen Veräußerung der angesammelten Kunstschätze hier nicht näher eingehen, zumal bereits Eye auf Grund der Hauptquelle, Johann Hieronymus Imhoffs Geheimbüchlein, das sich ebenfalls auf der Nürnberger Stadtbibliothek befindet, gerade hierüber ausführlicher gehandelt hat, ohne indessen den Nachkommen Willibald Imhoffs überall volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Daß man bald nach Imhoffs Tode mit dem Verkauf einiger der besten Stücke begann, also dem ausdrücklichen Wunsche des Ver­ storbenen durchaus zuwider handelte, soll nicht beschönigt werden. Daß aber im 17. Jahrhundert, als der Imhoffsche Handel immer mehr zurückging, der Wert des Geldes rasch sank und endlich der dreißigjährige Krieg, der die Blüte ganzer Städte und Länder vernichtete, auch dem Wohlstände Nürnbergs und seiner Bürger unheilbare Wunden schlug, daß damals die Enkel Willibald Imhoffs dem Andringen namentlich der reichen holländischen und englischen Handelsherren und ihrer Agenten, zu denen auch der Nürnberger Maler Michael Herr und der gleichfalls in Nürnberg ansessige Abraham Bloemaert gehörten, im Drange der Not nicht widerstanden haben, kann man ihnen in der Tat nicht so sehr verübeln. Daß es ihnen nicht immer leicht geworden ist, sich von ihren Kunstschätzen zu trennen, ersieht man unter anderm aus den Aufzeichnungen eben jenes Johann Hieronymus. Aber die Not sprach gebieterisch und so ward J) Inventar von 1580. 2) Hs. »Was ich für antiquiteten . . . hab« von 1573 — Amb. 664° der Nürnberger Stadtbibliothek — Bl. 3 b. 3) Hans Hieronymus Imhoffs Geheimbüchlein — Nürnberger Stadtbiblioljbek ßl 74 a.

Amb. 63, 40 der

81 die kostbare Kunstkammer Willibald Imhoffs, die noch sein Sohn Hans nach Möglichkeit zu vermehren gesucht hatte; im Laufe weniger Jahrzehnte in alle Himmelsgegenden zerstreut. Nur sehr weniges davon hat sich im Besitze der Familie bis in das 18. Jahrhundert hinübergerettet. Es ist freilich den anderen Nürnberger Privatsammlungen des 16. Jahrhunderts zumeist nicht viel besser ergangen, viel­ fach sogar noch schlimmer, wenn etwa der Verfall des Wohl­ standes, wie wir das in einzelnen Fällen nachweisen können, mehr plötzlich und unerwartet eintrat. Als Ende Mai 1570 Kaiser Maximilian II. nach Nürnberg zu kommen beabsichtigte, sandte er ein Schreiben voraus, worin er den Rat der Stadt ersuchte, was etwa zur Zeit an »allerlei künstlicher Arbeit von Silber und anderm« »vor der hand sei«, nicht aus der Stadt heraus zu lassen, bis er es in Augenschein genommen habe, worauf auch der Rat die nötigen Weisungen erließ. Als dann am 8. Juni Maximilian in Nürnberg weilte, heißt es in den Rats­ verlässen: »Dieweil die keiserliche majestät nochmals begern, alle kunststuck, so zu wegen zu bringen, irer majestät hinauf ins schloß zu antworten, soll man dem Gamitzer, Lencker, Strolunzen und andern, die dergleichen haben, solchs zu thun auflegen« 1). Daß Wenzel Jamnitzer und Hans Lencker, die beiden bedeutendsten und beschäftigtsten Goldschmiede des damaligen Nürnberg, hier ausdrücklich namhaft gemacht werden, kann nicht besonders wunder nehmen. Wer aber war jener Strolunz, der mit ihnen zusammen als einer der hauptsächlichsten Besitzer von Kunstwerken, namentlich wohl Goldschmiedearbeiten, erscheint? Die Ratsverlässe geben über ihn mannigfache Auskunft. Wir entnehmen denselben2), daß Lienhard Strolunz ein offen­ bar sehr wohlhabender Kaufmann war, der namentlich einen ausgedehnten Handel mit englischen Tuchen betrieb. Schon 1544, wo er zu Ulm Hochzeit hielt, kommt sein Name in den *) Die Tatsache schon bei Soden, Kaiser Maximilian in Nürnberg, S. 64 (doch mit Druckfehler oder Verlesung: »Strolung») und darnach bei M. Rosen­ berg, Hans Lencker, ein Zeitgenosse Wenzel Jamnitzers in der Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbevereins in München 1894 S. 95 (»Strohlung«). 2) Vgl. Anhang IV, wo sich einige, die Familie Strolunz betreffende Ratsverlässe zusammengestellt finden. Sie sind freilich mehr für die Handels­ geschichte als für die Kunstgeschichte Nürnbergs von Interesse.

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82 Ratsverlässen zum erstenmale vor. Mit der gleichfalls sehr ver­ mögenden Kaufmannsfamilie der Gewandschneider stand er in nahen verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen und auch an dem Betriebe der Bergwerke zur Eule in Böhmen war wohl bereits Lienhard Strolunz wie später seine Söhne in er­ heblichem Mäße beteiligt. Indessen scheint sein Vermögen doch nicht sicher fundiert gewesen zu sein, denn sein älterer Sohn Hans machte, wie es scheint, 1589, wenige Jahre nach des Vaters Tode, Bankerott, und den jüngeren, Leo mit Namen, finden wir bereits 1587 zu Prag Schulden halber »in Verstrickung«. Acht Jahre später begegnet er uns noch einmal als »der römischen kaiserlichen Majestät Berg- und Gegenschreiber zu Eul«. Was für Kunstschätze die Strolunz in der Zeit ihres Wohlstandes besessen haben und wohin sie gekommen sind, darüber findet sich leider keinerlei Angabe oder Andeutung. Auch bei Wenzel Jamnitzer gab es wohl nicht nur Arbeiten des großen Künstlers selbst zu bewundern. Wenn wir einer Angabe Murrs *), die ich im Augenblick nicht näher auf ihre Zuverlässigkeit prüfen kann, vertrauen dürfen, war er es, der den Hauptanteil des Dürerschen Nachlasses von dessen Bruder Andreas erbte. Aber auch nach dem Tode Jamnitzers (1588) stellten sich bei seiner Familie Zahlungsschwierigkeiten und sonstige Kalamitäten ein, und nun kaufte aus dem t Nachlaß Jamnitzers, wie Murr sagt, Herr Paul von Praun vieles für seine Samm­ lung. »Dies weiß ich aus dessen schriftlichen Nachrichten«, fügt Murr hinzu. Also auch für einen Teil des ehemals so berühmten Praunschen Kunstkabinettes würde danach die Her­ kunft aus Albrecht Dürers Besitze angenommen werden müssen. Paul von Praun, der Begründer dieses Kabinettes, ist neben Willibald Imhoff als der hervorragendste Kunstliebhaber und Sammler Nürnbergs im 16. Jahrhundert zu betrachten. Seiner Lebenszeit und Sammlertätigkeit nach gehört er jedoch bereits einer um etwa ein Menschenalter späteren Epoche und Ent­ wicklungsstufe an, repräsentiert gewissermaßen die Nürnberger Spätrenaissance. Über das Leben und den Entwicklungsgang ') Journal II, 231 f.

83 Prauns, seinen Charakter, seine Art zu sammeln u. s. w. sind wir bisher verhältnismäßig wenig orientiert, in der Literatur so gut wie allein auf die dürftigen Notizen, die Murr in dem Vor­ wort zu seiner Beschreibung des Praunschen Kabinettes (Nürn­ berg 1797) mitteilt, angewiesen. Darnach war er 1548 in Nürnberg geboren als jüngerer Bruder des durch seine weiten Reisen bekannten Stephan (III.) von Praun, genoß eine seinem Stande angemessene Erziehung, »führte das Leben eines Philo­ sophen« und blieb unverheiratet. Er lebte abwechselnd in Nürnberg und in Bologna, nur darauf bedacht, die Sammlung von Gemälden und Kupferstichen, von Handzeichnungen und Skulpturen aller Art, geschnittenen Steinen, Medaillen u. s. f., die er frühzeitig anzulegen begonnen hatte, zu vermehren, seinen Geschmack an den Werken der Kunst selbst und im Umgang mit bedeutenden Künstlern, in Italien Giovanni da Bologna, Guido Reni, Lanfranco u, a., in Nürnberg Jost Amman, Wenzel und Christoph Jamnitzer etc. zu bilden. Als 1597 die Ver­ suchung auch an ihn herantrat in Form eines sehr schmeichel­ haften Briefes eines der Agenten Kaiser Rudolfs II., der gern Gemälde Michelangelos, Raphaels, Parmeggianos oder Correggios von ihm gehabt hätte und sich erbot, ihm seltene und kostbare Steine dafür in Tausch zu geben, war Praun zu nichts zu bewegen. Im Jahre 1616 schickte er seine ganze kostbare Sammlung von Bologna aus nach Nürnberg und schenkte sie seiner Familie als Fideikommiß. Er selbst hatte die Absicht, baldigst nachzukommen, um sein Leben in der Heimat zu beschließen. Aber noch vor der Ausführung dieses Planes starb er am tV Juli des genannten Jahres zu Bologna, wo er auch begraben liegt.1) Schon aus den wenigen Notizen bei Murr erkennen wir, daß Paul von Praun noch in weit höherem Maße als selbst Willibald Imhoff mit Leib und Seele Sammler, ja so gut wie ausschließlich Sammler war, und dadurch eben kennzeichnet sich unter anderm die neue Entwicklungsphase, die er repräsenl) Auch die Nürnberger Ratsverlässe erwähnen seinen Tod. »Paulußen Braun«, heißt es zum 23. Juli 1616 wohl anläßlich der Öffentlichen Bekannt­ machung seines Todes, »der zu Bononien in Italia gestorben und den man alhie den erbarn und vesten anschreiben will, soll man das predicat »vest« austhun und an dessen statt »furnem« setzen«.

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84 tiert, die indessen zu Ausgang des 16. und dann vor allem im 17. Jahrhundert in dem mehr und mehr verarmenden Deutsch­ land weit weniger Vertreter findet als in Italien, Frankreich und besonders in den Niederlanden und in England. Daß zu diesem Unterschiede zwischen der Art Imhoffs und derjenigen Prauns daneben auch wesentlich der Umstand beitrug, daß Paul von Praun für keine näheren Angehörigen zu sorgen hatte, während Imhoff eine zahlreiche Familie zurückließ, soll nicht verkannt werden. Geht man ferner die Inventare Willibald Imhoffs durch, so hat man doch im allgemeinen und abgesehen von den Werken der Kleinkunst, den Münzen, Medaillen, Gemmen u. s. w., sowie von den Kupferstichen, Holzschnitten, Handzeichnungen noch die Empfindung, es mit einem durch zahlreiche Kunstgegenstände bereicherten und auf eine höhere Stufe gehobenen Hausrat zu tun zu haben. Die Gemälde z. B. sind noch durchaus zum Schmuck der Zimmer da, nicht die Zimmer, um nach und nach mit Gemälden vollgehängt zu werden. Das Sammeln ist sich noch nicht Selbstzweck geworden. Das aber scheint es bei Paul von Praun in der Tat gewesen zu sein. Wie gleichzeitig Rudolf II. auf dem Hradschin Schätze über Schätze häufte und ohne jede Rücksicht auf Schönheit der Anordnung einen Saal und ein Zimmer des weitläufigen Schlosses nach dem andern ausräumen und mit Gemälden und sonstigen Kunstgegenständen anfüllen ließ, so ist auch die Praunsche Sammlung nicht mehr in erster Linie als luxuriöser Hausrat aufzufassen. Allerdings überwiegen auch in ihr noch, wie das ja bei den einem Privatmann zur Verfügung stehenden immerhin beschränkten Räumlichkeiten nicht mehr als natürlich ist, die Werke der Kleinkunst und der graphischen Künste. Von den mehr als 500 Seiten, die der Murrsche Katalog der Praunschen Sammlung umfaßt, kommen 237 auf die eingehende Beschreibung der mehrere 1000 Nummern umfassenden ge­ schnittenen Steine, der Edelsteine und der Medaillen, dazu 193 Blätter auf Miniaturen, Handzeichnungen, Kupferstiche und Holzschnitte, die ebenfalls einen ungemeinen Reichtum der seltensten Blätter der berühmtesten Meister aufweisen. Ein kleiner Abschnitt des stattlichen Bandes ist ferner den Naturalien und Büchern, der Rest, im ganzen nur noch etwa 50 Seiten,

85 der leider recht dürftig gehaltenen Aufzählung der Gemälde und Skulpturen gewidmet. Immerhin umfaßte Paul Prauns Ge­ mäldegalerie bereits 250 Nummern und wies eine große Reihe glänzender Namen auf. Nach den auf ihre Richtigkeit aller­ dings schwer zu kontrolierenden Angaben des Murrschen Kataloges enthielt sie u. a. zwei Gemälde von Michelangelo, eines von Lionardo (S. 15: »Quatre petites Tetes. Sur böis«), zwei von Raphael, eines von Mantegna, zwei von Tizian, zehn von Albrecht Dürer, darunter das bekannte Porträt seines Lehrers Wolgemut, jetzt in der alten Pinakothek zu München, aber auch verschiedene, die heute mit besserem Recht anderen Meistern z. B. Schäuffelein zugeschrieben werden, ferner drei Gemälde von Christoph Amberger, darunter das treffliche Porträt Sebastian Münsters (heute in Berlin) u. s. f. Besonders zahl­ reich ist natürlich die mitlebende Künstlerschaft, namentlich Nürnbergs und Bolognas, vertreten, so Hans Hofmann, der be­ kannte Dürerkopist und Hofmaler Rudolfs II., allein mit 34 Bildern. Unter den Bronzen ragen besonders solche von Gio­ vanni da Bologna hervor. Gut vertreten waren offenbar auch die Skulpturen aus Marmor, Alabaster und gebranntem Ton. Ich beschränke mich hinsichtlich der Bestände des Paul von Praunschen Kunstkabinetts auf diese wenigen Angaben, da mir neues urkundliches Material hierüber nicht zur Verfügung stand. Das von Praunsche Familienarchiv in München bietet dergleichen weder für die Lebensgeschichte des Gründers, noch für die Zusammensetzung seiner Sammlungen, und so bleiben wir denn im wesentlichen für die Kenntnis des Kabinetts auf die Nachrichten des Murrschen Kataloges angewiesen, neben denen namentlich noch die zeitlich vorangehenden Beschreibungen von Keyßler in seinen Reisen (1751) und von Will im 35. Stück seiner Nürnberger Münzbelustigungen (1766) anzuführen wären. Insbesondere finden wir keinerlei Notiz, die uns über die Pro­ venienz der Paul von Praunschen Kunstschätze aufzuklären geeignet wäre, denn wenn Keyßler meint, daß dem Gründer der Sammlung wohl viele Dinge aus den unter Kaiser Karl V. von der geplünderten Stadt Rom Weggefährten und hier und da zerstreuten Sachen in die Hände geraten seien, so bleibt dies lediglich eine noch dazu höchst vage Vermutung. Nicht

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viel besser sind wir leider bisher über den Verbleib der kost­ baren Sammlung unterrichtet, und nur über die Vorgänge bei der Entäußerung derselben durch die von Praunsche Familie, zu deren Fideikommiß sie der Stifter samt seinem Hause am Weinmarkte erklärt hatte, bietet der im von Praunschen Archive befindliche III. Band der Familienchronik, der mir von dem derzeitigen Geschlechtsältesten, Herrn Oberstleutnant Friedrich von Praun, für die Zwecke dieses Aufsatzes in liebenswürdigster Weise zur Einsicht überlassen wurde, willkommene Aufschlüsse. Danach wurde offenbar bereits die Herstellung und der Druck des Kataloges mit dem Hintergedanken, bei einem dereinstigen, nicht zu fernen Verkauf der Sammlung insbesondere auswärtigen Kauflustigen zur Orientierung zu dienen, ins Werk gesetzt. Am 22. Juni 1796 lieferte Murr das »nun nach Verfluß von mehr als 20 Jahren endlich vollendete Manuskript ein«. In den nun folgenden Verhandlungen über die Abfindung, beziehungsweise Honorierung von Murrs, heißt es in der Chronik, »benahmen wir (d. h. die fünf Brüder Sigmund, Friedrich, Jobst, Paul und Wilhelm von Praun) demselben vor allen Dingen den Wahn, als würden wir vielleicht einem zwischen ihm und unserem seligen Vater mit noch anderen Bedingungen errichteten Akkord, vermöge welchem er 10°/o von einer einstigen Verkaufs-Summa erhalten würde, nachkommen«. Nach längerem hin und her einigte man sich schließlich auf ein einmaliges Honorar von 1200 fl., und die Drucklegung einer Auflage von 1000 Exemplaren des Kataloges begann. Allein die nun unmittelbar folgende Zeit der französischen Invasion ließ zunächst alle weiteren Schritte zur Veräußerung der Sammlung unratsam erscheinen. Indessen war die Befürchtung der Besitzer, »es möchte vielleicht einem oder dem andern von denen französischen Generalen oder Kom­ mandanten gefallen, das Kabinett zu besehen und eine beliebige Auswahl für sich zu treffen«, wenn auch nicht grundlos, so doch unnötig gewesen; nur der französische General-Inspekteur Dumouriez besichtigte »ohne nachteilige Folgen« die Sammlung. Nach dem Abzüge der Franzosen knüpften dann im April 1797 der Kaufmann Büttner und der Kunsthändler Joh. Friedr. Frauen­ holz in Nürnberg, die sich schon früher kauflustig gezeigt hatten, ernstlichere Unterhandlungen wegen Ankaufs des Kabinettes an,

87 die jedoch erst nach vier Jahren (20. April 1801), nachdem man lange gehofft, »die zu erwartenden ruhigen und friedlichen Zeiten würden noch bessere Käufer herbeiführen«, zum Ab­ schlüsse gelangten. Damals also wurden die gesamten Bestände des ehemaligen Paul von Praunschen Kunstkabinettes an die genannten beiden Reflektanten, denen sich noch der bekannte Sammler von Derschau als »stillschweigender Mitkäufer« zu­ gesellt hatte, für insgesamt 37700 Gulden verkauft. In der Familienchronik werden neun Gründe für diesen Verkauf nam­ haft gemacht, unter denen auch und gewiß als ein sehr wichtiger Faktor die unglückliche Lage des nürnbergischen Staates, »die Stockung, ja der fast gänzliche Stillstand der öffentlichen Zah­ lungen und die daraus entstehenden »Verlegenheiten und Besorg­ nisse der Staatsgläubiger, unter denen auch wir uns befinden«, figurieren. — Mochte nun auch Derschau ohne Zweifel bei seiner Teilnahme an dem Kaufe von edlerem Triebe beseelt gewesen sein und sich einige der Praunschen Kunstsachen für die eigene Sammlung gesichert haben, so gingen doch die Hauptkäufer, wie es scheint, lediglich auf den Gelderwerb aus. Gleich nach der Übernahme der Sammlung begann auch deren Weiterverkauf, der freilich durch die sich fortgesetzt ver­ schlechternden politischen Verhältnisse sehr erschwert wurde, bis endlich nach dem Zusammenbruch der österreichischen Staats­ finanzen eine durch die Not beschleunigte Auktion die Reste des einstigen Praunschen Kunstkabinettes nach allen Himmels­ richtungen hin entführte. Es ließen sich nun aus dem 16. und beginnenden 17. Jahr­ hundert noch manche Nürnberger Kunstfreunde und Sammler nennen, wie es denn wohl richtig ist, daß etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts die meisten vornehmen und reichen Bürger, insbesondere die Patrizier, ihre Ehre darein setzten, Dürersche Blätter zu sammeln und womöglich das Werk des Meisters voll­ ständig zusammenzubringen. So wohnte gleich Haus an Haus mit Willibald Imhoff ein solcher Sammler namentlich von Kupfer­ stichen, der seiner Zeit als Arzt weit berühmte Melchior Ayrer, den wir gelegentlich auch mit Willibald Imhoff in nachbarliche Streitigkeiten verwickelt sehen1); so geben uns auch Imhoffs l) Vgl. Anhang II zu den Jahren 1570 und 1571.

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eigene Aufzeichnungen mehrfach Nachricht von anderen leiden­ schaftlichen Kunstliebhabern im alten Nürnberg, von deren Erben er dann wohl seine Schätze erstand, von Paulus Koler, Jörg und Hans Ebner und anderen. Ebenso nennt uns Neu­ dörfer1) auch einen Christoph Koler als verständigen Liebhaber der Kunst, sammelte Paulus Behaim (III.), der allerdings be­ reits der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts angehört, auf das eifrigste Kupferstiche, worüber sein im Berliner Kupferstich­ kabinett handschriftlich erhaltener Katalog genaue Auskunft gibt, u. s. f. Hin und wieder nehmen sogar die Ratsprotokolle von solchen und ähnlichen Kunstsammlungen, von denen sich manche Reste noch heute im Privatbesitz erhalten haben mögen, Notiz. 1603 handeln eine Anzahl Ratsverlässe von den Kupfer­ stichen, die Barbara Schlüsselbergerin aus dem Nachlaß ihres Mannes feil geboten hat. Ein anderes Mal (1614) heißt es, daß Jeronymus Örtel »viel schöner Sachen hinderlassen« habe, die seine Erben der Stadt zum Kauf anbieten etc,, der zahl­ reichen Ratsverlässe, die etwa von den häufig vorkommenden Überschreitungen der Hochzeitsordnung handeln oder sonst Einblick in den im 16. Jahrhundert bei den reichen Bürgern Nürnbergs herrschenden Luxus und ihren Kunstsinn gewähren, ganz zu geschweigen. Doch ich will es bei den mehr als Typen aufgefaßten und dementsprechend in obigem ausführlicher behandelten Bei­ spielen aus der Frühzeit des Humanismus, der Hoch- und Spät­ renaissance bewenden lassen und nur noch die spätere Ent­ wicklung des Kunstkenner- und Sammlertums im reichsstädtischen Nürnberg zu skizzieren versuchen, obgleich freilich die Bilder, die sich uns dabei entrollen werden, den Reiz jenes echten und tiefen Kunstempfindens, wie es uns in den Zeiten der Renais­ sance entgegentrat, zumeist schmerzlich vermissen lassen. Ein größerer kultureller Abstand, als er für Deutschland zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert zu konstatieren ist, be­ steht in der Geschichte kaum zwischen zwei unmittelbar auf einander folgenden Epochen; man müßte denn etwa auf die ’) Ausgabe von Lochner S. 84.

89 jüngste Vergangenheit hinweisen und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dessen zweiter Hälfte und unserm be­ ginnenden 20. Jahrhundert vergleichen wollen. Wenn aber hier, wie das ja auch als naturgemäß gelten darf, ein solcher Ver­ gleich ohne Zweifel zu Gunsten des späteren Zeitabschnitts ausfallen, notwendig diesem die höhere Kultur zugeschrieben, also eine kräftige, hier und da nur allzurasche Fort- und Weiter­ entwicklung festgestellt werden müßte, finden wir bei der Be­ trachtung unseres deutschen Vaterlandes im 16. und dann im 17. Jahrhundert die Unnatur des umgekehrten Vorganges: rasch und nahezu unvermittelt steigt unser Volk im Laufe des 17. Jahr­ hunderts von der Höhe der Kultur, die es, auch im Vergleich mit anderen Völkern, noch im 16. Jahrhundert eingenommen, herunter, oder richtiger: es wird von dieser Höhe herab­ geschleudert namentlich durch die entsetzliche Kriegsfurie, die nun dreißig Jahre lang das Land verwüstet. Dahin ist nun jene Größe und Freiheit, wie sie in der Kunst der Renaissance oder in dem Werke der Reformation zum Ausdruck gekommen war, dahin ist der Wohlstand der Städte und mit ihm der edle Bürgerstolz und die Menge kraftvoller Charaktere, die uns das 16. Jahrhundert hindurch begegnen; der politische Einfluß des alten römischen Reiches deutscher Nation, der sich namentlich unter Maximilian I. und Karl V. noch einmal zu verstärken geschienen hatte, ist in jenem 17. Jahrhundert auf Null herab­ gesunken, der deutsche Name für lange Zeit zu einem Ge­ spött geworden. Dieser Wandel macht sich fast in allen Erscheinungen und Verhältnissen auf das nachdrücklichste geltend und dokumentiert sich ganz besonders auffällig auch in der weiteren Entwicklung des Kunstkenner- und Sammlertums. Während andere Länder, vor allem die Niederlande und England, eben in jener Zeit eine Blüte ihres Kunstverständnisses erleben, sehen wir in Deutsch­ land dieses Verständnis und sogar das noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts so mächtig geschwellte Kunstinteresse mehr und mehr schwinden. Es weicht einer öden Raritätensucht und Kuriositätenliebhaberei und wird hie und da von dem wachsen­ den Interesse an dem Sammeln von Naturalien fast ganz er­ drückt. Besonders die gleichzeitige nun in rascher Zunahme

90 begriffene museologische Literatur, für die hier lediglich auf die wohl von dem Herausgeber Graesse herrührenden Aus­ führungen und Inhaltsangaben in Nr. 20 des III. Bandes der Zeitschrift für Museologie1) hingewiesen sein mag, bietet dafür viele Belege. Man lese nur beispielsweise die Beschreibung der Kunst- und Naturalienkammer des Dr. Lorenz Hofmann in Halle, deren Katalog 1625 im Druck erschien. Der abgeschmackte Titel dieses Buches entspricht genau dem wunderlichen und seltsamen oder, wie man bis ins 18. Jahrhundert sagte, »curiösen« Inhalt der famosen Sammlung selbst. Er lautet: »0aöp,aTO