Kritische Gesamtausgabe. Band 12 Briefwechsel 1811-1813: (Briefe 3561-3930) 9783110665369, 9783110618785

Friedrich Schleiermacher (1768–1834) was a prodigious letter-writer. Volume 12 of the fifth section of this critical edi

168 32 2MB

German Pages 570 Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Kritische Gesamtausgabe. Band 12 Briefwechsel 1811-1813: (Briefe 3561-3930)
 9783110665369, 9783110618785

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Briefe
Einleitung der Herausgeber
Editorischer Bericht der Bandherausgeber
Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel
Briefwechsel Januar 1811 bis Juni 1813
3561. Von Karl Friedrich Bachmann. Jena, Donnerstag, 3. 1. 1811-3715. Von Henrich Steffens. Breslau, Mitte Dezember 1811
3716. An Elise Müller. Berlin, vor dem 17. 12. 1811-3881. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 23. 5. 1813
3882. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 25.5. bis Sonnabend, 29. 5. 1813-3545a. Von Christian Gottfried Daniel Stein. Berlin, 7. 12. 1810
Abkürzungen und editorische Zeichen Archive der Briefmanuskripte Literaturverzeichnis
Abkürzungen und editorische Zeichen
Archive der Briefmanuskripte
Literaturverzeichnis

Citation preview

Friedrich Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe V. Abt. Band 12

Friedrich Daniel Ernst

Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Lutz Käppel und Andreas Arndt, Jörg Dierken, Andre´ Munzinger, Notger Slenczka

Fünfte Abteilung Briefwechsel und biographische Dokumente Band 12

De Gruyter

Friedrich Daniel Ernst

Schleiermacher Briefwechsel 181121813 (Briefe 356123930)

Herausgegeben von Simon Gerber und Sarah Schmidt

De Gruyter

Dieser Band wurde im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern im Akademienprogramm mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und mit Mitteln des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei 2 Wissenschaft und Forschung erarbeitet.

ISBN 978-3-11-061878-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066536-9 Library of Congress Control Number: 2019938963 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.  2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: Rudolf Hübler, Berlin Satz: Pagina GmbH, Tübingen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss GmbH, Mörlenbach www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Einleitung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV I. Die Kritische Schleiermacher Gesamtausgabe . . . . . . . . . . . . XXV II. Die V. Abteilung (Briefwechsel und biographische Dokumente) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV III. Editorische Grundsätze für die V. Abteilung ab Band 10 . . XXVI 1. Textgestaltung und textkritischer Apparat . . . . . . . . . XXVII 2. Druckgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXX Editorischer Bericht der Bandherausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXVII

Briefwechsel Januar 1811 bis Juni 1813 Briefe 3561–3930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Nachtrag zu den Jahren 1808 bis 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Abkürzungen und editorische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Archive der Briefmanuskripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

Verzeichnis der Briefe

Das * vor der Briefnummer bezeichnet erschlossene Briefe. 3561. Von Karl Friedrich Bachmann. Jena, Donnerstag, 3. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3562. An Adolph Müller. Berlin, vor dem 4. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3563. Von Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Bunzlau, Freitag, 4. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3564. Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Sonnabend, 5. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3565. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Sonnabend, 5. 1. bis Sonntag, 6. 1. 1811 . . . . . . . 3566. Von Adolf Friedrich Furchau. Götemitz, Montag, 7. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3567. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 7. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3568. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Dienstag, 8. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3569. Von Henrich Steffens. Halle, Dienstag, 8. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3570. Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Donnerstag, 10. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3571. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Sagard, Freitag, 11. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3572. Von Christoph Friedrich Ammon. Erlangen, Sonnabend, 12. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3573. Von Sophie Schlichtkrull. Poseritz, Sonnabend, 12. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3574. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Montag, 14. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3575. Von Christoph Friedrich Ammon. Erlangen, Dienstag, 15. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 4 4 6 9 14 15 16 18 20

22 25 26 27 29

VIII

Verzeichnis der Briefe

3576. Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Dienstag, 15. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3577. Von Charlotte Cummerow. Stralsund, Mittwoch, 16. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3578. Von Philipp Wilhelm und Ena (Julie) Wolf (diese auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Zossen, Donnerstag, 17. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3579. An Johann Christian Reil. Berlin, Freitag, 18. 1. oder Sonnabend, 19. 1. 1811 . . . . . 3580. An Wilhelm Christian Müller. Berlin, Sonnabend, 19. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3581. Von Christlieb Benjamin Hering. Stolp, Sonnabend, 19. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3582. An Christoph Friedrich Ammon. Berlin, Dienstag, 22. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3583. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 27. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3584. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Montag, 28. 1. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3585. An Georg Wilhelm Bartholdy. Berlin, wohl Januar 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3586. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Montag, 4. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3587. Von Friedrich Frommann. Jena, Donnerstag, 7. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3588. An Philipp Konrad Marheineke. Berlin, vor dem 8. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3589. An Christoph Friedrich Ammon. Berlin, Sonnabend, 9. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3590. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 9. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3591. Von Philipp Konrad Marheineke. Heidelberg, Sonnabend, 9. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3592. An Wilhelm Christian Müller. Berlin, Dienstag, 12. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3593. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 12. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3594. An die Direktion des Landschullehrerseminars (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Mittwoch, 20. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 31

32 34 34 37 39 39 40 44 44 45 46 46 46 47 48 51

53

Verzeichnis der Briefe

3595. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 20. 2. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3596. An Christian Gottlieb Konopak. Wohl Mitte oder Ende Februar 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . *3597. Von Charlotte von Kathen. Januar/Februar 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3598. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 7. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3599. An Christoph David Anton Martini. Berlin, Sonnabend, 9. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3600. An Unbekannt. Berlin, Mittwoch, 13. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3601. An Friedrich Frommann. Berlin, Sonnabend, 16. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3602. An Josias Friedrich Christian Loeffler. Berlin, Sonnabend, 16. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3603. An Friedrich Severin Metger. Berlin, Sonnabend, 16. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3604. Von Theodor Anton Heinrich Schmalz. Berlin, Montag, 18. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3605. Von Johanna Steffens. Wohl Halle, Dienstag, 19. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3606. Von Christoph David Anton Martini. München, Freitag, 22. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3607. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, vor dem 24. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3608. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Mittwoch, 27. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3609. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, vor dem 31. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3610. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonntag, 31. 3. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3611. Von Carl Friedrich Grahl. Berlin, Montag, 1. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3612. Von Johann Gottlieb Friedrich Zenker. Berlin, Montag, 1. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3613. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Donnerstag, 4. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3614. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 4. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

53 58 58 59 60 61 61 61 63 64 65 67 69 71 72 73 74 75 75 76

X

Verzeichnis der Briefe

*3615. Von Christoph David Anton Martini. München, um den 5. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3616. An Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Berlin, Sonnabend, 6. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3617. An Marianne von Homburg, Prinzessin von Preußen. Berlin, Montag, 8. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3618. An Christian Gottfried Körner. Berlin, vor dem 14. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3619. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonntag, 14. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3620. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 17. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3621. Von Ludwig Kosegarten. Greifswald, Donnerstag, 18. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3622. Von Marianne von Homburg, Prinzessin von Preußen. Berlin, Donnerstag, 18. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3623. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, vor dem 20. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3624. Von Carl Ludwig Nitzsch. Wittenberg, Sonntag, 28. 4. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3625. Von Barthold Georg Niebuhr. Berlin, Montag, 8. 4., 22. 4. oder 29. 4. 1811 . . . . . . . . . . . *3626. An Barthold Georg Niebuhr. Berlin, wohl Ende April 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3627. Von Barthold Georg Niebuhr. Berlin, wohl Ende April 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3628. An Friedrich Frommann. April 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3629. An die Theologische Fakultät. Berlin, Mittwoch, 1. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3630. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 11. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3631. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 14. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3632. Von Unbekannt. Mitte Mai 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3633. Von Christoph David Anton Martini. München, Sonntag, 19. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3634. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Dienstag, 21. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 77 78 78 79 82 83 83 83 85 87 87 89 89 90 93 95 95 96

Verzeichnis der Briefe

3635. An Adolf Friedrich Furchau. Vor dem 22. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3636. Von Adolf Friedrich Furchau. Götemitz, Mittwoch, 22. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3637. Von Friedrich Frommann. Leipzig, Freitag, 24. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3638. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 29. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3639. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Mittwoch, 29. 5. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3640. Von Simand. Mai 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3641. An Henrich Steffens. Vor dem 1. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3642. Von Henrich Steffens. Halle, Sonnabend, 1. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3643. Von Karl Friedrich Klischnig. Berlin, Anfang Juni 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . 3644. Von Unbekannt. Anfang Juni 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3645. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 10. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3646. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Montag, 17. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3647. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 28. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3648. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Freitag, 28. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3649. An Christoph Wilhelm Hufeland. Berlin, vor dem 30. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3650. Von Christoph Wilhelm Hufeland. Berlin, Sonntag, 30. 6. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3651. Von Friedrich Severin Metger. Wohl zwischen Ende März und Ende Juni 1811 . . . . . . . 3652. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Montag, 8. 7. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3653. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 16. 7. bis Dienstag, 16. 7. 1811 . . . . . . . . . . . . . . 3654. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 18. 7. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

99 100 102 103 104 105 106 106 108 108 109 110 111 113 115 115 115 119 120 121

XII

Verzeichnis der Briefe

3655. Von Unbekannt. Berlin, Montag, 22. 7. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3656. Von Hans Karl Dippold. Danzig, Dienstag, 30. 7. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3657. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Mittwoch, 31. 7. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3658. An Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3659. An die Theologische Fakultät. Berlin, Donnerstag, 1. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3660. Von Ernst Gottfried Fischer. Berlin, Anfang August 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . 3661. Von Henrich Steffens. Halle, Freitag, 9. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3662. Von Unbekannt. Zwischen Juni und Mitte August 1811 . . . . . . . . . . . . . . . *3663. An Luise Reichardt. Vor dem 19. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3664. Von Luise Reichardt. Hamburg, Sonntag, 19. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3665. An Henrich Steffens. Berlin, Mittwoch, 21. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3666. An Georg Wilhelm Bartholdy. Berlin, vor dem 25. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3667. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Sonntag, 25. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3668. Von Henrich Steffens. Halle, Sonntag, 25. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3669. An Charlotte von Kathen. Vor dem 26. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3670. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, vor dem 26. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3671. Von Charlotte von Kathen. Vor dem 26. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3672. An Adolf und Sophie Schlichtkrull. Berlin, vor dem 27. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3673. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Luise von Willich). Sagard, Dienstag, 27. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 123 125 126 127 128 128 130 130 131 132 133 133 134 134 135 135 135

135

Verzeichnis der Briefe

3674. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 31. 8. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3675. Von Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli/August 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3676. An Charlotte von Kathen. Berlin, Sonntag, 1. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3677. Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Sommer 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3678. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 12. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3679. An Christian Gottlieb Konopak. Berlin, Freitag, 13. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3680. An Johannes Karl Hartwig Schulze. Berlin, Freitag, 13. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3681. An Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Görlitz, Montag, 16. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3682. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 16. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3683. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Montag, 16. 9. bis Dienstag, 17. 9. 1811 . . . . . . . . 3684. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Hirschberg, Mittwoch, 18. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3685. Von Adolf Schlichtkrull. Poseritz, Freitag, 20. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3686. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Hirschberg, Sonnabend, 21. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3687. Von Luise von Willich. Bunzlau, Sonnabend, 21. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3688. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Sonntag, 22. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3689. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Montag, 23. 9. bis Dienstag, 24. 9. 1811 . . . . . . . . 3690. Von Luise von Willich. Bunzlau, Dienstag, 24. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3691. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Breslau, Mittwoch, 25. 9. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3692. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Breslau, Freitag, 27. 9. bis Sonnabend, 28. 9. 1811 . . . . . . 3693. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Freitag, 27. 9. bis Sonnabend, 28. 9. 1811 . . . . . . .

XIII

137 138 139 141 145 146 147 149 149 149 152 153 154 156 157 159 162 164 166 168

XIV

Verzeichnis der Briefe

3694. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Sonntag, 13. 10. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3695. Von Binder (?). Berlin, Sonnabend, 19. 10. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3696. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Mittwoch, 23. 10. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3697. Von Caroline Birnbach. Berlin, Montag, 28. 10. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3698. Von Gottlieb Ernst August Mehmel. Erlangen, Freitag, 1. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3699. Von Philipp Konrad Marheineke. Berlin, Anfang November 1811 oder früher . . . . . . . . . . . 3700. Von Unbekannt (Weinhändler). Anfang November 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . 3701. An Frederick Christian Sibbern. Berlin, Donnerstag, 14. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3702. Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Donnerstag, 14. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3703. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Sonnabend, 16. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . *3704. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Vor dem 21. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3705. Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Donnerstag, 21. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3706. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 21. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . *3707. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, Montag, 25. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3708. Von August Twesten. Hamburg, Montag, 25. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3709. An Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Berlin, Sonnabend, 30. 11. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3710. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Sonntag, 8. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3711. Von Henrich und Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, vor dem 10. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3712. Von Heinrich Christoph von Willich. Stralsund, Dienstag, 10. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 172 174 174 175 175 175 176 178 181 182 184 186 186 188 189

192 195

Verzeichnis der Briefe

3713. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Donnerstag, 12. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3714. An Ludwig Friedrich von Froriep. Berlin, Sonnabend, 14. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3715. Von Henrich Steffens. Breslau, Mitte Dezember 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3716. An Elise Müller. Berlin, vor dem 17. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3717. Von Elise Müller. Bremen, Dienstag, 17. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3718. Von Sophie Schlichtkrull. Stralsund, Donnerstag, 19. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3719. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, um den 20. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3720. An Luise von Willich. Berlin, Donnerstag, 26. 12. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3721. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Montag, 30. 12. 1811 bis Mittwoch, 1. 1. 1812 . . . . . . . . . *3722. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 1. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3723. An Unbekannt (einen Geistlichen). 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3724. Von Joachim Christian Gaß. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3725. Von Karl Heinrich Ludwig Giesebrecht. Bremen, Mittwoch, 1. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3726. Von Friedrich Herzberg. Berlin, Mittwoch, 1. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3727. Von Gustav Friedrich Wiggers. Rostock, Donnerstag, 2. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3728. An Joachim Christian Gaß. Berlin, um den 5. 1. bis Mittwoch, 12. 2. 1812 . . . . . . . . . 3729. Von Luise von Willich. Poseritz, Sonntag, 12. 1. 1812 bis Montag, 13. 1. 1812 . . 3730. An Friedrich Herzberg (auch von der Sektion des Unterrichts). Berlin, Montag, 13. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3731. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 13. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

196 198 200 200 201 201 202 204 205 207 207 208 208 210 210 211 213

217

218

XVI

Verzeichnis der Briefe

3732. Von Karl Heinrich Sack. Mitte Januar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3733. Von Ludwig Friedrich von Froriep. Vor dem 23. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3734. Von Friedrich Justin Bertuch. Weimar, Freitag, 24. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3735. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 25. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3736. An Rahel Levin. Berlin, Mittwoch, 29. 1. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3737. Von Luise von Willich. Poseritz und Garz, Donnerstag, 30. 1. bis Montag, 17. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3738. An Friedrich von Mühlenfels. Dezember 1811/Januar 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3739. Von August Twesten. Hamburg, Dienstag, 4. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3740. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 13. 2. bis Sonnabend, 15. 2. 1812 . . . *3741. An Friedrich Wilhelm Arnold. Berlin, vor dem 15. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3742. An Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3743. Von Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3744. Von Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3745. Von Friedrich Wilhelm Arnold. Stolp, Sonnabend, 15. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3746. Von J. Weinlig. Wohl Donnerstag, 20. 2. 1812 (oder am 20. 2. eines früheren Jahres) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3747. Von Luise von Willich. Wohl Anfang 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3748. An August Twesten. Berlin, Sonnabend, 22. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3749. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Sonntag, 23. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3750. Von August Twesten. Hamburg, Freitag, 28. 2. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 219 219 220 221

221 232 233 234 236 236 237 237 237

238 239 239 241 245

Verzeichnis der Briefe

3751. Von Unbekannt. Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3752. Von Unbekannt. Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3753. Von Henrich und Johanna Steffens (auch an Henriette und Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 1. 3. bis Montag, 2. 3. 1812 . . . . . . . . . . 3754. Von Luise von Willich, Friedrich Samuel Theodor Pritzbuer und Charlotte Pistorius (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Poseritz und Garz, Sonntag, 1. 3. (oder früher) bis Sonntag, 8. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3755. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 8. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3756. Von Philipp Wilhelm Wolf. Zossen, Sonntag, 8. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3757. Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Mittwoch, 11. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3758. Von Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Vor Mitte März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3759. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Mitte März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3760. Von Unbekannt. Vor dem 20. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3761. Von Unbekannt. Vor dem 20. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3762. Von Unbekannt. Sonnabend, 21. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3763. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Mittwoch, 25. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3764. Von August Twesten. Hamburg, Mittwoch, 25. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3765. Von Luise von Willich und Charlotte Pistorius. Poseritz, Montag, 30. 3. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3766. Von Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3767. An Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3768. An Johann Gottfried Hoffmann. Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

246 246

247

250 254 255 255 257 258 259 260 260 260 261 263 265 265 265

XVIII

Verzeichnis der Briefe

*3769. Von Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3770. Von Johann Gottfried Hoffmann. Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3771. An Friedrich Karl von Savigny. Berlin, wohl März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3772. Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Sonntag, 5. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3773. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, vor dem 12. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3774. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Sonntag, 12. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775. Von Gottfried Mieth. Berlin, Montag, 13. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3776. Von Friedrich Wilhelm Arnold. Stolp, Sonnabend, 18. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3777. An Friedrich Wilhelm Arnold. Berlin, Freitag, 24. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778. An die Kirchenvorsteher der Dreifaltigkeitsgemeinde. Berlin, Freitag, 24. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3779. An die Geistliche und Schuldeputation der Kurmärkischen Regierung (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 27. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3780. Von Unbekannt. Vor dem 30. 4. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3781. Von Unbekannt. Anfang Mai 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3782. Von Friedrich von Mühlenfels. Züssow, Mittwoch, 10. 6. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3783. An Immanuel Bekker. Wohl Berlin, vor dem 15. 6. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3784. Von Unbekannt. Ende Juni 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3785. An Carl Gustav von Brinckmann. Berlin, Sonnabend, 4. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3786. An Wilhelm Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonntag, 5. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3787. Von Immanuel Bekker. Paris, Sonntag, 5. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 266 266 267 268 268 270 271 272 272

273 274 274 274 276 276 276 279 280

Verzeichnis der Briefe

3788. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 12. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3789. Von Charlotte Cummerow. Kopenhagen, Mittwoch, 15. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3790. Von August Twesten. Eimsbüttel, Freitag, 17. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3791. An Johann Joachim Bellermann. Berlin, Mittwoch, 22. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3792. Wohl an Friedrich August Wolf. Berlin, Mittwoch, 22. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3793. Von Pippke. Montag, 27. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3794. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, vor dem 28. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3795. An Christian Gottlieb Konopak. Berlin, Dienstag, 28. 7. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3796. An Immanuel Bekker. Berlin, Sonnabend, 1. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3797. Von Wilhelm Graf zu Dohna-Schlobitten. Sonnabend, 1. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3798. An die Geistliche und Schuldeputation der Kurmärkischen Regierung (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Sonntag, 9. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3799. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Anfang August 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3800. Von Luise von Willich und Charlotte von Kathen. Vor dem 11. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3801. Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 11. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3802. Von Luise von Willich. Sagard, Mittwoch, 12. 8. bis Donnerstag, 13. 8. 1812 . . . 3803. Von Unbekannt. Vor dem 18. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3804. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 30. 8. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3805. An Unbekannt. August 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3806. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Mittwoch, 2. 9. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX

281 282 283 288 288 289 289 290 291 291

291 292 292 292 293 295 296 297 297

XX

Verzeichnis der Briefe

3807. An Anne (Nanny) Schleiermacher (auch von Luise von Willich). Poseritz, Montag, 7. 9. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3808. An Anne (Nanny) Schleiermacher. Sagard, Sonntag, 13. 9. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3809. An Johann Erich Biester. Berlin, Sonnabend, 19. 10. 1811 oder Montag, 19. 10. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3810. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 24. 10. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3811. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 28. 10. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3812. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 29. 10. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3813. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 9. 11. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3814. Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 17. 11. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3815. Von Luise von Willich. Sagard, Sonnabend, 21. 11. 1812 oder früher . . . . . . . . . . 3816. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 21. 11. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3817. Von Luise Reichardt. Hamburg, Sonnabend, 21. 11. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3818. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Mittwoch, 16. 12. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3819. An Friedrich August Pischon. Berlin, Donnerstag, 31. 12. 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3820. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonnabend, 2. 1. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3821. An Wilhelm von Röder. Berlin, vor dem 9. 1. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3822. Von Wilhelm von Röder. Hirschberg, Sonnabend, 9. 1. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3823. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonntag, 24. 1. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3824. An Wilhelm von Röder. Berlin, wohl Sonntag, 24. 1. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298 300

301 302 303 307

308 310 313 313 315 317 318 319 322 322 324 325

Verzeichnis der Briefe

*3825. An Friedrich von Mühlenfels. Januar 1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3826. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Januar 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3827. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, wohl Anfang Februar bis Dienstag, 9. 2. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3828. Von Friedrich von Mühlenfels. Züssow, Montag, 8. 2. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3829. Von Amalie Ha(h)ne (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Wohl Sargard, um den 9. 2. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3830. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Sagard, um den 9. 2. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3831. Von Wilhelm von Röder. Breslau, Sonnabend, 13. 2. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3832. Von Luise von Willich. Sagard und Poseritz, Dienstag, 16. 2. 1813 bis spätestens Anfang April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3833. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 4. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3834. An Gerhard von Scharnhorst. Berlin, vor dem 8. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3835. Von Gerhard von Scharnhorst. Breslau, Montag, 8. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3836. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Donnerstag, 11. 3. bis Sonntag, 14. 3. 1813 . . . . *3837. Von Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Vor dem 23. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3838. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Dienstag, 23. 3. bis Sonnabend, 27. 3. 1813 . . . . . 3839. Von Karl August Freiherr von Hardenberg (auch an Barthold Georg Niebuhr). Berlin, Donnerstag, 25. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3840. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Gnadenfrei, Donnerstag, 25. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . *3841. An Gerhard von Scharnhorst. Berlin, vor dem 27. 3. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

326 326

326 328

328

329 329

333 336 339 339 340 345 345

349

349 351

XXII

Verzeichnis der Briefe

*3842. Von Johann Heinrich Bernhard Dräseke. März 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3843. Von Marianne von Willich. Sagard, Sonntag, 4. 4. bis Montag, 5. 4. 1813 . . . . . . . . . . 3844. Von Heinrich Christoph und Doris von Willich. Sagard, Dienstag, 6. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3845. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Anfang April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3846. An Alexander von der Marwitz (auch von Henriette (Jette) Schleiermacher). Vor dem 13. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3847. An Alexander von der Marwitz (auch von Henriette (Jette) Schleiermacher). Berlin, Dienstag, 13. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3848. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (auch von Henriette Herz). Berlin, Sonnabend, 17. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3849. Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Montag, 19. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3850. Von Friedrich Schlegel. Wien, Donnerstag, 22. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3851. An Friedrich Perthes. Berlin, Dienstag, 27. 4. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3852. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Ende April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3853. Von Christoph Ludwig Hochwächter. Milzow, Sonnabend, 1. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3854. Von Alexander von der Marwitz. Vor dem 13. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3855. An Karl Friedrich von Beyme. Berlin, Donnerstag, 13. 5. 1813 oder früher . . . . . . . . . . . 3856. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 13. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3857. An Hermann von Boyen. Berlin, Donnerstag, 13. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3858. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 13. 5. bis Sonnabend, 15. 5. 1813 . . . *3859. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Donnerstag, 13. 5. oder Freitag, 14. 5. 1813 . . . . . . . . . . .

351 351 353 355

355

355

355

357 359 361 362 365 366 366 366 368 369 373

Verzeichnis der Briefe

3860. Von Hermann von Boyen. Berlin, Freitag, 14. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3861. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Crossen, um den 14. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3862. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Freitag, 14. 5. oder Sonnabend, 15. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . *3863. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonnabend, 15. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3864. An Alexander von der Marwitz. Berlin, Sonnabend, 15. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3865. An Johanna Steffens. Vor dem 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3866. Von Henriette Herz. Breslau, vor dem 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3867. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Sonnabend, 15. 5. oder Sonntag, 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . *3868. An Friederike Israel. Berlin, Sonntag, 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3869. An Karl Christian Wolfart. Berlin, Sonntag, 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3870. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 16. 5. bis Dienstag, 18. 5. 1813 . . . . . . . . 3871. Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3872. Von Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Bunzlau, Sonntag, 16. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3873. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 18. 5. bis Donnerstag, 20. 5. 1813 . . . . . *3874. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Mittwoch, 19. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . *3875. Von Wilhelmine Reimer. Potsdam, Mittwoch, 19. 5. oder Donnerstag, 20. 5. 1813 *3876. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Donnerstag, 20. 5. 1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3877. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 20. 5. bis Sonnabend, 22. 5. 1813 . . . 3878. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 20. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXIII

374 375 375 375 375 375 376 376 376 376 377

381 383 383 386 387 387 387 392

XXIV

Verzeichnis der Briefe

3879. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 22. 5. bis Dienstag, 25. 5. 1813 . . . . . *3880. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonnabend, 22. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . 3881. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 23. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3882. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 25. 5. bis Sonnabend, 29. 5. 1813 . . . . . 3883. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Mittwoch, 26. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3884. Von Luise von Willich. Vor dem 27. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3885. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 29. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3886. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 30. 5. bis Dienstag, 8. 6. 1813 . . . . . . . . . *3887. Von Wilhelm von Röder. Goldberg, vor dem 31. 5. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3888. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3889. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3890. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3891. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3892. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Vor dem 2. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3893. An Wilhelm von Röder. Berlin, Mittwoch, 2. 6. 1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . 3894. An Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Berlin, Mittwoch, 2. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3895. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 3. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3896. An Alexander von der Marwitz. Berlin, Donnerstag, 3. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3897. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 5. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3898. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 6. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

393 399 400 401 409 409 410 411 421 421 422 423 423 424 424 425 427 428 429 429

Verzeichnis der Briefe

*3899. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 6. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3900. An Wilhelm von Röder. Berlin, Sonntag, 6. 6. oder Montag, 7. 6. 1813 . . . . . . . . . 3901. An Luise Sophie Charlotte Gräfin von Voß. Berlin, Montag, 7. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3902. Von Luise Sophie Charlotte Gräfin von Voß. Berlin, Mittwoch, 9. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3903. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Mittwoch, 9. 6. bis Sonnabend, 12. 6. 1813 . . . . . . *3904. Von Henriette Herz. Neiße, vor dem 10. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3905. Von Wilhelm Christian Müller. Boizenburg, Donnerstag, 10. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3906. Von Luise von Willich. Götemitz, wohl um den 10. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3907. Von Simon Veit. Berlin, vor dem 12. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3908. An Wilhelm von Röder. Berlin, Sonnabend, 12. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3909. An Friedrich Schlegel. Berlin, Sonnabend, 12. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3910. An Carl Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 12. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3911. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonnabend, 12. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . 3912. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 13. 6. bis Dienstag, 15. 6. 1813 . . . . . . . . 3913. Von Wilhelm Christian Müller. Wilsnack, Sonntag, 13. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3914. Von Luise von Willich. Poseritz, Sonntag, 13. 6. bis Dienstag, 15. 6. 1813 . . . . . . 3915. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 13. 6. bis Mittwoch, 16. 6. 1813 3916. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 15. 6. bis Mittwoch, 16. 6. 1813 . . . . . . *3917. Von Charlotte von Kathen. Vor dem 16. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3918. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 17. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXV

430 430 430 432 433 436 436 438 438 439 439 441 441 442 445 447 457 459 462 463

XXVI

Verzeichnis der Briefe

*3919. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Vor dem 19. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3920. An Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 19. 6. 1813 oder früher . . . . . . . . . . . . 3921. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 19. 6. bis Dienstag, 22. 6. 1813 . . . . . 3922. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 20. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3923. Von Charlotte von Kathen. Mittwoch, 23. 6. 1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3924. Von Luise von Willich. Poseritz, Mittwoch, 23. 6. bis Donnerstag, 24. 6. 1813 . . 3925. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 24. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3926. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 26. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3927. An Wilhelm von Röder. Berlin, vor dem 29. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3928. An August Wilhelm Schlegel. Berlin, wohl Mai/Juni 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3929. Von Joachim Christian Gaß. Reinerz, Mittwoch, 30. 6. 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3930. Von Pauline Hochwächter. Milzow, zweite Hälfte Juni 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

464 464 465 467 468 468 470 472 473 473 474 475

Ergänzungen zu KGA V/10 und V/11 2750a. An Georg Andreas Reimer. Berlin, wohl Mitte Juni 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2925. Von Susanna Judith Stubenrauch. Reppen, Dienstag, 15. 11. 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3181. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 16. 4. 1809 (Briefschluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3367a. Von Wilhelm Uhden. Berlin, Sonnabend, 18. 11. 1809 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3405a. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Donnerstag, 22. 3. 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

479 479 480 481 482

Verzeichnis der Briefe

XXVII

3413a. Von Johanna Steffens. Giebichenstein, Freitag, 30. 3. 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3430a. An Christian Gottfried Körner. Berlin, Freitag, 11. 5. 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3440a. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonnabend, 2. 6. 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3495a. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (auch von der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Donnerstag, 23. 8. 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3532a. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Ende Oktober 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3545a. Von Christian Gottfried Daniel Stein. Berlin, 7. 12. 1810 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

483 484 484

485 487 488

Einleitung der Herausgeber I. Die Kritische Schleiermacher-Gesamtausgabe Die Kritische Gesamtausgabe (KGA) der Schriften, des Nachlasses und des Briefwechsels Friedrich Schleiermachers, die seit 1980 erscheint, ist in die folgenden Abteilungen gegliedert: I. Schriften und Entwürfe, II. Vorlesungen, III. Predigten, IV. Übersetzungen, V. Briefwechsel und biographische Dokumente. Die Gliederung richtet sich nach den literarischen Gattungen in Schleiermachers Werk, wobei den einzelnen Abteilungen jeweils auch der handschriftliche Nachlass zugewiesen wird. Der Aufbau der Abteilungen orientiert sich am chronologischen Prinzip.

II. Die V. Abteilung (Briefwechsel und biographische Dokumente) Die V. Abteilung enthält die Briefe von und an Schleiermacher sowie – in gesonderten Bänden – biographische Dokumente. Die Briefe werden in chronologischer Folge geordnet und fortlaufend nummeriert; dabei werden Briefe, die nur erschlossen sind, mit einem Sternchen gekennzeichnet. Maßgebend für die Einordnung eines Briefes ist der Beginn der Niederschrift. Briefe, die nur ungefähr datierbar sind, werden am Ende des für die Niederschrift in Frage kommenden Zeitraums eingeordnet. Briefe an Schleiermacher können in Regestform gegeben werden. Dies gilt insbesondere für Schreiben, bei denen Schleiermacher einer von mehreren Adressaten ist, bzw. für Rundschreiben. Briefe, bei denen Schleiermacher nur durch seine amtliche Funktion als Empfänger erschließbar ist, bleiben unberücksichtigt, sofern sie keine wesentlichen, Schleiermacher selbst betreffenden Informationen geben.

XXX

Einleitung der Herausgeber

III. Editorische Grundsätze für die V. Abteilung ab Band 10 Die folgenden Grundsätze schließen sich an die für die I. Abteilung in der Fassung von KGA I/1 an, tragen aber den Besonderheiten der Edition des Briefwechsels Rechnung. Die besonderen Grundsätze für die Edition biographischer Dokumente werden in den editorischen Berichten der jeweiligen Bände dargelegt. Mit der Fertigstellung von Band 9 (Briefwechsel 1806–1807) lief das Akademienvorhaben „Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aus. Im Rahmen des 2012 eröffneten Akademienvorhabens „Friedrich Schleiermacher in Berlin 1808–1834. Briefwechsel – Tageskalender – Vorlesungen“ werden für den Briefwechsel reine Textbände erarbeitet; historische Einführung, Sachapparat und Register sollen in selbständigen Kommentarbänden veröffentlicht werden. Bisher sind zwei Textbände (KGA V/10 und KGA V/11) und ein Kommentarband für den Briefwechsel 1808–1810 erschienen (KGA V/ K1). In den Textbänden wird der Briefwechsel in kritischer Gestalt vollständig zur Verfügung gestellt. Ein editorischer Bericht gibt die nötigen Informationen über Verfahren und Besonderheiten. Der textkritische Apparat bietet Nachweise zur Überlieferung und Textkonstitution. Für die Briefe an Schleiermacher werden Textänderungen lediglich in Ausnahmefällen dokumentiert; Textänderungen in Briefen von Schleiermacher werden verzeichnet, sofern sie inhaltlich von Belang sind. Die Brieftexte der Jahre 1808–1810 und mit ihnen diverse Recherchemöglichkeiten stehen auch auf der digitalen Editionsplattform „schleiermacher digital“ (https://schleiermacher-digital.de/) für die Nutzer zur Verfügung. Viele Briefe sind mit einer Anmerkung zum Brief versehen, in der Auskünfte über die Gründe zur Datierung bzw. Umdatierung sowie zur Erschließung nicht überlieferter Briefe, aber auch Eingangsvermerke, Adressen, Briefeinlagen u. Ä. mitgeteilt werden. Abweichend zu den Bänden KGA V/10 und 11 stehen diese Anmerkungen nunmehr schon im Textband und nicht erst im Kommentarband.

Einleitung der Herausgeber

XXXI

1. Textgestaltung und textkritischer Apparat Die Kritische Gesamtausgabe bietet grundsätzlich den Wortlaut, die Schreibweise und die Zeichensetzung der Quelle. Für die erforderlichen Eingriffe gelten die folgenden Regeln, die sich in erster Linie auf Handschriften (Originale und Abschriften) beziehen, die den überwiegenden Teil der Textzeugen bilden. Sie gelten sinngemäß auch für die Behandlung von Drucken als Textzeugen. a) Als Brieftext gilt die für den Empfänger bestimmte Mitteilung einschließlich Datierung, Anrede, Schlussformeln und Unterschrift. Beilagen von Schleiermachers Hand sind grundsätzlich Bestandteil des Textes. In begründeten Fällen können sie in Regestform geboten werden. Empfangs- und Beantwortungsvermerke, Bemerkungen zur Datierung, Hinweise auf Einschlüsse, Hinweise auf das Brieftagebuch des Tageskalenders usw. erfolgen in den Anmerkungen zum Brief, im Anschluss an die Handschrift- und Drucknachweise. b) Der textkritische Apparat informiert über die Überlieferung eines Briefes durch Nachweis der Handschrift (H) bzw. – sofern diese nicht vorliegt – der Abschriften (h), ferner durch Nachweis des Erstdrucks (D) und weiterer Drucke, soweit sie wesentliche Ergänzungen oder Revisionen des Erstdrucks bieten. Ist das Original eines Briefes nicht verfügbar, wird die Überlieferung mit der größten Nähe zum Original zugrunde gelegt; in diesem Fall weist der Apparat die jeweilige Textgrundlage nach. Bei mehreren sekundären Überlieferungen werden belangvolle Varianten im Apparat vermerkt. Ergänzen sich mehrere Überlieferungen, wird aus diesen ein Brieftext konstituiert. Dabei wird eine Vereinheitlichung von Orthographie und Interpunktion nicht angestrebt. Sind bei einem Brief Konzept und endgültige Fassung überliefert, werden aufschlussreiche Abweichungen des Konzepts im Apparat vermerkt. Ist die endgültige Fassung nur sekundär überliefert, gilt das erhaltene Konzept als maßgeblicher Textzeuge. In diesem Fall werden die Abweichungen der endgültigen Fassung im Apparat nachgewiesen. c) Es wird der vorhandene oder (bei mehreren Textzeugen) rekonstruierbare Text eines Briefes in der letztgültigen Gestalt des jeweiligen Textzeugen wiedergegeben. Wichtige Belege für den Entstehungsprozess (Streichungen, Korrekturen, Umstellungen) werden bei Briefen von Schleiermacher im Apparat mitgeteilt. Bei Briefen an Schleiermacher werden sie nur ausnahmsweise dokumentiert.

XXXII

Einleitung der Herausgeber

d) Zusätze zum ursprünglichen Text, die vom Schreiber eindeutig eingewiesen sind, werden in den laufenden Text eingefügt. Sie können (vor allem bei Briefen von Schleiermacher) mit der Formel „mit Einfügungszeichen“ und mit Angabe des ursprünglichen Ortes im Manuskript im Apparat nachgewiesen werden. Anmerkungen und Fußnoten des Schreibers werden am Briefende wiedergegeben. Ist ein Zusatz vom Schreiber nicht eingewiesen, aber seine eindeutige Einordnung durch Sinn oder Position möglich, so wird er ebenfalls eingefügt mit Nachweis im textkritischen Apparat. Zusätze, die sich nicht eindeutig in den Textzusammenhang einfügen lassen, werden am Ende des Briefes wie Postskripta wiedergegeben. e) Bei Abbreviaturen (Abkürzungen, Kontraktionen, Kürzel), deren Sinn eindeutig ist, werden unter Weglassung eines evtl. vorhandenen Abkürzungszeichens die fehlenden Buchstaben im Text kursiv ergänzt. Chiffren für Wörter (z.B. Θ für Gott) werden ebenfalls im Text kursiv aufgelöst und im Textband im editorischen Bericht zusammengestellt. Abbreviaturen und Chiffren, deren Auflösung unsicher ist, werden im Text belassen; für sie wird gegebenenfalls im Apparat ein Vorschlag mit der Formel „Abk. wohl für“ gemacht. Damals geläufige Abkürzungen werden nicht aufgelöst. Soweit sie heute nicht mehr geläufig sind, werden sie im Kommentarband im Abkürzungsverzeichnis mit ihren Auflösungen zusammengestellt. Die durch Überstreichung bezeichnete Verdoppelung von m und n wird stillschweigend ausgeschrieben. In allen Fällen, wo (z.B. bei nicht ausgeformten Buchstaben, auch bei der verkürzten Endsilbe -en) aufgrund der Flüchtigkeit des Schreibers nicht eindeutig ein Schreibversehen oder eine gewollte Abkürzung zu erkennen ist, wird das betreffende Wort ohne weitere Kennzeichnung in der üblichen Schreibweise des jeweiligen Schreibers vollständig wiedergegeben. f) Offenkundige Schreib- und Druckfehler werden im Text korrigiert, Versehen dann, wenn es für das Verständnis erforderlich ist. Im Apparat wird – ohne weitere Angabe – die Schreibweise des Originals angeführt. In zweifelhaften Fällen wird eine Konjektur im Apparat mit der Angabe „Kj …“ vorgeschlagen. g) Fehlende Wörter und Zeichen, die für das Textverständnis unentbehrlich sind, werden in eindeutigen Fällen kursiv in eckigen Klammern ergänzt. In Zweifelsfällen wird im Apparat mit der Formel „zu ergänzen wohl“ ein Vorschlag gemacht.

Einleitung der Herausgeber

XXXIII

In den Fällen, wo das Zeilenende eindeutig den Punkt am Satzende vertritt, wird dieser stillschweigend ergänzt. Ferner werden fehlende Umlautzeichen in eindeutigen Fällen stillschweigend ergänzt; hingegen werden fehlende diakritische Zeichen (wie Akzente, Spiritus-Zeichen) in fremdsprachigen Stellen nicht ergänzt. h) Ist ein Brief nur bruchstückhaft überliefert, so wird der Überlieferungsverlust innerhalb eines Absatzes durch ein in kursive eckige Klammern eingeschlossenes Spatium gekennzeichnet. Ein umfangreicher Überlieferungsverlust wird durch ein in kursive eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet, das auf einer gesonderten Zeile wie ein Absatz eingerückt wird. Eine Beschreibung erfolgt im textkritischen Apparat. Bei geringfügigen Textverlusten (z.B. Siegelabriss), wo Wortteile oder Wörter mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit ergänzt werden können, werden diese im Text in kursiven eckigen Klammern kursiv ergänzt. Der Apparat gibt in diesem Fall einen Hinweis. i) Sind im Manuskript Umstellungen von benachbarten Wörtern oder Satzteilen vorgenommen worden, so wird – bei Briefen von Schleiermacher – im Apparat mit der Formel „umgestellt aus“ die Vorstufe angegeben. Bei Umstellungen von Sätzen oder Satzteilen über einen größeren Zwischenraum wird der ursprüngliche Ort unter Verwendung der Formel „mit Umstellungszeichen“ angegeben. k) Sind im Manuskript Wörter, Buchstaben oder Zeichen gestrichen worden, so wird – bei Briefen von Schleiermacher, sonst nur ausnahmsweise – das Gestrichene im Apparat in 〈Winkelklammern〉 unter Angabe des Ortes im Manuskript mitgeteilt. Wurden Streichungen vorgenommen, aber nicht vollständig durchgeführt, so werden die versehentlich nicht gestrichenen Partien in 〈〈doppelte Winkelklammern〉〉 eingeschlossen. Belangvolle Änderungen in schließlich gestrichenen Passagen werden in ekkigen Klammern mit den entsprechenden Erläuterungen mitgeteilt. l) Unsichere Lesarten werden in unvollständige eckige ÐKlammernÑ eingeschlossen. Nicht entzifferte Wörter oder Wortteile werden durch ein in unvollständige eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet; bei zwei oder mehr unleserlichen Wörtern wird dieses Zeichen doppelt gesetzt und eine genauere Beschreibung im Apparat gegeben.

XXXIV

Einleitung der Herausgeber

2. Druckgestaltung a) Die auf dem Überlieferungsträger eines Briefes befindlichen Texte werden recte wiedergegeben. Zutaten des Herausgebers werden kursiv gesetzt; ebenso archivalische und editorische Bemerkungen auf den Überlieferungsträgern. Unterschiedliche Schrift- und Drucktypen des Textzeugen (z.B. Devotionsschrift, deutsch, lateinisch, Fraktur, Antiqua) werden einheitlich in Antiqua wiedergegeben. Sie werden nur dann berücksichtigt, wenn der Wechsel der Schriftart ein Zitat (Kenntlichmachung durch Anführungszeichen) oder eindeutig eine Hervorhebung (Kenntlichmachung durch Sperrdruck) anzeigt. b) Graphische Elemente eines Briefes, die keine sachliche Bedeutung haben, werden nicht reproduziert (Anordnung von Datum, Anrede, Unterschrift, Schnörkel, Füllstriche und dgl.). Hochgestellte Endungen (z.B. bei Ordnungszahlen) werden nivelliert, Kustoden stillschweigend fortgelassen. Graphische Varianten von Zeichen (wie doppelte Bindestriche, verschiedene Formen von Abkürzungszeichen oder Klammern) werden stillschweigend vereinheitlicht. Unterschiedliche Zeichen, mit denen der Briefschreiber auf Anmerkungen verweist, werden einheitlich durch Ziffern wiedergegeben und innerhalb jedes Briefes durchgezählt. Werden bei Zitaten die Anführungszeichen an jedem Zeilenanfang wiederholt, bleibt dies stillschweigend unberücksichtigt. Datumsangabe, Anrede und Schlussformeln (einschließlich Unterschrift) werden, sofern sie vom Brieftext deutlich abgesetzt sind, ohne Berücksichtigung des Zeilenbruchs jeweils als ein Absatz behandelt, wobei die Anordnung (rechts- oder linksbündig) dem Textzeugen angeglichen wird. Abkürzungen werden hier nicht aufgelöst, soweit ihre Bedeutung aus der editorischen Kopfzeile ersichtlich ist. c) Unterschiedliche Kennzeichnung von Absätzen (Leerraum, Einrükken) wird einheitlich durch Einrücken der ersten Zeile eines neuen Absatzes wiedergegeben. Lässt ein Leerraum zwischen Absätzen ein von der Trennung in Absätze deutlich unterschiedenes Gliederungsprinzip erkennen, wird er durch eine Leerzeile wiedergegeben. d) Seitenwechsel des zugrundeliegenden Textzeugen wird im Text durch einen senkrechten Strich wiedergegeben. Seit den Textband KGA V/10 sind Paginierung bzw. Foliierung der Manuskripte am Rande angegeben.

Einleitung der Herausgeber

XXXV

Wo eine Angabe des Zeilenbruchs sinnvoll erscheint, wie z.B. bei Adressen, wird dieser durch einen Schrägstrich im Text angezeigt. e) Die Beziehung des textkritischen Apparats auf den Text erfolgt durch Zeilenangabe mit Lemmata. Kommt in einer Zeile das gleiche Bezugswort mehrfach vor, wird ein zusätzliches Bezugswort angeführt. Die Bezugswörter werden durch das Lemmazeichen ] von der folgenden Mitteilung abgegrenzt. Im Namen der Herausgeber Lutz Käppel

Editorischer Bericht der Bandherausgeber Die editorischen Grundsätze für die V. Abteilung (Briefwechsel und biographische Dokumente) in ihrer Modifikation ab Band 10 sind oben beschrieben. Zu den Einzelheiten der textkritischen Edition der Briefe vgl. die oben abgedruckten editorischen Grundsätze. Zur Orientierung der Leserin und des Lesers sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Texte (und eben auch Briefe) zu Beginn des 19. Jahrhunderts keiner Rechtschreibnorm unterlagen und dass sich in freier schriftlicher Rede manche Ungereimtheit und grammatische Fehler einschleichen, die nicht auf eine mangelhafte Transkription zurückzuführen sind. Die Editoren des Textbandes KGA V/12 haben nur dann in Form von Textanmerkungen eingegriffen, wenn sich bei solchen Unregelmäßigkeiten Verständnisprobleme ergeben hätten. Auch die Archivierung von Briefen unterliegt keiner Norm, so dass Paginierungen, die nicht von Archivaren vorgenommen wurden, auch nicht nachträglich erfunden werden können. Zur besseren Orientierung und zur ersten Erschließung der Texte bieten die Textbände: a. eine Liste der Briefe in chronologischer Sortierung, b. eine Liste der Korrespondenz nach Korrespondenzpartnern, verbunden mit einem Überblick über die biographischen Eckdaten der Korrespondenzpartner sowie eine Kurzcharakterisierung der nach Briefpartnern sortierten Korrespondenz vom 1.1.1811–30.6.1813, Es folgen: c. die überlieferten und erschlossenen Briefe in chronologischer Folge in textkritischer Form unter Angabe der Anmerkungen zur Überlieferung und Erstdruck sowie Anmerkungen zur Datierung und Erschließung der Briefe und gegebenenfalls deren Beilagen, d. ein Verzeichnis der Archive der Briefmanuskripte, e. ein Abkürzungsverzeichnis sowie f. eine Literaturliste mit den in den Druckhinweisen und in den Anmerkungen zum Brief zitierten bibliographischen Angaben. Mit seiner Tätigkeit für die neu zu gründende Berliner Universität 1808 übernimmt Schleiermacher umfangreiche amtliche Funktionen in Kirche und Staat. In dem hier relevanten Zeitraum von Januar 1811 bis Ende

XXXVIII

Editorischer Bericht der Bandherausgeber

Juni 1813 ist er Professor der Theologie an der 1810 neugegründeten Universität in Berlin und dort ab dem Wintersemester 1810/11 für ein Jahr auch erster Dekan der Theologischen Fakultät. Ein weiteres Dekanat folgt im Wintersemester 1813/14 und Sommersemester 1814. Darüber hinaus ist er seit 1810 Mitglied der Philosophischen Klasse der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, nimmt an deren Sitzungen Teil und hält öffentliche Akademievorträge. Schleiermachers Engagement im Rahmen der preußischen Bildungsreform, in der Schleiermacher ab 1810 auch offizielle Funktionen übernahm, bleibt auch im Jahr 1811 noch bestehen: Die Leitung der wissenschaftlichen Deputation bei der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts, mit der Schleiermacher im März 1810 den gesundheitlich angeschlagenen Friedrich August Wolff ablöst, führt er noch bis ins Frühjahr 1811 fort und gibt sie dann ab. Seine ordentliche Mitgliedschaft in der Unterrichtsabteilung des Innenministeriums, die Schleiermacher ebenfalls im Frühjahr 1810 übernimmt, bleibt bis 1815 bestehen. Zur gleichen Zeit kommt Schleiermacher seinen Aufgaben als Prediger an der Dreifaltigkeitskirche in Berlin nach, eine Stelle, die er seit dem Sommer 1809 bekleidet. Auch im 1811 eingerichteten Kirchenvorstandskollegium der Dreifaltigkeitskirche nahm er eine führende Rolle ein. Schließlich wird er für eine relativ kurze, aber sehr produktive Zeit – vom 1. Juli bis zum 30. September 1813 – Redakteur des „Preußischen Correspondenten“. Im Rahmen all dieser unterschiedlichen Funktionen kommt es nicht nur zu vielen neuen persönlichen Kontakten, die auch der Briefwechsel dokumentiert, sondern auch zu einer sehr umfangreichen administrativen Korrespondenz. Bei der Sichtung der Akten im Rahmen der amtlichen Tätigkeit Schleiermachers für eine eventuelle Aufnahme in die KGA-Briefausgabe zeigte sich, dass die Gattung Brief innerhalb der Voten, Mitteilungen, Konzepte, Umlaufakten und Begleitschreiben kaum exakt zu bestimmen ist. Schreiben der einzelnen Institutionen wurden von verschiedenen Mitgliedern konzipiert, gingen in den Umlauf, wurden dann von den Mitgliedern oder einem Schreiber abgeschrieben, wobei sie zum Teil nur die Unterschrift der Institution tragen, manchmal jedoch auch noch einzelne Namen ausweisen. Schleiermacher schrieb also selbst Briefkonzepte und Notizen, er kommentierte Entwürfe, zeichnete sie gegen, er unterschrieb oder war als Stellvertreter und Verantwortungsträger im Namen der Institution indirekt präsent. Bei der Auswahl der für die KGA-Abteilung V aufzunehmenden Briefe sind die Herausgeber restriktiv vorgegangen: Nicht aufgenommen wurden amtliche Schreiben, die an Schleiermacher in amtlicher Funktion (z.B. als Dekan der Fakultät) gerichtet oder von

Editorischer Bericht der Bandherausgeber

XXXIX

ihm in amtlicher Funktion verfasst wurden, es sei denn sie enthalten auch persönliche Bezüge oder eine deutliche persönliche Stellungnahme. Eine umfassende Sichtung und Publikation der amtlichen Korrespondenz Friedrich Schleiermachers ist im Rahmen des gegenwärtigen Vorhabens nicht möglich. Die hier gebotenen amtlichen Schreiben vermitteln einen exemplarischen Eindruck seiner Tätigkeit. Weiteres Material bieten z.B. Andreas Reichs Dissertation „Friedrich Schleiermacher als Pfarrer an der Berliner Dreifaltigkeitskirche“ (Schleiermacher-Archiv 12, 1992), die von Christiane Ehrhardt edierten Voten Schleiermachers zur preußischen Bildungspolitik (enthalten in KGA II/12) und die im Rahmen unseres Vorhabens im Netz publizierten Tageskalender auf der digitalen Editionsplattform „schleiermacher digital“ (https://schleiermacher-digital.de/). Nach dem Satz der Briefbände KGA V/10 und KGA V/11 wurden weitere Brief für den Zeitraum zwischen 1808 und 1810 bekannt. Sie werden im Anhang dieses Briefbandes gegeben. Es handelt sich um folgende elf Briefe: 1) 2750a. An Georg Andreas Reimer. Berlin, wohl Mitte Juni 1808 2) 2925. Von Susanne Judith Stubenrauch. Reppen, Dienstag, 15.11.1808 3) 3181. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 16.4.1809 (Schluss) 4) 3367a. Von Wilhelm Uhden. Berlin, Sonnabend, 18.11.1809 5) 3405a. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Donnerstag, 22.3.1810 6) 3413a. Von Johanna Steffens. Giebichenstein, Freitag, 30.3.1810 7) *3430a. An Christian Gottfried Körner. Berlin, Freitag, 11.5.1810 8) 3440a. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonnabend, 2.6.1810 9) 3495a. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (auch von der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Donnerstag, 23.8.1810 10) 3532a. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Ende Oktober 1810 11) 3545a. Von Christian Gottfried Daniel Stein. Berlin, 7.12.1810 Sämtliche nachträglich aufgefundene und erschlossene Briefe werden darüber hinaus in einem Ergänzungsband der Briefausgabe aufgenommen, der nach Abschluss der regulären Briefedition alle Nachträge für die gesamte Briefedition vereinigt.

XL

Editorischer Bericht der Bandherausgeber

Wir danken allen Personen und Institutionen, die uns bei der Bearbeitung des Bandes unterstützt haben: Die Abteilung Telota an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit Nadine Arndt, Stefan Dumont und anderen hat für die Schleiermacherforschungsstelle eine XML-basierte Datenbank erarbeitet und in stetem Austausch mit uns immer weiter verbessert; sie hat die Entstehung des Bandes bis zur Drucklegung betreut. Zu danken ist den Herren Prof. Dr. Andreas Arndt, Leiter der Berliner Schleiermacherforschungsstelle, und Dr. Wolfgang Virmond, die an den Vorarbeiten zu dem vorliegenden Band wesentlichen Anteil hatten; sie und unsere Kollegin Elisabeth Blumrich und unser Kollege Dr. Holden Kelm haben uns auch in vielen Einzelfragen weitergeholfen. Für die Fragen hinsichtlich der Manuskript-Bestände im Universitätsarchiv Krakau stand uns dankbarerweise Prof. Dr. Piotr Bukowski zur Seite. Isabelle Lüke, die wissenschaftlich-technische Mitarbeiterin der Forschungsstelle, und Johann Gartlinger als studentische Hilfskraft haben die Fertigstellung des Bandes ebenfalls mit großem Engagement unterstützt, auch ihnen möchten wir herzlich danken. Auch Herrn Dr. Döhnert vom Verlag de Gruyter sowie Frau Lena Hummel sei der beste Dank für ihre Unterstützung während der Herstellung ausgesprochen. Und schließlich sei auch Herrn Prof. Dr. Dr. Günter Meckenstock als dem scheidenden geschäftsführenden Herausgeber der KGA Schleiermachers und Herrn Prof. Dr. Lutz Käppel als ihrem neuen für alle ihre Ratschläge und Hinweise herzlich gedankt.

Berlin, im März 2019 Simon Gerber & Sarah Schmidt

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel Für den Zeitraum von Januar 1811 bis Juni 1813 lassen sich insgesamt 370 Briefe, davon 149 von Schleiermacher und 221 an ihn, belegen. Davon sind 101 Briefe, also ein gutes Viertel erschlossen, 269 sind in Form von Handschriften, Abschriften oder Drucken überliefert. Neben den Hinweisen aus Briefen sind auch Schleiermachers Tageskalender eine wichtige Quelle für die Erschließung von Briefen, insofern Schleiermacher hier auch Brief Ein- und Ausgänge verzeichnete. Schleiermacher begann seine Tageskalender 1808 und führte sie zum Teil mit großen Unterbrechungen bis kurz vor seinem Tod 1834 fort. Für den hier dokumentierten Zeitraum gibt es jedoch lediglich einen Tageskalender für das Jahre 1811. Die in diesem Band angeführten Briefe enthalten Schleiermachers persönliche Korrespondenz für diesen Zeitraum sowie ausgewählte Briefe der amtlichen Korrespondenz. Insgesamt treten von Januar 1811 bis Juli 1813 100 namentlich genannte oder ermittelte Korrespondenzpartner in Erscheinung, darunter ein Viertel Frauen (23) und 4 nur per Nachnahme identifizierte Personen. Darüber hinaus sind 23 Briefe von nicht ermittelten Personen zu verzeichnen (3 darunter von derselben Person). Die hier dokumentierte amtliche Korrespondenz umfasst insgesamt 14 Briefe. Die drei umfänglichsten Briefwechsel führt Schleiermacher in diesen Zeitraum mit seiner Frau Henriette Schleiermacher (36 Briefe), seiner Schwester Charlotte Schleiermacher (26 Briefe) und seinem Freund Joachim Christian Gaß (20 Briefe). Insgesamt werden in diesem Briefband 188 Briefe zum ersten Mal gedruckt (35 von Schleiermacher, 153 an ihn), 41 bereits gedruckte Briefe werden erstmals vollständig wiedergegeben (darunter 24 von Schleiermacher und 17 an ihn). Erstmals textkritisch wiedergegeben werden insgesamt 40 Briefe, darunter 14 an und 26 von Schleiermacher. Die folgende Liste ist alphabethisch nach Korrespondenzpartner und – partnerin sortiert. Ihr folgt eine Liste der Korrespondenz mit nicht identifizierten Personen sowie der amtlichen Korrespondenz (die, sofern namentlich bekannt, auch in die alphabetische Reihenfolge integriert sind). Im Anschluss an die amtliche Korrespondenz sind die Nachträge zu den Briefbänden KGA V/10 und 11 angeführt.

XLII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Das * vor der Briefnummer bezeichnet erschlossene Briefe. Ammon, Christoph Friedrich von (1766–1849) Professor der Theologie in Erlangen 3572. Von Christoph Friedrich Ammon. Erlangen, Sonnabend, 12.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . 3575. Von Christoph Friedrich Ammon. Erlangen, Dienstag, 15.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3582. An Christoph Friedrich Ammon. Berlin, Dienstag, 22.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3589. An Christoph Friedrich Ammon. Berlin, Sonnabend, 9.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold, Friedrich Wilhelm Bekannter Schleiermachers in Stolp *3741. An Friedrich Wilhelm Arnold. Berlin, vor dem 15.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3745. Von Friedrich Wilhelm Arnold. Stolp, Sonnabend, 15.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3776. Von Friedrich Wilhelm Arnold. Stolp, Sonnabend, 18.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3777. An Friedrich Wilhelm Arnold. Berlin, Freitag, 24.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bachmann, Karl Friedrich (1785–1855) Philosoph und Mineraloge 3561. Von Karl Friedrich Bachmann. Jena, Donnerstag, 3.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholdy (Bartoldi), Georg Wilhelm (1765–1815) seit 1797 Lehrer am Gymnasium in Stettin *3585. An Georg Wilhelm Bartholdy. Berlin, wohl Januar 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3608. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Mittwoch, 27.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3657. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Mittwoch, 31.7.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3666. An Georg Wilhelm Bartholdy. Berlin, vor dem 25.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 29 39 46

236 237 271 272

3

44 71 125 133

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

XLIII

3667. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Sonntag, 25.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3713. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Donnerstag, 12.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Bekker (Becker), August Immanuel (1785–1871) Altphilologe, Schleiermacherhörer, Professor in Berlin seit 1810 *3783. An Immanuel Bekker. Wohl Berlin, vor dem 15.6.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . 276 3787. Von Immanuel Bekker. Paris, Sonntag, 5.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 *3796. An Immanuel Bekker. Berlin, Sonnabend, 1.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Bellermann, Johann Joachim (1754–1842) Kirchenhistoriker, Philosoph und Pädagoge, seit 1804 Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin 3791. An Johann Joachim Bellermann. Berlin, Mittwoch, 22.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Bertuch, Friedrich Justin (1747–1822) Verleger und Schriftsteller, Gründer der Allgemeinen Literatur-Zeitung (ALZ) 3734. Von Friedrich Justin Bertuch. Weimar, Freitag, 24.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Beyme, Karl Friedrich von (1765–1838) preußischer Staatsmann *3855. An Karl Friedrich von Beyme. Berlin, Donnerstag, 13.5.1813 oder früher . . . . . . . . 366 Biester, Johann Erich (1749–1816) Aufklärer; Bibliothekar und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin 3809. An Johann Erich Biester. Berlin, Sonnabend, 19.10.1811 oder Montag, 19.10.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

XLIV

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Binder 3695. Von Binder (?) Berlin, Sonnabend, 19.10.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Birnbach, Caroline 3697. Von Caroline Birnbach. Berlin, Montag, 28.10.1811

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Blanc, Ludwig Gottfried (1781–1866) 1806 französisch-reformierter Prediger in Halle, ab 1809 dort Domprediger, 1811–13 in Haft 3564. Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Sonnabend, 5.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3677. Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Sommer 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Boyen, Hermann von (1771–1848) preußischer Offizier 3857. An Hermann von Boyen. Berlin, Donnerstag, 13.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 3860. Von Hermann von Boyen. Berlin, Freitag, 14.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Brinckmann (schwed. Brinkman), Carl Gustav von (1764–1847) Dichter und schwedischer Diplomat, enger Freund Schleiermachers 3785. An Carl Gustav von Brinckmann. Berlin, Sonnabend, 4.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Cummerow, Charlotte geb. Israel, Freundin Schleiermachers, wohnhaft in Stralsund 3577. Von Charlotte Cummerow. Stralsund, Mittwoch, 16.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3789. Von Charlotte Cummerow. Kopenhagen, Mittwoch, 15.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . 282 Dippold, Hans Karl (1783–1811) ab 1810 Professor der Geschichte und Geographie am akademischen Gymnasium in Danzig 3656. Von Hans Karl Dippold. Danzig, Dienstag, 30.7.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

XLV

Dohna-Schlobitten, Alexander Graf zu (1771–1831) preußischer Staatsmann, 1808–1810 preußischer Innenminister, Freund Schleiermachers 3574. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Montag, 14.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 *3758. Von Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Vor Mitte März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3759. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Mitte März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3820. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonnabend, 2.1.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 *3837. Von Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Vor dem 23.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 3838. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Dienstag, 23.3. bis Sonnabend, 27.3.1813 . . 345 3848. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (auch von Henriette Herz). Berlin, Sonnabend, 17.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 *3863. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonnabend, 15.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Dohna-Schlobitten, Wilhelm Graf zu (1773–1845) Bruder des Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten 3786. An Wilhelm Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonntag, 5.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 *3797. Von Wilhelm Graf zu Dohna-Schlobitten. Sonnabend, 1.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Dräseke, Johann Heinrich Bernhard (1774–1849) 1804 Pfarrer an St. Georg auf dem Berge bei Ratzeburg *3842. Von Johann Heinrich Bernhard Dräseke. März 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Fischer, Ernst Gottfried (1754–1831) Professor der Mathematik und Physik am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin; ab 1810 auch außerordentlicher Professor an der Berliner Universität 3660. Von Ernst Gottfried Fischer. Berlin, Anfang August 1811 oder früher . . . . . . . . . . 128

XLVI

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Frommann, Karl Friedrich Ernst (1765–1837) Verleger und Buchhändler in Jena 3587. Von Friedrich Frommann. Jena, Donnerstag, 7.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3601. An Friedrich Frommann. Berlin, Sonnabend, 16.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3628. An Friedrich Frommann. April 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3637. Von Friedrich Frommann. Leipzig, Freitag, 24.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 61 89 102

Froriep, Ludwig Friedrich von (1779–1847) Arzt, seit 1804 Professor der Medizin in Halle 3714. An Ludwig Friedrich von Froriep. Berlin, Sonnabend, 14.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 *3733. Von Ludwig Friedrich von Froriep. Vor dem 23.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Furchau, Adolf Friedrich (1787–1868) Dichter, Hauslehrer im Hause Kathen 3566. Von Adolf Friedrich Furchau. Götemitz, Montag, 7.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3635. An Adolf Friedrich Furchau. Vor dem 22.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3636. Von Adolf Friedrich Furchau. Götemitz, Mittwoch, 22.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Gaß, Joachim Christian (1766–1831) ab 1810 Kirchenrat und ab 1811 Professor der Theologie in Breslau, Freund Schleiermachers 3567. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 7.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3595. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 20.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3613. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Donnerstag, 4.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3620. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 17.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3630. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 11.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

XLVII

3634. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Dienstag, 21.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3645. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 10.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3646. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Montag, 17.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3682. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 16.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3696. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Mittwoch, 23.10.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3710. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Sonntag, 8.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3724. Von Joachim Christian Gaß. 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3728. An Joachim Christian Gaß. Berlin, um den 5.1. bis Mittwoch, 12.2.1812 . . . . . . 3749. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Sonntag, 23.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3810. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 24.10.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3811. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 28.10.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3816. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 21.11.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3823. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonntag, 24.1.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3836. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Donnerstag, 11.3. bis Sonntag, 14.3.1813 . 3929. Von Joachim Christian Gaß. Reinerz, Mittwoch, 30.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 109 110 149 172 189 208 211 241 302 303 313 324 340 474

Giesebrecht, Karl Ludwig (1782–1832) Theologe und Altphilologe, seit 1805 Professor am Pädagogium in Bremen 3725. Von Karl Heinrich Ludwig Giesebrecht. Bremen, Mittwoch, 1.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

XLVIII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Grahl, Carl Friedrich (1765–1834) Küster an der Dreifaltigkeitskirche, Lehrer und Kantor 3611. Von Carl Friedrich Grahl. Berlin, Montag, 1.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Ha(h)ne, Amalie lebte im Sagarder Pfarrhaus auf Rügen, wohl Schwester der Philippine Schwarz, geb. Ha(h)ne *3829. Von Amalie Ha(h)ne (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Wohl Sagard, um den 9.2.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Hardenberg, Karl August Freiherr von (1750–1822) preußischer Staatsmann und Reformer, seit 1810 Staatskanzler 3731. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 13.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3813. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 9.11.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3839. Von Karl August Freiherr von Hardenberg (auch an Barthold Georg Niebuhr). Berlin, Donnerstag, 25.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Hecker, Andreas Jakob (1746–1819) Prediger an der Dreifaltigkeitskirche in Berlin, Oberkonsistorial- und Oberschulrat 3674. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 31.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3735. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 25.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Herz, Henriette (Jette) (1764–1847) geb. de Lemos, Salonnie`re, sehr gute Freundin F. Schleiermachers *3866. Von Henriette Herz. Breslau, vor dem 16.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 *3904. Von Henriette Herz. Neiße, vor dem 10.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

XLIX

Herzberg, Friedrich (1763–1822) 1792–1822 zweiter lutherischer Prediger an der Dreifaltigkeitskirche Berlin *3726. Von Friedrich Herzberg. Berlin, Mittwoch, 1.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3730. An Friedrich Herzberg (auch von der Sektion des Unterrichts). Berlin, Montag, 13.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Hering, Christlieb Benjamin (gest. 1827) Kaufmann in Stolp 3581. Von Christlieb Benjamin Hering. Stolp, Sonnabend, 19.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Hochwächter, Christoph Ludwig von (1769–1838) Mann der Pauline von Hochwächter, Herr auf Groß und Klein Miltzow 3853. Von Christoph Ludwig Hochwächter. Milzow, Sonnabend, 1.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Hochwächter, Pauline von (1776–1859) geb. von Mühlenfels, Schwester der Henriette (Jette) Schleiermacher 3930. Von Pauline Hochwächter. Milzow, zweite Hälfte Juni 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Hufeland, Christoph Wilhelm (1762–1836) seit 1801 Leiter der Berliner Charite´ und Leibarzt der Königin Luise von Preußen *3649. An Christoph Wilhelm Hufeland. Berlin, vor dem 30.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3650. Von Christoph Wilhelm Hufeland. Berlin, Sonntag, 30.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Hoffmann, Johann Gottfried (1765–1847) Nationalökonom, 1810–1814 Professor an der Berliner Universität *3768. An Johann Gottfried Hoffmann. Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 *3770. Von Johann Gottfried Hoffmann. Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

L

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Israel, Friederike (1777–1829) geb. Stenzler, Freundin Schleiermachers *3868. An Friederike Israel. Berlin, Sonntag, 16.5.1813

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

Kathen, Charlotte von (1777–1850) geb. von Mühlenfels, Freundin F. Schleiermachers, Schwester von Henriette (Jette) Schleiermacher, Salonnie`re auf Rügen *3597. Von Charlotte von Kathen. Januar/Februar 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3598. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 7.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3669. An Charlotte von Kathen. Vor dem 26.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3671. Von Charlotte von Kathen. Vor dem 26.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3676. An Charlotte von Kathen. Berlin, Sonntag, 1.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3740. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 13.2. bis Sonnabend, 15.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3800. Von Charlotte von Kathen und Luise von Willich. Vor dem 11.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3856. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 13.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3895. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 3.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3917. Von Charlotte von Kathen. Vor dem 16.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3918. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 17.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3923. Von Charlotte von Kathen. 23.6.1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klischnig, Karl Friedrich (1766 – gest. vor 1825) Schriftsteller und Übersetzer 3643. Von Karl Friedrich Klischnig. Berlin, Anfang Juni 1811 oder früher

58 59 134 135 139

234 292 366 427 462 463 468

. . . . . . . . . . . . 108

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LI

Körner, Christian Gottfried (1756–1831) Schriftsteller und Jurist, Vater des Theodor Körner 3610. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonntag, 31.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3618. An Christian Gottfried Körner. Berlin, vor dem 14.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3619. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonntag, 14.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Konopak, Christian Gottlieb (1767–1841) 1802 Professor der Rechte in Halle, 1807 in Rostock, 1817 in Jena 3568. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Dienstag, 8.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3586. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Montag, 4.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3596. An Christian Gottlieb Konopak. Wohl Mitte oder Ende Februar 1811 . . . . . . . . . . . . . 3607. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, vor dem 24.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3652. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Montag, 8.7.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3679. An Christian Gottlieb Konopak. Berlin, Freitag, 13.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3688. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Sonntag, 22.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3794. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, vor dem 28.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3795. An Christian Gottlieb Konopak. Berlin, Dienstag, 28.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3812. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 29.10.1812 . . . . . . . . . . . . . . . 3878. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 20.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . .

16 44 58 69 119 146 157 289 290 307 392

Kosegarten, Gotthard Ludwig Theobul (1758–1818) Pfarrer auf Rügen, Schriftsteller 3621. Von Ludwig Kosegarten. Greifswald, Donnerstag, 18.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . 82

LII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Levi (Levin), Rahel (1771–1833) Schriftstellerin und Salonnie`re 3736. An Rahel Levin. Berlin, Mittwoch, 29.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Loeffler (Löffler), Josias Friedrich Christian (1752–1816) seit 1788 Generalsuperintendent in Gotha, Herausgeber des Magazins für Prediger 3602. An Josias Friedrich Christian Loeffler. Berlin, Sonnabend, 16.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Marheineke, Philipp Konrad (1780–1846) Professor der Theologie in Erlangen, seit 1807 in Heidelberg, 1811 in Berlin *3588. An Philipp Konrad Marheineke. Berlin, vor dem 8.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3591. Von Philipp Konrad Marheineke. Heidelberg, Sonnabend, 9.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3699. Von Philipp Konrad Marheineke. Berlin, Anfang November 1811 oder früher . . . . . . . 175 Martini, Christoph David Anton (1761–1815) evangelischer Theologe, seit 1809 Kreiskirchenrat und Gymnasialprofessor in München *3599. An Christoph David Anton Martini. Berlin, Sonnabend, 9.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3606. Von Christoph David Anton Martini. München, Freitag, 22.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 *3615. Von Christoph David Anton Martini. München, um den 5.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3633. Von Christoph David Anton Martini. München, Sonntag, 19.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Marwitz, Alexander von der (1787–1814) preußischer Offizier, Schleiermacherhörer in Halle, Geliebter der Henriette (Jette) Schleiermacher *3846. An Alexander von der Marwitz (auch von Henriette Schleiermacher). Vor dem 13.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LIII

*3847. An

Alexander von der Marwitz (auch von Henriette Schleiermacher). Berlin, Dienstag, 13.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 *3854. Von Alexander von der Marwitz. Vor dem 13.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 *3864. An Alexander von der Marwitz. Berlin, Sonnabend, 15.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 *3896. An Alexander von der Marwitz. Berlin, Donnerstag, 3.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428

Mehmel, Gottlieb Ernst August (1761–1840) Professor der Philosophie an der Universität Erlangen, Redakteur der Erlanger Literaturzeitung 3698. Von Gottlieb Ernst August Mehmel. Erlangen, Freitag, 1.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Metger, Friedrich Severin (1775–1834) Schleiermachers Nachfolger als reformierter Prediger an der Charite´ (1802) und in Stolp (1807/08), Schleiermacherhörer in Halle 3570. Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Donnerstag, 10.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 *3603. An Friedrich Severin Metger. Berlin, Sonnabend, 16.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3651. Von Friedrich Severin Metger. Wohl zwischen Ende März und Ende Juni 1811 . . . 115 3757. Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Mittwoch, 11.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Mieth, Gottfried (1765–1834) Bronzefabrikant und Kirchenvorsteher an der Dreifaltigkeitskirche 3775. Von Gottfried Mieth. Berlin, Montag, 13.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Mühlenfels, Friedrich von (1778–1852) Bruder der Henriette (Jette) von Willich, Herr auf Sissow *3738. An Friedrich von Mühlenfels. Dezember 1811/Januar 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3782. Von Friedrich von Mühlenfels. Züssow, Mittwoch, 10.6.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

LIV

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

*3825. An

Friedrich von Mühlenfels. Januar 1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 3828. Von Friedrich von Mühlenfels. Züssow, Montag, 8.2.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Müller, Adolph Wilhelm (1784–1811) Sohn des Wilhelm Christian Müller, Schleiermacherhörer in Halle, seit 1809 praktizierender Arzt in Bremen *3562. An Adolph Müller. Berlin, vor dem 4.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Müller, Elise (1782–1849) Tochter des Wilhelm Christian Müller, Musikerin *3716. An Elise Müller. Berlin, vor dem 17.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3717. Von Elise Müller. Bremen, Dienstag, 17.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Müller, Wilhelm Christian (1752–1831) Musiker, Schriftsteller, Kantor und Pädagoge in Bremen 3565. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Sonnabend, 5.1. bis Sonntag, 6.1.1811 . . . 3580. An Wilhelm Christian Müller. Berlin, Sonnabend, 19.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3584. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Montag, 28.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3592. An Wilhelm Christian Müller. Berlin, Dienstag, 12.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3654. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 18.7.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3678. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 12.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3694. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Sonntag, 13.10.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3818. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Mittwoch, 16.12.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3833. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 4.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3905. Von Wilhelm Christian Müller. Boizenburg, Donnerstag, 10.6.1813 . . . . . . . . . . . . . .

9 34 40 48 121 145 171 317 336 436

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LV

3913. Von Wilhelm Christian Müller. Wilsnack, Sonntag, 13.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Niebuhr, Barthold Georg (1776–1831) Historiker, seit 1810 Professor in Berlin und Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften 3625. Von Barthold Georg Niebuhr. Berlin, Montag, 8.4., 22.4. oder 29.4.1811 . . . . . . . 85 *3626. An Barthold Georg Niebuhr. Berlin, wohl Ende April 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3627. Von Barthold Georg Niebuhr. Berlin, wohl Ende April 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Nitzsch, Carl Ludwig (1751–1831) 1790 Pastor und Superintendent in Wittenberg, 1817 ebenda Direktor des Predigerseminars 3624. Von Carl Ludwig Nitzsch. Wittenberg, Sonntag, 28.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Perthes, Friedrich Christoph (1772–1843) Buchhändler und Verleger in Hamburg, Neffe des Justus Perthes 3851. An Friedrich Perthes. Berlin, Dienstag, 27.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Pippke 3793. Von Pippke. Montag, 27.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Pischon, Friedrich August (1785–1857) ab 1810 Hilfsprediger an der Dreifaltigkeitskirche Berlin 3819. An Friedrich August Pischon. Berlin, Donnerstag, 31.12.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Pistorius, Charlotte (1777–1850) geb. Pritzbuer, Dichterin, Frau des Pfarrers Johann Philipp Pistorius 3754. Von Luise von Willich, Friedrich Samuel Theodor Pritzbuer und Charlotte Pistorius (auch an Henriette Schleiermacher). Poseritz und Garz, Sonntag, 1.3. (oder früher) bis Sonntag, 8.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

LVI

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

3765. Von Luise von Willich und Charlotte Pistorius. Poseritz, Montag, 30.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Marianne von Preußen (1785–1856) geb. Prinzessin von Hessen-Homburg, Frau des Prinzen Wilhelm von Preußen (auch „Prinzessin Wilhelm“ genannt), Gegnerin Napoleons 3617. An Marianne von Homburg, Prinzessin von Preußen. Berlin, Montag, 8.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3622. Von Marianne von Homburg, Prinzessin von Preußen. Berlin, Donnerstag, 18.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Pritzbuer, Friedrich Samuel Theodor (1731–1819) seit 1787 Propst in Garz auf Rügen, vorher Pfarrer in Reinkenhagen, Vater der Charlotte Pistorius 3754. Von Luise von Willich, Friedrich Samuel Theodor Pritzbuer und Charlotte Pistorius (auch an Henriette Schleiermacher). Poseritz und Garz, Sonntag, 1.3. (oder früher) bis Sonntag, 8.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Reichardt, Luise (1779–1826) Komponistin und Chorleiterin, Tochter des Johann Friedrich Reichardt aus erster Ehe *3663. An Luise Reichardt. Vor dem 19.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3664. Von Luise Reichardt. Hamburg, Sonntag, 19.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3817. Von Luise Reichardt. Hamburg, Sonnabend, 21.11.1812 . . . . . . . . . . . . . . . 315 Reil, Johann Christian (1759–1813) Mediziner und Reformer, seit 1810 Professor der Medizin in Berlin *3579. An Johann Christian Reil. Berlin, Freitag, 18.1. oder Sonnabend, 19.1.1811 . . 34 Reimer, Wilhelmine (1784–1864) geb. Reinhardt, Frau des Verlegers und Schleiermacherfreundes Georg Andreas Reimer *3875. Von Wilhelmine Reimer. Potsdam, Mittwoch, 19.5. oder Donnerstag, 20.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Röder, Wilhelm Carl Ferdinand von (1781–1813) Adjutant Scharnhorsts, bei Kulm gefallen; Freund Schleiermachers *3821. An Wilhelm von Röder. Berlin, vor dem 9.1.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3822. Von Wilhelm von Röder. Hirschberg, Sonnabend, 9.1.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . *3824. An Wilhelm von Röder. Berlin, wohl Sonntag, 24.1.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . 3831. Von Wilhelm von Röder. Breslau, Sonnabend, 13.2.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3887. Von Wilhelm von Röder. Goldberg, vor dem 31.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3893. An Wilhelm von Röder. Berlin, Mittwoch, 2.6.1813 oder früher . . . . . . . . . . *3900. An Wilhelm von Röder. Berlin, Sonntag, 6.6. oder Montag, 7.6.1813 . . . . . . *3908. An Wilhelm von Röder. Berlin, Sonnabend, 12.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3927. An Wilhelm von Röder. Berlin, vor dem 29.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LVII

322 322 325 329 421 424 430 439 473

Sack, Friedrich Samuel Gottfried (1738–1817) Sohn des August Friedrich Wilhelm Sack, seit 1786 Oberkonsistorialrat, seit 1793 Oberhofprediger in Berlin 3705. Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Donnerstag, 21.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3772. Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Sonntag, 5.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sack, Karl Heinrich (1789–1875) Sohn des Friedrich Samuel Gottfried Sack, Enkel von Johann Joachim Spalding, Schüler Schleiermachers, 1813–15 im Krieg, 1815 im Domkandidatenstift, seit 1818 Professor der Theologie und Pfarrer in Bonn 3732. Von Karl Heinrich Sack. Mitte Januar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

LVIII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Savigny, Friedrich Karl von (1779–1861) Jurist, seit 1803 Privatdozent und Professor in Marburg, seit 1808 in Landshut und seit 1810 in Berlin 3771. An Friedrich Karl von Savigny. Berlin, wohl März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Scharnhorst, Gerhard Johann David von (1755–1813) preußischer General und Militärreformer *3834. An Gerhard von Scharnhorst. Berlin, vor dem 8.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 3835. Von Gerhard von Scharnhorst. Breslau, Montag, 8.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 *3841. An Gerhard von Scharnhorst. Berlin, vor dem 27.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Schlegel, August Wilhelm (1767–1845) Schriftsteller, Übersetzer, Philologe, Bruder des Friedrich Schlegel *3928. An August Wilhelm Schlegel. Berlin, wohl Mai/Juni 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Schlegel, Friedrich (1772–1829) Philosoph, Philologe und Dichter, Bruder des August Wilhelm Schlegel 3850. Von Friedrich Schlegel. Wien, Donnerstag, 22.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 3909. An Friedrich Schlegel. Berlin, Sonnabend, 12.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Schleiermacher, Anne (Nanny) Maria Louise (1786–1869) F. Schleiermachers Halbschwester, heiratet 1817 Ernst Moritz Arndt 3804. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 30.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3806. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Mittwoch, 2.9.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3807. An Anne (Nanny) Schleiermacher (auch von Luise von Willich). Poseritz, Montag, 7.9.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3808. An Anne (Nanny) Schleiermacher. Sagard, Sonntag, 13.9.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 *3892. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Vor dem 2.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LIX

*3919. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Vor dem 19.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 *3920. An Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 19.6.1813 oder früher . . . . . . . . 464 Schleiermacher, Johann Carl (Charles) (1772–1843) Schleiermachers Bruder, Apotheker in Schmiedeberg *3910. An Carl Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 12.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Schleiermacher, Friederike Charlotte (Lotte) (1765–1831) Erzieherin und Lehrerin in Gnadenfrei und Habendorf, F. Schleiermachers Schwester 3583. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 27.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 *3590. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 9.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3593. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 12.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . 51 *3609. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, vor dem 31.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3614. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 4.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . 76 3631. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 14.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3638. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 29.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3639. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Mittwoch, 29.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . 104 3647. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 28.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3648. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Freitag, 28.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3653. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 16.7. bis Dienstag, 16.7.1811 . . . . . . . . . . . 120 3703. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Sonnabend, 16.11.1811 . . . . . . . . . . . . . 178 3706. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 21.11.1811 . . . . . . . . . . . . . 184

LX

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

3719. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, um den 20.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3721. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Montag, 30.12.1811 bis Mittwoch, 1.1.1812 . . . . . . *3722. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 1.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3763. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Mittwoch, 25.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . *3773. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, vor dem 12.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3774. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Sonntag, 12.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3788. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 12.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3799. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Anfang August 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3826. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Januar 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3827. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, wohl Anfang Februar bis Dienstag, 9.2.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3840. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher (auch an Henriette Schleiermacher). Gnadenfrei, Donnerstag, 25.3.1813 . . . . . . . . . . . . . . *3845. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Anfang April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3852. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Ende April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 205 207 260 268 268 281 292 326

326

349 355 362

Schleiermacher, Henriette (Jette) (1788–1840) geb. von Mühlenfels, verw. von Willich, seit 1809 Friedrich Schleiermachers Frau 3683. Von Henriette Schleiermacher. Berlin, Montag, 16.9. bis Dienstag, 17.9.1811 . . . . 149 3684. An Henriette Schleiermacher. Hirschberg, Mittwoch, 18.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3686. An Henriette Schleiermacher. Hirschberg, Sonnabend, 21.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . 154 3689. Von Henriette Schleiermacher. Berlin, Montag, 23.9. bis Dienstag, 24.9.1811 . . . . 159

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

3691. An 3692. An 3693. Von 3858. An

*3859. Von *3861. Von 3870. An 3873. An *3874. Von 3877. An

3879. An *3880. Von 3882. An 3883. Von 3885. An 3886. An 3888. An 3889. An *3890. An

Henriette Schleiermacher. Breslau, Mittwoch, 25.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Breslau, Freitag, 27.9. bis Sonnabend, 28.9.1811 . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Freitag, 27.9. bis Sonnabend, 28.9.1811 . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 13.5. bis Sonnabend, 15.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Donnerstag, 13.5. oder Freitag, 14.5.1813 . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Crossen, vor dem 18.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 16.5. bis Dienstag, 18.5.1813 . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 18.5. bis Donnerstag, 20.5.1813 . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Mittwoch, 19.5.1813 . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 20.5. bis Sonnabend, 22.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher Berlin, Sonnabend, 22.5. bis Dienstag, 25.5.1813 . . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonnabend, 22.5.1813 . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 25.5. bis Sonnabend, 29.5.1813 . . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Mittwoch, 26.5.1813 . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 29.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 30.5. bis Dienstag, 8.6.1813 . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXI

164 166 168

369 373 375 377 383 386

387 393 399 401 409 410 411 421 422 423

LXII

3891. An 3897. An *3898. An *3899. Von 3903. An *3911. Von 3912. An 3915. Von

3916. An 3921. An 3922. Von 3925. An 3926. An

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 5.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 6.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 6.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Mittwoch, 9.6. bis Sonnabend, 12.6.1813 . . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonnabend, 12.6.1813 . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 13.6. bis Dienstag, 15.6.1813 . . . . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 13.6. bis Mittwoch, 16.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 15.6. bis Mittwoch, 16.6.1813 . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 19.6. bis Dienstag, 22.6.1813 . . Henriette Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 20.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 24.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henriette Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 26.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423 429 429 430 433 441 442

457 459 465 467 470 472

Schlichtkrull, Adolf (1761–1835) Präpositus in Poseritz, Mann der Sophie Schlichtkrull *3672. An Adolf und Sophie Schlichtkrull. Berlin, vor dem 27.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3685. Von Adolf Schlichtkrull. Poseritz, Freitag, 20.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Schlichtkrull, Sophie (1766–1829) geb. von Willich, Schwester Ehrenfried von Willichs 3573. Von Sophie Schlichtkrull. Poseritz, Sonnabend, 12.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LXIII

*3672. An

Sophie und Adolf Schlichtkrull. Berlin, vor dem 27.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3718. Von Sophie Schlichtkrull. Stralsund, Donnerstag, 19.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . 201

Schmalz, Theodor Anton Heinrich (1760–1831) Professor der Rechte in Berlin, erster Rektor der Berliner Universität 3604. Von Theodor Anton Heinrich Schmalz. Berlin, Montag, 18.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Schulze, Johannes Karl Hartwig (1786–1869) Theologe und Philologe, Schleiermacherhörer in Halle, 1808 Lehrer in Weimar, 1812 Direktor des Gymnasiums Hanau, 1813 Oberschulrat im Großherzogtum Frankfurt 3576. Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Dienstag, 15.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3680. An Johannes Karl Hartwig Schulze. Berlin, Freitag, 13.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3702. Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Donnerstag, 14.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Sibbern, Frederick Christian (1785–1872) dänischer Philosoph 3701. An Frederick Christian Sibbern. Berlin, Montag, 14.11.1811 Simand 3640. Von Simand. Mai 1811

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum (1757–1831) preußischer Staatsmann, bedeutender preußischer Reformer 3658. An Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3675. Von Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli/August 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

LXIV

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Steffens, Henrich (1773–1845) norwegischer Naturphilosoph, Schleiermacherfreund, ab 1811 Professor der Physik in Breslau 3569. Von Henrich Steffens. Halle, Dienstag, 8.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 *3641. An Henrich Steffens. Vor dem 1.6.1811. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3642. Von Henrich Steffens. Halle, Sonnabend, 1.6.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3661. Von Henrich Steffens. Halle, Freitag, 9.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 *3665. An Henrich Steffens. Berlin, Mittwoch, 21.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3668. Von Henrich Steffens. Halle, Sonntag, 25.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3711. Von Henrich und Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, vor dem 10.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3715. Von Henrich Steffens. Breslau, Mitte Dezember 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3753. Von Henrich und Johanna Steffens (auch an Henriette und Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 1.3. bis Montag, 2.3.1812 . . . . . . . 247 Steffens, Johanna (1785–1855) geb. Reichardt, Tochter von Johann Friedrich und Johanna Reichardt, seit 1803 Frau des Henrich Steffens 3605. Von Johanna Steffens. Wohl Halle, Dienstag, 19.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3711. Von Johanna und Henrich Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, vor dem 10.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3753. Von Johanna und Henrich Steffens (auch an Henriette und Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 1.3. bis Montag, 2.3.1812 . . . . . . 247 3849. Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Montag, 19.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 *3865. An Johanna Steffens. Vor dem 16.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LXV

3871. Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 16.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Twesten, August Detlev Christian (1789–1876) Schleiermacherhörer in Berlin, Professor für systematische Theologie in Kiel ab 1814 3708. Von August Twesten. Hamburg, Montag, 25.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3739. Von August Twesten. Hamburg, Dienstag, 4.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3748. An August Twesten. Berlin, Sonnabend, 22.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3750. Von August Twesten. Hamburg, Freitag, 28.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3764. Von August Twesten. Hamburg, Mittwoch, 25.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3790. Von August Twesten. Eimsbüttel, Freitag, 17.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Veit, Simon (1754–1819) Bankier in Berlin, erster Mann der Dorothea Schlegel (geschieden 1799) *3907. Von Simon Veit. Berlin, vor dem 12.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 Voß, Luise Sophie Caroline Gräfin von (1780–1865) geb. von Berg, seit 1800 Frau des August Ernst Graf von Voß *3704. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Vor dem 21.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3709. An Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Berlin, Sonnabend, 30.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3862. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Freitag, 14.5. oder Sonnabend, 15.5.1813 . . . . . . . . *3867. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Sonnabend, 15.5. oder Sonntag, 16.5.1813 . . . . . . . *3876. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Donnerstag, 20.5.1813 oder früher . . . . . . . . . . . . . . 3894. An Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Berlin, Mittwoch, 2.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181 188 375 376 387 425

LXVI

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

3901. An

Luise Sophie Charlotte Gräfin von Voß. Berlin, Montag, 7.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 *3902. Von Luise Sophie Charlotte Gräfin von Voß. Berlin, Mittwoch, 9.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Weinlig, J. 3746. Von J. Weinlig. Wohl Donnerstag, 20.2.1812 (oder am 20.2. eines früheren Jahres) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Wiggers, Gustav Friedrich (1777–1860) seit 1810 Professor der Theologie und Direktor des pädagogischen Seminars in Rostock 3727. Von Gustav Friedrich Wiggers. Rostock, Donnerstag, 2.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Willich, Ernst Heinrich Brandanus von (1755–1826) Sohn des Philipp Georg von Willich aus einer früheren Ehe, Postmeister und Oberstleutnant 3563. Von Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Bunzlau, Freitag, 4.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 *3616. An Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Berlin, Sonnabend, 6.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 *3681. An Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Görlitz, Montag, 16.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3872. Von Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Bunzlau, Sonntag, 16.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Willich, Heinrich Christoph von (1759–1827) Sohn Philipp Georg und Marianne Regina von Willichs, Pastor in Sagard auf Rügen 3571. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Henriette Schleiermacher). Sagard, Freitag, 11.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 *3623. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, vor dem 20.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 *3670. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, vor dem 26.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LXVII

3673. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Luise von Willich). Sagard, Dienstag, 27.8.1811. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3707. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, Montag, 25.11.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3712. Von Heinrich Christoph von Willich. Stralsund, Dienstag, 10.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3801. Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 11.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3814. Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 17.11.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3830. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Henriette Schleiermacher). Sagard, um den 9.2.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3844. Von Heinrich Christoph und Doris von Willich. Sagard, Dienstag, 6.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 186 195 292 310

329 353

Willich, Margarethe Dorothea (Doris) von geb. Bokelmann, verw. Simon, dritte Ehefrau des Heinrich Christoph von Willich 3844. Von Doris und Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 6.4.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Willich, Maria Christiane Luise von (1767–1849) Schwester des Feldpredigers Ehrenfried von Willich 3687. Von Luise von Willich. Bunzlau, Sonnabend, 21.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3690. Von Luise von Willich. Bunzlau, Dienstag, 24.9.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3720. An Luise von Willich. Berlin, Donnerstag, 26.12.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3729. Von Luise von Willich. Poseritz, Sonntag, 12.1.1812 bis Montag, 13.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3737. Von Luise von Willich. Poseritz und Garz, Donnerstag, 30.1. bis Montag, 17.2.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3747. Von Luise von Willich. Wohl Anfang 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 162 204

213

221 239

LXVIII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

3754. Von Luise von Willich, Friedrich Samuel Theodor Pritzbuer und Charlotte Pistorius (auch an Henriette Schleiermacher). Poseritz und Garz, Sonntag, 1.3. (oder früher) bis Sonntag, 8.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3755. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 8.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3765. Von Luise von Willich und Charlotte Pistorius. Poseritz, Montag, 30.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 *3800. Von Luise von Willich und Charlotte von Kathen. Vor dem 11.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3802. Von Luise von Willich. Sagard, Mittwoch, 12.8. bis Donnerstag, 13.8.1812 293 *3815. Von Luise von Willich. Sagard, Sonnabend, 21.11.1812 oder früher . . . . . . 313 3832. Von Luise von Willich. Sagard und Poseritz, Dienstag, 16.2.1813 bis spätestens Anfang April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3881. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 23.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 3884. Von Luise von Willich. Vor dem 27.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 3906. Von Luise von Willich. Götemitz, wohl um den 10.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . 438 3914. Von Luise von Willich. Poseritz, Sonntag, 13.6. bis Dienstag, 15.6.1813 . . . 447 3924. Von Luise von Willich. Poseritz, Mittwoch, 23.6. bis Donnerstag, 24.6.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Willich, Marianne von (geb. 1760) Schwester des Heinrich Christoph von Willich, später verheiratete Dreist 3843. Von Marianne von Willich. Sagard, Sonntag, 4.4. bis Montag, 5.4.1813 . . . . . . . 351 Wolf, Christian Wilhelm Friedrich August (1759–1824) Altphilologe, seit 1810 Professor in Berlin 3792. Wohl an Friedrich August Wolf. Berlin, Mittwoch, 22.7.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LXIX

Wolf(f), Philipp Wilhelm (1766–1822) Theologe, seit 1810 Superintendent in Zossen 3578. Von Philipp Wilhelm und Ena (Julie) Wolf (diese auch an Henriette Schleiermacher). Zossen, Donnerstag, 17.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3756. Von Philipp Wilhelm Wolf. Zossen, Sonntag, 8.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Wolf(f), Ena (Julie) Frau des Philipp Wilhelm Wolf(f) 3578. Von Philipp Wilhelm und Ena (Julie) Wolf (diese auch an Henriette Schleiermacher). Zossen, Donnerstag, 17.1.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Wolfart, Karl Christian (1778–1832) Mediziner, seit 1810 Dozent, später Professor an der Berliner Universität *3869. An Karl Christian Wolfart. Berlin, Sonntag, 16.5.1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Zenker, Johann Gottlieb Friedrich (1753–1826) Geheimer Kriegsrat und Hof- und Staatsrentmeister in Berlin 3612. Von Johann Gottlieb Friedrich Zenker. Berlin, Montag, 1.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Briefwechsel mit nicht ermittelten Personen 3600. An 3632. Von 3644. Von 3655. Von 3662. Von 3700. Von

Unbekannt. Berlin, Mittwoch, 13.3.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Mitte Mai 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Anfang Juni 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Berlin, Montag, 22.7.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Juni bis Mitte August 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt (Weinhändler). Anfang November 1811 oder früher . . . . . . . . . . . . .

61 95 108 123 130 175

LXX

*3723. An 3742. An 3743. Von 3744. Von 3751. Von 3752. Von 3760. Von 3761. Von 3762. Von *3766. Von *3767. An *3769. Von 3780. Von 3781. Von 3784. Von 3803. Von 3805. An

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Unbekannt (einen Geistlichen). 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Februar 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Vor dem 20.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Vor dem 20.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Sonnabend, 21.3.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Vor dem 30.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Anfang Mai 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Ende Juni 1812 oder früher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. Vor dem 18.8.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbekannt. August 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 236 237 237 246 246 259 260 260 265 265 265 274 274 276 295 297

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

LXXI

Amtlicher Briefwechsel Schleiermachers Tätigkeit an der Dreifaltigkeitskirche 3611. Von Carl Friedrich Grahl. Berlin, Montag, 1.4.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3674. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 31.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *3726. Von Friedrich Herzberg. Berlin, Mittwoch, 1.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3730. An Friedrich Herzberg (auch von der Sektion des Unterrichts). Berlin, Montag, 13.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3735. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 25.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775. Von Gottfried Mieth. Berlin, Montag, 13.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778. An die Kirchenvorsteher der Dreifaltigkeitsgemeinde. Berlin, Freitag, 24.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3819. An Friedrich August Pischon. Berlin, Donnerstag, 31.12.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 137 210

217 220 270 272 318

Schleiermachers Tätigkeit an der Universität Theologische Fakultät 3629. An die Theologische Fakultät. Berlin, Mittwoch, 1.5.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3659. An die Theologische Fakultät. Berlin, Donnerstag, 1.8.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Schleiermachers Tätigkeit in der Sektion des öffentlichen Unterrichts Direktion des Landschullehrerseminars 3594. An die Direktion des Landschullehrerseminars (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Mittwoch, 20.2.1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

LXXII

Verzeichnis der einzelnen Briefwechsel

Hardenberg, Karl August Freiherr von (in seiner Funktion als Staatskanzler) 3731. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 13.1.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3813. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 9.11.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Geistliche und Schuldeputation der Kurmärkischen Regierung 3779. An die Geistliche und Schuldeputation der Kurmärkischen Regierung (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 27.4.1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 3798. An die Geistliche und Schuldeputation der KurMärkischen Regierung (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Sonntag, 9.8.1812. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Briefwechsel Januar 1811 bis Juni 1813

3561. Von Karl Friedrich Bachmann. Jena, Donnerstag, 3. 1. 1811

5

10

15

20

25

Ew. Wohlgebohren werden verzeihen, wenn ich mir die Freiheit nehme, Denselben beiliegende kleine Schrift als einen geringen Beweis meiner Verehrung hierdurch zu übersenden. Die Mängel derselben kann niemand lebhafter fühlen als ich selbst; zur Herausgabe derselben bewog mich die für mich schmeichelhafte Aeußerung mehrerer hiesiger Gelehrten und Studierenden, und der daraus erzeugte Gedanke, als könnte dieselbe auch anderwärts vielleicht in manchen jungen Gemüthern einige Neigung zur Philosophie erregen, oder die schon vorhandne verstärken. Aus diesem Gesichtspunkte kann dies anspruchslose Werkchen und der darin herrschende Ton allein richtig beurtheilt werden. Ich würde mich unendlich glücklich schätzen, wenn ich hier an diesem der Philosophie geweihten Orte das Studium derselben, wieder in etwas beleben könnte, das leider jezt sehr vernachlässiget wird, allein ich kann hier wohl auf Titel, aber nicht auf eine erträgliche Besoldung rechnen, und weiß deßhalb nicht, wie lange ich noch hier wirken kann. Wenn die äußeren Verhältnisse besser wären und noch einige tüchtige Männer berufen | werden könnten, so zweifle ich gar nicht, daß Jena in kurzem wieder eine der besuchtesten Universitaeten Deutschlands seyn würde, denn vor drei Jahren zählte man hier nur 250 Studenten und jezt 440. Doch um vieles dürfte sie wohl nicht mehr wachsen. An dem Dr. Walch haben wir einen vielversprechenden Philologen verloren, so daß diese Wissenschaft jezt allein auf den Herrn Geheimen Hofrath Eichstaedt eingeschränkt ist. Schließlich empfehle ich mich Ihrem gütigen Wohlwollen und verbleibe unter nochmaliger Versicherung meiner aufrichtigsten Hochachtung Dero ergebenster Carl Friedrich Bachmann Jena, den 3ten Januar 1811. 3561. Überlieferung: H: BBAW, SN 244, Bl. 1. Mit einem Exemplar einer seiner Schriften (vermutlich „Ueber Philosophie und ihre Geschichte“).

1v

4

Briefe 3562–3563

*3562. An Adolph Müller. Berlin, vor dem 4. 1. 1811 Rät ihm ab, nach Russland zu gehen.

3563. Von Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Bunzlau, Freitag, 4. 1. 1811

1v

2

Hochwürdiger Herr Höchstzuverehrender Herr Doctor und Professor. Wohl erinnere ich es mir, daß Ew. Hochwürden mich in Berlin vor 5 Jahren, mit einem kurtzen Besuch beehrten, dies war aber in einem für mich so traurigen Zeitpunkt , daß mir diese Zeit, nur wie ein Traum erinnerlich. Ich darf also auch nicht darauf rechnen, daß es mir damahls, und in so kurtzer Zeit geglückt wäre, mich Ew. Hochwürden für die Folge erinnerlich zu machen. Doch wende ich mich mit völligem Zutrauen, an Ew. Hochwürden, in einer für mich sehr wichtigen Angelegenheit, und rechne darauf, daß die freundschaftlichen Gesinnungen, welche Sie für meinen mir | unvergeslichen verstorbenen Bruder hegten in Ansehung meiner Bitte, Gewährung, und wegen meiner Zudringlichkeit Nachsicht bewürken. Meiner Frauen Bruder, des Oberst von Wuthenowen, der vormahls Adjutant, des FeldMarschalls Grafen von Kalkreuth war, ist jetzt Commandeur des 1sten Westpreussischen Dragoner Regimentts in Grüneberg, Er hat einen nun 14 Jahr alten Pflegesohn, den Er als ein armes Kind aufgenommen, diesen will Er studiren laßen, mein ältester Sohn ist im 15ten Jahre, ist Junker beim 1sten Husaren Regimentt. Mein Schwager wünscht Ihm bei seinem Regimentt, welches der König abschlagen wird, unser Plan ist für erwähnte junge Leute, auf gemeinschaftliche Kosten, einen Haußlehrer zu suchen, der aber Seinen Auffenthalt, bei meinem Schwager | haben wird. Für meines Schwagers PflegeKind würde also ein Subject erfordert werden welches die Kentniß besitzt, einen jungen Menschen so weit zu bringen, daß Er gleich auf die Akademie gehen könne. Der Unterricht für einen Junker um das militairische Examen bestehen zu *3562.

Erschlossen aus W.C. Müllers Brief 3565, Z. 62 vom 5. 1. 1811.

3563. Überlieferung: H: BBAW, SN 422, Bl. 1 f. Mit einem Brief an Luise von Willich. – Empfangsvermerk: „pr d. 12t. Jan. 11.“; Beantwortungsvermerk: „resp. d. 6t. April“.

5

10

15

20

25

Vor dem 4. 1. 1811

30

35

40

45

50

55

5

können, ist so viel ich weiß, da ich die darüber ergangene Verordnung unglücklicher Weise nicht mehr habe; vorzüglich, Orthographie, Calligraphie, Geographie, Geschichte, Statistick, Französisch, Arithmetic, Ge´ometrie, und reine angewandte Mathemathique, und wo möglich Anweisung in militairischem Planzeichnen, worin mein Sohn schon einige Fortschritte gemacht. Wie wichtig mir dieser Gegenstand ist, darf ich wohl nicht erst sagen. Zutrauungsvoll komme ich demnach mit der Bitte, wenn Ew. Hochwürden | einen Mann kennen, der diesen unsern Wünschen entspricht, und Ihn bekant zu machen, so wie die Bedingungen unter welchen Er den Unterricht übernehmen will. So viel kann ich versichern, daß mein Schwager ein sehr edler rechtlicher Mann, und Seine Gemahlin eine sehr gebildete Frau ist. Daß Sie Hochwürdiger jetzt das höchste Erdenglück mit Ihrer lieben Frau genießen mögen wünsche ich hertzlich, und bitte derselben meiner gantzen Verehrung zu versichern, so gerne sah und liebte ich Sie als Schwester, und hege noch diese Gesinnungen, mögten auch Sie es mir erlauben, brüderliche Empfindungen für Sie zu hegen, da ich es dankbar fühle, daß Sie ein so liebreicher Vater, der Kinder meines Bruders sind. Seit 3 Monathen habe ich meinen Abschied wegen meiner Jahre und sehr geschwächten Gesundheit und zur Versorgung das GrentzPostAmt Buntzlau. Mit denen Geschäften laße ich mich aber weiter nicht ein als daß ich auf meiner Stube meinen Nahmen unterschreibe. Ich empfehle mich zum Wohlwollen und habe die Ehre mit wahrer Verehrung zu beharren Ew Hochwürden Gehorsamster Diener v Willich Buntzlau in Schlesien den 4ten Jan. 1811. Meine jüngste Schwester schrieb mir sie gedächte den Winter nach Berlin[,] in der Vermuthung dies Vorhaben sei realisirt, lege ich ein Schreiben bei, mit Bitte, wenn Sie nicht in Berlin ist es an Ihren Auffenhalts Ort abgehen zu laßen.

53–56 Meine … laßen.] am linken Rand

2v

6

Brief 3564

3564. Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Sonnabend, 5. 1. 1811

55v

Halle, den 5ten Jan. 11. Lassen Sie mich vor allen Dingen, mein lieber glücklicher Schleiermacher Ihnen sagen, welche Freude es mir und uns allen hier gemacht hat Sie dieses Jahr so überaus herlich beschert zu wissen. Auch wir sind zwar an jenem Abend wohl heiter und fröhlich gewesen, so daß ich darüber selbst des Kopfweh vergaß die mir die angestrengte Arbeit für das Fest sehr unwillkommen verursacht hatte, jedoch knüpfte sich eben an den schönen Abend manche wehmüthige Erinnerung für unsern guten Steffens und es war sichtbaar genug daß er sich etwas ängstlich bemühte so viel Freunde als möglich um sich zu versammlen. Es thut mir unendlich wohl nachdem ich die letzten Jahre so manches Leid meiner Freunde getheilt wie denn kaum einer darunter war der nicht auf eine schmerzliche Weise von der Zeit und vom Schiksale wäre berührt worden, endlich auch eine reine und schöne Freude mit Ihnen theilen zu können. Auch unser Rienäcker ist schon vor längerer Zeit ebenfalls mit einer Tochter beglückt worden. Dies frohe Ereignis hat einen sichtbar heilsamen Eindruk auf ihn gemacht, er ist heitrer als ich ihn seit lange nicht gesehen, nur bricht seine Aengstlichkeit zuweilen in, wie mir scheint, sehr ungegründeteste Besorgnisse für die Erhaltung des Kindes wieder hervor. Es hat sich seitdem ich Ihnen zuletzt geschrieben ja nun alles aufgeklärt und bestimmt und ich bin darüber nun soweit beruhigt als man es über ein Unabwendbares wenn gleich trauriges Schiksal sein kann. Mein Wunsch aber Halle zu verlassen und wo möglich nach Berlin zu kommen ist aber dennoch der nehmliche, denn Sie sollten kaum glauben wie in jeder Rüksicht elend es hier aussieht. Wenn Harscher, wie ich vermuthe, der Ueberbringer dieses Briefes ist wird er Ihnen manches nähere darüber sagen können. Vor einigen Tagen hatte ich einen Ruf nach Dresden an Ricquets Stelle der nach Stettin geht, allein die viel bedeutendere Arbeit, das Predigen in zwei Sprachen | die Abhängigkeit von der Gemeine der Druck unter welchem die Reformirten noch immer in Sachsen stehen und die Gallomanie der meisten Dresdener verleiden mir die Sache so daß ich sie sogleich abgeschrieben habe. Zum Abwarten einer bessren ist meine Stelle hier gut genug. Wahrhaft erstaunt aber bin ich gewesen zu erfahren daß Theremin an Ancillons Stelle gekommen. Ich hofte man würde end3564. Überlieferung: H: BBAW, SN 253, Bl. 55 f.; D: Blanc: Briefe an Friedrich Schleiermacher, S. 30–33 (gekürzt)

5

10

15

20

25

30

5. 1. 1811 35

40

45

50

55

60

65

70

7

lich an Einziehung dieser Stellen denken und konnte überdies kaum glauben daß man dem Theremin seine Sanderschen Verhältnisse so leicht vergeben würde. Ich wollte ihn den Dresdenern vorschlagen die mich im Fall ich es ausschlüge um Rath gebeten hatten, ich sehe aber kaum wo sie nun einen hernehmen wollen, ließen sie sichs gefallen daß nur deutsch gepredigt würde so könnte ich mich vielleicht noch eher entschließen ihre Stelle anzunehmen um doch in Ermanglung bessrer Umgebungen wenigstens eine freundliche Stadt und herrliche Gegenden um mich zu haben. Sie sehen ich spreche immer noch in der Voraussetzung Steffens könnte uns wohl noch genommen werden, obgleich ich für Ostern wenigstens die Hofnung ziemlich aufgegeben habe. Er selbst ist, wie Sie ihn ja auch wohl kennen, bald empört über die Verzögerung und beinahe entschlossen gar nicht hinzugehen, bald wieder sieht er die Erfüllung seines Wunsches näher als sie wohl sein mag. Könnten Sie es nur möglich machen ihm öfter über die Lage und den Gang der Sache zu schreiben, sie glauben nicht wie peinlich eine solche Ungewisheit ist, besonders da, wie ich es nicht bergen kann, die gewis durch Reils gewöhnlichen Ungestüm herbeigeführten Misverständnisse zwischen Ihnen und ihm uns die ganze Sache noch dunkler machen. Steffens ist hier warlich übler daran als Sie wohl glauben, die gemeinste Gemeinheit ist gewaltig oben auf und findet einen sehr willkommenen Haltpunkt in dem Kanzler, dazu kommt daß unter solchen Umständen | Steffens keine andern Vorlesungen als etwa Oryktognosie und Geognosie zu Stande bringt. Ich möchte behaupten daß seine letzten Arbeiten recht treue Spiegel sind seines innren Zustandes, so hat er sich in dem Aufsatze im Reilschen Journal auffallend zu einer ihm sonst nicht ganz zugehörenden Mystik geneigt und von der andern Seite arbeitet er mit großem Fleiße an einem Handbuche der Mineralogie welches wirklich wie ich hoffe durch Vollständigkeit und Genauigkeit Aufsehen erregen muß. Ich wünschte aber sehr er fände zwischen beiden Extremen die Innre NaturGeschichte der Erde bei seinen gewöhnlichen, eigenthümlichen Beschäftigungen und Richtungen wieder, und das geschieht gewis nur in Berlin. Münchow kommt nun nicht nach Berlin, er ist zum Professor extraordinarius in Jena ernannt und es wird ihm dort eine Sternwarte eingerichtet wozu die Instrumente theils aus Weimar theils aus Seeberg zusammengebracht werden. Er ist überaus zufrieden damit obwohl ihm nur 200 rth Gehalt angewiesen sind. Es freut mich sehr den treuen braven Menschen einmal in einer unabhängigen, ehrenvollen Lage zu sehen. Er geht Ostern nach Jena

56

8

56v

Briefe 3564–3565

Sie lieber Freund mögen wohl gewaltig mit Geschäften und Arbeiten überhäuft sein sonst würde ich Sie schelten daß Sie keine Anstalt machen einen Band FestPredigten oder andre herauszugeben. Ich möchte Sie wohl eine längere Zeit in Berlin hören um zu wissen ob Sie dem so überaus einfachen und rührenden Ton Ihrer zwei letzthin gedrukten Predigten, immer treu zu bleiben vermögen. Harscher der 2 Monat hier gewesen und Ihrer ganz außerordentlich bedarf wenn es jemals besser mit ihm werden soll, besitzt ein Heft Ihrer Ethik wovon er mir eine Abschrift versprochen sobald seine Sachen angekommen sein werden. Erinnern Sie ihn doch ja daran, Sie können wohl denken wie wichtig es Rienäcker und mir wäre sowohl Ihre | Ethik als auch Ihre Dogmatik zu kennen. Gäbe es denn kein Mittel uns eine Abschrift von dieser letzteren zu verschaffen? Ich hoffe wohl einzelnes, und hin und wieder in Ihrem Sinne das rechte getroffen zu haben, aber die Freude eine gründliche Anschauung des Ganzen zu haben kann ich und mag ich auch keinem andren als Ihnen verdanken. Schulz aus Weimar hat mir seine Predigten geschickt worin mir ein schönes Talent aber viel Eitelkeit zu sein scheint, ich war diesen Sommer einige Tage in Weimar und habe viel mit ihm darüber gesprochen aber es war mir nicht möglich mich mit ihm zu einigen, weil er über das Wa s zu geben sei gar zu schnell entschieden, und nur über das W i e gar zu peinlich und eitel schien. Die arme Kammerräthin war diese Zeit her sehr in Sorgen, Müfling verlangte das Kind auf einige Monate, was ihr natürlich sehr schmerzlich sein mußte wenn man den Menschen genauer kennt und die Art wie er das arme Wesen in den wenigen Tagen behandelt wo er es diesen Sommer gesehen. Er hat wie er nun sagt den Gedanken aufgegeben, läßt aber deutlich merken er wünsche sich wieder zu verheirathen um das Kind zu sich zu nehmen. Sie müßten seine Briefe gelesen haben wie ich um zu fühlen welch ein roher, ja in jedem Sinne gemeiner und erbärmlicher Mensch es ist. Wir mögen die arme Lotte nun glücklich preisen daß sie durch den Tod dem traurigen Schicksal mit ihm zu leben entgangen ist. Wenn die Gelder nur nicht so knapp wären so hofte ich Sie nächsten Sommer zu sehen wonach ich eine rechte Sehnsucht habe, aber ich bin voriges Jahr etwas viel herumgestrichen, besonders mit Steffens auf dem Harz, und meine Kasse empfindet noch die Nachwehen. – Gott erhalte Ihnen Frau und Kind gesund, ich küsse der einen die Hand und dem andern Mund und Augen; auch bitte ich die Tante Nanny in ihrer neuen Würde zu grüßen. Finden Sie einmal ein viertel Stündchen Zeit so schreiben Sie Ihrem Blanc.

75

80

85

90

95

100

105

110

115

5. 1. 1811

9

3565. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Sonnabend, 5.1. bis Sonntag, 6. 1. 1811

5

10

15

20

25

30

Bremen den 5. Jan 11, Morgens 5 Uhr Herrlicher Freund meines Adolfs Diese Zeit wird und soll Ihnen auffallen. Es ist ja noch Nacht – schrekliche Nacht ist um mich – und sie wird noch schreklicher werden. Auch Sie werden sich erschrecken. O wären Sie mir Gefährde in der Leidensnacht, die Noth würde mir weniger zerstöhrend seyn. Wo soll ich mich hinwenden, da mir das Liebste, das Beste was ich producirt habe, worauf ich seit 27 Jahren alle Sorge, Zeit Kräfte, Ersparung gewandt – wie ein Zauberschatz, wie eine herrliche Erscheinung wieder versinken will. O was sollte mir alles noch mein Adolf seyn! was war er schon! Sie haben seine Schönheit, sein himmlisches Gemüth erkannt. Auch Sie hofften Vortreffliches von ihm, der höchst sittlichen, reinen Seele! Wie selten findet man eine solche Perle! Er hatte Sinn für alles Gute, Schöne, Hohe – einen Reichtum von Kenntnissen und Geschicklichkeiten den er mehr als 100 Lehrern, ein ehrliches, unverschrobenes unbestechliches Herz, was er vielleicht meiner unablässigen Erziehung und Wachsamkeit, die höchste Idee der Sittlichkeit, die er Ihnen verdankt. – Sie fürchten, daß er nicht mehr sey – nein, er ist noch bei mir, er liegt noch ganz besonnen neben diesem Tische – aber er ist höchst gefährlich krank – Sie wissen vielleicht von ihm selbst, daß er, als vor 2. Jahren das fauligte Nervenfieber hier wüthete, auch davon angestekt wurde, indem er für einen andern auch angesteckten Collegen 8 Wochen lang einen weitläufigen Armendistrikt besorgte. Aus inniger Angelegenheit pflegte er die schlimmen Kranken selbst half einen todten Mann, der bei der delirirenden Frau noch im Bette liegt, aus dem Bette tragen, es wandelt | ihn ein Eckel an, und gerade hatte er sich auf demselben Wege beim Überfahren über die Weser verkältet. Krank ging er noch herum – aber – kaum kam er mit Hülfe zweier Ärzte durch. Er erholte sich nicht ganz wieder – brauchte keine Nachkur, aus Besorgniß mir lästig zu werden. Er ging zu frühe weite Wege zu armen Kranken, die sehr viel Zuneigung zu ihm äußerten, besonders da zwei andere Ärzte ihm ihre Kranken zum Theil übertrugen. Er schrieb dabei fürs große Publikum, übersetzte viel und recensirte englische Schriften machte Auszüge für einen unserer berühmten Ärzte, der ihm viel versprach – aber am Ende nichts gehalten hat. Der 3565. Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 11–14; D: Gerber: Die Familien Müller und Schleiermacher, S. 126 f. (Zitat)

11v

10

12

12v

Brief 3565

Arzt, in dessen Distrikt er die Krankheit geholt, wollte mir einen Trost in Rücksicht der kostbaren Kur meines Sohns geben, und versprach uns seinen Distrikt oder einen Theil abzugeben, und dann wollte er uns sagen, wann und wie. Mein Sohn war im Juni und Juli auf dem Lande – unterdessen treibt ein anderer junger reicher Arzt, der sonst sein Freund war, die Sache so schleunig, daß mein Sohn übergangen wurde. – Wieder that sich eine andere Perspektive auf. Man wünschte aus Patriotismus, daß mein Sohn als zweiter Lazaretarzt angestellt würde, weil es gut sey, daß mehrere junge Aerzte diese Gelegenheit benutzen möchten. Derselbe junge Arzt, der schon das eine weggekapert hätte, erhielt weil sein Vetter Präses der Kriegsdeputation war – 1000 R wo mein Sohn nur 200 verlangte. Man schlug aufs neue jenem vor, diese 200 r an meinen Sohn, als Gehülfen abzugeben, und ihn vorzuschlagen. Ich schrieb an diesen vermeintlichen Freund den rührensten Brief – ohne Wissen meines Sohns | er hätte es sonst nicht gelitten – er der so reich an Gütern und Vettern sey, sollte das Glück seines Freundes gründen weil ein wichtigeres Etablissement desselben davon abhinge. Ich stellte ihm mein Glück vor, wenn – weil er sonst nach Rußland gehen wollte. Er antwortete mir kalt, daß ers auch bedürfe, und keinen Gehülfen brauchte. Der Deputation stellte er diese Gründe vor, und erbot sich lieber mit 600 r. zufrieden zu seyn. Dies waren meinem Adolf gräßliche Erscheinungen der Welt die er nur von der besseren Seite kannte. Er sprach nicht drüber, wollte auch, daß wir nicht sprechen – entschuldigt den D. R o d e mit seiner Denkart. Doch war kein freundlicher Zuspruch auf seine Dunkelheit. Dies Fehlschlagen nachdem vorm Jahr sein Gönner, mein 30jähriger Freund, und der bedeutenste Mann im Rath, auch gestorben war – sah er als Beweiß, daß es i h m nie in einer aristokratischen Verfassung, wo alles durch die Schürze geht, glücken werde. Sie und ich hatten ihm von Rußland abgerathen. Er sehnte sich nach Berlin, das mußte ich abrathen, weil ich dazu kein Vermögen hatte, und seine Schwester ihn nicht entbehren konnte. Voll Verzweiflung, die er mir aber nun erst gebeichtet, und die Vernichtung seiner Herzensangelegenheit – ergab er sich der Armenpraxis – bei vielem Studiren und Schreiben – floh heitere Gegenstände – ward sichtbar magerer und schwächer. Ich beobachtete ihn genauer, und da ich seinen Urin, wie eines Kranken, roth und milchig fand, drang ich in ihn. Da äußerte er, daß er beständig alle Arten Ausleerungen habe Nasenbluten, Durchfall p und der Ernst, den ich an ihm schelte, sey reine Hyponchondrie – das Leben sey ihm lästig. Die Schwester | bewog ihn zur Arzenei – allein wir 60 auch gestorben] folgt 〈〈auch gestorben〉〉

35

40

45

50

55

60

65

70

5. 1. 1811

75

80

85

90

95

100

105

110

11

wurden gewahr, daß [er] seine eignen Recepte nicht befolgte. Als er nun nicht mehr gehen konnt – und ich ein entsetzliches Greiswerden, an ihm gewahrte, holte ich seinen Freund, den D. Treviranus senior den er für den ersten Arzt hier hält. Seit 5 Wochen wurde alles angewand – auch mit Hülfe D. Javands unsers Vettern eines sehr guten Praktikers – alle Mittel bewirkten Schlimmeres. Sie zwangen ihn, die bisher noch ins Haus gekommenen Kranken, abzugeben, die zu keinem andern wollten – bis sie ihn selbst elend im Bette liegen sahen. – 8. Tage vor Weihnachten minderte sich der häufige blutige Stuhlgang – er hatte mehrmal gesagt – nur Reil könne ihn kuriren – aber das schreiben daure zu lange – doch wurde er heiterer – wünschte Gesellschaft – freute sich auf sein liebstes Fest Weihnachten. Den ersten Festtag, sagte er mir: morgens 5 Uhr: „nun gieb mir erst eine Tasse Kaffe – wenn du auch getrunken, so setze dich zu mir, ich muß dir mein Geheimniß sagen, was mir den Todt wünschenswerth gemacht hat – Für mich ist das Schönste nicht mehr – ich kannte in Halle ein Mädchen – Wucherer – ich habe auch einigemal davon geschrieben – die war so ächt weiblich pp ich mußte sie lieben, sie war mir gut pp es weiß mein Geheimnis niemand, als Harscher und Schleiermacher deßen feiner Sinn es errathen hat – aber sie ist nicht mehr für mich – seit ich alle Aussicht zum Etablissement verlohren, ist auch sie verlohren – izt – an einen in Berlin verheirathet.“ Da unterbrach ihn ein lautes Weinen – was ich nie an ihm gehört. Nun wußte ich den Schlüssel zu seinem Herabkommen. Ich machte ihm Vorwürfe wegen Verschwiegenheit – Er schalt sie selbst drum. – Nun wußte ich auch den Schlüßel zu der Kälte gegen mehrere hiesige ihm gewogene | vortreffliche Mädchen und seiner mir schon vorher mitgetheilten Idee nie zu heirathen. Von dieser Stunde an, wurde er heiterer, zärtlicher. Er sah wieder vergnügt ins Leben. „Er wollte nun bleiben. Seine trübe Grille komme nie wieder – denn das Leben könne man nur einmal verachten.“ Er machte Plane zu seiner Genesung – eine Reise mit mir und Elise nach Liebenstein er hatte alles berechnet – was er für seine Schriften erhalten die er ausgearbeitet und noch arbeiten wolle. Vorgestern machte er wieder Plane auch zum Heirathen – er äußerte auch seine besondere Neigung zu einem ächt weiblichen Wesen. – Schon spielte er wieder Kinderspiele. – Ein Zufall erregte ein Erbrechen, das setzte ihn sehr zurück – Am Ohr erhoben sich Drüsengeschwulste – schmerzhaft – machten Fieber – konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr den Mund zum Eßen öffnen – und nun liegt er starr, 96 sie] Kj. sich

108 erregte] errechte

13

12

13v

14

Brief 3565

das Gefühl stirbt ihm ab, er liegt sich wund – und hat völlige Besinnung – Er schimpft auf seine, wie er sich ausdrückt – dumme Verschwiegenheit – Ist aber unglaublich geduldig, tröstet mich – männlich mich zu faßen – er sey in sich ja ruhig – das äußere könne er nicht allemal ertragen – er jammert nur über unsere, sagte neulich: „wenn mich die Krankheit nicht umbringt, so bringt mich eure Liebe um[“] Wie besonnen er noch ist, er sagte mir eben um 4 Uhr daß ich an Sie schreiben solle – aus Mismuth habe er Ihnen nicht geantwortet. Ich mußte ihm seiner Freunde Briefe aus einem verborgenen Schränkchen holen – Er suchte sie nach der Aufschrift alle durch – wußte was in jedem stand. Gab mir zwei, die ich gleich verbrennen müße, weil etwas darin stehe, das seinen Freunden schaden könne. Ihren letzten Brief sollte ich lesen und | folgendes schreiben: „Schleiermacher möge doch R e i m e r und die Hofräthin H e r z grüßen, und doch R e i l mit Empfehlung erinnern und antreiben daß er meine Abhandlung fürs psychische Journal über die Magnetisirten bald erscheinen ließe – und ihm zugleich sagen, daß die siebenjährig epileptische Person bis dato völlig gesund sey und alle Auslehrungen ordentlich habe. Diese hat bisher gedient, wo sie viel zu thun, und schlechte Bequemlichkeit hatte – sie ist aber ganz blühend geworden. Seit 5 Tagen haben wir sie als Magd ins Haus genommen, weil wir der langwierigen Krankheit wegen, viel treue Pflege bedurften und von ihrem rechtlichen gewissenhaften Wesen und von ihrer Dankbarkeit sie wohl erwarten dürfen. – Diese Person hat mich als Somnambule, 3. Tage nach ihrer gänzlichen Genesung, wo sie so himmlisch entzückt war, kommen lassen; Mir ihre Freude über die überstandene Krise mitgetheilt, nicht ihretwegen sondern meines Sohns wegen, der Verkennungen ausgesetzt gewesen seyn würde, wenn sie gestorben wäre, so wäre er innerhalb eines Jahres gestorben. Er werde doch sehr schwer krank werden, ich möge doch ja alle Vorsicht gebrauchen – sie könne ihm dies nicht selbst sagen, aber erst nach einem Jahr dürfe ich ihm dies von ihr Mitgetheilte ihm sagen.“ Da nun alles andere, was sie von damals vorausgesagt hatte beinahe buchstäblich eingetroffen ist; zE sie werde einen Krebs von blauer Farbe den sie in der Seite habe ausbrechen innerhalb der nächsten 4 Wochen ihrer Nachkur – mein Sohn glaubte dies einzige nicht. Doch nahmen wir sie aufs Land mit, und beobachteten sie genau – sie war erst einige Tage ziemlich wohl, da fiel sie | aber wieder in lange Ohnmachten ohne Zukkungen – mein Sohn der uns einige mal besuchte, war höchst verdrießlich, daß ich diese Plage mitgenommen – sie fing nach 8 Tagen an, ge127 habe.] habe.“

141 vorausgesagt hatte] vorausgesagte

115

120

125

130

135

140

145

5. 1. –6. 1. 1811

150

155

160

165

170

175

180

13

ronnenes Blut zu erbrechen – nach 3 Tagen, kam sie und sagte mir leichenblas, nun wär sies los – ich sah nach, und fand auf dem Weg nach dem Abtritt, wohin sie in der Üblichkeit hatte laufen wollen – eine große Maße blau geronnener Blutklumpen. Sie bekam noch einige Tage kleine Anfälle von Schwächen, besonders weil es ihr so leer und hohl vor dem Magen wäre. Mein Sohn glaubte, nun werde sie vielleicht die Wassersucht bekommen – allein es ist alles das Gegentheil erfolgt, genau ihrer Aussage gemäß – Nun können Sie denken, in welcher Angst ich seyn mußte und nun noch bin. D. Olbers ist jezt auch zur Hülfe gerufen. Seitdem mein armer Kranker weiß, daß ich an Sie schreibe, ist er ruhig – sonst in der Nacht unruhig – Seit er von Ihrem Brief gesprochen, ist er heiter – Laurend – meinen Brief zu hören – so ungern ich ihn, der nicht für ihn geschrieben ist, mittheilte. – Möchte ich Ihnen doch, ehe Sie mir Antwort ertheilen bessere Nachrichten schreiben können. Wie sehr bedürfen wir eine tröstende Zeile von einem so herrlichen Geist, der meinen Adolf immer umschwebt – O gewiß, er wird ihn ewig umschweben und ich werde so glücklich seyn, Ihre ewige Liebe und deren himmlisches Streben nach Vollkommenheit zu schauen mich daran zu laben, daß ich durch ihn mit Ihnen verwandt bin – Müller – N. S. Nachmittags 3 Uhr sagt er, wenn der Brief noch nicht weg wäre, soll ich noch unvergeßliche Grüße an seine treuen Marwitz und Creczanosky hinzusetzen. „O wenn ich doch bald eine Antwort erhielt“!! – ich glaube nicht daß er sie erlebt – Ich hätte Ihnen den Brief vor der Entscheidung nicht geschickt weil auch Sie, wie ich izt, zwischen Furcht und Hoffnung schwanke. Vielleicht kann R e i l noch obige fatale Weissagung brauchen. Den 6ten Früh 7 Uhr. Der Kranke hat diese unruhig geschlafen, viel und tief gestöhnet – über Taubheit in Gliedern geklagt. Beim Thee, den er noch wünschte, sagte er, nun ist der Geschmack auch fort. – Gott wird ihn bald in sich aufnehmen.

177–180 Den … aufnehmen.] am linken Rand

14

Briefe 3566–3567

3566. Von Adolf Friedrich Furchau. Götemitz, Montag, 7. 1. 1811 Götemitz den 7t. Jan. 1811.

v

2

Indem ich mich hinsetze Ihnen zu schreiben was Sie verlangt haben, was ich Ihnen so herzlich darbiethen möchte, wird es mir schwerer als ich glaubte. Es schien mir möglich Ihnen in einem Worte zu sagen: wer ich sey; aber nun, da ich denke und schreibe, drängt sich so vieles, – was ich war und was ich bin, will genannt seyn – daß ich nur gleich nach meinem frühesten Bewußtseyn greifen muß. Von meinem Glücke kann ich nichts schreiben: wie Zukunft, Pflicht und Gesetz des Lebens vor uns liegt, sagen Ihnen die Worte die die meinigen umschließen. Nehmen Sie dafür, verehrter und geliebter Mann, eine kurze Umschreibung mehr meines Gefühls als meines Lebens. Solange ich denken kann, solange ich weiß daß ich lebe und fühle habe ich in einer doppelten Welt gelebt: ich habe hart geschieden, was in mir war, und was ich nach aussen hin seyn konnte und mochte: Ich weiß es: ich habe gewacht, mit kindischer mit heiliger und falscher Scheu, über Leben und Gestalt in mir, ich bin in den Irrthümern und Gefahren gewesen, die eine solche Trennung herbey führt; ich habe mich tragen lassen vom Leben hie hin und dort hin: aber ich habe auch die Heiligkeit und Reinheit bewahrt, und die ungetrübte Empfänglichkeit für das Höchste und Beßte was mir beyde Welten jetzt verbunden hat. | Ich erkenne in meinem Leben und Schicksal, was mich mit unnennbaren Gefühlen erfüllt. Ich mochte vierzehn oder fünfzehn Jahre alt seyn, – meine Brust in mir war voll und eng, da war ich zum ersten mahle in meinem Leben auf Stubbenkammer: es traf sofort eine große Menge Menschen die ein plötzlicher Regen enger zusammentrieb: unter diesen trat mir das Glück meines folgenden Lebens entgegen. Es war ein wunderbarer Tag: es wird mir jetzt alles wieder lebhaft indem ich daran denke, was ich damahls fühlte, war ich ergriffen, von welch’ himmlischen Träumen ich beglücket wurde: mir war oft nachher und spät noch jene Gestalt erschienen. Selbst wenn ich nicht mehr im väterlichen Hause war, weiß ich die Augenblicke zu nennen in denen ich sie wieder sah. – Ich habe noch jetzt ein Blad gefunden was ich in jener füheren Zeit beschrieb. Aber ich konnte das Leben in mir mit den äusseren nicht einen: – ich suchte auf manchen Wegen vergebens nach einer Verbindung: ich habe 3566.

Überlieferung: H: BBAW, SN 286, Bl. 2 f.

5

10

15

20

25

30

35

7. 1. 1811

40

45

50

55

15

mich selbst zu Hause ins Leben gestürtzt um des augenblicklichen Überdrusses loszuwerden –, so wie ich denn auch in Träumereyen und Fantasien versunken gewesen bin: ich war oft völlig gleichgültig was das Leben und der Umgang mit Menschen darzubiethen pflegen, wenn vielleicht grade das Gegentheil | schien; und so, weiß ich – haben Sie mich in Wyk gesehen, wo noch dazu manche Erinnerung aus der frühern Knabenzeit (denn ich war damahls kürzlich von Göttingen gekommen) – mit manchen von dem was ich sah und hörte entzweyte. O es war wohl nicht gut mit mir, und es wäre schlimmer gewesen ohne ein unmittelbares vages Gefühl des Rechten und Guten dem ich mich im Handeln steets überlassen habe. Wie schön ist das Leben! Ich weiß es selbst nicht wie ich wieder aufgelebt bin aus meinen Knabenjahren wiedergeboren wie ein glückliches Kind. Ich weiß nur noch wie auf einem mahle alles wieder erwachte das herrliche und frische, wie dann der tiefste Schmerz und Kampf mich ergriff und stärkte und zu dem höchsten Glücke führte, was ich heilig und rein und fest halten will in mir so lange ich athme. – Und auch Sie haben mich willkommen gehießen. Gewiß, wenn ich es nur von ferne so verdiene als ich es heiß wünsche, werden Sie mich lieben wenn Sie mich kennen. – Gott erhalte Sie, theurer Mann, und die Ihnen lieb sind und Ihr kleines Töchterchen. Fr. Furchau

3567. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 7. 1. 1811

5

Liebster Schleiermacher, Obgleich Sie uns ganz zu vergeßen scheinen; so will ich doch keine Gelegenheit verseumen, Sie von uns zu benachrichtigen und Ihnen dabei zu sagen, wie lieb ich Sie habe. Darum erfülle ich gern den Wunsch des Grafen von Stosch, der noch mein Schulfreund von Kloster Berge her ist, und der es wohl verdient von Ihnen gekannt zu sein, ihm diese Zeilen an Sie mitzugeben. Es ist dazu aber auch noch eine nähere Veranlaßung. Der Graf hat 2 erwachsne Söhne, gegenwärtig auf dem Pädagogium in Halle, die Ostern die Akademie beziehen wollen. Daher wünscht er von Ihnen 3567.

Überlieferung: H: BBAW, SN 287, Bl. 62 f.

3

16

62v

63

Briefe 3567–3568

zu wißen, ob die Berliner Universität wohl schon in einem solchen Zustande sei, daß seine Söhne dort etwas tüchtiges lernen können, denn darum ist es ihm gar sehr zu thun. Rathen Sie ihm nach Ihrer Einsicht und Gesinnung, Sie werden Sich den braven Mann dadurch sehr verbinden. Er wird auch in eben dieser Absicht mit Nikolovius sprechen und wenn | Sie Gelegenheit hätten, ihm die Bekantschaft von Niebuhr zu verschaffen, so würden Sie ihn sehr erfreuen. Nehmen Sie also den Stosch auf als einen Landsmann und ich kann ja auch wohl hinzusetzen, als meinen Freund. Durch Ihre Schwester aus Gnadenfrey erfahre ich die Entbindung Ihrer lieben Frau von einer Tochter. Wie viel Freude uns dies gemacht hat, darf ich Ihnen wohl nicht sagen! Möge der Himmel Ihnen erhalten, was er Ihnen gab und Ihre Freude so vollkommen sein laßen, als wir es wünschen. Wie es uns geht wird Ihnen Stosch sagen können. Meine Frau fängt an sich zu erholen d.h. sich an das Clima zu gewöhnen. Cäcilie ist ungemein munter und ein allerliebstes Kind. Im übrigen leben wir sehr häußlich und halten uns immer noch in einer sehr geringen Bekanntschaft. Man muß nichts übereilen und die sich zu uns schikken, werden sich wohl finden. Auch mit dem öffentlichen Leben geht es noch immer ruhig fort und ich habe keinen andern Wunsch | als den, welchen wir gewiß alle in uns haben, so würde auch alles gut werden. Aber wie fürchterlich sieht es umher aus! Wie türmt es sich von allen Seiten auf! So schreklich und drohend ist’s noch nie gewesen. Darum müßen alle Guten fest stehen und redlich ausharren. Wir grüßen Sie alle recht herzlich. Erfreuen Sie doch auch mahl mit einem Briefe Ihren aufrichtigen Gaß. Bresl. den 7 Jan. 1811.

3568. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Dienstag, 8. 1. 1811 Auf mancherley Art lieber Freund, bringen Sie mich in Noth, z.B. auch durch Ihr letztes Schreiben. Die hiesige Universität ist zwar eine der wintzigsten, dennoch kann nicht leicht auf einer der Rector, wenn er zugleich 3568.

Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 44 f.

Mit einem Festprogramm.

10

15

20

25

30

35

7. 1.–8. 1. 1811

5

10

15

20

25

30

35

40

17

Jurist ist, mehr zu thun haben, als auf dieser. Mir raucht der Kopf, wenn ich auf alle Arbeiten sehe, die auf die Abfertigung warten. Gleichwohl ist der erste Theil Ihres Briefes zu arg, als daß ich die Antwort aufschieben darf. Sagen Sie mir in aller Welt, wenn ich Jemanden, dem ich ein Versprechen gegeben habe, erkläre, daß ich mich keineswegs eigenmächtig davon lossagen wolle, daß ich aber wünsche, er selbst möge mich frey sprechen und mir die Erfüllung | erlassen; wie kann man mir vorwerfen, ich sey ein Mensch, der sein Wort nicht halte, auf den kein Verlaß sey! Durch ein Versprechen unterziehe ich mich einer Verbindlichkeit gegen den, welchem ich es geleistet; dieser erlangt dadurch ein Recht gegen mich. Nur seinem Rechte kann man entsagen, und wenn der Verpflichtete nicht dieses Recht verletzt, sondern den Berechtigten bittet, demselben zu entsagen, so liegt doch darin bey Gott nicht das geringste Tadelnswürdige. Das sind keine Sophistereyen, das sind Dinge, die so klar und deutlich zu Tage liegen, daß ich nicht begreifen kann, wie Sie Ihrem Verstande sich es haben erlauben können, mir so harte Worte zu schreiben. Oder meint etwa die | Section, meine Bitte um Entbindung von der übernommenen Verbindlichkeit sey nur eine feinere Einkleidung der Erklärung, daß ich mir nichts dir nichts zu bleiben entschlossen sey, nur ein Mäntelchen; das ich der Sache umhänge? Aber ich hasse dergleichen Mäntelchen von Herzen, und könnte aus diesem Grunde wenigstens wünschen, daß sie mir meine Bitte abschlüge, um ihr zu zeigen, wie kränkend sie sich geirrt habe. – Genug davon, und möge nie wieder eine Ergießung dieser Art unter uns nöthig werden! An die Section habe ich unmittelbar nach Empfang ihres letzten Schreibens wieder geschrieben und sie gebeten, meinen Wunsch dem Könige zur Entscheidung vorzulegen. Ginge es hier mit den Posten nicht so erbärmlich, so müßten Sie am 29sten December schon davon unterrichtet gewesen seyn. Allein ein Brief von hier nach Berlin braucht nicht weniger als 9 Tage, schreibe neun Tage. Wenigstens alle Ihre Briefe, bey welchen ich auf | das Datum aufmerksam gewesen bin, haben diesen Schneckengang gehabt. Ihren letzten vom 29sten vorigen Monats habe ich gestern, den 8ten Januar erst erhalten. Von dem Gerüchte, von welchem Sie mir schreiben, wissen wir hier noch nichts. Man kann sich wohl politische Gründe denken, welche die bewußte Veränderung dem Ungeheuer wünschenswerth machen. Es wäre hart für mich, wenns wirklich dazu käme! Mit aufrichtiger Freude nehme ich Theil an der Ihrigen. Schöneres hätte Ihre Frau Ihnen zum Weihnachten nicht bescheren können. Werde das Kindlein ein heiliger Christus, und dann, hoffe ich, wird die Nanny christlich genug seyn, den Grimm darüber fahren zu lassen, daß es kein Junge ist.

44v

45

45v

18

Briefe 3568–3569

Ich lege Ihnen hier mein Festprogramm bey. Nur einem kleinen Theile nach möchte sein Inhalt ausser der Sphäre Ihrer Beurtheilung liegen, und darum würde mir es lieb seyn, wenn Sie es läsen und mir ein Wort darüber schrieben. Adieu. Grüßen Sie freundlich alle Ihrigen, groß und klein. Auf die kleine Maria – so muss sie der Geburtszeit wegen heissen, nach der Mutter Christi – lege ich segnend meine Hand, und Sie, böser Schleiermacher, umarme ich dennoch herzlich. Konopak. Rostock den 8ten Jan. 1811. Abgegangen den 9ten.

45

Kann ich nicht ein Exemplar Ihrer Encyklopädie bekommen?

55

50

3569. Von Henrich Steffens. Halle, Dienstag, 8. 1. 1811 Halle d. 8 Jan. 1811 Es hat uns unbeschreiblich viele Freude gemacht zu erfahren dass du Vater bist – Ein wunderherrliches Glück. Und wenn mir gefragt würde, ob ich den Genuss, den mir die geliebte Anna gewährte entbehren wollte, um nur den Schmerz des Verlustes nicht zu tragen, so würde ich ohne Bedenken beides wollen. Möchte indessen nur der Genuss dir bleiben. Wenn dir nur etwas Zeit bleibt, so bitten wir dich recht dringend uns ja wissen zu lassen, wie es geht. Die nächste Zeit nach der Geburt kann man fast als eine fortgesezte Geburt ansehen –, nicht selten eben so bedenklich wie die erste – und die Wehen scheinen in der That von der Mutter zum Kinde übergetreten zu sein. Die entfernte Freunde sind daher nur wenig gedient und eine einfachen Anzeige der anfangenden Geburt. Wie es deiner Frau ferner geht, wie dem Kinde müssen wir wissen, und ich kann dir nicht sagen, lieber, treuer Freund! wie angenehm es mir ist, dass g r a d e d i e s e Veranlassung nach einer langen äussern Trennung uns wieder vereinigt. – Wie gern möchte ich dich als Vater kennen, wie schmerzlich ist es mir dich und deine Frau nicht zu sehen, die lezte nicht einmahl zu kennen. Ich hätte dir früher geschrieben, wenn Harscher nicht schon vorigen Posttag mit Horkel hätte reisen wollen. Ich schreibe dir nichts von ihm. 3569. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 57 f.; D: Schmidt: Stationen einer Freundschaft, S. 48 (Zitat). 8 als] alle

5

10

15

8. 1. 1811 20

25

30

35

40

45

50

55

19

So ein herrlicher Mensch wie er ist, so befürchte ich doch, dass er schwer zu retten ist. Wie gern wollte ich mich irren. Hanne ist ruhiger geworden, aber still und trübe doch nach ihrer schönen Weise, ohne Geräusch. Ja ich | weiss, dass in den Tagen, wo ich sie nicht allein lassen durfte, wo sie alle Abende und Nächte in Thrænen zubrachte, wo ein Kleid, ein Schrank, ein Geschrei, das Entfernteste oft eine leise Erinnerung und mit dieser einen tiefen Schauder erregte, viele sie für kalt hielten – Ich habe in kurzer Zeit viel verloren, zwei Kinder und drei Freunde – Ritter, mit dem ich eben in der lezten Zeit in Verbindung trat – Hülsen, der mich eben besuchen wollte, und nun den trefflichen Runge – Und nun der partielle Tod, die Entfernung. Wie wunderbar, dass ich, fast unter allen der fremdeste hier bleiben musste, während die andern fortgiengen, vereinigt blieben, leider wohl nur zusammen traten ohne sich je vereinigen zu können. Heimathloser kann sich nicht leicht einer fühlen. Ausgeschlossen aus meinem Vaterlande, ausgeschlossen von euch, gebannt an einem Orte, wo das Nahe und Ferne mir gleich Fremde ist. Unertræglich wære es, wenn nicht die guten Prediger mein Exil theilten. Diessmahl zum ersten mahl ist der Kern verschwunden, der sich sonst um mich herumbildete, immer doch aus einigen bestand. Meine naturwissenschaftliche Vorlesungen sind gar nicht zu Stande gekommen. Der trübe Sommer hat mich ein paar Monathe lang recht krank gemacht. Ich litt an starke Magenkræmpfe[.] Allmæhlig ist Leben und Zuversicht wieder aufgeblüht. Die Berliner Sache fængt an mir sehr fatal zu werden, und ich wünsche nun nichts davon zu hören, bis es euch gelingte. Wahrlich torturmæssiger kann nicht leicht etwas getrieben werden. Ich habe eine starke Kartensammlung zufællig zusammengebracht die viel Geld werth ist, und wünsche sie zu verkaufen. Dem Reil schicke ich das Verzeichniss – wenn es möglich ist, so | trag du auch etwas dazu bei. Die Sammlung besteht durchaus aus auserlesene Sachen. Vielleicht kann sie die Universitæt brauchen. Lass mich ja bald etwas von euch hören – Meine Frau lässt euch tausendmahl grüssen, und trägt mich auf dir zu sagen, dass es ihr recht schmerzlich war in deinen lezten Brief sich nicht einmahl erwæhnt zu finden. Adieu lieber Freund! Gott behüte dich und bewahre das schönste Weihnachtsgeschenk, das einem gebracht wurde. – O du glücklicher, der

28 ich] in

56 das] dass

57v

58

20

Briefe 3569–3570

die Feier des doppelten Geburtstages versteht und verkündigest, nun auch geniessest wie wenige! Umarm deine Frau in unsern Nahme Dein HSteffens

60

3570. Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Donnerstag, 10. 1. 1811

55v

Sie sind jetzt meine höchste Obrigkeit, und ob mit dieser die Freundschaft bestehen könne, daran sollte ich billig zweifeln; da sie aber bei Ihrer geistigen Ueberlegenheit bestanden hat, so vertraue ich, sie werde es auch bei Ihrer bürgerlichen. Lieb und Bedürfniß muß es Ihnen auch wol seyn, Freunde zu haben, die Ihnen als einem Würdigen die hohe StaatsWürde herzlich gönnen, da es wol seyn könnte, daß Neider sie Ihnen mißgönnten. Nicht als ob ich davon was vernommen, im Gegentheil so viel ich gehört, freuen sich alle; ich meine nur, der Neid bleibt nicht aus. Ich habe mich Neujahrstag Ihres Briefes an Hering gar sehr gefreuet. Ich war bei Hering und er selbst sehr vergnügt über Ihren Brief las mir denselben vor. Sie sind also ein glücklicher Vater geworden von einer gesunden Tochter; ich nehme daran herzlichen Antheil, und wünsche daß Ihre liebe Gattinn jetzt möge wieder gestärkt seyn. Sie hatten auch meiner im Briefe freundlich gedacht, und Albertinchen, die ich bei Arnolds, wohin ich gleich von Herings gieng, antraf, sagte zu mir, wie sie gleich von Ihrem Briefe anfiengen, Schleiermacher schreibt auch von Ihnen; auch von Ihnen hätte ich antworten und auf ihre Verehlichung hindeuten mögen, aber ich ließ es, ob gleich ich vermuthete, daß es ihr als eine Art von billiger Erkennt|lichkeit wol wäre lieb gewesen. Bewerber haben sich um Albertinchen genug gefunden, jetzt scheint ein Offizier begünstigt zu werden, wie es heißt von ihr und den Eltern. Ich kenne den jungen Mann wenig, aber ich glaube doch nicht, daß er Albertinchens Geld sucht; Albertinchen ist ein hübsches, munteres, resolutes, und doch so sehr bescheidenes und ehrbares, gewiß also liebenswürdiges Mädchen. Ich habe einige Fragen an Sie. Die erste ist zugleich eine inständige Bitte für die 2 ältesten Söhne meines Vorfahrs und seiner hier lebenden 3570. Überlieferung: H: BBAW, SN 330, Bl. 55 f. Mit einem Blatt an Georg Reimer. – Empfangs- und Beantwortungsvermerk: „pr d. 15t. Jan. 11. resp d 16t Merz.“

5

10

15

20

25

8. 1.–10. 1. 1811

30

35

40

45

50

55

60

65

21

Witwe, der Hofpredigerin Küster. Die arme Frau hätte die beiden Söhne gerne ins Oranienburger Waisenhaus. Hierüber haben Sie nun wol zu entscheiden, und ich möchte Sie daher herzlich bitten, zu thun was möglich ist. Der älteste Sohn Wilhelm Küster wird den 11ten Juli dieses Jahres 10 Jahr, und der 2te Herrmann Küster wird den 24ten May dieses Jahres 7 Jahr alt. Die Mutter kann die Kinder unmöglich allein reisen laßen, sie will sie selbst nach Oranienburg hinbringen, aber weil dieß lästig und kostbar ist, beide zugleich. Nun wird aber, wie ich höre, kein Kind vor dem 8ten Jahr aufgenommen; sollte es aber nicht angehen, daß, | was der älteste über 8 Jahr hinaus ist, dieß als ein Plus gerechnet würde, was das Minus des jüngern deckte, und also beide schon dieß Frühjahr aufgenommen würden? Sollte dieß nicht angehen, so wäre die Hofpredigerin Küster auch schon sehr zufrieden, wenn sie die Zusicherung erhielte, daß ihre 2 Söhne zugleich diesen Frühling über 1 Jahr ins Oranienburger Waisenhaus aufgenommen werden sollten. Erfüllen Sie hierin meine Bitte, oder rathen mir, an wen ich mich sonst zu wenden habe. Mein zweite Frage betrifft den Gehalt meines seeligen Schwiegervaters. Meine Schwiegermutter ist ungewiß, ob das, was aus der Kirchenkaße gezahlt wird, und die 400 r aus der GeneralDomCasse und die 110 r aus der Hofstaatskaße alles ist, oder ob nicht noch sonst was gehoben wird. Darüber erbäte ich mir von Ihnen Antwort, weil es ihr vorschwebt, als ob sie auch aus der Casse montis pietatis gehoben hätten. Wie heißt der Mann, dem Sie Ihre NachmittagsPredigten übergeben haben und von dem Sie so rühmlich sprechen? Sie zalen ihm 300 r, sehr generös; Sie rechnen nicht was er für jede Predigt verdiente, sondern daß er beinahe die Hälfte von den Geschäften des Amtes verrichtet, also auch die Hälfte des Gehaltes haben muß. Werden Ihre Collegia zahlreich besucht? Ich habe aus den Zeitungen gesehen, was Sie lesen; den praelectionum cata|logus hätte ich gern gehabt, konnte ihn aber nicht bekommen. Sie erinnern sich gewiß noch des Kaufmanns Strölow am Markte; der arme Mann hat vor 14 Tagen das Unglück gehabt seine Frau zu verlieren; schon längst zur Melancholie geneigt, geht sie des Morgens aus, und kommt nicht wieder; es läßt sich nichts anders denken, als daß sie im Fluße ihren Tod gesucht hat, aber man hat sie noch nicht gefunden. Ein anderer trauriger Todesfall: ein Herr von Schwichow, ein junger, zwar verheuratheter, aber wüster wilder Mensch, reiset vor 14 Tagen aufs Land; hier versucht er seine Kunst im Springen, springt mit dem Degen an der Seite einigemal zum Fenster hinaus und wieder herein, anfangs glücklich, zuletzt bricht er sich das Bein, und stirbt nach 3 Tagen. Nicht ohne

56

56v

22

Briefe 3570–3571

Rührung habe ich indeß gehört, daß er gegen das Ende mit vielen Trähnen soll gesagt haben: Schwichow, Schwichow das ist deiner Sünden Schuld. Ich befinde mich mit den Meinigen, die sich mit mir Ihnen und Ihrer Frau Gemahlinn und Demoiselle Schwester herzlich empfehlen und gratuliren, durch Gottes Güte recht wol. Ich könnte eifersüchtig werden, denn gestern hat die ganze Nacht durch meine Frau, wie sie mir offenherzig genug bekannt hat, und noch dazu durch häufiges Erwachen unterbrochen, sich mit Ihnen im Traum unterhalten. Aber die Eifersucht kenne ich nur aus Beschreibungen. Haben Sie die Güte, beiliegendes Blatt an unsern Reimer zu übergeben. Ihr Freund Metger. Stolpe den 10t Jan. 1811.

70

75

80

3571. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Henriette Schleiermacher). Sagard, Freitag, 11. 1. 1811 Sagard den 11 Jan. 11. Sophie hat uns deine und Luisens Freudenbotschaft ungekürzt mitgeteilt, worauf ich seit Empfang des deinigen an mich vom 16.X. gerechnet und geharrt hatte. Den elektrischen Schlag auf dein Herz, lieber Schleiermacher, wollte ich erst das ÐSeineÑ ausrichten lassen, ehe ich dir schriebe ja der erste Schrei des ersten eignen Kindes! mir ist nie etwas tiefer eingedrungen, so trift nicht leicht irgend sonst etwas den ganzen Menschen – ich vergesse es ewig nicht, wie ich auch einst im Vorzimmer stand – und nun wieder neulich meine Empfindung, als ich eben so nahe der Geburt des Tochterkindes war – Louise hat es uns sehr recht gemacht, daß sie uns ein panorama der Scene dorten gegeben. Möchte ich doch gerne zugegen sein bei allen Erstgeburten in der ganzen Welt, in meiner Gemeinde wenigstens; wie viel mehr bei denen, die uns so nahe angehen. Dein Händedruk und Hand aufs Haupt an Louise, deine heilige Freude, steht uns allen vor Augen – Wie arm ist man in diesen Augenblikken, wenn man nicht jemand nahe hat, dem man sich ganz mitteilen kann! und dann die erste Begrüssung der Mutter – billig hätte uns Luise dich auch bei ihr 3571.

Überlieferung: H: BBAW, SN 421, Bl. 14 f.

5

10

15

10. 1.–11. 1. 1811

20

25

30

35

40

45

50

55

23

zeigen sollen. Doch sie weiß, daß wir uns auf Euch beide verstehen – Gewiß es predigte sich den Tag freudiger noch als sonst und du wirst dir die hohe Feier des Vaterglücks nicht nehmen lassen, Selbst dein Kindlein zu taufen – Billig sollte das jeder Vater selbst thun; wäre er ja bis dahin noch zurück, er müste heilig werden – Nun Gott segne Euch euer Glück, daß ihr es ungetrübt in vollem Masse geniesset! Unser Jettchen ist eine so ruhige gemüthliche Mutter, daß ich auch für das Kind nichts fürchte. Es wird alles gut gehen – alle Zeichen sind gut, richtig gerechnet, zum Julklapp geboren, von dem Feste der | heiligsten Geburt und mit Musick empfangen! Was will man mehr? so wählte sie für den Friedel das Osterfest – also, hier und da: was wird aus dem Kindlein werden? Wie dankbar mag mein Bruder auf dich herblikken, daß du solche Freude an den Seinen hast und so ihrer dich annimst – und wie muß die Freude und die Liebe dadurch erhöht werden, daß sie so wohltätig wirkt! Du wirst nun unsre Schwester, dein Jettchen, für uns alle mit Herzlichkeit umarmen; so wird sie wissen, wie wir bei und mit ihr sind. Und wird denn diese junge Schleiern auch im Sommer mit kommen? was wärst du denn ohne sie? Also nur weislich bei guter Zeit den Plan angelegt, daß alles sich wohl schikke und passe – In der besten Jahrszeit – Mitte Junii – geht das? Nur den Urlaub vorgearbeitet, daß nicht ein vermeidlicher Qweerstrich komme – mit den Unvermeidlichen muß mans schon anders nehmen. Und dann nicht zu kurze Zeit für ganz Rügen – Es ist ein kleines Ländchen, daher ich hoffe, es wird uns bleiben bis zum Sommer – aber es ist groß für Euch und viele hier, die Euch in Anspruch nehmen – daß wir nur alle unser Teil bekommen! und Sagard, wenn es gleich am entferntesten ist, müste billig, um sicher zu gehen, der erste Zielpunkt seyn; so gehts dann zu den andern auf der Rükreise und wenn was vergessen wird, liebes Jettchen, so können wir Ihnen das immer so wieder nachschikken – auch Sie immer noch wieder einholen. Auch die Herz, und Nanny werden doch kommen. Was zusammen gehört, muß zusammen bleiben. | Die blasse Tinte! nun ich hoffe, daß sie nachschwärzt – sie ist noch jung – also weiter, es wird ja zu lesen seyn – Ich komme zu dem Briefe, lieber Bruder, – und danke dir – aber Gewalt must du dir mit dem Schreiben an mich nicht anthun – izt besonders, da wir an Luise eine treue Correspondenz haben. Ich weiß wie es ist, wenn man von Geschäften bedrängt wird – und meine Zuversicht zu dir wird mir nicht entfallen, wenn auch keine wiederholte Zusicherung kommt. Dein Würkungskreis hat sich sehr erweitert und das ist viel werth, wenn man ihm gewachsen ist – Gehört freilich die Freude Gutes auszurichten, auch nur zu den zeitlichen und unsichern, doch ist es eine der besten und wer nicht wenigstens in dem Wahn stehet, muß sehr

14v

15

24

15v

Briefe 3571–3572

schlecht oder sehr elend seyn – Von dem StaatsRath hatte [ich] schon gehört, aber nicht recht verstanden und hat mich lange nach Licht darum verlangt. Ja da läßt sich nun freilich viel herrliches würken; ach daß es anschlagen mögte! nötig genug ist es und die höchste Zeit. Gewiß wird dieses Departements Problem auch das mit seyn, wie die öffentliche Andacht zu stärken, wie die Todte zu auferwekken ist – Hier im Lande hat die (wenigstens scheinbare) Entheiligung unsrer Tempel in der Kriegszeit so nachtheilig gewürkt, daß sie meistenteils leer sind – wie die Menschen wieder herbei führen? Die alte abgestorbne Kirchenzucht wirds nicht thun; mit dem katholischen Klimpklank ist es schwerlich zu wagen; und weise Überlegung würkt nicht mehr | selbst auf die Klügeren, da izt alle Weltklugheit auf der Schärfe des Schwerdts beruhet – wahre religiosite´ kann aber eben so wohl von den Tempeln entfernen, als hineinführen – Auch unsre Regierung sorget würklich ernstlich darum – sie besteht izt aus 2 Männern, die alle Achtung verdienen – Jettchen kennt sie: Pachelbel und Schubert – beide unsre beßern Freunde. Ich habe viel mit ihnen darüber gewechselt; soll ich ÐnunÑ auch einen Plan entwerfen, wie in meinem Kirchspiel das Schulwesen ohne Kosten des Staats gehörig zu verfassen – das ist eine schwere Aufgabe – es fehlt allenthalben am nervo rerum generali und vielfältig am guten Willen – Doch hoffe ich von meinen unfreien Bauersleuten mehr als [von] reichern gekränkten Herren und werde dran gehen. Dein Predigen, Dociren, Schriftstellerei – es intressirt mich alles – doch lasse ich das Mahl dich los, weil du Vater geworden – und fertige die oeconomica kurz damit ab: ich will mir um die Segmentsgelder alle Mühe geben und den Erfolg melden – ich habe die verlangten Documente dir übersandt, du meldest ihre Ankunft nicht; doch bezweifle ich sie nicht, bis du es anders berichtest – Hier ist Geldschlechte Zeit; alles wohlfeil was der Landmann producirt, alles theuer was er zur production gebraucht – Von 3000 Thr jährlich müstet Ihr 1000 auf Zinsen geben, dazu sich Liebhaber genug finden mögten – Nun denn Jettchen, all den Kleinen, Luisen, Nanny, Herz alles Gute und Liebe von Klein und Groß hier und überall um uns herum CvW.

60

65

70

75

80

85

90

11. 1.–12. 1. 1811

25

3572. Von Christoph Friedrich Ammon. Erlangen, Sonnabend, 12. 1. 1811

5

10

15

20

25

30

Erlangen 12. Jan. 1811. Verehrtester Gönner und Freund. Noch vor einigen Monathen standen wir einander im Cerimonienhabite gegenüber. Vorsicht und Bedachtsamkeit leiteten unsere sich nähernden Schritte; die Vorsicht wurde Misstrauen, und nun entfernten wir uns wieder mit den Verbeugungen, die in solchen Fällen Sitte sind. Iezt hat sich Alles verändert; Euer Hochwürden haben sich wahrscheinlich eines neuen Collegen versichert, und ich bin dafür in allen meinen Aemtern und Würden bestätigt, und von allen Sorgen befreit, die mich noch vor wenigen Monathen drükten. Frei und offen erkläre ich Ihnen daher, daß ich gekommen seyn würde, wenn wir uns über die bereits angeknüpften Bedingungen hätten einigen können. Ich würde das Prima|riat in der Facultät mit einem angemessenen Charakter, 2500. Thlr. Gehalt., 500 Thlr. Witwenpension und das nöthige Reisegeld gefordert haben. Nun haben Sie, wie ich meine, das Ziel Ihrer Wünsche besser und wohlfeiler erreicht; ich freue mich darüber herzlich, und bitte Sie, mir auch in der Trenung Ihre Liebe nicht zu versagen. Daß ich sie mit Vertrauen und Zuversicht in Anspruch nehme, hören Sie nun, mein Verehrtester, aus meiner Herzenserleichterung. Herr D. Gabler hat die Direction des Theologischen Journals wieder in meine Hände niedergelegt; sein glükliches Talent, alles Deutliche mit der gehörigen Ausführlichkeit noch | deutlicher zu machen, wird von dem undankbaren Publicum verkannt. Ich habe mich über seinen Antrag noch nicht erklärt, und werde dieses nicht thun, biß ich weiß, ob Euer Hochwürden Zeit und Lust haben, mich bei einer Zeitschrift zu unterstüzen, welche ganz neu organisirt werden muß. Alles Porto, die Auslage für diesen Brief mit eingeschloßen wird vergütet; haben Sie nur die Güte, mein Verehrtester, mir zu schreiben, ob meine Wünsche Gnade finden, was und unter welchen Bedingungen Sie an dem Journale Theil nehmen mögen? Der hiesigen Universität steht eine große Veränderung bevor. Es soll ein Theil der Münchner Akademiker hieher versezt werden; dem Gerüch-

3572. Überlieferung: H: BBAW, SN 238, Bl. 3; D: Traulsen: Schleiermacher und Claus Harms, S. 282 f. Empfangsvermerk: „pr 19.“ Beantwortungsvermerk: „rsp 22.“

3v

4

26

Briefe 3572–3574

te nach wollen Niethammer, Paulus und Martini bei uns das neuste Evangelium verkündigen. Ich bin indessen von allen meinen Collegen allein als wirklicher Kirchenrath und Primarius bestätigt, und werde pünktlich bezahlt, was iezt in Franken viel heißt. Doch „das reucht nach Eigengunst“ sagt der deutsche Rabelais, und dieser beugt sich tief und dankbar vor Ihrem Verdienste und Ihrer Liebe. Unwandelbar Euer Hochwürden gehorsamster und treuer Diener Ammon.

35

40

3573. Von Sophie Schlichtkrull. Poseritz, Sonnabend, 12. 1. 1811

7v

Poseritz den 12ten Januar Ich schliesse es in meine Arme das süsse Kindt – mit Freude und Jubel haben wir alle Ihre schöne Nachricht aufgenommen. alle Boten würden zusammen greifen um die schnell zu verbreiten. Ja theurer Bruder Ihnen muste dies grosse Geschenk werden. Wie sicher ist es in Ihrem Schutze bewahrt. Ihre treue Vaterliebe, konte in keinem Dank der in unsern Herzen lebt – nur hierin Belohnung finden. Gott erhalte Ihnen gesundheit und Leben und stärke Sie in Ihrem hohen Beruff! Ach daß ich so ferne bin! – kein Federstrich kan Ihnen mein Gefühl ausdrüken. Ein Blick und Händedruk würde Ihnen mehr sagen. Louise ist sehr glüklich – grade jezt in Ihrer Nähe zu sein. und diese schöne Freude zu sehen. Ich weiß es daß Ihr viel schönes durch das Leben mit Ihnen wird. und bin gewiß | Es wird noch in der Folge wohlthätig auf Sie wirken – unsre Jette ist hoffentlich jezt schon gesund. Ich werde Ihr selbst noch einige Worte sagen. o wie reich ist Sie – wie lebhaft kan ich mir die Kinder denken, meine Kleine Jette wie Sie wohl auf dis Geheimnis nachgesonnen hat. ich sehe den ersten Blick im Auge, bleibt Ihr noch dies ähnliche mit dem Vater? Kommen Sie denn gewiß diesen Sommer mit Ihrer lieben Umgebung zu uns theurer Bruder? unsre Hoffnung ist ganz darauf gerichtet. Aber werden Sie sich loß machen können von den vielen Geschäften. Mein Schlichtkrull grüst mit herzlicher Theilnahme! Es ist heute Sein Geburtstag. Er ist 50 Jahre – wir feiern ihn in der Stille nur bemerkt und begrüst 3573.

Überlieferung: H: BBAW, SN 378, Bl. 7.

9 daß] das

12 daß] das

5

10

15

20

12. 1.–14. 1. 1811

25

27

von Lotte Pistorius. und durch einen schönen Kringel von der Schwester. Denken Sie meiner mit Liebe Sophie S.

3574. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Montag, 14. 1. 1811

5

10

15

20

25

Zuerst mein theuerster Graf danke ich Ihnen aufs innigste für die freundliche und herzliche Theilnahme die Sie mir und den Meinigen beweisen. Erhalten Sie sie uns auch immer und wissen Sie es noch wohl ohne viele Worte die ich nun einmal nicht machen kann wie sehr sie mir werth ist, und wie sehr ich abgesehn noch von dem Einfluß den Sie auf meine äußere Stellung gehabt haben meinem guten Geschik dankbar bin für die Verbindung in die es mich mit Ihnen gebracht hat. Der guten Nachrichten von Ihrem Befinden und Ergehen haben wir uns herzlich gefreut, und ich bin überzeugt, daß wenn die Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten wie sie jezt liegen Ihnen nicht zuviel Sorge macht Sie Ihrer freilich ungewohnten Lage bald das angenehme abgewinnen werden. Ihre kurze Reise nach Königsberg ist mir sehr interessant gewesen wiewol ich von ihren Resultaten nichts weiß und | ihre Absicht nur entfernt ahnde. Lassen Sie Sich nur durch Ihre persönliche Lage nicht zu sehr von der Theilnahme an einer in den gehörigen Grenzen sich haltenden Opposition zurükhalten. Denn das Gegentheil ist gewiß nicht zu befürchten. Da ich auch unsere gemeinschaftlichen Freunde, weil mir doch nur die Abendstunden übrig sind, eine Zeitlang weniger gesehn habe: so bin ich von allem was geschieht nur durch die allgemeinsten Stadtgespräche unterrichtet. Nun meine Frau das Zimmer nicht mehr hütet soll es hoffe ich besser gehn. Der gegenwärtige Zeitpunkt ist höchst interessant aber auch höchst bedenklich, und es ist schreklich daß man fast nur auf die allgemeine Schlaffheit das Vertrauen gründen kann daß es nicht die traurigsten und augenbliklich verderblichen Resultate geben wird. – In meinem Geschäftskreise geht es leidlich. Von Schuckmann ist vielleicht weder etwas kühn durchgreifendes noch genialisches zu erwarten, und | ehe er an einen Widerstand geht besinnt er sich und wägt sehr genau ab ist auch wol in einzelnen Fällen weniger dreist als wir andren wünschen aber er nimmt 3574. Überlieferung: H: Deutsches Literaturarchiv Marbach, 57.5769; D: Br 2, 2. Aufl., S. 250 f. (gekürzt) 16 ist] korr. aus davon 21 interessant] folgt 〈und〉

28

Briefe 3574–3576

sich doch der Sachen sehr an, ist besonnen und verständig, und ich habe noch nirgends eine bestimte Nebenrüksicht bemerkt. Was mir von seinem bisherigen Demarchen am wenigsten gefallen hat ist, daß er die UniversitätsCommissionen aufgehoben hat, wodurch diese ganze Angelegenheit in Uhdens Hände gekommen ist der bei seiner Art zu sehn und zu arbeiten manches verderben und viel unnüze Weitläuftigkeiten machen wird. Gegen mich ist er so daß ich nichts darüber zu sagen weiß. Ich glaube aber auch nicht daß ich schon irgend ein näheres persönliches Verhältniß zwischen ihm und einem anderen Rath angeknüpft hat, es müßte Uhden vielleicht sein. Von den anderen Ungewittern die über mich hereinbrechen sollten habe ich nichts weiter gehört. Ich habe wie Polycrates ein freiwilliges Opfer gebracht indem ich damit durchgedrungen habe daß man mir die wissenschaftliche Deputation abgenommen hat die Spalding nun dirigirt | und ich wünsche daß die furchtbaren Götter dadurch versöhnt sein mögen. Die günstigen werden es dadurch daß ich wirklich strebe so thätig und nüzlich zu sein als ich nur kann. Jezt muß ich nun schon mit den Gedanken an die Vorlesungen des künftigen halben Jahres mich beschäftigen in welchem unsre Universität wenn sich kein Unglük ereignet gewiß schon weit bedeutender sein wird. Im Hause geht alles gut. Das Kind gedeiht und meine Frau ist zwar etwas angegriffen aber doch ganz wohl; sie, wie die andern Hausgenossen empfehlen sich Ihnen aufs herzlichste. Unsere Freundin besucht uns bei weitem nicht so oft als wir es wünschen; ich habe sie wissen lassen was für eine gute Gelegenheit stattfindet und ich hoffe sie legt noch einige Zeilen bei. – Unser häusliches Glük findet sehr viel freundliche Theilnahme, aber es werden auch die tollsten Dinge auf unsere Rechnung erzählt zE daß das Kind täglich ein Paar Gläser ungarischen Wein verzehrt, und daß ich es, wenn es ein Knabe wäre, Christus würde genannt haben[.] Verzeihen Sie, daß ich Ihnen auch so etwas zur Gemüthsergözung mittheile Empfehlen Sie mich den Ihrigen aufs angelegentlichste, erhalten Sie uns Ihre Gewogenheit und Freundschaft und lassen Sie uns bald erfreuliches von Sich hören. Schleiermacher B. d 14t. Jan. 1811.

36 näheres] folgt 〈Verh〉

49 sie] korr. aus Sie

30

35

40

45

50

55

60

14. 1.–15. 1. 1811

29

3575. Von Christoph Friedrich Ammon. Erlangen, Dienstag, 15. 1. 1811

5

10

15

20

Erlangen 15. Jan. 11 Verehrtester Gönner und Freund. Schon wieder Crispinus – Kaum hatte ich mein leztes Schreiben an Euer Hochwürden abgeschikt, als ich von Stralsund im Namen des Königs den Ruf zur Generalsuperintendentur und dem Präsidium des Consistorii zu Greifswald p mit 2500 Thlr. Pommersche Courant Gehalt, freier Wohnung und andern Vortheilen erhielt, die mich diese Stelle auf 3000 Thlr. anschlagen lassen. Ich bin sehr geneigt, die Grundsäze zu befolgen, die | ich Euer Hochwürden über ein andres futuribile, wie die alte Dogmatik sagt, in meinem lezten Schreiben mitgetheilt habe. Ich erinnere mich indessen, daß Euer Hochwürden in Ihrer lezten schlauen, und von mir wohlverstandenen Absagung einiger kleiner Stacheln gedachten, mit welchen die Stelle, wie alles Irdische, gewafnet ist. Recht innig bitte ich Sie daher, mir alles böse, was Sie von ihr wissen, als einem treuen Collegen unter dem Siegel der Verschwiegenheit anzuvertrauen. | Ich stehe in dem ersten Lustrum des berühmten SchwÐindÑlers, und wünsche mich also nicht zu übereilen, da ich zur Zeit hier gemüthlich und vergnügt lebe. Wegen der Portoausgabe beziehe ich mich auf meinen vorigen Brief; sie soll sämtlich wieder erstattet werden. Unwandelbar Euer Hochwürden gehorsamster D. Ammon

3576. Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Dienstag, 15. 1. 1811 Weimar den 15. 1. 11. Wüßte ich nicht, vereehrter Lehrer und Freund, daß Sie durch die Menge von Arbeiten, welche aus Ihrer jetzigen Lage hervorgehen, an der Beantwortung meiner Briefe verhindert wurden: so müßte ich Anstand neh3575. Überlieferung: H: BBAW, SN 238, Bl. 5 f.; D: Traulsen: Schleiermacher und Claus Harms, S. 283. Empfangsvermerk: „pr 24.“ Beantwortungsvermerk: „rsp 9t.“ 3576. Überlieferung: H: BBAW, SN 386, Bl. 5 f. d 13t. Septemb.“

Beantwortungsvermerk: „beantw.

5v

6

30

5v

6

Briefe 3576–3577

men, mich aufs neue vielleicht einem gleichen Schicksal Preis zu geben. Aber jetzt hat Sie meine Seele nicht nur entschuldigt sondern auch gerechtfertigt. Gern trete ich, der Einzelne in den Hintergrund, da Sie mit unermüdlichem Eifer dem größern Ganzen Ihre Zeit und Kräfte weihen. Sie erhalten daher von mir keine Vorwürfe; sondern meinen besten Dank für die regsame Sorgfalt, mit welcher Sie, Ihre persönlichen Verhältnisse für den Augenblick vergessend, die Errichtung einer Universität in Berlin endlich errangen. Das Werk wird den Meister loben und verstummen machen das Gekrächz der Raben, die übelgesinnt sich dem schönen Gedanken widersetzen. – Die gerechte Nachwelt wird loben, was die neidische schlaftrunkne Gegenwart als ein nichtiges in sich selbst zerfallendes Beginnen darstellen mögte. – Es ist unglaublich, wie viele Widersacher die Berliner Universität in unserer Gegend wie überhaupt im südlichen Deutschland hat. Man ärgert sich, in unsrer Zeit | wo fast nur von Zerstörung die Rede ist, ein neues schön gedachtes Werk entstehen zu sehen und man mögte sich gerne dem jungen kräftigen Ganzen widersetzen, wenn man nicht bedächte: Rühre nicht, Bock, denn es brennt. – Selbst Goethe, mit dem ich seit einiger Zeit in etwas freundlichem Verhältnisse stehe, sieht mit Unwillen auf Ihre Universität, und hat sich laut darüber geäußert, was sonst, wie ueberhaupt das bestimmte männliche Urtheilen, nicht seine Sache ist. Denn immer fürchtet er anzustoßen und seine bequeme behagliche Ruhe, die ihm über alles geht, zu unterbrechen. – Doch dies unter uns! Nehmen Sie den zweyten Band der Winckelmannischen Kunstgeschichte mit gewohnter Freundlichkeit auf. Vielleicht ist die Liebe, mit welcher ich ihn gearbeitet, nicht ganz ohne Folgen gewesen. Sehr wenige mögten im Stande seyn oder Lust in sich fühlen zu untersuchen, was und wie viel ich in Verbindung mit Meyer gearbeitet. Und dies ist auch unnöthig; wenns nur gemacht ist und gut gemacht; der Mann thut nichts zur Sache und auf Dank habe ich nie gerechnet. | In diesem Sommer ward ich durch meine schwankende Gesundheit zu einer angenehmen Reise durch das südliche Deutschland, die Schweiz und einen Theil Italiens veranlaßt. Sie hat auf meine innere Stimmung wie auf meinen Körper einen wohlthätigen Einfluß gehabt. – Auch Ihren Marheineke lernte ich kennen; es ist ein liebenswürdiger Mann. Die theologische Fakultät in Heidelberg hat mich zu seinem Nachfolger in Vorschlag gebracht. Wie gern wäre ich gegangen, da das theologische und besonders das kirchenhistorische Studium mir so viele Freude macht, und mich mein jetziges Amt zu sehr zerstreut, verhindernd, daß ich mich concentriren und mit ganzer Seele Einem Fache widmen kann. Und das wird

5

10

15

20

25

30

35

40

15. 1.–16. 1. 1811 45

50

55

60

65

31

doch jetzt nothwenig, denn heute bin ich 25 Jahre geworden und ich fühle mich in Rücksicht meines aeußern und innern Wesens 10 Jahre älter als ich wirklich bin. Denn das Leben geht jetzt, dem Zeitgeiste gemäß, rascher und schneller als jemals zu Ende. Auch meine hiesige aeußere Lage zwingt mich, an einen andern günstigeren Aufenthalt zu denken; von meinem Gehalt kann ich nicht leben, und knickern habe ich nie gekonnt. Unser Herzog steht mit Unrecht in dem guten Ruf, als begünstige er Kunst | und Wissenschaft. – Goethe bekümmert sich durchaus um gar nichts. – Ich stehe hier mit meinem Streben ganz verlassen und allein; von allen Seiten werden mir Hindernisse in den Weg gelegt; Weimars Blüthe ist vorüber, alles neigt sich zum Untergang, und ich mag in den Tagen der Jugend und eines kräftigen Lebensgefühls nicht unter verwitterten Trümmern wohnen. – Mein Freund Passow hat mir die erste Professur am Paedagogio zu Jenkau bey Danzig unter sehr günstigen aeußerlichen Bedingungen angetragen. Allein ich bin und bleibe vielleicht leider immer unverheirathet; dort auf dem Lande würde mir das einsame, von aller Welt abgeschlossene Leben in der Länge lästig werden. Auch muß ich darauf denken, an einem Orte zu wohnen, wo wissenschaftliche Berührungspunkte sind und eine öffentliche Bibliothek ist. – Nach Heidelberg werde ich wohl nicht kommen, da Paulus sich um die Stelle bewirbt und einen großen wenn gleich, wie ich denke, unverdienten Ruf hat. – Am liebsten wäre mir eine Stelle, wo ich Katheder und Kanzel mit einander verbinden könnte. Vielleicht ist es Ihnen in Ihrer gegenwärtigen Lage möglich, eine für mich passende Stelle zu […]

3577. Von Charlotte Cummerow. Stralsund, Mittwoch, 16. 1. 1811

5

Stralsund den 16ten Januar 11 „Endlich einmal einen Brief“ so rief ich meinem Kummerow froh entgegen als er mir den Ihrigen brachte, den ich, obgleich Sie mir Ihre Hand lange nicht gezeigt, dennoch augenblicklich erkannte. Herzlichen Gruß dem neuen Vater und der glücklichen Mutter, und süßen Kuß dem holden Kinde das den lange zerschnittenen Faden wieder knüpfte. Ich bin nicht schuldig, aber dennoch hätte ich wohl schreiben können, und würde es auch sicher gethan haben, wenn mir die Feder nicht ganz fremd geworden. Ich m a g nicht schreiben, und thu es also auch nicht. 3577.

Überlieferung: H: BBAW, SN 313, Bl. 20.

6v

32

20v

Briefe 3577–3578

Die neue Lage – zu der Sie uns so treulich begrüßt, wird wohl mit der Zeit mir viele Annehmlichkeiten und Freuden m e h r bringen, als die in der ich früher gelebt, in mancher Hinsicht für mich hatte. Indessen kenne ich bis diesen Augenblick nur die Unannehmlichkeiten derselben, und zwar in großer Menge. Unsre Baute (die sehr langsam ging) ist lange nicht beendigt. Der Winter that einen Machtspruch darin, und wir sind dadurch nun in der – für mich äußerst peinlichen Lage versetzt – den ganzen Winter durch wie in einer Ein|siedlerhütte leben zu müssen. Bei dieser Gelegenheit habe ich dann zum Erstenmal die Bekanntschaft der Langeweile gemacht, und je unausstehlicher sie mir wird, je mehr scheine ich ihr zu gefallen. Von den beunruhigenden Gerüchten worauf Sie hindeuten, wissen wir gottlob noch nichts, und der Himmel gebe daß wir niemals etwas davon erfahren. An die Israel habe ich gleich den Rapport der frohen Begebenheit, und Ihre neue Vaterwürde, spedirt. Vermuthlich hat sie schon geantwortet, ich bin einige Tage verreist gewesen und habe sie noch nicht wieder gesehen. Mein Kummerow grüßt bestens und theilt Ihre Freude. Er ist grade jetzt vom Scharlachfieber genesen. An Jettchen, Luise, und der Herz (wenn sie mein noch denkt) die herzlichsten Grüße. Ihnen mein lieber guter Schleier alles Schöne und Liebe, und die Bitte um einen baldigen Briefe, den ich dann länger, und vielleicht auch heiterer beantworten werde. Ihre Lotte K. Ist der Schneidermeister Nantesius noch bey Ihnen, so geben Sie dem kleinen Schelm einen süßen Kuß von mir.

3578. Von Philipp Wilhelm und Ena (Julie) Wolf (diese auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Zossen, Donnerstag, 17. 1. 1811 Sr Hochwürden / Hn Dr. Schleiermacher, / Berlin. [Bl. 4v] Zossen 17 Jan. 11. Welch eine Freude würdiger Mann und Freund, hat mir Ihre freundliche Sendung vom 30sten vorigen Monats gemacht! Die Verkündigung einer 3578.

Überlieferung: H: BBAW, SN 433, Bl. 3 f.

10

15

20

25

30

35

16. 1.–17. 1. 1811 5

10

15

20

25

30

35

33

doppelten Vaterschaft, und den m ä n n l i c h e n Neugebornen mir sogleich zugeschickt! Ich danke Ihnen recht herzlich für diesen Erweis Ihres Andenkens und Ihrer Liebe. Erleben Sie und Ihre edle Henriette recht viel Freude an dem lieben Töchterchen, welches in einer herrlichen Umgebung von weiblichen Wesen aufwachsen wird. Die prägnante Kürze der Aphorismen Ihres Buches, läßt mich bedauern, daß ich Sie nicht, wenn auch nur zuweilen, mündlich darüber hören kann. Als welch ein organisches und nothwendiges Ganzes haben Sie die Theologie darzustellen gewußt, welche bisher, auch bei ihren gelehrtesten Bearbeitern für ein bloßes Aggregat philologischer, philosophischer | und historischer Kentnisse galt. Nochmals herzlichen dank für dieses Geschenk! Ich denke noch in diesen oder den künftigen Monate Sie in Berlin zu sehen. Dann sehe ich Jettchen schon ganz hergestellt. Vielleicht schreibt Julie auf einige Zeilen; wo nicht, so grüße ich Ðin ihre SeeleÑ. Sie ist gesund, und hat ihre Freude an Sophiechen welche seit etlichen Tagen läuft. Grüße an Jettchen und Nanni. Behalten Sie mich ein wenig lieb. Wolf. An L u i s e wollte ich besonders schreiben, aber die KathechisationsStunde ruft mich – Ich grüße sie. [Ena (Julie) Wolf:] Mit inniger Freude sage ich Ihnen verehrter Freund und Ihrer edlen Henriette wie froh mich die Nachricht gemacht daß Jettchen glücklich entbunden. Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer neuen Vaterfreude und daß das liebe kleine Mädchen recht gesund sein und bleiben möge. Vielleicht kommen wir bald einmal nach Berlin, wie will ich mich dan freuen Sie liebe edle Henriette in Ihren vergrößerten Wirkungskreis, so edel, treu und liebend wie Sie sind wieder zusehen – bis dahin empfehle ich mich Ihres ferneren Wohlwollens theure Freunde und bin von ganzen Herzen Ihre ergebenste Julie Der l i e b e n , l i e b e n Nanni und Louise meine besten grüße und klein Töchterchen nicht zu vergeßen.

33–36 Wohlwollens … vergeßen.] ab wollens am linken Rand

3v

34

Briefe 3579–3580

*3579. An Johann Christian Reil. Berlin, Freitag, 18.1. oder Sonnabend, 19. 1. 1811 Über Adolph Müllers schwere Erkrankung. A. Müller lasse ausrichten, dass die Epileptikerin geheilt sei, und bitte, den eingesandten Aufsatz über die Magnetisierten bald im Archiv für Physiologie erscheinen zu lassen.

3580. An Wilhelm Christian Müller. Berlin, Sonnabend, 19. 1. 1811 B. d 19t. Jan 11 Ihr Brief theurer und bedauernswürdiger Mann hat mich heftig erschüttert. Ich kann aber den Gedanken daß wir unseren Adolf verlieren sollen noch nicht fest halten sondern nähre die Hofnung die noch immer im Lebenden ist. Leider ist Ihr Brief zwölf Tage unterwegs gewesen; ich erhielt ihn erst gestern. Da ich nun um so weniger den heutigen Posttag versäumen will so bin ich noch nicht bei Reil gewesen sondern habe nur Adolfs Auftrag und eine allgemeine Nachricht von seinem Zustande schriftlich an ihn gelangen lassen. Aber ich will noch einen Versuch machen ihn zu treffen und ihm dann alles was ihm nur dienen kann aus Ihrem Briefe mittheilen. Ich möchte Sie aber schelten daß Sie bei Adolfs so sehr gegründeten Vertrauen auf Reil nicht einen ärztlichen Bericht beigelegt haben damit wir ein förmliches Consult von ihm bekommen könnten – und überhaupt daß Sie mir, dessen herzliche und gewiß ganz einzige Theilnahme an Ihrem Sohn Sie kennen, nicht eher geschrieben haben. Meine Hofnung gründet sich vorzüglich darauf daß unser Kranker um so vieles heiterer und besser geworden war seitdem er sich mit Ihnen über seine Herzensangelegenheit ausgeredet hatte. Ich erkenne darin eine Kraft des Gemüths über den Leib und hoffe daß er auch den traurigen Rükfall noch überstehen kann. Wenden Sie nur | der Warnung der Somnambule gemäß alle mögliche Sorgfalt an. Was das Geheimniß unsers Freundes *3579.

Erschlossen aus Brief 3580, Z. 6–9 vom 19. 1. 1811.

3580. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Varnhagen-Sammlung, 228, Schleiermacher; D: Adolph Müller: Briefe von der Universität, S. 505–508 6 den] korr. aus diese 13 ein] korr. aus eine 19 er] über 〈nun〉

5

10

15

20

18. 1.–19. 1. 1811

25

30

35

40

45

50

55

35

betrift, so habe ich gethan was der Lage der Sache nach möglich war, und wenn nur sein unglükliches Schweigen nicht gewesen wäre. Ich war Carolinens Liebe zu ihm sicher aber ich wußte daß ihr Glaube an die seinige bisweilen schwankte, und ich konnte seine Liebe zu ihr nur vermuthen. Darum durfte ich Carolinen auf keine Weise compromittiren, und konnte ihm nur ihre äußere Lage melden. Damit sie einen Bestimmungsgrund mehr hätte schrieb ich ihr getreulich alles ab was Adolph mir antwortete. Ich wußte nicht wie es wirken würde, was die Liebe in dem Schweigen und zwischen den Zeilen ahnden könnte; aber ich glaubte ihr dieses schuldig zu sein. Die Folge war, daß sie ihr Wort gab, wahrscheinlich weil sie schloß, daß Adolph in der Hoffnungslosigkeit seiner äußeren Lage sie aufgebe. Ein Wort von ihm an mich damals, was sie in ihrem Glauben hätte stärken können, würde ohne Zweifel hingereicht haben, der Sache eine andere Wendung zu geben. Ich wünsche nicht daß Sie ihm dies verhehlen denn warum soll er jetzt nicht alles wissen und sich ihrer Liebe freuen? Caroline ist übrigens noch nicht verheirathet, sondern ihre Verbindung bis zum Frühjahr ausgesezt; und wie sehr ich auch den Mann der sie besizen wird achte und liebe so weiß ich doch daß ihre wahre Ehe nur die mit Adolph gewesen wäre. Ich kann | Ihnen nicht sagen wie ich mich sonst an diesem Bilde weidete, wie mir beide für einander gemacht schienen und bestimmt eine ganz eigenthümlich schöne Familie zu bilden; aber wie ich auch von Anbeginn fürchtete, daß aus Adolphs hartnäkigem Schweigen etwas Trauriges entstehen könnte. Wäre es möglich gewesen daß er damals nach Berlin hätte kommen können wäre ich in der Lage gewesen ihn irgend bedeutend erleichtern zu können, er würde hier gewiß eine schnelle und glükliche Carrie`re gemacht haben. Doch was sollen wir in Möglichkeiten träumen! Ich hoffe daß ein günstiges Geschik ihn uns noch erhält, und dann wollen wir auf jeden Fall noch viel Freude an ihm erleben. Ist es anders beschlossen: so wird auch sein Tod schön sein, wie ich schon jezt mit liebevoller Ruhe und sanfter Rührung bei dem Bilde des so gefaßten Kranken verweile.

Ich bin bei Reil gewesen, der sich mit großer Liebe und Zärtlichkeit über Adolph geäußert hat. Die Abhandlung, die er sehr rühmte sei schon im Druk. Uebrigens hat er mir viel Muth gemacht. Man sehe offenbar, sagte er, daß der Krankheitszustand sich vorzüglich von Seiten der Seele eingewurzelt habe und eben darum sei viel Hofnung wenn nur der Kranke 23 nur] folgt 〈Carolin〉

27 Damit] folgt 〈ich〉

36

Briefe 3580–3581

Muth und Heiterkeit behalte. Er rechnete vorzüglich auf D. Olbers Hülfe und trug mir auf mit vielen Empfehlungen an Sie Adolph seine herzliche Theilnahme zu versichern und er sollte sich in D. Olbers | Händen eben so gut als in den seinigen glauben und sich streng an die Arzenei halten und sobald er das Bett mit Sicherheit verlassen könne und sich nur einigermaßen anfange zu erholen solle er eine Reise machen und wo möglich hieher kommen. Reil meinte D. Olbers könne weit besser rathen als er aus der Ferne und er sei weit entfernt die Hofnung aufzugeben. Gott gebe nur daß er recht hat und daß Sie mir bald bessere Nachricht geben. Um baldige wenigstens bitte ich auf jeden Fall recht dringend; und können Sie etwas dazu thun daß Ihr Brief nicht so lange unterwegens ist, desto besser. Adolph meinen herzlichsten Gruß. Er weiß hoffe ich wie ich an ihm hänge und mit welcher Liebe und Theilnahme ich sein ganzes Leben umfasse. Sagen Sie ihm daß meine Frau mir am Weihnachtsabend eine Tochter geboren hat und daß seit dieser höchsten Freude der Schmerz um ihn der erste ist den ich gefühlt habe, daß sie und meine Schwester sehr ergriffen sind von seinem Leiden. Seine Freunde Marwitz und Przystanowski habe ich noch nicht gesprochen auch Reimer und Madame Herz noch nicht. Es sei aber noch einer hier von dem er es wohl nicht wisse, Harscher. Er leide aber selbst seit einigen Tagen und wiewol ich ihn heute besser gefunden, hätte ich ihm doch die schmerzhafte Nachricht nicht bringen wollen. Ich umarme Sie und den theuren Kranken; ich wünsche daß mein Brief schneller ankommen möge als der Ihrige, und daß Sie von allen Seiten recht viel Beruhigendes darin finden mögen, so wie ich gestehe daß ich mit weit besseren Hoffnungen schließe als ich begann. Gott stärke Sie und gebe Ihnen Muth und Kraft. Ich weiß daß Adolph immer das Seinige thun wird um Sie aufrecht zu halten, und daß er uns im Leiden und in der Genesung immer neue Ursache geben wird ihn zu lieben. Ich rechne auch auf die Worte der wunderbaren Somnambule die erst nach einem Jahr wieder gesagt haben will was sie Ihnen gesagt und also darauf rechnet daß Adolph dann lebt.

84 wird] über 〈muß〉

87–89 Ich … lebt.] am linken Rand auf dem zweiten Blatt

60

65

70

75

80

85

19. 1. 1811

37

3581. Von Christlieb Benjamin Hering. Stolp, Sonnabend, 19. 1. 1811 Stolpe d 19 Jan. 1811.

5

10

15

20

25

30

35

Hochgeschätzter Freund! Ihr lieber Brief vom 28 Xbre. hat uns allen viel Freude gemacht. Das Weinachts Geschenk, womit der Himmel Ihnen durch die Geburt einer Tochter beglüket, hat Ihre häusliche Glükseeligkeit um einen hohen Grad vermehret. Möge die Vorsehung Ihnen dies teure Pfand Ihrer Liebe erhalten, und zu Ihrer beiderseitigen Freude groß werden laßen. Die mir angetragene Patenstelle nehme ich mit dem größesten Vergnügen an; diese auf mich getroffene Wahl ist mir ein Beweis Ihrer für mich fortwärenden Freundschaft und wird hier auf nur noch fester geknüpft werden. Ihre, mit Ihren Neigungen so gantz übereinstimmende Lage, und das dabei so reichliche Einkommen läßet keinen weiteren Wunsch übrig, als daß politische Verhältniße in unserer aller Existentz keine unglüklichen Veränderungen zu wege bringen, und daß der Himmel Ihnen durch die dauerhaffteste Gesundheit, diejenigen häuslichen Freuden, welche Sie sich nun gantz zu eigen machen können, lange, recht sehr lange möge genießen laßen. Als ob wenn Sie mit einer Divinations Gabe begabet wären, haben Sie es erraten, daß Sie bald etwas neues von unserer Albertine | erfahren würden, denn endlich hat Sie vor etlichen Tagen Ihre Wahl getroffen, und Ihr Jawort dem Herrn Lieutenant von Schönermarck welcher hier in Garnison stehet, gegeben. Nach einer genauen Beobachtung und langen Bekandschafft habe ich gefunden, daß er ein Solider, wohlgesitteter, und von Character ein sehr guter Mann ist, dem ich es zutraue, daß er sein eifrigstes Bestreben darin setzen wird, meine Tochter so glücklich als möglich zu machen, und so haben wir denn auch unsere Einwilligung darin gerne gegeben; der Himmel wird auch dies junge Paar mit seinen Segnungen begleiten. Er ist noch in Diensten, ich werde Ihm aber bereden, daß er den Abschied nimmt; denn, beim Militairn kommt nun nicht viel heraus. Sein Vater ist todt, die Mutter aber lebt noch, und wohnt in Breslau; Sie ist die Generalin von Schönermarck; geborne von Düringshofen. Da Ihrer 5 Kinder sind, so wird er wohl nicht viel Vermögen haben worauf ich es aber bei dieser wichtigen Wahl nicht beachtet habe. Von Ihrer aufrichtigen Teilnahme an dem Glüke dieses guten Mädchens bin ich völlig überzeuget. 3581. Überlieferung: H: BBAW, SN 303, Bl. 26 f. Huebler. – Empfangsvermerk: „pr. 27t.“ 18 Sie] sie

Mit einer Einlage der Witwe

26v

38

27

27v

Briefe 3581–3583

Meinen besten Dank bin ich Ihnen noch schuldig, für das schöne Piano forte, so ich durch Ihre Auswahl erhalten, es ist gantz meinen | Wünschen entsprechend, und gewährt mir, und meinen Töchtern viele angenehme Stunden. Herr Jetschow hat mir diejenigen 50 rth so Sie für Ihren Herrn Bruder an Ihm bezahlt haben, berechnet; und es hat seine gute Richtigkeit daß die Zinsen damit bis ultimo Februar 1810 bezahlt sind. Schmiedeberg ist ja wohl der Stapelplatz der besten Schlesischen Leinwand, weshalb ich bitte, Ihren Herrn Bruder in meinem Nahmen zu ersuchen, mir 2 stük der besten Leinwand, so ich für mich zu Oberhemden haben will zu kaufen, und per farenden Post zu übersenden. Den Betrag werde Ihnen Herr Jetschow prompt vergütigen und die Ihnen hierdurch verursachende Mühe werden Sie verzeihen. Meine Frau, welche Sich Ihnen und Frau Gemahlin gehorsamst empfiehlt, ist immer in der nehmlichen sitzenden Lage, dabei aber gottlob gesund, und Dank sei es Ihrem temperament, zufrieden und möglich heiter und vergnügt im Kreise Ihrer Kinder. Diese befinden sich auch alle gesund, und so wohl beide Töchter als auch Schwiegertochter befinden sich in guten Umständen. Bald werde ich die Orgelpfeifen nicht alle in meinem Hauß aufnehmen können. Mit meiner kaufmännischen Lage habe ich Uhrsache, noch zufrieden zu sein; in dieser stürmischen Zeit Epoque, wo der Handlung Todt und Verderben geschworen ist, und die grösten | Handlungs Häuser und Millionairs Ihre Zahlungen einstellen hat mich die Vorsehung für bedeutende Verluste bewahret, und durch die äußerste Vorsicht, und Vermeidung jeder Unternehmung mit fremden Geldern, hoffe ich mein Schif in sichern Hafen zu steuren. Zwar kann ich durch Verlust ein oder des andern Schiffes verliehren, aber doch nicht Ruinirt werden. Ich merke, mein Brief wird wieder sehr lang, und fürchte, Ihnen beschwerlich zu fallen; ich will dahero abbrechen, und blos Ihnen noch versichern, daß meine Frau und sämtliche Kinder sich Ihrer beiderseitigen Freundschaft bestens empfehlen. Wir wünschen zu hören, daß Ihre Frau Gemahlin völlig wieder hergestellt ist. Auch empfehle Ihnen noch die Behertzigung der Einlage. Gewis werden Sie dem Wunsch der guten Wittwe Huebler genügen, wenn es möglich ist. Mit treuer Freundschafd immer Ihr aufrichtigst ergebener Freund & Diener Christ. Benj. Hering. 47 Ihnen] durch

40

45

50

55

60

65

70

19. 1.–27. 1. 1811

39

*3582. An Christoph Friedrich Ammon. Berlin, Dienstag, 22. 1. 1811

3583. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 27. 1. 1811

5

10

15

20

25

Hier ist der A n f a n g Ohngeachtet ich an Dich zulezt geschrieben habe und den Psalm dazu gelegt mit welchem ich Dir eine Freude zu machen glaubte – so treibt mein Inres mich doch an Dir eher einige herzlich Worte zu sagen – als der Herz und Nany die mir Beide ganz kürzlich geschrieben haben – leztere weiß viel niedliches von dem kleinen Wesen und von ihrer Zärtlichkeit für dasselbe zu sagen mir ist es ganz recht – aber doch auch sehr tröstlich daß Luise bey Euch ist – die sehr an Willichs Kindern hängt – sonst müste ich für diese jetzger Zeit besorgt seyn da die Mutter selbst nicht so für sie da sein kann Du wirst mir doch deswegen nicht zürnen mein Lieber – ich habe die Kleinen bey unserm damahligen Ersehn sehr lieb bekomen auch viel mit ihnen vorgehabt – grüße und küße Beide recht herzlich von der alten Tante Lotte – wenn mir doch Louise einmahl von ihnen schreiben wolte was sie alles treiben | Das Gedicht von Sack welches mir Nany zugeschikt hat ist ganz vortreflich es zeigt nicht nur wie sie schreibt von seiner Anhänglichkeit an Dich – sondern von seiner Empfänglichkeit für das was Du verkündigest für die Worte des Lebens – überhaupt für das wahre Leben zu welchem Jeder hier schon gelangen kann – es muß Dich eigen gerührt haben Du Guter! ach wie wünschte ich den guten Willen den Dein liebes Weib in ihrem lezten1 Briefe zeigte ausgeführt zu sehen – mir eine deiner Predigten am Feste abschreiben zu laßen – vielleicht thete es dieses junge Mensch Deiner alten Schwester auch unbekanter Weise zu Liebe | Du läßt mir durch Nany sagen ich würde alles wegen der Taufe zu rechter Zeit erfahren – Du wüstest es selbst noch nicht – dis hat mich auf den Gedanken gebracht daß die so lange Zögerung etwas besonders zum *3582.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk des Briefes 3572 vom 12. 1. 1811.

3583. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/24, Bl. 30 f. Empfangs- und Beantwortungsvermerk: „pr d 3. Febr. 11. resp d 9t. ej.“ Die Datierung auf Sonntag ergibt sich daraus, dass Ch. Schleiermacher schreibt, sie sei heute nicht in der Predigt gewesen. 12–14 und … treiben] am linken Rand 16 zeigt] Kj. zeugt

30v

31

40

31v

Briefe 3583–3584

Grunde hat – etwa die Ankunft eines weit entfernten TaufZeugen – oder ist Graf Alexander etwa verreist welcher wahrscheinlich Einer derselben ist? das natürlichste bleibt wohl – daß die Mutter zugleich ihren Ausgang halten soll „seht da die neugierige forschende Lotte“! hör ich Dich mit einer ganz moquanten mine sagen – ja wäre es angenehmes ReiseWetter ich wäre wohl gar egoistisch genug zu glauben – ich solte selbst zu | dieser Handlung kommen! – wer weis soll es nicht bis zum 6ten Merz bleiben! nun es wird wohl doch ans Licht komen – dieses wunderbare Geheimniß2 Heute da ich wegen lang anhaltenden Krampf nicht in die Predigt gehen konte – las ich eine von Albertiny die wieder ganz außerordentlich aber freilich nur für sein Auditorium! es sind auch viele treflich Ve r s e dabey die Er mehrentheils selbst gemacht hat – ich will s i e mir abschreiben, man hat dadurch fast den ganzen Zusamenhang, und sie Dir auch schikken wenn Du wilst – nur bitte ich mir jene Predigt wieder aus Der Wöchnerin schreibe ich jezt noch nicht – es ist ihr das Lesen zu mühsam 1 2

den ich ihr gewiß nicht abgelokt habe – frage sie nur nur daß i c h die Taufrede bekommen – ich bitte recht sehr

30

35

40

45

3584. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Montag, 28. 1. 1811 Br. den 28 Jan 11. Den schrecklichen Schlag, wissen Sie, verehrter Freund, und haben eine Thräne der Liebe; und eine des Mitleids geweint. Er und ich sind ihrer würdig, denn nie können Sie von einer Sele inniger geschätzt und geliebt werden, als von meinem Adolf. Sein unendliches Wort der Hochachtung von Halle aus trieb mich, Sie hieher zu ziehn – sein Herz war die Feder, ob er gleich Ihnen wenig merken ließ, weils seiner Bescheidenheit zu hoch schien, Ihnen Bremen anzupreisen. Sie waren es, warum in Halle und hernach in Berlin seine Welt enthalten war. – Plato lag auf seinem Tisch in der Schlafkammer, und er war alle Morgen seine erste Lektüre – Ihre 42 f Der … mühsam] am linken Rand von Bl. 31 44 den … nur] mit Einfügungszeichen am linken Rand 45 nur … sehr] mit Einfügungszeichen am linken Rand 3584. Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 15–17; D: Gerber: Die Familien Müller und Schleiermacher, S. 126 (Regest). Mit Blättern für Harscher.

5

10

27. 1.–28. 1. 1811

15

20

25

30

35

40

45

50

41

Hefte lagen in seinem Geheim-Schreibpult, bei seinem Gelde und den Briefen der innigsten Freundschaft. Schleiermacher durfte nur seines Herzens Heiligtum errathen; aber Schleiermacher schien ihm zu göttlich, um Ihm seine irdischen Wünsche offen darzulegen. Dies hohe Lied der Gegenwart, und Sokrates, als das Idol der Sittlichkeit standen ihm stets vor dem Auge des Gemüths – um es zu erreichen. Und er hätte es erreicht. Alle seine Freunde hielten ihn schon izt für ein Tugendmuster – ja ich gestehe es, daß es mich | zuweilen wehmüthig machte, in seiner Jugend einen sokratischen Weisen zu sehn. Es mußte ihm Neid und Verkleinerung der Schlechten zuziehn. Edle Weiber hielten ihn für den liebenswürdigsten Mann, gute Männer suchten ihn als treffendurtheilenden Gelehrten, einige Ärzte wie Treviranus ahneten in ihm den größten bremischen Arzt. Er hatte in Paris, wie in einem Schmelzofen, seine rechte Läuterung erstanden – Ganz verändert kam er wieder – männlicher, kräftiger – voll deutschen Selbstgefühls und Stolz auf deutsche Bildung und Geisteshöhe – und voll tiefes Hasses gegen die übermüthigen Tyrannen und eitlen Selbstlinge. Jeder Schritt der ungerechten Gewalt war ihm eine Kreuzigung – aber er sprach nur unter Vertrauten mit Feuer sein Herz aus. Er war mit Lust Arzt. Ich rieth ihm vorm Jahr noch Schulmann zu werden. Die Stelle stand ihm offen, die sein Freund Harscher nicht annahm. Er sagte aber, daß er ein glücklicher Arzt sey, und ein schlechter Lehrer seyn werde, besonders weil er nicht genug griechisch könne. Er hatte viel Glück in der Praxis – die Armen bezahlten lieber die Arzenei, wenn er nur kam – statt beim Armenarzt, arzneifrei zu seyn. Was er beim Mittelstand verdiente, brauchte er für die reconvalescirenden Armen. Er hatte | einen erstaunend richtigen Blick in der Beurtheilung der Übel – zE. unserem ersten Bürgermeister, dem die besten Aerzte nicht rathen konnten, schaffte er mit Hülfe Mursinna’s einen passenden Bruchring pp. Für die Richtung dieses Blicks hatte er eine unbegränzte Hochachtung für Reil. Fünf Wochen vor seinem Tode sagte er, wenn mich jemand retten kann, so ists nur allein Reil. Ich sagte ihm, daß er gleich schreiben sollte. Aber er meinte – Reil würde ihm seiner vielen Geschäfte wegen nicht antworten – im Grunde hielt er sich gegen Reil für zu unwerth – vielleicht glaubte er auch, daß es für einen so weiten Briefwechsel doch zu spät sey; zumal er gewiß selbst glaubte, daß von dem Faulfieber ein örtlicher Fehler geblieben sey. Er klagte seit 1/2 Jahre beiläufig über Schwäche – seit dem Magnetisiren über Schlaflosigkeit und Krampf in den Beinen – er schlug auch eine reiche Dame zu magnetisiren an, weil wir darauf bestanden. Es ist offenbar, daß das Magnetisiren materielle Kraft

15v

16

42

16v

17

Brief 3584

abgiebt – ich mußte es einige mal thun, weil bei keinem die Intension war, nach ihm, als beim Vater – aber er merkte auch meinen Verlust im schwächeren Magen, und wollte es nicht mehr haben. Gegen den September bekam er stetigen Durchfall – er brauchte nichts, und ging dabei die weiten Wege – weil ihm nun ein Theil des Armendistrikts übertragen war. | Im schlechten Wetter kam er mehr mal verkältet nach Hause1 klagte über kalte Füße und Hämorhiden – weil er seines geschwächten Zustandes wegen nicht schnell genug gehen könne. Wir redeten ihm zu, eine Kur zu gebrauchen. Da hatte er der Schwester gesagt – Er müsse eine lange Chinakur gebrauchen und dies sey zu theuer für den Vater – noch weniger eine Brunnenreise p Er selbst mußte seinen wenigen Verdienst für Einquartirung und gezwungene Anleihe geben – denn er wurde als praktischer Arzt auf 3000 r. geschätzt p dies machte ihn besonders ärgerlich traurig ob es gleich niemand wußte, als die Schwester. Was sie mir sagen durfte, zwang mich, ihn nach Berlin gehn zu laßen. Da kamen unerwartet einige Diakonen, und boten ihm ein Theil der Armen, welche ein nachläßiger Arzt ihm abtreten müsse – es kamen mehr Mittelstandsleute – und so blieb er – die Kranken kamen immer noch, als er selbst im Bette lag sie wollten zu keinem anderen. Er verschrieb sich selbst nur Kaskarille und Opium gegen den Durchfall – was ihm die 3. Ärzte verschrieben wirkte keine Änderung im Durchfall. Viel Moschus Anima Chinä, Naphta p nichts änderte den Puls –2 die besten Speisen und Weine fruchteten nichts. Die Hämorhiden hörte in den letzten 4. Wochen fast ganz auf. Aller Lebenssaft wurde ohne Ersatz verbraucht. – Man vermuthete, wie er selbst, einen organischen Fehler in der Leber. Bei der Sektion zeigte sich eine ungeheure große Leber, Milz und Galle – aber keine Geschwüre. Seine Hülle begleiteten über 200 Jünglinge – 18 – Freunde meist Doktoren trugen ihn – der Domprediger Frank, den Adolf vorm Jahr wählen half – hielt ihm eine trefliche Standrede – vor und nach welcher beiliegende kleine Chöre von 12 Jünglingen gesungen wurden. Weil er über keine Musik mehr Freude zeigte, als über das Spiel seiner Schwester | so that es meinem Herzen wohl, die gedachten Töne seiner Schwester noch an seinem Grabe verhallen zu laßen. Das arme Wesen, welche ihm bis den letzten Mittag noch, wo sie ihn nach eigenem Verlangen nicht mehr sehn durfte, – Mozartische Sonaten vorspielen mußte – und er sich immer zurecht legte, um unter den Tönen, welche unter seinem Zimmer im Musiksaal erklangen – einzuschlafen – das arme Wesen, welches den schönen Zweck wußte, erlag fast unter dem liebenden Spiel. Am Sonntag den 6ten 78–81 trugen … Schwester] am linken Rand

55

60

65

70

75

80

85

28. 1. 1811

90

95

100

105

110

115

120

125

43

wie der Brief an Sie wegging spielte ich mit ihr Riems 4händige Sonate – ich konnte aber aus den tränenden Augen kaum Noten sehn – und die Schwächere gewann aus unbeschreiblicher Liebe die Kraft, den Bruder in die himlischen Gefilde hinüber zu spielen. Laßen Sie die kleinen Chöre einmal Zelter darstellen. Sie thun mit lauter Männerstimmen im großen Raum treffliche Wirkung. Grüßen Sie ihn gelegentlich, und sagen ihm daß wir durch sein Beispiel aufgemuntert, eine ähnliche Gesellschaft errichtet, und ihm dankbar nacheifern. Auch beiliegende kleine Blätter bitte ich Herrn Harscher zu übergeben, wenn Sie es seiner Gesundheit zuträglich finden. Meine herzliche Hochachtung an Reil, dem Sie obiges mittheilen, um Adolf zu entschuldigen und mich, daß ich im letzten Brief nichts von seinem Krankheitszustande schrieb – weil ichs alles für zu spät hielt – so wie er schon früher – und | wahrscheinlich war auch izt durch nichts mehr etwas zu ändern. So wie er mir das Geheimniß entdeckt hatte, wurde er zusehens heiterer stärker, ging wieder in der Stube – und wir hatten die beste Hoffnung – da Caroline doch für ihn verlohren war, so wollte er um der Demoiselle Gröning, Tochter des Pariser Gesandten – die ihm in Paris so nah ans Herz trat, weil sie mit dem gänzlich liebenswürdigen weiblichen Wesen Caroline so ähnlich sey – recht ins Auge sehn – fragte mich wie wir uns einrichten wollten pp da hatte er so gewaltigen Appetit nach englischem Bier, der Arzt erlaubte und er erbrach sich schrecklich – nachher nocheinmal verlangte er K r o g – weil er der Naphtha ähnlich wäre, meinte Olbers, könnte er ihm nichts schaden – Auch da brach er sich – und dadurch wurden seine Kräfte immer um 100 perCent verringert – Ach Gott, ich komme wieder ins Erzählen – Noch schicke ich Ihnen eine Zeichnung, die ich den Mittag – 10 Stunden vor seinem Tode, wie er so im tiefen Schlaf mit verbundenem Gesicht, weil der warme Überschlag noch die verhärtete Drüse erweichen sollte. – Olbers sah ihn 6. Stunden vor seinem Ende ruhig schlummern – und sagte beim Weggehn, es ist ein wahres sterbenden Christus Gesicht – das sagten manche im Geheimen schon bei seinem Leben – Sein mildes Auge mit dem freundlichen Munde trug vieles dazu bei – seine Ernst und Sittenreinheit Beiliegenden 3 t e n Theil der Meisterstücke verschmähen Sie nicht. Giesebrecht, der eben Ihren Brief und diese Zeilen gelesen hat, grüßt Sie herzlich. Er wurde in der letzten Zeit Adolfs inniger Freund.

124 f Giesebrecht, … Freund.] am linken Rand

17v

44

Briefe 3584–3587

NB Gestern Abend ist der alte D. Meister gestorben. Was beschließen Sie nun? Denn Sie sagten ja ausdrüklich bei einer Veränderung sollten wir an Sie denken. Das haben Sie Giesebrecht und mir gesagt. Baldige Antwort – 1

2

Anfänglich hustete er, und ich war bang vor Lungensucht – Schweißtreibende 130 Mittel halfen nichts – seine Haut blieb immer kühl und trocken. Er blieb stets 70 bis 75 Schäge in die Minute.

*3585. An Georg Wilhelm Bartholdy. Berlin, wohl Januar 1811 Berichtet die Geburt der Tochter Clara Elisabeth. Empfiehlt August Riquet für eine Predigerstelle in Stettin.

3586. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Montag, 4. 2. 1811

46v

Noch bis diesen Augenblick, lieber Freund, lebe ich in Ungewißheit über den Entschluß des Königs und der Section p in Beziehung auf mein jüngstes Schreiben an die letztere. Gleichwohl liegt mir natürlicher Weise sehr viel daran, endlich zur Gewißheit über meine Verhältnisse zu gelangen. Verweigerte man mir die Erfüllung meines Wunsches, und müßte ich daher zu Ostern nach Königsberg wandern, so ist es die höchste Zeit, daß ich theils dort Veranstaltungen zu meinem Weiterkommen, theils hier Vorbereitungen zu meiner Abreise mache. Ueberhaupt aber muß auch meine | Regierung erfahren, woran sie mit mir sey und es wundert mich, daß sie nicht schon ungeduldig geworden ist. Da ich nun voraussetze, daß der König seinen Willen in meiner bewußten Angelegenheit schon erklärt hat, die Section p aber vielleicht noch mehrere Posttage erst mir auf mein letztes Schreiben an sie antworten möchte; so bitte ich Sie, lieber Schleiermacher, recht sehr, schreiben Sie mir mit nächster Post, wie es steht und 126–129 NB … Antwort –] am linken Rand von Bl. 17 130 f Anfänglich … trocken.] mit Einfügungszeichen über der Zeile 132 Er … Minute.] mit Einfügungszeichen am unteren Rand *3585.

Erschlossen aus Brief 3608, Z. 9 vom 27. 3. 1811.

3586.

Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 46 f.

5

10

7. 2.–9. 2. 1811 15

20

45

was ich zu erwarten habe. Selbst bey den dringendsten Geschäfften werden Sie das leicht können, da die Sache mit ein paar Zeilen sich abmachen läßt. | Ich muß es auch aus Mangel an Zeit bey diesen bewenden lassen und will Ihnen nur noch freundliche Grüße an alle Ihrigen und an Reimer auftragen. Herzliches Lebewohl Konopak R. den 4ten Febr. 1811.

47

3587. Von Friedrich Frommann. Jena, Donnerstag, 7. 2. 1811

5

10

15

20

Jena. 1811. 7/II. Sie werden, verEhrter Freund, durch unsre Loder gehört haben daß ich Ihr Bild richtig erhalten. Meine Antwort verschob ich um Ihnen zugleich das beyfolgende Stück des Magazins mit zu senden, deßen Vollendung zufällig verspätet worden und so auch die Übermachung der Beylage von Loeffler. Sie werden in diesem Stück die Fortsetzung der Bemerkungen über den ersten Paulinischen Brief an den Thimotheus finden. Ihr Bild ist zwar nicht ganz glüklich aber doch unbeschädigt angekommen, das Glas nehmlich war innwendig gesprungen und muste es wohl wie es gepackt war. Zum Glück aber hatte das Bild nicht gelitten. Ich habe es nun sehr vorsichtig ohne Glas und ohne zu rollen gepackt und von Zürch schon Nachricht daß es bey Lips glüklich angekommen. Leider aber ist er sehr beschäftiget und kann es allso im Stich nicht so schnell vollenden als ich wünschte | um es Ihnen bald zurükzuschicken; ich bitte aber dieser unverschuldeten Verspätung halber mich nicht zu schelten. Ist es Ihnen aber möglich so geben Sie uns für das nächste Stück doch einen beliebigen Beytrag zu unserm Magazin etwan bis Ostern, damit Ihr Bildnis mit Ihrem lebendigen Wort begleitet sey. Der Dresdner Auffenthalt lebt auch in uns noch in den angenehmsten Erinnerungen besonders auch über das höchst erfreuliche Zusammentreffen mit Ihnen und den Ihrigen. Ueber Überflus der Geschäfte seitdem kann ich eben nicht klagen, aber wohl über den immer steigenden Druck 3587. Überlieferung: H: BBAW, SN 284, Bl. 13 f. Mit Band 5, Heft 2 des Magazins für Prediger (vgl. Brief 3544, KGA V/11). – Beantwortungsvermerk: „resp 16t. Merz“.

13v

46

14

Briefe 3587–3591

durch die neuern Begebenheiten. Wir armen Buchhändler sollen nicht zur Ruhe kommen. Doch still von einem Capittel welches uns allen böses Blut macht. | Ihre Universitaet scheint mächtig zu gedeihen. Ich denke mir Sie in voller Thätigkeit. Von uns ist wenig zu rühmen. Frau, Kinder, Geschwister sind wohl und wir leben diesen Winter sehr still und einsam. Empfehlen Sie uns Allen den lieben Ihrigen auch Madame Herz und denken unsrer zuweilen mit Liebe. Ihr ganz eigner Fr Frommann

*3588. An Philipp Konrad Marheineke. Berlin, vor dem 8. 2. 1811 Fragt nach Marheinekes Vorlesungen im Sommersemester und bittet ihn, die Enzyklopädie zu lesen.

*3589. An Christoph Friedrich Ammon. Berlin, Sonnabend, 9. 2. 1811

*3590. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 9. 2. 1811 Die Taufe der Tochter, deren Name Elisabeth Clara sein solle, sei für den 18.2. angesetzt. Bittet die Schwester, Patin seiner Tochter zu werden. Fragt nach ihrer Gesundheit. Verspricht, ihr über Breslau ein Paket mit seinen Schriften zu schicken. *3588.

Erschlossen aus Brief 3591 vom 9. 2. 1811.

*3589.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk des Briefes 3575 vom 15. 1. 1811.

*3590. Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk auf Brief 3583 vom 27. 1. 1811. Zum Inhalt vgl. auch den Brief 3593 vom 12.2. und Brief 3631, Z. 57 f. vom 14. 5. 1811.

25

30

7. 2.–9. 2. 1811

47

3591. Von Philipp Konrad Marheineke. Heidelberg, Sonnabend, 9. 2. 1811

5

10

15

20

25

30

35

Heidelb. Am 9. Febr. 11. Es war mir überaus angenehm, verehrtester Herr College, gestern einmal wieder etwas von Ihnen zu hören. Die Unwissenheit ist ganz unglaublich, in der wir uns über Alles befinden, was die Universität in Berlin betrifft. Von meinem Herrn Collegen de Wette habe ich noch im vorigen Jahr einmal ein Brieflein erhalten und nachher noch durch Böckh das Versprechen, mir auf einige Anfragen bald Auskunft zu geben; welches aber auch bis auf diese Stunde noch nicht geschehen ist. Aus einem Brief an Fries erfuhren wir die Bestimmung über den Anfang der Collegien und wir haben uns auch darnach eingerichtet, daß wir zu Anfang März abreisen können. Ich lebe nun in den lezten drey Wochen und natürlich in den größesten häuslichen und anderen Unruhen, so, daß ich zuweilen nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Dabey ist trefflich studiren! das weiß der Himmel. Heute über acht Tage geht meine Promotion vor sich, wozu ich noch eine lateinische Rede machen muß. Die Sache wird sehr förmlich werden, da ich zugleich öffentlich Abschied nehme. Auf die Mitte März hoffen wir sicher zur Stelle zu seyn. Was die Lectionen betrifft, so glaubte ich, daß nicht nöthig wäre, sie noch einmal einzuschicken, da ich keine Veränderung in der Anzeige nöthig fand. Inzwischen da ich neulich an Herrn Professor Buttmann zu schreiben hatte, theilte ich einige Bemerkungen mit, die er Ihnen ohne Zweifel mitgetheilt haben wird. Ja! wenns möglich ist, lieber Herr College, so lassen Sie die Homiletik weg; sollten Sie indeß wichtigere Gründe haben, so lassen Sie sie stehen. Ich habe sie daher auch wirklich mit aufgeführt in der Anzeige, die mir vor einigen Tagen durch den Herrn Rector abgefordert wurde. Diesen Zettel werden Sie unstreitig gesehen haben. Außerdem lege ich Ihnen nun aus bloßer Vorsicht noch einen andern bey, damit bey den jungen Leuten kein Zweifel entstehe, daß ich etwa auch dießmal ausbleiben möchte. Ich bitte, ihn ohngefähr um die Zeit anschlagen zu lassen, wenn Sie Ihre Lectionen noch einmal anzeigen oder vielleicht früher, wie Sie es | gut finden. Sie tragen mir nun auch die Encyclopädie an. Gern will ich sie künftig alternirend mit Ihnen lesen. Aber im nächsten Sommer könnte ich es nicht einmal, wenn ich auch von der Homiletik dafür frey würde: denn jedes Collegium würde mich fast ganz allein für sich in Beschlag nehmen, um es erst auszuarbeiten; zumal, weil 3591.

Überlieferung: H: BBAW, SN 324, Bl. 18.

18v

48

Briefe 3591–3592

ich, da mir Ihr schönes speculatives Talent mangelt, eine Geschichte der einzelnen theologischen Wissenschaften damit verbinden würde, um auch nur etwas Gesundes dabey zu leisten. Zwey Stunden würden mir dazu auch nicht hinreichen. Ich habe überdem den frommen Vorsatz, mich auf jede meiner Vorlesungen in Berlin so vorzubereiten, daß ich sie ganz ohne Heft auf dem Katheder halten kann. Wenn Sie mir nun, wie ich hoffe und weiß, dazu wollen behülflich seyn, so bitte ich Sie inständigst, mich dermahlen von der Encyclopädie zu dispensiren. Ueberdem scheint es mir, zumal bey unserer Dreyeinigkeit, sehr gut, wenn wir uns auf den Fuß setzen, daß nicht, wie hier bisher wenigstens der Grundsatz war, in jedem halben Jahr Alles gelesen wird, sondern Jahre, und wir könnten zufrieden seyn, wenn wir in einem oder anderthalb Jahren den ganzen Cursus der Theologie vollendet hätten. Bey der Encyclopädie vollends scheint es mir gar nicht so nothwendig für die jungen Leute, daß sie sie gleich im ersten Semester hören; wenigstens hat es viel für sich, wenn man sie dazu bringen könnte, daß sie dieses Collegium entweder erst oder noch einmal am Schluß ihrer academischen Studien hörten. Auf das Compendium, welches Sie mir gütigst zugedacht haben, freue ich mich sehr. Im Gedränge von allerley Dingen muß ich schließen und mich Ihnen noch einmal schriftlich empfehlen. Halb, nämlich dem Geiste nach, bin ich schon bey Ihnen; meine Bücher und Betten sind auch schon abgegangen; also fehlet fast nichts mehr, als die leibliche Gegenwart, die auch bald erfolgen wird. Leben Sie wohl, bis ich Sie mündlich begrüße. Stets der Ihrige M. Wenn Sie können, so bitte ich, den Quästor zu benachrichtigen, daß er immerhin die Meldungen zu meinen Vorlesungen annehmen könne und was die Honorare betrifft, so bestimmen Sie ihm diese gefälligst nach Art der Ihrigen.

3592. An Wilhelm Christian Müller. Berlin, Dienstag, 12. 2. 1811 Berlin, den 12. Februar 1811. Mein werther, unglücklicher Freund! Wie lange schon hätte ich Ihnen gern geschrieben, und immer ist es nicht geschehen. Ich wollte mich gern dabei recht pflegen und weiden in 3592.

Überlieferung: D: Adolph Müller: Briefe von der Universität, S. 508–510

40

45

50

55

60

9. 2.–12. 2. 1811 5

10

15

20

25

30

35

40

49

ununterbrochen langem schmerzlichen süßen Andenken, und dazu fand ich die Zeit nicht, und habe sie auch jetzt nicht. Aber länger will ich es nicht aufschieben, Ihnen herzlich zu danken für alle Mittheilungen auch aus seiner und Ihrer Leidenszeit. Sie hätten sich nur nicht scheuen sollen wenn Sie wieder in’s Erzählen kamen, sondern immer fortfahren; ich kann eben so wenig genug haben als Sie, und alles was ihn mir auf irgend eine Weise vergegenwärtigt auch in dem traurigsten Zustande, ist mir liebe Nahrung. Wir haben ihn verloren in irdischem Sinne, aber wir behalten ihn in höherem; sein edles verklärtes Bild wird uns immer begleiten. Auch Sie müssen Ihre väterliche Sorge und Mühe nicht verloren achten. Freilich hätte er noch herrliche Früchte tragen können für die Welt, und wenn es ihm vergönnt gewesen wäre als Hausvater aufzutreten, so würden wir etwas selten Schönes gesehen haben. Aber er selbst, die innere Ausbildung seines Geistes, war doch vollendet, und was kann ein Vater Schöneres wünschen? Und in wie vieler Menschen Herzen lebt er auf eine herrliche Weise! Marwitz ist einer der edelsten Jünglinge, und die stockende Stimme, das thränenvolle Auge, womit er zuerst mir Ihre Anzeige in den Zeitungen vorlas, ist allein ein schönes Denkmal. Ich habe ihm Ihren ersten Brief ganz mitgetheilt. Er verdient wohl, das Schicksal unseres Verewigten ganz zu kennen, und ist unfähig irgend einen indiskreten Gebrauch von etwas zu machen. Von Karoline, von meiner Schwester, der vertrautesten Freundin von jener, schweige ich; der ganze hiesige Kreis seiner Freunde, den Sie wohl einmal kennen lernen sollten, ist ein herrlicher Tempel für sein Andenken. Die Aerzte Reil, Horn und Heinrich Meyer rühmen ihn einmüthig, und bedauern seinen Verlust für die Kunst. Jener Aufsatz verläßt in diesen Tagen die Presse; ich freue mich darauf, und hoffe es soll daraus recht Vielen einleuchten, wie viel an ihm auch von dieser Seite verloren gegangen ist. Reil hat gesagt, Adolph wäre der Einzige bis jetzt, der den Magnetismus ordentlich angesehen hätte. Der Verlust, den seine Schwester erleidet, ist freilich noch ein ganz eigenthümlicher; ich weiß sie mit nichts zu trösten, als daß sie ihn auch auf eine ganz eigenthümliche Weise geliebt hat. Das Uebermaß des Schmerzes werden ihr die Töne, mit denen sie ihn hinübergesungen hat, sanft ableiten. Ach Sie sind doch glücklich und zu beneiden, daß Sie einen solchen Sohn gezeugt haben, so wie ich mich glücklich fühle, daß er sich zu mir gefunden hat, und daß ich von bedeutenden Stufen seiner Fortbildung ein Augenzeuge gewesen bin. – Harscher ist durch seine Krankheit gewissermassen abgestumpft, ich hoffe Ihr Brief soll ihn wieder aufregen; ich habe ihn seitdem noch nicht gesehen. Für Giesebrecht, den ich grüße, ist es mir lieb, daß er unseren Theuren auch noch recht erkannt hat. Sagen Sie ihm,

50

Briefe 3592–3593

ich hätte an seinem Bruder eine recht erfreuliche Bekanntschaft gemacht. Die Zeichnung, von der Sie mir schreiben, wissen Sie doch, haben Sie mir nicht mit eingelegt? Sie wäre mir etwas sehr Liebes gewesen, und ich mache noch Anspruch darauf wenn es möglich ist. Auch wir haben hier oft sein Gesicht einem Christuskopfe verglichen – aber als Ecce homo glaubten wir es nicht so bald zu sehen! – Für Ihr anderes Geschenk danke ich Ihnen herzlich; sagen kann ich Ihnen noch nichts darüber, denn ich sehe nicht in ungebundene Bücher, und habe es noch nicht zurück. Was ich wegen der Stelle des Dr. Meister gesagt habe, will ich weder abläugnen noch zurücknehmen. Meine hiesige Position hat sich freilich seit ich Giesebrecht sah sehr verändert. Ich habe 3200 Thaler fixes Gehalt und freie Wohnung, wozu denn noch die Emolumente von den Kollegien kommen. Sie sehen, daß ich dafür in Bremen wohl nicht zu entschädigen bin, und wenn ich nur darauf sähe, müßte ich geradezu Nein sagen. Allein es ist in meiner Lage manches was mir nicht zusagt, und recht wie durch eine besondere Fügung befindet sich der Geschäftszweig, in den ich mit verflochten bin, jetzt in einer solchen Krisis, daß, wenn sie übel für die Sache abläuft, ich mich gern auch mit bedeutendem Verlust in jene schöne Ruhe eines ganz geistlichen Lebens zurückziehen würde. – Nur nach zweierlei frage ich. Meine Familie ist nicht klein; ich habe Frau, drei Kinder und meine Schwester, und habe noch entfernte Glieder meiner Familie zu unterstützen. Wir leben gern einfach, aber gemüthlich, und knausern können wir alle nicht. Hier habe ich, wenn ich mich auch von allem Geschäftsleben zurückziehe und bloß auf Kanzel und Katheder einschränke, immer noch etwas über 2000 Thalter und freie Wohnung. Das ist das Mindeste, womit wir uns hier auszureichen getrauen. Bremen ist gewiß nicht wohlfeiler als Berlin. Glauben Sie also, daß ich dort ohne Nahrungssorgen werde bestehen können? – Zweitens: Was hat die Veränderung Ihrer politischen Lage für einen Einfluß auf den geistlichen Stand? steht er irgend unter französischen Behörden? und in welchem Maße wird besonders auf ihn geachtet? Ich kenne mich dafür, daß ich jede verständige Vorsicht am rechten Ort gebrauche, und von dem thörichten Schnippchen in der Tasche schlagen, womit sich so viele Menschen ihre Existenz ohne Nutzen verderben, halte ich nichts. Aber ich kann nicht gedeihen, wo ich mich auf kleinliche Weise gepeinigt fühle. Und es könnte leicht sein, daß man auf mich noch mehr achtete, als auf Andere, theils weil ich von hier käme, theils weil ich hier schon einmal wiewohl auf ganz gehaltlose Art bei dem Marschall Davoust angegeben war und in seiner Tablette der verdächtigen Subjekte stand. Beantworten Sie mir die-

45

50

55

60

65

70

75

80

12. 2. 1811 85

51

se Fragen, theurer Freund, recht ehrlich, so will ich danach meinen Entschluß fassen. Von Herzen der Ihrige Schleiermacher.

3593. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 12. 2. 1811

5

10

15

20

25

Gdfr d 12 Febr 1811 Recht überraschend war mir Heute Dein lieber Brief für welchen ich Dir recht herzlich danke – daß der 1 8 t e also gefeiert werden solte ist mir gar nicht eingefallen eine ganz eigne heilige Freude muß diese doppelte Feyer für Nany sein – wenn sie auch wenig darüber sagt – wird Sie’s doch gewiß recht innig empfinden auch i c h mein guter Bruder reiche Dir im Geist recht herzlich die Hand und freue mich mit Inigkeit über mein Anrecht an die kleine Niece welche ich im Geist an mein liebend Herz drücke und solche mit 3facher Theilnahme, der Vaterhuld Gottes – seiner | Leitung und beseeligenden Liebe empfehle – Er laße das Kind groß wachsen und zu seinem Preise Euch in allem Betracht zur Freude werden. Mit dem biblischen Nahmen und daß er nicht soll verdreht werden bin ich ganz einverstanden – ob Clara in Jettens Familie gehört oder was es sonst für eine Bewandniß damit hat – werde ich wohl mit der Zeit erfahren. Hast Du nicht Wedike oder Konopak noch erwählt? Hält dein gutes Weib keinen besonderen Kirchgang oder ist derselbe mit der Taufe verbunden? ob Du in der Kirche oder zu Hause taufst | hätte ich wohl gerne gewust – dem sey wie ihm wolle – da oder dort – Vor oder Nachmittag – so bin ich mit meinem Geiste bey Euch – des seid Ihr Alle versichert wenn auch diese Zeilen nicht zu dem Tage so sehr ichs wünsche zurecht kommen! –! Die Rede wünschte ich sehr zu bekommen wie es übrigens den Tag zugegangen wird mir wohl die Nany oder Herz schreiben – leztere wird doch wohl auch gegenwärtig sein – Sie hatte mir bey unserm ersten Ersehn Hofnung gemacht daß sie dieses Jahr mit ihren Verwandten eine Reise ins | Schlesische Gebirge machen – und gewiß auch h i e r besuchen würde – nun aber wird sie Euch wohl nach Ruegen begleiten – die Pistoriuss hatte mir schon von Eurem vorhabenden Besuch geschrieben – daher ich gar nicht im Ernst ahndete – dich hier zu sehn – es müsten dich denn 3593. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/12, Bl. 1–4. (Nanny) Schleiermacher.

Mit einem Zettel für Anne

1v

2

2v

52

3

3v

4

4v

Briefe 3593–3595

Geschäfte nach Breslau rufen. – Von meinem Ersehn mit Euch Allen, habe ich einen großen Wunsch auf künftiges Jahr wenn ich anders dann noch reisefähig bin mein Guter! – ich leide zwar nur am Krampf aber es schwächt mich doch sehr und jezt ist mirs oft in der | Nacht so enge, weil sich alles auf die Brust gezogen – daß ich viele Stunden im Bette sizen muß – ordentlich zu brauchen kann ich mich diesmahl nicht entschließen – ich helfe mir mit PfefferMinzThe – Waßer-Küchel und Camillen – vielleicht geht es oft nähre ich die Hofnung daß ich nicht älter werde als unsre selge Mutter – nun ich will dem kindlich vertrauen der alle meine Tage auf sein Buch geschrieben nur weil Du von meiner Gesundheit erwähnst – sonst hätte ich nichts davon geäußert – zu was hilft auch alles Klagen – mann wird es gewohnt | bin ich künftiges Jahr noch am Leben – so ist es mir ein süßer Gedanke, wenn sichs irgend thun läst zu Euch zu kommen – vielleicht kanst Du selbst mich abholen – Elisabeth würde dann schon in der Entwiklungsperiode seyn die ich so sehr liebe – und ich würde viel Freude haben – 1812 – Von Luise Willich die ich innigst liebe und wegen dem Verlust ihrer Schwägerin herzlich bedaure habe ich keinen Brief erhalten mich sehr gewundert – daß sie mir seit ich ihr ausführlich nach Ruegen geschrieben – noch nicht geantwortet es wäre mir sehr lieb, wenn | sie mir, wie ich schon lezt geäußert einmahl recht ausführlich von den Kindern schrieb und von allem was sie treiben – so gar wie sie angezogen gehn – und wie Ihr Alle logirt seid – bitte mein Guter sorge dafür daß ich von Berlin ein ganz paquet Briefe zum 31 Merz erhalte – worüber ich viel Freude haben werde – vorher aber wird mir wohl jemand vom 18ten ordentlichen Bericht abstatten so wohl von dem wesentlichen, als den andren Kleinigkeiten woran ich meines Alters unbeschadet immer noch viel Theil nehme – sogar ob mein Pathchen schon | ein Rökchen an hat; was werden die Kinder sagen wenn Väterchen selbst taufen wird – schon lieb wäre mirs gewesen wenn ich die Zeit gewußt hätte – dis hast du wohl bey aller übrigen Ausführlichkeit vergeßen. Nach Schmiedeberg von wo her ich seit September keine Nachricht habe – obschon ich zu Ende November geschrieben – habe ich gleich nach Empfang deines lieben Briefs – den Tauftag gemeldet. Inliegenden Zettel wirst du wohl der guten Schwester übergeben da ich ihr später hin ausführlich schreibe – sey nebst deinem guten Weibchen und Kindern herzlich umarmt von Deiner alten Lotte Das liegen bleiben und spät abgeben habe ich wohl schon einige mahl erfahren – nichts für ungut 65 f Das … ungut] vom linken Rand von Bl. 3v auf den linken Rand von Bl. 4 überlaufend nachgetragen

30

35

40

45

50

55

60

65

12. 2.–20. 2. 1811

53

3594. An die Direktion des Landschullehrerseminars (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Mittwoch, 20. 2. 1811

5

10

Berlin, den 20. Februar 1811. S. d. U. An die Direction des hiesigen LandschullehrerSeminarii Der Direction des hiesigen LandschullehrerSeminarii wird eine Vorstellung des C. F. Kroe vom 11. dieses Monats nach welcher derselbe sich dem Lehrstande widmen will und freyen Unterricht sucht, sub lege remissionis in originali hieneben mitgetheilt, um, da Supplikant nicht geeignet scheint, den Unterricht in einer gelehrten Schule gehörig zu benutzen, ihn zu prüfen ob der Unterricht im Seminario ihm nützlich sein würde und er ein guter Landschullehrer werden zu können verspreche, und darüber, auch ob und wie er bejahenden Falls, in das Seminarium aufgenommen werden könne, zu berichten. Departement p Schleiermacher 21 t.

3595. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 20. 2. 1811 Breslau, den 20 Febr. 1811.

5

Sie versprachen mir in Ihrem lezten Briefchen noch einen längeren Brief, der bald nachfolgen sollte und lange und sehnlich habe ich darnach ausgesehen. Ich weiß aber, wie es mit so etwas geht, liebster Schleiermacher bei Ihnen zumahl, da Sie Ihrer Zeit so wenig Herr sind. Einige Zeilen werden auch von mir indeßen durch den Grafen Stosch bei Ihnen angelangt sein, nebst mündlichen Nachrichten, wie es uns geht. Ihnen ausführlicher zu schreiben, über allerlei, was ich Ihnen schon längst mittheilen wollte, soll aber nun auch nicht länger verschoben werden. 3594. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 76 VIII, Sekt. 15 bb Nr. 1, Bd. 1 (ohne Blattzählung). Es handelt sich um die Antwort auf ein Schreiben von C.F. Kroeˆ vom 11. 2. 1811 an „Eine hochpreißliche Section des Schul-Cultus“. Kroeˆ berichtet, er sei vom Körperbau her zu jeglicher Profession untauglich, habe Lust, sich dem Lehrerstande zu widmen und wolle gern das Graue Kloster besuchen, doch könnten seine Eltern wegen der Kriegslasten den Besuch nicht mehr finanzieren. Er bittet, ihm den kostenlosen Besuchs des Unterrichts zu gestatten. Schleiermachers Konzept für die Antwort auf diesen Brief liegt ebenfalls in der Akte (ohne Blattzählung). 3595. Überlieferung: H: BBAW, SN 289/1, Bl. 64–67; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 89–93

54

64v

65

Brief 3595

Daß ich Ihrer in Gnadenfrei gedacht habe, war unvermeidlich, da ich überall gefragt ward und daß ich dabei mit aller Wärme und Liebe für Sie sprach, war wohl natürlich und Sie werden mir dies auch nicht übel deuten wollen. Glauben Sie nicht, daß die Leute – ich meine die Geistlichen – so weit zurükk sind, daß Sie völlig von ihnen mißverstanden werden könnten. Der alte Bischof hatte Ihre Reden gelesen nach der ersten Ausgabe; warum sollte ich ihm nicht die zweite empfelen, die ihm gewiß mehr zusagen wird. Ein junger Geistlicher Namens Reichel kannte einiges von Schelling und andre neue philosophische Schriften, warum sollte ich Anstand nehmen, ihn an die Ihrigen zu weisen. Ihre Schwester, die so viel von Ihnen hält, fragte, ob ich Sie hätte predigen hören; warum sollte ich verschweigen was ich davon wuste! Ich habe den Leuten hernach Ihre Predigten und Gutachten geschikt und das kann Ihnen nicht schaden. Zu dem allen aber | kam noch ein ganz eigner Umstand. Die Gemeine war durch die neuen Einrichtungen sehr besorgt gemacht, man würde sie in ihrer bisherigen Ruhe stören und einer andern Behörde unterwerfen; sie bat daher flehentlich, sie dagegen in Schuz zu nehmen; warum sollte ich ihr nicht versprechen, daß Sie in Berlin und ich in Breslau, so weit wir beide könnten, sie gewiß vertreten würden? Sie sehen aus diesem allen, liebster Schleiermacher daß ich hierbei nur gethan habe, was sich unmittelbar ergab und ich müßte Sie gar nicht lieb haben, wenn ich hätte anders handeln wollen. Wenn die Leute wünschen Ihre Bücher zu lesen; laßen Sie das geschehen; was ich ihnen gebe ist ihnen recht heilsam und was sie sonst etwa auftreiben, das werden sie weglegen, wenn es ihnen nicht zusagt. Mit unsern Arbeiten bei der Deputation geht es noch immer nicht so rasch vorwärts als ich es wünsche. Wir können nur Einzelnes hie und da umbilden; für das Ganze wird erst etwas Tüchtiges geschehen können, wenn man von Berlin aus mehr thut als bisher. Und haben wir dazu unter den gegenwärtigen Umständen wohl Hofnung? Doch davon hernach. Wir warten noch immer auf die neue Kreiseintheilung von Schlesien, woran sich eine neue SuperintendenturBegrenzung anschließen soll. Diese ist durchaus nothwendig, und ich habe zu einer neuen Geschäftsinstruktion und Synodalordnung schon vorgearbeitet; unsre Schuld ists nicht, wenn das Gute verzögert wird. Wir hatten nur 2 Superintendenten, auf die wir uns verlaßen konnten; davon ist einer (Krautwadel) gestorben; der andre hat 41 Kirchen und fast 300 Schul|lehrer zu inspiciren; dazu sein Predigtamt, das kann mit einer neuen Ordnung der Dinge nicht bestehen. Mit 10 gedacht] gedachte

14 ihnen] Ihnen

18 von] u

10

15

20

25

30

35

40

45

20. 2. 1811

50

55

60

65

70

75

80

55

den übrigen ist nichts anzufangen; sie sind meistens alt und so im Schlendrian verseßen, daß sie erschrekken, wenn etwas davon abweicht. Neulich foderte ich die sämmtlichen Predigten, oder Entwürfe des lezten Jahres von 3 Predigern, die uns durch den Rumor als etwas fahrläßig bekant geworden waren, ohnerachtet sie in den Conduitenlisten alles Lob erhielten. Der Superintendent der die Arbeiten herbeischaffen sollte, schlug einen Lerm, als ob das Ende aller Dinge vor der Thür sei, so etwas habe er nie gehört p. Der Befehl hat also geschärft werden müßen und ich bin begierig, wie es ablaufen wird. So aber ists in allen Dingen; es ist demnach durchaus nothwendig, daß neues Leben in die Maße komme. Einen Schulrath haben wir immer noch nicht. Nikolovius schreibt mir, ich sei im Irthum, wenn ich meine er solle blos für das gelehrte Schulwesen arbeiten, er sei noch mehr nothwendig für die Land- und Elementarschulen. Er mag es mir vergeben, daß ich seiner Meinung nicht sein kann. Freilich, fände sich Jemand, der hier ad utrumque paratus et aptus wäre, dann wohl; aber ich habe einen solchen nicht leicht gesehen. Die eigentlichen Philologen (und um einen solchen würden wir doch bitten) sehen gewöhnlich verächtlich auf die untern Sphären des Schulwesens herab und wißen es selten recht damit anzufangen und die, welche den Armen das Evangelium wollen gepredigt wißen, sind in der Regel nicht geschikt für die höhern Bildungsanstalten. Und so scheint es, wird der Mann, den man sucht, noch lange nicht gefunden werden. | Und doch wünsche ich ihn jezt recht sehnlich. Denn eigentlich stehe ich in Absicht auf die wißenschaftlichen Mitglieder der Deputation sehr isolirt. Ihr Glaubensgenoße Wunster ist auch eine träge, indolente Natur und das einzige aber schlechte Erbstükk des ehemahligen OberConsistoriums. Das Examiniren der Candidaten ist doch eine eigne Aufgabe. Einen Versuch habe ich gemacht, auch eine Ordination gehabt; aber das Examiniren ist mir nicht leicht geworden. Man kennt den Examinandus vorher nur aus seinen schriftlichen Arbeiten, und das giebt nicht immer einen sichern Maasstab für seine Ansicht und Studium. Ich spreche ihn daher gerne und lange, ehe die eigentliche Prüfung angeht, um den eigentlichen Boden zu finden, auf welchem man mit ihm handgemein werden kann. Wir haben unter uns die Fächer eingetheilt und ich habe die Dogmatik und Exegese des Neuen Testaments. Es ist indeßen ein lehrreiches Geschäft und ich zweifle nicht, daß ich es auch ordentlich treiben werde.

77 giebt] folgt 〈〈das〉〉

65v

56

66

66v

Brief 3595

Ich schrieb Ihnen im Herbst, daß ich Vorlesungen halten wollte und es wird Ihnen gewiß lieb sein zu vernehmen, wie es damit gegangen ist. Zu meiner Freude muß ich sagen, es ist eine wirkliche Inspiration und der beste Gedanke gewesen, den ich vielleicht in Breslau gehabt habe. Ich fing im November an und werde mit dem März schließen. In dieser Zeit werde ich den historischen und philosophischen Theil Ihrer Encyklopädie vollenden; die praktische Theologie hatte ich mir vorgenommen, im künftigen Winter besonders und ausführlich vorzutragen. Aber auch die beiden ersten Theile | sind weitläuftiger behandelt, als von Ihnen und das war hier nothwendig, um mit diesen den Leuten ganz fremden Sachen nicht unverständlich zu werden. Es hat mir aber wirklich viel Mühe gekostet und zu mancher Stunde habe ich einen ganzen Vormittag Präparation gebraucht, dabei aber auch das Vergnügen gehabt, daß ich ohne Heft einen freien Vortrag halten konnte. Ich bin dabei noch auf manche andre Ansichten gekommen, die mir sehr lieb sind, ob sie mir gleich aus den Ihrigen klaar hervorzugehen scheinen. So z.B. will es mir vorkommen, als ob die philosophische Moral und die christliche Sittenlehre sich verhalten wie die antike und moderne Geschichte und keine andre Differenz als die der Zeit zwischen beiden statt finden könne. Und eben so scheint mir der christlichen Dogmatik im Alterthum gegenüberzustehen die Physik. Ich habe darüber etwas aufgesezt, das ich Ihnen doch gelegentlich mittheilen will. Ueberhaupt aber sind diese Vorlesungen für mich sehr lehrreich und ich habe nun Ihre Vorträge erst recht zu verdauen angefangen. Zu meiner Freude ist mein Bestreben aber auch gut aufgenommen und ich habe über 30 Zuhörer und unter diesen sogar 6 Catholiken, die alle bis jezt treu aushalten. Dies ist über meine Erwartung gewesen und hat mir das Zutrauen der jungen Geistlichen erworben, an die man sich doch allein mit Erfolg wenden kann. Glauben Sie aber nicht liebster Schleiermacher daß ich mich so gradehin mit Ihren Federn geschmükt habe; gleich in der ersten Stunde sagte ich den Leuten rein heraus, es sei nicht von dem Meinen, das ich ihnen gebe; denn es liegt mir ja alles daran daß die Geistlichen Ihre Schriften lesen und so weit sie es vermögen, Ihren Sinn annehmen. | Ihre Encyklopädie habe ich schon aber nur erst flüchtig lesen können. Manches sehe ich doch hat sich in der Stellung verändert und wie es mir scheint, dadurch gewonnen und ich hoffe, daß nun doch mehrere meiner Zuhörer sich darin finden sollen. Und nun laßen Sie mich auf einen andern Gegenstand kommen, der mich seit einigen Tagen erfreut und beschäftigt. Wir haben hier aus Frankfurth die Nachricht erhalten, die dortige Universität werde hierher

85

90

95

100

105

110

115

120

20. 2. 1811 125

130

135

140

145

150

155

160

57

versezt werden. Das wäre ja etwas herrliches und zugleich etwas sehr heilsames für Schlesien, wo es mit der Fabrikation beßer geht, als mit der geistigen Cultur. Die Sache wird sich wohl bald entwikkeln und gewiß schreiben Sie mir bald etwas davon. Daß ich auch für mich einen besondern Wunsch dabei habe, will ich Ihnen nicht verhalten, nemlich den, Universitätsprediger zu werden, wenn ein solcher, wie man es ja thun kann, angestellt werden sollte. Eine Kirche ist dazu noch da, die ehemahlige Jesuitenkirche an dem Universitätsgebäude und mich kann man sehr wohlfeil haben, indem dann die 400 rthr Wartegeld, die ich erhalte, zurükkgehen. Auch wäre es vielleicht künftig möglich, daß ich noch die Leitung eines Predigerseminars übernehmen könnte. Sie werden mir dies nicht als Projektmacherei auslegen. Ich wünsche recht sehnlich eine Canzel zu haben, denn die hiesigen Geistlichen werden immer schwüriger, mir die ihrigen zu öfnen. Und wenn es vielleicht auch geschehen mögte, daß ich hier Stadtprediger würde, so kann sich dies noch mehrere Jahre verziehen. Darneben muß ich Ihnen auch aufrichtig gestehen, es ist viel beßer, wenn die Deputation wenigstens Ein Mitglied hat, das von den städtischen Verhältnißen ganz frei ist, denn es wird | nie an unangenehmen Verwikkelungen fehlen, jene Verhältniße mögen bestimmt werden, wie sie wollen, selbst wenn das StadtKonsistorium ganz aufgehoben würde. Schreiben Sie mir doch Ihre Meinung darüber und was Sie dabei für mich zu thun erachten. Wie geht es denn im Departement? Unsre guten Erwartungen sind sehr gesunken, seit Schuckmann dazu gerufen ist; doch denke ich nicht, daß man sich in der Hauptsache wird stören laßen. Nikolovius wird ja bleiben, höre ich und mögte es gerne glauben und aber noch mehr hoffe ich, Schuckmann wird sich an dieser Stelle nicht lange erhalten. Es ist doch, als wenn ein Unsegen auf der Verwaltung der Kirchenangelegenheiten ruhte; schon mit Zedlitz haben die Mißgriffe angefangen und mit einer kleinen Unterbrechung seitdem fortgedauert und wenn man sich bemüht hätte, immer den ungeschiktesten zu suchen, man hätte es kaum anders treffen können. Wie es in unserm Hause steht, werden Sie von Reimer, dem ich vor einigen Tagen schrieb gehört haben. Laßen Sie uns auch bald wißen, was Weib und Kind bei Ihnen machen. Wann werde ich Sie mahl als Vater mit dem Töchterchen auf dem Arm sehen! Den nächsten Sommer kann ich noch nicht nach Berlin kommen, so gerne ich auch wollte. Wilhelmine geht nach Landeck und Reinerz und da mir davon sehr viel Gutes für sie 155 es] folgt 〈〈es〉〉

67

58

67v

Briefe 3595–3598

verheißen wird, so muß es schon allem übrigen voran gehen. Ich selbst werde wohl eine Geschäftsreise machen müßen; das ist auch nothwendig. Die Unruhen in OberSchlesien wollen noch nicht nachlaßen, Gestern ist von hier das Cavallerieregiment ausgerükt. Die Bauern im Pleßischen haben zwar erklärt, sie würden sich nicht empören, aber sie wollten auch | nicht arbeiten. Eine Kleinigkeit ist [es] auf keinen Fall und ich wünsche herzlich, es mögte erst wieder ruhig sein. Sprechen Sie Nikolovius so bitte ich mich ihm zu empfelen und er mögte mich doch wißen laßen, ob wir von den Candidaten, welche die Regierung nach der Schweitz geschikt einen bekommen könnten und etwa zu welcher Zeit, wie ich ihn darum gebeten hätte. Tausend Grüße an die Ihrigen und an alle unsre Freunde. Leben Sie wohl und schreiben Sie mir bald. Von ganzem Herzen der Ihrige Gaß. Werden denn Marheineke und Böckh zu Ostern noch kommen? Werden Sie Bredow nach Leipzig laßen? Ich weiß sehr gewiß, man hat sich in Dresden darauf gesezt, ihn haben zu wollen; leiden Sie es doch nicht.

*3596. An Christian Gottlieb Konopak. Wohl Mitte oder Ende Februar 1811 Erkundigungen über Christoph David Anton Martini, Bemerkungen über Schmalz in Halle.

*3597. Von Charlotte von Kathen. Januar/Februar 1811 Über ihr Leben. *3596. Erschlossen aus Konopaks Brief 3607 (vor dem 24. 3. 1811), den dieser selbst spät nennt. Der Brief muss einige Zeit vor seiner Anfrage an Christoph David Anton Martini (9. 3. 1811, Brief 3606) abgegangen sein. *3597.

Erschlossen aus Brief 3598, Z. 46–48 vom 7. 3. 1811.

165

170

175

180

20. 2.–7. 3. 1811

59

3598. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 7. 3. 1811

5

10

15

20

25

30

35

Berlin d 7t. Merz 11. Es geht mir jezt recht schlimm liebste Schwester mit dem Briefschreiben, zum Theil auch deshalb weil es mir sonst nicht recht gut geht. Ich leide schon seit dem Anfang des vorigen Monats wieder sehr am Magenkrampf zum Theil so heftig daß ich Wochenlang nichts habe thun können als, wenn ich aus meinen Vorlesungen kam mich auf den Sofa hinlegen. Ich sollte jezt in der angestrengtesten Thätigkeit sein um mich für das nächste halbe Jahr zu rüsten und kann es nicht weil ich zu sehr abgespannt werde durch den Schmerz. So fehlt es mir denn, wenn ich wohl Lust hätte zum Briefschreiben am guten Gewissen, weil ich mir sagen muß, wenn ich überhaupt etwas thun kann sollte ich nöthigeres thun. Selbst an den beiden schönen Tagen die wir gefeiert haben, am Tauftage und gestern an Jettens Geburtstag hat mich der Schmerz gestört. An dem ersten bist du gewiß besonders im Geist bei uns gewesen so wie uns deine innige treue Liebe sehr im Gemüth war. | Es war mir ein heiliger Tag. Möchte ich doch nie vergessen, wie mir bei dieser Handlung zu Muthe war! möchte es mir besonders dann recht lebendig vorschweben wenn ich irgend im Begriff bin nicht recht nach christlicher Vaterweisheit zu handeln mit dem Kinde. Ich glaube es war unter den Anwesenden keiner, der nicht nach seiner Art mit mir gefühlt hätte. Das Kind hielt sich ohnerachtet es ungern liegt ziemlich ruhig und beim lezten Gebet fing es an zu schreien. Jette und Friede hatten sich ganz nahe an den Tisch gedrängt und so wie ich die Besprengung vollendet hatte rief Friede ganz laut „Nun ist es getauft![“] Liebste Schwester Gott läßt wohl wenig Menschen so viel Gnade widerfahren als uns; wir fühlen es auch beide recht innig Jette und ich, und sind auf alles gefaßt was die Zeit etwa bringen mag um unser seltenes Glük uns büßen zu laßen. Du Arme hast auch wieder ein schönes Theil Leiden gehabt, und nun erkennst du es gewiß mit rechtem Dank daß der Kelch wieder so vorübergegangen ist und | Du noch immer deine kleine Schaar ganz beisammen hast. Die Sorge für die Geliebten füllt auch das Leben auf eine eigene schöne Weise und ist ein Element das wir nicht missen können und sollen. Noch ein anderes Bild schwebt mir freilich vor wenn ich an Sagard denke; aber ich kann Dir nicht sagen wie mild und beruhigend dieser Todesfall auf mich gewirkt hat. Die edle schöne Seele ist grade so gestorben wie man sterben soll, mit Liebe zum Leben und 3598.

Überlieferung: H: BBAW, SN 753/1, Bl. 53 f.; D: Br 2, S. 258 f. (gekürzt)

53v

54

60

54v

Briefe 3598–3602

doch besonnen gefaßt ergeben. Dann können auch die Fantasien der Krankheit nur zur Verschönerung des Todes gereichen. Es war die Harmonie ihrer Seele die sich aussprach in den himmlischen Tönen die sie zu hören glaubte. Und Alle, Willich, Mariane, Amalie fühlen es auch so herrlich. Durch solchen Sinn allein kommt der Mensch in völlige Einigung mit den großen Gesezen der Natur, zu dem wahren ewigen himmlischen Frieden. So gründet sich auch das fortwährende Leben des Abgeschiedenen unter den Lebenden am schönsten und sichersten. Was kann man größeres wünschen als so zu sterben und seinen Tod so gefühlt zu wissen. Ueber Dein Leben liebste Lotte weißt du schon daß dein lezter Brief mich sehr ins klare gebracht | hat, und mich von allen Besorgnissen die ich haben konnte befreit. Ich meine Jette hat Dir seitdem geschrieben; ist das aber auch nicht: so hast du es wol von selbst gewußt. Das lezte wird nun die unmittelbare Anschauung geben. Sähe ich nur recht klar erst über unsere Reise – aber ich weiß noch immer nicht wie es mit dem Urlaub werden wird. Ich fürchte daß ich nur auf sehr kurze Zeit werde abkommen können und ich wünschte so sehr daß Jette verreiste um Euch länger zu genießen, aber sie will sich nicht dazu entschließen. Doch ich glaube ich habe Dir das schon geschrieben. Luisens Hiersein ist fortwährend eine rechte Bereicherung unseres häuslichen Lebens, und ich glaube, daß sie sich auch wohl fühlt mit uns. Grüße Furchau und sage ihm ich freute mich herzlich seines Vertrauens. Heute komme ich wohl nicht dazu ihm zu schreiben aber nächstens gewiß. Adieu liebste Lotte das Essen ruft. Sei mir aufs brüderlichste umarmt und lebe nun recht frohe schöne Tage. Schleier

*3599. An Christoph David Anton Martini. Berlin, Sonnabend, 9. 3. 1811 Bietet eine theologische Professur in Berlin mit Schwerpunkt auf der Kirchengeschichte an.

*3599.

Erschlossen aus Brief 3606 vom 22. 3. 1811.

40

45

50

55

60

7. 3.–16. 3. 1811

61

3600. An Unbekannt. Berlin, Mittwoch, 13. 3. 1811 […] den bei hiesiger Universität anzulegenden Armen Fonds schleunig auf ganz kurze Zeit zur Einsicht Schleiermacher 13t./III

*3601. An Friedrich Frommann. Berlin, Sonnabend, 16. 3. 1811 Über die Geburt der Tochter.

3602. An Josias Friedrich Christian Loeffler. Berlin, Sonnabend, 16. 3. 1811 An / Herrn GeneralSuperintendenten / Loeffler / zu / Gotha [Bl. 165v] Berlin d. 16 t. Merz 1811.

5

10

Ewr Hochwürden freundschaftliches Schreiben hat mir Herr Fromman erst mit dem Magazin zugeschikt so daß ich es erst Ende Februars erhalten; ich hätte Ihnen sonst schon eher für die gütige Art gedankt mit der Sie mich zuerst angeredet haben. Es hat mich sehr gefreut daß meine Gründe gegen die Aechtheit jenes Briefes Ihnen schon früher nicht unbedeutend erschienen sind und nun noch durch Sie Selbst sind vermehrt worden. Ich habe gleich den zweiten Brief noch einmal gelesen, und er hat mich völlig eben so afficirt wie Sie. Die Jugend des Timotheus muß man schon für die erste Gefangenschaft in dem weitesten hellenischen Sinn nehmen und ihn Acta XVI als einen νεανισκος ansehn; wie sollte sie aber in eine zweite hineinreichen? Und wie sollte Paulus 2 Tim 3,11 nicht 3600. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 5v. Rückseite eines Zettels zur 16. Stunde der Dialektik 1811 (10.6.) – Vermerk des Sachbearbeiters am unteren Rand: „erfolgt ganz ergebenst anbei“. *3601. Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk aus Brief 3587 vom 7.2. sowie aus Frommans Brief 3637, Z. 21 f. vom 24. 5. 1811. 3602. Überlieferung: H: Goethe- und Schiller-Archiv Weimar, Sammlung Frommann, Nr. 383, 8, Bl. 164 f. 11 weitesten] folgt 〈ÐuniversÑ〉

62

164v

165

Briefe 3602–3603

grade der ersten Gefangenschaft vorzüglich erwähnt haben. Ich bin neugierig, wie Herr Wegscheider (der mir zu dieser Sache bis jezt noch gar nichts gethan zu haben scheint) sich anstellen wird um diese zweite Gefangenschaft zu beweisen. Die Tradition ist gewiß nur daraus entstanden daß Paulus so verschiedene Aussichten in die Zukunft in den in der Gefangenschaft geschriebenen Briefen äußert und daß man voraussezte er könne sich nicht irren. Auch ist es höchst unwahrscheinlich daß er der Verfolgung nach dem Brande entgangen sein sollte, er und Lukas. In Herrn Planks Schrift habe ich Fleiß und Gelehrsamkeit und den Werth einzelner Bemerkungen sehr anerkannt; aber aufrichtig gesagt einen gewissen Mangel an | höherem kritischen und historischen Sinn, und dagegen jenen ängstlichen Leichtsinn der sich so gern bei unzusammenhängenden Möglichkeiten beruhigt. Ich hatte zuerst übernommen seine Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern anzuzeigen, allein nach sorgfältiger Durchlesung der Schrift ist mir die Lust sehr vergangen, und ich denke die Sache liegt so daß nun jeder urtheilen kann was ihn am meisten befriedigt. Der Gang dieser Untersuchung ist ein neuer Beweis wie Arbeiten dieser Art wenn man nur das große gelehrte Publicum im Auge hat und sich nicht damit begnügen kann einige wenige aufmerksam gemacht zu haben und ein Exempel mehr von einer gewissen Untersuchungsart aufzustellen ganz undankbar sind. Am meisten hat es mich gewundert wie man mir fast überall die α῾παξ λεγομενα nachgezählt hat, als ob es auf die Zahl ankäme. Ein solches wie βαθμος und πρεσβυτεριον oder aus einer andern Klasse α᾽νεπι´λημπτος und ε᾽πιπληττειν entscheidet viel mehr als zwanzig andere. Auch die Theorie des Herrn Plank über die Kennzeichen der Nachahmer, die gar keine Rüksicht auf die Akrisie des Zeitalters nennt ladet mich nicht zu Erörterungen mit ihm ein. Herr Eichhorn wird wol sobald nicht an diesen Gegenstand kommen; mündlich aber soll er sich geäußert haben nicht nur der erste sondern auch der zweite Brief sei unächt, worin ich ihm nicht beistimmen kann. Seine Ansicht über die Apostelgeschichte hat mich sehr wenig befriedigt, und ich habe mich heute gewundert wie sein Leipziger Recensent der hie und da auf gutem Wege ist ihm nicht mehr angehabt hat. Meine Untersuchungen haben ein ganz anderes Resultat hervorgebracht, und ich wünsche daß ich bald Zeit gewinnen möge das wesentliche davon in einem kurzen Aufsaz bekannt zu machen. Den Paulus zu ediren ist ein alter Wunsch von mir, den | Ihre gütige Aufforderung aufs neue angeregt hat; allein es würden noch vieljährige Studien dazu gehören zu denen ich jezt die Möglichkeit nicht absehe, und zu denen ich nur nach Vollendung des Platon allmählig kom14 ersten] über 〈zweiten〉

15

20

25

30

35

40

45

50

16. 3. 1811

55

60

65

70

75

80

63

men kann. Dieser ruht nun aber auch länger als mir lieb ist. Ueberhaupt wenn Sie gütig genug in der Form mit meiner Thätigkeit zufrieden sind: so bin ich es weit weniger. Es ist eine Art von πολυπραγμοσυνη darin, die mich oft verdrießt und bei der nichts rechts tüchtiges zu Stande kommt – allein wer kann gegen die Umstände und gegen seine Natur? Mancher ist nur dazu bestimmt in recht vielerei zu pfuschen, und wenn es nur in einer eigenthümlichen Art geschieht kommt doch wol etwas dabei heraus. Recht sehr würde ich wünschen seiner Zeit auch Ihre Gedanken über meine theologische Encyclopädie zu erfahren. Ich fühle es nun schon daß das Bestreben recht kurz zu sein mich oft ohne Noth schwerfällig gemacht hat, und daß ohne die Vorlesungen selbst vieles dunkel oder höchst mißverständlich bleiben muß. Indeß wenn nur das Ganze einigen Werth hat will ich zufrieden sein – An ein Paar kleine Beiträge für das Magazin denke ich recht ernstlich und hoffe daß ich Zeit dazu gewinnen werde; ich schicke sie dann wol grade zu unserm Frommann. Für unsre theologische Facultät rechne ich in diesem Semester auf einen bedeutenden Zuwachs. Wie sehr es uns an einem gelehrten Theologen von altem bewährtem Ruhm fehlt, das sehe ich wol; aber unsere Bemühungen in dieser Hinsicht sind bis jezt alle vergeblich gewesen, und wenn nicht bald Succours kommt werden wir uns entschließen müssen recht bald selbst die gehörige Autorität zu bekommen. Am dringendsten schiene mir noch ein Lehrer für die Kirchengeschichte in der Herr Marheinicke für jezt ganz allein dastehen wird – indeß war es in Heidelberg auch so. Leider fängt es an gelehrten Theologen gewaltig an zu fehlen und es ist die höchste Zeit daß eine neue Generation sich bilde. In Halle fing es grade in den lezten zwei Jahren der alten Periode an sich dazu anzulassen; nun ist gewiß von dort noch weniger zu erwarten als anderwärts. Ich empfehle mich aufs herzlichste Ihrem ferneren Wolwollen Schleiermacher

*3603. An Friedrich Severin Metger. Berlin, Sonnabend, 16. 3. 1811 Rät ihm, sich wegen der Söhne der Witwe Küster an die kurmärkische Regierung zu wenden. Fragt nach Metgers Meinung zur „Kurzen Darstellung des theologischen Studiums“. Rät, sich für Predigten keiner fremden Dispositionen zu bedienen. *3603. Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk des Briefes 3570 vom 10. 1. 1811 und aus Brief 3651 nach der Ostermesse 1811. Wohl mit einem Exemplar seiner „Kurzen Darstellung des theologischen Studiums“.

64

Briefe 3604–3605

3604. Von Theodor Anton Heinrich Schmalz. Berlin, Montag, 18. 3. 1811 Και συ ει εκεινων, και συ τεκνον; Caesar moriens apud Suetonum Am 18ten März 1811.

5v

6

Bisher hat die fatale Geschichte mich nur geärgert, geärgert das offenbare Unrecht, geärgert, daß, nicht ich, sondern irgend ein Mitglied der Universität so behandelt werden durfte, geärgert, daß in dem man streng auf dem Reglemente zu halten vorgiebt, man gegen den klaren §. 23. (nicht den Senat sondern) mich einer Censur unterwirft. Itzt aber, da ich eben den von Ihnen entworfenen Bericht sehe, fängt sie zugleich an mich innig zu betrüben. Meiner innigsten und feurigsten Anhänglichkeit an Sie mußten Sie gewiß seyn. Gern hätte ich von ihr das Andenken mitgenommen daß auch Sie mir Freund wären. Welche Absicht kann jener Bericht haben, als das Departement noch einmal sagen zu lassen, der Senat sey nicht gemeint, sondern ich – also noch einmal eine reine Ehrenkränkung gegen mich wiederhohlen zu lassen! Zumal, indem | Sie dem Senat sagen lassen – daß a u c h der Senat durch jene Verfügung strafwürdig erschiene – lassen Sie ihn laut erklären daß ich es sey – Welchen Nutzen versprechen Sie sich davon? Und sagte der Senat damit die Wahrheit? Nach jenem Bericht, selbst nach mündlicher Unterredung darüber mit dem wahrscheinlichen Decernenten (Zwey Ursachen haben mich bewogen diß letztere nicht officiel zu sagen) aufgefordert den Termin des Anfangs in die Zeitung zu setzen – konnte ich – (oder ich bin verrückt, es nicht anders anzusehen?) – nur den 22 April ankündigen, den der Senat beschlossen hatte, der schon berichtet war – Und drey Tage hatte man Zeit zu hindern, was man schriftlich und mündlich erfahren. Mit welcher Schnelligkeit ich jeden Auftrag des Departements vollzog, davon hat mir einmal das Departement selbst das Zeugniß gegeben. Und dieß Departement, ehe es wußte, ob der Senat nicht die Einrükkung beschlossen hatte, stößt grade mit einer mir, nicht dem | Senat ehranrührigen Verfügung zu – und nimmt mich nachher noch in Strafe! Das war Münnichhausens Art nicht. Und halten Sie mich dennoch schuldig – warum da ich doch für einen Fehler der Form höchstens wahrlich gekränkt genug wäre – warum 3604.

Überlieferung: H: BBAW, SN 379, Bl. 5 f.

5

10

15

20

25

30

18. 3.–19. 3. 1811 35

40

45

50

55

65

wollen Sie neue Kränkung auf mich laden? Warum den Senat mit einer Erklärung meiner Strafwürdigkeit auftreten lassen, da seine Erklärung ja nicht gefordert ist? Ich glaube hoffen zu dürfen, daß nur sehr weniger Senatoren Absicht seyn kann, mir das zu thun. Warum kann es die Ihrige seyn? Habe ich Feindseliges gegen Sie gethan? Habe ich sonst etwas Unrechtes gegen andre gethan? Habe ich für die Universität etwas versäumt, oder Unrechtes gemacht? Warum haben Sie nie darüber mich zur Rede gestellt, oder mich erinnert? Wahrlich ich habe lange schmerzhaft empfun|den, daß Sie mit Kälte mich behandelten – aber daß Sie g e g e n mich handeln, dafür sind Sie mir zu lieb, als daß nicht das ganz mich niederschlagen müßte – Ich sage Ihnen das alles nicht, um Sie zu bewegen, zu ändern, was Sie glaubten thun zu müssen; ich sage es bloß um mein Herz zu erleichtern. Das Aendern kann mir nichts helfen. Denn mein Entschluß ist ohnehin gefaßt. Ich sage es nur um meinen Gram auszusprechen. Herrn Fichte habe ich aber hierauf aufmerksam gemacht, und vielleicht ändert er ohnehin – was mir indeß an sich gleich ist – Nur das schmerzt mich, daß das von Männern geschieht, die ich hoch ehre und herzlich – wahrlich herzlich – liebe. Schmalz

3605. Von Johanna Steffens. Wohl Halle, Dienstag, 19. 3. 1811 Dem Herrn Professor / Schleiermacher / B e r l i n [Bl. 43v]

5

Den 19ten März Ich kann es nicht lassen Ihnen lieber Schleier noch einmahl in Steffens Angelegenheit zu schreiben, Er weis es nicht und ich mögte auch nicht gern daß Er es erführe. – Der arme Steffens ist ganz ÐmelancolischÑ jetz wie ich Ihn nie gekant, die Art wie Er von Berlin aus behandelt wird kränkt Ihm sehr, und die Hoffnung daß die Sache endlich ein gutes Ende nehmen wird, schwindet immer mehr, noch gestern, wie Steffens in der 3605. Überlieferung: H: BBAW, SN 395, Bl. 42 f. Empfangsvermerk: „praes d 24t.“ Die Datierung auf 1811 ergibt sich daraus, dass im Frühjahr und Sommer 1810 die beiden jüngsten Kinder der Steffens verstarben (vgl. Steffens: Was ich erlebte 6, S. 125–127). 5 daß] das 7 daß] das

6v

66

42v

43

Briefe 3605–3606

Zeitung sah, daß zwey Professoren angestelt sind war Er ganz auser sich nun wieder hinter eine Lüge gekomen zu sein, es hies immer, es sollen noch einige Andere zugleich angestelt werden, darum verzögere es sich, nun haben die den Ruf, und Steffens ist weiter wie je vom Ziel, Sie glauben nicht was für ein elendes Leben Er hier führt, Er steht g a n z allein, hat 4–5 erbärmliche Zuhörer, ist von seinen Creditoren geplagt, und wenn nicht vor Ostern der Ruf kömt, so ist er in der taht schlimm dran. Ich kann Ihnen nicht alles so auseinander setzen | was Er hier entbehrt, aber als Er es gestern noch mir getahn, erschrak ich, wirklich bleibt Er noch länger hier, in dieser Lage so geth Er zugrunde; ich begreife nicht wie es möglich ist daß Sie und Reil beide so bedeutende Posten in Berlin bekleiden und dabey doch für Steffens Nichts geschehen kann, ich darf mir gegen Ihm garnicht merken lassen daß ich auch nicht die mindeste Hoffnung mehr von Berlin habe, tuhe ich es, so merke ich gleich daß Er Sie noch garnicht aufgegeben und Er sagte mir gestern daß Er nicht wüste was aus Ihm werden solle, wenn nun Alle Hoffnung verschwunden sey von der Seite, es ist eine nichtswürdige niederträchtige Welt! von der mann mit Freuden Abschied nehme, wenn mann Alles was mann liebt mit nehmen könte. Wie mich Steffens Lage quält, kann ich Ihnen nicht genug sagen es würde Sie recht traurich machen wenn Sie Ihn selbst darüber sprechen könten, für mich erwarte ich kein Glük mehr, seit mir der Himel durch den Tod der Kinder das Herz gebrochen macht mir Nichts mehr Freude, und wenn ich | mein Dasein von Steffens seinem trennen könte, wäre mir, für mich jeder Ort gleich, aber einen solchen Mann ordentlich zugrunde gehn zu sehn, ist sehr schmerzlich. Ich wolte es Ihnen nur noch einmahl ans Herz legen lieber Schleier, obgleich ich gewiß glaube daß es nicht nöhtig ist, Sie haben ja Steffens so lieb gehabt, und wenn Sie gleich es Ihm nicht mehr so oft sagen wie wohl ehmahls, kann ich nicht glauben daß sich Ihr Sinn hierin geändert. – Sie sind ein rechtes GlücksKind, und sind mir auch immer vorgekommen, als verdienten Sie es ganz besonders zu sein. Wir nehmen gewiß vielen Theil an Ihrem Wohl. Leben Sie wohl lieber Schleier, und nehmen Sie meinen Brief gut auf, ich konte es nicht lassen Ihnen zu schreiben. H.

9 daß] das 37 daß] das

19 daß] das

21 daß] das

22 daß] das

23 daß] das

35 daß] das

10

15

20

25

30

35

40

19. 3.–22. 3. 1811

67

3606. Von Christoph David Anton Martini. München, Freitag, 22. 3. 1811 München d. 22 Merz 1811

5

10

15

20

25

30

35

Hochwürdiger und hochgelehrter, Hochzuverehrender Herr Professor Ew. Hochwürden verehrliches Schreiben vom 9 dieses Monats wurde mir den 17 dieses Monats eingehändigt. Als ich in der Unterschrift Ihren werthen Namen erblickte, fühlte ich mich sogleich in eine heitere Stimmung versezt, da es mir in jedem Fall höchst angenehm seyn muste, von einem von mir so verehrten Mann mit einer Zuschrift erfreut zu werden, und diese Stimmung muste durch die wohlwollenden Gesinnungen gegen mich, welche mir Ihr Brief ausdrückt, nothwendig noch vermehrt und befestiget werden. Es ist nicht ungegründet, daß ich – ob ich gleich, die Wahrheit zu sagen, hier keine eigentliche Ursache zur Unzufriedenheit habe, – doch in die akademische Laufbahn, die ich durch lange Gewohnheit lieb gewonnen, wieder einzutreten gewünscht habe. Doch habe ich mich, da jezt erst in der Ausmittelung eines hinreichenden Fonds zur Organisation von Erlangen gearbeitet wird, bisjezt um keine dortige Profeßur beworben. Aus Ihrem geehrten Schreiben ersehe ich nun, daß ich so glücklich seyn könnte, auf der unter den besten Auspicien und mit großer allgemeiner Theilname des ganzen literarischen Publikums aufblühenden Universität zu Berlin jenen Wunsch realisirt zu sehen, und besonders der Kirchengeschichte, welche ich nebst der morgenländischen Literatur unter allen theologischen Disciplinen mit einer gewißen Vorliebe umfaßt habe, wieder den größern Theil meiner Zeit und Kräfte widmen zu können. Aufrichtig gestehe ich Ihnen, daß dieser Antrag sehr viel anziehendes für mich hat; auch hat Berlin selbst, wo ich mich im Jahr 1800 ohngefähr 8 Tage aufhielt, einen sehr wohlthuenden Eindruk bei | mir zurükgelaßen. Indeßen stellen sich mir doch einige Schwierigkeiten in den Weg, welche ich Ihnen mit aller Offenheit darzulegen mir die Freiheit nehme. Zuvörderst würde ich in Rücksicht auf meine hiesige Einnahme und in Erwägung, daß der Aufenthalt in Berlin auf jeden Fall etwas theurer seyn dürfte (denn hier sind wirklich, das Logis etwa ausgenommen alle Lebensbedürfniße wohlfeil), ohne eine etwas bedeutende Erhöhung des vorläufig festgesezten Gehalts von 2000 rth. Preußisch Courant nicht wohl nach Berlin würde gehen können. Ich bin ferner im Besiz einer zwar nicht übergroßen, aber doch für eine Privatbibliothek nicht unansehnlichen 3606.

Überlieferung: H: BBAW, SN 327, Bl. 1–3.

Empfangsvermerk: „pr d 30 t“.

1v

68

2

Briefe 3606–3607

und dabei sehr ausgesuchten Büchersamlung von 5 bis 6000 Bänden (unter denen viele Folianten sind). Die Transportkosten würden sich daher, meine Reise miteingerechnet, leicht auf tausend Rth. belaufen. Endlich ist meiner Frau theils durch die von mir bei meiner ersten Berufung in die Königlich Baierschen Staaten getroffenen Vorkehrungen, theils durch die späterhin erschienene Dienstpragmatik eine WittwenPension von 5 bis 600 rheinischen Gulden zugesichert, und Sie verdenken es mir gewiß nicht, wenn ich bei einer Veränderung meiner äußern Lage besonders auch darauf Rücksicht nehmen zu müßen glaube, daß meine Frau nach meinem Ableben nicht dadurch verliert. Ob diese Schwierigkeiten sich wegräumen laßen, darüber erwarte ich in Ihrem nächsten Schreiben gefällige Auskunft, um sodann eine bestimmte Erklärung abgeben zu können. Alles übrige, die Stelle, welche ich in der Theologischen Fakultät einnehmen soll u.s.w. würde ich ganz der höchsten Bestimmung überlaßen. Wollte man mir denselben Titel, den ich hier habe, oder einen ähnlichen beilegen, so würde ich daran zufrieden seyn. Doch möchte ich selbst dieses, wenn etwas höhere Rücksichten dagegen seyn sollten, nicht | zu einer nothwendigen Bedingung machen. Seyn Sie überhaupt versichert, mein Verehrtester! daß ich allem, was auch nur von Ferne den Schein von Anmaßung haben könnte, von Herzen Feind bin, und daß ich mich durch die collegialische Verbindung mit so vielen berühmten und angesehenen Gelehrten, welche großentheils zu den ersten ihres Fachs gehören, allein schon sehr geehrt finden werde. Dem Herrn Geheimen Staatsrath von Schukmann, deßen tiefe Einsichten und vortrefliche Denkungsart mir auch von meinem Freunde, dem Herrn Oberkirchenrath Hänlein, oft gerühmt werden, bitte ich Sie meine vollkommenste Verehrung zu bezeugen. Nehmen Sie noch von mir die Versicherung der vorzüglichsten Hochachtung an, mit welcher ich die Ehre habe mich zu unterzeichnen Ew. Hochwürden gehorsamster Diener Martini N. S. Ich wollte mir die Freiheit nehmen, Ihnen eine von mir in der Akademie vorgelesene Abhandlung über den Geschichtschreiber Liutprand mit diesem Briefe zu übersenden. Da aber alsdann derselbe mit der fahrenden Post abgehen müste und um mehrere Tage später ankommen würde; so behalte ich mir vor, jene Abhandlung, um deren gütige und nachsichtige Aufname ich im voraus bitte, nachzuschicken. |

40

45

50

55

60

65

70

22. 3.–vor dem 24. 3. 1811

75

80

85

69

Dürfte ich noch gehorsamst bitten, daß Sie in Ihrem folgenden Briefe mich gefälligst belehren wollten: Wie hoch die Abgaben sich belaufen, welche jeder Staatsdiener nach Verhältniß seiner Besoldung zu entrichten hat. – Ob die Gehalte ganz in klingender Münze oder einen Theil noch in Tresorscheinen bezalt werden, und im leztern Fall, in welchem Verhältniß die Tresorscheine zum baaren Gelde stehen – Ob die Gehalte vierteljährlich voraus- oder nachbezalt werden – Wie viel man für ein Logis von 5 bis 6 Zimmern, unter denen wenigstens 3 geräumige seyn müsten, nebst einigen Kammern an Miethzins bezalen muß – In welchem Preise im Durchschnitt das Holz steht und – ob die Profeßoren Söhne auch der Konscription unterworfen sind u.s.w. M.

3

3607. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, vor dem 24. 3. 1811

5

10

15

Daß ich Ihnen, lieber Freund, so spät anworte, kommt theils von der Menge meiner Geschäffte, theils davon her, daß die Frage, welche Sie wegen Martinis an mich gerichtet haben, streng unter uns bleiben soll. Ich wollte Mehrere über ihn sprechen und mußte doch auch immer eine Gelegenheit abwarten, wo ich es thun konnte, ohne die Leute auf eine Spur zu bringen, die sie nicht wittern sollten. Das Resultat meiner Erkundigungen ist durchaus vortheilhaft. Er ist ein rechtlicher, ein gelehrter Mann, und hat mit Beyfall gelesen. Zu sehr ein so genannter Bücherwurm scheint er mir gewesen zu seyn, und wenn Ihr ihn ruft, so sorgt nur für ein starkes Reisegeld, damits ihm nicht gehe, wie bey seinem Abgange von hier, wo er, wie man sagt, mehrere 100 r zu seinem Reisegelde hat hinzuthun müssen, um seine | starke Bibliothek, von der jedes Buch ihm an die Seele gewachsen seyn soll, an Ort und Stelle zu schaffen. Meine nächste Reise, das habe ich mir so halb und halb schon vorgenommen, soll eine Reise nach Berlin seyn, nur zu bevorstehenden Ostern kann ich sie nicht machen, da mein Rectorat erst mit dem Junius sein Ende nimmt. Ob ich aber zu Michaelis komme, daß wird von meinem Geschäfften abhängen. Man hat mich zum Consistorialrath gemacht und wenn gleich durch die neuerliche Besitznahme von Hamburg, Lübeck und 3607. Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 48 f. Empfangsvermerk: „pr. d. 24t. M.“ (Gemeint ist März, nicht Mai, da Ostern am 14.4. noch bevorsteht.)

48v

70

49

49v

Briefe 3607–3608

Bremen nebst dem Zubehör ich am Facultätsarbeiten eine Erleichterung erhalten habe, so sind doch auf der andern Seite meine Geschäffte durch jenes neue Amt vermehrt worden. Glauben Sie aber nicht, es sey der Consistorialrath, welcher mich zum Bleiben bestimmt hat; der war schon angeboten worden, als ich | um meine Dimission bat. Wilhelm Niemeyers Betragen ist schwerlich zu billigen und ich glaube doch fast, es habe mit darin seinen Grund, daß Sie nur äußerlich mit dem Vater in gutem Verhältniß gestanden haben. Nach meinen neusten Briefen aus Halle hat es dort mancherley Skandal gegeben. Das neue Schauspielhaus nämlich ist durch Herrn Schütz und Frau eingeweiht worden, indem sie Emilia Galotti und einige Tage darauf Don Ranudo de Colibrados mit Hülfe einiger Studenten aus der Partey der Sulphuristen – wie die andre heißt, hat man mir nicht geschrieben – des Buchhändlers Hendel und andrer Kunstfreunde aufgeführt haben. Nach Aufführung des ersten Stücks läßt Rüdiger, der wieder seine tolle (soll wohl heissen: seine m e h r tolle) Periode haben soll, ein Blatt mit Knittelversen über diese Einweihung ins Publikum fliegen. Nun wird das zweyte Stück mit possenhaften Intermezzo’s verziert, in welchen vorzüglich Herr Schütz | das Publikum und durch Rache sich selbst zu amusiren sucht. Darin kommt unter andern, anspielend auf jene Knittelverse und ihren Verfasser, der große Christoph und anderes Gemeines vor. Daß veranlaßt eine Reihe von Flugblättern – für Schützen wohl Fluchblätter – deren mir 8 Stück zugesendet worden sind, sämmtlich von der antischützischen Partey. Ihren Gehalt können Sie ohngefähr ahnden. Ich habe Sie höchst flüchtig gelesen. Das Lustigste, was mir daraus beyfällt, ist Folgendes: Die Sulphuristen bringen der Madame Schütz eine Musik, und Herr Schütz dankt aus dem Fenster heraus denjenigen Herren w e l c h e m i t s e i n e r F r a u g e s p i e l t haben. Ihre Bemerkung über Schmalz habe ich längst in Halle gemacht und finde sie sehr wahr. – Grüßen Sie ihn und seine Familie und sagen Sie ihm, ich sähe einer Antwort von ihm entgegen. – An alle Ihrigen und an Luise Willich, deren ich mich sehr wohl erinnere, schicke ich auch freundliche Grüße. Daß des Pastors W. Frau todt ist, thut mir sehr leid. Ihr ganzes Wesen war Freundlichkeit. – Schreiben Sie mir bald wieder. Adieu. Konopak.

20

Das Schreiben Ihrer Universität an uns habe ich schon in Umlauf gebracht. Vielleicht verstreichen doch noch mehrere Wochen, ehe Sie Ant-

55

43 Sie] sie überlaufend

55–60 Das … halten.] vom oberen Rand auf den rechten Rand von Bl. 48

25

30

35

40

45

50

Vor dem 24. 3.–27. 3. 1811

60

71

wort von uns erhalten, in dem die Pluralität es nöthig finden könnte, wegen der verlangten Cartelserrichtung erst bey der Regierung anzufragen. So viel zur Nachricht, damit Sie uns bey später Antwort nicht für unartig halten.

3608. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Mittwoch, 27. 3. 1811

5

10

15

20

25

Stettin den 27ten März 11. Es freut mich herzlich, liebster Schleiermacher, daß du nun durch die Geburt deines Kindes zu einem vollständigen Menschen geworden bist, und daß Ihr Euch sämtlich, wie ich von Meyer höre, ziemlich wohl befindet. Schwerlich giebt es auf Erden ein größeres Glück, als die Beobachtung menschlicher Entwickelung an eignen Kindern, und du hast ja nun Hoffnung es öfter zu genießen: Gott erhalte dich nur mit den lieben Deinen gesund ! – – Als ich Deinen letzten Brief erhielt, war Ricquet schon gewählt: ich hatte das Wenige, was ich dabei vermocht, schon vorher durch Empfehlung gethan, weil ich mich deiner und Gassens freundschaftlichen Verhältnisse mit ihm noch erinnerte. Seinetwegen vorzüglich schicke ich dir diesen Brief, da ich mich sonst noch wohl, nach alter böser Sitte, mit bloßem Denken und Wünschen an und für Euch begnügt hätte. Der französische Sprachlehrer an unserm Gymnasio geht ab: die Stelle wird, als niedere Lehrer-Stelle, von der Regierung besetzt und trägt etwa 300 rCourant ich glaube etwas darüber: der hiesige französische Prediger hat sich zu der Stelle gemeldet, wird sie aber aus guten Gründen, mit deren Anführung ich den Brief nicht verlängern mag, nicht erhalten: Bielke, der heute von hier abgereiset ist, wünscht, daß sich Ricquet meldete und mir scheint es, er könne es am füglichsten vor seiner Ankunft thun, wenn er in seinem Schreiben an die pommersche Regierung bloß anführte: „er habe gehört, daß die | Stelle eines französischen Sprachlehrers am stettinschen Gymnasio erledigt wurde und in diesem Fall bitte er pp“[.] Kann er englisch; so ist’s desto besser: eigentlich soll es gelehrt werden; wir haben aber schon den jetzigen Sprachmeister ohne diese Kenntniß annehmen

3608. Überlieferung: H: BBAW, SN 246, Bl. 13 f. Empfangsvermerk: „pr d 31ten“. – Mit einem Schreiben betreffend die Stelle des Französischlehrers am Stettiner Gymnasium.

13v

72

14

Briefe 3608–3610

müssen, weil wir Keinen finden konnten, der es verstand, und Hasselbach dafür jetzt ein Paar englische Stunden statt lateinischer giebt. Hoffentlich ist Ricquet jetzt aber doch bald in Berlin, besprich es also! Meyer wird dir erzählen, daß ich seit ein Paar Wochen wegen eines durch Fallen beschädigten Fußes Haus-Arrest habe: ich hoffe, es soll nicht lange mehr währen; doch wird es meine Oster-Reise nach Berlin wohl bis Pfingsten verschieben, wenn Ihr nicht etwa dann hieher kommt, um uns nach Rügen abzuhohlen, worüber, so wie über alles Andre, was du für mich auf deinem Herzen und Gewissen hast, ich gern durch Ricquet ein Paar Worte von dir erhalten möchte. – Ich habe diesen Winter mehr als sonst gearbeitet, und mich darnach noch ganz leidlich befunden. Der Unterricht der Elementar-Lehrer für die Industrie-Schulen hat mich vorzüglich beschäftigt: er wird mich wahrscheinlich veranlassen, eine Sprachbildungslehre für Deutsche herauszugeben, die ich für diesen Unterricht allmählig auszuarbeiten genöthigt bin, da ich sonst schon mit meinen litterarischen Absonderungen fertig zu seyn glaubte. Die Angelegenheit liegt mir sehr am Herzen und ich sehne mich recht darnach, sie mit dir zu besprechen. | Meine gute Frau hat den Winter hindurch viel gekränkelt, ohne doch eigentlich krank zu liegen: die Kinder sind im Durchschnitt wohl gewesen. Während ich den Brief schreibe, erfahre ich, daß die Ricquetsche Angelegenheit Eil hat, weil sich mehrere Bewerber finden: treibe ihn also an, sich baldigt zu melden. – Grüße deine lieben Hausgenossen aufs freundschaftlichste von uns beiden, auch was sich außer deinem Hause freundschaftlich unser erinnert. Dein treuer Bartoldy.

*3609. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, vor dem 31. 3. 1811 Glückwünsche zum Geburtstag. Über seinen Gesundheitszustand.

*3609.

Erschlossen aus Brief 3614 vom 4. 4. 1811.

30

35

40

45

50

27. 3.–31. 3. 1811

73

3610. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonntag, 31. 3. 1811

5

10

15

20

25

30

Ew. Hochwürden haben mir während Ihres hiesigen Aufenthalts ein so unbegrenztes Vertrauen eingeflösst, dass ich ohne Rücksicht um Ihre Amtsverhältnisse Sie mit völliger Offenheit um eine Nachricht zu ersuchen wage, die in einer der wichtigsten Angelegenheiten meines Lebens mir zu grosser Beruhigung gereichen kann. Die Veranlassung ist folgende. Ich habe sehr Ursache zu bereuen, dass ich meinen Sohn nicht schon zu Michaelis vorigen Jahres nach Berlin, sondern erst ein halbes Jahr nach Leipzig geschickt habe. Als er dort ankam, hatte sich unter den dasigen Studenten ein Klub gebildet, der grösstentheils aus Adlichen bestand, und auf gewisse Distinctionen Anspruch machte. Dass gab Anlass zu Streitigkeiten mit anderen Studenten. Mein Sohn konnte dabey nicht lange neutral bleiben, da ihm ein leerer Dünkel verhasst ist und er an jeden braven Burschen sich leicht mit Wärme anschliesst. Die Feindschaft des adlichen Klubs gegen meinen Sohn wurde vielleicht noch dadurch vergrössert, dass er durch einige Talente und durch die Bekanntschaften seiner Eltern in Leipzig in einigen Gesellschaften Vorzüge genoss, die man beneidete. Er ist dabey ein guter Fechter, und auf dem Fechtboden hatte man wahrnehmen können, dass er vor einer Klinge sich nicht zu fürchten brauche. Ein bequemes Mittel schien daher, ihn durch Denunciationen mürbe zu machen. Eine Gelegenheit hierzu zeigte sich, als mein Sohn an diesen Klub von andern Studenten abgeschickt wurde, um eine gütliche Ausgleichung der Streitigkeiten zu versuchen. Diess wurde als eine Herausforderung denuncirt und es fand sich ein Zeuge, der wider meinen Sohn aussagte. Der Kirchenrath sistirte die Untersuchung und dictirte meinem Sohn 8 Tage Carcer. Als er eben dieser Entscheidung sich unterwerfen wollte, wurde er von neuem wegen Verdachts eines Duells denuncirt. Er sollte zum Anfang der Vorlesungen in Berlin seyn und musste in Leipzig eine langwierige Untersuchung befürchten. Er entschloss sich also heimlich fortzureisen, wird nun durch öffentlichen Anschlag citirt und wenn er auf das dritte Mal nicht erscheint, der Regel nach religirt. Gleichwohl halte ich diess für ein kleineres Uebel als was ich bey seinen Verhältnissen in Leipzig im Fall seines dortigen Erscheinens zu befürchten habe. Nur 3610. Überlieferung: D: Jonas: Theodor Körners Plan, S. 382 f. Das Original dieses Briefes von Körner an Schleiermacher ist verschollen, vgl. Hermann Patsch: Der Schatz der Briefe Schleiermachers, S. 271.

74

Briefe 3610–3613

beunruhigt mich die Nachricht, dass, wie ich höre, die Berliner Universität mit Wittenberg und Leipzig wegen der Relegation eine Convention eingehen will. Ich begreife sehr wohl, dass die Berliner Universität nicht geneigt seyn kann, religirte Studenten ohne Unterschied aufzunehmen. Aber es wäre doch Schade, wenn sie sich das Recht nicht vorbehalten sollte, nach der Ursache der Relegation zu fragen, und dann nach Befinden der Umstände zu dispensiren. So ereignete sich jetzt in Leipzig der Fall, dass drey ausgezeichnete Studenten mit dem Bedauren selbst mehrerer Professoren fortgeschickt wurden, weil sie als Mitglieder einer Landsmannschaft denuncirt worden waren. Diese sind als Sachsen schon hinlänglich bestraft, da sie in ihrem Vaterlande keine Beförderung hoffen können; noch härter aber wäre es, wenn sie auch im Auslande ihre Studien nicht fortsetzen dürften. Meine inständige Bitte ist nun, mich darüber zu beruhigen, ob mit Leipzig eine solche Convention wirklich intendirt wird und was mein Sohn unter obigen Umständen in diesem Falle zu erwarten hat. Wegen dessen, was ich Ihnen über meinen Sohn anvertraue, Sie um Verschwiegenheit zu ersuchen, ist bey Ihnen nicht nöthig. Verzeihen Sie einem Vater, dass er Sie mit dieser Angelegenheit beschwert. Mit innigster Hochschätzung der Ihrige D. C. G. Körner. Dresden am 31 März 1811

3611. Von Carl Friedrich Grahl. Berlin, Montag, 1. 4. 1811 […] Vierteljähriges […]de März […]et worden; […] [Ber]lin, den 1t April 1811. Grahl […] und Küster

3611. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 58v. Rückseite eines Zettels über Origenes (zur Vorlesung über die christliche Philosophie, SS 1812).

35

40

45

50

55

31. 3.–4. 4. 1811

75

3612. Von Johann Gottlieb Friedrich Zenker. Berlin, Montag, 1. 4. 1811 […] Ew. Hochwürden ganz ergebenster Diener Zenker 1/IV.

3613. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Donnerstag, 4. 4. 1811

5

10

15

Breslau, den 4 Apr. 1811. Was wir machen und wie es sonst hier zusteht, erfahren Sie von unsrem Freunde Schulz. Zugleich überbringt er Ihnen 2 Pfund Thee, von welchem Sie das eine nebst der Einlage an Reimers zu überschikken die Güte haben werden; das andre sol Ihnen von uns verehrt sein. Denken Sie auch unsrer mahl beim traulichen TheeTisch, wo man, denke ich die fernen Freunde ja wohl eben so gut in Gedanken herzuladen kann, als beim Glase Wein. Noch habe ich Ihnen 2 Exemplare einer kleinen Arbeit von mir beigelegt, von welchen ich Sie bitte das eine gelegentlich an Nicolovius gelangen zu laßen. Die Kleinigkeit ist zufällig entstanden; es wird mir aber doch lieb sein, wenn Sie gelegentlich hierein sehen. Schreiben Sie mir doch mahl wieder. Unsre Freunde vergeßen uns; denken Sie Sich, von Bartoldy habe ich noch keine Zeile gesehen seit ich hier bin. Leben Sie wohl, wir grüßen Sie Alle herzlich! Gaß. Der Brief an Reimers liegt nicht bei, da Schulz ihn so angenommen hat.

3612. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 25v. Stunde der Dialektik 181 (KGA II/10. S. 56 f.).

Rückseite eines Zettels zur 36.

3613. Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 68. zwei Pfund Tee.

Mit zwei Arbeiten von Gaß und

76

Briefe 3614–3617

3614. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 4. 4. 1811

7v

8

8v

9

9v

Gdfr d 4t Ap 1811 Ein eignes WehmutsGefühl vermischt sich diesesmahl mit dem innigen Dank, den ich für deine liebevolle Unterstüzung Dir bringe – ohne welche ich bey allen Schulbeschäftigungen, dennoch in der kläglichsten Laage mich befände – ja wohl, jämmerlich würde es für mich ausfallen wenn mein gütiger Wohlthäter mir voran gienge – Dorthin – wo keine Bedürfniße dieser Art uns peinigen – und deren nicht Befriedigung den siechen Körper vollends vernichten – – aber mein Guter – ich würde Dich nicht lange überleben – wiewohl | ich schon manches schwehre überstanden habe – ich will davon abbrechen – Du weist – wie ich Dich liebe und jezt innigst schätze Gott weiß – mit welcher trüben Ahndung ich in dis neue Jahr übergegangen bin – die Nachrichten von Deinem guten treflichen Weibe die für deine Gesundheit sehr besorgt – machten mich freilich noch wehmütiger – wenn schon deine eignen Worte die ich erst am 31 Vormittags erhalten mich etwas erhellten so konte ich es ihnen gleichsam abfühlen – daß Du in einem | sehr abgeschwächten Zustande Dich befandest – Du Guter es ist wohl alles vereinigt Magenkrampf und colique! hältst du dich auch warm genug? und bewahrst du dich vor zu vielem Fett? – ich versichre dich – es schadet – thut dir PfefferMinze nicht gut? auch camillen – verordnet dir der Arzt nicht Krampflavements wozu auch baldrian genomen wird? ich habe das innigste Mitleiden mit dir – denn ich weiß alles das leider aus | langer Erfahrung – dazu kommen noch meine schwachen Nerven – jezt habe ich sehr viel zu thun habe oft bis, 6, außer der EßensZeit nicht eine Stunde frey – – das komt – von den verschiednen Heirathen der Schwestern die mit der Anstalt zu thun haben – Eine geht sogar mit ihrer Mutter nach Sarepta – Schuhman ist nach Sachsen gereist – übrigens gebe ich den kleinen Söhnen des Kaufmann Thräne auch Unterricht – | laße mir dis nur in schlechtem Geld bezahlen – die Frau, mit der ich weiland in der Anstalt zusamengewohnt, schikt mir dafür öfters Suppe oder sonst was ordentliches – was mir gesünder als das unsrige. Denn Erquikungen in Speise und Trank sind mir von Nöthen – die wechselnde ungesunde Witterung hat einen ungünstigen Einfluß auf mich – wahrscheinlich auch auf Dich – Gott stärke Dich da Er dich auf alle Art in einen so großen Wirkungskreiß gesezt hat – und auch | heilige Pflichten im Familienkreiß auf Dir ruhn – thue alles was Dir gutes gera3614.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/12, Bl. 7–9

4 allen] allem

5

10

15

20

25

30

35

4. 4.–8. 4. 1811

40

77

then wird – Dich in immer frischer Jugend und Thätigkeit zu erhalten – eingedenk der Monologen – Nany wird Dir am 31ten von mir alles ausgerichtet haben – vergiß nicht – mir Predigten zu verschaffen die Du in Berlin jetzger Zeit gehalten ach daß ich recht bald durch die treue Herz oder Nany etwas beruhigendes wegen Deiner Gesundheit erführe – mit innigem Wünschen für Dein Wohl umarmt Dich im Geist Lotte einen zertlichen Kuß Deinem treflichen Weibe – Grüße an Alle Lieben und Küße Deinen Kindern

*3615. Von Christoph David Anton Martini. München, um den 5. 4. 1811

*3616. An Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Berlin, Sonnabend, 6. 4. 1811

3617. An Marianne von Homburg, Prinzessin von Preußen. Berlin, Montag, 8. 4. 1811

5

Durchlauchtigste Prinzessin Gnädigste Fürstin und Frau Euer Königliche Hoheit geruhen bisweilen dem Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche beizuwohnen, und werden bemerkt haben wie sehr er dadurch leidet daß anstatt der im Kriege zerstörten schönen Orgel nur ein schlechtes Positiv den Gesang begleitet. Da uns eine allgemeine Collecte zur Wiederherstellung der Orgel nicht ist | gestattet worden: so suchen jezt die Mitglieder der Gemeine und die Besucher unserer Versamlungen die nöthige Summe welche etwas über 500 Rtlr beträgt unter sich zusammenzubringen. 43 f einen … Kindern] vom linken Rand von Bl. 7 auf den linken Rand von Bl. 8 überlaufend *3615.

Erschlossen aus Brief 3633 vom 19. 5. 1811.

*3616.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk zu Brief 3563.

3617. Überlieferung: H: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, D 22, Nr. 22/11; D: Reich: Friedrich Schleiermacher als Pfarrer, S. 467 f.

78

Briefe 3617–3620

Eure Königliche Hoheit geruhen die Freiheit zu entschuldigen welche ich nehme Hochdieselben hievon unterthänigst zu benachrichtigen, indem ich es nicht duch meine Schuld wollte geschehen lassen, daß dieses christliche Werk Eurer Königlichen Hoheit thätiger Theilnahme entbehrte. In tiefster Ehrfurcht Eurer Königlichen Hoheit allerunterthänigster Der Professor Schleiermacher Berlin d 8t. April 1811.

10

15

3618. An Christian Gottfried Körner. Berlin, vor dem 14. 4. 1811 Beruhigt ihn über die Frage, ob zwischen den Universitäten Berlin und Leipzig eine Konvention geplant ist, die möglicherweise eine zukünftige Einschreibung von Körners Sohn an der Universität in Berlin verhindern könnte. Dem Sohn drohte aufgrund unglücklicher Umstände eine „Relegation“ von der Universität Leipzig.

5

Bitten Sie Ihren Sohn uns als solche anzusehen, welche Ihnen auch auf das herzlichste ergeben sind und sich ganz nach dem Maasse, als es ihm bei uns gefallen kann, an uns anzuschliessen.

3619. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonntag, 14. 4. 1811 Durch Ihren Brief, theurer, vortrefflicher Freund bin ich ganz über die Angelegenheit meines Sohnes beruhigt worden, und Sie haben mein Vertrauen mit solcher Herzlichkeit erwiedert, dass ich meine Erwartungen von Ihnen vollkommen bestätigt finde. Für Ihre Güte und Sorgfalt wird mein Sohn gewiss nicht unempfänglich seyn. Dass er vielleicht zu sicher 3618. Überlieferung: D: Jonas: Theodor Körners Plan, S. 384 f. erschließen sich aus Brief 3619, das Zitat nach D.

Brief und Regest

3619. Überlieferung: D: Jonas: Theodor Körners Plan, S. 384 f. Das Original dieses Briefes von Körner an Schleiermacher ist verschollen, vgl. Hermann Patsch: Der Schatz der Briefe Schleiermachers, S. 271.

5

8. 4.–17. 4. 1811

10

15

20

25

79

darüber ist in Berlin keine Händel zu bekommen, rührt theils von seinem leichten Sinn her, der freylich oft in Leichtsinn ausartet, theils eben auch aus einem festen Vorsatze, Streitigkeiten dort zu vermeiden, den er jetzt wie er schreibt und wie ich zu glauben Anlass habe, wirklich gefasst hat. Ihre Warnungen wird er gewiss immer dankbar aufnehmen. Die Relegation meines Sohnes wird nicht zu vermeiden seyn. Nach seiner Abreise sind in Leipzig andere Excesse vorgefallen, und man sieht sich überhaupt zur Strenge genöthigt. Indessen sollte ich nicht glauben, dass man in Leipzig eine rückwirkende Kraft der Convention verlangen würde. Man wird sich wahrscheinlich dabey beruhigen, wenn man auf die Notification von Berlin aus antwortet, mein Sohn sey schon immatriculirt. Das Bestreben ist, dass mein Sohn auch im schlimmsten Falle in Berlin bleiben und seine Studien dort fortsetzen kann. Zu dem neuen Töchterchen wünsche ich von Herzen Glück, bedaure aber sehr, dass Ihre Gesundheit nicht besser ist. Sollte Ihnen eine Brunnenkur nicht vielleicht nützlich seyn? Entschliessen Sie Sich dazu, so lassen Sie mich ja die Zeit wissen. Ich kann vor oder nach dem Julius, den ich für Carlsbad bestimme, nach Berlin kommen. Es wäre doch äusserst traurig, wenn ich Sie verfehlte. Die politischen Stürme, an die ich noch nicht recht glaube, sollen uns, hoffe ich, nicht anfechten. Leben Sie recht wohl, werden Sie hübsch gesund und behalten Sie uns lieb. Von ganzem Herzen Der Ihrige C. G. Körner. Dresden 14 April 1811.

3620. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 17. 4. 1811

5

Breslau, den 17 April, 1811. Obgleich ich mir ernstlich vorgenommen habe Sie nicht mit Empfehlungen zu belestigen, um welche ich oft von jungen Leuten, die nach Berlin gehen, gebeten werde; so müßen Sie mir schon erlauben, eine Ausnahme von dieser Regel zu machen. Ueberbringer dieser Zeilen, Herr Güntzburg, Jüdischer Nation, verdient in aller Absicht Rath und Beistand zu seinen Studien, und unmöglich konnte ich ihm seine Bitte, Sie mit ihm bekannt zu machen, abschlagen. Er hat den recht ernstlichen Vorsatz, seinen Glau3620.

Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 69 f.

80

69v

70

Brief 3620

bensgenoßen als Lehrer nüzlich zu werden, entweder dadurch, daß er künftig religiöse Vorträge in deutscher Sprache in den Synagogen halten, oder wenn dies nicht gehen sollte, als Lehrer der Jugend für die Verbeßerung seines Volkes wirken will. Es ist daher sein Vorsatz, ganz eigentlich Theologie zu studieren, darneben sich aber auch in alle dem zu bilden, was ihn zu einem Schulamt tüchtig machen kann. Schade ists, daß er den Entschluß zu studiren etwas spät gefaßt hat; daher mangelt ihm die hinlängliche Kentniß des Griechischen und Lateinischen und er wird darin noch sehr nachzuholen haben. Indeß wird es gehen, wenn er in dem Fleiß beharrt, den er hier bewiesen hat. Des Hebräischen ist er am meisten gewachsen und vielleicht können Sie ihn dem Professor de Wette empfehlen, der wohl nicht viel Hebräer seiner Art im Collegio sehen mag. Noch muß ich bemerken, daß er nur ein kleines Capital zur Fortsetzung seiner Studien besizt und also auch von dieser Seite des Beistandes bedürftig und würdig ist. | Von unsern Gymnasien sind sonst nicht viele nach Berlin gegangen, mehrere nach Göttingen und Leipzig; nach Halle und Frankfurth keiner. An Ansehung des leztern, so sind die Leute dort wunderlich, daß sie die Verlegung der Universität noch hintertreiben wollen, da es ja sichtbar ist, daß sie von selbst absterben muß. Wir denken daher auch, das Departement wird sich in seinen weitern Proceduren nicht irre machen laßen. Unser Bericht in dieser Sache wird nun angekommen sein und man hat mir hier sub rosa gesagt, man habe des Universitätsgottesdienstes und meiner dabei gedacht. Ich mag mich nicht näher darnach erkundigen, ich glaube es aber, denn der Bericht ist mir gar nicht gewiesen, auch nicht zur Unterschrift vorgelegt. Hätte man mich indeß gefragt, so würde ich es noch verbeten haben, denn obgleich es vom Collegio gut gemeint ist, so scheint es mir etwas voreilig zu sein, da eigentliche Vorschläge von uns noch nicht gefodert sind. Ich schreibe Ihnen dies, um vielleicht ein voreiliges Urtheil bei andern dadurch rektificiren zu können. Der Verein zur Gründung des Louisenthums hat ja kürzlich den sonderbaren Einfall gehabt, mich zur Direktion dieser Anstalt nach Berlin rufen zu wollen. Ich bin froh, daß es unterblieben ist, denn ich hätte es gleich ablehnen müßen, da es ja ganz unrecht wäre, den Wirkungskreis, der mir so eben erst angewiesen ist, gleich wieder zu verlaßen. Ohnehin bin | ich mit der ganzen Idee gar nicht einverstanden, weshalb es mir hier schon nicht eingehen will zu ihrer Realisirung mitzuwirken. Wir haben ohnehin ganz andre Dinge zu thun. Bei den lezten Unruhen in Oberschlesien ists durch unsern Commißarius an den Tag gekommen, daß eine große Menge Schulen nur auf dem Papire und in den Berichten stehen

10

15

20

25

30

35

40

45

17. 4. 1811

50

55

60

65

70

75

80

81

und die vorhandenen äußerst elend sind. Hier muß schleunig und mit aller Kraft gewirkt werden. Die Schuld daran liegt an der ehemahligen Katholischen Schulen-Commißion und dem Briegischen Ober-Consistorium. Ich erschrekke vor der Arbeit, aber sie muß allen andern vorangehen und wahrscheinlich gehöre ich zu denen, die hinreisen müßen. Ich werde Herrn Nicolovius mahl besonders darüber schreiben. Empfehlen Sie mich ihm und sagen Sie ihm doch, er möge durch die Verspätung mancher gefoderten Berichte nicht auf den Argwohn kommen als wären wir träge, oder nachläßig. Man hat keine Vorstellung von der Unordnung, oder Mangelhaftigkeit unsrer Akten und von dem Schlendrian der ehemahligen Consistorien. Es kann hier alles sehr gut werden, aber wir bedürfen mehr Zeit dazu als an andern Orten. Wann, mein lieber, theurer Freund, werden Sie mich mahl mit einem Briefe erfreuen? Ja, Ihr Berliner seid recht unartig und wir haben Euch doch so herzlich lieb und in unserm einsamen Leben seid Ihr es doch immer, an die wir denken und von denen wir reden. Hörten wir nicht manchmahl ü b e r A n k l a m (!!) etwas von Euch, so müßten wir uns nächstens absterben. | Unser alter Freund Meyer aus Stettin, ist in Berlin gestorben und wir haben es aus Anklam erfahren. Reimers wollen mit Karl ein Schlesisches Bad besuchen und man schreibt uns dies aus Anklam! Und dergleichen würde ich noch mehr anführen können. Nehmt mirs nicht übel, das ist nicht Recht! Werden Sie Ihren Entwurf einer Kirchenordnung noch drukken laßen? Thun Sie es doch. Ich habe hier auch schon eine neue Synodalordnung entworfen; aber es kann nicht weiter darin geschehen, bis unsre Superintendentursprengel beßer gelegt sind. Unsre Gymnasien habe ich durch die Examina auch ziemlich kennen gelernt. Das, welches Manso dirigirt ist wirklich sehr gut, das andre dagegen weit zurükk. Doch über das alles künftig mahl ausführlich. Leben Sie wohl, mein herzlich geliebter Schleiermacher! Grüßen Sie von uns alle Ihrigen und alle unsre Freunde. Vergeßen Sie uns nicht, wie wir immer mit treuer Freundschaft an Sie denken werden. Gaß.

74 nicht] Kj. nichts

70v

82

Briefe 3621–3624

3621. Von Ludwig Kosegarten. Greifswald, Donnerstag, 18. 4. 1811 Greifswald April 18. 1811.

1v

Mein hochverehrter Bruder, Herr Schulz, Sohn eines in der Nähe von Stralsund wohnenden Landpredigers geht nach Berlin, um seine bey uns angefangenen Studien dorten zu vollenden. Ich ergreife diese Gelegenheit, mein Andenken bey Ihnen zu erneuern. Was ich Ihnen sende, sind ein paar akademische Schriften, die ich freilich nur Berufs halber verfertigt habe jedoch nicht ohne Auswahl und ohne Liebe. Einige andere, die schon im Drucke sind, sollen diesen folgen. Immer noch ist das Schiksal unsrer Universität, mithin auch das meinige nicht entschieden. Das Lehrer Personal ist durch Prüfungen und Todesfälle bis zu einem Dritteil vermindert, und immer noch macht man bey Hofe keine Miene, uns ergänzen zu wollen... Die GeneralSuperintendentur hat Plank abgelehnt zum Glük, glaube ich, für ihn und auch für uns. Darnach hat man sie dem Ammon angeboten, der sich noch nicht scheint entschieden zu haben. Von einheimischen Gelehrten hat nach den Schwedischen Gesetzen keiner ein höheres Recht zu der Stelle als ich. Ich bin jedoch gänzlich resignirt über den Ausgang dieser Angelegenheit. Nach blossen i r d i s c h e n Rüksichten darf ich nicht einmal wünschen, dass die Wahl mich treffe. Ich würde nemlich an Einkünften gar nichts, an bürgerlicher Ehre über aus wenig gewinnen. Last, Arbeit, Sorgen und Verantwortung würden sich dagegen für mich fast bis ins Unendliche vermehren, und da ich Allwinchen alsdann abgeben müste, so geriethen meine dort wohnenden 7 Kinder dann in eine Abhängigkeit, die ihnen leichtlich drückend werden könnte | Herr Schulz, der Ihnen dieses bringt, ist übrigens ein junger Mann von Talent, guten gründlichen Vorkenntnissen, und dem besten Willen. Noch den Tag vor seinem Abgange hat er seinen hiesigen Lehrern durch eine öffentliche geist- und gefühlvolle Rede: De pietate in Academias Athenaeque Desiderio, sich aufs neue empfohlen. Sollten Sie mein hochverehrter Bruder, diesen sehr wackern Jüngling mit Rath und That zu fördern nicht verschmähen, so werden Sie ihn dessen sicherlich nicht unwerth finden. Sollte Herr Marheinike, der mich einmal bei Altenkirchen besucht hat, schon bey Ihnen seyn, so bitte ich ihn von mir [zu] grüssen. Mit der grösten Hochachtung beharre ich Ihr getreuer Amtsbruder Kosegarten. 3621.

Überlieferung: H: BBAW, SN 320, Bl. 1.

Mit akademischen Schriften.

5

10

15

20

25

30

35

18. 4.–28. 4. 1811

83

3622. Von Marianne von Homburg, Prinzessin von Preußen. Berlin, Donnerstag, 18. 4. 1811 Dem Herrn / Doctor und Professor / Schleiermacher [Bl. 2v] Berlin den 18 Ap. 1811

5

Hiebey schicke ich Ihnen Herr Professor meine sehr geringe Gabe nur für Ihre Orgel; leider sind die Zeiten nicht geeignet einen bedeutenden Beitrag geben zu können, wie ich es so sehr würde gewünscht haben – nehmen Sie daher mit dem Guten Willen vorlieb, und versichern Sie sich stets meiner wahren Achtung mit welcher ich verharre Ihre Freundin Marianne ÐPlddÑ

*3623. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, vor dem 20. 4. 1811 Bittet, die Begräbnisgelder für Ehrenfried von Willich einzuziehen und mit der von Henriette Schleiermacher geschuldeten Summe zu verrechnen.

3624. Von Carl Ludwig Nitzsch. Wittenberg, Sonntag, 28. 4. 1811

5

Ew. Hochwürden erlauben mir, daß ich Ihnen die Producte meines eben zu Ende gehenden Decanats übersende, und zugleich für jeden Ihrer beiden Herren Collegen ein Exemplar beilege. Diese hatten die Güte, mich vor kurzem durch unsern Herrn Professor Schreger, der sie in Berlin gesprochen hatte, freundlich grüßen zu laßen. Und so entwickelte sich diese Zudringlichkeit. 3622. Überlieferung: H: BBAW, SN 325, Bl. 2. Dreifaltigkeitskirche. *3623.

Mit einer Spende für die Orgel der

Erschlossen aus Brief 3673, Z. 31–34.

3624. Überlieferung: H: BBAW, SN 344, Bl. 1 f. Mit drei Exemplaren einer Abhandlung (vermutlich Carl Ludwig Nitzsch: De fide sub oeconomia religionis didactica prolusio, Wittenberg: Gräßler 1809).

84

1v

2

Briefe 3624–3625

Ich hoffe Verzeihung von Ihnen, da Schriften dieser Art ihr Publicum selbst suchen müßen, meine unbedeutende Schriftstellerei aber sich bisher fast lediglich auf das, was Amtsverhältniße mir abdrangen, eingeschränkt hat. Uebrigens gilt das alte: graeca sunt, non leguntur, jetzt auch von den latinis im theologischen Fache; gleichwohl muß ich, i n m e i n e r L a g e , noch froh seyn, daß ich meine Versuche lateinisch mittheilen kann, da man mir in deutschen Schriften eine solche Freimüthigkeit | wohl noch nicht gestatten würde. Ich wünsche, auf meinem Posten zu bleiben. Das höhere Alter nähert sich mir. Aber eben daher muß ich mit Vorsicht zu Werke gehen, um den Rest meines Lebens und meiner bei 4 Aemtern höchst eingeschränkten Muße noch auf die Ausbildung und Anwendung der von mir empfohlnen Offenbahrungstheorie wenden zu können. Daß Ew. Hochwürden von dieser einige Notiz genommen haben, ist mir, insonderheit wegen Ihrer jetzt gehäuften neuen Geschäfte, sehr zweifelhaft. Sollten Sie indeßen Muße gewinnen, beiliegende Schrift, die aus jener Theorie hervorgegangen ist, zu lesen: so würden Sie leicht das Ganze derselben übersehen und beurtheilen können. Und wollten Sie in diesem Falle mir einmal gelegentlich zwei Worte der Belehrung mittheilen, so würde ich das sehr zu schätzen wißen. Die sechs Recensionen meiner Schrift de revelatione externa p die bei Göschen 1808. erschien – denn so viele sind mir zu Gesichte gekommen, – haben mich um nichts weiter gebracht. Zwar gab mir die Hallische, sehr flüchtige Recension (n. 294. vorigen Jahres) zu erkennen, daß ich das Unkraut nicht ganz bei der Wurzel ergriffen hätte, | und dieß war kein übler Fingerzeig. Allein wenn ich gleich gestehen muß, daß mein Raisonnement bloß teleologisch mithin reflectirend ist, – ich vergleiche Judenthum und Christenthum mit dem, was zugestandner Weise der Menschheit noth thut, und eine Promulgation der Religion des Herzens und Gewißens nöthig machte, – so glaub ich doch, daß dieß der sicherste Weg sey, jener Theorie Eingang zu verschaffen, und daß man auf diesem Wege alles das auch müße finden können, was die strengste Synthesis aus der absoluten Weltursache haltbares heraus zu bringen sucht. So hab ich in der Beilage den Vernunftbegriff des Welterlösers aus dem Zwecke der Offenbahrung und Vorsehung, in Vergleichung mit dem Bedürfniße der Menschheit, abgeleitet. Kant legte den Grund zu meiner Offenbahrungsansicht. Ich entlief zwar seiner Schule, da er mir die Religion zum Tugendmittel herabzuwürdigen schien, und glaubte nicht an seinen Buchstaben, hielt aber seine vornehmsten Scheidungen dankbar fest. Mittelst dieser glaubte ich mir selbst forthelfen zu können, ohne mich nach andern umzusehen. Schellings Vorlesungen (1803.) z.B. die historische Construction des Christen-

10

15

20

25

30

35

40

45

April 1811

50

55

60

65

70

85

thums betreffend p waren mir unbekannt; erst im November 1809 kamen sie mir zu Gesichte, nachdem die Heidelbergsche Recension meiner Schrift de revelatione behauptet hatte, der Geist der Schellingschen Philosophie sey in meine Theorie übergegangen. Es machte | mir viele Freude, da ich fand, die beiden Schellingschen Vorlesungen füglich unterschreiben zu können. Allein ich war durch Reflexion über die Menschheit in der Erfahrung und ihren Hauptzweck, und durch Vergleichung des Juden- und Christenthums zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Religion zuerst sinnlich hervortrete, dann die Moralität wecke, und durch diese ihre Vollendung erhalte. Meine sehr eingeschränkte Muße hat mir überhaupt wenig neuere Lectüre gestattet. Ich habe mit Verlangen Ihren Festpredigten entgegen gesehen, nachdem die ersteren Bände mich so sehr angezogen hatten. Diese Festpredigten würden Ihre Offenbahrungstheorie bestimmter darlegen. Ich muß gestehen, daß ich längst den Vorsatz hatte, die meinige durch Predigten bekannter zu machen; halte es aber doch für rathsamer, erst mit einer Sammlung von ältern (1802–4.) und neuern Festprogrammen und andern Anschlägen, unter dem Titel de discrimine revelationis imperatoriae et didacticae, hervorzutreten. An diesem Gegenstück der erstern Sammlung de revelatione arbeite ich jetzt, so oft sich einmal einige Muße finden will. In der Hoffnung, daß meine zudringliche Schwatzhaftigkeit Verzeihung finden werde, bitte ich den Ausdruck der längst gefühlten ungemeinen Verehrung zu genehmigen, mit der ich beharre Ew. Hochwürden ganz ergebenster D. Carl Ludwig Nitzsch. Wittenberg, d. 28. Apr. 1811.

3625. Von Barthold Georg Niebuhr. Berlin, Montag, 8.4., 22.4. oder 29. 4. 1811 Ich muß mich gegen Sie über den gestrigen Vorfall erklären: ich mag überhaupt nichts auf dem Herzen behalten; und was ich sagte, als meine Geduld endlich riß, mochte Ihnen fast unverständlich seyn. Ich hatte den ganzen Tag verlohren, war durch Besuche, Gesellschaft, Geschwäz, 3625. Überlieferung: H: BBAW, SN 341, Bl. 2. Die Herausgeber der Briefe Niebuhrs datieren den Vorfall in den April 1811. Niebuhr schreibt an einem Montag, am Tag nach dem Vorfall. Da der Vorfall wohl nicht am Ostersonntag stattfand, bleibt der 8., 22. oder 29. 4. 1811.

2v

86

2v

Briefe 3625–3627

höchst fatigirt, wollte keine Erklärungen anfangen welche allgemein hätten stören können, und so äusserte ich mich allerdings wohl fast unverständlich. Wer seinen Arzt für eine äusserst sorgfältige Behandlung, und für wohlthätigen Rath mit Bezahlung abzufinden glaubt, hat wohl kein Recht eine Fortsezung dieser Wohlthaten zu erwarten, dazu steht die Bezahlung, welche ein Privatmann anbieten kann in gar keinem Verhältniß auch für einen Arzt der gemeinsten Art, und der gemeinsten Gesinnung: Fürsten und Vornehme, die überhaupt nie anders danken, mögen mit ihrer reichlichen Bezahlung ihren Zweck erreichen bey wem es ihnen gelingt. Die erste Pflicht in einem solchen Fall ist gewiß Beleidigung des Abwesenden nicht zu dulden. Daß Kohlrausch mein Arzt ist, wissen Sie; das wußten Sie. Ich entfernte mich schon einmal als über jene fatale Geschichte die Rede war (bey Spaldings), als noch nichts weiter als der Anfang da war, und doch schon eben so als jezt geredet ward, aus dem Kreise der Redenden, mit Gefühlen die Ihrem Auge gewiß nicht unsichtbar bleiben konnten. Daß Mayer Ihr Arzt sey wußte ich, und äusserte kein Wort über sein Betragen, welches ich auch jezt nicht qualificiren will: aus keiner andern Ursache als aus Achtung gegen Sie. Ich zweifle nicht – denn dies ist ja ganz unabhängig von diesem allen, – daß Sie ihm als Arzt danken was ich Kohlrausch zu danken habe. Diesem lezten danke ich eine Herstellung meiner Gesundheit auf vielen Punkten: und kann hinzusezen daß alle früher consultirte Ärzte mehr verdorben als gebessert hatten. Daß in Ihrer Erzählung und Ansicht der Einfluß einer verdrehten Darstellung herrschte, hätte jedem klar seyn müssen der bey der Sache so partheylos gewesen wäre, wie ich es wirklich war: daß G r u n e r in demselben Sinn geredet hatte, hätte Sie wenigstens abhalten sollen einen solchen Ausspruch zu thun wie Sie thaten: am leichtsinnigsten ward er durch Ihr – er scheint das. – Ich denke man darf, und muß manchmal, nach klarer Einsicht von jemanden sagen, er hat sich wie pp betragen: aber nie darf man sagen, er scheint. | Die Geschichte des Billets läßt doch nur zwey Ausdeutungen zu die beyde dem andern, militairisch genommen, gleich ungünstig sind: wie hätte ich mir erlaubt sie, ich sage nicht Ihnen ins Antliz, oder Ihnen zur Seite; auch nur gegen einen dritten zu machen, nicht der Person sondern Ihretwegen. Auch gestern hat mich die Scheu öffentlich gegen Sie zu verstossen, abgehalten, so laut wie es sich gebührt hätte die Pflicht vorzunehmen welche ich dem Abwesenden eigentlich schuldig war.

5

10

15

20

25

30

35

40

April 1811 45

50

55

87

Ich weiß daß Sie mich nicht haben b e l e i d i g e n wollen, und davon ist die Rede nicht. Auch kann ein solcher Vorfall der vielseitigen und lebendigen Achtung nicht Abbruch thun, welche Sie jedem einflössen müssen; an sich ist sie erfreulich, und in einer trüben Zeit ist es doppelt viel werth den der sie gebietet in seiner Nähe zu sehen. Aber dann ist da auch um so wehmüthiger, einen solchen Vorfall, den Ausbruch eines leichtsinnigen, und jede Rücksicht auf die man Anspruch machen kann vegessenden Muthwillens zwischen sich und dem, zu dem man sich durch mehr als betrachtende Achtung hingezogen fühlt, treten zu sehen Niebuhr. Montags.

*3626. An Barthold Georg Niebuhr. Berlin, wohl Ende April 1811 Erklärung zum Streit über eine von Schleiermacher über Niebuhrs Arzt Kohlrausch erzählte Anekdote. Es wäre eine wunderliche Achtung, die durch einen solchen Vorfall wanken könnte.

3627. Von Barthold Georg Niebuhr. Berlin, wohl Ende April 1811

5

10

Ich habe gar nicht gefürchtet, lieber Schleiermacher, daß ein einzelner Verstoß uns auseinander bringen könne, sobald nur nichts υ῞πουλον dabey blieb. Denn in diesem Fall frißt bey mir, um bey einem m e d i c i n i s c h e n Gegenstand medicinisch zu reden, der Eifer ins Fleisch, und anstatt einer ordentlichen Narbe entsteht ein unheilbarer Schaden. Sie sind mir auch nicht einen Augenblick weniger lieb gewesen: denn ich liebe an Ihnen und Jedem der mir theuer ist etwas andres als die unendlich kleine Seite die äusserlich in einzelnen Fällen kund wird. Eben so äusserlich ist man böse wenn man böse wird: nur wo die Persönlichkeit flach liegt ist eine Hautwunde dieser Art tödlich. Und ob Sie mir lieb *3626.

Erschlossen aus Brief 3627 von Ende April 1811.

3627. Überlieferung: H: BBAW, SN 341, Bl. 1; D: Niebuhr: Die Briefe Barthold Georg Niebuhrs 2, S. 201–203. Zur Datierung vgl. die Anmerkung zu Brief 3625.

88

Briefe 3627–3629

sind, ob ich mich zu Ihnen hingezogen fühle, und wie ich Sie nicht nur unsern Bekannten sondern unter unsere Zeitgenossen rechne, das müssen Sie sich selbst sagen. Mein Glaube an Sie kann nicht wanken, und es wäre eine wunderliche Achtung die, wie Sie sagen, durch einen Vorfall dieser Art leiden könnte. Was leidet ist das Gefühl des Wohlseyns neben einem Freunde, wenn dieser auf irgend eine Weise – verstehen Sie es nicht unrecht – mit dem Ausdruck seines Urtheils tyrannisiert. Die Fälle sind gewiß in geringer Zahl, wenn es deren überhaupt schlechthin giebt, wo man dem Nichtunwürdigen auf den Kopf zusagen darf: diese Sache und diesen Menschen d a r f s t du nicht dulden. So fassen Sie selbst das Unrecht des Verstosses zwischen uns, und bündiger als ich es schriftlich gethan hatte. Ich habe oft in äusserst wohlwollenden Beziehungen, wenn auch nur vorübergehend, zu Leuten gestanden über die meine eigentlichen Freunde laut aufschrieben, und mit einem grossen Schein von Recht; denn allerdings waren es Zöllner und Sünder. Es g e h ö r t n i c h t z u m v o r l i e g e n d e n F a l l , aber mir hat es so gar grossen Werth gehabt grossen Naturen nahe zu treten in denen der Teufel Herr geworden war, ohne den guten Dämon ganz zu überwältigen, der bey solchen Menschen oft erwacht wenn ein Nichtbesessener ganz ohne Furcht an sie hinantritt. Und was habe ich dann hören müssen: nicht geduldet. Daher ist es in mir Natur wenn auch dem Unbedeutendsten ein verdammendes Urtheil nach seinem Wesen empörend vorkommen kann, es in seiner Gegenwart nur als subjective Meinung zu sagen, gegen die er sich, bleibt er auch schweigend, in seinem Innern regen und abwehren kann. Das Gegentheil scheint mir nur möglich wo die entschiedenste Verachtung gegen den Hörenden herrscht, wo man ausrotten will, und darf: aber dann berechtigt man auch zu gränzenloser Feindschaft. Über den Gegenstand unsers Anstosses mag ich, so ekelhaft ist es mir von Anfang her gewesen, mit Niemanden, am wenigsten mit dem reden, der anders sieht, da eine gegenseitige Überzeugung des Andern absolut in solchen Fällen unmöglich ist. Nur so viel will ich Ihnen sagen, daß ich wahrlich so unpartheyisch bin keinem von beyden damit die Schuld zu geben welche dieser diesem, jener jenem zuschreibt. Die Sache ist von Anfang her so miserabel genommen daß sie auch ein miserables Ende nehmen musste: und das wird freylich wohl im höchsten Grade der Fall seyn. Lassen Sie uns also darüber s c h l i e s s e n . Und wie könnten Sie glauben daß ich von einem Vorfall zwischen uns reden möchte, oder auch nur bitte daß ein andrer es thäte, da so wenige die Sache rein begreifen wür-

15

20

25

30

35

40

45

50

April–1. 5. 1811

55

89

den. Thun Sie es also nicht. Ich grüsse Sie von ganzem Herzen. Ich schrieb Ihnen weil meine mündliche Äusserung schief gewesen war. Sonst wäre ich gekommen um von Antliz zu Antliz zu reden; und da haben Sie mich doch misverstanden. Der Ihrige Niebuhr.

*3628. An Friedrich Frommann. April 1811

3629. An die Theologische Fakultät. Berlin, Mittwoch, 1. 5. 1811

5

10

15

Collegae coniunctissimi Es liegt uns ob aus unserer Facultät die Ausgezeichneten namhaft zu machen aus welchen vorkommenden Falls die Beisizer des akademischen Gerichts werden zu wählen sein. Ich glaube wir werden darüber einig sein, daß wir ohne Rüksicht auf Herkommen und Wohlstand, wonach bei Studenten niemals soll gefragt werden, solche zu nennen haben die uns durch Aufführung und Fleiß vortheilhaft bekannt sind, und nicht Neulinge. Mir wenigstens scheint als ob nur in einem sehr ausgezeichneten Falle von der lezten Regel eine Ausnahme dürfe gemacht werden. Um die Sache einzuleiten nehme ich mir die Freiheit Ihnen einige nach meinem Urtheil in Vorschlag zu bringen mit der ergebensten Bitte Sie wollen hieran Veranlassung nehmen theils über die obigen Grundsäze selbst Ihre Meinung mir mitzutheilen theils auch gegen die Vorgeschlagenen Ihre Einwendungen zu machen und Andere aus Ihrer Kenntniß hinzuzufügen um zulezt diejenigen über die wir Alle einig sind Rectori magnifico einzureichen. Ich habe diesmal nur solche gewählt die schon von andern Universitäten im ersten Semester der unsrigen zu uns gekommen | sind, und führe sie nach der Ordnung auf, wie sie in dem Albo unserer Facultät aufgeführt sind *3628. Wohl mit einer Predigt und der Aufforderung, sie an Loeffler zu senden. Inhalt und Datum erschlossen aus Brief 3637 vom 24. 5. 1811. 3629. Überlieferung: H: Universitätsarchiv der HU Berlin, Theologische Fakultät, 271, Bl. 1. Marheineke und Neander notieren auf dem Blatt ihre Zustimmung zu Schleiermachers Vorschlägen. 3 aus] korr. aus wel

1v

90

Briefe 3629–3630

1.) Twesten aus Holstein von der Universität Kiel gekommen, wird wol allgemein für einen der ausgezeichnetsten unter den hiesigen Studirenden gehalten 2.) Deibel aus Berlin hatte schonen einen großen Theil seiner Studien in Frankfurt vollendet und hat wie ich weiß dort in einem sehr guten Ruf gestanden. 3.) Reinike aus Neumark von Frankfurt gekommen. Er empfiehlt sich hier durch Fleiß ist aber wo ich nicht irre vorher nur ein halbes Jahr in Frankfurt gewesen; also stelle ich anheim ob man seine Ernennung noch ein Semester aussezt. 4. Zumpt aus Berlin, von Heidelberg gekommen. Er ist fleißig und anständig und mir von den hiesigen Philologen sehr empfohlen, und wird es darauf ankommen ob Herr College Marheineke ihnen beistimmt. 5. Ribbeck aus Magdeburg von Frankfurt gekomen wo er auch schon länger studirt hat. Er war mit einem vorzüglichen Zeugniß von dem hiesigen Berlinisch-Cöllnischen Gymnasium dorthin gegangen und ist auch dort allgemein geachtet worden S.m. Schleiermacher d. 1t. May 11.

20

25

30

35

3630. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 11. 5. 1811 Berlin d 11t. Mai 11. Freilich liebster Freund haben Sie sehr Ursach über uns zu klagen. Ich will mich auch gar nicht weiter rechtfertigen, Sie wissen wie es geht. Daß ich viel zu thun habe brauche ich Ihnen nicht vorzuzählen; indeß glauben Sie doch vielleicht nicht daß meine Collegia soviel Zeit wegnehmen als sie wirklich thun. Ich habe zu meiner Exegese nur sehr unzureichende Notate; ich muß fast so vorarbeiten was das einzelne betrift als ob ich die Briefe nie erklärt hätte (bei den Römern wird es noch ärger werden denn da habe ich auch keine Silbe aufgezeichnet) und vergleiche jedesmal den Koppe den Grotius und den Oecumenius, ein andermal sollen Andere 3630. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Autographen-Sammlung, Schleiermacher; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 94–96

5

10

1. 5.–11. 5. 1811

15

20

25

30

35

40

45

91

daran. Die Ausgabe arbeitet sich so freilich vor aber nur sehr allmählig. Zur Dogmatik verglich ich als ich sie das erste mal gründlich las den Quenstaedt, jezt den Gerhard; die Einleitung war ganz neu indem ich alles hiehergehörige aus der philosophischen Theologie beigebracht habe | zum Aufschreiben bin ich aber gar nicht gekommen und muß mich auf Pischon verlassen der zu meiner Freude sehr gut nachschreibt. Und nun gar die Dialektik diese kostet eine schmählige Zeit. Der Entschluß hatte lange in mir gewurmt ich bin aber doch froh daß er zum Durchbruch gekommen ist. Als ich anfing waren mir erst die Hauptmassen klar, nun verbreitet es sich allmählig mehr ins Einzelne, und ich hoffe das Ganze soll gut werden. Ich lese vor 60 Zuhörern etwa und mag wol die Mediciner ausgenomen diesmal das stärkste Auditorium haben. Nun nehmen Sie dazu daß ich seit Neujahr mit wenigen Unterbrechungen am Magenkrampf auf eine zum Theil furchtbare Art gelitten habe so daß ich oft mehrere Stunden ganz erschöpft von dem im Krampf vollbrachten zweistündigen Lesen auf dem Sofa liegen mußte. Die Ansprüche des geselligen Lebens kann und will ich auch nicht ganz abweisen und so sehn Sie wol wie ich überall ins Gedränge kommen muß. Mit Ihrem Graf Stosch ist es mir übel gegangen[.] Er fand mich nicht als er mir Ihren Brief brachte, ich fand ihn zweimal | nicht in seinem Hotel, wir sahen damals keine Leute da meine Frau noch Wöchnerin war und als ich ihn bei erster Gelegenheit einladen wollte war er fort. Der zweite, den Sie mir geschikt haben, Herr Günzburg, hat hier mit seinem Vorhaben eine Art von Aufsehn gemacht was ich bestens gesucht habe zu beschwichtigen. Recht orientiren kann ich mich aber auch noch nicht darin denn diese Art von Mischung von Christenthum und Judenthum auf die er es doch eigentlich anzulegen scheint will mir nicht zusagen, und an eine solche Verwandlung des jüdischen Gottesdienstes wie er sie wünscht ist wol auch nicht so bald zu denken. Ueberdies scheint man von oben her die Aufhebung besonderer jüdischer Schulen sehr zu wünschen und so fürchte ich daß er auch äußerlich mit seiner ganzen Idee durchfällt, war mir leid thun sollte Mit Ihrer Universität ist es ja nun ganz gewiß und es wird aufs stärkste daran gearbeitet. Ich weiß nur wenig authentisches davon, denn die Sache ist in einer besonderen Conferenz verhandelt worden. Bredow hat Ihnen gleich selbst geschrieben und nun ist leider auch entschieden daß Heindorf hinkommt, was ich für sehr nachtheilig halte und aus allen Kräften dagegen protestirt haben würde wenn ich gefragt worden wäre. Wir | verlieren ungleich mehr als Sie gewinnen, und es wäre auf jeden Fall 29 er mir] über 〈ich ihm〉

38 f Verwandlung] korr. aus Verb

92

Briefe 3630–3631

besser gewesen den treflichen Becker der jezt noch in Paris ist nach Breslau zu schikken. – Nicolovius fragte mich Gestern in der Sizung ob auf Sie wol zu rechnen wäre für die Universität; ich gab eine unbestimte Antwort weil ich Ihre Meinung nicht weiß. Sagen Sie mir doch recht bald etwas bestimtes darüber. Meine Meinung ist diese, daß es sehr schön wäre wenn Sie etwas läsen für die Universität und für Sie. Aber es ist mir wichtiger daß Sie wieder Prediger werden, und Rath, Pastor und Professor alles dreies ordentlich ist zu viel, das sehe ich an mir der ich doch als Rath viel weniger zu thun habe als Sie. Wegen des Universitätspredigers hatte ich früher mit Nicolovius gesprochen. Wir meinten beide da die Universität eine völlige Parität darstellen soll: so würde man dann einen katholischen ebenfalls einsezen müssen, und das wäre schwierig. Nun aber habe ich gehört daß ein katholischer schon da ist, und so ginge es wol desto eher. Ob Ihrer in dem Bericht in dieser Hinsicht erwähnt ist weiß ich nicht. Mir wäre es immer lieber wenn Sie an Hermes Stelle kämen, durch eine eigentliche Gemeine würden Sie doch glaube ich mehr Einfluß auf den Geist der Stadt gewinnen und das wünschte ich so sehr. Ihre Predigten habe ich noch nicht eigentlich gelesen | aber von dem Thee schon desto mehr getrunken und auf Eure Gesundheit dabei angestoßen. Schulz habe ich auch seit seiner Rükkunft nur einmal ganz flüchtig gesehn und er hat mir noch wenig von Ihnen und dem dortigen Leben erzählen können. Ich wünschte ich käme recht bald dazu wieder nach Schlesien zu reisen, um Ihr Leben recht zu sehn. Wollte Wunster jezt sterben und man wollte mir seine Prediger und ConsistorialRathStelle geben und mich zum ersten Professor der Theologie machen so ginge ich mit tausend Freuden nach Breslau. So wenig ich sonst glaubte dort leben zu können: so schön denke ich mir kann es jezt werden mit der Universität. Doch das sind Träume. Reimer ist auf der Messe, die Seinigen sind wohl und grüßen. Manon oder vielmehr Stavenhagens, Mann Frau und Kind werden nächstens hier erwartet. Reimers Badereise nach Schlesien ist so ein Gedanke gewesen von dem jezt nicht mehr die Rede ist. Sie sprechen auch dort von einer Rheinreise wie wir jezt von einer Reise nach der Schweiz für nächst künftiges Jahr sprechen. Ich habe versprochen wenn die Universität in Flor bleibt und ich drei Semester Honorar ersparen kann (dies halbe Jahr habe ich 62 Friedrichsd’or eingenommen, ohnerachtet es soviel testimonia paupertatis ÐregnetÑ daß alle Professoren darüber seufzen) so | will ich es möglich machen. 81 f nächst künftiges] nächst mit Einfügezeichen über der Zeile es: giebt

85 ÐregnetÑ] im Druck heißt

50

55

60

65

70

75

80

85

11. 5.–14. 5. 1811

90

95

100

93

Verzeihen Sie mein schlechtes Schreiben, es ist auch Eile! – Tausend Grüße an Wilhelmine. Noch eine Bitte. Lassen Sie mir doch aus dem reformirten Kirchenbuche meinen Taufschein besorgen Behufs der Einkaufung meiner Frau in die Wittwen Casse er ist Anno 1768 zu suchen, und schikken Sie mir ihn gelegentlich. Die Meinigen sind Alle wohl und grüßen herzlich. Daß wir Luise Willich, die Schwester meines seligen Freundes bei uns haben habe ich Ihnen wol schon geschrieben. Adio und lassen Sie uns recht bald wieder von Sich hören. Schleiermacher Noch Eins. Das MilitärDepartement will die Sache wegen der Militärschule jezt an die Regierungen spielen wahrscheinlich um bessere Bedingungen zu erhalten als wir ihnen vorgeschlagen haben. Sie werden alle unsere Verhandlungen erhalten; laßt Euch nur ja nicht prellen und den Communen unnüze Lasten aufladen.

3631. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 14. 5. 1811

5

10

15

Gdfr d 14 May 1811 Dieses ist bereits das dritte Blatt welches ich seit eingen Wochen nach Berlin abgehen laße, um etwas von Euch Allen – besonders aber von Deinem Befinden guter Bruder zu erfahren, um welches ich mich ernstlich kümre und öfters des Nachts sorglich an Dich denke. – An die Nany glaube ich geschrieben zu haben, daß ich selbst sehr leidend gewesen bin – aber seit ich ordentlich medicinirt habe, bin ich nach meiner Art frisch und heiter – Daß ich in einer andern Geselschaft binn und wieder oben in der Stube als wir das frohe Wiedersehn 1802 feyerten1 – unendlich viel habe ich an jene mir unvergeßliche Zeit gedacht! es ist auch herrliches Wetter – alles blüht und grünt – zwar kann ich nur am Tage kleine Viertelstündchen erschleichen – weil ich, wie ich schon gemeldet, dieses Vierteljahr sehr beschäftiget binn – Abends kann ich nicht zu lange nach SonenUntergang draußen seyn – | Nany hatte ich allerley Aufträge an Dich gegeben ob sie besorgt – und wann ich darüber etwas hören, oder lesen werde muß ich freilich erwarten –!! –! – bey deiner Verheirathung 3631. Herz.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/12, Bl. 11 f.

Mit einem Brief an Henriette

11v

94

12

12v

Briefe 3631–3633

ahndete ich wohl nicht so wenig durch Nachrichten und Mittheilungen befriedigt zu werden – noch dazu da du immer einige Weiber um dich hast – – ich bitte, ich klage, alles vergebens! Die treue Hertz2 ist nun auch von Euch nach dem herrlichen und lieblichen Dresden gereist – dann nach W i e n – wie sie mir schreib – was sie d o r t sucht – kann ich nicht ahnden – hat sie dort Verwande oder will sie nur die KaiserStadt sehen – ein hingeworfnes, vielleicht, oder wenn sie der Rükweg nach Schlesien führt – unterstüzt nur noch schwach die schon wankende fast ganz aufgegebne Hofnung sie dieses Jahr hier zu sehn – vor, oder gleich nach Pfingsten schreibe ich wieder – dann lege ich einen Brief an die, Trefliche, ein – sie wieß mich an Dich | weil Du ihre adresse hast – aber – guter lieber Vergeßlicher besorge mir meinen Brief bald recht ordentlich – ich würde nicht mistrauisch sein – wenn Du mir nicht mehreremahle dazu Anlaß gegeben hättest! – Nany solte mich so bald es nur bestimt ist – mit der Abreise nach Ruegen bekant machen – damit ich mit der Gelegenheit an die Pistoriuss schreiben könte – nun wirdt es gewiß schon zu spet sein – seit vorigen Herbst weiß ich nichts von, ihr, – ihren lezten Brief erhielt ich durch Jettens Schwester die nach Schlesien geheirathet hat – aber wohin – schreibt mir auf mein öfteres Fragen, Niemand, auch nicht wie ihr Mann heißt –! ob die Jerimiade nun einmahl zu Ende ist – höre ich dich sagen – ich will hier schließen ob zwar noch mancherley anzumerken wäre – recht herzlich bitte ich mich recht bald über alles zu befriedigen – vornehmlich über deine Gesundheit aufrichtigen Bericht – und auch meine große Sehnsucht | nach etwas v o n D i r durch eine mir längst versprochne Predigt zu stillen – überhaupt höre und lese ich zu wenig von dir – und so viele Menschen, sprechen, von deinen Schriften – von deinem Wirken aufs Ganze – usw. Wie ich mich nach den Kindern sehne – habe ich Dir und Jetten schon oft geschrieben – aber ich will mich gedulden bis künftiges Jahr – um Elisabeth in der schönsten Entwikelungsperiode zu sehn – mit Innigkeit drüke ich öfters alle 3 an mein liebend Herz – seit einiger Zeit habe ich mit 2 kleinen Wesen vor – die in Jetchens Alter sind – wie mich dergleichen noch sehnsuchtsvoller macht – – ich lege Dir die Kinder deines Freundes bey Gelegenheit – des 18ten Mayes mit freundlicher Bitte, recht ernst und feyerlich an Dein liebend Herz – um ihrer selbst – und auch wegen Jetten – laßt mich von ihnen wißen – Küße sie Beide von mir – Hier giebt es viele recht niedliche Kleine Wesen unter denen ich mir oft Elisabeth gedacht habe aber keine Vorstellung mag dem Original reichen. Seid Alle nebst Nanny herzlich umarmt von Lotten

20

25

30

35

40

45

50

55

14. 5.–19. 5. 1811

95

über Breslau solte ich – schriebst Du mir im Winter – ein dergleichen paquet Deiner Geistes producte bekommen – noch nichts erschienen! – 1

60 2

mag auch nicht wenig zu meinem Wohlseyn beitragen – mann liebt mich – und ich athme freier – auch sind sie sanft und gebildet mit welcher du wohl seit unserm Ersehn – schon manchmahl einen Wortwechsel – oder gar ernsthaften Streit hattest

3632. Von Unbekannt. Mitte Mai 1811 oder früher

5

10

Sie haben sich durch Ihre […] Albinus sein Machwer[k] […] [Ver]trauen erworben und […] ehrwürdig. Das ist der […] ich vielleicht noch nicht hab[e] […] kann ich wohl mit ÐLaugeÑ bey […] kein Narr; er hat nur, w[…] rechte höhrte. Doch […] Ich habe es nun eben Al[binus] […] noch die Anlage an Sie ge[…] es Ihnen die Herrn – wenn […] so versuchen Sie doch, ihn […] wird wohl noch arg. Meine herzlichsten Glükwü[nsche] […] und alle Ihrigen, auch der De[moiselle Nanny deren ich mich] recht gut erinnere. Ihr […]

3633. Von Christoph David Anton Martini. München, Sonntag, 19. 5. 1811

5

Hochwürdiger und hochgelehrter, Höchstzuehrender Herr Profeßor, Ew. Hochwürden werden meine beiden Briefe, den einen vom 22sten März, und den andren, welchen ich ohngefähr 14 Tage später abschickte, wie ich hoffe, richtig erhalten haben. Da ich mich seit der Zeit mit keinem neuen Schreiben von Ihnen beehrt sehe; so muß ich fast vermuthen, daß der Vorschlag zu meiner Berufung nach Berlin gänzlich aufgegeben wor57 f über … erschienen! –] am linken Rand 59 f mag … gebildet] mit Einfügungszeichen am linken Rand 61 f mit … hattest] am linken Rand 3632. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 3v. Auf der Rückseite befinden sich Notizen zur 14. Stunde der Dialektik von 1811 (wohl 21. 5. 1811; KGA II/10, 1, S. 34 f.). Möglicherweise gratuliert der Brief zur Berliner Stelle, zur Hochzeit oder aber zur Geburt des ersten Kindes. 3633.

Überlieferung: H: BBAW, SN 327, Bl. 4.

96

4v

Brief 3633–3634

den. Auch würde ich mich, ohne Ihnen, mein Verehrtester! durch einen abermaligen Brief lästig zu fallen stillschweigend dabei beruhigen, wenn nicht besondre indeßen eingetretene Umstände mir den lebhaften Wunsch abnöthigten, über jenen Punkt in völlige Gewißheit gesezt zu seyn. Haben Sie also, wenn ich bitten darf, die Gefälligkeit, mir nur mit ein paar Zeilen zu melden, ob ich die Unterhandlung, welche Sie wegen der Berliner Profeßur mit mir anzuknüpfen die Güte hatten, als völlig abgebrochen ansehen kann. Die wohlwollenden Gesinnungen, welche mir Ihr verehrliches Schreiben vom 9 März zu erkennen gaben, sind von der Art, daß, wenn auch die Hoffnung, durch die engeren Bande | der Collegialität mich mit Ihnen verbunden zu sehen, durch die Schuld der Umstände abermals vereitelt werden sollte, dennoch das Andenken an Ihre unverdiente Freundschaft und Gewogenheit mir unauslöschlich eingedrückt werden wird. Mit der herzlichsten Verehrung verharre ich Ew. Hochwürden gehorsamster Diener Martini. München d 19 Mai 1811

10

15

20

3634. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Dienstag, 21. 5. 1811 Breslau, den 21 May, 1811. Ich bin eben im Begrif, eine kleine Reise nach dem Zobten zu machen und kann Ihnen heute nur wenig schreiben. Die Partie ist mir schon mahl verdorben und jezt war es wieder nahe dran, daß ich sie aufgeben mußte. Bredow ließ uns etwa vor 6 Tagen durch seine Frau melden, er sei krank und werde wohl seinen Termin nicht halten können. Heute schreibt er wieder selbst, daß er übermorgen doch hier sein will. Da wir ihn und seine Familie vor der Hand in unser Haus nehmen: so muß meine Frau ganz zurükkbleiben und ich bis übermorgen wieder hier sein. Ich bin indeßen froh, daß Bredow kommt, er wird nun selbst sehen, wie es hier steht und wie viel noch zu thun ist zur Aufnahme der neuen Universität. Alles ist in Bewegung und was möglich ist soll geschehen, den Aufträgen des Departements zu genügen; aber wißen mögt Ihr Herren doch, daß es keine Kleinigkeit ist und daß man in Berlin wohlgethan hätte, über dem 3634. Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 71–71a; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 97–99

5

10

19. 5.–21. 5. 1811 15

20

25

30

35

40

45

50

97

Entschluß der Verlegung nicht so lange zu druksen, da sie sich eigentlich als das natürlichste und nächste von selbst ergab. Es wird sich aber dennoch alles machen laßen und es kann etwas vortrefliches werden. Aber, liebster Schleiermacher wo sollen die noch fehlenden tüchtigen Profeßoren herkommen. Außer Meister weiß ich noch keinen Juristen, an Medicinern wird es auch gebrechen. Ich höre daß Berends kommt, aber er kann doch unmöglich auch hier alles sein sollen, wie er es in Frankfurt war; von hier hat sich noch ein Dr. Wendt zu einer Profeßur gemeldet, das will indeß auch nicht viel sagen. Doch mögte hier noch am ersten Rath werden. Wo aber wird ein tüchtiger Profeßor der Theologie Catholischer Seits gefunden und ein solcher scheint mir doch nöthig, denn so viel Gutes unser | Bericht auch von den hier vorhandenen gesagt hat, so können Sie doch leicht denken, daß es damit so genau nicht zu nehmen sei. Zu dem sind es fast alle Leute von Jahren, in dem hiesigen Unwesen ergraut, so daß eine frische Kraft nothwendig ist. Protestantischer Seits ist auch kein Ueberfluß. Ein junger Mann in Jena Namens Köthe wird sehr gerühmt und vielleicht kennen Sie ihn. An Thilo als Philosophen werden wir auch keine besondre Acquisition machen. Dagegen aber würde ich Sie bitten, den hiesigen Profeßor Kayßler in Vorschlag zu bringen. Er ist Direktor der hiesigen Friedrichsschule, sehr fleißig und ein tüchtiger Kopf. Vielleicht kommt er noch selbst nach Berlin. Die Reformirten Theologen bleiben als Stadtgeistliche alle beide in Frankfurt: wird nicht wenigstens einer dieser Confeßion angestellt? Um nun noch ein Wort von mir zu sprechen; so haben Sie allerdings Recht, daß ich 3 Posten nicht verbinden kann und auch darin, daß es wohl gut sein mögte künftig in Hermes Stelle zu rükken. Dagegen aber muß ich in Ansehung des leztern bemerken, daß darüber noch einige Zeit verstreichen kann. Aus dem Bericht werden Sie nun gesehen haben, daß Catholischer Seits eine sehr schöne Universitätskirche und auch ein Universitätsprediger da ist; die völlige Parität würde also auch die Anstellung eines Protestantischen erfordern und die gottesdienstliche Anordnung gebe das schöne Beispiel eines Simultanei. Ein solches Verhältniß wünsche ich allerdings am meisten auch wäre es mit meinem gegenwärtigen Posten gar wohl verträglich auch in Absicht der Geschäfte, | da ohnehin jezt der Schulrath eintritt und auch seinen Antheil übernimt. Eine eigentliche theologische Profeßur kann ich nicht wünschen, denn zu etwas ausgezeichneten würde [ich] es auf diesem Wege nicht mehr bringen, wenn ich auch die Kanzel auf immer verlaßen wollte was ich doch nicht thun mag 20 daß] das

71v

71a

98

71av

Briefe 3634–3635

und worin Sie mir gewiß Recht geben. Verpflichtete mich die Stelle eines Universitätspredigers nicht, jeden Son- und Festtag zu predigen, so würde ich auch ein Collegium lesen können, aber mehr auch nicht. Die Arbeiten bei der Deputation können, wenn die von uns intendirte Sinodalverfaßung und ein neues Reglement für die Elementarschulen zu Stande gebracht sind, sich nicht vermehren, sondern müßen sich vermindern. Und so sehe ich ab, daß ich leisten kann, was ich hier versprach. Das Weitre überlaße ich nun Ihnen, liebster Schleiermacher Sie kennen meine Kräfte und wißen auch meine Wünsche, thun Sie, was sie für recht halten. Daß Sie gerne zu uns kämen ist doch wohl nicht Ihr Ernst. Oder geht es in Berlin nicht, wie es soll. Sagen Sie mir doch ein Wort darüber. Ich will es mir aber merken und Sie beim Worte nehmen, wenn der alte engbrüstige Wunster mahl abfahren sollte. Das wäre doch herrlich, wenn uns das Schiksal noch mahl zusammen brächte. Ein Mann, wie Sie thäte uns wohl Noth. Will man Stefens nicht rufen? – Die Universität wird sehr wohlthätig auf Schlesien wirken; aber ich fürchte, daß der Schlesier nun gar nicht hinter seinen Bergen mehr heraus zu bringen ist, | und das bringt ihn wieder in eine andre Einseitigkeit, oder vielmehr es wird ihn in der bisherigen bestärken. Daß Sie so unwohl sind, wußten wir schon. Laßen Sie Sich doch in den Hundstagsferien zu uns schikken, solche Patienten waschen wir in Altwaßer rein und nach der Cur könnten Sie die Universität inauguriren. Deß würde sich Ihre Vaterstadt freuen und Ihnen selbst würde es auch lieb sein. Etwas reisen müßen Sie diesen Sommer doch, Sie werden nicht frei von Ihrem Uebel und schleppen Sie es wieder mit in den nächsten Winter, so fürchte ich es wird immer hartnäkkiger. – Heindorfs Versetzung zu uns wundert mich sehr; das muß einen eigenen Zusammenhang haben. Ihre Universität blüht ja recht gut und wie ich höre, haben Sie 450 Studenten. Das dächte ich wäre genug für das zweite Semester. Den 30ten reise ich mit Mienchen nach Landek und bleibe die Pfingsttage dort und Ende Juli hole ich sie wieder von Reinerz. Das soll mir auch eine Freude sein. Um sich an dem herrlichen Schlesien recht zu erfreuen, muß man es im Frühlinge sehen; ein so vortrefliches Grün habe ich nirgends gefunden und der Anblikk unsrer großen Kräutereien ist wirklich etwas seltnes. Wie sehnlich wünsche ich, meine alten Freunde bei mir zu haben, wenn ich mich daran ergezze! Ich werde auch noch eine kleine Sommerwohnung vor dem Thore beziehen und Cudower Waßer gegen mein Kopfweh trinken, wenns helfen will. Doch hat das Uebel in Schlesien auf jeden Fall abgenommen. Leben Sie wohl, liebster Schleiermacher sorgen Sie ja für Ihre Gesundheit. Tausend Grüße an Ihre liebe Frau, an

55

60

65

70

75

80

85

90

21. 5. 1811

95

99

Nanny, Reimers und alle unsere Freunde. Ists Ihnen möglich so schreiben Sie bald wieder. Leben Sie wohl! Gaß [den Taufschein] bringt Ihnen der Staatsprediger Wunster in 8 Tagen

3635. An Adolf Friedrich Furchau. Vor dem 22. 5. 1811

5

10

15

Schon lange habe ich Ihnen danken wollen für das Vertrauen, das Sie mir bewiesen, und für die Art, wie Sie mich in Ihr Leben hineinschauen lassen. Nur weil ich gern ausführlich schreiben wollte, ist es immer unterblieben, und nun werde ich auch heute nur in wenige Worte zusammendrängen müssen, was ich Ihnen sagen möchte. Die Art, wie sich Manches schon in Ihrem früheren Leben auf das Glück, dessen Sie sich jetzt erfreuen, bezieht, und wie Sie sich im Vergleich mit früheren Zuständen beruhigt fühlen, das muß Ihnen noch eine höhere Bürgschaft geben von der Wahrheit und Sicherheit desselben. Mir ist nun bei Ihrer Darstellung Etwas eingefallen, das ich nicht umhin kann, Ihnen mitzutheilen; daß nämlich doch nicht Alles, was früher in Ihnen unstät und unruhig war, sich auf dieses Bedürfniß des Herzens bezogen hat, und daß Sie sich leicht in ein tiefes Mißverständniß verwickeln können, wenn Sie sich ganz gestillt glauben. – Den Mann treibt in seinem Innern noch etwas Anderes; er muß einen Beruf haben, einen sichern 96 [den … Tagen] am linken Rand 3635. Überlieferung: D: Die Gartenlaube, Jg. 1874, Nr. 7, S. 119. Der Druck ist folgendermaßen eingeleitet: „Nachstehender Brief, welcher – leider ohne Datum – durch die Güte einer entfernten Verwandten des großen Theologen in unsere Hände gelangte, stammt nachweislich aus der zweiten Hälfte der zweiten oder aus der ersten des dritten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts und wurde von Schleiermacher an einen ihm verschwägerten jungen Theologen gerichtet. Zum Verständnisse des Briefes schicken wir voran, daß der Adressat, welcher sich später um das praktische Schulwesen Preußens ein hervorragendes Verdienst erworben hat, gerade um jene Zeit glücklicher Bräutigam geworden war. Zum Abdrucke des bisher noch nicht veröffentlichten Briefes veranlaßte uns der in demselben enthaltene schöne und echt männliche Ausspruch Schleiermacher’s über die Berufserfüllung des Mannes und seine davon auch innerlich abhängige Stellung zum weiblichen Herzen.“ Es muss sich um Adolf Friedrich Furchau handeln, den späteren Pastor und Schulrat. Schleiermachers Ausführungen über den Beruf des Mannes antworten auf Furchaus Brief vom 7. 1. 1811 und werden von Furchau am 22. 5. 1811 beantwortet; die zeitliche Angabe des Drucks (zwischen 1815 und 1825) muss also korrigiert werden.

100

Briefe 3635–3636

Antheil am gemeinsamen Leben und Wirken, den er nicht nur betreibt um des Lebens willen, oder weil es so sein muß, oder untergeordnet neben und hinter einer andern Liebe her, sondern so ganz aus voller Seele, daß dieser Beruf sich nichts Anderem unterordnet, sondern alles Andere nur verschmilzt und aufnimmt. Ohne dies können auch die treuesten und reinsten Verhältnisse der Freundschaft und Liebe uns nicht ganz zufrieden stellen, ja, sie können nicht einmal bestehen; die Gefühle stumpfen sich ab oder nehmen einen weichlichen Charakter an, bei dem wir dann auch des weiblichen Herzens nicht recht werth sind, welches immer diesen Enthusiasmus an uns über alles Andere schätzt, weil es nur so durch uns unmittelbar mit der ganzen Welt zusammenhängt. Ich wollte, Sie hätten mir darüber ein Wort gesagt, welches Ziel Sie sich in dieser Hinsicht für Ihr Leben gesteckt haben, und welches der Gegenstand Ihrer Bestrebungen und Ihres Eifers ist – oder wenn Ihnen darin die volle Klarheit und Wahrheit noch fehlt, so möchte ich Ihnen durch meine Worte einen Stachel einsetzen können, der Ihnen nicht Ruhe ließ, bis Sie auch Das gefunden hätten. – Sehen Sie darin nur die thätige und lebendige Hinneigung meines Herzens, und lassen Sie uns schon immer vorläufig näher bekannt werden, bis eine günstige Zeit uns zusammenführt.

20

25

30

3636. Von Adolf Friedrich Furchau. Götemitz, Mittwoch, 22. 5. 1811 Götemitz den 22st May 1811 Durch manche Worte Ihres Briefes, hochgeschätzter Mann, werd ich erschreckt, wie wenn man, innerlich mit sich selbst beschäftiget, unversehens in einen Spiegel sieht und sein Bild erkennt. Gerade das was Sie mir von dem Berufe des Mannes sagen habe ich mir – auch in dieser Zeit, oft vorgehalten, ohne sicher zu wissen was davon mein besondrer Theil seyn würde, ohne bisjetzt mit voller Sicherheit wählen und angreifen zu können. Ich habe wohl manchmahl recht im Ernste geträumt in einem heiligen Berufe für Menschheit und Vaterland zu seyn, wenn ich doch eigentlich nur in meinen Gefühlen lebte, und mich selbst allein darin befriedigte, mich wohl zu tief in mich selbst hinein, von Geschäft und Arbeit weg verlor: und ich glaubte darin, nach dem Erwachen vielleicht oft schon etwas gethan zu haben, wenn ich mich recht in 3636.

Überlieferung: H: BBAW, SN 286, Bl. 4 f.

5

10

Vor dem 22. 5. 1811–22. 5. 1811

15

20

25

30

35

40

45

50

101

das Leben und sein Treiben hinein werfen wollte. Aber ein solcher Wechsel des Gemüths und des Lebens tödtet | die Stille den Ernst und das leise ruhige Wirken des höchsten Berufs: das fühle ich erst jetzt recht. Welchen Stand des Lebens ich mir gewählt habe wissen Sie; und was es heißt darin mit ganzer Seele eifrig und glücklich seyn – was ich erst geahndet habe – das wissen Sie vor allen. Gewiß es könnte das genung, völlig genung seyn; aber es bleibt wohl noch Zeit und Rath zu einem anderen, wenn auch nicht höheren doch weiteren Berufe: und wie ich in diesen hinein soll, ob ich hinein soll, von welcher Seite zu welchem Zwecke, ob ich es könne, und müsse, und dürfe, – das ist es, worüber ich, wenn je, gerade in dieser Zeit eins – völlig eins werde mit mir, worüber Sie Rechenschaft von mir fordern. In dem, wozu mich vor allem, Herz und Sinn treiben ist es aber schwer es von sich selbst zu erfahren, ob man würdig sey, – ob mancher Hauch manche Bewegung der Seele werth sey, Hauch und Seele der Welt zu werden, durch Zeit und Leben zu gehen? Doch soll ich es erfahren, soll, was ich | erfuhr, sich bestätigen, soll es fest und ewig sich in mir gestalten, und soll ich fest und sicher darin bleiben darin mein ganzes Leben, wirken, sinnen und denken als in einem schönen heiligen Berufe so kann mir das nur gewiß und heilig überzeugend werden, durch das Glück und die Gunst dieser Zeit, durch mein innerstes geheimstes Schicksal Das ist, ich fühl es ganz gewiß, der einzige, der schöne Weg für mich zu Gewißheit zu Kraft und Vollendung, wie in vielen andren so vor allem in diesem Herrlichen und Hohen. So werd ich finden – o so hab ich gefunden – wonach zu ringen mir nach anderer Arbeit und That – Frevel und Verderben ist. So werden [diese] mir aber auch feststehen im klaren reinen Grunde, und über das mag das Leben dann hingehen, wie die Wolke hinspielt über den Grund der sie hält. Ich habe manchmahl in manchen Dingen die Mühe gescheut, ich gestehe es Ihnen gerne: in dem was zu lernen war ward es mir schwer immer festzuhalten an dem fortgehenden und ununterbrochnen | ich habe oft der Kürze wegen die ganze Masse mit einem mahle nehmen wollen – und darüber nichts gefaßt oder mich überhoben – das alles sind Fehler, böse Fehler und Verderben wenn sie einwurzeln – die von Grund aus den Mann entehren – aber gewiß ich werde von allem Bösen rein, und werde es immer mehr und mehr, je mehr ich es in mir erkenne, und strafe: – je tiefer die Stille und Milde in mich dringt in der ich athme und lebe. Es giebt noch einen Beruf des Mannes, vor allem dessen der noch weniger durch Pflichten und Sorgen für andere, die ohne ihn nicht fort-

4v

5

5v

102

Briefe 3636–3638

kommen können, – festgebunden ist an die Verhältnisse, an der Stelle in der er einmahl steht – einen Beruf den das Schicksal vielleicht einmahl dringender fordert – auch auf diesen bin ich gerüstet, wie man es im Voraus seyn kann und muß. Ich habe zu Ihnen gesprochen wie es mir mein Herz eingab: und ich bin gewiß Sie erwiedern auch diesmahl mein Vertrauen wie groß Sie es schon thaten. Leben Sie recht wohl Fr Furchau

55

60

3637. Von Friedrich Frommann. Leipzig, Freitag, 24. 5. 1811

15v

Leipzig 1811. 24./V. Ihre beyden freundschaftlichen Briefe vom Maerz und Aprill, habe ich mein theurer Freund richtig erhalten und dancke Ihnen dafür verbindlichst. Es ist ein Trost in dieser Zeit im Andenken verEhrter Männer nicht ganz unterzugehen. Sie erhalten durch unsern gemeinschaftlichen Freund Reimer hierbey ein Duzzend guter Abdrücke Ihres Bildes und mit Fuhre auch die Kiste mit der Zeichnung zurück. Was die Ähnlichkeit anbetrift, so fand ich sie wirklich nicht die gröste schon in der Zeichnung und wünsche nur daß Sie nun nicht finden mögen daß sie im Kupfer noch verlohren. Ihren Beytrag zum Magazin, für den ich herzlich dancke, habe ich Loeffler sogleich gesandt. Der Druck des nächsten Stücks hat aber noch nicht angehen koennen, haben Sie allso noch Zeit und Lust zu dem andern Aufsaz so soll er uns sehr angenehm seyn, wenn Sie ihn uns bald senden. Ihre Universität macht in Breslau schon einen Ableger? Und wie ich höre sollen Steffens und Raumer auch dahin gehen? Des ersten unerwarteter Besuch hier, war mir eine sehr erfreuliche Erscheinung, in dieser Meße besonders | wo man nur lange und von Unmuth und Sorgen gefurchte Gesichter sah. Zur Ankunft und fröhlichen Gedeihen von mir und meiner Hausehre (schon von Haus mitgebracht) die herzlichsten Glükwünsche. Es ist ein eigenes Wesen um die ersten Vaterfreuden und wenn sie auch einige Zeit rauben, so haben sie doch auch viel erhebendes und belehrendes. 3637.

Überlieferung: H: BBAW, SN 284, Bl. 15.

5

10

15

20

22. 5.–vor dem 2. 5. 1811 25

30

103

Vom Elend dieser Meße will ich Ihnen lieber nichts schreiben, da Sie genung davon hören werden; so sehr es mich auch ganz vorzüglich neben mehrern Neben Umständen trift. Sie muß eine totale Revolution auf dem Buchhandel hervorbringen. Leben Sie recht wohl und heiterer als ich es leider in solcher Lage kann. Die herzlichsten Empfehlungen an Sie und die lieben Ihrigen. Ihr ganz eigner Fr Frommann

3638. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 29. 5. 1811

5

10

15

20

[…] recht nach Lotten Art wird diese Epistel – ich lebe aber der guten Hofnung es ist dir alles lieb was ich dir von meinem Wesen und dem was mich einigermaßen berührt mittheile – würdigest Du wie sonst große und kleine Blätter aufzuheben – so hast Du auch in diesem Jahre schon eine ganze Samlung – auch mit unter Klagelieder; daß ich nichts ordentliches von dir höre und keine Predigt von Dir zu lesen bekomme – überhaupt auch gerne wüste was Du außer dem plato schreibst – wegen dem nach Berlin komen – welches ich auch dann nur erst will wenn mein kleines Pathchen plaudert in einem andern Briefe ausführlicher – jezt noch mehr von meinem Beginnen – ich war seit einigen Wochen in 2 verschiedenen Confirmationen unsrer LandPrediger – (du weist daß es darin bey Uns nicht nur an Feyerlichkeit gewiß auch an Gründlichkeit fehlt) in Dirsdorf bey Reiber wo 9 unsrer pensionairs – und in Wilke – wo eine unsrer Adelichen die nicht zur Gemeine gehört confirmirt wurde – Fikers den ich schon längst gewünscht zu hören predigte auch – wiederholte dem Mädchen | auf eine äußerst herzliche Weise was er ihr die Zeit des Unterrichts – fürs ganze Leben – zur beständigen Andacht und Prüfung gegeben – es war zwar länger als mann gewünscht weil das gute Mädchen die ganze Zeit stehen muste – aber doch sonst nichts zu wünschen übrig – gar nicht mit j e n e m zu vergleichen – der viel nimbus viel hochtönige Worte – und Lob auf unsre Anstalt machte – sinliches genug zu rühren – aber nichts 3638. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/26, Bl. 17. Zur Datierung: Die Konfirmationen lassen den Frühling vermuten, die Erwähnung des Patchens, das noch nicht spricht, und die neuen Würden Schleiermachers das Jahr 1811. Da Charlotte Schleiermacher dem Bruder zwischen dem 4.4. und 14.5. und zwischen dem 29.5. und dem Brief vor dem 28.6. keinen Brief schrieb, ist der Zeitraum zwischen dem 15.5. und dem 28.5. anzunehmen.

17v

104

Briefe 3638–3640

reales – als was mir am besten gefiel – das zwekmäßigste aus dem Hohenpriesterlichen Gebet. Bey Gelegenheit einer Begleitung unsres pensionairs nach Reichenbach mit Fremden – lernte ich einige Berlinerinen kennen – die auch von Dir wusten – der Einen habe ich einen Brief für Nany mitgegeben aber an Dich adressirt – der wohl erst nach mehreren Wochen anlangen wirdt. Hausleutners bey denen ich ein Viertelstündchen war – grüßen herzlich – Sie bey jedem Titel besonders – Er – ganz erstaunt was aus dir geworden – machte stumme Verbeugungen es war comisch! Grüße Alle groß und klein herzlich von Deiner für Dich sehr besorgten Lotte

25

30

[…] beide parthien machte nicht mehr als 15 sg Münze. Fr. ÐMotÑ hat unsern Vater gekant – und geschäzt –

3639. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Mittwoch, 29. 5. 1811

13v

14

Gdfr d 29t May 1811 Den Brief an Louisen kann ich nicht abgehen laßen, ohne noch einige Worte mit Dir zu reden mein Lieber, was ich von Dir geschrieben habe – wirst Du wohl hören – in dem, examen, der mich immer sehr an Breslau erinnert – habe ich Deiner sehr viel in d e m Sinne gedacht – da einige unsrer Zöglinge – große und kleine recht artige und schöne Arien sangen – vorzüglich des bekanten Oswalds Tochter die sehr viel natürliches genie zur music hat – sang ein recitatif aus dem Tode Jesu – dann die Arie so stehet ein Berg Gottes – Andre sangen modetten – | und eine Andre, aus der Marie Stuardt – Dank – Dank, diesen freundlich grünen Bäumen – auch ließ sich E i n e die du gewiß sehr liebenswürdig finden würdest auf der guitarre hören – in den größeren – als auch in der ganz kleinen Stube – denke ich deiner recht oft – die Gespräche – Gedichte und parable von Krummacher die sie ganz gut declamiert haben – würdest Du vielleicht auch mit deinem Beyfall gekrönet haben – Cröger hielt einen zwar schönen aber sehr sehr kurzen religions Examen – – seine Predigten | werden immer schöner – das neueste was ich dir melden kann ist, daß Dober 33 beide … Münze.] am linken Rand von Bl. 17 Bl. 17v 3639. Willich.

34 Fr. … geschäzt –] am linken Rand von

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/12, Bl. 13 f.

Mit einem Brief an Luise von

5

10

15

Mai 1811

20

25

30

35

105

einen Ruf an die UnitätsAeltestenConferenz erhalten daher wir in großer Spanung wer seinen Platz hier ausfüllen wird – vielleicht komt der gute Loskiel wieder her – was vielen sehr lieb und noch mehreren sehr unlieb wäre – wie das immer ist – daß große und herrliche Männer auch sehr verkant werden – wenn sie auch keine monolo- und religuöse Reden schreiben – – nichts für ungut daß Belvizes von Berlin seit Februar – bey Uns sind wirst Du wohl wißen – als Vorsteher | sie haben 2 kleine liebe Mädchens denen ich einige Stunden privat im Französischen gebe – – etwas recht unreligiöses werde ich – Morgen beginnen – grade zu den PfingstFeyertagen einmahl nach Stein reisen – wo ich seit 16 Jahren nicht war – als wir Uns dort sahen – die Stegmann ist unterdeßen GroßMutter geworden – da werde ich denn ihre ganze große Familie sehen – mich etwas von meinen vielen Geschäften erholen, und FreyTag nach den Feyertagen wieder hier sein – – Sonnabend haben wir dann AbendMahl – das habe ich doch – die ganze Zeit Deiner Verheirathung nicht, vorher, erfahren wenn Du mit den Deinen diesen Genuß hast um mit meinen Geist mich an Euch anschließen zu könen dis gehört auch unter so vieles schmerzliches Entbehren Deiner Lotte

3640. Von Simand. Mai 1811 […] ergebenster Diener ÐSimandÑ Mühlen-Damm Nro 30. 5

[Ma]y 1811

31 f das … Verheirathung] mit Einfügungszeichen am linken Rand von Bl. 13 32–35 nicht, … Lotte] vom linken Rand von Bl. 13 v auf den linken Rand von Bl. 14 und Bl. 14v überlaufend 3640. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 4v. Stunde der Dialektik 1811 (KGA II/10.1, S. 35 f.).

Rückseite eines Zettels zur 15.

14v

106

Briefe 3641–3642

*3641. An Henrich Steffens. Vor dem 1. 6. 1811 Über seine Magenkrämpfe.

3642. Von Henrich Steffens. Halle, Sonnabend, 1. 6. 1811 Hrn / Dr. und Professor Schleiermacher / Wohlgebohr / Berlin / Realschulbuchhandlung [Bl. 60v] Halle d. 1. Junii. 1811 Lieber Schleiermacher! Das ist ja recht fatal, dass du noch immer an Magenschmerzen leidest. Ich weiss was es für eine Qual ist. Meine Krankheit erhielt ich auf eine Fussreise nach Jena. Es war ein kalter, stürmischer Tag, und ich gieng bis Naumburg in beständigen Schneegestöber – Jetzt aber haben mich die Magenschmerzen ganz verlassen. Nur muss ich mich sehr in Acht nehmen, und darf besonders keine lange Fussreisen machen, was mich allerdings etwas genirt. Ich will hoffen, dass auch deine Krankheit bald vorbei ist. Dein Recept habe ich leider in verwichenem Herbst ziemlich lange ohne Erfolg benuzt, es ward mir durch Caroline mitgetheilt. Schuckmann hat mich wissen lassen, dass es ganz von mir abhienge, ob ich nach Breslau gehen wollte. Er hat mich dabei dasselbe angebothen, was [ich] in Berlin haben würde (1500 Rtlr) und ausdrücklich gesagt, dass meine Anstellung in Berlin noch mit Schwierigkeiten verbunden wære – Kannst du mir verdenken, wenn ich endlich alles Zutrauen zu einer Anstellung in Berlin verloren habe? Soll ich die sichere Aussicht, eine doch nicht unangenehme Anstellung zu erhalten, aufgeben, um noch immer fort, die so oft getäuschte Hofnung zu verfolgen – Ich kann mich nicht dazu entschliessen. Ich habe, auf die bestimmte Versicherung fussend, an Schuckmann geschrieben, und ihm gesagt, dass ich zwar lieber nach Berlin gienge, doch auch, wenn die geringste Schwierigkeit meine Anstellung dort verhinderte, oder auch nur verzögerte, mit Freuden nach Breslau. Ich weiss wohl, dass Berlin für meine wissenschaftliche Unter*3641.

Erschlossen aus Brief 3642, Z. 4 f. vom 1. 6. 1811.

3642. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 59 f.; D: Schmidt: Stationen einer Freundschaft, S. 48 (Zitat) 4 Das] Dass

5

10

15

20

25

Vor dem 1. 6.–1. 6. 1811

30

35

40

45

50

55

60

107

nehmung günstiger wære. Aber warum alle Hofnung für die Zukunft aufgeben. Es ist von momentaner Hülfe die Rede – Ich rette mich lieber auf ein Brett, als dass ich in Hofnung auf ein Schiff, ertrinken sollte – Und oekonomisch ist Breslau mir offenbar vortheilhafter – Ihr seid alle reiche Leute, alle meine Freunde können dreimahl so viel verzehren wie ich, und entweder würdet ihr mir zu Ausgaben verleiten, oder ich führe | ein trauriges zurückgezogenes Leben. Ad interim also nehme [ich] die Anstellung in Breslau an. Ich bin stolz genug zu glauben, dass meine Vorlesungen in Breslau, unter günstigere Umstände gehalten, mit den Erfahrungen als Docent, die ich gesammelt habe, einen vortheilhaften Eindruck machen werden. Ich habe zwar den Ruf noch nicht, aber du kannst mich glauben, wie fröhlich mich die Hofnung einer baldigen Errettung, stimmt. Ach! die einzige Freude, die ich seit Jahren erlebte – So ungewohnt ist sie mir, dass sie mit einem geheimen Schauder, einer innern tiefen Angst begleitet ist, als traute ich mein Glück nicht mehr. Nein! – du hast keine Idee von diesem furchtbaren Leben. Aber der Mensch kann vieles ertragen. Ich werde suchen Meckel nach Breslau zu bringen. Er ist ein herrlicher Mensch, mit einen grossen Eifer für sein Fach, offenbar jetzt in Deutschland einer der besten Anatomen, dabei seltene Kenntnisse in der comparativen Anatomie, die jetzt so selten sind. Er würde eine schöne Sammlung mitbringen, und würde eine andere wichtige kaufen, wenn er berufen würde – Ich habe gehört, dass du mit ihm unzufrieden wærst, weil er die Vocation nach Königsberg ausschlug. Du hast Unrecht, lieber Schleiermacher! Ich weiss, wie [es] zusammenhängt, Reil allein war Schuld daran. Er hatte schon damals die Idee nach Berlin zu kommen, und hielt ihm hier fest, mit der Versicherung, dass er ihm, wie Horkel und mich, nach Berlin ziehen würde – In dieser Hofnung blieb er hier – Ich darf mich nicht deutlicher äussern – Nun! ich hoffe zu Gott, dass wir uns bald sehen, du begreifst kaum, wie sehr ich mich darnach sehne – Grüss deine Frau von mir und Hanne – Auch Caroline, Schede, und Nanny, so wie Harscher bitte ich zu grüssen – Stuhr hat die Erlaubniss zu lesen nicht erhalten – Auch ich würde sie ihm verweigert haben. Steffens Den guten Reimer habe [ich] in Leipzig besucht.

32 verleiten] verleitet

59v

108

Briefe 3643–3645

3643. Von Karl Friedrich Klischnig. Berlin, Anfang Juni 1811 oder früher [Sie werden] gütigst verzeihen, | wenn ein Mann, | […], vielleicht auch al|s S c h r i f t s t e l l e r | […] [a]us M o r i t z Leben des | A n t o n R e i s e r 5ter Theil | [Salomon] M a i m o n s Leben, [Blumen und] B l ü t h e n und mehre|re andre Schriften | […]ten wird, sich, im | Vertrauen auf | […] [an] Sie wendet. [Zur Zeit] liege ich an den Fo|lgen eines Ner|[venfiebers wodurch] ich während dieser | langwierigen | […] durch litterarische | Arbeiten zu | […]n bin; so leide | ich Mangel an | […]ssen des Lebens. […]nteux es wagen, | Sie in dieser | [Sache um Unter]stützung zu bitt|en? | [Ihrer] Güte dankbar verpf|lichtet bleibe | Ihr ganz ergebe|nster Diener | der expedire|nde Secretair | Klisc|hnig | von ehemalige|n Manufactur und | Commerz | Collegio | Mohren|straße No 58. […] schlagen […] Schwäche

3644. Von Unbekannt. Anfang Juni 1811 oder früher […] habe ich die Ehre den Lektionsplan zu überschicken und die Lehranstalt Ihrer ferneren gütigen Fürsorge gehorsamst zu empfehlen.

3643. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 10v. 7v. 11v. 12v. Rückseite von Zetteln zur Dialektik 1811, 18. und 21.–23. Stunde (KGA II/10, 1, S. 38–43). 3644. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 17v. Stunde der Dialektik 1811 (8.6., KGA II/10.1, S. 48 f.)

Rückseite eines Zettels zur 28.

5

10

15

Anfang Juni–10. 6. 1811

109

3645. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 10. 6. 1811

5

10

15

20

25

30

35

Breslau, den 10 Jun, 1811. Schon wieder werde ich dringend gebeten, dem Ueberbringer dieses einige Zeilen an Sie mitzugeben. Diesmahl aber schelten Sie nur nicht, liebster Freund, denn das verdiene ich nicht. Der junge Mann, den Sie vor Sich sehen, ist der Gerichts-Assessor Kunowski aus Schweidnitz, seines Gewerbes zwar ein Jurist, dabei aber ein tüchtiger Mineralog, ein treflicher Kopf und ein Mensch von einem reinen Gemüth. Er wird wohl ein Jahr in Berlin bleiben und sehr glükklich können Sie ihn machen, wenn Sie mahl ein Stündchen beim Thee mit ihm verplaudern und ihm Gelegenheit verschaffen, mit Männern [sich] bekannt zu machen, die ihm für sein Lieblingsfach nüzlich werden können. Er kennt das Schlesische Gebirge sehr genau und hat es im rechten Sinn bereist, er ist ein fleißiger Leser von Steffens Schriften und zu dem allen von einer recht tüchtigen Gesinnung. Mehr brauche ich zu seiner Empfehlung nicht zu sagen, Sie werden das Gute selbst an ihm finden. Meine Frau ist seit 10 Tagen in Landek, wohin ich sie gebracht und wo ich auch die Pfingsttage sehr angenehm verlebt habe. | Noch nie hat mich eine Reise so erfreut, als diese. Das Schlesien ist doch ein herrliches Land und besonders hat die Grafschaft Glaz einen Eindrukk auf mich gemacht, den ich nicht vergeßen werde. Ich kann es in dem engen Breslau gar nicht aushalten und habe eine kleine Gartenwohnung vor dem Thore bezogen, wo ich wenigstens die Morgen und Abende dieses herrlichen Sommers auf einige Monathe und mit Ihren Grundlinien, die ich von neuem studiren will, mit dem Neuen Testament und einigen Dialogen des Platon angenehm und nüzlich zu verleben denke. Die Geschäfte werden in der Stadt abgemacht, wo ich mit Bredow zusammenlebe. So denke ich ja, wird mir die Zeit der Strohwittwerschaft noch erträglich werden. Mit der Einrichtung der Universität geht es hier Orts ziemlich langsam und Bredows Treiben macht die Leute wenig rascher. Wie weit man in Berlin mit der Berufung neuer Lehrer ist, weiß ich auch nicht und so fürchte ich fast, daß die Anstalt anfangs wenigstens in einer dürftigen Gestalt auftreten wird. Am meisten besorge ich dies fast von der theologischen Fakultät, denn noch ist mir keiner genannt, den ich als wünschenswerth und tüchtig, der erste zu sein, ansehen kann. Könnten und wollten | Sie Sich doch herschikken laßen! – Eine andre Unannehmlich3645.

Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 72 f.

72v

73

110

Briefe 3645–3647

keit, die uns alle trift, ist die unerwartete Erhebung Maßows zum ChefPräsidenten beider Schlesischer Regierungen, die bei allen Gutdenkenden eine üble Sensation gemacht hat. Und sollte er gar, wie Auerswald in Königsberg, mit der Universität in Verbindung kommen, so steht zu besorgen, daß die ganze schöne Idee, eine solche Anstalt hier zu errichten, sehr verhunzt werden wird. Thun Sie, was Sie können, dies beim Departement zu verhüten. Soll die Universität einen Canzler haben, so ernenne man Merkel dazu; dies wäre seinen Kentnißen und seiner Gesinnung angemeßen und erhielte ihn vielleicht im Dienst, den er sonst wahrscheinlich und zum unvermeidlichen Nachtheil der Provinz verlaßen wird. Heindorff hat mir aufgetragen, ihm eine Wohnung zu miethen. Grüßen Sie ihn freundlich und sagen Sie ihm, ich würde seinen Auftrag besorgen, nur müße er davon abstehen, nur eine Treppe hoch zu wohnen. Ich werde ihm schreiben, so bald ich etwas bestimmtes berichten kann. Viele Grüße an die Ihrigen und an Reimers. Leben Sie wohl, theuerster Freund und behalten Sie mich lieb. Gaß.

40

45

50

3646. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Montag, 17. 6. 1811 Die Einlage lieber Freund würde sich zu unförmlich machen auf der Post. Diese Worte sind bloße Zugabe; einen ausführlicheren Brief erhalten Sie sobald ich ein Paar freiere Tage habe – nemlich freier von dem fatalen Magenkrampf den ich noch immer nicht los werden kann, und der mir jezt durch Schmerz und Baden und Brunnentrinken soviel Zeit wegnimmt daß am Plato gar nichts und auch für meine beiden theologischen Collegien nur in besseren Tagen dann und wann etwas neues geschieht, so daß mir das halbe Jahr schändlich verloren geht – zur gerechten Strafe für so viele Zeit wo ich in bester Gesundheit und Muße ungleich weniger gethan habe als ich konnte und sollte. Wir haben Wunsters auch Manon gezeigt damit er sich persönlich von Euch kann ausfragen lassen. – ihr Kind habe ich leider selbst noch nicht gesehn. 3646. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Autographen-Sammlung, Schleiermacher; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 88. Mit einer Einlage (Schleiermachers Portrait in Kupfer). Die Datierung ergibt sich aus dem erwähnten Tod Spaldings am 7. 6. 11. Der Druck datiert fälschlich auf den 17. 1. 1811.

5

10

10. 6.– vor dem 28. 6. 1811

15

20

25

111

Unsern großen Verlust kennen Sie | schon. Wir sind sehr schmerzlich dadurch betrübt und das arme Gymnasium fürchte ich geht ganz unter. Jeder Mensch hat auch seine eigne Art zu sterben. Für Spalding ist diese gewiß die schönste und wahre gewesen. Den Stich hat Frommann für das Löflersche Magazin besorgt. Sie kennen die Zeichnung wonach er gemacht ist, aber die Aehnlichkeit hat wol hier noch etwas verloren; indeß wollte ich Ihnen doch ein Exemplar nicht vorenthalten. Die Meinigen grüßen aufs herzlichste und wie gesagt nächstens mehr. Von Herzen der Ihrige Schleiermacher B. d 17t. Jun. 11.

3647. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 28. 6. 1811

5

10

15

Recht angenehm hast Du mich mein Lieber auf diesem Wege mit Deiner liebevollen Unterstüzung überrascht – die mir grade zu recht kamm – schon war der erste Thaler geborgt zum morgenden Kostgeld1 – Dank Dir herzlichen Dank und Gottes Seegen über und mit Dir – Er regire doch die Aerzte – ein heilsames Mittel auszufinden für dein Uebel – oft habe ich dich in meinen vorigen Briefen gefragt ob Du keine Krampflavements bekomst kein Pflaster? nach Ostern habe ich sehr ernstlich brauchen müßen unter andern gab mir Zembsch ein Pflaster welches mir sehr gut gethan hat – so auch das innre welches mir einen starken sehr d i k e n Schnupfen bewirkte – Seitdem bin ich fortdauernd wohl – Gott erhalte mir’s – denn ich habe sehr viel zu thun – wenn die Schuhmann zurükkomt – welche jezt in Neuwied ist – wird meine Arbeit wieder etwas abnehmen – ich gebe auch jezt wieder Unterricht im Französischen nächst der Geographie und Geschichte – und ortographie ich weiß nicht, ob ich Dir geschrieben – daß ich Belvizes Töchter die von Berlin als Vorstehers dieses Jahr hergekommen privatim im französischen unterrichte – Sie eine äußerst liebenswürdige unterrichtete Frau – ehemals Lehrerinn in einer unsrer Anstalten – hatte am examen besonders | viel Freude mit mir da 3647. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/26, Bl. 27 f. Der Brief sieht auf Brief 3647 vom 29. 5. 1811 als den letzten und auf das Quartal zurück, ist also in den Juni 1811 kurz vor den Brief 3648 vom 28.6. zu datieren.

27v

112

28

28v

Briefe 3647–3648

ich in der Geschichte und Geographie die Kinder selbst fragen muste (ehe ich zur Seidliz gieng habe ich es schon gethan und es schien mir diesesmahl besonders schwer da ich erst kürzlich den Unterricht, nicht einmahl in allen Stuben angefangen hatte) es ist aber zur Zufriedenheit Aller ausgefallen – vielleicht erregt es eine Erschütterung Deines Zwergfelles wenn ich Dir die verschiednen Arten des Lobes mittheile – die mir noch heut lächerlich sind. Schilden welche neben mir saß: vous avez tre`s bien fait, on ne peut plus desirer d’une femme – Julchen die Pflegerin auf der andern Seite: Du hast dein Stükel gut gemacht – eine andre gute Schwester die in Breslau manchen examen und Kirchliche Prüfungen mit beigewohnt – nahm mich mit in ihre Stube, versicherte mich: wer Dich tadeln oder höhnen will versteht gar nichts – mancher Pfarrer würde nicht so viel contenance haben alles auszuführen – so weiter – eine Andre die gar nicht zugegen war – unsre liebenswürdige Vorsteherin meinte – bey Gelegenheit: Die dreiste Anrede vor | der ganzen zahlreichen Geselschaft: die Kinder wurden gebeten laut und ungezwungen zu antworten – sich durch nichts stöhren laßen – auch nicht durch vorkomende Fehler – welches ich einigemahl da es Noth that wiederhohlte, spreche schon für das Ganze. Von den musicalischen Stüken welche abgesungen wurden habe ich so viel ich weiß in meinem lezten geschrieben, ob Du mir schon nicht darauf antwortest – so will ich glauben, daß es Dir lieb war – auch jetzt lieb ist – wenn ich dir was von meinem gemachten Besuch in Stein erzähle wie ich denn überhaupt dieses Jahr mobiler bin als zuvor. In Stein giebt es keine besondre Spaziergänge oder NaturSchönheiten – sondern das Leben mit meiner Freundin ihren Kindern vorzüglich die Gegenwart ihrer beiden Schwestern aus Breslau – von denen ich die Wunstern nehmlich des weilands Hofrath – seit meinem 13 Jahre nicht gesehn erhöhte die Freuden meines Auffenthalts – wir hatten uns auch nie geschrieben – ich war daher in großer Spannung – wie das Verhältniß mit dieser durch harte Schiksale sehr geprüften – originellen – und für Breslau, sehr gelehrten Frau seyn würde – sie kam mir gleich sehr liebevoll zuvor ob wir schon den 1 Abend wenig Worte mit einander wechselten merkte ich doch daß die Trefliche viel auf dem Herzen für mich hätte – den andern Nachmittag da wir einen | von dort [der] auf einem andern Guthe wohnt – und wir uns wechselsweise aus der heißen WochenStube flüchteten – trafen wir zusammen – v i e l wuste sie von Dir, von Deinen Schriften ja auch von Deinen j e z i g e n Predigten, deren sie zuweilen durch eine Madame Busch welche dort deine Verehrerin ist – abgeschrieben zu lesen bekomt – jene 26 on] one

20

25

30

35

40

45

50

55

Vor dem 28. 6.–28. 6. 1811

60

65

70

erhält sie von ihrer Schwester – die in Berlin ich möchte sagen deine Anbeterin ist! Die Wunstern grüst dich herzlich, und bittet dich recht sehr es immer recht angelegentlich vor Augen zu haben welche große Autoritaet Du bist – wieviel gutes Du schaffen kanst; noch vielmehr sagte die herrliche Frau was ich hier nicht alles wiederholen kann und will alles mit so viel Sanftmuth und wahrer Herzlichkeit – wir haben Uns sehr genähert bey aller meiner Lebhaftigkeit. Vieles hat sie in mir gewekt nehmlich an Betracht des Lesens – auf eine ähnliche Art wie Du 1803 – doch wieder im andern Sinn – denn ich lese fast gar nicht – und alles in einer andern Ansicht – noch, nie, habe ich erkant wie jezt daß ich auf der niedrigsten Stufe des Wißens stehe, in dem was ich lehren soll und wie ichs lehren soll – was mir auch die Menschen schmeichelhaftes sagen – Du kanst also denken wie heilsam und wie belehrend – mir […] noch ist zu melden das Loskiel wirklich hieher komt – wan weiß mann noch nicht – ich freue mich darauf – kenst Du ihn Persönlich? 1

75

80

113

Für Wäsche 3 rthr Coffee Zuker 3 rthr Apotheke halbjährig 3 – Papier Feder schneiden S i e g e l l a k halbjährig 1 – 15 sg für Baumwolle und allerley nähen 3. Schuld vom vorigen Vierteljahr 1 rth – Postgeld – 1 rthr 15 sg – Kleine Fuhren. Steiner Kutscher Trinkgeld 1 rthr kleine Vergnügungen 1 rthr S u m m a 1 8 t h M ü n z e Das D e i n i g e muß nun das Virteljahr langen die Wöchentliche Abgaben nebst Kostgeld zu bezahlen – ganz ists unmöglich da helfen mir nun die privat Stunden bey einer SchwiegerTochter der Stegman – die nicht weit. Die Vergnügungen betrefen GeburtsTage in meiner Stube. Verzeihe die Berechnung meines dismahligen Vierteljährgen Verdienstes aus der Anstalt es war mir sehr angenehm

3648. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Freitag, 28. 6. 1811 Gdfr d 28 Jun 1811 Da ich immer ahnde wie lieb es Dir noch ist manchmahl etwas von unsern Veränderungen in der Gemeine zu hören – so dient folgendes zur Nachricht: Von den Vätern der alten Zeit wie Du in Nisky warest – leben 70 f noch … Persönlich?] am linken Rand von Bl. 28 72–81 Für … angenehm] vom linken Rand auf den unteren Rand von Bl. 27, auf den linken und den unteren Rand von Bl. 27v und den oberen Rand von Bl. 27 überlaufend 78 Stegmann] folgt 〈〈machten〉〉 3648.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/24, Bl. 28 f.

114

28v

29

29v

Briefe 3648–3651

nur noch Quandt Geisler und Rissler – lezterer ist schon einige 90 und auch schon eingesegnet – von Wateville hat ganz kürzlich der Schlag gerührt diese Stelle muß also wieder besezt werden – der andern Pläze Sternberg Reichel Duevernoy Liebisch sind nach und nach wieder ergänzt indeß da Fabricius derer eine bekleiden soll – und erst im FrühJahr von Holland abreist – kan sich manches – durch folgende Ereigniße noch ändern | Scheudens die wie Du weist von hier nach Neusalz giengen um Croeger abzulösen haben einen Ruf nach Cristiansfeld bekomen wo Treschos sind – welche die Fabriciuss ablösen – nach Neusalz ist ein gewißer Wunderling verheiratet – da nun aber Bruder Gregor ein Sohn des Alten aus der UnitätsAeltestenConferenz – aus Sarepta vorgen Herbst nach Herrnhut gekomen – jezt auch plözlich vom Schlage gerührt worden können die Schiksale aller derer die noch nicht unterweges noch geändert werden – dazu | komt noch – daß Bruder Losquil der seit 9 Jahren in Ameriqua war zurükberufen worden – wahrscheinlich aber doch im geistlichen nicht ausruhen wird – wenn Er auch dort vielleicht im äußern einige Vorgriffe gethan hat – wie wolte ich mich freuen wenn ich diesen Mann wieder einmahl sprechen – und seinen Vortrag hören könte – der junge Anders den Du wohl auch gekant hast der zulezt in Altona an Kohlreifs Stelle war – ist jezt in Petersburg. | ich weiß nicht ob du aus diesem crusi muri den rechten Sinn herausbekomst – vielleicht ist alle Mühe vergeblich wenn Du vielleicht mit einem deiner alten Freunde Briefe wechselst – lange könte ich noch mit dir plaudern – doch ich will dich nicht lange quälen dis ist genug mich dir wieder ins Gedächtniß zu bringen – doch du Guter denkst meiner wohl doch oft – auch bey deinen VaterFreuden – noch eins – von Breslau her habe ich gehört Du würdest diesen Sommer dort besuchen – dann hette ich ja auch auf ein Wiedersehn mit dir zu hoffen – wie will ich dir dann mehr mündlich als schriftlich danken – für alles was Du aus wahrer Liebe für mich und an mir thust – bey Empfang dieses – bitte ich dein gutes Weib welcher ich so viel Gesundheit wünsche als bey ihren Umständen möglich herzlich zu grüßen – von der dankbaren Lotte

33–37 will … Lotte] vom linken Rand von Bl. 29v auf den linken Rand von Bl. 28, 28v und 29 überlaufend

5

10

15

20

25

30

35

28. 6.–30. 6. 1811

115

*3649. An Christoph Wilhelm Hufeland. Berlin, vor dem 30. 6. 1811 Empfiehlt ihm den armen Studenten Dreist zur kostenlosen Versorgung mit Arznei aus der Schlossapotheke.

3650. Von Christoph Wilhelm Hufeland. Berlin, Sonntag, 30. 6. 1811

5

Ich tra|ge kein Bedenken, | auf Ew. | HochWürden Empfehlung | und Zeugn|iß dem armen Studenten | Dreist f|reye Arzney aus der | Schloßapoth|eke zu verschaffen, | obgleich hier|über in Absicht der | Studirenden | noch nichts festgesezt | ist. Es be|darf dazu nichts | weiter, al|s daß, wenn er einen | Arzt schon | hat, mir die Rezepte | zur Unterz|eichnung zugesendet | werden. Au|ßerdem werde ich für | die Kur so|rgen. | Ho|chachtungsvoll Ihr ergebenster D Hufeland | d. 30. Jun 11

3651. Von Friedrich Severin Metger. Wohl zwischen Ende März und Ende Juni 1811 An Herrn D. Schleiermacher.

5

Ich danke Ihnen für Ihren so freundschaftlichen und interessanten Brief, der mir ein noch um so größeres Vergnügen machte, je länger ich darauf hatte warten müßen. Dieß indeß bedurfte von Ihrer Seite keiner Entschuldigung, da ich mir leicht denken kann, wie theuer Ihnen die Zeit *3649.

Erschlossen aus Brief 3650 vom 30. 6. 1811.

3650. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 15v. 18v. Den Brief hat Schleiermacher später der Länge nach halbiert und auf der Rückseite die Ausarbeitungen der 26. und 27. Stunde der Dialektikvorlesung von 1811 (KGA II/10, 1, S. 46–48) notiert. 3651. Überlieferung: H: BBAW, SN 330, Bl. 60 f. Die Datierung ergibt sich daraus, dass Metger Schleiermachers Brief *3603 vom 16. 3. 1811 beantwortet und dass er von einer vor drei Wochen gehaltenen Trauung schreibt. Die im Brief 3757, Z. 17 f. vom 11. 3. 1812 erwähnte Reise des Paars nach Berlin im Sommer 1811 hat dagegen noch nicht stattgefunden.

116

60v

Brief 3651

ist bei den vielen und großen Geschäften, die Ihnen obliegen. Ich habe mich auf Ihren gütigen Rath an die Churmärkische Regierung nach Potsdam gewandt wegen des Sohnes der Frau Hofpredigerin Küster, aber bis dahin noch keine Antwort erhalten, was mich wundert, da es schon lange her ist. Sie wünschen auch mein Urtheil über Ihre Encyklopädie zu hören. Dazu fehlt es mir nun zu sehr an innerm Berufe; denn ich kann mich nicht rühmen sie verstanden zu haben. Nur so viel habe ich mir beim Lesen selbst gesagt: Die Vorlesungen über das Buch werden den Studirenden überaus nützlich werden, und würden es mir gewesen seyn, hätte ich Sie beim Anfang meiner UniversitätsJahre gehört. Woran es in den bisherigen Encyklopädieen, ich kenne nur die Nösseltsche Mursinnasche und Planksche fehlte, ist die Sonderung deßen was aus dem allgemeinen Felde theologischer Wißenschaften jedem Theologen unerläßlich nöthig ist, von dem, was der Virtuosität eines besondern Talentes überlaßen bleibt. Sie zeigen einem höchstens die Zeitfolge in der man alles was sie einem aufbürden, vornehmen soll. Diese Scheidung ist allenfalls bei Ihnen versucht, aber erst Sie haben sie scharf geschnitten und dieß mit in die innerste Tendenz Ihrer Schrift aufgenommen. So lernt nun der junge Mensch seinen Kräften eine ganz bestimmte Richtung geben, und sie nicht ins unbestimmte vergeuden. | Ihre Sprache in dieser Schrift ist unstreitig Muster für diese Gattung. Auch ist mir doch manches, besonders die exegetische Theologie, auch die dogmatische und historische ganz und zum Theil verständlich und höchst aufklärend gewesen. Wäre ich in Berlin, ich hörte gewiß Ihre Vorlesungen. Sie wollen nicht, daß ich zu meinen Predigten mich fremder Dispositionen bedienen soll. Gut, es soll auch nicht geschehen. Ich dachte, es würde andere geben, als die im Tellerschen Magazin, von denen freilich weiß ich keine zu gebrauchen; aber Sie würden aus Ihren angeführten Gründen mir auch die besten abrathen. Ich habe vor 3 Wochen Herrn von Schönermark mit Albertinchen getraut. Ich möchte Ihnen wol meine Trauungsrede hinschreiben weil die Trauung Sie intereßirt, und weil ich wünschte, daß Sie etwas von meiner Arbeit sehen und beurtheilen möchten. Hier ist sie. Erhabener Gott! heilige Ehrfurcht vor dir und deinem Gesetze müße diesen Familienkreys beseelen, damit die vorhabende Handlung zuvörderst dem Brautpaare und demnächst allen seinen Freunden recht wichtig und feierlich werde, und auf uns alle einen tiefen heilsamen Eindruck mache. Erhöre und segne uns durch Jesus Christus Amen.

10

15

20

25

30

35

40

März bis Juni 1811 45

50

55

60

65

70

75

80

117

Hochzuehrende Versammlung, Hochgeschätztes Brautpaar. Was einst ein frommer und dabei beglückter Mann vor seinem Gott bekannte: „ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an deinem Knecht gethan hast“, das müßen auch Sie, hochgeehrtester an Ihrem heutigen Feste bekennen. Zwar könnte es scheinen, als ob ein solches Bekenntniß sich eher für einen Mann schicke, der bereits die höhern Stuffen des Lebens erstiegen, und auf der langen Laufbahn, in welche er zurükblickt, unzählige Beweise von einer gütig waltenden Vorsehung erfahren hat – für einen Mann, wie Sie, hochzuehrender Herr Hering, der Sie während Ihres langen Lebens neben einigen herben Schickungen doch im Ganzen so viel Wohlthaten der göttlichen Güte empfangen haben; der Sie heute mit Ihrer verehrten Frau Gemahlin einen Ihrer liebsten Wünsche erfüllt sehen, und dem wir alle wünschen, daß Ihnen die Sonne des Lebens noch lange leuchte, und erst am späten Abend golden und | herrlich sich zum Ozean senke.1 Wer aber wie Sie, hochgeehrtes Brautpaar sich noch im Frühling des Lebens befindet, und nicht weiß, welche Hitze der Sommer, welchen Sturm der Herbst und welchen Frost der Winter des Lebens noch über ihn herführen könne, für den, könnte man denken, zieme es sich mehr, Gott um künftige Wohlthaten anzuflehen, als ihm für bisherige zu danken. So sehr Ihnen nun auch jenes zu empfehlen ist, so unzweckmäßig wäre es doch, Sie durch Besorgniße wegen einer unsichern Zukunft dazu zu bewegen. Ihr Hochzeitstag soll kein Bußtag seyn. Ihre Herzen sind heute nur beseelt von Liebe, und daher auch von Muth, von Hoffnung und von Freude. An diese Freude wendet daher auch am allernatürlichsten die Religion ihre Stimme, um sie zu veredeln. Dem edelen Gemüthe veredelt sich alles; seine Freude veredelt sich ihm zur Dankbarkeit. Da bieten sich ihm denn freilich zunächst seine Eltern an; an diese wendet es daher auch zunächst seine Dankbarkeit; denn es wäre sehr Unrecht, und ein Beweis von Hochmuth und Falschheit, wenn jemand unter dem Vorwande daß ja Gott der einige Urquell alles Guten wäre, seine sichtbaren Wohlthäter vorbeigehen und nur dem unsichtbaren seinen Dank weihen wollte. Aber so sehr ein edeles Gemüth das Gute erkennt, was es seinen Eltern schuldig ist, so vergißt es doch auch des Gottes nicht, der die erste Ursache alles Guten, der erste Geber aller Gaben ist. Dem also müßen auch Sie Ihren Dank weihen und ganz einstimmen in das fromme Bekenntniß: Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit pp. Ich bin zu gering, das heißt etwas ganz anderes, als ich habe es nicht verdient; es heißt, ich bin es nicht werth und würdig. Der

61

118

61v

Briefe 3651–3652

Mangel eines Verdienstes vor Gott kann uns nicht zum Vorwurf gereichen, wol aber der Mangel einer Würdigkeit. Verdienen können wir von Gott nichts, und wären wir Heilige; die Alles gethan, was ihnen von Gott in seinem Wort und ihrem Gewißen befohlen ist, so hätten wir doch nur unsere Schuldigkeit gethan, und wenn uns Gott belohnte, so hätten wir auch dann von Gnade, nicht von Verdienst zu sagen. Aber Würdigkeit, Würdigkeit, die können und sollen wir uns vor Gott erwerben, und es daher bedauern, daß wir bisher zu gering, nicht | werth und würdig gewesen sind der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit. Indem wir aber das bedauren; sollen wir es damit nicht gut seyn laßen, sondern den Vorsatz faßen, uns ins künftige der göttlichen Barmherzigkeit und Treue immer würdiger zu machen. Aber wie werden wir ihrer würdig? Seiner Barmherzigkeit machen wir uns würdig durch Dankbarkeit, und seiner Treue, die er dadurch beweist, daß er seinen wahren Verehrern seine gegebene Verheißung erfüllt, machen wir uns würdig durch Treue in unserem Stande und Beruf. – Mit dieser Dankbarkeit erkennen denn nun auch Sie, mein Herr Rittmeister die Güte, die Gott Ihnen erwiesen. Denn ist Er es nicht, der wie mit seinem unsichtbaren Schilde Sie beschützte, als Ihr voriger Stand Sie in Schlachten führte, und Ihr Muth den Gefahren so beherzt entgegen gieng; ist Er es nicht, der Ihnen jetzt durch die Hand Ihrer auserwählten Braut den Kranz der Liebe darreicht. Erkennen auch Sie diese Ihnen bewiesene Güte Gottes, Mamsell Hering. Rechnen Sie die gute Erziehung, die Er Ihnen verliehen, die Unschuld und Bescheidenheit, in der Er Ihr Herz bewahrt, den Sinn für alles Wahre Edele und Gute, den er in Ihnen geöffnet, das Glück was Er Ihnen heute schenkt und die frohe Aussicht auf ein würdiges Familienleben, die Er vor Ihnen aufthut, das Alles rechnen Sie unter die höchsten Beweise seiner Vatergüte. – Aber auch seiner Treue müßen Sie sich würdig machen durch Treue in Ihrem Stande und Berufe. Es ist die eheliche Treue, und der eheliche Stand, was ich jetzt meine. Und zu dieser ehelichen Treue verbindet Sie, mein Herr von Schoenermark schon der Stand, in welchem Sie geboren sind. Ein Edelmann soll ein Mann von alter ritterlicher Ehre und Treue seyn. Die alten Zeiten mögen vorüber seyn, die alten Sitten sollten es nicht seyn. Als einen Mann von Ehre haben Sie Sich bisher während einer langen Bekanntschaft denen bewährt, die mit Ihnen näher verbunden gewesen sind, als einen Mann von Ehre werden Sie Sich nun auch Ihrer Frau Gemahlinn beweisen, indem Sie Ihr die Treue immer unverletzt bewahren, die Sie Ihr heute vor Gott und diesen Zeugen geloben. Diese Treue

85

90

95

100

105

110

115

120

März–8. 7. 1811

werden Sie auch Sie Jungfer Braut beweisen, indem Sie sich redlich bemühen werden allen den Obliegenheiten nachzukommen; die Ihnen Ihr neuer Stand auferlegt. – Ist es nun Ihr Wille – Anrede aus der Agende.

125

130

135

119

Ich habe meine Rede aus dem Gedächtniß Ihnen hier aufgeschrieben, indem ich sie verloren hatte. Ein Kunstwerk ist sie nicht, dazu fehlt es mir auch an Talent, aber ich denke doch eine recht erbauliche Rede. Sollten Sie sie auch dafür erkennen, so würde es mir lieb seyn. Was ich Albertinchen gesagt, glaube ich ganz aus ihrer Seele geschrieben zu haben. – Wir sind, Gott sey Dank, alle recht gesund, meine Frau guter Hoffnung. Sie läßt sich nebst meiner Schwiegermutter Ihnen und den Ihrigen empfehlen. Ich aber bleibe mit aufrichtiger Verehrung und Liebe der Ihrige Metger. 1

Dieß war eine Reminiscenz, die nicht mir gehört, und auch fürs Ganze zu poetisch ist.

3652. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Montag, 8. 7. 1811 Rostock den 8ten Jul. 1811.

5

10

Sie verstummen gänzlich, lieber Schleiermacher und kaum kann ich mir das anders, als daraus erklären, daß Sie noch eine kleine Tücke auf mich wegen der Königsbergschen Sache haben. Ist es dieß, so sollte es doch nicht seyn. Geschrieben würde ich dessen ungeachtet einst an Sie haben – denn ich muß wissen, wie ich mit Ihnen stehe – aber Heute noch nicht, wenn ich nicht eine ganz besondre und dringende Veranlassung dazu hätte. Ein alter wackrer Freund, Poselger, den ich in seiner Vaterstadt, Elbing, als Stadtrath im Amte glaubte, der aber jetzt in Berlin als | Privatmann dem Studium lebt, hat mir geschrieben. Mir ist viel daran gelegen, daß er die Beylage recht bald erhalte, er hat es aber vernachläßigt, mir seine Adresse zu schreiben. Da er nun privatisirt, vielleicht nicht lange in 138 f Dieß … ist.] mit Einfügungszeichen am unteren Rand 3652. Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 51 f. Beantwortungsvermerk: „beantw d 13t. Septemb 11“.

Mit einer Einlage für Poselger. –

51v

120

52

52v

Briefe 3652–3654

Berlin ist, so würde ich, wenn ich den Brief unmittelbar an ihn schickte, fürchten müssen, er käme wieder an mich zurück und die Zeit wäre verloren. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, daß er mit Ihnen Bekanntschaft gemacht hat. Sollte das aber auch ja nicht seyn, so werden Sie ihn doch leicht ausfragen können, um so leichter, wenn ich Ihnen sage, daß er einen Sohn auf dem Friedrich | Wilhelms Gymnasium hat. Thun Sie mir den Gefallen und sorgen Sie, daß mein Brief recht bald in seine Hände komme. Gern würfe ich einen Blick in die Zukunft, wüßte gern z.B. ob eine Occupation des hiesigen Landes durch Franzosen zu erwarten sey. Nach einem Briefe, den ich vor drey Tagen aus Danzig erhalten, liegen dort gegenwärtig nicht weniger als 22000 Mann in Garnison, von welchen der größte Theil täglich an den Festungswerken arbeitet, und schon macht man den Anfang mit Demolirung der Vorstädte. Meine bedauernswürdigen Landsleute! | Adieu! Lassen Sie mich bald ein freundliches Wort von Ihnen hören, und grüßen Sie mir die lieben Ihrigen. Ich bin unveränderten Sinnes gegen Sie. CGKonopak.

15

20

25

30

3653. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 16.7. bis Dienstag, 16. 7. 1811 geendigt d 16t July 1811 5 Seiten […] Allgemeine Geschichte der Europäischen Menschheit von Johannes von Müller ich dachte vor 6 Jahren ehe ich zur Seidliz gieng alles mögliche gethan zu haben wenn ich mit den großen Mädchen Galetty las – aber in welchem Geist ist dieses geschrieben (den Kindern lese ichs auch nicht vor – sondern bleibe bey Schrök – aber mir selbst ist es unterrichtend – durch eine Schülerin der ich im lesen privat Unterricht gebe, die schon viel von den Weltbegebenheiten weis laße ich mir vorlesen) mir bleibt nur der Abend den ich dazu nicht anwenden kann nur den 1 Theil habe ich noch seit meinem Besuch in Stein da mir ihn die Wunstern 3653. Rand

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/22, Bl. 11.

8–10 durch … kann] am linken

5

10

8. 7.–18. 7. 1811

15

20

25

30

35

121

mitgab – hoffe aber durch ihre Güte die andern auch geliehn zu bekomen – ein andres ganz vortrefliches Buch welches (zürne nicht mein Theurer) mit Deiner Erlaubniß mein Eigenthum ist hat sie mir gleich nach ihrer Zuhausekunft besorgt – indem sie meinte – sie könte mir’s zwar borgen – aber ich würde gleich nach Leesung der ersten Blätter wünschen es zu besizen – Erziehung und Unterricht des weiblichen Geschlechts ein Buch für Eltern und Erzieher – von Betty Gleim dir wahrscheinlich bekant – nicht nur wegen dem motto was Du ihr entweder zugesandt oder sie aus deinen Schriften gezogen – sondern ganz übereinstimmend mit d e m wie ich dein Inres mir denke – bey jedem | neuen mich ansprechenden Saze – stehst Du vor meinen GeistesAugen – ach wenn es möglich wäre in jugendlicher LebensKraft so etwas herrliches von ächt christlicher moral ist mir noch nicht erschienen – wenn ich gleich nur LükkenFüller und ZäuneBeßerer in der Anstalt bin – und wenig zu der eigentlichen Erziehung beitrage – ist mir doch für mein eignes Seyn und wirken auf Andre der Inhalt dieses Buchs sehr belehrend – Einigen Schwestern die für dergleichen Sinn haben – las ich schon die ersten Blätter vor mehr möchten sie hören wenn ich öfters Zeit hätte – selbst lesen wollen sie nicht nur wenn wir drüber sprechen können; – – ich weiß nicht ob ich dir selbst oder einer von den Schwestern geschrieben daß ich seit dem 1ten May in einer andern Stube wohne – wo ich freier athmen und doch zuweilen mit der und jener eine angenehme Viertelstunde für Geist und Herz haben kann – eigentlich soll ich eine Art Aufseherin bedeuten – aber da ich den ganzen Tag in der Anstalt bin – habe ich der alten Pflegerin versichert daß darauf kein Verlaß ist auch kann ich nicht weit mit ihnen herum rennen – mann läst mich freilich auch jezt nicht mehr treiben

3654. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 18. 7. 1811 Bremen den 18 Jul 11.

5

Hochgeschätzter – geliebter Freund Seit meinem unendlichen Verlust, ist mein einziges Kleinod, was der neidische Himmel mir gelassen hat, in Gefahr, mit unterzugehen. Meine Elise, die unbegränzt liebende Schwester, die nach ihrem körperlichen 3654. Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 18. rungsrat Wilmanns.

Mit Briefen an den Berliner Regie-

11v

122

18v

Briefe 3654–3656

Zustande keinen Trost, Stütze und Freund in einem Manne erwarten kann, hat im herrlichen Bruder alles verlohren, was für sie in der Welt zu hoffen war. Diese täglich erneuerten Wunden haben ihren Körper sicher geschwächt. Eine Reise ins Bad, oder zu Freunden – schien ein Rettungsmittel. Der Arzt zieht das letzte vor. Wir wählen daher dismal nicht schöne Gegenden, sondern ächte Menschen, besonders wahre Freunde des vergötterten Bruders – diese allein wirken in der Theilnahme wohlthätig auf das kranke Gemüth. Zugleich entfernt sie sich eine Zeitlang von den zu stark erinnernden Gegenständen und von ihren wichtigen Geschäften des Unterrichts und der Erziehung ihrer Mädchenschule: Weil der Mitgenosse den Genuß erhöht, nehmen wir ihre herzlichste Freundin, die zum Theil von ihr selbst gebildet ist mit, ein sehr liebenswürdiges ächtweibliches Geschöpf. Wir reisen mit einem Pferd und einem kleinen Wagen, | um durch nichts aufgehalten und getrieben zu seyn – und gehen quer durch Lüneburgische, da wir einige Freunde, Prediger p besuchen – über Dömitz, einen Ruheplatz bey einem Gönner – über Wilsnack bei Imanuel Meier, über Brandenburg bei einer alten herzlichen Freundin des D. Meier – Berlin bei Hofpostsekretair Schmit zu logiren. Bei der letzten Freundin haben wir uns ein Logis ausgebeten – wenn es nicht der Regierungsrath Wilmanns anders verabredet. Ich lege den Brief an ihn hierbei, weil ich Ihre Ordnung kenne. Ich hätte das Gegentheil thun sollen; aber ich kenne ihn von Haus aus, weil er seit seinem 6ten Jahr mein Eleve gewesen ist – und seine genialische Nachlässigkeit noch dieselbe ist. Sie haben also die Gewogenheit ihm den Brief zuzuschicken – und wo möglich mit der nächsten Post an Herrn von Marwitz zu melden, daß wir gegen den 8. August in Berlin einzutreffen gedenken – und daß er unsern heißen Durst nach Menschen, nach solchen warmen Freunden, wie er ist, befriedigen möge, daß Er nach Berlin komme, weil uns die Zeit zu kurz zugemessen, um zu ihm zu kommen, und Er Adolfs Briefe kopirt mitbringen müsse und dagegen die seinigen an Adolf aus unsern Händen empfangen solle. Herzliche Grüße an Ihre Geliebten. In meiner dunklen Ahnung, daß ich Ihnen hier einst wieder gleiche Dienste erweisen kann – w o r ü b e r m ü n d l i c h v i e l e s z u b e s p r e c h e n – muthe ich Ihnen diese Beschwerlichkeiten zu – aber mit unendlicher Hochachtung und Liebe Müller

10

15

20

25

30

35

40

18. 7.–30. 7. 1811

123

3655. Von Unbekannt. Berlin, Montag, 22. 7. 1811 […] von ÐmeinÑ ÐgeÑ […] Berlin den 22sten July 1811

3656. Von Hans Karl Dippold. Danzig, Dienstag, 30. 7. 1811

5

10

Danzig 30. Julius 811. Wenn ich Ihnen bei meiner herzlichen Verehrung und Liebe für Sie, theuerster Schleiermacher, noch gar keine Nachricht von meinem hiesigen Treiben und Leben gegeben, so geschah es in dem glücklichen Wahne, daß ich doch wohl bald wieder in Ihrer Nähe seyn, und dann das Resultat eines ganzen Jahres in wenigen Worten mittheilen könnte. Diese Hofnung, dieser Wunsch sind denn auch der Anlaß dieses Briefes, und ohne weitere Umschweife will ich blos anfangen bei Ihnen: „ob ich mir nicht schmeicheln darf, noch in diesem Jahre einen Ruf nach Berlin oder Breslau zu erhalten?“ – Die Frage klingt freilich, als ob ich Ansprüche hätte; aber mein Sinn ist nicht so kühn, und nur auf eine Ihrer vorjährigen Äußerungen gebaut. Auch will ich über die mögliche Auslegung dieser Worte nichts weiter sagen, weil Sie gewiß nicht mißverstehen. | 3655. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 33v. Rückseite eines Zettels mit Notizen zur platonischen Dialektik (gehört zur Vorlesung über die alte Philosophiegeschichte im WS 1811/12). 3656. Überlieferung: H: BBAW, SN 270, Bl. 15 f. Mit einem handgeschriebenen Verzeichnis der Schriften Dippolds (Bl. 17): „Schriften des Dr. & Prof. Dippold: 1) L e b e n s b e s c h r e i b u n g K a i s e r K a r l d e s G r o ß e n Tübingen 1810. 8 a) angezeigt (vom Hofr. Wöttiger) im M o r g e n b l . und in der a l l g . C o t t . Z e i t g . 1810 Beil. 9. b) rezensirt (dem Ton nach von Herren) in den g ö t t i n g . g e l . A n z . 1810 No. 149 c) rezensirt im Morgenbl. 1810 Uebers. d. neuesten Literatur No 22. 2) W . C o x e s G e s c h i c h t e d e s H a u s e s Ö s t e r r e i c h . Übers. u. mit berichtigten Anmerk. v. Wagner u. Dippold. Leipzig 1810 2 Bde. 8 a) Morgenbl. 1810. Uebers. der neust. Litt. No. 18 b) politisches Journal. 1810 Octbr. No. 8 c) Minerva. 1810. Octbr. No. 8. 3) S h a k s p e a r ’ s l u s t i g e We i b e r v o n W i n d s o r . Berl. 1810. a) allg. Cott. Zeitg. 1811. No. 13 b) Zeitung f. d. elegante Welt. 1811. No. 9. c) Heidelb. Jahrb. 1811. Heft 2. No. 8. d) Morgenbl. 1811. Uebers. d. neust. Litt. No. 5. 4) A l l g e m e i n e s h i s t o r i s c h e s A r c h i v . Herausgegeben mit dem Prof. Köthe. Ersten Bds 1t Heft. Leipzig 1811. 8. a) allg. Cott. Zeitg. 1811. No. 12. b) Zeitung f. d. elegante Welt. 1811. No. 28. 29. c) Göttinger gel. Anzeigen. 1811 No. .… …. Das z w e i t e Heft noch nicht rezensirt. 5) J o h . v . M ü l l e r s B e l l u m C i m b r i c u m . Uebersetzt, mit der nach dem Willen des Verewigten einzuschaltenden Nachträgen u. Verbeßerungen für die Cottasche Ausg. d. sämtl. Werke. (Ob dies schon gedrukt ist mir unbekannt.)“

124 15v

16

16v

Briefe 3656–3657

Wenn ich anders von der Section des Unterrichts p in Betracht genommen worden bin, so würde ich freilich lieber nach Berlin, als nach Breslau gehen; aber auch das sind Sie ja von mir überzeugt, daß mir die Erfüllung meines Wunsches das Erste ist, und daß ich meines Herzens und meiner geliebten Frau Wünsche vergeße, wenn mir nur ein angemeßener Wirkungskreis ohne drückende Nahrungssorgen gegeben wird. Die leztern können mich treffen, wenn, wie bisher, der Gehalt lange ausbleibt, oder ich im künftigen Winter des Krieges wegen nicht wieder Privatvorlesungen halten kann. Den erstern aber kann ich n i e hier finden. Die ursprüngliche Einrichtung des Gymnasium ist der Zeit und den Schülern selbst nicht mehr angemeßen. Die Stadtschulen sind alle schlecht, nur Eine ist erträglich. Die beiden wichtigsten Profeßuren sind erledigt, also liegt die ganze Philologie, und zur Wiederbesetzung, so wie zu zweckmäßigerer Organisation der Anstalt ist auf lange hin keine | Aussicht; die Zahl der Schüler selbst bis auf 20 geschmolzen, wovon zu Michae¨l noch 3 abgehen. Zu diesem Allem kommt das unerträgliche Joch der großen Nation, von welchem ich schweigen will nam juberis infandum renovare dolorem. – Nun scheue ich zwar, wie’s mich die Alten und eignes Leben gelehrt, alles rasche und eigenmächtige Eingreifen in mein eignes Geschick, da oft unbegreifliche Mächte über uns walten, und bin bei diesem Gefühle seit 9 Wochen mit mir uneins gewesen, ob ich Ihnen schreiben sollte, oder nicht: Ein dunkles Etwas hielt mich immer zurück. Auch ist mir nicht schwer geworden, einen Antrag, wie ich ehrenvoll wieder nach Leipzig kommen könnte, abzulehnen, weil ich nicht inconsequent seyn konnte. Aber seitdem bin ich von Heidelberg aus, obschon nicht offiziell, angegangen worden, mich um die dortige Profeßur zu bewerben, dafern Wilken nach Leipzig käme. (Von der Nachricht selbst bitte ich Sie nur dann Gebrauch zu machen, wenn Sie zu früherer Ent|scheidung nöthig wäre, und auch dann, wo möglich, ohne Heidelberg zu nennen, weil gar zu leicht weiter davon gesprochen werden könnte.) Da ich nun gar nicht abgeneigt seyn kann, diesem Vorschlage zu folgen, ich aber doch nicht eher einen Schritt thun will, als bis ich weis, ob Sie in Berlin an mich gedacht, so hoffte ich meine bescheidne Anfrage in Ihren Augen gerechtfertigt. – Ich glaube, es wird nicht überflüßig seyn, ein Verzeichniß meiner Schriften beizulegen. Möchte es mir in Berlin gelingen: dann dürfte ich mich doch vor Allem Ihres und dann so vieler Theuren Umganges erfreuen, und lebendiger und allseitiger mit Allen fortschreiben, als es mir auf dieser Insel möglich ist.

15

20

25

30

35

40

45

50

30. 7.–31. 7. 1811

55

125

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und Ihrer Gattin mit herzlicher Hochachtung und ich nenne mich von Herzen Den Ihrigen Hans Karl Dippold

3657. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Mittwoch, 31. 7. 1811

5

10

15

20

25

Stettin den 31ten Juli 11. Liebster Schleiermacher. Du hast vielleicht schon von unserm lieben Fischer gehört, daß mich der Herr mit einem bergenschen Hauptmann und seinem Bedienten heimgesucht und mir dadurch den Spaß verdorben hat, Euch in den Hundstags-Ferien zu besuchen. Nun habe ich von Ricquet’s gehört, (von denen meine Frau so gut wie ich, eine herrliche Acquisition zu machen hoffen) daß Ihr noch Eure Rügener Reise dieses Jahr vorhabt, und ihren Anfang oder ihr Ende bei uns feiern wollt, was uns gar große Freude macht. Ob wir Euch begleiten oder abhohlen können, ist zwar sehr ungewiß, da ich in den Michaelis-Ferien, wenn es mir nicht ganz unmöglich gemacht wird, nach Berlin m u ß , wo Ihr wohl noch in Rügen seyn werdet, und außer denselben nicht leicht mich entfernen kann; aber desto nothwendiger ist es, daß Ihr auf der Hin- und Her-Reise, und wenn es irgend möglich wäre auf beiden, einige Tage bei uns zubringt, damit mancherlei zu Besprechendes zwischen uns abgemacht werde. Meine Frau und ich | haben einen Abend mit Überlegung und Ausarbeitung eines QuartierPlanes für Euch zugebracht, auf den Fall, daß wir bei Eurer Ankunft von unserer jetzigen Einquartierung noch im Hause beschränkt sind, von welchem ich eine vestere Hoffnung hege, als von manchem, das jetzt von einem Ober-Quartier-Amt eines General-Stabes gemacht werden mag, daß er bei der Ausführung gelingen wird. Wir sind freilich dabei in der Nothwendigkeit, etwas auf Eure Genügsamkeit zu rechnen; allein wir hoffen in derselben auch keine ganz unsichere Basis unserer Operationen zu finden, da wir es doch so eingerichtet zu haben glauben, daß Ihr es könnet ertragen. So bald du Näheres über die Reise bestimmt hast, schreib mir ein Paar Worte darüber; aber unter keiner Bedingung erlaube dir, oder irgend einem Reisegesellschafter den Gedanken, uns vorbeige3657.

Überlieferung: H: BBAW, SN 246, Bl. 15.

15v

126

Briefe 3657–3659

hen zu können. Alles Übrige bleibe unserer Zusammenkunft vorbehalten, bis auf die herzlichen Grüße an die lieben deinigen und Reimer’s von Deinem treuen Bartoldy.

30

3658. An Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli 1811

31

Eure Excellenz werden mir verzeihen, daß ich mich endlich überwinde durch einige Zeilen meinen Namen in Ihr Andenken zurückzurufen. Ohnerachtet Ihrer gnädigen Erlaubniß habe ich mich immer gescheut Ihnen von dem Geschäftskreis, in welchen ich unmittelbar verflochten bin zu reden. Er schien mir in leider noch zu geringem Zusammenhang mit dem Ganzen, die Erfolge sowohl als die Mißgriffe zu partiell und alle großen Wirkungen zu ungewiß und zu weit aussehend um Ew Excellenz Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ueber Alles andere mußte ich Sie besser unterrichtet glauben als ich es thun konnte. Endlich breche ich das Stillschweigen, weil meine treue Ergebenheit mich drängt Sie auf’s innigste zu bitten und zu beschwören auf Ihrer Hut zu sein gegen diejenigen, welche jezt an der Spitze unserer Administration stehen und welche dem Schein nach Ihre Einsichten benutzen, eigentlich aber nichts thun, als am rechten Orte sich Ihres Vertrauens und Ihrer Beistimmung rühmen, damit ihr Credit steige und hinterrücks alles anwenden um Ihr Andenken zu beschmuzen. Ich weiß nicht ob ich nöthig habe mich bei Ew Excellenz gegen den Verdacht zu verwahren, daß meine freundschaftliche Verhältnisse mit dem ehemaligen Minister des Innern, meine herzliche Zuneigung zu einigen andern mehr oder weniger außer Thätigkeit gesezten Staatsmännern, mich falsch sehen machen, ich bin mir aber bewußt klar genug zu sehen um durch kein persönliches Verhältniß getäuscht zu werden, ja ich kann behaupten, daß ich mich nicht einmal über Ew Excellenz täusche den ich doch unter allen öffentlichen Männern am innigsten verehre. Es ist | nicht zu verkennen, daß die gegenwärtige Administratur Ihre Spur 3658. Überlieferung: h: BBAW, SN 772; 644, Bl. 31; D: Pertz: Das Leben des Ministers 2, S. 574–576. Pertz: Das Leben des Ministers 2, S. 571 datiert diesen und andere Briefe in den Juli 1811. Br 4, S. 181 gibt als Datum dieses Briefes den 1.7. an, übernimmt dabei aber offenbar ungesehen das Datum eines anderen Briefes (von Scharnhorst), der bei Pertz, a.a.O. S. 572 in diesem Zusammenhang abgedruckt ist.

5

10

15

20

25

31. 7.–1. 8. 1811

30

35

40

45

50

127

ganz verlassen hat, während die vorige nur darauf still stand, daß alles was sie auf der einen Seite thut verwerflich und strafbar wird durch das was sie auf der anderen unterläßt, daß alles was scheinbar zur Veredlung der Verfassung führen soll, bei ihr nur eine finanzielle Tendenz hat, daß auch in dieser Hinsicht was selbst unter günstigen Umständen immer übereilt wäre unter den gegebenen ganz verderblich wirken muß, daß überall die erbärmlichsten persönlichen Rücksichten vorwalten und daß sie alles thut um alle Stände unter sich und alle mit der Regierung zu entzweien ohne an irgend ein neues und haltbares Vereinigungsband ernsthaft zu denken. Nächst dem allgemeinen Unglück, dessen höchstem Grade wir nur durch ein Wunder entgehen können ist mir nichts so schmerzhaft als das verbreitete Gerücht, daß Ew Excellenz durch Mitwissen und Billigung an allen wesentlichen Schritten der Administration Theil nehmen. Ich wage es diesem eine Bitte hinzuzufügen. Ich bin zwar bei den Hauptpersonen des Hofes und des Kabinets hinreichend verhaßt aber doch in vieler Hinsicht so gut als unbeachtet und habe mancherlei Wege vieles unbemerkt zu erfahren. Nichts wünsche ich sehnlicher, als daß Ew Excellenz mich auf jede Ihnen gefällige Art brauchen mögen um zu erfahren ob man Sie hintergeht oder um falschen Gerüchten entgegen zu treten. Denn woran könnte mir mehr liegen als daß Ihr gesegneter Name eben so rein auf jedermann und auf die Nachwelt käme, als er vor denen dasteht, welche Sie selbst und Ihr öffentliches Leben zu kennen das Glück haben. – Durch meine Aeußerungen etwas bei Ew Excellenz zu verlieren fürchte ich nicht, sondern empfehle mich auf das vertrauungsvollste Ihrer Gnade und Gewogenheit. Schleiermacher.

3659. An die Theologische Fakultät. Berlin, Donnerstag, 1. 8. 1811 Der Stud. Theol. Harrien aus Schwedisch Pommern hat mir anliegende Dissertation eingereicht mit Bitte um Erlaubniß sie am schwarzen Brett 3659. Überlieferung: H: Universitätsarchiv der HU Berlin, Theologische Fakultät, 217, Bl. 5. Marheineke notiert auf dem Blatt, der Brauch des Anschlagens sei ihm neu und erscheine nicht zweckmäßig; ein Zeugnis des Dekans, daß die Dissertation eingereicht sei, müsse genügen. De Wette schließt sich dem an. Das entsprechende Zeugnis Marheinekes für Harrien (datiert vom 12. 2. 1812, dem Tag der Geburt Gertrud Schleiermachers) liegt in der Akte (Bl. 24). – Die (gedruckte) Dissertation Karl Harriens liegt der Akte bei (Bl. 6—23): Specimen criticum de libris evangelicorum antiquissimis, scripsit Car. Harrien. Berolini, formis C.F. Spaethen. 1812.

128

Briefe 3659–3661

anschlagen zu dürfen. Er habe sie eines Stipendii wegen schreiben müssen und gehöre dieses Anschlagen ebenfalls zu den Bedingungen des Stipendii. Der Fall ist mir neu und in Halle meines Wissens niemals vorgekommen. Wenn durch den Anschlag die Facultät sich auf irgend eine Weise zu der Dissertation bekennt so müßten wir sie zuvor einer Prüfung unterwerfen; wo nicht so würde wol die Erlaubniß unbedingt zu ertheilen sein. Ich bitte um Ihre gefällige Meinung Schleiermacher d 1t. Aug.

5

10

3660. Von Ernst Gottfried Fischer. Berlin, Anfang August 1811 oder früher

31v

v

34

Ich habe alles durchgeschaut, was unsere Bibliothek von Aristoteles enthält, finde | aber das Buch de Nilo nicht darunter. Von alten lateinischen Uebersetzungen haben wir eine einzige (Paris 1505), welche aber bloss die Politica, Oeconomica, und die Hecatanomia enthält. Sollte nicht vielleicht das Buch in der Bibliothek der Nicolai-Kirche, die viel altes enthält, oder bei dem alten Prediger Schmidt | aufzufinden seyn. EG Fischer

5

3661. Von Henrich Steffens. Halle, Freitag, 9. 8. 1811 Dr und Professor Schleiermacher / Wohlgebohren / Berlin / Kanonierstrasse neben / der Dreifaltigkeitskirche [Bl. 62v] Halle den 9 Aug 11. Lieber Schleiermacher, fast schæme ich mich, dass jezt erst nach acht Tage [ich] dir schreibe. Ja meine Frau will sogar bemerkt haben, dass mir 3660. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 33v. 31v. 34v. Das Billet bezieht sich auf eine Anfrage in Bezug auf Aristoteles Bestände. – Rückseite eines Zettels zur 42., 44. und 45. Stunde der Dialektik 1811 (wohl 5.8. bis 8. 8. 1811; KGA II/10, 1, S. 61 f.). 3661. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 61; D: Br 4, S. 183 (gekürzt). wortungsvermerk: „beantw d 21t.“

Beant-

5

1. 8.–9. 8. 1811

10

15

20

25

30

35

40

45

129

gestern bei der Erinnerung meiner Sünde, eine Schaamröthe überlief, welches für einen so alten und verstockten Sünder, wie ich in dieser Rücksicht bin, viel sagen will – Und sollte ich euch denn nicht tausendmahl danken für die herrlichste, unbetrübteste Zeit, die mir, seit so lange, geworden ist, für die Wiedertaufe der Freundschaft, die lange mich beleben, erheitern wird, für die Freude euch alle in eurem häuslichen Kreis gesehen zu haben, Henriette, die ich so lange zu kennen wünschte, und nun so lieben muss, dich, von allen Schmerzen befreit, beruhigt und gesund durch Magnetismus und Freundschaft, die verjüngte Nanny, die stille, theilnehmende Louise, das kleine læchelnde, klare Schleiermacherlein, und der liebliche Chorus der nie schweigenden Kinder, deren Rede jene andere zur Folie diente, und ein jedes Stillschweigen ausfüllte. – Gott gebe mich so heitere Tage, wie die, die wir mit einander erlebten, und mir bleibe die frische Erinnerung, ein Labsaal für immer – Ich bin glücklich hier angekommen. Auf der Post traf ich eine Schwester von Professor Sprengel, eine Bekanntinn von Louise Willich – Wir fuhren von Coswig an über Wörliz mit Extrapost. Ich kam, recht früh Abends an, und war so gescheidet gewesen auf Giebichenstein losschirren zu lassen, wo, wie ich meinte Hanne sein müsste. Louise war eine halbe Stunde früher als ich angekommen. Sie sieht sehr wohl aus, obgleich sie so viel ausgestanden hat, und ist bedeutend stärker geworden. Sie reist in diesen Tagen | wieder ab, und hat mir recht sehr wohl gefallen. Ich lebe in der grösten Verwirrung, mit Einpacken, Arbeiten, die Sammlung ordnen, und dazu kömmt, dass das arme Vieh, der Schimmel, den ihr scherzhaft den grauen zu nennen pflegt, Ansprüche auf meine Thätigkeit macht, die ich nicht abweisen darf, ja es wære möglich, dass ich seintwegen meine Reise um einige Tage aufschieben müsste. Ich habe meine Dimission und habe weitläufig an Schuckmann über Reisegeld, Einrichtung für das physikalische Cabinet u.s.w. geschrieben und erwarte Antwort. Leider aber muss ich dir schreiben dass ich wohl kaum über Berlin komme, wenn ich nach Breslau reise. Ich fand hier eine Ausgabe, die nothwendig war. Ich war seit der bessern Zeit Reichardt ziemlich viel schuldig. Nun haben sie grade keine Meubeln und müssen 60 Rthr jährlich Miethe für geliehene Meubeln geben. Es ist also sehr natürlich, dass ich Ihnen meine überlasse, womit eine Schuld, die ich fast zu haben scheine, kaum gedeckt wird – Reichardt selbst, der in dieser Rücksicht, wirklich nobel denkt, hat nichts darüber gesprochen – Ich glaubte die Schuld jezt schon in andere Hände, worin ich mich aber irrte, erfuhr den Zusammenhang durch Louise, und Hanne brachte das Opfer – Ich werde bei allem dem doch hier losskommen. Nur über Berlin kann ich nicht reisen. Wie sehr es mir und Hanne

61v

130

Briefe 3661–3664

leid thut, kannst du denken. Reimer, der gute, hat ja wohl schon seine Reise angetreten, wo nicht, so sag ihm, dass mir diese Voraussetzung ist, die mich abhält an ihm zu schreiben – Es ist doch ein herrlicher Mensch, und eine treffliche Familie – Grüss Henriette Nanny, Louise, Pistors, wenn du sie siehst und schreib mir noch einmahl vor deiner Abreise. Hanne ist von ihren Schaal bezaubert, und grüsst euch, alle herzlich. Über die Summe, die ich durch dich habe, bitte ich, dass du die Papiere in Ordnung bringst, und mir wissen læsst, wann und wie ich die Zinsen bezahle – – Dein Freund HSteffens

50

55

3662. Von Unbekannt. Zwischen Juni und Mitte August 1811 […] Was für Gewissensfragen! – Die Verlegung der Sitzung habe ich durch eine Anfrage bey Herrn von Schuckmann veranlaßt, die freylich in der stummen Einladung in die Nikolaikirche und in der lauten in die Luisenstiftung ihren Grund hatte. Die Verbindlichkeit der lezten Feyerlichkeit beyzuwohnen, folgt aber doch daraus nicht. Ich gehe zwar hin, schw[eige] […] Da ich aber höre daß 150 Personen […]

*3663. An Luise Reichardt. Vor dem 19. 8. 1811 Über Magenkrämpfe und die magnetische Kur; über die Geburt seiner Tochter.

3662. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 35v. Rückseite eines Zettels zur Dialektik 1811, 46. Stunde (19.8.), KGA II/10, 1, S. 67–69. Die Datierung ergibt sich aus dem Hinweis auf die Feierlichkeiten zum ersten Todestag der Königin Luise am 19. Juli 1811, die mit der Eröffnung der „Luisen-Stiftung“, einer Bildungsanstalt für Erzieherinnen, begangen wurde, sowie aus den rückseitigen Notizen zur Dialektikvorlesung 1811. *3663.

Erschlossen aus Brief 3664, Z. 3–10 vom 19. 8. 1811.

5

9. 8.–19. 8. 1811

131

3664. Von Luise Reichardt. Hamburg, Sonntag, 19. 8. 1811 Herrn Prediger S c h l e i e r m a c h e r / in / B e r l i n [Bl. 33v]

5

10

15

20

25

30

Hamb. den 19ten Aug. Ihr lieber Brief war mir eine ganz besonders große Freude, bester Schleiermacher, nur daß Sie so viel leiden betrübt mich sehr da ich aus eigner Erfahrung weiß wie schwer es ist bey immer anhaltenden Schmerzen ein mühseeliges Geschäft fortzuführen. Gott gebe den besten Erfolg vom Magnetismus alsdann will ich auch meinen Wiederwillen dagegen ganz aufgeben. An Ihrem häuslichen Glück habe ich wenngleich entfernt immer den herzlichsten Antheil genommen und mich oft in Gedanken zu Ihnen hinversetzt. Was ich der Herz schrieb betraf wohl mehr die unglücklichen Umstände die uns so lange von einander entfernten, als Sie selbst, bester Schleiermacher denn als ich so leidend so aller Kraft der Seele durch Körperliche Schmerzen beraubt war, da dachte ich doppelt wehmüthig der schönen Zeit wo ein tröstliches Wort ein Beweis der Theilnahme von Ihnen mir alles war ich fühlte dann daß es mit mir noch immer dasselbe sein würde wenn wir zusammen wären, aber daß Sie im Gegentheil Ihre Theilnahme so mannichfachen und so viel würdigern Gegenständen schuldig sind, und daher bin ich Ihnen nun doppelt dankbar für Ihr freundliches Andenken. – Ich habe 11 glückliche Tage in Giebichenstein zugebracht und die guten Eltern ohngeachtet der großen Beschränktheit in welcher sie leben recht ruhig und zufrieden und die jüngern Schwestern gar sehr liebenswürdig und schön und gut gefunden. Aber wie ist Halle verändert. Ihre Kirche ist zum Schauspielhaus umgeschaffen das ist dann doch den Frevel etwas zuweit getrieben, ich hätte mich auch nie entschliessen können hinein zugehn. Man hat mir sagen wollen es wäre eigentlich nie eine Kirche gewesen aber ich sage es ist die einzige wahre Kirche die ich in dieser | Welt gekannt habe, ein solches inniges Beysammen Seyn, eine ganze Gemeinde gleichgestimmter Gemüther das ist doch wohl etwas so schönes, so gar seltnes in unsren Zeiten, daß ich nicht wüste was dann noch Kirche genannt werden sollte wenn dies nicht, ein Gedanke daran füllt mir die Augen mit Thränen, 3664. Überlieferung: H: BBAW, SN 357, Bl. 32 f. Das Jahr 1811 ergibt sich daraus, dass Steffens noch in Halle weilt und Elisabeth Schleiermacher schon geboren ist. – Auf Bl. 33v auf dem Kopf steht „Soabend Abend.“ Offenbar sollte der Brief also schon einen Tag vorher angefangen werden, dann wurde dies aufgegeben und am Sonntag das Doppelblatt gedreht und auf der andern Seite angefangen.

32v

132

33

Briefe 3664–3667

und mir ist seit der Zeit die Bibel und die ganze Welt verständlicher geworden. – Steffens habe ich nicht gut gestimmt gefunden und Hanne und Jule fast zu sehr den Vergnügungen hingegeben, die junge Prefectin, eine ganz gemeine Berlinerin, mit der sie sehr liirt sind, giebt darin den Thon an. Clärchen ist ein sehr gutes Kind aber sie würde viel Liebenswürdiger seyn – wenn sie recht mit Liebe und Sorgfalt erzogen würde. Jule ihre Kinder sind allerliebst, sie hat ein kleines Mädchen was ich ihr stehlen möchte, so denke ich mir Ihre Elisabeth – Mein armer Fritz ist in einer schlechten Schule und wird sehr verwahrlost seinetwegen ist es mir besonders lieb daß ich zuhause war da er nun doch vor dem Winter sicher in eine bessre Lage kommt, was ohne mein hinzuthun nicht geschehn wäre. – Meine hiesige Lage ist in diesem Augenblick die einsamste die es geben kann, in einem Hause welches man wohl einen Pallast nennen könnte wohne ich mit wenig Domestiquen ganz allein da die Familie seit mehreren Monathen abwesend ist während dieser Zeit haben 6 andre Familien meiner liebsten Bekantschaft Hamburg verlassen und mehrere wollen noch fort, dadurch verliehre ich viele liebe Schülerinnen, die Anzahl derer die mir bleiben ist indess immer noch groß genug um mich in den kurzen Wintertagen hinlänglich zubeschäftigen. Ich habe nun mehr Musse, lese einmahl wieder recht viel und lebe gröstentheils ganz allein, das heist nachdem die Stunden vorbey sind. Nanny grüße ich auf das Herzlichste, ich bin | eben dabey meine Liedersamlung in Ordnung zubringen die ich einmahl versuchen will selbst auf Subscribtion heraus zugeben, wenn Nanny sich mit dafür interessiren wollte so könnte sie mir vielleicht noch Subscribenten verschaffen. Reimer nimmt vielleicht auch eine Anzahl Exemplare. Es sind 18 deutsche Gesänge mit Begleitung des Piano und der Preis wird etwa einen r. vieleicht auch geringer sein können. Ich verlange nicht guter Schleiermacher daß Sie hierauf antworten und grüße Sie und Ihre liebe Frau mit der herzlichsten Liebe und Freundschaft. Ihre treue Louise R.

*3665. An Henrich Steffens. Berlin, Mittwoch, 21. 8. 1811

*3665.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk des Briefes 3661 vom 9. 8. 1811.

35

40

45

50

55

60

19. 8.–25. 8. 1811

133

*3666. An Georg Wilhelm Bartholdy. Berlin, vor dem 25. 8. 1811 Die Rügenreise solle vom 3. bis 25.9. gehen.

3667. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Sonntag, 25. 8. 1811

5

10

15

20

Stettin den 25ten August 11. Bis zum 24ten September bin ich noch hier, dächte aber gerade um diese Zeit abzureisen: wenn du mir genau schreibst, wann du dann hier ankommst, und wann wieder abreisen müßtest; so könnten wir die Reise zusammen machen. Ich denke meinen Gustav mitzunehmen, den ich dann wohl zuweilen gegen Dich an deine Damen vertauschen möchte, damit wir auf der Reise einmahl vernünftig plaudern könnten, wozu wir leider weder in Stettin noch in Berlin möchten gelangen können, da uns an Ort und Stelle immer die Geschäfte drücken. In so fern scheint mir Eure Ankehr hier bei Eurer Rückreise am bequemsten. Was ist das überhaupt aber für ein wunderlicher Einfall zwischen den 3ten und 24ten September von Berlin nach Rügen hin und her zu reisen! Sollte es Euch übrigens in irgend einer Rücksicht bequemer seyn, auf der Hinreise hier anzusprechen; so schreibts, und ich sehe dann zu, ob ich Euch auf Eurer Rückreise nicht irgendwo unterwegens auffangen kann. Wegen des Quartiers seid nur so gütig, uns die Anordnung zu überlassen: wir werden es nach bestem Vermögen und hoffentlich erträglich für Euch einrichten. Grüße die lieben Deinigen recht herzlich von uns beiden. Meine Frau läßt sich noch ganz absonderlich entschuldigen, daß sie nicht noch einen unnöthigen Brief geschrieben hat. Dein treuer Bartoldy.

*3666.

Erschlossen aus Brief 3667, Z. 10–12.

3667.

Überlieferung: H: BBAW, SN 246, Bl. 17.

134

Briefe 3668–3673

3668. Von Henrich Steffens. Halle, Sonntag, 25. 8. 1811

111v

Halle. den 25 Aug Ich kann nicht leugnen, dass die Zeitumstände mich etwas ængstlich machen. Nachricht, dass ich das Reisegeld erhalten werde, habe ich schon, aber keine w o oder w a n n ich es haben soll. Nun brennt es mir hier unter die Soolen. Auf die Nachricht giebt mir hier kein Mensch ein Groschen, und ich kann nicht eher fort, nicht einmahl etwas wegschicken, was doch bald nothwendig ist. Ich habe an Alberti geschrieben, und ihm ein Schreiben an das Department mitgetheilt, worinn ich um genauern Aufschluss bitte, und ihm den Auftrag gebe die Summe zu heben, auch habe ich ihm, in dem Fall, dass die Zahlung einige Wochen dauern sollte, gebethen mir diese zu avanciren. Ich hoffe er wird es thun. Kannst du, noch vor deiner | Abreise, noch etwas dazu beitragen, so hoffe ich, du wirst es thun. Es ist mir alles darum zu thun die Abreise i n m e i n e r G e w a l t z u h a b e n , selbst des armen Schimmels wegen, und meine Lage ist jezt, da ich allenthalben gedrængt werde, äusserst unangenehm – Wenn man fragen sollte, dass du sagen [sollst], dass ich mit der næchsten, oder næchstnæchsten Post das Gutachten über Weiss Sammlung einschicken werde – Ich bin in Leipzig gewesen und habe sie 3 Tage lang durchgesehen. Nicht wahr? die Kosten dieser Reise brauche ich nur zu liquidiren, indem ich das Gutachten einreiche? Sollte darinn etwas unrechtes sein, so lass mir’s ja wissen, ehe du abreist – Ich wünsche dir Glück zu deiner Reise – Grüss Henriette tausendmahl – Ob wir über Berlin kommen? Noch darf ich es nicht sagen – Der Beutel muss es bestimmen. Dein HSteffens

*3669. An Charlotte von Kathen. Vor dem 26. 8. 1811 Gibt den Tag der Ankunft auf Rügen an. 3668. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 111. Das Jahr ergibt sich daraus, dass Steffens in seinen Erinnerungen (Was ich erlebte, Bd. 6, S. 269 f.) schreibt, er habe nach seinem Ruf nach Breslau und vor Antritt seiner Professur dort (das war 1811) den Auftrag erhalten, die Mineraliensammlung des Mineralogen Weiß in Leipzig zu begutachten. *3669. Erschlossen aus Brief 3676, Z. 3–6 vom 1. 9. 1811. Die Datierung ergibt sich daraus, dass Heinrich Christoph von Willich am 27.7. auf einen Absagebrief antwortet.

5

10

15

20

25

25. 8.–27. 8. 1811

135

*3670. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, vor dem 26. 8. 1811 Über die Reise nach Rügen.

*3671. Von Charlotte von Kathen. Vor dem 26. 8. 1811 Zweifelt, ob Schleiermachers wirklich nach Rügen kommen.

*3672. An Adolf und Sophie Schlichtkrull. Berlin, vor dem 27. 8. 1811 Sagt die Reise nach Rügen für 1811 wegen einer anderen Reise ab und stellt sie für 1812 in Aussicht. Mit einem Auftrag an das Konsistorium als Obervormund Henriette Schleiermachers.

3673. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Luise von Willich). Sagard, Dienstag, 27. 8. 1811

5

Freilich wohl, theure Freunde, treten – ach wie oft! unsern angelegentlichsten Wünschen und als sicher gehoften Ausnehmungen unvorhergesehene, unüberwindliche Hindernisse in den Weg – nicht selten geräth der Sinn der Ergebung mit ihnen in Kampf – In dem Falle jedoch sind wir izt nicht – das Herz nimmt Teil an dem Abwege, auf den diesmahl euer Plan, mich zu trösten und zu erfreuen wie die andern hier, abgeleitet wird. Du *3670.

Erschlossen aus Brief 3673, Z. 5–7 vom 27. 8. 1811.

*3671. Erschlossen aus Brief 3676, Z. 3–6 vom 1. 9. 1811. Die Datierung ergibt sich daraus, dass der Brief etwa gleichzeitig sein muss mit Schleiermachers Brief *3669 an Kathen. *3672. Erschlossen aus Brief 3685 vom 20. 9. 1811. Am 14.9. trat Schleiermacher seine Reise nach Schlesien an. 3673. Überlieferung: H: BBAW, SN 421, Bl. 18 f. d 25t. Nov.“

Beantwortungsvermerk: „beantw.

136

18v

19

Briefe 3673–3674

sowohl als Louise wollt ja den Bruder, du ihn retten, sie ihn erquikken – Sicher wird Louise ihren Zweck, und, Gott gebe, daß du auch den deinigen erreichen mögest. So wird mir bei der Ergebung, an die ich mich schon länger, mehr durch die Zuchtgewalt mancher Schicksale als durch eignes Verdienst, gewöhnt habe, mir nicht immer dargereichte Beruhigung zu Teil – Gutes wird doch wieder beschaft – Lasset uns denn unsre Hofnungen bis künftig Jahr, ohne Zuversicht, aufsprechen – möglich könnt Ihr es so stellen, daß Ihr dann mit meinen Schlesiern zusammen hier seid. Louise sage, daß ich, wie sie schon hieraus sieht, Ihren Besuch bei Friz völlig billige – Er wird sich sehr freuen und sein Bruderherz verdient die Schwesterliebe. | Sophie selbst brachte uns, sich und uns zu trösten, Eure Absage und traf uns hier in solcher Einquartierungs Bredouille, daß wir doch Niemand hätten bei uns aufnehmen können – für die erste Zeit wenigstens nicht. Gestern begegne ich einem Eurer Akademiker, dessen Namen ich noch nicht weiß – der sich aber erboth, heute früh bei mir zur Abholung eines Briefes vorzukommen. Darauf hin schreibe ich izt, da noch alles um mich her schläft. Mein Kopfschmerz ist, wie ich nun gewiß hoffe, erst aus dem linken, izt auch aus dem rechten Ohre durchgebrochen – wenigstens fühle ich seit emsigen Kopfbaden von jenem nichts, in diesen eine beschwerliche, hoffentlich nicht perennirende, Taubheit und gewinne Zuversicht zur Wiederkehr meiner Gesundheit – da ich dem Arzt nichts, so verdanke ich es vieleicht einem mich umschwebenden Genius, der von meinem Lottchen ausgesandt. Um Ostern aus oder früher schreibst du mir, lieber Bruder, ich möge mich um die BegräbnisGelder unsers | Ehrenfrieds bemühen und sie dann auf Abschlag meiner Forderung an Jettchen (sind 300 rthr) an mich nehmen – Es gelang mir damit und ich habe es Schlichtkrull angezeigt, um nicht eigenmächtig zu handeln – auch willigte er in diese Anwendung – Empfangen habe ich statt der 75 rthr nach Abzug der Kosten 2’’ 4 folgen 72’’ 44 bezahlt an den Notar für den Geburts und Trauschein 1 – bleiben 71’’ 44 Kannst du und willst du nun bis zu 28’’ 4 gr an Louise auszalen, so sind 100 rtr abgetragen auf den Wechsel von 300 und bleibt das als vorläufige Quitung von dir aufbewahrt – Weitere Forderungen habe ich nicht an Jettchen, an dich nie andre als die der Bruderliebe. 13 aufsprechen] Kj. aussprechen

10

15

20

25

30

35

40

45

27. 8.–31. 8. 1811

50

55

60

65

70

137

Wir haben übrigens den Sommer nicht so ruhig zugebracht, als es uns wohl zu Sinne war – es ist viel Reisen gewesen, und alle Welt addressirt alle Welt an mich – doch laß du dich dadurch nicht gemeint seyn, ich weiß wohl Freude an den besseren zu genießen – Zuletzt noch haben wir uns mit Excellenzen (Graf Brake) und mit Durchlauchten (vorgestern reiste Fürst Putbus | ab[)] – tummeln müssen – indeß führt jede Beschwerde auch ihr Gutes wieder mit sich – Besonders gedeiht mir die Connexion des Lezteren izt zum Vorteil, da ich zum Gedächtniß meines Lottchens, außer einem Akkerstück wo sie es lebhaft wünschte, einen Lustwald anlege – über die Brunnenaue an dem neuen Garten hinauf – Er hat mir erlaubt, seine Baumschule, Park, und Wälder unentgeldlich zu plündern – und ich habe nun etwas zu thun, wie ich es suchte, an das sich mein HauptInteresse anfügt – Ich denke an Sie – Hast du in der Folge dorten Gelegenheiten, ausländische Baum- und Staudengewächse für mich um nicht gar hohe Preise zu erwerben, so arbeitest du mit mir auch hierin an einem Werke – sie müssen aber im Winter hier aushalten und mir noch neue seyn. Ein Paar junge Tulpenbäume (aus NordAmerika) suche ich sehnlichst – Doch dies nur für gelegne Zeit und wo dir etwa dergleichen leicht zur Hand kömmt. Wie gerne hätten wir nicht die Kleinen auch, insonderheit dein eignes Lisbethchen gesehen! nicht weniger würdet Ihr Freude haben an meiner Enkelinn Rosalie – Gott erhalte nur Euch und Uns die wankende äussre Ruhe! – Alle übrigen sind wohl und im alten Gleise Dein C v W Sagard den 27.VII.1811.

3674. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 31. 8. 1811 Ewr HochEhrwürden als Präses des KirchenVorstandsCollegii gebe ich mir die Ehre folgende von Herrn Mieth mir mitgetheilte Piec¸en die Orgel betreffend 3674. Überlieferung: H: ELAB, Dreifaltigkeitsgemeinde, 104, Bl. 49; D: Reich: Friedrich Schleiermacher als Pfarrer, S. 468 f. Es geht in diesem Schreiben um die ordentliche Feststellung von Schäden an der Orgel der Dreifaltigkeitskirche trotz der erst kurz vorher von dem Orgelbauer Johann Simon Buchholz durchgeführten Reparatur. In der Akte liegen noch die hier erwähnten Gutachten von Ritschl (16.8., Bl. 40), Runge und Kisting (25.8., Bl. 41) und Schneider (26.8., Bl. 42 f.) sowie das Schreiben von Mieth (28.8., Bl. 50 f.). Der entsprechende Beschluss wurde zwei Tage später, am 2.9., gefasst (Bl. 52 f.).

19v

138

49v

Briefe 3674–3676

1. ein Gutachten des Herrn Prediger Ritschl 2. ein dito des Herrn Organisten Schneider 3. ein dito der Herren Runge & Kisting nebst einem Schreiben des Herrn Mieth an mich zu übersenden. Meine Meinung ginge dahin daß zunächst eine außerordentliche Sizung des KirchenCollegii angesezt oder ein Paar Mitglieder besonders beauftragt würden mit Zuziehung eines oder des andern der obenerwähnten Sachverständigen wozu ich am liebsten Herrn Schneider und Kisting vorschlagen möchte die gemachten Ausstellungen | dem p Buchholz vorzuhalten und ihn ad Protocollum zu vernehmen ob er den gerügten Fehler gründlich und genügend abzuhelfen sich getraue widrigenfalls dieses in allen denen Stücken worin er es selbst nicht übernehmen wolle von andern auf seine Kosten werde bewerkstelligt werden. Warten wir bis zur nächsten ordentlichen Sizung: so könnte die Orgel dann gewiß zum Erndtefest nicht fertig werden Es thut mir leid bei dem großen Interesse welches ich an dieser Sache habe daß ich selbst schwerlich werde zugegen sein können indem ich Mittwoch eine kleine Reise anzutreten denke und bis dahin im höchsten Grade beschäftiget bin. Schleiermacher 31t. Aug 11.

5

10

15

20

3675. Von Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli/August 1811 Für Ihr Schreiben danke ich Euer Hochwürden und erkennen in seinem Inhalte Ihre freundschaftliche Gesinnungen, die mir eine offenherzige Aeußerung darüber zur Pflicht machen. An denen Maßregeln der gegenwärtigen Regierung nahm ich nur insofern Antheil, als ich vor einem Jahr über verschiedene ihrer Plane befragt wurde und zum Theil die Basen derselben, und wie ich glaube mit Recht billige – seit der Zeit ist mir aber so wenig die Art der Ausführung als der ferneren fortschreitenden Entwicklung bekannt, und ich habe keine auf öffentliche Angelegenheiten sich beziehende Verbindung mit den Geschäftsmännern. 20 schwerlich] über 〈nicht〉 3675.

Überlieferung: D: Pertz: Das Leben des Ministers 2, S. 582 f.

5

31. 8.–1. 9. 1811 10

15

20

139

Nach denen neuesten mir zugekommenen Nachrichten lassen zwar mehrere der genommenen Maßregeln manches zu wünschen übrig, aber der sich zeigende öffentliche Geist scheint mir tadelhafter, er ist ein verderblicher Schwindelgeist der Halbwisserey des Dünkels des Egoismus. Diesen zu berichtigen und zu bekämpfen halte ich für die Pflicht bedeutender geistvoller und Einfluß besitzender Männer wie Ew. Hochwürden, denn er führt zur Auflösung oder zu falschen Maßregeln; nicht dem Besseren sondern dem Gemeinsten und Schlechtesten wird es gelingen sich hervorzudrängen, unterstützt von seinen zahlreichen natürlichen Anhängern, und von der überhand nehmenden Ueberzeugung daß alle Reformen unmöglich sind, weil mehrere versuchte nicht die Erwartung erfüllt haben. Diese Betrachtung muß uns um so gegenwärtiger seyn, da die Richtung, welche die Bemühungen gemeiner Menschen nehmen sich schon deutlich ausspricht.

3676. An Charlotte von Kathen. Berlin, Sonntag, 1. 9. 1811

5

10

15

B. d. 1t. Sept. 1811. Liebste Schwester, wie wird es Euch Lieben Allen wie vorzüglich Dir und der Pistorius sein daß wir nicht kommen! Ueberraschen wird es Dich grade nicht sehr denn noch nach Deinem lezten Briefe scheinst Du es nicht für sehr gewiß zu halten – aber freilich nun sind unterdeß unsre lezten Briefe angekommen die den Tag unsrer Abreise bestimmen, da konnte wol niemand mehr eine Aenderung erwarten! Laß dir nun erzählen wie es ist. Angelegenheiten von unangenehmer Art die zu detailliren gar zu weitläuftig ist rufen mich auf sehr unerwartete Weise nach Schlesien. Dagegen war nun gar nichts zu machen. Nun war aber auch hernach noch als dies entschieden war meine Meinung, daß die andern ohne mich reisen sollten. Auch hatte sich Jette schon einmal hineingefunden obwol mit sehr schwerem Herzen und der Fuhrmann war schon gemiethet als sich auf einmal die kriegerischen Gerüchte die sich seit einiger Zeit schon herumgetrieben hatten und auf die ich wenig gab so bedenklich erneuerten daß ich nachgeben und mich zu Jettens ursprünglicher Meinung wenden mußte. Denn erstlich wäre es leicht möglich daß sie nicht sobald 3676. Überlieferung: H: BBAW, SN 753/1, Bl. 55 f.; D1: Br 2, S. 259 f. (Auszug); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 136–138 (gekürzt) 6 angekommen] korr. aus g 11 war] folgt 〈daß〉

140

55v

56

56v

Briefe 3676–3677

wieder zurük könnte und dieser Gedanke war ihr in vieler Hinsicht uner|träglich, und er ist mir in einiger auch. Und dann können doch gar leicht Zeiten kommen wo 150 Thaler mehr ein großer Schaz sind, und wo wir uns dann über den liebsten und schönsten Genuß gar hätten Vorwürfe machen müssen. Sieh Liebe so geht es zu daß nun niemand kommt von uns. Nun liegt uns noch schwer auf dem Herzen wie es mit Luisen werden soll. Die Rühs, welche sie vielleicht mitnehmen konnte ist krank, und wer weiß ob und wann aus ihrer Reise etwas wird und ich fürchte Luise wird uns nun sehr ungeduldig werden wenn sich nicht bald eine gute Gelegenheit zeigt Wie leid thut es mir nun daß ich nicht mehr und öfter habe schreiben können! ich tröstete mich so ruhig mit dem baldigen Sehn – und nun, wer weiß wann uns das bevorsteht! Daß man alles lernen muß entbehren in dieser Zeit, das ist sehr gut und schön; wenn man nur wenigstens seine Einrichtung darauf zeitig genug machen könnte. Indeß ist es sonderbar, daß so sicher auch diese Reise im Ganzen schien, wiewol durch die Amtsverhältnisse immer verzögert, ich doch gar kein sicheres Gefühl davon hatte vielmehr mich einer Ahndung als ob nichts daraus werden würde nie ganz erwehren konnte. Aber man darf doch so etwas nicht bei sich aufkommen lassen. | Daß ich nie weniger Herr meiner Zeit gewesen bin als diesen Sommer weiß Gott, und doch habe ich außer den laufenden Geschäften nichts gethan als ein einziges neues Collegium ausgearbeitet kann ich freilich nicht sagen aber doch angelegt. Dank sei es dem Magenkrampf und den Kuren! Nun war ich seit wenigen Wochen so gesund und frisch als ich seit sehr langer Zeit nicht gewesen bin, ordentlich bis zum sprudelnden Uebermuth; und wie würde es die höchste Spize des Wohlbefindens gewesen sein nun so einige Zeit bei und mit Euch zu leben! Doch das Klagen hilft ja nichts liebste Lotte. Nur laß uns den Schaden soviel wir können ersezen. Heute ist mir nur freilich zu wehmüthig. Es ist mir als ob Rügen nun auf einmal viele hundert Meilen weiter weg gerükt, und als ob es ein höchst mißliches Unternehmen wäre jemals wieder hin zu kommen. Doch still daß es nicht auch klingt wie eine Ahndung. Die arme Sophie die sich gewiß so besonders innig auf die Kinder gefreut hatte! ach es ist recht traurig. Was uns eingermaßen beruhigen sollte ist daß euer Zustand dort wirklich zu beklommen zu sein scheint als daß ein recht gründlich heiteres Zusammensein möglich gewesen wäre. Ihr hattet freilich wol alles vergessen aber es wäre doch fühlbar gewesen, daß Ihr es nur vergäßet. | Der 35 würde] korr. aus k

53 als] korr. aus um

20

25

30

35

40

45

50

55

Sommer 1811

60

65

70

75

80

141

Bruder Eures Zöglings, der einen Augenblik bei uns war, und sich die ganze Familie angesehn hat was mir damals eine sehr überflüßige Operation zu sein schien, hat uns viel Beruhigendes darüber gesagt, wie fest und sicher Kathen stände und die geistlichen Herren können ja wol auch zum Glük nie ganz untergehen. Das halte ich nun fest aber eure ganze Lage giebt mir doch ein sehr trübes Bild. Wenn es Euch helfen könnte: so wollte ich Euch beschreiben, wie es in vielen Gegenden unseres Staats besonders in Preußen aussieht nemlich hundertmal ärger als bei euch – Man muß alles Aeußere aufgeben und fest versichert sein, daß es von dieser Seite nur nach den schreklichsten Verwüstungen und Umwälzungen besser werden kann, und muß nur, damit diese kräftig und glüklich bestanden werden, wenn sie kommen, recht auf den Geist wirken. Das thue ich auf jede Art die in meinen Kräften steht; wie lange ich es noch können werde weiß Gott. Aber gern hätte ich Dir von dem Segen gesprochen den ich in dieser Hinsicht zu stiften glaube, und wie ich die Saat glaube kommen zu sehn, und Dir in diesem Gefühl und in meinem Leben mit Jette und den Kindern das volle seltene Glük gezeigt das ich mit vollem Bewußtsein in der zerbrechlichsten Schale trage. – Denn alles andre ist doch nichts. Dein schönes jeziges Leben soll ich also auch nicht mit Augen sehn, und dich fühlen lassen wie ganz und rein ich es verstehe! – Nun es ist nicht anders und muß also auch gut sein. Steht doch jezt Dein Bild so lebendig vor mir daß ich nur wollte Du sähest mich auch so. Laß uns nun nur die Abwesenheit recht genießen so lange wir das können. Die herzlichsten Grüße an Kathen, und küsse mir all Dein Kindervolk an dem ich mich so gern erfreut hätte. Furchau sage nur daß ich mich seines lezten Briefes sehr gefreut hätte! – Ach es ist doch gar Schade daß wir nicht kommen. Ganz Dein allertreuster Bruder. Schl

3677. Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Sommer 1811 Hier, lieber Schleiermacher erhalten Sie 1/3 opus von mir. Das Drittheil ist mein Antheil am beiliegenden kleinen Katechismus den wir drei, Dohl58 gesagt,] folgt 〈daß〉 3677. Überlieferung: H: BBAW, SN 253, Bl. 52–54. Die Datierung ergibt sich daraus, dass Steffens sich im Sommer 1811 auf den Umzug nach Breslau vorbereitete. – Mit einem Exemplar des reformierten Katechismus.

142

52v

Brief 3677

hoff, Rienäcker und ich gemeinschaftlich aufgesetzt haben. Ich weiß nicht ob Sie jemals den ehemals hier üblichen, aus Pischons Fabrik, gesehen haben, etwas schlechteres, unvollständigeres und widrigeres ist mir lange nicht vorgekommen, und da zum Glück die Auflage erschöpft war so bewogen wir endlich Dohlhoff, der sich, wohl aus Furcht vor möglichen dabei zu entstehenden Streitfragen, anfänglich etwas sträubte, sich mit uns ans Werk zu machen, welches wir dann auch in wenigen Nachmittagen auf das friedlichste zu Stande brachten. Sollten Sie ihn brauchbar finden und uns einigen Absatz verschaffen desto besser für unsre ArmenKasse. Das scheinbar dürftige in der Behandlung einiger Hauptpunkte als Sakramente &c. fließt aus unsrem dabei angenommenen Grundsatz, alles auf die möglichst einfachste, biblischste Weise nur eben anzudeuten, und zwar so daß damit keine einseitige, bestimmte Ansicht aufgedrungen, sondern jedem, nur christlichen Lehrer, völlige Freiheit gelassen werde. Sei es auch daß mich das Gefühl der Befreiung von dem alten Katechismus über die Vorzüge des neuen täuscht, den ich schon seit einigen Monaten beim Unterricht benutze, oder daß ich besser als jeder andre das oft nur mit einem Worte, oder einer Wendung des Ausdruks angedeutete verstehe, weil ich ihn selbst geschrieben, aber ich muß aufrichtig gestehen daß ich im Ganzen genommen ganz wohl damit zufrieden bin. – Ich wollte ich könnte dies eben so | ehrlich von meinen Predigten sagen. Zürnen Sie nur nicht daß ich sie Ihnen ohne weitere Anfrage zugeschrieben habe, es konnte wahrlich nicht wohl anders sein. Obgleich ich als Herr vom Hause am besten wissen sollte was stinkt, und es auch an vielen Stellen nur zu gut weiß, so sieht man doch immer dergleichen mit eignen Augen einseitig zu gut oder zu schlecht an. Ich weiß wie schwer Sie zum Lesen kommen und bei Ihren jetzigen Geschäften möchte es wohl noch schwerer als je halten, so daß ich Ihnen kaum zumuthen kann das Büchlein auf Ihre Art zu lesen, aber wenn Sie es auch nur durchblättern wird Ihnen doch gewis manches auffallen was mir und am Ende auch Rienäcker und Steffens entgangen ist, eben weil Sie mich nicht wie diese täglich sehen; und eben damit ist mir garsehr gedient, und ich hoffe Sie werden damit nicht läslich zurükhalten. Daß die ersteren schwächer, der Ton darin unsicherer und überhaupt schülerhafter sind als die letzteren ist natürlich, und ich habe es eben damals am lebhaftesten gefühlt welch ein himmelweiter Unterschied zwischen einer französischen und einer deutschen Predigt nothwendig sein muß und wie mir das französisch Predigen eigentlich im Ganzen mehr geschadet hat als genützt. Was ich Ihnen gedruckt über die meine Absicht bei Herausgabe der Predigten gesagt ist natürlich meine eigentlichste Meinung, vorzeitlich aber werden Sie es in

5

10

15

20

25

30

35

40

Sommer 1811

45

50

55

60

65

70

75

80

143

meinen Verhältnissen finden daß ich noch außerdem eine kleine neben Absicht dabei berüksichtigte, nämlich die mir damit vielleicht die Rükkehr ins Vaterland zu erleichtern, da es doch wahrlich hier, nach Steffens wahrscheinlich bald erfolgender Abreise, gar zu kläglich für mich aussieht, obwohl ich auch recht wohl einsehe und es gewis als ein großes Geschenk des Himmels zu | würdigen weiß daß ich hier in collegialischen Verhältnissen lebe wie ich sie gewis nirgend wieder so antreffen werde. Ich wollte nur ich könnte den Rienäcker dahin bringen einiges druken zu lassen, es würde Sie gewis sehr erfreuen. Es ist aber bei seiner wunderlich ängstlichen Gemüthsart dazu wenig Hofnung, und aufrichtig gesagt ich würde nicht ganz ruhig dabei sein denn der geringste, wenn auch noch so unbillige und alberne Tadel würde ihn auf längere Zeit unglüklich machen. Doch steht es im Ganzen jetzt, da er eine Tochter hat, um vieles besser mit ihm und nur die bei Hypochondristen gewöhnlichen Beschwerden im Unterleibe machen ihm noch zuweilen düster und ängstlich. Ich kenne gar nicht die jetzige Verfassung des geistlichen Regiments im Preußischen, könnten Sie mir nicht sagen ob wer da ist dem ich, einer künftigen Berufung wegen, etwa die Predigten zuschickte? Dem Sack, Erman, und den jungen Ancillon schicke ich sie ohnehin, theils aus Achtung theils wegen alter Bekanntschaft. Ich berge es nicht daß da eine Anstellung in Berlin, jetzt schon, kaum möglich, ja kaum recht wünschenswerth für mich wäre, ich große Lust hätte als treues Zubehör von Steffens ihm nach Breslau folgen zu können. Ihre Kurze Darstellung &c habe ich zwar mit Vergnügen gelesen aber es ist mir dabei zu Muthe als hätte ich eine Grammatik zu einer Sprache in welcher mir die Bücher fehlten. Die Schwierigkeit des Memorirens, und der Ueberdruß bei diesem tödlich langweiligen Geschäft nimt täglich bei mir zu, ich bin daher entschlossen künftig immer frei zu predigen was ich bisher nur des Nachmittags gethan habe, einige Versuche wozu mich die Noth gezwungen sind wenigstens nicht so ausgefallen daß ich mich deren zu schämen hätte; nun denke ich die Predigt noch immer ganz und fleißig auszuarbeiten und aufzuschreiben, damit aus einem ehrlichen Entschlusse nicht ein faules Wesen werde. Auch in Dresden, wo ich | kürzlich war habe ich es so gehalten und Riquet war damit zufrieden. Zu meiner großen Freude habe ich, wie Sie wohl schon wissen, dort drei Wochen mit der Hofräthin Herz bei Riquet gewohnt. Leider hat Sie mir von Ihnen lieber Freund nicht ganz tröstliche Nachrichten gegeben. Sie müssen gewaltig leiden da alle Briefe aus Berlin davon sprachen, auch der arme Steffens ist beinahe seit

53

53v

144

54

Briefe 3677–3678

einem Jahre, kaum auf Wochen, ganz frei von dem nämlichen Uebel das auch bei ihm oft eine entsetzliche Intensität gewinnt. Wie Sie dabei so viel arbeiten können ist mir ganz unbegreiflich. Ich kann Ihnen nicht sagen wie ich mich sehne Sie wiederzusehen, und doch wird es wohl so bald nicht geschehen, ich habe manches, die letzte Zeit betreffend auf dem Herzen worüber ich unmöglich schreiben kann und was mir doch das Leben sehr verbittert hat. Gott gebe daß Karoline endlich wo nicht zum Glük doch zu einiger Ruhe komme, Sie grüßen sie wohl von mir wenn Sie sie sehen. Auch über manche theologische Gegenstände hörte ich gerne Ihr Urtheil und Ihre Lösung. Rienäcker steht ungefähr auf dem nemlichen Punkte mit mir und es kommt dafür bei unseren Disputationen und Sprechen nicht viel heraus, und Steffens ist wiederum mit vielen Einzelnheiten der Lehre und der besondern Verfassung der christlichen Gemeinen, vorzüglich aber mit dem Geistesbedürfnis der meisten nicht bekannt genug um überall auszuhelfen. Es ist nicht recht daß Sie die christliche Ethik und die Dogmatik wenn sie für den Vortrag ausgearbeitet sind, wie sie es doch gewis sind noch nicht druken lassen. Harscher hat mir ein Heft Ihrer Ethik versprochen, ich habe aber seit er in Berlin ist nichts von ihm gehört. Wenn Sie ihn scharf darann erinnerten brächte er es mir wohl mit wenn er, wie ich höre, hier ins Land kommt. Mit den Kantischen Sachen habe ich mich herumgeschlagen aber sie sind doch wahrlich gar zu dürr und zu todt, das Leben spielt darin nur in den Noten wo er sich selbst, oft rührend, von seinem eigenen, ihm eben doch | wie mich dünkt, innerlich selbst nicht zu fangenden, SystemZwange befreit. Ich kann durchaus keine lebendige Anschauung aus seiner Ethik gewinnen. Dohlhoff kommt nächstens nach Berlin und wird sich freuen Sie zu sehen, vielleicht erhalte ich doch durch ihn wenn nicht früher etwas von Ihnen. Nun, lieber Freund, leben Sie wohl; Gott schenke Ihnen Gesundheit und Freude mit den Ihrigen, empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau und Nanny. Gott befohlen. Blanc

99 Ihrer] ihrer

85

90

95

100

105

110

12. 9. 1811

145

3678. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 12. 9. 1811 den 12 Sept. 11.

5

10

15

20

25

30

Herrlicher Freund Heute ist Mitwochen, ich bin schulfrei und Elise ist aufs Land zu Freundinen gefahren; ich bin allein; und mag nicht allein seyn; ich muß an Sie schreiben, dem Ersten, dem ich nach meiner Rückkunft von unserer glücklichen Heimfarth Nachricht geben kann. Mancherlei Geschäfte hatten sich angehäuft und ich mußte meiner nächsten Pflicht Genüge leisten, doch habe ich täglich an Sie und an Ihre liebenswürdige Umgebung gedacht – dankbar liebevoll, das versteht sich. Voll Glauben und Vertrauen auf Ihre Humanität und Freundschaft zu unserm unsterblichen Adolf kamen wir; und unser Herz hat volle Gnüge empfangen. O wie unbeschreiblich wohlthätig süß war dieses warme Andenken an den Himmlischen, diese Sympathie mit unserer Gemüthsstimmung! Meine Elise ist vorzüglich dadurch erbaut und gestärkt worden. Und so mein Hauptzweck dieser Reise erreicht und mein Herz etwas erleichtert. | Meine Elise meint, daß ich im Anfang nicht mit Ihnen im Rapport gestanden, weil ich für Ihren ruhigen beobachtenden Geist zu lebendig gewesen sey. Von meinem eigenen Benehmen weiß ich eigentlich nichts. Seit ich mit Bewußtseyn in die Welt getreten bin, hab ich mir zum Gesetz gemacht, bei solchen, die ich für Freunde halte, ganz zu seyn, wie ich bin, mit voller Offenheit des Herzens. Das Angenommene, der schöne Schein ist mir im Geiste höchst verhaßt. Und ich glaube, einem Mann, wie Sie, muß die Individualität nur einen Werth haben. Sie scheidet die Geister, und es ist schon Gewinn, wenn diese Scheidung nicht durch den Schein aufgehalten wird. Darum glaube ich, meine durch die Reise und durch die Freude bei den Freunden Adolfs zu seyn, aufgereizte Lebendigkeit, hat Sie nicht von mir entfernter gestellt, als Ihre Liebe zu ihm | sich mir genähert hatte. Meine 60 Jahre rücken mich gern über die Sphäre Ihrer Denk- und wissenschaftlichen Sprachart hinaus, und ich kann durch das mechanische 40jährige Dociren des Gelernten nicht wieder zurück, trotz des besten Willens. Aber dieser Wille ist durch meine angebohrne Lernbegierde so lenksam, und durch meine Idee von Humanität, die mich vor allem Egoismus gesichert und von der Gemeinheit gesondert hat, so geschmei3678. Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 19 f.; D: Gerber: Die Familien Müller und Schleiermacher, S. 127 (Zitat)

19v

20

146

20v

Briefe 3678–3680

dig und demüthig geblieben, daß ich mich täglich zu Ihren Füßen setzen möchte, um von Ihnen neue klare Ansichten zu erlauschen. Daß diese hohe Achtung nicht in meiner Gleichstellung zu erkennen war, haben Sie gewiß nicht als Selbstzufriedenheit oder Geringschätzung des geistigeren Lebens genommen; Sie müssen es für reine kindliche Hingebung an Ihr Herz halten, was sich doch nicht | von Ihrem höher stehenden Geiste trennen läßt. – Ich fand mich bei Ihnen in mein 20 Jahr versetzt, wo ich einen nach damaliger Sphäre gleichstehenden Lehrer und Freund hatte, bei dem ich als Hauslehrer wohnte, erst in Göttingen, dann in Kiel – der Kirchenrath Zachariae. Meine freiere Ansicht der Dinge und des Wissens verdanke ich ihm. Er war Ihnen sehr ähnlich, auch in Rücksicht der Abendversammlungen, wie er freier Samen ausstreute, als ihm die damaligen Zeiten im Collegio erlaubten. Sie werden daher glauben, daß auch ohne das innigere Band durch meinen Sohn, Freund und Lehrer – ich keinen höheren Wunsch habe, als in Ihrer Nähe zu seyn – Ihrer Nähe! an die so viele liebenswürdige reine Wesen geknüpft sind, die Sie von mir aufs freundlichste grüssen müssen Müller NB. Gemeineren Briefstoff finden Sie in einem gemeinschaftlichen Briefe an Alle.

*3679. An Christian Gottlieb Konopak. Berlin, Freitag, 13. 9. 1811 Über Konopaks Aussichten auf einen Ruf auf eine preußische Universität und über die neue Universität Breslau. Fragt, ob das Gerücht wahr sei, dass Rostock befestigt wird. Über seinen (Schleiermachers) Magenkrampf; über die bevorstehende Reise nach Schlesien.

*3679. Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk zum Brief 3652 vom 8. 7. 1811. Zum Inhalt vgl. auch Brief 3688, Z. 2–7 vom 22. 9. 1811.

35

40

45

50

12. 9.–13. 9. 1811

147

3680. An Johannes Karl Hartwig Schulze. Berlin, Freitag, 13. 9. 1811 Berlin, d. 13ten September 1811.

5

10

15

20

25

30

Sie müssen in der That, mein werther Freund, eine große Masse von Geduld für mich aufbringen, aber ich rechne auch sehr auf die gütigen Gesinnungen, die Sie in Ihrem letzten Briefe äußern, wenn gleich ich mir nicht alles, was Sie mir zur Entschuldigung annehmen, wirklich zuschreiben kann. Wie groß mein Einfluß auf die wirkliche Errichtung der hiesigen Universität gewesen, wage ich nicht zu bestimmen; ich halte ihn nur für gering und für sehr indirekt. An der Organisation habe ich Anfangs aber auch eigentlich nur bis Ende des vorigen Jahres einen sehr lebhaften Antheil gehabt; indeß ist, wie es denn zu gehen pflegt, auch schon damals, wie viel mehr noch seitdem, manches geschehen und unterblieben, was ich nicht auf meine Rechnung nehmen möchte. Was Sie mir in Ihrem Briefe von den Gesinnungen gegen diese neue Anstalt sagen, hat mich in der That überrascht. Ich dächte, wo man nur irgend deutschen Sinn hat, könnte man nicht anders, als sich darüber freuen. Mir wenigstens ist es sehr einleuchtend, daß weder die ausländischen Regierungen, noch die willkürlichen Constitutionen so stark und so unfehlbar auf die Ertödtung des Nationalgeistes wirken werden als die Umwandelung der Unterrichtsanstalten, wie sie jetzt in den neuerrichteten Departements betrieben wird, und der intellektuelle Despotismus der kaiserlichen Universität. Daher sollte man sich freuen in einem Staat, welcher direkten Einflüssen dieser Art bis jetzt am wenigsten ausgesetzt ist, ein neues Asyl für deutsche Art und Wissenschaft errichtet zu sehen. Behalten wir nur Friede, so denke ich wird dieses Geschrei sich bald verlieren und die Sache über ihre Gegner sehr glänzend siegen. Mit dem Erfolg dieser beiden Semester haben wir alle Ursache zufrieden zu sein. Mir hat sie doch auch schon etwas eingetragen, meine theologische Encyklopädie hat sich zu einem kleinen Compendium gestaltet, das freilich, wie ich fürchte, an und für sich sehr schwer verständlich ist, aber doch mir und den Zuhörern, wie ich erprobt habe, sehr gut ausreicht. Bei den nächsten Vorlesungen will ich eine kleine litterarische Anleitung hinzufügen, die dann, so Gott will, in eine zweite Auflage mit übergehen kann. Nächstdem habe ich unter dem Namen der Dialektik ein allgemeines philosophisches Collegium, ich kann noch nicht sagen ausgearbeitet, aber doch 3680. Überlieferung: D: Dorow: Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der Welt und Litteratur 2, S. 35–38

148

Briefe 3680–3683

angelegt, wodurch meine Ansichten über diese Gegenstände völlig in Ordnung gekommen sind, indeß bin ich bis jetzt gesonnen sie lange oder immer esoterisch zu halten. Für die Disciplinen, die ich sonst vorgetragen, haben mir leider meine Geschäfte nicht zugelassen etwas bedeutendes zu thun; dieses würde, da ich auch nichts litterarisches gearbeitet habe, nicht erklärlich, wenn ich nicht sieben Monate am Magenkrampf auf eine fast unerträgliche Art gelitten hätte. Jetzt bin ich endlich seit wenigen Wochen befreit, nachdem ich mich fast drei Monate lang magnetisiren lassen, was auch die Zeit weggenommen hat. Ihre Wünsche, mein lieber Freund, habe ich seit Empfang Ihres Briefes fleißig im Auge gehabt. Die Univesität Breslau hätte wohl eine Gelegenheit dargeboten Ihnen Kanzel und Katheder vereint anzuweisen, wenn nicht die Universitätspredigerstelle schon längst eventualiter für den Consistorialrath Gaß, der sich auch sehr dazu eignet, bestimmt gewesen wäre. Die theologische Fakultät dort ist indeß vor der Hand so besorgt, daß man bald merken wird, es reicht nicht hin, und eine Predigerstelle könnte sich dann, da es Ihnen an Beifall nicht fehlen wird, in der Folge dazufinden. Allein Sie müssen uns zuvor irgend ein Specimen theologischer Erudition in die Hände geben, damit ich etwas reales anzuführen habe. Doch vielleicht erfüllt Augusti’s Abgang nach Breslau Ihre Wünsche auf eine andre Weise. Den ersten Theil Ihres Winkelmann habe ich mit Genauigkeit gelesen und so, daß ich mir von Ihrem Fleiß eine eigne, sehr erfreuliche Ueberzeugung erworben habe; mit dem zweiten ist es mir leider noch nicht so gut geworden. In Ihren Predigten lese ich mit vielem Vergnügen; das einzige, was ich dagegen sagen möchte ist, daß Sie in Absicht der Sprache eben so viel von Ihren Zuhörern fordern als man mir Schuld giebt, aber auf andre Art; ich glaube nämlich, daß meine Zuhörer eher wissen werden, was sie nicht genau verstehen, die Ihrigen aber sich leichter einbilden werden verstanden zu haben, weil das Schwere sich unter einem poe¨tischen und sehr gefälligen Gewande verbirgt. Die poe¨tischen Schlüsse sind eine sehr schöne Zugabe; es sammeln sich auf diese Art treffliche Elemente zu einem Liederbuche; nur das in Ihrem letzten Briefe scheint mir wegen dieser bestimmten Form von Allegorie der Kanzel unmittelbar weniger angemessen. – Sollte sich, was Sie das Christliche am Sophokles nennen, auch zu einer besondern Schrift eignen, wiewohl sich dergleichen besser gelegentlich beibringen ließe, so würde ich doch einen weniger paradox klingenden Titel wünschen. Doch ich muß ungern abbrechen mit der Versicherung meiner herzlichen Anhänglichkeit. Schleiermacher.

35

40

45

50

55

60

65

70

13. 9.–16. 9. 1811

149

*3681. An Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Görlitz, Montag, 16. 9. 1811 Verabredet für den 21.9. ein Treffen in Greifenberg, bei dem Luise von Willich mit Ernst von Willich mitkommen soll.

3682. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Montag, 16. 9. 1811 Herrn / Profeßor D. Schleiermacher / Hochwürden [Bl. 75v]

5

10

15

Breslau, den 16 Septbr. 11. Ich erfahre, da ich eben im Begrif bin, auf eine Geschäftsreise nach Brieg und Cosel zu gehen, daß Sie auf dem Wege nach Schlesien sind und auch zu uns kommen wollen. So viel Freude mir dies auch macht, liebster Schleiermacher, so wandelt mich doch die Furcht an, wir mögten uns nicht sehen und darüber würde ich mich den ganzen Winter nicht beruhigen können. Dies wo möglich zu verhüten, benachrichtige ich Sie, daß ich morgen abreise und spätestens den 27ten wiederkommen werde und bitte Sie zugleich recht herzlich, Ihren Weg durch Schlesien so zu nehmen, daß Sie in Breslau zulezt eintreffen. Ich hoffe, daß diese Zeilen Sie finden und mein Wunsch in Erfüllung gehen wird. Ich | mus Sie sprechen, das ist durchaus nothwendig. Tausend Grüße an Sie alle von Heindorfs und uns. Leben Sie wohl und kommen Sie gesund zu Ihrem Freunde Gaß

3683. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Montag, 16.9. bis Dienstag, 17. 9. 1811 Montag d 16t. N a c h m i t t a g s Weißt Du, mein HerzensMann, was ich so eben vollbracht habe? Den Schlegel habe ich transportirt und Dein Bild meinem Bette gegenüber *3681. Erschlossen aus Brief 3686, Z. 23–28; laut Tageskalender kam Schleiermacher am 16. 9. 1811 in Görlitz an und fuhr am 17.9. früh um 3 Uhr weiter. 3682.

Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 74.

3683. Überlieferung: H: BBAW, SN 425/1, Bl. 3 f.; D: Br 2, S. 260–262 (gekürzt). Das Datum des Briefes ergibt sich daraus, dass er an den Anfang der Schlesienreise gehört und dass Schleiermacher diesen Brief laut seiner Antwort (Brief 3686 vom 21.9.) am 19.9. erhielt.

74v

150

Brief 3683

gehängt. Als ich gestern Nacht ziemlich schwermüthig im Zimmer hin und her ging recht voll Sehnsucht und allerlei Gedanken voll, fiel mein Blick auf Schlegel und ich ward ganz grimmig daß mir der Fremde da hing und nicht dein Bild und ich hätte gern augenblicklich die Versetzung in’s Werk gerichtet. – Ich freue mich daß ihr so herrliches Wetter habt, ich verfolgte so gerne eure Reise aber ich kann nichts als ohngefähr vermuthen wann ihr in Schmiedeberg ankomt.

v

3

Dienstag Nichts ist aus meinem Schreiben gestern geworden, ich hatte auf den Abend gerechnet, Harscher war aber bis 11 hier, hernach war ich so zerschlagen, weil die vergangne Nacht durch kleine Unruhen der Kinder mir sehr gestört worden war, daß ich Dich deutlich sagen hörte „Frau geh zu Bette![“] und da that ich’s. Ich bin bisweilen etwas schwach mein lieber Man mir ist es unaussprechlich unheimlich ohne Dich, immer und überall aber dann kommen Augenblicke wo ich mich gar gerne in einen Winkel verkröche und dem lieben Mann nachweinte nach Herzenslust. Ja mein süßes Leben es ist doch nichts ohne Dich und es fällt mir immer gewaltig schwer aufs Herz daß es noch so lange dauert. Fehle ich Dir denn auch wohl bisweilen? ich weiß ja daß ich ein Wurm bin aber sei mir doch nur recht unmenschlich gut, und merke nur nicht etwa jetzt daß du mich doch sehr leicht missen könntest. Ich hätte mich nur nicht hierher setzen sollen an Deinen Sekretair wo wir oft zu zweien auf einem Stuhl gesessen | und wo mich die jetzige Öde gar zu sehr überfällt, ich komme gar nicht dazu dir was ordentliches zu schreiben. Wie sehr sonst dafür gesorgt ist von außen her daß ich mich nicht kann gehen lassen das glaubst du kaum, zu schaffen giebt es unaufhörlich und kleine Zerstreuungen bieten sich auch so manche dar so daß an keine schädliche oder wohlthätige Ruhe zu denken ist, ich bin auch jezt recht fleißig und recht dabei. Den Sonnabend gingen wir Nachmittags mit Harscher spazieren und den Abend wurde die neue Lektüre der Ilias angefangen welch ein außerordentlicher Genuß mir hierin aufgegangen kann ich Dir gar nicht ausdrücken welche Gestalten! welche zum Erstaunen schöne Sprache. Harscher könnte wohl etwas lebendiger lesen aber dafür ist er auch unendlich gefällig im erläutern aller Art. Den Sonntag gingen wir in die Kirche um Pischon zu hören, ich gestehe dir ich hatte aber mehr erwartet als gefunden, es war eine gute Predigt wie man unendliche hören kann gar nicht confuse sehr ordentlich, aber es machte mir einen peinigenden Eindruck daß die Hauptgedanken so unbezweifelt und ganz genau aus

5

10

15

20

25

30

35

40

16. 9.–17. 9. 1811

45

50

55

60

65

70

75

80

151

Deinen zuletzt gehaltenen Predigten genommen waren obwohl schwächlicher ausgeführt, genug es war keine Spur von Eignem in der ganzen Rede und das hatte ich doch von Pischon erwartet. Wenn Du wiederkomst muß ich Dir noch einiges davon erzählen was mir aufgefallen ist. Den Sonntag Abend bei Albertis ging es sehr lustig her und die Leute waren alle sehr freundlich mir war aber kindisch ängstlich zu Muthe als ich ohne Dich in | Gesellschaft gehen sollte. Raumer war da der allernächstens seine Frau heim führt und Dich also noch zu treffen denkt, sie reisen mit Steffens zusammen. Den Montag ist Schneider wieder bei mir gewesen, Göschens Kinder sind zum erstenmahl zur Stunde hier gewesen es war mir ein großes Vergnügen alle die Kinder um den großen runden Tisch sitzen zu sehen lernend, und das bei mir zu haben, mich dünkte ich kam mir nun erst als eine rechte Hausmutter vor, zugleich ward mir auch die eigne schöne Kinderzeit sehr gegenwärtig. Friede hat die ersten Klapse heute gekriegt er war aber mausestill und ließ sich nichts merken mir thaten sie ungeheuer viel weher als ihm. Mit Jettens gutem Willen muß man sehr zufrieden sein. Gestern Abend hat uns Harscher zum zweitenmahl vorgelesen, Heute kommen Schedens die sich angemeldet und Winterfeldt den Nanny auf der Academie gebeten nachdem er Harschern mit sehr bedenklicher Miene um Rath gefragt ob er wohl glaube daß er zu uns kommen könne worüber ihn dieser auch gottloser Weise ganz in Zweifel gelassen hatte. Wie Elsbetchen Dich in Deinem Bette den ersten Morgen gesucht hat war gar zu lieblich, mir war aber doch ganz wehe dabei – Du kannst mir es nicht verdenken liebster Mann. Das Kind übt aber eine ungeheure Gewalt über mich, mit ihren klaren heiteren liebevollen Augen kann sie mich immer ganz seelig machen wenn sie nur will. Ich freue mich doch auch wie ich es dir nicht sagen kann auf das verborgne, täglich mehr, | wenn es nur einigermaaßen eine Zeit ist in der einer der Freude fähig ist so will ich es mit großer Wonne empfangen. Lieber Ernst wenn Gott es uns zugedacht hat uns noch lange vereint ein schönes heiteres Leben in der Mitte unserer Kinder führen zu lassen ach dann wird es doch auch immer schöner werden, es giebt doch nichts köstlicheres als eine Reihe lieber wohlgebildeter Kinder, mit welcher Rührung sich mir so ein süßes stilles häusliches Leben in dem Bilde unseres Lebens immer aufdrängt kann ich dir gar nicht sagen es ist mir auch sehr fromm dabei zu Muthe und voll Hoffnung daß Gott meine Kraft erhöhen werde damit sich alles reiner und lebendiger noch um mich gestalte und mein guter Wille mehr That werden könne, ach und Du bist der lichteste Punkt in dem Bilde um den sich alles liebevoll bewegt auf den alles sich bezieht. Bitte nur auch

4

4v

152

Briefe 3683–3685

Gott daß er unser Leben auf keine Weise zerstöre, nur aus seiner Hand könnte eine wahre Zerstörung kommen, denn tausenderlei was von der Welt ausgeht und was für Viele Zerstörung ihres Glücks sein würde wird für uns nur Auffordrung sein unsre Kräfte mannigfach zu üben. Mein lieber Mann Gotte erhalte Dich und bewahre Dir Gesundheit und erhalte uns unsere süßen Kinder dann will ich immer auch nach dem sauersten Tagewerk wenn es mir beschieden sein sollte, recht seelig Abends an Deine Brust sinken und dem Herrn danken für mein Glück und durch mein Glück. Ich küsse Dir in aller Zärtlichkeit die Hände mein liebstes Leben Deine Jette.

85

90

3684. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Hirschberg, Mittwoch, 18. 9. 1811 Es ist mir mit den Posten sehr unglüklich gegangen liebste Jette. In Cottbus war sie eben abgegangen und in Hirschberg war sie eben geschlossen. Hier ist nun auch die größte Eile nöthig. Wir sind ohne allen Unfall und im Ganzen überhaupt sehr glüklich gereist und Gestern gegen Abend in Hirschberg angekommen wo wir aber weil ich meine Geschäfte nicht ausrichten konnte [über] Nacht bleiben mußten. Jezt sind wir nun hier; auf den Sonnabend bringe ich Luisen auf den halben Weg zu ihrem Bruder und Montag wahrscheinlich reise ich weiter. Also den nächsten Brief den Du nach Empfang dieses schreibst adressire nach Breslau abzugeben bei dem Conistorialrath Gass. Luise ist seit Niesky in Einem Entzükken. Unaufhörlich denke ich Dein, und wie gern hätte ich Dich bei mir. Das Wetter ist wunderschön, und meine Gesundheit ist ganz vortreflich. Carls habe ich auch ganz wohl und heiter gefunden, sie grüßen herzlich. Auch Neygenfind war schon hier und hat sehr theilnehmend nach Allen gefragt. Ich umarme dich aufs herzlichste, grüße alles. Liebste Jette fühle es nur recht wie ich Dich vermisse. Dein allertreuster Ernst

3684. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/1, Bl. 1. Die Datierung ergibt sich aus dem Vergleich mit dem Tageskalender (17.9. Ankunft in Hirschberg und vergeblicher Versuch, Titze zu finden).

5

10

15

17. 9.–20. 9. 1811

153

3685. Von Adolf Schlichtkrull. Poseritz, Freitag, 20. 9. 1811 Dem / Herrn Professor Schleiermacher / in der Canonir / Straße in Berlin [Bl. 3v]

5

10

15

20

25

Poseritz d 20sten Sept 1811 Daß wir uns dies Jahr nicht haben sehen sollen, dies geht uns allen nahe. Sie machen uns zwar Hoffnung fürs kommende Jahr, aber wie vieles enthält nicht oft Ein Jahr, um eine Reise zu hindern, oder sie weniger froh zu machen. Alles war schon so schön in Ordnung das Haus gescheuert und gesäubert, auch meine Oekonomiearbeit so beschickt, daß am Fahren uns nichts hindern sollte, die Kirchenordnung schon bereitet um Ihnen zum Schemel auf der Kanzel zu dienen, da kam | Ihr Absagebrief, der alles Erwarten endete, wir wurden verstimmt, und reisten den Nachmittag nach Sagard. Was Ihren Auftrag betrifft, so habe ich mit heutiger Post an Secretair Rehfeld geschrieben, der das Nöthige vom Consistorio als dem Obervormunde besorgen, und es Ihnen denn sogleich zuschicken wird. Meine Frau leidet noch etwas am Fuße, darüber etwas verstimt, hat sie die Antwort auf Jettchens Brief verschoben. Der Vormundschaft wollten wir | uns freilich entsagen, aber das Consistorium schlug uns dies Ansuchen ab, und so sind wir noch Nominalvormünder. Von Jettchens Angelegenheiten weiß ich des übrigens wie es einem wohlbestellten Figurantenvormund geziemt nichts. Jettchen wird ja wohl alles mit Mühlenfels geordnet haben, dies ist wenigstens die Antwort die ich auf eine frühere Anfrage erhielt, die auch völlig genügen kann, wenn dem allen so ist. Eben dies veranlaßte uns wegen Niederlegung einer Bürde ohne Last einzukommen, dem Ansuchen ward aber nicht Raum gegeben. Nun lieber Bruder leben Sie wohl, reisen Sie glücklich und erreichen Sie ganz den Zweck Ihrer Reise ASchlichtkrull

3685.

Überlieferung: H: BBAW, SN 377, Bl. 2 f.

2v

3

154

Brief 3686

3686. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Hirschberg, Sonnabend, 21. 9. 1811 Der / Frau Professorin Schleiermacher / geb von Mühlenfels / zu / Berlin / Kanonirstraße No 4. [Rückseite des zweiten Blatts] Hirschberg d. 20t. Sonnabends Deinen Brief erhielt ich Gestern früh in dem Augenblik wo wir ausfahren wollten; ich sah nur flüchtig hinein wie alles stände und las ihn erst ordentlich am Kochelfall und dankte Gott mit Thränen liebstes Weib daß ich dich habe. Wie sollte ich mir nur einbilden können daß ich dich leicht missen könnte! Das Leben was ich jezt führe kommt mir gewaltig leer vor ohnerachtet ich weiß daß ich einen edlen Zwek verfolge und ohnerachtet diese Tage reich gewesen sind an schönen Genüssen. Aber das liebste auch in diesen war mir immer die Erinnerung an die Zeit, wo ich mich mit dir an diesen Schönheiten erquikte. Und nicht nur hierbei sondern immer denke ich Dein und der lieben Kinder und des kleinen Hauses. Es ist mir wie ein lichter Punkt in einer schönen Landschaft von der Sonne beschienen hinter der aber ein gewaltiges Gewitter sich bildet. Einschlagen wird es wol nicht aber Verwüstungen wird es einher anrichten und die schöne heitere Abendbeleuchtung ist erst zu erwarten wenn es vorübergezogen ist. – Es ist die Wirkung der schönen Umgebungen, daß meine Gedanken so pittoresk heraus gekommen sind. Ich habe das Beste von unsrer schlesischen Reise Vorgestern und Gestern wiederholt. Vorgestern waren wir auf der Koppe. Das Wetter war schön aber wir sahen nur den Vordergrund und Mittelgrund des schönen Gemäldes, der Hintergrund war durch Dünste verdekt. Gestern fuhren wir über Stohnsdorf und Warmbrunn nach Schreiberhau, gingen zum Zaken und Kochelfall und fuhren nur bis hieher zurük um heute nach Greifenberg zu fahren wo ich Luise in die Hände des Majors der von seinem | ältesten Sohne begleitet schon da war weil ich ihm von Görliz aus geschrieben hatte, übergeben habe. Jezt eben ist Frize wieder nach Hause gefahren (Karl war schon heute früh von hier aus zurük gegangen) und ich bleibe über Nacht hier, weil ich mich schon früher auf Morgen Mittag hier versagt hatte, 3686. Überlieferung: H: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Autographensammlung, Autogr. I/1177; D: Br 2, S. 263 f. (gekürzt). Zur Datierung: Da man sich beim Datum leichter irrt als beim Wochentag, ist Sonnabend, der 21.9. anzunehmen (und nicht Freitag, der 20.9.); die Datierung auf den 21.9. passt auch zum Tageskalender, wonach der Besuch auf der Koppe („Vorgestern“) am 19.9. und das Treffen mit Ernst von Willich („heute“) am 21.9. stattfand. – Das Tagebuch der schlesischen Reise verzeichnet für den 21.9.: „Brief an Jette“. 20 f Vorgestern] folgt 〈fuhr〉

5

10

15

20

25

30

21. 9. 1811

35

40

45

50

55

60

65

155

um einige interessante Bekanntschaften zu machen. Das ist die kurze Erzählung von den vergangenen Tagen. Es wäre Dir gewiß interessanter etwas von der Zukunft zu hören. Allein ich weiß Dir wenig davon zu sagen, und am wenigsten etwas tröstliches. Denn ich mag rechnen wie ich will wenn ich alle meine Sachen in Ordnung bringen will komme ich nicht eher als den 28ten nach Breslau; da muß ich 3 auch vielleicht Vier Tage bleiben[.] Dann muß ich mich vielleicht einen Tag in Liegniz aufhalten dann einige Stunden wenigstens in Bunzlau (denn der Major der von der größten Herzlichkeit war hat mich zu sehr gehalten; und es ist auch da ich einmal doch nach Liegniz muß gar nicht aus dem Wege) und so fürchte ich daß ich nicht vor dem 8ten oder 9ten ankommen werde. Jeder Tag den ich einfördern kann soll mir Gewinn sein; aber ich zweifle daß es möglich sein wird; denn ich mache alle mögliche Oekonomie mit der Zeit. Das einzige wäre gewesen wenn ich Luisen hätte die Gebirgstouren mit den Geschwistern allein machen lassen aber das kam mir zu hart vor, und ich hätte dann auch schwerlich verhindern können daß Karl die Kosten davon getragen hätte. Nun besehe ich mir jede Stunde aber ich bringe doch keine andre Rechnung heraus. Ich wollte ich könnte wie bei einem förmlichen Concurs alle Leute, mit denen ich zu thun habe zusammen citiren; dann würde mir gewiß alles gelingen weil ich es als eine Art von Predigt abmachen könnte, aber das geht nun einmal nicht. Doch genug hievon. Wie mich alles freut was Du mir schreibst kann ich nicht sagen. Ich hatte eigentlich bezweifelt daß Elisabeth mich suchen würde und freue mich desto mehr darüber. Aber vergessen muß sie mich nothwendig haben | ehe ich zurükkomme, und so ist diese Reise in unserm Verhältniß wie eine Wunde die zwar sehr leicht heilt aber doch nie ganz vernarbt. Ihr Bewußtsein von mir ist unterbrochen und es muß eben ein ganz neues angehn. Ach was mag in dieser Hinsicht über das arme verborgene Würmchen beschlossen sein. Doch wir wollen nur muthig und heiter der Zukunft entgegensehn. Du hat ja so recht darin: wahre Zerstörung kann sie uns nicht bringen. Auch von Gott kann uns die nicht kommen – wenn du die durch den Tod ausnimmst, die ja immer gleich nahe ist und gleich fern – und der Teufel hat ja kein Recht an uns. Ich hätte Dir noch gar viel zu sagen liebstes Weib aber die Post drängt mich also auf nächstens; vielleicht noch ehe ich einen zweiten Brief von Dir habe. Es freut mich gar sehr daß Du Schneidern wieder hast, daß es mit den Kindern in so schöner Ordnung ist und gut geht, und daß auch die Freunde sich Deiner 51 Doch] korr. aus also

156

Briefe 3686–3688

annehmen. Sei nur auch nicht zu ängstlich mit dem Golde. Ich habe heute in Greifenberg ein halb Schot Leinwand für 9 r Courant für Dich gekauft, Frize hat es ausgesucht. Für mich werde ich jezt nichts kaufen glaube ich; die Ausgabe wäre zu groß. Adieu mein Herz ich umarme Dich auf das allerinnigste. Dein ewig treuer Ernst.

70

75

Dienstag denke ich von hier nach Gnadenfrei zu unserer Lotte zu gehn, von da nach Glaz und so nach Breslau. Von Reimer habe ich bis jezt nichts gehört.

3687. Von Luise von Willich. Bunzlau, Sonnabend, 21. 9. 1811 Herrn / Profeßor Schleiermacher / in / Schmiedeberg / in der neuen Apotheke [Bl. 66v] Buntzlau d 21t Abend 9 uh Mein lieber guter lieber Bruder! ich bin nun seit 7 uhr schon in Bunzlau, und noch eh ich mich schlafen lege muß ich Dir meinen herzlichen Gruß sagen! Ich kann Dir nicht sagen wie wunderlich mir zu Muthe war als unser Wagen weg fuhr und Du stehen bliebst – ich freute mich wohl sehr herzlich bei meinem Bruder zu sein, aber wehe war mirs doch wie Du mir nun mit einem Mal verschwunden warst! – mein lieber süßer Bruder E r n s t ich werde diese Tage nie vergeßen – ich erinre mich nicht, seit langer langer Zeit einen s o rein ungetrübten schönen Genuß gehabt zu haben, und mit stillem Entzücken werde ich immer daran denken. Sieh, und das immer bei Dir sein, und mit Dir sein war mir eine gar zu große Freude dafür soll es mich nun auch gar nicht schwer werden, bald gar nicht mehr bei Dir zu sein und es soll nie wieder ein Zweifel auf kommen der mich betrüben kann. Wann und wie ich Dich am besten verstehe weiß ich wohl – in Deiner Liebe zu den Deinigen, wie Du Deinen Bruder umarmtest und deine gute 3687. Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 65 f. Zur Datierung: Luise von Willich hatte bis zum Herbst 1811 bei Schleiermachers gelebt. Schleiermacher nahm sie auf der Reise nach Schlesien mit. Am 21.9. trennten sich die Wege, Luise von Willich ging zu ihrem Halbruder Ernst Heinrich Brandanus von Willich nach Bunzlau.

5

10

15

21. 9.–22. 9. 1811

20

25

30

35

157

Schwägerin – Du guter Schleier|macher! ja in jeder j e d e r Noth könte ich zu Dir kommen das weiß ich wohl! und jede Freude bei Dir niederlegen. Grüße doch Deinen Bruder und die gute herzliche Fritz so tausend mal von mir – ihrer freundlichen Liebe werde ich oft gedenken! Halb 2 waren wir auf dem Gute des Freundes von meinen Bruder, wo uns meines Bruders Töchter, die eine 20 die andre 18 Jahr, entgegen sprangen, mit einer Herzlichkeit als wenn wir uns lange schon gekant hätten wir aßen auf dem Gute Mittag, fuhren dann weiter, und waren halb sieben hir wo mich die gute Schwägerin empfing, mit ihres Mannes Freude, es fiel noch manches vor was mich recht bewegte und was ich wahrlich nicht verdiene. Nun gehe ich zu Bette, die Uhr ist 9 und Du bist noch in Geselschaft. Mein guter lieber Bruder, wenn Du k a n s t so mache unsern Bruder die Freude und komme auf hier zurük, er hat eine rechte Liebe für Dich. Und wenn die gute Lotte n i c h t kann, dann? – ach ja dann nimst Du mich mit zurück? Schlafe wohl Deine Luise

65v

3688. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Sonntag, 22. 9. 1811 R. den 22sten Sept. 1811.

5

10

15

Armer Schleiermacher, mit Ihrem ewigen Magenkrampf! Ich kenne den Unhold nicht, aber ich begreife, daß der Schmerz ein sehr großer seyn müsse. Können denn Eure Aerzte nicht, kann ein Reil nicht einen Baum, der so schlechte Früchte trägt, zusammt den Wurzeln heraus reissen? Haben Sie ihn noch nicht um Rath gefragt? Mir wäre er der erste, den ich anginge. Hinter Ihrem Rücken konnte ich die neue Sache wohl um so weniger betreiben wollen, als Sie ja Mitglied des Departments p sind; vielmehr war ich sogar der festen Meinung, daß sie von Ihnen selbst ausgegangen sey, wie das auch mein Brief an Poselger, der etwas von der Tücke verlauten ließ, bekunden muß, und daß Sie aus Rücksicht auf die alte Königsberger Sache nur nicht selbst zu mir darüber sprechen wollten, eher wenigstens nicht, bis sich etwa die neue Sache entschieden haben würde. | Daher hielt ichs denn für eine unbescheidne Zudringlichkeit, zu Ihnen darüber zu sprechen, daher schwieg ich. 3688.

Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 53–55.

53v

158

54

54v

55

Briefe 3688–3689

Wie übrigens jetzt die Sache stehe, darüber macht Ihr Brief mich fast mehr als zweifelhaft, läßt fast mich fürchten, daß es mit Breslau was meine dortige Anstellung betrifft, nichts sey. Sie preisen Steffens und Heindorf glücklich, weil diese nach Breslau gehen, und mich nicht, weil Rostock dem Gerüchte nach befestigt werden solle. Das heißt ja wohl mit andern Worten so viel, ich dürfe mir auf Breslau keine Rechnung machen. Das thut mir innig leid. Ich hatte dort auf ein glücklicheres Leben, glücklicher in wissenschaftlicher Hinsicht, gerechnet. Die erste Nachricht von der Verlegung der Frankfurter Universität nach Breslau war mir eine sehr schmerzliche. Sie kam mir bald, nach dem die Sache mit Königsberg sich aufgelöst hatte und ich glaubte, auch der kleinsten Hoffnung nicht Raum | geben zu dürfen, dorthin, wo ich so gern wäre, je versetzt zu werden. Urtheilen Sie selbst, wie froh ich überrascht wurde, als Poselger mir schrieb, von guter Hand – ich hielt Sie für diese gute Hand – sey er beauftragt worden, mich zu fragen, ob ich mit einem Gehalte von 1200 r nach Breslau gehen wolle? Ich forderte freylich, aber durch Poselger’s eignen Brief veranlaßt, 1500 r; allein ich erklärte, als man mir 1500 r für Königsberg anbieten ließ, mich zufrieden mit 1200 r für Breslau, und wenn ich gleich dabey etwas von der Hoffnung, einst 300 r Zulage zu erhalten, fallen ließ, so war dieß doch der Zeit nach so unbestimmt, daß es eben dadurch den Character einer Bedingung beynahe gänzlich verlor. – Mit schwerem Herzen werde ich unsern Link nach dem ersehnten Ort hinwandern | sehen. Freilich käme es zu einem neuen Kriege zwischen Preussen und Frankreich, dann könnte es böse werden auch für die Breslauische Universität. Denn warum die Berlinische übler daran seyn sollte, als jene, das sehe ich nicht. – Der Zustand der Dinge ist überall ein so ungewisser, daß man fast am gescheidtesten thut, nur blind zuzutappen, um nicht das kränkende Gefühl sich zuzubereiten, alle Weisheit und kluge Behutsamkeit, mit welcher man verfahren, rein zu Schanden gemacht zu sehen. Das Gerücht von Rostocks Befestigung ist weiter nichts als ein Gerücht. Die Veranlassung dazu kann seyn, entweder das Blockhaus in Warnemünde, 3 Stunden von Rostock, dicht an der See und die dazu gehörige Verschanzung, woran jetzt noch gearbeitet wird, oder das Lager, welches hier eine halbe Stunde von Rostock, zwischen Bramow und Bernstorf errichtet ist und welches gegenwärtig mit Inbegriff der Officiere etwas über 9000 Mann fassen soll. Von die|sem Lager sagen einzelne Stimmen, es solle befestigt werden, was aber alle Wahrscheinlichkeit gegen sich hat. Uebrigens ist, wie Sie denken können, das Leben hier kein erfreuliches und vergeblich sucht man nach einer Spur von der Souveränität unsers

20

25

30

35

40

45

50

55

22. 9.–23. 9. 1811

60

65

70

75

80

159

Herzogs. Wollte ich hier ins Detail gehen, Sie würden erbauliche Sachen erfahren. Schade, daß Sie mir so gar nichts Näheres über das Rectorat von Schmalz und die letzte Geschichte, die er gemacht, geschrieben haben! Theilen Sie mir doch das in Ihrem nächsten Briefe mit. Ins dortige Publikum ist doch die Sache ohnedieß wohl gekommen. Eher konnten Sie Anstand nehmen, mir das Besondre über die merkwürdige Wahl Fichte’s zum Rector zum Besten zu geben, da dieß vielleicht im Schooße des Collegii bleiben muß. Den Savigny, der unter allen unsern jetzigen Civilisten der schätzbarste ist, grüßen Sie vielmahl von mir. Er ist nach meiner Ueberzeugung bey weitem die wichtigste Acquisition, welche Ihr für die dortige Juri|stenfacultät gemacht habt. In Danzig ist das Elend unbeschreiblich groß, und wie könnte es anders seyn, da zu der gänzlichen Versiegung fast aller Erwerbsquellen eine Garnison von 22000 Mann kommt, die nun schon seit Monathen an den schlaffen Brüsten meiner armen Vaterstadt saugt. Sollte mein Brief Sie noch in Berlin treffen, so grüßen Sie freundlich Ihren Bruder von mir. Wie geht es ihm dort mit seiner Apotheke? Auch sein Weibchen grüßen Sie, und denken Sie mein in dem lieben Schlesien. Den Ihrigen in Berlin und Ihrer Schwester Lotte schicke ich auch die freundlichsten Grüße. Wollte der Himmel, wir Alle könnten von uns rühmen, was Sie von Ihrer Jette schreiben! Adieu, lieber Schleiermacher. Lassen Sie nicht wieder eine so lange Pause im Briefschreiben eintreten. Ihr K.

3689. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Montag, 23.9. bis Dienstag, 24. 9. 1811 d 23t. September.

5

Dank für dein kleines Briefchen mein Herz! es ist gar klein, doch bin ich herzlich froh zu wissen daß du gesund bist und keine Unfälle gehabt hast. Hier ist alles wohl und so ganz in dem alten Geleise daß ich eigentlich nichts zu schreiben habe, doch must du dir schon einiges Geplaudere gefallen lassen. Elisabethchen scheint jezt ernstlich ans zahnen zu denken obschon sie ganz gesund ist, sie hat eine gar liebliche Gewohnheit jezt, sie 3689.

Überlieferung: H: BBAW, SN 425/1, Bl. 5–7; D: Br 2, S. 265–268 (gekürzt)

55v

160

5v

6

Brief 3689

legt das Köpfchen auf die Seite vorwärts geneigt und sieht einen so unverwandt an, bis man gezwungen ist sie wieder anzusehen worauf sich das Gesichtchen ganz verklärt, es ist ein liebes Wesen, möchte mir Gott die Freude gönnen, das Kind so fromm und lieblich aufblühen zu sehen, [daß] seine süße Zärtlichkeit mir bliebe, ich nie mit Härte im Kampf ihr dürfte gegenüberstehn. Ach Ernst ich bin oft unbeschreiblich traurig daß in meinem Leben mit den beiden Kindern etwas süßes Schönes ach und wie ich fürchte unersezliches verloren gegangen ist, ich möchte ewig darum weinen. Du mußt es doch selbst gesehen und gefühlt haben was ich meine, sie haben kein Verlangen nach dem MutterHerzen keine Freude an meiner Liebe, kein Regiment der Liebe ist jemals abzusehen, die ewigen kalten Verweise haben das süße Vertrauen getödtet die Eisrinde um die Mutterbrust hat die zarten Kinder erkältet. Ernst denke nur nicht ich mache mir da was was nicht ist, ich bitte Dich glaube mir damit ich nicht den Glauben an Dein Sehen verliere | es ist so heilig wahr, ich bin so tief davon durchdrungen ich sehe ja auch den Grund von diesem bis zur ersten Quelle völlig klar, ich weiß mit wie vielem es noch zusammen hängt, wie sehr damit daß ich überhaupt so ungeliebt da stehe in der Welt, daß ich nicht sagen könnte daß ich noch Einen hätte außer Dir der mich recht liebe, unter den Vielen mir zugeführten mir befreundeten Wesen, ich habe keine Freundin darunter, selbst die theuerste Schwester ist nur durch eine gewiße ihr eigne Treue an mich gefeßelt ach ich weiß es nur zu gut – Louise die sonst so liebevolle ist ganz von mir abgelöset, Nanny die wohl zu lieben weiß fühlt keinen Herzenszug zu mir. Es ist die furchtbarste Anklage die ich gegen mich selbst geführt habe in allem diesem, aber wie ich mich ausweinen möchte so ist es mir auch heute nothwendig dir darzulegen was eben jezt in mir wach ist. Uebrigens denke nur nicht das sei mir so auf einmahl angeflogen. Gieb mir Deine Hand mein Mann daß ich sie an meine Augen und an mein Herz presse Du Allertreuster! Laß mich beten an Deiner Brust daß Gott mich höre! für unsere Kinder, für das erst werdende daß es nicht entgelten möge seiner Mutter Sünden. O Mann wie wanke ich zwischen Seeligkeit und bitterm Schmerz! Montag Abend. Jeden Abend schlafe ich mit dem Gedanken ein daß ich dir am nächsten werde die frohe Botschaft von unserm Kinde werde bringen können, so ahndungsvoll so lauschend ist mir jezt immer, immer fester wird mir aber auch mein Zustand und es treten mir schon viel freundliche Bilder | vor Augen aus der lieben Zukunft. Ja mein theuerster Mann ginge nicht

10

15

20

25

30

35

40

45

23. 9. 1811

50

55

60

65

70

75

80

85

161

aus dem forschenden Blick in die verborgenste Tiefe meines Herzens ein Schmerzensgefühl hervor, das, immer mich begleitend bald klarer bald mehr zum schweigen gebracht, immer sich mit hineindrängte in alles was ich lebe, so wäre ich das glückseeligste Weib auf der Erde, nun schwanke ich aber hin und her zwischen jenen hocherhabenen Augenblicken, wo das Glück ganz gegenwärtig auch die Kraft ihr volles Leben zu fühlen glaubt, jenen dumpfen Zeiten, wo ich das äußere Leben nur schwächlich fortführe, mein Innres aber im Schlafe ruht – und den Stunden der Zerknirschung und tiefsten Demüthigung. Wäre es mir gegeben recht fromm zu leben dann könnte ich genesen, ich bin from dünkt mich aber ich lebe nicht fromm, es ist in mir das Element der Frömmigkeit recht tief das weiß ich, aber wie selten wird es wach. Wie oft hat mir die Frage an Dich auf den Lippen geschwebt ob ich mich wohl für fromm halten dürfe da ich doch in so langen Zeiten ohne Gebet ohne das Gefühl der Gottes Nähe leben könne, und mein Herz sich oft erst zu ihm wende wenn mir etwas außerordentliches begegnet wo menschliche Klugheit oder menschlicher Trost nicht ausreichen oder in den Stunden der hellen Selbsterkenntniß wo ich Rettung bei ihm suchen muß. Lieber theurer Mann wenn diese Ergiessungen gleich sehr fern stehen von deinen jetzigen Gedanken und deinem Treiben so hoffe ich doch daß du sie liebevoll aufnehmen wirst und will mich durch keine Scheu verführen lassen sie zurükzuhalten Nun will ich Dir auch noch erzählen wie es uns übrigens so geht. Heute Abend ist Winterfeldt | allein bei uns Beiden gewesen, hat uns die herrlichsten Sachen vorgespielt und ist so liebenswürdig gewesen wie er nie ist wenn Mehrere da sind. Den Nachmittag haben wir in Schedens Garten Kaffee getrunken, alle Kinder mit, August Klein war da mit mit allen Göschens Kindern das gab ein herrliches Leben auf der großen Wiese die voll Heuhaufen steht. Gestern sind Briefe aus Rügen gekommen voll großem Leidwesens über die fehlgeschlagene Hoffnung. Sophiens Briefe sind tief rührend und haben mir das Herz sehr weich gemacht. Sonntag Nachmittag waren wir bei der Loder in der Levi Garten. Du siehst daß wir auf allerlei Zerstreuungen bedacht sind, ich kann Dir aber nicht genug sagen wie Du mir grade fehlst und wie langweilig mir alles ohne Dich ist grade wenn von Vergnügungen die Rede ist, vom Spazierengehen mag ich gar nicht reden, ich sorge aber pflichtmäßig dafür daß wir doch einigermaßen das schöne Wetter noch genießen. Ja Ernst eine kleine Heldenthat war es doch daß ich Dein Anerbieten mit zu reisen nicht annahm denn meine Lust war unbeschreiblich groß, es war aber sehr recht. Wie mir aber zu Muthe ist jezt oft bei der himmli-

6v

162

7

Briefe 3689–3690

schen Luft wenn ich an Schlesien denke an die Berge, an meine Louise, dort zu sein mit Dir grade jezt, meines Kindchens fröhlichen Gruß zuerst zu fühlen so neubelebt von allem Schönen, an Deiner Seite – ja liebster Mann das will ich nur nicht weiter ausdenken – Wirst Du mir Lotte mitbringen? Wie hier alle Welt vom tiefsten Frieden überzeugt ist glaubst Du kaum, man spricht gar nicht mehr davon, man denkt gar nicht daran daß es anders sein könnte. Es ist hübsch wie alles nun wieder zusammen komt. Niebuhrs werden erwartet, die Herz allernächstens, Reimers kommen Donnerstag. Du wirst sie wohl gesehn haben. Ich freue mich auf alle diese Leute recht inniglich. Augustchen ist | noch immer bei uns weil Rühs wieder recht krank gewesen ist nun geht es allmählig besser. ÐPfundÑ grüßt Dich ganz besonders der auch einen Abend bei uns war. Mein lieber Mann ich habe mich sehr erquickt an den Worten daß Du mich vermissest und viel an mich denkst. Damit will ich zu Bette gehn, das zugedeckte Bett neben mir ist mir ganz unheimlich, ich wollte herzlich gerne Du wärest wieder da. Heute Morgen kann ich Dir nichts mehr sagen mein Herz, es ist heute Plettetag und ich muß auch noch an Louise schreiben. Denke dir daß Steckling in Götemiz der erste Verkündiger unsers neuen Glücks gewesen ist, er hat versichert aus den sichersten Quellen zu wissen daß Elisabeth n ä c h s t e n s einen Gespielen haben werde. Bettine ist guter Hoffnung, eine interessante Neuigkeit, auch die Alberthal wie man versichert. Nächstens fahren wir nach Friedrichsfelde. Bei Savignis sind wir einen Abend ganz allein gewesen die beiden Leute waren sehr freundlich und es war recht gemüthlich dort. Leb’ wohl liebstes Herz ich freue mich kindisch auf deinen Brief, alle Freunde grüßen, Deine eigenste Jette.

3690. Von Luise von Willich. Bunzlau, Dienstag, 24. 9. 1811 Bunzlau den 24t –11 Du schreibst gewiß von Breßlau an Jettchen lieber Schleiermacher, und ich bitte Dich einliegenden Brief an Nanny mit ein zu legen. 3690. Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 67 f. Mit einem Brief an Anne (Nanny) Schleiermacher als Einlage. Die Datierung ergibt sich aus dem Verweis auf den kurz zuvor geschriebenen Brief 3687.

90

95

100

105

110

23. 9.–24. 9. 1811

5

10

15

20

25

30

35

40

163

In Schmiedeberg wirst Du meine par Worte erhalten haben, und die wirst Du hoffe ich in Breßlau vorfinden, mir macht es viel Freude Dir auf Deinem Wege folgen zu können. Solltest Du mir auch wohl mal schreiben? Wenn du dies liesest bist Du schon bei der guten Lotte gewesen; und wirst wißen ob sie mit Dir nach Berlin geht, und wenn sie es thut nicht wahr dann kanst Du mich nicht mit nehmen? – lieber Guter Bruder – ich kann Dirs nicht sagen wie gerne ich wieder mit Dir zurük wollte! Mein Bruder würde dann so sehr in mich dringen den Winter hir zu bleiben, daß ich ohne ihn zu kränken nicht aus zu weichen wüste, besonders da auch seine Frau und Kinder mich gerne behielten, so sehr wohl mich diese Liebe auch thut, so gestehe ich es Dir doch ich hielt es nicht den ganzen Winter aus 70 Meilen von Rügen getrent zu sein, ich weiß was ich schon in Berlin gelitten habe bei der Nachricht von der lieben Willich – und dort war es ein ganz andres noch, ich konnte jeden Augenblick fast von dort zu Hause kommen. Mein lieber süßer Bruder, wenn Du kanst, so n i m m i c h w i e d e r m i t ! ich habe mich hir erkundigt, und es ist gewiß daß man 2 Pferde auf 3 Persohnen bekömt. Du lieber Guter ich habe Dir schon so viel zu danken – ach halte mich doch nur nicht für ausverschämt daß ich immer mehr noch bitte – Sage mir doch recht bald, wie es werden wird! – Der Major | freut sich sehr darauf Dich noch hir zu sehen, er sagt Du hast ihm die Hand darauf gegeben daß Du kommen willst, thust Du es? 7 Meilen läßt uns der Major fahren. u n s ? – oder Dich? Hir geht es mir natürlich recht gut, aber in schönster Gegend von Schlesien liegt Buntslau nicht – l i e b e r Schleiermacher wie flogen wir Heute vor 8 Tage durch die Himlischen Gegenden – ja n u n begreife ich es wohl daß D u nicht übers Herz bringen kontest mich nicht mit nach Schmiedeberg zu nehmen, und ein ordentlicher Dankaltar ist Dir dafür in meinem Herzen errichtet, und immer wird diese Reise, so ein heller freundlicher Punkt in mir vom Leben bleiben. Jezt muß ich mich fertig machen, wir wollen nach Gnadenberg fahren, um manches zu besehen. Sontag waren wir da, um Wein zu eßen, der sehr schön war wenn doch noch welcher da wäre, wenn Du kömst. Ich komme eben von Gnadenberg, und da mein Bruder den Leutenant Marschal unterhält kann ich in Ruhe meinen Brief schließen der diesen Abend auf die Post muß. In Gnadenberg bin ich lange auf dem Gottesacker gewesen, – da war eben wieder mein guter alter Bruder, um mir zu sagen daß ich bald herunter kommen soll, und – „es versteht sich doch daß Du Schleiermacher

67v

164

68

Briefe 3690–3691

grüßt? sag ihm nur es würde mich r e c h t betrüben wenn er nicht käme“ noch ein mal kehrt er um – [„]recht guten Wein soll er haben, ich habe noch ein par Flaschen | recht alten Ungar im Keller“, er hat es mir auch auf der Karte gezeigt daß Du nicht umfährst Meines Bruders Frau ist sehr lieb und gut, auch die Kinder, doch fühle ich mich noch ein bischen fremd unter ihnen, ich weiß nicht wie das zu geht. Ich muß jezt nur hinunter – mein lieber lieber Bruder! ach kom doch ja auch mit Deiner Lotte!! Deine Luise

45

50

3691. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Breslau, Mittwoch, 25. 9. 1811 Breslau d 25t. Sept. 11. Hier bin ich liebste Jette in meiner Vaterstadt seit diesem Morgen halb vier Uhr. Seit meinem lezten Briefe habe ich, weil ich einige Leute in der Nähe von Schmiedeberg die ich sprechen muß, nicht fand meinen Reiseplan geändert. Sonntag Mittag war ich nach dem Essen noch in Hirschberg auf dem Kavalierberg wo mich Frize abholte und fuhr mit ihr und der Junak nach Schmiedeberg zurück; den Abend war der Neygenfind da den ich sehr liebenswürdig fand und der sich recht herausgebildet hat. Montag Morgen hatte ich einen langen Besuch von Graf Gessler der den Tag zuvor angekommen war. Er muß kürzlich in Halle gewesen sein denn er erzählte mir viel von Steffens und Blanc; lezterer schien ihm ganz vorzüglich gefallen zu haben. Dann that ich mir die Wonne eines Bades an, und machte ein Paar kurze Besuche bei der Wilhelm[,] Barchewiz und bei Alberti. Mittags aß Neygenfind noch bei uns und Abends um 10 Uhr reiste ich mit Frize nach Gnadenfrei ab wo wir am andern Mittag Lotten eine herrliche Ueberraschung machten. Frize bleibt so lange da bis ich sie auf meiner Rükkehr aus Glaz abhole, Lotte glaubt jezt vorzüglich weil sie in der Anstalt nicht zu missen ist nicht kommen zu können. Ich ging noch denselben Nachmittag ab und kam diesen Morgen hier an und habe mich

3691. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/1, Bl. 2 f.; D1: Br 2, S. 264 f. (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 140 f. (gekürzt, Ergänzung zu D1). Das Tagebuch der Schlesienreise vermerkt für den 25.9.: „Brief an Jette.“

5

10

15

24. 9.–25. 9. 1811 20

25

30

35

40

45

50

165

nun nachdem ich | ein Paar Stunden im Gasthofe geschlafen bei Gass einquartiert. Wunderlich ist mir hier zu Muthe; die Erinnerungen aus meiner frühesten Kindheit kehren allmählig bei dem Anblik der Straßen und Häuser sehr lebendig zurük und wenn ich bedenke wie mich Gott seitdem geführt hat – es ist eine schöne stille Rührung die du gewiß mit mir theilst. Uebrigens gefällt mir Breslau weit besser als ich glaubte wiewol es sich sehr wenig (ausgenommen durch die lezte Belagerung) verändert hat. Von den Menschen weiß ich freilich nur erst sehr wenig, und rechne auch nicht viel auf sie. Gass war verreist und aus einem Briefe den ich in Schmiedeberg von ihm fand – denn Fama hatte meine Reise schon verkündet, so daß ich auch Heindorf heute keinesweges überrascht habe – schloß ich daß ich ihn nur den lezten Tage meines Hierseins würde sehn könen; allein er hat sich sehr gesputet und war Gestern Abend zurük gekommen. Ich denke nun spätestens Sonntag Abend hier abzugehn nach Glaz. Montag Abend von Glaz nach Gnadenfrei. Dann werde ich mich vielleicht den Mittwoch in und um Reichenbach aufhalten müssen dann bringe ich die Frize nach Schmiedeberg und reise über Hirschberg Goldberg Liegniz und Bunzlau. So weit kann ich selbst voraus sehn wenn ich nicht abermals etwas ändern muß. Wie unendlich leid thut es mir daß ich dich liebstes Leben nicht | bei mir habe. Manchmal quält mich der Gedanke daß es vielleicht gegangen wäre; aber dann wenn ich an die Kinder denke so wäre mir doch gar zu bange gewesen sie grade jezt ohne Dich zu lassen. Ich danke dir dafür noch recht viel nicht sowol zu erzählen als vielmehr mitzutheilen. Daß mich beim Schreiben die Post jedesmal drängt ist leider gar zu natürlich. Ich umarme Dich aufs herzlichste und küsse und grüße das ganze Haus und jedes Kind ganz besonders. Deinen zweiten Brief werde ich wol aus Schmiedeberg nachgeschikt erhalten und den dritten noch hier bekomen. Nach Ankunft dieses Briefes könntest Du mir mit Sicherheit wol nur noch nach Bunzlau oder Liegniz schreiben. Dein treuer Ernst Gassens grüßten aufs freundlichste

2v

3

166

Brief 3692

3692. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Breslau, Freitag, 27.9. bis Sonnabend, 28. 9. 1811 Freitag d 27t. Sept.

4v

5

Liebste Frau Du klagst so wemüthig und still über die Kleinheit meines Briefes daß es mich recht innig gerührt hat. Aber es wird doch nicht anders möglich sein auf dieser Reise da ich zu gar keiner Ruhe komme. Es ist aber nicht das kurze allein sondern ich fühle es recht lebendig wie trokken Dir meine Briefe vorkommen müssen. Das ist nun mein Unglük wenn ich so verbuschelt bin, daß nichts aus mir heraus kommt wenn ich auch alles unverrükt und rein in mir trage. Denke dir nur daß ich das müde Haupt an Deine liebe Brust lehne und daß bald alles besser sein wird. Was Du von Dir und den Kindern sagst liebste Jette, daran ist wol etwas, aber es ist doch gar nicht so wie du es machst, und es hängt auch gar nicht so zusammen wie du meinst. Das Ganze ist nur ein vorübergehender Zustand, und verloren ist nichts. Du und die Kinder mußten eine lange und schwere Schule machen um erst Festigkeit und Gewöhnung an Festigkeit in das Leben zu bringen, was in Deinen früheren Verhältnissen rein unmöglich gewesen war. Dem Mann ist es natürlich über diesen Punkt alles andere hintanzusezen und diesen stren|gen Ton habe ich angegeben. Es ist auch natürlich daß in diesem Bestreben der Ernst gewaltig hervortritt und das zärtliche Wesen eben so sehr zurük. Nun scheint mir aber auch die Sache gethan zu sein, und grade der Zeitpunkt wo die Kinder anfangen auch mit andern Menschen in ein Verhältniß des Gehorsams zu treten, derjenige zu sein welcher von selbst und ohne daß wir etwas ausdrükliches dazu thun allmählig eine Wandlung hervorbringen wird. Das Mutterherz ist den Kindern noch niemals entfremdet gewesen und die Liebe nicht erkaltet. Meine liebste Jette solche Unnatur kann nicht in unserm Sein und Wirken stekken. Ja sogar ich habe das feste Gefühl in mir daß die Kinder mich innig und herzlich lieben, und nichts kann mich darin irre machen. Ich glaube beinahe daß sie mich jezt gar nicht mehr vermissen, wie Du denn auch nichts davon schreibst, und daß Du Dir manche Mühe giebst mein Andenken in ihnen lebendig zu erhalten; aber demohnerachtet ist die Liebe gar fest in ihnen und wird immer schöner heraustreten. Habe Du nur denselben Glauben, er wird dich nicht trügen, und laß dir nur über den äußern Geschäften und Sorgen und | über irgend vorübergehenden Stimmungen nicht die köstlichen 3692.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/1, Bl. 4 f.; D: Br 2, S. 270–272 (gekürzt)

5

10

15

20

25

30

35

27. 9. 1811

40

45

50

55

60

65

70

167

Augenblike entgehn wo Du es recht lebendig schauen kannst. Und wie kannst du nur sagen daß Du ungeliebt bist. Wie weh es mir thut daß Nanny sich nicht mehr zu Dir gezogen fühlt und daß Luise dir nicht mehr zusagt, das weißt Du aber denkst Du nicht an die Herz, nicht an Lotte Pistorius, nicht an meine ehrliche Lotte, und kannst Du Dir wirklich einbilden daß Lotte Kathen nur durch pflichtmäßige oder unwillkührliche Treue an Dich gefesselt ist. Nein liebstes Herz da hast Du einmal schwarz gesehn – aber es ist mir recht lieb daß Du mir auch aus dieser Stimmung heraus geschrieben hast. Ich hoffte heute zwei Briefe von Dir zu bekommen, einen grade hieher und einen aus Schmideberg nachgeschikt. Der leztere hat sich aber nicht eingestellt und wahrscheinlich hast Du einen Posttag überschlagen. Vom Unterricht der Kinder schreibst Du mir nichts weiter, ich denke mir also alles in dem neuen schönen Gang ruhig fort. Deine Nachricht von Nusselchen ist mir auch wenig befriedigend; Du sagst nicht ob sich das Zahnen durch Unwohlsein ankündigt | indeß ängstigt es mich gar nicht. Sehr lebendig erhältst Du mir aber das Bild des lieben Kindes. Schade daß es mich doch ganz muß vergessen haben ehe ich zurükkehre Vorgestern Abend überfielen uns Heindorfs beim Thee und blieben und der Abend machte sich sehr heiter. Gestern Morgen ließ ich mich überreden auf den Sontag in der reformirten Kirche in deren Nähe ich meine ersten Tage verlebt habe, zu predigen – ich wußte nicht es abzuschlagen wiewol ich nicht begreife wie es unter diesem Tumult gut ablaufen soll. Nachmittags machte ich einen sehr ausführlichen Besuch beim Präsident Merkel, einem der herrlichsten Menschen die es hier giebt. Wir waren bis nach 7 Uhr im Garten so köstlich warm war der Abend. Indeß seit heute endlich fängt es an zu regnen worauf das ganze Land sich schon lange gefreut hat. Heute Vormittag habe ich erst eine alte Freundin meiner seligen Mutter und hernach einen alten Schulkameraden besucht. Mittags war eine kleine Gesellschaft bei Gass; hernach war ich in der UniversitätsCommission und dann zum Thee bei Schulzens. – Morgen Mittag soll ein Pikenik auf dem Lande sein mit einigen Bekannten und Unbekannten; dann will ich noch einmal zu Merkel (der heute auch Friedensnachrichten erhalten hat) und werde deshalb wol einen Brief vor Tische schliessen müssen, und nun will ich Dir die schönste gute Nacht wünschen und mich zu Bette legen

69 erhalten] korr. aus gek

5v

168

Briefe 3692–3693

S o n n a b e n d A b e n d Ich wollte noch ein Blatt hinzufügen liebste Jette aber es ist nicht gegangen und Morgen nach der Predigt möchte ich wol nicht zeitig genug loskommen. Also mach ich ihn lieber heute noch zu um nichts zu versäumen. Möge er dir meine zärtlichsten Grüße und Küsse bringen. Es bleibt dabei daß ich – Morgen Abend reise

75

3693. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Freitag, 27.9. bis Sonnabend, 28. 9. 1811 Freitag d 26sten

64v

Mein liebstes Leben welche köstliche Freude ist mir Dein Brief gewesen! wieviel habe ich dir geantwortet in meinen Gedanken auf jede liebe Zeile, doch heute erst komme ich wirklich zum schreiben. Ich habe mich recht gequält nachher als ich das leztemahl an Dich abgeschickt hatte daß ich dir so trübe geschrieben, es ward mir so lebendig wie ich dir da unmuthige Augenblicke gemacht Du Theurer da ich doch jeden Augenblick Dir süß und angenehm machen möchte, lieber als alles andre in der Welt. Es wird dir gewiß unwohl gethan haben ich kann es nicht genug bereuen. Heute ist mir so voll daß ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll, es wird desto weniger aufs Papier kommen. Zuerst will ich Dir die schöne Nachricht bringen daß unser Kind lebt daß es so geheimnißvoll und leise nun mich mahnt es recht zu leiten und zu schützen und seeliger Freude voll zu sein. Wären wir doch jezt beieinander! Köntest Du Dein Kind seegnen und ich neue Weihe empfangen an Deiner Brust und von der heiligen Stätte geheiligter ins Leben zurükkehren. Mein liebster Mann wie wohl soll mir sein wenn ich Dich wieder habe. Es ist gar süß dies fühlen des Lebens, seit Sonntag schon trug ich mich mit der Ahndung, seit einigen Tagen ist es mir Gewißheit. Du sprichst eine so traurige Ahndung aus über das liebe Geschöpfchen. Du weist ich bin recht muthvoll doch kann ich Dir nicht leugnen, eine lange Trennung wie Du sie da | im Sinne zu haben scheinst kann ich nicht anders als ein ungeheures Verhängniß ansehn. Der Tod ist freilich noch ganz anders, aber ich denke du kennst das an mir daß wenn ich von Muth und vom ruhigem Ertragen spreche 72–76 S o n n a b e n d … reise] am linken Rand von Bl. 4 3693. Überlieferung: H: BBAW, SN 425/1, Bl. 64–66; D: Br 2, S. 268–270 (gekürzt). Da man sich eher im Datum als in der Angabe des Wochentages irrt, wurde der Brief sehr wahrscheinlich am Freitag, den 27.9. begonnen.

5

10

15

20

27. 9. 1811 25

30

35

40

45

50

55

60

169

ich ihn nie mitverstehe, denn es ist mir meiner Natur nach ganz unmöglich eine solche Vorbereitung in mir vornehmen zu wollen, ganz unmöglich nur ungefähr zu wissen vorher wie ein solcher Schlag mich fände und wie ich ihn tragen könnte. Unwillkührlich schließt sich mein innres Auge augenblicklich wenn eine solche Vorstellung mir nahen will, und ich fühle daß ich mir da keine Gewalt anthun darf. Das Bewußtsein der Endlichkeit eines so schönen Zusammenlebens geht ja in einem ernsten Leben nie unter und oft genug führen plötzliche Erschütterungen es herbei. Mein liebster Mann wenn ich es auch über mich gewinnen könnte das Schrecklichste einmahl auszudenken so würde es mir vorkommen als ob ich mit frevelhafter Hand den Schleier von heiligen Mysterien aufhöbe. Ob dies ein krankhaftes Gefühl, ich weiß es nicht. In der politischen Welt ist hier alles in großer Gährung doch bist Du dort vielleicht besser unterrichtet als ich hier, damit Du aber auf jeden Fall etwas ordentliches erfährst, hat Röder versprochen mir noch vor Abgang dieses Briefs mit gründlichen Nachrichten zu versehen. Ich fand Pinette am Mittwoch sehr verstört denn Ferdinand auch Wilhelm war nicht zu Hause. Eine lange Conferenz die der König mit St. Marsan gehabt hatte zur Folge daß alle Arbeiter von den Festungen zurük berufen und ein Friedens|Artikel in die Zeitungen gerückt war. Gestern Abend war Helvetius bei uns, s e h r o f f e n über alles was er wuste redend, und in höchster Begeisterung. Um nicht überflüßiges oder doppeltes Dir zu lesen zu geben schweige ich ganz über diesen Gegenstand auf Röder vertrauend. Gefreut hat es mich zu hören daß Helvetius meinte wir könnten wohl Fäbchen und seinen Begleiter auch bald hier haben. In welcher Bewegung ich aber lebe in dieser Zeit kannst du dir denken, selten ein ordentliches Wort hörend, denn unsere Hausfreunde sind doch die unpolitischsten Menschen von der Welt. Stündlich in Erwartung der Dinge die da kommen sollen, mit dem großen Interesse für die Sache so von aller Quelle entfernt zu sein ist etwas bitter. Ja es sind eigene Tage die ich lebe. Reimers sind Mittwoch gekommen sehr wohl und heiter wie es scheint, ich habe sie noch wenig gesehen. Pischon ist auf einige Tage verreist zu seiner Geliebten ein paar Meilen von hier, Deubels Schwester, wir wissen das Geheimniß aber nicht von ihm selbst. Ich freue mich recht auf große Jette. Elisabethchen ist bedeutend fortgeschritten seit Du fort bist, sie kriecht pfeilschnell von einem Ende des Zimmers bis zum andern und arbeitet so lange bis sie auch über die Schwelle komt, dabei hat sie auch jezt die gröste Freude daran, | daß sie dich vergessen wird ist gewiß lieber Mann aber wie sehr schnell ist sie wieder mit Dir eingelebt, zwischen Kind und

65

65v

170

66

Briefe 3693–3694

Vater wie leicht ersetzt sich das wieder. Die Eichhorn hat eine merkwürdige Beschreibung von Lotte gemacht, sie hat ganz ernstlich gemeint sie wäre in Gefahr verrückt zu werden vor Freude wenn du hinkämst. Bedenke doch ja ob du Lotte bringen willst bei gegenwärtigen Umständen, Louise komt wohl wieder mit Dir zurück da Du wieder über Bunzlau gehst? wenn du beide bringst schreib es mir doch damit ich mich einrichte. Die Leinwand die Du gekauft ist gewiß zu schön ich habe nur recht ordinäire haben wollen das halbe Schock zu 6 höchstens 8 Thalern, wenn Du noch etwas davon wenden kannst so überlege doch mit Fritze ob Du die gekaufte nicht für Dich brauchen kannst und kaufe mir wohlfeilere, übrigens hat Mine die Leinwand in Schmiedeberg theurer gefunden als sie hier ist. S o n n a b e n d . Ich war bei Reimers diesen Morgen die Dich beide sehr herzlich grüßen, ich traf Niebuhr dort der Dir ebenfalls viel herzliches sagen läßt. Reimer läßt Dich bitten in Breslau Thee in Vorrath zu kaufen weil man dort sehr guten s e h r wohlfeil soll haben können. Niebuhrs sind gestern angekommen, er war heute ganz früh schon hier gewesen weil er nichts davon gewußt hat daß du verreist bist So eben ist Röder von mir gegangen der Inhalt seiner Mittheilung ganz im Kurzen ist der, daß so ziemlich alles unverändert sei, der lezt geschehene Schritt | eine KlugheitsMaasregel eben so sehr vielleicht zu loben als zu tadeln. Daß G. unverrükt seinen Weg gehe voll Hoffnung, er selbst aber im Innersten des Herzens eine traurige Ueberzeugung trage die Eichhorn mit ihm theile, möchte ich Dir von ihm sagen. Er sieht völlig schwarz und ist von der Nothwendigkeit daß es so kommen muß wie er sieht ganz durchdrungen. – Jezt kan ich schon die Tage zählen bis Du komst, und nun zähle ich die Stunden bis mir Dein Brief gebracht wird auf den ich heut sicher rechne. Mir wird die Zeit jezt recht lebendig wieder da ich in Poseriz immer so sehnsüchtig harrte auf deine Briefe und dann eine wahre Abgötterei damit trieb. Liebes liebes Herz! es macht mich ganz glücklich daß Dir meine Briefe auch Freude machen. Sage mir recht was gründliches über deine Gesundheit mich verlangt sehr darnach. Gar viel herzliches von allen guten Leuten soll ich dir sagen Bleib mir der Alte und Gott sei mit dir theuerstes Leben Deine Jette

65

Ich hatte meinen Brief schon zugemacht und nach Breslau addresirt, nun schicke ich ihn nach Schmiedeberg wo er gewiß früher als Du anlangt. Ich habe nehmlich eben deinen Brief erhalten und danke dir herzlich mein guter Mann. Hättest du nur ein Wort von deiner Gesundheit erwähnt. Du

100

70

75

80

85

90

95

13. 10.–23. 10. 1811

105

171

rechnest auf einen Brief mehr von mir als ich geschrieben habe, ich sage es | nur damit du nicht denkst es sei einer verloren gegangen. Die Kinder tragen mir zärtliche Grüße für Dich auf.

66r

3694. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Sonntag, 13. 10. 1811 Herrn / Professor Schleiermacher / Berlin [Bl. 2v]

5

10

15

20

25

Herrlichster Freund, In der Erwartung, daß Sie von Ihrer Reise aus Schlesien glücklich zurückgekehrt sind, schicke ich Ihnen einen Eleven zu, von dem wir schon in Gegenwart des jüngeren S a c k gesprochen. Dieser wird ihn vielleicht schon bei Ihnen eingeführt haben, als seinen Freund von Göttingen aus. Und so wäre [eine] Empfehlung überflüssig. Doch da ich nur allein die Ursache bin, daß er noch nach Berlin kömmt, und da Sie nur allein die Ursache sind, warum ich so dringend dazu gerathen: so halte ich’s doch für notwendig, Ihnen einige Worte darüber mitzutheilen. Carl Iken war von seinem 6ten bis ins 15te Jahr in meinem Institut. Damals hatte er die Idee eines Arztes zum Mittelpunkt seiner Bestimmung. | Mit dieser ging er nach Göttingen. Über zwei Jahre ging er ihr nach, und wurde endlich gewahr, daß er gar nicht zum Arzt tauge. Seine Blödigkeit und seine Empfindlichkeit bei Leiden anderer, waren die Haupthindernisse. Er wählte also vorm Jahr Philologie, um sich dem Lehrfach zu widmen. Nun hielt ich Göttingen nicht mehr für den Ort, wo er zugleich praktisch Erziehung und Lehrmethode lernen, und eigentlich freiere Ansichten über den Geist und menschliches Treiben gewinnen könne. Da ihm besonders etwas Bremisches, Steifes, übermäßig Bescheidenes, und besonders der Druk seines Hauses, um eines viele Jahre lang kränklichen Vaters willen – noch anklebt: so hielt ich in der Fremde Umgang mit gebildeten, zuvorkommenden Familien, wo besonders Freiheit herrscht, wo die Weiber zu|gleich mit einwirken p für das einzige Mittel, ihn etwas umzuformen. Daß ich Ihr Haus und Sie hauptsächlich dachte, vermuthen Sie wohl. – Er ist Ihres Schutzes würdig. Ein gar guter ehrlicher Schlag von Menschen. Seine größte Liebhaberei ist Musik, er spielt Bratsche und Flöte ziemlich fertig. Einige philosophische Kollegia und besonders Philologie, Aesthetik wären ihm notwendig; dann Gelegenheit 3694.

Überlieferung: H: BBAW, SN 436/1.

25 Ihr] ihr

1v

2

172

Briefe 3694–3696

in Schulen einzelne Stunden zu geben. Und da hoffte ich, durch Ihre gütige Empfehlung bei irgend einem Direktor, diese zu finden. Er braucht es nicht aus Noth zu thun. Aber es ist ihm der Ruf zur Empfehlung hieher notwendig, daß er schon anderwärts Unterricht gegeben. – Mit herzlichen Grüßen an Ihre Lieben Hausgenoßen – und von meiner Elise immer und ewig Ihr Freund M. Br. 13. Okt. 11.

30

35

3695. Von Binder (?). Berlin, Sonnabend, 19. 10. 1811 […] Rüksicht mehr. Behalten Sie […] ÐBinderÑ. Brl den 19t 8br 11.

3696. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Mittwoch, 23. 10. 1811 B. d 23t. Oct. 11. Geschwind ehe noch die Vorlesungen angehn liebster Freund muß ich Ihnen ein Paar Worte schreiben. Nach einigen Kreuz und Querzügen und einer im Ganzen sehr schönen Reise bin ich den Sonntag nach meiner Abfahrt von Ihnen Nachmittags grade am Geburtstag unserer kleinen Jette hier angekommen. Die Zeit bis jezt ist ungeheuer schnell und ohne daß ich irgend etwas wesentliches gethan verlaufen. Morgen geht nun das alte Leben wieder an. Noch fürchte ich mich etwas davor; ich kann stundenweise etwas melancholisch sein weil mir bange ist ich habe zuviel auf mich geladen. Dazu kommt noch daß sich bis jezt nur noch sehr wenig Zuhörer gemeldet und namentlich zur Encyclopädie die ich soviel lieber nicht gelesen hätte kaum ein halbes Duzend. Aber es ist einmal gegen 3695. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 13v. Rückseite eines Zettels über die frühe jonische Naturphilosophie (zur alten Philosophiegeschichte im WS 1811/12). 3696.

Überlieferung: H: BBAW, SN 750, Bl. 1 f.; D: Br 4, S. 184 f. (gekürzt)

5

10

13. 10.–23. 10. 1811

15

20

25

30

35

40

45

173

meinen Grundsaz ein Collegium was ich einmal angekündigt wieder aufzugeben; also muß es nun auch seinen | Fortgang haben. Ihr Katalog ist nun auch hier. Unsere Vorlesungen treffen ja recht zusammen. Es freut mich daß Sie Sich noch zur theologischen Moral entschlossen haben; als ich bei Ihnen war war nicht die Rede davon. Ich wollte nur wir könnten uns fleißig darüber schreiben; allein ich habe nicht die Zeit dazu, – wie ich überhaupt verzweifle diesen Winter für Eines meiner Collegien viel zu thun. Das neue exegeticum wird fast alle Zeit wegnehmen. Leider ist nun noch Süvern krank. Bis jezt werden seine meisten Arbeiten zurükgelegt; Gott gebe daß er sich bald erholt. Sollte es schlimmer werden so wird das hernach einen Stoß geben vor dem mir graut. Der protestantische akademische Gottesdienst bei Ihnen soll nun in die reformirte Kirche oder in die Kreuzkirche gelegt werden, die Säle wollten doch zu meiner Freude hier niemanden gefallen. Doch will Schmedding noch einmal mit dem Bischof privatim wegen des Simultans reden. Aber lassen Sie dieses ganz streng unter uns bleiben. Hier haben Sie Bernhardis Programm und meine Kirchenordnung. Von lezterer habe ich | kein anderes Exemplar. Studiren Sie sie nun ordentlicher, und theilen Sie mir auch alle Ihre Einwendungen [mit]. Sie haben deren vielleicht jezt mehrere, seitdem Sie die Sachen und die Geschäfte damit genauer kennen, ich habe nicht Zeit gehabt sie jezt noch einmal durchzulesen. Ihrem Herrn Professor Pichatzek hat es bis jezt noch nicht mit mir gelingen wollen; er ist zweimal zu ganz unpracticabeln Zeiten hier gewesen; ich will ihn aber recht bald sehn. Bartholdy ist hier aber ohne seine Frau. Er scheint mir ziemlich munter zu sein und kommt jezt eben mich zum Spaziergang abzuholen. Diesen Mittag essen wir zusammen bei Reimer. Er grüßt und läßt sagen er würde es nicht übel nehmen wenn Sie ihm auch einmal schrieben. Grüßen Sie alle Freunde und Merkeln empfehlen Sie mich herzlich. Was für eine klatrige Wendung die politischen Angelegenheiten genommen haben wissen Sie. Indeß muß man nicht verzagen. Die Niederträchtigkeit und Inconsequenz ist freilich ungeheuer. Adio ganz Ihr Schleiermacher.

1v

2

174

Briefe 3697–3701

3697. Von Caroline Birnbach. Berlin, Montag, 28. 10. 1811 […] verschaffen, ich bin mit der grösten Achtung Dero Untertänigste Caroline Birnbach Berlin den 28ten Octbr 11.

3698. Von Gottlieb Ernst August Mehmel. Erlangen, Freitag, 1. 11. 1811 Erlangen den 1ten November 1811.

11v

Hochwürdiger, verehrtester Herr Doktor, Mit einem Vergnügen, welches nur Dankbarkeit und reine Verehrung dem Herzen gewähren können, überreiche ich Ihnen meine Sittenlehre, wodurch ich so gern etwas beytragen möchte, dem Unterrichte in derselben mehr wißenschaftlichen Gehalt, als ihr bisher zu Theil wurde, zu ertheilen, den Streit der philosophischen und der theologischen Welt auszusöhnen und die unzertrennliche Verbindung des Lebens im Staate mit der Sittlichkeit ausser Zweifel zu setzen. Ich kenne keinen unter Teutschlands würdigsten Theologen, dessen Beyfall mir theurer, dessen Tadel mir wichtiger, dessen Belehrung mir willkomner seyn würde und von dem ich lieber hören möchte, wie nahe ich seiner Idee einer Sittenlehre gekommen sey, als von dem philosophischen Verfasser einer Critik der Sittenlehre und Platons classischen Uebersetzer. „Ihr Schleiermacher, schrieb mir | Jean Paul Richter von Coburg unter dem 9ten Juni 1804 mit Zurüksendung Ihrer Critik, Ihr Schleiermacher, den sein mystischer Isis Name, als Allegorie durch alle seine Werke begleiten wird, hat mich mit seiner Platonischen Schärfe, Höhe und Tiefe ergriffen, wie seit langem kein philosophisches Werk. Zum Glük hatt’ ich in meiner Aesthetik einen Platz für meinen erneuerten Enthusiasmus für ihn noch frey. O gäb uns dieser N a c h - P l a t o e i n e p o s i t i v e E t h i k “. Hätten Sie diesen Wunsch, den ich fürwahr nicht allein getheilt hatte, erfüllt, so wäre meine Sittenlehre 3697. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 8v. Rückseite eines Zettels zur neunten Stunde der alten Philosophiegeschichte (über Anaximander u.a.), WS 1811/12. 3698. Überlieferung: H: BBAW, SN 329, Bl. 11. lehre. Empfangsvermerk: „pr d 5t. Decembr 11.“

Mit einem Exemplar seiner Sitten-

5

10

15

20

28. 10.–14. 11. 1811

25

30

175

ohne Zweifel ungeschrieben geblieben. Da Sie also gewisser Maßen Schuld sind, daß sie wirklich geschrieben ist, so würde es ihren Verfasser sehr beruhigen und erfreuen, wenn Sie auch geneigt wären ihr Daseyn solange zu verantworten, bis Sie der Welt eine vollkomnere schreiben. Genehmigen Sie die liebevolle, unvergängliche Hochachtung womit ich bin Ew. Hochwürden ganz gehorsamster GA Mehmel.

3699. Von Philipp Konrad Marheineke. Berlin, Anfang November 1811 oder früher […] ich dann auf 12 Uhr heute unsern Collegen de Wette zu […] [z]u laden und ich bitte Sie, sich dann herzubemühen.

3700. Von Unbekannt (Weinhändler). Anfang November 1811 oder früher […] Weine von […] Bordeaux kommt […] an darunter ist […] Sautane Oxhofft […] ÐtrachtÑ ist angefo[dert] […] | kostet nur 68 r in[…] ist von extra Güthe […] und die Fracht so bald […] ich frage himit an [ob Ewr Hochwohl]gebohren das ÐbreiteÑ Oxhofft […] ÐhierüberÑ Antwort […]

3701. An Frederick Christian Sibbern. Berlin, Donnerstag, 14. 11. 1811 Nur mit vielen Entschuldigungen daß wir es Ihnen so lange vorenthalten haben senden wir Ihnen das interessante Buch zurük. Wir können nur die 3699. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 12v. Rückseite eines Zettels über Thales von Milet (gegen Anfang der Vorlesung über die Geschichte der Philosophie unter den Griechen im WS 1811/12). 3700. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 14v. 15v. Rückseiten zweier Zettel mit Präparationen zur 12. und 13. Stunde der alten Philosophiegeschichte (Heraklit u.a.) im WS 1811/12. 3701. 223

Überlieferung: H: Landesarchiv Berlin, F Rep. 241 (Autographensammlung), Acc.

15v

176

Briefe 3701–3702

Abendstunden zum gemeinschaftlichen Lesen bestimmen und es traf sich leider daß wir ihrer sehr wenig Herr werden konnten in dieser Zeit. Schleiermacher d. 14t. Novemb. 11.

5

3702. Von Johannes Karl Hartwig Schulze. Weimar, Donnerstag, 14. 11. 1811 Weimar den 14.11.11.

7v

8

Länger, als ich wollte, habe ich Ihren Brief, mein innig verehrter Freund, unbeantwortet gelassen, nicht um Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern um Ihnen zugleich mit meiner Antwort einliegende kleine Schrift, welche eben fertig geworden, zu übersenden. – Schon seit 1 1/2 Jahren beschäftigt mich das Studium der Religionsgeschichte auf der einen, und das des Plato auf der andern Seite. Das erstere führte mich auf die Acta Sanctorum; Calderons standhafter Prinz ward hier gerade gegeben und so hatte ich eine aeußere Veranlassung zu dieser Schrift. – Wie es mit dem Eingange gemeint sey, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen. Es würde mich freuen, wenn Sie Muße fänden, das Ganze zu lesen und mir Ihr Urtheil mitzutheilen. – Trotz des Motto, welches ich gewählet, hat Goethe mir seine Zufriedenheit über die Arbeit zu erkennen gegeben auf eine höchst freundliche Art. Denn Sie müssen wissen, er haßt den Novalis so sehr, | daß er bey einer Gelegenheit, wo ich eine Predigt mit dem Gedichte: Wenn alle untreu u.s.w. geschlossen, er einer schalen Theegesellschaft gesagt: Niemand möge ihm Novalis Schriften in sein Haus bringen. – Es ist merkwürdig, daß Goethe sich in allem, was das Christliche betrifft, in trauriger Verwirrung selbst verkennt. – Die beyden Sonnette gebe ich Ihnen nach meiner Uebersetzung; vielleicht ist sie Ihnen nicht unerfreulich. – Meine vor einigen Monaten bekanntgemachten Reden über die Christliche Religion würde ich Ihnen schon gesandt haben, wenn ich nicht erst Marheinekes Urtheil abwarten wollte. – Wenn er glaubt, daß ich sie Ihnen mittheilen kann, so sollen Sie nächstens ein Exemplar erhalten. Jetzt werde ich in langer Zeit, ausser meinem Winkelmann, nichts Schriftstellerisches liefern, weil meine Studien mir keine Zeit lassen. – Aber dann hoffe | ich nach einigen Jahren mich gereifter und in würdiger Gestalt zeigen 3702. Überlieferung: H: BBAW, SN 386, Bl. 7–10. Mit einem Exemplar seiner Schrift „Über den standhaften Prinzen des Don Pedro Calderon“ (Verlag des Landes-Industrie-Comptoirs, Weimar 1811).

5

10

15

20

25

14. 11. 1811

30

35

40

45

50

55

60

65

177

zu können. – Je mehr ich mir selbst klar werde, um desto deutlicher erkenne ich, daß die Religion das Element meines Lebens ist, und daß alle meine übrigen wissenschaftlichen Bestrebungen sich in Theologie auflösen werden. – Ihre Schrift hat mich ungemein erfreut, und ich glaube, alles darinn nicht nur verstanden, sondern mir aus den einzelnen Sätzen das Ganze der Theologie nach Ihrer Ansicht construirt zu haben. – Ihr Recensent in der Hallischen Zeitung muß ein rechter Tropf seyn. – Aber denken Sie, auch Augusti meinte, mit dem Buche könnte es wohl nicht Ihr Ernst seyn. – Sie haben jetzt Augusti in Breslau; aber er muß sich sehr ändern, wenn er als akademischer Lehrer sich geltend machen will. – Ich hospitirte in diesem Sommer in seiner Dogmatik – er sprach gerade über die Göttlichkeit des Christenthums. – Aber auf | welche seichte und triviale Weise! Nein! ich habe nie etwas Kläglicheres gehört. – Und nun liest er Wort für Wort aus seinem Heft; keine Periode konnte er bilden; er gab nichts als einzelne Sätze. – Doch er hat einen Namen! – Uebrigens ist er ein sehr guter Mensch, dem ich persönlich mich geneigt fühle. – Der Staatsrath Uhden sagte mir viel Gutes von David Schultz, mit dem ich in Halle studirt und im Seminar gewesen – Wie dieser etwas Tüchtiges als Theologe leisten kann, begreife ich nicht. – Was er geschrieben, ist doch herzlich schlecht. – In Jena geht Alles zu Grunde; Herr Gabler ist das Fac totum, da Griesbach wenig liest wegen seines hohen Alters. – Ich gestehe Ihnen, daß ich mit Freude nach Breslau gienge; Dogmatik, Encyklopaedie der theologischen Wissenschaften, und auch Kirchengeschiche mögte | ich gern lesen. – Nebenher auch einige philologische Collegia z.B. Geschichte der Griechischen Poesie, die ich zu meinem Vergnügen ganz ausgearbeitet, wie auch die Geschichte der zeichnenden Kunst bey den Griechen. – Täglich fühle ich je länger je mehr, daß ich als Universitätslehrer noch mehr nützen könnte als in meiner gegenwärtigen Lage, wiewohl ich die Freude habe, mehrere tüchtige gründliche Philologen gezogen zu haben. – Nächstens sende ich Ihnen zwey nach Berlin, die sich der Theologie widmen; es sind zwey herrliche Menschen. Das Predigen habe ich fast seit einem ganzen Jahre unterlassen, wegen der vielen Nackenschläge, die ich von der hiesigen Geistlichkeit erfahren mußte. – Der Herzog, dem alles Kirchliche verhaßt ist, hat sich absichtlich höchst unbedeutende Menschen zu seinen Consistorial-Räthen gewählt. – Es geht ihnen, wie den Vögeln im Aristophanes: | wir wissen nichts, wir haben nichts gelesen. – Natürlich sind sie daher beschränkt und anmaaßend. – 33 Ihrer] ihrer

8v

9

9v

178

10

Briefe 3702–3703

Nothwendig muß ich bald meine Lage verbessern; das heißt, ich mache keine Ansprüche, auf eine Besoldung, wie Augusti in Breslau erhalten; aber frei von Nahrungssorgen mögte ich leben können. – Ach! es müßte eine Seeligkeit seyn, als theologischer Docent seinen Zuhörern die Wahrheiten des Christenthums zu entwickeln und sie mit Liebe und Begeisterung für die göttliche Wissenschaft zu erfüllen. – Nach Weihnachten erhalten Sie den dritten Band unsers Winkelmanns, und wenn Ihnen die früheren Bände nicht misfallen, so glaube ich von diesem mit Grund ein Aehnliches hoffen zu können. – Ich habe ihn fleissiger als die andern gearbeitet. – Mit dem 4ten Bande schließt die Kunstgeschichte und des freue ich mich, damit ich einen noch freiern Spielraum zu | meinen übrigen Studien gewinne. Indessen lerne ich viel bey dieser Ausgabe. – Blanc hat mich vor einiger Zeit besucht; Sie waren oft der Gegenstand unsrer Unterhaltung. – Gott weiß, wie unendlich ich Sie liebe und verehre. – Nichts sehnlicheres wünsche ich, als Sie bald einmal in Ihrem Familienkreise zu sehen. Viele herzliche Grüße an Boekh und Marheineke. – Der letztere ist mir eine Antwort schuldig. – Ist Spaldings Stelle schon vergeben? – Leben Sie wohl, theurer Verehrter, und lassen Sie mich nicht zu lange auf eine Antwort harren. – Ihr ewig dankbarer Schulze.

70

75

80

85

3703. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Sonnabend, 16. 11. 1811 Gdf. d 16 Nvbr 1811 Die gute Leidende von welcher ich noch im Wagen mit Fritze sprach des ehrwürdigen Dobers Tochter – ist nach vielen Schmerzen des Körpers die sie seit ihrem 17 Jahre und nicht völlig 30 geworden, fast, ununterbrochen ausgestanden – nachdem sie noch 7 Wochen betlägerig war – und Allen die sie sahen ein Muster der Geduld – Gestern aufgelöst – Warum ich damit meinen Brief anfange? weil ich ganz davon erfüllt bin – von 3703. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/12, Bl. 15 f.; 375/26, Bl. 18 f. SN 375/26, Bl. 18 f. blickt auf einen Besuch Schleiermachers in Schlesien zurück, bei dem er 10 Taler hinterlassen habe, und auf den Winter voraus, gehört also in den Herbst 1811. Es handelt sich offenbar um die in der Randglosse (SN 375/12, Bl. 15) erwähnte Rechnung.

5

14. 11.–16. 11. 1811

10

15

20

25

30

35

40

45

179

allem was sie bey ihrem lebhaften temperament für 1000fache Opfer die ganze Zeit gebracht – als Mensch – als Mädchen – als Tochter – Du weist ihre StiefMutter ist die Schwester von Peistel ist oft viele Jahre in einer beständigen tiefen Reue – daß sie diesen Mann geheirathet – die nun Seelige – wurde ihr gleich unerträglich – bey Gelegenheit einer kleinen Verliebeley – noch als Mädchen – behandelte sie solche so schreklich daß, dies, bey dem kraftvollen heftigen Geschöpfe – wohl den ersten Stoff zu ihrem nachherigen | Leiden und Erschlaffung aller ihrer organe gelegt – da auf einmahl der Umlauf des Blutes stokte – und die außen Theile nach und nach anfiengen zu verkrüppeln – ihre Augen litten zuerst – dann die Hände – und zulezt die Beine die sie seit 2 Jahren fast gar nicht mehr bewegen konte – Viel hat auch ihre Seele durch die unrechte Behandlung gelitten – aber ihr eigner Verstand und des treflichen Vaters hindeuten die Mutter als Kranke zu betrachten – Er der selbst dadurch unendlich viel gelitten – der Einzige wahre Freund seiner Tochter blieb bis allgemeines Mitleid, die lezten Jahre ihr mehrere zuführte – O lieber Bruder – mit diesem Mädchen deren Geist früher reifte – als 100 unsres Geschlechts – da sie bittre Erfahrung zeitig beendigte – und durch so manche Schule des Unglüks – nach dem wahren trachtete – auch oft recht freimütig ihren jüngern Freundinnen – die Warheit sagte – in ihrem Umgang fand auch ich viel belehrendes – konte über alles mit ihr sprechen – immer offen war | ihr edles Tieffühlendes Wesen für andre Freuden und Leiden – bei ihr versamleten sich – so lange sie nun noch hörbar sprechen konte – einige Freundinen täglich – sie blieb sich gleich bis auf den lezten Augenblik – Gott wie göne ich ihr das längst ersehnte Ziel – aber wie lebhaft erneuert wird dadurch mein stetes inres Sehnen, wie äußert es sich in lautes Seufzen nach Vollendung – Du kenst mich darin! ach! und immer Wenigere bleiben mir – hier höre ich Dich liebevoll und ernst sagen: Gott warum habe ich nur nicht noch ernster aufs mitgehen gedrungen – was wird die alte Lotte für einen trüben Winter haben – noch dazu in der vollen Stube wo in den kurzen ZwischenRäumen ihrer LehrStunden – ihr leicht der Lerm zuwieder – und sie an allem möglichen geistvollen hindert – ich weiß das alles – ahndete 1000faches Entbehren als ich gleich jenes n e i n aussprach – aber Du siehst und fühlst selber – daß der Mensch nicht gegen seine Ueberzeugung – handeln darf – wäre es auch mit | täglich neuen Opfern verbunden! ach Du guter treflicher Mensch – wenn meine Freundin beerdigt ist – fange ich gleich einen neuen Brief an – hiebey folgen meine Rechnungen für das alte und neue – denn Gutes thun ist ja Deines Herzens Lust und es zu befördern wo und wie Du kanst! –

15v

16

16v

180

Briefe 3703–3704

Gern schrieb ich dir ganz das kleine Gedichtchen was ich einst – auf die arie machte – Schön ist Abel der Hirt! Sieh wir feyern Dein Fest Wir freuen uns des schönen Tages froh verfließe er dir froh das komende Jahr Gut ist Jesus der Hirt! Groß seine Treue und Gnade die deine Pfade crönt Liebe schimmert hervor.

50

55

Nächstens mehr! guter treuer Mensch – Gott segne Dich 1000fach! für alle Wohlthaten – segne Dich durch Weib und Kinder – cröne Dein schönstes Streben Durch Gnade – und das Bewußtseyn deiner Menschheit mit Barmherzigkeit. Laß von Nany dir den SchwesterKuß geben Lotte

60

ich lege die Rechnung darum bey damit Du weist was ich bedarf – und schikken wenn du kanst mit einem ganz eigenen wehmütigen Gefühl schließt diesen Briefe die dankbare Lotte | 18

18v

Geschichte des Mantels Dieser brauchte beim hellen Tage der Schneider besehn, noch keine totale Umänderung oder Ausbeßerung nötig und einen neuen nach dem Rathe so mancher vorlauten Menschen, einen machen zu laßen – wäre unverschämt, und überflüßig – besonders, da ich so mancherley andre warme Sachen sehr nothwendig brauche – – die ich gar gern als ein Geschenk außer der gewöhnlichen Unterstüzung von Dir annehmen werde. Zuerst aber folgt eine Berechnung über die 10 thr courant – welche Du mir hierließest Zu einem Alltags Kleid 8 Ellen Cattun und parchent Wäsche für das Vierteljahr Gemein Bedürfniße Wolle zu einem Tuch und Strümpfe welches ich selbst strikte Coffe Zukker The 1 paar neue Schuhe –––––––––––––––––––––––––––––– Suma

2 1 1 2

12 12 12 | 12

2 1

12

10 Courant

61–63 ich … Lotte] vom linken auf den unteren Rand von Bl. 15 überlaufend

65

70

75

80

16. 11.– vor dem 21. 11. 1811

181

Die liebevolle Unterstüzung die ich zu Ende des Jahres zu erwarten habe, will ich folgendermaßen anwenden 85

90

Ausbeßerung des Mantels Caffe ein paar warme Halbstiefel ein paar warme Handschuh Gemein Bedürfniße WäschGeld

3 1 2 1 1 1|

Das übrige zu kleinen ganz unvermeidlichen Belohnungen für willige Geister.

95

100

105

19

Nun mein Bester – komt nach meiner Aufrichtigkeit ein kleines litum – was ich noch seit meiner ersten Einrichtung im Laden stehn habe leider noch imer nicht abzahlen konte 3 12

Wegen meiner Frostigkeit bediene ich mich seit 12 Jahren einer Flanell Decke in der Nacht – die aber jezt in einem ganz kläglichen geflikten Zustande sich befindet. Diese und meine ApothekerRechnung – nebst etwas spirituoeses zur Stärkung nehme | ich gern – statt der MantelAusbeßerung von Dir an. Vorm Jahre machtest du mir ein WeinachtsGeschenk von 6 Thr – dieses wird freilich 10 – betragen! Gott es ist unverschämt – ich weiß es! aber! guter lieber Mensch – Deine Miene mit welcher Du mir sagtest „thue doch nur das du wilst[“] – tröstet mich – beruhigt mich, daß Du alles gerne thust – mir mein Leben erträglich zu machen. Denn mein Verdienst geht grade zum täglichen Bedarf auf.

*3704. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Vor dem 21. 11. 1811 Gratulation zum Geburtstag. Über Schleiermachers Einfluss auf ihr Leben. 99 in der Nacht] mit Einfügungszeichen am unteren Rand *3704.

Regest und Brief Erschlossen aus Brief 3709.

19v

182

Brief 3705

3705. Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Donnerstag, 21. 11. 1811 Am 21 November 1811 Wie kommt mir ein Dich heute zu begrüßen, Dich Sieger über Raum und Zeit, Dem Jahre spurenlos vorüberfließen, Den Bürger aus der Ewigkeit!

5

Doch gönne meinem Herzen das Entzücken Dem heißen Drange Schall zu leihn; Mir will der schwerste Sieg nicht ferner glücken, Ich muß vom Druck die Brust befrein. Zu grüßen Dich, an Deinem Lebenstage, Treibt heil’ge Lust und frommer Dank, Daß Dir des Kindes leises Flüstern sage, Was ich mit Schmerzen oft bezwang! – Mir nicht umsonst bist Du vorbeigezogen, Du schönes reiches Lebensbild; Die Stralen hab’ ich durstig eingesogen, Mit deren Glanz Du überfüllt. | Und Licht im Innern ist mir aufgegangen Und heil’ge Glut durchglüht mein Herz, Und ausgeträumt hab’ ich den schweren bangen Verworrnen Traum von Lust und Schmerz.

1v

Hab’ Lebensmuth und Liebe mir getrunken Und Siegeslust dem dumpfen Wahn, Die Truggestalten sind vor mir versunken, Es dehnt sich freundlich meine Bahn.

10

15

20

25

Dein Geist ist es, der im Vorüberschweben Mich angeweht mit Himmelsmacht, Daß nun dem schön-verjüngten frischen Leben Ein heller Stern durchstralt die Nacht. Doch alle ziehn ihr Licht nur von dem Einen, Der einst in Osten still sich hob, Um Gott und Menschen liebend zu vereinen Da Sünde sich dazwischenschob.

3705.

Überlieferung: h: BBAW, SN 365/2/1.

30

21. 11. 1811

35

40

45

183

Du schaust ihn an den ew’gen Stern der Wahrheit Der Erd’ und Himmel sanft erhellt, Aus Nebeln immer freier windet Klarheit Sich los und überglänzt die Welt. | Und was der Gott in tiefer Brust hier kündet, Begeistert strömt es Dir vom Mund, Und das Geheimniß das die Welt entsündet, Wird schnell erstaunten Horchern kund.

2

Und sinnend ganz im heil’gen Wort verloren, An Deiner Lippe festgebannt, Zu schönerm Leben jugendlich geboren, Versinkt in Nacht der ird’sche Tand! Und eine Welt, wo jeder Qual entnommen Den reinen Geist nicht Sünde trübt, Entfaltet sich gemach dem Blick der Frommen, Der jetzt nur Eine Schönheit liebt.

50

55

60

65

Ein innerliches ungestümes Mahnen Treibt von Gefühl zu Wort und That, Die Geister brachen sich mit Allmacht Bahnen, Und schon entkeimt die reiche Saat. Ein schneller Blitz auf einmal hellt die Nächte Der blinden Kinder dieser Welt, Und liebend reicht die Hände der Gerechte Dem Bruder, dem das Netz gestellt; | Bis alle Eines Himmelreichs Genossen Und Priester an dem Hochaltar Vereint auf Erden wallen überflossen Mit Licht von oben wunderbar. O theurer Mann, daß auch von meinen Blicken Sich solch ein Paradies enthüllt: Wem denn als Dir verdank’ ich das Entzücken Das meine ganze Seele füllt. Nimm meines Dankes still geweinte Thränen, Das Herz, dem sie entfließen, an, Und walle lange noch zum höchsten Schönen Durchs Erdendunkel mir voran.

2v

184

Briefe 3705–3706

Und laß mein Lied, wie schwachberedt, Dir sagen, Dir, der mein freies Herz gewann, Wenn größre edlre Herzen Dir geschlagen, Daß kein’s Dir treuer schlagen kann.

70

Friedrich Sack.

3706. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 21. 11. 1811 Gdfr 1811 Sieh, wir feiern Dein Fest! Wir freun Uns des schönen Tages – doppelt feierlich mir!!! So kan ich dir mein guter Einziger am Ende dieses festlichen Tages in Warheit zurufen –! In den MorgenStunden von 7–9 habe ich mit meinen Stubenschwestern in Beisein der guten Pflegerin gefrühstükt mich der Begebenheiten vor 29 Jahren im Rükblik auf unsre verewigten Eltern erinert – und im Hinblik auf Dich meinen Wohlthäter Dir zum Schluß unsres Gesanges zugerufen Laß ihm noch ferner tausend Guts zu stetem Wohlergehn usw. – Die gute Pflegerin zog Dir aus eignem Antrieb einen Vers – aus einem geschriebnen Buche – deßen sie sich bey dergleichen Gelegenheiten bedient – ich schreibe Dir ihn hier ab.

12v

O möchte meinem lieben Herrn mein Gang zum Preise sein Denn Gott, der ja mein Licht und Stern möcht ich so gern erfreun O! wäre mir beim gehn und stehn der Jesus Sinn stets anzusehn | ich bitte dich ach mach mich mehr zu deiner Freud und Ehr. Alle Schwestern 10 an der Zahl – grüßen dich herzlich freuten sich Heute noch besonders Deiner Bekantschaft – so auch die Schilden und die trefliche Vorstehern welche Du nicht hast kennen lernen – diese Beiden habe ich zum erstenmahl so lange ich sie kenne – zum erstenmahl Gestern Nachmittag in der Schilden Stube zum Caffe´ gebeten – wir waren sehr traulich zusamen – die Boijol hätte ich dir gewünscht bei Deinem Zuge im SchwesternHaus kennen zu lernen – die Trefliche, ist viel zu wenig neugierig daß sie wäre zur Pflegerin oder Forrestier gekomen dich zu sehen! sie ist ganz das Gegenstük zur Schilden aber ihre sehr gute Freundin – 3706.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/22, Bl. 12 f.

5

10

15

20

21. 11. 1811 25

30

35

40

45

50

55

60

185

wäre ich so mit von der ArbeiterZunft ich würde auch viel bei ihr sein – aber aus dem gemeinen Haufen heraus da muß man sich mit dergleichen Besuchen in acht nehmen sonst könen leicht Mißverständniße entstehen1 daß man sich auf Unkosten der Schwestern unterhält – und dergleichen wiewohl die Trefliche keinen Mißbrauch dieser Art ÐriechtÑ – über die meisten Sachen schweigt sie sich aus | ja ja – darin hat l’incomparable (so nenen wir sie Elise und ich wenn wir von ihr sprechen) viel ähnliches mit Dir – aber die wenigen Worte die sie spricht sind ganz köstlich – in ihr ist der Stolz und die Demuth vereinigt – von welcher Du so schön sprichst. Werden deine Kinder dich Heut besonders begrüst haben! Die 3 Jetten – jede in ihrer Art – werden sich deines Daseyns erfreut haben – ob wohl Louise noch bey Euch ist? was für Menschen werden sich diesen Abend zum The eingefunden haben dies alles möchte ich am liebsten Heute Abend noch wißen! Gott! wie lange werde ich noch warten müßen ehe ich von Euch etwas höre. Schlafe recht wohl, recht sanft! – Nur einige Worte sagtest Du mir bey deinem Hierseyn daß ich mich wegen Bücher an Gasz wenden solte – aber nicht – ob er mir aus seinem Schatz etwas borgen wird – oder von Streit – mir schikken – ich habe ihm darüber geschrieben – aber mich freilich auf Dich berufen – daß Du schon mit ihm geredet – wenn er mir jezt | durch die MarktBrüder nichts schikt – dann schreibe ich gleich wieder – sonst bekomme ich nichts mehr in diesem Jahre – welches mir doch gegen die Ergerungen sehr Noth thut – kürzlich fielen mir Seumes Werke mein Somer im Jahre 1805 – wieder ein – von welchem ich aber nichts erwähnt – ich bekomme ja zuweilen das Morgenblat in die Hände – worin ich allerley aufgezeichnete finde – den Gelehrten zwar nicht neu denn es ist das vorjährige – aber für mich seltene Erscheinungen – nehmlich Wanderungen der Phantasie in die Gebiete der Warheit – von der Verfaßerin des Walthers – und Herman von Una – Gräfin von Frondsberg sehr gut recensirt – ich lese gern etwas zur Zerstreuung – muß aber gut geschrieben sein nicht gradezu nur verliebtes Zeug – Liebe darf hervor schimern – verständige Liebe – – doch – ich lese dergleichen in solchen Augenblikken – von 12–1 wenn ich gegeßen habe oder vorm Abendeßen bis zur Stunde – auch wohl nachher – wenn ich keine vernünftige Unterhaltung habe – doch keinen ganzen Abend – imer muß etwas recht ordentliches voran oder nachfolgen Verzeihung mein Guter! es war angenehm Dir etwas von mir vorzuschwazen

60 f Verzeihung … vorzuschwazen] am linken Rand

13

13v

186

Briefe 3706–3708

Ganz artiges Buch herausgegeben hat – ideen über den wahren Herrnhutismus – in Gestalt eines romans – mit Anmerkungen – worinnen manche treffende Warheiten stehn. 1

doch wenn ich etwas bey ihr zu thun haben kann – so weile ich um desto länger 65 – wenn das Glük mir so wohl will sie allein zu finden

*3707. An Heinrich Christoph von Willich. Berlin, Montag, 25. 11. 1811 Beschwert sich über Willichs Umgang mit den Begräbnisgeldern für Ehrenfried von Willich.

3708. Von August Twesten. Hamburg, Montag, 25. 11. 1811 Hamburg den 25sten November 1811. Seit ich hier bin, ist noch kein Tag vergangen, der nicht mit Ihrem Andenken zugleich auch den Wunsch in mir wieder hervorgerufen hätte, zu Ihnen zurückkehren zu können. Sie jeden Tag zu sehen, wenigstens Einmal die Woche mit Ihnen zu reden, war mir so sehr Bedürfniß geworden, daß wenn es einmal nicht geschah gleichsam von seiner nothwendigen Nahrung etwas meinem Geiste entzogen schien. Ich mogte mir bey meiner Abreise aus Berlin daher auch gar nicht denken, daß ich es für immer verließe, und ließ mir, um mich in der Täuschung zu erhalten, als sey eine baldige Rückkehr wohl möglich, meinen Paß auf 3 Monate ausstellen. Hier angekommen habe ich mich dann an Ihre Schriften gehalten, besonders an die Monologen und das Buch über die Universitäten; doch, obgleich ich vieles jetzt besser verstanden habe, obgleich mir die Idee Ihrer Ethik und selbst ihrer größern Umrisse klarer zu werden angefangen hat, 62–64 Ganz … stehn.] Vom linken Rand von Bl. 12 auf den linken Rand auf Blatt 13v überlaufend; es handelt sich offenbar um die Fortschreibung einer Bemerkung auf einem nicht mehr vorhandenen Blatt. 65 f doch … finden] mit Einfügungszeichen am linken Rand *3707. 21 f.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk zu Brief 3673 und aus Brief 3712, Z.

3708. Überlieferung: H: BBAW, SN 408, Bl. 3 f.; D: Heinrici: D. August Twesten, S. 218–220 (gekürzt)

5

10

21. 11.–25. 11. 1811 15

20

25

30

35

40

45

50

187

scheinen sie mir doch, wie es ja Schriften nicht anders seyn können, nur unvollkommener Ersatz für den, der Sie in Ihrem Leben kennen zu lernen dasGlückgehabthat;undwasdasletztebetrift,somögteichfastunzu|frieden seyn mit dem Schicksal, daß es nicht diese wenigstens noch von Ihnen zu empfangen mir vergönnt hat; denn nachdem ich nun meinen vorgesetzten historischen Cursus mit dem Studium des Herodot begonnen habe, wird es mir erst recht fühlbar, wie sehr durch sie meine Schritte an Sicherheit gewinnen würden. Es scheint, als wenn Geist und Körper bey mir sich schwer an eine neue Art zu seyn und zu leben gewöhnten. Wie anfangs in Berlin bin ich jetzt auch hier mißmüthig und kränklich. Viel trägt dazu wohl Hamburgs unglückliche Lage bey, die schon daraus erhellt, daß seine Bevölkerung in den letzten Jahren an 30000 Menschen abgenommen hat. Das Lehren der ersten Elemente will mir auch nicht recht behagen, und die Fortschritte meines Zöglings wollen sich in der Wirklichkeit nicht so beschleunigen, als sie früher in der Phantasie thaten. – Sie dagegen mag ich mir nicht anders denken als froh und heiter und durch Ihre Reise von Ihrem vorigen Uebelbefinden auch alle Spur vertilgt. Was mir besonders am Herzen liegt in Ansehung meines Zöglings, ist den Religionsunterricht auf die rechte Weise einzuleiten. Daß man, so wie jetzt die Sachen stehn und da man die Kinder nicht isoliren kann, mit demselben nicht zu lange warten darf, wie Sie schon einmal bemerkten, da wir gerade hierüber sprachen, davon habe ich mich seitdem noch mehr überzeugt. Es geschieht so manches, um die im Kinde erwachende Ahndung eines Höheren wo möglich im Keime zu ersticken, daß ein Gegengewicht gegen diese Einwirkungen unentbehrlich scheint. Nur das W i e setzt mich noch in Verlegenheit. Die Art indeß des Eindrucks, den nach | Goethes Schilderung in seiner Selbstbiographie die Lesung des alten Testaments, wiewohl in einem etwas späteren Alter, auf ihn machte, indem sie ihm, der durch so vieles zerstreut ward, einen Mittelpunkt gewährte um den alles andere sich ordnete und reihte, hat mich auf den Gedanken gebracht, daß es von unseren Vätern wohl nicht so unzweckmäßig gewesen seyn mögte, wenn sie sehr bald mit Kindern die Bibel zu lesen anfingen. Des Unverständlichen kann, däucht mir, in diesen einfachen Zeiten nicht eben viel für Kinder seyn, und wenn auch, so scheint mir das hier nicht unangemessen, wo sie doch noch so lange mehr ahnden müssen als verstehen können; und Reinheit der Vorstellungen dünkt mich immer etwas relatives, inwiefern sie nach der Persönlichkeit oder Nichtpersön34 Daß] Das

3v

4

188

Briefe 3708–3710

lichkeit, mit der Gott auftritt, gemessen werden soll, und darauf kömmt doch alles zurück, was man in der Hinsicht dem Alten Testamente vorwerfen kann; dieselbe wächst ja auch immer mehr, je näher die Geschichte dem Neuen Testamente rückt. Ich wäre daher nicht ungeneigt, nach einiger Vorbereitung mit meinem Zögling an die Bibel selbst zu gehn; doch gern mögte ich hierüber vorher Ihr Urtheil vernehmen. Ein Zweites, worüber ich mir einige Winke von Ihnen erbitten mögte, ist die Begründung der in der Dogmatik so wichtigen Ansicht der von einem ersten Anfangspuncte aus immer wachsenden, jedoch nie zur Vollendung gelangenden Vollkommenheit. In meinem Gefühle finde ich diese allerdings vor, und die Geschichte scheint sie zu bestätigen; es scheint mir aber, als müsse ihr auch etwas Speculatives zum Grunde liegen, was ich nicht habe auffinden können. Denn wissenschaftlich angesehen scheint es mir, als könnten sich die verschiedenen Zeiten nur dadurch unterscheiden, daß in den einen dieses, in den anderen jenes sich zum Mittelpunct des Ganzen erhebe und dies dann freylich, indem es anfangs nur weniges, dann immer Mehreres durchdringt, und sich aneignet. Aber zugleich gestehe ich, daß ich mehr glaube, diese Ansicht könne durchgeführt werden als daß ich, wie es geschehen könne, klar sähe. Leben Sie wohl. Vergessen Sie nicht ganz Ihren Sie mehr als irgend einen Menschen auf der Welt verehrenden und liebenden Twesten. (Großen Bleichen N. 338)

55

60

65

70

75

3709. An Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Berlin, Sonnabend, 30. 11. 1811 Berlin, den 30sten November 1811. Die Versicherung Ihres freundlichen Andenkens, meine Gnädigste, hat der Feier meines Tages die Krone aufgesezt. Von demüthiger Dankbarkeit fühle ich mich am meisten bewegt, wenn ich, wie es einem solche Tage vorzüglich zukommt, mein ganzes gegenwärtiges Leben mit Einem Blick übersehe und gleichsam in Einem Zuge genieße, und eben diese demüthige Dankbarkeit erregt in mir vorzüglich das schöne Vertrauen, welches Sie mir schenken, und der Einfluß den Sie mir auf Ihr Leben zuschreiben. 3709.

Überlieferung: D: Br 2, 2. Aufl., S. 264 f.

5

25. 11.–8. 12. 1811

10

15

20

25

30

189

In jedem edlen Gemüth lebt alles Wahre und Schöne sein eigenes Leben, eigen entstanden und eigen gestaltet. Was kann ein Anderer, als nur veranlassen, daß sich manches vielleicht schneller, vielleicht heller gestaltet? Aber eben dies ist auch das Schönste und Größte was der Mensch dem Menschen leisten kann, und da es jeder nur denen kann, denen er eigenthümlich verwandt ist – wie schön, daß ich mich freuen kann Ihnen so verwandt zu sein! Ich fühle es, daß ich mich dieser Freude ganz überlassen darf; sie ist so edler Art, daß sie dem Verderbniß der Eitelkeit nicht ausgesezt ist und daß sie ohne Demuth nicht genossen werden kann. Ich darf Sie bitten bisweilen an mich zu denken auch deshalb, weil ein glücklicher Mensch ein erfreulicher Anblick ist. Wenige können es mehr sein als ich. Der Himmel hat eine Menge schöner Gaben über mich ausgeschüttet; die reine Zufriedenheit in meinem mir ganz genügenden häuslichen Leben und die Liebe der theuren Menschen, deren Herz mir geneigt ist – neben diesen beiden darf ich die andern freilich nicht mehr nennen. Es können Zeiten kommen, wo es gilt auf eine andre Weise als im ruhigen Leben das, was man in sich trägt, darzustellen. Daß es mir auch dann gelingen möge derer werth zu bleiben, die einen nähern Antheil an mir nehmen, das ist unter den wenigen Wünschen die mir für mich übrig sind, der erste. Möchte es mir auch in diesem Jahr vergönnt sein Sie zu sehn, mich an Ihrer stillen Kraft, an Ihrem reinen Sinn, an Ihrem klaren Bewußtsein zu erfreuen. Wie ich wünsche, daß Gott Sie segnen möge, wie Sie meinem Herzen so vorzüglich theuer sind – doch Sie wissen es, Sie wissen, wie von ganzem Herzen ich Ihnen angehöre.

3710. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Sonntag, 8. 12. 1811 Breslau, den 8ten Decbr. 1811. Es bietet sich mir eine gute Gelegenheit dar, liebster Schleiermacher Dir die Schrift von Marheinike zu überschikken, die Du vermuthlich hier vergeßen hast, denn ich wüßte nicht, wem sie sonst gehören sollte; auch 3710. Überlieferung: H: BBAW, SN 287, Bl. 76 f.; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 99–101. Mit einer Schrift von Marheineke, die Schleiermacher bei seiner Schlesienreise bei Gaß hatte liegenlassen. – Empfangsvermerk: „pr d 17t. Dec“.

190

76v

77

Brief 3710

dächte ich, Du hättest davon gesagt vor Deiner Abreise. Dabei will ich nicht ermangeln, Dir einige Nachrichten von uns mitzutheilen, vorzüglich solche, die Dich intereßiren können. Mit unsrer Universität scheint es für den Anfang recht gut zu gehen. Fast alle Profeßoren lesen, nur die, welche zu spät anlangten, haben keine Zuhörer mehr gefunden, weil die jungen Leute sich schon früher vertheilt hatten. Dies ist natürlich, zu mahl da die Zahl der Studirenden auch die Catholiken mitgerechnet kaum zu 200 angewachsen und sonach viel geringer ist, als wir wol alle erwartet haben. Solche, die zum ersten mahl die Universität besuchen, sind unter den Protestanten wenige, die meisten haben schon auswärts studirt und scheinen die neue vaterländische Anstalt nur noch auf kurze Zeit durch ihre Gegenwart zieren zu wollen. Was meine Wenigkeit betrift, so lese ich die christliche Moral privatim und die Apologetik öffentlich. Zu jener mußte ich mich auf Zureden meiner Collegen kurz entschließen, denn man wollte sie wenigstens im Lektionskatalog nicht fehlen laßen. Es ist mir nun auch recht lieb, denn ich habe 22 recht fleißige Zuhörer und offenbar wäre es ein Mangel gewesen, wenn dies Collegium niemand gelesen hätte. | Darneben aber kann ich nicht bergen, daß es mir viel Mühe macht. Denn so herrlich mir das, was ich mir aus Deinem Vortrage darüber notirt habe, auch zu statten kommt; so muß ich es doch für meinen Zwekk ganz anders verarbeiten. Die Studenten, besonders die welche aus Frankfurt kamen, haben von einer wissenschaftlichen Behandlung der Theologie gar keine Vorstellung; alles ist ihnen fremd und neu. Ich habe mich daher bei der Einleitung sehr lange aufhalten müßen, um ihnen nur begreiflich zu machen, wovon die Rede sei. Und obgleich der Gegenstand jezt schneller fortschreitet, so sehe ich gar nicht, wie ich fertig werden will. – Die Apologetik muß ich ganz neu ausarbeiten und die 2 Stunden in denen ich sie lese, machen mir fast mehr Mühe, als die Moral. Es geht aber leidlich; die mehr als 40 Zuhörer, die sich dazu eingefunden haben, erhalten mich bei gutem Muth und es macht mir keine geringe Freude, daß doch den jungen Leuten ein Licht aufgeht und schon mehrere versichert haben, sie erführen nun doch, was das Christenthum sei. Bei diesem scheinbar guten Erfolge will ich es nicht in Anschlag bringen, daß mir meine Vorlesungen wöchentlich 30 Stunden Vorbereitung kosten. Will man selbst etwas ordentliches lernen, so muß man Profeßor werden, das sehe ich wohl, nur leider komme ich zu spät in diese Laufbahn und etwas Tüchtiges kann es nicht mehr mit mir werden. Doch will ich treu aushalten, bis ich 50 Jahr alt bin, dann aber z u m B u d g e h n , nicht um Papst, sondern um wieder Geistlicher in einer Gemeine zu werden. Ohne Dich würde | ich auch jezt

5

10

15

20

25

30

35

40

8. 12. 1811 45

50

55

60

65

70

75

80

191

zu nichts taugen, daher ich auch so oft ich auf das Catheder gehe, Deiner gedenke mit großer Liebe und herzlicher Freude, daß wir uns haben kennen gelernt. Ueber den akademischen Gottesdienst ist noch nichts erfolgt, wie ich nach Deinem Briefe hofte. Die Catholiken haben sich indeß nicht darnach aufgehalten, sondern gleich nach Eröfnung der Universität von der Kirche wieder Besiz genommen und ihren Gottesdienst ordentlich mit einer darauf Bezug habenden Predigt eröfnet. Dies ist ganz recht; aber unrecht finde ich es, daß für die Protestanten keine Einrichtung getroffen wird. Dies ist zunächst die Schuld der OrganisirungsCommißion, die noch ich weiß nicht wozu besteht, da die Universität ihren Senat und Rektor hat, durch welchen sie ohne Zwischeninstanz unmittelbar mit dem Departement zusammenhängt. Da nun ehehin Schulz, der instar omnium war, in Berlin, Bredow fortdauernd und ohne alle Hofnung der Wiedergenesung krank ist, so bleiben nur Skeyde und Neumann übrig, die an sich auch für nichts zu rechnen sind. An diese kann ich mich wegen des Gottesdienstes nicht wenden. Wenn aber vor Neujahr keine nähere Bestimmung erfolgt, so habe ich fast Lust, unmittelbar an das Departement zu schreiben, damit wenigstens Ostern der Gottesdienst anfangen kann. Was meinst Du dazu? Vielleicht hast Du in den Weihnachtsferien Zeit, mir darüber zu schreiben. Die lange Zögerung schadet offenbar der Sache und hat ihr schon geschadet und irgend eine Bestimmung muß doch erfolgen, man mag sie versparen so lange man will. | Von unsres Steffens Wirksamkeit unter uns wirst Du schon wißen. Er bringt eine heilsame Bewegung in die Köpfe vieler Menschen, nur Schade, daß er wenig vorfindet, woran seine Ideen sich knüpfen laßen, weßhalb Mißverständniße unvermeidlich sind. Etwas Gutes kommt aber aus der Gehrung doch auf jeden Fall hervor. – An Augusti habe ich einen recht herzlichen und lieben Collegen erhalten. Er besizt einen großen Schaz von Kentnißen und wird der Universität sehr nüzzen können. Auch Möller ist als Mensch gewiß im hohen Grade verehrungswerth; er scheint mir aber mehr Geschikk zu haben zu einem Geschäftsmann, als zu einem Profeßor und wollte man Einen Reformirten herrufen, so glaube ich doch, daß man einen tüchtigern hätte finden können. Augusti wenigstens meint, der Blanc in Halle sei weit vorzuziehen. Die Ausarbeitung der Synodalordnung muß ich bis zu den Weihnachtsferien verschieben, dann aber [soll] sie auf jeden Fall fertig werden. In dem an das Departement zu erstattenden Jahresbericht werde ich noch einige andre das Kirchenwesen betreffende Gegenstände in Anregung bringen. Noch denke ich Dir einen Extrakt von beiden zur Ansicht und

77v

192

Briefe 3710–3711

Prüfung – wenn Du dazu Zeit hättest – mittheilen zu können, da Du leider officiell nicht zur Kentniß dieser Dinge komst. Hier haben die Leute den Kopf voll von der Aufhebung der Regierungen, dies würde auch eine andre Leitung der Geistlichen und Schulangelegenheiten nach sich ziehen. Wird es keine kräftigere und beßre, so bleibe es lieber wie es ist. – Deine Schwester hat mir geschrieben, sie wünscht ein Frauenzimmer Lexikon und einige kleinere Sachen, die ich ihr besorgen werde. Wir sind alle wohl und wünschen, daß Ihr es auch seid. Tausend Grüße an die Deinigen und an Reimers. Heindorff läßt grüßen, er hat von allen Profeßoren ziemlich die meisten Zuhörer und es geht ihm wohl. Von Honorar ist dies mahl wenig die Rede gewesen. Lebe wohl! mit herzlicher Liebe der Deinige Gaß

85

90

95

Die Wilhelmine schilt, daß Du sie nicht haben grüßen laßen, das muß nothwendig gut gemacht werden.

3711. Von Henrich und Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, vor dem 10. 12. 1811 Lieber Schleiermacher! Du hast Grund mit mir unzufrieden zu sein. Aber hast du es besser gemacht? Habe ich nicht Monathe lang auf Nachrichten von dir warten müssen? Du berufst dich auf deine viele Geschæfte – Gut das kann ich auch mit vollem Rechte. Erstens ich bin im Senat. Ein greuliches Sammensurium von doppeltem Schlendrian – Bis jezt bin ich der einzige, der sich diesem Schlendrian entgegengestellt hatt. Ich habe darauf gedrungen, dass man den frankfurter Senat als aufgehoben betrachten müsse, dass man den ganzen von daher gebrachten Schlendrian vernichten, dass man sich neu organisiren müsse, dass man sich regelmæssig versammeln solle – Die Frankfurter sind hier die ærgsten – Træge, unbehülflich, eigensinnig, unzufrieden, ohne allen wissenschaftlichen Geist. Mir helfen zwar einige. Augusti, Schulz, Schneider, Link – Aber die Leute sind gleichgültig, und eine alte Nachtmüze, Behrends, imponirt sie – Lei98 f Die … werden.] am linken Rand von Bl. 76 3711. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 63 f.; D: Schmidt: Stationen einer Freundschaft, S. 49 (Zitat). Empfangsvermerk: „pr. d 10. Dec Abends“.

5

10

8. 12.–vor dem 10. 12. 1811

15

20

25

30

35

40

45

50

193

der soll dieser bei Schuckmann viel Einfluss haben. Es ist der ärgste, crasseste Empiriker, der sich damit grossthut, dass er nichts von dem weiss, was in den lezten zehn Jahren in der Medicin geschehen ist, der eigentliche berüchtigte Fabricant der saubern frankfurther Doctoren, und es ist durchaus nothwendig sich gegen ihm zu stellen. Uhden hat mir Gelegenheit verschafft meine Meinung über die hiesige medicinische Facultæt zu sagen. Es ist ein Greuel. Auch an Schuckmann und Süvern schreibe ich darüber. Ein alter hypochondrer Chirurgus, der Vorsteher | der hiesigen Pepiniere ist der einzige Anatom – Rudolphi, der sich wohl hüten wird einen Mann vorzuschlagen, der sein Rival ist, oder werden könnte, hatt uns einen jungen Mann auf den Hals gebracht, der ohne Kenntnisse, ohne Fæhigkeit ist. Es ist ein Jammer ihm sprechen zu hören. Behrends protigirt ihm. Die Berliner Professoren Vorschläge für die hiesige Universität machen zu lassen heisst doch recht eigentlich den Bock zum Gärtner machen. – Ich habe noch einmahl dringend den Meckel vorgeschlagen. Was du kannst bitte ich dich beizutragen, dass es durchgeht. Die Physiologie steht hier in der Luft und meine eigne anatomische Kenntnisse drohen verloren zu gehen. Meckel war mein steter Lehrer. Und endlich, was kann ich erwarten, wenn die medicinische Facultæt nur eine jämmerliche Pepiniere ist. Alles dieses hat mich nun viel [zu] schaffen gemacht. Ich dringe täglich in der Commission, ich suche die Blöcke bei der Universitæt für mich zu gewinnen Zweitens, für meinen Würkungskreiss war hier n i c h t s geschehen. Drei Treppen hoch, unter das Dach hatte man ein Local für die Physik ausgesucht. Ich verwarf es durchaus. Ich möchte ein anderes aussuchen, wo der Professor der Physik und Chemie zusammen wohnen könnten. Das breitere wird dir ein weitläufiges Promemoria an das Departement zeigen können. Ich kann keine Physik lesen, und ich beschwöre dich, bei allem was heilig ist, dass du dafür sorgst, dass die Anstalten so bald wie möglich getroffen werden. Ich würde im höchsten Grade unglücklich sein, wenn ich nun Professor der Physik lächerlicher Weise hiess, ohne sie vortragen zu können. Auch hängt der ganze Ruf der Universitæt davon ab, dass nicht ein ganzes Jahr ohne so wesentliche Vorträge vergeht. | Drittens ich habe, wie du vielleicht schon vernommen hast, ein grosses und ansehnliches Auditorium. Ich kündigte meine Vorlesungen in der Aula an, und hatte vielleicht in den lezten Stunden – 7 bis 800 Zuhörer. Ich las vier Stunden öffentlich. Von den Studenten habe ich 20 Zuhörer. Aus der Stadt 90 – Diese Vorlesungen erforderten, besonders im Anfange viel Zeit, und ergözen mich

63v

64

194

64v

Briefe 3711–3712

Viertens – Zwei Verleger plagen mich – Einer, der einen kleinen Aufsaz haben will, der zweite der den zweiten Theil meines Handbuchs fertig verlangt Fünftens – Ich habe mich einrichten müssen und hatte in den ersten fünf Wochen nicht einmahl ein Pult. Alles dieses entschuldigt mein Stillschweigen und schildert meine Lage. Im Ganzen angenehm, wenn ich darauf rechnen darf, dass meine Vorschlæge angenommen werden. Das Geld was mir meine Vorlesungen eingebracht hat – ein 400 rthr sezte mich in den Stand meine ganze Einrichtung hier zu vollenden ohne Schulden, ja einiges ist für die Gläubiger zurückgelegt. Meine Vorlesungen ergözen mich. Hanne ist leidlich zufrieden, wenigstens in sofern sie ihre Schwester hat, und wir uns leidlich haben einrichten können – Die vielen Geschäfte, die mannichfaltigen Zerstreuungen haben uns zwar noch nicht daran denken lassen einen festen Umgang mit jemand zu etabliren, indessen hoffe ich, dass es sich geben wird. Noch haben wir keinen Menschen bei uns gesehen – Mit Gass und Heindorf hoffe ich, dass es sich soll machen lassen, vielleicht auch mit Augusti, wenn die Frau nur nicht so unangenehm wære. Die Professoren errichten unter sich einen Klub. Die hiesigen Einwohner machen viele Prætensionen auf Umgang, die ich wenigstens nicht erfüllen werde. Der æltere Raumer mit | seiner Frau steht noch im Hintergrunde, verschlossen und fremd – Unser Raumer ist ganz unser. – Leider bringt Schulz euch diesen Brief, Ich habe ihm sehr lieb gewonnen. Hätten wir ihm nur behalten können – Er hat sich in der That grosse Verdienste um die Sicherstellung der Fonds erworben. Wenn ich nicht irre, ist ihm aber Schuckmann nicht gut. Nun lieber Schleiermacher lass uns bald wissen wie ihr euch befindet – Wie lange haben wir nun nichts von einander gehört! Dann sag mir auch, wie sich Reimer mit seiner Familie befindet – sag ihm, dass ich b a l d schreiben werde, nur heute war es mir nicht möglich. Ich habe fünf Briefe zu schreiben – Grüss deine liebe Frau und Nanny tausendmahl und behalt mich lieb dein HSteffens [Johanna Steffens:] Es scheint mir eine Ewigkeit, lieber Schleier seit wir Nichts von Euch gehört, und doch liegt wohl die Schuld an uns, ich bin überhaupt eine große Sünderin lieber Schleier daß ich Ihnen nicht für den 72 werde] wære

89 daß] das

55

60

65

70

75

80

85

Vor dem 10. 12.–10. 12. 1811 90

95

195

ganz wunderschönen Schaal gedankt habe, wie ich mich darüber gefreut, hat Steffens geschrieben, auch daß Ihr Steffens so freundlich bey Euch aufgenommen war eine große Freude für mich, es wäre wohl schön wenn wir nach Berlin gekommen, es will mir hier nicht gefallen, daß Steffens leidlich zufrieden ist, ist das e i n z i g e Gute, Umgänge haben wir noch nicht, genauen heißt das, denn Menschen sehn wir leider genug, vieleicht wird es noch besser daß wir Schultzens verlieren ist ein Unglück. Lebt wohl liebe Freunde, wie geth es dir liebe Nanny? –

3712. Von Heinrich Christoph von Willich. Stralsund, Dienstag, 10. 12. 1811

5

10

15

20

Es geht mir unendlich nahe, lieber bester Bruder, das Misverständniß mit den Begräbnisgeldern, und ich hoffe, zu meiner Rechtfertigung den Brief wieder aufzufinden, worin du mir ausdrüklich den Auftrag giebst in Jettchens Namen, das Geld für mich einzucassiren – kein Wort von der Dyken schreibst – auch habe dir bald darauf die danach berechnete Liquidation von 100 r Abtrag zugestellt, und keine Antwort erhalten – noch mehr aber thut es mir Leid, daß ich für den Augenblick wahrlich ausser Stande bin, das Übel zu Ð Ñsiren – ich habe in lezten Monaten 300 rthr zur Erhaltung des Bergen Bruder Hauses, 400 rthr für meine Brüder in Schlesien (doch beides sub rosa) und für die Schwestern das nötige schaffen müssen, weil ihre Ð Ñ, wie alle die meinigen schlecht eingehen – Ich bin izt hier um die kostbare HeimführungsReise vorzubereiten, wozu ich alles baare zusammen raffen muß. Denn die Baarschaft fehlt hier wie überall – auch bei den reichen Leuten – Es muß der Dyken | genug seyn, sich von Eurem guten Willen zu überzeugen – und du kannst sicher seyn, daß ich ihr reinen Wein einschenken, doch nicht compromittiren, alle Schuld auf mich laden – auch so bald als möglich sie zu befriedigen suchen würde – wenn ich nur kann – es ist eine barbarische Zeit in Absicht des pecuniaeren – Ich bin hier sehr eilig, lieber Bruder – grade in der Zeit, da ich vorig Jahr mit meinem Lottchen hier eine Woche bei Tante zubrachte – fing 91 daß] das

93 daß] das

96 daß] das

3712. Überlieferung: H: BBAW, SN 421, Bl. 20. Zur Datierung: Da Willich auf Schleiermachers Beantwortung seines Briefs 3673 vom 27.7. antwortet, die laut Schleiermachers Vermerk auf den 25.11. fällt, kann der Brief nicht im Oktober geschrieben sein. Mit „X“ ist also wohl „Xbr“ = Dezember gemeint. Das passt auch besser zur bald im Januar anstehenden Reise nach Plön.

20v

196

Briefe 3712–3713

glüklich gestern deinen und Louisens Briefe – auch zwei von meines Lottchens künftiger Stellvertreterinn auf – du kannst denken, daß ich in grosser Bewegung und dann durch das irdische Verkehr – da ich seit 1/2 Jahre nicht hier war – sehr bedrängt bin – Ich wollte dich nicht ohne Antwort lassen, und Luise nicht – die ich doch nur grüssen und ihr sagen kann, daß ich heute selbst bei der Struck vorgehe und daß uns allen sehr nach ihr verlangt – daß ich den 1 Januar nach Ploen abreise, um den 28 schon in Sagard meines Lottchens Vertretung zu feiern – daß auch meine Kinder aus Schweden vermuthlich im Frühjahr heraus kommen und daß meine Gesundheit izt scheint in Salvo zu seyn – Ich umarme alle dorten mit herzlicher Liebe und Treue CvW Stralsund den 10.X.11

25

30

3713. Von Georg Wilhelm Bartholdy. Stettin, Donnerstag, 12. 12. 1811

19v

Stettin den 12ten Xbr 11. Liebster Bruder. So lange habe ich mit einem Briefe an Dich gezögert, weil ich von Dir einen erwarten zu können glaubte, und fast möchte ich fürchten, daß Deine liebe Frau die Absonderung des Zeuges für mich immerfort darnach verspätet hat, daß du ihr den versprochenen Brief dazu schreiben solltest. Als es in den ersten Wochen meines Hierseyns nicht ankam hoffte ich auf die Ankunft der Marktleute, weil mir die gute Wirthschaftlichkeit der Weiblichkeit einfiel, die mir das Postgeld habe sparen wollen: Beim Fehlschlagen dieser Erwartung rechnete ich wieder auf die Fuhrleute am Ende des Markts. Jetzt aber, da ich nichts mehr zu erwarten weiß, als daß, wofern nicht, was Gott verhüte, etwas Schlimmeres eingetreten ist, Deine liebe Ehehälfte den Wunsch hat, daß die meinige diese Gabe zu Weihnachten erhalte, muß ich ihr doch sagen, daß das auch meiner männlichen Wirthschaftlichkeit ganz recht seyn würde, und wie sie diesen christlichen Wunsch in Erfüllung bringen könne. Wenn also das Zeug noch nicht abgegangen ist; so bitte sie in meinem Nahmen recht freundlich, damit sie es mit dem Gesichte anhört, das ich so gern an ihr sehe, es an die Ricquet zu adressiren | die es mir dann wohl mit weiblicher Vor3713.

Überlieferung: H: BBAW, SN 246, Bl. 19 f.

5

10

15

10. 12.–12. 12. 1811 20

25

30

35

40

45

50

55

197

sicht hinter dem Rücken meiner Frau zusenden wird. Damit will ich dich aber keinesweges von dem ÐAbreiseÑ-Briefe über die Absendung entbunden haben, den ich vielmehr nach längerer Trennungszeit desto länger erwarte. Steht irgend etwas der Erfüllung dieser meiner gehorsamsten Bitte entgegen; so bitte ich dich aufs dringendste, es mir mit der nächsten Post zu melden, oder es mir, wenn du durchaus nicht kannst, durch einen Deiner lieben Hausgenossen melden zu lassen, damit Ihr nicht die unverantwortliche Schuld auf Euch ladet, meine arme Frau und Kinder um die Weihnachtsfreude zu bringen und mich also noch mehr. Zu eben demselben Kapitel gehört noch, daß du die Güte für mich hast, Reimern nebst herzlichstem Gruß an die Sendung der beiden Exemplare der Lossiusschen Bilderbibel zu erinnern, wobei er mir dann wohl Zeller’s Musiklehre einzupacken nicht vergessen wird. Bei mir im Hause geht’s ziemlich gut. Schon den Tag vor meiner Rückkehr von Euch war zwar schon wieder ein holländischer Hauptmann bei mir eingezogen; doch tragen wir die zuweilen freilich etwas drückenden Beschwerden davon desto leichter mit Geduld, da wir Alle im Ganzen wohl sind und zugleich einen lieben Gast bei uns haben, die Schwester meiner Frau, die verwittwete Oberamtmannin Ringdorf, die du ja wohl schon in Berlin mit uns zusammen gesehen hast. Sie kam einige Tage nach mir an, wird uns aber leider am Ende dieser Woche schon verlassen. Für meine | Gesundheit ist die Reise merklich wohlthätig gewesen; doch fängt die alte Schlaflosigkeit zuweilen schon wieder an, sich einzufinden. – In der Nacht vom 9ten zum 10ten sind wir hier in nicht geringer Angst gewesen, weil die mit Heu und Stroh gefüllte Nicolai-Kirche in Brand gerieth, den man erst nach 2 Uhr viel zu spät gewahr ward, um ihm Einhalt zu thun. Die brennden Halme flogen bis über die Stadt hinaus, wo sie auch ein Paar Heu-Haufen innerhalb den Wällen entzündet haben, deren helles Feuer uns glauben machte, daß auch die Vorstadt brenne. Die Kirche ist jetzt in der Lage wie die Petri-Kirche dort, und mit ihr ist eine für Stadt und Provinz unschätzbare Bibliothek, besonders eine nicht leicht zu ersetzende Sammlung von Kirchen-Vätern verbrannt, weil der Prediger Bibliothekar, nachdem seit einigen Jahren der Eingang dazu durch das Vieh-Futter versperrt war, mit einer fruchtlosen Anzeige darüber sein Gewissen beruhigt, und nur seit Kurzem, von Ricquet, der dieß erfuhr, dazu gedrängt an die Regierung geschrieben hatte, von welcher auch schon Einleitungen zur Fortschaffung dieser, und zur Vereinigung aller hiesigen Kirchenbibliotheken – jetzt leider für die vorzüglichste zu spät – getroffen waren.

20

198

Briefe 3713–3714

Schreib mir, wie es Euch Allen geht, auch besonders der lieben kleinen Elisabeth, die sich jetzt wohl schon ordentlich auf ihre eignen Füße verlassen kann. – Zu meiner großen Freude habe ich heute Briefe von Gaßens gehabt. Du hast s i e in deinem letzten Briefe nicht grüßen lassen: sie klagt, aber sie verzeiht’s dir. So verzeiht dich jedermann, und es ist ein wahres Wunder, daß du noch so viel taugst; aber da sehe ich eben, daß ich dich selbst in dem Vorwurfe verzeihe, also abgebrochen! Tausend Grüße von uns Allen an Deine ganze liebe Hausgenossenschaft, besonders von Deinem treuen B. Eure 2 Tonnen Bier sind sogleich bestellt; aber wegen überhäufter Bestellungen – es wird im wörtlichen Sinn nach der Wallachei versandt – kann nicht früher, als künftige Woche, wie ich auf meine Erinnerungen erfahren habe, die Reihe an Euch kommen.

60

65

70

3714. An Ludwig Friedrich von Froriep. Berlin, Sonnabend, 14. 12. 1811 Es hat sich hier mein theurer Freund das angenehme Gerücht verbreitet als ob Sie nicht mehr ganz so fest in Tübingen hingen als man anfänglich allgemein hörte. Daß wir darauf speculiren werden Sie uns nicht verdenken, sondern Sich, wenn daraus auch kein weiteres Resultat hervorgehn könnte, wenigstens unseres guten Andenkens erfreuen. Leider können wir von der guten Aussicht Sie wieder zu gewinnen für die hiesige Universität für den Augenblik keinen Gebrauch machen, und das ist die Ursache warum ich etwas zaghaft daran gehe Ihnen zu sagen worauf es eigentlich ankommt. Es ist eine ordentliche Professur der Chirurgie an der Universität Breslau mit einem Gehalt von 1400 R Preußisch Courant wegen welcher ich von dem Departement für den öffentlichen Unterricht den Auftrag habe bei Ihnen anzufragen ob sie geneigt sein möchten sie anzunehmen. Daß Sie nicht auf das Fach für welches Sie besonders berufen wer|den beschränkt sind sondern Niemand Ihnen vorrechnen kann was 70–73 Eure … kommen.] am linken Rand 3714. Überlieferung: H: Goethe- und Schiller-Archiv Weimar, Bertuch 4067. Tageskalender 1811 vermerkt für den Dezember: „14t. An Froriep geschrieben.“

Der

5

10

12. 12.–14. 12. 1811 15

20

25

30

35

40

45

50

199

Sie aus dem Gebiet Ihrer Facultät wollen daneben zu lehren und daß Sie mit Ihren Lieblingswissenschaften comparativer Anatomie und Physiologie vorzüglich sehr willkommen sein werden, versteht sich von selbst. Die Eröfnung der Unterhandlungen über das Reisegeld erwartet man wenn Ihre Erklärung günstig ausfällt von Ihnen, und es wird darin gewiß alles mögliche geschehen. Nur was das Gehalt betrift muß ich Sie bitten das hiesige Anerbieten als definitiv anzusehn; wir haben nicht mehr und können also nichts zulegen. Breslau ist übrigens sehr bedeutend wohlfeiler als Berlin, und ich glaube nicht zu irren wenn ich sage, daß 1400 r dort reichlich soviel sind als 2000 r hier und soviel haben hier nur ein Paar Professoren. An Steffens Link Grevenhorst Raumer und wenn er uns nicht stirbt Bredow werden Sie Collegen haben die Ihnen zur Freude gereichen. Die eigentlichen Mediciner kenne ich, außer Behrendt zu wenig persönlich um sie Ihnen besonders anrühmen zu können. | So sage ich Ihnen auch nichts von Breslau wo manches, was das gesellige Leben betrift, in wenigen Jahren grade durch die Universität weit angenehmer werden muß als es früher wol war. Je eher und bestimmter Sie Sich erklären mein theurer Freund um desto mehr werden Sie mich verbinden. Wie sehr ich wünsche, daß Ihre Antwort günstig ausfallen möge, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen. So wenig ich auch unmittelbar dabei profitire: so werde ich mich doch sehr freuen, Sie wieder als den unsrigen ansehn zu können, und nehme an der in meiner Vaterstadt errichteten Universität zu lebhaften Antheil um nicht da Sie uns doch einmal hier nicht aushalten konnten Sie nun am liebsten dort zu wissen. Die herzlichsten Empfehlungen an die Ihrigen von mir und meiner Schwester unbekannterweise auch von meiner Frau. Gern möchte ich mich an Ihre Frau Gemahlin noch besonders wenden und sie bitten auf unserer Seite zu sein; wenigstens möchte ich ihr die lieblichen Gestalten von | Hanne Steffens und Friederike Raumer in Erinnerung bringen, die nun schon vorarbeiten werden dort einen recht behaglichen kleinen Kreis zu bilden. Erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort wie wir sie wünschen, und lassen Sie es Sich nicht unlieb sein daß ich es mir ausbedungen habe die erste Vorfrage bei Ihnen zu machen und mich dadurch in Ihr Andenken zurükzurufen. Schleiermacher Berlin d 14t. Dec. 1811.

34 dabei] über der Zeile

45 und] folgt 〈behalten〉

46 Sich] über der Zeile

200

Briefe 3715–3718

3715. Von Henrich Steffens. Breslau, Mitte Dezember 1811 Liebster Freund! ich weiss nicht, ob du schon das Schreckliche erfahren hast, was in Halle vorgegangen ist. In der Nacht zwischen den 8–9 December erschienen Abgeordnete der geheimen Polizey mit Gensd’armes und hoben den Prediger Blanc, einen jungen Mann Bertram den ältern, Schimmelpfennig, Bertrams jüngern Bruder, und Wucherer auf – Schimmelpfennigs Frau war sterbenskrank. Dieser wird daher nur in seinem Hause bewacht, Bertrams Bruder in den Gensd’armes Kasernen, Wucherer ward nach einem langen Verhör, auf die Verwendung der Kommendanten losgelassen. Blanc aber und Bertram der æltere wurden, g e s c h l o s s e n nach Magdeburg gebracht. Auch Krosigk von Popliz ist dahin abgeführt – Du kannst dir meinen Schrecken denken. Zwar weiss ich dass gewiss alles auf ein Misverständniss beruht indessen bin ich so unruhig, dass ich kaum an etwas anderes denken kann. Ein so herrlicher Mensch, wie Blanc, durch einen falschen Verdacht in grosser Gefahr schweben zu sehen, zu einer Zeit, wo ein jeder Verdacht tödtlich werden kann, ohne dass ich, in der grossen Entfernung, irgend etwas erfahren kann, ist schauderhaft. Ich weiss, dass auch du den Blanc liebst, und, wie ich, von seiner Unschuld überzeugt bist – Wenn du irgend etwas erfährst, so bitte ich dich, lass mir es wissen. Ich kann an nichts anders denken – Grüss alle – dein HSteffens

*3716. An Elise Müller. Berlin, vor dem 17. 12. 1811 Es bedürfe für ihn eines langen, vertrauten Zusammenlebens, um sich einem Gegenstande hingeben zu können. Entschuldigt sich dafür, nicht früher geschrieben zu haben.

3715. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 65. ich erlebte 6, S. 320–327. *3716.

Erschlossen aus Brief 3717.

Zur Datierung vgl. Steffens: Was

5

10

15

20

Mitte Dezember–19. 12. 1811

201

3717. Von Elise Müller. Bremen, Dienstag, 17. 12. 1811 An Schleiermacher [Bl. 2v] d 17. Dec. 11.

5

10

15

20

Obgleich ich mir gewissermassen erlaubt hatte, mich in Nannys Brief an Sie zu wenden, so kann ich doch nicht unterlassen Ihnen einige Worte selbst zu sagen, da ich so eben, wie ich an Harscher schreibe, Ihren Brief erhalte – Auch bei mir bedarf es eines langen und wiederholten Zusammenlebens und Kommens, um sich dem fremden Gegenstande hingeben zu können, und darum bitte ich Sie, nicht Ihre Natur anzuklagen, | sondern die meinige, die mich nun eben meinen Verlust aufs bitterste empfinden lässt. Denn habe ich auch mehrere mir sehr befreundete Menschen, so habe ich doch keinen, der mich ganz kennte, dazu scheint es, war ein ganzes Leben nöthig. Doch wer weiss, gerade dieser schmerzliche Mangel giebt mir wohl eine andre Richtung, und dann will ich das Glück doppelt gut nennen, wenn es uns einmal wieder zusammenführen sollte. Plane dazu habe ich schon allerhand ersonnen, | wovon ich wohl an Nanny einmal schreibe. – Mein Vater achtet Sie und liebt Sie noch mehr; also nimt er Ihnen nichts übel, aber wenn Sie nicht von Geschäften überhäuft, uns einige Worte sagen werden, sind sie uns immer sehr lieb, unendlich lieb. Elise M.

3718. Von Sophie Schlichtkrull. Stralsund, Donnerstag, 19. 12. 1811 Schleiermacher [kopfstehend auf Bl. 6v] Stralsund den 19 decber Es herscht hir eine schwere Kinderkrankheit, ist der Schluß im Briefe an unsre Jette geliebter Bruder! zu Ihnen rede ich nun weiter. Sie sind ja als 3717.

Überlieferung: H: BBAW, SN 338, Bl. 1 f.

3718. Überlieferung: H: BBAW, SN 378, Bl. 6; D: KGA V/11, Nr. 3548 (hier auf 1810 datiert). Die Herausgeber des Textbandes gingen zunächst davon aus, dass dieser Brief in das Jahr 1810 fällt, weil Schleiermacher den Auftrag erhält, Luise von Willich, die im Winter 1810/11 bei Schleiermachers in Berlin lebte, die Todesnachricht des Kindes Karl von Willich zu überbringen. Darüber hinaus spielt der Brief auf den 1810 verstorbenen Moritz von Willich an. Die Fortsetzung der Transkriptionen und kritischen Erschließung der Briefe Luise von Willichs aus dem Jahre 1812 legen jedoch mittlerweile den Schluss nahe, dass der Brief erst in das Jahr 1811 fällt. Wie aus Brief 3737, Z. 267–280 von Luise von Willich von Anfang des Jahres 1812 erhellt, schrieb Schleiermacher am 26. 12. 1811

1v

2

202

6v

Briefe 3718–3719

Man der Stärkere – müssen wieder gelinde anbringen eine Trauerpost – Vor einigen Tagen erhielten wir. die Nachricht aus Sagard daß die Kinder Riane und Carl an den Rötheln, der leztere bedeutend Krank wären. und gestern die Nachricht daß der Kleine Carl, uns entrissen ist – die arme Louise! Sie werden sich Ihrer annehmen – Sie muß mit uns leiden und tragen. Ich schreibe Ihr heute nicht. mein Herz ist zu sehr bewegt ich muß ruhiger sein wenn ich Ihr schreibe. sagen Sie Ihr daß Riane besser wird. und alle. es. tragen wie Sie | können. Doch weiter niemand Krank ist. 7 Tage war das Kindt nun Krank. Den 16 Morgens 3 uhr ging Er hinüber zu der verKlärten Mutter – Louise muß mir gleich schreiben ich bitte Sie darum – der Brief muß zur Post. und wir nach Poseritz zurück. Trauern Sie mit uns – Ihre S.

5

10

15

Ein geschickter Arzt der jezt an der Stelle meines Bruders in Bergen ist, hat alle Hülfe angewand. dies noch zu Louisens Beruhigung.

3719. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, um den 20. 12. 1811 Von der guten Wunstern erhielt ich an eben dem Tage einen Brief – einen recht dringenden – doch gewiß mit JahrMarktsLeuten nach Breslau zu komen – Die Schilden wurde darin namentlich ersucht, als ich eben ihrer Schwester Schmidt – bey welcher ich auch logiren solte – alles von meinem Nichtkomen auseinandergesezt hatte – die gute Wunstern! Wer weiß

Luise eine „traurige Nachricht“. Ferner heißt es dort, der jüngste Sohn sei der Mutter gefolgt; er muss also erst nach Charlotte von Willich (verstorben in der ersten Hälfte des Jahres 1811) gestorben sein. – Offenbar weilte Luise von Willich, der Schleiermacher die Nachricht weitergeben soll (was er dann am 26.12. tat, vgl. Brief 3720) zu diesem Zeitpunkt nicht auf Rügen, sondern noch in Schlesien, wohin sie im Herbst 1811 zusammen mit Schleiermacher gereist war. 6 daß] das

8 daß] das

11 daß] das

3719. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/26, Bl. 25 f. Zur Datierung: Der Brief ist offenbar der „konfuse“ und „unanschauliche“ Brief mit „Bekenntnissen“, den Charlotte Schleiermacher in Brief 3721, Z. 28 f. vom 31. 12. 1811 als ihren letzten erwähnt. Er wurde danach zusammen mit dem Brief an Henriette Schleiermacher vom 20. 12. 1811 (SN 375/22, Bl. 14) verschickt.

5

19. 12.–um den 20. 12. 1811

10

15

20

25

30

35

40

45

203

– lebt sie künftiges Frühjahr noch – auf welches mich mein Chef vertröstet hat – ich will dann gleich nach den Feyertagen – hin – wenn ich anders noch lebe – es wäre doch merkwürdig – wenn der Selgen Mutter Worte: Lotte! sieh dich noch mahl recht um – Du siehst diese Stadt nie wieder – in Erfüllung giengen – so sehr ich dagegen seit einigen Jahren arbeite –! Die Wunster ist durch und durch erfreut über deine Bekantschaft – es war ihr beym ersten Anblik als sey sie immer um Dich gewesen – das macht die Sympathie – Uns Beyden kam es gewiß nie aufs viele wißen ann – sondern daß der Geist sich bilde und reife – daß wir auf Andre nüzlich wirken – daß sie sich wohl fühlen in unsrer Nähe – sie war sehr betrübt | Dich nicht noch bei Gass gesehn zu haben – ihre Freunde waren Alle in Deiner Predigt (von welcher ich auch durch die Loeuwen der Bertram ihre EnkelTochter viel schönes gehört habe) aber diejenigen welche sie von Dir las gefielen ihr doch beßer nach ihrer Aufrichtigkeit – eine Frage hatte sie an Dich – die sie mir jezt aufgetragen hat – ob Du nicht – noch ganz nach Breslau an die dortige Universitaet komen würdest – es war mir eigen als ich dis las – – mir würde diese Nähe nicht viel helfen – Du würdest Dich glaube ich schlechter befinden – als ich es für dein ganzes Wesen wünsche – dann eine Bitte von der Wunstern die ich dir wörtlich hersage – weil ich sie wirklich nicht verstehe – Daß Du deine bürgerliche Freiheit mehr schonen mögtest – damit Dein Geist noch mehr des Guten wirke – auch aus Liebe für deine Geliebten – möchtest du mir dis doch erklären – – Noch kan ich dir sagen mein Lieber daß mir irgend ein neuer Stern aufgegangen ist – meine trüben WinterTage zu verschönern aber – | ich fürchte und ahnde vielleicht mit Recht – daß mir diese lieben Menschen zu denen ich mich ihrer Jugend unbeschadet sehr hingezogen fühle mir mehr Quall als Freuden schaffen werden, weil Verhältniße Geschäfte – kurz mancherley Schwierigkeiten mir das ordentliche Zusamenkomen mit ihnen erschweren werden – dazu komt noch die Ueberzeugung – daß es nicht möglich daß ich ihnen nur halb so angenehm erscheinen köne wie sie mir – es überhaupt lange dauert – ehe ich mich einiger Gegenliebe versichern kann – ich wünschte mein Verstand hätte bald mein Herz überwunden und ich ließe mich genügen – sie nur auf dem Clavier spielen und singen zu hören – worin die Jüngre 21 Jahr ganz Meister ist1 – wie wir denn überhaupt einige musicalische Schwestern in der Stube haben – und mann deshalb sich bemüht hat ein Instrument geborgt zu bekommen – wieder ein Vortheil – von welchem ich doch einige Freude schon genoßen – und mir noch manche verspreche! – es ist für mich eine wahre Demüthigung, mich, so viele Täuschungen dieser Art ich schon erfahren | imer wieder in den kommenden und gehenden

25v

26

26v

204

Briefe 3719–3721

Gestalten etwas ansprechendes zu finden – und mir nur neue Qualen dadurch zu verschaffen –! so geht es dem Alter welches noch nicht ganz absterben kan – und doch gern sterben wolte imer wieder durch das Anschauen lieblicher Formen aus deren Auge viel Geist spricht – angezogen wird gleichsam neu auflebt – um bey jedem Rükzug oder Trenung wieder zu sterben und imer zu fühlen daß mann noch lebt!!! welch ein unseeliger Streit zwischen Veredlung und Herabziehen zur Nichtigkeit! ich weiß nicht ob ich mich dir ganz deutlich gemacht habe – ich weiß wohl – daß dir dis alles und noch andre Dinge gar nicht so peinlich erschien – aber mir. Vielleicht verstehst Du mich jezt beßer! In dieser Art war es vielleicht heilsamer daß ich Louise erst gar nicht gesehn – wer weiß – wäre ich ihr bey Persönlichen Ersehn das gewesen was sie ahndet – was ich wünsche was hätte ich alsdan gelitten – ich denke bey dergleichen an die Ellert Geschichte – ich wolte seitdem Niemand mehr s o lieben – aber kann ich über mich gebieten daß meine jezige Stimung so sehr reizbar ist – mag wohl auch von dem neuerlichen Hinscheiden meiner Freundin herrühren ihr Lebenslauf und die von ihr gemachten Verse haben mich sehr erschüttert Von der guten Schmidt – habe auch seitdem Briefe – die ganz begeistert ist über Deine Predigt – es ist ein liebes Weib. 1

50

55

60

65

Seit ich dieses schrieb – bin ich inne geworden – daß die aelteste ganz vortreflich Corale spielt – ich wünschte Dir Beide zu hören

3720. An Luise von Willich. Berlin, Donnerstag, 26. 12. 1811 Warum muß doch die erste Nachricht die wir Dir zu schicken haben eine traurige sein! Auf Rügen ist Karl seiner Mutter gefolgt an Scharlachfieber, Arzt in Bergen vergeblich Hülfe angewandt. Der arme Willich, der nun noch einen herben Schlag erfahren hat, und gerade das letzte Geschenk der Seligen nicht in sein neues Leben mit hinübernehmen soll. 61–63 wohl … erschüttert] am linken Rand 64 f Von … Weib.] am linken Rand von Bl. 25 66 f Seit … hören] mit Einfügungszeichen am linken Rand von Bl. 26 3720. Überlieferung: h: BBAW, SN 427, Bl. 77 (Zitat: Z. 1–2); BBAW, Nachlass Dilthey, 116/2 (Regest: Z. 3–6)

5

Um den 20. 12. 1811–31. 12. 1811

205

3721. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Montag, 30. 12. 1811 bis Mittwoch, 1. 1. 1812

5

10

15

20

25

30

Heute ist der 30te December mein guter lieber Bruder! In Erwartung des Guten was mir in diesen Tagen zufließen wird – fühlt sich mein Inres aufgeregt Dir meinem Wohlthäter in diesen wichtigen Stunden den wärmsten den zärtlichsten Dank zu stamlen – alles gute wohlthätige wärmende erquikende was ich in diesem nun bald verfloßnen Jahre zu mir nahm – kam von Dir – von Deiner Güte – nur das lezte Vierteljahr habe ich so viel verdient daß ich die wöchentlichen Ausgaben davon bestreiten konte – vorher – konte ich auch das nicht – ich weiß Dein edles Herz begehrt keine Worte – aber vergöne mir nur diese Erleichterung des meinigen – Viel hast Du vor dieser lezten periode meines wieder Einzugs ins SchwesternHaus schon gethan – jezt – thust Du fast alles – und hast ohnedies so viel Menschen zu ernähren – – dann komen noch die schreklichen Abgaben – von welchen Du gewiß nicht frey bist – ach mir ist recht bange darüber und doch kann ich nichts andres thun, als dankbar ann nehmen – denn ich weiß mir keinen Rath wie bestehen | Jezt ist besondrer zusamenfließender Umstände wegen wieder eine Stube eingegangen weshalb ich 5 Stunden die Woche verliehre – wärst du mir nicht Freund und Stüze müste ich von meinem Verdienst leben – so wäre dis freilich eine große Lücke – da ich mit Geschiklichkeit der Hände mir durchaus nicht helfen kan – um so weniger da grobes Gestrik wenig bestelt wird – und ich alles feine mit bloßen Augen sehr angestrengt nur sehe – dis erstrekt sich bis auf die Karten ein Glück ists daß in jeder Stube doch Einige sind die geübt – auf mein Wort in der Gegend suchen die ich anzeige. Abends kann ich, was mit mittlerer Größe ist gar nicht lesen die Schilden hat mir öfters zum vorlesen bey sich ihre Brille geliehen – worin mirs sehr unbehaglich ist lieber Gott ich werde doch nach diesem nothwendigen Uebel mit beiden Händen greifen müßen. Den 31 Unter allen diesen Bekentnißen und mehrern – die du schon in meinem vorigen confusen Briefe gelesen hast muß ich dich beinahe um Verzeihung bitten daß ich nicht mit gegangen binn – aber – so lange ich in meinem Grade nach der mir von Gott täglich neu geschenkten Gaben noch nüzlich auf den Verstand mit unter auch auf das Herz Andrer wirken kann – werde ich | mich ohne die gröste Noth schwerlich entschließen mich auf so lange Zeit von der Gemeine zu entfernen – ach in vielem 3721.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/23, Bl. 7 f.; 375/26, Bl. 20.

7v

8

206

Briefe 3721–3723

Betracht würde mir das eingewöhnen sehr schwer werden – so wie ich auch meinen Lieben durch das tägliche Leben mehr zur Last als zur Freude seyn würde – dis bin ich in der Tiefe meines Wesen überzeugt! – Solte aber so schnell so unvermuthet wie jezt geschehen – noch eine Stube eingehen – und es so weit komen daß die alte Lotte nur 12 Stunden die Woche hat, und der Abgaben immer mehr werden daß ich vielleicht nur so viel verdiene, als ich jezt von meinem Verdienst wohl abgeben werde dann mein Bester wäre es Unrecht Dir so ungeheure Ausgaben zu veranlaßen – dan – wenn Du mich nehmlich haben wilst und sorgen – daß ich nicht müßig gehen darf – dann komme ich, nicht zum Besuch – sondern g a n z zu dir und bitte daß Du, und alle Lieben Geduld mit mir alten eigensinigen Geschöpf habet – ich sehe im Geist wie sich bei dem lesen aller dieser Zeilen deine Mienen seltsam ändern – wie Du doch lächelnd sagst – sie bleibt nun schon ein wunderliches Geschöpf – | 8v

20

20v

35

40

45

1812 Mit einer ganz eignen wehmütigen Freude – sage ich Dir den innigsten Gruß und Dank in der ersten – oder 2ten Stunde nein es soll noch 1 uhr schlagen – denn wir komen eben aus dem Saale – Gott segne Dich mit Friede und Gnade – Dich und Alle deine und unsre Lieben und regiere alles nach seiner Liebe und Weisheit. O Gott weiß am besten wie mir zu Muthe war als ich noch nach 8 uhr – eine halbe Stunde ehe wir in den Saal giengen – dein liebes Geschenk erhielt – ich habe keine Worte für mein Gefühl – nur etwas hätte es erhöhen könen – ein Bild von Dir mein Einziger! ich schmeichelte mir damit – weil ich es Dir abfühlte bey unserm Ersehn wie gern Du mir eins mitgebracht hättest – vielleicht wird mir es in diesem Jahre so gut. Du erwähnst nichts von dem ungeheuren unanschaulichen Briefe den Du nebst einem Blatt an Dein liebes Weib erhalten hast – ich hoffe aber daß er angelangt ist; dieser soll Heute noch fort – vorher aber noch eine Meldung – daß ich hier in diesen Tagen eine ganz trefliche Frau aus Koenigsberg habe kennen lernen – Madame Barkley – welche Dich d o r t hat predigen hören – viel von Dir weiß – Deine | Predigten liest – Wedeke schäzt von den D o h n a s auch weiß doch von d i e s e n haben wir noch weiter nichts gesprochen – Seit 2 Jahren ist sie Witwe – hat seit der Zeit mehrere liebe Verwandte und Freunde verlohren – hat eine Tochter von 18 Jahren – und reist mit der Baronin Krüdner welche in ihrem Rükweg von Russland sie mitnahm – nach dem südlichen Deutschland – haben einen gewißen la Fontaine mit deßen Schwester sich mit der Anstalt beschäftigte – diese wolten sie hier abholen schon 4 Wochen sind sie hier. | Einige von der Geselschaft werden krank

50

55

60

65

70

Vor dem 1. 1. 1812

75

80

85

207

– wer weiß – wann sie aus dem Gemeinlogis wegkomen – ihrem Beutel condolire ich – aber mir wünsche ich Glük die Trefliche noch manche Stunde zu sprechen – mitten in der großen Stadt – ohne von Societät oder Gemeine der Brüder was zu ahnden – hat sie das w a h r e gefunden – welches wohl nur durch wenige Werke, aber, inniges Gefühl bezeigt wird – ihr äußeres hat viel ähnliches mit der Herz – auch von ihr weiß sie – ist aber nicht so groß – lange waren die Leute hier – ehe ich Barkley von nahen s a h – a b e r dann fiel sie mir gleich auf – nach ihr erkundigen – noch Wedeke fragte sie nach meinem Nahmen – so waren wir gleich bekannt – gewiß freust du dich mit deiner Lotte. Grüße Alle recht herzlich auch das kleine Kleeblatt Louisens Brief muß ich liegen laßen bis es heller Tag ist – ich kann sonst nichts lesen. Die Loosung am 21ten November heißt. Mein Mund soll verkündigen deine Gerechtigkeit. Psalm 71–15. Der Text. Marci 8–34

*3722. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Vor dem 1. 1. 1812

*3723. An Unbekannt (einen Geistlichen). 1811 An einen Geistlichen, die Dispensation eines Studenten vom Griechischen betreffend.

81–83 sie … Lotte.] vom linken Rand von Bl. 20 auf den linken und den unteren Rand von Bl. 20v überlaufend 84 f Grüße … lesen.] am linken Rand von Bl. 7 86 f Die … 8–34] am linken Rand von Bl. 8 *3722.

Erschlossen aus Brief 3721, Z. 55–62. Mit einem Geschenk.

*3723. Überlieferung: D: J.A. Stargardt Autographen 291 (1929), Nr. 265; 300 (1930), Nr. 298; 508 (1953), Nr. 127; 519 (1955), Nr. 212 O. O. u. D., mit Unterschrift (1811), Regest aus den Katalogen 291 (1929) und 300 (1930).

208

Briefe 3724–3725

3724. Von Joachim Christian Gaß. 1811 [Lieb]er Schleiermacher, […] der Copialien mit […] sind doch wohl so gut, […]or der Absendung […]ssen? ich habe die Papiere […] erhalten und sogleich […]ert. […] 1811.

3725. Von Karl Heinrich Ludwig Giesebrecht. Bremen, Mittwoch, 1. 1. 1812 An / Herrn Doctor und Professor / Schleyermacher / Wohlgebohren / in / Berlin [Bl. 2v]

1v

Wohlgeborener Herr, hochzuehrender Herr Doctor! Ein Sie sehr hochschätzender Freund – eben derjenige, der Ihnen vor mehreren Jahren von einer auf Sie gefallenen Wahl nach Halle die e r s t e Nachricht gab – ein genauer Freund desjenigen Mannes, der Sie diesen Sommer mit seiner Tochter und einer Demoiselle V. dort besuchte – wagt es, Ihnen mit diesen Zeilen, einem seiner Freunde zur Gefälligkeit beschwerlich zu fallen Es hat dieser Freund, der vor einiger Zeit leider so gewißen, Aussicht, daß ein Krieg zwischen ÐdortÑ Rußland und uns aufs neue ausbrechen würde, in Getreide, bey den jetzt hier schon ziemlich hohen Preisen speculirt und so stark speculirt, daß er den Verlust seines ganzen beträchtlichen Vermögens fürchten muß wenn es aufs Frühjahr oder im Laufe dieses Jahres wirklich n i c h t zum Kriege kommen sollte denn nur in diesem Falle würden die Preise hier noch bedeutend steigen müßen und besagter | Mann dadurch gerettet seyn. Da man nun hier aber so wenig, von dem was wirklich zu erwarten ist, weiß, und täglich sich die widersprechendsten Gerüchte durchkreutzen und jener Mann dadurch in die schwankendste Lage in Hinsicht seiner zu nehmenden Entschließungen versetzt wird, so hat der Schreiber dieses Briefes es unternommen, sich an Sie hochzuverehrender Herr zu wenden, um von Ihrer 3724. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 45v. Rückseite eines Zettels über Duns Scotus (zur Vorlesung über die christliche Philosophie im Sommersemester 1812). Die Handschrift ist diejenige von Gaß. 3725.

Überlieferung: H: BBAW, SN 436/2.

5

10

15

20

1811–1. 1. 1812

25

30

35

40

45

50

55

209

Güte sich einigen Aufschluß über diesen so höchst wichtigen Gegenstand sich zu erbitten. Ich glaube fest daran, nach Allem was man sieht und hört und seit mehreren Wochen schon, habe ich mit meinem Freunde dahin gearbeitet, es möglich zu machen, um mit seinen großen Vorräthen noch 4 bis 6 Monate es hinhalten zu können, ohne in diesen Entschlüßen sich wankend machen zu laßen. Da indeß oft Augenblicke der höchsten Unschlüßigkeit eintreten, die ihn aufs grausamste quälen und ich selbst oft schreckliche Unruhe, ob mein Rath auch wohl gut seyn könte, leide; so appellire ich hochzuverehrender Herr deshalb an Ihr Urtheil und Meinung und bitte mir, da Sie auf einem | helleren Standpunkte stehen, gütigst baldigst zu sagen, ob Sie nicht eben so wie ich, über diese Ereigniße der Zukunft urtheilen? Mir scheint jenes Ereignis u n v e r m e i d l i c h und fast täglich zu erwarten zu seyn und ich glaube, daß auch S i e gegen u n s seyn werden. Ist denn nicht wirklich so und ist es nicht gegründet, daß mit jenen Morgenländern Friede ist? Geben Sie mir also gütigst so viele Erläuterungen hierüber, als Ihnen nur immer möglich ist und zwar so bald als es nur seyn kann und addressiren Sie Ihre gütige Antwort an unsern Freund Müller, mit dem Beyfügen der Addresse: an F. A. Meyer aus Hamburg. Der Brief wird dann zu meinen Händen kommen und ich berechne, daß in sechs Tagen Ihre gütige Antwort hier seyn kann. Oder auch, schreiben Sie nach Belieben an u n s e r n hiesigen Freund Müller geradezu und beantworten an ihn diese Anfrage. Er ist in diesem Augenblick etwas unpäßlich, daher er Ihnen nicht selbst schreiben kann. Ich denke, in der großen Helle, worin Sie dort stehen, werden Sie mir viel Licht geben können und ich sehe Ihrer gütigen Antwort, mit dem höchsten Verlangen entgegen! Des verursachten Portos wegen, bleibe ich einstweilen Ihr Schuldner und empfehle mich Ihrem gütigen Andencken ganz ergebenst. N. N. Bremen Jan 1/. Schreiben Sie mir ganz frey, denn dabey ist ganz und gar nichts zu besorgen. Fügen Sie doch hinzu, welchen Erfolg Sie darin muthmaßen. Wie groß ist jetzt Ihre und die nachbarliche Macht?

54–56 Schreiben … Macht?] am linken Rand

2

210

Briefe 3726–3728

*3726. Von Friedrich Herzberg. Berlin, Mittwoch, 1. 1. 1812 Befürchtet, das kurmärkische Departement für den öffentlichen Unterricht wolle das Landschulseminar schließen.

3727. Von Gustav Friedrich Wiggers. Rostock, Donnerstag, 2. 1. 1812 Rostock den 2ten Jan. 12. S.C. Ueberbringer dieses ist der Sohn unsers Professor Karsten, ein Jüngling von Talenten und guten, vorzüglich mathematischen, Vorkenntnissen. Er besucht jetzt Ihre Universitaet, um sich daselbst weiter auszubilden und sich den theologischen Wissenschaften zu widmen. Ein Ihnen persönlich unbekannter Mann, der Sie aber durch Ihre Schriften hochschätzen und lieben gelernt hat, wagt es Ihnen diesen Jüngling zu empfehlen. Würdigen Sie vortrefflicher Mann, Ihn Ihrer Leitung und Aufmerksamkeit. Es bedarf keiner weitern Worte. Mein Zutrauen zu Ihnen ist zu groß, als daß ich fürchten sollte, eine Fehlbitte zu thun. Zugleich überreiche ich Ihnen meine Dissertation über den Julian. Nehmen Sie sie freundlich auf. Wollten Sie sie einer strengen Beurtheilung unterwerfen, und mir ohne Nachsicht Ihre Meinung über Inhalt und Form derselben sagen, so würden Sie Sich mir sehr verbinden. Der Umfang meiner Amts-Geschäfte ist sehr groß. Die Zeit, welche ich entübrigen kann, widme ich dem Studio der Kirchen-Geschichte. In der KirchenGeschichte des Mittelalters gibt es noch viel unbearbeitetes Feld, durch dessen Bearbeitung man sich Verdienst erwerben kann. Mit meiner Hochachtung bitte ich Sie um Ihr Wohlwollen, und empfehle mich gehorsamst Gustav Wiggers. *3726. Erschlossen aus Brief 3730 vom 13. 1. 1812 an Hardenberg, in dem Schleiermacher angibt, einen Brief von Herzberg erhalten zu haben. Sein Inhalt sei ganz ähnlich wie eine Herzbergsche Eingabe vom selben Tag an die Sektion des Unterrichts, die Schleiermacher mit seinem Schreiben an Hardenberg zurücksendet und die sich in derselben Akte (ohne Blattzählung) befindet. Zum Inhalt vgl. eben diese Eingabe. 3727.

Überlieferung: H: BBAW, SN 420, Bl. 1.

Mit seiner Diss. über Kaiser Julian.

5

10

15

20

1. 1.–9. 2. 1812

211

3728. An Joachim Christian Gaß. Berlin, um den 5.1. bis Mittwoch, 12. 2. 1812

5

10

15

20

25

30

Es ist Dir wol auch mit den Weihnachtsferien gegangen wie mir. Ich dachte Wunder wie viel ich thun wollte und es ist gar wenig geschehen. Die Zeit verläuft so schnell, es drängen sich eine Menge Lappalien ein und die Freude ist aus ehe man es sich versieht. So verzehre ich heute den lezten Rest von Ferien und will wenigstens noch den Anfang machen mit einem Gott gebe ordentlichen Brief an dich. Ich meine nun Deine Synodalordnung wird aber auch nicht fertig geworden sein. Wenn sie aber auch später kommt laß Dich das ja nicht abhalten mir die versprochene Mittheilung davon zu machen ich muß doch Zeit finden diese wichtige Arbeit ordentlich zu lesen und dir meine Bemerkungen darüber zu machen Ja ja wie ist es mit diesem Brieflein ergangen! Die obigen Worte sind etwa den 5ten Januar geschrieben und heute ist der 9te Februar. Nun habe ich aber auch beschlossen den Brief nicht eher abzuschikken bis er Euch die Nachricht von Jettens Gott gebe glüklicher Entbindung bringt. Sie ist eigentlich schon seit Gestern nach ihrer Rechnung auf alles gefaßt und denkt einen kleinen Riesen zur Welt zu bringen; alle Leute wenigstens necken sie mit Zwillingen. Ich aber denke es wird nur ein Knabe sein der viel braucht wie sein Vater und damit schon im Mutter|Leibe den Anfang macht. Wenn ihr nun bei so ÐgestektenÑ Sachen die Nachricht mögligst zeitig bekommen sollt: so muß ich wenigstens im Schreiben Fortschritte machen. Und zwar will ich zuerst ehe ich es vergesse mein Hühnchen pflükken mit Deiner Frau. Es kommt mir nemlich vor als hätte sie Lust, sich nächstens von Dir scheiden zu lassen. Und du schreibst das auch so geduldig hin, daß sie böse ist nicht besonders gegrüßt worden zu sein! Sie will offenbar nicht gelten lassen, daß Mann und Weib Ein Leib sind, und also der ganze Brief mit Haut und Haaren an sie zugleich geschrieben ist, also muß es wol nicht mehr mit ihr stehn wie einer treuen Ehefrau geziemt und ich rathe dir nimm Dich in Acht. Ich aber will mich nicht zwischen Stamm und Borke steken und das quilibet praesumitur bonus noch immer auf sie anwenden und sie also niemals besonders grüßen lassen bis das probatur mala vollständig nachkommt. Es würde mir auch 3728. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Autographen-Sammlung, Schleiermacher; D1: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 102–104 (gekürzt); D2: Bauer: Briefe Schleiermachers an Wilhelmine und Joachim Christian Gaß, S. 251 (Korrekturen und Ergänzungen zu D1) 21 Fortschritte] korr. aus S 23 hätte] korr. aus hättest Du

212

Briefe 3728–3729

sehr sauer werden denn ich kann mir unmöglich Dich denken ohne ihr allerliebstes Pantöffelchen und alles was darauf steht mit zu denken. Ich denke an dieser Huldigung wird sie für dies mal genug haben. Das Semester läuft ab wie toll und ich weiß nicht wie ich zu Ende kommen soll. Mit der Geschichte der Philosophie ist es mir ganz lieb; ich stehe noch bei den Cynikern und werde also vollen Beruf haben bei den schwächsten Artikeln[,] dem Aristoteles und den | NeuPlatonikern[,] mich kurz zu fassen ohne daß die Leute merken daß ich wenig davon weiß. Mit der theologischen Moral wird es noch so leidlich gehn, die Encyklopädie kann ich füglich hinten abkürzen weil ich nächstes Semester praktische Theologie zu lesen denke aber mit der Exegese geht es zu schlecht; ich habe meinem Plane nach noch beide Timotheus, Titus und 2te Corinther vor mir und fürchte lezter wird ganz drauf gehn. Man könnte ja 4 Wochen gut und gern auf diesen allein wenden. Dies halbe Jahr habe ich besonders darüber zu klagen daß die Vorlesungen mir ungeheuer viel Zeit kosten ohne daß ich verhältnißmäßig genug dabei lerne. Die Exegese ist das einzige wo meine Sammlungen sich mehren; in der Geschichte der Philosophie bin ich zu sehr wenig neuen Untersuchungen gekomen und auch meine Excerpte haben kaum bedeutenden Zuwachs erhalten und doch hat sie viel Zeit genommen. Die Darstelung ist wol besser gelungen, hoffe ich, aber auch davon ist in meine Papiere nichts gekommen. Von der christlichen Moral gilt ganz dasselbe. Im folgenden Semester soll nun zwar zur praktischen Theologie ein guter Grund gelegt werden, das Gerüste muß ich in den Ferien bauen, aber mit der Geschichte der neuen Philosophie die ich zu lesen denke um mir die Ethik auf den Winter zu versparen wird wol eben so wenig werden als mit der alten geworden ist. – Doch ich will keine Projecte weiter auskramen, es ist mir gar zu oft zu Muthe als würde hier im nächsten Semester nicht gelesen oder wenigstens nicht von mir. Gott mag wissen was noch aus unsern politischen Verhältnissen herauskomt. Mir scheint alles was geschieht so verkehrt, daß ich | lieber gar nicht daran denken und mich gar nicht darum kümmern möchte. Es ginge sonst wol mit der Universität bei uns gut genug, und bei Euch wird es auch schon gehn und ihr lacht uns am Ende aus. Wie soll es nur mit Bredow werden? er wird ja besser sagt man und nur ÐohnmäsigÑ. Warum ist nur die Sache bekant geworden? Konnte sie euer theurer Ohm nicht ganz geheim halten? Meinst du denn der Mann kann nach dieser Geschichte Professor und Mitglied der Gelehrten Deputation bleiben? Es wäre mir nun viel lieber sie hätten ihn ruhig sterben lassen. – Dein werther College Augusti hat zu einem Bekannten von mir in Weimar gesagt, mit meiner theologischen Encyclopädie könne

35

40

45

50

55

60

65

70

12. 1. 1812

75

80

85

90

95

100

213

es mir doch unmöglich Ernst sein. Fühle ihm doch gelegentlich darüber auf den Zahn wie er es gemeint hat und was ihm eigentlich daran so determinirt spaßhaft vorkomt. Du kannst ihm immer sagen mir sei es so Ernst damit daß ich es ordentlich für eine Probe halte ob es jemand mit der Theologie ernstlich und im rechten Sinne meint, wenn es ihm wenigstens ernsthaft vorkomme. Mit eurem akademischen Gottesdienst wird die Sache hoffentlich zu deiner Zufriedenheit in Ordnung kommen. Es ist nemlich nun völlig beschlossen die Matthiasgemeine soll die Jesuiterkirche bekomen und der akademische Gottesdienst soll in der Matthiaskirche nach dem GymnasialGottesdienst alternirend gehalten werden. Unserer aber liegt ganz vorzüglich weil man sich fürchtet, des Feldmarschalls wegen, den König um die Erlaubniß zu bitten, den akademischen Gottesdienst nach dem Militärischen in der Garnisonkirche zu halten M i t t w o c h d e n 1 2 t e n Bis heute hat sich die Frau getragen: so daß ihr am Ende bange ward sie habe sich bedeutend verrechnet. Diesen Morgen endlich um 1/2 9 Uhr hat sie sehr glücklich und leicht ein zweites Mädchen geboren. Beide sind so wohl als möglich. Das Kind ist groß und stark und sehr nach der Nahrung. Ich war selbst zugegen und habe 2 Stunden versäumt darüber; heute Nachmittag aber habe ich schon wieder gelesen. – Dieser Brief kann zwar nun erst Sonnabend abgehen aber ich muß zweifeln daß ich in diesen Tagen noch viel zum Schreiben komme, und bitte dich also auf jeden Fall die frohe Nachricht Steffens und Raumers wissen zu lassen. Gott grüße Euch lieben Freunde und gedenkt unsrer in Liebe Schleiermacher Ob die Marheineke Dissertation mir gehört weiß ich wahrhaftig nicht. Ich habe noch ein Exemplar hier aber es schwebt mir vor als hätte ich zwei gehabt und eins mitgenommen. Hat sich ein andrer Eigenthümer gefunden so wird es wol Gelegenheit geben sie zurük zu spediren

3729. Von Luise von Willich. Poseritz, Sonntag, 12. 1. 1812 bis Montag, 13. 1. 1812 Poseriz – Sontag den 12t J. – 12 Morgens 9 Uhr Noch bist Du wohl oben lieber Schleiermacher sitzest zwischen Jettchen und Nany und hast Elsbeth das süße Kind auf den Schoos, denn heute 92 aber] über 〈und〉 3729.

97–100 Ob … spediren] am linken Rand der zweiten Seite

Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 69–71.

214

69v

Brief 3729

predigst Du nicht. Ich habe keinen Brief von Dir bekommen – Woltest Du mich strafen für meinen Unglauben? – Es that mir so wohl wie Du sagtest „in Greifswald bekämst Du noch einen Brief von mir“ und so weh, wie ich keinen bekam. Wie ich Euch nicht mehr sehen konte, da freute ich mich schon auf den Brief den ich in Greifswald bekommen würde. Allein ein – zwei – drei Berliner Posttage waren wärend meines Dortseins, Schlegels und Meiers und Rühsens bekamen Briefe, die alle nach meiner Abreise geschrieben waren, ich Arme aber, die vielleicht am herzlichsten gehoft hatte bekam nichts – auch nicht in Stralsund – auch Gestern nicht hier in Poseriz – 4 Wochen bin ich schon von Euch – ach mögte dies Schweigen nur nichts bedeuten – Es war Gestern ein dunkler regnigter Tag – und wie nun endlich die Post kam und wieder nichts brachte – da konte ich nicht Meister werden über eine innerliche ängstliche Unruhe – wenn nur niemand krank ist von Euch? Du warst so leicht den Morgen gekleidet – kleine Jette sah lange schon so blau aus – hir sind so viele Menschen gestorben. Den süßen kleinen Carl sah ich auch nicht mehr – nicht mehr die gute Willich – nächsten Donnerstag den 16ten fahren ich und Sophie nach Sagard. Rötheln und Frieseln ÐgreifenÑ immer noch – mich verlangt die zu sehen die noch in Sagard geblieben sind. | Ob wohl Weiße Euch meine kleinen Geschenke gebracht hat, wie ich es ihm auftrug? Wenn Ihr Morgens beim Frühstük Elsbetchens Geburtstag feiertet, dann wollte ich so gerne bei Euch sein, dann sollte er es bringen. Ach Schleiermacher wenn nur nicht jemand krank ist von Euch – Gott beschütze Dich mein geliebter Bruder! ach hättet Ihr doch erst geschrieben. Von BÐaldekerÑ aus schrieb ich an Jettchen, auch ein par Worte an Dich. Mit Arndt habe ich an die Herz geschrieben. Er wird Euch meine Grüße gebracht haben der liebe Mensch! zum 28ten will er wieder hir sein, dann bekomme ich doch gewiß recht viele Briefe! Ich habe Dir so viel zu sagen, so ist mir, ich mögte Dir so vieles sagen – so vieles hätte ich Dir auch sagen mögen wie ich bei Dir war – doch that ich es nicht. Danken nur mögte ich jetzt Dir können für Alles was mir ward durch Dich – und habe ich es auch nie wieder ich hatte es doch! o könnte ich nur jeden Morgen um 7 in Dein Zimmer gehn – und Dich sehen bei Deiner Arbeit, oder auch nur in dem Augenblick wenn Du weggehst. Wenn Du Deinen Secretair verschließt die Bücher ein stekst, die Brille auf setzt, und wenn dann – wenn Du Jettchen und der kleinen Elsbeth Dein süßes Kind adieu gesagt hattest, und wenn Du schon in der Thüre warst auch uns Andern zu niktest und adieu sagtest und mich auch freundlich ansahst – wirklich, dann verlangte ich für den ganzen Tag nichts mehr von Dir, sagtest Du mir aber gar nicht guten Morgen auch

5

10

15

20

25

30

35

40

12. 1.–13. 1. 1812

45

50

55

60

65

70

75

80

215

nicht adieu – und sprachst Du oft den ganzen Tag nicht ein Wörtchen mit mir dann war mir recht weh und traurig zu Muthe – | besonders fühlte ich dies mit tiefem Schmerz den 5ten September. Erinnerst Du Dich noch des schönen Tages? wir waren mit Schedens nach Treptow, und machten eine Wasserfart – es war ein schöner herlicher stiller Abend den ganzen Tag dachte ich an Ehrenfried fühlte seine Nähe in der Deinigen – ich sehnte mich den ganzen Tag ein Wort der Liebe von Dir zu hören – Du kontest mich immer so erquicken mit ein e i n z i g e s Wort, mit ein Blik – doch vergebens sehnte ich mich darnach – im Kahn standest Du einmal dicht neben mir – ich wollte Dir eben die Hand geben, wollte ein Wort von Dir haben da gingst Du weit weg, Du sagtest Caroline Schede leise etwas und bliktest mit Theilname und Mitleid auf Jettchen – mein Blik senkte sich nun ins Waßer in die Tiefe – Und wie ist doch mein Glaube so sicher an Deine Liebe – so groß und sicher daß er mir durch n i c h t s genommen wird – ich kann es gar nicht anders denken als daß du auch mich in Deinem Herzen trägst, und mit Deiner Liebe liebst – nicht wahr? ja ganz gewiß!! und darauf nur mag ich leben und darauf werde ich sterben, und sterbe ich früher als Du, (das hoffe ich gewiß) d a n n wirst Du es erfahren ob ich verdiente Deine Liebe. Dieser Glaube mein süßer Bruder soll mich reinigen und stärken, und trösten, und erfreuen und nicht mehr soll meine Sehnsucht gerichtet sein auf etwas Eußeres – auch nicht auf das süßeste was ich kenne, nicht auf Z e i c h e n der Liebe – und glaubst du daß ich Wort halten kann, so laß es Dir lieb sein wenn ich herzlich wünsche noch ein mal wieder bei Euch zu sein! Ein mal noch mögte ich Dich so gerne sehen, eh einer von uns diese Welt verläßt. Behälst Du wohl dieses | Blatt für Dich allein? An Jettchen schreibe ich auch noch. Gott seegne und behüte sie! er behüte sie, seinen Seegen hat sie ja, denn sie hat den Himmel schon hir auf Erden. Die Kirche ist bald aus, ich muß mich an ziehen. Es ist heute Schlichtkrulls Geburtstag, die kleinen Geschenke die Sophie und ich ihm brachten nahm er mit viel Herzlichkeit auf. Sophie und Schlichtkrull sind sehr gut, besonders gegen mich auch, ich erkenne es sehr! und will auch recht froh sein wenn ich nur erst Briefe von Euch habe die mir sagen daß Ihr alle gesund seid. Diesen Nachmittag fahren wir nach Garz. Grüße Caroline Schede, und sage ihr: das Blatt was sie mir in Deiner Kirche gab, wie ich glaubte Dich zum lezten Mal zu hören, hätte ich noch, und würde ihr mein herzliches Andenken darauf senden. Mondtag Morgens. Heute Morgen habe ich mir mit Dir zugleich Licht bringen laßen – aber es war so kalt – Dein warmes liebes Stübchen war

70

70v

216

71

71v

Briefe 3729–3730

nicht da. Blüht die Hiazinte noch nicht?, hier fand ich eine von der Katen für mich, mit ein par freundliche Worte. Ich mögte gerne Deine Blumen alle Abend begießen, und wenn der Frühling koemt, mögte ich Dir jeden Morgen frische Blumen auf Deinen Secretair setzen! das war ja das einzige was ich für Dich thun konte – alles Andere hattest Du ja lieber von Nanny und Jettchen, doch lieber konten sie es nicht thun als ich es würde gethan haben. Lotte Pistorius war sehr bewegt wie sie mich sah – auch ich war es – sie dauert mich! – o Gott Schleiermacher – ich habe noch so vieles Dir zu sagen – soll ich nun nimmer nimmer zu Dir kommen? wirst Du heilig halten, was ich Dir immer sagen mag? – darf ich immer frei vom Herzen reden zu Dir, wie vormals zu einer e i n z i g e n Seele? | Für Heute kann ich nicht mehr – Geliebter Bruder fürchte nie mein zu leicht bewegtes Gemüth – es erscheint oft mehr gereizt wie es wirklich ist – auch ist es nicht mein eignes Schiksaal was mich am mehrsten am Herzen liegt – Wie gerne wäre ich noch mit Dir und Jettchen und Nanny zum Abendmahl gegangen – immer hoffte ich es würde noch geschehen, nun wohl nicht wieder. Donnerstag reisen wir nach Sagard. Täglich sterben dort Menschen an Frieseln und Rötheln. Auch ÐLoppeÑ liegt tödtlich nieder, und ist wahrscheinlich schon todt – wieder ein schwerer Stoß für Tante Beyer. Lieber Schleiermacher soll ich Dich nur um Eins bitten? Bitte Jettchen daß sie die kleine Jette wärmer hält – achte recht auf das Kind – sei auch nicht böse daß ich Dich bitte – wie eine zarte Pflanze mus d i e s Kind geschüzt werden. Und dieser Reiz zum essen dieser Sprung lieber Schleiermacher nein es ist Dir gewiß nicht lieb daß ich darüber rede – Du hast in diesem Punkt Jettchens Ansicht von mir an genommen – ich weiß es aber ich weiß auch daß mir h i e r i n Unrecht geschieht – So wie Jettchen glaubte daß es wirklich wahr sei, wie sie Dir erzählte ich habe den kleinen Theodor immer bei mir ins Bette genommen so gewiß glaubt sie manches Andre was mir eben so fern liegt als dies – Du glaubtest es | und ich schwieg, so unmöglich es sein konnte – da ich ja nie mit dem Kinde in einem Hause geschlafen hatte – so habe ich es oft duldend empfunden daß Jettchen mich verkennt – doch liebe ich sie. Es gehört dis zu meinem Schiksal – vielleicht löst manches sich noch durch die Zeit. Adieu lieber Schleiermacher Ich fühle mich nicht eigentlich krank, doch bin ich sehr blas – und sonderbare Ahndung liegt in mir seit einger Zeit – schreib mir nur dies mal recht bald, dann sollst Du es auch lange nicht wieder – Wie viel kann eine kurze Zeit verendern –

85

90

95

100

105

110

115

120

13. 1. 1812

125

130

217

Adieu lieber Bruder! lebe wohl lieber Schleiermacher – Grüße alle Freunde! lebe wohl! Luise Die beiden Ðfr.Ñ hoffe ich sicher schicken zu können so bald Willich zu Hause ist. Wolltest Du nicht eine Auslage noch für mich machen? Sophie schikt Wurst an Rühsens – davon denke ich es zu bezahlen – ich muß einen wollnen Anzug haben – es friert mich so sehr.

3730. An Friedrich Herzberg (auch von der Sektion des Unterrichts). Berlin, Montag, 13. 1. 1812

5

10

15

20

Berlin den 13ten Januar 1812 S. d. U. ad Nr. 7. An den Herrn Prediger Herzberg hier Ich danke Ihnen für die, mit dem Schreiben vom 1sten dieses, mir zugesandten Schriften, und benachrichtige Sie zugleich auf Ihre, darin in Betreff des kurmärkischen Landschullehrer- und KüsterSeminars geäusserten Besorgnisse, dass von keiner Auflösung, sondern nur von einer gründlichen Verbeßerung des gedachten Seminars die Rede ist. Diese müssen Sie um so mehr selbst wünschen, als auf die bisherigen Mängel der Anstalt Ihre eigene Nachricht darüber mit rühmlicher Bescheidenheit hinweiset. Zu dieser Reform ist aber der kurmärkischen Geistlichen und Schul RegierungsDeputation der bestimmtere Entwurf erst abgefordert worden, und kann daher dasjenige, was auch in dem vorlaeufigen Bericht derselben enthalten gewesen sein möge, durchaus nicht als eine Anklage angesehen wer|den, auf welche eine Vertheidigung nötig wäre, oder durch welche Jemand unverdienterweise beeinträchtiget werden möge. Vielmehr können Sie Sich zu Ihrer Beruhigung versichert halten, dass ich von Ihrer Amtstreue und Redlichkeit überzeugt bin, und dass die ganze Sache dieser Reform von Seiten des Departements für pp mit der strengsten Gerechtigkeit und ohne etwas anderes, als den wichtigen 3730. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 76 VIII, Sekt. 15 bb Nr. 1, Bd. 1 (ohne Blattzählung). Es handelt sich um die von Schleiermacher konzipierte Antwort auf einen Brief Herzbergs an die Sektion des Unterrichts vom 1. 1. 1812 (in derselben Akte).

218

Briefe 3730–3734

Zweck, welchem die Anstalt gewidmet ist, im Auge zu haben, wird betrieben werden. Berlin den 13ten Januar 1812 (Namens des Herrn DepartementChefs) Schleiermacher 16t. Jan. 12

25

3731. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 13. 1. 1812 Berlin den 13ten Januar 1812. S. d. U. Nr. 28. Des Königlichen Staatskanzlers Herrn Freiherrn von Hardenberg Excellenz Ew p. Excellenz zeige ich unter Zurücksendung der originaliter mitgeteilten Eingabe des hiesigen Predigers Herzberg vom 1sten dieses gehorsamst an, dass von einer Aufhebung des, unter der Leitung des p Herzberg stehenden kurmärkischen Landschullehrer- und KüsterSeminars nicht die Rede ist. Die Geistliche und SchulDeputation der kurmärkischen Regierung hat vielmehr einen Entwurf zur Verbesserung dieser Anstalt eingereicht, der jedoch mancherlei schwer auszuführende Vorschläge enthält, die meinen Ansichten über die Reform dieses Instituts nicht entsprechen. Es ist daher noch eine nähere Erklärung und Bestimmung mehrerer Punkte dieses Entwurfs von der gedachten Deputation erfordert, die aber bis jetzt noch nicht eingegangen ist. Der p Herz|berg ist auch bei mir mit einem ähnlichen Schreiben an demselben Tage eingekommen, worauf ich ihm schon zu seiner Beruhigung von der wahren Lage der Sache unterrichtet und zur Beseitigung seiner etwas voreiligen Besorgnisse ihn der Anerkennung seiner Amtstreue und Rechtschaffenheit vorläufig versichert habe. Berlin den 13ten Januar 1812. (Namens d Herrn DeptsChefs) Schleiermacher 3731. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 76 VIII, Sekt. 15 bb Nr. 1, Bd. 1 (ohne Blattzählung). Zu Friedrich Herzbergs Eingabe vgl. Brief *3726 von Herzberg vom 1. 1. 1812 sowie Brief 3730 vom 13. 1. 1812 an Herzberg. Ein Konzept von Schleiermachers Hand liegt in derselben Akte (ohne Blattzählung).

5

10

15

20

13. 1.–24. 1. 1812

219

3732. Von Karl Heinrich Sack. Mitte Januar 1812 oder früher […] Bitte zu thun Ihren [Ih]nen innig ergebenen Diener Karl Sack.

*3733. Von Ludwig Friedrich von Froriep. Vor dem 23. 1. 1812 Absage eines Rufes als Professor der Medizin auf die Universität Breslau.

3734. Von Friedrich Justin Bertuch. Weimar, Freitag, 24. 1. 1812 H. Prof. Schleiermacher. / Hochwrd Berlin. [pag. 1] Weimar d. 24n. Jan. 1812.

5

10

15

Ich muss beyliegenden Brief meines Schwiegersohnes, des Herrn Professor Froriep, an Eur. Hochwürden nothwendig mit einem Paar Zeilen begleiten, um einen unangenehmen Zufall, der sich ohne mein Verschulden damit zugetragen hat, zu entschuldigen. Herr Professor Froriep schrieb mir nemlich vorgestern über den durch Eur. Hochwürden erhaltenen Ruf nach Breslau, und daß und warum er denselben habe ablehnen müßen, und bath mich beyliegenden Brief so schnell als möglich an Sie nach Berlin zu befördern. Ich schickte ihn daher mit andern Briefen meines Comptoirs gestern Abend auf die Berliner Briefpost, und heute wird er mir, zu meinem grossen Verdruße, in diesem Zustande und erbrochen wiedergebracht, weil er s o in der untern Galerie meines Haußes gefunden worden sey. Ich habe aller darüber angestellten Untersuchung ungeachtet nicht entdecken können wie dieß zugegangen ist. Vermuthlich hat ihn 3732. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 28v. Rückseite eines Zettels über Demokrit und Protagoras (zur Geschichte der griechischen Philosophie im Wintersemester 1811/12, etwa die Mitte der Vorlesung). *3733.

Erschlossen aus Bertuchs Brief 3734, Z. 6–14.

3734. Überlieferung: H: Deutsches Literaturarchiv Marbach, 1850; D: Müller: Ungedrucktes aus dem Goethe-Kreise, S. 69 f. Mit Brief *3733 von Ludwig Friedrich von Froriep.

220 2

3

Briefe 3734–3737

der | Comptoir-Diener, der ihn auf die Post tragen sollte, aus der Brieftasche noch im Hauße verlohren, ein indiscreter Finder ihn erbrochen, und ihn wieder hingeworfen, weil er ihn nicht abzuliefern wagte, und so kam er, zum Glück, noch wieder in meine Hände, und ich kann Ihnen denselben überschicken. Es ist nur gut daß er nicht ganz verlohren gieng, wodurch sowohl Sie, verehrtester Freund, als auch Froriep und ich in große Verlegenheit gerathen seyn würden. Ich kann die Gründe, aus welchen mein Schwiegersohn den würklich sehr vortheilhaften Ruf nach Breßlau verbitten muß, keineswegs mißbilligen. Er hängt leidenschaftlich an seinem neuen Fache, der Anatomie, die er mit dem besten Erfolge betreibt, mit welcher er aber noch nicht fertig ist, und welche er nun bey seinem neuen | Rufe wieder gänzlich fahren laßen müßte. Bedenckt man überdieß die höchst unsichere Lage jener Länder wegen eines drohenden Krieges, und die Kosten und Umwege der vierten Ortsveränderung und eines so weiten Fortziehens in so kurzer Zeit, so ist ihm sein Entschluß in Tübingen zu bleiben, keinesweges zu verdenken. Ich freue mich sehr über die guten Nachrichten die ich von dem Fortgange der Berliner Universität höre; denn ich kann nicht leugnen daß ich selbst noch, als ein alter Hallenser, die wärmste Vorliebe und Anhänglichkeit für die Preußischen Musen habe. Möchte uns doch der Himmel nur einmal wieder dauerhaften Frieden und Ruhe gewähren, daß man wüßte wie und wohin man arbeiten könnte! Ich empfehle mich Ihrem freundschaftlichen Wohlwollen, und verharre mit wahrer Hochachtung Eur. Hochwürden ganz Ergebenster FJBertuch.

3735. An Andreas Jakob Hecker. Berlin, Sonnabend, 25. 1. 1812 Ewr Hochwürden beehre ich mich anliegende eben so lächerliche also beleidigende Eingabe des p Bach die bei mir abgegeben worden zu übermachen. Da sie an 3735. Überlieferung: H: ELAB, Dreifaltigkeitsgemeinde, 281, Bl. 44; D: Reich: Schleiermacher als Pfarrer, S. 469 (hier irrtümlich auf 1811 datiert). Gottfried Bachs Eingabe an das Ministerium der Dreifaltigkeitskirche, d.h. das Kollegium der Geistlichen (wohl Mitte Januar 1812), liegt nicht in der Akte. Der Antwort des Ministeriums (Bl. 45, 30. 1. 1812) ist aber zu entnehmen, dass Bach sich über Mieth (Mitglied des Kirchenkollegiums, aber als Fabrikant und Laie nicht Mitglied des Kirchenministeriums) und dessen Arbeit an der Orgel beschwert hatte. Das Ministerium antwortete, Mieth sei dazu befugt, den Zustand der Orgel zu überwachen. – Am 4. 12. 1811 (Bl. 41 f.) hatte Bach bereits dem Kirchenkollegium

20

25

30

35

40

24. 1.–30. 1. 1812

5

221

das Ministerium adressirt ist so können wir sie vielleicht abmachen ohne sie beim KirchenCollegio zur Notiz zu bringen wodurch gewiß Herr Mieth aufs höchste würde aufgebracht werden. Doch submitire ich Ewr Hochwürden Ansicht über diese höchst verdrießliche Sache Schleiermacher d 25t Jan

3736. An Rahel Levin. Berlin, Mittwoch, 29. 1. 1812

5

Erzeigen Sie mir doch die Gefälligkeit wenn Sie an Herrn Varnhagen schreiben ihm mit einem Gruß die Einlage zuzusenden. Ich kann ihm jezt nicht schreiben und wollte doch ihm die Handschrift die er verlangt nicht länger vorenthalten. Schleiermacher 29t. Jan 12

3737. Von Luise von Willich. Poseritz und Garz, Donnerstag, 30.1. bis Montag, 17. 2. 1812

5

Poseritz den 30t Jänner – 12 Morgens 8 Uhr Die Nacht träumte ich, ich sey auf einer Reise mit Dir, nicht ich allein, noch mehrere waren bei uns, mir war so wohl zu Muthe. Unser Weg ging durch Neubrandenburg, der Wagen ging rasch durch eine Menge Menschen hindurch, da schrie ein alter Mann auf, wir hatten ihn über gefah-

geschrieben, er wolle nicht, wie gefordert, den Kirchenschlüssel abgeben und könne nicht den ihm auferlegten Verboten folgen, Fremde in die Kirche einzulassen, außerhalb des Gottesdienstes Orgel zu spielen oder Fremde spielen zu lassen und zur Begleitung des Gottesdienstes die Dienste Dritter zu bemühen. 3736. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Varnhagen-Sammlung, 228, Schleiermacher. Mit einem Manuskript für August Varnhagen von Ense. 3737.

Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 72–77. 80 f.

222

72v

Brief 3737

ren, der Wagen stand, er hob seinen Fuß auf und zeigte uns eine alte verharschte Wunde. Langsam ging nun der Wagen über einen großen freien Plaz, wo viele Menschen gingen, die mehrsten in einem wunderbaren Kostüm, wie nie mein Auge es sah, Alle aber in Winterlicherkleidung. Als wir eben außerhalb der Stadt waren, umgab uns plözlich der schönste Frühling! eine Himlische Luft athmeten wir, und mir war als sey ich in Schlesien – Lange träumte ich so – zulezt fühlte ich: es sei ein Traum, doch träumte ich immer noch, zwischen Traum und wachen blieb ich noch lange, bis Jettchen Gadebusch mich fragte: ich sey doch nicht krank? ich stehe sonst um 6 Uhr auf nun war es nach sieben, die Morgenröthe schien an der Wand wo mein Bette steht. Doch Frühling war es nicht, und Du warst nicht da. Die Fenster waren mit dicken Frost belegt; und unten hörte ich den Französischenoffizir sprechen – Der Traum war vorüber – mich schauderte vor der Augenbliklichen Wirklichkeit – doch ich dachte an Sophie, ich stand rasch auf, kleidete mich an und ging hinunter. Nicht mehr so blas wie Gestern fand ich Sophie – auch heitrer und gefaster Schlichtkrullen. Ich bin froh das ich hir | bin, um Sophies Willen. Und träumte ich nur öfter wie diese Nacht, so sollten mir die Tage nicht zu drückend werden. Du traust es mir wohl nicht zu lieber Bruder daß ich treu und gerne, und mit Krafft und Muth, tragen helfen kann, die Laßt die Andere drükt? gewiß ich kann es da, wo man mir nicht selbst kleingläubig macht durch Mistraun an meinem Willen und an meiner Kraft – O kein größres Glük giebt es als thätig sein zu dürfen und zu können durch Liebe! Wundervoll bedeutendt ist mir diese Zeit – Voll Furcht – voll Ahndung, dunkel wie die Nacht des Todes, aber wieder voll Muth voll Hofnung! Ein rechtes Gefühl habe ich bei diesem allen ohne daß es damit im geringsten in Verbindung steht. Eins worauf Du mir aber nicht antworten wirst. Aber klagen will ich es doch Dir, vielleicht erhältst Du dieses Blatt nie, denn die Posten dürfen nicht gehen, und gehen sie wieder, so kann ich D i c h vielleicht nicht wieder finden – ich bin auf alles gefaßt, denn schon wie ich aus Deinem Hause ging – ich konnte fast nicht die Treppe hinunter kommen – bei jedem Tritte war mirs als würde ich gehalten. Das l e z t e m a l so lebendig fühle ich dies – das l e z t e m a l , so war mirs, umfaßte ich Dich – ich m u s t e Euch ja laßen. Im künftigen Leben nicht wahr lieber Schleiermacher, d a gehören wir Alle einander an mit gleicher Liebe! wer dort vor Gottestrohn bekennen kann, mit reiner heiliger Liebe habe ich geliebt und diese Liebe war mein einziges Leben, der wird wieder mit gleicher Liebe umfast werden, „ja an himlische Gestalten sie wißen nicht von Mann und Weib“ – 32 daß] das

10

15

20

25

30

35

40

30. 1.–2. 2. 1812 45

50

55

60

65

70

75

80

223

Ich war einen Abend allein bei der Spalding, ich vergeß den schönen Abend nicht – Ihr Schmerz löste sich so mild in Wort und Trähnen – Ich muß hinunter – | den 2t Februar, Morgens 8 Uhr, an des geliebten Bruders Sterbetage. Wer sagt es mir, ob Du heute noch in heiliger Begeisterung in frommer Andacht, von Deiner Kanzel redest? – Wie ich dieses Blatt anfing, erfüllte dunkle Ahndung mein Gemüth, jezt weiß ich, daß die Zeit da ist, die Sieg oder völligen Untergang bringen wird! – o mögte ich noch dort sein bei Euch!! o hätte es doch in Deinen Zweigen, heilge Eiche nie gerauscht! – Ich kann nur beten! Gott erhört das Gebet! Wie schwer ward es mir von Euch zu scheiden. So oft wie Ihr schon mögt gesagt haben, „es ist gut daß Luise nicht mehr hier ist“ – so innig sehne ich mich oft bei Euch zu sein! Noch bist Du nicht in der Kirche! w i e wirst Du Heute reden? w a s wirst Du sprechen, frei und öffentlich? o wie hast Du mich oft hingerißen in dieser herlichen Freiheit! nicht gezagt habe ich –! und die Erde wird errettet werden! Heute bleibe ich so gern auf mein liebes stilles Stübchen, um recht zu leben in der Vergangenheit und Zukunft –! An Ehrenfrieds Sterbebett, voriges Jahr, da war ich um diese Zeit bei Dir in Deinem Zimmer, wie erquiktest Du mich da! mit inniger Theilname! Dein Gemüth ist es was mich so innig an Dich bindet! wenn wir im Himmel sind dann wirst Du auch das meinige recht erkennen – nichts wird mich von Dir scheiden! ich gehör dann Dir auch an, wie ich Ehrenfried angehöre, dann wird g a n z in Erfüllung gehen was er der geliebte Bruder mir von Dir verhieß! – Dieser Zeit harre ich in stiller Ergebung! Sollte ich Dich nie wieder sehen (nicht mit Angst sage ich das) so wird Gott mich stärken daß ich den Meinigen nicht zu sehr betrübe durch tiefes Grämen. Lebst Du aber! und wirst den Deinigen erhalten! so will ich Gott loben und preisen in meinem Herzen! und sollte | dann mir das schöne Glük einmal noch zu Theil werden, wieder ein mal in Deinem Hause zu sein, so sollst Du nur sehen, w i e bescheiden ich auch sein will! g e w i ß ich will es. Es soll nicht m ö g l i c h sein daß Jettchen mich für anmaßend hält, und dann wird sie mich ja auch gerne haben. Lieber Bruder, mögte die Zeit da Ihr neuer Häuslicher Freude entgegen seht, mögte d i e Euch noch glücklich bei einander finden. O wie g e r n e wäre ich bei Jettchen geblieben! glaube mir, l i e b e r wird niemand bei ihr wachen und sie pflegen, als ich es immer gethan habe. Wie muß es doch kommen, daß es ihr mit mir so gar nicht so ist – daß sie das nie in mir erkant und geahndet hat? – Doch 70 daß] das

73

73v

224

Brief 3737

davon wollte ich ja nie reden, um Dich nicht zur Ungerechtigkeit gegen mich zu reizen – denn diese schmerzt mich von D i r zu sehr. Ich werde hinunter gerufen –

74

Halb elf. Ich habe unten geholfen, und mich angezogen, wir erwarten Willlich jezt jeden Augenblick mit seiner neuen Familie. Nicht so ist es wie Du meintest, ich freute mich herzlich, daß das Leben meines Bruders wieder erheitert werden konnte – i c h fand nichts sträfliches darin – gesprochen hast Du nicht mit mir darüber, sonst würde Dir mein Gefühl klar gewesen sein. Ich tadle nicht die Simon. Sie liebte Willich von dem Augenblik an da sie ihn sahe – doch sie kränkte nie die Heimgegangene mit dieser Liebe – wohl schlug sie alle Verbindungen aus die ihr angetragen wurden, denn sie konnte nur ihn lieben und hatte früher nie geliebt, das wuste ich, sie verehrte die Willich, diese liebte sie – wie sollte sie, so wohl wie Willich nun nicht mit reinem Gewißen ihr Schiksaal an einander knüpfen! Das lezte Kind ist der Mutter gefolgt und wohl dem Kinde! – Willich ist s e h r betrübt dadurch – aus Wismar schrieb er an Tante: „mich träumte diese Nacht Luise kam zu Hause und gab mir meinen Karl wieder, sie kam ins Zimmer, und sah das todte Kind, still bewegt sezte sie sich neben der Leiche, und tröstete mich, und sagte ich solle mich nicht grämen, ich solle das Kind wieder haben. Dann nahm sie weiße Tücher und sanft rieb sie | das Kind bis es erwachte und lebte, ach wenn jene Wunderthäter, noch auf Erden wären!“ – Könnte i c h erretten von der Nacht des Todes –! o warum verlies ich den geliebten Bruder eh er gestorben war? – warum blieb ich nicht die treue Wächterin an seinem Sarge bis er ins Grab gesenkt wurde – es ist vorbei aber nie, soll eine mir liebe nahe Persohn mehr sterben ohne dieses lezte von mir zu empfangen, nie – Gott, wie ist es nun wohl bei Euch – Sieh, dies Dunkel worin das Schiksaal sich hüllt ist oft peinigender als der härteste Schlag – Gerüchte über Gerüchte kommen! Eine große Schlacht soll schon gewesen sein, wo denn? wie denn – niemand weiß dann weiter – Gott der Vater seegne Euch, und behüte Euch, Gott der Sohn erhebe sein Antliz auf Euch, und sey Euch gnädig, Gott der heilige Geist erleuchte sein Antliz über Euch und gebe Euch den Frieden. Amen!! Sophie ging eben von mir, unsre Einquartirung hat Marschorder – wohin weiß ich nicht. Es ist mir eine große erleichterung an Dich zu schreiben. Die Uhr ist nach elf – hast Du gepredigt? Dann bist Du wohl jezt bei Jettchen und den Kindern? – Werden diese Zeilen je in Deine Hände kommen? Wohin wird das Schiksaal Dich führen! o wie glüklich ist Jettchen und Nanny daß sie bei Dir sind – Meine Hyazinte blüht wohl

85

90

95

100

105

110

115

120

2. 2.–3. 2. 1812

225

jezt – ich höre ÐvielÑ französischen Lärm. Schlichtkrull ist in die Kirche – ich muß zu Sophie

125

130

135

140

145

150

155

Abends halb elf. Schlichtkrull war von der Kanzel geholt weil das Dorf voll Franzosen war. Unser Capitain ist fort und wir haben neue Einquartirung. Willich und die Seinigen komen mit den neuen Truppen zugleich an – Mein Gott wie geht es alles durch ein ander! – | Willich ist sehr blas und still, im ernsten Sinn empfängt er sein neues Glük! wir haben viel der Theuren Hingeschiedenen gedacht, sie selbst war die Stifterin dieses neuen Bundes. Die Kathen habe ich noch wenig gesehen, doch sind sie dort alle gesund. Was hilft es mir daß ich Dir dies schreibe der Brief kann ja doch nicht abgehen – und doch ist es mir ein großer Trost, an diese Blätter zu schreiben. Ich will mir einbilden es sei wie sonst, und Du bekämst sie wirklich, ich bin doch bei Dir. Und wenn ich mir Dich recht lebhaft denke, Dein liebes Gemüth, dann ists mir so gewiß Du denkst wohl auch an mich, ach warum habe ich Dich doch so nicht genoßen wie ich wohl hätte können. Lieber süßer Bruder noch einmal laß mich Dir danken daß Du mich mit nach Schlesien nahmst! Das liebe Glas steht immer vor mir in meinem Secretair. Den 17–18–19–20ten September vergeße ich nie – nie habe ich eine so reine Freude empfunden, nach Ehrenfrieds Tode nie – auf der Reise war mirs, als sei ich immer bei Dir! ich bin es auch geliebter Bruder! immer und immer. Nicht wahr ich soll noch ein mal wieder zu Deinen Hausgenoßen gehören? Du sollst es mir auch gar nicht an merken wie lieb ich Dich habe, kein Mensch soll es merken denn – o ich weiß es wohl daß ich Dir dadurch vatal werd, vergieb es mir, daß ich Dich so herzlich lieb habe. Gute Nacht lieber guter Bruder Friederich! An Nanny habe ich geschrieben und an Jettchen – doch die Briefe sind in Strahlsund liegen geblieben – Gute Nacht. Montag d 3t Febr. 10 Uhr Morgens. Wer sagt es mir noch, ob Du Dein schönes Geschäft in gewohnte Weise wieder begonnen? ob die Deinigen im stillen Glük um Dich versammelt waren am frühen Morgen? ob Du jezt zurükkehrst – und eilest über die schönen freien Pläze | der schönen Stadt, in Dein liebes Zimmer, mögtest Du es! und mögte meine Hyacinte dir den Gruß des Frühlings duften. Höre, wäre ich Weiße gewesen – ich hätte Dich nicht verlaßen. Jezt lachst Du wohl ein bischen? Lache nur, wenn Du es nur in Deiner Gutmüthigkeit thust, so gönne ich es Dir –

74v

75

226

75v

Brief 3737

auslachen kannst Du mir immer ein bischen, auch mich a n f a h r e n wie sie es nennen, das thut mir auch noch nichts – aber – aber – dies kalte nicht beachten wenn mich tief etwas bewegt – ein M i s t r a u n was ich nicht verdiene wie bei jenem Briefe den ich o f f e n fand an mich in Deinem Zimmer – o wie weh und wie unrecht thatest Du mir – und w e n n ich mich auch teuschte bis dahin, und glaubte Du mögtest mir wohl manches vertrauen – so empfing ich doch nur, was Du mir bieten mogtest – auf Raub sollte ich aus gehn? o wie wenig trautest Du meiner Zartheit – selbst bei meinem Ehrenfried, der n i c h t s verborgen hielt für mich, so gewiß wuste ich dies von ihm, so frei mir offen stand was er hatte – nie blikte ich ohne sein Wißen hinein was irgend bedeutend schien – immer noch kränkt mich dieser Argwohn den ich D i r nicht zu getraut hätte – Womit nur mogte ich dies verdienen. D a ß Du mir Geheimes vertrautest konte ich nicht verlangen glaube nur dies nicht – aber daß ich Andrer, selbst der Freunde Geheimnis verehrte – und nicht darnach hasche, d i e s kontest Du doch von mir glauben – nicht wahr? Unbefangen und ohne hiran zu denken bot ich Dir ein mal an, dir etwas zu holen aus Deinem Sekretair um Dir einen Gang zu ersparen – Du vertrautest m i r den Schlüßel nicht, sondern schiktest Nanny oder Jettchen ich weiß nicht wen – wie frey fühlte ich mich – und wie weh that mirs doch – das war Eins – von dem ich im Anfang diese Briefes reden wollte – das zweite wenn Du es wohl sehen mustest daß mich einmalig etwas sehr bewegt, so gingst Du mir vorüber stum und still und kalt oft waren die Kinder es worüber ich g e r n e mit Dir gesprochen | oft etwas andres was e i n Wort von Dir hätte beruhigen könen – Du sagtest zwar ein mal, wie ich Dir bei einer Gelegenheit meinen Schmerz darüber aussprach – Du gingst mir zwar still vorüber doch nur weil ich wund sei – o Du Guter! Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht sondern die Kranken – oder hättest Du mich wirklich aufgegeben? thue das nicht – stoße mich n i c h t von Dir – dan gehe ich unter, gewiß – und thätest Du es doch, ich ließe doch nicht von Dir, in meinem Gemüthe e w i g n i c h t wenn auch äußerlich! Das Schiksaal es fordert – aber thue es nicht – ich bin es vieleicht doch werth mein Bruder – auch hilft es wenn Du mit mir sprichst von dem was unrecht ist in mir – aber das thust Du nicht – und ich weiß doch wie Du mich tadelst im algemeinen o hörte ich es von Dir mit Worten – mit Deinen Worten die aus Deinem Gemüthe kommen –. Wie gerne sagte ich: frag nur Ehrenfried lieber Schleier ob ich es wohl verdiene daß Du mich aufgiebst –? ach i h n kanst Du nicht mehr fragen – aber durch ihn ja lernte ich Dich 172 daß] das

160

165

170

175

180

185

190

195

3. 2.–4. 2. 1812

200

205

210

215

220

225

230

227

kennen und lieben, er hielt mich werth der Liebe die er in mein Herz senkte – eh ich Dich noch gesehen hatte! Diese ist es die mir ewig bleibt! sie ist heilig und from, sie soll das Leben und dem Todt mir überwinden helfen! Nun will ich arbeiten an Jettchens Fußbank, damit sie zum 6ten März fertig ist, wenn ich sie auch nicht schicken kann. Sie wird sehr hübsch und ich habe an dieser Arbeit recht meine Freude. Meine Schere hätte ich Dir so gern geschikt zu Deinem Gebrauch, sie ist dazu so sehr nett ach und nun kann ich nicht – nichts kann ich Euch senden nicht ein mal ein Wort der Liebe! | den 4t Morgens 7 Uhr. Wie eine feurige Kugel steigt in diesen Augenblick die Sonne herauf aus einer dunklen Wolke – Aber jezt seh ich schon ihre freundlichen Strahlen. Einen g u t e n Morgen wünsche ich Euch Ihr lieben Alle. O könnt ich doch durch mein Gebet Euch erretten von zu großem Schmerz –! Wir haben Gestern Abend wieder einen andern Officir bekommen er spricht deutsch und hat uns viel erzählt, und Euch bedauert – o was muß man immer alles hören – – o Gott! Die Garzer waren auch hir, „Gott Luise welch ein Glük daß Du hir bist!“ ich schweige dann – denn auch Ihr denkt so, wenn Ihr noch Zeit habt daran zu denken. Doch weiß ich was ich fühle – und was ich mögte – und was ich könnte allein meine Grenze ist gezogen. In ewiger Bewegung ist meine Fanthasie – ach nur e i n e n Laut von Euch mögte ich hören – Ich hoffe wir können in diesen Tagen nach Stralsund kommen – suchen werde ich dann nach e i n e m Freund – doch wahrscheinlich ist auch er verschwunden – seine und Eure Grüße empfing ich in ein Briefchen von ihm – er wolle gerne zu uns kommen – aber nicht möglich sey es jezt, nicht möglich so vieles – Heute also nicht mehr gehst Du mit den Büchern unter den Arm den schönen Beruf Deines Lebens entgegen – nicht mehr – wenn alles wahr ist – und ein Theil wäre erfüllt der dunklen Ahndung? – Seid Ihr noch beinander im lieben Hause? – oder seid Ihr weit, wirklich da, wohin meine Fantasie Euch führt? – seid Ihr dort in Ruhe so seid Ihr s e h r glüklich. Das Vaterland wird G o t t erretten! – Nun will ich wieder an meine Arbeit gehen wenn ich gesehen habe wie es unten ist – Es wird so hübsch was ich für Jettchen nähe, wird sie es wohl erhalten? – 229 Seid] Seit

seid] seit

76

228

76v

77

Brief 3737

Und wenn die Posten wieder gehen was werden sie uns bringen? – Die Frieseln sind jezt in unser Dorf, und in Garz. Wie ge|ringe scheint mir diese Noth – doch sind schon viele Trähnen gefloßen. Ob wohl nur Eure Kinder alle gesund sind? – die süßen lieben? Jettchen mit dem blaßen Gesichtchen? wie schwebt mir wehmüthig das Kind vor Augen, ich ging den lezten Morgen wie wir im Saal Kaffe tranken einmal hinaus, sie kam mir schnell nach, faßte mich um, und sagte etwas mit weinender Stimme, ich neigte mich herunter und fragte: was sagst Du Jettchen? Da liefen ihr still die Trähnen aus den großen Augen und sie wiederholte, mich mit beiden Ärmchen um den Hals fassend „Luise nun wollen wir nicht mehr weinen“ so schwebt sie mir immer vor – Der liebe herzens Friede wird schon glüklich durch die Welt kommen – wenn er nicht stirbt. Dein süßes Kind! wie innig erquikte es mich als Du es mir noch ein mal auf trugst, und das Kind ihr Händchen mir entgegen reichte – und das Köpfchen vorwärts strekte mit dem bekanten o – o – Wie süß ist doch die Sehnsucht die durch solchen Erinnerungen erregt wird, und wie glüklich macht sie mich – wie lebe ich mit Euch im Geist und in der Liebe! – und wäre es möglich daß es für diese Welt vorbei wäre? – wäre es möglich! o wie still will ich dann des ewigen Wiedersehens harren Wie herrlich scheint die Sonne! – Hoffnung und Muth senke sie in jedes Menschen Herz, der betet für die Erlösung der Welt –! Adie Ihr Lieben! ich bin doch immer bei Euch! aber auch hir bei den theuren Meinigen, mit ganzem Herzen! Das ist der Göttliche Funke, dies innige Lieben im Geist, diese Himlische Sehnsucht – die kein Leiden kein Alter mindert – adie!

235

den 5t F. Mit der Morgenröthe bringe ich Euch wieder meinen Morgengruß! o könnte ich Euch mehr noch bringen | könnte ich Euch Glük und Seegen senden! Eure Kette, ist das lezte Zeichen was ich von Euch habe. Meinen Dank dafür habt Ihr nicht mehr erhalten der Brief an Nanny und Jettchen liegt in Stralsund, das Postcomtoir war schon versiegelt Deinen Brief, am zweiten Weihnachtstage geschrieben erhielt ich Mitte Januar, in Sagard so lange wuste ich nichts von Euch. Ich fürchtete des langen Schweigens wegen es sei jemand von Euch krank – und immer schwebte mir dann die kleine Jette ihr blaßes Gesicht vor – zulezt muste ich es vermeiden ihr Bild an zu sehn, so entsetzlich weh ergriff es mich – denn immer fand ich Todeszüge darin – dabei sah mich das Kind so bittend an – und, wir wollen nicht mehr weinen, hörte ich sie sagen. Da

260

240

245

250

255

265

270

4. 2.–9. 2. 1812

275

280

285

290

295

300

305

229

fand ich Deinen Brief – mit der Furcht meine Ahndung bestätigt zu finden öfnete ich ihn – die ersten Worte waren: „Warum muß doch die erste Nachricht die wir Dir zu schicken haben eine traurige sein!“ Ich war gefaßt auf das was kommen würde. Doch ließ ich einen Augenblik das Blatt sinken. Eine halbe Stunde war ich erst in Sagard gewesen – und noch sehr bewegt – nun las ich weiter, und fand was ich schon wuste und dankte Gott daß es nichts Neues war. Den 6ten Morgen 8 Uhr. Gestern waren Sophie und ich in Sißow auf ein par Stunden, Mühlenfels war in Stralsund, Caroline allein bei den Kindern, wovon 2 krank waren. Bei der kleinen Lina wurden die Frieseln erwartet, das kleinste Emma – ist ein sehr schwaches Kind – sie kann nicht saugen – muß gepapt werden – Dabei wird das Kind so mager – so ängstlich mager daß es ein Jammer ist. Die arme Mutter – nichts als Jammer hat sie jezt | wieder mit diesem Kinde – oft schreit es Tag und Nacht in einem vort, ohne Unterlas, genießt sehr viel und ist wie Haut und Knochen – Die kleine Lina ist allerliebst, mögte ihnen doch das Kind erhalten werden. Die kleine Ida, ungefähr so als wie Elsbetchen, ist ein braves Kind, gesund und frisch und lebendig. Die Mühlenfels selbst ziemlich gesund. In Götemiz sind alle gesund; auf Stunden habe ich die Kathen erst gesehen, weil niemand das Haus gerne verläst – Morgen indeß hoffe ich fahren wir auf einen Tag zur Stadt – und sind wir dort gewesen, soll ich ein par Tage in Garz sein – Unsre Lotte – leidet innerlich sehr – nicht dies mal durch den Druck der Zeit – ob ich sie werde beruhigen können weiß ich nicht – doch hoffe ich es, ich bleibe bei ihr – Es ist wunderbar und traurig – wohin ein sehendes Gemüth sich verirren kann, wenn nur Armuth ihn umgiebt – Wie öde ist es hir lieber Bruder! – wie schön das Leben mitten unter Menschen! Wenn wir ganz allein sind, ist mir hir am besten zu Muthe – ich bin fleißig vom Morgen bis zum Abend und fühle das es nichts vorübergehendes war was ich genoßen habe, in mir lebt es, und jezt gedeiht es erst – jezt da ich still warte und pflege – und Zeit habe, jedes ÐSchauenÑ zu reinigen vom Unkraut – was nicht daneben gehört – Sontag, Morgens den 9ten Februar 9 Uhr. Ich habe mir Heute ein Mal mein Geburtstagskleid Ð g e z e u g t Ñ , was Du mir schenktest. Es ist mir doppelt lieb, ich hatte es auch auf der Schlesischen Reise an, und der Tag wie Du mich in Bunzlau überraschtest. Mir ist da ich es hir nun wieder an 280 daß] das

286 daß] das

304 ÐSchauenÑ] oder: Schöne

77v

230

80

80v

Brief 3737

habe, ganz Schlesisch zu Muthe, aber etwas wehmüthig – doch das war mir auch den Tag wie ich mit Dir von Bunzlau abreiste. Ich halte das Kleid recht | in Ehren und liebe es recht. Einen guten Morgen kann ich Dir Heute nun wünschen. Der Wagen wird schon angespant ich fahre mit den Gadebusch nach Göthemitz. Ich habe Lotte noch so wenig gesehen und fast noch gar nicht gesprochen. Vor ein par Tagen schrieb sie mir ihre Kinder wären alle unwohl, wenn auch nicht krank. Die gute Sophie hat Heute dafür gesorgt daß ich hin komme, sie ist den Nachmittag auf eine Kindtaufe mit Schlichtkrull. Wie lange wird es noch währen bis ich Nachricht von Euch bekomme. Täglich wenn auch nur ein par Worte an diese Blätter zu schreiben, ist meine Freude und mein bestes Leben. Wirst Du sie je erhalten? Den 6ten warn wir in die Stadt – den Freund der mir Eure Grüße bringen sollte fand ich nicht – auch seine Freunde wißen nichts von ihm, sein schriftliches Lebewohl habe ich bekommen. Diese Blätter darf ich nicht absenden. Adie Ihr Lieben. Mögtet Ihr meiner mit Liebe gedenken! Die Nacht wie ich den Tag in die Stadt fuhr, hatte ich wieder von Dir geträumt, wir waren in einer großen Gesellschaft, Du sagtest mir leise etwas, und wurdest roth dabei, ich konnte es aber nicht verstehen. Du wiederholtest es und ich verstand es noch nicht, und wollte so gerne, doch da erwachte ich, und immer geht es mir noch nahe daß ich erwachte, eh ich Dich verstanden hatte. Der Wagen ist fertig adie! Dienstag Morgens, den 11t Febr. Was hilft es das ich immer Euch schreibe, da gar keine Aussicht ist das in Eure Hände zuschaffen. Doch lebe ich ja mit Euch hirin! Gestern arbeitete ich so fleißig und angestrengt, daß ich mir nicht einen Augenblick abmüßigen konte wenn ich fertig haben wollte was ich mir vorgenommen hatte. So unter r e c h t fleißiger Arbeit recht das ich heiß dabei werde, vergehen mir die Tage | am schnellsten, und schnell und gut genug! ich habe so viel so viel gehabt, woraus ich Leben sauge! Manches Korn des Seegens geliebter Bruder hast du ausgeströmt, auch in mir fand es gutes Land, ich fühle das Gedeihn desselben, und freue mich des, und danke Dir, und bete für Dich. Mit großer Sehnsucht denke ich oft an Euch – an die Kinder – aber mit Ruhe – meine Sele ist ja nicht bei Euch, das sehe ich wohl, wer weiß indeß was Gott mir noch verleiht, wenn ich treu beharre in dem Bestreben, so 342 Gedeihn] Gedhein

310

315

320

325

330

335

340

345

9. 2.–11. 2. 1812

350

355

360

365

370

375

380

231

zu werden daß alle an deren Liebe mir gelegen ist, mir vertrauen und mich wieder lieben. Ist es nicht – nun dann giebt es ja eine beßre Welt. Wie Ehrenfried noch lebte, da verließ ich mich wohl zu sehr auf ihn – jetzt muß ich mich auf mich selbst verlaßen – ach nur ein e i n z i g e s mal, mögte ich ihn nur wieder haben – und so wie ich das schreibe ist mir als hätte ich ihn! – Ehrenfried wird Dich seegnen, nicht allein für das was Du Jettchen und den Kindern bist, auch für das was Du mir giebst – darum verlaße mich nicht geliebter Bruder – ich verlange auch nichts, nichts gewiß nicht, als was Du mir gerne giebst und deßen Du mich werth hältst. Die Uhr ist noch nicht 8, 5 Minuten davor, Nanny schenkt Dir wohl die Suppe ein, und Liesbetchen will zu Dir, und Du must noch verschließen und in Ordnung bringen – Ich laße Dich nun wieder alle Morgen lesen – es ist noch alles ruhig! – und immer nikst Du auch mir einen guten Morgen zu wenn Du weggehst – Du lieber Ernst, so ein mal, nicht wahr? so e i n mal zwischendurch kann ich Dich wohl so nennen? in Schlesien hätte ich Dich gerne immer so genannt, selbst den Abend bei dem Forellenschuppen, wie Frize und Dein Bruder sich erschraken – weist Du noch wohl? In Götemiz fand ich es erst etwas ÐraschÑ ÐbuschichÑ – ÐLotteÑ | Karsch mit den Besen in der Wohnstube, um rein zu machen, die mehrsten Kinder krabbelten ihr im Staube um die Füße, aus dieser Wollke schwebte Lotte hervor, blaß und freundlich und herzlich, wir beide gingen ins Nebenzimmer was Du noch nicht kenst – In dem Zimmer rechter Hand wohnen sie, und neben an ist ein Schlafzimmer für Kathen und Lotte entstanden. Wir blieben ein Stündchen still beieinander, dann war es Mittag und nun muste mit fremden Zungen geredet werden. Die arme Lotte hatte viel Zahnschmerz – die Kinder zum Theil Husten Halsweh – Fieber, doch keins war bedeutend krank. Kathen kam gegen Abend mit Furchau aus der Stadt. Es ist eine tolle Wirthschaft – Wie langsam hir die Monathe hingehen kann ich Dir nicht beschreiben – das macht weil wir im S a c k sitzen – wären auch noch S ä c k e in dem Sack, ja dann wärs wohl aus zu halten – aber so – nichts als ein wenig troknes Brod in jedem Verstande – Wie wird es sein wenn man dem Freunde wieder die Hand reichen darf? o Gott wie wird es sein – Heute fahren wir nach Garz, ich bleibe einge Tage bei Lotte, und nehme so lange Abschied von diese Blätter.

347 daß] das

81

232

81v

Briefe 3737–3739

Bald nun haben wir Mitte Februar! – mögte Euch die neue Elternfreude wieder so schön und ungetrübt erscheinen, wie vor dem Jahr. Bald ist nun Lieschens Tauf und Nannys Geburtstag. Wie lebhaft ist mir jede Stunde dieses schönen Tages, wie gerne feierte ich ihn mit Euch. Kauf nur keine Hirsch statt Rehkeule wieder Ich habe jezt Deine Taufrede, wie sehe ich Dich dabei lebendig vor mir – jedes Wort, wobei Du besonders bewegt wurdest finde ich wieder – ich will sie wieder lesen den | 18ten zu derselben Stunde, da wir, auch ich Dir gegen über stand mit dem geliebten Kinde. Und der Friede unsres Ehrenfrieds Kind stand neben Dir, die Hände auf den Tauftisch gelegt weist Du noch? Spalding war auch noch da; der gute Mann! nun schläft auch er. Adieu mein süßer Bruder. Garz d 17t Febr. – Ein Hofnungsstrahl ist mir aufgegangen diesen Brief in Deine Hände zu schaffen ein Freund verspricht es mir – Schreiben kann ich nun nicht mehr davon. Solltest Du lange lange nichts von mir hören so nim noch diese Worte zum Abschied. In mitten zwischen Wort und Schweigen Liegt einer Gabe stiller Sinn, Und zu des Herzens freundlich Neigen Beugt schweigend sich die Seele hin. In goldner Mitte ruht der Friede An seiner Brust des Schicksaals Geist, So nim nun auch aus diesem Liede Was Du verlangst, und was Du weist.

*3738. An Friedrich von Mühlenfels. Dezember 1811/Januar 1812 Trägt ihm die Patenschaft für Elisabeth Schleiermacher an (obwohl diese schon ein Jahr alt sei). Fragt nach 70 Talern, die Henriette Schleiermacher zustehen, und nach Mühlenfels’ finanzieller Situation. *3738.

Erschlossen aus Brief 3782.

385

390

395

400

405

Dezember 1811–4. 2. 1812

233

3739. Von August Twesten. Hamburg, Dienstag, 4. 2. 1812 Hamburg den 4t. Februar 1812.

5

10

15

20

25

30

Bei dem Durchlesen der mir von Deibel überschickten Hefte Ihrer Vorlesungen über die christliche Moral ist mir so manches vorher Dunkle klar geworden, und obgleich sie, da jeder aus dem Dargebotenen nur für seine Bedürfnisse notirt, das Bedauern die Vorlesungen nicht selbst gehört zu haben eher vermehren als vermindern mußten, haben sie mir doch so viel Freude gemacht, daß ich mich nicht enthalten kann, Ihnen diese und meinen Dank dafür zu erkennen zu geben. Vorzüglich haben mich belehrt die Auseinandersetzung des Verhältnisses des frommen Heiden zu dem entstehenden Christenthume, und des Verhältnisses des sittlichen Gefühls zu dem religiösen. Die erste hat mich auf eine Verwirrung aufmerksam gemacht, aus der eine in meinem vorigen Briefe Ihnen vorgelegte Frage zum Theil hervorging; indem ich nicht bedachte, daß die Ansicht einer w e r d e n d e n Vereinigung des Menschen mit Gott durch die Idee der Versöhnung vorausgesetzt wird, und also selbst auch zum Eigenthümlichen des Christenthums gehört, fragte ich nach einem dialektischen Belege. Ich kann aber doch nur sagen z u m T h e i l ; denn dialektisch sehe ich wohl ein, wie, da eine Zeit das Göttliche allein nicht ausdrücken kann, sie einer anderen Zeit zum Complement bedarf, wo das in ihr mehr zurücktretende mehr hervortretend ist; aber eine Negation ist mir dadurch noch nicht begreiflich. – Die zweite hat viel beigetragen, mir die in Ihrer Dialektik vorgekommene Unterscheidung zwischen der Idee Gottes und der Welt klarer zu machen. In der Idee Gottes ist die Identität das Hervorstechende, in der Idee der Welt die Diversität unter jener. Angedeutet wird, däucht mir, das Hervortreten der Identität in der Idee Gottes auch in der Sprache durch den Unterschied in dem Gebrauch des Namens des höchsten Begriffs, und des Namens der übrigen Begriffe. Diese scheinen nicht sowohl Namen für die Ideen selbst, als für die einzelnen Erscheinungen, in | denen sich die Idee ausdrückt; der Name Mensch z.B. obwohl er die Idee des Menschen voraussetzt, wird doch mehr gebraucht, wenn man von den einzelnen Menschen redet; Gott hingegen ist bloß der Name für die Idee, und nie für die einzelnen Erscheinungen derselben.

3739. Überlieferung: H: BBAW, SN 408, Bl. 5 f.; D: Heinrici: D. August Twesten, S. 220–222 (gekürzt). Beantwortungsvermerk: „beantw d 22t.“

5v

234

6

Briefe 3739–3740

Das Bedürfniß Ihrer philosophischen Ethik ist mir natürlich auch bey dieser Gelegenheit wieder immer fühlbarer geworden, denn es ist doch die Spitze und der Gipfel und das, von wo aus alles Andere seine rechte Verständlichkeit erst erhalten kann, wenigstens für den, der auf der Stufe erst steht, die ich einnehme. Dies Gefühl ist mir jetzt besonders lebhaft, da sich mir die Möglichkeit zeigt, dieselbe vielleicht noch bey Ihnen zu hören. Denn mit der Ansicht des Dr. Schleiden von seinem Verhältniß zu seinem Hauslehrer und dem ganzen häuslichen Leben dieser Familie habe ich mich je länger je weniger vertragen können, und mich daher am Ende entschließen müssen, nachdem ich die Anmaßung, nach wenigen frühern Berührungen diese Familie ganz kennen zu wollen, ziemlich theuer bezahlt habe, dies Verhältniß aufzugeben. Was mich daher vom März an in Hamburg noch hält, ist mein Bruder und ökonomische Rücksichten. Liegt aber auf der andern Schale die Gewißheit, daß Sie im Sommer die Ethik lesen, so mögte ich wohl versuchen, die entgegenstehenden Schwierigkeiten zu beseitigen. Ich glaube, daß ein Freund mir wohl so viel leihen würde, als ich bey meinen wenigen Bedürfnissen für ein halbes Jahr in Berlin bedarf; vielleicht gelingt es mir in dieser Zeit, einige Privatstunden geben zu können, um dann länger zu bleiben; wo nicht, so bereite ich mir zwar den Schmerz einer zweiten Trennung, aber bis dahin auch vielfachen Genuß. Mit welcher Bitte ich schließen würde, haben Sie vielleicht schon vorausgesehn. Es ist die, wenn es Ihnen Ihre Zeit erlaubt, mich mit einigen | wenigen Zeilen zu erfreuen, und mir zu sagen, ob Sie die Ethik lesen werden, und was Sie zu meinem angedeuteten Plane denken? Ich wage diese Bitte nur schüchtern, und mit der Ueberzeugung, daß Sie sie mir, wenn Sie sie vielleicht auch nicht erfüllen können, Sie sie mir doch nicht übel nehmen werden. Mit der innigsten Verehrung und Liebe August Twesten. (Großen Bleichen 338)

3740. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 13.2. bis Sonnabend, 15. 2. 1812 Welch ein Mißgeschik tritt schon wieder zwischen uns liebe Schwester. Ich habe mich über mein langes aber wirklich so gut als unwillkührliches 3740.

Überlieferung: H: BBAW, SN 753/1, Bl. 57 f.

35

40

45

50

55

60

4. 2.–13. 2. 1812

5

10

15

20

25

30

35

40

235

Schweigen immer mit dem Wiedersehn getröstet, und nun sieht mir das ganz unwahrscheinlich aus. Wir wissen zwar hier von Euch Insulanern noch nicht ob auch ihr französisches Militär habt, aber wenn auch nicht so ist wenigstens das eurige gewiß desto stärker auf Rügen zusammengedrängt je mehr jenes sich auf dem festen Lande ausbreitet, und wenn ihr schon starke militärische Einquartirung habt: so können wir euch unmöglich auch unser zahlreiches Haus noch zuführen. Doch das sind noch weit aussehende Dinge; wer weiß was bis dahin noch geschieht ungünstiges oder erfreuliches! – Hier sagt man daß die Posten zu Euch gesperrt sind; ich benuze also das Anerbieten einer Freundin, welche mir verspricht durch die dritte Hand einen Brief mit militärischer Gelegenheit sicher zu besorgen. Du wirst rathen was ich Dir erfreuliches zunächst zu sagen | habe. Unsere liebe Jette ist Gestern am 12ten Morgens von einem Mädchen sehr leicht und glüklich entbunden worden. Den Abend vorher war sie noch mit mir zu Fuß bei Reimers gewesen, schlief die Nacht vortreflich und wekte mich um 5 Uhr. Sie hatte mir erlaubt gegenwärtig zu sein; ich war ganz ohne Angst wozu es auch gar keine Veranlassung gab aber es war mir gar rührend zu sehn wie das Weib meines Herzens mit Schmerzen gebar und wie das Kind aus dem sichern aber dunkeln mütterlichen Schooß plözlich in die helle aber verworrene Welt getrieben ward. Mit welcher Innigkeit empfahl ich es Gott als es zuerst gereinigt ward und sich wohl gebaut und wohlgenährt darstellte. Meine Empfindungen haben etwas eigenthümliches weil mir jezt ohnerachtet ich vollkommen gesund bin öfter einfällt wie unwahrscheinlich es eigentlich ist daß ich lange die Entwiklung der lieben Geschöpfe werden leiten können. Elsbeth war mir höchst merkwürdig als sie das kleine Schwesterchen zum erstenmal sah. Das Kind hat immer ein ausdruksvolles Auge aber nie habe ich einen so tiefen Blik an ihr gesehn, und unverwandt strekte sie nach dem | kleinen Wesen hin, und ruhte auch nicht eher sie mußte es mit ihren Händchen betasten, was sie aber auch mit der größten Sorglichkeit und Andacht that. Den andern beiden hatten wir schon das erste Mal vorher gesagt es werde ein Kindchen kommen aus dem Leibe der Mutter, und so war es ihnen auch dies mal vor einiger Zeit angekündigt worden. Hernach behaupteten sie ich hätte ihnen den Tag bestimmt, und zählten fleißig wie lange es noch hin wäre. Aber so zärtlich ist Friede noch nicht mit dem jezigen wie er mit Elsbeth war. Das jüngste sieht ihm übrigens ähnlich wie aus den Augen geschnitten, und aus den ersten Lebensäußerungen profezeihe ich das Mädchen wird ein gar praktisches Wesen wer10 aussehende] Kj. ausstehende

57v

58

236

Briefe 3740–3745

den von klarem Verstande rasch und entschlossen etwas herrschsüchtig. Jette hat Lust es auf diese Weissagung Therese zu nennen doch ist noch nichts fest beschlossen. Nur daß es mit Gottes Hülfe an Jettens Geburtstag soll getauft werden.

Ich bin unterbrochen worden und nun eilt die verheißene Gelegenheit so daß ich nichts weiter hinzufügen kann als daß alles fortdauernd möglichst wohl geht. Ich hoffe nächstens auf dieselbe Art wieder schreiben zu können und dann auch einen großen Brief an unsere Luise. Alles grüßt Euch Alle aufs herzlichste. Der Auftrag den du der Herz gegeben hast ist zwar ausgerichtet wäre aber doch zu spät gekommen und wartet nun bis die Posten wieder offen sind; denn auf gut Glük geht doch dieser Brief auch nur. Dein treuer Schleier Sonnab d 15t.

*3741. An Friedrich Wilhelm Arnold. Berlin, vor dem 15. 2. 1812 Er wolle Arnold bis Ostern einen geeigneten Hauslehrer für die Kinder schicken.

3742. An Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher […] erhalte ich eb[en] […] dringend zu s[…] ob Sie es wol […] ich Morgen ersche[ine] […] trage. Herr von […] ich nicht erst der […] Entfernung ist […] *3741.

Erschlossen aus Arnolds Brief 3745, Z. 15 f. und Brief 3776.

3742. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 27v. Rückseite eines Zettels über Demokrit (zur alten Philosophiegeschichte im WS 1811/12).

45

50

55

13. 2.–15. 2. 1812

237

3743. Von Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher Wie ich glaube, beg[…] Kommentar usw. Zu […] ich gern in demselben […] und ersuche Sie, Her[rn] […] gehorsamst, ihn mir, […] über die drei ersten […] Wochen zu leihen. […] die jetzt ihn nicht g[…]

3744. Von Unbekannt. Mitte Februar 1812 oder früher […] Sie werden in demselb[en zu der] Angelegenheit noch e[inen] Bericht der Regierung […] eine Kabinetsordre be[…] Der morgende Vortrag […] seyn, und die Sache wi[…] ständig vortragen laße[n]

3745. Von Friedrich Wilhelm Arnold. Stolp, Sonnabend, 15. 2. 1812

5

10

Hochwürdiger Herr, Besonders höchstgeehrter Herr Profeßor! Euer Hochwürden sage ich den verbindlichsten Dank daß Sie Sich gütigst die Mühe machen, und mir einen Hauslehrer besorgen wollen, auch bin ich es ganz – bey Ihren angeführten Gründen – zufrieden wenn es kein Mann von gesetzten Jahren seyn kann, würde es jedoch gerne wünschen, wenn derselbe Anhänglichkeit an die Kinder, und sie größtenteils unter Aufsicht hätte – In betref des Salairs so will ich R 200 bey freyer Station zugestehen, und verspreche mir im Voraus einen solchen Mann zu erhalten, dem ich meine Kinder ganz übergeben, und ihr ferneres Wohl in deßen Hände legen kann. Bey den obwaltenden Zeiten muß die Erziehung und Unterricht als einziges Erbtheil der Jugend angenommen werden, denn wer vermag ihnen für die Zukunft etwas Gewißeres zuzusichern. 3743. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 29v. Rückseite eines Zettels über Protagoras (zur Geschichte der griechischen Philosophie im Wintersemester 1811/12). 3744. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 25v. Rückseite eines Zettels über Demokrit (zur Geschichte der griechischen Philosophie im Wintersemester 1811/12). 3745.

Überlieferung: H: BBAW, SN 242, Bl. 1 f.

2 Besonders] Desonders

238 1v

2

Briefe 3745–3748

Nach Ihrer | Aeußerung darf ich allso einen Lehrer gegen Ostern erwarten, wozu ich allso die nöthigen Einrichtungen treffen werde. – ich bitte Sie zugleich wenn Sie Einen engagirt haben es mir wißen zu laßen, um im Fall derselbe zu seiner Reise per Post Geld gebrauchen sollte, es ihm dort auszahlen zu laßen. – Wenngleich es sich nun wohl erwarten läßt, daß ich in jeder Hinsicht mit dem Lehrer vollkommen zufrieden seyn, und auch meiner Seits alles dazu beytragen werde, daß er Sich bey mir gefallen soll, so ist es doch am besten, wenn wir einen Vergleich auf 1 Jahr treffen, wogegen ich ihm wenn er nach Berlin zurück gehen will, so viel Geld zur Retour, wie zu Herreise gebe. – Entschuldigen Sie gütigst, daß ich meine so große Sorgen wegen meiner Kinder, zum Teil auf Sie lege, da ich aber Ihre stets gütige Teilname an unsrer Familie hoffe, und wahrlich | nicht weiß, wer bey diesem Anmuthen mehr meine Wünsche befriedigen könnte, so war ich dreist genug Ihre Güte in Anspruch zu nemen. – Mit der größten Hochachtung nenne mich Euer Hochwürden ganz ergebensten Diener F.W. Arnold Stolpe den 15ten Febr. 1812.

3746. Von J. Weinlig. Wohl Donnerstag, 20. 2. 1812 (oder am 20.2. eines früheren Jahres) […]legt werden sollen JWeinlig 20/2

3746. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 39v. Rückseite eines Zettels u.a. über Richard von St. Victor und Amalrich von Chartes (29. Stunde der neueren Philosophiegeschichte im Sommersemester 1812).

15

20

25

30

15. 2.–22. 2. 1812

239

3747. Von Luise von Willich. Wohl Anfang 1812

5

10

Einen recht inigen Wunsch habe ich Schleiermacher, der wenn er zur B i t t e wird noch kühner fast ist als der Gruß an Marwitz, Dir thue ich sie – Laße Dich zeichnen von der Alberthal!!! sie hat es mir halb und halb versprochen. Der Geist ihrer Zeichnung ist mir vor allem lieb, sie wird es Dir nicht abschlagen wenn Du sie bittest, Du wirst Zeit finden wenn Du es willst, Du wirst es wollen wenn Du bedenkst welche Freude Du mir machst! zu meinem Geburtstag lieber Bruder. aber nicht im Kleinen – so wie Du einmal hir warst. Schleier! thue es! Es ist noch eine schöne Zeit von nun bis zum End des Augusts! Dann bringst Du es mit. Schleiermacher? Laß es Dir nicht zu kühn erscheinen – nim es wie es ist. Sieh hätt ich Ehrenfried so, was wäre es mir oft für ein Trost und eine Freude.

3748. An August Twesten. Berlin, Sonnabend, 22. 2. 1812

5

10

Es wäre schlimm genug mein lieber Freund, wenn ich mich förmlich meines Stillschweigens wegen bei Ihnen entschuldigen sollte. Sie wissen ja wol wie das geht. Ich kann nur im Allgemeinen klagen daß auf diesem Winter ein besonderer Unsegen ruht; ich komme außer meinen Vorlesungen fast zu nichts und lerne leider bei diesen nicht so viel als ein so bedeutender Zeitaufwand erwarten läßt. In den Weihnachtsferien hoffte ich vielerlei abzumachen und unter vielen Briefen auch den Ihrigen zu beantworten; es ist auch nicht geschehen. Die Hauptfrage die Sie mir darin vorlegen, vom Religionsunterrichte der Kinder scheint mir zu den schwierigsten zu gehören, und allgemein weiß ich nichts darüber zu sagen als nur negativ. Ich meine nämlich nicht daß die Idee des höchsten Wesens | durch den Unterricht zuerst soll aufgeregt werden sondern sie muß irgendwie im Leben kommen und zuerst mit dem sittlichen Gefühl in Verbindung gebracht werden. Auf dieser Basis kann hernach die mythi3747. Überlieferung: H: BBAW, SN 428, Bl. 88. Die Datierung ergibt sich aus der Bitte, Schleiermacher möge sich von Frau Alberthal zeichnen lassen, auf die Luise von Willich in Brief von 1812 nochmals eingeht, sowie aus der Rügenreise Schleiermachers Ende August 1812. 3748. Überlieferung: H: Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, 13551; D: Heinrici: D. August Twesten, S. 222–224 (gekürzt)

240

Briefe 3748–3749

sche Vorstellung ganz sicher ruhen. Daß diese im Kindesalter allein dominiren muß und daß man sie unter jener Voraussezung ganz ruhig kann gewähren lassen ohne Furcht daß hernach mit der mythischen Form auch die Idee selbst werde abgeworfen werden ist meine sichre Ueberzeugung. Eigentlicher Religionsunterricht denke ich muß gleich mit Christo und rein christlich anfangen, vorbereitend aber halte ich einige Beschäftigungen mit dem alten Testament sehr gut. Am wünschenswerthesten scheint es mir wenn man im Besiz schöner bildlicher Darstellungen der alttestamentlichen Geschichte ist und bei Anschauung und Erklärung derselben gleich die einzelnen Geschichten in der Bibel lesen läßt für welche sich die Kinder am meisten interessiren. Ihre dogmatische Frage haben Sie Sich schon selbst beantwortet, und ich darf in Bezug auf Ihren zweiten Brief nur hinzufügen daß ich eine gänzliche Negation nicht annehme, doctrinal nemlich, sondern daß ich diese nur zur mythischen Form rechne. Dies glaube ich ist in der Dogmatik bei der Lehre von der primitiven Vollkommenheit und bei der von den Weissagungen und Typen ge|sagt worden. – Es freut mich recht herzlich daß Sie mit solchem Interesse noch meinen Vorträgen folgen, und daß ich Ihnen noch ferner hier und da den Anstoß gebe Sich die speculativen Gegenstände immer klarer zu entwikeln. Was den nächsten Sommer betrift so werde ich die Ethik nicht lesen sondern habe mir diese für den Winter verspart; im Sommer will ich die Geschichte der neuern Philosophie vortragen und außer dem exegetico praktische Theologie lesen. Es sollte mir aber sehr leid thun wenn Sie den schönen Gedanken wieder zu uns zu kommen deshalb wieder auf die Seite schöben. Ich kenne zwar den LectionsCatalog noch nicht und was mir diesen Augenblik einfällt um Sie zu reizen ist nur Wolfs Geschichte der griechischen Literatur; aber es kann ja nicht fehlen daß es nicht manches erwünschte auch für Sie geben sollte. Wenn Sie in Ihrem dermaligen Verhältniß nicht mit voller Zustimmung des Herzens sind so würde ich es für sehr Unrecht halten wenn Sie es nicht abbrächen so bald Sie rechtlicher Weise können; ökonomische Rüksichten dürfen Sie gar nicht halten. Ich habe schon einige Einleitungen von weitem gemacht, und ich denke wenn Sie Sich nur bald bestimmt entschlößen [daß] entweder eine Stelle in dem Seminarium für gelehrte Schulen oder Gelegenheit in unsern hiesigen Gymnasien Unterricht zu geben wird entstehen können. Dies wird Ihnen wenigstens eine Basis geben und einige vortheilhafte Privat|stunden finden sich gewiß auch so daß ich glaube da Sie eben genügsam sind 50 geben] folgt 〈nicht〉

15

20

25

30

35

40

45

50

22. 2.–23. 2. 1812

55

60

65

70

241

werden Sie mit einem unbedeutenden Vorschuß es wagen können herzukommen. Sie werden Sich freier fühlen nüzlicher und erfolgreicher beschäftigt und immer Muße haben aus unsern Weisheitsquellen zu schöpfen. Entschließen Sie Sich nur bald und lassen es mich gleich wissen so will ich mit Buttmann gemeinschaftlich alle nöthigen Vorkehrungen treffen. Eben ist der Entwurf des LectionsCatalogs bei mir gewesen. Fichte liest Rechtslehre und Sittenlehre, Solger den Sie wol gar nicht kennen liest Grundlehren der Philosophie und über den Prometheus des Aeschylus, Boeckh Euripidea und Plautiana Wolf Aristophanea, Bernhardi Pädagogik. Das ist mir aus der flüchtigen Ansicht geblieben Meine Gesundheit ist bis auf Kleinigkeiten ganz gut gewesen seit meiner flüchtigen aber sehr schönen schlesischen Reise. Vor zehn Tagen hat meine Frau ein kleines Mädchen geboren und auch dabei ist alles möglichst gut gegangen. Unser Niebuhr hat an einer Halsentzündung gelitten, er geht noch nicht aus ist aber ganz hergestellt. Heindorf ist in Breslau leider wieder ins Kränkeln gekommen. Nun leben Sie wohl und entschließen Sie Sich aufs baldigste so wie ich es wünsche. Von Herzen der Ihrige Schleiermacher Berlin d 22t. Febr. 12

3749. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Sonntag, 23. 2. 1812

5

10

Breslau, den 23 Febr. 1812 Die freundliche Auffoderung unsers Steffens, Dir gemeinschaftlich mit ihm zu schreiben, mehr aber noch das eigne Verlangen, dir zu sagen, wie sehr uns dein lezter Brief erfreut hat, sind die Veranlaßung dieser schnellen Antwort. Wie zusehends sich das Häuflein lieblicher Kinder in Deinem Hause mehrt und Du den empfangenen Segen schon verdoppelt hast! Aber hilf Himmel, wo sollen alle Mädchen bleiben, da sich alles immer mehr anschikt den Jungens, die gebohren werden, einen ganz andern Beruf anzuweisen, als ein Weib zu nehmen und ein eignes Haus zu haben! Am Ende wird man doch die Nonnenklöster wieder hervorsuchen müßen, die man jezt so emsig wegschaft. Armer Freund, ich habe Dich aber 3749. Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 78 f.; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 104–106

242

78v

Brief 3749

doch bedauert, denn recht gerne hätte ich Dir einen Jungen gewünscht, nicht eben, weil Du im voraus Deiner Sache damit schienst so gewiß gewesen zu sein – denn das kanst Du unmöglich umsonst haben, wie Dir Wilhelmine noch auf ihre Weise sagen wird – sondern damit Du auch daran Deine Kraft hättest versuchen können, Deinen reinen und deutschen Sinn auf eine männliche Nachkommenschaft zu bringen. Tröste Dich indeß nur mit mir, denn es scheint, als könnte ich es auch nicht ein mahl mehr bis zu einem Mädchen bringen. Ich hatte noch eine stille Hofnung auf die Badekur meiner Frau gesezt; aber so gut sie ihr auch sonst bekommen ist, der lebendige Erfolg bleibt noch immer aus. Ich bin aber damit zufrieden und am wenigsten kann es mich abhalten, mich recht herzlich mit Dir Deines häußlichen Glükks zu freuen. Der Himmel erhalte, was er Dir beschert hat und segne ferner Deine Studien. Wir grüßen freundlich die glükkliche Mutter und versichern sie von unsrer aufrichtigsten Theilnahme. Die S y n o d a l o r d n u n g ist in den Weihnachtsferien fertig geworden und so gleich abgeschikt. Zugleich aber schrieb ich auch an Nikolovius, den ich lange nichts von mir hatte | hören laßen und gab ihm ganz deutlich zu erkennen, wie es mir bei aller Achtung gegen die übrigen geistlichen Herren des Departements, sehr gerathen scheine Dich bei den neuen Anordnungen des Kirchenwesens zuzuziehen. Da dies gar nicht als etwas unter uns etwa verabredetes angesehen werden kann, so sehe ich auch keinen Grund, es zu verschweigen. Zu meiner Freude hat er es auch gut aufgenommen und mir so gleich geantwortet, es seien alle Regierungen über den Gegenstand gefragt und es sei schon beschloßen, daß auch Du darüber gehört werden solltest. Darum schikke ich Dir den Entwurf nun nicht; zu seiner Beurtheilung aber muß ich noch bemerken, daß die dazu gehörige Gemeinde Ordnung und das Schulreglement noch fehlen, mit welchen die Synodalordnung gemeinschaftlich erst etwas Ganzes werden kann. Die wissenschaftlichen Beschäftigungen der Geistlichen sind in mäßige Grenzen gehalten, weil ich lieber wünsche sie künftig steigern zu können, als in der ein mahl aufgestellten Foderung gleich anfangs nachlaßen zu müßen. Uebrigens ist mein Bestreben gewesen, die Einrichtung so einfach als möglich zu machen und nichts aufzustellen, was als unthunlich so gleich zurükkgewiesen werden müßte. Wie ich Deinen Aufsatz benuzt habe, wirst Du gleich finden, und wenn es mir gelungen wäre Deine Idee ausgeführt, ohne sie entstellt zu haben, so würde ich mich sehr freuen. Die beiden andern Arbeiten will ich in den Ferien vornehmen, ob ich gleich in Ansehung der GemeindeOrdnung noch rathlos bin, weil sie die Basis einer nothwendig herzustellenden Kirchenzucht werden mus. Dies ist eine ungemein schwere Aufgabe.

15

20

25

30

35

40

45

50

23. 2. 1812

55

60

65

70

75

80

85

90

243

Das Departement scheint auch mit einer neuen Liturgie umzugehen. Verhüte nur, daß Ribbek und Hanstein den Geistlichen nicht ihre schlechten Formulare in den Mund stekken. Wir sind gefragt worden, wie es mit der Liturgie bei uns stehe, nicht aber um unsere Meinung darüber. Nach meiner Ansicht muß eine neue Liturgie das Werk der Kirche, nemlich des Clerus selbst sein und ein fixirter Gegenstand aller Synodal|konvente bleiben. Erst mus die Geistlichkeit selbst zu einem kräftigen Leben erwachen, ehe es beßer wird, sonst töten sie alles, was ihnen auch als Lebendiges gegeben wird. Was bis dahin zu thun wäre, mögte sich auf sehr wenige Vorschriften reduciren. Scherer aus Jauer hat mich auch besucht und mir die ganze Sammlung zu seinem Gesangbuche mit gebracht. Dies kann eine recht tüchtige Arbeit werden; sie wird aber kaum in Jahr und Tag vollendet sein. Du hast ganz Recht, Bredow wird uns alle und die Akademie selbst in Verlegenheit bringen. Es ist mir selbst wahrscheinlich, daß er beßer wird und vielleicht auch die Nase noch in leidlicher Form mit aus dem Krampfe bringt, schwerlich aber dürfte seine Sprache dieselbe bleiben. Bis jezt ist er indeßen noch so elend, daß er nicht auf den Füßen stehn kann. Verbergen ließ sich die Sache leider nicht, da Bredow den Schaden schon mit nach Breslau gebracht hat und das lange Verheimlichen sein ganzes Unglükk ist. Berends zum Arzt zu nehmen, dazu war er nie zu bewegen, und die frühern Verhältniße zwischen beiden gestatteten es auch kaum. Jezt steht die Sache verzweifelt, die ganze Stadt, alle Studenten wißen darum und die Catholiken haben längst eine Schadenfreude darüber merken laßen, die mich oft empört hat. Nach der Stimmung unter den Profeßoren zu urtheilen, so wäre es wohl allgemeine Meinung und allgemeiner Wunsch, das Departement möge ihn versetzen, ihn nach Königsberg schikken und Hüllemann hierher kommen laßen. Daß er überhaupt hier bleiben könne, scheint nicht gut möglich zu sein. Ich sehe die Sache als das erste Unglükk der Universität an, weßhalb sie im Fall seiner völligen Genesung, nicht ignorirt werden kann. Neigt es sich damit erst mehr zur Entscheidung, so will ich Dir noch andres schreiben, was hierbei noch scheint beachtet werden zu müßen. Meinem Collegen Augusti thust Du unrecht. Wir haben längst über die Encyklopädie gesprochen und er hat mir nicht nur sehr gerathen, darüber zu lesen, sondern auch geäußert, er hoffe auf dem historischen Wege dahin zu kommen, wohin du durch die Spekulation gedrungen seist, welches jedoch auf die Encyklopädie eigentlich nicht zu paßen scheint, son54 daß] das

79

244 79v

Brief 3749

dern wohl mehr von der gegenwärtigen | Behandlung des orthodoxen Lehrbegrifs gelten mag. Jene Aeußerung in Weimar war mir schon bekannt, und bezog sich eigentlich auf das Sendschreiben über den Brief an den Timotheus das er eingesteht, a n f a n g s als einen Scherz angesehen zu haben, nemlich damit die wunderliche Art zu verspotten, wie damahls über das Entstehen der Evangelien raisonirt ward. Wenn Du ihn kenntest, würdest Du so etwas an ihm natürlich finden. Er ist ein sehr tüchtiger Orientalist, und Kirchenhistoriker; die wissenschaftliche Behandlung der Theologie wird ihm schwerlich je gelingen. Uebrigens habe ich an ihm einen lieben Collegen und dies ist das erste mahl, daß mir so etwas begegnet. Das Semester ist gleich abgelaufen und ich freue mich mit der Zeit so leidlich zu reichen. Für die Apologetik ist sie mir zu lang gewesen, denn diese habe ich vorgestern geschloßen, theils um sie nicht über ihr natürliches Maas auszudehnen, theils um die ersparte Zeit der Ethik zulegen zu können, wobei ich sonst nicht reichen würde. In beiden Collegien haben die Zuhörer treu ausgehalten, (die Apologetik schloß ich mit 30) und ich wünschte nur mit mir selbst nur halb so zufrieden sein zu können, als mit ihrem Fleiß. Jedoch ists noch leidlich gegangen und ich hoffe, die Moral soll schon werden, wenn ich sie noch einige Mahl lese. Die Darstellung des Christenthums wird zum zweiten Mahl auch beßer gelingen. Ich will nun, was zu beiden gesammelt ist, den Sommer über liegen laßen und die Encyklopädie mit allem Fleiß angreifen. Die angekündigte Homiletik denke ich mit dem zu errichtenden theologischen Seminar in Verbindung zu bringen. Doch darüber künftig mehr. Jezt ist die Zeit zu Ende. Für die Nachricht über unseren akademischen Gottesdienst danke ich, er wird doch hoffentlich diesen Sommer eingerichtet werden können. Wie viel könnte und sollte ich Dir eigentlich noch schreiben. Ich muß es aber schon laßen. Wir haben in dieser Woche Examen und das will auch seine Zeit haben. Heindorf läßt grüßen, er leidet noch etwas am Husten, doch ists erträglich und er kann wenigstens in seinem Hause lesen. Lebe wohl, grüße Dein Haus, Reimers und unsre Freunde von Deinem Gaß

94 das] daß

95

100

105

110

115

120

23. 2.–28. 2. 1812

245

3750. Von August Twesten. Hamburg, Freitag, 28. 2. 1812 Hamburg den 28st. Febr. 1812.

5

10

15

20

25

30

Um meinem Wunsche, nach Berlin zurückzukehren, die größte Lebhaftigkeit zu geben, bedurfte es gewiß nicht der Nachricht von andern Vorlesungen als den Ihrigen. Andere würde ich doch kaum hören mögen. Denn wenn in Ihren Vorträgen jeder Gedanke mich so anspricht, als könne es gar nicht anders seyn; wenn bey jedem Schritte mir mehr Licht und Klarheit aufgeht, und der Weg, den ich zu gehen habe mir dadurch unendlich abgekürzt, und ich mir über Schwierigkeiten hinweggehoben scheine, die ich vielleicht gar nicht würde überwunden haben; so scheinen die meisten andern Vorlesungen meinem innern Wesen fremdartig, sie erscheinen mir als Eingriffe in meine eigenthümliche Weise, und selten das, was ich daraus lerne, mir es werth, meinen eignen Weg darum unterbrochen zu haben. Vor allem aber reitzt mich die Gewißheit Ihrer fortdauernden gütigen Gesinnung gegen mich, und die Aussicht, Sie dann und wann zu sehen, und mit Ihnen zu sprechen, denn ich weiß nicht, welche magische Gewalt jedes Ihrer Worte über mich hat, und wie belebend es auf alle meine Bestrebungen wirkt, selbst solche, auf die es gar keinen Bezug zu haben scheint. Es kommt mir vor, als müßte ich Sie als den Erzeuger meines wissenschaftlichen Lebens ansehen, und als wäre ich noch zu früh von Ihnen getrennt, und könnte daher auch anderwärts mehr l e r n e n , aber es wäre das Princip der eigentlichen Wissenschaft in mir noch nicht selbstständig genug, und leicht in Gefahr, zu verlöschen. Da Sie mir nun so viele Hoffnung machen, daß ein längerer, vielleicht ein beständiger, Aufenthalt in Berlin, an Einem Orte mit Ihnen und in der lebendigen Berührung mit so vielen wissenschaftlichen Bestrebungen, möglich seyn wird, da Sie mir selbst Ihre gütige Mitwirkung dazu versprechen, so ist mein Entschluß gefaßt. Gleich nach Ostern (denn eher werden ja doch wohl, | wo Ostern so früh ist, Ihre Vorlesungen nicht anfangen) werde ich in Berlin seyn. Wäre es möglich, daß ich eine Stelle in dem Seminar, oder Stunden an einem Gymnasium erhielte, so wäre mir das natürlich sehr erwünscht. Nur unlieb wäre mir, wenn vielleicht ein Examen dazu erfordert würde, weil ich gegen alle Examina, so wie gegen alles, wo ich persönlich hervortreten soll, einen großen Widerwillen habe, 3750.

Überlieferung: H: BBAW, SN 408, Bl. 7

7v

246

Briefe 3750–3753

und schon deswegen nicht sehr glücklich in einem solchen seyn würde. Herrn Professor Buttmann würde ich sehr dankbar seyn, wenn er sich für mich interessiren wollte, und ich würde ihn in einem Briefe darum ersuchen, wenn ich nicht wegen meiner geringen Bekanntschaft mit ihm dazu zu blöde wäre. Für Ihre gütige Beantwortung meiner vorgelegten Fragen und für die erfreulichen Nachrichten von Ihrem Wohlbefinden und Ihrer neulichen häuslichen Freude danke ich Ihnen herzlich. Möge ich bey meiner Ankunft Sie und Ihre Familie in dem Wohlseyn antreffen, wie ich es hoffe und wünsche! Mit der größten und innigsten Verehrung und Liebe August Twesten.

3751. Von Unbekannt. Februar 1812 oder früher Sollte Ewr Hochwürden Abreise sich noch verziehen, so wünschte ich wohl mich mit Ihnen über einige Angelegenheiten vorher besprechen zu können […]

3752. Von Unbekannt. Februar 1812 oder früher Haben Sie, […] Vormittag um […] Stunde, mein j[…] Sie werden m[…]

3751. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 5v. Rückseite eines Zettels über die Kyniker (zur alten Philosophiegeschichte im WS 1811/12). Möglicherweise kurz vor dem Beginn der Schlesienreise Mitte September 1811. 3752. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 31v. Rückseite eines Zettels über die megarische Schule (zur alten Philosophiegeschichte im WS 1811/12).

35

40

45

28. 2.–1. 3. 1812

247

3753. Von Henrich und Johanna Steffens (auch an Henriette und Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 1.3. bis Montag, 2. 3. 1812

5

10

15

20

25

30

Breslau d. 1 Merz 1812 Lieber Schleiermacher! inneliegender Brief wird dich überzeugen, dass es meine Absicht war dir schon vor acht Tage zu schreiben, und so muss ein Verbrechen – den Brief eines andern zurückzuhalten – dazu dienen mich zu entschuldigen – Aber mehr rechtfertigen mich meine Bewegungsgründe – Lieber Freund! wie konnte ich mich so schnell entschliessen, die Wunde unsanft zu berühren? – Dazu bin ich viel zu sanftmüthig so schnell sage ich – denn endlich müsste es dennoch geschehen – Armer Freund! nur eine Tochter – „in ein Jahr soll kein Dorf mehr unterjocht sein“ – „das Haus hat aufgehört zu regieren“ – Ja, ja, zu allen Zeiten haben sich die Grossen, die Helden verrechnet. Du siehst, dass Gass ein Verräther ist, der nicht bloss die Zeitungsnachrichten, sondern auch die geheimen Artikel mitgetheilt hat – Du wirst dennoch hoffentlich die Bekehrung der kleinen Heidin, und ihre Aufnahme in der Kirche, triumphirend bekanntmachen – und ich, als wenn ich nur, was alle Welt weiss, wüsste, will dich öffentlich gratuliren – NB. obiges ist in Ziffern geschrieben. Ich habe mich über die schöne Nachricht, die Gass uns brachte herzlich gefreuet. Die Tochter muss aber nicht dir, sondern Henriette ähnlich sehen – Wie herrlich wære es, wenn wir uns sehen könnten – Es ist doch sehr fatal, dass wir soweit auseinander sind, und dass eine Wüste zwischen uns liegt, | so, dass es nicht einmahl ein Ort unterwegs giebt, wo man sich treffen könnte, und dass du wenige Tage ehe ich hier war Schlesien verlassen musstest, ist, je mehr ich hier darüber denke, nun vollends um rasend zu werden – Ach! es wære doch gut wenn wir zusammen wæren. Ich bin hier entsezlich einsam – Ja wenn ich wirkliche Zuhörer – Jene im grössern Styl hätte, aus der trefflichern Zeit. Aber dessen darf ich mich noch nicht rühmen – Eifer zwar, bei einigen, ein recht schöner Eifer, aber das ist auch alles – Es wird ja wohl kommen – Wie es mit der Universität gehen wird, muss die Zeit zeigen. Wenn nur die medicinische Facultæt besser wære. Aber die ist gar zu elend – und das wird, so lange ich hier bin, mir eine gewaltige Hemmung – Bartels ist zwar ein Naturphilosoph – so zu sagen – aber unter uns gesagt nicht von der besten Race, und Link eine hemmende Frost-Natur, wenn er gleich 3753. Überlieferung: H: BBAW, SN 396, Bl. 66–68; D: Schmidt: Stationen einer Freundschaft, S. 49 f. (Zitat). Mit Gaß’ Brief 3749 vom 23. 2. 1812 als Einlage. 28 das] dass

66v

248

67

67v

Briefe 3753–3754

Kenntnisse zu besizen scheint, und ehrlich genug ist. Seine lezte Schrift, „über Natur und Philosophie“ die ich eben gelesen habe, ist doch gar zu schlecht – Eine Philosophie die sich nicht um die Natur bekümmert, eine Natur, die sich nicht um die Philosophie bekümmert, das nennt er Consequenz – So ist ihm das Band, die Liebe, fremd – Er dauert mir – Sie haben Schwefel, Salpeter und Kohle – Aber das Pulver haben sie nicht erfunden – Ich habe ungeheuer viel zu thun. Muss zur Ostermesse den zweiten Theil des Handbuchs fertig haben, muss für die dumme Salina einen kleinen Aufsaz ausarbeiten, studiere zu meiner physikalischen Vorlesung, muss mit Departement und Commission, Künstler und Handwerker correspondiren, um das bewilligte Geld bald möglichst anzulegen, muss bauen lassen u.s.w. So dass ein jeder Brief | den ich schreibe mich ængstlich macht. Dabei bin ich des Abends fast nie zu Hause. Die Breslauer gefallen mir sehr, meine Herrn Collegen weniger. Behrends ist ein Fuchs, und eine Hemmkerbe für alle wissenschaftliche Bildung hier. Er soll Einfluss haben. Mir ist er in den Tod zuwieder. Besonders ærgert er mich jezt. Hier ist ein junger Chemiker. Unter uns alle – Link nicht ausgenommen, der beste chemische Experimentator – Er hat, auf eine recht gründliche Weise das Grindelsche Blutmachen abgefertigt. Der Aufsaz steht in Hufelands Journal. Er hat ferner eine sehr schöne Dissertation „über die Entdeckung des geringsten Antheils des Arseniks“, wo er zwei neue Mittel angiebt, den Galvanismus, gegen frühere Erfahrungen, als ein Mittel ein Minimum sogar metallisch darzustellen. Link und ich sind Zeugen. Er ist ein Schüler von den verstorbenen Rose. Wie Universitæt errichtet ward, und ein jeder der Vorlesungen als Privatdocent halten wollte, aufgefordert ward sich zu melden, meldete er sich auch, und erklærte, dass wenn es nöthig wære pro loco zu disputiren, so müsste er zurücktreten weil er nicht Latein sprechen könnte – ein Chemiker! – Dieser Erklærung unerachtet liess ihm das Departement als Docent in den Lections-Catalog aufstellen, also ist er ja stillschweigend suspendirt, und nun quält man ihn – Behrends allein – auf die ærgerlichste Weise – Wahrlich gegen die lateinische Dummheit hier muss einmahl ein Donnerwort erscheinen – Wolltest du wohl, wenn du | die Sache selbst nicht treiben magst mit Süwern sprechen. Der Mann heisst Dr Fischer und ist ein Jude, also etwas feige und quælt und ængstigt sich schrecklich. Da er einmahl in den Lectionscatalog steht, ist er vor seinen ehrlichen Willen offenbar compromittirt, und selbst als practischer Arzt geschadet, wenn er jezt nicht hinein kömmt – kann das Departement erlauben, dass man kenntnissvolle Männer lockt, um sie zu schaden?

35

40

45

50

55

60

65

70

1. 3.–2. 3. 1812

75

80

85

90

95

100

105

110

249

Hier ist theuer – theurer fast wie in Halle, und dieser Winter ist mir schlimm geworden, weil die wenigen rückständigen Creditoren mich quælen – Dennoch habe ich Aussicht in Ordnung zu kommen – Denn ich bin ziemlich vollständig eingerichtet – Wozu mich meine Vorlesungen verholfen – Über unsere Affaire wünschte ich mich mit dir zu reguliren, obgleich in den ersten 1 1/2 Jahren kaum an Rückzahlung zu denken. Wenn wir nur Ruhe behalten wird es wohl gehen. Grüss Henriette tausend mahle, meine Frau und ich wünschen sie vom Herzen Glück. Hoffentlich befinden sie und das Kind sich wohl. Auch Nanny grüssen wir herzlich. Von der Wucherer und ihre Besserung hast wohl schon Nachricht – Mit Blanc geht es besser, sieht aber leider doch langwierig aus. Gott sei mit euch dein Freund HSteffens Gass und seine Frau gefallen uns immer mehr, dennoch sehen wir uns nur gar zu selten – Noch muss – ich über | etwas schreiben. Möller, der Catholik, ist Hardenbergs Administrator auf ein Guth bei Würzburg – Dort hat er, wahrscheinlich in seinen Eifer auf eine harte Weise, die eingerissene Unredlichkeit zu hemmen gesucht, dieses schliessen wir aus Schuberts Briefe. Er, der durchaus Genügsame, muss sich übel befinden, denn er wünscht auf das Eifrigste fort. Auch mir hat er gebethen ihm hier eine Stelle zu verschaffen. Ich sehe alle Schwierigkeiten wollte aber doch nicht gerne etwas unversucht lassen – Wære es nun wohl möglich, dass Möller hier entweder bei der Universität, oder bei einer Schule eine Stelle erhielt – Ich weiss nicht an wem ich mich wenden soll – Er besizt mannichfaltige Kenntnisse, in der griechischen Sprache, in der Naturwissenschaft – wie bekannt – in der Geschichte und ist ein sehr guter Mathematiker, so dass es gewiss ist, dass man an ihm, bei der grossen Seltenheit tauglicher Catholiken, eine sehr tüchtige Acquisition machen würde. Die Catholiken würden allen Grund haben mit diesen eifrigen Renegaten zufrieden zu sein. Schreib mir doch darüber, lieber Freund! wenn auch nur ein paar Zeilen. Leider kann ich den Brief noch nicht schliessen. Gestern war er fertig und gestern Abend sprach ich den RegierungsRath Neumann, der zur academischen OrganisationsCommission gehört. Er sagte mir es wære der Anschlag zur Einrichtung des physikalischen Institut schon seit 3 Wochen in Berlin, er fürchtete man würde diese Sache wie s o v i e l e andere – auf über zwanzig Sachen ist man Antwort schuldig – liegen lassen. Meine Lage würde dadurch im höchsten Grade unangenehm, ich gelte für einen Schwærmer, für einen Naturphilosophen zum zweitenmal habe ich experimentale Physik angeschlagen, und sollte sie nicht lesen

68

250

68v

Briefe 3753–3754

können. Eine Universität würd errichtet und in dem e r s t e n ganzen Jahr würd keine Physik gelesen – Ich bin offenbar persönlich compromittirt | dadurch, denn Mittel dagegen giebt es nicht da ich leider nicht ein Local für Sammlung und Auditorium miethen kann. Hätte ich das Geld ich thäte es gleich. So bleibt mir nichts anders übrig, als eine öffentliche Erklærung, dass ich, als ich herkam, nicht, wie ich erwarten musste, ein Local für die Vortræge der Physik fand, auch keine Instrumente, dass ich daher im ersten Halbenjahre nicht hätte lesen können, dass man mir zwar die Summen zur Anschaffung des Apparats, aber, mein wiederhohltes Treiben unerachtet, seitdem noch kein Local angewiesen hat, so dass ich mich leider in der Lage versezt sehe, zum zweitenmahl, meiner öffentlichen Ankündigung ohnerachtet, nicht zu lesen – Du kannst dir meine Ungeduld denken. Mahnen kann ich nicht mehr, ich habe an Süwern und Schulz weitläufig geschrieben – In sechs Wochen gehen die Vorlesungen an – Fast ein Jahr habe ich mich zu dieser Vorlesung – die geschichtliche Entwickelung der Hauptlehren der Physik, mit allem Fleiss vorbereitet – Euch kostet es nur eine Stunde um die Sachen zu überlegen – Wolltest du mir den Gefallen thun, da du dich doch wohl nicht damit befassest, Süwern daran zu erinnern – Denn ich sehe wohl es geschieht hier nichts, ehe man aus Berlin Antwort erhält. Die angewiesene Summe habe ich fast ganz angelegt, und eine recht gute Sammlung ist da – Und doch soll ich nicht lesen können! – So werde ich tantalisirt. – [Hanne Steffens:] Viel viel Glück lieber guter Schleier und liebe Henriette zu dem kleinen Töchterchen! Der Himmel erhalte Sie, und lasse Euch viel Freude daran erleben, auch dir liebe Nanny viel Glück!

3754. Von Luise von Willich, Friedrich Samuel Theodor Pritzbuer und Charlotte Pistorius (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Poseritz und Garz, Sonntag, 1.3. (oder früher) bis Sonntag, 8. 3. 1812 O gerne Du lieber Bruder will ich noch einge Wochen warten, da Du mir eine so große Freude gemacht hast. 3754. Überlieferung: H: BBAW, SN 428, Bl. 81–83. Zur Datierung vgl. Brief 3747, in dem Luise von Willich den Wunsch äußert, Schleiermacher möge sich durch Frau Alberthal malen lassen, und zugleich Alexander von der Marwirtz erwähnt, der 1814 fiel. Als Jahr, in dem der 8. März auf einen Sonntag fällt, kommt so nur 1812 in Frage.

115

120

125

130

135

2. 3.–8. 3. 1812

5

10

15

20

25

30

35

40

251

Wie ähnlich ist das Bild, beim Munde doch so als wenn ich Dich selbst sehe nur in den Augen fehlt mir etwas. Denn wenn ich mir Dich denke, selbst auf dem Katheder, und im tiefdenkenden Ernst, so fehlt mir doch etwas was sich nicht nach sprechen läßt, was sich aber wohl durch den Pinsel bezeichnen wollte wenn ich zeichnen könnte, die Alberthal würde grade das fehlende auch nicht verlohren haben – indeß mir schadet nicht, ich denke mirs immer noch hinzu, und dann ist mirs als sähe ich Dich lebendig vor mir. Nun soll ich Schach mit Schlichtkrullen spielen, ich bliebe sonst noch gern ’n bischen bei Dir. Es ist Sontag der erste Märtz, Heute Morgen konnte ich nicht zum schreiben kommen, nun ists 7 Uhr Abends, ich habe eben The eingeschenkt, und nun muß ich den Schachtisch holen, ich mögte wohl mit meinen runden niedlichen Schachpuppen ein Mal mit Dir spielen. | G a r t z Sontag, den 8ten Märtz. Morgens nach 8 Uhr. Lotte und ich haben eben das Kaffe Stündchen vor des alten Vaters Bette gehalten, der liebe Alte rauchte Gemüthlich sein Pfeifchen. Lotte und ich machten Zwirnspitzen, zum Verkauf für unsre Armencaße! Der Alte plaudert und freut sich des Lebens, er ist wohl, und will am stillen Freitage wieder predigen, Gott stärke ihn. Dein Bild hat hir viel Freude gemacht wir brachten es Mittwoch den 4ten März selbst her. Mondtag den 2ten März schickte ich das Götemitzer mit einen Bothen ab; weil ich nicht ganz sicher war, ob Mutter oder Tochter, Lotte Kathen es haben sollte, so schickte ich Deinen Brief dabei, beikommender Brief wird Dir sagen weßen Eigenthum es geworden sie haben es gleich so angenommen und ich bin nun ruhig, wolltest Du es ändern so bleibt es ja bei ihnen, wenn auch Lotte Tochter es haben sollte. Übrigens fanden sie dort das Bild nicht so ähnlich wie ich, wir reisten nehmlich gleich denselben Nachmittag noch nach Götemitz, Lotte schrieb sie sei nicht wohl, und bat wir mögten bald mal kommen und Schlichtkrull lies anspannen. Wir trafen sie einmüthiglich 5 Uhr bei The, und es war ein hübscher Abend. Mittwoch brachten Schlichtkrulls mich nach Garz. Ich war so lange nicht gründlich hir gewesen, und bleibe nun bis zum nächsten Mittwoch, dann bringt Lotte mich wieder nach Poseritz. Deinen Brief, hatte ich dem lieben Vater schon voraus geschickt und brachte ihm nun Dich selbst. Denke Dir meine | Freude lieber Schleiermacher daß Alle das Bild so recht ähnlich fanden wie ich, und dieselbe Freude daran hatten, Alle, Vater Lotte Pistorius und Christian. Lotte sah

81v

82

252

82v

Brief 3754

Dich an und lachte und sagte, „Luise er fängt an zu sprechen.[“] Der Alte schob die Mütze noch ’n bischen schiefer, und sagte, ja ja das ist der alte Schleiermacher. Pistorius lies den ersten Sturm vorüber gehen, dann betrachtete er es sich still, damit neben dem Clavir stellend, und das rechte Licht wählend. „Ja das ist ein schönes Stück, es ist sehr ähnlich“ es stieg ordentlich die schwache Stimme, und etwas begeistert rief er mehrere Male „es ist sehr ähnlich“ auch das Auge fand er schön getrofen, er sagte er kenne grade diesen Blick ganze bei Dir, es sei der tiefe schöne Ernst den Du habest. Dann wurde es Christian gegeben, er sah es lange still an, und nikte ernsthaft und freundlich abwechselnd wärend er es betrachtete; dann sagte er „Es kann gar nicht ähnlicher gestochen werden“ Ein wenig zu s t a r k ists freilich, und Lotte sagt ich habe recht, daß es läßt als habest Du eine Stürtze untergeknüpft. Die mögte ich Dir gern weg nehmen dann wäre es gut. Ich soll dem alten Vater so viel Raum laßen daß er Dir noch danken kann, er liegt noch im Bette, und ich und Lotte schreiben hir bei ihm, eben sagte er mirs. Auch daß Du an die Kinder Briefe dachtest danke ich Dir so freundlich lieber Bruder Du weist es gewiß wie mir zu Muthe ist, und nichts wird dieses Gefühl aufheben | können. Ich bin so recht herzlich oft bei Euch lieber Schleiermacher liebe Jette, Ihr könnt es so nicht wißen. In der lezten Zeit, liebe Jette, mit besondrer Zuversicht und Vertrauen! ich weiß nicht woher mir diese Freudigkeit kömt, denn dieses ist ja keine Sache des Willens, und ich besonders kann mit dem Willen dazu immer nichts ausrichten es komt mir unmittelbar wie eine Gabe Gottes, so nehme ich auch dieses an mit Dank und Glauben. Es ist wohl Dein Geburtstag der mein Herz so innig gläubig freudig bewegte liebe Schwester! und ich habe ihn gefeiert, mit reiner Liebe im Herzen, und mit dem erquickenden Glauben an Deine Liebe, und eine stille Hoffnung sagt mir immer, ich werde weiter kommen im Guten, und ablegen was nicht zu leiden ist an mich. Den 6ten März stand ich früh auf liebe Jette, Lotte weckte mich, und setzte sich noch’n bischen bei mir aufs Bette, dann backte ich Kuchen, wir hatten grade an diesem Tage, die Zeichnung unsrer Lotte für die Armencaße. Dann hatte Lotte sich noch mit den Nummern herum zu schlagen, und ich hing die einge 70 Gewinne nach den Nummern auf hinein in den Saal, wo die Verloosung sein sollte. Damit ging der Vormittag hin. Mittags tranken wir Deine Gesundheit, dann aber auch Schleiermachers. Um 3 Uhr versammelte sich die Garzer Weibliche Jugend die Arbeiten geliefert hatten und Loose genommen. Dann dauerte die Geschichte bis es 57 daß] das

45

50

55

60

65

70

75

8. 3. 1812

80

85

90

95

100

105

253

dunkel war, die ÐReegerÑ und ÐResensÑ waren auch gekommen – zulezt ward einem doch zu Muthe wie im Garmarkt, so erschöpft. Den Abend wurde gespielt ein e i n z i g e r m i t t e l m ä ß i g e r junger Herr und 15 junge Mädchen, spielten m i t t e l m ä ß i g e Creisspiele | worauf Lotte und ich The, Suppe u.s.w. besorgten und so war der Tag beschloßen Der Alte ist auf gestanden lieber Schleiermacher und hilft mir schon wieder denke ich einen leeren Raum zu laßen. Lebe wohl, und habe Dank für alles Gute was ich durch Dich habe Luise.

83

Liebe Jette vergiß doch nicht mir auf Schleiermachers Nachtkammisolen zu antworten, ob sie etwas feiner zusammen sein sollen oder wie das lezte. Auch mögte ich so gern einen Masstrumpf für Jettchen haben um ihr zum nächsten Winter einige par Strümpfe zu stricken – es ist wohl beschwerlich das nun schon zu fordern aber ich habe meinen Grund dazu Dann liebe Jette haben wir Johannes Markt dies Jahr früher wie sonst. Soll ich Dir auch etwas kaufen? so sag es mir recht zur rechten Zeit. Z. B. Katun zu Decken? oder Batistmuslin? zu 12–16 Ðsl.Ñ oder 6–8 Groschen, bekömt man den Katun oft sehr gut, und dann zu 8 ÐslÑ zu Unterfutter – Die Auslage will ich recht gern machen. Zu tägliche Kleider für die Kinder us.w. Jettchens Kleid kostet 16 ÐslÑ die Elle zu Decken kann er aber wohlfeiler sein. Du glaubst nicht wie oft ich an Euch denke wenn hir oft so wohlfeil ist was bei Euch so viel kostet – Zucker Kaffe us.w. Butter und Wurst alles mögte ich Dir schicken und kommen nun die Spargel dann geht gar meine Noth an die steche ich und mögte sie euch ÐzuÑ pusten. Laß mir nur auch zur rechten Zeit wißen wenn Du etwas willst, w a s und w o z u Du es willst. Deine Luise Von Willich habe ich noch auf das Bild keine Antwort, Sophie grüßt und dankt herzlich |

110

115

[Pritzbuer:] Luise Willich hat mir Ihr Bildniß eingehändiget, mein theurer Hochverehrter Freund! Wie herzlich danke ich Ihnen für dieses Andenken, als einen Beweiß, daß Sie mich unter die Zahl Ihrer treuen und ergebensten und Hochachtungsvollen Freunden rechnen. Zum ÐinnerenÑ Andenken und Festhalten an dem was Sie mir sind, treulich, bedurfte es nicht. Aber wie Sie wißen, das äußere Bild, gibt auch für mein einzig brauchbares Auge, stündlich und so oft ich es ansehe, neuen Reitz und

83v

254

Brief 3754–3757

Auffrischung zum Innern – Also noch einmahl herzlichen Dank! Mein Wunsch wäre nun wohl – Sie denken schon was ich sagen wolte – Ja! wäre ich so in Berlin! Nun, wäre es das einzige fortwirken nur oder ein einziger Abzug, gewiß wäre es das Ihrige, und der zweyte meinem Ahrndt gewidmet. Doch! ich habe genug, und mehr als ich verdiene nur im Andenken zu leben; vielleicht ist auch das für den morti maturus vollkommen hinreichend. Leben Sie herzlich wohl und gesund mit den Ihrigen die Sie auf der Welt haben. Die Veränderung mit unserm consistorio ist erfolget – die Ansichten von dem hiesigen Clerus? O! davon muß ich schweigen. So lang ich lebe der Ihrige Pritzbuer [Pistorius:] Nur dieser kleine Raum bleibt mir meinen besten Gruß und eine gehorsame Bitte meines Schwagers herzusetzen – nehmlich, den Reimer zu ersuchen noch 10 Exemplare seiner Übersetzung von der es sehr Schade ist, daß sie so oeconomisch gedruckt ist, zu übersenden. Er hoft sie noch anzubringen

3755. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 8. 3. 1812 8 März 1812 No 54. Am 12 Februar zweites Kind geboren

Wilhelmine Luise Spalding sei krank. Über Caroline Schede. Von der Reise nach Rügen lasse sich noch nichts Bestimmtes sagen. Er wolle auch an Charlotte Pistorius schreiben.

121 maturus] matturus

130–132 Exemplare … anzubringen] am linken Rand

3755. Überlieferung: h: BBAW, Archiv, Nachlass Dilthey, 116/2. den Brief 3765.

Zum Regest vgl.

120

125

130

8. 3.–11. 3. 1812

255

3756. Von Philipp Wilhelm Wolf. Zossen, Sonntag, 8. 3. 1812

5

10

Sie nehmen einen so freundlichen Antheil an uns, als daß ich Ihnen nicht früh die Nachricht mittheilen sollte: Meine Frau ist gestern den 7ten früh recht glücklich von einem Knaben entbunden und befindet sich recht wohl. Diese Nachricht wird vielleicht auch die Zuversicht, mit welcher Ihre edle Gattin einer nahen Stunde dieser Art entgegensieht stärken. Möge sie dieselbe auch recht glücklich überstehen! Ach, um die Zeit, da wir in Berlin waren, litt meine Frau an rechter Beklommenheit des Herzens beim Gedanken an diesen Berg, den sie vor | sich hatte. Nach und nach ward ihr Gemüth heitrer und vertrauenvoller. Sie grüßt Sie und die lieben Ihrigen herzlich und ich bitte Sie uns in Ihrer uns unschätzbaren Gewogenheit zu behalten. Wolf. Zossen 8 März 12.

3757. Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Mittwoch, 11. 3. 1812

5

10

An Herrn D. Schleiermacher Ich habe in langer Zeit nicht an Sie geschrieben und kann daher von der Anhänglichkeit, die Sie immer an mich und auch an Stolpe hatten, erwarten, ein Brief aus Ihrem ehemaligen Wohnorte werde Ihnen einmal wieder von mir nicht unangenehm seyn. Ich befinde mich mit den Meinigen im erwünschten Wohlseyn, und auch aus einem großen Unglück, woran wir viel Antheil nahmen, hat für uns ein herzliches Vergnügen gedeihen müßen. Der unglückliche Todesfall des Hofbauraths Gentz bestimmte seine trostlose Witwe an dem Busen ihrer Freundinn, meiner Frau ihren Schmerz zu verweinen. Sie kam daher vorigen Herbst mit ihrer Mutter zu uns, und beide sind zu unserm großen Vergnügen bis jetzt bei uns geblieben. Wir hätten die würdigen Frauen noch gern länger bei uns behalten, aber wir sind auch so mit einem 3756.

Überlieferung: H: BBAW, SN 433, Bl. 5.

3757.

Überlieferung: H: BBAW, SN 330, Bl. 57 f.

6 sie] Sie Mit einer Quittung.

5v

256

57v

58

Briefe 3757–3758

Vergnügen, das doch über 4 Monate gedauert hat, zufrieden, und werden sie künftige Woche mit den besten Segenswünschen von uns scheiden laßen. | Sie sahen vorigen Sommer Albertine verehlichte von Schönermark in Berlin; die Gute hat diesen Winter viel gelitten, aber ist durch Gottes Güte jetzt nur noch schwach, nicht im geringsten mehr krank. Sie soll guter Hoffnung seyn. Es ist möglich, daß Sie künftigen Sommer auch ihre älteste Schwester die Frau von Zitzwitz in Berlin sehen. Die gute Frau hat ein ganzes Jahr über gelitten, und dürfte zur Befragung der dortigen Aerzte vielleicht nach Berlin reisen. Ihre älteste Tochter habe ich diesen Winter über im Katechumenen- und besondern Religionsunterricht gehabt, und werde sie nebst den übrigen Confirmanden Sonntag über 8 Tage in der Kirche einsegnen. Sie hat mir viel Freude gemacht, weil sie eine so aufrichtige Seele und so lernbegierig, aufmerksam und fleißig ist. Jedoch an den meisten meiner Katechumenen habe ich wahre Freude, die größte aber an einem kleinen armen Mädchen, deßen Eltern leider, leider nicht zu den verworfensten gehören, sondern die verworfensten sind. Dieß Kind ist bei mir an 5 Jahr im Unterricht gewesen und besitzt einen Vorrath von neutestamentlichen theoretischen und praktischen Begriffen in solcher Klarheit, daß ich mein Ergötzen daran habe. Eine solche | Lust hatte ich neulich; ich fragte nach der Dankbarkeit; keiner konnte mit ihrem Begriff fertig werden. Sie aber fieng gleich an: Dankbarkeit ist Erkenntlichkeit, und der Dankbare erkenntlich, nemlich er erkennt eine empfangene Wohlthat für ein wichtiges Gut, und sagt nicht wie ein ungenügsamer, das ist eine Kleinigkeit, soll ich ihm da noch groß für danken; ferner für ein unverdientes Gut und sagt nicht wie der unbescheidene, die Wohlthat mag groß seyn, aber ich habe ihm auch Gefälligkeiten und Dienste genug erwiesen; und endlich für ein aus Liebe verliehenes Gut, und sagt nicht, wie der argwöhnische, die Wohlthat mag groß, auch unverdient seyn, aber er hat es bloß aus Stolz gethan. Dankbarkeit also entspringt aus 3 Tugenden, aus Genügsamkeit, Bescheidenheit und aus der alles glaubenden Liebe. Wenn ich dieß trefliche Mädchen allein habe, so warne ich sie, ihren Eltern nachzuahmen, und wenn sie nicht da ist, stelle ich sie den andern als Muster auf, und sage ihnen, das ist sie geworden bei ihren Eltern, was würde sie erst geworden seyn, hätte sie eure Eltern gehabt. Wie schlecht nemlich ihre Eltern sind, wißen alle, und ich kann es grade heraus sagen, und daß das Kind sie alle an Kenntnißen übertrifft, wißen sie auch alle, und da es ängstlich-bescheiden ist, so gönnt ihm jeder ohne Neid diesen Vorzug.

15

20

25

30

35

40

45

50

11. 3. 1812

55

60

65

70

75

80

257

Vorigen Sonnabend war der Major von Bandemer bei uns, ein alter Mann von viel Bildung und Erfahrung, und von einer aufrichtig christlichen Denkungsart, der uns viel von | Ihrem Vater, der sein Vertrauter gewesen und noch immer bei ihm im theuren Andenken ist, erzählte. Auch Büntingh war diesen Winter oft bei uns, und sprach viel von Ihnen, und Ihren so tief durchdachten, aus Ihrem Innersten strömenden, und mit ihrem den vorschwebenden Gegenstand durchdringenden Auge und Blick begleiteten Vorträgen, an denen er jedoch eins vermißt hätte, – das Christliche. Das wüßte sie nicht, entgegnete meine Tante; sie fände grade Ihre Vorträge ächt orthodox und christlich, und Sie hätten auch in Ihrer Antrittspredigt bei der Dreifaltigkeitskirche gesagt, Sie würden nichts anders lehren als das neutestamentliche Christenthum. Diese Behauptung meiner Tante war dem Büntingh merkwürdig, aber höchst erfreulich, indem er es für überaus wichtig in unsern Zeiten hielten, wenn ein solcher Geist dem Evangelium huldigte. Büntingh hat 1/2 Meile von Stolpe sich angekauft, und zieht über 4 Wochen sein Gut an, was mir sehr lieb ist, indem ich ihn nun oft besuchen kann, und er mich. An Ihrer Kritik der Sittenlehre habe ich diesen Winter wieder meine Geistesweide gehabt; Ihre Predigt über das Leben und Ende des Trägen hat mich, so fern sie die Sache traf, innig ergötzt, so fern sie mich traf, innig beschämt. Haben Sie doch die Gefälligkeit, die beiliegende Quittung dem Rendanten Baumbach, deßen Straße und Hausnummer in seinem Briefe unbemerkt geblieben ist, zu schicken. Die Meinigen empfehlen sich mit mir Ihnen und Ihrer lieben Frau, der ich mit wahrer Verehrung und Hochachtung bin Ihr ergebenster Metger. Stolpe den 11t Maerz 1812.

*3758. Von Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Vor Mitte März 1812

62 Ihre] ihre *3758.

66 hielten] hielt

Erschlossen aus Brief 3759 von Mitte März 1812.

58v

258

Briefe 3759–3760

3759. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Mitte März 1812 Schade liebster Graf daß gerade jezt sich eine sichere Gelegenheit findet wo ich wenigstens ganz eingenommen bin von Indignation über die neuesten Begebenheiten oder vielmehr Nichtbegebenheiten und ich das, wovon ich fest überzeugt bin daß es geschehen müßte, auch der sichersten Gelegenheit nicht mitgeben, ja kaum Ihnen ins Ohr leise sagen möchte. So wie man einem Menschen nicht wünschen mag länger zu leben wenn er eine unauslöschliche Schande auf sich geladen hat: so auch dem Staat nicht wenn er dies duldet. Es giebt Beschimpfungen welche zu rächen auch der Staat seine Existenz gradezu aufs Spiel sezen und alle die ihn daran hindern wollen niederrennen muß. Über die Sache selbst und die beschimpfenden Umstände wovon sie begleitet ist und die widersinnigen Maaßregeln die man ergriffen hat[,] rechne ich[,] unterrichtet Sie unser Freund der Graf von Wundlaken vollständig. Und | über etwas anderes kann ich kaum schreiben. Alles Alte liegt mir unendlich fern seit die Entwikelung mit so großen Schritten naht ja ich begreife kaum wie ich noch bei den Beschäftigungen aushalte welche auf einen Zustand berechnet sind von dem wahrscheinlich in vierzehn Tagen keine Spur mehr übrig ist. Ueber mich selbst bin ich sehr ruhig. Ich gehe nicht weg, wenn ich nicht als Staatsdiener den ausdrüklichen Befehl dazu bekomme. Rükken die Franzosen freundlich hier ein so erscheint es mir als eine sträfliche Beleidigung des Königs, ja als eine wahre Felonie wenn ich meinen Posten verlassen wollte von der Voraussezung aus, daß er nicht im Stande sein werde seine Staatsdiener zu schüzen. Rükken sie feindlich ein so besorge ich erstlich gar nicht nach ihrer bisherigen Praxis in Gegenden welche sie völlig unter ihr Regiment nehmen, was doch unstreitig geschieht, daß Einzelne für frühere Handlungen sogar – und Handlungen habe ich ja leider nicht einmal aufzuweisen – etwas sollten zu besorgen haben. Hätten sie es aber auf mich ganz besonders gemünzt | was doch wirklich nicht zu begreifen wäre so kann ich ihnen in einer andern Provinz eben so wenig entgehn und mich zu expatriiren kann mir niemals in den Sinn kommen. Wozu sollte ich also meine Familie im Stich lassen und sie durch Entweichung tausend Unannehmlichkeiten und Aengsten aussezen die wahrscheinlich gar nicht eintreten wenn ich hier bleibe. Ich bin übrigens auf alles gefaßt und soll mir etwas menschliches begegnen: so lebe ich der 3759. Überlieferung: H: GStA, Fürstliches Hausarchiv Dohna, 2160; D: Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna, S. 40–42 (gekürzt) 14 mir] folgt 〈s〉

5

10

15

20

25

30

Mitte März 1812 35

40

45

50

55

60

259

Zuversicht daß alle meine Freunde den Meinigen an Trost und Unterstüzung leisten werden was in dieser Zeit möglich ist. Ich habe das nur ausgesprochen der Möglichkeit wegen denn eigentlich ist mir gar nicht zu Muth als ob mir jezt dergleichen bevorstehe wenn gleich ich nicht zwei Schritt in die Zukunft zu sehen wage. – Den spaßhaften Umstand daß grade an dem Tage, wo die Nachricht angekommen war, der Staatskanzler mich und grade mit den ausgezeichnetsten antifranzösischen Leuten Scharnhorst Gneisenau Boyen Rediger zu Tische geladen hat kann ich Ihnen doch nicht verhehlen. Er hat mir sogar ein Paar Worte gesagt die sich auf Aufträge bezogen welche mir Gneisenau bei meiner lezten Schlesischen Reise gelegentlich gab. Unsere Freundin war im hiesigen Ð Ñ | Ð Ñ schon ehe ich Ihren Brief erhielt, und ich habe also in diesem angenehmen Geschäft gar nichts thun können. Meine Frau hat am 12ten Februar ein zweites Töchterchen leicht und glüklich geboren und befindet sich mit dem Kinde sehr wohl. Dieser häusliche Umstand, und das Zusammendrängen der Gegenstände gegen das Ende der Vorlesungen und mehrere gesellige Zerstreuungen die sich in dieser Jahreszeit häufen sind Ursachen daß ich nicht wie ich mir fest vorgenommen hatte ehe noch von einer Gelegenheit die Rede war einen ausführlichen Brief habe allmählig anfertigen können. Glauben Sie übrigens von meinem Fleiß und dem Segen mit dem ich arbeite recht viel Gutes. Die Meinigen empfehlen sich Ihnen aufs herzlichste. Ihrer vortreflichen Mutter die so viel schändlicherweise gelitten hat lege ich mich auf das ehrerbietigste zu Füßen. Möchten wir bald und Gutes von einander hören Von ganzem Herzen und ewig der Ihrige. Schl.

3760. Von Unbekannt. Vor dem 20. 3. 1812 ich werde am Mittwoch Abend sehr gern von der Erlaubniß sie zu besuchen Gebrauch machen. 46 Ð Ñ | Ð Ñ] sekundär sorfältig durchgestrichen 3760. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 10v. Rückseite eines Zettels über Porphyrius (Schluss der alten Philosophiegeschichte im Wintersemester 1811/12). 1 sie] Kj. Sie

260

Briefe 3761–3764

3761. Von Unbekannt. Vor dem 20. 3. 1812 Ew Hochehrwürden bitte ich um die Erlaubniß, Ihnen hiebei einige Flaschen Wein, in dankbarer Erinnerung an die frohen Stunden, welche Sie uns gestern geschenkt haben und mit dem Wunsche, daß er Ihnen wohlschmekke, übersenden zu dürfen und erneuere die Versicherung der innigen Verehrung, mit der ich Lebenslang zu beharren die Ehre habe Ew Ho[chehrwürden]

5

3762. Von Unbekannt. Sonnabend, 21. 3. 1812 […] bin ich so frei auf beiligenden […] Namen zu überschicken, wie […] war, und ersuche nochmals um […]maligen Aufkündigung, wog[egen] […]gung abstatten werde. […] empfehle ich mich, Den 21 Merz 1812.

5

3763. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Mittwoch, 25. 3. 1812 Herrn / Doktor Schleyermacher / in / Berlin / am 31 Merz / abzugeben [Bl. 2v] Gdfr d 25t Merz 1812 Daß ich bis jezt noch keine Nachricht von Berlin habe konte mich bekümmern – doch scheint es mir auch ein gutes Zeichen zu seyn – daß dort alles in erwünschter Ordnung ist – welches ich von ganzer Seele wünsche und hoffe – – meine lange Epistel wird wohl Nany mitgetheilt haben – ich 3761. Überlieferung: H: BBAW, SN 99, Bl. 38v. Rückseite eines Zettels, der in Schleiermachers Nachlass unter den Zetteln zur alten Philosophiegeschichte liegt (die Vorlesung schloss am 20. 3. 1812). Die Vorderseite des Zettels ist unbeschriftet. 3762. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 56v. Rückseite eines Zettels über Albertus Magnus und Petrus Hispanus (34. Stunde der neueren Philosophiegeschichte, Sommersemester 1812). 3763.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/13, Bl. 1 f.

5

Vor dem 20. 3.–25. 3. 1812

10

15

20

25

30

261

weiß es und schmeichle mir gar zu gern daß du an allem was mich betrift was ich treibe – kurz alles was mir trübes oder frohes begegnet herzlichen Antheil nimst – – In dieser Hinsicht melde ich dir auf diesem Blätchen – daß ich endlich nach 33 Jahren einmahl nach Breslau reise – Frau von Scheel die dort Geschäfte hat | nimt mich mit – sie verweilt nur 1 Tag – ich aber habe mich auf 8 Tage los gemacht, und werde durch die Stuer wieder hergebracht – Nur hindeuten will ich dir – den Ort wieder zu sehn wo ich nicht nur – gebohren – sondern die ersten 13 Jahre meines Lebens so froh als möglich verlebt – durch unsre guten selgen Eltern so manichfaches Gute genoßen die ersten Kentniße gesamlet die ersten guten Eindrüke bekommen – die ersten Freundtschaften geschloßen – die noch unerschüttert geblieben – die Wunstern und Schmidt haben mich seit jenem Ersehn in | Stein – wirklich recht bestürmt auch freue ich mich die alten Freunde der selgen Mutter zu sehn und in ihrem Anblik ihr Andenken segnend zu ehren ich werde einen Sontag dort bleiben und wünsche Gass predigen zu hören – – Wäre es ein anderer Ort – so wäre es mir nicht lieb an meinen Geburtstag nicht hier zu sein aber das sichs so fügt daß die Scheel den 2 Feyertag, reist so freue ich mich diesen Tag dort zu verbringen. Da auch die gute Schmidt ihn hat – d i e s e liebt und schezt Dich gar sehr! ich werde sie ganz vorzüglich grüßen – Nun so lebe wohl! und denke auch in jenen Tagen Deiner alten Lotte. Auch in Breslau tönet mein Dank aus des Herzens Tiefe Dir mein Guter, für alle Wohlthaten die ich in diesem Jahre durch dich genoß – Dank! Dank!

3764. Von August Twesten. Hamburg, Mittwoch, 25. 3. 1812 Hamburg den 25st. März 1812 Ein mich sehr betrübender Umstand macht es mir wünschenswerth, meine Reise nach Berlin zwar nicht aufzugeben, aber doch bis zum folgenden Semester aufzuschieben. 27 f so … Lotte.] am linken Rand 29–31 Auch … Dank!] vom linken Rand von Bl. 1 auf den linken Rand von Bl. 1v überlaufend 3764.

Überlieferung: H: BBAW, SN 408, Bl. 9.

1v

2

262

9v

Briefe 3764–3765

Mein Bruder, durch ungünstige Umstände in eine eben so verwickelte als ihm unangemeßne Lage versetzt, hatte bey der Reihe von Unglücksfällen, welche diese kleine Republik im Ganzen, so wie jeden ihrer Bürger im Besondern getroffen haben, seine frühere Heiterkeit so sehr verlohren, daß es mich oft schon traurig gemacht hat. Vor kurzem fand er Gelegenheit, seine gesammten Geschäfte einem andern zu übertragen, um sich alsdann seinem Wunsche gemäß in den dänischen Theil von Holstein begeben zu können. Wiewohl mir nun der plötzliche Uebergang von einem geräusch- und geschäftvollen Leben in die Einsamkeit bey seinem Gemüthszustande nicht unbedenklich schien, so hoffte ich doch viel davon, daß er nun von so mancherley Unannehmlichkeiten sich frey fühlen würde. Jetzt aber hat sich zu der geistigen noch körperliche Krankheit gesellt. Er ist vom Blutsturz befallen worden, der sich jetzt freylich durch die Bemühungen eines geschickten Arztes gelegt, aber doch noch immer Gefahr und eine große Schwäche der Brust zurückgelassen hat. Es wird mir fast unmöglich, meinen einzigen Bruder, der hier weder Verwandte noch denn Freunde hat, allein zu | verlassen, weil ich fürchte, daß er den vereinten Angriffen von Körper und Seelenkrankheit erliegen mögte; er ist dazu die einzige Stütze meiner alten Aeltern, die Sorge für welche mit ihm theilen zu können, wie ich bisher gekonnt habe, ich, wenn ich jetzt nach Berlin ginge, fürs erste wenigstens nicht rechnen könnte. Gerne also bliebe ich diesen Sommer, bis ich meinen Bruder als wieder hergestellt ansehen könnte, hier. Auf der andern Seite aber fürchte ich, daß Sie vielleicht Schritte gethan haben könnten, nach welchen es Ihnen unangenehm seyn müßte, wenn ich nicht käme; und alles mögte ich lieber, als Ihnen eine unangenehme Empfindung verursachen. Natürlich mögte ich über dieses letzte gerne Gewißheit haben. Um Ihnen aber die Mühe des Schreibens zu ersparen, wenn Sie vielleicht durch andere Geschäfte abgehalten würden, habe ich Ritter gebeten, zu Ihnen zu gehen, und ich bitte Sie, wenn Sie selbst zu schreiben nicht Zeit haben, diesem mitzutheilen, was Sie mir darüber vielleicht zu sagen haben. Aus doppeltem Grunde wünsche ich nun, daß der Sommer schnell eilen möge, um meinen Bruder gesund, und Sie alsdann wieder zu sehen. Mit der innigsten Verehrung und Liebe August Twesten.

5

10

15

20

25

30

35

40

25.3.–30. 3. 1812

263

3765. Von Luise von Willich und Charlotte Pistorius. Poseritz, Montag, 30. 3. 1812

5

10

15

20

25

30

35

Poseriz den 30t März –12 Lieber Bruder, Gestern erhielt ich Deinen Brief und darin die erste Nachricht von Jettchens Entbindung, ich bin viel mit meinem Herzen und meinen Gedanken bei Euch gewesen, und ich und wir alle freuen uns herzlich der guten Nachricht. Grüße Jettchen freundlich von mir. Auch an ihrem Geburtstage habe ich ihrer gedacht, und meine Arbeit war s o fertig, daß sie noch zur rechten Zeit in Berlin gewesen wäre wenn die Posten gingen, nun liegt es hir, und wartet nebst meine Dir noch schuldigen 2 Bildern auf eine sichre Gelegenheit. Die Nachricht von der lieben Spalding hat mich tief im Herzen betrübt! sollte sie wohl jetzt todt sein die liebe herzliche Frau? – ach Schleiermacher ich bin recht traurig um sie! aber m ö g l i c h ist es doch daß sie lebt, die Langhans war ja so elend und genas, doch hat die theure Spalding auch wohl die Lebenslust die jene hatte? und wodurch sie vielleicht erhalten wurde – ach sie sehnte sich so nach der ewigen Vereinigung mit ihren Spalding, ich vergeße die schönen Stunden nicht die ich einen Abend bei ihr war, wie Du mich noch abholtest – ihr Schmerz löste sich so milde auf in Trähnen! wir sprachen nur von den Geschiednen Lieben, wenn ich | gehen wollte zog sie mich wieder schweigend und freundlich zu sich nieder – und ich blieb so gern. Sie hatte einen so schönen sichern Glauben an den Wiedersehen der Geliebten, „Kein Zweifel kömt d a r a n in meine Seele“ sagte – o lebte sie doch die theure Frau! wäre ich doch öfters bei ihr gewesen, sie hatte mich wirklich lieb, und ich ehrte sie so innig. Ich bitte Dich sage mir so bald Du kanst ob sie in unsrer lieben bekanten Welt noch geblieben ist! ist sie aber todt, dann gebe Gott ihr die Erfüllung ihres Glauben und stärke durch sie den Meinigen! Lebt sie! dann grüße sie so innig von mir wie Du weist daß ich sie verehre. Ist sie todt? ach Gott wie viele werden traurig um sie sein – Die guten Sells, der arme Müller – guter Bruder reiche mir nur freundlich immer die Hand, ich bin nicht heftig Du sollst mich nie wieder so finden daß Du Dich schweigend von mir wendest nie wieder, gewiß nicht, Siehe da hast Du meine Hand darauf, und frag meine Lotte ob ich Wort gehalten – ich habe wohl gehoft D u solltest mein Arzt sein, Du weist ich habe Dich lieb als Arzt und vertrau Dich sehr – allein Du kannst ja nicht, so will ich mich selber helfen – und Du sollst doch noch ein mal mit mir zufrieden sein. 3765.

Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 82 f.

26 Erfüllung] Erffüllung

82v

264 83

33v

Brief 3765–3769

Wie mag es Dir Persöhnlich gehen in dieser | Zeit? – Die Acten liegen also doch noch auf den Fenster? – zuweilen fallen mir Deine Träume ein – doch recht lebhaft nicht, dafür muß ich mich hüten. Wenn Dir etwas schweres träfe dann mögtest Du mich wohl nicht sehen, auch nicht wenn ich Wort hielt? dann doch wohl? – Wie hat mich die Nachricht von der lieben Caroline erfreut, wenn doch die Reise keinen Nachtheil für sie gehabt hätte, grüße sie herzlich! auch Carl und Wilhelmine, thue es auch, ja? Laße doch den Rosenstock nicht vergehen, ich bitte Dich! Die Spalding hat ihn gepflanzt, sei nicht gleich so unfreundlich gegen ihm, ihn aus Dein Zimmer zu verweisen weil er im W i n t e r keine Rosen bringt, im Frühling blüht er desto schöner wieder. Lebt er noch und steht er nicht schon vor der Hoffthüre, so nim ihn wieder auf, du solltest nur sehen er wird sich dankbar zeigen. Daß sich von Eurer Reise nichts b e s t i m t e s jezt sagen läßt glaube ich leider wohl, doch nim uns nicht ganz die Hoffnung – h i r ist es s o schlim nicht, der Frühling kömt, wir säen und pflanzen und das thun nicht ein mal die Lilien auf dem Felde, und unser Himlischer Vater ernähret sie doch! Dein Wein liegt auch noch im Keller! und die Hüner legen viele Eier, und die Früchte wachsen auf die Bäume, und große Häuser haben wir und viele Betten groß und klein – wie freue ich mich | zu Euch Alle! Alle! ich muß auch wirklich das lezte kleine Muselchen sehen! Schleiermacher thue mir den Gefallen und sprich auch mal mit den Kindern von mir. Habt Ihr wohl Elsbetchen ein mal in der ersten Zeit nach mir gefragt? und zeigte sie dann nach der Thüre und sagte o o –? Das süße Kind Schleiermacher, ja Du wirst noch lange lange leben! Luise. Wohl mögte ich gerne wißen wie es jezt mit Friedchen und Jette ist? und ach mit der lieben Spalding. Sophie und Schlichtkrull grüßen tausend mal [Pistorius:] Sie haben an mich schreiben wollen mein theurer Freund und das ist mir schon genug! wie herzlich habe ich Ihre hohe Freude Ihr erneuertes Glück gefühlt! halb krank – (doch nicht bedeutend) raffe ich mich heute auf, mit meinem Pistorius und schwamm hirher – wo ich lange nicht war – das unerwarteste froheste, war Nachricht von Ihnen, mit der Luise mir gleich entgegen kam – wem der Himmel in dieser Zeit sich so segnend offenbahrt der ist wohl ein begünstigter desselben zu nennen! Doch auch wer an Alten Freude erlebt, wie mir an meinem 81 Jährigen Vater, der – auf einem Auge blind – sich kräftig aufrecht und sogar sich und uns heiter erhält – auch da darf nun Danck die Seele

40

45

50

55

60

65

70

75

März 1812

80

265

füllen! – Pistorius ist erträglich, ich selbst im Ganzen gesund – zwar ist unser Leben sehr still einsam aber es ist auch ruhig, und von drückenden Sorgen in diesem Augenblick frei – Gott sei gelobt dafür und er sei uns und unsrn Lieben allen ferner gnädig! Jettchens Brief habe ich erhalten – danken Sie ihr innigst dafür! Ch.P. [v. Willich:] Du must in meinem langen Brief ein Blatt ganz über sehen haben oder es ist auch verrißen. Am 2ten Februar schrieb ich Dir, Willichs glükliche zu Hausekunft, Sieh doch noch ein mal nach, es würde mich sehr unangenehm sein, recht sehr vatal – am 2ten Februar schrieb ich es

*3766. Von Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812

*3767. An Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812

*3768. An Johann Gottfried Hoffmann. Berlin, März 1812

*3769. Von Unbekannt („Nestor“). Berlin, März 1812 80 f Jettchens … Ch.P.] am linken Rand 82–85 Du … es] vom oberen Rand von Bl. 83 auf den oberen Rand von Bl. 82v, den unteren Rand von Bl. 83 und den unteren Rand von Bl. 82v überlaufend *3766. Erschlossen aus Brief 3771 an Savigny, der wahrscheinlich vom März 1812 datiert. Bei Nestor handelt es sich vermutlich um Johann Gottlieb Fichte oder Theodor Anton Heinrich Schmalz. *3767. Erschlossen aus Brief 3771 an Savigny, der wahrscheinlich vom März 1812 datiert. Bei Nestor handelt es sich vermutlich um Johann Gottlieb Fichte oder Theodor Anton Heinrich Schmalz. *3768. Erschlossen aus Schleiermachers Brief 3771 an Savigny, der wahrscheinlich vom März 1812 datiert. *3769. Erschlossen aus Brief 3771 an Savigny, der wahrscheinlich vom März 1812 datiert. Bei Nestor handelt es sich vermutlich um Johann Gottlieb Fichte oder Theodor Anton Heinrich Schmalz.

266

Briefe 3770–3772

*3770. Von Johann Gottfried Hoffmann. Berlin, März 1812

3771. An Friedrich Karl von Savigny. Berlin, wohl März 1812 Sie müssen mir den Gefallen thun mein theuerster Freund beiliegenden Briefwechsel zu lesen, der sich über ein Votum, das Ihnen auch zu Gesicht gekommen sein muß, entsponnen hat. Das Billet No 1 und meine Ant*3770. Erschlossen aus Schleiermachers Brief 3771 an Savigny, der wahrscheinlich vom März 1812 datiert. 3771. Überlieferung: H: Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 725/1271. Der in dem Brief nur angedeutete Konflikt könnte die „Affäre Brogi“ aus dem Jahr 1812 sein, in der sich Schleiermacher vor allem gegen Fichte positionierte, der 1811/12 Rektor der Universität war. Brogi, ein jüdischer Medizinstudent, war bereits Ende 1811 als Opfer eines studentischen Übergriffes, den er angezeigt hatte, aktenkundig geworden. Der hohe Wellen schlagende zweite Vorfall ereignete sich Anfang 1812 am Seziertisch: Brogi wurde von dem Studenten Klaatsch beleidigt und geohrfeigt. Auch hier reichte Brogi (vom Beleidiger sogar dazu aufgefordert) Beschwerde ein, und zwar beim Rektor (Fichte). Über die Art und Weise der Behandlung dieses Konfliktes und die Bestrafung des Täters und des (von den meisten als mitverantwortlich verstandenen) Opfers entbrannte ein Streit, in dem der Senat gegen den Rektor die Einberufung eines Ehrengerichtes verlangte und mithilfe des Syndikus Eichhorn auch durchsetzte. Fichte, der seine Position nicht gegen den Senat behaupten konnte und mit dem Urteil des Senats vom 29.1. (Androhung der Relegation gegen Brogi, Karzerstrafe für Klaatsch) nicht einverstanden war, erklärte am 14.2. seinen Rücktritt, nicht ohne der Universitätsschrift Schleiermachers von 1808 eine Mitverantwortung an der Verrohung der studentischen Sitten zuzuschreiben. Am 29.2. reichten einige Studenten beim Senat eine Bittschrift zugunsten von Klaatsch ein. Fichte teilte diese Eingabe am 1.3. sowohl der zuständigen Stelle beim Innenministerium, dem Departement für Kultus und öffentlichen Unterricht, als auch, in einem Zirkular, dem Senat mit. Die Senatoren notierten schon auf Fichtes Zirkular ihre Meinungen. Fichte leitete dies am 5.3. an das Departement weiter, und das Departement forderte den Senat am 8.3. zu ausführlichen Stellungnahmen auf. In ihren Voten beurteilten die Senatoren noch einmal die ganze Affäre; Hoffmann unterstützte eher Fichtes Position, Schmalz witterte subversive Geheimgesellschaften unter den Studenten, Schleiermacher sympathisierte mit Klaatsch und mit der studentischen Eingabe, und Savigny gab ein Rechtsgutachten ab. Fichte schickte am 11.4. die Voten samt einem kritischen Begleitschreiben an das Departement (vgl. dazu insgesamt Köpke: Die Gründung der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 107–109. 230–232; Lenz: Geschichte der Universität Berlin 1, S. 410–431; 4, S. 140–185). – Es ist wahrscheinlich, dass dieser Brief an Savigny – geht man so weit mit, ihn in das Umfeld der Affäre Brogi einzuordnen – noch vor Schleiermachers ausführlichem Votum vom 1.4. geschrieben wurde, da sich Schleiermacher in diesem Votum bereits deutlich und klar positioniert und auch offenbar juristisch abgesichert hat. Mit „Nestor“ könnte Fichte gemeint sein, aber auch dessen einige Jahre älterer Amtsvorgänger Schmalz.

März–5. 4. 1812

5

10

15

20

267

wort in der ich mich alles Scherzes wozu soviel Veranlassung gegeben war geflissentlich enthalten und mich des strengsten und ruhigsten Ernstes beflissen habe, theilte ich gestern mittelst des Billets A unserm Collegen Hoffmann mit. Ehe ich seine Antwort B erhielt hatte ich von unserm Herrn Nestor schon das Billet No 2 empfangen. Dies ist von der Art daß ich nach meiner Natur nicht mehr anders als sehr derb darauf antworten könnte und so denke ich ist es doch besser es mit Stillschweigen zu übergehen. Nur über zweierlei möchte ich mir Ihren ganz eigentlich rechtsverständigen Rath erbitten 1.) ob nicht die angestrichne Stelle in Verbindung mit den früheren dahin gehörigen Aeußerungen eine förmliche Injurie ist, die ich alsdann da sie meine Dienstverhältnisse betrift nicht könnte ungerügt lassen. 2) Ob es nicht fast nothwendig ist die Aktenstükke zur Kenntniß aller Senatoren zu bringen, da mir in der That die Freiheit des Votirens durch dies Verfahren sehr gefährdet zu sein scheint. Verzeihen Sie daß ich Sie mit der unangenehmen Geschichte behelligt; ich hoffe Sie werden meine Gründe dazu nicht mißbilligen. Schleiermacher Ich habe der lieben Logik zu liebe – noch einen Versuch einer höchst gemäßigten Duplik gemacht. Halten Sie es besser sie abzuschikken oder sie zurükzuhalten.

3772. Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Sonntag, 5. 4. 1812

5

Die beikommende kleine Schrift theuerster Herr Profeßor werden Sie gewiß mit Güte aufnehmen und mit Nachsicht beurtheilen. Bey der völligen Übereinstimmung unserer Gedanken in der Hauptsache besorge ich nicht, daß der geringe Dissensus in einem Nebenpunkte, und die Art, wie er ausgesprochen ist, irgend einen unangenehmen Eindruck bey Ihnen zurüklaßen werde. Wenig Hofnung hab ich übrigens, daß dieses irenische Wort Eingang finden, oder ein beßeres Schicksal, als so viele vorhergehende haben werde. Wir wollen inzwischen es uns nicht gereuen laßen, zu dem guten Zweck mitgewirkt zu haben, so viel wir vermochten. Wer 4 Antwort] folgt 〈habe ich〉

Scherzes] korr. aus Spot

12 angestrichne] über 〈unter〉

3772. Überlieferung: H: BBAW, SN 365/1, Bl. 32. Mit einem Exemplar von F.S.G. Sacks Schrift „Ueber die Vereinigung der beyden protestantischen Kirchenparteyen in der Preussischen Monarchie“ (Berlin 1812).

268

Briefe 3772–3774

einen guten Samen ausstreut, darf es sich weder befremden noch verdrießen laßen, wenn er ihn nicht aufgehen sieht. Das Bewußtseyn, das Seinige gethan zu haben kann und muß ihm genügen, und ihn bei aller scheinbaren Vergeblichkeit seines Wirkens beruhigen. Gönnen Sie mir ferner die freundschaftliche Gewogenheit, deren Sie mich bisher gewürdigt haben Sack. Berlin d. 5. April 12.

10

15

*3773. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, vor dem 12. 4. 1812

3774. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Sonntag, 12. 4. 1812

3v

Gnadfr d 12 Aprill 1812 Seit dem 31ten Merz an welchem Dir die treue Herz gewiß mein Brieflein eingehändigt hat – weist Du daß ich nun endlich seit 33 Jahren Breslau wiedergesehen 10 Tage bin ich dort gewesen da ich ganz unentgeldlich hin und her komen konte – durfte ich auf das sehr veränderliche Wetter keine Rüksicht nehmen – ich bin mehrentheils gefahren da Madame Adolph und eine Verwandte der Wunstern wo ich logirte mir wechselsweise den Wagen liehen. Ganz überschüttet von Liebe und Wohlwollen so vieler guter | Menschen – Adolphs M u e l l e n d o r f d i e am Gedächtniß überhaupt am Geist sehr verlohren – der alte Wunster – die edle Schmidt die wie ich dir schon oft geschrieben Dich inigst liebt und schäzt – diese und Freunde und Verwandten der beiden Schwestern – waren so der Kreis in welchem ich mich die treflichen Gass nicht zu vergeßen – täglich befand, auch war ich bey Buerde und Bertram welche Dich Beide herzlich grüßen. Deines Besuchs und Predigt wurde wie Du leicht denken kanst wo ich war sehr liebevoll und beifallend gedacht – auch bey B r a s s e r t *3773. Erschlossen aus Brief 3774 vom 12. 4. 1812. Mit einem Geldgeschenk, vielleicht zu Charlotte Schleiermachers Geburtstag. 3774. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/23, Bl. 3 f.; 375/26, Bl. 36 f.; D: Schmidt: Stationen einer Freundschaft, S. 49 (Zitat)

5

10

15

5. 4.–12. 4. 1812

20

25

30

35

40

45

50

269

wo durch ein ziemlich geübtes | Orchester das Requiem und einige italienische Arien singen hörte – wie ich d o r t hin gekomen solst du gleich hören – durch die herrlichen Menschen S t e f f e n s und R a u m e r s diese waren mit ihren lieblichen Frauen der Zuwachs neuer erhöhter FreudenGenüße die ich in Breslau (weil du mir n i e was davon schriebst gar nicht ahndete[)] – – den 4ten Tag meines Dortseyns – las die Wunstern den Cathalogus der dort lesenden Professors – so bald ich j e n e Nahmen hörte fielen sie mir als Deine | Freunde – und ihre Frauen als mir durch dich längst bekante Wesen auf – kaum hatte ich die gute Wunstern darauf aufmerksam gemacht – als sie des andern Tages mit mir hinfuhr – wie liebevoll ich dort aufgenomen wurde – Gott wie unter Menschen mich befand – die schon lange zusamen gehören. Des andern Tages aßen wir bey Steffens wo auch ihre Geschwister waren – denselben Abend – waren sie bey Uns – auch Brandes und den Tag vorher ehe ich bey Brassert war – hatten wir einen herrlichen Abend bey Raumers. | Die lieblichen Frauen – sangen mir einiges von Novalis – Raumer spielte dazu –! (die Frau ist mir viel werth! Allen meinen Freunden geht es eben so aber die Steffens wird der Raumer weit vorgezogen welches mir für j e z t sehr natürlich scheint – Sie ist fast zu zart.) Daß mann viel von Dir sprach darf ich dir nicht erst sagen – von Eurem Wesen in Halle – von Nanny daß ich alle 4 sehr liebgewonnen aber Steffens mir besonders merkwürdig – ist – Gott! möchten doch Alle die das System welches er im l e s e n darstelt sonderbar ja schädlich finden – i h n unter Bekanten sprechen hören – sie würden finden – daß e r das e i n z i g wahre, wenn nicht ergriffen denn wir jagen ihm alle nur nach – doch nur des beßeren Strebens werth achtet – – ich habe ihn bey mancher Freundin vertheidigt – die freilich alles nur vom hören hat – und kein Collegia anhört – die Wunstern kent ihn nun auch, und schäzt ihn. | Wir haben auch einmahl bey Gass einen herrlichen Abend gehabt – kamen vor 12 uhr nicht weg denn die Menschen hatten einen solchen Zauber in der Unterhaltung daß i c h an keine Uhr dachte – unterdeß hatte es sehr geregnet – und das lange gehen in der Näße zog mir eine Heiserkeit zu – die meine ganze Reizbarkeit aufregte – doch hoffe ich bald damit zu Ende zu sein übrigens war ich noch 2 mahl mit den lieben Leuten in Geselschaft. Beide haben viele Feinde in Breslau weil Er anfänglich in Geselschaften zu laut gesprochen über das was i h m mißfält – doch die Verständigen verdenken ihm auch diesen frühen Eifer nicht. | Gass und Steffens – haben mir versprochen – mich diesen Somer oder Herbst hier zu besuchen – worauf ich mich sehr freue –! 32–35 (die … zart.)] ohne Klammern mit Einfügungszeichen vom linken Rand von Bl. 37 auf den unteren Rand von Bl. 37v überlaufend 43 f Collegia … ihn.] am linken Rand

4

4v

36

36v

37

270

37v

Briefe 3774–3776

Dank! Herzlichen Dank für deine lieben Zeilen nebst Geld – kanst Du mir irgend etwas mehr als Geschenk – durch Gass damit es nicht porto macht zu komen laßen – so nehme ichs mit innigem Dank an nur daß Niemand von Euch darunter leidet! – Gott schenke Allen meinen lieben Berlinern – Gesundheit und innern Frieden – grüße Dein gutes Weib – und die Kleinen Alle mit dem | Kuß der innigsten Liebe. Meinen GeburtsTag habe ich ganz allein mit den Schwestern Wunstern und Schmidt verbracht – in Stein wo ich einen Tag ausruhte grüßen sie dich herzlich. Beide hatten in Breslau Geschäfte – nahmen mich mit – und haben mich gestern her geschikt – Deine Freunde in Breslau halten es für möglich Du köntest noch dis Jahr dort besuchen Ob Du dis crusimuri wirst lesen können steht dahin – ich werde es aus guten Gründen an Nany adressiren – Steffens läst dir sagen er sey nicht gewohnt einige Briefe zu schreiben ehe Antwort komt Lotte

55

60

65

3775. Von Gottfried Mieth. Berlin, Montag, 13. 4. 1812 Nach reiflicher Überlegung finde ich daß das mir übertragene Comissorium zur Übernahme des OrgelWerks in der DreyfaltigkeitsKirche, und der darauf erfolgenden Entbindung des p Buchholtz, so geradezu, von schädlichen Folgen sein dürfte. Dieser Auftrag, welcher eigentlich zu spät kommt, muß um so vorsichtiger ins Werk gerichtet werden. Ew. Hochwürden werden sehr klar einsehen, welcher Chicane ich von neuen ausgesetzt werde, da dem p Bach die ersten Versuche so trefflich gelungen. Dieser heimtückckische Mensch ist noch im Besitz des Verschlusses der Orgel, und aller Mittel ungestraft Schaden darin anrichten zu können. Zur Verhütung dessen, wird das VorstandsCollegium zu allererst mit Herrn Kisting einen Contract wegen Übernahme der Stimmung, und Instandhaltung der Orgel abschließen müssen, zu welchen Contract ich Herrn Rendant Baumbach schon vor 8 Wochen einen zweckmäßigen Entwurf zur Ausarbeitung eingehändigt habe. Nächst diesen den p Bach die Schlüssel zum Verschluß des innern Orgelwerks abnehmen, und sie Herrn Kisting einhändigen müssen, welcher alsdann in Verbindung mit mir eine 3775.

Überlieferung: H: ELAB, Dreifaltigkeitsgemeinde, 104, Bl. 79.

5

10

15

12. 4.–18. 4. 1812

20

25

30

271

genaue Revision der gantzen Orgel vornimt, (damit nicht Buchholtzens Fehler auf seine Rechnung kommen) | und hievon dem Collegio Bericht erstatten, welches alsdann nach befinden der Umstände den Buchholtz seiner Pflichten gäntzlich entbindet, und solcher Gestalt die Übernahme für die Kirche ersprießlich bewerkstelliget werden kann. Jeder andere Weg ohne diese Vorsichtsmaßregeln könnte meiner Meinung nach zu Verdruß und Schaden führen, und kann man es mir nicht übel deuten, wenn ich nur unter obigen Bedingungen mir dieses Geschäft unterziehen kann. Mit Hochachtung verharre Ew Hochwürden bereitwilliger G Mieth Berlin, den 13t. April 1812

3776. Von Friedrich Wilhelm Arnold. Stolp, Sonnabend, 18. 4. 1812

5

10

Hochwürdiger Herr, Besonders höchstgeehrter Herr Profeßor! Euer Hochwürden gütige Antwort habe ich seit langer Zeit erwartet, da ich nach Ihrem geehrten Schreiben, gegen Ostern einen Lehrer für meine Kinder erwarten konnte – wenn Ihnen dieses aber, wie ich voraussetze mit dem engagement nicht geglückt ist, so bitte ich Sie ganz gehorsamst Ihre Mühe dieserhalb einzustellen, indem ich mir schon anderweitig Rath schaffen werde. – Es wird mir übrigens stets unvergeßlich bleiben, daß sie so gütige Teilname für meine Familie geäußert, und ich dadurch Ihr so großer Schuldner geworden bin – Mit der größten Hochachtung nenne mich Euer Hochwürden ganz ergebensten Diener F.W. Arnold Stolpe den 18ten April 1812.

3776. Überlieferung: H: BBAW, SN 242, Bl. 3. 24t. Apr.“ 1 Besonders] Desonders

Beantwortungsvermerk: „resp. d

79v

272

Briefe 3777–3779

*3777. An Friedrich Wilhelm Arnold. Berlin, Freitag, 24. 4. 1812

3778. An die Kirchenvorsteher der Dreifaltigkeitsgemeinde. Berlin, Freitag, 24. 4. 1812 Einliegend bringe ich ein Schreiben unseres Herrn Collegen Mieth an mich in Umlauf. Meines Erachtens kann ohne zu besorgende Gefahr die Abnahme der Orgel nicht länger verschoben werden, indem da der Termin abgelaufen ist der Orgelbauer Herr Buchholz einen etwa entstandenen Schaden uns selbst zuschieben oder uns den Beweis auflegen könnte daß er schon früher entstanden sei Was die Schlüssel zum Orgelwerk betrift so war früher beschlossen worden diese nicht eher als bei Einhändigung der Instruction dem p Bach abzunehmen. Da nun aber diese Instruction und die Genehmigung unseres Antrages für Herrn Kisting vielleicht noch nicht so bald zurükkommen möchte: so ginge meine Meinung dahin Herrn Kisting zu ersuchen daß er mit unserm Collegen Herrn Mieth das Orgelwerk dem Buchholz abnehme und in gewisser Erwartung der baldigen Genehmigung sein officium sogleich anträte da dann jener frühere Beschluß modificirt werden müßte. Sollte sich aber Herr Kisting wider Erwarten des leztern weigern so würde dann der p Bach bis zum Eingang der Genehmigung für die Orgel allein unter ernstlicher Verwarnung müssen verantwortlich gemacht werden. Meine Herren Collegen ersuche ich hierüber um gefällige schriftliche Erklärung. Schleiermacher d 24t. April 12.

*3777.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk auf Brief 3776.

3778. Überlieferung: H: ELAB, Dreifaltigkeitsgemeinde, 104, Bl. 78 D: Reich: Schleiermacher als Pfarrer, S. 469 f. Mit Brief 3775 von Gottfried Mieth als Einlage.

5

10

15

20

24. 4.–27. 4. 1812

273

3779. An die Geistliche und Schuldeputation der Kurmärkischen Regierung (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 27. 4. 1812

5

10

15

20

Berlin den 27t April 1812. S. d. U. zu 1038. An die Geistliche und Schuldeputation der Königlichen Kurmärkischen Regierung zu Potsdam Das Departement pp kann die Lösung der in der Verfügung vom p auf den [im] Bericht der pp Deputation p vom 17ten dieses Monats gezeichneten Plan zur Reform des Kurmärkischen Landschullehrer Seminariums, aufgestellten Schwierigkeiten nicht befriedigend finden. Die angeregte Anstalt des hiesigen Superintendent Küster kann um so weniger zum Beispiel für die aufgestellte Anordnung der pp Deputation p diesen, als sie teils für künftige Bürgerschullehrer bestimmt ist, teils die Präparanden sich doch wahrscheinlich nur in denen Schulen üben, deren obere Leitung dem p Küster als Superintendent zusteht. Die pp Deputation wird daher aufgefordert, sich nach der, ihr beiwohnenden Lokalkenntniss für eine von den beiden, zur Anlegung eines solchen Instituts in Vorschlag gebrachten Orten Dom Brandenburg oder Dom Havelberg zu entscheiden, damit das Departement pp die nötigen einzuleitenden Schritte, sobald die Umstaende es | zulassen, thun kann, zugleich aber auch eventualiter an die Ausarbeitung des Plans zu gehen, und denselben mit Ernennung der Personen, welche die pp Deputation pp bei der künftigen Einrichtung des Seminars anzustellen gedenkt, baldmöglichst nachzuliefern. Berlin den 27 April 1812. Departement pp Schleiermacher 30/4.

3779. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 76 VIII, Sekt. 15 bb Nr. 1, Bd. 1 (ohne Blattzählung). Ein Konzept zu diesem Brief von Schleiermacher befindet sich am Rande auf dem Schreiben der Geistlichen und Schuldeputation (ohne Blattzählung).

274

Briefe 3780–3782

3780. Von Unbekannt. Vor dem 30. 4. 1812 […] N:B: Vorher schrieb ich meinem lieben Bruder, immer unter der Addreße. A

3781. Von Unbekannt. Anfang Mai 1812 oder früher

11v

[…] paar Minuten Heute abend zu Ihnen, um über eine unbedeutende Sache Ihre Meinung | […]niren sie sich aber […] denn ich bin noch sehr […] kommen kann – auf […] bleiben sie zu Hause […] ausgehn wollen oder […] Griechische Abend bei Ihnen […] sie mich zur Thür ÐKlÑ Ð Ñ

5

3782. Von Friedrich von Mühlenfels. Züssow, Mittwoch, 10. 6. 1812 Zissow den 10t Juny 1812. So eben erscheint mein Schwager P. Lancken und überrascht mich mit der Nachricht wie er gesonnen sey eine Reise nach Berlin zu machen. Unmöglich kann ich daher diese sichere Gelegenheit verabsäumen Ihnen lieber Herr Schwager einige Zeilen zuzustellen.

3780. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 8v. Rückseite eines Zettels zur neueren Philosophiegeschichte (Sommersemester 1812) mit Präparation der 12. Stunde (vermutlich 30.4.) über Johannes Scotus Eriugena. 3781. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 7v. 11v. Rückseite zweier Zettel zur neueren Philosophiegeschichte, zur 13. Stunde (Johannes Scotus Eriugena, Anselm von Canterbury) und zur 19. Stunde (Bonaventura, Albertus Magnus). 3782.

Überlieferung: H: BBAW, SN 333, Bl. 1 f.

5

Vor dem 30. 4.–10. 6. 1812

10

15

20

25

30

35

40

45

275

Fürs Erste danke ich Ihnen daß Sie mich zum Pathen Ihrer kleinen Elisabeth erwählt haben, und nehme dies als ein Zeichen Ihrer brüderlichen Zuneigung auf. Höchst lächerlich ist Ihnen die Ankündigung dieser Pathenschaft nach Verlauf einer Jahresfrist erschienen, worüber auch ich recht herzlich mitgelacht, weniger lächerlich ist mir jedoch das Verhängniß, das mich nöthigte auf diese Ankündigung auch erst nach einem Zeitraum von beinahe einem halben Jahre etwas erwiedern zu können. Wegen denen Zahlungs-Angelegenheiten deren Sie erwähnen, kann ich Ihnen sagen daß mir von keiner | Entgegennahme derer gedachten 70 Rthr etwas zu Kunde gekommen war, ich also hierauf nicht gerechnet hatte, und überhaupt dieserhalb auch in keine Verlegenheiten gerathen bin. Von denen Jettchen für verwichenes Jahr zukommenden Zinsen, habe ich circa die Hälfte zur Tilgung nach alten Rechnungen ausgezahlt. Mit der andern Hälfte der Zinsen bin ich nun noch im Rückstande. Sie fordern mich in Ihrem Briefe auf mich ganz brüderlich offen über diesen Gegenstand zu erklären. Diese Aufforderung erleichtert mir das schmerzhafte Geständniß, das ich auch Ihnen machen muß, wie ich es bereits meinen sämmtlichen Creditoren gemacht habe. Die Ereigniße des Krieges und hauptsächlich der diesjährige Mißwuchs, haben mich außer Stand gesezt meinen Verpflichtungen wenigstens pünktlich Genüge leisten zu können. Es streitet | gegen meine Grundsätze mich so tief zu enfilliren, daß die jüngsten Creditoren (nach unsern hiesigen Gesetzen) vielleicht ganz das Ihrige verlieren, weshalb ich den Entschluß gefaßt bei Zeiten noch meinen Creditoren mein Unvermögen zu erklären, und sie zu irgend einem Arrangement zu bewegen. Schon längst würden auch Sie diese Erklärung erhalten haben, wenn die Sperrung der Posten es nicht verhindert hätte. Seit einigen Wochen ist die Sache jedoch schon eingeleitet da sie keinen Aufschub mehr litte, und es war meine Absicht Ihnen nach geschehener Verhandlung mit meinen Creditoren (im Fall ein Arrangement zu Stande kommen sollte) das Resultat derselben zu übermachen, um Ihre Zustimmung oder Ihren Abschlag darüber zu erhalten. Auch ist hierin nichts abgeändert worden, als daß ich diese Gelegenheit nicht will unbenutzt laßen | um Ihnen von dem Beabsichtigten im Voraus zu benachrichtigen. Sie werden dennoch so bald möglichst den Erfolg erhalten, und werde ich Ihrer Entscheidung sehr ruhig entgegen sehen, da Ihr Brief schon hinlänglich Ihre Gesinnungen in dieser Hinsicht deutet. Meine Frau empfiehlt sich bestens, und ich bitte sich stets überzeugt zu halten von der brüderlichsten Zuneigung und Achtung Ihres Mühlenfels.

1v

2

2v

276

Briefe 3783–3785

*3783. An Immanuel Bekker. Wohl Berlin, vor dem 15. 6. 1812

3784. Von Unbekannt. Ende Juni 1812 oder früher Wohlgebohrener Herr! Roeder hat | mir bei seiner Abreise, die weitere Besorgung | einer sehr wohlthätigen Ha|ndlung übertragen, zu welcher auch Euer Wohlgebohren | sich mit ihm verbunden h|aben, und hat mich angewiesen, ihre milden Beiträge | per April, May, und Juny, m|it 3 rthl in Empfang zunehmen. | Indem ich dieß befolge, | bescheinige ich zugleich den richtigen Empfang, und | bin mit sehr aufrichtige|r Verehrung Euer Wohlgebohren […]

5

3785. An Carl Gustav von Brinckmann. Berlin, Sonnabend, 4. 7. 1812 Eine so unmittelbare, und wenn nicht ein besonderes Unglück eintritt so höchst sichere Gelegenheit kann ich unmöglich vorbeigehn lassen mein theurer Freund ohne Dir einige Lebenszeichen zu geben. Du hast uns sehr sparsam zugemessen die Mittheilung die uns so sehr erfreulich gewesen wäre – ich meine soviel ich weiß alle Deine deutschen Freunde – und zu einer Zeit wo es Dir an Muße nicht gefehlt haben kann. Indeß wir trösten uns damit daß Du Deine guten Ursachen mußt gehabt haben hiezu wie zu *3783. Das Manuskript des Briefes lag in der Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek unter der Signatur Autogr. I/2461. Es wird seit 1996 vermisst. Vermutlich handelt es sich um den Brief, auf den Bekker am 5.7. „spät“, wie er schreibt, antwortet (vgl. Brief 3787, Z. 2), er müsste dann Mitte Juni oder früher geschrieben sein. 3784. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 36v. 37v. Rückseite zweier Zettel zur neueren Philosophiegeschichte (SS 1812) über Pico della Mirandola, Reuchlin, Georgius Venetus, Agrippa von Nettesheim und Paracelsus (wohl 46. und 47. Stunde). 3785. Überlieferung: H: Trolle-Ljungby, Brinkmanska Arkivet; D1: Br 4, S. 185–188 (gekürzt); D2: C. von Humboldt: Neue Briefe, S. 149 (Korrektur zu D1)

5

Vor dem 15. 6.–4. 7. 1812

10

15

20

25

30

35

40

45

277

allem andern. Denn dies laß mich Dir zuerst sagen daß Alle auf die Du je hast rechnen können als auf solche die Dich wahrhaft lieben und zu schäzen wissen, mich an der Spize und zunächst die herrliche Voss auch ganz unverändert geblieben sind in ihren Gesinnungen und wo die Vorwizigen zum Tadel bereit waren an jenen Glauben an die Unveränderlichkeit eines wahren Menschen sich gehalten haben ohne den es keine Liebe giebt und ohne den nichts menschliches einen sonderlichen Werth hätte. Ueber den Wechsel Deiner äußern Verhältnisse hat mich meine Kenntniß | Deiner Denkungsart und Deiner Kraft leicht getröstet. Aber ich läugne nicht, das Gerücht – denn wieder weiß ich nicht ob es eine Nachricht ist – daß Du wieder in politischer Thätigkeit seist hat mir große Freude gemacht. Es hätte Dir doch schlecht geziemt in den großen Krisen Deines Vaterlandes den bloßen Zuschauer abzugeben. Ich weiß nicht wie weit Du von hiesigen Dingen unterrichtet bist sonst schriebe ich dir eine kleine Zeitung. Um den Tod unseres guten Spalding weißt Du gewiß. Das Glük den Tod recht kommen zu sehn was wir uns so oft wünschten um mit Besonnenheit zu schließen ist ihm freilich nicht geworden aber es ist der schönste schnelle Tod der mir vorgekommen ist, recht in der Art des Daseins in welcher sich sein Wesen am reinsten aussprach, in einer so heitern Stimmung als er den ganzen Winter nicht gehabt hatte und nur eben mit dem Sommer wieder zu finden anfing. An dem Tage seines Todes war ich so elend als ich mich nie besinne gewesen zu sein. Ein böser Magenkrampf hatte mich in 7 Monaten bei den harten Anstrengungen indem ich keines meiner Geschäfte je aussezte und oft im Paroxismus 2 Stunden hinter einander Vorlesungen hielt, fast aufgerieben. Ich bin seitdem durch den Magnetismus dessen höhere Erscheinungen indessen bei mir nicht eingetreten sind geheilt wenigstens habe ich seit fast einem Jahr keinen Anfall gehabt. | Ich gehe übrigens fast unter in Geschäften von denen ich doch keines möchte fahren lassen. Am wenigsten interessirt mich wol was mir am meisten Geld giebt das Departement für den öffentlichen Unterricht, zu dessen Chef ich Dich nach Humboldts Abgang gern gehabt hätte. Aber doch hier sind die wenigen interessanten Geschäfte an denen ich Theil nehme der Zeit wol werth die man an den currenten Sachen verschwenden muß. Nur verrükt finde ich es daß man mich in das Unterrichtsdepartement allein und gar nicht in das für den Cultus gesezt hat wo ein Ferment wie ich sehr nöthig wäre. Das Vorlesungen halten bringt mich sehr vorwärts; ich habe wirklich Aussicht noch eine Art von gelehrtem Theologen zu werden und fange an mir eine Schu11 und] folgt 〈〈sich〉〉

35 gehe] korr. aus seze

278

Brief 3785–3786

le zu bilden aus der viel Gutes hervorgehn kann. Ich habe nun schon zweimal Geschichte der Philosophie gelesen zu meiner großen Belehrung und könnte mit mehr solchen Monographien wie der Heraclit im Museum auch aus der dunkeln Zeit des Mittelalters hervortreten. Zwei kleinere griechische den Anaximandros und den Diogenes von Apollonia habe ich schon ausgearbeitet für die Akademie. Dann habe ich auch eine Art von speculativer Philosophie vorgetragen unter dem Titel Dialektik und ich hoffe daß schon durch das erste Mal der Grund wenigstens zu einer ziemlich klaren Darstellung gelegt ist. Aber freilich meine litterarische Thätigkeit liegt ganz und ich sehe noch nicht ab wann ich den Platon werde vollenden können. Ich tröste mich darüber denn ich bin doch zum Schriftsteller am wenigsten gemacht. Der hiesige wissenschaftliche Kreis hat bedeutenden Zuwachs erhalten durch die Universität; aber den bedeutendsten durch einen Mann der der Universität nicht angehört sondern ursprünglich für Staatsgeschäfte berufen war, nemlich Niebuhr. Ich weiß nicht ob Du ihn persönlich kennst. Ich habe nie eine so bewundernswürdige Gelehrsamkeit gesehn | und ein so vielseitiges und tiefes kritisches Talent, und selten ein so schönes Gemüth; ich würde auch hinzusezen einen so großen Charakter wenn er nicht unter den Einwirkungen eines schwächlichen Körpers stände. Gräfin Voss ist hier und erwartet täglich ihre Niederkunft. Ich habe das Glük gehabt ihr näher zu kommen, und muß sie täglich mehr lieben und achten. Auch meine Frau theilt dieses Gefühl und die Gräfin zeigt sich ihr sehr gütig und freundlich. Wahrhaftig ich weiß nicht ob ich schon als Ehemann an Dich geschrieben habe, leider aber ist nun nicht mehr Zeit Dir meine Frau oder unsere Ehe zu beschreiben. Ich verstehe auch von ihr eben so wenig zu reden als von mir selbst, und überlaße es auch ungern Andern weil Niemand sie recht kennen kann als ich; am meisten weiß wol für jezt die Herz von ihr. Zwei Kinder meines lieben Freundes hat sie mir mitgebracht und zweie, beides Mädchen hat sie mir geboren. Meine Schwester die Du einmal gesehen hast lebt auch noch bei uns und so bilden wir eine ganz ansehnliche Familie. Von Dir ist auch einmal und sehr ernstlich erzählt worden Du seist verheirathet aber falsch wie es scheint. Von den großen Verhältnissen schreibe ich nichts; es läßt sich darüber doch nur sprechen. Die Litteratur ist fast todt. Das Katholischwerden aus Weichlichkeit ist mir zu verächtlich und Streitigkeiten wie die welche Schelling gegen Jakobi führt ekeln mich an. Hätte doch Jakobi aus seinem freilich in speculativer Hinsicht nicht bedeutenden aber sonst doch sehr 71 ihr] hier

80 nur] über 〈nicht〉

50

55

60

65

70

75

80

4. 7.–5. 7. 1812

85

90

279

schönen ja selbst lehrreichen Buche die einigen Stellen weggelassen die den argwöhnischen verbissenen Menschen reizen mußten, so hätte er uns ein ärgerliches Schauspiel und sich selbst doch gewiß viel Verdruß erspart. Nun lebewol und laß von Dir hören sobald Dich keine wichtigen Gründe davon abhalten. Die Herz hat mir die herzlichsten Grüße an Dich aufgetragen Schleiermacher

3786. An Wilhelm Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonntag, 5. 7. 1812

5

10

15

20

Die Gelegenheit welche eine Landsmännin meiner Frau welche einige Tage bei uns gewohnt hat mir darbietet kann ich um so weniger vorbeigehn lassen als ich Ihnen liebster Graf noch für Ihr freundliches Andenken zu danken und Ihnen meine herzliche Freude über das glükliche FamilienEreigniß in Ihrem Hause zu bezeugen habe. Ich nehme um so mehr Theil daran daß die Dohnas sich bei Ihnen vermehren da sie hier so abgenommen haben, als ich seit langer Zeit nicht gewohnt war. Der Graf von Wundlacken ist jezt der einzige. Gebe der Himmel daß sein muthiges Betragen, welches ich für höchst verdienstlich halte, nicht am Ende doch noch Veranlassung wird ihn von hier und aus seiner politischen Lage zu entfernen. Ihr Bruder Friedrich genießt wenigstens den Vorzug mit seinem herrlichen Schwiegervater zu leben und den Ruin seines schönen Vierteljahres | nicht so unmittelbar mit Augen zu sehen. Mein Herz blutet wenn ich daran denke und es ist mir recht ängstlich von Graf Alexander gar keine detaillirte Nachricht von dem Zustande der Güter zu haben, die wieder unendlich müssen gelitten haben. Sie sind glüklich liebster Graf dies alles, und so manches andre was den Freund des Vaterlandes tief betrübt und kränkt nur aus der Ferne zu erfahren wo man sich immer sagen konnte wer weiß ob es so arg ist. Genießen Sie diesen Vorzug recht und erfreuen Sie Sich so heiter als möglich alles Angenehmen was Ihr häusliches Leben Ihnen in so reichem Maaße darbietet. Was diesen lezten Punkt betrifft so habe ich auch Ursache mich sehr zu rühmen. Ein sehr schönes Leben ist mir geworden mit meiner Frau; an den beiden Mädchen die sie mir geboren hat erleben wir alle Freude die 3786. Überlieferung: H: GStA, Fürstliches Hausarchiv Dohna, 2161; D: Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna, S. 42 f. Beantwortungsvermerk: „Bean. d. 1t Aug.“ 6 da] korr. aus als

280

Briefe 3786–3788

kleine Kinder gewähren können und auch was die älteren betrift überwiegt die Freude weit die | Sorge die sich mit den sogenannten Schlingeljahren hie und da auch wohl einstellt. So bin ich auch mit meinen Geschäften sehr zufrieden denn wiewol etwas stark beladen wüßte ich keines was ich aufgeben möchte. Das akademische Leben mit den jungen Leuten fängt an sich recht hübsch zu gestalten und ein eben angelegtes theologisches Seminarium bringt mich in noch nähere Berührung mit den Ausgezeichnetern. Unsre Freundin Herz hat Ihnen glaube ich mit dieser nemlichen Gelegenheit selbst geschrieben. Erlauben Sie mir nun noch eine Bitte hinzuzufügen zu der ich dadurch veranlaßt werde daß wir über die Verhältnisse der nordischen Mächte hier nur die widersprechendsten Gerüchte haben. Nemlich daß wenn sich in Kopenhagen dieser reisenden Freundin, der Frau Postdirector Cummerow aus Stralsund, etwa Schwierigkeiten entgegenstellen sollten einen Paß über den Sund zu bekommen Sie ihr, wenn sie sich an Sie wendet gütigst behülflich sein mögen. Meine und der Meinigen unterthänigste Empfeh|lung an Ihre gnädigste Gemahlin und die Bitte um Ihrer ferneres freundliches Wohlwollen. Von ganzem Herzen ganz der Ihrige Schleiermacher. B. d 5t. Julius 1812.

25

30

35

40

45

3787. Von Immanuel Bekker. Paris, Sonntag, 5. 7. 1812 Paris 5 Jul. 1812. Daß ich so spät antworte, hochwürdigster, entschuldige ich, leider nur allzu triftig, mit dem betrübten Zustand meiner Finanzen, wodurch ich genöthigt gewesen ganze vier Wochen bei einem ξε´νος auf dem Lande zu verlieren. Erst heute trete ich wieder in den Besitz meiner Papiere. Ich schreibe daraus ab, was den Sinn anzugehen scheint, bedauernd allerdings, daß ich die Auswahl nicht Ihnen selbst zuschieben kann; aber dazu müste ich in Berlin sein. Finden Sie etwas neu und brauchbar, so wollte ich Sie gäben nicht mir die Ehre, sondern dem, ohne den wohl keine meiner hiesigen Arbeiten zu einiger Vollständigkeit gediehen wäre. 39 Paß] folgt [Ð

Ñ]

3787. Überlieferung: H: BBAW, SN 250, Bl. 1. 1t. Aug.“

Beantwortungsvermerk: „Beantw d

5

10

5. 7.–12. 7. 1812

15

20

25

30

281

Ich wünsche und brauche ein Doctordiplom für den Custos der Griechischen und Lateinischen Manuscripte, Carl Benedict Hase, aus dem Weimarischen. Verdient hat er eine solche Auszeichnung – erstere Auszeichnung – längst und vielfach durch seinen Antheil an den Notices et extraits, seinen Catalog der Vaticanischen Bibliothek, seine Prolegomena zum Johannes Lydus περι` α᾽ρχω ῀ ν: und danken könnte er sie unsrer Universität, Bibliothek, Akademie auf gar mancherlei Art, schon in seiner jetzigen Stelle und noch mehr in denen, die er von seiner Gewandheit in menschlichen Dingen erwarten darf. Ist die Sache thulich, so sehe ich sie herzlich gern noch während meines Hierseins gethan. – Es widersteht mir so gleich für die erst kleine Gefälligkeit ein Entgeld zu fodern: aber ich kann nicht anders, nachdem mein Hoffen und Harren auf Wolf zum Narren geworden an der Unendlichkeit von Rücksichten, die er hier wie überall, zu nehmen findet. Boeckh bietet hoffentlich willig die Hand. | Diesem und Buttmannen bitte ich Sie zu sagen daß ich unverzüglich an ihre Aufträge gehen werde: Wolf, daß ich höchst nöthig Geld brauche, damit ich nicht auch noch in den letzten zehn oder zwölf Wochen meine Arbeit unterbrechen müsse, et propter vitam vivendi perdere causas. Leben Sie wohl und seien Sie meiner heißen Ergebenheit versichert. I Bekker rue de me´nars n. 16.

3788. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 12. 7. 1812

5

[…] beschließen so einfach wie ich gewohnt bin – jezt sehr öfters mit dem Begehren kämpft – nicht so angestrengt zu sein – dis kann aber wenn ich keine condition annehme nie anders werden – und giengen wie ich schon erwähnt wieder Stuben in der Anstalt ein – so könte ich hier gar nicht bestehen – – jezt verdiene ich noch immer 1 thr courant die Woche – und da ich durch deine Güte seit anderthalb Jahren mir manches nötige angeschaft und außer dem wöchentlichen unentbehrlichen wohl ein Jahr lang und länger nichts eigentliches nöthig habe zu kaufen – so wolte ich 3788. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/24, Bl. 7. Zur Datierung: Das Jahr ergibt sich daraus, dass im Brief 3721, Z. 16–48 schon vom Eingehen einiger Stuben in Gnadenfrei berichtet wird. In ihrem Brief vom 23. 7. 1813 gibt sie an, ihr letzter Brief sei der von Ende April 1813, sodass das Jahr 1813 nicht in Frage kommt.

1v

282

7v

Briefe 3788–3790

dich mein gütiger Wohlthäter für jezt recht herzlich bitten ob Du mir Vierteljährig 5 Thr zukomen laßen kanst und wilst – um – etwas coffe´ – im Winter einige Loth The und Zukker – etwas liqueur – anzuschaffen und ganz vorzüglich meine Wäsche waschen zu laßen – welches leztere weil ich alle pünktlich aufschreibe jährlich 16 thr Münze macht – Coffe brauche ich nur jährlich 3 Pfund – und 2 Pfund Zukker. auf Beides brauche ich auch 4 thr. | Lieber guter Bruder – Gott wird Dir und den Deinen auf mein Flehen kein Gutes mangeln laßen und dich segnen in allen deinen Unternehmungen. Wie es mein tiefstes Inres erkant was Du an mir thust – ist Ihm bekant der ins Herz sieht – nur wie gern ich dein häußliches Leben einmahl recht mit Muße in Augenschein nehmen möchte diese zarte Sehnsucht – wie ich die bekämpfen muß ist nur alzuwahr – aber meine Ungeschiklichkeit und die hiesigen Verhältniße sezen sich dagegen was blos eine Reise betrift – Fräulein Forrestier reist unter den jezigen Umständen gar nicht übrigens wüste ich nicht wie zu Euch gelangen mich mit meiner Kränklichkeit der Post aussezen würde gar nicht gehen – also kann ich von der liebevollen Einladung gar keinen Gebrauch machen – ich umarme dich und dein trefliches liebes Weib, danke i h r für den herrlichen Brief – aber antworten kan ich diesmahl nicht – ich bin ganz erschöpft – Deinen Kindern Allen gib einen herzlichen Kuß von Deiner alten Lotte auf die Post gegeben d 12t July

10

15

20

25

30

Verzeihung wegen der Freimütigkeit meines Vorschlages auch wegen dem bezahlen – wodurch mann das porto ersparen könte

3789. Von Charlotte Cummerow. Kopenhagen, Mittwoch, 15. 7. 1812 Kopenhagen den 15ten Juli 12 Gestern Morgen um 4 Uhr bin ich, trotz allen Unannehmlichkeiten die ich, theils in Hamburg, und in andern Städten fand, dennoch glücklich hier angelangt, und eile Dir mein lieber Freund diese Nachricht zu geben. Theile sie Deiner Jette und allen Freunden mit, die einiges Intresse an 32 f Verzeihung … könte] am linken Rand von Bl. 7 3789.

Überlieferung: H: BBAW, SN 313, Bl. 22.

2 trotz] trozt

5

12. 7.–17. 7. 1812

10

15

20

25

283

meinem Schicksal nehmen. Euch ihr guten lieben Menschen noch einmal den besten und herzlichsten Dank für Eure Güte. Die Kommissionen am Grafen Dohna sind gleich besorgt. Er hatte die Güte bald darauf selbst zu kommen, und ich danke also Dir und der Herz eine recht angenehme Bekanntschaft. Seine Hülfe brauchte ich nicht in Anspruch zu nehmen, da es hier mit meinem weiteren Fortkommen gar keine Schwierigkeiten hat. Morgen eh ich abreise will der Graf noch einmal wiederkommen. Ein hiesiger Freund und Landsmann von mir, der Kauffmann Borries, besorgt alles zu meiner weiteren Reise. Mit ihm habe ich es auch überlegt wie diese seyn wird. Er läßt mir durch seinen Bruder (welcher in Helsingör wohnt) einen Kutscher miethen, der, wie dies in Schweden sehr gebräuchlich ist, mich nach Stockholm hinauf bringt und dann zurück geht. Die Bauern welche auf allen Stationen die Pferde liefern, sind verbunden den Kutscher fahren zu laßen. Da mein Bedienter die Sprache nicht kennt, so war dieser Begleiter sehr nöthig, und wenn ich Kummerow (wie es früher unsre Abrede war) geschrieben daß er mich hier abholen sollte, so hätten wir außer den Kosten für meine Zehrung hier, noch doppelte Reisekosten gehabt. Morgen gehe ich also in Gottesnahmen weiter, und wenn ich zur Ruhe bin, so sollst du hören wie es uns geht, und was wir von der Zukunft hoffen dürfen. Nun lebe wohl mein theurer Freund, und grüß mir die Deinen aufs herzlichste. Deine Lotte

3790. Von August Twesten. Eimsbüttel, Freitag, 17. 7. 1812 Eimsbüttel den 17ten July 1812.

5

10

Als ich meinen letzten Brief an Sie schrieb, war ich durch Mancherley beunruhigt oder bekümmert. Ich hatte kurz vorher die Schleidensche Familie verlassen, ich hatte meine hiesigen Verbindungen abgebrochen; weil ich nach Berlin gehn wollte, und sah deshalb nicht ohne einige Besorgniß selbst wegen meines Auskommens in die Zukunft, der Entschluß hier zu bleiben kostete großen Kampf, ich mußte an mancherley Unannehmlichkeiten bey der Cession meines Bruders theilnehmen, am meisten bekümmerte mich aber die Krankheit desselben. Mit dieser hat es sich schneller als ich erwarten durfte gebessert, und ich hoffe, daß er diesen Sommer 3790. Überlieferung: H: BBAW, SN 408, Bl. 11 f.; D: Heinrici: D. August Twesten, S. 228–231 (gekürzt)

284

Brief 3790

ganz wieder hergestellt seyn wird. Alle meine Gedanken richteten sich daher wieder nach Berlin, bis ein Vorschlag, den mir auf Herrn Buttmanns Veranlassung Herr Bernhardi machte, obgleich er meinen Wünschen entgegen zu kommen schien, mich fühlen ließ, daß ich durch etwas was ich nicht sowohl gethan als nur hatte geschehen lassen, gebunden wäre, als ich gewollt und geglaubt hatte. Vielleicht haben Sie durch Herrn Niebuhr von der Sache gehört. Der verstorbene Curator der Universität Kiel hatte den Gedanken gehabt; durch die Anstellung eines jungen Mannes theils dem Professor Heinrich einen Gehülfen beym philologischen Seminar – welches zu Kiel zugleich ein Seminar zur Bildung künftiger Schulleute ist – theils auch den theologischen Professoren, deren Zahl nur klein, und die alle sehr alt sind, einen Gehülfen zu geben, der einige der propädeutischen Collegien übernehmen könnte. Seine Wahl war auf Reinholds, Heinrichs, vorzüglich aber Herrn Niebuhrs Veranlassung auf mich gefallen. Er war aber bald nachher gestorben, und ich hatte die Sache als abgethan betrachtet. Neulich aber, da vom akademischen Senat zu Kiel ein Bericht über den Zustand der Universität und Vorschläge zur Abhelfung der etwanigen Mängel gefordert wurden, glaubte Professor Heinrich Gelegenheit zu haben, auch von mir und des Curators Absichten in Ansehung meiner zu reden; nicht, weil ich Erfolg hoffte, sondern um ihn nicht zu beleidigen, wagte ich dem nicht zu wehren; bis zum Herbste, glaubte ich, wäre das entschieden, und könne mir also nicht hinderlich seyn, was denn jetzt freylich durch einen Umstand, den ich nicht vorher sah, sich anders gezeigt hat, und einmal in Furcht gesetzt, besorge ich fast, daß die Langsamkeit des Geschäftsganges in Kopenhagen die Sache noch länger verzögern könnte. Uebrigens, damit Sie mich nicht der Arroganz beschuldigen, daß ich nicht wie ich zuerst davon erfuhr mich mit allen Kräften dagegen gesetzt habe, müßten Sie den Zustand der Universität Kiel kennen, wo es schon viel gethan wäre, wenn einer und der andere aufmerksam gemacht würde, daß es anderwärts ein wissenschaftliches Leben giebt, wovon in Kiel sehr wenige Spuren sind, besonders bey den Theologen. Durch bloße litterarische Verbindung geschieht dies nicht; ich weiß aus eigner Erfahrung zu gut, mit welchen Augen man dort Bücher liest. Es fehlt überhaupt in Holstein an jedem großen und lebendigen Interesse, sobald man auf das Ganze sieht. Von einem wissenschaftlichen Verein, wie er in Ihrem Buche über die Universitäten dargestellt ist, sieht man hier kaum eine Andeutung. Die Schulen sind erbärmlich; ohne gründliche Vorbereitung kommt der Studierende nach Kiel, und ist dadurch außer Stande, die wenigen Anklänge eines Besseren, die ihm hier bey zwey oder

15

20

25

30

35

40

45

50

17. 7. 1812

55

60

65

70

75

80

85

90

285

drey Lehrern werden, | zu fassen; die Wissenschaft ist nichts, als eben auch ein Gewerbe, wovon eine Anzahl respectabler einzelner Personen lebt. Die Idee der Kirche, wie könnte die da lebendig seyn, wo als die ausgezeichnetsten Geistlichen die betrachtet werden, die eine Topographie des Herzogtums geschrieben haben, oder ein Journal der Agricultur dirigiren; wo der, der fast allein auf die Theologie studierenden in Kiel Einfluß hat, weil fast er allein auf eine verständliche Weise zu ihnen spricht, nichts angelegentlicheres hat, als eine leere Vernunftreligion an die Stelle des Christentums zu setzen? Nicht einmal ein Vaterland hat der Holsteiner. Der Gebildete rechnet sich zu den Deutschen; die Regierung macht uns zu Dänen; der gemeine Mann ist weder Deutscher noch Däne, denn Deutschland existirt für ihn nicht, die Dänen stoßen ihn aber zurück, indem sie uns, als eine Provinz, verachten. Der König verwandelt unsere Regierung in ein bloßes Dikasterium, hebt die wohlerworbenen Rechte ganzer Districte auf um alles gleich zu machen, ignorirt die geschlossenen Verträge (z.B. der Dithmarser) und scheint selbst die letzten Reste unserer Stände, die Ritterschaft, nicht mehr anerkennen zu wollen. Dies alles, dazu die harten Auflagen und das drückende Soldatenwesen entfremdet das Volk, und es bleibt jedem nur das Interesse an sich selbst. Selbst das oft interessante Schauspiel eines lebendigen Verkehrs hat aufgehört. Wer nicht entweder mit dem großen Haufen in den Tag hineinleben, oder durch eigene innere Kraft sich halten kann, sondern das Bedürfniß hat, sich im Ganzen und als Glied eines Ganzen zu fühlen, der ist hier wahrlich übel daran. Darum sehne ich mich beständig nach Berlin; wenn es in Einigem dort vielleicht auch nicht viel besser ist, immer kann ich mich doch als zu einem Ganzen gehörig betrachten, das von Ihnen ausgeht, wo ich mit mehreren die Befriedigung und die Freude über das Wachsen unserer Kenntnisse theilen, und die Hoffnung oder vielmehr das Bewußtseyn gemeinschaftlich genießen kann, an etwas theilzunehmen, was gewiß einen guten und schönen Erfolg haben muß. Freilich, wer die Ansicht, die in Ihren Monologen sich ausspricht, sich so ganz zu eigen machen könnte, der würde wohl allenthalben ohne ein solches Bedürfniß sehr zu empfinden, leben können. Aber was Sie an einer Stelle derselben sagen, man könne nicht seine Aufmerksamkeit auf das Ewige in sich richten, ohne zugleich auf die Anschauung des Wesens der ganzen Menschheit, und dadurch in das unendliche Gebiet des reinen Geistes geführt zu werden: darin liegt doch zugleich auch der Gedanke, daß, wer nicht in einem gewissen Grade die Bestimmung und das Wesen des ganzen Geschlechtes erkennt, auch nicht zu der Anschauung des eigenthümlichen Ausdrucks desselben in sich und zur Freude daran gelan-

11v

286

12

Brief 3790

gen wird. Zu jener Erkenntniß hoffe ich nun freylich auch einmal zu kommen – ohne das würde mich Ihre Apostrophe an die, welche der Zeit entfliehen wollen, ohne noch im Gebiet des Ewigen einen festen Stand zu haben, zermalmen, ja ich würde ohne das nicht mehr leben mögen – aber obgleich ich die Philosophie als das Höchste und als das betrachte, was erst allem andern Wissen Werth giebt, so sehe ich doch, daß ich sie heraus l e b e n , daß ich Geduld geben muß, bis sie mir mit dem andern zugleich gleichsam von selbst kommt, daß ich sie nicht heraus d e n k e n kann. Ich lese daher auch weniger philosophische Bücher, als mein Interesse für dieselben mich heißt; ich gebe dem Einzelnen Zeit, sich in mich einzuwohnen, und um auch meinen übrigen Arbeiten eine Einheit zu geben, damit auch sie ein Interesse erhalten, was jenem einigermaßen das Gleichgewicht halten möge, habe ich mir etwas recht Großes vorgenommen; so groß, daß ich es nicht einmal jemand anders gestehen mag, was aber, wenn ich es erreiche, | die größte aufgewandte Mühe lohnen, und wenn nicht, diese doch nicht vergeblich machen würde. Ich sollte freylich von allem diesem nicht als von etwas schon Gegenwärtigem sprechen; denn jetzt ist für mich noch eine fatale Zeit. Weil niemand mich eigentlich hat studieren lassen, sondern dies nach und nach von selbst so gekommen ist, so habe ich auch die Zeit meines Studirens nie in Beziehung auf eine andere gedacht, sondern jede Zeit verlebt, als wäre sie um ihrer selbst willen da; ich habe daher verschiedene Wissenschaften, so wie mich jede an sich zog, mit Liebe zu meiner jedesmaligen Befriedigung getrieben, bin aber nachher, wenn ich glaubte sie als Ganzes zu besitzen, wenig darum bekümmert gewesen, das Einzelne festzuhalten. Jetzt finden meine Freunde es gut, und ich selbst finde es auch, wenn auch nur um nachher nicht wieder auf dieselbe Weise in meinem Gange gestört zu werden, daß ich auf irgend eine Weise von der verlebten Zeit Rechenschaft ablege, und ich habe mich deswegen zu promoviren entschlossen. Dazu wird in Kiel ein Examen in den mathematischen, historischen, philologischen und philosophischen Wissenschaften und eine öffentliche Disputation erfordert. Indem ich nun repetire, wovon ich den Genuß schon präcipirt habe, habe ich immer nur an dem Einzelnen zu arbeiten; dabey erwacht denn immer wieder die alte Liebe; was mich früher befriedigt hat, finde ich jetzt ungründlich und lückenhaft, und ich mögte bey jedem von Neuem anfangen; thue es auch wohl, finde aber dann, daß ich nicht zu Ende kommen würde und muß wider Willen abbrechen; so erhält meine ganze Geschäftigkeit etwas Uebereiltes, was mir höchst unange100 in] im

95

100

105

110

115

120

125

17. 7. 1812

130

135

140

145

150

155

160

165

287

nehm ist. Besonders quält es mich, mich im Lateinsprechen so zu vervollkommnen, daß ich bey meiner Blödigkeit damit aufzutreten wagen kann. Auf der Schule, wo dergleichen eigentlich geübt werden sollte, ist dies versäumt worden; alle solche Fertigkeiten sind aber später sehr schwer zu erwerben, wenn die Feinheit des Urtheils für die Eigentümlichkeit der Sprache dem Mechanischen zu sehr vorgeeilt ist. Dieselbe Erfahrung habe ich beym Zeichnen und bey der Musik gemacht. Da habe ich jetzt den Livius und Cicero halb durchgelesen; aber bey den interessantesten Untersuchungen muß man vorübereilen, weil sie zu diesem Zwecke nicht führen, es ist auch so etwas Eigennütziges in einem solchen Lesen, was die Unbefangenheit des Sinnes unglaublich stört. Was aber am meisten fördern würde, an einem Freunde, mit dem ich sprechen könnte, fehlt es mir hier ganz. In einigen freyen Stunden, die mir von dieser Arbeit, und dem Privatunterricht, den ich zu geben habe; geblieben sind, habe ich neulich die beiden Streitschriften Jacobys und Schellings gelesen. Obgleich die Art, wie der Streit geführt wird, mir ein unangenehmes Gefühl erregt hat, sind doch manche Ideen mir dadurch klarer geworden. Dennoch schien mir in der Art, wie Schelling sowohl hier philosophirt, als in der Abhandlung über die Freyheit, die ich bey dieser Gelegenheit auch wieder las, in Hoffnung sie besser zu verstehen als bey ihrer Erscheinung, so viel Willkührliches, zum Theil selbst nur mythisch zu verstehendes, daß ich mich nicht darin habe finden können. Ich bin sehr geneigt zu glauben, daß ich zu der Lesung der gedachten Abhandlung noch nicht reif bin. Aber andere Bücher machen doch einen ganz anderen Eindruck auf mich; so zum Beyspiel die Klarheit und dialektische Vollendung in Ihrer Kritik der Ethik. – Doch, daß ich diese lese, wollte ich Ihnen eigentlich nicht sagen, aus Furcht, Sie mögten auch mich zu der Klasse von Lesern rechnen, die Sie sich in der Vorrede verbitten. Indeß, wenn man nur wirklich sich unterrichten will, schadet es dann so sehr, wenn man auch von einigen Systemen erst im Buche selbst etwas Genaueres erfährt? Nichts wird mir eine größere Freude machen, als von Perthes, der Sie kennen zu lernen hofft, zu erfahren, daß Sie und Ihre Familie sich so befinden wie ich es wünsche. Doch, Eins würde mich noch mehr freuen, wenn er mir ein Paar Zeilen von Ihrer Hand mitbrächte, worin Sie es mir sagten. Aber darum wage ich nicht Sie zu bitten aus Furcht Ihnen lästig zu werden. Mit der größten Liebe und Verehrung Aug. Twesten. (In Eimsbüttel; Addr. H. Hinrichs, Schaarsteinweg N. 107 in Hamburg)

288

Briefe 3791–3794

3791. An Johann Joachim Bellermann. Berlin, Mittwoch, 22. 7. 1812

191v

Ewr Hochwürden haben zwar die Anzeige der Vorlesungen welche Sie im nächsten Semester zu halten gedenken Herrn D. Marheinicke bereits mitgetheilt; indeß wage ich es doch Ihnen einen Wunsch den auch der Herr Dekan mit mir theilt mitzutheilen Ob Sie uns nemlich nicht diesmal mit einer „theologischen Encyclopädie“ aushelfen könnten, deren Vortrag Ihnen ja gewiß wenig Beschwerde verursachen kann und wodurch da wir einen bedeutenden Zuwachs an Novitien zu erwarten haben einem wahren Bedürfniß dieses Semesters abgeholfen würde. Wenn Ewr Hochwürden geneigt sind diesen Wunsch zu berüksichtigen: so haben Sie nur die | Güte die Aenderungen welche Sie in Ihrem Verzeichniß machen wollen Herrn D Marheineke oder mir wie es Ihnen am bequemsten ist zuzuschiken es soll für die richtige Eintragung in den Catalog gewiß noch gesorgt werden. Schleiermacher 22t. Jul. 12.

5

10

15

3792. Wohl an Friedrich August Wolf. Berlin, Mittwoch, 22. 7. 1812 Ewr Hochwohlgebohren bin ich so frei ein Paar Stellen aus einem Brieflein des Herrn Professor Becker vom 5. Juli wörtlich zu communiciren „Daß ich so spät antworte entschuldige ich leider nur allzudürftig mit dem bekannten Zustand meiner Finanzen wodurch ich genöthigt gewesen ganze 4 Wochen bei einem ξε´νος auf dem Lande zu verlieren.“ und „Sagen Sie Wolf daß ich höchst nöthig Geld brauche, damit ich nicht auch noch in den lezten zehn oder zwölf Wochen meine Arbeiten unterbrechen müsse et propter vitam vivendi perdere causas.[“] 3791.

Überlieferung: H: Stadtbibliothek Berlin, Gh 134, fol. 191.

3792. Überlieferung: H: University of Chicago Library Special Collections Research Center, Bekker, Immanuel, Papers, Box 1, Folder 13. Unten auf dem Blatte steht der Vermerk: „Hierauf mußte leider geantw. werden, daß dem Bedürfnisse schon durch 2 Sendungen abgeholfen war.“

5

10

22. 7.–28. 7. 1812

15

289

Wenn dem Bedürfniß nicht etwa seitdem schon abgeholfen sein sollte so wird es gewiß keine Schwierigkeit haben daß Ewr Hochwohlgebohren Herrn Beckers Gehalt auch pro Juni – August bei der Kasse in Empfang nehmen können. Schleiermacher B d 22t. Jul 12

3793. Von Pippke. Montag, 27. 7. 1812

5

Ew Hochwürden habe ich die Ehre die beyden verlangten Schriften des Jordanus Brunus 1) de triplici minimo p 2) de monade p zu übersenden. Verzeihen Sie meine Flüchtigkeit. Es schlägt 11 Uhr. Die Katechumenen sind da. Pippke den 27ten Jul 12.

3794. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, vor dem 28. 7. 1812

5

10

Mein lieber Schleiermacher, Sie verlassen ja Ihren alten Freund ganz und gar. Seit lange habe ich auch nicht einen Federzug von Ihnen gesehen und aus andern Quellen erhalte ich über Sie auch keine Nachrichten, es müßten denn die dürftigen seyn, welche mir in den Lectionsverzeichnissen aus öffentlichen Blättern kommen. Doch ich habe jetzt weit weniger Lust als Ursache, zu schelten. Ich will Sie nur auffordern, sich mit mir zu freuen. Ein Glück, worauf ich schon ganz Verzicht gethan hatte, ist mir noch geworden. Ich habe in der zweyten Tochter des hiesigen Doctors und Apothekers Witte ein weibliches Wesen gefunden, die ihr ferneres Leben mit dem meinigen theilen 3793. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 35v. Rückseite eines Zettels über Giordano Bruno (52./53. Stunde der neueren Philosophiegeschichte, Sommersemester 1812). Mit zwei Werken des Jordanus Brunus: „De triplici minimo“ und „De monade“. 3794. Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 56. Beantwortungsvermerk: „Beantw. d 28t. Jul 12“.

Die Datierung ergibt sich aus dem

290

Briefe 3794–3798

will. Ein Unterricht, den ich ihr als Freund des Hauses seit drey Jahren ertheilt habe, hat die Veranlassung zu unsrer genauen Bekanntschaft und zu unsrer gegenseitigen Neigung gegeben. Lassen Sie diesen Umstand, der Sie nicht ohne Grund zur Vermuthung eines bedeutenden Unterschiedes in unsern Jahren führt, sich nicht abhalten, ohne Besorgnisse dieser Verbindung sich zu erfreuen. Hätte ich, bey der großen Menge von Briefen, die ich schreiben muß, Zeit genug, mehr ins Einzelne zu gehen, ich würde, hoff’ ich, jeden Zweifel wegen jenes Mißverhältnisses in Ihnen ersticken können. Hier will ich nur so viel von meiner Louise Ihnen sagen: ihr Charakter ist durchaus Wahrheit. Und hab’ ich hiermit Ihnen nicht sehr viel gesagt? Ja, mein theurer Freund, ich fühle mich in dem Besitz dieses lieben Mädchens höchst glücklich und gewiß wird unser Glück ein dauerhaftes seyn. Hoffen auch Sie das mit ungetrübter Theilnahme an meinem Schicksal, und geben Sie mir ohne alle Bedenklichkeiten den Segen der Freundschaft. Ihr Konopak. Viele freundliche Grüße an die liebe Nanny und die Ihrigen überhaupt. Louise, der ich natürlich von meinen lieben Freunden und von meinem frühern glücklichen Leben mit ihnen viel erzählt habe, trägt mir auf, Sie auf das Freundlichste zu grüßen.

15

20

25

30

*3795. An Christian Gottlieb Konopak. Berlin, Dienstag, 28. 7. 1812 Fragt, ob Konopaks Hinweis auf den Altersunterschied zwischen sich und seiner Verlobten Luise Witte eine Anspielung auf denjenigen zwischen Friedrich und Henriette Schleiermacher sei. Sagt für den Fall, dass die Ehe nicht sowieso schon geschlossen ist, eine Teilnahme an der Hochzeit ab.

27–30 Viele … grüßen.] am linken Rand *3795. Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk zu Brief 3794, Z. 1. Zum Inhalt vgl. Brief 3812, Z. 11–30 vom 29. 10. 1812.

5

Vor dem 28. 7.–9. 8. 1812

291

*3796. An Immanuel Bekker. Berlin, Sonnabend, 1. 8. 1812

*3797. Von Wilhelm Graf zu Dohna-Schlobitten. Sonnabend, 1. 8. 1812

3798. An die Geistliche und Schuldeputation der Kurmärkischen Regierung (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Sonntag, 9. 8. 1812 Berlin den 9t. Aug. 1812

5

10

15

S. d. U. zu 1744. An die Geistliche und Schuldeputation der Königlichen Kurmärkischen Regierung zu Potsdam Das Departement pp kann über die Anlegung eines neuen Landschullehrer Seminars für die Kurmark im Allgemeinen nicht entscheiden noch weniger auf Genehmigung von Fonds antragen, bevor es mit der eigentlichen Absicht der pp Deputation näher bekannt ist. Nachdem die pp Deputation sich aber so für Dom Havelberg als den zweckdienlichsten Ort zur Anlage entschieden, welches ganz den Beifall des Departements hat; so wird der pp Deputation p nochmals aufgetragen, sowol den Plan zur innern Einrichtung als auch den EtatsEntwurf fördersamst anzufertigen und anher einzureichen. Das Departement p erwartet um so mehr baldige Erledigung dieses Auftrags, als die pp Deputation selbst als ein dringendes Bedürfniss erkannt, dass in dieser Sache Etwas geschehe. Berlin den 9ten Aug. 1812. Departement pp Schleiermacher 12/8 *3796.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk zu Brief 3787.

*3797.

Erschlossen aus dem Beantwortungsvermerk des Briefes 3786.

3798. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 76 VIII, Sekt. 15 bb Nr. 1 Bd. 1 (ohne Blattzählung). Ein Konzept zu diesem Brief von Schleiermachers Hand befindet sich am Rande auf dem Schreiben der Geistlichen und Schuldeputation in derselben Akte (ohne Blattzählung).

292

Briefe 3799–3802

*3799. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Anfang August 1812 Er gelte in Breslau als ein Schwärmer.

*3800. Von Luise von Willich und Charlotte von Kathen. Vor dem 11. 8. 1812

3801. Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 11. 8. 1812

21v

Das habe ich wohl vermuthet, lieber Schleiermacher, daß doch noch allerlei Bedenken und selbst wirklich Schwierigkeiten Eurer Reise entgegentreten würden – Luise wird diejenigen zu heben suchen die ich nicht wohl berühren kann und melden, was sie weiß. Ich kann nur hinzusezzen, daß mein Haus, bisher von Einquartierung frei und, wie es izt noch ist, zu frugalen NarungsMitteln hinlänglich Zugang ist. Wie lange jenes und dieses währt, kann freilich kein Mensch hier wissen, da jeder Augenblick neue Umstände, neue Maasregeln und Ordres herbeiführen kann – wie wir schon einmahl die gehabt, alles Vieh und alle Vorräthe tiefer ins Land hinein zu führen, das ein grosses Elend zur Folge gehabt hätte, sie wurde vor der Ausführung wieder zurükgenommen. Das beste bei allen Gräueln der Zeit ist die musterhafte Disziplin der | Truppen und gehören Excesse in der That zu den unbegreiflich seltenen Ereignissen – Auch sind wir dies Mahl bisher mehr mit den Teutschen zufrieden als vormals – Ich denke dann: Ihr werdet Euch einem guten Geschik in die Arme werfen und die Reise in Gottes Namen antreten. Meine herrliche Frau hat mit uns gleiche Sehnsucht nach Euch und für diesen Augenblick sind wir alle ziemlich in der Fahrth Dein CvW S. den 11 Aug 12. *3799. Erschlossen aus Charlotte Schleiermachers Brief an Henriette Schleiermacher vom 5.9. bis Anfang Oktober 1812 (SN 375/23, Bl. 5 f.; vgl. dort auch zum Inhalt) und aus Brief 3827, Z. 19 f. vom Anfang Februar 1813. *3800.

Erschlossen aus Brief 3802, Z. 83–87.

3801.

Überlieferung: H: BBAW, SN 421, Bl. 21.

5

10

15

20

Anfang August–12. 8. 1812

293

3802. Von Luise von Willich. Sagard, Mittwoch, 12.8. bis Donnerstag, 13. 8. 1812

5

10

15

20

25

30

Sagard den 12t August 12 Ordentlich ängstigen kannst Du einen – wenn nun dieser Brief aufgehalten wird unterwegs und er nicht zum 22ten in Berlin ist, so seht Ihr die Sache als abgemacht an, und Ihr komt nicht? nein das ist gar nicht auszuhalten. Mir ist, als müste ich mich fürchterlich beim schreiben sputen, es ist mir recht als würde ich getrieben, und doch kann der Brief erst Morgen abgehen, und dann geht er langsamen Schrittes weiter; hätte ich Flügel!! in dieser Minute wäre der Brief bei Euch. Ich dachte es wohl daß die alten Übertreibungen aller Art auch Euer Ohr berüren würden und Euren Entschluß wankend machen, Mein Gott glaubt doch nicht alles was Ihr hört. Es ist hir gar so schlim nicht, seit wir uns nicht mehr kehren an den G e r ü c h t e n , was noch alles kommen s o l l , ist das was wir haben, recht gut zu ertragen, wenn wir uns nicht selbst die Freuden nehmen die man auch in dieser Zeit haben kann. Raum ist hir noch viel in Sagard, (ich soll schreiben was ich weiß) – und was alle Menschen wissen. Alle Tage haben wir hinlänglich zu eßen, und ein neuer Brunnen | ist seit dem Frühjahr auch noch in der Brunnenau, entstanden, die Quelle sprudelt wahres Waßer des Lebens. Für die Leute, die aber dies Waßer nicht vertragen können, weil sie selbst wahres Leben sind, findet sich gewiß auch etwas Wein, denn die Franzosen haben sich den Wein ganz ab gewöhnt. Übrigens waren noch vor 14 Tagen einge Freunde hir die mit ihren Paß von der Französischen Behörde ruhig bei uns, und auf unser unschuldiges Land sein konnten wo sie wollten. Es ist zu toll, daß das kleine Land so in der Leute Mund kömt, ganz um nichts und wieder nichts. Manchen von unsern Landsleuten ist es eine kleine Lust einen Paß zu haben, so daß wenn man gerne will, kann man sich auch von hir nach Bobbin einen geben laßen, es ist uns etwas neues, und wir renomiren ordentlich ein bischen damit. Nöthig ist nun für einen Reisenden, daß er sich von der Französischen Behörde einen Paß geben läßt und diesen an jeden Ort wo ein Kommandant ist ach wie nennt man das, ich muß erst fragen – – und zugleich | Butter an die Erbsen geben denn Mariane ist nicht zu Hause – v i s i r e n läßt. Der Kommandör unsrer kleinen Insel, ist in Bergen, und ein sehr 3802. Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 96–98. Spalding. 24 daß] das 27 daß] das

Mit einer Einlage an Wilhelmine

96v

97

294

97v

Briefe 3802–3803

edler Mann, der niemanden unnötige Noth oder Beschwerde auflegt, und mit einen Paß von d a darf man denn auch hir überal hin. Päße müßens nun ein mal sein, und das thut einem ja nichts. Also „einem günstigen Geschick werdet Ihr Euch in die Arme werfen, und die Reise in Gottesnamen antreten“. Nun muß ich ein ganz kleines Nachmittagsschläfchen halten, dann mich ankleiden und dann mit den Garzern und Bobbinern und den jungen Wiekern in der Brunenau recht vergnügt sein, es ist Heute ganz Himlisches Wetter. Aber es ist D i e n s t a g Du also must arbeiten, und Sontag war es kein gutes Wetter – mir geht es immer nah wenn die Tage Deiner kleinen Ferien kein gutes Wetter ist.

35

Den 13ten Morgens. Es ist so mildes schönes Wetter, der Himmel ist noch wenig bedekt doch blikt die Sonne hin und wieder schon durch, ich will nun noch’n bischen schreiben und dann soll ich mit Theodor Schwarz in die Brunenau gehen, ich freue mich darauf, er ist immer so lieb und treu, immer wahr, und immer kann man ihm vertrauen ich werde abgerufen – Ach Philippine hat das Fieber – zwar halb freue ich mich, denn Gestern war sie so heftig krank, daß wir | eine schwere Krankheit fürchten musten, denkt Euch aber welch ein Querstrich in unsrer schönen Rechnung. Vor 8 Tagen nehmlich kamen alle Wieker und Haßelbach nach Bobbin und Sagard, Theodor mit Philippine und die beiden Kinder hir. Es war uns so wohl bei einander, daß beschloßen ward Philippine soll mit den Kindern hir bleiben, Theodor den Sontag, den vorigen nehmlich in Wiek predigen, dann wieder kommen und mit Frau und Kindern in Ruhe und Friede bis nächsten Sontag hir bleiben. Die erste Stöhrung war nun daß Malchen Hane am Sonabend von einem heftigen Fieber ergrifen ward, was auch Sontag wiederkehrte, ich hatte den Morgen bei ihr geseßen und ging nun um elf hinunter, und frage: ist Philippine in der Kirche? „ach denke Dir eben ist sie zu Bette gebracht“ ist die Antwort, sie bekam so heftige Beklemmung und dann Frost, daß sie nicht auf bleiben konte. Gestern nun war sie so krank, daß wie Theodor kam er gleich den Arzt aus Bergen lies Heut kommen. Diese Nacht blieb ich bei ihr, sie schlief den lezten Theil sehr sanft, und genoß um 6 Uhr mit Appetiet eine Taße Kaffe und Zwiebak nun aber um 10 läßt sie mich rufen und ein heftiges Fieber tritt ein – doch hält sie es entschieden für kaltes Fieber, und das wäre recht ein Glük. Malchen Hane ihr Fieber ist schon wieder ausgeblieben und sie wieder heiter, und auf den Füßen. |

45

55 daß] das

40

50

55

60

65

70

12. 8.–vor dem 18. 8. 1812

75

80

85

90

95

295

Gestern waren die Garzer hir, und alle 4 Brüder Pistorius beieinander. Auch Franks hatten ihren Ernst zum besuch zu Hause er ist größer wie der Vater ein lieber braver Junge. (Ist Dreist noch in Berlin?) Heute sind nun einge von uns in Bobbin. Lotte Pistorius hat sich doch immer noch nicht erholt. Schleiermacher, es ist doch nun gewiß daß Ihr komt? Doch ganz gewiß? und – ach n i c h t zu kurz – laßt es Euch auch nicht stöhren daß Ihr grade die Erndte hir treft – ich meine des fahrens wegen – aber We ß e l ist doch da, und 2 ÐLädenÑ auch, Siehe ist das nicht gut daß ich Dir die aufgehoben habe? wo wären sie, hätte ich sie nicht so lange behalten? Dafür kanst Du lange fahren und wenn ich mich ganz hinten hinein pakke, nicht wahr? dann darf ich hir mit Euch herein ziehen? – Sollte Jettchen wohl meinen Brief erhalten haben den ich vor einger Zeit, und meine im Juny, an sie schrieb mit Lotte Pistorius zusammen? und Du, den ich mit der Kathen schrieb? – der von Garz aus wie Lotte Pistorius krank war ist leider nicht an gekommen, wie unangenehm ist mir das – ich habe auch ein Blatt für die Spalding eingelegt. Ob wohl Caroline Schede das Müzchen bekommen hat? wie vieles bleibt mir immer im Dunkeln – Ich wollte Heute noch an Jettchen schreiben, und ihr | sagen wie herzlich ich mich freue Euch alle zu sehen, wie mich darnach verlangt hat – aber ich kann nicht mehr – ich bin auch so dösig von der unruhigen Nacht – Man darf hir jezt gar keine Briefe als Einschluß versenden bei großer Strafe, daß heist aber wohl keine versiegelte – Adie Ihr Lieben, tausend herzliche Grüße – tausend herzliche Wünsche Euch bald hir zu sehen. Eure Luise

3803. Von Unbekannt. Vor dem 18. 8. 1812 […]tetsten Dank abz[ustatten] | für die herrliche Ein|segnung, die Sie [meiner Frau] | und mir gestern haben | wollen zu Teil [werden 79 das] daß 3803. Überlieferung: H: BBAW, SN 98, Bl. 27v. 24v. Bl. 24v ist die Rückseite eines Zettels über Spinoza als Vollender von Malebranche (62. Stunde der Vorlesung zur neuen Philosophiegeschichte im Sommersemester 1812, wohl am 18.8.), Bl. 27v eines weiteren Zettels über Spinoza (63. oder 64. Stunde). Bei der im Brief erwähnten Einsegnung handelt es sich wohl nicht um eine Konfirmation (die dann schon im Frühjahr 1811 oder 1812 stattgefunden hätte), sondern um eine Trauung.

98

98v

296

Briefe 3803–3806

lassen.] | Erlauben Sie mir daher, daß ich e|[s in ih]rem und meinem | Namen nachhole, [und Ihnen] | die grosse Hochachtung | bezeige, mit welch[er ich die Ehre] | habe zu sein

5

[…]

3804. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 30. 8. 1812 Sontag den 30ten

70v

Wie geht es euch nun heute in dem Regenwetter? Was macht mein liebes Lieschen, und das kleine lächerliche Dickchen? Es war gestern Abend überal Schauderhaft, Harscher half mir noch alle Fensterläden zumachen und war sehr Liebenswürdig. Unten in der Stube war es zu Fürchterlich, ich trug meine Betten also hinauf, auf das Jünglingslager. Mit schrekken habe ich heut gefunden daß in Sophiens stube alle Strümpfe aus der lezten Wäsche ligen geblieben sind, wie wirst du nun auskommen? Hir hast du Jettes Nähzeug und futter dazu. Grüße doch Louise sehr, ich wolte schreiben an sie, ich habe aber so lange herum gekramt daß es nun Zeit zu Eßen zu gehen ist. Sophie, Marianen, die | Kathen und Pißtorius Grüße recht angelegentlich, Malchen Baier ganz besonders, auch die Hane und Julia Willich sehr freundlich, und die Mühlenfels nicht zu vergeßen. Das Hemde für Lotte Cummero habe ich leider auch hir gefunden und wahrscheinlich ein altes von mir dafür eingelegt bring es doch wieder mit. Schreibe doch ja mir bald. Jette und Friede laße ich Grüßen. Nanny

3804. Überlieferung: H: BBAW, SN 240, Bl. 70. Die Datierung ergibt sich daraus, dass Schleiermachers im August und September 1812 nach Rügen verreist waren – im Jahr 1816 fällt Sonntag, der 30. in den Juni, also vor die Rügenreise Schleiermachers. 7 daß] das 10 sie] Sie 11 daß] das

5

10

15

Vor dem 18. 8.–2. 9. 1812

297

3805. An Unbekannt. August 1812

3806. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Mittwoch, 2. 9. 1812 An Schleiermacher. [Bl. 6v] Mittwoch abend den 2ten

5

10

15

20

25

Ich würde heute nicht schon wieder schreiben wenn ich dich nicht einiges zu fragen hätte. Die Levi mit einer probe von dem Wein, und wißen was es kostet, ich werde ihr nun sagen ich hätte dich erst gefragt. Schede bittet dich, ihm doch auch von dem VetterWein zu verschreiben, und frägt ob du, wenn er vor Winter nicht mehr ankäme, von deinem ablaßen köntest, ich habe zwar schon gesagt ich glaube es nicht, weil H zu viel brauche. Antworte doch bald auf diese fragen. Kan ich das hir nicht besorgen wieviel alle Leute von dem Wein haben wollen, und könte Harscher den nicht verschreiben? damit es nicht zu spät wird. Mir geht es bis jetzt sehr gut, den vormittag bin ich hir wie eine Prinzeßin zuhause, die beiden Jünglinge sind sehr Liebenswürdig wenn sie nicht zusammen sind, der Jüngling ist Sontag abend im größten Regenguß zu Schedens gekommen, und heut abend wieder | in den Garten, und hat mich zuhause gebracht, und zärtlichen Abschied genommen er Reist morgen mit Stuhr und Willisen nach Deßau, Weimar, und Thüringen, er läst auch sehr grüßen, sage Jettchen ich hätte nun doch eine Hand mehr bekommen. Harscher hat heute auch einen Brief bekommen, wahrscheinlich Geld und Reist wahrscheinlich, und dan wird es mir wohl etwas schlimm gehen, denn ohne Jünglinge ist es doch nichts. Die Iphigenie ist heut nicht gegeben weil die Milder nicht wohl ist, dagegen sind wir nachmittag bei den wilden Thieren gewesen, der Löwe mit dem Hund ist nehmlich hir, es läuft wirklich ein kleiner gelber Hund unter dem schönen großen Löwen herum, der sich gar nicht um ihn bekümmert, der Hund springt ihm zuweilen an der 3805. Überlieferung: D: J.A. Stargardt Autographen 508 (1953), Nr. 127; 519 (1955), Nr. 212 Der Autographenkatalog vermerkt: „O. O. u. D. (VIII. 1812)“ 3806. Überlieferung: H: BBAW, SN 240, Bl. 5 f. Der Inhalt (z.B. dass Elisabeth Schleiermacher mit ihren Eltern verreist ist) verweist den Brief in die Zeit von Schleiermachers Reise nach Rügen 1812. (Die Reise nach Rügen im Jahr 1816 kommt nicht in Frage, da dort weder im August noch im September der 2. auf einen Mittwoch fällt.)

5v

298

6

Briefe 3806–3807

Mähne hinauf, und dan legt sich der Löwe auf den Rükken und läst den Hund auf sich herum spielen, eine sehr wilde Löwin ein schöner schwarzer Bär, ein Tiger, 3 Affen und einige sehr schöne | Papageien sind noch da, etwas Inländisches sehr stinkendes, in einem Kästchen mit gläsernem Dekkel, und einer GoldBüchse daneben, sind 4 kleine weiße Mäuse. Herr Grahl hat Geld geholt, der Maurer ist hir gewesen, und wil Freitag anfangen, so weit ist es im Hause. G r u n o w sol in Prag arretirt und nach Wien gebracht sein, der Jüngling hats erzählt. Viele Grüße an alle. Antworte bald von wegen des Weins. Rahel läst Friede Grüßen und ich grüße mein Lischen, gib ihr nur diesen Brief, und sag ihr sie sol Lesen. Nanny.

30

35

übrigens mein bester hast du dich mit dem Kostgeld verrechnet, 8 mal 30, oder 30 mal 8 schlechte Groschen macht mehr als 5 Tahler 12 Groschen.

3807. An Anne (Nanny) Schleiermacher (auch von Luise von Willich). Poseritz, Montag, 7. 9. 1812 Poseriz d 7t. Sept. Du wirst sehr spät die erste Nachricht von uns bekommen liebe Nanny das kommt daher weil die erste Post von hier gleich den Morgen nach unserer Ankunft abging, ehe jemand daran denken mochte danach zu fragen. Unsere Reise ist so langsam gegangen daß wir erst Abends um 11 Uhr in Prenzlow waren ich lief indeß doch noch zu Herzens die wir hernach am andern Morgen in der Wirthshausunruhe bei uns sahen. Pferde hatte Jette nicht bestellen können wir reisten also Montag Morgen um 10 Uhr mit Postpferden weiter, mußten auf der lezten Station 5 Stunden auf Pferde warten und kamen erst Dienstag Morgen um 6 Uhr nach Anclam. Vor 7 war bei Stavenhagens Niemand auf und das erste was ich hörte war daß Manon seit 10 Tagen entbunden sei sehr schwer von einem starken Jungen aber unglüklicherweise mit einer ungeheuren Hasenscharte die nun unser Graefe operiren soll. Die Mutter war sehr in Angst und Sorgen Manon aber ziemlich voll guter Hofnung und sehr herzlich erfreut uns zu sehn. In Greifswalde blieben wir weil wir mit den Päßen nicht recht eher in Ordnung kommen konnten den Dienstag und Mitt3807.

Überlieferung: H: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, III 11/2.

5

10

15

2. 9.–7. 9. 1812

20

25

30

35

40

45

50

299

woch, waren Dienstag Abend mit Reimers und Rühs bei Schildner | Mittwoch Mittag von Niemand eingeladen im Wirthshause und den Abend noch bei Reimers. Alles ist wohl bis auf Mine die abends schwächlich und häufig mit bösem Kopfweh geplagt ist. Donnerstag gings über Milzow wo wir sehr überraschten und erfuhren daß Mühlenfels bei der VerpflegungsCommission in Stralsund arbeite dorthin. Wir fanden ihn auch gleich im Wirthshause. Ich adressirte mich an Israel aber wir erhielten unsere Pässe weil der General Morand ausgefahren war erst um 7 Uhr. Die Israel war bis dahin bei uns. Sie ist sehr stark geworden, fragte sehr nach dir und bedauerte außerordentlich daß du nicht mit seist. Um 7 Uhr gings zu Boot und um 10 Uhr kamen wir hier an. Den andern Morgen ging ich nach Götemiz und holte Lotte Kathen und Christiane her, die Garzer waren Mittags hier und die Götemizer übrigen kamen Nachmittags nach. Sonnabend Morgen gingen Jette und ich nach Sissow, Mittags waren wir alle hier Abends mit den Garzern und Caroline Mühlenfels in Götemiz wo der Herz Geburtstag noch gefeiert wurde, das Detail mündlich. Gestern nach der Kirche kam ganz unerwartet Louise an und zwar ohne daß sie gewiß gewußt hatte ob wir hier wären. Abends waren wir in Sissow. | Heute Abend sind wir in Garz und Morgen geht es nach Jasmund wo wir bis zum 21ten bleiben und dann noch hier und in Götemiz bis zum 28ten oder 29ten. – Dein Brief mit den Proben ist angekommen. Grüße Schedens aufs herzlichste und laß bald von dir hören. [Luise von Willich:] Durchaus sollten Proben in Deinem Briefe sein, die ich auch sollte bestellt haben; ich ließ mirs gefallen weil ich mich freute, doch da Du nicht selbst da warst einen Brief von Dir zu haben, diesen sparte ich mir auf bis ich ins Bette war, recht Gemüthlich öfne ich das Blatt – und auch nicht eine Sylbe ist für mich darin, Nanny und du selbst bist auch nicht da – ich kann Dir nicht sagen wie weh es mir that als ich hörte Du wärst nicht da! ich hatte mich sehr auf Dich gefreut, in unsern Abendstunden waren wir uns doch immer am nächsten, wir wusten wenigstens dann am besten was wir an einander hatten – weist Du noch Nanny wenn ich mich oft ganz vergaß und so halb ausgezogen vor dem Bett stehn blieb? Ich hätte Dich jezt gar zu gern gesprochen – Doch – göne ich es Dir fast daß Du zu Hause geblieben bist – Schleiermacher läßt mir sagen ich soll zum Schluß kommen – Schade daß Jettchen | meinen lezten Brief nicht mehr erhielt – ich hatte viel von Altenkirchen darin geschrieben wenn er ankommt gebe ich Dir Erlaubniß ihn zu lesen. Aber 26 Die] korr. aus Den

29 die] korr. aus M

34 unerwartet] folgt 〈Sophie〉

300

Briefe 3807–3809

Jettchen muß ihn auch doch haben. Liebe Nanny mir ist so recht still und innig glücklich zu Muthe daß sie hier sind! ich will nun auch nicht traurig sein wenn sie wieder reisen, das beste behält man doch daran, wenn auch der Raum dazwischen tritt und uns manches nimt – und die Hoffnung bleibt ja auch des Wiedersehens so lange man auf einer lieben bekanten Welt mit einander lebt! Grüße Carolinen – Wilhelminen! meinen guten lieben Arm, und Harscher freundlich von mir. Deine Luise

55

sehr eilig

65

60

3808. An Anne (Nanny) Schleiermacher. Sagard, Sonntag, 13. 9. 1812 Sagard d 13t. Sept. 11 Ich antworte so bald als es bei der hiesigen verdammten Posteinrichtung möglich ist. Wenn Du den Wein noch nicht abgezogen hast so ziehe ihn nun nicht ab und sage der Levi genau konnte ich noch nicht wissen was er kosten würde. Einen Thaler gewiß das Quart, wäre das Oxhofft klein so könnte es noch eine Kleinigkeit mehr werden; Proben aber könntest du nicht geben bis ich käme. Da nämlich die Levi nun solche Umstände macht nachdem sie zur Herz bestimmt gesagt sie wollte ihn nehmen habe ich gar keine Lust mehr ihn ihr zu lassen, sondern will erst probiren ob Wulkniz ihn haben will. – Vetterwein kann ich niemanden lassen, auch nicht Eine Flasche. Was das Verschreiben betrifft so frage doch Harscher oder wenn der sich nicht getraut es zu bestimmen Buttmann ob es nicht schon zu spät ist vor Winter. Ich glaube schwerlich daß man es noch wagen kann. Geht es so bitte nur Niebuhr die Subscribenten zu sammeln, rechne dann die welche Du bekommst dazu, und verschreibe je nachdem es ausfällt Eine Pie`ce | oder Zwei. Aber mache mir um Gottes willen keine Confusion damit ich nicht eine Last Wein auf dem Halse behalte; einen kleinen Antheil kannst Du immer auch auf mich rechnen wenn grade 3808. Überlieferung: H: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, III 11/1. Zur Datierung vgl. Brief 3806 vom 2. 9. 1812, auf den dieser antwortet. 8 bestimmt] über der Zeile

5

10

15

7. 9.–19. 10. 1812

20

25

30

35

301

etwas fehlt. Harschern denke ich wird seine Unentschiedenheit doch nicht zum Reisen kommen lassen sonst wäre es sehr übel wenn er reiste ohne seine Rechnung zu bezahlen. Damit Du dich wenigstens wenn er danach fragt nicht mit Deiner Unwissenheit entschuldigen kannst so erinnere ich Dich daß Jette für 6 Monate 44 heißt Vier und Vierzig r zu fordern hat und ich für jede Bouteille Vetterwein, Du hast sie doch aufgeschrieben 11 g 6 d – Das Kostgeld habe ich ganz genau ausgerechnet. Es macht 240 schlechte Groschen 210 schlechte Groschen sind 5 gute Thaler, bleiben also noch 30 schlechte groschen, es sind 16 gute und 2 schlechte; wenn Du nun nicht zusiehst so würde ich 5 r 17 g geschrieben haben und das komt auf eines heraus. Ich habe aber glaube ich vergessen dir baar noch für die beiden Augusttage zu geben, also hast Du noch außerdem 16 schlechte Groschen zu verrechnen. Adieu. Alles andre denke ich schreibt Jette. Grüße Alles, auch Herrn Grahl und sieh doch auch einmal zu Pischons. Wenn du interessante Nachrichten erfährst so schreibe sie doch und adressire Deinen nächsten Brief nach Poseriz denn Montag über Acht Tage reisen wir wieder von hier ab und den 29ten sind wir in Stralsund wohin Du in der allerlezten Zeit unter der Israel Adresse schreiben kannst Schleier

3809. An Johann Erich Biester. Berlin, Sonnabend, 19. 10. 1811 oder Montag, 19. 10. 1812 Hrn Bibliothekr / D. Biester / Wohlgeboh [Rückseite]

5

Herr Candidat N e u e n d o r f der mir genau bekannt ist wünscht Bücher von der Königlichen Bibliothek zu erhalten und ich ersuche Sie ergebenst sie als mir geliehen anzusehn. Schleiermacher d. 19t. Oct.

23 44] über 〈47〉

heißt Vier und Vierzig] über der Zeile

3809. Überlieferung: H: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Sammlung Darmstädter, acc. Darmst. 1912. 1. Wenn es sich um Wilhelm Neuendorf handelt, der in späteren Briefen Schleiermachers freundliche Erwähnung findet und 1813 ordiniert wurde, dann macht es Sinn, den Brief auf das Jahr 1811 oder 1812 zu datieren.

302

Briefe 3810–3811

3810. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 24. 10. 1812 B. d 24t. Octob. 12 Lieber Freund daß ich dir nach langer Zeit ein Paar Worte schreibe mußt Du mir verzeihn. Ich muß bald möglichst etwas von Dir wissen nemlich wie Du es mit den Schulrevisoren welche als Synodalbeamte aufgeführt sind meinst[.] Die anderen Regierungen haben daraus Mißverständnisse gemacht. Habt Ihr in Eurem Departement dergleichen schon außer den Supterintendenten und wie verhalten sie sich gegen diese? Oder hast Du die Idee aus Eurem katholischen Schulreglement genommen? oder aus dem was die Churmärkische Regierung eingerichtet hat? Oder wie meinst du es eigentlich damit? Melde mir das, da ich die Sache jezt vor mir habe, baldmöglichst mit ein Paar Worten. Auch wenn Du sonst noch etwas mitzutheilen hast von curis posterioribus so thue es. Ich hoffte diese Gelegenheit zu einem ordentlichen Briefe zu benuzen aber | es ist mir heute tausenderlei in die Queere gekommen und ich kann keinen Posttag länger warten. Daß wir in Rügen gewesen sind und daß ich nun wieder im Collegienlesen und in aller Arbeit tief drin stecke weißt Du. Ich schreibe mir Paragraphen auf zur Ethik und zur Dogmatik als Vorarbeit zu künftigen Compendien; und da mir der Johannes ganz neu ist, so bin ich denn beladen genug zumal ich diesen Winter durchaus etwas am Platon thun muß. Auf Deine Katechetik bin ich sehr neugierig; ich habe die Sache in meiner praktischen Theologie etwas kurz abthun müssen. Sage doch Steffens, es wäre hart daß er gar nicht schriebe, er sollte nur bedenken was für ein geplagtes Individuum ich wäre. Und Reichardt den du doch gewiß noch siehst sage ich wäre höchlich erschroken gewesen ganz unerwartet zu hören daß er schon | abgereist wäre und ich rechnete darauf daß wir alles nachholen wollten wenn er wiederkäme Ueber die p[reußische] Synodalsache schreibe ich Dir ausführlich wenn ich damit durch bin – Wohl ist alles bei uns, und wir gehn recht frisch in den Winter hinein. Die kleine Elsbeth fängt endlich an recht niedlich zu sprechen und Gertrud ist groß und dik weiter ist aber noch nicht viel von ihr zu sagen. Wir haben uns eine neue Hausgenossin aus Rügen mitgebracht eine Schwestertochter meiner Frau, die ein wenig in die Welt hinein sehn soll. 3810. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Autographen-Sammlung, Schleiermacher; D1: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 106 f. (gekürzt); D2: Bauer: Briefe Schleiermachers an Wilhelmine und Joachim Christian Gaß, S. 251 (Ergänzung zu D1) 27 p[reußische]] unter einem Tintenklecks

5

10

15

20

25

30

24. 10.–28. 10. 1812

35

40

303

Laß mich von Euch Allen auch gute Nachricht hören. Grüße Heindorf und er soll nur nicht da er im Hause liest es an Bewegung fehlen lassen und soll vor allen Dingen hübsch in unsern Platon hören wir würden in diesem Winter fleißig anfangen. Adio! Verzeih meine große Eil. Ich muß mich diesen Augenblik anziehn und in die Vorbereitung[.] Pischon ist krank. Ganz wie immer Dein treuer Schleiermacher

3811. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Mittwoch, 28. 10. 1812

5

10

15

20

Breslau, den 28ten Okt. 1812. Deine Aufforderung Dir zu schreiben kömmt ganz zur rechten Zeit, liebster Schleiermacher denn auch ohne sie war Dir in dieser Woche noch ein Brief zugedacht, um das lange Stillschweigen zu brechen, das unter uns stattgefunden hat. Ich ergreife also gleich die Feder und will fortschreiben, so weit die Zeit für heute reicht. Denn mit dieser ist es auch eine gar arge Sache bei mir, seitdem zu den übrigen Arbeiten noch das Seminar hinzugekommen ist. Gerne mögte ich aus dieser Anstalt recht etwas tüchtiges machen und das ist freilich weniger angreifend, als Zeit freßend, da doch alles bedacht und angeordnet werden will. Ich habe jezt 80 junge Leute in derselben und kann mit wahrer Freude gestehen, daß es vortreflich geht. Aber es ist auch eine beständige Aufmerksamkeit nöthig, das Ganze in einem immer gleichen Takt zu erhalten. Schulrevisoren sind bei uns immer vorhanden gewesen und die Einrichtung komt vom ehemahligen Präsidenten Seydlitz her, der sie von den Catholiken entlehnt hat. Sie ist aber bei beiden Partheien fehlerhaft; bei den Catholiken dadurch, daß einem Revisor – in der Regel der Erzpriester – zu viel, manchmahl bis 70 Schulen untergeordnet sind, bei uns dadurch, daß mit wenigen Ausnahmen der Ortspfarrer immer nur der Revisor seiner eignen Schule ist, als solcher die Revision – Prüfung – öffentlich 2 mahl jährlich anstellt und darüber nach einem gedrukten Schema den Revisionsbericht erstattet, zunächst an den Superintendenten und durch diesen an uns. Nun scheint mir die Idee selbst nicht verwerflich, sondern 3811. Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 82 f.; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 107 (Zusammenfassung). Mit einer Einlage von Wilhelmine Gaß.

304

82v

Brief 3811

unsrer Lokalität, die dem Superintendenten eine specielle Schulaufsicht unmöglich macht, da er doch nicht immer auf der Landstraße liegen kann, sehr angemeßen zu sein. Mein Vorschlag ist daher 1) daß in jeder Superintendentur besondre Schulrevisoren anzustellen und solche aus den Geistlichen zu wählen wären, die nicht unter 3 Jahren im Amte und nicht über 60 Jahre alt sind. – 2) daß jedem Revisor die Schulen aus 6 ihm zunächst liegenden Parochien zugeordnet werden, die er jährlich 2 mahl inspicirt und worüber er nach einer andern, als der bisherigen Norm Bericht erstattet – 3) daß diese Berichte jährlich ein mahl mit einem Generalbericht | des Superintendenten an die Deputation gelangen. 4) daß die Revisionsbezirke alle 3 Jahre wechseln, alle mahl aber so gelegt werden, daß kein Pfarrer der eigentliche Revisor der Schulen seiner Parochie, sondern jeder Zeit der fremden ist, denn nur so kann der Schlendrian vermieden und die Form lebendig erhalten werden. So habe ich die Sache bereits bei uns in Antrag gebracht und es ist möglich, daß darüber noch besonders an das Departement berichtet wird. Zwekkmäßig für uns scheint mir so etwas auf allen Fall. An der Synodalordnung mögte ich freilich jezt noch manches ändern, wenn ich sie noch ein mahl vornehmen könnte, denn es ist fast ein Jahr, seit sie entworfen ward und ich glaube seit dieser Zeit manches vom Kirchenregiment beßer als damahls einsehen gelernt zu haben. Du wirst gewiß neben einer Ungleichheit der Ausführung manches finden, was gar nicht dahin gehört, zB. über die Besetzung der geistlichen Stellen und über das Patronatrecht, andres dagegen vermißen, oder schärfer ausgedrükt wünschen besonders über die wissenschaftlichen Beschäftigungen der Geistlichen. Zu diesen aber müßen sie erst mehr erzogen und gebildet werden, für jezt mag ihnen nicht leicht mehr zuzumuthen sein, als hier gefodert wird. Und dann scheint es mir auch beßer, ein solches Gesez künftig zu steigern, als es sogleich und bei einer neuen Einrichtung, wie sie es für uns ist, in einer Form aufzustellen, die eine Unmöglichkeit der Erfüllung in sich schließt. Unsre Geistlichkeit ist doch gar gewaltiges Mittelgut, die Superintendenten sind auch nicht viel beßer; man muß fast alles erst bilden und allmählig heranziehen. Wenn Du übrigens in dem Entwurf noch eine gewiße Unsicherheit findest, so mußt Du einer Seits bemerken, daß dies der erste Versuch ist, den ich in der kirchlichen Gesezgebung gemacht habe, andrer Seits unsre Lokalität berükksichtigen, die durch die oft weite Trennung protestantischer Gemeinden von einander besonders in Oberschlesien für solche Einrichtungen große Schwierigkeiten involvirt. |

25

30

35

40

45

50

55

60

28. 10. 1812

65

70

75

80

85

90

95

100

305

Mit derselben milden Berükksichtigung muß ich Dich bitten einen andern Aufsatz anzusehen, der jezt bei euch angekommen sein wird, nemlich über die Herstellung der Kirchenzucht in der protestantischen Kirche, worüber ich Dir ohnedies habe schreiben wollen. Bei der Ausführung dieses Gegenstandes bin ich ganz Deinen Ansichten gefolgt und es würde mir lieb sein, wenn Du fändest, daß ich sie richtig aufgefaßt und nicht entstellt habe. Mit dem angefügten Entwurf einer Presbyterialordnung bin ich aber noch weniger zufrieden, als mit dem Synodalprojekt und ich bin fast verzweifelt, daß ich Geschikk habe zu einer kirchlichen Constitution mit zu arbeiten, obwohl ich glaube, theoretisch das Wesen des Kirchenregiments einzusehen. Mit einer andern Arbeit über die Anordnung der Liturgie, die das Departement gleichfalls nur mit dem wunderlichen Zusatz gefordert hat, daß auch ausgearbeitete liturgische Formulare beiliegen sollen, woran ich mich aber nicht kehren werde, hoffe ich zu Weihnachten fertig zu sein und ich will ernstlich versuchen, ob sie beßer als die übrigen gelingen wird. So viel vom Geschäft, obwohl ich noch manches mit Dir darüber zu verhandeln hätte. Denn billig sollte ich wohl treiben, daß ihr doch ein mahl mit tüchtigen Anordnungen für das Kirchenwesen hervorträtet, da für den öffentlichen Unterricht so viel Gutes geschieht, für jenes aber gar nicht, so es doch deßen noch fast mehr bedürftig ist. Vor allen Dingen aber mögte ich gern unsern akademischen Gottesdienst wieder in Erinnerung bringen, da ich nicht erfahre, woran denn die Anordnung deßelben eigentlich noch hängt. Schaft Ihr mir keine Kanzel, so gehe ich als Prediger im Geschäftsleben ganz unter. Jezt habe ich seit dem Frühjahr nicht gepredigt. Unsre Collegia sind angegangen; ich lese wieder, ohnerachtet ich nicht wollte, die Moral, da sich kein Andrer dazu verstand und das Departement ja fodert, daß alle Haupt-Collegia immer vorkommen sollen. Große Zeit erspare ich mit dieser Wiederholung auch nicht, | es muß doch vieles anders in diesem Vortrage werden. Die Didaktik fange ich erst in der künftigen Woche an. Eine eigentliche Catechetik soll es nicht sein, sondern mehr eine kritische Darlegung der Principien für den Elementarunterricht im allgemeinen, wobei ich die Absicht habe, einige Studenten, die dem Abgange nahe sind, mit in das Seminar zu nehmen, um ihnen in der mit dieser Anstalt verbundenen Elementarschule durch die That anschaulich zu machen, was der Vortrag in der Abstraktion entwikkeln wird. So etwas scheint mir für künftige Geistliche nöthig, wenigstens als Anregung. Ich bin schon gebeten worden Dogmatik zu lesen und will es künftigen Winter thun, wenn Du Dein Compendium bis dahin schreiben könntest, welches mir eine große Freude sein wird. Den

83

83v

306

Briefe 3811–3812

nächsten Sommer denke ich praktische Theologie zu lesen. Ich werde mich künftig wohl nur auf Ein Collegium halbjährig beschränken müßen, denn mehr kann ich fast nicht bestreiten. Von der Universität weiß ich Dir nicht viel zu sagen. Diesen Michaelis sind bis jezt 82 inskribirt und es mögen zusammen etwa 340 Studenten hier sein. Das wäre recht gut; ich fürchte aber, daß kein guter Ton unter den Profeßoren ist und kein kräftiges Zusammenwirken zu einem gemeinsamen wißenschaftlichen Zwekk. Vielleicht ist doch noch zu viel Frankfurter Sauerteich hierher geschleppt, andrer Dinge nicht zu gedenken, die wohl anders sein könnten. Doch laß dies unter uns gesagt sein. Aber mit warhafter Betrübniß muß ich Dir von unserm Heindorf schreiben, daß seine Gesundheit von neuem sehr leidet und er wohl bald wieder da sein wird, wo er vor der Badekur war. Er liest nur 2 Stunden, getrennt durch Vor- und Nachmittag und im Hause, aber es greift ihn sehr an, auch hat es etwas Blut ausgeworfen. Die Aerzte nehmen ihn sehr in acht, aber die Abgeschiedenheit von der Geselligkeit taugt ihm auch gar nicht. Seine Frau leidet mit ihm an demselben Brustübel, kurz es steht mit beiden höchst traurig und ich wünsche sehnlichst, Dir künftig beßre Nachrichten geben zu können. In meinem Hause steht alles sehr wohl, mehr davon werde ich nächstens Reimer schreiben und will Dich an diesen verweisen, weil Zeit und Papir zu Ende gehen. Grüße die Deinigen und Reimers herzlich von uns und laß den versprochenen längern Brief nicht lange ausbleiben. Darum bittet Dein treuer Gaß Mienchen bittet die Einlage zu besorgen und schilt, daß sie auch dies mahl nicht ist von Dir gegrüßt worden. Steffens sind wohl, sie haben das neue Quartier bezogen. Empfiehl mich Nikolovius und Süvern und sage ihnen, der definitive Bericht über die Anlegung des General-Institutes werde mit der nächsten Post kommen. Ich habe genug getrieben und bin deswegen 2 mahl nach Ohlau gewesen. Den Zeller hättet ihr immer schikken können, mir wäre es ganz recht gewesen

129–132 Mienchen … bezogen.] am linken Rand linken Rand von Bl. 82v

132–135 Empfiehl … gewesen] am

105

110

115

120

125

130

135

28. 10.–29. 10. 1812

307

3812. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 29. 10. 1812

5

10

15

20

25

30

35

Nein, mein lieber Schleiermacher, so weit war’s noch nicht, und es liegt mir zu viel daran, daß die Freunde am Tage meiner Hochzeit meiner gedenken, als daß ich Ihnen erst nachher darüber hätte schreiben können. Meine Hochzeit wird den 6ten November, dem Tag vor meinem Geburtstage seyn. Es würde mir ungemein lieb seyn, wenn ich dann meine ältern Freunde als Zeugen meines Glücks hier hätte. Aber ich kann leider auch nicht auf Einen rechnen. Weite Entfernung, Geschäffte, Beschränktheit in ökonomischer Hinsicht, das eine hindert diesen, das andre jenen und ich muß mir am freund|lichen Andenken an sie, und an der Hoffnung es genügen lassen, daß auch sie ein gleiches Andenken mir schenken werden. Darum bitte ich auch Sie und die Ihrigen; denn auch Sie, lieber Schleiermacher, haben mir ja, noch ehe ich eine Bitte versuchte, geschrieben, daß Sie nicht kommen könnten. Wie? oder könnten Sie es noch möglich machen? Ja, lieber Freund, das würde mir eine ungemeine Freude machen und Sie sollten von lauter liebenden Armen empfangen werden, und meine Braut sollte Ihnen – die liebe Frau würde ja nicht eifersüchtig werden – einen recht herzlichen Kuß geben. Noch, hoffe ich, kommt meine Anzeige und meine Bitte | frühe genug. Denn früher habe ich leider beides nicht an Sie gelangen lassen können, weil erst seit wenigen Tagen der Tag der Hochzeit festgesetzt worden ist. Der Beschluß, daß sie überall nicht erst ein halbes Jahr später vor sich gehen solle, und, was hieran sich reiht, die Anhäufung von Arbeiten, welche die lieben Frauen zur ordentlichen Einrichtung nöthig finden, haben eine frühere Bestimmung des Tags nicht wohl möglich gemacht. Auf Sie satyrisiren habe ich nicht wollen, wenn ich von dem Mißverhältnisse meines und des Alters meiner Louise zu Ihnen sprach. Theils glaubte ich gar nicht – lassen Sie das Ihr Weibchen nicht lesen – daß der Unterschied zwi|schen Ihrem beiderseitigen Alter so groß sey, als Sie mir geschrieben; theils ist er auf meiner und Louisens Seite doch noch um mehrere Jahre größer. Grüßen Sie vielmahl Ihre liebe Frau und Kinder; auch Louise grüßt Sie Alle. Die eine Beylage händigen Sie Ihrer Nanny ein und die andre schikken Sie an Poselger die dritte an Meinert. Dieser Beylagen halber, der beiden letzten nämlich, habe ich gegen unsre Sitte frankirt. An Schmalzens hätte ich gern noch geschrieben, aber Gott weiß, ich muß selbst das 3812.

Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 59 f.

Mit drei Beilagen.

59v

60

60v

308

Briefe 3812–3813

Uebrige so flüchtig abthun, daß ich nicht dazu kommen kann. Sagen Sie ihnen das mit vielen Grüßen von mir. Auch Reimer’n grüßen Sie. Herzliches, recht herzliches Lebewohl Ihr Konopak. R. den 29. Oct. 1812.

40

Was halten Sie von den Hergängen in der politischen Welt? Wenn ich doch darüber einmahl so recht ordentlich mit Ihnen sprechen könnte!

3813. An Karl August Freiherr von Hardenberg (auch von der Sektion des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Montag, 9. 11. 1812 Berlin den 9ten November 1812. S. d. U. zu 2345. An des Königlichen Staatskanzlers Herrn Freiherrn von Hardenberg Excellenz Der Provinz Kurmark fehlt es noch immer an einer Anstalt zur zwekmäßigen Bildung ihrer Landschullehrer indem das hieselbst in Verbindung mit der Realschule bestehende Landschullehrer-Seminarium dieser Bestimmung nicht entspricht, wie eine lange Erfahrung gelehrt hat und wie es auch in der Natur der Sache liegt. Dies Institut ist ursprünglich für einen weit beschränkteren Zweck berechnet und aus einem untergeordneten und etwas dürftigen Gesichtspunkte angelegt. Daher stehen einer genügenden Umbildung desselben eine Menge von Hindernissen entgegen und wenn diese auch überwunden und beseitigt werden könnten, so bliebe es doch bedenklich, einen bedeutenden Aufwand von Kräften aller Art an eine Anstalt zu wenden, die schon durch ihre Lage in der Residenz nicht geeignet ist zu Bildung von Männern, welche größtenteils in der Abgeschiedenheit des Landlebens ihren Beruf zu erfüllen bestimmt sind. Nach mancherlei Ueberlegungen, wo ein solches Seminarium mit dem besten Erfolg und mit den mindesten Kosten angelegt werden könnte, ist der | letzte Vorschlag der Kurmärkischen Regierungs Geistlichen und 41 f Was … könnte!] am linken Rand von Bl. 59 3813. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 76 VIII, Sekt. 15 bb Nr. 1, Bd. 1 (ohne Blattzählung). Ein Konzept von Schleiermachers Hand liegt ebenfalls in der Akte (ohne Blattzählung).

5

10

15

20

29. 10.–9. 11. 1812

25

30

35

40

45

50

309

SchulDeputation, dasselbe zu Dom Havelberg zu errichten beifallswürdig gefunden worden, teils wegen anderer Vorzüge, welche der Ort in sich vereinigt, teils wegen der dort schon vorhandenen disponiblen Gebäude. Die gedachte RegierungsDeputation hat das jährliche Bedürfniss dieser Anstalt auf 5000 r veranschlagt, welche Summe durch kleinere Beschränkungen der einzelnen Sätze nicht bedeutend, sondern nur dadurch einigermaßen würde vermindert werden können, wenn man die dem hiesigen Seminar angewiesenen Unterstützungen einzöge. Bevor nun mit diesem Entwurf weiter vorgeschritten wird, frage ich bei Ew p. Excellenz zuvörderst ganz gehorsamst an, ob auf ein dem Zweck entsprechendes Gebäude und auf eine hinreichende Dotation aus den Fonds des säkularisirten Domstifts zu Havelberg zu seiner Zeit zu rechnen sein wird, wie nach den allgemeinen Erklärungen, welche des Königs Majestät über die Verwendung jener Fonds erlassen haben, zu hoffen steht. Das Bedürfniss ist dringend, indem, wenn die Bildung besserer Volks-| Lehrer nicht durch eine solche Anstalt gesichert wird, alle andern Bemühungen des mir anvertrauten Departements für den öffentlichen Unterricht im Fache des Landschulwesens für die Provinz Kurmark Stückwerk bleiben und sie hinter den vom Mittelpunkt der Regierung entfernteren zurück bleiben müßten, auch der löbliche Eifer, den die Provinzialbehörde dieserhalb bewiesen, und der sich in vielen rechtschaffenen Superintendenten und Geistlichen regt, wenn es keinen Mittelpunkt dieser Art giebt, sich nur in einzelnen nicht zusammen wirkenden Bestrebungen zersplittern und ohne irgend ein bedeutendes Resultät liefern, verrauchen würde. Ew p. Excellenz geneigter Protektion daher diese wichtige Angelegenheit zu empfehlen habe ich für besondere Pflicht gehalten, und erwarte einen günstigen Vorbescheid, um die weiteren vorläufigen Schriftte einzuleiten. Berlin d 9ten Novbr. 1812. (Namens des Herrn DepartementsChefs Hochwohlgebohren) Schleiermacher 7t. Nov.

39 f Stückwerk] über 〈Erfolg〉

310

Brief 3814

3814. Von Heinrich Christoph von Willich. Sagard, Dienstag, 17. 11. 1812 Röm. 12, 10.

22v

1 Maccab 12, V 17 in fine und 18.

Thut uns des erstern hier Bestätigung nicht Noth, auch nicht das 2te – so ist doch dies lezte hier unser herzlicher Wunsch und so sezzen wir zuvorkommend die Feder an, Euch brüderlich zubegrüssen – doch auch das nicht ganz rein und frei von Eigennuz – Von Eurem Wohlbefinden haben wir so weit über Poseriz, auch durch der Herz freundliche Zeilen, einige Nachricht, daß wir ferner das beste hoffen – Euch ist der Kreis, in den hinein man izt seinen Blick bescheiden muß, weil der zu weit umgreifend ist, indem man ihn gerne gerne hinaus spähen liesse – Also wir sind Gottlob alle ohne Ausname, meine ganze Schaar, und das ist wohl eine unvergleichbare Wohlthat, gesund und heitern Muthes in unserm engeren Kreise, wie stark auch die tobenden Wellen des grössern Äussern an ihn heranschlagen – Gottlob daß auch diesem ungestümen Meer der Befehl geworden: Bis hieher sollt du kommen und nicht weiter! – Unsre Ufer, Felsen und Dühnen dagegen hast du, lieber Schleiermacher, ganz kürzlich in AemterInspection genommen, mein Amt, mein Weib, meine Kinder pp also seid ruhig unsertwegen. Auch wissen wir, daß Ihr uns lieb habt, eine gewichtige Zugabe zu dem etc. – Dieser Tage, seid vorgestern, leben wir so gar und bis Morgen Abend in einer Sause und Schmause – Vorgestern nemlich wurde Wilhelmina Baier ihrem Rüze anvertraut, ich hatte Predigt und Communion – Mancherlei Empfindungen beschwerten, mancherleie Freuden erhoben den Tag – jene musten durch diesen weichen – Tante, auch Malchen bestanden den Kampf Ehrenvoll. Eine Gesellschaft von 40 Personen und des allzulauten Jubelns hie und da war mir nur zu viel, vieles gieng an gediegener stiller Freude verloren, wie sehr auch Herrmanns Herz und Talent ins Mittel trat, sie immer wieder und immer wieder zur Heldinn des Festes zu machen – und mancher | sanfteren edleren Rührung ihr Recht zu sichern – Ein Herz und Seele wurde doch auch für diese Tage mancher, der uns sonst draussen stand – Sonntag kamen wir 6 Uhr nach Mitternacht, heute 3 Uhr von der gestrigen Nachhochzeit zu Hause, zu Abend fahren wir nach Spieker, Morgen haben wir sie hier und Freitag sind alle meine Kinder zu ihrer grossen Freude zu einer Bauernhochzeit geladen; werden auch alle hoffentlich der Reis3814.

Überlieferung: H: BBAW, SN 421, Bl. 22 f.

Mit einem Brief an Henriette Herz.

5

10

15

20

25

30

17. 11. 1812

35

40

45

50

55

60

65

70

311

schüssel und der Fidel die gebetne Ehre erweisen – Auch meine beiden Knaben habe ich hier gehabt bis in diese Stunde (Morgens 7 Uhr) Luis wächst das meter und weiter laut schreiend ohne es selbst auszusprechen empor – Ich kann es nicht länger verantworten, ihn, wie wohl er auch bei Herrmann daran ist, aufzuhalten und ihm zum Nachholen des Versäumten alle auf ihn würkende Reize und Mittel zu entziehen – Er muß in einen Kreis, in ein Clima, wo alle Keime besser aufgehen, mehr Narung und Pflege finden wird, als der Einzelne hier ihm geben kann – Ich sprach schon mit dir davon und bin mit der Mutter einig, es muss seyn – sie sehnt sich und ich mit ihr nach möglichster Zuversicht auf einen glüklichen Erfolg – Ihre Liebe hat den allem Anschein nach sichersten Weg ausgesonnen. Nach Berlin; darüber haben wir schon miteinander gesprochen – Unterricht bei dem Lehrer des Gymnasii, das Du auswählst; welchen, das wird sich finden – Was aber die Hauptsache ist, seine Führung an Geist und Herz – das können wir dir nicht und keinem dorten aufbürden, auch kannst du es und keiner dorten kann dies leisten, dem nicht dies grade sein Haupt- oder doch mit selbigem höchst vereinbarer Neben-Beruf ist. Meine Frau und Hane | können ihren Blick gar nicht abwenden von Twesten, ihr Vertrauen ruhet auf ihm, ich breche alle andre Unterhandlungen ab auf den HofnungsStrahl hin, daß er vieleicht Ostern oder wann es ist dorthin kommt. Du hast davon gesprochen, daß das der Fall werden könnte, wenn er in Kiel nicht angestellt würde, wovon man bisher eben noch keine Nachricht hat. Auch Luis ist sehr an ihn attachirt. Nun ist zwar Luis nicht eben verführbarer als andre seines Alters; aber haben muß er jemand, an den er sich gerne fest anschließt – Mit Herrmann glükte das, nicht so sehr mit mir, aber das kann nicht dauern – Kein andrer dorten kann dem Twesten hierin vorzuziehen seyn. Aber auch mein Theodor sollte mit ihm hin; es ist ein zwar nicht sichres, aber durch Twesten zu sicherndes Verhältniß zwischen ihnen, das ich so wohl um des einen als des andern willen ungerne aufgeben mögte – ohne Mittelsperson würde es aber dorten gewiß verloren gehen, weil Luis sicher mit andern Knaben in nähere Berührung kommt – das zarte Gemüth und der edle Sinn beider Brüder würde ohnstreitig dadurch verlieren und es könnte damit noch mehr darum zu Grunde gehen, worüber man grade keine Berechnung aufstellen kann – Auch bedarf mein Theodor wieder in andrer Hinsicht einen freundlich treuen Mentor – Ach wäre es möglich, daß Twesten nach Berlin seinen Wünschen und Bemühungen gemäs versezt, mit ihnen sich vereinigen, in dem BeisammenWohnen und Essen, und was ich sonst irgend arbeiten kann, eine Erleichterung für sich und seine Freude darinn finden könnte, diese beiden Knaben auf sicherm Weg

23

312 23v

Briefe 3814–3816

zu | begleiten, oder wo er noch nicht eingeschlagen, zu leiten – mit welch Sorgenfreiem Vertrauen wollten wir sie, wie nahe sie uns abgehen, zu Euch schikken oder bringen! Ich sage: was ich sonst anbieten kann – Ich wünschte einen angesehnen Etat für beide Knaben von dir zu haben oder einen andern, der es taliter qualiter nach dorten anwendbaren Sparsamkeit berechnen kann – von dir, was ich etwa zu Twestens Erleichterung hinzufügen m ü s t e . Vorsichtig muß man ja wohl seyn in dieser verwirrten unsichern Zeit – was ich habe, was ich mir irgend entziehen kann, was irgend mir zu Gebote steht, gebe ich nur gar zu gerne dazu hin. Aber alle noch so sichern und unverlohrnen Ressourcen sind wenigstens für den Augenblick dergestalt blocquirt, daß es ja keine Möglichkeit ist, daraus zu schöpfen – und doch läßt sich das Vater- und Mutter-Herz dadurch nicht für den Erziehungsplan beschwichtigen – Die Knaben m ü s sen vorwärts; es koste was es wolle und mache Einschränkungen für uns hier nötig, wie groß und drükkend sie wären! Ein Paar tausend Thaler hab ich so stehen, daß ich sie wenigstens zur Hälfte dazu disponiren kann – den Anfang also können wir machen auf Ostern – Nur daß Eure Gegend nicht dann der Tummelplaz gerade der Greuel-Scenen ist! Dann verkrieche sich jeder in Felsenhölen und Uferschluchten – kommt zu uns – Du bist unser treuer Freund, Herrmann mit uns einverstanden – rath und hülf uns nun, so gut du weißt und kannst. Herzliche Grüsse in deinem Hause, wozu wir unsere Herz nehmen CvW. Sagard den 17ten IXber 1812. Ist ÐunserÑ Marschall in Berlin, so möchtest du vieleicht erfaren können, ob der vom Prinzen von Eckmühl hier hinterlaßne und befolgte, vor 14 Tagen aber aufgehobne Befehl Prediger nicht zu beqwartieren, von ihm, oder nur von unserm Gouverneur hier – Baron Morand – aufgehoben sei, das mich sehr interessirt und möglich wäre, wenn du, im günstigen Fall, mir ein Document schaftest – oder noch besser von dort an den Gouverneur eine Ordre bewürktest. Ich frankire nicht um, wo möglich, grösserer Sicherheit wegen – ich bitte, es wenigstens auch so zu machen und dies Porto zu Buch zu schreiben bis ich meine Kasse dorten angelegt. Der Umschlag ist für die Herz –

98–104 Ist … bewürktest.] vom linken auf den unteren Rand überlaufend 105–107 Ich … angelegt.] am linken Rand von Bl. 22v 108 Der … Herz –] am linken Rand von Bl. 22

75

80

85

90

95

100

105

17. 11.–21. 11. 1812

313

*3815. Von Luise von Willich. Sagard, Sonnabend, 21. 11. 1812 oder früher

3816. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonnabend, 21. 11. 1812

5

10

15

20

25

Was mich heute vorzüglich treibt Dir zu schreiben lieber Freund, denn zu einem ordentlichen gründlichen Briefe werde ich doch schwerlich kommen, das ist eine Angelegenheit eines jungen Mannes der mich sehr interessirt und dem ich heute Mittag bei einem Mahle welches mir einige ältere und jüngere Freunde an meinem Geburtstage geben nicht unter die Augen kommen mag ohne mein Versprechen erfüllt zu haben. Es ist der ehemalige Officier und jezige Student Mauderode der in einem Verhältniß mit der einen Beyer steht und welcher ich weiß nicht ob weiß oder vermuthet daß der Vater der seine Eröfnung darüber nicht günstig aufgenommen Dir darüber geschrieben hat. Der alte Mann scheint das ohne ihn abgeschlossene Verhältniß als einen Mißbrauch und Bruch der Hospitalität anzusehn und von dem Grundsaz auszugehen daß ein Mann nicht eher Wort geben und nehmen soll bis er sein Mädchen auch ernähren kann, welches doch in vielen Fällen nicht angeht. Ich weiß von Mauderode daß er lange Zeit das Verhältniß | gern unabgeschlossen gelassen hätte daß aber die wie es scheint etwas krankhafte Stimmung des Mädchens das Gegentheil erfodert hat, und daß er sich hernach dem Vater eröfnet hat und es nicht verheimlichen wollte ohnerachtet er eine recht günstige Aufnahme nicht erwarten konnte, ist doch wol sehr lobenswerth und verdient nicht, daß der Alte sie nun gänzlich getrennt hat. Mauderode wird es bei seinen ausgezeichneten Talenten und seinem Ernst und Anstrengung nicht fehlen seinen Weg zu machen und er ist ein Mensch von solchem Charakter daß sich wol niemand einen besseren Schwiegersohn wünschen kann. Er begehrte nun von mir, ich möchte dich doch au fait von der Sache sezen wie sie ist, weil er besorgt des Alten Darstellung möchte etwas sehr einseitig ausfallen. Kannst Du beitragen ihn zu einem gemäßigten und verständigen Verfahren zu bewegen: so thust Du gewiß ein gutes Werk; willst du dich ehe Du Deinen hausfreundlichen Rath *3815.

Erschlossen aus Brief 3914, Z. 11–15

3816. Überlieferung: H: BBAW, SN 750, Bl. 3 f.; D: Br 4, S. 188–190 über der Zeile 26 möchte] folgt 〈nicht〉

10 f ohne ihn]

3v

314

4

4v

Briefe 3816–3817

giebst erst näher von den Umständen unterrichten so wende Dich nur mit Deinen Fragen an mich ich will Mauderode verhören und stehe für die größte Genauigkeit und Redlichkeit seiner Antwort. | Von Deinem Aufsaz über die Kirchenzucht ist mir nichts zu Gesicht gekommen und da diese Sache sich gar nicht eignet im Unterrichts Departement verhandelt zu werden so werde ich ihn wol auch nicht eher sehn bis die Acten zu bekommen sind d.h. bis die Sache abgemacht ist. Die Hauptschwierigkeit scheint mir die zu sein daß die Unterwerfung unter die Kirchenzucht eine durchaus freiwillige sein muß d.h. daß man es in die Willkühr eines jeden stellen muß ob er sich für seine Person zu einer christlichen Gemeine halten will oder nicht. Das werden viele für zu gewagt halten und den Untergang der Kirche davon besorgen und besonders Schukmann glaube ich wird in so etwas niemals eingehen Ueber der Synodalsache bin ich noch hoffe aber sie diesen Monat noch für mein Theil zu beendigen. Die erste Form der Sache muß doch eine Art von Uebergangsform sein und die doppelte Person die der Superintendent agirt muß etwas mühsam auseinandergehalten werden. Daran habe ich denn noch eine Weile zu kauen. Pischon hat mich heute Morgen überrascht mit einem kleinen Bändchen überschrieben „Predigten von Schleiermacher 1812“[.] Es sind zwölf Predigten aus diesem Jahre die er sehr sauber nachgeschrieben hat sodaß sie leicht zu druken sein würden. Es ist mir eine sehr | große Freude gewesen, und es stekt eine ungeheure Mühe darin. Ja lieber Freund ich kann es sehr fühlen wie die Kanzel Dir fehlt und Dir recht herzlich wünschen daß Du bald eine habest. Nur wäre es jezt zu früh ungeduldig zu sein. Denn so lange es noch so viel zu organisiren giebt in der Deputation und Du so allein darin stehst würden Dir doch regelmäßige Pfarrgeschäfte zu viel werden. Ich wüßte es ohne Pischon nicht zu zwingen und meine Departementsarbeiten sind doch mit Deinen Deputationsgeschäften gar nicht zu vergleichen. Verlernen wirst Du es sobald noch nicht. Ich arbeite mir jezt vor zu Compendien der Ethik und Dogmatik, bis jezt habe ich noch ohne Lücke geschrieben und die erste denke ich dann wo möglich noch im künftigen Jahre fertig zu machen, die lezte aber wol nicht eher bis ich wieder lese. Daß Du wieder Moral liesest ist zuviel, und es ist eine Maxime die hier gar nicht angenommen ist daß alle HauptCollegia jedesmal im LectionsCatalog stehn müssen. Am Ende müssen ja die Zuhörer ausgehn und man fatigirt sich unnüz. Schreibe nur darüber einmal an Süvern. Heindorf und Steffens grüße herzlich und sage ihnen 61 fertig] korr. aus fest

30

35

40

45

50

55

60

65

21. 11. 1812

70

75

315

wie ich immerfort schreiben wollte aber nie dazu käme. Bange ist mir für den ersten noch nicht ich habe ihn schon zu oft so gekannt. Wenn er nur in Breslau genug belebendes Element hat und das Leiden mit der Frau erst überstanden hätte. Aber wie er das in Breslau überwinden will weiß ich freilich nicht. Lebe wol lieber Freund. Wenn ich Mine nun grüßen lasse kann es sie gar nicht einmal freuen weil sie es sich bestellt hat. Aber wenn sie mich schelten will soll sie es ja hübsch schriftlich selbst thun; ich brauche recht wieder einmal einen Brief von ihr. Schl.

3817. Von Luise Reichardt. Hamburg, Sonnabend, 21. 11. 1812 Herrn Professor S c h l e i e r m a c h e r / B e r l i n . [Bl. 31v]

5

10

15

Hamb. den 21ten Nov. Ich bin mit dem Gedanken an Ihren Geburtstag erwacht lieber guter Schleiermacher, und kann der Neigung Ihnen ein freundliches Wort zuzuruffen nicht wiederstehen. Dieser Tag rufft mir so lebendig die schöne Zeit zurück da wir noch alle beysammen waren, da auch ich zur Freude Ihres Festes etwas beytragen konnte, daß ich vor herzlicher Rührung kaum schreiben kann. Abends. Ich dachte diesen Mittag, als ich nach vollendeten Stunden nach Hause eilte: ist denn in ganz Hamburg kein Mensch dem du sagen möchtest daß heut Schleiermachers Geburtstag ist, da fiel mir der gute Perthes ein, und ich lief gradezu in den Laden und wünschte ihm Glück zu Ihrem Geburtstag was er auf das herzlichste erwiederte, mich bath Sie vielmahl zugrüßen und so meinem gepreßten Herzen einige Linderung verschafte. Diesen Mann muß man schicken wenn man was von seinen Freunden 3817. Überlieferung: H: BBAW, SN 357, Bl. 31. Zur Datierung: 1810 schreibt Perthes an Schleiermacher, er kenne ihn noch nicht (Brief 3385, 56, KGA V/11). Luise Reichardt schreibt noch am 19. 8. 1811, ihr Bruder Fritz sei in Schulsachen verwahrlost und lebe noch in Halle (Fritz kann also um die Zeit kein guter Lateiner sein; vgl. Brief 3664, 39f.). Der hier erwähnte Tod Righinis fiel auf den 19. 8. 1812 (wäre Luise Reichardt zu diesem Zeitpunkt in Berlin gewesen, hätte sie ihn ersetzen können). 1813 kommt als Jahr nicht in Frage, weil Perthes vom 14.11. bis zum 1. 12. 1813 gar nicht in Hamburg, sondern in Bremen war (vgl. Moldenhauer: Geschichte als Ware: Der Verleger Friedrich Christoph Perthes (1772–1843). Perthes war im Sommer 1812 zur Messe in Berlin, und es ist wahrscheinlich, dass er dort Schleiermacher traf.

316

31v

Briefe 3817–3818

wissen will, er hat mir da er aus Berlin zurückkam nicht nur alles was sie zusammen vorgenommen erzählt, auch den Inhallt Ihrer Gespräche ja zum Theil die Gespräche selbst recitiert, worin ich nur zu lebhaft so manche mir wohlbekannte Auffassung und so viel Güte und Heiterkeit wieder erkannte. Wäre diese Zeit nicht überhaupt so unsicher und alles so unbestimmt so würde ich jetzt mehr als jemahls den Blick auf Berlin richten. Durch Righinis Absterben wäre es mir vieleicht geglückt dort ein mäßiges Fortkommen zufinden, denn mäßig ist es auch hir nur, da durch Verarmung aller der besten Familien oder gänzliche Entfernung von Hamburg fast jeder Lehrer gleich mir, auf die Hälfte seines bisherigen Verdienstes reducirt ist. Ohne die Verbindung mit Madame Sillem, die mir so große Vortheile verschaft, könnte ich schon jetzt den kleinen Bruder, an dem mein Herz mehr als jemahls hängt, nicht hir erhalten, und doch ist auch auf diese Vortheile gar nicht zurechnen da Madame Sillem | selbst Jährlich mehr an Ihrem Einkommen verliehrt und so bald es ihr einmahl gelingt ihr Haus zuverkauffen auch sie die Gegend zuverlaßen denkt. – An Fritz würden Sie Freude haben wenn Sie ihn jetzt sehen sollten, er ist ausserordentlich tüchtig, und fest und bestimmt in allem was er will. Der Mann dessen Leitung ich ihn übergeben scheint es vortreflich zuverstehn alle seine besten Kräfte die durch lange verkehrte Behandlung eingeschläfert waren wieder zuwecken und zunähren. Fritz scheint mir von Charackter Riekchen sehr ähnlich zuwerden, hat auch dies entschiedne Talent für Sprachen. Die lateinische Gramatick soll er auswendig wissen und seine ganze Sehnsucht ist jetzt auf das Griechische gerichtet was ihm noch vorenthalten wird. Gott mache einen tüchtigen Menschen aus ihm so will ich auch glauben daß ich nicht umsonst gelebt habe. Nun noch viel herzliche Grüße und Glückwünsche Ihnen mein lieber theurer Freund es gehe Ihnen immer wohl, und wenn Sie nicht Zeit haben mir zuschreiben, so schreiben Sie nur mahl Ihren Nahmen auf ein Blatt Papier und schicken es mir damit ich doch sehe daß Sie an mich gedacht haben – Ich könnte mir nichts schönres denken als Sie einmahl in Ihrer Häuslichen Umgebung zubesuchen, das soll aber auch gewiß geschehn. – Herzlich grüße ich Ihre liebe Frau und Nanny und Kinder und grüße besonders die beste Frau die H e r z . Ihre treue Freundinn Louise

20

25

30

35

40

45

50

21. 11.–16. 12. 1812

317

3818. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Mittwoch, 16. 12. 1812 Bremen 16. Dec. 12.

5

10

15

20

25

30

35

So angenehm es mir ist, von Zeit zu Zeit ein freundliches Wort aus Ihrem Hause zu vernehmen, so ists doch immer nur durch eine dritte Person. Und obgleich diese Person die herzliche Nanny ist, die tiefmitfühlende, so verlangt mich doch zuweilen auch nach einer Zeile von Ihnen, Herrlicher Freund. Ja es ist, als wenn diese Zeit mich stärker zu Ihnen zöge – Tage, wo mich alles so lebendig 2. Jahre zurück setzt, und mir eine Menge Betrachtungen aufdrängt. Am meisten drückt mich Adolfs Verzweifeln an seinem hiesigen Fortkommen, indem er glaubte, sein College Rode werde ihm stets im Wege seyn, weil er reich war und unverschämt, und vorzüglich, weil er Schwiegervater und Vettern im Rathe hatte, die ihm alles zuwandten, der meinem Adolf die sichere Militärpraxis, dann das Armeninstitut, und zuletzt das Hospital wegkaperte; der dann aus Besorgniß Adolf werde ihn ausstechen, lieber einige hundert Rth weniger nahm, um nur Adolf nicht zum Collegen | zu erhalten – Ich glaube, daß ich Ihnen die Geschichte erzählt habe, wie ich ihn als um meine Seligkeit bat, den Vorschlag der Commission anzunehmen; und wie er so indelikat seine abschlägige nichtige Antwort in Adolfs Hände schickte, der nichts davon wissen sollte. Aber ich habe Ihnen noch nicht das Ende gesagt. Die Nemesis ließ ihn nicht in unser Auge schauen, wenn er nach Adolfs Hinopferung uns begegnete. Damit ist die Göttin der Vergeltung nicht zufrieden – Rode wurde im Lazareth auch von einer gefährlichen Ruhr angesteckt – er starb an eigener braunischer Kur – Sein Haus ist in fremden Händen – doch dies ist natürlich – Aber nicht so natürlich, daß sein theurer Vetter und Patron, der Rathsherr Danze, der ihm als Präsident jener Commission die 1000 Rth mit Übergehung Adolfs zuwandte – bei der neuen Besetzung der Magistraturen, gar nichts geworden ist – ja iezt sogar in Gefahr steht, ins Gefängniß zu kommen; weil eine Beschuldigung, daß er | einen jungen Dieb, oder eigentlich einen Knaben, der beschuldigt war, daß er 5 Rth gestohlen habe – unschuldiger weise als Cammerarius habe todt hauen lassen, weil er nicht gestehen wollen. Die Sache ist vor 2 1/2 Jahr geschehen; der Magistrat soll es damals unterdrückt haben. Jezt hat es die Mutter beim französischen Tribunal wieder anhängig gemacht – die Tolle Geschichte ist nach Hamburg berichtet – und fast die ganze Stadt spricht mit Behagen davon. 3818.

Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 21 f.

21v

22

318

22v

Briefe 3818–3820

Das sind so kleine Zwischenakte des großen Trauerspiels, was alles hier in die gespannteste Erwartung setzt. Da es nun auf dem großen Theater iezt wenig Neues gibt, so muß manches als aliquid novi hervorgehoben werden, was sonst nicht der Rede werth geachtet würde. Dahin gehöret die Recension der Menkischen Schrift ü b e r d i e e h e r n e S c h l a n g e . Menkens Anhänger schimpfen auf den satanischen Kritiker. Man sagt, es gäbe keine Orientalisten, die diese Schrift gründlich beurtheilen könnten. Was sagen Sie dazu? ich kenne die Schrift nicht, und begreife ihren Zweck nicht, ahnte aber eine mystische Tendenz. | Was macht denn unser Giesebrecht? Denken Sie! er hat seit seinem Wegseyn noch nicht an mich geschrieben, und ich weiß, daß kein Haus in Bremen ist, in welchem er so oft war, das ihn so herzlich und freundschaftlich behandelte. Denn er wurde hier etwas vernachlässigt. Ich habe sogar an ihn nach Berlin geschrieben und zwar mit aller Offenheit und Treue, da ich hörte, daß er professirte. Er ist ein guter Schullehrer, aber ich glaube nicht, daß er Talente zum UniversitätsLehrer hat; und ich kenne die präkäre Lage eines Professors der keinen daurenden Beifall hat, oder gar den Studenten einmal Gelegenheit zum scoptisiren giebt. Unser Domprediger Kothmeier, der wie Sie vielleicht wissen, unpolitisch gepredigt hat, ist seit einem Jahre suspendirt, und noch einige Meilen von hier in Surveillance – Um jedes neue Buch muß erst nach Paris geschrieben werden. Göthe’s Leben 1ster Theil ist verboten. Unsere Schulen sind zusammen geworfen. Übrigens bleibt es beim Alten. Nur bekommen die meisten Lehrer ihre Besoldungen schlecht, weil die Schulkapitalien dem alten Staat geliehen waren und weil davon keine Zinsen abfallen. Es geht täglich eine beträchtliche Summe ab – aber Empfehlen Sie mich allen Menschen, die mich kennen Ihren innigst verbundenen hochachtungsvollen M.

3819. An Friedrich August Pischon. Berlin, Donnerstag, 31. 12. 1812 Die Geistliche und SchulDeputation der Königlich Churmärkischen Regierung hat bekanntlich meine Erklärung die Rendantur der reformirten 3819. Überlieferung: H: ELAB, Dreifaltigkeitsgemeinde, 458, Bl. 16; D: Reich: Schleiermacher als Pfarrer, S. 465. Diesen Brief leitete Pischon am folgenden Tag (1. 1. 1813) zur Prüfung an Hecker weiter, zusammen mit einem Begleitschreiben, das über die Verwendung der von Schleiermacher angegebenen Armengelder Rechenschaft gibt (Bl. 15). 2 Erklärung] folgt 〈von〉

40

45

50

55

60

16. 12. 1812–2. 1. 1813

5

10

15

20

25

319

Almosen Kasse noch während des nun abgelaufenen Jahres niederzulegen, angenommen und Einem Wohllöblichen Kirchen Collegio aufgetragen einen neuen Rendanten zu wählen. Da mir nun nicht bekannt worden daß dieses geschehen sei jene Erklärung aber endlich einmal in Kraft treten muß und ich meine Rechnungsführung nicht noch in das nächste Jahr hinüberspielen will: so weiß ich nichts anders zu thun als daß ich Ewr HochEhrwürden als zeitigen Praeses des Kirchen Collegii die Bestände anbei ergebenst übersende, und dem Kirchen Collegio anheimstelle wie es mit den Zahlungen an diese Kasse und aus ihr in Zukunft soll gehalten werden. Es erfolgen anbei in Courant R. in Münze In Pfennigen und 2 Pfennigstücken Summa R.

261 10.19.7 25.23.7 297.19.2

über deren Empfang ich bitte mich gefälligst zu quittiren. Den Beutel mit den Pfennigen habe ich da er doch einmal gemeinschaftlich muß durchgezählt werden unterdeß versiegelt. Es sind nach dem Befehl der Regierung 12 Pfennig und 6 ZweiPfennigstücke auf Einen Groschen Courant gerechnet. Berlin d 31t. Dec. 1812 Schleiermacher An Herrn Prediger Pischon Hochwürden

3820. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonnabend, 2. 1. 1813 B. d 2t. Jan. 1813

5

Ja wohl mein theuerster Graf habe ich Ihnen unendlich lange nicht geschrieben aber die Wahrheit zu sagen, wenn man erst besondere Praecautionen mit einem Briefe nehmen muß so vergeht die Lust weil nichts recht der Mühe werth scheint auf eine solche Art gesagt zu werden. Es ist mir gerade zu Muth als wenn ich einem Tauben ins Ohr schreien oder auf 3820. Überlieferung: H: GStA, Fürstliches Hausarchiv Dohna, 2160; D: Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna, S. 44–46

320

Brief 3820

eine Tafel schreiben soll daraus wird auch immer wenig. Nun aber Besorgniß eintritt daß beim ersten gründlichen Frostwetter die Communication kann abgeschnitten werden kann ich doch nicht umhin eine Art Abschied von Ihnen zu nehmen. Meine Ansicht über die neuesten Vorfälle glaube ich kennen Sie. Nichts kann uns helfen wenn wir in unserer erbärmlichen Passivität und innern Nichtigkeit verharren, und ich halte nun erst den Staat recht gründlich für verloren und für ebenso unfähig als unwürdig in seiner gegenwärtigen Form die Stellung in Deutschland und in Europa anzunehmen die ich eigentlich immer als seine wahre Bestimmung ansah. An wem eigentlich die Schuld liegt | daß die bessere Seite nicht herausgekehrt wird das wissen Sie vielleicht besser als ich denn ich bekümmere mich um die ganze Nachtseite des Geschäftsganges gar nicht. Doch ich wollte zunächst gar nicht von öffentlichen Angelegenheiten reden sondern nur von Ihnen und mir, und bin so hineingekommen ich weiß nicht wie. Ich denke mit der größten Bangigkeit an Sie liebster Freund da die ausgelassenen Flüchtlinge nun wol bald Ihr Territorium erreicht haben werden. Es ist unbegreiflich daß man einen solchen Haufen in dem alle Subordination aufgelöset ist noch seine militärischen Rechte behaupten läßt, und nicht jeden der Excesse begeht als Vagabonden oder Straßenräuber behandelt, und hoffe von einem Tage zum andern daß man die Gensdarmerie vermehren und vollständig bewafnen und den Polizeibehörden die ausgedehntesten Vollmachten geben wird aber umsonst. Das arme Preußen! ich möchte meine blutigen Thränen weinen wenn ich daran denke. Indeß ich denke wir werden auch hier nicht verschont werden wenn sich wie doch wohl wahrscheinlich ist der Krieg im Frühjahr erneuert. Lassen Sie uns recht guten Muth behalten liebster Graf nemlich den daß aus der Verwüstung endlich etwas recht gutes hervorgehn wird – denn ein anderer bleibt wol kaum übrig! – und daß wenn eine Menge Unschuldiger leiden doch auch viele den Lohn ihrer Thaten Unthaten und Nichtthaten erndten werden. | Das fiat justitia et pereat mundus scheint sich jezt recht im Großen entwickeln zu sollen. – Wunderlich ist es wie man bei diesen Aussichten noch immer so gelassen fortarbeiten kann als ob nichts wäre. Sie haben ganz recht, der Boden bleibt stehn und man muß ihn nuzen so lange als man kann. Ich lebe auch recht auf der Kanzel denn da habe ich es mit dem ewigen zu thun, auch auf dem Katheder denn das ist die unmittelbare Werbung auf die welche noch über das Reich der Nemesis hinaus zu leben und die schöne Zeit zu sehen und mit zu bilden bestimmt sind. Aber im Departement, wo alles 44 ,] korr. aus ;

10

15

20

25

30

35

40

2. 1. 1813 45

50

55

60

65

70

75

321

auf eine weitere Zukunft berechnet ist, im nächsten Zustande nichts wird ausgeführt werden können von allem was wir beschließen, und was für einen besseren Zustand doch alles viel zu unvollkomnes Stückwerk ist. Wir sind fleißig, wir können auch nicht einmal gradezu klagen über Mangel an Interesse aber hie ein wenig und da ein wenig wird alles verdorben oder zerschnitten nach kleinlichen Rüksichten und manches was grade am nöthigsten wäre wie zE der gymnastische Theil der Erziehung muß lediglich dem überlassen werden was aus einem sich glüklicherweise immer weiter verbreitenden Instinkt ganz ohne den Staat geschieht. Ueber meine persönliche Situation kann ich sonst nicht klagen; ich fange an bisweilen in wichtigen Dingen gebraucht zu werden stehe mich mit meinen Collegen so gut als nöthig ist und ausgenommen daß eine gewiße Clique mich den Tugendbundprediger nennt scheint | auch die Feindschaft ziemlich nachgelassen zu haben was ich zum Theil der natürlichen Wandelbarkeit aller Dinge zu Theil einem sehr zurükgezogenen Betragen zu verdanken habe. An der Universität kann ich mich meiner Thätigkeit und dessen was ich selbst dabei lerne recht sehr freuen, und ich denke manches wird auch bald zur öffentlichen Mittheilung reifen. Da haben Sie mein Compte rendu liebster Graf. Von meinem Hauswesen brauche ich Gott sei Dank nichts zu sagen beide Kinder gedeihen uns recht zur Freude; mit der älteren gehn die Fortschritte langsam und ich hoffe mehr von dem neuen Jahr wo der Knabe zu Plamann gehen wird. Eines noch darf ich Ihnen nicht verhelen; es komt mir vor als ob es auf unsere Freundin freilich sehr unmerklich nachtheilig wirkt daß sie so wenig Verbindung mit Ihnen hat. Es fehlt ihr ein belebendes Princip welches durch nichts anderes ersezt werden kann; sie ist weniger heiter, leicht zu trüben Ansichten geneigt, und seltner als sonst in ihrer besten liebenswürdigsten Stimmung. Thun Sie doch was Sie können um ihr zu Hülfe zu kommen. Und nun liebster Graf, leben Sie wohl und möge es Ihnen besser gehn in diesem Jahr als ich zu hoffen wage, und auch von den Abwesenden Gutes gehört werden. Empfehlen Sie mich den Ihrigen auf das angelegentlichste, und fahren Sie fort uns freundlich und gewogen zu sein. Von ganzem Herzen der Ihrige. Schl.

322

Briefe 3821–3822

*3821. An Wilhelm von Röder. Berlin, vor dem 9. 1. 1813 Über seine Einschätzung der gegenwärtigen Lage.

3822. Von Wilhelm von Röder. Hirschberg, Sonnabend, 9. 1. 1813 H. d. 9t Jan. 13.

1v

Während diejenigen unserer Freunde die ich dringend gebeten mich in dieser entscheidenden Crisis nicht ohne Nachricht zu laßen, meinen Bitten mannhaft widerstehn, erfreut mich heut, mein theurer Freund und Lehrer, Ihr Briefchen recht unerwartet, da ich am wenigsten erwarten konnte was ich am meisten wünschte, daß S i e Zeit gewinnen würden mir zu sagen wie Sie den gegenwärtigen Moment betrachten. Desto herzlicher danke ich Ihnen dafür, und säume nicht Ihnen dies auszusprechen, und Ihre Mittheilungen über das wichtigste Ereigniß zu erwiedern. Derselbe Blitz der wohl die ganze Nation als ein helles Licht der Hofnung durchzuckte, fuhr auch durch meine Brust, und vernichtete einige Tage lang, das Gefühl des furchtbaren Bley Gewichts, das alles Leben ertödtend uns am Boden festhält. Ich wähnte noch ein mahl so klare Wahrheit, so nüchterne einfache Berechnung müße selbst der „Prosa“ einleuchtend seyn, und eilte zu jenem verehrten Gönner deßen Sie in Ihrem Briefe gedenken, um nicht einen Augenblick zu versäumen dem allgemeinen auch mein Scherflein zu bringen. Ich vernahm da nur das alte Lied, von der schwankenden Ungewißheit, und jede Stunde in der nichts geschah enttäuschte mich imer mehr und mehr, bis zu dem Grade der Betrübniß den Ihr heutiger Brief vollendet. Wahrlich ich bin allemahl demüthig mit dem einverstanden was der große Geist aller Zeiten beschloßen hat, aber es thut mir | leyd, und ich schäme mich des menschlichen Gefühls nicht, um die heiße Sehnsucht in der Brust der vieler Edlen, daß sie immer aeusere Gestalt annehmen soll zum Seegen der Menschheit. – Nach der Ansicht jenes Mannes deßen ich noch so eben erwähnte hätten die Preußen mit einem Corps von 50000 Mann durchs Warschauische, dies aufs härteste behandelnd und nur bey völliger Ergebung Ver*3821.

Erschlossen aus Brief 3822, Z. 2–9.

3822.

Überlieferung: H: BBAW, SN 362, Bl. 1 f.

5

10

15

20

25

Vor dem 9. 1.–9. 1. 1813

30

35

40

45

50

55

60

65

323

zeihung versprechend, vordringen sollen, so ohne besondere militairische Combinationen den Vortheil des Augenblicks erschöpfen, sich dabey kein Ziel setzen und alles gegen sie verbundene zu trennen, und nahmentlich uns jeder, uns einer so überaus unbequemen Wahl zu überheben. Während dem rükte die große Armee schulgerecht nach mit aller Besonnenheit, und auf jede Weise wie die Kriegskunst es gebieten würde. – Wollen wir indeß völlig gerecht seyn so dürfen wir die Rußen auch vor der Hand noch nicht allzuhart beschuldigen. So wünschenswerth es wäre wenn sie in ihre Operationen die höchste Eil hätten legen können, so frägt es sich doch gar sehr ob es ihnen auch möglich war, Kutusov konnte mit der Französischen großen Armee Schritt halten, sie zu Tode peinigend so lange als er bey dem Parallelmarsch den er machte, die fruchtbaren in ihrem Innern noch unverlezten ÐGouvernemensÑ zur Seite hatte. Dies günstige Verhältniß hörte in Orsza auf, den Besitz des Minsker Magazins hätte es bis gegen das Warschausche | verlängern können, allein nachdem Tschitscharwo sich genöthigt gesehn dies verbrennen zu laßen mußte der rußische Feldherr um die Subsistenz der Haupt-Armee in Verlegenheit seyn, und es ist viel wenn das vereinigte Avantcorps unter Tschitscharwo und Wittgenstein sich um Wilna herum erholen können, da vom PÐrciÑpin an bis zu dem gleichfals ausgesognen Curland alles verwüstet ist. So ist es auch noch nicht unabänderlich gewiß daß die nicht Verletzung des Preußischen Gebiets von politischen Gründen herrührt, nur Cosakenschwärme folgten der Französischen Armee und diese durfte sich auch nicht allzu weit von den Corps entfernen wozu sie gehören, und hatten vieleicht am Niemen die Gränze dieser Entfernung erreicht. Diese Möglichkeit ist meine lezte Hofnung an der ich um so ängstlicher hänge, je mehr ich überzeugt bin daß es für uns nie einen anderen Impuls geben wird als den mechanischen. Der sprechendste Beweiß hievon ist des Königs verharren in Berlin statt hieher zu kommen von wo aus der Preußische Staat sich wieder gebähren konnte. Daß es im ersten Augenblick nicht geschehn, wo der von den Franzosen selbst verbreitete Schreken auch jeden Schritt derart von selbst rechtfertigte, so wird es izt um so weniger geschehn, wo es klar geworden daß für die Sicherheit des Königs keine augenblickliche Gefahr obwaltet. – Sehr wichtig wäre es wenn sich das allgemein verbreitete Gerücht daß unser Corps gefangen sey ohne daß | man es entwaffnet habe, sich bestätigte. Ich bezweifle daß dies Gerücht einen anderen Grund hat als den gesunden Tadel der Nation die überall zugleich das angemeßenste Verhältniß zu dem nothwendigen Uebergang in ein beßeres erfand, vielmehr wird es nächstens bey Danzig zum Vorschein kommen, und sich dahin auf der Nehrung gezogen haben, wie es auf der curischen bis Pillau gekommen sein wird.

2

2v

324

Briefe 3822–3824

Kömmt nichts zu Stande, so wird es mir sehr schwer werden mich nicht zu meinen übrigen Freunden im Auslande zu gesellen, doch hofe ich noch immer daß wenigstens aus dem Ganzen mir angemeßene Thätigkeit auf vaterländischen Boden hervorgehen soll. Für unser Stillsitzen dürfen wir wohl ohnehin künftigen Sommer das Kriegstheater bey uns haben da es auch Napoleons Intereße ist die Rußischen Heere wo anders als in ihrem Vaterlande zu besiegen. – Merkwürdig scheint mir daß Napoleon es nicht für rathsam hält, die Forderungen die er nothwendiger Weise an Frankreich machen muß, unmittelbar auszusprechen sondern erst vermittelnd verfährt als zB. durch eine Krönung des Königs von Roms. An derselben Noth die sie mit ihrem Kleinen gehabt leide auch ich mit Heinrich der mir viel Sorge macht, leider aber ist, was bey jenem Uebermaaß von Kraft, bey diesem der Wechsel von Schlafheit und fieberhafter Reizbarkeit. – In einigen Tagen wird es sich ausweisen ob ich Sie vieleicht bald wieder besuche doch bleibt dies im strengsten Sinne unter uns. – Tausend Grüße von meinem ganzen Hause an das Ihrige. Ach hätte ich Sie doch bey mir und könnte Ihnen die WinterPracht der herrlichen Berge zeigen. Für immer ganz der Ihre

70

75

80

85

A propos! Pischon hat Ihnen ja Ihre Predigten geschenkt, nun fällt die Ausrede weg und Sie m ü ß e n druken laßen.

3823. An Joachim Christian Gaß. Berlin, Sonntag, 24. 1. 1813 B. d 24t. Jan. 13 Heute schreibe ich Dir wirklich nur um Dich zu bitten die Einlage sicher an Roeder zu besorgen. Er wohnt zwar eigentlich in Hirschberg aber er schweift so herum, daß ich glaube besser zu thun sie an Dich zu schiken; überdies geht nun diese sichere Gelegenheit grade nach Breslau und nicht nach Hirschberg. Wenn Du nichts von ihm weißt oder durch nähere Bekannte erfahren kannst: so frage nur bei General Scharnhorst nach der ja wol in Breslau sein wird. Doch bin ich fast gewiß daß Roeder wenn er nicht in Breslau ist in Hirschberg sein wird. 83 uns. –] folgen drei gestrichene Zeilen

86 Ihre] folgt 〈ÐRöderÑ〉

3823. Überlieferung: H: Jagiellonische Bibliothek Krakau, Autographen-Sammlung, Schleiermacher; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 108 f. Mit einem Brief an Wilhelm von Röder (vgl. Brief *3824 vom 24.1. oder früher).

5

9. 1.–24. 1. 1813 10

15

20

25

30

35

325

Die Synodalsache habe ich nun aus den Händen und Nicolovius meine Arbeit darüber zugestellt von dem ich noch nichts weiter gehört habe. Leider wird sie nun vielleicht gar ins ruhen kommen. Den Aufsaz über die Kirchenzucht habe ich bei mir habe ihn aber noch nicht ordentlich lesen können sondern nur hineingesehn, und da ist mir vorgekommen als wäre viel zu viel Theorie darin für diesen Zwek. Sonst liebster Freund möchte ich Dich noch bitten meine Landsleute etwas vorsichtiger zu behandeln. Oder vielmehr gegen Deine eigentliche Handlungsweise weiß ich nichts zu erinnern; aber mit den Worten solltest Du Dich etwas mehr in Acht nehmen. Sie nehmen Dir die Urtheile übel die Du über sie bisweilen gefällt hast und finden Dich überhaupt im Reden barscher und härter als nöthig. Du weißt es mir gewiß Dank | daß ich Dir das wiederklatsche, denn Du wirst gewiß nicht gern durch etwas unwesentliches Deine Wirksamkeit beschränken wollen. Hast Du Dir denn den halbverrükkten ÐZmirezkiÑ so nahe auf den Leib kommen lassen wie ich aus seinen Reden schließen müßte? Was hat er denn bei Euch mit den Studenten anfangen wollen, und wie ist es ihm gelungen. Erzähle mir doch gelegentlich etwas davon. Diese Sachen pflegen spaßhaft zu sein, und so etwas thut einem recht noth. Ich hoffe übrigens ihr seid nicht zu sehr oben auf was die Weltbegebenheiten betrift wie hier die meisten Leute. Denn wenn unser Kabinet noch einen Monat: so unentschieden bleibt so geht die ganze Sache, wenigstens ganz Deutschland zum Teufel. Nun Gott gebe daß in der dortigen Luft alles besser gedeihe als hier. Die Schlesier sollen ja Herrn von Hardenberg so besonders lieben. Wenn sie ihm doch eine recht ausgezeichnete Ehre erwiesen um ihn recht gutes Muths zu machen Das Arbeiten geht in dieser Zeit schlecht, und darum kann ich nicht recht viel von mir rühmen. Wohl sind wir Alle und grüßen Euch alle aufs herzlichste. Thue dasselbe auch bei Steffens und lebe wohl. Ganz der Deinige.

*3824. An Wilhelm von Röder. Berlin, wohl Sonntag, 24. 1. 1813

36 ich] korr. aus näher *3824. Erschlossen aus Brief 3823, Z. 2 f. von Gaß sowie Brief 3836, Z. 135, ebenfalls von Gaß.

326

Briefe 3825–3827

*3825. An Friedrich von Mühlenfels. Januar 1813 oder früher Schlägt vor, dass Mühlenfels’ Gläubiger gemeinschaftlich vorgehen. Über das Wohlbefinden der Familie.

*3826. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Berlin, Januar 1813 Einladung nach Berlin, schickt Geld.

3827. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, wohl Anfang Februar bis Dienstag, 9. 2. 1813

7v

Eine ganz unerwartete Erscheinung war mir Dein lieber Brief, und der Anblik des Geldes machte auf mich, in meinem gichtischen LeidensZustande eine tiefe Erschütterung – – den innigsten Dank sagt Dir mein ganzes, ich, um so mehr da ich für das angegangne Vierteljahr mir nichts erwartet habe – –! ich will dir ehrlich gestehen – daß ich die 15 Thr welche Du mir durch Nany schiktest – als Du nach Ruegen abgereist warst – für ein halbes Jahr gerechnet – da ich dich bey Gelegenheit der conditionen bat – mir bey Vermehrung deiner Familie lieber weniger Unterstüzung zu geben – ich theilte das Geld – hätte aber doch aller Erbärmlichkeit und Genügsamkeit ungeachtet nur bis in die Mitte Februar gelangt – nur das unentbehrlichste zu bezahlen – denn zu Weinachten konte ich nicht alles berichtigen – – werde es nun aber nachholen – – bey meiner Art zu leben – wäre ich | gewiß ausgekomen – wenn ich nicht (ich sehe Dich hier lachen) eben seit Michaely 8 Stunden die Woche weniger habe – – ein großer Defect! aber für meinen Kopf der die vielen Anstrengungen gar nicht mehr verträgt sehr gut; ich habe jezt nur 12 Stunden und der Pohlnischen Gräfin ihre 3 – wofür ich 6 gr bekome – verliehre ich auf Ostern – da sie wenn Unruhen es nicht verhindern abgeholt wird. *3825.

Erschlossen aus Brief 3828, Z. 2–19 vom 8. 2. 1813.

*3826.

Erschlossen anhand des Briefes 3852, Z. 22–25 vom Ende April 1813.

3827. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/7, Bl. 7 f. Die Datierung ergibt sich daraus, dass Christel von Kathen Anfang 1813 bei Schleiermachers in Berlin lebte.

5

10

15

Vor dem 9. 2.–9. 2. 1813

20

25

30

35

40

45

50

55

327

Für Deine Nachrichten den herzlichsten Dank – Seit du mir Anfang August geschrieben – habe ich gar nichts gehört – auch nicht von einer Nichte die Ihr aus Ruegen mitgebracht habet – wahrscheinlich eine Tochter von der Kathen –! Der guten Nany Gesundheit hat also wirklich wie ich es befürchtete gelitten sehr lieb wäre es mir wenn sie den Weg über Gnadenfrey nähme – und hier über Nacht bliebe – damit wir Uns recht ausplaudern könten – wenn sie nicht körperlich zu schwach ist diese Reise jezt zu unternehmen. | Im August fieng ich an Nanys Epistel zu beantworten – wie die Inlage zeiget – nachher – da unsre alte Pflegerin so schleunig und wunderbar ihren Abruf erhielt – dieses mancherley zur Folge hatte – und – jene Anfragen von ÐWÑ wiederholt wurden – verlohr ich alle Schreibseeligkeit – im November schrieb ich an Dein gutes Weib – recht aus der Fülle meines Herzens und bat sie Dir den Inhalt mitzutheilen – welches hoffentlich geschehen ist – bey Gelegenheit der Weinachtsfreude habe ich viel an Euch Alle gedacht – war aber nicht im Stande zu schreiben. In diesem Jahr hatte ich wenig gesunde Stunden wie schon erwähnt – G i c h t s c h m e r z e n und Schwäche wechselten ab – so daß ich oft muthlos werden wolte d.h. sie spaziert seit mehreren Jahren – im Körper herum! Diesesmahl hatte dis Reißen in den Knochen der Kinladen sich so hartnäkig gesezt – daß es mich lange am ordentlichen Eßen hinderte – nur Suppe konte ich genießen – auch das reden fiel mir sehr schwer habe aber gar nichts – als Wärme – und Hollunder und dergleichen angewendet. | Gdfr d 9t Febr Meine Sehnsucht Alle meine Lieben wieder zu sehn auch ganz besonders die Kinder wächst mit jedem Tage – um so mehr – da ich öfters Gelegenheit habe, in meiner Stube solche Kleinen zu sehn – die sie von ihren Bekanten sich hohlen. – Das Frühjahr wird wohl wegen dem politischen entscheiden – unterdeßen hoffe ich stark – entweder – daß Ihr Alle Ihr Guten mich dieses Jahr besucht – oder daß Du mein lieber Freund und Wohlthäter die alte Lotte selbst zu Euch abholst – sonst möchte es wohl – da dieses Jahr keine Schwestern weder nach Sachsen noch nach Berlin reisen – mit mir nichts werden – – über das leztere es sey im Früh- oder SpätJahr hoffe ich einige Wochen vorher was bestimtes von Dir zu erfahren. Gott segne Dich und Dein ganzes Haus, für alle Liebe und Treue die Du an mir beweisest. Dein gutes Weib und Eure Kinder drüke ich im Geist an mein liebend Herz – Dich umarme ich im Gefühl inniger Liebe und Dankbarkeit – Anders – von dem ich dir lezt schon sagte grüßt dich herzlich Lotte

8

8v

328

Briefe 3828–3831

3828. Von Friedrich von Mühlenfels. Züssow, Montag, 8. 2. 1813 Zissow den 8ten Febr 1813.

3v

Sie würden werthester Herr Schwager schon früher meine Antwort auf Ihren Brief erhalten haben, wenn nicht meine Abwesenheit von Hause, und der Vorsatz Ihnen nur durch Gelegenheit zu antworten, es zufällig so lange verschoben hätte. In der Sache selbst wird jedoch hoffentlich nichts versäumt seyn, da die Kathen so viel ich weiß Ihnen von unser aller Wunsch und Meinung unterrichtet haben wird. Ihr Vorschlag daß sämmtliche Intereßenten in Communion bleiben, und so wie nach und nach das eine oder andere versilbert werden kann, unter ihnen getheilt wird, ist auf jeden Fall das Zweckmäßigste, und haben wir geglaubt es der Achtung gegen unsern Oncle schuldig zu seyn, ihm wenigstens durch die Aeußerung des | Wunsches, wie er das Geschäft unseres gemeinschaftlichen Anwaldes übernehmen möge, einen Beweiß unseres Zutrauens abzulegen. Auch glaube ich daß der Oncle so wie ich ihn beurtheile dies nicht ablehnen wird. Es hat mir einige Freude gemacht, zu erfahren daß es Ihnen dort allen recht wohl ergeht. Auch in meinem Hause sieht es jezt wieder etwas beßer aus, der Himmel gebe nur daß es einmahl von etwas längerer Dauer wie gewöhnlich seyn möge. Wie steht es denn sonst mit der dortigen Witterung? – Hier ist eine beispiellose Windstille, mit abwechselnden Nebel und Sonnenblicken unterbrochen. Sollte der so sehr zu wünschende Frühling, bei Ihnen schon einige Spuren seiner Annäherung kund thun, so theilen Sie doch einige Nachricht mit Ihrem Sie liebenden Schwager Mühlenfels

*3829. Von Amalie Ha(h)ne (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Wohl Sagard, um den 9. 2. 1813 Über die Geburt der Drillingskinder von Doris und Heinrich Christoph von Willich. 3828.

Überlieferung: H: BBAW, SN 333, Bl. 3.

*3829.

Erschlossen aus Brief 3832, Z. 4–6 von Luise von Willich.

5

10

15

20

25

8. 2.–13. 2. 1813

329

*3830. Von Heinrich Christoph von Willich (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Sagard, um den 9. 2. 1813 Über die Geburt der Drillinge.

3831. Von Wilhelm von Röder. Breslau, Sonnabend, 13. 2. 1813 B. d. 13t. Febr 13

5

10

15

20

25

Ich benutze die erste sich mir darbietende sichere Gelegenheit Ihnen mein theurer Freund als Antwort auf Ihren mir durch Gaß eingehändigten Brief mit kurzen Worten meine Ansicht des ZeitMoments mitzutheilen, und zwar insbesondere in so fern er sich auf unser unmittelbares Vaterland bezieht. Gewiß haben Sie nicht erwartet daß es den neuen großen Ereignißen gelingen könnte die Denk und Sinnesweise des Königs umzuschaffen, sowohl er als der Staatskanzler ohne eigne lebendige Haltung werden nur durch den unmittelbarsten Anstoß bewegt. Jener wider Willen aus seiner Ruhe aufgescheucht sagt dem sich überall regenden Leben, übellaunigt zehnfache Prosa entgegen, während dieser leichter gemüthlich bewegt auch schwach genug ist dem beßeren keinen Widerstand zu leisten, was von allen Seiten auf ihn eindringt, und wenn er selbstthätig bildend einzugreifen scheint so geschieht es nur um uns die bisherige Inkonsequenz seiner Schwäche durch die Rükehr zum ersten System als Politik darzustellen. Unter diesen Umständen ist der alte Herr, deßen ich nur mit tiefer Ehrfurcht gedenken kann das einzige selbstthätige Prinzip, der mit unsäglicher Ausdauer, und der geschiktesten Benutzung alles gegebenen, die große Ansicht fest sicher und möglichst s c h n e l l | verfolgt. Alles Gute alles zum Ziel fortschreitende verdanken wir der Anstrengung aller seiner Kräfte, wobey er sich als ein wahrer Märtyrer des Rechts gezeigt hat. Dabey darf es uns nicht wundern wenn demohnerachtet alle Maaßregeln nur nach und nach ja sogar stükweise zum Vorschein kommen. Jeder allgemeine Plan der vom größten nach dem besondersten hinabsteigt, scheitert allemahl an der Individualität des Königs, und nur wenn es ge*3830.

Erschlossen aus Brief 3832, Z. 4–6 von Luise von Willich.

3831. Überlieferung: H: BBAW, SN 362, Bl. 3–6; D: Schmidt: Stationen einer Freundschaft, S. 50 (Zitat)

3v

330

4

4v

Brief 3831

lingt den Geist vollständig zu verbergen, gestattet er die Form der Maaßregel, so wird alles ihm nach und nach abgedrungen und was auf diese Weise heraus kömmt, entspricht denn freylich nur wenig der Art und Weise wie begeisterte Menschen das Ganze dem Ideal nähern würden. Demohnerachtet ist es nicht zu ändern, und wahrhaft praktisch ist in diesem Augenblick nur das was auf irgend eine Weise dem König auch als Prosa dargestellt und so mit ihm in Beziehung gebracht werden kann. Daß alles was in diesem Sinne möglich ist geschieht[,] deßen seyn Sie gewiß, denn der alte Herr überfliegt jede Schranke seiner eignen Eigenthümlichkeit, als z.B. zu weit getriebene Vorsicht und dergleichen auf eine Weise die mich eben so überraschte als mich diese reine | Liebe zur Sache aufs neue an ihn gekettet hat. Mehr aber kann nicht geschehn, und man muß sich daher ruhig darein finden, daß nicht das vollkommenste geschieht wenn nur überhaupt in der ersehnten Richtung gehandelt wird. Auch wir verschweigen es uns nicht daß jeder verlohrene Tag mit Blut wieder erkauft werden muß, daß durch einen mühseeligen und langwierigen Kampf erst zu Stande kommen dürfte, was man izt ohne alle Beschwerde mit großer Leichtigkeit erringen könnte, allein der Gedanke daß es überhaupt endlich einmahl einen Kampf für das Heyligste giebt, und der Anblik vieler Edlen denen es tiefer Ernst ist um die gerechte Sache und deren Eifern nur wächst durch das Widerstreben der Trägheit, die trösten uns, überheben uns der Klage um das Unvollkommene alles Menschlichen, und erfüllen uns mit der Zuversicht daß Gott will es solle durch uns beßer werden. Auf welche Weise? das wird sich offenbaren, wenn nur jeder an seinem Orte tüchtig das Seinige thut. Die politische Physionomie ist izt hier fast lächerlich und der Krieg gegen Frankreich das öffentliche Geheimniß, so daß selbst St. Marsan gemeint hat | er könne wenigstens das Geld für die Spione sparen. Alle Rüstungen werden eifrig und tüchtig betrieben auch unterläßt man nicht auf heimlichen Wegen dafür zu sorgen daß sich die hohlen Maaßregeln mit Leben füllen. Eine Erklärung dürfte wohl nicht eher erfolgen bevor die Rußen an der Oder und Alexander und Stein in Breßlau sind. Ersterer hat sich wiederhohlentlich auf das edelste gegen uns genommen und unsere Verhältniße zu ihm sind nun endlich auch durch K. der dazu abgesendet ist bestimmt worden. Oestreichs Unthätigkeit ist man gewiß. Unsere militairischen Maaßregeln werden immer tiefer eingreifen bis zur allgemeinen VolksBewaffnung. So viel vom Allgemeinen, nun noch einiges besondere wie es mir eben einfält. – Friese hat hier viel Gutes gewürkt und ist mit eben so viel Besonnenheit als Geschiklichkeit thätig gewesen. – Prinz August errichtet ein HusarenRegiment welches größtentheils aus

30

35

40

45

50

55

60

65

13. 2. 1813

70

75

80

85

90

95

100

105

331

Schillianern unter Adolph Lützow bestehn wird und an welches sich alle übrigen ausgezeichnete Männer die in einer höhern Ansicht zu handeln gedenken, auf irgendeine Weise zur Bildung eines andern dazu gehörigen Corps anschließen. – Steffens hat einen großen Theil der hiesigen Studenten ermahnt sich beym | GardeJägerbattaillon als Freywillige zu engagiren und dadurch offenbar einen um so rühmlichern Impuls gegeben, da er dabey erklärte ihr Looß theilen zu wollen. Dennoch hätte ich gewünscht er hätte den Schritt auf eine einfachere Weise und ohne vieles Wortgepränge gethan, wodurch er nicht ganz ohne Grund unter seinen nähern Bekannten in den Verdacht der Affectation gerathen ist, ein Verdacht der sich dadurch vermehrt daß er seinen ersten Entschluß als Gemeiner mitzugehn bereits aufgegeben, und nunmehr Anführer der Studenten seyn will. Noch hat er keine Antwort vom König doch soll sein Schritt gut aufgenommen seyn. Profeßor Barthels und Mitteldorf haben dem König gleichfals ihre Dienste fürs Lazareth und den FeldGottesdienst angetragen. Schlesien offenbart sich überwiegend in seiner ganzen Schlafheit, es haben sich überaus wenig Freywillige gemeldet, ja die vornehmsten Familien sind so erbärmlich gewesen sich v e r e i n t unter die Freywilligen einer eben zu errichtenden Garde Kosaken Eskadron zu versteken. Mit warmem Antheil hören wir wie so ganz anders die Gesinnung im wakkern Berlin ist. – G ist hier doch noch auser Thätigkeit und im geheim obschon der König seine Anwesenheit | weiß. Vermuthlich erscheint binnen kurzem die Ordre de bataille, und ein großes Avancement wobey Klüz ÐMaederÑ ÐLüttenÑ lauter tüchtige Männer Generals werden wollen. Bey dieser Gelegenheit wird wohl auch G. eintreten. Ich komme höchst wahrscheinlich zum alten Herren, deß, wie Sie denken können ich herzlich froh bin. Meinem Bruder Carl der gegen den 1sten kommenden Monats hier einzutreffen gedenkt hat der König gleichfals Anstellung – auch vermuthlich im GeneralStab – zugesagt. – Ueber das ArmeeCommando waltet noch tiefes Dunkel, alle Muthmaßungen stimmen darin überein daß sie Scharnhorst als Faiseur nennen; welches freylich das beste ist, da Handeln und Repraesentation nun einmahl bei uns noch getrennt bleiben müßen, da niemand vorhanden der beydes vereint. Seit heute will man aus guten Quellen die üble Nachricht haben der König werde das Commando unter Scharnhorsts Berathung übernehmen, der Kronprinz und Prinz Friedrich ihn begleiten die übrige Königliche Familie aber binnen kurzem nach Glatz abgehn. – Was haben Sie zu dem Tode unsers unvergeßlichen Chasots gesagt, wenig Menschen haben es so wohl verdient in den Herzen ihrer Freunde

5

5v

332 6

6v

Briefe 3831–3832

unvergäng|lich zu leben als dieser von Recht und Edelmuth durchdrungene herrliche Mensch. Gott gebe uns allen Gelegenheit uns seiner würdig zu beweisen in Thaten wie er sie liebte. Man hat uns hier die Außicht eröffnet M – v und E – t bald hier zu sehn, worüber ich eine unbeschreibliche Freude haben würde. Mit einiger Theilnahme habe ich viel von Ihnen gehört – Ihnen zu rathen wage ich nicht der Gott der uns so oft durch Sie ansprach, würde Sie schon höher leiten als der schwache Rath Ihrer Freunde. Ferdinand habe ich hier ganz unvermuthet getroffen. Sie können sich meine Freude denken den wakern Jungen zu umarmen. Er ist izt bey Prietten um sich ein paar Wochen Ruhe zu verschaffen die obschon ich ihn im Ganzen genesen gefunden habe ihm doch nöthig sind. In einigen Tagen denke ich auch noch einmahl auf 24 Stunden nach Hirschberg zu gehn. Vergebens würde ich versuchen Ihnen Philippines herrliches Benehmen in der itzigen Crisis, von der sie wahrhaft fromm begeistert ist zu schildern, meine Liebe und Verehrung für sie war nie größer als eben izt. – Laßt ihr wakern Freunde sie Euch stets | empfohlen bleiben, wahrlich sie verdient es! Von allen die herzlichsten Grüße an die theuren Ihrigen. Meinem Eichhorn bitte ich diesen Brief mitzutheilen, und ihm in meinem Nahmen zu danken für die Mühe die er sich gegeben mir Geld zu verschaffen. Es ist ein Glück daß sie keinen Erfolg hatte, denn durch die Umstände sind plözlich andere Einkünfte so geschmolzen, daß ich die Schuld nicht hätte berichtigen können, und ich nur mit Mühe meiner Frau kümmerlichen Unterhalt sichern kann. Sagen Sie Ihm für mich habe der gute alte Gott abermahls gesorgt, und mich wider alles Vermuthen doch mobil gemacht. – Meine nächste Muße wende ich an ihn einige Zeilen zu schreiben, denn ich denke des treuen Freundes oft und viel. Empfehlen Sie mich dem Andenken von Savigny, ganz vorzüglich, und jedem wackeren der sich meiner erinnert. Sie mein theurer Lehrer bitten Sie Gott daß er mir Kraft verleihe in jedem Augenblik so zu handeln, so ganz und tüchtig, wie ich es meine, und wie es eines Christen würdig ist, der sich nicht am Spiel der Kraft ergözt, sondern freudig das Kreuz der Nachfolge auf sich nimt. Gott sey mit uns. Röder

123 empfohlen] empholen

110

115

120

125

130

135

140

13. 2.–16. 2. 1813

333

3832. Von Luise von Willich. Sagard und Poseritz, Dienstag, 16. 2. 1813 bis spätestens Anfang April 1813 Sagard den 16t Februar – 12 Dienstag Morgens

5

10

15

20

25

30

Ich muß Dir erzählen Du lieber Bruder, von dem süßen dreifachen Leben was hier noch als Zugabe eingekert ist, im Hause voller Leben. Willich und Hane haben Euch geschrieben von dem Glück was der Willich durch die Geburt der drey Knaben wiederfahren ist, und lieb wird es Euch sein nun 8 Tage später zu hören, wie hir vortwärend alles so gut steht, daß es der reinsten Freude werth ist. Eben habe ich die 3 süßen Kinder nach der Reihe gewickelt, und ordentlich ein himlisches Vergnügen ist es mir gewesen, Ihr soltet die Kinder sehen, unendlich klein und zart zwar, aber alle 3 von so hübscher Gesichtsbildung, der ganze kleine Körper so proportionirt, die kleinen Köpfe so schön geformt, und mit schwarzen Haare bewachsen daß man sie ohne Müzchen könte liegen laßen wenn sie doch nicht so zart wären, und dabei sind die Kinder vollkommen gesund, sie saugen und schlafen und schlafen und saugen, und zwischendurch wenn sie gesogen haben, schlagen sie die Augen auf und besehen sich was um ihnen vor geht – Sieh dann sehen sie grade aus als die kleine Wachspuppe die Ihr hir gesehen habt. Die Mutter ist g a n z wohl und so frisch und heiter wie ich sie sonst gar nicht kenne. Am lezten Sontag den 14ten taufte Willlich die Kinder. Es war ein lieber Creis von Menschen hir versammelt, nur ganz nahe Freunde. Wie viel habe ich | an Euch gedacht, Ihr hättet noch da sein müßen. Die Bobbiner, Herman Alwine, und Theodor Schwarz waren die Geselschaft. Im Saal war die Taufe Abends zwischen 5–6. Der Willich ihr Bette steht an der Wand wo sonst der Sopha stand, dieser nun an der gegenüberstehenden Wand, in der Mitte von beiden ward der Tauftisch gestelt, der mit Cränzen von Epheu und Moos von den Schwestern auf gezirt war. Willich stand mit den Rücken gegen den Spiegel, an der Seite des Sophas alle Kinder, doch musten sie sich sehr in einander fügen damit Plaz blieb für die 3 Kleinen auf dem Sopha saß Tante Baier Sophie u.s.w. Das älteste Kind hielt Julie zur Taufe, mit ihr stand Herman Baier und 3832. Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 78 f.; SN 428, Bl. 86. Zur Datierung: Die Nachricht von der Geburt der Drillinge gehört ins Jahr 1813, nicht in das Jahr 1812. Da die Drillinge noch am Leben sind, ist der hintere Teil des Briefes noch vor Anfang April geschrieben. 13 daß] das

78v

334

79

79v

Brief 3832

Schlichtkrull, diese an der Seite des Sophas, vor dem Tisch, in der Mitte, hielt ich das zweite kleine Leben mit mir stand Theodor Schwarz und Frank – uns zur Rechten Mariane mit dem jüngsten mit ihr Hane, und Friz Willich, letzterer für den Consul Bokelman. Alle 3 Kinder bekamen den Namen J o h a n n i s , der Ältere Carl Johan, Carl zum Andenken unsres kleinen Heimgegangenen, F r i e d r i c h Johannes der Zweite ein Friedrich ist von Uhraltenzeiten immer in unsrer Familie gewesen. Der jüngste Heinrich Johannes, dieser lezte wird Jonis genant | ein süßer Junge, Friederich was mir recht eine aparte kleine Freude ist ohne daß ichs sage, und der älteste Carl. Willich war sehr bewegt bei der Taufe Du begreifst dies wohl lieber Bruder, Du weist wie es Dir bei Lieschen war. Sehr froh ist Willich über diesen Seegen! Seine Rede war recht schön, sein Vaterherz legte ihm die Worte in den Mund – er sprach auch einge Worte zu den Kindern er führte das Andenken der lieben heimgegangenen Mutter herbei und er sprach aus was ein jeder von uns im Herzen hatte. Diese Willich ist als Mutter mit den 3 kleinen Säuglingen auch recht liebenswürdig – sorgsam und liebend und herzlich glüklich. In der Wohnstube, an einem großen 4 Eckigen Tisch ward das fröhliche Mahl eingenomen nach der Taufe nehmlich ward Mittag gegeßen und 12 war groß gefrühstükt. Sage Jettchen recht auf Rügenisch festliche weise sei das Kindtaufsmahl bereitet gewesen, das heist Posteten Macronentort und Kuchen andrer Art – auch Wein und Bischof, die großen Gläser musten tapfer klingen, ich ward viel genekt weil ich pretendirte durchaus als Gevatterin genommen zu werden, man überhäufte mich nun mit Ehrbezeugungen besonders Theodor und Herman. Wir waren sehr fröhlich, und immer dachte ich auch an Euch, auch haben wir Eure Gesundheit | die schönen hell und harmonisch klingenden gläser waren immer in Bewegung. Etwas war recht Schade, der Konsull Bockelman der bis Stralsund gekommen war, muste zurük bleiben weil die Altefähre des mürben Eises wegen nicht gut zu paßiren war, und er es nicht wagen [wollte, in einem] so kritischen Augenblik wie der gegenwärtige war nicht in einge Tage zurükkehren zu können – Heute ist es der 2te Tag nach der Taufe. Die Willich ist schon auf, die Kinder sehr wohl, wir bleiben noch bis Donnerstag, und haben Täglich die Bobbiner hir. Malchen Baier hat diese Nacht gewacht, und diese Nächte wache ich, mit mir Thereschen, mit Malchen Baier wachte Malchen Willich, ohne 2 kann es gar nicht abgehen eine Erfahrne, und eine Andre müßen immer ÐzustehenÑ, denn bisweilen kommen alle 3 klei62 f so … können –] mit Einfügungszeichen am linken Rand von Bl. 78v

68 und] folgt 〈〈u〉〉

35

40

45

50

55

60

65

Frühjahr 1813 70

75

80

85

90

95

100

105

335

nen Trompeten zugleich – Nein ich kann Euch dies oft lächerliche und wunder Schöne – und wärmende – nicht beschreiben. Ihr könnt es Euch gewiß gar so nicht denken wie es ist – ich kann Dir nicht beschreiben den süßen Eindruck, wie wir Sonabend abend an kamen – Die Mutter, die wir so leidend verlaßen hatten, lag nun im Bette so ÐglüklichÑ und wohl, die 3 Kinder hatte sie wie ein Stern vor sich auf’s Bette liegen – Ich soll zu Tische kommen. Und nun bin ich wieder in Poseriz. Wir fuhren Donnerstag Morgen den 18ten von Sagard ab, es war ganz hübsches Wetter, obgleich es die Nacht sehr soll getobt [haben] woran ich in meinem Doppelschlaf (denn ich hatte die Nacht zuvor gewacht) nichts | vernommen hatte. In den Fahrbergen aber, ward es ordentlich grimmig, und beim schreklichsten Sturm, fuhren wir durch die Fähre, Schlichtkrull vor sich ein Erdbeben vermuthend, da aber der L i e u t e n a n t v o n W i l l i c h bei uns war so trozten wir aller Gefahr, und kamen zu Mittage in Bergen an wo wir das Mittag aßen, um 2 musten wir indeß da das durchnäßte Zeug wieder getrocknet war weiter. In Garz kehrten wir an, und konnten auch nicht weiter kommen. Lotte und ich arangirten die Betten, und legten uns sanft zur Ruh. Freitag kamen wir zu Hause. In Götmiz sind wir nach der Reise noch nicht gewesen, Heute ist Kathen zum Petritermin, mit Lotte habe ich einge kleine Billette gewechselt, so daß wir wißen daß sie wohl sind, auch in Garz ist jezt alles ziemlich wohl. Bei eingen Bekanten von uns hat der Todt in diesen Tagen recht große Trauer gebracht. Wie Willich die 3 Knaben gebohren wurden, wurde dem armen Barnekow von Ralswiek sein einziger Sohn, ein Knabe von 7–8 Jahren genommen wahrscheinlich ist er an der Häutigenbreune gestorben – Jettchen wird sich seiner erinnern – Ehrenfried jammerte es noch so sehr als er seine junge Frau verlohr, [als] sie | wie Ehrenfried und Jettchen nach Mutters Tode eben in Sagard waren, ich war noch nicht bei ihm. Seit der Zeit lebte er still mit den beiden Kindern, und fand seinen Trost und sein Glük nur in ihnen, besonders war der Knabe unzertrennlich von ihm, er ist ein stiller guter Mann, aber wie das Kind gestorben ist, hat er sich eines lauten Schrei des Schmerzes nicht erwähren können, jezt, ist er wieder geduldig und still traurig, das kleine Mädchen was ihm blieb ist verwachsen. Auch der Plüggentinsche Kantor hat den Liebling seines Herzens verlohren, seinen Julius ein Knabe von 15 Jahren, am Scharlachfieber – die andern Kinder und die Majorn Schanz die sich dort erheitern sollte weil ihr Mann gestorben ist, mit dem sie einge Monate erst verbunden war, liegen krank darin, Sophie und die Schanzen sehn gefährlich 71 nicht beschreiben.] am rechten Rand

93 Ralswiek] Lahlswiek

86v

86

336

Briefe 3832–3833

aus, wie der Arzt an Willich schrieb. Auch wird es Jettchen mit mir sehr nahe gehn daß unsre gute Küsterfrau gestorben ist – eine junge Frau, und die beste Frau im Dorf – ich ging gerne zu ihr, sie war so anständig und so immer thätig und freundlich, und ich wuste daß sie mich lieb hatte. Sie starb einge Tage nach der Entbindung, der Mann ist Trostlos, er dauert mich unendlich – das kleine Würmchen ist bei ÐHeldschenÑ gegeben, die nährt es mit ihrem Kinde. Auch Lotte Pistorius hat eine Art von Freundin verlohren in derselben Zeit, ihres Cantors Frau, auch so jung noch und in der Art wie die Dalmann – auch sie hinterläßt einen höchst betrübten Mann, und 4 kleine Kinder. So bald kann es kommen und was wir verlohren kömt nicht wieder – Wir wollen Heute zu Barnekos, ich will fleißig stricken. Wunderst Du Dich ÐauchÑ dass ich Dir schreibe? Sieh, ich weiß daß es Dir lieb ist etwas ausführliches aus […]

110

115

120

3833. Von Wilhelm Christian Müller. Bremen, Donnerstag, 4. 3. 1813 Bremen den 4. ÐMerzÑ 13 Steffens patriotischer Sinn hat mich so elektrisirt, daß ich Ihnen schreiben muß, wie ich seine Jugend und lebendige Kraft beneide. Doch wenn die Stunde schlägt, soll auch den sechziger niemand der Feigheit beschuldigen. Nur Elise kann mich noch abhalten, ein Großes zu wagen. Ich war einmal vom Pferde gestürzt, wo ich die Hüfte abgebrochen, den Daumen zweimal geknickt & mich ungeheuer verblutet – daß nach 14 Tagen mich die Aerzte aufgaben. Meine gesunde Organisation überstand die gräßlichsten Fieber und Supporation – und mein Wille die ungeheuersten Schmerzen, bei der Herausziehung der Crista coxi – Ich hatte mir vorgesetzt, nicht zu stöhnen, weil mich meine Freunde für einen Sibariten hielten – und man hörte kein Seufzen von mir. Ich weiß also was ich kann – und das war um einer bloßen Unvorsichtigkeit willen. Wenn ich also um einer großen Idee Willen zu leiden hätte, das müßte ja ein wahrer Jubel seyn. Und was hätte ich, wenn es hoch kömmt, zu wagen? was kann ich nun der Welt noch viel nutzen? und am Ende, nach mehreren Krüppeleien, 108 aus] auch

120 ÐauchÑ] oder: nicht

3833. Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 23 f. Die Beschreibung der Ereignisse in und um Bremen und Hamburg spricht für eine Datierung auf März, nicht auf Mai 1813.

5

10

15

4. 3. 1813

20

25

30

35

40

45

50

55

337

hätte die schauderhafte Scene des langsamen Herannahens des allgemeinen Naturfeindes. Aber zum Untergang des schlimmeren – seinen Lebensrest opfern, das ist was – wobei es schnell über Hals über Kopf zum Alles oder zum Nichts kommen muß. Auf dem bisherigen Fuß mußte ich doch langsam zum Bettler werden. Die Abgaben sind unerschwinglich, die Einnahme nimmt täglich ab, die Schmach ist Geist und Herz zerstöhrend – Man schimpft und flucht im Verborgenen man ärgert sich eben darin über diese Feigheit, zu welcher die Regung der Gerechtigkeit verdammt ist. – Nanny schreibt, wie alles voll Unruhe und Erwartung ist – unser Bild – täglich, stündlich giebts neue Notizen – man läuft von einem zum andern, um etwas Gewißes zu erfahren – öffentliche Blätter lügen, wie die übertriebenen Privatnachrichten. Was soll man glauben, wo wird es hinführen. Izt hört man Kosaken sind durch Berlin gesprengt – der Vicekönig ist nun mit 2000 Mann da angekommen – Alle Preusen stehen auf – der König ist nach Dresden gebracht – dann wieder frei in Preßlau – Izt kommen die rußischen Bären mit ihrem Klimma und vernichten alle unsere Helden – izt soll alles nur Wind seyn – Izt erklärt sich Schweden gegen uns – dann sind sie schon bei Lübek gelandet – das Gerücht reizt die Lübeker | und Hamburger zum Aufstand – zu Lübek fliehen alle französischen Behörden – es ist wahr sie kommen hier durch – in Hamburg kommen 20 Menschen im Spektakel um, die Officianten sind des Lebens nicht sicher. Es ist wahr; denn viele fliehen hier durch – Weiber und Kinder nach dem alten Mutterlande. In allen Städten an der Elbe, in Stade, Buxtehude, Harrburg ist Aufstand – die Mairs werden ermordet; es muß wahr seyn, denn die Berichte kommen an unsern Prefekt. Dieser voll Angst vor ähnlichen Schreckensscenen verbietet alle Zusammenkünfte – alle Klubbs, auch die Vereinung des wissenschaftlichen – unser Museum war schon vorher aufgehoben und versiegelt. Es gehen doppelte Patrouillen auf den Straßen – die angesehnsten Bürger, Gelehrte, Schullehrer müßen des Nachts auf die Wache ziehen. Der Commandant hat der hiesigen Garnison – Elsaßern – die Ordre gegeben, nicht allein zu gehn, ihr Gewehr nicht im Quartier zu laßen, nichts allein zu essen, es möchte Gift im Essen seyn. – Mehrere hiesige Beamten sind weg und gehen in diesen Tagen weg – und noch sind die Russen 50 Meilen von hier. Es sieht aus, als hätte man kein gutes Gewissen. Doch man faßt wieder Muth. Es sind 2000 von Pommern kommende wieder in Hamburg eingerückt. Heute oder morgen wird ein Anführer erschoßen. Das bringt aber die Harburger nicht zur Ruhe; diese und die andern südwestlichen Strandbewohner, werfen jeden ins Wasser, welcher von Hamburg kommt, und nicht S c h i b o l e t sprechen kann. Aber Gott genade die Rebellen – die

23v

338

24

Briefe 3833–3835

stützen ihre Waghalzereien auf die baldige Landung der Engländer – denn man hat hier die gewiße Nachricht daß Wellington auf der Themse mit der deutschen Legion gelandet – um noch mehr Truppen einzunehmen – man sagte schon gestern, daß sie an der Weser gelandet – Engländer sind nicht mehr in Spanien nöthig – denn Napoleon giebt Spanien auf – darum schöpft man hier wieder gute Hoffnung. Der StadtCommandant hat es gesagt, daß alle französischen Truppen aus Spanien mit Wagen geholt werden bis an den Rhein. Ich habe einen Pensionär von einem Director der Steuern, ein sehr gebildeter Mann, der alle anderen Franzosen an Wissenschaft und Geist übertrifft – der eben so lebendig von der Vortrefflichkeit der republikanischen Verfaßung als iezt vom Gegentheil überzeugt ist. Aber er treibt alles problematisch – als einen Versuch einer RegierungsVerfaßung. Jenes ging nicht und er schämt sich seiner Exceße – ob das einzige System | beßer und heilsamer fürs Menschengeschlecht seyn werde, muß die Erfahrung lehren. Er sieht diese Organisation als eine neue Erfindung an – genug er treibt seine praktische Politik als eine Wissenschaft, wovon alle übrigen hiesigen Franzosen keiner Idee fähig sind. Dieser treffliche Mann wollte erst auch fort – und sagte mir den Sohn auf. Allein er bleibt auf jene Nachricht wieder. Ich habe schon einige Eleven verlohren. Ich hatte das Vertrauen mehrerer Väter von den fremden Beamten erworben; und so den Schaden, den mir meine unnatürliche Einpfropfung auf einen fremden Baum zuzog, in etwas wieder ersetzt – ja ich sah schon Blüthen und Früchte für mich in der Folge – Ich verliehre durch die neue Wendung wieder. Doch das allgemeine höhere Interesse läßt allen anderen Verlust nur als klein erscheinen. Es wird Ihnen eben so gehn – und vielleicht noch etwas interessanter – Schade nur, daß wir nicht schnell genug die Ereignisse erfahren können – Ich bitte Sie inständigst, laßen Sie doch durch Nanny uns das Neueste mittheilen – Wir nehmen am Schicksal der vielen Guten theil – Ja oft und zwar in der Ungewißheit zu großen – besonders Elise – welche Angst hat sie um Marwitz – und Nanny schreibt nichts näheres, wir kennen seinen Sinn – so wie den Aller Preußen. Gott schütze die Großdenkenden – wäre Adolf nicht in ewiger Ruhe, so wissen wir wohl, was er bei seiner Gesinnung, womit er aus Paris kam, iezt gethan haben würde. Er schalt Elise, als diese einige Thränen über seine Marwitzschen Ideen fallen ließ. Er soll uns aber iezt nicht über unsre Gesinnungen schelten. Elise nimmt so lebendigen Antheil, daß sie oft nicht schlafen kann – frohe und schreckliche oder ängstliche Nachrichten machen ihr aber Erbrechen – Wir wußten schon, daß die ganze große Armee untergangen ist, wir haben auch hier 100 Wege mit einigen halberfrorenen Resten. Die Lazarette sind überfüllt

60

65

70

75

80

85

90

95

4. 3.–8. 3. 1813

100

105

110

339

– dies giebt zwar unseren Truppen keinen sonderlichen Muth – 3 Bauren, die sich neulich für Kosaken ausgegeben, wurden beim Kriegsgericht kaum vom Tode gerettet – die Soldaten wünschen Frieden – die Cohorten wollten sogar nicht weiter marschiren – aber man hat ihnen M u t h g e m a c h t . Diese Stimmung läßt viel hoffen. Es gehen viele Truppen über Osnabrück nach Magdeburg – da wird ein Großes entschieden werden. Wir harren mit Ungeduld Ihrer Mittheilung entgegen. Nur laßen Sie Nanny den Brief so schreiben und brechen wie diesen. Elise hat für den letzten weil er im Couvert mit grauem Papier war, Einen Thaler bezahlen müßen – Grüßen Sie alle herzlichen Freunde Jetchen, Nanny, Harscher, Wilmanns, dem Sie sagen laßen, daß ich seinen Brief erhalten vom 23. Februar – Es kehrt der Glaube wieder, daß ein Vergeltender über uns waltet – mit diesen grüßt und küßt Sie herzlich Ihr M.

*3834. An Gerhard von Scharnhorst. Berlin, vor dem 8. 3. 1813 Bietet seine Mitwirkung an den Angelegenheiten des Staates an, schlägt die Gründung einer Zeitung vor.

3835. Von Gerhard von Scharnhorst. Breslau, Montag, 8. 3. 1813 An / den Herrn Professor / Herrn Schleyermacher / wohlgeboren / Berlin [Bl. 1v unten]

5

Haben Sie sich dem Staate durch Ihre Bemühungen für die schnelle Fortsendung der Freiwilligen nach den ihnen angewiesenen Punkten, wo sie allein als wahrhaft brauchbare Mitglieder in das große Getriebe eingefugt werden können, verpflichtet, so ist dieses auf einer andern Seite, in Hinsicht meiner Person, nicht minder der Fall. Nichts ist seltener als die Achtung für die Muße Anderer, die gewöhnlich als ein Kapital betrachtet *3834. Erschlossen aus Brief 3835, Z. 13–21 an Scharnhorst, Brief 3838, Z. 102–104 an Alexander von Dohna und Brief 3848, Z. 33–37 an Alexander von Dohna. 3835.

Überlieferung: H: BBAW, SN 368, Bl. 1; D: Br 4, S. 190 f.

340

1v

Briefe 3835–3836

wird mit dem ein Jeder nach Willkühr zu schalten berechtigt ist. Der Weg, den Sie gewählt haben, mir Ihre interessanten Mittheilungen zukommen zu lassen, ist sehr bequem und angenehm für mich; und ich bitte Sie, mir dadurch ferner einen Beweis Ihrer Freundschaft zu geben! Ganz aus meiner Seele genommen ist die Idee einer Zeitung, wie Sie dieselbe vorschlagen. Gewiß gehört eine solche Veranstaltung zu den nöthigsten Bedürfnissen dieses Augenbliks, und muß von dem entschiedensten guten Einflusse seyn. Meiner Ansicht nach müßte Ihnen die Leitung dieser Angelegenheit übertragen werden, und ich will sorgen, daß die Sache | gehörigen Ortes in Anregung komme. Denken Sie daher einstweilen weiter darüber nach. Die glükliche Veränderung der in Berlin Statt findenden äußern Verhältnisse läßt mich hoffen, daß Ihnen bald etwas Näheres darüber zugefertigt werden könne. Leben Sie wohl, und empfangen Sie die Versicherung meiner vollkommensten Hochschäzzung und freundschaftlichen Ergebenheit. Breslau den 8 Märtz 1813 Scharnhorst

10

15

20

25

3836. Von Joachim Christian Gaß. Breslau, Donnerstag, 11.3. bis Sonntag, 14. 3. 1813 Endlich, mein liebster Schleiermacher kann ich Dir schreiben. Ich muß mich billig anklagen, daß es nicht früher geschah. Du kannst Dir aber leicht denken, in welchem Gewühl man sich hier befindet und wie es auch in meinem Hause an jungen Leuten, die theils aus alter Bekantschaft, theils mit Empfehlungen zu mir kamen, nicht leer geworden ist. Ich will Dir auch nicht sagen, wie besorgt wir um euch und um Berlin gewesen sind und wie froh uns die Nachricht von Eurer Befreiung gemacht hat. Aber die noch größere Besorgniß, die mir die Leitung der großen Angelegenheit erregt, kann ich Dir nicht verbergen. Alles geht wieder unerhört langsam. Ob man über den kombinirten Operationsplan schon mit Rußland einig ist, weis ich nicht; Scharnhorst ist wenigstens bei dem Kayser gewesen und es ist löblich, daß davon nichts ins Publikum kommt. Daß man sich aber über die Vertheilung des Commando noch nicht entschließen kann und sich offenbar in Verlegenheit befindet ist ein böses Zeichen, denn man merkt jedenfalls die Unentschloßenheit, die unser alter Fehler 3836. Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 84–86; D: Schleiermacher: Briefwechsel mit Gaß, S. 109–113

5

10

15

8. 3.–11. 3. 1813

20

25

30

35

40

45

50

55

341

ist. Schon den 3ten sollte marschirt werden und noch heute (den 11ten) weiß man den Tag nicht bestimmt. Jeder Tag aber ist ein Verlust und schadet der herrlichen und nicht genug zu preisenden Begeisterung, die sich im Ganzen nah und fern zeigt. Der Kayser, der nach Scharnhorsts Versicherung | ein ganz andrer Mann geworden ist und sich in den Gedanken, Europa zu retten immer mehr hinneindenkt und hinein arbeitet, ist schon seit mehr als 8 Tagen erwartet, aber immer noch nicht erschienen. Alles hoft auf ihn. Daß Stein seit fast 2 Wochen hier ist, wirst Du wißen, er wurde aber gleich krank und hat noch bis gestern das Bette gehütet. Hoffentlich ist er in einigen Tagen in Tätigkeit und so denke ich wird er wenigstens die Hinderniße wegschaffen, die den Gang der Angelegenheiten aufhalten. Gneisenau ist seit gestern auch hier und so ist doch zu erwarten, es werde etwas mehr Kraft sichtbar werden. Dies wird auch sehr noth thun, wenn die in dem Ganzen herrschende herrliche Stimmung nicht, wie es hie und da schon anfängt verfliegen soll. Das Bewustsein deßen, was geschehen soll hat alle Claßen durchdrungen; Gott hat es geoffenbart den Unmündigen, aber leider noch verborgen den Weisen. Darum muß man auch nach unten sehen und nicht nach oben und hoffen, in der allgemeinen Bewegung werde sich die rettende Kraft schon zur rechten Zeit heraufdrängen. Der Erfolg des Aufgebots hat gewiß alle Erwartungen übertroffen und es müßte eigentlich kein Glükklicherer auf Erden sein, als unser König. Aber glaube mir und ich schreibe es mit Wehmuth, der Erfolg wird auch hinter der mäßigsten Erwartung | zurükkbleiben und vielleicht neues Unglükk einbrechen, wenn man in der Umgebung des Königs nicht bald und gründlich aufräumt, und wenn nicht Einsicht mit der rechten Gesinnung verbunden die Civiladministration und den Commandostab ergreifen. Nie ist wohl ein Minister in unserm Staat so allgemein und von allen Ständen gehaßt und was noch ärger ist, zugleich so tief verachtet worden; als Hardenberg und die zunächst um ihn sind. Wenn ich das Ganze ansehe, so scheint mir der darin sich regende Geist als eine göttliche Inspiration; denn warlich von außen ist sie nicht gekommen und eben so kann ich die Hülfe, wenn sie uns zu Theil werden soll auch nur von oben erwarten, muß aber fragen, ob wir ihrer auch würdig sind. – Doch ich will aufhören, Dich mit meinen Skrupeln zu plagen; vielleicht kann ich den Brief noch erfreulicher enden, als ich ihn angefangen habe. Dazwischen mag indeß einiges andre Plaz haben. Es scheint ich bin bei Dir verklagt, als ginge ich nicht fein säuberlich mit Deinen Landsleuten um. Das kommt nicht aus der Provinz, wo man mich, wie ich gewiß weiß, sehr lieb hat, sondern aus Breslau, wo man es mir gar nicht vergeben

84v

84a

342

84av

85

Brief 3836

kann, daß ich, wie man sich ausdrükt, ein Ausländer bin und daß ich nicht alles schön und unübertreflich finde, was man hier hat und zeigt. Es sind aber fast 2 Jahre, daß ich mir auch nichts dergleichen mehr habe merken laßen, so daß ich mich | wundern müßte, wenn Du erst jezt davon gehört hättest. Was man Dir hinterbracht hat, ist vermutlich ein Vorfall mit Deinem Freunde Wunster, der mich endlich gezwungen hat, ihm recht derbe den Kopf zu waschen und ich hoffe, es solle eine Zeitlang vorhalten. Deine Landsleute haben viel Gutes, aber sie mögen gar zu gerne gelobt sein und das geht doch nicht immer. Glaube mir, es ist manchmahl recht dienlich, wenn darunter gefahren wird und es hätte wohl öfter Noth gethan, als es geschehen ist. Was gegen mich persönlich gerichtet wird, das laße ich ruhig vorübergehen. So habe ich es mit meinem Collegen Fischer gemacht und ihn dadurch in die größte Verwirrung gebracht. Was aber die Sache trift, wofür ich dabin, so verfahre ich ohne Schonung und Rükksicht. So verhält es sich und hoffentlich bist Du mit dieser Apologie zufrieden. Uebrigens wird Schlesien in dem, was jezt geschieht, den übrigen Provinzen den Rang nicht ablaufen; denn mit manchen Ausnahmen im Einzelnen ist die Gesinnung im Ganzen doch nur flau. Die wenigsten Freiwilligen werden gewiß von hier gestellt. Hirschberg von 6000 Einwohnern wollte keinen geben und sich mit – 2000 rthr loskaufen. Den braven Rektor Körber wollte man Abends aufpaßen und durchprügeln, weil er die jungen Leute zum Dienst des Vaterlandes ermuntert hatte. Wie gefällt Dir das? | An Leuten, die zu dem Stillestehn der Universität sehr bedenklich den Kopf schütteln, fehlt es auch nicht, da es doch so leicht ist zu begreifen, daß für kein Institut Sicherheit ist, wenn wir keinen Staat haben. Der brave Steffens, der Dir über seine persönliche Theilnahme an der großen Sache selbst wird geschrieben haben, mußte viel leiden, weil er die Studenten kräftig anregte und sich an ihre Spize stellte. Wir hatten schon 360 Studirende, das war recht gut; wir haben jezt nur Mißvergnügte, Krüppel und einige Ausländer, vielleicht noch 70. Auch das ist noch zu viel; ich wünschte es wäre kein einziger da und in allen jungen Leuten lebte der Gedanke, sich erst eine freie Welt zu erkämpfen, in der sich allein mit Sicherheit leben und wirken läßt. Daß in dem Gutachten über die Kirchenzucht zu viel Theorie sei, gebe ich gerne zu. Aber theils wollte ich das Departement ganz in den angenommenen Gesichtspunkt stellen, theils war es mir selbst lieb, die meistens troknen Arbeiten, die mir obliegen, ein mahl mit einer wißenschaftlichen Darstellung auffrischen zu können. Was mir sonst nicht mehr an dem Aufsatz gefällt, glaube ich Dir schon in meinem lezten Briefe ge-

60

65

70

75

80

85

90

95

11. 3. 1813

100

105

110

115

120

125

130

343

schrieben zu haben. Uebe nur Dein Recht daran, ich laße es mir gerne gefallen. Die Geschäfte der Deputation sind noch, wie sonst im Gange und da die weltlichen Mitglieder in andern Deputationen helfen müßen, so ist meine Arbeit eher vermehrt, als verringert, so daß mir in den lezten 3 Monathen nahe an 400 Sachen vorgelegen haben. Dies bringt mich etwas in Rükkstand mit einigen Arbeiten | für das Departement und es würde mir lieb sein, wenn Du nebst meinen freundlichen Grüßen, Nikolovius und Süvern in meinem Namen bitten wolltest, uns nicht zu drängen. Die allgemeine Bewegung in der man sich hier befindet, und die Menge junger Leute, die von auswärts an mich empfohlen sind, tragen auch nicht dazu bei, mich am Aktentisch festzuhalten; aber ich werde doch suchen, diese Angelegenheiten so lange als möglich festzuhalten. Für die Einrichtung der Landwehr ist hier auch noch nichts geschehen. Der Graf Dona (Bruder des Ministers) ist deßhalb schon seit 14 Tagen hier, aber man drukst immer daran, wie in allen übrigen Dingen. Ein andrer Dona ist aus Spanien angekommen und gleich als Major angestellt, leider aber kann er den rechten Arm, der zweimahl verwundet ist, wenig gebrauchen. Grollmann kam auch schon vor einigen Wochen zurükk, so viel ich aber weiß, ist seine Anstellung noch nicht bestimmt. Gestern habe ich mit großer Freude eine Erzählung von der Wegnahme Berlins gelesen. Welch ein Contrast zwischen diesen fliehenden Franzosen und denen die in Halle einrükten und mit den Worten auf Dein Zimmer traten: nous sommes les invincibles! Was könnte und sollte jezt geschehen und wie langsam geht alles, es ist unbegreiflich und unausstehlich. Der Kayser erwartet den König in Kalisch und dieser sizt hier ganz ruhig, auf jenen wird hier täglich gehoft und er kommt nicht. Wir hoften die Räumung Berlins würde das Signal des Aufbruchs sein; aber nichts davon! In Westphalen und am Rhein ist alles bereit und mann kommt nicht. Man hat ruhig geschehen laßen, daß die Franzosen alles Vieh und Pferde um Glogau her in die Stadt getrieben haben; in Küstrin und Stettin wird es nicht anders sein. | Nach dem lezten Gefecht bei Kalisch ließ man nicht nur flüchtende Franzosen und Sachsen durch, sondern auch das Lazareth und als Merkel darauf antrug, wenigstens das leztere nicht über die Grenze zu laßen, erhielt er zur Antwort, dies sei gegen die Gesetze der Menschlichkeit. Daraus ist aber entstanden, daß der bösartige Tyfus schon 15 Dörfer des Breslauer Kreises angestekt hat und fast bis an unsre Stadtthore reicht. Ein schlechtes Manifest in Form einer publizistischen Deduktion soll schon gedrukt und wieder zurükkgenommen sein. Wie gefällt Dir das alles? Ich bin müde mehr davon zu schreiben.

85v

86

344

86v

Briefe 3836–3838

Dein Brief an Röder ist gleich besorgt; ich weiß nicht, ob er Dir geantwortet hat, denn er wurde gleich darauf verschikt. Heute aber sprach ich ihn noch und er läßt herzlich grüßen und eben so die beiden Grafen Dona mit denen ich gestern Abend bei Rehdigers zusammen war. – Merkel ist nun ChefPräsident der Regierung geworden und das ist etwas Gutes. Zugleich aber sind vier Civilgouverneurs ernannt, für Schlesien der ehemahlige Minister Altenstein, zwischen der Elbe und Oder der vormahlige GroßCanzler Beyme, zwischen der Oder und Weichsel Sak und jenseits der Weichsel der Präsident Schön in Gumbinen. Dies hängt vermuthlich mit der Organisirung der Landwehr zusammen, sonst ist kein Sinn darin, wunderbar aber bleibt, wie man ehemahlige Staatsdiener wieder herbei ruft, ohne eine schikkliche Stelle für sie zu wißen. Aber was sagst Du dazu, daß man den Minister Dona zum RegierungsPräsidenten in Marienwerder machen will und den der hier ist, nach Königsberg schikt. Das erinnert an den Minister Ingersleben, | den man zum zweiten mahl zum Präsidenten der Pommerschen Regierung gemacht hat. Aber wie kann man doch diese beiden in eine Classe werfen. Das Manifest soll nun wirklich gedrukt sein und nächstens erscheinen. Ancillon wird als Verfaßer genannt. Noch habe ich nichts davon gesehen. – Morgen kommt der Kayser und wird das Gedränge und die Bewegung noch vermehren; hiernach hat sich der Ausmarsch der hiesigen Truppen wohl verzögert und wird nun gewiß in einigen Tagen erfolgen, da sie übrigens in Schlesien schon in Bewegung sind. Kutusow wird das Commando der ganzen kombinirten Armee führen. Wir wollen doch noch hoffen, daß alles gut geht, wenn die Sache erst im Fluß ist. In dieser Zeit habe ich auch ein mahl vor dem Könige gepredigt und an einem Wochentage mit den Garden Communion gehalten, wobei sich fast 900 Communikanten einfanden. Es war wirklich recht feierlich. Noch ist mir angedeutet, mich auf eine Rede vorbereitet zu halten am Tage des Ausmarsches und unmittelbar vor demselben und wenn es das Wetter erlaubt unter freiem Himmel. Ich werde diese Sachen wohl müßen zusammen drukken laßen und sie Dir dann schikken. Und nun lebe wohl, liebster Schleiermacher. Deine Grüße durch Sak und andre Freunde habe ich erhalten. Grüße die Deinigen und Reimers herzlich von uns und behalt mich lieb als Deinen treuen Freund G. Bresl. den 14 Mz 1813 139 das] daß

135

140

145

150

155

160

165

170

11. 3.–23. 3. 1813

345

*3837. Von Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Vor dem 23. 3. 1813 Klagen die Dunkelheit von Schleiermachers Predigten betreffend; am Hof gebe es Klatsch über Schleiermachers „Kurze Darstellung des theologischen Studiums“.

3838. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Dienstag, 23.3. bis Sonnabend, 27. 3. 1813 Dienst d 23t. Merz

5

10

15

20

An Ihrer früheren Thätigkeit in Königsberg mein theuerster Graf und an dem schönen Erfolg derselben habe ich die herzlichste Freude gehabt. Gewiß, Sie müsen ein großes und sehr erhebendes Bewußtsein davon in Sich bewahren. Ohnstreitig verdanken wir der Yorkschen Convention und der Art, wie diese in Preussen ist aufgenommen worden, die ganze schöne Wendung, welche unsere Angelegenheiten genommen haben. Hätte sich die Nationalstimme über jene That nicht so entscheidend und kräftig dort ausgesprochen, so würde sie schwerlich diese Folge gehabt haben und wohl Ihnen daß Sie dazu so schön mitwirken konnten. Zu ihrem gegenwärtigen Verhältniß weiß ich noch nicht was ich sagen soll. Die Provinz wird eine große Freude daran haben und dies Bewußtsein konnte viel beitragen Sie zu bestimmen, auch denken Sie gewiß nicht daß ich der kleinlichen Meinung bin wer Minister gewesen dürfe nicht wieder Präsident werden. Aber einerseits wenn ich das Verhältniß, um es gelinde zu sagen der Chicanibilität bedenke in welches Sie | gegen die DepartementsChefs treten, und andrerseits wie nahe es lag eben wegen des Einflusses den Sie auf dem Landtage gehabt haben Ihnen die Functionen des CivilGouverneurs zu übertragen: so weiß ich noch nicht was ich sagen soll. Indessen kommt soviel auf die Umstände und die näheren Modificationen an daß ich mich gern bescheide. Wenn sich aber ein Gerücht bestätiget das sich gestern verbreitet hat daß Beguelin Finanzminister geworden sei so hoffe ich daß nicht nur Sie gleich wieder niederlegen son*3837.

Erschlossen aus Brief 3838, Z. 72–98.

3838. Überlieferung: H: Deutsches Literaturarchiv Marbach, 57.5770; GStA, Fürstliches Hausarchiv Dohna, 2160; D1: Br 2, 2. Aufl., S. 265–267 (gekürzt); D2: Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna, S. 47 f. (nur zweiter Teil des Briefes)

346

Brief 3838

dern auch daß sich ein Verein aller rechtlichen Staatsdiener jenes Fachs bilden wird um dem König gegen diese Gräuelthat die stärksten Vorstellungen zu thun. Ueberhaupt soviel Freude man haben kann daß endlich die Hauptsache geschieht so sehr wird sie gestört durch die unübertrefliche Abscheulichkeit und Hülfslosigkeit der Administration und durch die Langsamkeit und die einzelnen aber unzähligen Verkehrtheiten auf der militärischen Seite. Ueber lezteren scheint mir am allergefährlichsten daß man wieder die persönlichen Umgebungen des Königes ganz vernachläßigt oder vielmehr auf das verderblichste zusammensezt. Man überläßt ihnen Knesebek und Ancillon die ihm um die Wette den unüberwindlichsten Wider|willen gegen jede politische Regeneration einflößen und ihn, jemehr die Sachen diese höchst nothwendige Wendung nehmen, um desto mehr zu geheimen Machinationen und Unterhandlungen verleiten oder wenigstens empfänglich dafür machen werden, und Bonaparte wird gewiß nicht unterlassen dies auf das Beste zu benuzen. Und wie kann unser herrlicher Scharnhorst glauben seiner Position auch nur auf Eine Campagne sicher zu sein wenn er selbst vom König entfernt und dieser dagegen in Knesebeks und Ancillons Händen ist. Den so umgebenen König sollte man doch ja wenigstens überall mitnehmen und auf das genaueste unter Augen halten. Wären diese unseligen Dinge nicht die einem überall so nahe unter die Augen treten so müßte man doch in Freude und Wonne vergehn über die so herrlich sich entwikelnde Zeit, die auch Menschen welche schon ganz hofnungslos waren einen neuen Geist einhaucht

Ich wurde unterbrochen und konnte am vorigen Posttage nicht wieder zum Schreiben kommen. Seitdem hat sich manches verändert. Der König ist gekommen und mit ungeheurem Jubel und mit großer militärischer Pracht empfangen worden. Heute marschiren die Truppen, Morgen ist die religiöse Feier des Durchzuges und des Kriegsanfanges, Alles ist im höchsten Enthusiasmus und hoffentlich wird nun endlich bald der Kriegsschauplaz jenseits der Elbe sein. Sie sind CivilGouverneur geworden wie ich es gewünscht habe. Danken Sie nur Gott daß Hardenberg Ihnen nicht dieselbe Avance machen konnte die er dem armen Sack gemacht hat. | Den hat er sizen lassen ohne die Instruction über die Landwehr, endlich schikt er sie – nicht ihm sondern Herrn von Bassewiz zu und schreibt ihm 41 und Ancillons] über der Zeile

25

30

35

40

45

50

55

23. 3.–27. 3. 1813

60

65

70

75

80

85

90

95

347

dabei „so ganz genau brauchte er sich eben nicht danach zu richten“. – So habe ich die Geschichte aus Niebuhrs Munde. Sack hat sich zum Glük nicht dadurch irre machen lassen sondern seit Gestern werden schon recht emsig die ersten Einleitungen gemacht. Ancillon liegt hier und speit Blut muß also zurükbleiben. Andere sagen das Blutspeien wäre nur ein accidens und er solle nicht mit, was ich aber nicht glaube. Graf Fabian ist denn auch hier gewesen und geht diesen Abend fort. Der Arme leidet noch immer an seiner Wunde, sieht aber äußerst gesund aus und ist stark geworden im Gesicht wenigstens. Aber wie bedaure ich die armen beiden Brüder Friz und Helvetius und ihre Genossen alle bei der deutschen Legion, die nun die lezten werden, und schlecht belohnt für den reinen und muthigen Sinn mit dem sie jenen Entschluß gefaßt. Über mich lieber Graf hätte ich Ihnen noch viel zu antworten auf einen früheren Brief. Wie man über meine Dunkelheit auf der Kanzel klagen kann begreife ich nicht, man hat vielmehr immer über meine zu große Klarheit geklagt. Auf dem Katheder ist es so und wird auch immer so sein daß der Anfang meiner Vorlesungen immer sehr schwer ist. Das ist die Prüfung, wer dabei ermüdet dem kann ich nicht helfen: je mehr das Gebäude in die Höhe steigt um desto klarer wird Alles. Das haben mir vielfältig aufmerksame Zuhörer auch von mittelmäßigen Fähigkeiten versichert, und diese Methode hängt so genau mit der Natur meines ganzen intellectuellen Strebens zusammen daß ich nichts darin ändern kann. | Was die Darstellung des theologischen Studiums betrift so weiß ich recht gut daß bei Hofe darüber geklatscht worden ist; daß meine dortigen Freunde es mit den gehörigen Anmerkungen begleitet dem Könige in die Hände gespielt haben und daß dieser gesagt hat gelehrte Leute bei der Universität sollten doch verständlicher schreiben. Aber ein Handbuch ist nur für die Zuhörer denen es in den Vorlesungen erklärt wird, es soll grade ihnen die Sachen vorher unverständlich machen die sie leider großentheils schon zu verstehen glauben und soll ihnen hernach dienen um an jeden Paragraphen eine Masse von Erinnerungen anzuknüpfen. Diesen Vorwurf also liebster Graf sehe ich als gar keinen an. Ich verspreche Ihnen auch, daß wenn ich je wieder über einen einzelnen Gegenstand schreibe, wie das über die Universitäten, ich auch vollkommen eben so populär schreiben will: soll man aber auf wenigen Bogen ein großes Gebiet umfassen wie das bei den Handbüchern über die Ethik und Dog73 einen] korr. aus meinen

90 großentheils] folgt 〈immer〉

348

Briefe 3838–3840

matik an denen ich jezt arbeite auch der Fall sein muß: so kann es nicht so glatt abgehn. Wie es mir diesen Augenblik geht muß ich Ihnen auch berichten. Für die Universität wird diesen Sommer wenig oder nichts zu thun sein, und diese Aussicht hat die ohnehin schon sehr große Lust für jezt lieber auf andere Art wirksam zu sein gewaltig erhöht. Ich habe schon früher an Scharnhorst geschrieben daß er ganz über mich disponiren könne und daß ich nur seinen Wink erwarte habe aber keine Antwort darauf erhalten. Ich bin nun so unverschämt gewesen ihm noch einmal zu schreiben, daß es keine | Wirksamkeit gebe die ich mir ausdrüklich ausbitten könnte als die eines Feldpredigers, daß ich mir aber als bloßer reformirter Feldprediger sehr unnüz vorkommen würde, da jede Brigade doch ihren eignen hat wenn ich nicht noch irgend wie anders könnte nebenbei beschäftiget werden. Ich habe ihn gebeten wenn er diesen Gedanken zu realisiren wisse: so möchte er mich nur ein Wort wissen lassen, ich wollte dann augenbliklich mein Gesuch einreichen. Von Thiele weiß ich vorläufig, daß dieses noch stattfindet, indem es noch an reformirten Feldpredigern fehlt. Ob es aber mir gewährt werden würde ist eine andre Frage. Unter den Nebenbeschäftigungen habe ich mir gedacht Correspondenz führen oder Redaction von Nachrichten oder irgend etwas auf die Organisation oder Administration der Provinzen sich beziehendes. Denn bei der Gewöhnung an eine so vielseitige Thätigkeit würde ich mir als bloßer Feldprediger zu müßig vorkommen und würde doch nicht fähig sein litterarische Arbeiten dabei zu betreiben. – So steht die Sache. Ich will mich sehr freuen wenn ich in einigen Wochen mein Bündel schnüren kann; ist es aber nur erst entschieden daß man mich draußen nicht brauchen kann oder will so will ich mich auch ganz ruhig fügen und den Sommer aufs Beste zu benuzen suchen Unsere Freundin ist ganz wohl und grüßt Sie herzlich. Sie ließ Ihnen gratuliren zur Präsidentschaft weil Sie doch nun können zum Minister avanciren. Die Meinigen empfehlen sich Ihnen aufs herzlichste so wie ich Sie bitte mich den Ihrigen in gnädiges Andenken zurükzurufen. Gott sei mit Ihnen und mit allen unsern Wünschen. Schleiermacher. B. d. 27t. Merz Uebermorgen werden unsre guten Wünsche besonders bei Ihnen sein

100

105

110

115

120

125

130

25. 3. 1813

349

3839. Von Karl August Freiherr von Hardenberg (auch an Barthold Georg Niebuhr). Berlin, Donnerstag, 25. 3. 1813

5

An den Herrn GeheimenStaatsRath Niebuhr und den Herrn Professor Schleiermacher Hochwohlgebohren in Berlin. Die von Ew pp. beabsichtigte Redaction einer neuen Zeitung für die Dauer der gegenwärtigen Verhältnisse genehmige ich hierdurch, und habe bereits diese Betreffenden Behörden davon | in Kenntniß gesetzt. Die Censur derselben ist dem Königlichen Departement für die auswärtigen Angelegenheiten übertragen worden, und haben Sie Sich deshalb für die Folge an dasselbe zu wenden.

3840. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher (auch an Henriette (Jette) Schleiermacher). Gnadenfrei, Donnerstag, 25. 3. 1813 Dem Herrn Professor / Schleyermacher / in / Berlin. [Bl. 6v]

5

10

15

Gdfr d 25t Merz 1813 So schwach ich mich auch in diesem Monat Merz körperlich fühle so stark ist doch mein Geist – d.h. er ist überall bey meinen Lieben wo sie allerwärts zerstreut sind; auch am 6ten war er viel um Dich her, und bey Dir liebe gute Schwägerin – aber nicht ohne Sorge, in welcher Angst, (die sich gewiß auch deiner älteren Kinder bemächtigte) – dieser frohe FestTag verlebt wurde – o Gott! Könte ich alles zu Papiere bringen was ich empfunden – wenn ich auch nicht wie manche Andre – jeder beunruhigenden Nachricht Glauben beimeßen wolte – so fürchtete ich doch in mancherley Hinsicht für groß und Kleine. Jezt ist dort für die Zeit wohl äußerlich Ruhe – aber wie geht es Euch Allen? vorzüglich der leidenden Nany? wird sie reisen könen? werde ich sie hier sehen – welches ich recht innig wünsche – peinigende Ewigkeiten deuchtet mir jeder ZwischenRaum in welchem ich nichts von Euch weiß. Oft überfällt mich eine Wehmuth in den schlaflosen Nächten derer ich viele habe – wenn ich einschlumre – dann habe ich mit dir guter Bruder zu thun – freilich nur Hier – denn von d o r t 3839. Überlieferung: H: GStA, I. HA, Rep. 74, J.X. Nr. 13, Bl. 3. 3v (Konzept); D: KGA I/14, S. CXLV 3840.

Überlieferung: H: BBAW, SN 375/13, Bl. 5 f.

3v

350

5v

6

Briefe 3840–3843

kann ich mir kein Bild machen – – last mich es ganz aussprechen – noch in keiner kränklichen periode habe ich mich s o zu Euch gewünscht, als seit einigen Wochen | eben so vereinigt sich bey jeder Art von Bequemlichkeit – durch welche ich meinen Zustand mir erleichtere – der innigste Dank gegen den Wohltähter der bey Tag und Nacht mich liebevoll unterstüzt!!! Eine Wehmuth wie ich vorher sagte – ergreift mich öfters eine ängstliche Frage – ob wir uns doch vielleicht n i c h t dieses Jahr sehen werden, mit dem Vorwurf begleitet – warum ich nicht früher dort besucht – um mir ein liebliches Bild machen zu könen welches in düstern trüben Tagen mich aufheitern könte! –! mein Zustand ist keinesweges gefährlich – nur beschwerlich – vielleicht weniger bedeutend als vor vielen Jahren nur daß ein anhaltender Schmerz oder Kampf mich mehr angreift – mehr abschwächt –! Eine dunkle Zukunft liegt dicht vor Uns! ob durch die vereinten Kräfte eines schönen Ganzen (wie ich hoffe) ein Schimer des Lichtes – und endlich der helle Tag hervorbrechen wird – deßen sich Alle und Jeder erfreuen kann – dankbar erfreuen wird. Dieses wird sich hoffentlich bis zu den künftigen HerbstFerien aufklären – So sehr ich mich stets nach endlicher Befreiung von so manchem drükenden und unbehaglichen dieses Erdenlebens sehne so sehr wünsche ich doch – daß w i r uns A l l e noch vorher | sehen mögen – entweder H i e r daß die Berliner wieder eine Reise machen – oder – daß Du mein Lieber mich abholest – Euch Alle zu begrüßen – Dich zu hören als VolksLehrer – eingereiht zu sehen – in eigne Vaterrechte – Dir – wenn auch nur in Schwachheit meinen innigsten Dank in Wort und That zu bezeigen – oder doch Wortlos mein Gefühl auf Dich übertragen zu könen – Solte mir diese Freude wirklich noch werden – so erlaube meinem begehrlichen Herzen auch noch den Wunsch zu äußern bei Gelegenheit dieser Reise – auch noch meine alten Freundinen in Hernhut und Nisky zu sehen – Arndt, Preud’homme – Albertiny – und einige Jüngere. Nun sind sie alle auf dem Papiere die mich oft gewaltsam ergreifenden Gefühle der Sehnsucht! – an dein wohlwollendes Herz gelegt – welches gewiß auch am 3 1 t e n mit allen Deinen Lieben meiner denken wird – gern hätte ich an die Aller Vortreflichste geschrieben aber wer weiß ob sie noch in Euren Mauern – da sie immer mit dem frühesten Frühjahr abreist – vielleicht dis Jahr nicht grüße Sie recht herzlich – Sey mit allem was Deinem Herzen nahe liegt vorzüglich Deine Kinder – und Nany recht innig umarmt von Deiner dankbaren Lotte.

54 Deiner … Lotte] vom linken Rand auf den linken Rand von Bl. 5 überlaufend

20

25

30

35

40

45

50

25. 3.–4. 4. 1813

351

*3841. An Gerhard von Scharnhorst. Berlin, vor dem 27. 3. 1813 Bietet sich als reformierter Feldprediger an und wünscht noch weitere Aufgaben.

*3842. Von Johann Heinrich Bernhard Dräseke. März 1813

3843. Von Marianne von Willich. Sagard, Sonntag, 4.4. bis Montag, 5. 4. 1813

5

15

den 4ten Aprill Die Gelegenheit zum schreiben ist gar zu bequem, als daß ich es laßen könte, warum ich mich aber grade an Sie wende lieber Bruder! mögen Sie billig fragen, denn gewis haben Sie noch weniger Zeit, zum Lesen und noch weniger zum schreiben als Jette – ich will auch keine Antwort haben, aber doch mich auch bisweilen auslaßen, an die Freunde die ich so sehr liebe, und ehre, das müßen Sie mir vergönnen! an Jettchen würde ich mich sonst natürlich wenden aber sie hat es mir zu arg gemacht seit Sie hier war, sahe ich a l l e i n Keine Silbe von ihr! ich magte auch darauf, keine Ansprüche! aber daß ich auch in dem lezten Briefe an Hane, gantz a l l e i n , für mich keinen Gruß, nicht einmahl, meines Nahmens Erinnerung fand, da, da doch keine Seele, in unserem ganzen Hause, darin vergeßen war! das that mir leid! sehr leid!! in dem Gefühl, wie wenig ich bedeute, böse bin ich Jette nicht, ich habe sie viel zu lieb –! grüßen Sie sie dennoch herzlich von mir, s c h r e i b e n , mus sie mir auch jetzt nicht! i c h b i t t e d a r u m ! dieser | Brief würde mir keine Freude machen, ich mag ihr *3841. Erschlossen aus Brief 3838, Z. 105–112 an Alexander von Dohna und Brief 3848, Z. 33–37 an Alexander von Dohna. *3842. Erschlossen aus Brief von Dräseke, Mitte April 1814, SN 275, Bl. 1. Mit einer Einlage einer Lüneburger Buchhandlung. 3843. Überlieferung: H: BBAW, SN 429, Bl. 1 f. Sie] sie 8 seit] s e i d Sie] sie 15 das] daß

3 Sie] sie 16 Sie] sie

4 Sie] sie

7 das] daß

1v

352

2

2v

Briefe 3843–3844

auch den Zwang nicht anthun, aber Schade ists doch, daß sie nie an mich denkt, als wenn sie mich sieht! (für mich meine ich) doch nun will ich auch nicht weiter daran denken, Es sollte auch keine Klage, eigentlich sein über Jettchen vieleicht über mich selbst! daß ich ihr kein Intereße abgewinen kann, das nun durchaus zu w o l l e n , ist ja meine Schuld. Von Ihnen lieber Bruder! verlange ich wenig und Sie denken doch meiner, auch bisweilen, wenn Sie wüsten, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, Sie geben jedem das Seine, und niemand geht leer aus das hebt, und erfreut, und giebt Zuversicht, zu sich selbst, die manchen so nothwendig ist, von diesen b e d ü r f t i g e n hallte ich auch unsern kleinen Theodor, der nebst Louis in einigen Tagen nach Berlin abgeht, Herr Twesten, ist jetzt hier, um sie abzuholen, wir haben viel Vertrauen zu ihm gewonnen! wie ich höre, ist er mit Ihnen sehr befreundet! wie mich das freut, kann ich Ihnen nicht beschreiben, das wird auch unsere Knaben Ihnen näher bringen, ach lieber Schleiermacher nehmen Sie sich unsers Theodors recht ein Bischen an! er hat einen sehr weichen Sinn, ist rein und unschuldig sprechen Sie ihm nur ein | freundliches Wort zu, er bedarf es –, er hängt so sehr an die seinigen, bei Ihnen, und in Ihren Umgebungen, wird er Ersaz finden! Jettchen wird ihm die allte Liebe nicht versagen! sie weiß wohl, wie er an sie zu hängen pflegt und er wird großen Genuß, in der nähe ihrer Kinder haben, Friede kann ihm wohl nun schon herum führen, und kleine Jette wird ihm auch freundlich begrüßen, mögte ich die kleine Lisbeth, eins wieder sehen nun drüken sich wohl, all die bedeutenden Züge ihres Gesichts, schon in Worten aus, wie lebendig steht das süße Kind vor mir! aber wie sich die kleine Gertrude entwickelt, darauf bin ich neulich, l e i d e r , war das inre Leben, nicht so fühlbar wie bei Lisbetchen. den 5ten So eben ist Baier von uns abgereist er hat die Knaben entlaßen, er hat das Seinige mit treuer Liebe, und Sorgfallt ihnen gethan, Gott lohne ihm, und laße sie auf einem anderen Boden gedeihen und Früchte bringen! ach lieber Bruder, wachen Sie mit dafür, ich bin ja weder Vater noch Mutter, mir ist oft als dürfe ich dafür nicht sorgen, als könne mir das nicht zukommen, aber das Herz läst sich keinen Zwang anthun! diese Kinder gehören so zu meinem eigentlichen Leben! daß ich ahne d a ß gar nicht be|stehen kann, und ihre verstorbene Mutter gab mir auch so, großen Theil daran, daß ich sie immer, als m e i n e eignen ansehen durfte, meine 23 das] daß 25 Sie] sie Sie] sie 26 das] daß das] daß 32 das] daß 33 Sie] sie 34 Sie] sie 36 Ihren] ihren 43 neulich] Kj. neugierig 48 sie] Sie 49 Sie] sie 50 das] daß 51 das] daß 54 daß] das

20

25

30

35

40

45

50

4. 4.–6. 4. 1813 55

60

65

70

75

353

Freude daran! war die ihrige und sie suchte mir immer, noch mehr der Art zu zu wenden! diese e i n z i g e Weise ist mit ihr hingesunken, aber die Erinnrung daran bleibt mir immer süß – Unsere kurze Freude an unsern 3 Knäbchen ist Ihnen bekant geworden! ach mögten alle unsere Freunde sie lebend gesehen haben es war ein sellten schöner Anblik, der ein ganz eigenes Gefühl gab! mein Bruder war hoch erfreut, aber auch sehr betrübt durch den Verlust! eine sonderbare Zeit haben wir gehabt, zu derselben Zeit wie die Kleinen starben, legten sich 5 Töchter ann. Sicherlich Fieber! es war der Sorge der Noth, der Mühe und Arbeit sehr viel, für die gesunden! aber nun ist alles vorüber, die Kleinen heimgegangen und die großen genesen! Heute haben sie den ersten kleinen Spaziergang im freien gemacht! am 2ten Feiertage werden Mutter, und Kinder ihren Kirchgang hallten wir werden gemeinschaftlich Gott danken und auch zur Communion gehen – Vom politischen mag ich nicht reden, als daß die Freude darüber auch in mein Herz gedrungen ist! übrigens baue ich auf u n s e r e n Patriotismus sehr wenig! so brav man uns auch vorgeht! nun will ich Sie auch nicht länger aufhallten lieber Bruder! was zu erzählen ist von hier! werden wohl unsere Knaben thun! und ich habe mich nur Ihrem und unsers Jettchen Andenken empfehlen wollen, weil ich Sie vom ganzen Herzen anhänge – Marianne Gestern kam Louise, zu Fuß, doch nur von der Jasmundschen Fähre hier an um Twesten und die Knaben zu sehen.

3844. Von Heinrich Christoph und Doris von Willich. Sagard, Dienstag, 6. 4. 1813 Sagard den 6 April 1813.

5

Da sind denn unsre beiden Söhne, lieber Bruder! Endlich ist es uns gelungen, sie in das lang ersehnte Geleise zu bringen, auf dem sie nun hoffentlich zu ihrem Ziele gelangen werden – Du kennst Twesten und weißt, wie wir zusammen trafen – weißt also auch, mit welch freudiger Zuversicht wir sie ganz in seine Hände geben – Es bedarf das weiter keiner 62 legten] Kj. steckten 71–74 man … empfehlen] am linken Rand 74–76 wollen, … Marianne] am linken Rand von Bl. 2 77 f Gestern … sehen.] am linken Rand von Bl. 1v 3844.

Überlieferung: H: BBAW, SN 421, Bl. 24 f.

354

24v

25

Briefe 3844–3848

Worte – Ich habe auch von dir in dieser uns so wichtigen Angelegenheit nichts weiter zu bitten, als: erlaube Ihnen Zutritt in dein Haus, wo sie im Kreise der deinigen an deinem Herzen voll Liebe denselben Geist, der unverdorben in ihnen ist, genährt, erwärmt, erhoben fühlen werden – dazu laß auch deine Kleinen hinzutreten; sie werden, wenn Zeit und Raum dazu vergönnt wird, sich sicher gerne verschwistern und für ihre Herzen darinn die gewohnte ihnen unentbehrliche Narung finden – diese Freuden nur vornehmlich laß sie bei dir | suchen und finden und verhindre mir, daß nicht die lieben Weibsen durch zu freundliche Darbietungen für Magen und Zunge das Ziel ihrer Besuche ihnen verrücken. Reifen sie nach und nach für geistige Unterhaltungen, fangen sie an, selbst auf die gelehrten der Männer zu horchen, laß sie daran so viel Teil nehmen, als du mit Twesten darüber einig wirst – du wirst mir zugeben, daß sie nicht gerne in die Gefahr kommen dürfen, sie langweilig zu finden und daß der Reiz, mit hinein zu hören und zu sprechen, will man Notiz von den gegenwärtigen Kindern nehmen, zu ihrem Nuzzen und Schaden kann gemehrt und gemindert werden. Mir liegt natürlich, indem ich sie entlasse, alles am Herzen, was auf sie einwürken kann. Ich hoffe daß sie deine Predigten gerne besuchen, und an der öffentlichen Andacht regel|mässig Teil nehmen werden – könnten sie es auch an dem ReligionsUnterricht deiner Confirmanden, so würde mir das sehr lieb seyn – vieleicht izt noch nicht, aber in der Folge – Von unserm Wohlergehn und sonstigen Leben und Wesen wird Herr Twesten berichten – Dein CvW. [Doris von Willich:] Mit der größten Ruhe sehe ich unsre Knaben reisen, da ich sie in so guten Händen weiß. – Auch Sie, lieber Schleiermacher und Ihre liebe Frau, werden Einfluß auf die Kinder haben. – Schon im voraus danke ich es Ihnen. – Sie werden auch einst vielleicht Ihre Kinder von sich entfernen; dann er[st] werden Sie es recht wissen, wie groß die Wohlthat ist, die Sie uns erweisen. – Hier, hat Leid und Freude gewechselt! – Gottlob, daß die großen Weltbegegenheiten uns wieder einen freien Blick in die Zukunft eröfnen! – Der Himmel segne die Waffen aller derer, die für die gute Sache streiten! – Ihnen und den Ihrigen herzliche Grüße – von Ihrer D. W.

37 Sie] sie

10

15

20

25

30

35

40

6. 4.–17. 4. 1813

355

*3845. An Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Anfang April 1813 Er wolle den Feldzug als Feldprediger begleiten.

*3846. An Alexander von der Marwitz (auch von Henriette (Jette) Schleiermacher). Vor dem 13. 4. 1813

*3847. An Alexander von der Marwitz (auch von Henriette (Jette) Schleiermacher). Berlin, Dienstag, 13. 4. 1813

3848. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (auch von Henriette Herz). Berlin, Sonnabend, 17. 4. 1813

5

10

Liebster Graf es ist wirklich mehr dem geschäftigen Nichtsthun welches diese Zeit bei unser einem jezt so gewaltig wegfrißt als eigentlichen Geschäften zuzuschreiben daß ich meinem Wunsch Ihnen wieder zu schreiben noch nicht genügt habe. Unsere Freundin will Ihnen meine Predigt schicken und hat mir dazu einen Brief abgefordert, und es freut mich gar sehr daß ich nun eine ordentliche Veranlaßung habe. Sie werden in der Predigt wie gewöhnlich in den meinigen keine Beredtsamkeit finden; aber ich hoffe, eine große Wahrheit direct und indirect und eine gewiße Gründlichkeit die Ihnen denke ich Freude machen wird – und unverständlich, um auf die alte Klage zurükzukommen hat sie bis jezt wenigstens noch niemand gefunden. – Ich weiß nicht ob unsere Freundin ihre *3845. Erschlossen aus Brief 3852, Z. 1–5 von Ende April 1813. Zum Datum vgl. den Brief von Charlotte Schleiermacher vom 9. 8. 1813, SN 375/13, Bl. 8 f. – Mit einer Geldsendung. *3846.

Erschlossen aus Brief 3877, Z. 3 f. an Henriette Schleiermacher.

*3847.

Erschlossen aus Brief 3873, Z. 106–108 und Brief 3877, Z. 3 f.

3848. Überlieferung: H: GStA, Fürstliches Hausarchiv Dohna, 2160; D: Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna, S. 49–51 2 unser] korr. aus unserer

356

Briefe 3848–3849

Marotte wirklich so weit treiben wird als die gedroht hat, nemlich Ihnen die Predigt ohne einen Brief | von sich zu schicken weil sie Ihnen nicht eher wieder schreiben wollte bis Sie ihr geschrieben haben. Aber warum schreiben Sie ihr auch nicht Einmal liebster Graf? etwas grausam muß ich es finden. Theils ist doch wirklich die Gefahr jezt wol nicht mehr so groß, und theils kann doch auch ein Brief der mit Rüksicht auf das Aufmachen geschrieben wäre viel besser sein als gar keiner. Wir wohnen jezt in dem Häuschen hinter dem Becherschen Garten wo Herz auch ein Jahr gewohnt hat. Diese Unternehmung scheint zwar den Zeiten gar nicht angemessen da ich wenigstens 1200 r weniger einnehme als sonst. Meine Frau hat aber die Wohnung zum Glük schon im Herbst gemiethet, wo man noch keine Ursache hatte so schöne Sorgen zu erwarten. Unsere Freundin wird sich, da wir sie leider des Raumes wegen nicht ganz bei uns können wohnen lassen wol wieder zwischen Laube und Prenzlow theilen, was eigentlich eine sehr dürftige Existenz ist. Ich werde da Collegia wahrscheinlich gar nich zu Stande kommen litterarisch so fleißig und dabei so häuslich genießend sein als möglich, da mir nichts andres vergönnt | zu sein scheint. In Königsberg hat sich wie mir Nicolovius sagte allgemein das Gerücht verbreitet ich sei in die Landwehr gegangen. Wahrscheinlich ist dies nur daraus entstanden daß ich mit exercirt habe. Allein so wenig mir dies eingefallen ist so gestehe ich Ihnen daß ich höchst ungern in der gemeinen Sache ganz unthätig bin. Ich habe zuerst Scharnhorst im Allgemeinen geschrieben daß er über mich disponiren könne, hernach habe ich ihm noch besonders vorgeschlagen: ich wollte gern als Feldprediger mitgehn (da noch kein reformirter bei der Armee ist) wenn ich nur noch irgend etwas nebenbei könnte zu thun haben; aber auf beides habe ich keine Antwort erhalten und bin also zu jener Ruhe verwiesen. Sagen Sie mir doch gelegentlich wie Ihre herrlichen Geschäfte gehen. Bei uns geht es leider mit der Landwehr nicht sonderlich, und es thut Noth daß wir bald das gute Beispiel womit Sie uns vorangegangen sind mit Augen sehen. Die Berliner wird gewiß die schlechteste sein das ist aber auch natürlich. Nur zweierlei finde ich dabei auffallend, daß sich fast nur Menschen aus den Hefen als Freiwillige gemeldet haben, und daß der Ausschuß wiewol größthenteils aus sehr gescheidten Männern zusammengesezt doch langsame unkräftige und schiefe Maaßregeln ergriffen hat. | Was wir auch aus unserer Provinz schönes hören von Bereitwilligkeit des Landsturms wissen Sie aus den Zeitungen eben so gut. Vielleicht wäre es hier sowol als in Pommern und Schlesien besser gewesen wenn 41 Noth] korr. aus noth

15

20

25

30

35

40

45

17. 4.–19. 4. 1813 50

55

60

65

357

man den Landsturm erst organisirt hätte und dann die Landwehr. Doch hintennach ist es leicht klug sein. – Ihre beiden Brüder Friz und Helvetius bedaure ich so oft ich an sie denke. Wo sind sie denn nun endlich? Graf Louis wird eine recht schöne Wirksamkeit bekommen, von Fabian habe ich seit seiner Abreise nichts gehört und weiß nicht einmal ob er bei Möckern gewesen ist. Nun Gott erhalte Ihnen denn gegeben ist ja schon beides, recht viel Gesundheit und Freudigkeit, und gedenken Sie auch bisweilen eines armen sehr wider seinen Willen unthätigen und unnüzen Freundes Die Meinigen empfehlen sich Ihnen aufs herzlichste Ganz Ihr treuer Schleiermacher. B. d. 17t. April 13 [Henriette Herz:] Mögte doch der Freund durch den Freund zur Ruhe in der Ruhe recht kräftig ermahnt werden! Der Wunsch Nachrichten von mir, mit einiger Ausführlichkeit zu haben kann nur erfüllt werden wenn ich selbst welche bekomme.

3849. Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Montag, 19. 4. 1813

5

10

Den 19ten Apprill In dieser Zeit ist es mir ein wahres Bedürfniß mich Ihnen, lieber Freund! zu nähern, ich weiß noch zu wohl was Sie mir damahls, als ich in Hamburg fast der schweren Zeit unterlag, für Trost gaben, mit Ihren Briefen, und wie mich jede Zeile derselben erquikte und aufrichtete; ist nun gleich diese Zeit sehr verschieden von Jener, so fehlt es mir doch auch jetz nicht an banger Sorge, und ein Wort von Ihnen lieber guter Schleier würde mir sehr wohltuhend sein. Ich hege das feste Vertrauen im Herzen, daß Gott mir Steffens erhalten wird, und nicht einen so trefflichen Menschen, wie Er es ist, wird untergehn lassen in dem schönen Eifer, mit dem Er von hier ging; obgleich ich so wie ich Steffens kenne, es wohl vermuhten konte daß Er nicht zurük bleiben könte, | so wie die Sachen jetz stehn, so war es mir doch schrecklich mich an den Gedanken zu gewöhnen, Ihn nun so lange 3849.

Überlieferung: H: BBAW, SN 395, Bl. 44–46.

8 daß] das

11 daß] das

44v

358

45

45v

46

Briefe 3849–3850

nicht zu sehn, und Ihn so vielen Gefahren ausgesetzt zu wissen, und ich weis noch nicht, wie ich die Trennung tragen soll, mir ist es nun so öde und todt alles um mich her, das könt Ihr lieben Freunde, Euch gewiß ganz denken, Ihr kent Steffens, und lebt selbst ein ordentliches Leben mit einander. Daß ich unseren geliebten Schleier, so ganz glücklich verheirahtet weiß, macht mir jedes mahl wenn ich daran denke, die innigste Freude, wenig Menschen verdienen es so, und wissen eine glückliche Ehe so zu erkennen wie Er; daß ich aber weder Frau noch Kinder kenne tuht mir oft sehr leid; wer weiß ob die Zeiten nach dem Kriege, nicht | so gut werden daß wir Euch einmahl besuchen können, oder Ihr uns, ach wenn wir ein Jahr weiter wären, und Steffens wäre – dann eben so gesund und voll Muth und Freudigkeit wie jetz! Er schreibt mir fleisig, bis jetz ein ordentliches Tagebuch, und immer sehr heiter, auch daß Er nie so wohl sich befunden, besonders körperlich, Geistig giebt es oft Langeweile auf den Märschen, und Er sehnt sich nach größerer Tähtigkeit. – Unsern lieben Marwitz haben wir die Zeit daß Er hier war, täglich gesehn, und Ihn nur noch lieber gewonnen, Er ist mir wie ein Bruder, und ich mögte sehr gern wissen, ob Er, wie es sein Plan war, mit Dörenberg gegangen ist, wenn Sie Ihn noch gesehn, nach seiner Zurückkunft nach Berlin, und wißen mit welchem Corps er gegangen ist, so schreiben Sie es mir doch, lieber Freund! | Sehn Sie wohl meine arme Schwester Pistor? Sie ist so sehr traurich – ach ich weis am Besten wie Ihr zu Muhte ist, wir Armen sollen Beide unsere Kinder nicht behalten, wenn uns der liebe Gott nur das lezte läst, wollen wir Ihm danken; unser Clärchen macht uns recht viele Freude, es ist in Nichts ein ausgezeichnetes Kind, aber Sie ist so gut, und sieth Steffens sprechend ähnlich, das giebt mir auch Hoffnung für Ihren Verstand. Was macht meine liebe Nanny? wie gern sähe ich Dich wieder, Du gute Nanny! Du hast Dich auch recht mit Clärchen herum geplagt wie wir zusammen wohnten, ach Nanny! wie alt bin ich seitdem geworden, Du würdest mich nicht wieder kennen, viel Kummer habe ich auch gehabt seitdem, und Du wohl nur Freuden. Raumer geth zur Landwehr, da haben Riekchen und ich uns ein paar kleine | Stuben vor dem Thor gemiehtet, wo wir mit unsern Kindern hinziehn wollen wenn die Eltern abgereist sind, die arme Sophie ist schon lange krank an der Gicht, nun geth es schon wieder besser. Daß die Schultz herkömt freut mich recht, ich habe die sanfte Frau sehr lieb, vieleicht bleibt Sie lange hier. 18 Daß] Das

21 daß] das

23 daß] das

26 daß] das

29 daß] das

49 Daß] Das

15

20

25

30

35

40

45

50

19. 4.–22. 4. 1813

55

60

359

Sein Sie nicht böse, daß ich so weitläuftig bin, Sie sehen ich behandele Sie noch als den lieben alten Freund, der Sie mir sonst waren, mögten Sie es auch jetz noch sein, guter lieber Schleier! Ein Brief von Ihnen wird mir Labsal sein. Grüßen Sie die lieben Frauen von ganzen Herzen. Ich bin heute so guten Muhtes, weil ich solchen herlichen Brief von Steffens bekommen habe. Der Himmel beschütze Ihn, Sie und uns Alle. Hanne | Wissen Sie nicht ob Marwitz eine bedeutende Rolle, bey der Affaire von Dörenberg gespielt? – Was macht der treffliche Reimer und seine Familie?

46v

3850. Von Friedrich Schlegel. Wien, Donnerstag, 22. 4. 1813 Wien, den 22ten April 1813.

5

10

15

20

Geehrter Freund, den Brief, welchen Du mir einmal im Jahre 1809 schriebst, konnte ich damals gleich nicht beantworten; unmittelbar nach dem Kriege gerieth ich in vielerley Arbeiten, ich zog mich ganz in mich selbst zurück, meine Gesundheit hatte gelitten und ich hatte eigentlich zu wenig Dingen in der Welt eine rechte Lust. Auch sah ich so viele Wolken von Misverständnissen zwischen uns, daß ich nicht grade hoffte, diese durch einen Brief zerstreuen zu können. Ich wartete immer auf eine günstigere Gelegenheit, unsre alte Verbindung wieder anzuknüpfen. Diese hat denn nun die große Zeit herbeygeführt! Früher zwar schon hatte ich mir vorgenommen Dich zur Theilnahme an dem Deutschen Museum einzuladen, besonders seitdem es nun schon so lange fortdauert, daß Du die Gesinnung und Absicht, die bey dem Ganzen zu Grunde liegt, aus der Ausführung selbst beurtheilen kannst. | Du wirst jetzt freylich zu Arbeiten dieser Art keine Muße noch Neigung haben. Indessen will ich denn doch deshalb nicht unterlassen, was ich früher schon beschlossen hatte, indem es sich ja wohl fügen kann, daß Du eins oder das andre dazu Geeignete fertig liegen hättest, und es also nur der Mühe es einzusiegeln bedürfte. Ich füge also nur noch hinzu, daß mir dieß sehr erwünscht seyn, und daß ich ganz 52 daß] das 3850. Überlieferung: H: BBAW, SN 373/5/1, Bl. 18 f.; D: Br 3, S. 426–428 (gekürzt) 20 seyn] folgt 〈würde〉

18v

360

19

19v

Briefe 3850–3851

vorzüglich philosophische Aufsätze von Dir begehren möchte, da ich schon lange der Zeit erwartend entgegen gesehn habe, wo Du einmal Deine eigenthümliche metaphysische Lehre und Ansicht vollständiger darlegen würdest. Da die verschiedenen Secten meistens schon zu ersterben anfangen, so wäre es nun grade die rechte Zeit dazu. Einzelne Aufsätze aus der Geschichte der Philosophie wären natürlich auch sehr willkommen.1 Betrachte nun dieß so, als ob ich es Dir vor 6 Monathen geschrieben hätte. Jetzt zu dem, was uns beyden und allen noch näher am Herzen liegt. Ich habe mit Freuden bey | allem dem, was wir mit so viel Begierde und Theilnahme vernahmen, auch Deinen Nahmen oft nennen hören. Ist eine Proclamation an die Sachsen, welche Dir zugeschrieben wurde, denn wirklich von Dir? – Gesinnungen und Sprache waren Deiner nicht unwerth, ich hätte dann nur die Ueberschrift zu tadeln. Warum Sachsen? Dieses Zerstückeln ist ja eben unser altes Unglück; leider sehe ich die Spuren davon noch überall wieder hervorbrechen j e t z t wo es eben darauf ankömmt, daß gar nicht mehr von Sachsen, Preußen, Hannoveranern und dergleichen die Rede sey, sondern von Deutschen. – Die Preußen zwar werden wenn auch Länder verlohren gehn als Nation nach diesem herrlichen Aufschwung unüberwunden bleiben, wenn es auch in Deutschland nur unvollkommen gelingen sollte. Gelingen kann es nur, wenn die Bewaffnung in ganz Deutschland eben so rasch u n d a l l g e m e i n geschieht, wie in Preußen. Aber dazu sehe ich noch keine hinreichende Anstalt; der Muth ist groß, die Stimmung herrlich, das sieht man wohl, aber die M a a ß r e g e l n sind zum Theil wohl noch nicht ganz die rechten, ich finde manches noch zu schwankend | und verworren, nicht entschieden und durchgreifend genug. Doch ich hoffe, es wird sich alles noch gestalten. Die Erfahrung ist die beste Lehrerin. Du wirst nun gern von hier Nachricht haben wollen aber die kann ich Dir eben darum nicht geben, weil grade dieß die Tage der Entscheidung sind. Daß Schwarzenberg in Paris sehr schlecht aufgenommen worden ist erfahren wir so eben; die ganze diplomatische Filigranarbeit bewaffnete Neutralität und Vermittlung dieses Winters, dieses saubre Kunstwerk ist mit einemmale in den Dreck gefallen! – Den Commentar drüber kann ich mir ersparen. Was unser Entschluß seyn m u ß , kann eigentlich nicht mehr zweifelhaft seyn, aber freylich kommt in einem solchen Moment viel auf die Zeit an; einmal versäumt wird sie nicht wieder eingebracht. – Wie sehr i c h gewünscht habe, in Breslau, in Berlin zu seyn, oder jetzt in Dreßden, das darf ich Dir wohl nicht

25

30

35

40

45

50

55

60

22.–27. 4. 1813

65

70

75

erst sagen. Indessen darf ich doch nicht so gradezu meinem Wunsche gemäß auf und davon gehn, ich muß mein hiesiges Verhältniß dabey berücksichtigen. Am liebsten liesse ich mich von hieraus officiell ins russische Hauptquartier mitnehmen. – Doch das ruht noch im Rathe der Götter. Mir wäre es sehr lieb wenn ich einen Brief von Dir erhielte, recht bald und ausführlich, Deine ganze Ansicht der Sache und ihres Standes. Es schien mir diese Zeit die beste und fruchtbarste eine lange unterbrochne Mittheilung wieder anzuknüpfen. Meine Frau grüßt Dich Dein Freund Friedr N B Schreibe mir aber j a n i c h t mit der Post, sondern durch Gelegenheit, oder durch die Preußische Gesandtschaft unter Couvert an Humboldt. Von Philipp haben wir aus Breslau vom 12ten April recht gute Nachricht; er geht zu dem Lützowschen Corps oder unter die sogenannten Schwarzen. N B An dem Concordat ist kein wahres Wort. 1

80

361

Aufsätze die sich auf die S a c h e , auf die Nation und das Zeitalter beziehn, würden jetzt wohl hier die Censur passiren, wie wir denn bisher manches drukken durften was anderswo nicht erlaubt worden wäre. Aber freylich hat sich das jetzt sehr geändert!

3851. An Friedrich Perthes. Berlin, Dienstag, 27. 4. 1813 Herrn Perthes / Buchhändler / in / Hamburg [Rückseite] Berlin d 27t. April 13

5

Marwiz hat uns Ihre Adresse gegeben. Ich kann aber unmöglich den Brief so trocken an Sie überschreiben ohne Sie wenigstens zu grüssen und Ihnen zu sagen wie auch unter uns allgemeine Freude gewesen ist über Hamburgs Befreiung und über das herrliche Beispiel welches beide Städte gegeben haben. Möchte es recht viel in ganz Deutschland wirken und 71 f N B … Humboldt.] am linken Rand von Bl. 19 73–75 Von … Schwarzen.] am linken Rand von Bl. 18 76 N B … Wort.] am oberen Rand von Bl. 18 77–80 Aufsätze … geändert!] mit Einfügungszeichen am linken Rand 3851. Brief.

Überlieferung: H: Staatsarchiv Hamburg, Familie Perthes, I 5b.

Mit einem

362

Briefe 3851–3852

auch die Achtung für freie Verfassungen aufs Neue beleben. Bald wird wol nun auch im Felde etwas bedeutendes begegnen. Man muß sich nur vor einer verlorenen Affaire nicht fürchten. Ich wünsche dergleichen zwar nicht grade Anfangs aber doch in der Folge denn wenn der Krieg nicht 5 wo möglich 10 Jahre dauert kann er uns nicht gründlich helfen. Doch ich will auf diesem Blatt nicht ins Plaudern hineinkommen. Herzliche Grüße an Luise Reichardt Schleiermacher

10

15

Den Brief lassen Sie Sich recht empfohlen sein.

3852. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Ende April 1813

15v

16

16v

So erfreulich mir es war wieder einige Zeilen von Dir mein Lieber zu erhalten – erfülte mich der Inhalt mit einer Wehmuth, die ich nicht verscheuchen kann – so oft ich daran denke laß mich frey von der Seele herunter sprechen. Dein Anbieten als FeldPrediger mitzugehen hat mich tief erschüttert – noch schwebt mir die Angst vor Augen die ich im Bayrischen Erbfolge Kriege – mit der Mutter getheilt habe – Gott! bey deiner schwächlichen Constitution und Vater von so kleinen Kindern | steigen mancherley Sorgen in mir auf bei dem ohnehin seltnen schreiben müste ich freilich in beständiger Angst leben – meine Hofnung ist diese daß bei deinen dir von Gott gegebnen Talenten mann Dir mancherley Wirkungskreise anweisen wird – die Du wohl von selbst ausfinden würdest – ehe mann Dich mit ins Feld ziehen läst – o – Gott weiß es daß mich die wehmütigen Gedanken in alle Versamlungen der heiligen Woche verfolgten | und im hohen Priesterlichen Gebet die Worte – Seid getrost ich habe die Welt überwunden – und – Was Ihr bitten werdet in meinem Nahmen ein köstlicher Trost auch in dieser Hinsicht waren – daß du mein Inigstgeliebter hierüber weder lächeln noch zürnen am allerwenigsten mich m i ß v e r s t e h e n werdest – hoffe ich von ganzer Seele – wie mir deucht daß d i s in Rüksicht meines Besuchs bey Euch geschehen – mit welchem es nie | etwas werden kann – bis alles glüklich erreicht ist – wozu Viele 3852. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/28, Bl. 15–18; SN 375/13, Bl. 7. Bei dem getrennt auf einem Blatt überlieferten Predigtauszug handelt es sich wohl um den erwähnten „Psalm“, mit dem Charlotte Schleiermacher an den Geburtstag des verstorbenen Vaters am 5.5. erinnern will. Charlotte Schleiermachers Brief vom 9. 8. 1813, SN 375/13, Bl. 8 f. erwähnt noch eine Anlage an Anne (Nanny) Schleiermacher. 20 nie] wie

5

10

15

20

Ende April 1813

25

30

35

40

45

50

55

363

1000 zu einem schönen Ganzen – sich vereinen – bis alles klar ist – wie ich in meinem lezten sagte. Von Hier reist Niemand – auch wiederhole ich es mein Theurer daß ich bey aller Sehnsucht – gern warte – bis Du selbst mich holen kanst – Durch deine freundliche Einladung und Ermahnung im Januar – wurde ich zum erstenmahl recht lebendig dazu aufgeregt – im Monat Merz – war | ich so leidend, daß ich mir Vorwürfe machte – mir meine trüben Tage durch kein liebes Bild von Eurem Leben von Euren Kindern versüßen zu könen – da ich durch dergleichen immer schwächer werde – war es mir doppelt schmerzlich wenn ich an den künftigen vielleicht noch beschwerlichern Winter dachte – ohne eine süße Erinerung zu haben –! Komm – und soll es auch vielleicht nicht sein – so werde ich mich darin finden – aber eine schmerzhaftere Entbehrung als manche Andre wird d i e s e mir sein! – | Zur Last fallen will ich durch meinen dortigen Auffenthalt nicht auch würde ich mir die dazu nötige Weisheit kindlich von Gott erbitten doch ich hoffe – daß hievon auch nicht die Rede ist! Von der Predigt die jezt gedrukt wird – habe ich schon durch Andre die hieher schreiben gehört – so bald ich sie angezeigt finde laße ich sie kommen – gewiß mein Guter habe ich mehr Sinn dafür als Du wohl glauben magst. Kregor hat H i e r das äußere abgerechnet | alles gethan, was man, nur erwarten konte –! Durch inliegenden Psalm der wie mir deucht sehr gut zusammengesezt ist und bey aller Einfachheit einen zwekmäßigen ideen Gang hat glaube ich Dir eine eigne Freude zu machen – dieses war der lezte Genuß für mich – bald nachher bekam ich so heftiges Gichtreißen eine schmerzhafte Geschwulst im Gesichte – und so heftigen Frost daß ich die FeyerTage mehrentheils im Bett | versteht sich in Flanell ganz eingehüllt verbringen muste – wieder eine Erleichterung durch deine Güte – an welche ich gewiß jedesmahl denke ehe ich meine Augen zuschließe – Der Anblik der abermaligen liebevollen Unterstüzung versezte mich in stumme Wehmuth – O – Gott –! wie süß wie wohlthätig muß dis Gefühl sein – so viel – zur wahren Existenz einer kränklichen Schwester beizutragen – wüsten es unsre Vollendeten – wie würden sie dafür Dich segnen! Doch – Er ist gewiß auch s o mit Dir. Sey innig umarmt von Lotten. ich darf noch hinzufügen daß ich jezt sehr an Deinen Besuch 1802 denke – Wie froh waren wir da. 57 f ich … da.] am linken Rand von Bl. 17

17

17v

18

18v

364

Brief 3852–3853

Du erhältst dises noch vor dem 5ten May – hofentlich wirst du auch an den seeligen Vater denken. | 7

7v

[Vielleicht von anderer Hand:] Mein Geist er liegt beinahe vor Wonne Gefühl bey dem Gedanken du stehst auf diesem Erdenrunde auf der Stufe deines irdischen Daseins, auf die dich Gott gestellt hat – wo um dich her so viel räthselhaftes – seltsames – befremdendes die Gottheit und Menschheit entehrendes geschieht – Du stehst so unvollkommen Du selbst noch bist dennoch in Verbindung in Herzensgemeinschaft mit allen Männern Gottes die theils schon den Auserwählten Gottes zugesellt worden – die theils noch im Thale des Kampfes wallen sich aufopfernd für die Sache d e s Herrn, der sich auch für sie aufgeopfert – sie geliebet, ehe sie ihn kannten; Du wirst in Verbindung treten mit den Heiligen der kommenden Geschlechter die nichts anders kennen und sich rühmen wollen als Jesus und die Liebe die Demuth die Er nur allein in der Reinheit und Vollkommenheit kennen lehren und ausüben konnte: Wozu beseelt und entflammt nicht der Glaube an eine solche Gemeinschaft! wird einem da wohl ein Opfer zu schwer eine Verleugnung zu groß? Beym Bewußtsein der uns umgebenden edlen Brüder die alle mit Paulo kämpfen, ringen den guten Kampf des Glaubens – denen beigelegt ist die Krone der Gerechtigkeit die ergriffen haben das ewige Leben! dies Gefühl eines solchen Vereins steht jeden Morgen mit mir auf es erhöhet mir den Glanz der Sonne es vergrößert die zahllosen Reitze der Schöpfungen Gottes – es vereinigt meine Erdenfreuden, es ist aber auch der Ruhepunkt wenn es dunkel um mich her wird wenn der oft müde Pilger neue schwere Leidenswege wandern und dem Herrn sein Kreuz nachtragen muß. Doch! war nicht von jeher die Leidens-Schule der | Weg zur Vollkommenheit – muste nicht Christus unser Vorgänger alles Leiden was von ihm geschrieben um einzugehen in seine Herrlichkeit! Klagen möchte ich erheben über den beinahe allgemeinen Mangel an lebendigem thätigem Christenthum, wenn ich mich nicht mit dem Gedanken beruhigte: Ist es denn deine Sache das Werk des Herrn auszuführen das du nur pflanzen und begieszen sollst! Es ist der Herr – der sich die Stunde seiner Allmacht vorbehalten hat. Kann der kurzsichtige Sterbliche dem zu seiner Demüthigung nur selten vergönnt ist den guten Erfolg seines Wirkens zu erblicken die Summe der geheimen guten Gedanken Gefühle und Entschließungen berechnen – die öfters erst Kraft und Leben erhalten – wenn der Saame schon längst im Herrn entschlafen ist – Säte nicht Jesus in der traurigsten 59 f Du … denken] am linken Rand von Bl. 15

73 beseelt] besellt

60

65

70

75

80

85

90

95

Ende April–1. 5. 1813

100

105

365

Lage in der Er seine Zeitgenossen im politischen und moralischen fand auch Hoffnung hin! Wie reich war seit 1800 Jahr seine Erndte! Wirft man endlich einen Blick auf seine geistlichen Mängel und Gebrechen wie viel wie oft solten wir Schlangen-Klugheit und Tauben-Einfalt besitzen – durch Selbstwirken nichts zu verderben. Beschämt und tiefgerührt – blikke ich dann um mich her und staune über das viele Gute das ich finde – das der Allerbarmer durch mich noch nicht verderben ließ. [Charlotte Schleiermacher:] Dieser Auszug eines Briefes an die PredigerConferenz den ich schon vor mehreren Wochen im Andenken an unsern selgen Vater – an Wedeke – und an Dich mit ganz eigner Rührung angehört – folgt hiebey – schön abgeschrieben für Dich! ich besize noch mehrere schöne Stellen – wenn Dir damit gedient zeige es nur an Deiner Lotte

3853. Von Christoph Ludwig Hochwächter. Milzow, Sonnabend, 1. 5. 1813 Millzow d 1t May 1813.

5

10

15

Lieber Schwager! Sie erhalten hiebey die verlangte Vollmacht so wie die Quitung von dem Herrn RegimentsQuartiermeister Kolbe; ich hoffe und wünsche daß dises zur baldigen Beendigung diser Sache etwaß beitragen wird; aufrichtig gesagt so glaube ich es eben nicht denn mir scheint es als fehle der g u t e W i l l e den Zahlern. Wier leben hier jezt in sehr unruhigen, krigerischen, und doch zugleich friedlichen Zeiten; täglich kommen | Truppen aus Schweden an und gehen auch wider welche nach Meklenburg ab; – auch mein Sohn Carl ist; obgleich noch keine 17 Jahr; unter die Verteidiger des Vaterlandes getreten. Ich kann mich aber noch immer der Furcht nicht erwehren, daß alle dise unsere Anstallten zu spät kommen und wier doch noch wider unter das Französische Joch geraten; Wenigstens hatte man Gestern in Stralsund sehr unangenehme Nachrichten, welche dise meine Furcht gantz zu rechtfertigen scheinen. 3853. Überlieferung: H: BBAW, SN 304, Bl. 1 f. Quittung. 4 daß] das

Mit einer Vollmacht und einer

1v

366 2

2v

Briefe 3853–3856

Es hatt nemlich Dännemark | an Schweden den Krieg erkläret und die Franzosen sollen schon wider die Stadt Harburg besetzt haben; ist dieses wahr so Gnade uns Gott! Am 5ten dises erwarten wir unsern Kronprintzen; – ich wolte er wäre nur erst hier denn alsdan glaube ich doch daß etwaß mehr Leben und Regsamkeit in unsere guten, Braven Schweden kommen mögte. Viele hertzliche Grüße von uns Alle; Leben Sie recht wohl und sein versichert daß ich mit Hochachtung bin Ihr Freund Hochwächter | Zuerst bei Göschen erfuhren wir, daß Bülow seiner Frau, die dort im Hause wohnt, eine Stafette geschickt habe, „sie solle nicht abreissen, sondern ruhig bleiben.“ Dann bei Hoffmann’s „dass Prinzessin Wilhelm noch hier sey auch noch nicht eingepackt habe –[“] Küster ist noch nicht angekommen.

*3854. Von Alexander von der Marwitz. Vor dem 13. 5. 1813

*3855. An Karl Friedrich von Beyme. Berlin, Donnerstag, 13. 5. 1813 oder früher

3856. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 13. 5. 1813 Berlin d 13t. May 13. Liebste Lotte diesen Morgen sind sie Alle fortgereiset, Frau, Kinder, Schwester und Christelchen. Pferde haben sie nur bis Frankfurt und mei22 daß] das *3854.

Erschlossen aus Brief 3858, Z. 101–106.

*3855.

Erschlossen aus Brief 3857, Z. 3–8 und Brief 3860, Z. 1 f.

3856. Überlieferung: H: BBAW, SN 753/1, Bl. 59 f.; D1: Lettow Vorbeck: Zur Geschichte des Preussischen Correspondenten 1, S. 135 f. (Zitat); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 154 f. (gekürzt)

20

25

30

1. 5.–13. 5. 1813

5

10

15

20

25

30

35

40

367

ne Sorge ist ob sie von dort werden weiter können. Gott weiß durch welche – nicht Verluste denn es ist eigentlich gar nicht geschlagen worden seit dem 2ten – sondern Armeebewegungen oder andere Ereignisse Berlin in einiger Gefahr sein soll. Ich habe es daher besser gehalten sie fortzuschiken da es ging. Schon Sonntag waren die Pferde bestellt; aber die bedenklichen Gerüchte verloren sich und so bestellten wir wieder ab, und haben uns noch ein paar Tage unseres sehr schönen Lebens gefreut, bis sich die Besorgnisse Gestern wieder sehr stark erneuerten und wir zum Glük einen Fuhrmann auftreiben konnten. Meine erste Bitte ist nun liebste Schwester daß du dich nicht ängstigst um Christianen; wo Jette bleiben und die Kinder da | bleibt sie auch. Was ich irgend konnte an Geld habe ich ihnen mitgegeben und ich denke ehe das aufgezehrt ist haben sich die Sachen wieder anders gewendet. Sie sieht dabei Schlesiens schönsten Winkel, denn sie gehen natürlich zu unserem Bruder nach Schmiedeberg und wird bei diesem mit allen den Meinigen die herzlichste Freundlichkeit finden, die zwar alles ist was mein Bruder zu geben hat, aber deshalb eben recht viel. – Es war freilich ein trauriger Abschied, und das Herz will mir immer aufs neue brechen wenn ich bedenke wie das liebe Weib von mir getrennt ist. Mit dem inbrünstigsten Gebet und mit dem Gefühl der innigsten Liebe haben wir einander in Gottes Hand gegeben und so schieden wir. Gott sei Dank, ist alles gesund, außer Liesbeth hat ein Paar Tage gefiebert, was aber wol nur von Zähnen herrührte. Meine zweite Bitte ist nun daß Ihr Euch nicht ängstigen laßt durch Gerüchte die sich so ungeheuer wälzen sowol was das Ganze als was einzelne Menschen betrift. – Sachverständige | erwarten nicht daß bei dem Stande der Armeen die Franzosen etwas großes gegen Berlin unternehmen, und Kleines denken wir uns abzuhalten. Wir haben einen der ausgezeichnetsten Officiere an der Spize des hiesigen Vertheidigungswesens, und wenn Alle mit solcher Besonnenheit und Entschlossenheit ihre Schuldigkeit thun so muß es wol gut gehn. Ich bin nun auch beim Landsturm, und zwar Director der Schuzdeputation meines Bezirkes, und richte alle meine Thätigkeit hierauf. Gott gebe recht viel Segen dazu. Es kann wenn es gedeiht sehr viel herrliches daraus hervorgehn. Was die Decke betrift liebste, so muß das wol unterbleiben, und wir wollen recht froh sein wenn wir nächsten Winter auch ohne Fußdekke in unserm kleinen Häuschen wieder herumgehn. Wenn auch die Verwirrung des gegenwärtigen Augenblikkes glüklich übergeht so verliere ich durch Abzüge und durch die Entvölkerung der Universität doch immer an 1200 Thaler in diesem Jahr. 17 unserem] korr. aus meinem

59v

60

368

60v

Briefe 3856–3858

Wie lange liebste Lotte habe ich Dir nicht geschrieben! Schreibe es nicht allein den Geschäften zu. Ach nein! es hing eine gar trübe Wolke über dem Leben und ich hatt während dieser | Zeit gar keine Stimmung Briefe zu schreiben und am wenigsten Dir. Seit einigen Wochen nun hatte ich wieder die größte Lust dazu, da konnte ich aber nicht wegen gehäufter Geschäfte. Die Posttage liegen auch zu unglüklich. Der eine ist der Sonntag, der andere unser Sessionstag da muß es schon besonders gut gehn um zum Schreiben zu gehn. Grüße doch Alles, besonders auch Luisen der ich gar zu gern auch schreibe; aber ich will den Posttag nicht versäumen. Unsere große Jette ist schon am Sonntag mit ihrer Mutter nach Breslau gereist. Sie hatte nun den bestimmten Grund dorthin daß ihre Mutter unter Juden leben und sterben muß; von uns konntest Du freilich fragen warum wir nicht lieber nach Rügen gegangen wären. Aber sieh erstlich ist von Rügen hernach im Fall eines großen Unglüks kein anderes Flüchten als über die See und das haß’ ich über die Maaßen, und schon in Rügen wäre ich leicht ganz von ihnen abgeschnitten worden, weil unser Rükzug doch natürlich nach Schlesien ginge wo ich mich also am leichtesten mit ihnen vereinigen kann. – Nun Gott gebe daß alles nicht nöthig ist und ich sie bald kann zurükkommen lassen. Gott schüze uns Alle. Gedenke an mich Armen Verwaisten in Liebe. Dein Ernst

45

50

55

60

3857. An Hermann von Boyen. Berlin, Donnerstag, 13. 5. 1813 Des / Königl Obersten p Herrn von Boien / Hochwohlgebohren / hieselbst. [Rückseite] Indem ich so frei bin Ewr Hochwohlgebohren inliegenden Brief zur gütigen gelegentlichen Besorgung zu empfehlen nehme ich mir die noch größere Freiheit Ihnen zu bemerken zu geben daß das gänzliche Stillschweigen des Gouvernements über den Stand der Armeen und über die Lage der Dinge auf das Publicum den allernachtheiligsten Eindruk macht. Es ist ganz die allgemeine Stimme daß es Jedem erhebender wäre und 3857. Überlieferung: H: Landesarchiv Berlin, Archiv, F Rep. 241, Acc. 452,1. Mit Brief *3855 als Einlage, wohl an Karl Friedrich von Beyme als Zivilgouverneur von Berlin (vgl. Boyens Brief 3860, Z. 1 f. vom 14.5.). – Beantwortungsvermerk: „Beantwort. den 14t. Mai 13. Obr. v B.“ Zur Datierung auf den Mai vgl. die Anmerkung zu Brief 3860 vom 14. 5. 1813.

5

13. 5. 1813

10

15

20

369

lieber auch das unangenehme zu wissen als aus gänzlicher Unkenntniß ohne Maaß zwischen den entgegengeseztesten Ansichten zu schwanken. Ich gestehe, es scheint mir ein Widerspruch, auf der einen Seite von den Bürgern die uneingeschränkteste Theilnahme zu fordern, auf der andern sie in gänzlicher Unwissenheit zu lassen. Was komme, es kommt völlig unerwartet und findet sie also auch völlig ungefaßt. Wer handeln soll, will auch von seinen Angelegenheiten wissen. Die Entfernung so vieler bedeutender Individuen macht mißmuthig; dieses gänzliche Stillschweigen stumpft ab, eine schlimmere Vereinigung läßt sich nicht denken. Verzeihen Ewr Hochwohlgebohren meine Freimüthigkeit; sie ist wenigstens sehr gut gemeint. Schleiermacher Kanonierstraße No. 4. 13t. Abends

3858. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 13.5. bis Sonnabend, 15. 5. 1813 Donnerstag 13t. Abends.

5

10

15

Ich war froh als ich von Göschens zurükkam daß ich Euch nicht mehr fand, und ich erschrack daß ich froh war. Aber ich hatte nicht Zeit mich zu besinnen. Die Deputation war schon versammelt, es war von oben her eine Kränkung unserer Autorität vorgefallen. Süvern war außer sich, er wollte seine Hauptmannstelle niederlegen, ich hatte zu thun ihn zu beschwichtigen (herzlich wird er doch auch in diesen Angelegenheiten nicht) und mußte hernach auf den Ausschuß laufen um die Sache in Ordnung zu bringen. – Dann war Pischon ein bischen da und Dreist ein Bischen. Dann schrieb ich an Lotte Kathen. Dann aß ich ohne silberne Löffel, ohne Pfeffer und Salz, bezahlte Madame Pasenow die Fuhre und noch andere Fuhren; dann wieder Landsturmsgeschäfte. – Session ist nicht gewesen. Nicolovius begegnete mir auf der Straße und bestätigte mir die Auflösung des Departements. Schukmann ist schon nach Schlesien um es dort zu repräsentieren. Nicolovius geht Morgen nach Pommern oder Preußen zu demselben Behuf. Ob hieraus folgt daß man die | Provinz zwischen Elbe und Oder schon ganz als Landsturmsfähig 16 Stillschweigen] korr. aus Stillschweigung 3858. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 1–4; D1: Br 2, S. 272–276 (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 155–158 (Ergänzungen zu D1, gekürzt)

1v

370

2

v

2

Brief 3858

ansieht weiß ich nicht, wie ich überhaupt nichts weiß, denn mann sagt nichts. – Zwischen allem diesem habe ich tausendfältig an Dich gedacht, liebstes einziges Weib, an unsern Abschied an unsre Trennung in ihren mancherlei möglichen Gestalten. Gegen Sieben Uhr konnte ich endlich herausgehn um mich zu besinnen. Auf der Chausse´e kamen mir Solgers nach um sich mir als junge Eheleute vorzustellen; sie gingen mit hinein, und wir hatten einige heitere und herzliche Augenblike. Durch den Garten begleitete ich sie nicht, weil ich eilen mußte, mir einen kleinen Anfall durch die Flasche zu vertreiben, was auch sehr gut gelang. Ich gerieth aber dabei in einen dumpfen Mittelzustand zwischen Schlaf und Wachen, bis der späte Thee mich herausriß. Ich las etwas in Deinem Lavater, manches sprach mich sehr an, manches stärkte mich; einen Abschnitt An einen Wittwer überschlug ich gradezu. – Ich habe mir eben betten lassen habe einige Zeilen an Boien geschrieben und dieses, und will nun schlafen gehn. Ob ihr glüklich bis Frankfurt gekommen seid woran ich selbst zweifle? ob ihr dort noch | etwas habt thun können? wer mir das sagen könnte! Liebste Jette wie soll ich Dich entbehren und die lieben Kinder? und die süße Gewohnheit für Euch zu sorgen, und alles mit Euch zu theilen! Statt der lieben Gegenwart nun lauter unsichere schwankende Bilder von Euch. O liebste Jette nur das schöne Bewußtsein unseres ganz gereinigten ganz verklärten Lebens kann mich halten. – Uebrigens habe ich schon recht schlechte Augenblike gehabt. Das Geschäft, das ich dabei doch mit möglichster Treue verrichtete ekelt mich schon manchmal an, nicht als ob viel Unannehmlichkeiten unmittelbar bei uns vorkämen, sondern weil mir scheint, es wird nicht sonderlich geführt von oben und wird wenig Resultate geben, ohnerachtet wirklich schöne und kräftige Elemente in der Masse sind. Du siehst ich bedarf gar sehr des Gebetes für mich, das ich dir so besonders empfohlen habe. – Das Licht will bald ausgehn, Zeit wäre es auch mich zu Bette zu legen, Nachtigallen und Mücken haben bis jezt um mich gewetteifert. Gute Nacht mein liebstes Weib! In welcher Unruhe magst Du wie unsanft gelagert sein! Möchte wenigstens der Traum mit seiner holden Zauberkraft uns vereinigen. Freitag Abend. Es hat mir aber leider gar nichts geträumt. Den Nachtigallen und Mücken haben in der Nacht die Wanzen nachgeeifert. | Davon hatte ich daß ich zeitig aufwachte aber doch später aufstand als recht war, so daß ich mich sehr zersputen mußte um zur rechten Zeit ins Collegium zu kommen. Was für ein verworrener abgetriebener und doch fast leerer Tag! Auf dem Rükweg aus dem Collegio hörte ich einige gute Nachrichten so daß ich fast bereute daß ihr gereist wäret aber ich dachte

20

25

30

35

40

45

50

55

13. 5.–14. 5. 1813

60

65

70

75

80

85

90

371

wie mancher Augenblik kommen würde, wo ich mich wieder herzlich darüber freuen würde, und der ist mir auch nicht ausgeblieben weil Pistor heute Abend schon wieder üble Nachrichten hatte; der sieht aber alles übel! – Die ganze Geschichte mit Torgau soll falsch sein; der Kronprinz von Schweden ist wirklich angekommen, die Engländer wollen mit den Spaniern in Frankreich einfallen 160000 Mann stark. Das sind die auf die Länge und für das Ganze sehr günstigen Nachrichten, wie auch daß die Dänen Hamburg mit vertheidigen helfen so daß der alberne Streit wirklich ausgeglichen zu sein scheint. Dagegen sollen die Franzosen wirklich irgendwo zwischen Wittenberg und Torgau über die Elbe gegangen sein um auf hier zu marschiren, aber niemand weiß wo und wie stark. Bonaparte selbst soll bei Pirna übergehn um der combinirten Armee eine neue Schlacht anzubieten aber man vermuthet sie werde sie noch nicht annehmen sondern sich noch weiter zurükziehn bis in ein Land wo – nicht Milch und Honig fließt sondern Landsturm. Der König hat selbst den Befehl gegeben daß im Nothfall Berlin soll vertheidigt werden, und nun fängt man an zu schanzen vor allen Thoren längs dem Schaafgraben vom Cöpeniker bis Potsdammer. Prinzeß Wilhelm ist noch hier. – Da hast Du die Neuigkeiten gleich auf einmal. – Nach dem Collegio sollte | eine Conferenz der SchutzDeputation bei mir sein, die Leute ließen mich aber fast eine Stunde warten und so war ich froh daß ich die Kirchenrechnung noch zu machen hatte. Ich aß bald nach Zwölf, und schrieb zwischen Suppe und Gemüse, und Kaffee an der Kirchenrechnung. Du weißt was für eine Wuth ich auf so etwas bekommen kann wenn ich einmal anfange. Von 2–5 war Landsturm dann ging ich etwas mit Marheineke unter den Linden der mir erzählte daß er Boeckh Rühs und Buttmann bei einander herum äßen. Vielleicht thue ich es auch um nicht in alle Greul des Alleinessens zu verfallen. Um 6 war Presbyterium bei mir und eben als es angehn sollte bekam ich den Auftrag eine Einsegnungsrede zu halten im Hofe des Universitätsgebäudes für das Bataillon Landwehr das Morgen früh marschiren soll. Es ist das wobei auch Reimer steht. Ich mußte mich also sobald die Conferenz aus war in meinen Talar werfen, und mich dort umsumsen lassen bis Acht ehe es zur Vereidigung und Rede kam. Wie freue ich mich Morgen auf den ruhigen Vormittag ich will erst gegen Mittag zur Stadt und bei Reimer essen, der Morgen noch hier | bleibt. Ich las bei Suppe und Thee wieder etwas im Lavater, warum ich Dir aber nun den ganzen verbuschelten Tag beschrieben habe weiß ich nicht. Den Deinen denke ich mir auch gar nicht erfreulich; mir ahndet daß Ihr heute nur 66 Torgau] folgt 〈auf〉

94 ich mir] mir korr. aus Dir

3

3v

372

4

4v

Briefe 3858–3859

zwischen Frankfurt und Ziebingen herum kröpelt. O Du ärmste! Du kommst mir ungeheuer verlassen vor! Wenn Dir nur wenigstens alle Kinder gesund sind, und die Unannehmlichkeiten nicht zu abscheulich. – Vielleicht Morgen wird doch der Kutscher zurük kommen und ich etwas von Dir hören. Nur des schönen Wetters freue ich mich deinetwegen. Heut Vormittag war ein herrliches kleines Gewitter mit köstlichem Regen und hernach das schönste Wetter. Morgen will ich Briefe schreiben auch an den Jüngling. Du hast seinen Brief an mich bei Dir? Nun den Inhalt weiß ich doch, und will ihm recht herzlich schreiben; aber was er von dir verloren hat wenn jener Brief nicht ankommt das kann ich ihm freilich nicht ersezen. Doch scheint mir eine Art Verhängniß darin zu sein wegen der ÐgelauschtenÑ Ahndung. Meine doppelte Haushaltung hat mancherlei unbequemes, und die Leute wissen sich nicht recht einzurichten mit drinne sein und draußen. Gewöhnlich wo ich bin ist nur Eine, und am andern Ort zwei. Aber ich kann doch die schönen Abend und Morgenstunden nicht aufgeben. | Liebes Herz möchtest Du mir nur soviel schreiben als Dir der Reisetumult irgend gestattet und dich ja nicht scheuen wenn Du dir zu dumpf vorkommst. Darum gebe ich Dir so ein herrliches Beispiel von schlechten Briefen. – Boien habe ich nun berichtet (denn du weißt doch dergleichen alles gern) wie sehr nachtheilig es auf das Publicum wirkt daß man ihm gar nichts sagt über den Stand der Armeen. Leider wird es wol schwerlich etwas helfen weil sich Niemand die Geschiklichkeit fühlt etwas nicht sehr ermuthigendes doch auf eine gute Art zu sagen. Nähmen sie mich doch dazu! Uebrigens liebstes Herz ist es von sehr vortheilhaftem Einfluß auf meine Stimmung daß ich weiß der König selbst hat die Vertheidigung von Berlin befohlen. Gute Nacht, mein Herz. Reimer will Morgen früh wenn er das Bataillon herausführt etwas herankommen. Das wird um 5 Uhr sein und also muß ich schon schlafen gehn. Liebe! könnte ich Dich doch zur guten Nacht nur einmal ansehn wie ich Dich so gern ansah in dieser schönen lezten Zeit. Gott sei mit Dir. S o n n a b e n d . Ich stand schon um halb fünf Uhr auf um Reimer nicht zu versäumen; aber er kam erst nach Sechse und konnte gar nicht lange bleiben. Ich las nachdem er weg war noch im Lavater, schrieb dann an Alexander und habe seitdem ein Pak Journale durchlaufen. Ihr Aermsten nun ist nach einem sehr schönen Morgen unangenehmes windiges Regenwetter eingetreten; das trift Euch nun gewiß auf ofnem Wagen. O wäret ihr nur erst | wenigstens in Bunzlau! Ich begleite euch vorzüglich mit der 97 Unannehmlichkeiten] korr. aus kl

95

100

105

110

115

120

125

130

13. 5.–14. 5. 1813

135

140

145

150

373

Sorge um viel Langeweile und kleine Plakereien. Küsse mir doch die Kinder herzlich und erinnere die beiden großen fleißig an meine Ermahnung daß sie Dich nicht unnüz quälen sollen. Auch ist mir bange ihr könntet bei Bunzlau schon in retirirende Bagagen der Armee gerathen. Laß dich das nicht bange machen, es braucht deshalb nichts nachtheiliges geschehen zu sein; auch wird die Gebirgsstraße euch gleich wieder von ihnen entfernen. Nun Gott befohlen, Rausch will die Briefe Mittags holen, also muß ich abbrechen. Mögest Du von keinen schweren traurigen Ahndungen geplagt werden mein liebes süßes Weib. Noch ist troz aller Anstalten gar keine nähere Aussicht daß es hier zu etwas kommt. Es scheint vielmehr daß die Franzosen nicht Lust haben jezt auf dieser Seite vorzugehn, denn nach Briefen aus Halle vom 11ten waren dort noch keine Franzosen ohnerachtet auch keine Preußen da waren, und General Thümen stand am 10ten ganz unbeunruhigt in Dessau. Verlaß dich drauf mein Herz daß ich Dich nie täusche, und daß ich sobald Aussicht zu etwas ernstem entsteht es Dir nicht verschweigen werde. Dein liebes Gesicht ist mir in allen Stimmungen gegenwärtig, und sobald die wehmüthige vortritt möchte ich dir Stirn und Locken streicheln und die verhaltenen Thränen und Seufzer wegküssen. Gott nehme Dich und die süßen Kinder in seinen heiligen Schuz. Gestern habe ich nicht magnetisirt, der Landsturm ließ es nicht zu. Nun ist aber alles eingerichtet und ich werde keine Abhaltung mehr haben. Ewig und ganz Dein alter treuer.

*3859. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Donnerstag, 13.5. oder Freitag, 14. 5. 1813 Über den glücklichen Anfang der am 13.5. angetretenen Reise nach Schlesien.

*3859.

Erschlossen aus Brief 3870, Z. 2 f.

374

Briefe 3860–3865

3860. Von Hermann von Boyen. Berlin, Freitag, 14. 5. 1813

1v

2

2v

Euer Hochwürden Schreiben an Beyme werde ich bey der ersten sich darbietenden Gelegenheit besorgen. Die Unruhe welche hier mehrere im Publikum äussern, habe ich auch erfahren und muß Ihnen dabey nach meiner gewöhnlichen Offenheit sagen, daß diese zaghafte Besorgnisse mir sehr mißfallen, weil sie nur durch Gerüchte, durch keine Thatsachen motiviert sind. Die letzte Erklärung des Gouvernements giebt dem Publiko die Versichrung, daß unsere Militairischen Verhältnisse beruhigend sind, seit dieser Zeit hat sich nichts bedeutendes in unserer Lage verändert, wann und wie soll das Gouvernement also nun beruhigen? | etwa die kleine Anzahl von Menschen, die sich durch jedes einzelne FlugGerücht umstimmen lassen? Wider eine tägliche Bekantmachung des StandPunktes unserer Armeen muß ich aus mehreren nicht unwichtigen Gründen stimmen, Einmahl läßt sich nicht füglich etwaß bekant machen wo keine bedeutende Veränderungen vorgefallen sind (selbst London erhält kein Tagebuch von dem StandPunkt seiner gegen eine Landung ausgestellten Flotten) und dann ist es oft zur Einleitung zu kommenden Operationen sehr wichtig, daß kein Mensch | ausser denen die es von Amts wegen bedürfen von den verschiedenen Stellungen etwaß weiß. Nach dieser Ansicht ist für den der die Geschichte kennt in allen Feldzügen gehandelt und eine entgegen gesetzte Forderung die hier einzelne machen könten würde nur beweisen, daß Berlin seit einem halben Jahrhundert nicht in der Nähe eines Krieges Schauplatzes lag. Eine Reise die ich zur Besichtigung der zum Schutz von Berlin angeordneten Überschwemmungslinien unternehmen mußte hat mich gestern aus der Stadt | entfernt und ich konte Ihnen daher nur heute diese Zeilen mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Hochachtung darbringen. Boyen den 13t.

3860. Überlieferung: H: BBAW, SN 258, Bl. 1 f. Zur Datierung: Im Mai 1813 kam Boyen im Auftrag des preußisch-russischen Oberkommandos nach Berlin, um dort den Bau von Verteidigungsanlagen zu forcieren. Sowohl der Beantwortungsvermerk auf Schleiermachers Brief 3857 vom 13.5. als auch Boyens Bemerkung, er sei gestern noch nicht zur Beantwortung gekommen, sondern schreibe erst heute, legen eine Datierung auf den 14.5. (statt auf den in der Schlussdatierung angegebenen 13.5.) nahe. 13 Wider] Wieder

5

10

15

20

25

30

14. 5.–15. 5. 1813

375

*3861. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Crossen, um den 14. 5. 1813 Sie fahre bei Tag und bei Nacht mit der gewöhnlichen Post. Sie habe gehört, Österreich wolle der Allianz mit Preußen, Russland und Schweden doch nicht beitreten.

*3862. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Freitag, 14.5. oder Sonnabend, 15. 5. 1813

*3863. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten. Berlin, Sonnabend, 15. 5. 1813

*3864. An Alexander von der Marwitz. Berlin, Sonnabend, 15. 5. 1813 Henriette Schleiermacher sei auf dem Weg nach Schmiedeberg.

*3865. An Johanna Steffens. Vor dem 16. 5. 1813 Anne (Nanny) Schleiermacher werde nach Schlesien gehen und bei Familie Gaß wohnen. Über die Kinder. Über Alexander von der Marwitz’ Schicksale. Er (Schleiermacher) arbeite jetzt beim Preußischen Correspondenten mit. *3861.

Erschlossen aus Brief 3873, Z. 2–15.

*3862.

Erschlossen aus Brief 3870, Z. 66 f.

*3863.

Erschlossen aus Brief 3858, Z. 127 f. an Henriette Schleiermacher.

*3864. Erschlossen aus Brief 3858, Z. 127 f. und Brief 3873, Z. 108 f. Zum Inhalt vgl. Brief 3886, Z. 84–88 an Henriette Schleiermacher. *3865.

Erschlossen aus Brief 3871.

376

Briefe 3866–3870

*3866. Von Henriette Herz. Breslau, vor dem 16. 5. 1813 Sie werde wohl nicht bis Schmiedeberg kommen, aber vielleicht bis Gnadenfrei. Johanna Steffens habe sie noch nicht gesehen.

*3867. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Sonnabend, 15.5. oder Sonntag, 16. 5. 1813 Bittet um ein Empfehlungsschreiben für Stralsund, wohin sie gegebenenfalls ausweichen will.

*3868. An Friederike Israel. Berlin, Sonntag, 16. 5. 1813 Empfehlungsschreiben für die Gräfin Voß, die im Notfall von Berlin nach Stralsund ausweichen will.

*3869. An Karl Christian Wolfart. Berlin, Sonntag, 16. 5. 1813 Bittet darum, wo möglich täglich magnetisiert zu werden.

*3866.

Erschlossen aus Brief vom 20.–22. 5. 1813 an Henriette Schleiermacher.

*3867.

Erschlossen aus Brief *3867.

*3868.

Erschlossen aus Brief 3870, Z. 69–71.

*3869.

Erschlossen aus Brief 3870, Z. 42–44.

Vor dem 16. 5.–16. 5. 1813

377

3870. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 16.5. bis Dienstag, 18. 5. 1813 Sonntag d 16t. May Nachmittag

5

10

15

20

25

30

Als ich Gestern meinen Brief an Dich im Hause abgab hörte ich daß einer von Dir an mich schon eben wäre zu Reimers getragen worden. Wie ich hinlief kannst du denken, und wie er mich erfreute. Nun Herzensweib laß dir den glüklichen Anfang eine frohe Bürgschaft sein für die Fortsetzung Deiner Reise. Die ordinaire Post war mir freilich ein kleiner Schrek. Ich hoffe aber, Du wirst nicht länger drauf bleiben als nöthig ist wenn Du irgendwo mit Extrapost einen besseren Wagen bekommen kannst – Wilhelmine suchte mich bei Reimers auf, kam hernach mit mir heraus und führte viel Sohnsgespräche, wobei sie auch ziemlich deutlich auf das Verhältniß was wir zwischen ihm und Nanny vermuthen anspielte, auch zu verstehen gab daß ich wol bald einen Brief von ihm bekommen würde. Aber denke Dir heute Morgen kommt ein Mensch und fragt nach Nanny und sagt Harscher wäre hier. An mich war gar keine Bestellung dabei, ich konnte also auch den Leuten nichts sagen als sie sollten ihm nur sagen lassen Ihr wärt fort ich aber wäre hier. Sophie machte mir darauf eine confuse Erzählung, er sei gleich den Tag nach seiner Ankunft zum Gefecht gekommen und habe seinen Tornister und seine Büchse eingebüßt; er hätte gesagt er wäre gekom|men sich kuriren zu lassen; es schiene ihm aber nichts zu fehlen. Gott! wie es mich brühsiedend überlaufen hat kann ich Dir nicht sagen! Die arme Nanny! ist er gefangen worden und hat sich ramponirt oder ist auf sein Ehrenwort entlassen oder stekt eine Feigherzigkeit dahinter – was es auch sei so ist ja nun jede Hofnung daß es noch besser mit ihm wird verschwunden. Ich wollte darauf gern keinen Werth legen wenn er einen schwachen Augenblik gehabt hat – weiß ich doch noch nicht ob ich nicht auch einen haben könnte beim ersten Anblik der Schlacht, es ist wie die Seekrankheit – aber was soll mir aus ihm werden wenn er vielleicht nicht einmal mit Ehren in dieselbe Laufbahn zurükkönnte? – So eben kommen Schedens und sagen es sei nicht so, er komme nur aus Krankheit zurük. Aber für die Folgen ist es dasselbe. – Schedens haben Thee bei mir getrunken sind aber nun schon vor zehn Uhr weggegangen. Wir hatten vor dem Thee noch einen Spaziergang nach Bellevue gemacht der Fliederblüthen wegen; wir dachten Wilhelmine und Har3870. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 5–8; D1: Br 2, S. 276–278 (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 158–161 (Ergänzungen zu D1, gekürzt) 1 d 16t. May] über der Zeile 32 hatten] über 〈machten〉

5v

378

6

6v

Brief 3870

scher bei unserer Rükkunft zu finden denn sie wollten nachkommen sie sind aber gar nicht erschienen, und haben uns Gelegenheit gegeben über das ganze Verhältniß miteinander zu jammern – Er hat gesagt er wäre noch zu schwach gewesen, er wolle nun noch reiten und schwimmen lernen und Chirurgie hören und dann wolle er unter die Cavallerie | gehn, welche Aussichten! Wie mich Nanny, wenn sie sich ihm wirklich gegeben hat jammert kann ich Dir gar nicht sagen – Gestern Abend war ich mit Mine zu Schedes in den Garten gegangen bekam aber schon unterwegens einen ziemlichen Anfall der mich ein Paar Stunden gequält hat. Ich habe nun an Wolfart geschrieben um täglich magnetisirt zu werden wenn Zeit dazu bleibt. Denn nach heute eingelaufenen Nachrichten ist heute oder Morgen ein Gefecht zwischen Bülow und den über die Elbe gegangenen Franzosen zu erwarten, welches wol das nächste Schiksal von Berlin entscheiden wird. Sei aber für mich nicht bange mein Herz. Schwerlich werden die Vertheidigungsanstalten schon so weit gediehen sein daß man sich hier auf etwas einlassen kann und also wird der Landsturm wol nur aufgeboten werden um sich aus der Stadt zurükzuziehen. Das werde ich denn auch thun und werde Dir ganz sachte nachkommen. – Ich komme mir in diesem Augenblik unglaublich thöricht vor daß ich Dir dieses schreibe; denn der Brief kann nicht eher als Uebermorgen Abend abgehn und dann muß ich Dir ja gewiß schon schreiben können wie alles abgelaufen ist. Aber die Thorheit ist mir süß, es ist doch die Vorstellung als ob Du in dem Augenblik läsest wo ich schreibe, die Vernichtung der Zeit und des Raumes zwischen uns. Denke Dir daß ich eben heute Morgen wieder angefangen hatte ordentlich | an einer Predigt zu arbeiten als diese Nachricht die mir Twesten brachte mich wieder in Bewegung brachte. In der Stadt hörte ich darauf der Landsturm solle sämtlich Morgen halb Fünf auf den Templower Berg ausrüken. Denke dir meinen Schrek da ich noch keine Munition habe und nun Sonntag war. Bei unserer Deputation war indeß nichts angesezt, ich laufe also schnell auf den Ausschuß, und da war kein wahres Wort an dem Befehl. Aber Morgen will ich nun das nöthige anschaffen damit ich mich nicht schämen muß vor den Andern. Gestern Abend fand ich noch 2 Briefe von der Voss. Einen an Dich, worin sie um Empfehlungen nach Stralsund bittet; als der ab ist kommt ihre Mutter und sagt Du seist nach Schlesien und da schreibt sie noch einmal an mich desselben Inhalts. Ich habe ihr gleich heute einen Brief an Friederike geschikt, das war alles was ich thun konnte. Sie will nemlich auch wenn es schlimm gehn sollte nach Stralsund. Meine lezte Nachricht daß 60 Stadt] korr.

35

40

45

50

55

60

65

70

16. 5.–17. 5. 1813

75

80

85

90

95

100

105

379

der Kronprinz von Schweden angekommen sei, war übrigens auch noch nicht wahr, er wird noch immer täglich erwartet aber die Truppen marschiren wirklich. Eine Angst habe ich aus der gestrigen Zeitung um Euch ihr Lieben alle bekommen, daß nemlich Sagan so grausam vom Nerverfieber verheert wird. Erführst Du es nur zeitig genug um die nöthigen Vorsichtsmaaßregeln zu nehmen. Gott gebe daß sich keines von euch eine Krankheit holt das wäre schreklich. Möchtest du dich nur auch unterwegens nach der Reitpost erkundigen um mir ein Paar Zeilen zu schreiben. – Bei der heutigen Nachricht vom Aus|marsch war mir nächst der Munitionsangst ein ungeheurer Schrek daß ich vielleicht nicht mehr dazu kommen würde Dir ein Abschiedswort zuzurufen. Und wie leicht kann es doch einmal so kommen! Ich möchte es jezt gleich thun. Aber was kann ich anderes als daß ich Dich mit innigster Liebe an mein Herz drüke und Segen auf Dein Haupt häufe für das beste und schönste in meinem Leben was ich Dir verdanke, daß ich Dir mein Bild ins Herz prägen möchte mit allen seinen Flecken aber auch mit dem Gefühl wie Du es verjüngt und verschönt, wieviel Du daran gereingt hast, daß ich Dirs recht lebendig und gewiß machen möchte daß ich Dich mit mir nehme wie ich bei Dir bleibe. Ja ich fühle es daß auch ich wie ein guter Geist in Dir wohnen werde – o einziges geliebtes Weib. Ich wollte Du schliefest jezt recht sanft irgendwo, ich dächte ich müßte Dir in diesem Augenblik einen himmlischen Traum einhauchen. – Ich gehe nun zu Bett ohnerachtet ich heute bis halb Acht geschlafen habe um Morgen desto früher aufzustehn. M o n t a g A b e n d . Heute habe ich mein Haus bestellt, die Leute abgelohnt aber doch noch im Hause behalten, den Schlächter bezahlt, Pulverhorn und Feldflasche gekauft, Röders grüne Tasche zurecht machen und einpaken lassen, mein Geld in Gold umgesetzt, und mir bei Alberthal eine Assignation auf 50 r für Dich ausgemacht die ich Dir nun Morgen mit diesem Briefe noch nachschikke. Dies Geld ist theils das was für Friedes nächste Pension bestimt war, theils ist es voraus bekommenes Kirchengehalt, und wird uns | also wenn alles gut geht in der Folge fehlen doch ich brauche Dir wol große Sparsamkeit mit dem Gelde nicht erst aus solchen besonderen Gründen zu empfehlen. Meine wichtigsten Papiere Deine Briefe und die Pakete der Herz habe ich Pischon zu verwahren gegeben, der insofern es die Pflicht gestattet hier zu bleiben gedenkt. Die Wäsche und Deine Bücher sind im Keller. Nun will ich aber Morgen 105 besonderen] korr. aus G

7

7v

380

8

8v

Briefe 3870–3871

sehen ob ich nicht auch die besten Sachen von hier hineinschaffen kann, denn da zu beiden Seiten der Schafbrücke Schanzen aufgeworfen sind so würde wol im schlimmen Falle dieses liebe Häuschen nicht unberührt stehen bleiben. Wenn ich nur einen Rath wüßte wegen des Fortepiano! Diese Eile, meine liebste Jette, ist veranlaßt worden durch üble Nachrichten die sich heute früh verbreiteten. Es hieß Bülow werde von großer Uebermacht sehr gedrängt und sei auf eiligem Rükzuge, habe auch seine Frau reisen heißen. Diesen Abend sind neue beruhigendere Nachrichten von ihm eingelaufen, freilich aus Beliz d.h. sechs Meilen von hier; aber er sagt doch, er glaube, es sei für Berlin nichts zu besorgen und er denke nachdem er Verstärkungen an sich gezogen wieder vorzugehn und die Offensive zu ergreifen. Das bewegliche Völkchen ist nun auf diese Nachricht wieder oben auf, und hat sie gleich bis zu einem Siege vergrößert. Ich will mich vor der Hand nur freuen daß mir Morgen vergönnt ist noch einige Vorkehrungen mehr zu treffen – die Leute führen sich im Großen ganz leidlich auf, besondes Sophie recht ver|ständig, und so muß man denn das Kleinere schon gehen lassen – Bei der großen Armee muß auch etwas vorgefallen sein. Einer von des Staatskanzlers Räthen hat geschrieben daß als er am 14ten aus Bauzen abgereiset sei habe sich eben das Gefecht bei der Avantgarde eröfnet, und zehn Stunden Weges weit hätte er hernach den Kanonendonner gehört. Es ist nun wunderlich genug daß man bis heute Abend noch kein Resultat bekant gemacht hat. Wüßte auch nur das Militärgouvernement ein nachtheiliges: so würde doch etwas davon bekannt geworden sein. Da man nun schon soviel Beispiele von eingebildeten Kanonendonner hat will ich auch vor der Hand noch nicht daran glauben. Harscher hat sich auch heute gar nicht bei mir sehen lassen, auch keinen Versuch gemacht weder hier noch in der Stadt. Findest Du es nicht unerhört? – Die Knaben werden wol auch heute gereist sein. Ich rieth es Twesten der mich diesen Morgen fragen ließ: ich möchte sie im schlimmen Falle weder hier lassen noch sie den alsdann unvermeidlichen Strapazen aussezen. Von Euch denke ich, wenn Ihr auf der ordinären Post geblieben seid, was ich doch eigentlich nicht wünsche, daß ihr in Bunzlau ausruht und Morgen bei Zeiten ausfahrt um noch in Schmiedeberg anzukommen. Wüßte ich Dich doch mit den Kindern um Dich recht sanft schlafen. Ich habe Euch getreulich auf dem Wege begleitet, nur vor dem Gedanken an Sagan hat mich jedesmal geschaudert. Gott nehme Euch Alle in seinen besondern Schuz. – Ich will nun zu Bette gehn aber ich habe eine dunkle Ahndung als ob es nicht recht wäre und als ob die Nacht | leicht etwas losgehn könnte. Ich wünsche mir wenigstens einen leisen Schlaf, habe auch die Leute dazu ermahnt.

110

115

120

125

130

135

140

145

16. 5. 1813 150

155

160

165

170

175

381

D i e n s t a g M i t t a g Ich bin so abgelaufen liebste Jette daß ich kaum etwas schreiben kann; auch habe ich wieder etwas Magenkrampf zum erstenmal seit Sonnabend. Ich werde übrigens nun täglich so lange es ruhig bleibt bei Wolfart von ihm magnetisirt und verspreche mir davon baldige Besserung. – Heute ist unser Hochzeitstag; mir ist zwar für uns der Verlobungstag die eigentliche Feier: dein liebes Ja auf der Bank aber doch auch dieser mahnt mich besonders an den Beginn eines neuen Lebens mit Dir und an alles was wir beide darin geworden sind. Aber auch an alles was ich Dir mehr hätte sein können und sollen, und was ich Dir hätte sparen können an Leid mancher Art. Gott gebe uns noch Zeit immer reiner schöner und vollendeter zu leben, und möchten wir diesen Tag übers Jahr vereint und ganz oder großentheils den Kampf dieser Zeit hinter uns habend feiern. Die Assignation habe ich leider nicht erhalten und nun ist es zu spät für heute andere Anstalten zu treffen. Ist es Morgen noch ruhig so schaffe ich eine oder lege das Geld baar in den Koffer. Diesen Brief aber will ich nicht zurükhalten. Grüße Alle umarme die Kinder aufs zärtlichste. Das Töpfchen haben Wilhelmine und Karoline eigenhändig begossen und das Kännchen habe ich einmal von einem Hunde errettet. Das Fortepiano will Kisting zu sich nehmen sobald er sichre Leute zum Transport bekommt. Gott segne und schüze Dich mein Herz. Ich denke Ihr seid nun in der Nähe von Hirschberg. Mein Gebet begleitet Euch Alle aber dich doch ganz vorzüglich auch vor allen Kindern. Dein Friedrich? oder Ernst? wie soll ich nun schreiben

3871. Von Johanna Steffens (auch an Anne (Nanny) Schleiermacher). Breslau, Sonntag, 16. 5. 1813 den 16ten Schelten Sie nicht lieber Schleier; daß ich schon wieder schreibe, es gilt heute unserer lieben Nanny; ich war bey aller Freude, die es mir machte, 152 Sonnabend] abend über 〈tag〉

160 möchten] möchte

3871. Überlieferung: H: BBAW, SN 395, Bl. 53 f. Z. 78–87 von Henriette Schleiermacher. 2 daß] das

Zur Datierung vgl. Brief 3873,

382

53v

54

Briefe 3871–3873

das liebe Mädchen so bald wiedersehen zu sollen, recht böse, daß Sie bey Gass, und nicht bey mir wohnen solte, nun hat die Schultz Sie bey mir angemeldet, und ich wolte Ihnen nur gleich sagen, daß ich mir die Freude meine alte liebe Nanny hier zu haben, nicht nehmen lasse, und Sie nun erwarte; Gass hatte auch allerley Bedenklichkeiten, da Sie den 24sten auf’s Land zu reisen denken, und ich sagte Ihm gleich daß ich Sie Ihm nicht liese. Nun kom nur beste Nanny, wenn Du schon auf dem Wege bist, es soll ja Alles flüchten aus Berlin, wie wir hier glauben ohne Grund, werdet Ihr dort bleiben? Von Steffens habe ich fortwährend die besten Nachrichten, noch Heute hatte ich einen Brief vom 13ten. Die Schlacht hat Er mitgemacht, und Gott hat Ihn wunderbar beschützt! Er sah einer zweiten Schlacht entgegen, möge Sie glücklich sein! | Wir sind fast täglich mit Schultzens zusammen, und Ihr sanfter immer heiterer Umgang tuht mir jetz doppelt wohl, es ist eine sehr liebe Frau – hat nicht Ihre Frau eine Wesensähnlichkeit mit Ihr, bester Schleier? – Um meinen Fehler im vorigen Briefe wieder gut zu machen, sage ich Ihnen, daß Vater noch immer leidend ist an seinem alten Uebel, und will beynah vor Verlangen nach seinem lieben Garten vergehn; Mutter ist sehr wohl, und Sophie auch fast ganz genesen von der bösen Gicht. – Ihr Brief lieber guter treuer Freund hat mich sehr glüklich gemacht, ich hatte so lange die lieben SchriftZüge nicht gesehn, daß ich mich nicht sat daran sehen und lesen konte. Wie lieblich ich mir Ihre Kinder denke! die älteste soll Ihnen ganz ähnlich sein. Für die Nachricht von unserm Marwitz danke ich auch sehr, wenn Sie wieder von Ihm hören, so theilen Sie es mir mit ich bitte sehr darum, und wenn Sie Ihm schreiben so grüßen Sie Ihn von ganzer Seele | in meinem Nahmen, daß Er mir schreiben soll kann ich nicht verlangen; ich war so traurich beym Abschied daß ich vergaß Ihn darum zu bitten. – Hier ist mann in großer Sorge daß die Franzosen in Dresden sind, die Sachen stehen aber nach allen Briefen, auch nach Steffens seinem sehr gut. Den preußischen Correspondenten lese ich mit großem Vergnügen, ich werde auch Rieke bereden Ihn mit mir zu halten, der Ton darin ist so schön, ohne Uebertreibung. – Von Arnim mögten wir gern wissen, ob Er denkt ruhig in Berlin zu bleiben?, was ich etwas schändlich finde ein junger, starker, tüchtiger, fauler, Edelmann! solte nicht sitzen bleiben. Wenn doch Pistor auch mit ginge. – Meine Schwestern sind vieleicht 6 daß] das 33 daß] das

9 daß] das

21 daß] das

25 daß] das

30 daß] das

31 daß] das

5

10

15

20

25

30

35

40

16. 5.–18. 5. 1813

45

383

schon abgereist, und wer weis ist Nanny mit Ihnen. – Verzeihen Sie das Gekliere lieber Freund ich bin sehr eilig. Ihre getreue Freundin H. Indem ich den Brief sigeln will komt die Herz herein, wir sind erfreut Sie zu sehn wenn Sie nur auch keine liebe Henriette!

3872. Von Ernst Heinrich Brandanus von Willich. Bunzlau, Sonntag, 16. 5. 1813 Sr Hochwürden / dem Herrn Professor / Doctor Schleiermacher / zu / Berlin / Citissime [Bl. 3v]

5

Nur im Fluge sage ich Ihnen, lieber Herr Bruder, daß Ihre Frau Kinder etc. gesund und wohl von hier nach Loewenberg abgegangen. Von der Armee habe ich so eben die beruhigendsten Nachrichten – Vale faveque v Willich Bunzlau den 16ten May 1813.

3873. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 18.5. bis Donnerstag, 20. 5. 1813 Dienstag 18t. Abends

5

Bestes Weib was für eine unerwartete Freude hat mir Dein Zettelchen aus Crossen gemacht. Ich fand es heute gegen Abend in der Stadt und im halbdunkel erkannte ich an der Aufschrift Deine Hand nicht, sondern erst als ich es erbrach. Gott sei Dank der Euch so weit glüklich geholfen hat. Aber daß Du immer auf der ordinären Post bleibst also um soviel langsamer fährst und nicht einmal eine Nacht ausruhen kannst wahrscheinlich ohne einmal dabei zu sparen das thut mir leid. Wenn Du nun nur 3872.

Überlieferung: H: BBAW, SN 422, Bl. 3.

3873. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 9–11; D1: Br 2, S. 278–280 (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 161 f. (Ergänzungen zu D1, gekürzt). Laut Brief 3882, Z. 40–48 vom 25. 5. 1813 wurde dieser Brief zusammen mit einem Koffer verschickt. Ihm lag auch eine Geldanweisung bei. Der Koffer wurde nicht nach Schlesien befördert (vgl. Brief 3886, Z. 275–283).

384

9v

10

Brief 3873

nicht grade in Sagan den unglüklichen Einfall bekommst zu ruhen. Diese Angst kann ich gar nicht los werden! – Von einem Zurüktreten Oestreichs weiß man hier nichts (nur Sachsen soll sich bestimmt für Frankreich erklärt haben) vielmehr heißt es einmal übers andere die Allianz sei gewiß; aber öffentlich bekannt gemacht wird nichts davon, und eher freilich glaube ich nicht daran. Es liegt gewiß an selbstsüchtigen Negoziationen, welche sie noch fortsezen. Was unsere Lage hier in Berlin betrift so vergeht mir die Lust schon dich mit allen Gerüchten | zu unterhalten die fast stündlich wechseln. Bald soll etwas vortheilhaftes vorgefallen sein, bald etwas nachtheiliges bald soll ein Corps sich weggezogen haben bald ein anderes im Anmarsch sein. Ich freue mich nur wenn der Abend gekommen ist und ich ruhig heraus wandern kann, wo mich jedesmal die Nachtigall begrüßt wo mir heimlich zu Muthe ist – denn das Haus in der Stadt ist mir in diesem Zustande recht im innersten zuwider – und wo ich so still und ungestört bei Dir sein kann. Indeß am Tage treibt es mich doch immer hinein weil es immer etwas zu thun geben kann bei der Schuzdeputation, und ich auch noch nicht ganz vollkommen marschfertig bin. Ich habe mich deshalb gegen Savigny und Eichhorn erboten ihnen auf dem Ausschuß zu helfen und werde damit vielleicht Morgen schon den Anfang machen. Aus dem Studiren kann doch nicht eher etwas werden bis die nächste Krisis vorüber ist. Meine Collegia lese ich indeß fort, aber ich glaube daß ich der einzige bin. In diesem schwankenden Zustande liebstes Weib halte Dich nur daran: je eher wir hier von den Franzosen überfallen werden um desto weniger darfst du für mein | Leben besorgen weil man dann die Stadt nicht wird vertheidigen wollen; je später sie kommen desto besser werden wir gerüstet sein. In dem ersten Falle wäre nur das einzige zu besorgen daß vielleicht die Umstände so sein könnten daß es unmöglich für uns wäre unsere Retirade nach Schlesien zu nehmen, sondern wir sie nach Pommern nehmen müßten. Das wäre äußerst hart, weil wir dann auf eine nicht zu berechnende Zeit könnten getrennt werden. Dies ist für jezt meine einzige Sorge; sie drükt mich freilich schwer aber wie leicht kann sie ganz vergeblich sein Die Kinderfrau hat mir heute Abend mit Thränen erzählt, es wäre ihr heute besonders trübe gewesen, sie hätte immer im Geist Trudchen hier herumlaufen sehn. Ach Gott wenn wir lange getrennt bleiben: so vergessen die kleinen Würmer mich ganz! Das ist recht hart. Ich werde anfangen wie Luise zu bitten, daß Du ihnen bisweilen von mir erzählst. Von Luise ist ein Brief an Nanny da; ich halte ihn vielleicht einen Posttag 42 Geist] korr.

10

15

20

25

30

35

40

45

18. 5.–20. 5. 1813

50

55

60

65

70

75

80

385

zurük in der guten Absicht ihr selbst einiges daraus zu beantworten aber freilich kann ich nicht dafür stehen ob es wirklich geschieht. Ich will Dir noch ehe ich Dir gute Nacht sage meinen Entschluß sagen für | den Fall daß wir von hier nach Pommern ziehn müßten und es zu gefährlich wäre sich nach Schlesien durchzuschleichen. Ich würde dann zu Dohna nach Preußen gehn, der würde mich vielleicht irgendwie brauchen daß ich nicht ganz auf der Bärenhaut läge, dort würde ich fürs erste das weitere abwarten aber doch nichts so sehr im Sinne haben als mich bald möglichst auf eine oder die andere Weise mit Euch zu vereinigen. Liebes Herz es ist mir doch fast gewiß, daß ich in allen Fällen, die Confusion müßte zu groß werden, ganz besonnen und möglichst geschikt handeln werde. Aber fahre nur fort dies Dein Hauptgebet für mich sein zu lassen wie es auch das meinige ist. Ich freue mich des guten Muthes mit dem Du reisest. Gott bewahre Dich ferner mit all dem lieben Volk. Tag und Stunde war auf Deinem Crossenschen Zettel nicht bemerkt das hat mir leid gethan. Von unserm Jüngling habe ich noch nichts weiter gehört. Die unglükliche Geschichte des Majors hat heute Alberthal auf eine solche Art erzählt, daß der Major vollkommen recht gethan hat, wie er denn auch sein Commando ganz ungestört fortsezt. Nun gute Nacht mein liebstes Leben. Wüßte ich Dich nur nicht in kühler Nacht auf ofnem Postwagen oder gar in Sagan auf verrätherischen Betten. Gott halte seine gnädige Hand über Euch. | D o n n e r s t a g M i t t a g . Hier habe ich nun eine Anweisung glüklich von Fetschow bekommen. Sie ist eigentlich erst den 26ten zu haben; du kannst sie ihm aber doch gleich präsentiren vielleicht zahlt er sie Dir auch gleich. Ich wollte du gingest selbst zu ihm; vielleicht giebt es dir Gelegenheit ein vernünftiges Wort mit dem alten Herrn der doch eigentlich gut ist über Karl zu reden. – Findet Sophie Träger: so kommen heute Nannys Secretär den ich draußen gar nicht brauche denn ich schreibe nur an diesem Tisch des Bücherspind und die Betten herein, ohnerachtet man heute wieder sagt es sei gar nichts zu besorgen, und abermals den Tag wissen will wo die Oestreicher in Sachsen einrüken werden. Einen Brief von Hanne Steffens habe ich bekommen, welche sehr bittet Nanny sollte bei ihr wohnen und nicht bei Gass was auch bedenklich wäre weil Gassens den 24ten aufs Land ziehen wollten; sie bittet sehr dringend. Von der Reise ihrer Schwestern wußte sie eben so wenig als von der eurigen als sie aber den Brief siegeln wollte ist die Herz in die Stube getreten, und sie 47 daraus] korr. aus dav

10v

11

386

11v

Briefe 3873–3877

schließt nun mit dem Wunsch daß auch Du doch kommen möchtest. Von ihrem Manne hatte sie Nachrichten vom 13ten wo er recht wohl war und man eine neue Schlacht erwartete, es ist aber wol dieselbe die man noch immer erwartet. Die Reimer hat mir ein Zettelchen geschrieben daß er noch Acht Tage gewiß in Potsdam bleibt und Morgen | herüber kommen will. Schedens sind noch hier und reisen gewiß nur im äußersten Nothfall. Ich esse diesen Mittag dort. Ich hoffe nun wieder wenn es ruhig bleibt viel mehr draußen zu sein und arbeiten zu können da die Schuzdeputation nun so weit in Ordnung ist daß es weniger zu laufen und zu deliberiren giebt. Hätte ich nun nur erst bald Nachricht von eurer glüklichen Ankunft und wüßte daß auch das kleine Volk die Strapazen der Reise glüklich überstanden hat. Schreibe mir doch auch wie sich Christelchen hält und was für einen Eindruk ihr das Gebirge macht oder laß sie mir selbst bald etwas strichen. Und sobald Ihr Euch erholt habt und das Wetter schön ist macht eine Koppen und eine WasserfallParthie damit Ihr das gewiß habt wenn vielleicht das gute Glük wollte, daß Ihr bald zurükkommen könnt. Ach liebste einzige Jette! es thäte mir recht Noth daß das geschähe, ich kann es recht kommen sehn wenn nicht ganz große Begebenheiten mich herausreißen wie ich dumpf und leer werde, und wie allerlei böse Geister anfangen mich zu plagen. Noch ist es alles nur Ahndung; noch bin ich völlig frisch Das gab noch eine große Noth mit dem Koffer sie ist aber glüklich beendigt. Ich wünsche nun daß alles glüklich ankomme. Eben finde ich einen Brief von der Voss. Unsre Briefe vom 13ten April sind nun bei Alexander angekommen. Gott sei Dank. Mein lezter Brief wäre nun überflüßig gewesen, thut mir aber doch nicht leid. Die Voss will übrigens wissen daß die Schweden n i c h t kommen. Noch glaube ich es nicht. Grüße alles und herze die Kinder. Ganz und ewig Dein.

*3874. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Mittwoch, 19. 5. 1813 Sie habe Schleiermachers Brief 3858 vom 13.–15. 5. 1813 am 18.5. bekommen. Marwitz schreibe nicht. 96 ihr] über 〈euch〉 *3874.

Erschlossen aus Brief 3879, Z. 2–5, Brief 3882, Z. 2–6 und Brief 3895, Z. 49.

85

90

95

100

105

110

19. 5.–21. 5. 1813

387

*3875. Von Wilhelmine Reimer. Potsdam, Mittwoch, 19.5. oder Donnerstag, 20. 5. 1813 Georg Andreas Reimer wolle noch eine Woche in Potsdam bleiben und am nächsten Tag einen Besuch in Berlin machen.

*3876. Von Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Donnerstag, 20. 5. 1813 oder früher Alexander von der Marwitz habe die Briefe der Schleiermachers vom 13. April bekommen. Die Schweden griffen nicht in den Krieg ein.

3877. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 20.5. bis Sonnabend, 22. 5. 1813 Donnerstag 20t. Abends

5

10

15

Es ist mir eine sehr große Freude gewesen liebste Jette, daß ich mein leztes mit der Nachricht von der glüklichen Ankunft unseres zweiten Briefes an Alexander schließen konnte, und danke es der guten Voss sehr daß sie mich gleich davon benachrichtiget hat. Gott gebe nun daß der liebe Jüngling auch alles recht aufnehme und sich stark genug fühle ohne Störung alles liebe und gute zu genießen was ich Euch beiden so gern gönne; ich denke auch mein lezter Brief soll ihm Muth und Gefühl von Ruhe dazu geben. Gern hätte ich gestern Abend noch ein bischen mit Dir geplaudert, aber als ich ziemlich spät heraus kam fand ich endlich Harscher. Er hat kein Wort von Nanny gesprochen, nicht einmal namentlich nach ihr gefragt, sondern scheint sehr von weitem zu manövriren. Denn nachdem er sich selbst gehörig abgehandelt hatte: so nahm er mich vor, und sprach sehr viel von dem räthselhaften in mir und von seiner großen Begierde mich *3875.

Erschlossen aus Brief 3873, Z. 87–89 an Henriette Schleiermacher.

*3876.

Erschlossen aus Brief 3873 an Heniette Schleiermacher.

3877. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 12–14; D1: Br 2, S. 280–283 (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 163–165 (Ergänzungen zu D1, gekürzt)

388

12v

13

Brief 3877

kennen zu lernen und wie nothwendig ihm das für die Vervollständigung seiner Bildung und seiner Ansicht wäre. Du weißt wie mir dergleichen fatal ist, und ich habe ihn daher wirklich sehr freundlich aber auch sehr kurz damit abgefertigt daß ich das nicht begriffe, daß ich in drei Tagen durch und durch zu kennen wäre weil alles auf sehr einfachen Motiven beruhe, und daß es mir überhaupt nicht der Mühe werth scheine sich jedes Einzelne in einzelnen Menschen so besonders construiren zu wollen. – Indem ich Dir soviel von Harschers Besuch erzähle überfällt mich recht das Gefühl wie ungeheuer eigentlich die Einsamkeit ist in der ich lebe | aber jede Störung derselben in den Abendstunden ist mir ein wahrer Verlust; ich mag mich dann gern ganz dem Gedanken an Dich und den Bildern unseres Lebens, und dem schönen Genuß den du uns durch das Wohnen hier draußen bereitet hast hingeben. Ich habe mir auch schon ausgerechnet wenn die Gefahr für Berlin (die für diesen Augenblik ganz vorüber zu sein scheint da das vorgegangene Corps wie ihr dort wol auch hören werdet seinen Weg nach der großen Armee hin nimmt) nicht wieder naht und durch eine glükliche Schlacht oder durch den Beitritt der Oestreicher vor einer verlorenen der Krieg sich wieder tiefer in Sachsen hineinspielt, und ich vom 1ten Juni das große Loos endlich gewinne ich einen vortreflichen Reisewagen kaufe und Euch abholen kann. Das wäre die Belohnung die ich eigentlich verdient hätte für die große Entbehrung in der ich lebe. Lache mich nur recht aus mein Herz, das mußt Du auch haben. Es geht mir übrigens schon wie dem Milchmädchen; denn indem ich dieses geschrieben habe hat eine Kaze ein ganz Stük Butter und ein Stük Pökelfleisch vom Tisch herunter aufgefressen. Wenn die Viergroschenstüke so weg gehn wo soll das Geld zum Loose herkommen? Indeß wenn meine Polen noch bezahlen so nehme ich doch auch für Dich noch ein Loos und wir sind wieder in Compagnie. – Süvern hat seine Hauptmannschaft niedergelegt, weil er Unannehmlichkeiten beim Exerciren gehabt hat, das ist nun gar eine fatale Geschichte, die ich aber auch so gut als möglich suche ins Gleiche zu bringen. | Kurz ich betrage mich so gut daß Du recht Deine Freude an mir haben würdest wenn Du es alles sehn könntest. Aber das eiserne Kreuz wächst mir doch aus diesem Spaß noch nicht hervor, dazu gehörte noch etwas ernsteres. Nun wenn es nur recht viel Andere bekommen! – Liebste Jette Gott gebe daß Du nun wie ich es ausgerechnet habe Gestern Abend spät oder heute bei sehr guter Zeit in Schmiedeberg glüklich und gesund mit allem was Du auf dem Wagen hast angekommen bist. Ich kann mich recht kindisch freuen daß Du nun 44 weil] korr.

20

25

30

35

40

45

50

21. 5. 1813

55

60

65

70

75

80

85

90

389

schon das Gebirge in seiner Pracht vor Augen hast. Ich hoffe Christiane soll es etwas entzücken, und bin begierig zu hören ob es Jette und Friede doch bekannt vorgekommen ist oder ob sie alles rein vergessen haben. Schreib mir nur ja recht bald und recht viel, aber nicht ohne Tag und Datum. Gott befohlen mein süßes Herz. Ich habe lange geschwelgt und will nun noch ein klein wenig arbeiten um mit etwas besserem Gewissen zu Bette zu gehn. F r e i t a g A b e n d Wie soll es nur werden liebes Herz wenn ich Dir immer und immer schreibe? Ich möchte wol wissen wie die Entfernung von mir auf Dich wirkt. Mir wird die Sehnsucht alle Tage größer; ich kann nun da die Geschäfte etwas mehr in Ordnung kommen und man weniger von Gerüchten gequält wird (denn seit ein Paar Tagen hört man nichts als daß die Franzosen sich wieder zurükziehn) wieder arbeiten aber ich muß nun vielerlei treiben und kann bei nichts so lange aushalten daß es etwas ordentliches würde. Die süße Gewohnheit mit Dir zu leben, die ich grade zulezt in so vollen Zügen genossen habe fehlt mir jeden Augenblik. Daß ich so auf den Garten versessen bin ist auch nichts andres. Ich gehe fast gar nicht drin herum, ich sehe | fast nur hinaus und doch ist mir nirgends so wohl. Es ist mir wie ein liebes Geschenk von dir was ich immer um mich haben und ansehn muß. – Zu irgend einer traurigen Ahndung kann ich jezt gar nicht mehr kommen ich denke nur an baldiges Wiedersehn und wie ich es recht feiern und genießen will. Aber auch das ist mehr in meinem Verlangen gegründet als in den Begebenheiten denn ehe in der Lausiz eine Schlacht gewonnen oder durch andere Begebenheiten der Krieg wieder ganz jenseits der Elbe gespielt ist giebt es doch noch keine Sicherheit. Ich habe Dir noch nicht erzählt daß ich heute Nachricht von Dir gehabt habe, einige Zeilen von dem guten Major welche sagen ihr wäret gesund nach Löwenberg abgegangen. Sie sind vom Sonntag und ihr müßt also schon Montag in Schmiedeberg angekommen sein! Wenn nun nur nicht nachkommen eine Menge von üblen Folgen von den Strapazen und der Nachtkälte die ihr gewiß ausgestanden habt. Denke Dir Benda hat Louisen nach Rügen gebracht und ihr lieben Schwestern verfehlt euch wieder gänzlich. Ich habe das gesehn aus einem Briefe an den Onkel den dieser mir zeigte weil Geldsachen drin standen. Er hat auch Deinen Antheil von den eingelaufenen Zinsen mit 22 r 11 g eingezahlt welche ich Dir verwahrt habe. Dabei sind aber die 10 r die Du in Empfang genommen nicht mit in Rechnung gebracht, und diese mußt du bei meiner näch77 der] korr. aus ein

13v

390

14

Brief 3877

sten Abrechnung conferiren. Auch ist heute mein großes Gehalt für den nächsten Monat gezahlt worden, so daß die Aussicht auf den eigentlichen Hunger wieder etwas weiter hinausgesezt ist. Zu einer recht eigentlichen Noth werden wir am Ende gar nicht kommen. Nun, wenn es nicht sein soll werden wir es uns auch gefallen lassen. Ist doch diese Trennung leider Noth genug. – Gute Nacht. Mit meinem Magenkrampf geht es sehr gut. Vergiß mir doch die Marwiz nicht. Beschäftige die Kinder so ordentlich als möglich! Doch ich habe hier gut reden; und Du wirst sehr schwer haben es auszuführen | Noch Eins ehe ich es vergesse. Harscher erzählt als er in Danzig gewesen sei Alexander verschikt gewesen und zwar nach dem Hauptquartier. Mich wundert daß die Voss nichts davon erwähnt. Die Alberthal läßt Dich ausdrüklich sehr grüßen – Schede machte neulich einen Scherz aus dem ich schließen muß daß Caroline schwanger ist. Sonnabend d 22t. Ich muß mir nur Zaum und Gebiß anlegen und es zum Gesez machen Dir nur mit der Reitpost zu schreiben damit ich nicht viermal die Woche schreibe. Auf heute wollte ich die Neuigkeiten versparen, damit Du nicht alles widersprechende Zeug erführest sondern immer nur das lezte. Nun giebt es aber heute bis diesen Augenblik keine, es erhält sich nur das Gerücht daß das Neysche Corps sich wieder zurükzieht und Bülow ihm nachgeht also wieder vor. Die meisten Leute sind daher hier ganz außer Sorgen; allein es kommt doch alles auf den Ausgang der nächsten Schlacht an. Von der Oestreichischen Allianz sagt man es sei gar nicht daran zu zweifeln allein officiell wird doch noch nichts darüber bekannt gemacht. – Denke Dir daß bei den Höfen und in der vornehmen Stadt gesagt worden ist ich sei fort. Die Schuld muß größtentheils an Pasenow liegen der den Fuhrpaß besorgt hat denn beim Plazmajor ist es auch so gemeldet worden. Die Hazfeld hat sich besonders angelegen sein lassen es auszubreiten, und mein erster Gedanke war ihr etwas anzuthun. Ich hatte auch nicht eher Ruhe bis ich ein sehr spiziges Billet an sie wenigstens zu Papier gebracht hatte. Du kennst mich ja darin – es lohnt aber nicht es abzuschicken das Märchen widerlegt sich zu leicht von selbst. Berlin hat jezt ein ganz neues Ansehn. Des Morgens begegnet man den Leuten Truppweise mit Schaufeln und Spaten die zum Schanzen gehn, des 100–102 Noch … erwähnt.] am linken Rand von Bl. 13v Rand von Bl. 12

103–105 Die … ist.] am linken

95

100

105

110

115

120

125

21. 5.–22. 5. 1813

130

135

140

145

150

155

391

Abends exerciren die LandsturmCompagnien auf allen großen Pläzen. Die beiden Schanzen an unserer Schafbrücke sehn sehr niedlich aus, und wenn sie erst mit Mannschaft und Artillerie besezt sind so kommt der Feind gewiß nicht eher hinein bis | die Schanzen eingeschossen und die Kanonen demontirt sind. Wenn man rechnet daß 30–40000 Mann Landsturm hier sind (nun die lezte Zahl ist wol auf jeden Fall etwas zu groß) und sich diese etwa von 15000 Mann regulären Truppen unterstüzt denkt so muß man glauben wenn alles ordentlich hergeht könnte sich Berlin gegen eine sehr große Macht, die nur nicht mit ganz schwerem Geschüz versehn wäre, sehr gut halten. – Von der Herz habe ich heute ein Zettelchen gehabt was aber noch älter sein muß als der neuliche Brief von Hanne, denn sie hatte Hanne noch nicht gesehen. Bis zu Dir meint sie würde sie wol nicht kommen können aber wol zu Lotte. Schreibe doch an diese auch recht bald, mir ist es noch nicht möglich gewesen. – Das ÐStämmchenÑ oder Haus ist wohl und das Geranium auch, aber von Jakob habe ich nichts weiter gehört. Das sage den Kindern, und umarme sie herzlich von mir, und sie sollen machen daß Du mir Gutes von ihnen schreiben könest. Und Frizen bitte noch besonders dringend in meinem Namen daß sie sie doch ja in keinem Stück verziehe. Karl möge es nur natürlich finden daß ich ihm nicht schreibe da ich Dir soviel schreibe, aber er soll mir sagen oder durch Dich sagen lassen wie es dort mit Landwehr und Landsturm geht. – Die Predigt, die ich angefangen hatte als Du wegreistest ist noch in Arbeit; sonst mache ich Neutestamentische Studien und schreibe mancherlei auf und lese meine Collegia ganz ordentlich. Ich muß Dir immer etwas Rechenschaft von dem geben was ich thue, das wird mich auch helfen treiben. Morgen soll ich nun zum ersten Mal ohne Dich predigen, den leeren Stuhl gegen mir über, es wird hart gehen. Möge uns Gott bald wieder zusammenführen, mein liebes einziges Weib. Ich umarme Dich im Geist und drükte Dich so gern recht fest an mein Herz. Gott sei mit Dir und Euch Allen. Schreibe mir doch auch wie Deine Finanzen stehn, ich meine was Du auf der Reise ausgegeben hast.

136 versehn] korr. aus besezt

157 f Schreibe … hast.] am linken Rand

14v

392

Briefe 3878–3879

3878. Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Donnerstag, 20. 5. 1813

61v

62

Mein lieber Schleiermacher, Wie ist es möglich, daß Sie mich so ganz vergessen, oder, gedenken Sie meiner auch, mir doch so gar kein Zeichen Ihres Andenkens geben? Das hohe Interesse, welches jetzt alles, was Deutsch heißt, oder doch zu heissen verdient, an einander knüpft, ist von meiner Seite ein neues Band, das mich noch fester an die entfernten Freunde knüpft, und nie bin ich verlaßner von ihnen gewesen, als gerade jetzt. Denn nicht über Sie allein, auch über Poselger, Schimmelpfennig, Münchow und Andere beklage ich mich mit Recht. Es ist ein halbes Jahr her, daß ich von Keinem von ihnen eine Zeile erhalten habe, und in keiner Zeit ist mein Wunsch dringender gewesen, zu erfahren von ihnen, wie es um sie selbst steht, was sie über die große Angelegenheit, die gewiß ihrer Aller Herzen ausfüllt, wissen, welche Hoffnungen sie darüber hegen, oder von | welchen Besorgnissen sie beunruhigt werden. So rasch, als ich es gehofft hatte, geht freylich die gute Sache nicht von Statten, ja es scheint wohl gar, die Kämpfer für sie sind in einigem Nachtheile. Wer hätte auch glauben sollen, es würde dem Bonaparte gelingen, nach so ungeheuren Calamitäten, wodurch bey weitem der größte Theil seiner Armee für ihn verloren gegangen, von Neuem eine große Armee in Thätigkeit zu setzen und mit ihr das auszurichten, was er dennoch damit auszurichten scheint! Gleichwohl lasse ich den Muth nicht sinken. Es geht doch ganz anders, als in den frühern Kriegen, und die gute Sache, der es gilt, und der schöne Geist, welcher unter den preussischen Unterthanen rege ist, lassen mich alles hoffen. Mit wahrer Herzenserhebung habe ich bey den Denkmälern jenes Geistes verweilt und es bedauert, daß ich Euch bürgerlich nicht mehr wie ehemahls angehöre. | Schreiben Sie mir ja bald, lieber Schleiermacher, und sprechen Sie mir ein erfreuliches Wort zu, sollte es auch nur als das Wort des Freundes ein erfreuliches seyn können. In Hinsicht auf einzelne Verhältnisse habe ich manche Besorgniß und manche kummervolle Stunde. Den ersten Briefen aus meiner armen, vor allen unglücklichen Vaterstadt sehe ich mit Bangigkeit entgegen. Was wird das Loos meines trefflichen frommen Bruders, meiner guten Schwester, meiner übrigen Verwandten gewesen seyn? Werden sie dem Hunger, der pestartigen Krankheit, den Mißhandlungen ihrer nichts heilig achtenden Unterdrücker entgangen seyn? 3878.

Überlieferung: H: BBAW, SN 319, Bl. 61 f.

5

10

15

20

25

30

35

20. 5.–22. 5. 1813

40

45

50

55

60

393

Und wie mag unserm armen verwaisten Schimmelpfennig mit seinem Häufchen verwaister Kinder, wie mag es dem wackern Münchow in diesen letzten Wochen ergangen seyn und noch ergehen? Von uns hier kann ich Ihnen nicht viel schreiben. Wir haben 2000 Mann gestellt, 1000 | zur regulairen Infanterie und 1000 Jäger, die Hälfte zu Fuß, die Hälfte zu Pferde. Doch soll es Vielen noch an Waffen und den Letztern auch noch an hinreichender Anzahl von Pferden mangeln. Von der Einrichtung einer Landwehr und eines Landsturms spricht zwar eine Verordnung, aber gegen die erstere hat der engere Ausschuß der Landund Ritterschaft ein Gutachten eingereicht und beide soll auch Walmoden als für dieses Land nicht angemessen widerraten haben, was mir nicht begreiflich ist. Von unsern Studenten haben zwischen 20 und 30, d.h. mehr als ein Drittel, Dienste als Freywillige genommen, Mehrere sind abgegangen, um in bürgerliche Verhältnisse zu treten, und ein nicht geringer Theil ist, wie man sagt, aus Schaam vor denen, welche in den Kampf gehen, nach Kiel gegangen. Ueberall sind uns nur 3 Studenten geblieben und der neu hinzugekommenen sind gegen 20. Ich lese diesen Sommer 2 Collegia für 3 Zuhörer, nämlich die Institutionen für 2 und das Criminalrecht für 1. – Leben Sie wohl, herzlich geliebter Freund, grüßen Sie freundlich von mir die Ihrigen und – ich wiederhole dringend meine Bitte – schreiben Sie mir bald. Konopak Rost. d. 20. May 1813. Wenn Sie Schmalz und Poselger sprechen, so grüßen Sie sie, auch Reimern. Mein Weibchen grüßt Sie.

3879. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 22.5. bis Dienstag, 25. 5. 1813 Sonnabend d 22t. Abends Ungeheure Freude liebste Jette habe ich an Deinem Briefe gehabt, den ich wieder empfing kurz nachdem der meinige auf die Post gegeben war, so 60 f Wenn … Reimern.] am rechten Rand

62 Mein … Sie.] am rechten Rand von Bl. 61v

3879. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 15–18; D1: Br 2, S. 282–287 (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 165–169 (Ergänzungen zu D1, gekürzt). Auf Blatt 18v hat Carl Schleiermacher notiert: „Für meine Fritze zum Geburtstage, bitte ich Nany mir einen silbernen Strickhaken zu besorgen. Am 25sten November ist derselbe, daß ich ihn dann auch bestimmt habe“.

62v

394

15v

Brief 3879

große Freude daß ich darüber die Parole versäumt habe worüber ich nun Gewissensbisse empfinde. Nun schriebe ich Dir gern noch recht viel aber ich kann nicht. Ich habe Besuch gehabt erst kamen Sack und Pischon, dann Twesten dann Dreist dann Schede und zulezt noch Wilhelmine. Karoline hatte auch kommen wollen war aber wegen Kopfweh am Thore umgedreht. Nun habe ich noch an meine Predigt zu denken die keinesweges in Ordnung ist – und keine sonderliche Stimmung wird sein weder heute dran zu denken noch Morgen sie zu halten. Diesen Mittag ist ein Courier angekommen mit der Nachricht von dem glüklichen Gefecht am 19ten. Dieser ist aber abgegangen vom Schlachtfelde während eines allgemeinen Gefechts am 20ten wo wir damals sollen überall im Vortheil gewesen sein, nun ist aber jedermann gespannt auf die Nachricht von der lezten Entscheidung. Diesen Zustand sollte man den Menschen doch ersparen denn sie haben keine Kraft dazu; es wird ja unser einem sogar schwer. – Du Arme hast gewiß viel mehr ausgestanden als du dir merken läßt und es ist wol nur deine Bravheit die Dich so zufrieden mit der Reise macht. Desto mehr | muß ich Dich loben und lieben, und glaube nur daß ich es auch recht anerkenne wie auf Dich zu rechnen ist, meine starke heldenmüthige Frau – So so bin ich unterdeß in Ordnung gekommen mit der Predigt und will Dir nun gute Nacht sagen. Ich sollte sehr bewegt sein, aber wegen der zu erwartenden Entscheidung; ich bin es nicht, Deine Ueberzeugung ist zu fest in mir daß diese Sache nicht an Einem Tage hängt. Eine gänzliche Deroute der Unsrigen erwarte ich nicht da sie einmal im Vortheil sind, der Geist der Truppen so herrlich ist und die Führung von oben doch einen besonnenen Charakter hat. Eben so wenig erwarte ich daß Bonaparte gänzlich geschlagen wird, dazu ist er zu geschikt und zu kräftig. Selbst die Entscheidung unseres baldigen Wiedersehns scheint mir mehr von andren Begebenheiten abzuhängen. Irgend anderwärts, von Oestreich aus oder von der Niederelbe muß etwas kommen was ihn bewegt so weit zurükzugehn daß wir hier wieder sicher werden – Könnt ich doch dem Brief Flügel geben der Dir die Sorge wegen des Briefes und Allem abnimmt. Daß er nicht schreibt laß Dich nicht irren, er wird ja ewig verschikt und Du weißt ja wie er sich frei und ungeplakt fühlen muß um ordentlich zu schreiben. Er weiß daß wir durch Voss die Ankunft des Briefes wissen und das ist ihm vor der Hand genug. Schlafe mir nun recht sanft und schön. M o n t a g Vormittag, in der Stadt. Gestern bin ich ganz darum gekommen Dir zu schreiben. Ich hatte schöne Zeit dazu nach Tische in der Stadt; allein ich hatte dies Blatt nicht mitgenommen und wollte pedanti-

5

10

15

20

25

30

35

40

22. 5.–24. 5. 1813

45

50

55

60

65

70

75

395

scherweise nicht ein zweites Blatt anfangen, da | habe ich dann die Zeit benuzt um an Luise zu schreiben. Gegen Abend konnte ich nur ein kurzes Weilchen draußen sein; war marode mit etwas Magenkrampf behaftet mußte zaubern und las dabei deinen Brief wieder. Dann ging ich mit ziemlich starkem Magenkrampf zu Reimer, er nemlich war hier, ist aber diese Nacht schon wieder nach Potsdam wo Eichhorn war und Bardeleben der zum ArtillerieCommandanten von Spandau ernannt ist, und Scheel, der nun natürlich jenseit der Elbe nichts mehr administriren kann aber zu Bülow gehn will und Arndt der wieder hier ist und Bothmer der von Hamburg gekommen ist und auch wieder zu Wallmoden geht. Ich habe ihm aufgetragen sich um Alexander zu bekümmern und ihn zum Schreiben zu ermahnen. Sehr lebendig bin ich nicht gewesen theils war ich angegriffen vom Magenkrampf, theils hatten mir schon den ganzen Tag alle Gebrechen an denen die Führung der großen Sache laborirt sehr stark im Sinne gelegen und diese Stimmung wurde dort noch sehr erhöht. Ich kam erst gegen Mitternacht gar marode nach Hause und konnte nur unmittelbar schlafen gehn. Meine Predigt würde Dir vielleicht von vorne herein auch etwas künstlich vorgekommen sein wie damals; sie war eine Charakteristik des Petrus auf die gegenwärtigen Umstände angewendet und hatte einen begeisterten und gewiß sehr guten Schluß der die Ermahnung enthielt sich recht der Schwachen anzunehmen, und ihnen Muth und Glauben einzuflößen. Viele Lücken merkte ich allerdings unter den Zuhörern, und die Oede in Deinem Stuhl, nur Pischon war darin und Eine ÐHökerinÑ, brachte mir Thränen in die Augen. Ich freue mich recht liebes Herz daß du es in diesem Stük besser hast als ich, Du hast die Kinder, hast ein sehr ausgefülltes Leben, und fremde angenehm zerstreuende Umgebungen. Deine Sehnsucht nach mir kann nicht leicht den Charakter annehmen den die mei|nige oft hat. Und nun will ich Dir gleich noch Eines gestehen eine Schwachheit muß ich Dir klagen. Sieh in der Entfernung verdunkelt sich mir bisweilen auf Augenblike das Bild Deiner herzlichen und so ganz neu verschönten Anhänglichkeit an mich etwas und ich fühle dagegen lebhafter den Stachel davon was ein Anderer Dir ist. Du kannst ja gewiß sein daß ich das nicht aufkommen lasse. Aber du mußt mir helfen, Du mußt mir recht viel schreiben und besonders mich Deine Sorge um Alexander Dein zärtliches Andenken an ihn recht theilen lassen, das wird mir immer die beste und sicherste Haltung geben. Du verstehst das gewiß recht mein süßes Herz wie es in mir ist. Schreibe ihm

72 bisweilen auf Augenblike] über 〈oft〉

73 etwas] mit Einfügungszeichen über der Zeile

16

16v

396

Brief 3879

nur auch bald. Du siehst es kommt doch alles richtig an wenngleich spät, und es kann mir hier jezt an sichern Gelegenheiten gar nicht fehlen – ganz neu verschönten Anhänglichkeit an mich etwas und ich fühle dagegen lebhafter den Stachel davon was ein Anderer Dir ist. Du kannst ja gewiß sein daß ich das nicht aufkommen lasse. Aber du mußt mir helfen, Du mußt mir recht viel schreiben und besonders mich Deine Sorge um Alexander Dein zärtliches Andenken an ihn recht theilen lassen, das wird mir immer die beste und sicherste Haltung geben. Du verstehst das gewiß recht mein süßes Herz wie es in mir ist. Schreibe ihm nur auch bald. Du siehst es kommt doch alles richtig an wenngleich spät, und es kann mir hier jezt an sichern Gelegenheiten gar nicht fehlen – Von Hirschberg aus flüchtet man wie mir Savigny erzählt hat. Laß Dich das nicht irren bleibe ruhig wo du bist. Sollte es aber so weit kommen daß in dortiger Gegend der Landsturm aufgeboten würde dann mache daß Du in das nächste böhmische Städtchen kommst. Viel kann im Gebirge nicht vorfallen, die Thäler sind leicht zu vertheidigen und der Feind kann keinen Grund haben sich in denselben halten zu wollen. Wird also diese Maaßregel je nöthig so denke ich kann es nur auf ganz kurze Zeit sein. Ich gebe Dir weiter keine Vorschriften für andere besondere Fälle sondern verlasse mich ganz auf Dich und Karl. – Die deutsche Legion soll nun endlich nahe an der Oder stehen und Stülpnagel wird schon auf den Freitag hier erwartet. Da wird man ja wol auch bald von Friz und Helvetius etwas hören. Mir ist schon der Wunsch durch den Kopf gegangen daß die Legion mich zu etwas möchte brauchen können; ich ginge gerne mit. – Wilhelm und Eugen Röder sind beide nach der Schlacht vom 2ten Major geworden ersterer hat auch den russischen AnnenOrden bekommen, lezterer aber ist in Gefahr ein Auge an den Folgen eines Schusses zu verlieren. Mauderode ist endlich auch bei der Armee. Carl Sack hat ihn einmal ganz unerwartet auf einer Feldwacht gefunden.

17

Abends. Ich kann doch meinen Tag hier draußen nicht beschließen ohne wenigstens noch ein Paar Worte mit Dir geplaudert zu haben. Liebe, denke dir nur was ich Dir oben geschrieben habe nicht schlimmer und laß es Dich nicht traurig machen. Ich habe es nur hingeschrieben zur Steuer der vollen Offenheit die | ich Dir gelobt habe, und alle Worte sind zu grob und hart. Im tiefsten Grunde habe ich immer die volle Sicherheit und Ruhe die ich diese ganze Zeit gehabt habe, und nie verliere ich den Standpunkt auf dem wir gewiß fürs Leben fest stehn. Alles andere sind mir 82 etwas] mit Einfügungszeichen über der Zeile

80

85

90

95

100

105

110

115

24. 5. 1813

120

125

130

135

140

145

150

397

oberflächliche Bewegungen eines Augenbliks, und auch diese sind nur Wirkungen der Sehnsucht nach dir, nach dem schönen klaren Eindruk den mir Deine Gegenwart immer macht. – Nun liebes Herz wollte ich Dich noch auf einige Lücken in Deinem Briefe aufmerksam machen die Du mir nächstens ergänzen mußt. Du schreibst mir kein einziges besonderes Wort über Lieschen wie sie sich betragen hat und wie sie sich befindet. Ich mache daraus wol den guten Schluß daß ihr Unwohlsein in den lezten Tagen dir auf der Reise keine Sorge gemacht hat aber Du mußt mich auch darüber vollkommen beruhigen daß Du mir gewiß alles schreibst was den Kindern zustößt. Unnüze Angst werde ich mir schon nicht machen denn ihr habt ja Neygenfind da auf den ich viel Vertrauen seze. – Vom Wetter hast Du mir auch kein Wort gesagt. Ich war oft in Sorgen um Euch der kalten Nächte wegen; überhaupt wenn es dort nach Verhältniß eben so kalt ist so müßt ihr einheizen. Wenn aber das Wetter schön ist liebe so genieß es auch und sei nicht zu peinlich mit den Geschäften. Laß Dir keine hübsche Parthie die Ihr zu Fuß abmachen könnt und die Du noch nicht kennst oder die Dir aus alter Bekanntschaft lieb ist entgehn, und spende auch gern Dir einige Thaler dran um die Hauptgebirgsparthien zu wiederholen theils Christels wegen, theils wäre es doch auch für euch sündlich. Karl giebt vielleicht manche Abänderungen an die Hand wodurch Ihr auch noch an neues kommt. – Mit dem Reisewagen ist es freilich vor der Hand gar nichts schon deshalb weil die Lotterie abgesagt ist; aber ich kann den Gedanken, wenn die Sachen gut gehn Euch irgendwie abzuholen doch noch nicht fahren lassen; ich hege mich damit auf die angenehmste Weise. Wenn die Sachen gut gehn! Leider habe ich zu den nächsten Ereignissen wenig Vertrauen und lege mich immer mit der Sorge zu Bette daß am | andern Tage ein Unglüksbote kommt. Man trug sich heute wieder mit günstigen Nachrichten ohne allen Grund, desto mehr schaudert mich immer. Mit der östreichischen Allianz muß es doch irgend einen Haken haben weil man gar nichts förmlich darüber bekannt macht, da man doch wissen muß wie sehr dies den Muth und die Stimmung heben müßte. Mit der Entfernung der Staatsdiener, das ist so so. Niemand kennt den königlichen Befehl ganz bestimt. Auf jeden Fall ging er zunächst nur die Departmentschefs an, und da hat denn jeder gemacht wie er wollte, der eine seine Räthe mitgenommen, der andere sie sizen lassen, und wenn die Räthe keinen Befehl bekamen haben sie auch gemacht wie sie wollten. Man verdenkt es aber denen gar sehr die ohne ganz bestimmten Befehl und ohne daß es in ihrem Beruf von selbst lag 135 zu] über der Zeile

17v

398

18

Briefe 3879–3880

gegangen sind. So auch dem guten La Roche, denn andere seiner Collegen sind hiergeblieben so auch Alberti und vielen. Von unserem Departement ist bis jezt keiner gereiset als Nicolovius den Schuckmann in die andere Provinz geschikt hat und Ancillon der wahrscheinlich wohl zum Kronprinzen gegangen ist. Hoffentlich werden die offenbar feigherzigen sowol die Königlichen Diener als auch die Bürger – denn auch viele reiche Privatleute sind fort, besonders sagt man fast alle reiche Juden – ihrer gerechten Strafe nicht entgehen. Die kleine ÐSpinneÑ ist auch sehr voreilig davon gegangen. Sie hat ihrer Frau Gemahlin erklärt sie müßte gehn, könnte aber nicht ohne sie, die Gemahlin hat wieder erklärt sie könnte nicht ohne Pine, Pine wieder sie könnte nicht ohne Albert und Adolf und so sind sie alle ÐabgeschwirtÑ. – Richter ist glüklich wieder gesund geworden, aber D. Flemming wird wahrscheinlich sterben am Lazarethfieber, im Ganzen aber lassen die Krankheiten sehr nach. Reil ist auch Hauptmann beim Landsturm, und wie es scheint ziemlich eifrig; wenn es nur lange dauert. Rühs hat das Fieber und der Correspondent den ihm Göschen übertragen hatte muß sich nun wahrscheinlich allein | schreiben und war die lezten Male ziemlich schlecht. Reimer hat mich gebeten, ich solle mich seiner doch etwas annehmen, aber ich sehe auch die Möglichkeit dazu nicht recht ein. Und nun liebstes Weib muß ich Dir gute Nacht sagen. Ach es ist ein melancholisches Schlafen da oben in dem Sarge! ohne Dich und die Kinder. – Morgen geht wahrscheinlich viel leeres Papier mit auf die Post denn den Vormittag habe ich mit dem Landsturm zu thun, Mittags esse ich bei Schedes und da wird wol keine Zeit zum Schreiben übrig sein. Harscher hat sich seit jenem Abend nicht wieder sehen lassen, sich aber doch wie mir Schedes sagten meiner guten Behandlung gerühmt. Ob er wol an Nanny geschrieben hat? Dienstag. Da haben wir nun die Nachricht von zwei mörderischen Schlachttagen die wieder wie es scheint für das Ganze keine bedeutende Entscheidung gebracht haben. Nach einem officiellen Brief vom Thiele haben wir auf der einen Seite mehr gesiegt als sie auf der andern, nur hat er durch seine dreisteren Manövres wieder das Terrain gewonnen. Ich bitte Dich nur liebes Herz laß dich nicht von solchen Menschen die alles zu ängstlich ansehn deren es gewiß auch dort in Menge giebt beunruhigen. Es ist jezt doch alles darauf zu wetten daß man den Kopf nicht verliert, und wenn das nur ist so muß in die Länge alles gut gehn. Die Schweden werden nun bald anfangen ernsthaft zu operiren und dadurch 156 Alberti] korr. aus Albertin

187 nicht] folgt 〈ansehn〉

155

160

165

170

175

180

185

190

22. 5. 1813

195

200

205

210

215

399

werden große deutsche Massen frei und in Bewegung gesezt werden. Gott wird gewiß weiter helfen. Details weiß ich noch gar nicht am wenigsten etwas von einzelnen Menschen. Morgen fahre ich dann mit Eichhorn Scheel und Arndt nach Spandau wohin Reimer auch kommt und | wo wir uns dann von Bardeleben alles wollen zeigen lassen. Alles wol nicht; denn da man schon wieder arbeitet um die Festung herzustellen so wird nicht alles mehr zu sehn sein. Vielleicht schreibe ich Dir einiges darüber da Du es ganz versäumt hast. Nun lebe wohl mein liebes süßes Herz, schreibe mir ja so viel und oft Du irgend kannst. Denke daß es der beste Theil meines Lebens ist. Herze und grüße mir alle Kinder recht innig. Jette und Friede frage doch ob sie noch wissen wozu ich sie ermahnt habe vor der Reise, und Elsbeth erzähle von mir und erhalte mein Andenken bei ihr. Mit Trudchen ist das nun unmöglich und meine erste Bekanntschaft mit ihr geht rein verloren Hier mache ich nun den Brief zu bei Schedes. Alle grüßen recht herzlich. Herrmann ist jezt unter Reils Mitaufsicht und scheint auf gutem Wege zu sein. Harscher läßt sich dort auch fast gar nicht sehen, und scheint überhaupt nicht zu wissen was er mit sich machen soll. Die arme Nanny. Grüße sie und Christelchen recht herzlich, und hilf doch lezterer möglichst etwas genießen. Schedens grüßen sehr. Die arme Karoline hat Kopfweh. Morgen hoffe ich zuversichtlich auf einen Brief. Du mußt mir wenigstens zweimal wöchentlich schreiben Ganz Dein treuer

*3880. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonnabend, 22. 5. 1813

5

Sie empfinde gegen ihren Mann ewige Dankbarkeit. Sie habe an einem der Posttage keinen Brief von ihrem Mann bekommen. Über Geldangelegenheiten. Die Kinder kämen wenig ins Freie. Sie sei nicht ganz frisch. Fragt, ob er ihre Briefe an Alexander von der Marwitz diesem schicken könne.

*3880. Erschlossen aus Brief 3882 und Brief 3895 an Charlotte von Kathen. Mit Briefen für Alexander von der Marwitz.

18v

400

Briefe 3881–3882

3881. An Luise von Willich. Berlin, Sonntag, 23. 5. 1813 23. Mai 13 No 58. Donnerstag ist Vortrag. Da giebt es nun zwar jezt nichts, da das Departement aufgelöst und mein theurer Chef fort ist. Aber seitdem habe ich dafür mit dem Landsturm alle Hände voll zu thun. Um 5 Uhr muß ich zur Parole. Frau und Kinder fort. Sind in Schlesien, denn eine verlorene Schlacht bringt gewiß Berlin wieder in Gefahr. Schmiedeberg ist hübsch abgelegen, und der böhmischen Grenze so nahe da sind sie nun. Gestern ohne Brief von Jette aus Schmiedeberg. Sack hat die Schlacht vom 2ten mitgemacht und das Zeugniß, daß er sehr gut auf die jungen Leute wirkt und einen trefflichen Geist in die Kompagnie bringt, so ist ÐOberhägerÑ wie auch Dreist bei den Freiwilligen. Niemeier Officir bei der Landwehr fest in Potsdam. Zu Besuch hier. Ich werde den Abend dort sein. Marwitz ist freiwilliger Adjutant bei Dörnberg, hat großen Antheil gehabt an der Affäre von Lüneburg und fünf Tage hat er nun schon nicht geschrieben. Aber durch den Grafen Voß, der dort ist, weiß ich daß er gesund ist. Fabian Dohna wurde in den linken Arm blessirt, so auch Karl Röder. Harscher ist zu Lützow gegangen nach tausend Deliberationen aber bereits vor 8 Tagen zurükgekommen. Ist krank geworden. Nach Schlesien sind auch die Savigny, die Göschen die Buttmann, die Marheinike, die Bök oder auch nach Pommern. | Aber alle geflüchtet. Ich schlafe draußen, stehe Morgens [zwischen] 5 und 6 auf. Von 7–9 lese ich, dann lasse ich mich von Wolfart magnetisiren wobei mein Magenkrampf schon sehr viel besser. Dann hab ich in der Regel mit Landsturmgeschäften zu thun, da ich Direktor meines Bezirks bin. Esse in der Stadt. Gehe dann sobald ich kann wieder hinaus, welches hernach meine beste Zeit ist. Es ist gar zu schön im Garten.

3881.

Überlieferung: h: BBAW, Archiv, Nachlass Dilthey, 116/2.

18 Röder] Rhöder

5

10

15

20

25

23. 5.–25. 5. 1813

401

3882. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 25.5. bis Sonnabend, 29. 5. 1813 Dienstag d 25t. Abends

5

10

15

20

25

30

Glüklicherweise liebstes Weib habe ich noch ehe ich herausging Deinen Brief erwischt; der meinige war freilich schon zur Post, aber das wird wol immer so gehn. Es ist der zweite aus Schmiedeberg vom Sonnabend 22ten. Du kannst zwischen diesem und dem vorigen der Mittwoch früh schließt wol keinen abgeschikt haben. Aber dann hast Du zwischen Mittwoch früh und Sonnabend auch kein Wörtchen an mich geschrieben. Bin ich nicht närrisch? ich habe einen ordentlichen großen Brief sobald ich ihn haben konnte, und ich wollte doch eben wünschen Du möchtest täglich wenn auch nur ein kleinstes Viertelstündchen, mit mir plaudern können. Aber laß Dir ja nichts vorschreiben sondern thue wie Du willst und kannst. Nur glaube ja nicht daß irgend was inhaltsleer ist was Du mir schreibst! Du bist ja immer darin Du wirst mir gegenwärtig und lebendig, und namentlich aus diesem Briefe tritt mir so schön die große Klarheit und Besonnenheit in Dir entgegen die mir unter den gegenwärtigen Umständen allein Ruhe und Zuversicht geben kann – Nur um zweierlei möchte ich Dich bitten was das schreiben betrift. Spare es nicht bis zu dem Tage wo die Post abgeht; Du willst dann schreiben und es kann Dir ja dann grade gar nicht so zu Muthe sein. Und dann liebes Herz, wenn Dir nicht so klar und ruhig ist, wenn Dich innerlich etwas drükt oder äußerlich dann komm doch gleich an Deines Mannes Brust und schreibe es mir mit ein Paar Worten, es wird gewiß Dir gleich wol thun und auch mir hernach! Ich habe es jezt wieder recht erfahren was das werth ist. Denn was ich Dir Gestern klagte das wird gewiß eben dadurch schon ganz verschwinden. Ich fühle gewiß nicht nur jezt so da Du mir durch Deinen Brief wieder | ganz klar und gegenwärtig geworden bist, sondern es wird immer mehr fest werden. Ja liebes Herz laß mich nur immer so vor Dir stehn in aller Liebe und Heiterkeit, Du hast gewiß immer recht. Und darum will ich Dir noch Eines gleich gestehen. Ein Wort in Deinem Briefe hat mich betrübt, daß Du redest von ewiger Dankbarkeit. Liebste Jette sind wir nicht Mann und Weib? sind wir es nicht gleichsam aufs neue geworden und haben gefühlt daß wir es bleiben können und müssen? So sind wir ja viel zu sehr Eins als daß Dankbarkeit zwischen uns 3882. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 19–24; D1: Br 2, S. 287–290 (Auszug); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 169–174. 176–178 (gekürzt). Laut Brief 3885, Z. 23 vom 29.5.1813 mit vielen Einlagen. 6 wol] korr. aus k

19v

402

20

Brief 3882

sein könnte. Beste einzige, wenn Du mir irgend etwas dankst als ob es ganz oder halb willkührlich wäre, und nicht rein nothwendig in und aus unserm gemeinschaftlichen Sein, nicht eben so gut Deine eigne That als meine – Nein liebste das mußt Du mir ganz zurüknehmen. Laß Dich umarmen liebe, laß mich ganz in Dein innerstes Herz und Gemüth mich einsaugen und fühle es recht wie ich in Dir lebe. Etwas erstaunt war ich daß Du einen Posttag keinen Brief bekommen hattest. Hintennach aber bin ich wirklich meiner Sache nicht gewiß. Meinen Brief vom Sonabend den 15ten hast Du am Dienstag bekommen wie Dein erster Brief sagt. Zu diesem Dienstag den 18ten hatte ich dir auch geschrieben, weiß aber nicht gewiß ob ich diesen Brief weil ich die Assignation an diesem Tage nicht bekam dennoch abgeschikt habe, und der mit dem Koffer am Donerstag den 20ten abgegangene ein andrer ist oder ob jener bis zu diesem Tage liegen geblieben und nur fortgesezt worden ist. Mir däucht indeß das erste. Du darfst aber nur wenn Du den Brief mit dem Koffer bekomst die Tage nachsehn, und wenn Du nichts zwischen Sonnabend und Dienstag geschrie|benes hast so fehlt ein Brief. Es ist übrigens doch sehr unrecht daß wir nicht die Briefe von Anfang an nummerirt haben. Außer mit dem Koffer der Mittwoch den 19ten auf die Post gegeben und Donerstag abgegangen ist und den Du Montag bekommen haben mußt habe ich noch Sonnabend den 22ten abgeschikt und heute, und Du kannst Dich nun drauf verlassen daß ich mit jeder Reitpost schreibe. Merke aber doch ja drauf ob nach meinem ersten Briefe dir einer fehlen wird oder ob er vielleicht zu spät ankommt. Ist das[,] so muß eine Nachläßigkeit von ÐRenertÑ daran Schuld sein und ich will dann die Briefe lieber immer selbst zur Post bringen. Was die Finanzen betrift liebes Kind so habe ich Dir schon geschrieben daß das Departementsgehalt für den künftigen Monat ist gezahlt worden. Ob aber wenn die Sachen sich im Junius nicht sehr bessern auf etwas weiteres wird zu rechnen sein, das kann ich nicht wissen. Was das Herausbringen der beiden kleinen Kinder ins freie betrift so habe ich am meisten auf Christel gerechnet. Wenn Ihr es nun aber nicht zwingen könnt: so wage doch ja das daran auf irgend eine Weise dort eine Person zu miethen oder Dich einer so daß Du sie für ein billiges jedes mal haben kannst zu versichern. Laß mich nicht mit dem Gedanken mich quälen daß Du Dich aufs fürchterlichste abäscherst unterdeß ich hier eigentlich noch immer herrlich und in Freuden lebe. Berede es nur mit Frize so könnt Ihr gewiß eine Einrichtung machen die Euch Allen nüzt und das Geld sehr werth ist was sie kosten kann. Wenn Du Dir einen Ueberschlag mit Frize machst wie lange sie glaubt mit den 50 r für eure gemeinschaftliche Wirthschaft zu reichen, und mit Carl

35

40

45

50

55

60

65

70

25. 5.–27. 5. 1813

75

80

85

90

95

100

105

403

wieviel Dir die Rükreise | (nach Rükkehr der Ruhe wenn das Fuhrwerk nicht mehr so außerordentlich theuer sein kann) mit einem Fuhrmann kosten kann, wenn Du diese Summe zurüklegst und die 50 r die Du von Waeber bekomst ansiehst als eine zweite Wirthschaftsportion nach Ablauf der ersten so wirst Du ja leicht sehn können was Du an eure Bequemlichkeit wenden kannst, und von welchem Termin ab Du eine neue Wirthschaftsportion brauchen wirst. Lezteres laß mich dann nur wissen und es muß doch auf eine oder die andere Art Rath werden dazu. Ich könnte Dir von dem Junius Gehalt gleich noch Geld assigniren wenn ich nicht für Deine Reisekosten alle meine Kassen ausgeleert hätte; sie dürfen aber nicht alle leer sein, wenn nicht beim Eintritt des Winters und am Ende des Jahres gar zu große Deficite entstehn sollen. Ist es noch Zeit – wonach ich mich Morgen erkundigen will so sage ich der Kinderfrau für Johanni auf. Uebrigens liebes Herz wenn die Oestreicher wirklich beitreten so kommen wir wol bald wieder zusammen, wo nicht so fürchte ich dauert es noch lange. Alle Personen die aus dem Hauptquartier kommen versichern aufs bestimmteste die Richtigkeit der Oestreichschen Allianz; allein einen Haken muß es noch haben da noch nichts öffentlich bekant gemacht wird, und man noch nicht gehört hat daß der General Bubna aus dem französischen Hauptquartier in Wien zurük ist. Die nächsten 14 Tage müssen dieses unfehlbar entscheiden; denn wenn dann die Oestreicher nicht ins Feld gerükt sind so kommen sie auch gewiß nicht. – Gar zu gern schikte ich Deine Briefe an Alexander wenn ich bestimmt wüßte wo er wäre, so geht es nicht denn auf lange kann ich sie nicht missen. – Nun gute Nacht liebes Herz da hast du auch viel inhaltleeres Geschwäz. Du mußt es aber nehmen wie es kommt. Morgen komme ich wahrscheinlich gar nicht zum Schreiben wegen der Spandower Fahrt. Das ist mir ein ordentlicher Schmerz. Donnerstag den 27ten. Abends. Mit rechter Sorge mein liebes liebes Herz komme ich heute zu Dir. Da ich gestern den ganzen Tag aus war, heute Vormittag in der Kirche beschäftigt: so hat mich hernach die Nachricht von dem großen und wie es scheint ziemlich schnellen Rükzug der Armee sehr überrascht. Ich kann sagen heute habe ich es zum erstenmal bereut daß ich Dich weggeschikt habe, da Du nun dort den Kriegsschauplaz ganz in der Nähe hast und hier alles ruhig ist – und nun noch von soviel rathlosen Leuten umgeben! und nun das unangenehme Gefühl daß viel86 Johanni] korr. korr. aus Rüks

92 dem] folgt 〈Oestre〉

99 Morgen] korr. aus Tags

105 Rükzug]

20v

404

21v

22

Brief 3882

leicht wenn dieser Brief nach Schmiedeberg komt Du gar nicht mehr dort bist oder vielleicht schon übermorgen keine Briefe mehr dorthin angenommen werden. Ach könnte ich nur wenn vielleicht eine solche Zeit bevorsteht nur noch einmal mit Sicherheit zu Dir reden. Käme nur noch diese Zusicherung zu Dir daß Du mich nicht anders denken darfst als in der treusten und ungetrübtesten Liebe und Zärtlichkeit, daß Du Dir auch keinen sorglichen Augenblik darfst machen lassen durch das was ich dir neulich schrieb. Ja mein liebes liebes Weib, sollte uns eine Zeit bestimmt sein wo wir nichts von einander hören könnten so halte das nur recht fest, es ist die lauterste zuverläßigste Wahrheit. Wie ich aber auch noch diese härtere Trennung aushalten werde ohne vor Sehnsucht nach dir und den Kindern zu vergehn das weiß ich wirklich nicht! – Seit diesem Mittag hat mich der Gedanke an Dich, wie Du vielleicht eben in Berathschlagungen hin und her Dich abkümmerst, und viel|leicht bei noch weiterem Rükzuge uns ein solches Abgeschnittensein von einander bevorstehn könnte nicht verlassen. Ich habe bei Schedens gegessen aber ein Anklang von Melancholie muß nicht sein zu verkennen gewesen. – Ich weiß Dir nun im Ganzen noch immer keinen bessern Rath zu geben als neulich. Bleibe so lange als möglich, und gehe dann so nahe als möglich und auf so kurze Zeit als möglich nach Böhmen. Aber binde Dich auch an diesen Rath nicht, es können ja Umstände kommen die etwas anderes nöthig machen. Die allgemeine Regel, das mindest weitläuftige womit Du für den Zwek Deiner Sicherheit wirklich ausreichen kannst zu thun, wirst Du schon von selbst beobachten. Nur den Rath möchte ich Dir noch geben. Sei in dieser Zeit nicht allzu zurükhaltend gegen die Vornehmen in Deiner Nähe, wenn Du sie zu irgend etwas nüzlichem gebrauchen kannst. Du weißt ich bin es eigentlich auch aber wenn es dann drauf ankommt so kann ich ihnen auch zu Leibe gehn. Ich habe ein großes Vertrauen auf das was Du thun wirst, und das ist mein einziger Trost in dieser Lage, wo ich nicht Dein Schuz und dein Rath sein kann. Denke dir daß Luise in einem kleinen Zettel mir ordentliche Vorwürfe macht daß ich dich weggeschikt hätte, Mann und Weib sollten doch Glük und Unglük miteinander theilen bis in den Tod – als ob Du es nicht mit mir theiltest. Darüber bin ich nun ganz ruhig und will sie auch schon zurecht sezen, sie hat nur keinen Begriff von unserm LandsturmEdikt. Aber daß es nun so kommen mußte daß Du den unmittelbaren Schuz meines Armes entbehrst das ist mir sehr sehr hart. Vorwürfe mache ich mir nur über meine Unbeholfenheit, denn darin | hatte ich wol recht daß ich mir nicht zutraute daß ich in 119 es] korr. aus daß

123 und viel leicht] und folgt 〈wie〉

145 das] korr. aus daß

110

115

120

125

130

135

140

145

27. 5.–28. 5. 1813

150

155

160

165

170

175

180

405

einem ganz späten Augenblik noch für Dein Fortkommen würde zu sorgen wissen. Sage mir aber recht ehrlich, Herz, ist Dir der Gedanke auch schon gekommen daß ich Dich zu voreilig fortgeschikt habe – nemlich nicht nach dem Erfolg sondern nach der damaligen Lage der Sachen? Sage mirs recht ehrlich. – Man will auch heute wieder Nachrichten haben daß die Armee wieder vorwärts ginge, auch wieder vom Einrüken der Oestreicher, aber sie sind mir sehr unsicher und ich halte sie nur für Aussprengungen um Muth zu machen. Sonst für die Sache ist noch immer nichts verloren, man führt einen recht hübschen kleinen Krieg im Rücken des Feindes, und wenn das Niederelbische Corps erst recht in Bewegung ist so werden die Armeen auch wieder Luft bekommen. Sollten gar die Siege in Spanien ihn nöthigen für seine Person nach Frankreich zu gehn (doch das glaube ich freilich nicht) so würde alles bald eine ganz andere Wendung nehmen. – Die Reise nach Spandow war recht belebt durch Arndts lebendige Erzählungen vorzüglich auch von einem Tyroler den er in Petersburg kennen gelernt, der Aufenthalt dort war recht vergnügt, das Festung besehen sehr interessant aber auch sehr fatigant, der Rükweg still weil wir alle müde waren und das Wetter schlecht. Gepredigt habe ich heute unstreitig etwas weniger populär als seit geraumer Zeit, aber es waren sehr gute Sachen darin. Ach Liebe, Du fehlst mir doch bei allem auch beim Predigen, wie Du überhaupt weit mehr auf mich wirkst als Du Dir einbildest. Ich habe es immer gewußt, und hätte diesen Beweis durch die fehlende Einwirkung füglich entbehren können. Gott nehme Dich in seinen Schuz! ich wünsche beharrlich und recht sehnlich, daß Du nicht nöthig haben mögest Schmiedeberg zu verlassen. Ich lege mich nicht ohne recht schwere Sorge um Dich nieder. | Freitag Abend. Ich habe heute einen ziemlich ruhigen Tag gehabt, ich meine wenig Landsturmgeschäfte, das geht aber auf Conto von Morgen. Ich habe daher heute mehr gearbeitet als sonst und konnte schon um 4 Uhr herausgehn ich habe ein ordentliches Stük Predigt geschrieben, eine mühsame Lectüre von Preisschriften für die Akademie gemacht und noch sonst mancherlei gelesen. Abends als ich schon ruhig beim Thee saß kommt Twesten, da mußte schon alles Milchbrodt und Brodt aus allen Ecken zusammengekrazt werden, und kaum haben wir eine Weile zusammen geplaudert so treten Savigny Eichhorn Scheel und Arndt herein. Nach überstandner Noth (eine Wurst war zum Glük im Hause) und nachdem ich ihnen erklärt sie müßten alle mit Einem Theelöffel trinken waren 150 zu] über der Zeile

22v

406

Brief 3882

wir recht vergnügt und ein Glas Wein machte alle sonstigen Mängel gut; nur Savigny war nicht recht frisch, und ich habe ihn fast im Verdacht daß er eine schlimme Nachricht oder Ahndung in petto hatte die er nicht sagen wollte. – Podewils ist hier gewesen, ich wußte es gar nicht und treffe ihn zufällig eben als er wieder abfahren will. Er sagt mir Alexander sei von Dörnberg abgegangen und sei jezt bei Czernichef. Recht gefallen will mir das nicht da er bei Dörnberg doch einmal einen gewissen Einfluß erlangt hatte. Wie gern hätte ich dem ein Briefchen mitgegeben; aber nun ging es nicht mehr und ich habe ihn nur zum Schreiben ermahnen lassen. In Deinem lezten Briefe denkst du seiner doch auch mit keinem Wörtchen. – Mit der Kinderfrau ist es dann schon zu spät, und ich habe ihr nicht gradezu aufsagen können. Ich habe ihr nur gesagt Du wünschtest daß sie Johannis ziehen möchte, sie sah es auch ein und sagte wenn sie irgend einen Dienst finde wollte sie es gern zufrieden sein, ich habe auch schon Mine Reimer und Karoline Schede aufgetragen sich Mühe zu geben. Das war nun mein heutiger Rapport liebes Herz, es ist spät. Möchte es doch ruhiger bei Euch sein als wir hier glauben und Du ohne Sorgen schlafen. Liebes Weib ich glaube, da hier wirklich gar nichts zu befürchten ist, wenn der Weg her nur sicher bleibt schike ich dir in acht Tagen Ordre zurük zu kommen da ich doch nicht absehe daß ich Dich holen kann. Der Gedanke schon macht mich ganz frisch und heiter. Gute, süße Nacht Dir und Allen. | 23

S o n n a b e n d Nun mein liebstes Weib alles wohl erwogen weiß ich nicht warum ich noch warten soll Dir die Ordre zur Rükreise zu geben. Hier ist in der That jezt an gar keine Gefahr zu denken; dagegen könnte leicht in Acht Tagen dort Gefahr werden wenn beide Theile sich genugsam erholt haben um eine neue Schlacht zu liefern. Also denke ich wir wagen es in Gottes Namen, und ich bitte dich also wenn beim Empfang dieses Briefes der Weg von dort hieher sicher ist, d.h. wenn unsere Armeen noch jenseits der Straße stehn, und Du also hinter der Armee entweder den graden Weg über Bunzlau und Sagan oder auch den kleinen Umweg über Liegnitz und Lüben (oder über Goldberg und Polkwiz) reisen kannst und sich darin bis Du die nöthigen Anstalten hast treffen können nichts ändert, und Du einen Fuhrmann bekommen kannst wobei Du die Kosten Deiner Hinreise zum Maaßstab nehmen kannst so reise in Gottes Namen sobald Du kannst. Ich meine nemlich nur ein Fuhrmann wäre mir das 208 zur] korr. aus zum zeichen über der Zeile

213 unsere] über 〈die〉

216 (oder … Polkwiz)] mit Einfügungs-

185

190

195

200

205

210

215

220

28. 5.–29. 5. 1813

225

230

235

240

245

250

255

407

liebste, weil ein verständiger Kutscher eine Art von Sicherheit gewährt, kannst Du aber keinen finden als für einen viel theurern Preis als Post: so wähle ordinäre Post oder Extrapost. Der Unterschied im Preise kann nicht sehr bedeutend sein wenn Du wegen des zweiten Koffers nur kein Pferd mehr nimst sondern ihn auf diesen Fall lieber zurükläßt, und Extrapost ist vorzuziehn weil ihr dann schlafen könnt, und vielleicht doch hie und da einen besseren Wagen bekommt. Die Anweisung von 50 r auf Waeber wirst Du hoffentlich erhalten und eincassirt haben; ich | denke aber wenn ihr jezt reiset wirst du dieses Geld nicht brauchen. Was Nanny betrift: so kommt es darauf an ob du sie missen kannst. In diesem Falle laß sie sich nach einer Gelegenheit umsehn oder eine solche bei Carl abwarten. Statte sie wenn Du es außer jener Anweisung missen kannst etwas mit 20 r aus denn damit könnte sie die Reise auf der ordinären Post gradenweges von Schmiedeberg nach Pless sehr gut machen, und sage ihr, ich würde ihr sobald es die Umstände gestatteten auf irgend einem Wege etwas für ihre dortigen Bedürfnisse zukommen lassen. Lieber ist es mir wenn sie jezt zur Mutter geht als wenn sie mit zurükkommt da Harscher noch hier ist und noch kein Wort gesagt hat und ich das unerklärte Verhältniß hier nicht länger mit ansehn möchte. Kannst du sie aber nicht missen für die Rükreise, nun dann versteht sich ist es ein anderes. Ich hoffe übrigens du mögest eine Person für die Kinder gefunden und genommen haben mit der Kinderfrau müssen wir dann schon sehen wie wir es machen. Eben so wünsche ich sehr daß ihr nun schon die nöthigen Gebirgsparthien möget gemacht haben. Sehr leid sollte es mir thun wenn Christelchen nicht die Fälle, die Koppe und wo möglich Kupferberg (damit sie doch auch in einem Bergwerk gewesen ist) und das Bolzenschloß gesehen hätte. Habt ihr es noch nicht gethan, und ist keine Wahrscheinlichkeit daß durch einen Aufschub von einigen Tagen euch das Kriegsgetümmel übereilen könne, so gieb lieber noch einige Tage zu. Genire Dich auch nicht zu sehr des Geldes wegen; wenn Du auch die 50 r mit angreifst so ist das Unglük nicht groß. Nimmst Du Extrapost so wirst Du es doch thun müssen. Glaube nur auch ja nicht Dich an irgend etwas hier | gesagte genau halten zu müssen. Ich habe alles durcheinander geschrieben mehr um Dich zu veranlassen daß Du alles von allen Seiten recht überlegest. Die Hauptsache ist daß ihr kommt für den Fall daß man dort sicher reisen kann. Hierüber Gewißheit zu haben wird Dir nicht schwer fallen, schon der ununterbrochene Postenlauf und die allgemeinsten Nachrichten vom Stande der Armeen werden sie Dir verschaffen. Ich 232 Anweisung] folgt 〈abwart〉

23v

24

408

24v

Briefe 3882–3884

verlasse mich übrigens darauf daß Du mir den Tag Deiner Abreise noch meldest; kann auch diese Meldung erst nach Dir abgehn, sie kommt doch früher an. Ein Hauptumstand ist aber freilich Deine Gesundheit. Du Arme bist nicht recht frisch; ich hoffe Du hast ganz ehrlich geschrieben, wie ich, und nicht hinter diesen Ausdruk etwas bedeutendes verstekt. Auf jeden Fall sprichst du wol mit Neygenfind vernünftig ehe du reisest. Mir ist manchmal als wäre noch eine Möglichkeit daß du doch schwanger bist – es ist mir noch wie es mir gleich war. – Liebes Herz ich bin ganz von Freude durchdrungen bei dem Gedanken an unser Wiedersehn. Wie will ich Gott innig danken wenn ich dich wieder in meinen Armen habe, wenn ich das liebe kleine Volk wieder herzen kann. Gott gebe daß nun nur auf eurer Seite nichts dazwischen kommt, hier bleibt wol ganz gewiß alles ruhig. Man spricht auch schon davon daß Prinzeß Wilhelm die nur bis Frankfurt gegangen sein soll zurükkommen will. Im Grunde hat nur des General Bülow den man hoffentlich absezen wird unerhörte Dummheit den ganzen Lärm veranlaßt. – Die Briefe von den beiden Lotten an Nanny und Christel halte ich doch nicht zurük, und schikke alles mit der Reitpost damit Du nicht wieder vergeblich wartest. Mit der Sommerreise lasse ich es, Du kannst ihnen lieber hier eine aussuchen. Wenn du Carl Röder siehst so frage ihn doch wie man am besten Briefe an Wilhelm bestellt, grüße ihn herzlich, und sage ihm | geschrieben würde meines Wissens jezt gar nichts der Arme darf wahrscheinlich nun auch gar nicht lesen. Grüße auch alle andern Menschen die nach mir fragen. Ich wollte gern mit dem Fortschiken des Briefes warten bis auf den lezten Moment um noch Deinen Brief abzuwarten der doch gewiß kommt aber es geht nicht einer lieben Landsturms Conferenz wegen die gewiß zu lange dauern wird. Liebste Jette ich werde jezt ungeheuer zu kämpfen haben mit der Ungeduld bis ich weiß ob ihr reiset und täglich in der größten Spannung sein ob nicht Nachrichten kommen die es wieder unwahrscheinlich machen Da kommt der Briefträger mit einem Briefe an Nanny und sagt mir die schlesische Post, die schon da sein müßte sei ausgeblieben. Vielleicht ist es nur ein Zufall! – vielleicht ist etwas vorgefallen was alle meine schönen Hofnungen wieder vernichtet und Euch das Reisen unmöglich macht. – Unsicher übergebe ich also auch diesen Brief mit seinem ganzen Inhalte der Post. Ich begreife indeß die Sache nicht recht, die Breslauer Post müßte doch haben abgehen und durchkommen können. Daß ich nun wieder mit so unruhigem Herzen schließen muß. Gott nehme Dich mit allem was uns lieb ist in seinen Schuz. Und laß es dabei. Sobald Du wegen des Standes der Dinge dort kommen kannst so komme ja denn hier ist alles

260

265

270

275

280

285

290

295

26. 5. 1813

300

305

409

vollkommen gut. Ich drüke Dich an mein Herz mit der zärtlichsten Sorge und mit der innigsten Sehnsucht. Gott führe uns bald und glüklich wieder zusammen. Grüße alles und gieb allen Kindern den zärtlichsten Kuß von mir. Dein höchst verlangender und bekümmerter Ernst Den Brief von ÐBeckÑ habe ich aufgemacht weil ich mir einbildete wegen „frei Hamburg“, es könne aus Bremen sein. Sobald ich den Namen sah habe ich ihn wieder zugemacht

3883. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Mittwoch, 26. 5. 1813

5

Ahnt, dass schon alles entschieden sein könnte, wenn Schleiermacher den Brief lese. Der Brief mit dem Koffer (Brief 3873) sei noch nicht angekommen. Beschreibung ihres Tagesablaufs. Sie habe den ersten Sturm und Schreck glücklich überstanden, sie wolle ruhig in Schmiedeberg ausharren oder notfalls auf eine Berghütte ausweichen. Frau von der Marwitz sei nach Böhmen gegangen. Nennt diejenigen, die in Berlin geblieben sind: „Die Glüklichen die dort geblieben sind“.

3884. Von Luise von Willich. Vor dem 27. 5. 1813 Mein Bruder, ich grüße Dich – ach könnte ich, wie ich mögte – nur in einger Entfernung mögte ich jezt von Dir sein – nicht sollst Du Unruhe 3883. Überlieferung: h: BBAW, SN 779/2, Bl. 28v. Erschlossen aus Brief 3886, Z. 89 f. und Brief 3895, Z. 49. Der Brief ging am 2. 6. 1813 ein. Zum Eingangsdatum und Inhalt vgl. auch Brief 3894, Z. 59–63 an die Gräfin Voß und Brief 3897, Z. 8–10 an Henriette Schleiermacher. 3884. Überlieferung: H: BBAW, SN 428, Bl. 77. Die Datierung ergibt sich daraus, dass der schwedische Kronprinz am 17. Mai auf Rügen landete und dass Schleiermacher diesen „kleinen Zettel“ im Brief 3882, Z. 139–144 erwähnt. Schleiermachers Brief 3881 an Luise von Willich vom 23. 5. 1813 hat diesen Brief wohl noch nicht vor sich, denn Schleiermacher schreibt seiner Frau am 27.7., er wolle Luise schon zurechtsetzen (Brief 3882, Z. 139–143).

410

Briefe 3884–3886

und Sorge durch mich haben – aber wenn Du Pflege bedarfst – Du weist nicht was Du bedarfst das nur wollte ich dann besorgen – Jettchen dauert mich unendlich – warum behieltst Du sie nicht bei Dir? „Glük und Unglük – bis daß der To d t Euch beide scheide“ so heist es doch – und darin liegt ja Glük und Seegen wie konntest Du sie weg schiken? Wie mein Bruder! Gott beschüze und seegne das Ganze, so wird ein jeder Muth haben das Einzelne zu tragen! Luise Ich habe den Prinzen recht ins Auge sehen können, es war ein feierlicher Moment in [dem] er e n d l i c h im vollen Geläut aller Glocken und bei der herrlichsten Music – da war – w i r k l i c h nun da war. –

5

10

3885. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 29. 5. 1813 Sonnabend den 29ten. Abends. Kaum war mein heutiger Brief auf die Post gegeben als ich über die wunderbare Erscheinung des Ausbleibens der schlesischen Post einige Auskunft erhielt. Es soll sagen sie herrühren von der Thorheit eines Postmeisters der ich weiß nicht auf welches Landsturmgeschrei gleich mit allen Pferden davon gelaufen ist. Zugleich erfuhr ich daß die am Dienstag von hier abgegangene Reitpost aus demselben Grunde auch dort nicht angekommen ist, und du Liebe also auch ohne Brief geblieben und vielleicht in unnöthige Sorge versezt bist. Verfluchtes Volk, was immer gleich den Kopf verliert und dadurch Andere in Angst und Noth versezt! – Da es nun aber doch möglich ist daß eben diese Geschichte auch auf die heutige Reitpost noch Einfluß hat die fahrende hingegen die einen andern Weg geht glüklicher ist: so schike ich dir diese Zeilen mit der fahrenden um Dir den Hauptinhalt meines heute abgegangenen Briefes zu wiederholen. Nemlich Du sollst, wenn dort der Weg sicher ist, das heißt wenn Du noch hinter unseren Armeen entweder den graden Weg oder den über Goldberg und Polkwiz oder den über Liegnitz und Lüben reisen kannst, je eher je lieber die Rükreise antreten am liebsten mit einem Fuhrmann, sollte der aber nicht zu haben oder zu theuer sein wie du am liebsten willst mit Post oder Extrapost, sollst aber vorher mit Christelchen einige Gebirgstouren gemacht haben und Nanny wenn Du sie missen kannst dort lassen um eine Gelegenheit nach Pless abzu3885.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 25.

5

10

15

20

Vor dem 27. 5.–30. 5. 1813

25

411

warten. Hier ist alles vollkommen ruhig und sicher und also kein Grund länger getrennt zu bleiben. – In dem heutigen Briefe waren viele Einlagen und ich rechne gewiß darauf daß er ankommt wenn auch vielleicht einen Posttag später. Gott sei mit dir und helfe dir diesen meinen sehnlichsten Wunsch glüklich ausführen. Ich umarme dich und die Kinder aufs herzlichste

3886. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 30.5. bis Dienstag, 8. 6. 1813 Sonntag d 30t. Mai

5

10

15

20

Mit welchem gepreßten Herzen seze ich mich hin dir zu schreiben liebes, jezt für mich vielleicht auf lange ganz verlorenes Weib. Wirst du je diese Zeilen lesen? wird, und wann und wie wird die Zeit kommen die uns wieder vereint? Gott! Gestern schreibe ich Dir noch mit der fröhlichsten Hofnung daß du zurükkommen sollst; wir wußten nichts von dem Rükzug der Armee auf schlesischen Grund und Boden, ich glaubte es so gern und leicht, daß auch das Ausbleiben der Post anders zusammen hing – und nun bekommen wir heute die Nachricht von dem glänzenden Gefecht bei Haynau! Es hat mich wie ein Donner getroffen. Wie mag Dir nun zu Muthe sein! und wo magst Du sein? Sizest Du in einem böhmischen Winkel ohne irgend eine befreundete Seele? oder bist Du noch in Schmiedeberg in Angst daß Du jede Stunde fort mußt? Und ich der ich Dein Rath und Schuz sein sollte size hier! O ich mache mir die bittersten Vorwürfe daß ich dich aus verruchter Unbeholfenheit habe reisen lassen! O Gott es ist eine schwere schwere Prüfung und ich weiß nicht wie ich sie überstehe. Mein süßes Herz! habe ich mich nicht schwer an dir und den Kindern versündigt? Habe ich nicht muthwillig das härteste Schiksal beschleunigt was erst aus großen Begebenheiten hätte hervorgehn sollen? Bist Du nicht einsam und verlassen als ob Du schon meine Wittwe wärest? Es wird mir alles so trübe daß ich es dir nicht beschreiben kann, und auch für die große Sache wird mir bange. Dieses ewige Zurükgehn schwächt | nothwendig den Muth und verwirrt alles. Von Oestreich ist alles still und also darauf gar nicht zu rechnen, der Kronprinz von Schwe3886. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 26–32; D1: Br 2, S. 295–297. 290–295. 297 f. (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 178 f. 180–183. 174–176. 185 f. (gekürzt, Ergänzungen zu D1). Mit einer Geldanweisung über 50 Rth (die eigentlich dem nicht beförderten Brief 3873 beilag).

26v

412

Brief 3886

den zögert auch sagt man weil er nicht findet was Rußland und Preußen ihm versprochen haben. Und das Volk? Mein Gott ist auf das zu rechnen? Wie viele giebt es die ein Gefühl vom Vaterland haben? Es kann sein daß Hamburg in diesen Tagen fällt – O Gott mein Herz kann der Einzelne für sich etwas besseres hoffen als einen edlen Untergang. Du süßes Weib das ich in mein Schiksal verflochten habe, hätte ich dich wenigstens an der Hand! schaute ich Dir ins Auge, wärmten und stärkten wir unsere Herzen an einander! Meine innige Liebe zu dir und den Kindern – aber ich gestehe es Dir doch die Kinder sind mir in diesem Augenblik sehr untergeordnet weil sie noch so unbewußt sind über alles dieses, tief im Grunde liegt freilich eine ungeheure Liebe auch zu ihnen die in jedem Augenblik eine Löwenliebe werden könnte – diese Liebe ist das einzige süße Gefühl, aber wie verzehrend süß. Jette Weib meines Herzens ich muß aufhören, ich muß mich losreißen, ich bin zu aufgelöst.

27

D i e n s t a g A b e n d . Nachdem ich heute nicht weniger als vier Briefchen an Dich geschrieben und abgeschikt und nun noch eine Relation von dem Gefecht bei Halberstadt für den Correspondenten redigirt habe, fahre ich nun in diesem ordentlichen Briefe fort, viel ruhiger als Vorgestern aber doch in großer Pein und Qual bis ich Nachricht von dir habe. Die am Sonnabend ausgebliebene und Gestern nachgekommene schlesische Post hat mir ein Briefchen von Röder aus Goldberg gebracht, und ich begreife | nun nicht recht wie sie mir keinen aus Schmiedeberg hat bringen können. Die heutige Post die sonst schon Vormittag komt erwartet man diese Nacht. Ich bereite mich schon vor darauf daß sie mir auch nichts bringt wenn man nicht gleich so klug gewesen ist von Euch die Briefe über Breslau zu schiken. Wie wird mir das Herz schlagen je näher die Stunde kommt wie werde ich mich quälen mit tausend fatalen Vorstellungen was sie mir alles bringen kann, und wie werde ich aller Vorbereitung zum Troz doch niedergeschlagen sein wenn sie mir gar nichts bringt. Als ich mich vorgestern losgerissen hatte vom Schreiben und den Schattengang hinauf ging kamen mir Reimer und Mine mit ein Paar Kindern entgegen, er voll guten Muthes und großer Sicherheit mit Oestreich. Nicht lange darauf kamen Schedes und die Sebälder und später Woltmann Harscher und Dreist, Reimers aber blieben nicht weil sie selbst Leute hatten. Wir tranken draußen in der Vertiefung Thee, der Abend war schön und die Leute recht hübsch vergnügt so daß ich glaube sie

57 darauf] folgt 〈gingen〉

58 Harscher] mit Einfügungszeichen über der Zeile

25

30

35

40

45

50

55

60

30. 5.–2. 6. 1813

65

70

75

80

85

90

95

413

haben es übersehen daß alles knapp war und sehr mager. Schreiben konnte ich doch nicht mehr nachdem sie weg waren. Die Nacht brachte ich, ich weiß nicht weshalb da das sonst gar nicht meine Art ist, großentheils schlaflos zu halb in Dumpfheit und Verdruß, halb in brünstigem Gebet für das Vaterland und für Dich. Mittags aß ich versprochenermaßen bei Buttmann mit dem ganzen Klub Marheinecke Boeckh Weiss und Göschen. Die Leute hatten alle viel Muth, freilich nicht sonderlich begründeten, Nachmittags wuchs er mir selbst etwas mehr durch den Brief von Roeder. Gott lasse alle guten Hofnungen in Erfüllung gehen. Nach einer langweiligen Landsturms Conferenz ging ich noch auf ein halb Stündchen hinaus um doch den Garten etwas genossen zu haben, weil ich den Abend bei Reimers sein sollte. Ich wollte et|was Schlaf nachholen, es ging aber nicht sonderlich und brachte mir nur zu Wege daß ich meine Zauberflasche zerschlug. Desto weniger konnte ich munter sein bei Reimer ohnerachtet Arndt Scheel Süvern und Göschen alle ziemlich lebendig waren. Von Göschen hatte ich noch den Vortheil daß er mir versprach Briefe zu besorgen und so habe ich denn heute viere – aber freilich auch alle so klein als Vierlinge – an dich geschrieben. Die Relation aber die ich aus einem confusen Manuscript von dem Kammerherrn Böticher in Ordnung gebracht habe hat mich ermüdet, ich wollte dennoch damit noch in die Stadt zu Göschen zum Glük aber kam mir der noch in der Schanze entgegen und so haben wir noch ein Weilchen geplaudert. Nun aber muß ich auch schlafen gehn mit dem heißesten Wunsch Morgen einen Brief und der mich einigermaßen beruhigen könnte von Dir zu bekommen. – Podewils hat mir noch antworten lassen Alexander wäre bei dem Gefecht gewesen und befinde sich gesund und wohl. Daß er aber gar nicht schreibt! Sollte er Dir etwa geschrieben haben? Denn durch meinen lezten Brief hat er erfahren daß Du in Schmiedeberg bist. M i t t w o c h N a c h m i t t a g . Vor einer Stunde liebstes Herz habe ich Deinen Brief vom 26ten erhalten, ich war mit schwacher Hofnung länger drin geblieben als nöthig gewesen wäre. Er hat mich unendlich erfreut daß du den ersten Sturm und Schrek glüklich überstanden und daß ich alles was du beschlossen und gethan, auch das mit den Grenzbauden gar sehr loben muß, daß du alles unter den gegebenen Umständen mir ganz aus der Seele gethan, das freut mich ganz unendlich und ich bin voll innigen Dankes gegen Gott. Wenn ich gefehlt daß ich Dich reisen ließ, wie ich es denn nicht gewiß weiß und mir von Zeit zu Zeit immer noch 64 halb] korr.

97 immer] korr. aus wieder

27v

414 28

28v

Brief 3886

Vorwürfe darüber mache, so büße ich auch genug dafür | um hoffen zu dürfen daß Gott es übrigens zum Besten wenden wird, wie es mir denn für dich als eine Entwiklung Deiner innern Kraft erscheint die Vertrauen und Selbstständigkeit gar sehr bei Dir erhöhen muß. Ach mein Herz ich sage mir bisweilen daß ich durch dein Wegschiken denselben Fehler zum zweitenmal begangen habe. Das erste mal gab ich die Sorge für Deine Seele zu früh auf dadurch daß ich Dich hingehn ließ ohne Dich zu halten, und jezt zu früh die Sorge für dein Leben und Bestehn indem ich Dich von mir sandte. Aber wie ich mich daran freue wie Du dich bewährst das kann ich Dir nicht genug sagen. Nur laß Dir nun auch erzählen wie ich meine Freude wieder mit heißen Thränen begießen muß. Ich sehe aus Deinem Briefe deutlich daß der Brief, der am 19ten zur fahrenden Post gegeben ist mit dem Koffer und in dem die Assignation lag, der schon am 24ten hätte ankommen sollen am 26ten noch nicht angekommen war. Dieser Brief hatte auch mit der Nachricht wegen Alexander geendet. Also beschließe ich zu Pistor zu gehen damit der Nachforschungen anstelle und bei dem höre ich denn daß die Franzosen wahrscheinlich in Breslau sind, daß sie wenigstens beim Abgange der Stafette vorgestern Nachmittag in Neumarkt waren. Ich sehe es so schlimm nicht an wie er, der alles dort für verloren giebt; aber die dieser Nachricht zufolge sehr eingezwängte Stellung unserer Armee, die den schönsten Theil von Schlesien schon Preis gegeben und nur noch die Festungen und Oberschlesien im Rücken hat also sehr bald wegen der Lebensmittel in Verlegenheit gerathen muß | und dazu nun noch die Unzufriedenheit mit dem Chef und die Veränderlichkeit des Commando das alles ist freilich eine traurige Perspective und wenn dort eine abermalige Schlacht verloren geht ehe etwas sehr kräftiges von der Elbe aus geschieht so kann allerdings die nächste Zukunft und auch unsere persönliche Lage sehr dunkel werden. Ach Gott daß ich so gar nichts thun kann weder für das Ganze noch für Dich, ganz auf Wünsche und Gebete, auf eine leidende Liebe zu Dir und zu der großen Sache beschränkt bin. Ach die Trennung die Trennung ist unter diesen Umständen zu fürchterlich. Was Du Gute so liebevoll sagst es sei dir tröstlich wenigstens mich in gefahrloser Ruhe zu wissen, das hat mir einen recht tiefen Stachel ins Herz gegeben, und wie du schreibst „die Glüklichen die dort geblieben sind.“ Ach einziges Weib bis zur Verzweiflung kann es mich bisweilen angreifen daß ich dich von mir gelassen. – Mit Alexander müssen wir es nun gehn lassen; ich kann nicht glauben daß sein Gefühl beleidigt sei, ich bin mir nichts dergleichen bewußt, und dächte ich müßte 104 dadurch] korr. aus indem

117 die] korr.

100

105

110

115

120

125

130

135

2. 6.–3. 6. 1813

140

145

150

155

160

165

170

415

ihn nur in Liebe an mich gezogen haben. Du liebes Weib auch dieses Leiden theile ich mit Dir, mit welcher Freude würde ich dir die ersten Zeilen von ihm schiken. Wenn Du aber in Deinen Nachmittagsstunden an ihn geschrieben hast hättest Du es mir schiken sollen, ich würde es doch nicht eher abgesendet haben bis er von sich hätte hören lassen. Nun deine Ahndung daß wenn ich deinen Brief erhielte alles gewiß schon entschieden wäre. Ach wie überfällt sie mich! Ja wer weiß was seit Vorgestern schon vorgefallen ist! In Einem Stück bist Du viel glüklicher als ich Du lei|dest aber du hast zu handeln dabei. Aber wie kann ein Herz zerrissen werden bei dem bloßen Zusehen. Und daß ich mich darauf in Bezug auf dich selbst reducirt habe – ach ich verwinde es nicht bis ich Dich wieder in meinen Armen halte, und ich werde mich kaum würdig finden Dich in meine Arme zu schließen Ich war in den Garten gegangen um mich zu sammeln. So wie man zur Saalthür hinaustritt umstrickt einen der Akazienduft mit einer Art von Zauber; ich ging zu den Rosen, die gerathen dies Jahr schlecht wegen der Dürre; aber indem ich da ging freute ich mich Deines Naturgenusses, wünschte Dir innigst viele schöne Augenblike, eine unendliche Sehnsucht überfiel mich aufs Neue nach Dir und besonders auch nach den Kindern aber ich genoß dabei in herzlicher Freude was du mir von ihnen schreibst. Das Sammeln war mir aber schlecht gelungen. Ich komme zurük, halb unbewußt öfne ich die Schieblade deines Schreibtisches. Da finde ich mehrere Zettel von Rahel, eine Zeichnung von Alexanders Potsdammscher Wohnung, von Deiner Hand ein Stük aus einer Elegie von Solon – woher hast Du das? Zettelchen von Lotte Kathen und Lotte Pistorius. nur in der großen Eile des packens vergessen. Ich fühlte wie reich eigentlich das Leben sei, daß du das so fast als Kehrigt konntest liegen lassen; aber zugleich überfiel mich ein Gefühl von unendlicher Ausgestorbenheit. Nun aber will ich mir Gewalt anthun und arbeiten damit dieser Zustand nichts krankhaftes werde. D o n n e r s t a g A b e n d Ich habe Dir noch gar nicht gesagt daß ich mit Deinem Briefe zugleich ein Paar Zeilen von Nanny bekommen habe als Enveloppe für einen Brief an Harscher worin sie endlich von ihrem Verhältniß redet. Ich erzähle es Karolinen die wie Wilhelmine schon öfters darauf angespielt haben, und sage ihr wie wenig Freude ich eigentlich daran habe, da gesteht sie mir denn sie glaube gar nicht daß es etwas fürs Leben sein werde, sie traue ihm gar nicht zu daß er auch | nur dieses 172 dieses] folgt 〈f〉

29

29v

416

Brief 3886

wonach er so lange gestrebt fest halten könne, und sie wünschte nur Nanny hätte es erst überstanden das ist noch eine tröstliche Ansicht! Ach ich wollte recht daß Nanny bald nach Pleß könnte, und daß sie gewiß nicht mit Dir zurük käme. Ich aß bei Schedes zu guter lezt in der Stadt denn sie ziehen heute ganz hinaus in den Garten. Beim Herausgehn machte ich einen kleinen Spaziergang durch den Thiergarten freute mich des bei dieser Dürre noch bewunderswürdig schönen Grüns erinnerte mich sehr lebhaft des lezten Spazierganges mit Dir und Christel so daß Du ganz lebendig vor mir standest in Deiner frischen jugendlichen Gestalt wie du Blumen pflüktest, ich freute mich wieviel schöner Du es noch dort haben könntest dachte zwischen durch an meine Pfingstpredigt, und war mit heißen Wünschen und inbrünstigem Gebet bei unserm Herrn. – Dann kam die Loder und Bothe mit Pfund und diese wurden abgelöst von Pischon Sak Neuendorf und Grell die sich gemeldet hatten. Die Leute gingen mir aber wiewol recht vergnügt und aufgeregt gleich nach dem Thee weg und mein aufgeschnittenes Fleisch und Milchbrodt muß umkommen zu Sophiens großem Jammer. Der Gedanke wer weiß was nun schon geschehen ist verfolgt mich zwischen alles und ich wechsle mit den entgegengeseztesten Ahndungen. – Noch Eins. Ein Fräulein Golz schikt heute zu mir und läßt fragen ob ich nichts an Marwiz zu bestellen hätte, und ich konte mich doch nicht enthalten ein Paar Zeilen zu schreiben worin ich ihm aber bloß sage ich könnte ihm eigentlich nicht schreiben da er gar nicht schriebe, dann ein Paar Worte über seinen Uebergang zu Czernischef, und daß ich jezt ganz von dir abgeschnitten wäre, weiter nichts. Nun gute Nacht süßes Herz. Ich bin gestern wegen einer plözlichen Arbeit erst um 2 Uhr zu Bette gekommen und muß heute nachholen. Bei Deiner Tagesbeschreibung hast Du gar nicht bemerkt wann Du aufstehst, das wüßte ich auch gern. | 30

F r e i t a g A b e n d . Heute nur ein Paar geflügelte Worte mein Herz weil ich sonst nicht ruhig zu Bette gehn kann. Wunderliches ist mir heute begegnet. Eichhorn und Savigny machten mir die Proposition mich vom Ausschuß nach dem Hauptquartier schicken zu lassen um allerlei hiesige Angelegenheiten von Wichtigkeit zu betreiben. Denke Dir welch ungeheurer Reiz: ich hätte Euch dann sehr leicht gesehn und auf jeden Fall Euch mit zurükgenommen oder wenigstens wieder unser Schiksal verbunden. Welche liebliche und welche romantische Bilder schwebten mir vor. Allein ich widerstand glüklich allen diesen Reizen weil mir die Sache so nicht zwekmäßig schien, und das rechne ich mir zur großen Tugend an. Ganz hat sie sich noch nicht zerschlagen, ich habe Bedingungen gemacht

175

180

185

190

195

200

205

210

3. 6.–6. 6. 1813

215

220

225

230

235

240

245

417

durch die sie ein anderes Ansehn gewinnt, die sie aber schwerlich werden realisiren können. Dies und der Landsturm hat mir den ganzen Tag eingenommen; zwischendurch hat mich die große Sache, wie in diesen Tagen beständig höchst andächtig bewegt. Die Leute sind heute toll hier, weil eine Nachricht eingelaufen ist daß die Oestreicher in Schlesien sind. Mir kommt sie nur ganz abgeschmakt vor; sie sollen auf einmal wie vom Himmel herunter ein Paar Meilen von Glogau erschienen sein, ich glaube also daß die Sache auf einem groben Mißverständniß beruht. In allen Geschäften übrigens in aller Andacht und in allen Fabeln begleitest Du mich mein Herz, Du und die Kinder die mir durch Deinen Brief wieder in wahrer Herzensfreude ganz lebendig geworden sind. Nur daß ich noch gar kein Wörtchen weiß wie ihr wohnt. Nun gute Nacht mein Herz! Möchtest du ruhig in Schmiedeberg bleiben können und nicht nöthig haben auf die Berge zu klettern! Daß sich Bonaparte in keiner glänzenden Lage befindet merkt man seinen Redensarten wohl an. Gute Nacht, gute Nacht. | S o n n t a g , e r s t e r P f i n g s t t a g Abends. – Gestern liebes Herz habe ich nun nichts an dich geschrieben als das Zettelchen was ich auf Gerathewohl wie alle bisherigen auf die Post gegeben habe. Ich ging Mittags in die Sonnabendgesellschaft wo Klewiz war der aus Breslau vor wenig Tagen zurükgekommen ist. Ich sprach viel mit ihm und freute mich doch sehr an seiner braven Gesinnung. Er erzählte auch über die Schlacht von Bauzen, man würde sie gewiß gewonnen haben wenn man die Reserven ins Feuer gebracht hätte der König selbst hätte es aber nicht gewollt, weil er fürchtete Bonaparte möchte nach seiner bekannten Manier hernach noch eine neue Masse bringen für die man dann nichts mehr gehabt hätte. Er hatte aber wirklich keine. Es ist übermäßig vorsichtig, und wenn man so vorsichtig sein will muß man eigentlich gar nicht schlagen wenn man nicht gewiß weiß daß man stärker ist und darauf scheint man es jezt anzulegen und zu warten bis die Oestreicher im Rüken sind. Nämlich Klewiz versichert daß man im Hauptquartier ganz fest überzeugt ist daß die Oestreicher kommen. Er rühmte gar sehr das gute Vertrauen was der König habe und den fortwährenden guten Muth der Armee. Czernischef soll bei seiner jezigen Expedition französische Briefe aufgefangen haben wo von der Schlacht bei Bauzen gesprochen wird als von einer dreitägigen Schlacht, die gar kein Resultat gegeben. – Abends kam Twesten der von mir erst erfuhr daß die schändlichen treulosen Dänen auch Franzosen 243 Er] korr. aus K

30v

418

31

Brief 3886

nach Hamburg gelassen haben. Ich hoffe daß die Engländer dafür Coppenhagen anzünden werden. Schreiben konnte ich dann nicht mehr an Dich weil ich doch an meine Predigt denken mußte. Aus der ist nicht viel geworden, theils war ich überhaupt zerstreut, theils begegnete mir noch etwas sonderbares in der Sacristei was ich dir doch erzählen muß. Ich bekam auf einmal ich weiß auch gar nicht durch welche Gedankenverbindung eine schrekliche Angst davor daß ich nicht ohne Todesfurcht sterben würde, daß es ordentlich in Be|klemmung ausartete und gewiß einen schwächenden Einfluß auf meine Predigt gehabt hat. Du weißt ich habe dir ein Paarmal den Gedanken geäußert, bei einem natürlichen Tode wäre ich nicht ganz sicher keine Furcht zu haben, aber als ein solches ängstliches Gefühl hat es mich noch nie befallen. Es komt aber auch von der Einsamkeit; wenn Du da wärest könnte es mir gar nicht einfallen. Nachmittags hoffte ich leise auf einen Brief von Dir denn die Breslauer Post soll in der Nacht angekommen sein aber vergeblich. Ich will deswegen dem Gedanken nicht Raum geben daß die Franzosen in Schmiedeberg und Ihr in den Grenzbauden, sondern nur daß der neue Postenzug noch nicht im gehörigen Gange und dein Brief zu spät in Breslau angekommen ist. Ich ging heraus, es regnete, und so schön und fruchtbar der Regen auch war, ich ward doch etwas melancholisch. Ich zwang mich zur Arbeit, das ging auch ich schrieb ein Gut Stük Predigt, fast einen halben gedrukten Bogen und zu meiner Zufriedenheit aber so oft ich pausirte und in die Saalthüre trat überfiel mich die trübselige Stimmung. Ich wurde angenehm daraus errettet durch Mine Reimer die mit den beiden Mädchen und Carl und Arndt kam, hernach kam auch noch Dreist und wir waren recht vergnügt und tranken auch auf Dein baldiges Wiederkommen, aber ich mußte selbst die Gesundheit ausbringen. Hintennach erzählte mir noch die Kinderfrau Otto wäre im Hause gewesen und ließe mir sagen der Koffer stände noch ganz ruhig hier. Das ist mir eben so lieb, wenn nur der Brief auch da ist, sonst giebt es noch eine Menge Weitläuftigkeiten wegen der Assignation. Das traurige ist nur daß Du das Geld nicht in [die] Hände bekommen hast und ich dir nun keines schiken kann. Nun gute Nacht liebstes Weib. Es kommt mir doch vor als ob ich Dir zuviel vom kleinlichen Leben verschwazte, ich will das auch ändern. |

268 ich] korr. aus es

272 durch] folgt 〈 Ð

Ñ〉

250

255

260

265

270

275

280

6. 6.–7. 6. 1813

285

290

295

300

305

310

315

419

M o n t a g . Heute habe ich mir etwas zu Gute gethan was mir noch nicht vorgekommen war: ich habe schon um fünf Uhr Morgens einen Spaziergang durch den Garten gemacht. Es hatte die Nacht geregnet, der Morgen war herrlich, die Rosen haben sich auch sehr erholt und versprechen noch eine schöne Nachflor. Liebe wann stehst Du denn auf? Genießest du gar nicht die Herrlichkeiten des Morgens? und hast Du nicht zu derselben Zeit beim ersten Erwachen wenigstens einiges Verlangen nach mir, wie das allerinnigste und zärtlichste nach Dir mein erstes Gefühl ist und mein leztes? Jede Schönheit des Gartens sah ich mit Bedauern darauf an daß wenn auch alles noch so glüklich geht sie doch schon verblüht sein wird wenn Du zurükkommst – Vormittags hat Pischon sein Kind getauft und ich habe Gevatter gestanden. Ich habe es recht erfreulich gefühlt wie er das Christenthum überhaupt und so auch sein Amt im schönsten Sinn aufgefaßt hat. Das sprach ganz deutlich aus seiner Rede, etwas zu lang würdest du sie vielleicht auch gefunden haben. Ich war recht schön bewegt von der Sache, die schönsten Augenblike unseres Lebens und die süßen Vaterfreuden die ich dir verdanke und in der Welt nur Dir verdanken konnte regten mich zum innigsten Dank und zum sehnlichsten Verlangen auf; das stille sichre Glük der beiden Leute rührte mich herzlich, und ich gab aus vollem Herzen dem Kinde alle guten Wünsche mit die einem Mädchen am meisten Noth thun. Ich aß hernach bei Schedes draußen. Wilhelmine ist nun eben so den ganzen Vormittag in der Stadt wie sie sonst im Garten war, ich habe ihr auch gesagt sie sei eine ganz verrükte Person. Karoline ist doch eine gar liebe Seele, sie grüßt Dich herzlich und nimmt einen rechten Antheil an meinem verwaiseten Zustande. Dann ging ich noch mit Carl und Wilhelmine bis an Bellevue, dann zu Mine Reimer um mit ihr Abrede zu nehmen wegen einer Reise nach Zossen wo Reimer Mittwoch sein wird und wir ihn besuchen wollen. Du siehst laufen kann ich auch genug an einem Tage denn Pischon wohnt in der alten Jakobsstraße und taufte in dem sehr niedlichen Garten. – Nun gute Nacht liebstes Herz. Wüßtest Du nur wie Du mir immer gegenwärtig bist! – Kann ich aber nicht bald Gelegenheit finden dies Pak abzuschiken so höre ich auf mit dem täglichen Plaudern, und es muß dir sonst wenn du auch noch so viel guten Willen und Geduld mitbringst zur Pein und Langeweile werden wenn Du so ungeheure Massen auf einmal bekommst. Ach möchte sich doch alles bald ändern. |

311 Mittwoch] ittwoch über 〈orgen〉

31v

420 32

32v

Briefe 3886–3888

D i e n s t a g d e n 8 t e n M i t t a g . Aus den Wolken sind wir hier alle gefallen über die Nachricht von dem Waffenstillstand. Noch weiß man zu wenig näheres davon um darüber zu urtheilen und ich will mich nicht zu denen gesellen die voreilig schimpfen. Gefährlich ist die Sache freilich; aber ich will mich der Besorgniß noch nicht überlassen, daß dies zu einem schlechten Frieden führen wird. Dazu aber soll es mit Gottes Hülfe führen daß wir wieder zusammen kommen und ich bin außer mir vor Freude wenn ich daran denke. Du wirst gewiß von selbst reisen, sobald du dich überzeugt hast, daß vermöge des Waffenstillstandes alles völlig sicher ist. Ich wünsche indeß, daß du noch einen Brief von mir abwartest, doch versteht sich wenn sich nicht mittlerweile eine besonders günstige Gelegenheit darbietet. Ich habe eigentlich keine andere Ursach zu diesem Wunsch als die sehr entfernte Möglichkeit, daß aus meiner Reise noch etwas würde und wir uns dann verfehlen könnten. Also nach diesem Maaßstab handle – Den Koffer habe ich heute von der Post wieder geholt, der Brief war auch noch da; ich schike Dir nun die Assignation die darin lag auf 50 R Courant vorzüglich deswegen damit Du nicht zu viel von Deinem eingewechselten Golde nachtheilig zu verwechseln brauchst. Auf jeden Fall seze Dir soviel Du zur Rükreise brauchst in Schmiedeberg wieder um; denn unterwegens würdest Du sehr viel Schaden haben Den Kofferbrief behalte ich zwar zurük; aber das große Paket was ich seit Acht Tagen zusammengeschrieben verurtheile ich Dich doch noch zu lesen. Mein Gott wie werde ich nun die Tage zählen. Ich | rechne daß wenn Du auch noch einen Brief von mir abwartest (aber warte nur lieber keinen ab) Du doch spätestens Morgen über Acht Tage reisest ach und reise nur so schnell Du kannst. Wartest Du keinen Brief mehr ab so kannst du gewiß schon am Ende der andern Woche hier sein. Und nie nie liebste Jette trennen wir uns wieder so. Und wenn auch, wie ich hoffe, der Krieg sich erneuert, und wie ich noch mehr hoffe die Einrichtung des Landsturms als ein ewiges Gesez stehen bleibt – nicht eher bis die wahre höchste Noth da ist schicke ich dich von mir. Nanny muß mit 15 r auf der ordinären Post nach Plesse reisen können. Laß ihr also soviel für diesen schlimmsten Fall. Es wird sich in der Folge schon Gelegenheit machen ihr etwas zukommen zu lassen. Wie gern hätte ich euch und machte noch eine schöne Reise nach Breslau und durch das Glazische mit Euch aber es will doch gar nicht gehn. Ich schreibe wol noch ein Blatt an Nanny und lege es offen ein in der Absicht daß Du es vorher lesen sollst. 324 aber] über 〈und〉

329 abwartest,] folgt 〈wenn〉

320

325

330

335

340

345

350

355

Vor dem 31. 5.–1. 6. 1813

360

Adieu Rausch wartet. Nur noch einmal hoffentlich wieder. Grüße Alles herze die Kinder

421

dann sobald nicht

*3887. Von Wilhelm von Röder. Goldberg, vor dem 31. 5. 1813 Ein „anderes Volk“ werde in den Krieg eingreifen.

3888. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 Berlin d 1t. Junius

5

10

15

Liebes Herz ich schreibe dir wie bisher täglich; aber ich schike Dir dies nicht bis der ordentliche Postenlauf wieder hergestellt ist. Dagegen versuche ich auf so vielen Wegen als möglich Dir kleine Zettel zukommen zu lassen. Mache Du es nur auch so, und namentlich schreibe an jemand etwa an Gass nach Breslau (wenn man nicht schon von selbst auf der Post die Briefe über Berlin gehn läßt) und lege etwas an mich ein. Zwischen Breslau und hier wird man doch die Communication wenn auch auf der andern Seite der Oder so lange als möglich zu erhalten suchen. Ich schreibe noch an Gass und trage ihm auf dich wissen zu lassen ob es sichere Wege giebt von Breslau hieher zu reisen und welche. Denn ich höre daß Mehrere von dort zurükkommen wollen. Denn mich verlangt unendlich Euch wieder hier zu haben und hier ist alles vollkommen ruhig und sicher. Melde mir doch auch in Deinen nächsten Zetteln ob der Koffer der den 24ten hätte ankommen müssen und mit ihm die Assignaten von 50 r auf Waeber glüklich angekommen und ob leztere bezahlt worden ist. Die ausgebliebene Post ist Gestern nachgekommen, hat mir auch einen Brief von Röder aus Goldberg gebracht leider aber keinen von Dir woraus ich *3887. Erschlossen aus Brief 3886, Z. 43–45 an Henriette Schleiermacher; zum Inhalt vgl. Brief 3894, Z. 15–29 an die Gräfin Voß. 3888.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 44.

422

Briefe 3888–3891

schließe daß die Störungen bei Euch früher müssen eingetreten sein. Ich bin zwar nicht mehr so außer mir wie anfangs über diese Wendung der Dinge aber doch sehr gequält und unruhig bis ich irgend eine Nachricht von dir erhalte. Ich wünsche herzlich daß Du ruhig habest können in Schmiedeberg bleiben oder daß Du Dich nur auf so kurze Zeit und so wenig weit als möglich entfernen mögest; im wesentlichen denke ich soll die Stellung der Armee eure Gegend schüzen, und sich bald mit Gottes Hülfe alles anders wenden. Ich will noch zu Savigny der Briefe von seiner Frau haben soll aus Altwasser und hören ob sie irgend etwas von Schmiedeberg schreibt. Ich bin übrigens ganz wohl. Gott führe uns nur bald wieder zusammen. Sobald Du einen sichern Ort erfährst und Du vertrauen kannst die Sicherheit werde lange genug dauern so komme. Dies Vertrauen muß sich aber freilich entweder auf sehr gegründete Begebenheiten oder auf das Beispiel und den Rath von sehr zuverläßigen und wohlunterrichteten Leuten gründen. Gott schüze Dich bestes Weib und Euch Alle und verleihe Dir recht viel Kraft. Alle Briefe von der Armee athmen nur guten Muth. Dein ewig treuer Schl

20

25

30

35

3889. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 Nun mein Herz Gott gebe seinen Segen daß wenigstens eines von diesen Zettelchen zu dir kommt. Du kannst freilich nicht so in Sorgen sein um Nachrichten als ich da Du nicht Ursach hast etwas nachtheiliges zu vermuthen. Ich denke aber es muß dich vorzüglich deshalb freuen weil es dir Hofnung machen muß daß deine Nachrichten auch zu mir kommen. Versuche nur auf alle Weise welche zu geben damit ich aus der Ungewißheit gerissen werde. Wenn ich Dich auf einem böhmischen Dorfe denke erregt es mir einen ordentlichen Schauder. Du Arme was hast Du vielleicht für ängstliche sorgenvolle Tage gehabt. Bleibt es unruhig dort solltest Du doch anderswo hin gehn. Ich habe schon an Gnadenfrei gedacht wenn nur das Geld nicht wäre. Der glükliche Göschen hat seiner Frau 500 r mitgeben können, freilich geborgte aber was schadet das. Ach mein liebes liebes Herz könntest Du doch nur bald wieder hieher wo alles so voll3889.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 46.

5

10

1. 6. 1813

15

20

25

423

kommen ruhig ist. Lange kann ich es warlich nicht aushalten – so nicht. Es wäre ein anderes wenn es eine eiserne Nothwendigkeit wäre und ich in irgend einem großen Gewühl von Thätigkeit. Gott helfe uns bald wieder zusammen! – Ich erinnere auch in diesem Zettel an Nachricht von dem Koffer und der Assignation. Wie glüklich würde es mich machen wenn ich heute eine Zeile von Dir sähe und von den unbestimten ängstlichen Bildern befreit würde. An Deine Stärke und Fassung habe ich unerschütterlichen Glauben. Ich umarme Dich und die Kinder und befehle Euch in Gottes Schuz und Segen. Alexander hat noch nichts von sich hören lassen. Hoffentlich hast Du den Brief mit der Nachricht daß er unsern Brief vom 13ten April endlich erhalten hat noch bekommen. Daß er jezt bei Czernitschef ist schrieb ich Dir neulich. Behalte mich lieb und kom bald zu mir

*3890. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813 Fragt, ob der mit dem Brief 3873 vom 18.–20.5. verschickte Koffer angekommen sei.

3891. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 1. 6. 1813

5

Dienstag d 1st. Jun. Dies ist der vierte Zettel den ich heute schreibe liebste Jette, mich soll wundern wieviele davon ankommen werden. Ich kann aber der Versuchung nicht widerstehen da Podewil, eben angekommen mit der Nachricht von einem sehr hübschen Coup den Czernitschef gemacht indem er ein Transport von 14 Kanonen nebst Zubehör mit seiner Bedeckung aufgehoben, wol diesen Abend nach dem Hauptquartier geht. Wahrscheinlich wird er dieses in Breslau finden und dann soll er dies Zettelchen dort auf die Post geben. Wenn er sich nicht gefaßt machen müßte im Nothfall einen Theil des Weges zu Pferde zu machen so würde *3890. Erschlossen aus Brief 3886, Z. 39 f. und Brief 3891, Z. 1 f., in den von vier am 1.6. verschickten Briefchen an Henriette Schleiermacher die Rede ist. 3891.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 45.

6 aufgehoben,] korr.

424

Briefe 3891–3894

ich ihm Geld mitgegeben haben. Wüßte ich nur erst ein Wort von Dir so wollte ich, wenn es ein tröstliches wäre, ganz zufrieden sein denn sonst habe ich recht guten Muth. Ich glaube ziemlich fest daß unsere Armee keine Schlacht total verliert, und wenn das nur nicht geschieht so muß sich die Sache bald wenden. Wenn Du nur ohne Angst und Noth ruhig hast in Schmiedeberg bleiben können! wenn ich nur hätte mittragen können was Du alles zu tragen gehabt hast. Ich schelte mich in diesem Augenblik recht höchlich daß ich Podewil nicht ausdrüklich nach Alexander gefragt habe allein die Verwirrung und Schnelligkeit war zu groß. Er wurde indeß im Allgemeinen gefragt ob Bekannte geblieben oder verwundet wären und nannte nur Einen andern mir fremden. Also von dieser Seite kannst Du ruhig sein. Gott behüte Dich mein liebes Weib und führe Dich bald wieder zu mir. Auch dieser Zettel muß noch fragen ob Koffer und Assignation glüklich angekommen sind. Behalte nur auch etwas lieb Deinen alten getreuen

*3892. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Vor dem 2. 6. 1813 Teilt ihr Verhältnis mit Harscher mit.

*3893. An Wilhelm von Röder. Berlin, Mittwoch, 2. 6. 1813 oder früher Die trefflichen Männer hätten den Geist ihres Unternehmens wieder nicht festhalten können; der Krieg, wie er bisher geführt worden sei, nämlich in beständigen Rückzügen, könne nicht nur nicht zur Befreiung Deutschlands führen, sondern auch nicht einmal zur Regeneration Preußens.

15 Schmiedeberg] folgt 〈hattest〉 *3892. Erschlossen aus Brief 3886, Z. 166–169 an Henriette Schleiermacher; Umschlag für einen Brief an Harscher. *3893.

Erschlossen aus Brief 3894, Z. 15–29 an die Gräfin Voß.

10

15

20

1. 6.–2. 6. 1813

425

3894. An Luise Sophie Caroline Gräfin von Voß. Berlin, Mittwoch, 2. 6. 1813 Berlin, den 3ten Juli 1813.

5

10

15

20

25

30

Ich bin Ihnen, theuerste Gräfin, noch meinen herzlichsten Dank dafür schuldig, daß Sie mir von dem richtigen Empfang jenes Briefes an Marwitz Nachricht gegeben. Man muß doch auch im kleinen an nichts verzweifeln. Seitdem habe ich gehört, daß er nicht mehr bei Dörnberg ist, sondern sich zu Tschernitschew gewendet und auch die brillante Affaire von Halberstadt mitgemacht hat. Hat der Graf dasselbe gethan? oder war der fester gebunden? Ich lobe es übrigens nicht an Marwitz; dort hatte er einmal einen gewissen Einfluß, und persönlich kann ihm doch der Russe von mancher Seite eben so wenig zusagen. Mich wundert, wenn er ändern wollte, daß er nicht zu seinem ehemaligen Waffengenossen Tettenborn gegangen ist, der sich so vorzüglich wacker Hamburgs angenommen hat, und dem wir Alle die größte Dankbarkeit schuldig sind. Doch was rede ich von andern Dingen, da ich eigentlich zunächst Ihnen nur die einliegenden Zeilen anmelden wollte. Ich habe unserm Freunde schon meine Ansicht mitgetheilt, daß nämlich unsre trefflichen Männer wieder den Geist ihres Unternehmens nicht haben festhalten können, und daß der so geführte Krieg nicht nur zur Befreiung Deutschlands nicht führt, sondern auch nicht einmal zur Regeneration des preußischen Staates. Durch das glücklichste Vorrücken könnten wir jezt zwar Deutschland erobern, aber nicht es befreien; denn die Leute werden nach so großen Beweisen, daß wir unsre Virtuosität in retrograden Bewegungen suchen, nicht das Herz haben, sich frei zu machen. Deutet Wilhelm, wie ich vermuthe, in seinem „andern Volk“ auf Oesterreich, so glaube ich wohl, daß Oesterreich seine alte Kaiserwürde herstellen kann und wird; aber es ist wohl nicht fähig ein neues deutsches Kaiserthum, wie wir es brauchen, auf rein militärischem und diplomatischem Wege zu stiften. Für unsre partielle Regeneration hatte ich allein auf diesen Krieg gerechnet; aber so geführt, kann er sie auch nicht hervorrufen, und darum glaube ich, es wird noch viel bunter werden, als es ist, und nicht in wenigen Tagen besser stehen. Denn das Gefecht von Hagenau ist recht hübsch, aber von 3894. Überlieferung: D: Br 2, 2. Aufl., S. 301–303. Mit Brief *3887 von Wilhelm von Röder als Einlage. – Das in D angegebene Datum (3.7.) kann nicht stimmen; der Brief muss noch vor dem Waffenstillstand von Pläswitz geschrieben sein, kurz nach dem Gefecht bei Halberstadt (30.5.). Da Schleiermacher den soeben erfolgten Eingang eines Briefes seiner Frau meldet und da er, laut dem Brief 3895, Z. 2–4 vom 3. 6. 1813 an Kathen, am 2.6. Henriette Schleiermachers Brief 3883 vom 26.5. erhielt, liegt der 2.6. als Datum dieses Briefes nahe.

426

Briefe 3894–3895

wesentlichem Einfluß konnte es nicht sein. Ueber die wahren Resultate der militärischen Operationen seit dem 21sten sind wir hier, so viel ich weiß, noch ganz im Dunkeln. Ich nur habe leider ein trauriges Resultat davon, nämlich daß ich von meiner Frau ganz abgeschnitten und ohne alle Nachricht bin. Doch ich will von diesem Kapitel ganz schweigen, sonst komme ich in ein förmliches lamentiren. Sie, Gnädigste, werden nun gewiß nicht nöthig haben zu reisen, da ja, wie man wissen will, Bernadotte jezt Ernst macht und auch zwischen Schweden und Dänemark Alles ausgeglichen sein soll. Von dorther erwarte ich nun die eigentlich positiven Operationen. Wir haben durch unsre Inkonsequenz in Sachsen das Glück verscherzt sie einzuleiten. Nun, wenn nur etwas geschieht, mag es denn immer nicht durch uns geschehen. Aber schade ist es doch, daß die Tapferkeit, die unser Heer so auszeichnet, und die schöne Gesinnung, die einen so großen Theil des Heeres und des Volkes beseelt, ihres herrlichsten Lohnes verlustig gehen soll. Glauben Sie übrigens nicht, Gnädigste, daß ich mit Gott schmolle; der muß wohl wissen was er thut, sondern nur mit den Menschen. – Eben erhalte ich einen Brief von meiner Frau; es freut mich herzlich, daß ich Ihnen, meine gnädigste Freundinn, noch diese meine Freude mittheilen kann; leider aber ist nach den neuesten Nachrichten auch die Kommunikation über Breslau jezt wohl unterbrochen, und vor einer glücklichen Wendung der Angelegenheiten keine Wiedereröffnung derselben zu erwarten. Kann man eine günstige Wendung von dort aus erwarten? wird nun Barclay der rechte Mann sein, da es Witgenstein nicht ist? Ich hege von den combinirten Armeen nun nur die geringe Erwartung, daß sie sich weder total schlagen noch total turniren lassen, und erwarte alles positive von der Niederelbe. Wilhelm ist bei Pinette gewesen und diese ist jezt nach Reinerz gegangen. Meine Frau will ruhig in Schmiedeberg bleiben und hat sich nur für den Nothfall ein Quartier in einer schlesischen Alpenhütte bestellt, womit ich sehr zufrieden bin. Die Marwitz, mit der meine Frau auf einen herzlichen Fuß zu kommen anfing und sie gern in ihren Wochen gepflegt hätte, ist nach Böhmen gegangen; doch das wissen Sie gewiß schon. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen soviel vorgeplaudert habe. Wenn Sie mir ein paar Zeilen schreiben, werden Sie mich sehr trösten und erfreuen.

35

40

45

50

55

60

65

2. 6.–3. 6. 1813

427

3895. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 3. 6. 1813

5

10

15

20

25

30

35

Donnerstag d 3t. Jun. Nun liebste Schwester unsere lieben Reisenden sind glüklich in Schmiedeberg eingetroffen. Meine lezten Briefe von dort sind vom 26ten und Gestern angekommen. Damals hatten sie zwar die Armee sehr in der Nähe und es flüchteten Viele aus der Gegend. Allein es ist sehr unwahrscheinlich daß sich der Kriegsschauplaz ins Gebirge zieht und eben so unwahrscheinlich daß die Franzosen sich sehr zerstreuen werden; auch waren überhaupt keine sondern nur viele Kosaken in der Nähe. Denselben Tag sollte Christelchen mit einer Gesellschaft guter Freunde die Koppe besteigen. Das ist nun das gute und tröstliche was ich Dir zu sagen weiß, der hinkende Bote kommt nach, das nemlich nun die Communication dorthin vorläufig unterbrochen ist und wol nicht eher als nach einer glüklicheren Wendung der Dinge wieder eröfnet wird. Diese erwarte ich nun wenn die dortigen Armeen fort|fahren defensiv zu agiren (wiewol auch hierin die Aenderung des Commando vielleicht eine Aenderung hervorbringt) vorzüglich von denen Operationen die von Euch ausgehn müssen. Und so wollen wir so ruhig als möglich dem weiteren entgegensehn. Du kannst wol denken daß diese Abgeschnittenheit mir das Herz sehr beklemmt. Indeß kann dieser Zustand nicht lange dauern, und ich hoffe von dem nächsten entscheidenden Schlage das beste. Die Position zu nehmen welche unsre Armeen izt bei Schweidniz innehaben soll gleich beim Aufbruch aus der Lausiz Plan gewesen sein, und so muß man sich das weite Zurükgehn auch nicht sehr irre machen lassen. Für die ganze Sache hege ich noch immer den besten Muth und dann muß das Einzelne ja auch wieder in Ordnung kommen. Jette schreibt übrigens mit einer Klarheit und Besonnenheit und thut so durchaus immer das einzig rechte daß ich mich nicht genug darüber freuen kann, und ein felsenfestes Vertrauen zu ihr hege. Es ist eine | harte Prüfung, sie empfindet aber das traurige daran zu meiner Freude minder als ich weil sie nicht nur sorgen sondern auch thätig sein muß, und nicht so einsam ist als ich. Ich meide die Stadt soviel als die Geschäfte zulassen und gefalle mir nur in der Stille des Gartens, und wenn mir die Hofnung aufgeht daß wir dort noch wiedervereint einen Theil des Sommers genießen werden so bin ich ganz glüklich. Von den Kindern allen schreibt Jette auch nur liebes und Gutes. – Ob Luise Benda glüklich bei euch angekommen ist bin ich neugierig zu er3895. Überlieferung: H: BBAW, SN 753/1, Bl. 61 f. 13 eröfnet] folgt 〈ist〉

5 und es] es nachgetragen

61v

62

428

62v

Briefe 3895–3898

fahren. Die Nachricht daß er sie nach Rügen bringen wolle kam hier an eben als Jette abgereist war. Schreibe mir doch ja liebe Schwester und ermahne auch die Andern dazu. Ihr verdient euch einen Gotteslohn von einem armen Einsiedler Dein Brief an Christiane der mit mehreren Einlagen sogleich abgegangen ist wird leider nicht mehr angekommen sein sondern irgendwo liegen und auf die Herstellung der Posten warten. Es sollte | mir sehr leid thun wenn Hochwächter käme ehe Jette wieder hier ist. Sobald die Sachen eine solche Wendung nehmen daß sie reisen kann wenn auch mit einem Umwege so kommt sie zurük. Denn hier ist vor der Hand gar nichts zu besorgen und ich denke Ihr dekt uns nun vollständig. Gott gebe, liebste Schwester, daß ich Dir bald etwas ganz beruhigendes sagen kann. Laß uns nur fortfahren guten Muth zu haben. Drei Briefe habe ich aus Schmiedeberg von Jette aber Christiane hat wol noch nicht dazu kommen können an Dich zu schreiben und wol auch nicht geglaubt daß es so kommen würde. Doch hast Du ja vielleicht gradezu Nachricht von ihr. Grüße alle die unsrigen auf das herzlichste Dein treuer Bruder Schl.

*3896. An Alexander von der Marwitz. Berlin, Donnerstag, 3. 6. 1813 Er könne eigentlich nichts schreiben, da Marwitz nicht schreibe. Über Marwitz’ Wechsel zu General Tschernischeff. Er, Schleiermacher, sei jetzt von seiner Frau abgeschnitten.

*3896. Erschlossen aus Brief 3886, Z. 191–197 vom 30.5.–8. 6. 1813. – Der Brief wurde von Fräulein von Golz nicht zugestellt, sondern an Schleiermacher zurückgegeben; vgl. Brief 3903, Z. 37–40.

40

45

50

55

3. 6.–6. 6. 1813

429

3897. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 5. 6. 1813 Sonnabend d 5t. Junius

5

10

15

20

25

Ich schreibe Dir wieder nur ein Zettelchen meine liebste Jette weil ich noch nicht habe erfahren können, ob Breslau noch in unsern oder in der Franzosen Händen ist. Gott gebe daß es glüklich zu dir komt denn darin liegt schon sehr viel Gutes. Heute verbreitet sich eine Nachricht der Kaiser sei nach Sachsen zurükgegangen für seine Person. Bestätigte sich diese: dann hätte ich Hofnung Dich bald wieder hier zu sehn. Pistor hat mir versprochen über den Koffer und den Brief mit der Assignation welche am 24ten hätten ankommen sollen und laut Deines Briefes vom 26ten nicht angekommen waren Nachforschungen anzustellen. Nun ich ihn fragen lasse ist er verreist und kommt erst Dienstag wieder. Ich wollte nun den Auftrag Otto geben, habe ihn aber zweimal vergeblich gesucht. Ich will indeß keine Nachforschung sparen forsche Du nur auch von dort aus so weit Du kommen kannst. Er ist auf die Gebirgspost gegeben worden, welche den 20ten von hier abgegangen ist. Es wäre ein bedeutender Verlust der uns sehr zurükbringen würde. Giesebrecht schikt mir eben einen Brief von Elise Müller an die Mager in Wilsnak worin auch für Nanny die Nachricht steht daß sie gesund sind, auch die Bitte daß sie bald schreiben möchte allein es ist kein Weg angegeben wie und von hier geht keine Post. Bestelle es doch Nanny, und sage ihr ich antwortete ihr nicht eher bis die Communication wieder sicher ist. Gott gebe eine baldige glükliche Entscheidung. Noch denke ich Euch mit Zuversicht nicht auf den Grenzbauden sondern in Schmiedeberg. Gott erhalte Dir mein liebes Herzensweib Gesundheit und guten Muth. Denke dir nur auch recht die Sehnsucht mit der mich nach dir und den Kindern verlangt

*3898. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 6. 6. 1813 Bittet sie, gleich von Schlesien abzureisen und den Weg über Breslau zu nehmen. 3897.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 47.

*3898.

Erschlossen aus Brief 3901, Z. 40–47 an die Gräfin Voß.

430

Briefe 3899–3901

*3899. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 6. 6. 1813

*3900. An Wilhelm von Röder. Berlin, Sonntag, 6.6. oder Montag, 7. 6. 1813 Bittet ihn, die kommende Rückreise seiner Frau mit Rat und Hilfe zu unterstützen.

3901. An Luise Sophie Charlotte Gräfin von Voß. Berlin, Montag, 7. 6. 1813 Berlin, den 7ten Juni 1813. Mit dem herzlichsten Dank, meine Gnädigste, erhalten Sie hier den Brief von Röder zurück. Lassen Sie uns nur dabei nicht vergessen, daß er im ersten Eindruck des unglücklichen Waffenstillstands geschrieben ist, wozu noch ein andrer nachtheiliger Eindruck kommt, nämlich der, von der nicht eben sehr hohen und reinen Stimmung meiner Landsleute, der Schlesier. Man thut im Ganzen gewiß dem Volk unrecht, wenn man ihm bloße Schwerkraft zuschreibt und es nur als roh ansieht. Daß die Leute oben nicht recht wissen was sie thun, und daß sie das, was sie besser wissen und was sie eigentlich wollen, sehr schlecht verstehn, daß also, in sofern der Ausgang von ihnen abhängt, freilich nicht viel Gutes zu erwarten ist, das sehe ich allerdings vollkommen ein. Aber ich sehe eben so bestimmt, daß sich von unten her Alles so schön aufbaut, wie wir es nur wünschen können, und die Hauptsache bleibt also die: wieviel kann von oben her verdorben werden? Das schlimmste wäre freilich der Friede; allein ich erschrecke auch vor dem nicht. Sehr nachtheilig, äußerlich angesehen, kann er wohl auf keinen Fall werden, es müßte noch einen absolut unbegreiflichen Grad von Dummheit geben, weit über den Waffenstillstand hinaus. Bleibt also Preußen stehen, welches in engern Grenzen *3899.

Erschlossen aus Brief 3921, Z. 4 f.

*3900.

Erschlossen aus Brief 3901, Z. 56–58.

3901. Überlieferung: D: Br 2, 2. Aufl., S. 291–294. Röder als Einlage (vermutlich an die Gräfin von Voss).

Mit einem Brief von Wilhelm von

5

10

15

6. 6.–7. 6. 1813 20

25

30

35

40

45

50

55

431

als die bisherigen nicht wohl möglich ist, und wir behalten nur Landwehr und Landsturm als feste Nationalinstitute, so wird sich daran ganz sachte Alles übrige, was uns noth thut, anschließen. Aber mir ist der Friede noch immer sehr unwahrscheinlich, und da man noch bis diesen Augenblick behauptet, es fänden keine Unterhandlungen statt, so scheint es ja auch eigentlich Niemand darauf anzulegen. Hat nun Oesterreich einmal Bedingungen gemacht oder ein Ultimatum vorgelegt, wie man ja behauptet, so kann es nicht zurück ziehen, denn auf diese Art ist es nicht gewohnt sich zu blamiren, und dann ist mir für den Ausgang doch nicht bange. Ich bin auch überzeugt, daß die Russen nicht füglich Friede machen können ohne England, und daß Alexander so viel Ursache hat sich vor den Großen zu Hause zu fürchten, die keinen schimpflichen Frieden wollen, als er von denen bei der Armee mag geplagt werden, die gern nach Hause wollen. Was den Waffenstillstand betrifft, so finde ich es ganz in der Ordnung, daß man sich hat übertölpeln lassen; was mich wesentlich daran ärgert ist die Schlechtigkeit, die man gegen Kotbus und gegen die Altmark begeht. Um dieser Schlechtigkeit willen bin ich eigentlich bange, daß wir eine harte göttliche Strafe werden zu ertragen haben; denn so etwas thut man nicht ungestraft, zumal ohne Noth. Und daß man weit bessere Bedingungen hätte haben können, wird wohl Niemand bezweifeln. Mit dem einzigen Gut des unsel’gen Waffenstillstandes, nämlich der Rückkehr meiner Frau, sieht es noch sehr mißlich aus. Ich habe alle Ursache zu vermuthen, daß sie von all’ meinen frühern Briefen nichts erhalten hat. Erst gestern habe ich ihr mit einem Courier schreiben können, von dem ich hoffe, daß er sich die Mühe geben wird den Brief auf die Post zu befördern. In diesem habe ich sie freilich auf das dringendste gebeten sogleich den Rückweg über Breslau anzutreten denn einen nähern kann ich ihr doch nicht rathen zu wagen. Aber wie lange kann es nun noch dauern, ehe sie hier ist? Wenn ich hierüber schon ruhig wäre, so würde ich Ihnen eine weit heiterere Stimmung zeigen können. Ich weiß keine peinlichere, als bis der Ausgang von etwas entschieden ist, wobei man sich bewußt ist eine Thorheit begangen zu haben. Wenn Thorheit an dieser Sache war, war es die so sehr allgemeine des Mangels an Selbstvertrauen. Da ich so sehr mit den Landsturm’s-Angelegenheiten beschäftigt war, so traute ich mir nicht zu, daß ich im Augenblick der dringenden Noth – unbeholfen wie ich in solchen Dingen bin – noch würde für sie sorgen können. Ich habe nun Röder mit in mein Interesse gezogen und ihn bei dem theuersten, was es für ihn giebt, beschworen sie zur Rückreise mit Rath und sonstiger Hülfe zu unterstützen. Und da der Waffenstillstand auch ihm mehr Muße läßt, so hoffe ich, er soll mir helfen sie

432

Briefe 3901–3903

bald möglichst flott zu machen. Dennoch mache ich mich darauf gefaßt, daß sie erst im künftigen Monat kommt. Sind Sie denn auch turbirt durch den geheimnißvollen Kranken in Dresden? Was man davon erzählt klingt freilich so, daß man vielen Leuten nicht verdenken kann, wenn sie glauben, es sei Buonaparte. Wenn nur an allem Mist auf den Straßen und allen Aerzten in der Schloßapotheke etwas wahres ist und wenn es nicht ganz andre Ursachen sind, weshalb wir garnichts über Buonaparte selbst aus Dresden hören. Der Maulwurf wühlt gewiß unaufhörlich die ärgsten Intriguen und bringt ganz Frankreich und Deutschland auf die Beine. Wir wollen aber doch nicht verzagen. Erneuert sich nur der Krieg mit einigem Beistande, so wird er selbst am meisten die Widersprüche ausgleichen, die alten Schalen abschütteln, die wahren Repräsentanten der öffentlichen Meinung allmählig an die Spize, und das Volk zu dem rechten Selbstbewußtsein bringen, welches jezt freilich noch sehr verschlossen ist in der Masse. – Was machen denn Ihre Schweden? Ziehen die nicht unterdeß gegen Dänemark? Auf dieses perfide Volk bin ich höchst erbittert und möchte mich eben so gern gegen die Dänen in Reih’ und Glied stellen als gegen die Franzosen. Haben Sie nichts von Wilhelm Schlegel gehört, der ja in Stralsund sein soll? Ich hätte Ihnen noch viel zu sagen, aber zum Glück für Sie (zumal bei dieser Feder und diesem Papier) ist die Zeit, die Sie mir gesezt haben, ganz um. Bleiben Sie mir gewogen und empfehlen Sie mich dem Grafen, dem ich zu der neuen Ruhe condolire.

60

65

70

75

80

*3902. Von Luise Sophie Charlotte Gräfin von Voß. Berlin, Mittwoch, 9. 6. 1813 Fragt, warum Schleiermacher seine Familie nach Schlesien geschickt hat. Lässt Henriette Schleiermacher herzlich grüßen und fragt nach dem Ergehen Philippine von Röders und der Frau von Clausewitz. Hofft, dass der schwedische Kronprinz seinen Worten Taten folgen lasse, ist aber trotz der Übergabe Hamburgs an die Franzosen zuversichtlich. Ihr Mann diene noch unter Dörnberg.

*3902.

Erschlossen aus Brief 3903, Z. 10–19 an Henriette Schleiermacher.

5

7. 6.–9. 6. 1813

433

3903. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Mittwoch, 9.6. bis Sonnabend, 12. 6. 1813

5

10

15

20

25

30

Mittwoch d 9t. Abends. Seitdem ich weiß liebstes Weib oder zu wissen glaube daß Du kommst habe ich gar keinen solchen Drang mehr Dir zu schreiben. Nur der Gedanke daß doch vielleicht noch etwas dazwischen kommen könnte wie dieser ganze Waffenstillstand selbst von dem ich heute noch nichts näheres erfahren habe zwischen alle menschliche Erwartungen wie vom Himmel herunter gefallen ist treibt mich. Es ist mir manchmal, als könnte ich an diese Katastrophe noch gar nich glauben, und so sehr ich wünschte um der allgemeinen Sache willen, daß nichts dran wäre so würde ich mich doch höchst schwer von der süßen Hofnung trennen Dich so bald wiederzusehn. – Die Voss schreibt mir heute auch sie hätte es nicht recht begriffen warum ich dich so schnell fortgeschikt, halb beklagt sie mich und halb lacht sie mich aus. Sie grüßt Dich sehr herzlich und wüßte gern mehr von der Klausewiz und von Pinette als du mir geschrieben hast. Von Bernadotte schreibt sie seine Worte wären vortreflich man müsse nun die Thaten erwarten, hat aber doch guten Muth von dorten her troz des Unglüks von Hamburg. Nur vom Waffenstillstand wußte sie noch nichts. Voss ist bei Dörnberg geblieben also von Alexander getrennt und auch diese Quelle etwas über ihn zu erfahren verstopft[.] Liebes Herz, ich glaube er mag sich wol nicht stark genug fühlen euer Verhältniß so zu gestalten wie ich es ihm vorgelegt habe. Es thut mir leid aber es ist dann doch besser daß er es streng mit sich und der Sache nimmt und ich verlasse mich darauf es wird späterhin noch eine Zeit kommen wo ihr euch genießen werdet. Aber daß er sich das Herz nicht nimmt in zwei Worten zu sagen wie es in ihm und um ihn steht, das ist Unrecht Ich habe heut zu guter lezt (nemlich weil ich morgen wieder anfange zu lesen) recht geschwelgt mit spazierengehn des Morgens im Garten und habe ordentliche Entdekungsreisen gemacht. Kindisch freue ich mich | drauf noch so hier mit dir und den Kindern herum zu schlendern, und möchte gern ganz unmenschlich fleißig sein ehe ihr kommt um hernach recht göttliche Faulheit zu treiben. Es wird nur nicht viel daraus. Eine halbe Predigt indeß habe ich heute geschrieben.

3903. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 33 f.; D1: Br 2, S. 298–300 (Auszug); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 186–188 (gekürzt). Der Brief 3912 könnte auch noch Teil dieses Briefes sein.

33v

434

34

Brief 3903

D o n n e r s t a g A b e n d s . In der heutigen Spenerschen Zeitung steht ein späterer Bericht über das Gefecht von Halberstadt der mir recht so aussieht als hätte Alexander ihn geschrieben. Welche schöne Veranlassung hätte er gehabt, ihn an mich zu schicken mit ein Paar Zeilen in denen er sich erklärt hätte. Es ist mir nun recht lieb, daß der Zettel, den ich ihm neulich auf Veranlassung der Golz schrieb mit Protest zurükgekommen ist; es war ein Mißverständniß, sie hatte etwas von ihm an die Münster haben wollen. Liebe, auch ich kann nun kaum mehr zweifeln daß er mit Absicht nicht schreibt, und daß du ihn recht beurtheilt hast mit dem Zurükziehn. Ich habe mich noch recht geprüft über den Verdacht sein Gefühl könne beleidigt sein. Durch Härte oder Unzartheit habe ich es gewiß nicht, die einzige Möglichkeit bliebe nur daß ich ihm zuviel entgegengekommen wäre. Aber ich kann bei der strengsten Prüfung auch das nicht finden ich glaube nicht daß er irgendwo in meinem Betragen eine Schwäche könnte gefunden haben die ihn abstoßen könnte; ich glaube nicht daß ich meiner Würde und der meines Verhältnisses etwas vergeben habe. Also will ich auch ganz ruhig sein und nun suchen Dich die Lücke in Deinem Leben vergessen zu machen – ach könnte ich sie wirklich ausfüllen! Liebste Jette ich habe heute grade beim Magnetisiren eine ganz eigne ängstliche Unruhe Deinetwegen bekommen; sie überfiel mich wie von selbst ohne alle Veranlassung: Gott gebe daß sie nichts bedeute. Ich habe mich schon hundertmal gescholten daß ich nicht gefragt habe ob die Gebirgspost heute | gegangen ist und daß ich mich nicht drauf gesezt habe. Für 15 r hätte ich doch in 5 Tagen bei Dir sein können und mir viel Sorge um Deine Reise erspart – aber es ist mir wirklich gar nicht eingefallen, der Waffenstillstand der freilich allein möglich macht daß ich vom Landsturm wegkönnte ist mir noch nicht geläufig genug. Künftigen Posttag wäre es nun hoffentlich zu spät. Hätte ich Dich und das liebe kleine Volk nur erst wieder bei mir und könnte in Dein liebes Auge sehen und die lang entbehrten Küsse auf Deine Lippen drücken – Heute sind es vier Wochen daß du gereist bist; ich hoffe, daß nur noch eine dazu kommt denn auf keine Weise kann ich es länger ertragen. Ich kann mir in Augenbliken vorkommen wie in meine alte Garconnerie zurükversezt, und als wäre es nur ein Traum daß ich ihr je entgangen bin, und mich kann schaudern bis zur Vernichtung. Wenn ich dann dich recht lebendig denke und die Kinder, wie ich dich habe und nicht habe, und das alte Gefühl wiederkommt daß du mich wol schwerlich mehr lange haben wirst so kann ich in unendliche Wemuth zerfließen über alle Köstlichkeit und Nichtigkeit des Lebens, über alles, was durch Gottes Gnade gut und schön ist in mir und über alles nichtswürdige und erbärmliche daneben

35

40

45

50

55

60

65

70

10. 6.–12. 6. 1813

75

80

85

90

95

100

105

435

und ich möchte am liebsten Dich Einmal ans Herz drüken, Dich recht fühlen lassen wie ich Dich liebe und segne und dann sterben. Komm, liebste, eile, erfülle mein Leben wieder und reiße mich durch deine holde Gegenwart aus diesem träumenden Zustande den die einsame Beschäftigung am Schreibtische nicht zu bändigen vermag. Wenn nur meine heutige Unruhe um Dich nichts bedeutet. Und wie kommt es daß ich keine Briefe von Dir habe? Ich habe ein Zettelchen von der Herz aus Neisse; also Post muß doch gekommen sein. Warum könnt Ihr die Wege nicht finden mir ein Wörtchen zukommen zu lassen? Mir kann unaussprechlich Angst werden, tausend gespensterhafte Gedanken drängen sich zu ich will Ruhe im Bette suchen. | F r e i t a g A b e n d s Ich will alles stehen lassen was ich gestern geschrieben habe. Du kennst mich ja, und weißt was vorübergehende Stimmungen oder eigentlich auch das nicht sondern nur Fantasien sind, in denen man grade das sich bildet was im Leben nicht ist. Dafür habe ich jezt recht schöne gehabt. Ich habe meinen Abendgang gemacht im Garten unmittelbar nach dem Thee, die herrlichste Luft nach Sonnenuntergang der köstlichste Mondschein von dem ich recht sehnlich wünsche daß du ihn noch benuzen mögest zur Reise. In der Ferne im Thiergarten blies ein Horn recht artig eine dem Kuhreigen sehr ähnliche Melodie; das versezte mich in unsere Schweizerreise, oder in eine wol eher mögliche Reise in das österreichische oberschlesische Gebirge wo die Hirten auch das Horn sehr schön zu behandeln wissen. Daran reihten sich tausend verschiedene Bilder unserer Zukunft theils bequem und erfreulich, theils dürftig und zurückgedrängt aber immer würdig und immer jeder des andern und der lieben Kinder froh. Aber es verlor sich alles in die nähere Hofnung Dich nun bald recht bald wieder zu haben. Wärest Du nur schon unterwegens! – Es ist halb Zehn und ich will noch auf ein halb Stündchen zu Reimers wo ich auch den Mittag schon war. Er ist nemlich hier, den Mittag war Arndt da und den Abend soll Eichhorn kommen den ich jezt fast gar nicht sehe. Das will ich denn doch nicht ganz versäumen. Also wahrscheinlich gute Nacht für Heute. S o n n a b e n d s . Das ist nun das Leiden daß ich nicht abwarten kann bis ein Brief von dir kommt; ich rechne fest darauf heute einen zu erhalten, und werde doch etwas außer mir und sehr in Sorgen sein wenn keiner komt. Deiner Reise wegen habe ich an Carl das Nähere und dann auch an 86 sind] mit Einfügungszeichen über der Zeile

34v

436

Briefe 3903–3905

Roeder geschrieben, der wenn mein Brief glüklich ankommt Dir wol gleich ein Paar Worte schreiben wird. Vielleicht würdest du am sichersten durch die Lausiz reisen. Es ist mir ein Jammer daß ich so gar nichts bestimmtes von hier aus rathen kann. Nun mein einziges Herz Gott führe dich glüklich in meine Arme, das ist mein heißester sehnlichster Wunsch.

110

*3904. Von Henriette Herz. Neiße, vor dem 10. 6. 1813

3905. Von Wilhelm Christian Müller. Boizenburg, Donnerstag, 10. 6. 1813 Boizenburg den 10. Jun 13. Herzliche Freunde Aus Liebe zu unseren fernen Geliebten bin ich durch 1000 Schwierigkeiten über die Elbe gegangen. Wir schmachten nach Nachricht von Ihnen – Es war keine Möglichkeit Briefe durch die Kriegslinie zu bringen. Elise hat zum Theil unseren Druck beschrieben. Wir waren des Geistes wegen, der sich bei Hamburgs Befreiung auch bei uns zeigte hors de loi gesetzt – Also eine feindliche Stadt muß sich alles gefallen lassen. Ich habe 18 Mann Einquartirung gehabt – monatlich 15 Rth Verpflegung der Offiziere – dabei ein ängstliches Schweigen – Verbreitete böse Nachrichten – Lebensgefahr unsrer Freunde, Verbrenung von Dörfern, welche auf Franzosen sollten geschoßen, oder Kosaken freundlich aufgenomen haben – Beständiges Triumpfleuten und Tedeums singen – Verbreitete Armuth – harte Drohungen, Todtschießen der unschuldigsten Männer. Sie werden aus den Beilagen die Empfindungen kennen lernen – welche ich nieder schrieb, um womöglich den guten Geist mit zu beleben oder zu erhalten – Ich wollte sie schon früher schicken, allein es war zu gefährlich sie anderen Händen anzuvertrauen – Lesen Sie aus, was Sie schicklich finden – Wenn der Waffenstillstand aufgehoben wird – drucken zu laßen, bei Reimers oder einem andern anonymen Herausgeber – unter dem Namen 110 wird] korr. aus wirst *3904.

Erschlossen aus Brief 3903, Z. 79 f. vom 9.–12. 6. 1813

3905. Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 25. Mit politischen Liedern zum eventuellen Druck bei Reimer als Beilage. 12 aufgenomen] folgt 〈〈zu〉〉

5

10

15

20

Vor dem 10. 6.–10. 6. 1813

25

30

35

40

45

50

437

Patriotische Kriegs und Friedenslieder von einem Preusis c h e n I n v a l i d e n – G e r m a n i a . Mit höchster Verschweigung meines Namens – man schoß mich früh todt – wählen Sie dann die mildeste erst – oder übertragen es D. Horn. Auf Geheiß von Oben zur Ausstreuung umsonst ausgegeben, wäre besser – Wo nicht so kann der Verleger etwas weniges nehmen – bogenweis – wie Gleims Lieder auch zuerst heraus gekommen sind. Hier ist alles in Verzweiflung über die schändliche Täuschung der Dänen, daß sie Hamburg erst in Schutz nehmen wollen und hernach aus Ärger über [die] Engländer den Franzosen verrathen – Es war hier alles herrlich | die patriotischen Truppen wollten eben voll Zuversicht in 100 Schiffen, die ich heute morgen selbst gezählt habe morgen in Maße übergehn, um den Franzosen in Rücken zu fallen und im Hannövrischen alles zu organisiren – der Waffenstillstand alles alles zertrümmert – das wird wieder ein schlimmes Luftschöpfen werden – wobei die Preußen wieder so eben selbstständig bleiben, als es Napoleon gefällt da sie ihn in Deutschland hätten aufreiben können – Doch ich behalte meine Hoffnung und Heiterkeit – die Teufel sollen mich nicht unterkriegen – Wenn Deutschland frei wird, so ist alles gewonnen, ja wenn auch nur Rußland und Preusen das ContinentalSystem vereiteln, ist schon was gewonnen – – Alle Leute werden bei uns arm – die ersten Kaufleute werden banquerot – Geld fehlt – Es geht alles nach Paris und niemand bekömt seit 1/2 Jahr seine Besoldung. Schreiben Sie uns aus Ihrem Hause gute Nachrichten – und Grüßen Sie vorläufig Herrn KammerGerichtsRath Wilmans Harscher – ÐHeimÑ, Schedens – und alle die mich kennen – Giesebrecht und Horn – Ihre Frau – Nanny – Mit herzlicher Liebe Ihr Freund M. NB. ich habe auch hier selbst komponirte Melodien zu einigen Liedern gemacht, die nicht auf Volksmelodien gehen – wenn etwa ein Musikhändler sie besonders durch Musik zum weitern Umlauf bringen wollte. Die allgemeinsten können auch vor Ende des Waffenstillstandes – die anderen mögen das Licht der Welt erblicken, wenn etwa der Krieg wieder ausbricht – Nur höchste Anonimität!!!

43 Ihrem] ihrem

45 Ihre] ihre

25v

438

Briefe 3906–3909

3906. Von Luise von Willich. Götemitz, wohl um den 10. 6. 1813 Götemitz

76v

Ich habe Deinen Brief erhalten lieber Schleiermacher, vor 14 Tagen, habe aber in diesen 14 Tagen kaum so viel Ruhe gefunden, ihn mit recht ganzem Gemüth, auf zu nehmen, Sophie die eigentlich den ganzen Winter trübe und unwohl war, lag zu Bette, und wir hatten das Haus voll Einquartirung, und keine Köchin – Heut zum ersten Mal sehe ich hir die Benda, Sophie ist wieder auf, und ich bin mit Schlichtekrull und unserm einen Oficir her gefahren. Hir nun sende ich Dir meinen Gruß und Dank. Die ersten freien Stunden bin ich bei Dir lieber Bruder – der Sorge um Euch darf ich mich nicht hingeben, das kann ich nicht aushalten – Grüße Jettchen, ich schreibe ihr so bald Sophie | die Wirtschaft wieder hat. Unsre Knaben sind wieder bei Baiern. Gott Schleiermacher unsre Gesandtschaft ist vom Dänschen Hofe nicht angenommen – Gestern kam sie zurük, und sogleich fing der Abmarsch der Truppen an nach Wismar und Rostok u.s.w. Warum schiktest Du die Deinigen nicht hirher? – Mein Bruder, es steht alles in Gottes Hand. Luise Willich

*3907. Von Simon Veit. Berlin, vor dem 12. 6. 1813 Philipp Veit sei als Lützowscher Jäger in Berlin gewesen, gesund, munter und martialisch.

3906. Überlieferung: H: BBAW, SN 428, Bl. 76. Die Datierung ergibt sich daraus, dass schwedische Truppen im Juni 1813 nach Mecklenburg einrückten, um das Land gegen die Franzosen unter Davout zu verteidigen; der zwei Wochen nicht beantwortete Brief Schleiermachers ist wohl der vom 23.5. (Brief 3881), und der lange Brief 3914 vom 13.–15.6. ist wohl später als der hier vorliegende geschrieben. *3907.

Erschlossen aus Brief 3909, Z. 79–81 Schleiermachers an F. Schlegel.

5

10

15

10. 6.–12. 6. 1813

439

*3908. An Wilhelm von Röder. Berlin, Sonnabend, 12. 6. 1813 Anweisungen betreffend die Reise der Henriette Schleiermacher.

3909. An Friedrich Schlegel. Berlin, Sonnabend, 12. 6. 1813

5

10

15

20

25

Berlin d 12t. Jun 13. Du forderst mir kurz und gut mein politisches Glaubensbekenntniß ab lieber Freund. Ich kann Dir das allgemeine davon in wenig Worten mittheilen, nur fürchte ich du wirst wenig eigenthümliches darin finden, vielleicht auch manches was Dir nicht behagt. Ich bin gar nicht so ganz dagegen daß es Sachsen und Brandenburger Oestreicher und Baiern geben soll. Die Stammesverschiedenheiten sowol als die Spuren der alten einzelnen politischen Concrescenzen, die freilich mit jenen nicht immer genau zusammen fallen sind den Deutschen zu stark aufgedrükt, als daß man sie sollte vernichten wollen dürfen. Nur sollen sie nicht über die größere NationalEinheit dominiren und das Volk ihnen zu Liebe nicht wieder in eine lose πολυκοιρανιη gerathen und an den Rand des Abgrundes kommen. Darum ist nach der Befreiung mein höchster Wunsch auf Ein wahres Deutsches Kaiserthum, kräftig und nach außen hin allein das ganze Deutsche Volk und Land repräsentirend, das aber wieder nach innen den einzelnen Ländern und ihren Fürsten recht viele Freiheit laße sich nach ihrer Eigenthümlichkeit auszubilden und zu regieren. Aber jenes ist nur möglich | wenn kein dem Kaiserthum zugehöriger Fürst Länder hat die demselben nicht angehören, und dieses ist nur möglich wenn in die innern (nicht militärischen und diplomatischen) Angelegenheiten der einzelnen Staaten der Kaiser sich gar nicht mischt und hiefür kann es wieder außer einer sehr weise eingerichteten Militärverfassung keine andere Garantie geben als die Unmöglichkeit eigennüziger FamilienAbsichten und Rüksichten und der gänzliche Mangel aller despotischen Neigung auf dem Kaiserthron. Da liegen nun die ungeheuren Schwierigkeiten, und ich fürchte daß jener Wunsch bei der gegenwärtigen Lage der Dinge nicht *3908.

Erschlossen aus Brief 3903, Z. 108 f. an Henriette Schleiermacher.

3909. Überlieferung: H: BBAW, SN 766, Bl. 27 f.; D: Br 3, S. 428–431 (gekürzt) 9 fallen] korr. aus hängen

27v

440

28

28v

Briefe 3909–3911

unmittelbar zu erreichen ist. Sobald von Einem Kaiserthum die Rede ist kann wol niemand anders als an Oestreich denken. Ob dieses aber eine solche Garantie in sich hat, ob es sich bei der so scharfen Trennung der Norddeutschen und Süddeutschen der Katholiken und Protestanten ein so allgemeines Vertrauen erwerben würde weiß ich nicht. Ob Preußen den Anfang damit würde machen wollen auch Schlesien und Preußen dem deutschen Reich einzuverleiben und sich mit seiner ganzen Macht in die Stellung eines deutschen Reichsfürsten hinein zu begeben, ob Oestreich liberal genug wäre um ein solches Kaiserthum zu gründen wie wir es in der gegenwärtigen Zeit brauchen, das alles weiß ich nicht, und kann es nach meiner beschränkten Kenntniß nur bezweifeln. Ob also nicht, wenn der Kampf mit vereinten | Kräften (denn wir hoffen immer noch auf Oestreich wie man sagt) und dann gewiß glüklich fortgesezt wird irgend eine andere auf jeden Fall nur interimistische Gestalt von Deutschland das Resultat sein wird, und wie diese aussehn wird und woher uns kommen, darüber begebe ich mich nicht ins Profezeihen – Vom Kriegführen verstehe ich wenig, aber diesen Waffenstillstand halte ich für einen ungeheuren Verlust mehr als eine verlorene Schlacht, wodurch der böse Feind sie wieder recht überlistet. Mir gereicht es zur großen Beruhigung daß gewiß die Annahme desselben von Preußen nicht ausgegangen ist. Nur Oestreichs Beitritt kann nun die Sache noch retten; und wenn die Verhältnisse der Alliirten mit England und Schweden dadurch getrübt werden so bleibt es doch schlimm genug. Viel Lehrgeld werden wir noch geben müssen und viel Köpfe werden noch von ihrer Stelle müssen weggeschüttelt werden ehe die rechten an die Rechte kommen. An der Sache selbst aber soll kein frommes deutsches Gemüth verzweifeln. Keine Proclamation ist von mir, ich habe überhaupt in dieser Sache nichts geschrieben, sondern nur geredet soviel die Natur der Kanzel erlaubt. Daß ich überhaupt lange nichts geschrieben habe weißt Du, nichts seit der kleinen theologischen Encyclopädie, an der ich gelernt habe wie ungeheuer schwer ein Compendium ist. Doch hatte ich eben angefangen eines über meine Ethik auszuarbeiten, als das Landsturmedikt erschien und mich in eine große Thätigkeit sezte in der seither alles andere untergegangen ist. So lange der Gang der Dinge diesen Cha|rakter behält kann ich auch wol nichts schreiben denn dazu gehört bei mir große Ruhe; in einem sehr aufgeregten Zustande kann ich nur reden, schreiben gar nicht. Und so kann ich Dir auch leider fürs erste nicht viel Hofnung geben für Dein Museum an dessen Fortgang ich übrigens den aufrichtigsten Antheil 48 der] korr. aus mit

51 Rechte] korr. aus rechte

30

35

40

45

50

55

60

12. 6. 1813 65

70

75

80

441

nehme. Nur glaube ich immer noch nicht daß Du Dich auf Journale einlassen solltest; Du weißt das ist meine alte Meinung. Dagegen habe ich eine andere Bitte an dich. Ich bin im Begriff (als eine große Aufopferung sehe ich es freilich an) auf eine Zeitlang die Redaction des preußischen Correspondenten unter meine Leitung zu nehmen. Weißt du mir nun Mittheilungen zu verschaffen die dahin gehören und die man in euren öffentlichen Blättern später oder gar nicht findet so wirst Du mich sehr verbinden. Nur mußt Du es immer darauf wagen ob sie passiren; denn bei unserer principienlosen albernen Censur können wir für nichts stehn. Trage doch auch Genz dies als meine Bitte vor, und grüße ihn von mir aus alter wiewohl sehr entfernter Bekanntschaft. Ich muß abbrechen wiewol nun ich einmal angefangen ich noch gar viel von vielerlei schreiben möchte. Vielleicht geschieht es nun öfter und dann mühen wir doch allmählich alles ab. Grüße mir Dorotheen auf das herzlichste. Veit schreibt mir eben daß Philipp auf kurze Zeit hier gewesen sehr gesund munter und martialisch es thut mir sehr leid daß ich ihn nicht gesehn habe. Schleier

*3910. An Carl Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 12. 6. 1813 Anweisungen betreffend die Reise von Henriette Schleiermacher.

*3911. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonnabend, 12. 6. 1813

69 Weißt] korr. aus Kannst *3910.

Erschlossen aus Brief 3903, Z. 108 f. an Henriette Schleiermacher.

*3911.

Erschlossen aus Brief 3921, Z. 4 f.

442

Brief 3912

3912. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonntag, 13.6. bis Dienstag, 15. 6. 1813

35v

Sonntag d 13t. Abends. Kein Brief von dir gekommen mein Herz. Das fängt an mich ängstlich zu machen. Nicht als ob ich fürchtete es möchte Euch ein Unglük begegnet sein. Gott sei Dank habe ich ja nicht die mindeste Ursache das zu vermuthen. Sondern nur weil deine Briefe den Weg nicht finden können fürchte ich du findest ihn auch nicht, und daß der Waffenstillstand vielleicht gar keine solche Leichtigkeit zu reisen gewährt als ich vermuthete. Die Freunde trösten mich Alle Du würdest gewiß in Acht Tagen hier sein. Gott gebe es aber ich wage jezt kaum mehr es zu hoffen. Am meisten rechne ich noch darauf daß Roeder den ich hoch und theuer beschworen habe Dir Rath und Anweisung geben wird. Und folge nur wenn er Dir auch einen großen Umweg vorschreibt. Wenn nur mein Brief mit der Anweisung ankommt damit du nicht in Verlegenheit kommst mit dem Reisen. – Es hilft nun gar nichts daß ich mit diesen guten Wünschen und Sorgen das Papier verderbe, und ich kann es doch nicht lassen. Gestern Abend waren Reimers Eichhorns Arndt Savigny Sack hier und spät kamen noch Göschen und Woltmann, Schede nemlich Er allein hätte ich beinahe vergessen. Es fand sich alles so zusammen. Ludchen machte die Wirthin. Uebermorgen wollen Schedes kommen und ich will die Röder dazu bitten. Du siehst etwas Ehre mache ich dem Garten und es will auch nicht anders gehn, es ist zu hübsch hier. Aber ich habe auch schon über 30 r diesen Monat ausgegeben bloß in die Wirthschaft (Fremde mit eingerechnet und Kleinigkeiten[)] Du siehst hieraus ökonomisch ist auch kein Segen | bei Deiner Abwesenheit, und doch kann ich nirgends finden daß die Leute mir zu viel ansagen, nur über Zuker und Butter geht es ganz unmenschlich her. Bis jezt habe ich Mittags in der Stadt gegessen; da aber nun nicht mehr so viel Conferenzen sind und ich also gegen zehn Uhr immer schon wieder draußen sein kann so schaffe ich es ab um noch mehr hier zu sein. Heute habe ich mich denn noch besonders gepflegt bin den ganzen Vormittag draußen geblieben aber nicht so fleißig als ich wünschte ich hatte zu schlecht die Nacht geschlafen der Insekten wegen die ganz fürchterlich sind. Gegessen habe ich bei Schedes im Garten wo es recht niedlich ist dann ging ich nur in die Stadt um mich magnetisiren zu lassen was Wolfart jezt wieder ganz ordentlich 3912. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 35 f.; D1: Br 2, S 300–303 (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 190–193. Der Brief 3903 könnte auch der Anfang dieses Briefes sein. 21 bloß] korr.

5

10

15

20

25

30

13. 6.–14. 6. 1813

35

40

45

50

55

60

65

443

thut, so daß ich auch nächstens zu schlafen und dann ganz curirt zu sein hoffe und dann wieder heraus. Liebst Jette das beste an meinem Leben jezt ist meine Sehnsucht nach Dir und mein beständiges bei Dir sein. Darin fühle ich alles Schöne meines Daseins am lebendigsten. Laß dichs nur nicht irren wenn ich die Kinder wenig nenne sie sind immer alle mit darin, und ich habe oft noch eine große Sehnsucht nach einem neuen, ja ein recht schmerzliches Verlangen danach, von dem ich doch kaum hoffe daß es wird gestillt werden. Nun gute Nacht mein Herz! könnte ich doch ein bestimmtes Bild von Deinem wo und wie mit mir nehmen – aber geträumt hat mir doch auch noch nicht ein einziges mal von dir. M o n t a g A b e n d . Der schönste Mondschein und das herrlichste Wetter lassen mich lebhaft wünschen daß Du unterweges sein mögest, und mein Zustand eben so lebhaft daß ich es bald erfahre. Ich | kann Dir ihn nicht schildern, er ist aber nur gerechte Strafe dafür daß ich Dich habe reisen lassen. Ich denke mir Unfälle die Dir begegnen können unter den Franzosen wenn Du voreilig um meine dringenden Wünsche zu befriedigen gereist bist, und ich denke mir feindselige Gestirne die über uns aufgehn, tragische Schiksale die einbrechen können von anderer Art wenn Du bleibst. Das habe ich alles reichlich verschuldert daß ich mich nun mit leerer Sorge um Dich quälen muß da ich Dich hätte unter thätiger und gegenwärtiger Obhut behalten sollen. Ist es eine Gunst des Himmels daß ich alles so hart büßen muß? Ich begreife die andern Männer nicht, keiner macht sich Vorwürfe und sie scheinen ganz ruhig in ihrer Haut zu sein und lieben doch ihre Frauen auch. Ach mein Herz, wenn ich nur Morgen einen Brief bekäme! ich kann Dir nicht sagen welche unendliche Sehnsucht ich darnach habe, und sie wird doch nicht gestillt werden. – Ich bin heute einmal recht einsam gewesen; ich habe nur gesehn wen ich sehen mußte, die Leute, meine Studenten Wolfart und die Magnetisirgesellschaft aber ich mußte doch einen größeren Theil des Vormittags in der Stadt sein und bin weder sehr fleißig gewesen noch habe ich den Garten sehr genossen. Morgen wird es mir eben so gehn, nur gegen Abend hoffe ich Schedes und die Loder recht ordentlich im Garten herum zu führen. Kämst du doch während noch einige seiner Schönheiten recht im Gange sind. Mit den Acazien ist es vorbei, die Rosen und die Nachtigall warten wol noch Acht Tage auf Dich aber schwerlich länger.

53 Sorge] korr. aus Klage

36

444

36v

Briefe 3912–3913

D i e n s t a g f r ü h . Ich habe einen herrlichen Gang im Garten gemacht, schon um 3/4 auf 5 war ich unten. Viel dachte ich ob es wol sein könnte daß du auch mit mir bisweilen so in aller Frühe aus dem Bett schlüpftest und dich mit mir an dem frischesten Duft der Natur erfreutest. Selten müßte es nur sein weil es doch eigentlich gegen Deine Natur ist. | Womit ich mich beschäftigt habe? Mit Dir. Es werden ja jezt jährig die merkwürdigsten Zeiten unseres Lebens die wo ich Dich zuerst sah und du mir den rührendsten Eindruk eines frommen Mädchens in der ersten heiligsten Liebe machtest wie ich beides nie gesehen. Wie innig war ich dir zugethan, wie hielt ich es für das höchste meines Lebens Dir nahe zu stehn und Deine Ehe zu sehn und zu segnen. Wie damals Ehrenfried sich meiner Zuneigung freute – ach so glaubte ich anfangs mich Alexanders Neigung zu Dir freuen zu können! – Dann auch die Zeit wo es mich so gewaltig zog Dich wiederzusehn als trauernde Wittwe, und wo sich unbewußt allmählig meine innigste Liebe zu Dir entwikelte. Ja Jette es war für mich ein göttlicher Zug und ich fühle es noch immer eben so bestimt ich könnte für kein anderes weibliches Wesen fühlen als für Dich. Wenn ich wol merkte daß Du nicht ganz das für mich fühltest so zog ich es mehr auf die Vergangenheit als auf die Zukunft, und wenn ich doch lange bedenklich war mich gegen Dich auszusprechen so war es nicht weil ich dachte du könntest noch einst einen andern mehr lieben, sondern es könnte vielleicht einen geben der schon ein stilles Recht an Dich hätte und dem Dich Gott beschieden habe. Als Du das Ja aussprachst in der Laube und als Du es wiederholtest vor dem Altar, da lag freilich darin daß Du keine Leidenschaft in Dir wolltest aufkommen lassen und hegen für einen Andern. Du Arme! daß Du jenseit dieses Versprechens hast hinüber reisen müssen um Dir das höchste Glük Deines Lebens zu pflüken. Frei kann ich Dich nicht sprechen – aber innig bedauern mit der tiefsten Wemuth daß grade Dich dein Geschik so vor dem höchsten auf Erden vorbeigeführt hat. Ich kann Dein liebes Haupt an mein Herz drüken und Deine Stirne küssen und mich Dir ganz aufs neue geloben, Dich durch das mangelhafte Leben mit aller Kraft meiner Liebe und meines ganzen Wesens zu geleiten alles Gute über Dich auszuströmen was in mir quillt und was ich um mich her erreichen kann. Du Liebe die ich so gern in stolzer Freude wandeln sehe, daß du dich demüthigen mußt unter die Wege Gottes. Ja mein Herz es ist ein Schmerz in unser Leben gelegt der nie ganz zu verwinden ist. Laß uns ihn heilig halten Gott hat ihn hineingelegt und laß uns Ihm zu Ehren soviel Freude drum herum säen und pflegen als wir nur können daß sich das Leben doch zu einem anmuthigen und fruchtbaren Garten Gottes gestalte, nur in dem innersten Heiligthum, Wenigen sichtbar schwer zu finden mögen die Cypressen stehn.

70

75

80

85

90

95

100

105

13. 6. 1813 110

445

N a c h m i t t a g . Abermals kein Brief. Es sind nun drei Wochen, daß du das lezte schriebst was ich habe. Du arme bist vielleicht in derselben Noth und ich schreibe immer aufs Gerathewohl weiter. Gott mache doch dieser schrecklichen Sperrung bald ein Ende.

3913. Von Wilhelm Christian Müller. Wilsnack, Sonntag, 13. 6. 1813 Wilsnack den 13. Jun 13.

5

10

15

20

25

Ich war genöthigt, bis Dömitz herauf zu gehn, um wieder überzukommen. Weil mir aber ein Kosacken Wachmeister [den] Paß abgenommen, und der rußische Commandant in Boizenburg aus Trägheit, da er erst nach 10 Uhr aufstand, und dann bis 10 am Frühstück saß, ohne Päße zu unterschreiben und meine Extrapost schon 2. Stunde vor der Thür hielt – so wurde ich endlich toll über die verfluchte Anstalt, und ging ohne Paß ab – nun konnte mich der Commandant zu Dömitz nicht überlaßen – so fügten es die Umstände, daß ich vollends nach Wilsnack zu meinem Freund Stadtrath Meier ging – heute gehe ich zurück und hoffe den Mitwoch wieder in Bremen zu seyn. Ich habe mich freylich gefreut, wie ich von Pastor Meier in Cumlosen hörte, auch Sie hätten sich zum Landsturm enrolliren laßen. Ob ich gleich 61 Jahr alt bin, so wär ich doch unter die Waffen getreten, wenn regelmäßiges | Militär gestützt hätte – Lieber eine kurze Gefahr – lieber unter der Barbarei der Kosacken eine kleine Weile seufzen, als das ganze Leben, ein anderes KosackenVolk unter einer Kulturmaske. Die Erschießung von Vinke und von Berger die Einäscherung Lilienthals und 5 anderer Dörfer die Barbarei gegen unschuldige p wird Ihnen genug Hypercosakisch. Der in Oldenburg entfliehende Unterpräfekt bestellt eine provisorische Regierung welche den allgemeinen Aufstand nicht anders dämpfen kann, als daß sie im Proklamiren an die L i e b e z u m a l t e n H e r z o g erinnert, und den Kaiser Napoleon nicht nennt – sogleich war alles in Ruhe. Jene 5 Redliche wurden eingezogen, von Paris kam Befehl die 2. Bedeutendsten zu erschießen – Alle Vertheidigung ihrer Vollkommenen Unschuld – da kein anderes Mittel helfen konnte – war vergeblich. Vinks Frau mit 5. Kindern thaten einen Fußfall – half nichts – Sie wurden unterm Galgen erschoßen – in 3. Tagen nicht begraben – endlich wagten es einige Kühne; sie in Sarg des 3913. schen〉

Überlieferung: H: BBAW, SN 339, Bl. 26 f.

3 Wachmeister] davor 〈französi-

26v

446

27

27v

Briefe 3913–3914

Nachts auf dem ArmenfriedKirchhof einzuscharren. Bergers Mutter (er war ein Einziger Sohn) starb den andern Tag vor Gram – Da ich einmal am Beschreiben bin, so will | ich Ihnen noch die ächte Ursache von Lilienthal [sagen]. Es waren so weit 50 Kosacken an die Stadt gekommen, die ihnen entgegen kommenden Franzosen blieben über der Wümme stehen – und wurden aus den Fenstern einiger Häuser von Lilienthal beschoßen – Es fielen einige Mann – die 1000 Franzosen dringen endlich über [die] Brücke, und da die Kosaken entflohen waren, so nahmen sie die unschuldigen Bauren aus den vordersten Häusern mit – 3 Tage nachher, da diese Leute, bewiesen hatten, daß die Kosaken die Kugeln mit Beilen zerhackt, und daß in ganz Lilienthal kein Schießgewehr sey – zogen die Wüstlinge in der Nacht hin, 30 stellten sich an jedes Haus, und auf ein Zeichen schoßen sie alle zugleich in Häuser und warfen Pechkränze darauf. Die erschrocknen Bewohner laufen nackt aus den Häusern, man jagt sie wieder hinein – nimmt ihnen die Sachen, welche sie retten wollten – wirft sie wieder ins Feuer, jagt das Vieh zurück, schießt die fliehenden p Auch des Astronomen Schroters Haus eine Donation des Minister de Culte, der größte Theil seines astronomischen Apparats, Chronometer, Kupferwerke, Bücher wird geraubt oder zerschlagen – | Bremerlehe – hat in der Nähe eine alte Schanze welche von 15 Engländern und einigen 100 Bauren den Douanen, welche hier die Weser beraubten und hüteten – genommen war. Diese sollte von 1000 Franzosen wieder genommen werden. Nachdem viel Volk geblieben, wurde die Schanze erstürmt – kein Bauer gefangen – aber die 15 Engländer. Jetzt ziehen sie nach Bremerlehe, in der Meinung, daß die Einwohner die Rebellen seien – besehen und beriechen die Hände der Einwohner, sind sie ein wenig schwarz oder scheinen nach Pulver zu riechen – werden [sie] erschoßen. In Frankreich sang man das Tedeum, weil in Bremerlehe 3 0 0 0 0 Engländer überwunden – Es waren 15 – Eckmühl drohte – 24 der schönsten Frauenzimmer in Hamburg auf dem Markt auf Stroh Binden und von Officiren auf den Bloßen Hintern. Er ist aber iezt ganz höflich – die Franzosen schämen sich der schändlichen Verrätherei der Dänen – Genug in diesen Paar Schändlichkeiten, die ganz unzählig – Ich habe die Lieder hier wieder von der Post abholen laßen – um Ihnen zu schreiben, daß Sie vielleicht einige an K o t z b u e schicken können – Sie aber ja, besonders die Verbrecherischen, nicht eher dem Publicum mittheilen, bis der Krieg wieder ausbricht. Sollte ein Verleger seyn, der etwas dafür geben will, soll mir desto lieber seyn. Wo ist Marwitz – wir sind in 58 der] die 65 f Sollte … seyn.] am linken Rand zeichen kopfstehend am unteren Rand von Bl. 27

66–68 Wo … lesen –] mit Einfügungs-

30

35

40

45

50

55

60

65

13. 6. 1813

447

1000 Ängsten – grüßen Harscher – Laßen Sie doch Wilmanns diesen Brief lesen – für Wilmanns: daß seine Cousine an Münter verheirathet ist.

3914. Von Luise von Willich. Poseritz, Sonntag, 13.6. bis Dienstag, 15. 6. 1813

5

10

15

20

25

Poseriz den 13t Juny –13 Sontag Morgens 5 Uhr Wie mancher Sontag Morgen ist vergangen, ohne mich bei Dir zu finden. Und, ja wohl fand ich mich darin, aber doch noch lange nicht so wie ich sollte, mir ging der Winter recht traurig hin, ich suchte wohl immer eine andre freundliche Gestalt, aber fand keine – zulezt – aber dies war mir ordentlich schrecklich lieber Bruder – da bemerkte ich daß ich wenn ich so an Dich dachte, Dich S i e nante es wollte mir ganz verschwinden das innige Vertrauen auf Deine Liebe – es stand mir immer vor Deiner Abreise von hir wie Du nicht ein mal für mich wie für Alle einen herzlichen Bruderkuß hattest. Nach langer Mühe, verwand ich dies, und suchte dann an Deinem Geburtstage, Dir eine freundliche Erinnerung abzugewinnen – aber Du weist – dann war ich in Sagard, die alte Neigung Dir mich wieder mit zutheilen erwachte, und ich schrieb und erzählte Dir, ich freute mich lange auf Deine Antwort – Ich dachte mir Dich in dieser Zeit oft, wie ich dies zu kennen meinte – Du würdest es wohl nicht übers Herz bringen können, so ganz mir den Rücken zu kehren – ich weiß wohl wie wir auf den Qualitzer Bergen waren, und der Wagen vor dem Müllerhause hielt, ich war bei der alten Müllerin gewesen, eine jugend | Bekante von meiner Mutter, Ihr saßt auf den Wagen, die alte Frau hatte ein kleines Maal bereitet, und sich mühsam geputzt, in der Hoffnung wir würden es nicht verschmähen – Du erfuhrst das nur recht, wie unser Wagen wegfuhr – und es that Dir leid, daß der alten Frau eine Freude verdorben sey. Du hattest Lust, auch zu halten und ab zu steigen, aber die Andern wollten es nicht so etwas wuste ich wohl – aber er half m i r doch nicht, zulezt fiel mir dann öfter ein was man mir sagte, wenn ich Blumen in Dein Zimmer trug, „meine Beste Du irst Dich wenn Du glaubst daß er darnach sieht“ – Ja wohl irte ich mich woll oft, aber hir doch nicht meinte ich. 68 für … ist.] mit Einfügungszeichen kopfstehend am oberen Rand von Bl. 27 3914.

Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 84–93

18 Qualitzer] Qualtizer

84v

448

85

85v

Brief 3914

Wie Du nun aber ganz still bliebst, ich nicht ein mal einen Gruß bekam – da fand ich mich darin, wie man sich findet lieber Bruder, ich finde mich ja auch darin, daß ich ohne Ehrenfried leben muß daß nicht ein mal sein Grab zu finden ist, was ich so gerne bezeichnen wollte – wer weiß indeß ob mir das Glük nicht noch wird – Nun ich Deinen Brief bekommen habe mögte ich wieder recht viel an Dich schreiben ich dächte nicht daß es möglich sey, so um nichts und wieder nichts keinen Brief zu haben | ich suchte natürlich die Schuld in mir ich dachte „Hänget euer Herz nicht daran“ – und suchte, mich nicht zu grämen. Jezt hoffe ich gewiß wirst Du die Deinigen wieder bei Dir haben, ich mag mir sie gar nicht denken, auch nicht einmal in der Himlischen Gegend ohne Dich, und Dich nicht ohne sie – Ja Schleiermacher – hätte ich es k ö n n e n ich wäre nach Berlin gegangen wie hier alles flüchtete – ich hätte gar nicht bei Dir w o h n e n wollen, nein nicht die geringste Sorge oder Verpflichtung hättest Du für mich haben sollen, nur bis weilen sollte in Deiner Verlaßenheit meine Nähe erquikkend für Dich sein – ich hätte es schon machen wollen, glaube mir nur – und weist Du was ich gethan hätte wenn ich statt Christianes diese Zeit bei Euch gewesen wäre? ich wäre nicht mit gereist nach Schlesien, sondern hätte Jettchen gesagt daß ich zurük bleibe Dir aber nicht, denn Du würdest es nicht gelitten haben, wäre zum Schein mit von dannen gefahren in der Stadt aber schon abgestiegen, und mich bei Reimers oder Wewezers einquartirt, und dann so weiter – plözlich zu Dir gekommen, und nicht gewichen, und hätte Dir in Deinem Zustand schon lieb sein sollen, ganz gewiß. Übrigens – ach sag ein mal was wird daraus | werden? – etwas freilich ist schon geworden, daß die braven Preußen, sich als ein tapfres Volk zeigen! daß sie jeden Flecken verlöscht haben – aber was nun weiter? o Gott! – Wird denn der Waffenstillstand zum Stande kommen? jezt in diesen Augenblik wie ist es mit Östereich? – mit welcher Sehnsucht verlangt man immer nach jeden Posttag – und imer kömt nicht das Erwünschte. Hier sind nun die Schweden – aber was kann unser Kronprinz wenn man ihm nicht die versprochenen Truppen liefert? – es ist schreklich, warum geschieht es nicht? Ists denn wahr das Carl Sack verwundet ist? – es stand in den Berliner Zeitungen, sag, ists bedeutend –? Schleiermacher wie herrlich ist der Muth der dort alles beseelte aber – wenn nun doch alles umsonst wäre? all das schöne frische Leben umsonst bluten müste, nein es kann, es kann nicht sein – Hir ist es so todt – so todt und kalt Du glaubst es nicht – nur ein mal hätte ich in dieser Zeit dort sein mögen warum konnte diese Zeit nicht einbrechen wie ich in Berlin war? – Hör weist Du woll, daß ein

30

35

40

45

50

55

60

65

13. 6.–14. 6. 1813

70

75

80

85

90

95

100

105

449

Leben voll Gefahr, voll Mühe und Arbeit, beßer ist als ein | bequemes ödes Leben? – Schleiermacher, wenn Du nun mein lieber Bruder bist, dann kann ich ja wohl freundlich Dich bitten, ach laß mich ein mal wieder bei Euch sein? nicht Jahre, nur Monate ja, will ich es gern – Auch mögte ich Euch nicht gerne wieder so kostbar werden – es haben sich ja auch die Zeiten geändert – nur ganz stille mögte ich bei Euch leben, und zu den Deinigen gehören – Du glaubst nicht wie lieb es mir war, wenn die Leute in Berlin Dich bisweilen mein Schwager nanten. Siehe nun ist mir wieder g a n z so zu Muthe wie sonst, sonst hätte ich Dich ja auch nicht um dieses Bitten können – Wo ist denn nun die Herz geblieben? sie war ja in Breslau – Du verläßt sie doch wohl nie? – wie steht sie allein – sie mehr noch däucht mir wie manche Andre – mit oder ohne Schuld – höchstens doch des Schiksaals Schuld – ihr blühte ein Leben – was vielen nicht blühte aber warn nicht viele taube Blüthen darunter? – hat sie Dir geschrieben? Ist es nicht sonderbar das mir ist als bekäme ich bald wieder einen Brief von Dir? bitte doch Friederieke daß sie ja ein wenig zu früh anrichtet. An Jettchen hätte ich gerne geschrieben aber es muß sich ja nun bald zeigen wo sie ist, so aufs Ungewiße mag ich nicht. Wären sie nur erst alle wieder in Berlin – Den 14ten – Ich muste schließen Gestern, und für unsern Officir Frühstück zu besorgen, Milch auf zu seihn us.w | nachher ging ich in die Kirche, wärend der Predigt hielt ich einen sanften Schlaf – glaub nur daß das beßer ist als wenn ich mich zum wachen zwinge – Friederike Schubert fand die Predigt schön, ich kann nicht darüber urtheilen und gönne ihr die Erbauung – Etwas muß ich Dir noch erzählen nein Schleiermacher was zu Himlisch war, wobei ich immer und immer denken muß: „wäre doch j e t z t Schleiermacher hir genüße doch“ er es – Nun aber erst von dem Gestrigen Tage. Wir waren in Sißow, doch nicht Sophie, die sich immer noch ihres Kopfes wegen sehr schonen muß. In Sißow waren die Göttemizer, und Julchen Hochwächter, und mit uns noch 2 Fräulein Schubert aus Stralsund. Wir Fraun fuhren auf 2 Wagen nach Prosnitz wo der Cronprinz erwartet wurde, er war auf der Schanze, unsre Herrn ließen uns allein fahren, theils waren sie zu bequem, theils zog sie das Spiel zu sehr an – nachdem sie sich alle Mühe gegeben hatten uns abzureden, sezten wir uns, uns unsers eignen Schuzes anvertrauend auf den Wagen und fuhren davon. Luise Benda und ich, voran, auf den Kutschbock, die Kathen und die Mühlenfels, auf den an-

86

86v

450

87

87v

Brief 3914

dern – auf den zweiten Wagen – Julchen und Lotte Hochwächter – Lina Kathen – Friederike und Minna Schubert. Der ganze Weg wimmelte von Officir und Soldaten die des Cronprinzen halber in Bewegung waren – uns ward freilich ein wenig unheimlich zu Muthe so ganz ohne Männliche Begleitung zu sein – doch musten wir | den Männern Troz bieten – und unser Vorsaz ausführen ein sanfter Regen, den die Männer uns profezeiht hatten – träufelte auf uns herab – doch war die Luft wieder so himlisch schön, daß er uns, wenn auch unsern Hüten und Tüchern – nicht schaden konnte – doch wurden wir fast zweifelhaft ob wir nicht lieber umkehren wollten – da sah ich Ruz mit Mienchen fahren – ab rufen konnten wir sie nicht mehr aber Lotte Hochwächter mußte vom Wagen und ihnen den Weg nach Sißo verweren – Die Pferde wurden um gelenkt – und Mienchen und Ruz doch e i n Mann sezte sich auf unsern Wagen – und so fuhren wir den Kronprinzen entgegen der nun eben von der Schanze kommen muste. Er begegnete uns auch sehr bald mit seinen Generälen auf einen ofnen Wagen, wir empfingen seinen Gruß und hatten was wir wollten. Wenn man ihn übrigens ein mal gesehen hat, so vergißt man sein Gesicht was sich so leicht eindrückt – wohl nicht wieder. Ich hatte das Glück ihn bei seiner Ankunft in Stralsund schon g a n z nah zu sehen, ich war nehmlich mit Schuberts auf dem Guvernementshause wo er ab trat, und lag in einem Fenster, im untern Stock, so daß ich ihn beim hereinkommen grade ins Gesicht, und weil er grade redete ins Auge faßen konnte – Er hat sehr imponirende Züge – so daß man wohl Vertraun zu ihm faßen kann – aber was hilft es alles – wird es helfen Schleiermacher? – steht Dein Glaube fest? Jezt noch, ach | sprich doch was Du sprechen darfst! Ö s t e r e i c h will den Waffenstillstand, liegt dadurch nicht Östereichs Gesinung klar am Tage – ist nicht Preußens Stellung, wenn dem so ist, die Gefahrenvollste? wie konnten sie sich mit P l a a n so weit nach Schlesien hinein ziehen? nun sind sie ja zwischen den Franzosen und Bömen – das schöne Schlesien – die braven Preußen – Und man hört immer so viel – fast lauter Lügen. Bendas sind sehr unruhig – ich begreife nicht daß E r bleibt – Luise bleibt gewiß bis die Franzosen dort wieder weg sind[.] Es hat doch dies woll niemand geglaubt, wie konnten sich sonst so viele Menschen nach Schlesien flüchten – Die Herz ist ihnen doch recht in die Arme gelaufen wenn es wahr ist daß sie in Breslau sind. Hat sie gar nicht geschrieben? Christiane hat schon 2 mal aus Schlesien geschrieben – Die steht viel Heimweh und Sehnsucht aus, so bald sie wieder in Berlin ist, wird wohl Anstalt gemacht sie her zu bekommen. Willichs Knaben sind wieder in Altenkirchen bei Baiern. Seit Ihr hir ward bin ich noch gar nicht auf Wittow und nur 2 mal ganz kurz in Sagard gewesen. Seit die

110

115

120

125

130

135

140

145

14. 6. 1813

150

155

160

165

170

175

180

185

451

Gadebusch nicht mehr hir ist habe ich Sophien nicht verlaßen mögen, da sie eigentlich den ganzen Winter unwohl gewesen ist. Auch Heute da Schlichtkrull mit den beiden Schuberts nach den Garzer Markt ist, sind wir beide zu Hause, mir ist dies ganz recht, so kann ich diesen Brief beendigen, und Morgen, wenn nach Stralsund gereist wird mit schikken | so bekömst Du ihn am Sontage. Ich danke Dir sehr daß Du mir Nannis Brief beantwortetest, wenn Du Dich für jede Sünde durch ein so gutes Werk zu reinigen weist, so kannst Du es immer wieder wagen. Sollte denn Nanny so wieder aus Schlesien kommen müßen, ohne ihre Mutter gesehen zu haben? Und Harscher ist richtig in Berlin wieder angekommen? ich hatte es schon durch Twesten gehört daß er abgegangen sey – nein n u n gebe ich die Hoffnung für ihn auf – was hilft ihm denn ein solches Leben? wie kann er es so lieb haben – am Ende – wenn er d o c h nur wäre ein thönendes Erzt und eine klingende Schelle –? – wie schön konnte er immer sprechen welche klare Anschriften konnt er oft geben über andre Menschen und Verhältniße – es ist wirklich ein Jammer um den Harscher, Du siehst ihn gewiß jezt wenig – ich begreife es daß weder Deine noch Marwiz Nähe jezt mehr wohlthetig auf ihn wirkt – es thut mir doch recht leid um ihn, aber wenigen Menschen wird es doch auch nur so gut als ihn, wenigen wird mit so vieler Liebe nach gegangen, von dieser Z e i t hoffte ich recht viel für ihn, denn gewiß liegt ein großes Heil für viele Menschen darin, ich fühle es recht lebendig lieber Bruder – so viel Schmerz sie auch mit sich führt. Beinah hätte ich vergeßen Dir zu erzählen wo ich gewesen, und wo ich Dich so sehr auch wünschte, auf einem großen Englischen Kriegsschiffe Schleiermacher, es hatte den Herzog von Braunschweig gebracht | lag mit einer Flotte von noch an hundert Schiffen auf Port. Wilhelm Schubert, hatte vom Admiral des Schiffes ein offnes Empfehlungsschreiben, an den Kommandör desselben, worin ihm besonders zur aufmerksamsten Behandlung die Laddys welche in der Geselschaft sein würden empfohlen wurden, und dies war für uns von dem grösten Vortheil. Wenn ich nur gewiß wüste daß es Dir nicht langweilig würde, so mögte ich Dir gerne die ganze Reise erzählen doch dafür brauche ich mich ja im Grunde auch nicht zu fürchten. Du brauchst ja nur nicht weiter zu lesen, als es Dir Vergnügen macht. Am letzen Pfingsttage war Regierungsrath Schubert mit seiner Familie hir, muste aber den Abend zurük, und lies 2 von seinen Töchtern hir, Abends spät kam Wilhelm Schubert, und proponirte uns diese Reise nach dem Schiff. Schlichtkrull ließ sich willig finden, seinen Carl und Pferde und Wagen dazu herzugeben, Sophie befand sich so daß ich den freund-

88

88v

452

89

89v

Brief 3914

lichen Aufforderungen die Parthie mit zu machen gerne nachgab, und am Dienstage den 8ten also, Nachmittags gegen 5 Uhr sezten wir uns auf den Wagen das heist: Friederike und Miene Schubert, ich und ein Student aus Greifswald der uns besuchte. Schubert war schon den Morgen nach Garz ge|gangen wo wir ihn treffen sollten. Unsrer Geselschaft schloßen sich noch einge Bekante von Schubert an, die mir aber alle nicht recht behagen wollten, und das war für mich das einzigste Schade bei der ganzen herlichen Sache – hätte ich mit diesen Leuten dieselbe Reise durch Schlesien machen sollen? nein – die M e n s c h e n sind doch bei allem das Beste. Na Sieh Schleiermacher, erst waren wir nun noch ein Stündchen in Garz, wo ein Herr Wellner aus Greifswald war der sich mit auf unsern Wagen sezte. Lotte Pistorius fand ihn interreßant darum freute ich mich wie er wünschte bei uns zu sizen – Du kennst aber Lotte, wie sie oft Menschen zu etwas machen kann durch ihr eignes Licht was sie ohne es selbst zu wißen auf sie wirft – oder auch ein gewißes Bedürfniß läst sie finden was sie wünscht – in den lezten Fall mag ich auch wohl bisweilen sein – aber – nein ich fand doch nicht was sie meinte ich saß mit Schubert in ein Stuhl, den kenst Du – er ist ein gutes, aber ein gar zu pedantisches Blut, ein zweiter Rühs. Es ging nun um 6 weiter vorwärtz über Puttbus – hör wie es d a herlich war kann ich Dir nicht sagen – es war ein so schöner Abend wie wir fast noch nicht gehabt hatten – und ich genoß es recht im stillen, ich mogte gar nicht sprechen und hätte gerne mehr liebe Menschen neben mir gehabt. Kurz vor Sonnenuntergang waren wir in Filmiz, eine halbe Meile etwa von Puttbus – ich weis nicht ob Du dies liebliche Dörf|chen kennst? man hat sehr schöne Ansicht vom Berge, worauf die Kirche liegt. Unsre Pferde wurden hir gefüttert, wir selbst aßen unter freiem Himmel Abendbrod, und dann gingen Alle nach dem Kirchhofe wo wir uns lagerten und den lezten Stral der Sonne begrüsten die wunderschön unterging. Unsre ganze Geselschaft war nun bei einander. Ein Herr Gesellius mit seiner Frau, aus Stralsund, Hanoveraner von Geburt – ein Herr Torsban, ein Bruder von Madam Gesellius – eine A r t von Harscher – doch scheint er mir lange nicht von der Bedeutung zu sein. Er lebt in Stralsund von seinem Vermögen hat studirt, lebt aber übrigens nur so, mit den Wißenschaften sich beschäftigend und greift bis jezt nicht ins thetige Leben ein, weil ihm die Verhältniße der Welt nicht gefalen. Dann der Herr Welner – Zechin der Student – Wilhelm Schubert, und seine beiden Schwestern. Madam Gesellius mogte ich gar nicht leiden. Du weist sonst daß ich ziemlich genügsam bin – noch weniger den Herrn ÐHemelÑ – dieser wollte immer wizig sein – denke Dir wie ärgerlich 226 ÐHemelÑ] oder: Hamel

190

195

200

205

210

215

220

225

14. 6. 1813

230

235

240

245

250

255

260

453

dies war – es war ein so schöner stiller Abend, die Nachtigal schlug so schön, aber von seinem Geschrey konnte man es nicht genießen. Der Torspan war dann wieder wüthend daß er nicht schwieg u.s.w. dann ging es weiter, aber obgleich wir Mondenlicht hatten, wurden doch nachgrade die fernen Gegenstände sehr undeutlich, | so daß wir doch dadurch die mannichfache schönen Ansichten auf diesem Wege den ich zum ersten mal machte verlohren. Zwischen 2–3 kamen wir in einem Dorfe auf Mönchgut, G ö r e n ganz nah bei Peert an. Hir wollten wir einge Stunden ruhen, unsre Wagen hielten, die Männer recognoscirten das Terrain – kamen aber mit der traurigen Nachricht zurük es sei nicht möglich für den Damen, es sei z u ÐschmuzigÑ wir müsten auf den Wagen bleiben – das war auch schauderhaft, im eigentlichen Verstande denn es fing uns in der kühlen Morgen Luft die wir schon merkten wirklich an zu schaudern. Der gutmüthige alte Mönchguter bot uns also seine Scheune an – aber denk Dir wie viel Schweden schon mogten in demselben Stroh gelegen haben sage nicht „ah Pimpeline“ Du kennst nicht die Begleitung die die G e m e i n e n mit sich führten indeß, ward mir so ehrlich versichert es sey Niemand in der Scheune gewesen, daß wir dem Zureden nachgaben – Friederike Schubert und ich konnten aber nicht schlafen es war uns ganz vatal in dieser fremden Gemeinschaft zu Muthe – mit Sonenaufgang gingen wir von dannen – den Bergen zu, das Dorf lag im Grunde, der Herr Torsban folgte und begleitete uns, Schleiermacher und nun hättest Du da sein sollen, nur um Deinetwillen, nicht für mich wünschte ich es! Sieh da standen wir auf der Spize von Peert rechts die große Flotte die von der aufgehenden Sonne beleuchtet ward – das Meer still, keine | Welle kräuselte sich – links Jasmunds Ufer – und im Rücken das ganze kleine Mönchgut selbst – Du kennst diesen Standpunkt, also darf ich Dir darüber nichts sagen. Auf dem Meere aber mögte ich mit Dir noch ein wenig bleiben. Ich wuste wie Dir es gewesen wäre bei diesem Anblik – es waren die Englischen Schiffe die Schwedische Truppen gebracht hatten, welche auch schon debarkirt und durch Rügen nach Stralsund gegangen waren. Die Schiffe lagen wie eine schöne Stadt in stiller Ruhe vor uns dar das Kriegsschiff an der Spitze, zählen konnten wir sie nicht, so viel Mühe wir uns auch gaben – aber nun können wir wahrlich länger nicht hir stehen bleiben, denn ich habe noch viel zu erzählen, und ich mag Sophie auch nicht so lange allein laßen – auch muß ich mich nachher noch mit unsern Oficir unterhalten, der deutsch spricht und die Unterhaltung sehr liebt – Die guten Schweden sind ein wenig langweilig – eine Stunde mochten wir 235 recognoscirten] reconnocirten

Terrain] Tairen

90

90v

454

91

91v

Brief 3914

wohl auf den Bergen gewandert haben da erinnerte uns unser Begleiter an der Heimkehr zu unsern Dorf – wir fanden unsre Geselschaft zum Theil noch schlafend – es ward ein klägliches Frühstük avanzirt – dann die Toilette gemacht, um der Laddyschaft doch einge Ehre zu machen – ich hatte nicht beßer wie ich glaubte dafür sorgen können als mit dem hübschen blauen ChinzenKleide von Jettchen, nebst gehörigen Decorationen – nachher | sah ich daß die Botsknechte grade solche Hemden anhatten – um 7 fuhren wir fröhlichen Muthes Philipshagen zu, hir wurden wir noch mit Austern bewirtet. Die Majorin war nicht zu Hause. Die Töchter wollten gerne mit fahren, aber ihre alte Tante wollte es nicht, ich will mich doch wahrhaftig hüten keine alte Ta n t e zu werden. Nun ging es weiter der Brücke zu, der hiesige schwedische Officir begleitete uns, weil ohne deßen Erlaubniß nicht geflagt werden durfte. Um 8 etwa waren wir auf der Brücke – nun ward geflagt von unsrer Seite das heißt: an einer Stange die dort steht eine Flagge (nicht etwa ein Tuch) gestekt – auf dies Zeichen ward sogleich vom Kriegsschiff was anderthalb Meilen ohngefehr in See lag wieder geflagt – nun muste von unsrer Seite zum zweiten Maal das selbe geschen zum Zeichen daß jemand an Bort des Schifes wolle. Bald sah man nur eine Gondel abgehen, die mit unendlicher Schnelligkeit das Ufer erreichte – alle diese Vorbereitungen, waren unendlich interreßant – könnte ich Dir schon diese Gondel beschreiben so lang wie Deine Stube, aber ganz schmal – schmäler schien sie wie die Sasnizer ÐBänkeÑ (wie von Ebenholz so schön waren sie) könnte ich Dir den taktmäßigen Ruderschlag zeigen und dann wie auf ein Wink des Oficirs – die 12 Ruderer in einem Moment als Begrüßung schien es, die Ruder | in die Luft richteten, sie senkten und mit Behendigkeit in ihren Fugen legten – das waren nun alles Engländer, wie auch die ganze Besazung des Schiffes. Der Officir sprang heraus, und unsre Herren gaben ihm das offne Blatt nebst noch einem Brief vom Admiral an Kommandandör. Der Admiral ist in Stralsund. Er las das Blatt, und sagte es würde so gleich eine anders arangirte Chalupe kommen. Gesezt und abgegangen war eins – Es verging nun wohl eine halbe Stunde zwischen dem Ankommen, und Abgehen der Chalupe am Schif – so wie sie aber abging wurde sie mit eingen Kanonenschüßen begleitet – nicht lange so war sie da. Ein größres schöneres Werk war das, der Fußboden wo wir saßen mit Teppiche belegt, ein anderer Officir der uns hinn führte – beschäftigt freie Mäntel auf unsere Size und Rüklehnen zu breiten – Nun ging unsre Laddyschaft an das spürten wir deutlich – Herr Caspar, konnte glüklicher weise englisch sprechen 282 daß] das

286 f (wie … sie)] ohne Klammern mit Einfügungszeichen am unteren Rand

265

270

275

280

285

290

295

300

14. 6. 1813

305

310

315

320

325

330

335

340

455

nun ging es in See –! Schleiermacher! Die Meeresfläche war still wie ein Spiegel – und blau wie das schönste Ultramarin – wie herrlich, h e r l i c h war das Meer – vor uns lag die Flotte – bei dieser Meeresstille, schnitt dennoch die Chalupe mit einer Schnelligkeit durchs Waßer | als würde sie vom stärksten Winde getrieben ich fragte: „welches ist denn nun von diesen das Kriegsschiff“? Der Oficir, der nichts als englisch sprach lies sich sagen, was ich gesagt habe – und auf einen Wink, war die Chalupe eine andre Lage, und grade vor uns lag das große herrliche Gebäude, was durch unsre Seegel mir nicht sichtbar gewesen war. Und immer näher kamen wir nun dem Schiffe, immer näher – ich kann es nicht läugnen daß mir das Herz etwas klopfte diese Höhe – es war mir als solle ich von unsern Hof in Sagard, in die Kornbodensluke steigen – immer näher kommen wir, jezt ganz nah – und es wurden die Kanonen gelöst! nun hatte ich Muth!! wir hatten eine fürstliche Aufnahme, und wir Laddys fühlten das und namen uns mit vielen Anstand dabei das kanst Du glauben. In einem Moment waren die Segel herunter und die nettgekleideten Bootsleute 16–20 in Bewegung, der Oficir bat, die sämtlichen Männer an einer Treppe hinauf zu steigen, für uns würde andre Veranstaltung getroffen werden. Die Männer gingen und wir Laddys blieben unter dem Schuz der Engländer. Bald ward vom Schiff herunter gesenkt, ein Reife mit seidnen Bändern bewikelt, eine art von Luftbalon so nenne ich es poetischer Weise, sonst war es mehr eine art von Stuhl, doch saß man ganz bedekt darin, nur vorne war es offen – ein florartiges Zeug, wie ein großer Schaal lag darin, wovon das eine Ende im Stuhl liegen blieb | so daß man die Füße drauf sezte – saß man nun, so ward man in diesen Flor gehüllt so daß man wie eine Göttin in den Wolken schwebte – wie nun Nanny und Jettchen in der Erde Tiefen fuhren, so schwebten wir zu des Himmelshöhen – nun muß ich hinunter zu Sophie und dem lieben ÐDränertÑ – Sophie ist so schön mit ihm im Zuge, daß ich noch ein bischen weggegangen bin, ich muß mich nun auch sputen, damit Morgen der Brief mit weg kömt, Sophie kann noch nicht mit fahren also will ich nur lieber bei ihr zu Hause bleiben. Madam Gesellius schikten wir zuerst hinauf – dann kam ich, bei unserm Empfang wurden noch ein mal die Kanonen gelöst und mit voller Music ward ich aus den Seßel gehoben, der Kommandör empfing uns die andern Oficire standen in einger Entfernung die Soldaten hatten ein Herz formirt – Kurz wir wurden hir empfangen wie der Kronprinz in Stralsund empfangen wurde. 330 dem] oder: der

92

92v

456

93

93v

Briefe 3914–3915

Schleiermacher – ach davon will ich aber gar nicht reden könnte ich dir nur das S e i n in der Mitte der Flotte, das S e i n auf diesem Gebäude recht anschaulich machen! – Wir waren nun auf dem Verdek, das Waßer rürte sich nicht, und das Schiff lag also ganz stille, ach warum konntest Du, warum Ihr A l l e auch Nanny nicht da sein, die so viel Freude schon an der Hiddenseerreise hatte – | Von der Größe, von der Nettigkeit von der Ordnung dieses Werkes hat man keinen Begriff wenn man es nicht sieht! wir wurden nun von den ersten Officirs durch einge Vorzimmer, in das Admirals Zimmer geführt deßen Fenster uns die Aussicht öfnete auf einen Teil der Flotte rechts – weiter links die Richtung nach Bornholm, und noch weiter Jasmund – Mönchgut – kanst Dus Dir nun woll vorstellen? das e n t z ü c k e n d e war mir überhaupt, was ich v o m Schiff sah, a u f dem Schif b e wunder, und v e r wundern immer – Das Admirals Zimmer war ohngefehr von der Größe Eures Saals – worin 3 Sophas einge Seßel – ein schöner runder Tisch und viele Kupferstiche waren, unsers Kronprinzen Bildniß was ungeheuer ähnlich war, wurde uns zuerst gebracht – Jezt began eine Reise auf oder durch dem Schiff, was 3 Stock hatte in dem oberen Stock waren die Zimmer im 2ten Küche, Schmiede – lebendiges Vie – Militair – us.w. im unteren Lazaret, Kadettenanstalt – Arsenal ach ich weiß es nicht alles zu nennen – aber ein Arsenal war es – nein Schleiermacher die Waffen, es ist nicht zu sagen welch ein Glanz welche Schönheit! der Stahl – ÐSoÑ als käme [man] in Berlin in einen glänzenden Laden – dieser | Stock ist schon ganz unter Waßer, und es muß diese ganze Etage erleuchtet werden. Die Oficire die uns führten hatten jeder noch eine Leuchte in der Hand. Denke Dir daß wir die Promenade nun in der Meerestiefe machten – Nun muß ich wieder hinunter – wenn ich nicht ganz fertig werde so erzähle ich in meinem nächsten Briefe weiter, wenn Du artig bist und mir antwortest. Ich sehe eben die Blätter nach – mein Himmel nein das muß das lezte sein sonst wird es Doppelporto – Ich kann es nicht verlangen daß Du es alles liest – ich sehe mich im Ernst – aber wirklich ich hab es nicht gewußt ich begreif auch nicht, was das alles sein kann – ich kann es jezt nicht nach lassen. Den 15 Morgens – ich stand sehr frühe auf um noch etwas zu schreiben, aber ich bekam zu thun in der Milchkammer, habe nun alles Frühstük besorgen müßen und so ist die Zeit hin –. Nur dies, und unser Gruß und unsre herzlichen Wünsche. Grüße alle Freunde – Empfiehl mich auch Twesten, Du siehst ihn doch woll oft. Du warst sein Hauptgrund weshalb er den Aufenthalt in Berlin vorzog. Grüße die Spalding, ich habe diesen

345

350

355

360

365

370

375

13. 6. 1813 380

385

457

Winter wieder an sie und noch an einge Andre in Berlin geschrieben, die Briefe aber nicht absenden mögen – aber ich muste doch etwas haben. Man kann ja so etwas in sich flegen und hegen – und oft ists beßer als spricht mans aus – und es wird nicht aufgenommen. Die kleine Carolin, finde ich, und mehrere von uns, sieht Lieschen ein wenig ähnlich – weiß wohl das süße Kind noch von mir? Grüße mir die Kinder – meines Ehrenfrieds liebes kleines Jettchen – und Friede! adieu. Luise

3915. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 13.6. bis Mittwoch, 16. 6. 1813 13t Juni Sonntag Vormittag.

5

10

15

20

25

Der stille liebe geschäftslose Morgen der mir schon von der Kindheit her so lieb war, soll mir so lange wir getrennt sind nicht vergehen ohne daß ich Dir schreibe mein Guter. Ich wollte erst in die Kirche gehen aber der Prediger zu dem ich will predigt heut nicht, ich habe mir Mühe gegeben auszurechnen wie ich mir Dich heute denken muß, bin aber einmal verwirrt darüber und kann es nun nicht herausfinden. Es ist einige Tage ein Himmelswetter gewesen Regen in Ströhmen und Sturm so daß der kleine fast ausgetrocknete Bach zum rauschenden Strom angewachsen ist, wie überrascht war ich heute Morgen beim Erwachen das Zimmer mit Sonnenglanz übergossen zu sehn, ich stand nach 6 auf, schrieb an den Postdirektor nach Hirschberg wegen der fehlenden Briefe und ging hinaus in den kleinen Garten, diese warme frische paradiesische Luft kann ich Dir nicht beschreiben es war mir als hätte ich sie noch nie so gefühlt. Wie ganz herrlich ist es hier es ist als ob dem Sommer ein ewiger Frühling mitgegeben wäre, nichts schmachtendes daraus bietet sich den Blicken dar, ohngeachtet der langen sonnenhellen warmen Tage, alles steht so saftig | frisch und jung da, daß es eine Wonne ist. Du weißt wie man hier vom Hause grade aus kann gleich ins Freie kommen, das ist mein täglicher Spaziergang mit den Kindern, man hat das hohe Gebirge grade vor sich zu beiden Seiten Wiesen in nicht großer Entfernung einen mit kleinem Gebüsch bewachsenen Hügel, unser gewöhnlicher Lagerungsplatz. Ganz besonders herrlich ist die Stunde des Sonnenuntergangs, ich lasse es mir fast nie nehmen dann draußen zu sein, wie das lezte Licht noch so leise um die Gipfel der Berge herumzieht, bald hier einen Punkt auf das 3915.

Überlieferung: H: BBAW, SN 779/11

1v

458

Briefe 3915–3916

schönste verklärend, dann sanft erloschen, überraschend auf einmal uns einen andern im hellsten Glanz zeigend bis es ganz verschwunden nur noch den fertigen Duft zurükgelassen hat, das mein lieber ist meine Freude meine Erhohlungsstunde. später.

2

2v

Jette und Friede unterbrachen mich, ich behielt sie da um eine kleine Andachtsstunde mit ihnen zu haben, las ihnen einige Verse von Lavater und erzählte ihnen die Leidensgeschichte Jesu ich konnte meine Freude an ihnen haben, Jetten | liefen die hellen Thränen aus den Augen, der Friede der sonst dergleichen nicht leicht an sich kommen läßt, sondern lieber über das Schicksal und die Schönheit einer Blume poetisirt, stand ganz betroffen da, und blieb ganz ernst und feierlich bis ich sie wieder entließ. Auch könnten doch in diesem wichtigen Geschäfte der ersten Einführung in die heiligen Güter der Menschheit, der heiße Wunsch und die tiefe Demuth mich recht leiten daß ich von allem verkehrten fern bleibe Der wirklich poetische Zug in Friede der hier in dem Naturleben sich oft so lieblich ausspricht macht mir doch herzinnigliche Freude, überhaupt habe ich mir die Last mit ihm größer gedacht, ich regiere ihn sehr gut, bin sehr strenge, habe ihn aber allein schon durch seine Liebe zu mir sehr in Gewalt, mit Jette wäre ich sehr zufrieden hätte ich nur nicht immer und ewig mit dem abscheulichen Fehler des gegenredens zu kämpfen. Ich muß es wohl früher schon versehen haben, denn ohne Schuld der Erziehung kann doch ein solcher Fehler wohl nicht sich festsetzen. Jezt muß ich mich rasch anziehen denn hier wird um 12 gegessen – | d 16t Heute erhalte ich wieder 2 Zettelchens von dir eines vom 1ten das andre Du böser ohne Datum, um die verlohrnen Briefe traure ich unendlich, daß ich auch Deine Briefe noch jezt missen muß! Ach meine Sehnsucht nach Hause und nach Dir wächst mit jedem Tage und ich will nun ernstlich versuchen ob es nicht kürzlich möglich ist zu reisen, welch ein Glück daß ich grade noch Geld genug haben werde. Gottlob daß ich wenigstens um Dich jezt außer Sorgen bin das einzige Gute woran ich mich in dieser lezten schlechten Zeit habe freuen können. Jezt sind wir förmlich eingesperrt, das einzige von Truppen unberührte Plätzchen im Umkreis von einigen Meilen rings von Feinden umgeben denn die Russen sind nicht anders anzusehn, so eben erst war uns der neue Postenlauf über Neisse angekündigt als auch heute schon die Nachricht komt daß ferner keine Post mehr kommen könne weil die Russen keine passieren lassen. Ich

30

35

40

45

50

55

60

13. 6.–15. 6. 1813

65

459

halte dies Gefängnißleben nicht länger aus, es ist meine einzige Seelennahrung dies tägliche und stündliche Harren auf Briefe, und können diese kleinen Zettelchen von Dir freilich keine ganze volle Befriedigung gewähren so haben […] Jette grüßt und küßt dich sehr und bittet mich die Leute zu grüßen und Emma.

3916. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 15.6. bis Mittwoch, 16. 6. 1813 B. d 15t. Dienstag Abend.

5

10

15

20

Aufs wunderbarste liebste Jette werde ich immer in meinen Plänen für Deine Rükkunft gestört, und immer wieder aufs neue gespannt und auf vielfältige Art wunderlich bewegt. Ich hatte mir nun ausgerechnet noch einmal durch Roeder an Dich zu schreiben (denn mit der Post glaube ich nicht daß ein Brief ankommt) und dich mit seinem Rath und Hülfe flott zu machen. Nun steht hier in der einen Zeitung der russische Kaiser sei in Kalisch also ist sehr möglich Wolkonsky auch da und Roeder auch, und es ist damit wieder vorbei. Dann höre ich eben diesen Abend von Schede daß Buttmann nach Breslau reisen will um seine Frau von da zu holen. Es wäre sehr schön wenn Du Dich an ihn anschließen könntest, er wird den sicheren Weg auf dem rechten Oderufer gehn, und du hast dann doch einen Mann in der Nähe; aber wie soll ich es machen um es Dir zu wissen zu thun? – Dann ist Scheibler hier gewesen, hat Schede’s besuchen wollen da er sie aber in der Stadt nicht gefunden hat er gesagt, er würde sie wol nicht sehen können, denn er sei nur auf kurze Zeit hier. Bei mir scheint es nicht als ob er sich hätte sehen lassen. – Endlich ist Czernischef diesen Abend erwartet worden, wie leicht kann Alexander mit sein! wie leicht kann er es vielleicht nicht gut haben vermeiden können! Was wird er thun? Ich muß Dir gestehen liebes Herz das sezt mich in große Spannung. Ach ich gestehe Dir wenn er sich nicht stark genug fühlt sich so wie es möglich ist an uns anzuschließen so fürchte ich auch daß er der Gewalt 68 f Jette … Emma.] am linken Rand von Bl. 1 3916. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 37 f.; D: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 193–195 (gekürzt). Mit einer Einlage von Charlotte von Kathen (vgl. Brief 3918, Z. 6–9) und einem Duplikat der Anweisung über 30 Rth. 4 ausgerechnet] korr. aus ausgesezt

460

37v

38

Brief 3916

der Leidenschaft wieder unterliegen kann und daß es ein tragisches Ende nimmt! O Gott! Wenn er mit Czernischef nach dem Hauptquartier geht und er erfährt daß Du nur wenige Meilen von ihm bist, und er sollte nicht widerstehen können Dich zu sehen! Nein, ich will es nicht fürchten und Gott verhindere es! Ach Jette ich könnte mich anklagen daß mir solche Gedanken kommen wenn ich an seinen Brief denke; aber | ich spreche mich auch wieder los denn wie wenig hat er sich doch in dieser ganzen Sache gekannt, und wie wenig sich in seiner Gewalt gehabt, wie heftig ist er in seiner Leidenschaft und wie leicht kann sein böser Geist sich seiner bemächtigen. Gott möge ihn leiten daß er nicht etwas seiner unwürdiges und uns Allen verderbliches beginge Könnte er annehmen und festhalten was ich ihm so freundlich angeboten habe! oder wenn nicht wenigstens fest in der Ergebung bleiben die sein Brief ausspricht – Thue ich Dir weh? Ach das möchte ich gar nicht, aber ich will Dir auch solche Besorgniß nicht verschweigen. Hältst Du es für unmöglich bei völliger Klarheit deines Bewußtseins, so wird schon das mich sehr beruhigen. Gute Nacht meine süße einzige Dir und den Kindern. Es war ein hübscher Abend mit Schedes und Loders, Richter kam auch mit, Schedens blieben noch etwas länger und erzählten von einer Explication die sie mit Wilhelminen gehabt Gott wie schreklich ohne alle natürliche Liebe ist das Mädchen! M i t t w o c h M i t t a g Zuerst was mich und dich am meisten interessirt. Diesen Vormittag erscheint Scheibler bei mir, meine erste Frage ist nach Alexander, Alexander ist hier, seit Vorgestern. Scheibler sagt mir er habe mich schon zweimal besuchen wollen mich aber nicht gefunden. Es bleibt möglich daß er das Scheiblern nur so gesagt hat; daran dachte ich aber im Augenblik nicht, sondern in der Freude daß ihm so war daß er kommen wollte bat ich Scheibler ihm zu sagen er möchte doch so bald als möglich kommen und bezeichnete ihm die Stunden wo er mich gewiß draußen findet. Nun will er nicht so wird er auch so nicht kommen. Möglich ist aber indeß doch daß Gestern und Vorgestern grade niemand in der Stadt im Hause gewesen ist. Nun thut mir nur leid daß Du nicht leicht noch in diesem Briefe | etwas näheres darüber erfahren kannst denn der soll heute fort. Hedemann der mit seinem Prinzen gekommen ist begegnet mir eben im Begriff zu uns zu kommen und sagt mir daß Bötticher Morgen ins russische Hauptquartier geht. Der soll den Brief mitnehmen und von dort auf die Post besorgen, ich will ihn nemlich an Roeder einschließen denn 32 etwas] korr. aus s 52 indeß] über 〈gerad〉

33 beginge] korr. aus begingen

44 Diesen] korr. aus Dies

25

30

35

40

45

50

55

15. 6.–16. 6. 1813

60

65

70

75

80

85

90

95

461

Hedemann weiß daß der dort ist. – Es ärgert mich daß ich mich durch den Waffenstillstand habe verführen lassen zwei ordentliche Briefe der Post anzuvertrauen die Du nun gewiß nicht bekommst. In dem einen war die Assignation auf 50 r; ich will mir Mühe geben heute noch eine secunda zu bekommen und die dann einlegen. Mit Buttmanns Reise sieht es noch weitläuftig aus. Er weiß noch nicht wann er reist und will einige Wochen in Breslau bleiben, auch nur vielleicht die Frau zurükbringen. Aber da nun von Schmiedeberg nach Breslau offenbar die Post gehn muß so schreibe doch an Gass laß aber auch zugleich (weil vielleicht die Regierung nicht dort sein könnte) jemand anders an einen sichern Freund schreiben und sichere Nachrichten einziehn wie man von dort aus auf dem jenseitigen Oderufer am nächsten über Züllichau (denn Crossen möchte auch nicht mehr sicher sein) reiset, ob ein PostCours eingerichtet ist oder ob man, was doch auch sonst besser wäre, einen Fuhrmann bis wenigstens Züllichau haben kann und für welchen Preis. Oder reise nur gleich nach Breslau, wenn es anders von den Franzosen wie der Waffenstillstand besagt geräumt ist. Du erfährst dort gewiß alles mit minderem Zeitaufwand als wenn du erst schreibst. Außer Gass und vielleicht auch Raumer ist ja Heindorf noch da. Außer diesen kannst du dich auch noch an einen alten Bekannten den Oberlandesgerichtsrath Wenzel wenden. – Das Duplicat der Assignation liegt bei. Es gilt nur für den Fall wenn das erste Exemplar nicht angekommen ist. Adieu. Deine baldige glükliche Rükkunft ist der Gegenstand meiner sehnlichsten Wünsche. Wie gern reiste ich selbst Dich zu holen aber es wäre unvernünftig und würde doch nur länger aufhalten da ich erst Urlaub suchen müßte. Wenn Du mit den 50 r die Du hoffentlich nun bekommen wirst auslangst desto besser, wo nicht so denke ich kannst Du dir wol in Schmiedeberg einen kleinen Credit bei Friedchen oder Waeber machen die ja bei der ersten ofnen Gelegenheit auf mich ziehen können. Kannst | Du russische Pässe oder dergleichen brauchen, so wird Roeder sie dir hoffentlich besorgen; stößt Dir sonst noch eine Schwierigkeit auf so schreibe nur an ihn, ich seze Dir der Sicherheit wegen noch einmal seine Adresse hieher „Major von Roeder Königlich Preußischer Adjutant bei dem Russisch Kaiserlichen Generallieutenant Fürsten Wolkowski im Hauptquartier Sr. Majestät des Kaisers von Rußland.“ Lerne in Breslau die Steffens kennen wenn sie da ist, die Nothwendigkeit Dir einen Fuhrmann zu schaffen wird Dich doch nöthigen ein Paar Tage da zu bleiben, genieße die auch nur soviel Du kannst, frage gleich nach Gass der dir am besten dazu helfen kann, er 67 Gass] folgt 〈oder〉

72 ist] folgt 〈und〉

87 Du] folgt 〈Päss〉

96 kann] kannst

38v

462

Briefe 3916–3918

wohnt auf der Sandgasse nicht weit vom Thore sieh ja die alten Kirchen, vornemlich Elisabeth und den Dom, du möchtest doch sobald nicht nach Breslau kommen. Ist eine ordinäre fahrende Post auf dem rechten Oderufer eingerichtet so würde ich Dir lieber rathen wieder so zu reisen, gieb aber Acht daß man Dir die Kinder nicht für zu viele Personen anrechnet, und gieb nicht zu übertriebene Trinkgelder etwa wie bei Extrapost; ich vermuthe aus der großen Dankbarkeit und Freundlichkeit der Postdiener daß Du das auf dem Hinwege gethan hast. Nimmst Du einen Fuhrmann so laß dir ja durch Gass oder durch irgend einen Freund einen Bekannten und sichern Mann zuweisen von dem Du eine Art von Schuz hast. Nun liebes Herz es möchte sobald nicht wieder eine so sichere Gelegenheit kommen, ich wünsche oft recht sehnlich daß dieser Brief baldmöglichst in deine Hände komme und daß es Dir gelingen möge Deine Rükreise ganz nach meinem Wunsch auszuführen. Bis dahin spaziert denn auf eurem neutralen Territorio recht sorgenfrei herum und genießt die Tage wenn sie so schön sind als hier. Auf Alexanders Besuch bin ich gar nicht gespannt sondern sehr ruhig und heiter denn wenn er wirklich kommen will ist alles wie ich es wünsche. Scheibler schien zu wissen daß Du nicht hier bist denn er fragte gar nicht nach Dir, ich schließe daraus daß Alexander den Brief den ich ihm bald nach Deiner Abreise geschrieben habe noch erhalten hat denn Scheibler kann es wol nur von ihm wissen. Alexander bleibt bei Czernischef, Scheibler geht zur Landwehr zu der Majors Brigade

*3917. Von Charlotte von Kathen. Vor dem 16. 6. 1813 Wünscht, dass ihre Tochter Christiane Schlesien wieder verlasse. Über Furchaus Stimmungen und Muße. Nimmt Anteil an Schleiermachers Situation. Fragt nach Schleiermachers Kontakt zu Ernst Moritz Arndt.

105 oder durch] folgt 〈ÐAulockÑ〉 Freund] folgt 〈Ð ÑÐ ÑÐ ÑÐ Ñ〉 110 auszuführen] korr. aus auszug 115–119 schließe … Brigade] mit Einfügungszeichen am linken Rand *3917. Erschlossen aus Brief 3918, Z. 2–4 vom 17. 6. 1813. Die an Henriette Schleiermacher mitgeschickte Einlage hat Schleiermacher, wie er in Brief 3918, Z. 6–9 am 17.6. schreibt, Brief 3916 vom 15.–16. 6. 1813 beigelegt.

100

105

110

115

Vor dem 16. 6.–17. 6. 1813

463

3918. An Charlotte von Kathen. Berlin, Donnerstag, 17. 6. 1813

5

10

15

20

25

30

B. d. 17t. Jun. 13. Dein Wunsch liebste Lotte soll denke ich so weit erfüllt werden daß Jette selbst die nächste Gelegenheit sein wird mit der Christelchen zurükkommt. Ich habe zwar seitdem ich Dir geschrieben keine Nachricht von ihr da trotz des Waffenstillstandes der grade Postenlauf nicht hergestellt ist, ich habe ihr aber Gestern mit einer wie ich hoffe sehr sichern Gelegenheit geschrieben (mit der auch Deine Einlage abgegangen ist) und sie dringend gebeten, so gleich den Rükweg über Breslau und dann auf dem jenseitigen Oderufer anzutreten. Vierzehn Tage gehn indeß gewiß, vielleicht gar drei Wochen hin ehe sie zurückkommen. Aber liebste warum willst du uns denn Christelchen nehmen? Wahrscheinlich verfolgt Nanny ihren Vorsaz nach Pless zu reisen und Christiane hätte dann noch mehr Gelegenheit auf mancherlei Weise thätig und hülfreich zu sein was gewiß ihr und Jette wohlthun würde. Erschwerendes kann ihr längeres Bleiben gar nicht haben, es müßten denn Umstände eintreten die unsere ganze Oe|konomie umwälzten, was ich aber noch gar nicht besorge. Doch ich kann freilich nichts weiter thun als Ihr meinen Wunsch äußern wenn sie hier sind hat sich vielleicht manches schon mehr entwikelt und Jette wird Dir dann schon alles gehörig auseinandersezen. Sehr leid sollte es mir thun wenn Benda’s hier ankämen ehe Jette wieder da ist das wäre ein eignes unglükliches Schiksal. Ich hoffe indeß er wird unter den gegenwärtigen Umständen da Liegniz von den Franzosen besezt ist dort noch etwas zugeben Was sagt man denn bei Euch und besondern, was sagt euer Kronprinz zum Waffenstillstand? Hier sind wir vor Bestürzung außer uns gewesen, indeß jezt doch etwas beruhigt nachdem alle unterrichteten Leute versichern es sei an keinen Frieden zu denken. Die Leute müssen ja auch wol eine Angst haben vor Friedensunterhandlungen nachdem sie an dem Waffenstillstand gesehn haben wie wenig sie die Kunst verstehn zu unterhandeln und wie entsezlich sie sich übertölpeln lassen. Wenn nur nicht die Verhältnisse mit Schweden und England getrübt werden so wird das Unglück doch nicht unwiederbringlich sein wenngleich der Schaden | den dieser Waffenstillstand stiftet ungeheuer ist. Ich hoffte euer vortreflicher Kronprinz (gegen den man auch nicht so handelt wie man sollte) 3918. Überlieferung: H: BBAW, SN 753/1, Bl. 63 f.; D: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 196 (gekürzt) 27 denken] korr. aus s

63v

64

464

Briefe 3918–3921

würde unterdeß seinen Feldzug gegen die Dänen machen, aber das scheint doch nicht. Furchaus Leben ist sehr romantisch aber seinem Zustande nicht angemessen. In einer solchen Stimmung muß man tüchtig arbeiten aber nicht sich einer solchen Muße überlassen Mit meiner Gesundheit geht es ganz leidlich und ich hoffe meinen Magenkrampf bald völlig wieder los zu sein da ich gestern die erste Anwandlung von Schlaf gehabt. Ich arbeite soviel ich kann aber die Sehnsucht kostet mir doch viel Zeit und Menschen mag ich gar nicht aufsuchen. Gott gebe daß Jette bald kommt. Arndt ist hier und ich sehe ihn bisweilen. Ich glaube nicht, daß er so bald reist, auf jeden Fall aber erfahre ich wohin und kann also einen Brief besorgen. Grüße alles liebste Schwester und fahre fort so herzlich Antheil an mir zu nehmen. Schleier An Willich schreibe ich nächstens.

*3919. Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Vor dem 19. 6. 1813 Sie wolle noch länger in Schlesien bleiben.

*3920. An Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 19. 6. 1813 oder früher Fordert sie auf, aus Schlesien heimzukehren.

*3919.

Erschlossen aus Brief 3921, Z. 50–52.

*3920.

Erschlossen aus Brief 3921, Z. 50–52.

35

40

45

50

17. 6.–19. 6. 1813

465

3921. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 19.6. bis Dienstag, 22. 6. 1813 Sonnabend, d 19ten Abends.

5

10

15

20

25

30

Ach mein liebes Herz welch ein herrlicher glüklicher Tag! erst die schöne freundliche Anknüpfung mit Alexander, den ich auch mir noch recht zu gewinnen hoffe in dieser Zeit. Dann Deine beiden Briefe von Pfingsten und vom 12ten und zur Zugabe noch von Schmalz die Nachricht daß laut Briefen von Wilhelm Scharnhorst vom 15ten er dir einen Paß besorgt habe oder wenigstens darin begriffen sei. Ich bin so glüklich daß meine kleine Fantasie ordentlich Flügel bekommt und Dich nun schon unterwegens oder im Einpaken denkt[.] Ach wie möcht ich Dich an mein Herz drüken! wie haben mich Deine Briefe entzükt. Du herrliche Seele hast nicht nöthig die himmlischen Mächte zu stürmen mit Gebet, Deine Gebete sind schon erhört. Sieh doch was ist dein Gemüth für ein gedeihlicher Boden daß es mich auch aus der Ferne so herrlich erquikt, daß es mit seinem Segen und seiner Fülle allen Schmerz überwindet, daß mich das was Dir und uns Allen hätte Verderben bringen können zu keinem dauernden Schaden geworden ist sondern Du nur herrlicher dastehst. Wie ein reiner Spiegel wol einen Augenblik trübe wird vom Hauch (und es haucht ihn doch auch Niemand an als wer ihm mit Wohlgefallen nahe ist) aber wenn der Hauch sich verliert nur klarer und | reiner erscheint als vorher so ist Dein edles Wesen nach dieser Verirrung. Ach mein Herz laß uns danken innig danken Gott der uns aus dieser Versuchung so herrlich erlöst hat und an diesen Dank mögen sich unsere Gebete knüpfen daß wir dieser Hülfe immer würdig bleiben daß das Gute uns wodurch wir ihrer fähig wurden immer schöner aufblühe. Mein liebes liebes Weib Ach ich habe Dir noch manchen Schmerz gemacht mit meinen Briefen, ich wollte Dir aber auch die trüberen Stimmungen und die bittern Gefühle nicht verhehlen. Vergieb es mir! Du mußt doch auch immer durchgefühlt haben wie doch dabei alles feststehend in mir ist und bleibt wie wir es in den schönsten Stunden gefaßt haben.

Unvermuthet trat, als ich beim Theemachen war Alexander herein um mir die Nachricht die ich schon wußte von dem Scharnhorstischen Passe 3921. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 39 f. (Bl. 40 ist unten abgerissen); D1: Br 2, S. 303 (Zitate); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 196–198 (gekürzt) 17 und] korr. aus aber 18 wer] korr. aus ein 20 dieser] korr. aus diesem 23 Gute] folgt 〈di〉

39v

466

40

40v

Briefe 3921–3922

zu bringen. Ich hatte schon gegen Abend bei ihm angesprochen um ihm die heutigen Briefe zu bringen er war aber nicht zu Hause, nun wollte ich sie ihm Morgen früh schiken, so ist er denn noch heute dazu gekommen. Ich habe sie ihm lieber mitgegeben als sie ihm vorzulesen er hat doch einen andächtigeren Genuß dabei. Sehr liebenswürdig und geistvoll hat er erzählt viel Einzelheiten von den Ereignissen und von den bedeutenden Menschen und war auch sehr gut gegen mich so daß ich glaube er muß doch fühlen wie lieb ich ihn habe. | Wir sind nun beide der Meinung wenn du den Paß am 15ten bekommen hast wirst du am 17ten abgereist und vielleicht heute in Breslau sein. Deine Briefe hatten mir Lust gemacht dich abzuholen da Du Dich ich glaube ganz ohne Grund vor den Russen fürchtest. Aber ich fürchte nur etwas ganz vergebliches zu thun. Ich könnte vor Dienstag nicht weg, fände Dich auf halbem Wege und könnte Dir in der Nacht vorbei reisen. Alexander war derselben Meinung[.] Daß ich nun noch fortfahre zu schreiben ist auch fast kindisch. Sieh es aber als eine Art Tagebuch an was Du hier noch findest. – Ich habe nur die Furcht daß das Lumpengeld Deine Reise verzögern könne. Ich hoffe aber es wird nun auch der Brief vom 8ten noch ankommen der die Assignation enthielt. Unangenehm ist mir Nannys geänderter Entschluß aber schwerlich wird meine Antwort an sie, die sie allerdings bestimmen müßte zu reisen Euch noch treffen. Ich plauderte gern noch länger; aber ich muß nun mit Ernst noch an meine Predigt denken. Montag, d 21t. Abends. Recht jugendlich thörichter Weise liebes Herz hatte ich das Schreiben schon fast aufgegeben. Je mehr nun der Posttag naht, um desto mehr schlägt mir das Herz, daß Morgen leicht viel Wasser in meinen Wein könnte gegossen werden. Vorzüglich besorge daß wenn du nun den Paß hast und siehst was für einen weiten Weg du zu machen hast Du [feststellen] wirst daß Du nicht Geld g[enug] […] das eine oder […] | gesagt werden war nur angedeutet, ich fürchtete mich wieder so schreklich lang zu werden wie zu Pfingsten. Dann störte es mich auch daß die Wilhelm, die in der Kirche war, zu schlafen schien. Wie dumm! Mittags aß ich bei Schmalzens, ich hatte es ihnen versprochen wegen der guten Nachrichten vom Paß; ich theilte einiges aus deinen Briefen mit und war so belebt daß Schmalz nicht eine einzige Anekdote erzählen konnte. Zur Schadloshaltung nahm ich ihn mit zu Wolfart wo er magnetisiren sah. Abends mußte ich bei Reimer sein. Arndt Eichhorn und Sack waren da, Anfangs auch Hedemann. Von diesem sagt Alexander er finge an 52 Euch] korr. aus sie

66 ihn] korr. aus S

35

40

45

50

55

60

65

19. 6.–20. 6. 1813

70

75

80

467

hochmüthig zu werden, das wäre sehr schade, noch aber merkte ich ihm nichts an. Heute habe ich nun angefangen eine Abhandlung zu schreiben die ich Donnerstag in der Akademie lesen soll, über die verschiedenen Grundsäze beim Uebersezen. Sie kann gut werden wenn mir Gott gute Stunden schenkt, aber wie ich fertig werden will sehe ich noch nicht ein. Karoline (ich habe heute bei Schedes gegessen) meint Du könntest schon zu ihrem Geburtstage hier sein. So übereile ich mich nicht, ich rechne frühstens auf heute über Acht Tage. – Heute ist mir erst eingefallen wozu Deine Reise eigentlich gut gewesen ist. Ich glaube es hätte gar nicht so leicht und rein mit Alexander auseinander gehn können wenn Du hier […] wäre es nun geworden! Seinen […] Mangel an Muth zu mir […] Veränderungen mich […] mir […]iner […]ucht. […]ssen D i e n s t a g N a c h M i t t a g bei Wolfart. Kein Brief! Kome doch ja gleich. Nimm Geld wo du kanst und […] auf mich. Gieb Nany 15–20 r damit sie von Breslau ÐvollkommenÑ nach Pless kom[mt]

3922. Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 20. 6. 1813 Sontag d 20t Juni.

5

10

Mein lieber Mann ich hatte gestern eben einen großen Brief an dich auf die Post gegeben, ihn aber über Breslau an Gass adressirt weil man hier keine Briefe nach Berlin annehmen wollte als der Postmeister mir sagen läßt es sei Ordre daß wieder Briefe könten angenommen werden und daß die Post über Jauer ginge. Heute geht nun wieder die Post und da könte es sein daß dies Zettelchen ein paar Tage früher zu dir käme und da will ich dir hier noch einmal sagen wie es mit uns steht. Ich bin ganz reisefertig, kann einen Paß in Hirschberg bekommen, weiß mit gröster Sicherheit daß ich ohne Bedenken durch die französischen Armeen durchreisen kann, habe einen Direktor aus Löwenberg hier gesprochen der mir seine Hülfe angeboten; bei ihm logirt der französische General von dem er mir zu noch größerer Sicherheit einen Paß verschafft. Schon war meine Abreise auf Morgen angesezt als Kaufman Alberti mir sagt daß er von einem 81–83 D i e n s t a g … kom[mt]] am linken Rand 3922. Überlieferung: H: BBAW, SN 425/1, Bl. 8. Joachim Christian Gaß.

Als Einlage in Brief 3929 von

468

Briefe 3922–3924

Postillon aus Sagan gehört daß bei Crossen und Frankfurth Preußen und Russen stünden und keinen Menschen durchließen auch alle P[ässe] nichts hülfen. Da nun die Russen hier in Landshut denselben Unsinn treiben so klingt das nicht ganz unwahrscheinlich, ich muß mich nun schon gedulden bis ich darüber was erfahren kann. Da nun die Posten gehn so gieb mir darüber schnell Nachricht, so wie du schreibst daß ich in Frankfurth über die Oder gelaßen werde so ist weiter keine Schwierigkeit und ich mache mich gleich auf den Weg. Von Koffer und von Assignation ist mir noch nichts zu Gesichte gekommen. Die Alberti hat mir Geld angeboten ich werde etwas nehmen, ich habe ohngefähr 80 Thaler. Wenn ich mit Extrapost was mir wahrscheinlich ist einen kürzern Weg nehmen kann als mit der ordinären so ziehe ich erstere auf jeden Fall vor. Meine Sehnsucht nach dir überwindet jede Furcht, ist aber auch gar kein Grund da zu irgend einer. Ich muß mich mit Gewalt zurückhalten daß ich nicht ohnerachtet des Gerüchts mich auf den Weg mache. Leb wohl mein theurer lieber ich hoffe bald bei dir zu sein.

15

20

25

30

*3923. Von Charlotte von Kathen. Mittwoch, 23. 6. 1813 oder früher

3924. Von Luise von Willich. Poseritz, Mittwoch, 23.6. bis Donnerstag, 24. 6. 1813 Poseriz den 23t Juny –13 Ab. 7 Uhr Fertig ist nun eben mein Brief noch nicht, denn er ist noch gar nicht angefangen, dies war ein Irthum von der lieben Lotte, sie meinte den Brief, den Du wie ich hoffe am Sontage schon erhalten hast. Indeß komme ich ja gerne schon wieder zu Dir lieber Bruder, Du weist ich bin gerne bei Dir, lieber wäre es mir gewesen Lotte hätte Addreße gemacht, denn so großmächtig schon wieder zu kommen –? Doch – „laß gut sein Kind“ höre ich Dir sagen – also will ich’s gut sein laßen. Ich war diesen Morgen in der langen Stube, beschäftigt reine Wäsche zu legen, da kam die liebe Lotte elf Uhr, so leise und freundlich ins Haus *3923.

Erschlossen aus Brief 3924, Z. 9–12.

3924.

Überlieferung: H: BBAW, SN 427, Bl. 109 f.

5

10

20. 6.–23. 6. 1813

15

20

25

30

35

40

45

469

und brachte Deinen Brief mit, den sie mit lezten Post erhalten hatte, und dies Blatt. Gerne schließe ich mich ihr, wie sie es wünschte an, und nachdem ich sie eben mit Moriz Willich der hir ist, ein Endchen begleitet habe, und sie mich selbst zurük trieb um zu schreiben, so bin ich nun da, ohne eigentlich zu wißen was ich Dir sagen will, doch das geht mir immer auf, ich kenne es schon, mehr als zu viel, aber ich werde mich schön hüten, wer sich ein mal die Flügel verbrannte, der begert es so leicht nicht wieder, wenn sie auch ein wenig wieder wachsen – zu nah flog ich dem Licht ich weiß es wohl, aber geduldig habe ich dafür gebüßt daß weiß ich auch. | Ganz unerwartet kömt es uns Du Armer daß Jettchen und die Kinder noch nicht wieder in Berlin sind – D a z u wenigstens hofften wir sollte der Waffenstillstand gut sein, und wie mag es denn zu gehen daß Jettchen diesen Augenblik nicht gleich benuzte? Doch jezt werden sie wieder da sein – Schleiermacher ist es denn wahr daß der Landsturm aufgelöst ist? was heist denn das alles? – Nicht zu begreifen ist für uns der Waffenstillstand – j e z t grade in diesem Augenblick – Sag was wird aus Östereich? Die abscheulichen Dänen – hintergeht man nicht auch unsern Cronprinzen? ja ihm brennt es unter den Solen – aber wird ihm Wort gehalten? Warum bekömt er nicht die Truppen, die ihm verhießen sind? seine Schweden sind alle hir – o Gott es ist zu abscheulich – das a r m e Hamburg wie ist es betrogen – Sieh Schleiermacher das ist es das so viel Lug und Trug sich in der reinen Sache mischt – lieber Bruder schreib doch mal was Du h o f f e s t , hoffst Du noch? Halb 10 Uhr. Ich muste aufhören um Spargel zu stechen, und nun komme ich von Tische, und bin sehr müde – geht es aber, so erzähle ich Dir noch vom Schiffe – nun bin ich gar zu müde | ich will noch’n bischen mit Moriz hinaus gehen, und dann zu Bette, und mir recht früh wecken laßen, um 6 Uhr meinen Brief fertig zu haben dann habe ich Moriz versprochen unten zu sein, und Kaffe ein zu schenken, um 7 will er nach Stralsund, und diesen Brief mit nehmen dann geht er um Mittag ab, und ist wieder Sontag bei Dir – gute Nacht lieber Schleiermacher – doch noch ein Wörtchen – sorge doch ja daß Christiane so bald als möglich kömt – Lotte hat mirs ordentlich aufgetragen es Dir auch noch ans Herz zu legen – und komt doch A l l e her, Du komst ja auch wenn der Landsturm wirklich aufgelöst ist, komt her! wenns irgend unsicher werden kann? thut es doch – denkt nicht an beschwerden – in dieser Zeit muß daran nicht gedacht werden. Hör sag Jettchen, ich hätte vor ein par Tagen einen kleinen, ganz kleinen D ö h n von Schlichtkrull geschenkt bekommen. Der sei nun mein

109v

110

470

110v

Briefe 3924–3925

kleines Intereße – ich füttre ihn immer selbst, und mache ihn fett und wenn es kalt wird, laße ich ihn schlafen und koche ihn sauer ein, und stopfe Wurst darin us.w. und dann soll Jettchen es haben | in ihrer Wirtschaft – jezt mag das Thirchen etwa 8 lb schwer sein denn kaum ist es entwöhnt – aber Ihr sollt nur sehen es soll recht niedlich werden – es läuft nun schon immer hinter mir her – am Ende wird mirs leid thun wens geschlachte wird – Guten Morgen lieber Schleier. Die Sonne ist noch nicht lange auf, aber was die Uhr ist, wißen wir schon seit eingen Monathen nicht, da unsre HausUhren stehen und nicht wieder in Ordnung kommen – so auch die Thurmglocke – ich denke es ist zwischen 4–5 Uhr – aber mit den stillen Morgenstunden ist es auch vorbei, seit Sophie so unwohl ist, es giebt nun immer gleich bald dies bald das zu besorgen – so kann ich mir auch jezt nicht auf weitres Schreiben ein laßen. Da ist Moriz schon, er will gern daß ich herunter kommen soll die Andern schlafen noch – also adieu. Nächstens hoffen wir zu erfahren daß Ihr wieder beisammen, und gesund seid. Sage mir doch wie es mit Carl Sacks Wunde ist? Grüße alle Freunde auch Ahrendt. Lebe wohl! Gott wende alles zum Besten. Luise Heute zum Mittag wollen die Garzer kommen, ich freue mich darauf. Ich hoffe sie sollen etwas von dem hohen Kranken in Dresden wißen – ach wir wollen nun aus jeder Blume Honig ziehen –

50

55

60

65

70

3925. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 24. 6. 1813 Donnerst. d 24t. Abends. Liebstes Herz wüßte ich nur erst daß du unterwegens wärst und daß alles glüklich ginge. Ich habe eigentlich darüber viel Sorge und es thut mir manchmal leid, daß ich nicht doch gereist bin dich abzuholen; aber es war doch theils gar nicht zu machen ohne durch Pflichtversäumniß an66 seid] seit 3925. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 41 f.; D1: Br 2, S. 303 f. (Auszug); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 198–200 5 durch] mit Einfügungszeichen über der Zeile

5

23. 6.–24. 6. 1813

10

15

20

25

30

35

40

471

dere Menschen in Verlegenheit zu sezen, theils zu ungewiß ob ich Dich fände theils auch hielt ich es nicht für rathsam 70 r unter denen ich nicht weggekommen wäre dran zu sezen. Alexander wollte mir zwar Geld geben, allein jezt darf man keine Schulden machen. Kommst Du nun nach Breslau so findest du Gass nicht der in Reinerz ist und vielleicht keinen einzigen Bekannten. Meine einzige Hofnung seze ich noch auf Schulz wenn Du glüklich genug bist den aufzufinden. – Gestern Abend war Alexander wieder bei mir. Ich hatte mir vorgenommen ihm wenn er käme von jenen merkwürdigen Tagen zu erzählen, aber es machte sich nicht. Wir sprachen zwar auch von Dir aber doch immer nur kurz. Der Krieg und die Politik nahmen die meiste Zeit. Nun er behält es noch zu gut; denn da die Briefe alle verloren sind muß er doch das nöthigste mündlich bekommen. Auch über ihn sprach ich etwas, daß ihn die Leute nicht so verständen wie ich wünschte, und daß es daher käme weil sie seine milde Seite nicht heraus finden könnten. Es machte ihn etwas nachdenklich er meinte aber doch er könne das nicht ändern, er könne | nur mild sein wo er einverstanden wäre. Er ist viel mit den Gerlachs die sämtlich hier sind. Leopold kann freilich darin nicht vortheilhaft auf ihn wirken. Ich konnte Dir Gestern nicht schreiben weil ich noch alle Hände voll zu thun hatte mit einer Abhandlung die ich heute in der Akademie vorgelesen habe. Es ist eigentlich ziemlich triviales Zeug aber eben deswegen haben die Leute es geistreich und schön gefunden und wollen daß ich es in der öffentlichen Sizung vorlesen soll. Ich wollte es nicht abschlagen weil ich noch gar nicht öffentlich gelesen habe und sie es für Ziererei gehalten hätten. Sie handelt vom Uebersezen; es sind einige Seitenhiebe auf Wolfs Ansichten darin, ich weiß aber nicht ob jemand sie bemerkt hat. Und wer saß mir gegenüber und hörte ganz eifrig zu? Kotzebue, er ist richtig der den wir damals in der Loge sahen. – Mein Herzenskind wie wenig habe ich eigentlich gethan seit Du weg bist! Vier Predigten geschrieben und diese Abhandlung, einige ganz unbedeutende Studien gemacht und dann die currenten Geschäfte. Und dennoch will ich mich gar nicht bekehren sondern sinne drauf wie ich recht wieder einbringen und mit dir leben will. Meine Hauptspeculation geht darauf daß das Magnetisiren bald überflüßig werden soll und daß ich dann Nachmittags gar nicht herein zu gehn brauche. Gott weiß aber ob es nun gehn wird da ich mich habe entschließen müssen die Redaction des Correspondenten zu übernehmen. Ich konnte es aber nicht ändern, er hätte sonst müssen eingehn und Reimern ist zu | viel daran gelegen. Viel Pein wartet dabei auf mich, unge21 sein] folgt 〈weil〉

26 ist] folgt 〈freilich〉

41v

42

472

Briefe 3925–3928

wohnte Arbeit bei der ich mich anfangs ungeschikt nehmen werde, Händel mit unserm abgeschmakten Gouvernement und mit der albernen Censur. Und wer weiß noch wie es Niebuhr aufnehmen wird. Ich tröste mich da ich es aus rein guter Absicht thue und mit der größten Aufopferung Liebste Jette wie wird dir doch sein wenn du Alexander wieder siehst? Du wirst ihn verschönt finden noch dazu. Als er kam und ich ihn fragte was er nun dächte wegen der Zukunft, ob er sich geprüft hätte? sagte er nur O ich kann das sehr gut, vollkommen. Gar nicht als ob es ihm schwer wäre, gar nicht bedenklich so daß ein Anderer es für obenhin hätte halten können mir aber schien recht tiefe und feste Wahrheit drin zu sein, und ich will und kann keinen Zweifel in ihn sezen. Ueberhaupt hat er sich auch hier ganz seiner würdig genommen; nicht zerknirscht, oder Spuren von Betrübniß, still und, wie mir schien getroffen hat er es aufgenommen als ich ihm was eigentlich sein Unrecht sei vorgehalten, gegen mich war er sehr bald ganz unbefangen. Ich habe ihm auch mein und Dein Unrecht dargelegt; ich habe ihm gesagt in Dir hätte sich der leidenschaftliche Zustand zuerst entwikelt, auch das hat er stillschweigend bejaht. Auf Deinem Sofa haben wir es abgesprochen. Ich möchte nur wissen wie ich ihm in der ganzen Sache vorkomme, ob er mich auch recht und gründlich versteht; ich hoffe es, es wäre sehr schlimm wenn es nicht wäre. Nun sein Brief an Dich wird das wol besagen. – Wo schläfst Du nur geliebte Seele? Ach sei nur in keiner so kalten Nacht unterwegens.

45

50

55

60

65

3926. An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Sonnabend, 26. 6. 1813 Sonnab. d. 26t. Jun. Mein liebes Herz wie inbrünstig bitte ich Gott daß er mich aus diesem traurigen Zustande der Trennung von Dir und den Kindern endlich erlösen wolle. Dir und ihnen so lange gar nichts sein die liebsten und schönsten Pflichten gar nicht erfüllen zu können! jeder Tage verrinnt mir in ein ödes Nichts. Nun wieder eine Woche so hin, und ohne bestimmte Hofnung daß es sich ändern wird. Heut vor Acht Tagen als ich Deine beiden Briefe erhielt und zugleich die Nachricht daß Du einen Paß bekommen hoffte ich dies sollte die lezte sein, und nun weiß ich nicht einmal ob du 3926. Überlieferung: H: BBAW, SN 779/2, Bl. 43; D1: Br 2, S. 304 f. (gekürzt); D2: Meisner: Schleiermacher als Mensch 2, S. 200 (gekürzt, Ergänzungen zu D1)

5

24. 6.–26. 6. 1813 10

15

20

25

473

unterwegens bist. Ach Liebe Dir kann doch auch gar nicht so zu Muthe sein da Du den größten Theil Deines schönen Berufs an den Kindern erfüllst und, Du Arme, so mühsam erfüllst, daß dir nicht einmal recht Zeit bleibt dich wegen des übrigen zu besinnen – Ich habe heut die Spalding in Friedrichsfelde besucht. Antonie Josina Iphigenia Mine waren da (der lezteren Geburtstag war eben) Zu Mittag kam auch Müller. Es war recht hübsch. Aber das angenehmste war mir doch die gewisse Hofnung die ich hatte wenn ich nach Hause käme würde ich einen Brief von dir finden mit der Nachricht daß Du reisest – Aber nein! Ich begreife es nicht da Pistor mich versichert die Posten gingen nun ordentlch über Breslau. Und das schlimmste ist, ich muß nun meine Hände gänzlich in den Schooß legen. Denn das kann ich mir nicht an|thun zu glauben daß ein Brief den ich nun abschikte Dich noch in Schmiedeberg treffen könne. Ach liebste Jette! eiltest Du doch auf den Flügeln meiner Sehnsucht. – Hier draußen fand ich eine Einladung von Plamann zur Prüfung. Wenn ich hingehn kann wird es mir auch sehr wehmüthig sein den Friede nicht da zu finden. Ich habe so sicher gerechnet daß mit Anfang des künftigen Monates er gewiß wieder hingehn würde. – Nun liebes Herz ich kann leider nichts als eure Rükreise mit inbrünstigen Wünschen Gott befehlen. Ich kann wol sagen ich habe genug gebüßt

*3927. An Wilhelm von Röder. Berlin, vor dem 29. 6. 1813

*3928. An August Wilhelm Schlegel. Berlin, wohl Mai/Juni 1813 Begrüßt Schlegel, der im Gefolge Bernadottes aus Schweden in Pommern eingetroffen ist, und bittet um Beiträge für den Preußischen Correspondenten.

*3927.

Erschlossen aus Brief 3929, Z. 34 f. an Gaß.

*3928.

Erschlossen aus dem Brief von A.W. Schlegel vom 8.7.1813, SN 372, Bl. 66.

43v

474

Briefe 3929–3930

3929. Von Joachim Christian Gaß. Reinerz, Mittwoch, 30. 6. 1813 Herrn / Profeßor D. Schleiermacher / Hochwürden / in / B e r l i n / Canonirstr. / N. 4. / E m p f o h l e n [Bl. 88v]

87v

Reinerz, den 30 Jun. 1813. Den einliegenden Brief von Deiner Frau nebst einigen Zeilen an mich vom 19ten erhalte ich hier erst gestern, nachdem ich mir dachte, daß die Deinigen wohl schon wieder bei Dir angekommen sein mögten. Um nun, wie Ihr es beide wünscht, etwas von meiner Seite dabei zu thun, werde ich für Deine Frau und Kinder und für Nanny einen Paß von Wittgenstein, der in Waldenburg steht, besorgen und ihr zuschikken laßen und ihr zugleich schreiben, daß wenn sie etwa mit dem Reisegelde nicht reichen mögte, sie von dem dortigen Kaufmann Ernst Rausch einen Vorschuß von 100 rthr empfangen kann. Zu beiden Besorgungen findet sich eine gute Gelegenheit durch Madame Rausch, die morgen von hier nach Waldenberg zurückkgeht und durch Deinen Freund Hirt, mit dem ich darüber gesprochen habe und der dabei alle Bereitwilligkeit und Theilnahme für Dich beweist. Was die Rükkreise der Deinigen selbst betrift, so kann ich nicht rathen, daß solche durch die Französische Armee genommen wird, sondern muß Deiner lieben Frau rathen, nach Breslau zu gehen und von dort aus die jezt angeordnete Poststraße nach Berlin einzuschlagen. Ich wünsche nur, daß Euer gemeinschaftlicher Wunsch, wieder vereinigt zu sein, bald in Erfüllung gehen und glükklich gedeihen möge. Den etwanigen Vorschuß, den Deine Frau | von Rausch nehmen wird, kanst Du von Berlin aus wohl mittelst Wechsel auf Schmiege in Breslau remittiren. Der alte brave Scharnhorst ist von der großen Angelegenheit, die er so tätig befördert hat, geschieden und den 28ten in Prag in den Armen seines und unsres Freundes Röder, an einem Nervenfieber, als Folge seiner Wunde gestorben. – Niebuhr ist auf einige Tage hier und läßt Dich grüßen und so auch Hirt. Lebe recht wohl, liebster Schleiermacher wir grüßen Dich und Reimers und Arndt von ganzem Herzen. Laß doch ein mahl etwas von Dir vernehmen, darum bittet Dich dringend Dein Freund Gaß.

3929. Überlieferung: H: BBAW, SN 287/1, Bl. 87f. Schleiermacher als Einlage.

Mit Brief 3922 von Henriette

5

10

15

20

25

30

2. Hälfte Juni 1813

35

475

Fabian Dohna ist in Cudowa und von seiner Wunde in kurzem hergestellt. Dein Brief an Röder, den Niebuhr mitgebracht hat, wird besorgt, denn jener kommt in wenigen [Tagen] hierher zurükk.

3930. Von Pauline Hochwächter. Milzow, zweite Hälfte Juni 1813 Den / Herrn Professor / S c h l e i e r m a c h e r . [Bl. 4v]

5

10

15

Lieber Schwager, Schon recht lange haben diese für Sie bestimten Producte der Sissow und Miltzowschen Fabrik bereit gelegen, und immer die Gelegenheit sie Ihnen zu überschicken gefehlt. Nun wird Hochwächter selbst der Überbringer sein. Die 4. grösten Würste sind von den Mühlenfelsen. Solte Jetchen noch nicht wieder bey Ihnen seyn, so lassen Sie sie sich unterdessen nur gut schmecken. – Wie wird mir noch das Herz klopfen, wenn ich Hochwächtern werde abfahren sehen, O! könte ich doch die Freude des Wiedersehens mit ihm teilen, aber wie vieles muß man sich nicht in dieser jetzigen Zeit entsagen, und so muß ich mich auch an der Zukunft halten, und ihr vertrauen. Sie wird mir ja auch einst zu Ihnen führen. – Leben Sie so wohl als es Ihnen wünscht Pauline von Hochwächter Miltzow

3930. Überlieferung: H: BBAW, SN 304, Bl. 4. Mit Rügener Würsten. – Die Datierung ergibt sich daraus, dass Christoph Ludwig Hochwächter, der Überbringer des Briefes und der Beilagen, von Schleiermacher seit Anfang Juni 1813 in Berlin erwartet (vgl. Brief 3895, Z. 40–45 vom 3. 6. 1813), zwischen dem Brief 3918 vom 17.6. und dem Brief vom 6. 7. 1813 an Charlotte von Kathen Schleiermacher in Berlin besucht haben muss. 4 sie] Sie

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

2750a. An Georg Andreas Reimer. Berlin, wohl Mitte Juni 1808

5

[Vom Muse]um ist noch immer nur Ein Bogen [gedrukt] worüber Wolf, wie mir Buttmann [sagte] […]m schimpfte. Gewiß findest Du [das Heft bei] Deiner Rükkunft noch nicht fertig [auch wenn die Rei]se welche ihr von Magdeburg aus [macht] […]el Eure Rükkunft verzögern [wird. Lebe] Du mir auch wol. [Es] grüßt Dich herzlich. Schl.

2925. Von Susanna Judith Stubenrauch. Reppen, Dienstag, 15. 11. 1808

5

Mon cher Neveu Je souhaite que la presente vous trouve en parfait sente pour moi je porte asse bien dans ces trite tems je suis chez mon fils qui et separai de sa femme le prose qui nes pas encore fini ceste un movese menager jai touvez tout en desordre et tant de dette vous pence que’elle trite jour que je pace ici je ne conne persone ici je souhaiterai bien de vous parle j’aurai boucoup a vous dire que je ne peut pas e´crire je donne tout mon argent que je resoir de Berlin qui 360 cest ce quelle lui a` porte elle n’at point | ut de 2750a. Überlieferung: H: BBAW, SN 761/3, Bl. 9. Die linke Seite des Billets ist abgerissen. – Zur Datierung vgl. KGA I/6, S. XXVIII f.; allerdings ist hier wohl nicht, wie dort vermutet, von Schleiermachers Ausarbeitung des „Herakleitos“ die Rede, sondern von den Fortschritten, die der Druck (Museum der Alterthums-Wissenschaft, ersten Bandes drittes und letztes Stück) macht. Im Juni 1808 hielt Reimer sich in Magdeburg auf. Am 18. 6. 1808, vor seiner Abreise nach Rügen, schrieb Schleiermacher an Boeckh, der Druck sei noch unvollendet (Brief 2701, KGA V/10). 2925. Überlieferung: H: BBAW, SN 397, Bl. 7 f. Dieser Brief wurde zunächst als Brief *2925 erschlossen (KGA V/11, S. 379) und wird hier nun in textkritischer Transkription geboten.

7v

480

8

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

menage il a falut qui achette tout vous pouvez vous imagine qui a bien des dette jnci vous pouvez bien pence que jai donne tout ce que j’avaez inci je nez plus rien que ma pensions qui et Ð71Ñ e´cue par cartie de Berlin de Halle je nes resoit rien jncis vous pouvez pence mon trite e´tat je ne´t pas a me reprochez que j’ai fait des depance unitiel jai la confiance en Dieu qui ma donne tant de preve de sa bonte qui ne me de lescera pas dans mon trite e´tat chez la Benickin jai ete fausouven il mon fait boucoup du bien et tout les Minitre de Landsberg mon rendu boucoup de servise Jablonsky na rien voulu avoir de moi je lui | et donne ce qu’il souhaite du voir la separasion a ete fort bien il on trouvez tout en ordre vous aurai bien la bonte de mes crire cand vous voudrai avoir les livre qui sons dans des caise ci je vit lestes je ferai un toure a Landsberg je pense tout le jour a mon bon Marie qui ma toujour dit qui vous avez e´crit que vous me donerai toujours de bon consellie que jai bien besoins dans mon traite e´tait pardone mon grifouge un femme de 64 anne je fine en me recomendant a votre bon souvenir je suis votre afesione Tante Stubenrauch Reppen le 15 Novembre 1808

10

15

20

25

3181. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Sonntag, 16. 4. 1809 (Briefschluss) dieser Brief abgegangen, wenn nicht ein ganz unerwarteter Besuch mir manche Stunde geraubt – meine gute Stegman begleitete ihren Mann, der in der Nähe einen Brand in Augenschein zu nehmen hatte – blos hieher um mich zu besuchen nur zu schnell verfloßen uns die Stunden – denn seit 3 Jahren hatte sie mir nicht geschrieben in ihren FamilienVerhältnißen – und Andern die mich auch interessiren hatte sich so viel geändert – daß wir sehr manichfache Unterhaltungen hatten – Unter andern – kann ich dir das erbärmliche sagen daß der Hofrath Wunster, auf den Du Dich gewiß noch besinst – nachdem er auf alle Art so schlecht gelebt – seine 3181. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/26, Bl. 29. Die Datierung des Fragments ergibt sich daraus, dass es in Schlesien geschrieben ist (vgl. die Erwähnung der Frau Stegmann), auf die Karwoche zurückblickt und kurz vor einer Reise Schleiermachers von Berlin nach Rügen geschrieben sein muss. Er gehört also zu Brief 3181 (KGA V/11) und passt genau hinter Blatt 10 (Zeile 115).

5

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810 10

15

20

25

481

trefliche Frau die so viel Schonung hat doch noch zur Scheidung gereizt – nach Leib und Seel so ruinirt ist – daß man ihn bei den barmherzigen Brüdern gethan die edle Frau unterstüzt ihn auf alle Weise – er soll zwar nichts davon wißen schreibt ihr aber viel kriechende Briefe | ein Gegenstük zum Chambellan qui a tout mange´ – sizt jezt auf dem rothen Hofe, geht oft in der Gegend herum sich betrinken – kehrt dann zuweilen bey seiner Schwester der Peisteln ein – vergangene Charwoche – haben, ihn, gar die Kutscher und Bedienten auf gut Bruder frey gehalten – Gott! wie kläglich! –. Bruder Dober war gestern hier, brachte Deine Predigten mir wieder – die ihm sehr gut gefallen – sehr gründlich durchdacht sind viel moral aber auch viel Evangelium kurz unleugbare Spuren Deiner frühern Erziehung – dis – seine eignen Worte. Die Nany grüße und sage ihr daß ich sie bäte mir künftig nicht so viel von schönen Gedichten und ausgeschnizten Sachen vorzusagen, wenn sie solche mir doch nicht schikt. Der Besuch der Stegman hat mir die Zeit für Wedeke weggenomen – an welchen ich nun schon besonders schreiben muß! Wenn du von Berlin aus nicht mehr schreibst – thust du es doch gewiß bald von der Insel Rügen Deine Lotte

3367a. Von Wilhelm Uhden. Berlin, Sonnabend, 18. 11. 1809

5

10

Eben komme ich vom Herrn Geheimen JustizRath Schmalz mit dem ich die Regulierung der collidirenden Vorlesungen lieber mündlich als schriftlich habe besprechen wollen. Die von ihm vernachläßigte zeitige öffentliche Bekanntmachung die gleich nach der, an ihn ergangenen Einladung, in dem Auditorio des Prinz Heinrichschen Palais zu lesen, hätte erfolgen sollen, ist die einzige Veranlaßung der Collision der von Ihnen zu Ihren Vorlesungen bestimmten Stunden mit den von ihm angesetzten. Sie haben ordnungsmäßig zu rechter Zeit Ihre Vorlesungen bestimmt angezeigt; Sie, Ihre Zuhörer sind dazu eingerichtet; in Ihrem Plan kann nichts geändert werden. Dies habe ich dem Herrn Geheimen JustizRath Schmalz eröfnet; so, Ihrem Wunsche gemäß die Sache vermittelt, und 3367a.

Überlieferung: H: GStA Berlin, I. HA, Rep. 76, Va, Nr. 10010, Bl. 39.

29v

482

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

diese Vermittelung aus wahrer Hochachtung für Sie mit Vergnügen übernommen. Berlin den 18. Novbr 9. Uhden. An / d Herrn Profeßor Schleiermacher / Wohlgbr

15

3405a. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Donnerstag, 22. 3. 1810 Ew. Hochwürden würde ich nicht wagen, den beygefügten Plan vorzulegen, da ich nicht die Ehre habe Ihnen bekannt zu seyn, wenn nicht die Umstände es nothwendig machten, darüber sobald als möglich Ihre Entschliessung zu vernehmen. Mein erster Gedanke war, durch den hiesigen reformirten Prediger Herrn Riquet bey Ihnen anfragen zu lassen, ob Sie die Direction eines solchen Taschenbuchs übernehmen und sich als Herausgeber dazu bekennen würden. Auch wird Ihnen Herr Riquet darüber schreiben. Aber Amtsarbeiten hindern ihn es heute zu thun und mich treibt der Buchhändler Göschen, der voll Eifer für die Unternehmung ist und sie gern noch in diesem Jahre zu Stande brächte, ihm wegen des Hauptpunktes – Ihrer Uebernahme der Redaction – schleunig Gewissheit zu verschaffen. Ueber die Wahl der Mitarbeiter würden Sie unumschränkte Gewalt haben. Den Plan selbst unterwerfe ich Ihrem Urtheil, und ich bin zufrieden, wenn er nur Anlass gegeben hat, dass etwas Besseres ausgeführt wird. Auch dürfen Sie nicht besorgen, dass ich Ihnen bey der Ausführung meine eigenen Arbeiten aufdringen werde. Wegen meiner Amtsverhältnisse würde ich ohnehin wenig und etwa nur einige historische oder musicalische Aufsätze leisten können. Sobald ich von Ihnen eine günstige Erklärung erhalten habe, wird Göschen wegen der weiteren Bedingungen mit Ihnen in Correspondenz treten.

3405a. Überlieferung: D: Jonas, Theodor Körners Plan, S. 374 f. zu einem Taschebuch für Christen.“

Mit der Beilage „Idee

5

10

15

20

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

25

483

Ich bitte nochmals wegen dieses zudringenlichen Schritts um Verzeihung und habe die Ehre mit grösster Hochschätzung zu seyn Ew. Hochwürden ganz gehorsamster D. Christian Gottfried Körner. Dresden 22 März 1810 Adresse an den Appellationsrath Körner in D.

3413a. Von Johanna Steffens. Giebichenstein, Freitag, 30. 3. 1810 Dem Hern Professor / Schleiermacher / Berlin / Realschulbuchhandlung [Bl. 68v] Den 30sten März 5

10

15

20

Ich sage Ihnen lieber Schleier, in Steffens Nahmen daß ÐVaterÑ gestern früh von hier nach Berlin gereist ist, aber über Magdeburg, so daß dieser Brief eher wie Er selbst ankömt, es fand sich, plözlich eine sehr gute wohlfeile Gelegenheit, und da war denn weiter Nichts zu tuhn, als es dem Himmel anheim stellen, ob es schädlich für Steffens sein wird, oder nicht, Er hat Ihnen nur im algemeinen gesagt, daß es mit seiner Hinberufung unsicher stehe, und daß sich ein Hinderniss am Hofe gefunden, und Ihnen dringend gebeten seinen Nahmen garnicht zu nennen, um seine ganze Sache zu ignoriren, wir müssen nun hoffen daß Vater es über sich vermag, Steffens hat Ihm einen Brief für Sie mitgegeben nebst dem Buch und Brief für Karsten, und Ihn gebeten ja gleich zu Ihnen zu gehn, Montag oder Dienstag ist Er in Berlin, solte Er Sie dennoch nicht gleich aufsuchen bester Schleier, so bittet Steffens Sie sehr es zu tuhn, und es Ihm recht an’s Herz zu legen, wie schädlich jede Ein|mischung von seiner Seite für Steffens sein würde, auch ist Ihm eingefallen, ob es nicht gut wäre wenn Sie Vater gleich an Donah wiesen, und dieser, besser als jeder Andere im Stande sey, Vater hierbey unschädlich zu machen. Sie sehen dies alles in der Nähe besser lieber Schleier, und tuhn gewiß was Sie können. – Steffens schliest heute Abend zwey Vorlesungen und hat den ganzen Tag damit zu tuhn – daher kann Er Ihnen auch nicht selbst schreiben. Er grüst Sie aufs herzlichste. Wir sind recht besorgt um den armen M. Er ist 3179a. Überlieferung: H: BBAW, SN 395, Bl. 67 f. Das Jahr ergibt sich aus der bevorstehenden Geburt des bald danach verstorbenen Sohnes der Steffens. 4 daß] das 5 daß] das 9 daß] das 10 daß] das 12 daß] das

67v

484

68

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

arretiert, und die Frau hat Ihnen noch nicht zusehn bekommen. Er hat ein 6Stündiges Verhör ausgehalten, man weis das Resultat nicht davon, der König ist abgereist und hat ihn dem Tribunal übergeben. Hieraus schöpfen die Verwandten Muth, die arme Frau ist sehr unglücklich. Danken Sie meiner lieben Nanny, recht sehr für ihren Brief, der mir große Freude gemacht, sobald mir das Schreiben leichter wird, worauf | ich von Tage zu [Tag] hoffe, antworte ich Ihr. – Unsere kleine Anne ist Gottlob wieder besser; das Fieber hat sie verlassen, und sie erholt sich sichtlich, die Kinder plappern viel vom kleinen Bruder, und freuen sich auf Ihn sehr. Ihre Kinder denke ich mir himlisch alle Menschen sind eingenommen von ihnen, unsere sind weder besonders hübsch noch klug, aber recht gut und nett. – Leben Sie wohl, lieber guter Schleier, grüßen Sie Ihre liebe Frau tausend mahl, ich wolte wir wüsten – erst bestimt ob und wann wir zusammen leben sollen. Hanne

25

30

35

*3430a. An Christian Gottfried Körner. Berlin, Freitag, 11. 5. 1810 Lehnt Körners Antrag, die Redaktion des Allmanachs für Christen zu übernehmen, u.a. aus seiner Arbeitsbelastung heraus ab.

3440a. Von Christian Gottfried Körner. Dresden, Sonnabend, 2. 6. 1810 Ew. Hochwürden haben meinen Antrag aus mehreren Gründen abgelehnt, wovon ich nur den einzigen gelten lassen kann, der von Ihren andern überhäuften Geschäften hergenommen ist. Fast fürchte ich aber nun, dass die ganze Ausführung unterbleiben wird. Es ist schwer einen Mann zur Direction 29 ihren] Ihren

32 sie] Sie

sie] Sie

34 ihnen] Ihnen

*3430a. Erschlossen aus Brief 3440a. Das Datum gibt Jonas: Theodor Körners Plan, S. 377 an. 3440a. Überlieferung: H: D: Jonas: Theodor Körners Plan, S. 377 f. Das Original dieses Briefes von Körner an Schleiermacher ist verschollen, vgl. Hermann Patsch: Der Schatz der Briefe Schleiermachers, S. 271 f. Der vorliegende Brief ist Körners Rückantwort auf Schleiermachers Brief *3430a vom 11. 5. 1810, der nicht vorliegt.

5

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

10

15

20

25

485

zu finden, der Ihre Stelle vertreten könnte. Von G ö s c h e n , dem ich Ihre Erklärung sogleich mitgetheilt habe, ist noch keine Antwort darüber eingegangen. Sollte das Unternehmen zu Stande kommen, so dürfte man doch wenigstens einzelne Beyträge von Ihnen zu erhalten hoffen, wenn Sie gegen die ganze Einrichtung und gegen den Herausgeber etwas nicht einzuwenden hätten. Für die Bekanntschaft des Herrn v. Röder bin ich Ihnen sehr dankbar. Wir blieben einander nicht lange fremd und ich bedaure nur, dass er nicht länger hier bleiben konnte. Vielseitige Ausbildung hat ihn nicht flach und ein tiefes Gefühl nicht schwermüthig und drückend gemacht. Auch seine Gattin ist interessant. Erlauben Sie mir Ihnen im Voraus meinen Sohn anzukündigen, für den ich um Ihr Wohlwollen bitte, da ich durch eine Anfrage den Vortheil erlangt habe Ihnen bekannt wor|den zu seyn, und da Sie meine erste Bitte zwar verweigerten aber doch freundlich aufnahmen. Mein Sohn soll durch die neue Universität in Berlin seine völlige Ausbildung erhalten. Er hat sich den Naturwissenschaften gewidmet und zeither in Freyberg We r n e r und L a m p a d i u s mit Eifer und gutem Erfolg benutzt. Vielleicht bringe ich ihn selbst auf Michael nach Berlin, wenigstens hoffe ich Sie dort im künftigen Jahre zu sehen. Mit innigster Hochschätzung Ew. Hochwürden ganz gehorsamster D. Christian Gottfr. Körner. Dresden 2 Juni 1810. Haben Sie die Güte mich und die Meinigen dem Herrn v. Röder und seiner Gemahlin bestens zu empfehlen.

3495a. An Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten (auch von der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts). Berlin, Donnerstag, 23. 8. 1810 Ewr Excellenz sehr geehrtem Schreiben vom 18ten zufolge habe ich den Professor Rüdiger wegen der von ihm angekündigten politischen Vorträge 3495a. Überlieferung: H: GStA Berlin, I. HA, Rep. 76, Va, Sekt. 1, Tit. 4, Nr. 10a, Bd. 1, Bl. 32 f. Dohna hatte sich am 18.8. bei Nicolovius nach den Vorträgen des Professors Rüdiger aus Halle über die Lieder der Barden erkundigt und daran erinnert, dass Rüdiger die Vorträge leicht zu anstößigen Äußerungen mißbrauchen könne (Bl. 25 derselben Akte). Rüdiger wiederum schrieb der Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts, an die Nicolovius Dohnas Anfrage weitergeleitet hatte, er habe eine amtliche Erlaubnis für seine Vorträge (20.8., Bl. 30 f. in der selben Akte). Schleiermacher antwortete Dohna im Namen der Sektion (und daher in einem förmlichen Ton, dessen er sich Dohna gegenüber sonst nicht bedient). 2 Professor] über der Zeile

378

486

32v

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

befragt, und hat derselbe geantwortet er habe dazu eine schriftliche Erlaubniß von dem Polizeipräsidenten Gruner erhalten. Diese hat er zwar nicht beigelegt aber es ist doch an der Richtigkeit der Aussage wol nicht zu zweifeln. Bei der bekannten Unbesonnenheit und Derbheit des Rüdiger ist allerdings zu besorgen daß mancherlei anstößiges in diesen Vorlesungen unterlaufen könne, und daher sehr zu wünschen daß sie unterbleiben möchten. Allein es steht über die Competenz solcher Bewilligungen so wenig ausdrüklich fest daß der Präsident Gruner nicht füglich durch die Section des öffentlichen Unterrichts über die ertheilte Erlaubniß zur Rede gestellt werden kann, sondern ich das weitere diesen einzelnen Fall betreffend Ew Excellenz ganz gehorsamst anheim stellen muß. Im allgemeinen leidet es wol keinen Zweifel, daß das Recht Befugniß zu Vorlesungen zu ertheilen allein der Section für den öffentlichen Unterricht zustehen muß, um so mehr als sie zugleich die oberste Censurbehörde ist. Dieses Recht aber übt sie eigentlich durch die Regierungen aus, und hat auf Befragen noch unterm 14ten April dieses Jahres die PolizeiDeputation der Regierung zu Breslau dahin beschieden, daß sie [(]mit Aus|nahme solcher Gegenstände welche ihrer Natur nach vor die dortigen Facultäten gehören) Concessionen zu gelehrten und technischen Vorlesungen in ihrem Departement ertheilen könne, und hat ihr dabei die möglichste Liberalität zur Pflicht gemacht. Was aber Berlin insonderheit betrifft so hat ehehin, lediglich mit Ausnahme dessen was in das Gebiet des Collegii medico-chirurgici einschlug, das Polizeidirectorium diese Erlaubniß, die aber in den meisten Fällen nicht erst nachgesucht wurde, ertheilt, indem auch das OberConsistorium die Gegenstände seiner Competenz nicht in Anspruch zu nehmen pflegte. Offenbar sieht das Polizeipräsidium sich noch im Besiz dieses Rechtes an, und es würde, um allen Streit zu beseitigen, ohnmaaßgeblich am besten sein wenn Ewr Excellenz an dasselbe über diesen Gegenstand verfügten. Dagegen daß für die Zukunft die Section für den öffentlichen Unterricht dieses Recht auch in Berlin durch die Churmärkische Regierung ausüben ließe, würde wol dasselbe Bedenken stattfinden wie in Absicht der Censur und daher würde wol die einfachste und zwekmäßigste Maaßregel sein, Vorlesungen über die Facultätswissenschaften Theologie, Jurisprudenz und Medizin (falls jemand dergleichen ohne in Verbindung mit der Universität zu stehn und also nicht eigentlich für Studierende 5 wol] über der Zeile 10 der] über 〈ich nicht〉 37 die] von anderer Hand mit Einfügungszeichen über der Zeile ergänzt 37 f Theologie, … Medizin] von anderer Hand mit Einfügungszeichen am linken Rand ergänzt

5

10

15

20

25

30

35

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810 40

45

50

487

halten wollte) danach wegen der Bewilligung an die respective Facultät zu weisen, eigentlich politische Vorträge, da dieser Gegenstand zu sehr in die Analogie der Censur fällt, an das königliche Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, zu Vorlesungen anderer Art | aber die Bewilligung durch den Polizeipräsidenten jedoch als Beauftragten der Section ertheilen zu lassen. Denn auf Vorlesungen, wie sie für gemischtes Publicum hier seit langer Zeit sind gehalten worden, kann die hiesige Universität, da sie diesem Bedürfniß gar nicht abhilft, billigerweise auch keinen beschränkenden Einfluß haben. Es wird also der im allgemeinen schon aufgestellte Grundsaz der größten Liberalität auch hiesigen Ortes anzuwenden sein, um weder das Publicum welches Belehrung oder Genuß sucht in seiner freien Wahl, noch diejenigen welche beides gewähren wollen in ihrem Gewerbe mehr als Andere zu beschränken. nomine des interimistischen Herrn Sections-Chefs. Schleiermacher. 23.

33

3532a. Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Ende Oktober 1810

5

10

Der Brief welchen Du durch Herrn Gass erhältst war zur Post fertig – dieser liebe Mann aber – will ihn gern an dich besorgen ich werde recht durch seine Freundtschaft für Dich überrascht – denn unter den vielen guten Menschen die in Ost und Westen Norden und Süden dir doch nahe sind – hatte ich seinen Nahmen vergeßen – weiß auch nicht unter welcher rubrique – oder von welchen Jahren her sich diese Bekantschaft schreibt | aber daß sie sehr innig ist – fühlt sich wenn Er von dir spricht – sehr viel gutes hat mir dieser Freund von dir gesagt und von deinem großen schönen Wirkungskreise – von deiner Heiterkeit aber von deiner Streitsucht erwähnte Er nichts – vielleicht hat er solche nicht sehr erfahren – im Ernst, es hat mich alles innig bewegt und tief erschüttert – von seiner Ankunft bey Uns hörte ich v i e l aber – daß ich Ihn selbst sprechen würde ahndete ich nicht

40 die] folgt 〈betr〉 3532a. Überlieferung: H: BBAW, SN 375/26, Bl. 24. Es handelt sich um den in Brief 3533, 2 (KGA V/11) erwähnten und von Joachim Christian Gaß verschickten, ein paar Tage zuvor geschriebenen Brief.

24v

488

Nachtrag zu den Jahren 1808–1810

3545a. Von Christian Gottfried Daniel Stein. Berlin, 7. 12. 1810 […] gehorsamster Diener Stein, Prof. am Berlin-cöln. Gymnasium Klosterstr. 40. Berlin den 7 Dez. 1810.

3545a. Überlieferung: H: BBAW, SN 101, Bl. 13v. Rückseite eines Zettels zur Dialektik von 1811.

Dieses Brieffragment bildet die

5

Abkürzungen und editorische Zeichen Archive der Briefmanuskripte Literaturverzeichnis

Abkürzungen und editorische Zeichen Im vorliegenden Kommentarband finden sich folgende Abkürzungen, die nicht am Ort, im Literaturverzeichnis oder im Duden (Rechtschreibung) aufgelöst sind BBAW

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Br Aus Schleiermacher’s Leben. In Briefen D Den, Doctor, (im textkritischen Apparat:) Druck d den, dieser usw., Pfennig e.g. exempli gratia (z.B.) ELAB Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin Ew, Eur. Euer (Hochwürden) g., G., gr., Gr. Groschen ggr., Ggr. gute Groschen GStA Geheimes Staatsarchiv Berlin H. Herr H (im textkritischen Apparat:) Handschrift (Original) h (im textkritischen Apparat:) Abschrift KGA Schleiermacher: Kritische Gesamtausgabe Kj. Konjektur korr. korrigiert NB nota bene NS Nachsatz p perge, praedictus, praenominatus pp perge perge, pergite r., R., Rth., rth. Reichsthaler sg., s. Silbergroschen SN Schleiermacher-Nachlass Thl., Thlr., Thr. Thaler v verso (Rückseite) zE zum Exempel Ð Ñ [ ]

unsichere Lesart Ergänzung der Bandherausgeber

492

[ ] [...] 〈 〉 〈〈 〉〉 / ] * Kursivschrift im Brieftext

Abkürzungen und editorische Zeichen

im Text: Überlieferungsverlust im Text: Auslassung früherer Herausgeber oder Abschreiber Streichung des Schreibers oder Abschreibers versehentlich nicht durchgeführte Streichung Seitenwechsel in der Vorlage Zeilenbruch Lemmazeichen bei Briefnummern: erschlossener Brief Herausgeberrede

Archive der Briefmanuskripte 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften [BBAW] Trolle-Ljungby, Brinkmanska Arkivet Deutsches Literaturarchiv Marbach Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin [ELAB] Geheimes Staatsarchiv Berlin [GStA] Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Hessisches Staatsarchiv Darmstadt Jagiellonische Bibliothek Krakau Landesarchiv Berlin Staatsarchiv Hamburg Stadt- und Landesbibliothek Dortmund Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin Stadtbibliothek Berlin Universitätsarchiv der Humboldt Universität zu Berlin Universitätsbibliothek Marburg University of Chicago Library

Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis führt die (selbständig erschienenen) Druckschriften auf, die in den Angaben zu den Drucken der Brieftexte sowie in den Anmerkungen zu den Briefen genannt sind. Folgende Grundsätze sind besonders zu beachten: 1. Die Verfassernamen und Ortsnamen werden in der heute gebräuchlichen Form angegeben. 2. Ausführliche Titel können in einer sinnvollen Kurzfassung wiedergegeben werden, die nicht als solche gekennzeichnet wird. 3. Werden zu einem Verfasser mehrere Titel genannt, so bestimmt sich deren Abfolge nach Gesammelten Werken, Teilsammlungen und Einzelwerken. Gesammelte Werke und Teilsammlungen werden chronologisch, Einzelwerke alphabetisch angeordnet. 4. Bei anonym erschienenen Werken wird der Verfasser in eckige Klammern gesetzt. 5. Für die Ordnung der Sachtitel ist die gegebene Wortfolge unter Übergehung eines am Anfang stehenden Artikels maßgebend. Allgemeines historisches Archiv. Hg. Hans Karl Dippold und Friedrich August Koethe, Bd. 1–2, Leipzig: Reclam 1811 Allgemeine Zeitung. Ergänzungsblätter, Stuttgart: Cotta 1803–1845 Archiv für die Physiologie. Hg. Johann Christian Reil, Halle 1796–1815 Arndt, Andreas / Virmond, Wolfgang: „Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834)“. In: Doris Fouquet-Plümacher u.a. (Hg.): Aus dem Archiv des Verlages Walter de Gruyter. Briefe, Urkunden, Dokumente, Berlin / New York: de Gruyter 1980, S. 103–127 Bachmann, Karl Friedrich: Ueber Philosophie und ihre Geschichte. Drei academische Vorlesungen, Jena: Cröker 1811 Bauer, Joachim (Hg.): Briefe Schleiermachers an Wilhelmine und Joachim Christian Gaß. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 47 (1928), S. 250–278 Blanc, Ludwig Gottfried: Briefe an Friedrich Schleiermacher, Berlin: Litteraturarchiv-Gesellschaft 1909 (Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin, NF 2) Bruno, Giordano: De monade numero et figura liber consequens quinque

Literaturverzeichnis

495

de minimo magno & mensura, Frankfurt/Main: Wechel und Fischer 1591 —: De triplici minimo et mensura ad trium speculativarum scientiarum et multarum activarum artium principia, Frankfurt/Main: Wechel und Fischer 1591 Dippold, Hans Carl: Leben Kaiser Karls des Großen, Tübingen: Cotta 1810 — [Übers.]: William Shakespeare: Die lustigen Weiber von Windsor, Berlin: Hitzig 1810 — [Übers.]: Johannes von Müller: Bellum Cimbricum, Sämtliche Werke Bd. 12, Stuttgart: Cotta 1810 — / Adolph Wagner [Übers.]: Wilhelm Coxe: Geschichte des Hauses Österreich von Rudolph von Habsburg bis auf Leopold des zweiten Tod, 1218–1792, Bd. 1, Amsterdam und Leipzig: Verlag des Kunstund Industrie Comptoirs 1810 Dorow, Wilhelm (Hg.): Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der Welt und Litteratur, Bd. 2, Berlin: Duncker 1838, S. 35–38 Gerber, Simon: Die Familien Müller und Schleiermacher – Geschichte einer Freundschaft. In: Christian Kämpf (Hg.): Wilhelm Christian Müller, Bremen: Schünemann 2016, S. 119–133 Göttingische gelehrte Anzeigen: unter Aufsicht der Akademie der Wissenschaften, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1802 ff. Harrien, Karl: Specimen criticum de libris evangelicorum antiquissimis, Berlin: Spaethen 1812 Heidelbergische Jahrbücher der Literatur. Intelligenzblatt, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1808–1817 Heinrici, Georg: D. August Twesten nach Tagebüchern und Briefen, Berlin: Hertz 1889 Humboldt, Caroline von: Neue Briefe. Hg. Albert Leitzmann, Halle: Niemeyer 1901 Jonas, Fritz: Theodor Körners Plan zu einem Almanach für Christen und seine und seines Vaters Beziehung zu Schleiermacher. In: Archiv für Litteraturgeschichte 4 (1875), S. 372–386 Katechismus zum Gebrauch der reformierten Kirche [Dohlhoff, Georg Peter / Rienäcker, Johann August / Blanc, Ludwig Gottfried], Halle 1811 Köpke, Rudolf: Die Gründung der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Berlin: Schade 1860 Lenz, Max: Geschichte der Universität Berlin, Bd. 1–4, Halle: Waisenhaus 1910–1918

496

Literaturverzeichnis

Lettow Vorbeck, Max von: Zur Geschichte des Preussischen Correspondenten von 1813 und 1814, Historische Studien 95, Berlin: Ebering 1911 Magazin für Prediger. Hg. J.F.C. Loeffler, Jena: Frommann 1803/04–1815/16 Mehmel, Gottlieb Ernst August: Lehrbuch der Sittenlehre, Erlangen: Breuning 1811 Meisner, Heinrich (Hg.): Schleiermacher als Mensch. Sein Werden und Wirken. Familien- und Freundesbriefe. Bd. 1–2, Gotha: Perthes 1922/23 Minerva: Taschenbuch, Bd. 1–23, Leipzig: Fleischer 1809–1833 Moldenhauer, Dirk: Geschichte als Ware: Der Verleger Friedrich Christoph Perthes (1772–1843) als Wegbereiter der modernen Geschichtsschreibung, Köln: Böhlau 2007 Morgenblatt für gebildete Stände, Bd. 1–31, Stuttgart / Tübingen: Cotta 1807–1837 Müller, Adolph: Briefe von der Universität in die Heimath. Aus dem Nachlaß Varnhagen’s. Hg. Ludmilla Assing, Leipzig: Brockhaus 1874 Müller, Gustav Adolf: Ungedrucktes aus dem Goethe-Kreise, München: Seitz & Schauer 1896 Museum der Alterthums-Wissenschaft. Hg. Friedrich August Wolf und Philipp Buttmann, Berlin: Realschulbuchhandlung 1807–1810 Niebuhr, Barthold Georg: Die Briefe Barthold Georg Niebuhrs. Hg. Dietrich Gerhard und William Norvin, Bd. 2, Berlin: de Gruyter 1929 [Das Literatur-Archiv. Veröffentlichungen der Literaturarchiv-Gesellschaft in Berlin 2] Nitzsch, Carl Ludwig: De fide sub oeconomia religionis didactica prolusio, Wittenberg: Gräßler 1809 Patsch, Hermann: Der Schatz der Briefe Schleiermachers. Ergänzungen und Reflexionen zu Arndt-Virmondts Verzeichnis des Briefwechsels. In: New Athenäum / Neues Athenäum 4 (1995), S. 265–279 [Schleiermacher-Archiv, Bd. 11] Pertz, Georg Heinrich: Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein, Bd. 2, Berlin: Reimer 1850 Politisches Journal: Darstellung des Weltlaufs in den Begebenheiten und Staatsacten, Hamburg: Voigt; Altona: Hammerich 1781–1837 Reich, Andreas: Friedrich Schleiermacher als Pfarrer an der Berliner Dreifaltigkeitskirche 1809–1834, Berlin / New York: de Gruyter 1992 [Schleiermacher-Archiv, Bd. 12] Sack, Friedrich Samuel Gottfried: Ueber die Vereinigung der beiden pro-

Literaturverzeichnis

497

testantischen Kirchenparteien in der Preussischen Monarchie. Nebst einem Gutachten über die Beförderung der Religiosität, Berlin: Maurer 1812 Schleiermacher, Friedrich: Kritische Gesamtausgabe (KGA). Hg. H.-J. Birkner u.a., Berlin / New York: de Gruyter 1980 ff. — [Briefwechsel]: Aus Schleiermacher’s Leben. In Briefen, Bd. 1–2, Berlin: Reimer 1858 —: Aus Schleiermacher’s Leben. In Briefen, Bd. 1–4 (Bd. 1–2 in 2. Auflage; Bd. 3–4 vorbereitet von Ludwig Jonas. Hg. Wilhelm Dilthey), Berlin: Reimer 1860–1863 —: Briefwechsel mit Joachim Christian Gaß. Hg. Wilhelm Gass, Berlin: Reimer 1852 —: Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna. Hg. Justus Ludwig Jacobi, Halle: Strien 1887 —: Ein Brief Schleiermacher’s. In: Die Gartenlaube 1874, H. 7, S. 119 —: Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen, Berlin: Reimer 1811 Schmidt, Sarah: „Es ist doch sehr fatal, dass wir so weit auseinander sind“ – Stationen einer Freundschaft zwischen Steffens und Schleiermacher aus Briefen und Dokumenten. In: Sarah Schmidt und Leon Miodonski (Hg.): System und Subverion. Friedrich Schleiermacher und Henrik Steffens, Berlin / Boston: de Gruyter 2018, S. 33–64 Schulze, Johannes Karl Hartwig: Über den standhaften Prinzen des Don Pedro Calderon, Weimar: Verlag des Landes-Industrie-Comptoirs 1811 Stargardt, Joseph A.: Autographen (Katalognr. 291), 1929 Stargardt, Joseph A.: Autographen (Katalognr. 300), 1930 Stargardt, Joseph A.: Autographen (Katalognr. 508), 1953 Stargardt, Joseph A.: Autographen (Katalognr. 519), 1955 Steffens, Henrich: Was ich erlebte, Bd. 1–10, Breslau: Max und Kompanie 1840–1844 Traulsen, Hans Friedrich: Schleiermacher und Claus Harms. Von den Reden „Über die Religion“ zur Nachfolge an der Dreifaltigkeitskirche, Berlin / New York: de Gruyter 1989 [Schleiermacher-Archiv, Bd. 7] Wiggers, Gustav Friedrich: Diss. in aug. de Juliano Apostata, religionis Christianae et Christianorem persecutore, Rostock 1810 Zeitung für die elegante Welt, Leipzig: Voss 1801–1841