Interpretierte Eisenzeiten: Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 3. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [3] 3854742053, 9783854742050

Im Herbst des vergangenen Jahres fand die nun bereits dritte Tagung der "Interpretierten Eisenzeiten" statt, d

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German, English Pages 440 [442] Year 2009

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Interpretierte Eisenzeiten: Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 3. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [3]
 3854742053, 9783854742050

Table of contents :
Raimund Karl, Jutta Leskovar / Vorwort/Preface 7
Melanie Augstein / Der Körper als Zeichen? Deutungsmöglichkeiten von Körperinszenierungen im hallstattzeitlichen Bestattungsritual 11
Kerstin P. Hofmann / Der akkulturierte Tod. Bestattungsrituale Südostsiziliens unter den Einflüssen der Griechen 27
Rouven Schneider / Veränderungen zwischen jüngerer Bronzezeit und älterer vorrömischer Eisenzeit innerhalb der nordmitteleuropäischen Brandgräbergruppen – Paradigmen und Perspektiven 47
Julian Spohn / Das spätkeltische Prunkgrab von Sinsheim-Dühren – ein Zeugnis sozialer 'Eliten' am Unterlauf des Neckars? 65
J. F. Jordá Pardo, J. Rey Castiñeira, I. Picón Platas, E. Abad Vidal, C. Marín Suárez / Radiocarbon and Chronology of the Iron Age Hillforts of Northwestern Iberia 81
Gonzalo Ruiz Zapatero, Manuel A. Fernández-Götz / 'Trianguläre' und kriegerische Gesellschaften in der Eisenzeit des 'keltischen Hispaniens'?: Auf der Suche nach der Vielfalt eisenzeitlicher Sozialstrukturen 99
Josep Burch, Antonio Rojas, Jordi Vivo / The formation of the Iberian culture in the north-eastern extreme of the Iberian Peninsula 113
Francisco Sande Lemos, João Fonte, Gonçalo Cruz / Social structure(s) of the Oppida area (NW of the Iberian Peninsula) 125
Raimund Karl / The court of law in Iron Age Celtic societies 135
Katharina Becker / But I still haven’t found what I’m looking for. New agendas in Irish Iron Age research 163
Markus Steffen, Wolfgang Zirkel / Siedlungshierarchien und kulturelle Räume I – Die naturräumliche und wirtschaftliche Perspektive 177
Oliver Nakoinz, Christoph Steffen / Siedlungshierarchien und kulturelle Räume II – Die kulturellen und sozialen Dimensionen des Raums 191
Sebastian Müller / Nur Gruben und Abfall? – Überlegungen zur Strukturierung von Flachlandsiedlungsplätzen der nordöstlichen Hallstattkultur 209
Jan Kysela / Beaten Boii and Unattested Urbanisation. Observations on the theory of a north Italian origin of the oppida 227
Vladimír Salač / Zur Interpretation der Oppida in Böhmen und in Mitteleuropa 237
Gerd Stegmaier / Stadt – Land – Fluss: Überlegungen zum Wirtschafts- und Besiedlungsgefüge des spätkeltischen Oppidums Heidengraben und seines weiteren Umlands 253
Manfred Nawroth / Fragen an einen Fisch – Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation der Goldfunde von Vettersfelde/Witaszkowo 265
Holger Wendling / Zur Funktion latènezeitlicher Scherbenrundel 277
Matthias Jung / Zur Deutung von Mischwesen in der Frühlatènekunst 295
Hans Reschreiter, Karina Grömer, Ralf Totschnig / Reich im Grab – Sparsam in der Grube. Überlegungen zum Ressourcenmanagement im ältereisenzeitlichen Salzbergwerk Hallstatt 307
Holger Müller / Keltische Frauen an der Macht. Ausnahme oder Regel? 321
Greta Anthoons / Klein ist die Welt... Engere Kontrakte im frühen dritten Jahrhundert v.Chr. 331
Geneviève Honeck / Fernhandelskontakte der Hallstattzeit als Medium des Kulturtransfers 345
David Stifter / Vernacular Celtic Writing Traditions in the East-Alpine Region in the Iron-Age Period? 361
John R. Collis / Die Konstruktion von Chronologien 373
Matthias Kucera, Klaus Löcker / Ich seh’ ich seh’, was Du nicht siehst... Ein theoretischer Ansatz zu Ausgrabungsprozessen 423
Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, Gabriel Wurzer, Ralf Totschnig, Andreas Rausch / Agenten im Hallstätter Salzbergwerk. Agentenbasierte Simulation für den bronzezeitlichen Salzbergbau in Hallstatt/OÖ 429

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Interpretierte Eisenzeiten Fallstudien, Methoden, Theorie Tagungsbeiträge der 3. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie

Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.)

Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich Folge 22 Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.) Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 3. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Herausgegeben vom Oberösterreichischen Landesmuseum Linz 2009 ISBN 978-3-85474-205-0 Medieninhaber: Land Oberösterreich/OÖ. Landesmuseum Museumstrasse 14, A-4010 Linz Direktor: Mag. Dr. Peter Assmann Schriftleiter: Dr. Bernhard Prokisch Graphische Gestaltung: Alexandra Bruckböck Druck: Easy-Media GmbH Linz

Inhaltsverzeichnis

Raimund Karl, Jutta Leskovar Vorwort/Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Melanie Augstein Der Körper als Zeichen? Deutungsmöglichkeiten von Körperinszenierungen im hallstattzeitlichen Bestattungsritual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kerstin P. Hofmann Der akkulturierte Tod. Bestattungsrituale Südostsiziliens unter den Einflüssen der Griechen . . . . . . . . . . . . . 27 Rouven Schneider Veränderungen zwischen jüngerer Bronzezeit und älterer vorrömischer Eisenzeit innerhalb der nordmitteleuropäischen Brandgräbergruppen – Paradigmen und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Julian Spohn Das spätkeltische Prunkgrab von Sinsheim-Dühren – ein Zeugnis sozialer „Eliten“ am Unterlauf des Neckars? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 J. F. Jordá Pardo, J. Rey Castiñeira, I. Picón Platas, E. Abad Vidal, C. Marín Suárez Radiocarbon and Chronology of the Iron Age Hillforts of Northwestern Iberia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Gonzalo Ruiz Zapatero, Manuel A. Fernández-Götz „Trianguläre“ und kriegerische Gesellschaften in der Eisenzeit des „keltischen Hispaniens“? Auf der Suche nach der Vielfalt eisenzeitlicher Sozialstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Josep Burch, Antonio Rojas, Jordi Vivo The formation of the Iberian culture in the north-eastern extreme of the Iberian Peninsula . . . . . . . . . . . . 113 Francisco Sande Lemos, João Fonte, Gonçalo Cruz Social structure(s) of the Oppida area (NW of the Iberian Peninsula) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Raimund Karl The court of law in Iron Age Celtic societies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Katharina Becker But I still haven’t found what I’m looking for. New agendas in Irish Iron Age research . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Markus Steffen,Wolfgang Zirkel Siedlungshierarchien und kulturelle Räume I – Die naturräumliche und wirtschaftliche Perspektive . . . . . . 177 Oliver Nakoinz, Christoph Steffen Siedlungshierarchien und kulturelle Räume II – Die kulturellen und sozialen Dimensionen des Raums . . . 191 Sebastian Müller Nur Gruben und Abfall? – Überlegungen zur Strukturierung von Flachlandsiedlungsplätzen der nordöstlichen Hallstattkultur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Jan Kysela Beaten Boii and Unattested Urbanisation. Observations on the theory of a north Italian origin of the oppida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Vladimír Salaˇc Zur Interpretation der Oppida in Böhmen und in Mitteleuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Gerd Stegmaier Stadt – Land – Fluss: Überlegungen zum Wirtschafts- und Besiedlungsgefüge des spätkeltischen Oppidums Heidengraben und seines weiteren Umlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Manfred Nawroth Fragen an einen Fisch – Möglichkeiten und Grenzen der ­Interpretation der Goldfunde von Vettersfelde/Witaszkowo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Holger Wendling Zur Funktion latènezeitlicher Scherbenrundel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Matthias Jung Zur Deutung von Mischwesen in der Frühlatènekunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Hans Reschreiter, Karina Grömer, Ralf Totschnig Reich im Grab – Sparsam in der Grube. Überlegungen zum Ressourcenmanagement im ältereisen­zeitlichen Salzbergwerk Hallstatt . . . . . . . . . . . . 307 Holger Müller Keltische Frauen an der Macht. Ausnahme oder Regel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Greta Anthoons Klein ist die Welt ... Engere Kontrakte im frühen dritten Jahrhundert v.Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Geneviève Honeck Fernhandelskontakte der Hallstattzeit als Medium des Kulturtransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 David Stifter Vernacular Celtic Writing Traditions in the East-Alpine Region in the Iron-Age Period? . . . . . . . . . . . . . . 361 John R. Collis Die Konstruktion von Chronologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Matthias Kucera, Klaus Löcker Ich seh’ ich seh’, was Du nicht siehst... Ein theoretischer Ansatz zu Ausgrabungsprozessen . . . . . . . . . . . . . 423 Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, Gabriel Wurzer, Ralf Totschnig, Andreas Rausch Agenten im Hallstätter Salzbergwerk. Agentenbasierte Simulation für den bronzezeitlichen Salzbergbau in Hallstatt/OÖ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429

Zum Geleit

Im Herbst des vergangenen Jahres fand die nun bereits dritte Tagung der „Interpretierten Eisenzeiten“ statt, die in bewährter Art und Weise als Gemeinschaftsprojekt des Oberösterreichischen Landesmuseums und der Bangor University organisiert wurde. Es ist uns ein Anliegen, die Ergebnisse der Tagung wiederum in Form einer Publikation der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit unserem Auftrag als wissenschaftliche Einrichtung nachzukommen. Unser Dank geht an alle Kolleginnen und Kollegen, die an der Tagung teilgenommen und die immerhin 27 Beiträge zum vorliegenden Band verfasst haben, vor allem jedoch an Frau Mag.a Dr.in Jutta Leskovar und Herrn Mag. Dr. Raimund Karl, die wiederum die Veranstaltung konzipiert und organisiert haben und in deren Händen die Redaktion dieses Bandes lag. Frau Alexandra Bruckböck sei für Layout und Druckvorbereitung des Bandes gedankt.

Bernhard Prokisch

Peter Assmann





Vorwort Raimund Karl, Jutta Leskovar

Die hier vorliegenden Beiträge repräsentieren die nun schon zum dritten Mal am Oberösterreichischen Landesmuseum abgehaltene Tagung „Interpretierte Eisenzeiten – Fallstudien, Methoden, Theorie“. Diesmal folgten wieder rund 100 Gäste der Einladung nach Linz, wovon 42 Personen Vorträge hielten. Auch diesmal ging das Konzept der Tagung wieder voll auf: In angenehmer Atmosphäre entwickelten sich ausgehend von spannenden Vorträgen zu teils ungewöhnlichen Themen intensive Diskussionen. Um ein wenig davon einzufangen, wurden die Diskussionsbeiträge auch diesmal mitstenographiert, um sie im Tagungsband abdrucken zu können. Auch diesmal sei Frau Sonja Prochaska wieder sehr herzlich für diese aufwendige Arbeit gedankt. Auch dieser Tagungsband unterscheidet sich wieder geringfügig vom tatsächlich während der Tagung vom 14.-16.9.2008 durchgeführten Programm. Die Beiträge von Hilke Hennig und Chris Lucianu (It's the distribution, stupid — Hallstattnekropolen, Finanzkrise, Ölkrise und andere Desaster), L’ubomír Andrísek und Lucia Benediková (Spatial analysis of the La Tène settlement structures from Liptovská Mara IV site in the north of the Carpathian Mountains, Slovakia), Anja Hellmuth (Skythen und Sauromaten vor den Toren Mitteleuropas? Ein Beitrag zur Interpretation der skythischen Pfeilspitzen im Osthallstattkreis), Julia Katharina Koch, Viktoria Oelze, Mike Richards und Sabine Rieckhoff (Einheimische und fremde Personen in einer früheisenzeitlichen Gesellschaft - Fallbeispiel Magdalenenberg. Eine Projektskizze) sowie Mario Gavranovi´c und Barbara Teßmann (Herausragende Frauen zwischen Una und Drina während der Eisenzeit. Fibeltracht – ein Nachweis zur kulturellen

Herkunft) konnten nicht erscheinen. Dafür wurden ein Beitrag über „Social structure(s) of the Oppida area (NW of the Iberian Peninsula)” von Francisco Sande Lemos, João Fonte und Gonçalo Cruz, der auf der Tagung nicht gehalten werden konnte, sowie ein weiterer Beitrag von Kerstin Kowarik et al. über eine Agentenbasierte Simulation für den bronzezeitlichen Salzbergbau in Hallstatt zusätzlich aufgenommen. Was die gehaltenen und hier publizierten Beiträge angeht, so deckte das dichte Programm auch diesmal einen großen Bereich ab, wobei interessanterweise diesmal Gräber imVergleich zu Siedlungen stark in den Hintergrund rückten. Nur vier Beiträge diskutieren ausgehend von Gräbern unterschiedlichste Aspekte: Melanie Augstein widmet sich der Frage nach Körperinszenierungen im hallstattzeitlichen Grabbrauch, Kerstin P. Hofmann diskutiert ausgehend von Bestattungsritualen in Südostsizilien umfassend die Bedeutung von Tod und Totenritualen in Zusammenhang mit dem Begriff „Akkulturation“, Rouven Schneiders Beitrag behandelt die Übergangsphase zwischen Jüngerer Bronzezeit undVorrömischer Eisenzeit innerhalb der nordmitteleuropäischen Brandgräbergruppen, und Julian Spohn diskutiert das Prunkgrab von SinsheimDühren. Erfreulicherweise gelang diesmal auch ein intensiver Blick in weiter entfernte Regionen: Gleich vier Beiträge (Pardo et al.; Zapatero, Fernández-Götz; Burch et al.; Lemos et al.) widmen sich unterschiedlichen Aspekten der eisenzeitlichen Besiedlungsstrukturen der iberischen Halbinsel. Zwei Beiträge rücken den Nordwesten Europas ins Zentrum: Raimund Karl behandelt ausgehend von den britischen Inseln Ähnlichkeiten jüngereisenzeitlicher Siedlungsstrukturen und deren mögliche Interpretationen, Kathari-



na Becker präsentiert die vorläufigen Ergebnisse eines Forschungsprojektes zu irischen eisenzeitlichen Siedlungen. Auch die Beiträge von Markus Steffen und Wolfgang Zirkel bzw. Oliver Nakoinz und Christoph Steffen zeigen den Stand der Dinge eines großangelegten Projektes: „Siedlungshierarchien und kulturelle Räume“ möchte ausgehend von einer Gesamtaufnahme der hallstatt- und frühlatènezeitlichen Fundstellen Baden-Württembergs vielfältigste naturräumliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte diskutieren. Im Mittelpunkt von Sebastian Müllers Beitrag stehen die möglichen Strukturierungen von Flachlandsiedlungen der nordöstlichen Hallstattkultur. Vladimír Salacˇ und Jan Kysela diskutieren die bisherigen Sichtweisen zum Thema „frühe Stadtentwicklung“ der Latènezeit und mögliche Alternativen. Gerd Stegmaiers Beitrag bildet mit einer Besprechung des Oppidums Heidengraben und seines Umfeldes den Abschluss des großen „Siedlungsblockes“ im Tagungsband. Dass auch altbekannte Objekte immer noch neue Fragen aufwerfen können, belegt Manfred Nawroths Beitrag zum „Fisch von Vettersfelde“. Holger Wendling diskutierte unterschiedlichste Interpretationsmöglichkeiten von latènezeitlichen Scherbenrundeln, während sich Matthias Jung mit der Deutung von Mischwesen in der Frühlatènekunst und der Problematik ihrer Erkennbarkeit auseinandersetzte. Zwei Beiträge (Kowarik et al.; Reschreiter et al.) sind dem wichtigen oberösterreichischen Fundort Hallstatt gewidmet: Beide diskutieren ausgehend vom (archäo­ logisch) reichen Salzbergwerk unterschiedlichste Interpretationsmöglichkeiten rund um Arbeitsabläufe in der Bronze- und Eisenzeit. Mit Holger Müller beteiligt sich ein Althistoriker an der Diskussion um die soziale Stellung der „keltischen Frau“. Greta Anthoons befasst sich mit den sich im zeitlichen Verlauf ändernden Kontakten des nordgallischen Raumes, wie sie sich aus dem archäologischen Befund ablesen lassen. Geneviève Honeck widmet sich im Zusammen-



hang mit den Kontakten zwischen dem hallstättischen und dem mediterranen Raum wie schon Kerstin P. Hofmann dem Begriff „Akkulturation“. David Stifter räumt mit einigen Missverständnissen bezüglich angeblicher „keltischer“ Schriftzeugnisse im ostalpinen Raum auf. John R. Collis stellt das allgemein angewandte Chronologiesystem zur Latènezeit massiv in Frage und bietet in seinem Beitrag Alternativen an. Den Abschluss bildet ein Beitrag von Matthias Kucera und Klaus Löcker zur Anwendung wissenschaftstheoretischer Aspekte auf die archäologische Feldarbeit und deren Interpretation. Auch diesmal war wieder eine sehr rasche Publikation möglich, was einerseits der Disziplin der Autorinnen und Autoren zu verdanken ist, vor allem aber unserer Graphikerin, Frau Alexandra Bruckböck, ohne deren überaus kompetente und schnelle Arbeit diese Geschwindigkeit nicht möglich gewesen wäre. Ihr sei an dieser Stelle unser allerherzlichster Dank ausgesprochen. Wir möchten den Autorinnen und Autoren nicht nur für ihre rasch eingesandten Beiträge und die schnelle Korrektur der Fahnen danken, sondern auch für ihre Beteilung an den Diskussionen während der Tagung. Dieser Dank gilt natürlich auch den übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Abschließend möchten wir uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des OÖ. Landesmuseums für den reibungslosen Ablauf während der Tagung, vor allem was den kulinarischen Aspekt betrifft, sowie bei Frau Martina Reitberger und Frau Heike Rührig für die Betreuung des Tagungsbüros bedanken. Dank sei auch Herrn Bernhard Prokisch, Leiter des Kulturbereichs, und Herrn Peter Assmann, Direktor des Landesmuseums, für die Unterstützung der Tagungsreihe sowie die Möglichkeit, deren wissenschaftliche Ergebnisse in der hauseigenen Reihe publizieren zu können, ausgesprochen. www.schlossmuseum.at/eisenzeiten

Preface Raimund Karl, Jutta Leskovar

The contributions to this volume represent the third installment of the ‚Interpreted Iron Ages – Case Studies, Method, Theory’ conference, held once again at the Upper Austrian Museum. Once more, about 100 participants followed the invitation to Linz, of which 42 presented papers. Once again, the concept of the conference worked very successfully: In a pleasant atmosphere, based on exciting presentations of – in parts – unusual topics, intensive discussions developed. To capture this as much as possible, the contributions to the discussions were once again recorded to be able to include them in this volume. We are extremely grateful to Sonja Prochaska for undertaking this very arduous task. The conference volume once more slightly digresses from the programme of the conference held between 14.-16.9.2008. The contributions by Hilke Hennig and Chris Lucianu (It's the distribution, stupid — Hallstattnekropolen, Finanzkrise, Ölkrise und andere Desaster), L’ubomír Andrísek and Lucia Benediková (Spatial analysis of the La Tène settlement structures from Liptovská Mara IV site in the north of the Carpathian Mountains, Slovakia), Anja Hellmuth (Skythen und Sauromaten vor den Toren Mitteleuropas? Ein Beitrag zur Interpretation der skythischen Pfeilspitzen im Osthallstattkreis), Julia Katharina Koch, Viktoria Oelze, Mike Richards and Sabine Rieckhoff (Einheimische und fremde Personen in einer früheisenzeitlichen Gesellschaft - Fallbeispiel Magdalenenberg. Eine Projektskizze) and Mario Gavranovi´c and Barbara Teßmann (Herausragende Frauen zwischen Una und Drina während der Eisenzeit. Fibeltracht – ein Nachweis zur kulturellen Herkunft) could sadly not be included in this volume. Instead, we are hap-

py that we could include a contribution on „Social structure(s) of the Oppida area (NW of the Iberian Pen­insula)” by Francisco Sande Lemos, João Fonte and Gonçalo Cruz, which could not be presented at the conference, and an additional contribution by Kerstin Kowarik et al. on an agent-based simulation of the Bronze Age salt mining in Hallstatt. The dense programme, both where presented papers and published contributions are concerned, again covered a broad range of themes and topics, even though to our slight surprise, burials took second place to settlements this time. Only four contributions discuss several different aspects of funerary archaeology: Melanie Augstein focusses on the question of the staging of the body in Hallstatt period funerary practice, Kerstin P. Hofmann discusses the meanings of death and funerary rites in the context of the term ‚acculturation’ based on burial rites in south-east Sicily, Rouven Schneider’s constribution assesses the transition period between late Bronze and pre-Roman Iron Age in the northern central European groups of cremation burial, and Julian Spohn discusses the grandiose burial of Sins­ heim-Dühren. We were especially happy this time to have the opportunity of a more intesive look at more distant regions of Europe: A total of four contributions (Pardo et al.; Zapatero, Fernández-Götz; Burch et al.; Lemos et al.) concentrate on different aspects of Iron Age settlement in the Iberian peninsula.Two contributions concentrated on areas of north-western Europe: Raimund Karl interprets similarities in the wider European later Iron Age settlement record from a starting point on the British Isles, Katharina Becker presents the preliminary results of a research project on Irish Iron Age settlement. The contributions by Markus Steffen



and Wolfgang Zirkel, and Oliver Nakoinz and Christoph Steffen provide information on the large scale ‚Siedlungshierarchien und kulturelle Räume’ project and discuss various ecological, economic and social aspects based on a thorough assessment of all Hallstatt and early Latène sites in Baden-Württemberg. At the heart of Sebastian Müllers article lies the possible internal structuring of lowland settlements of the northeastern Hallstatt culture.Vladimír Salacˇ and Jan Kysela discuss previous opinions on ‚early urbanisation’ during the Latène period and present alternative interpretations of the evidence. Gerd Stegmaier’s contribution on the Heidengraben oppidum concludes the substantial block on settlement archaeology in this conference volume. That new questions can be asked of even very wellknown objects is demonstrated by the article of Manfred Nawroths on the ‘fish of Vettersfelde’. Holger Wendling discusses multiple interpretation options of Latène period pottery shard roundels, while Matthias Jung focusses on the interpretation of chimaerae in early Latène art and the problem of recognising them. Two articles (Kowarik et al.; Reschreiter et al.) are dedicated to the important Upper Austrian site of Hallstatt: both discuss, based on the rich archaeological remains of the salt mines, different possible interpretations of working processes in the Bronze and Iron Age. Holger Müller contributes an ancient historian’s view on the social position of Iron Age women. Greta Anthoons examines in her contribution the changing regional contacts in northern Gaul as can be deduced from the archaeological record. Much like Kerstin P. Hofmann, Geneviève Honeck also focusses her attention on the concept of ‚acculturation’, in the context of contacts between the Hallstatt culture and the Mediterranean. David Stifter dispels some of the midunderstandings regarding allegedly ‚Celtic’ writ-

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ings in the eastern alpine area. John R. Collis critically examined the general chronological system used for the Latène period and provides an alternative model for constructing Iron Age chronologies. In the final contribution to this volume, Matthias Kucera and Klaus Löcker examine the application of epistemological theories to archaeological field work and its interpretation. Once more, the rapid publication of these conference proceedings was possible, for which we would like to thank on the one hand the contributors for their discipline in sticking to very tight deadlines, and on the other hand to our copy editor, Alexandra Bruckböck, without whose exceptionally competent and efficient work this would not have been possible.We would like to express our great thanks to her here. We would also like to thank our contributors not just for sending in their articles on time, and for quickly correcting the proofs, but also in particular for their lively contributions to the discussions during the conference itself. The latter naturally also extend to all participants in the conference, who also contributed significantly to the discussions and as such to the success of the conference. Finally, we would like to thank the staff at the Upper Austrian Museum, who guaranteed the smooth management of the conference, especially where the culinary aspects were concerned, and Martina Reit­ berger and Heike Rührig for effectively managing the conference office. We would also like to thank Bernhard Prokisch, director of the section culture in, and Peter Assmann, the director of the Upper Austrian museum, for the support they give to our conference series and for the opportunity to publish the scholarly outcomes of the conference in the in-house publication series. www.schlossmuseum.at/eisenzeiten

Der Körper als Zeichen? Deutungsmöglichkeiten von Körperinszenierungen im hallstattzeitlichen Bestattungsritual* Melanie Augstein

Zusammenfassung In flächendeckend und modern ausgegrabenen Gräberfeldern der Hallstattzeit finden sich immer wieder Bestattungen zumeist erwachsener Frauen, deren Niederlegung von der Norm der gestreckten Rückenlage mit parallel zum Körper liegenden Armen abweicht: die Arme sind stark angewinkelt, die Hände liegen auf dem Bauch, der Brust oder den Schlüsselbeinen. Diese Verstorbenen fallen darüber hinaus häufig durch ihre reiche Trachtausstattung auf. Wohl vor allem deswegen werden sie zumeist als Mitglieder der sozialen Elite angesprochen, während die ungewöhnliche Körperhaltung in den meisten Fällen nicht zu deuten versucht wird. Gleichzeitig gibt es jedoch Bestattungen mit stark angewinkelten Armen, denen kaum oder gar kein Trachtschmuck beigegeben wurde sowie reich ausgestattete Verstorbene mit parallel zum Körper liegenden Armen. Da Körperhaltung und Tracht folglich nicht zwingend aneinander gebunden sind, scheint über die Inszenierung des Körpers ein anderer Inhalt als durch die Trachtausstattung vermittelt worden zu sein. Ebenso wie Objekte kann auch der menschliche Körper als Medium der Übermittlung konkreter Bedeutungen und Inhalte dienen; in seiner Inszenierung ist die kommunikative Absicht der Bestattenden zu fassen. Der Körper erfüllt eine Zeichenfunktion – gemäß der speziellen Quellenüberlieferung archäologischer Hinterlassenschaften ist der Bedeutungsgehalt der Zeichen jedoch kaum zu erfassen. Ein möglicher Zugang wird hier über eine Auseinandersetzung mit zeitgleichen bzw. zeitnahen, formal vergleichbaren Darstellungen von Menschen versucht, wie unter anderem der steinernen Großplastik der Hallstatt- und Frühlatènezeit aus Hirschlanden oder vom Glauberg sowie anthropomorph gestalteter ‚Beigaben‘ aus etruskischen Gräbern. Die durch eine von der Norm abweichende Armhaltung auffallenden Frauen geben sich als Vertreterinnen einer bestimmten sozialen Gruppe zu erkennen, die durch Alter und Geschlecht determiniert wird, doch scheinen darüber hinaus weitere Faktoren von Bedeutung gewesen zu sein, denn nicht jede erwachsene Frau wurde in diesem Modus bestattet. Zu Lebzeiten verfügte ein Individuum über unterschiedliche soziale Identitäten, die im Bestattungskontext auf unterschiedliche Art und Weise und durch komplexe Bezüge dargestellt worden sein können. Eine weiterführende Beschäftigung mit Körperinszenierungen im Bestattungsritual muss eine systematische kontext­bezogene Analyse aller Bereiche der Bestattung, des Grabes und der Nekropolenstruktur sowie die Suche nach geeigneten Ana­logiequellen berücksichtigen.

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Abstract The body as sign? Interpretation of body-performance in burial contexts of the Hallstatt period On several well excavated and documented cemeteries from the Hallstatt period, a group of dead with abnormal posture is known: the arms are positioned in a sharp angle, with the hands on the breast or the collarbone.These dead, mainly adult women, are often endowed with a considerable number of grave goods, mostly items of dress.While they are usually interpreted as belonging to the social elite, their posture is hardly discussed. On the other hand, however, there are contemporary burials with comparable grave furnishings and showing a ›normal‹ posture of arms as well as a group of dead without any grave goods, but with the abnormal posture described. The fact that the posture in question does not necessarily correlate with items of dress seems to indicate that the manipulation of the human body has to be viewed as an independent element. Like objects, a body can transmit a certain message or meaning to possible viewers. Considering the nature of archaeological remains, there is no straightforward way of decipherment of such a message. In trying to understand the posture in question, reference is made to contemporary stone sculptures from Hirschlanden and Glauberg as well as to figurines from Etruscan graves. Being exclusively images of males, the stone figures from Germany are sometimes displaying status-indicating objects. Some consider their pose as representing a kind of ‘gesture of the dead’. By contrast, the Etruscan figurines, predominantly female individuals, are interpreted as mourners. The posture in question seems to indicate that these females belonged to a distinctive social group which was determined by sex and age. Considering the fact that not every adult woman was buried in that way, there must have been additional factors which were crucial with regard to the manipulation of the arms. They may relate to special aspects of social status, marriage, motherhood, ancestry or religious affiliation. In life, an individual usually embodies different social identities and this may also be expressed in a burial context. As far as further analysis of body-performance is concerned, future research must include systematic study of funerary contexts; in addition, a search for analogies in neighbouring disciplines seems appropriate.

I. Im Jahre 1979 resümierte der Regensburger Prähistoriker Walter Torbrügge zu den Bestattungssitten der Hallstattzeit in der Oberpfalz: „Bei Leichenbestattung ruhen die Toten in bemerkenswerter Einheitlichkeit mit seitlich angelegten Armen ausgestreckt auf dem Rücken…“ (Torbrügge 1979: 47). Torbrügge beschreibt hier die Norm hallstattzeitlicher Körperbestattungen − d. h. gestreckte Rückenlage mit an den Seiten anliegenden Armen. Entgegen dieser Aussage finden sich in flächendeckend und modern ergrabenen Gräberfeldern der Hallstattkultur immer wieder Bestattungen, bei denen die Verstorbenen abweichend von dieser Norm niedergelegt wurden, und zwar mit auf dem Bauch oder auf der Brust liegen-

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den bzw. zu den Schlüsselbeinen hin angewinkelten Armen (Abb. 1) (dazu bereits Nikulka 1998: 167–68; Baitinger 1999: 119; zuletzt auch Nikulka 2008 sowie Augstein in Druckbegutachtung). Eine auf quantitative Aspekte angelegte Analyse von Nils Müller-Scheeßel (2008) hat gezeigt, dass die Armhaltung in ganz verschiedenen Ausprägungen bzw. mit unterschiedlich starker Anwinkelung der Arme auftreten kann.1 Soweit anthropologische Bestimmungen vorliegen, handelt es sich zum überwiegenden Teil um erwachsene weibliche Individuen. Müller-­Scheeßel nennt hier etwa 43% gegenüber etwa 12% männlichen Individuen (zum Geschlecht: ebd. 529 Abb. 13; zum Alter: ebd. Abb. 14). Beachtet werden muss aber

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Abb. 1: Frauenbestattungen mit von der Norm abweichender Armhaltung: 1 = Bruckberg Hügel 11 (nach Meixner 2004: 201 Abb. 14); 2 = Niedererlbach Hügel 3/1988 (nach Koch 1992: 53 Abb. 3); 3 = Werbach Grab 14 (nach Wehrberger 1984: 186 Abb. 40); 4 = Beilngries ›Im Ried‹ Ost Grab 17 (nach Mahler, Hoppe 1989: 344 Abb. 2); 5 = Untereggersberg Grab 57 (nach Nikulka 1998: 169 Abb. 44); 6 = Dietfurt-›Tankstelle‹ Grab 6.

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die relativ hohe Zahl der nicht bestimmbaren Individuen (ebenfalls ca. 43%), die das scheinbar eindeutige Bild deutlich verändern könnten. Bei diesen von der Norm abweichenden Armhaltungen zeigt die häufig­ ste Variante starke Anwinkelung beider Arme mit der Lage der Hände im Brust-/Schlüsselbeinbereich (ebd. 522 Abb. 7). Diese Individuen stehen im Zentrum dieses Beitrags, denn deren Körperhaltung kommuniziert meines Erachtens eine andere Bedeutung als die solcher mit weniger stark angewinkelten Armen.2 Die Personen sind zumeist alleine in einer Grabkammer, oder falls es sich bei mehrphasigen Gräbern nicht um die Primärbestattung handelt, alleine auf dem Nachbestattungsplanum bestattet worden. In seltenen Fällen, wie beispielsweise in Niedererlbach (Hügel 3/1988), liegt eine Doppelbestattung zusammen mit einem Kind vor (Koch 1989). Unterstellt man familiäre Beziehungen, so wird es sich hier um eine Bestattung von Mutter und Kind handeln.3 Die Bestattungen von Individuen mit von der Norm abweichender Armhaltung scheinen im Raum der Hallstattkultur Verbreitungsschwerpunkte aufzuweisen.Während Müller-Scheeßel (2008: 527) von einem gesamtsüddeutschen Phänomen spricht, konzentrieren sich solche Bestattungen doch vor allem in den Nekropolen des Altmühltals, des Isartals und des Taubertals.4 Inwiefern dieser Eindruck dem Forschungsund Publikationsstand geschuldet ist, gilt es aber noch systematisch zu überprüfen. II. Auffällig ist, dass diese Personengruppe sehr oft reich bis überdurchschnittlich reich mit Trachtschmuck ausgestattet wurde (vgl. auch Nikulka 2008: 376–77 mit Tab. 1) (Abb. 2). Es stellt sich also die Frage, ob die Körperhaltung als Anzeiger dessen, was auch durch die Tracht vermittelt werden soll, zu sehen ist. Umfangreiche Trachtausstattung wird meistens als Ausdruck von Reichtum und gehobenem Sozialstatus gedeutet; man hätte es hier folglich mit weiblichen Vertretern der oberen sozialen Gesellschaftsschicht zu tun. So werden die Frauen aus Niedererlbach beispielsweise als „Chefin“ (Engel­hardt, Häck 1999: 47) des nahe gelegenen Erdwerks oder als wohlhabende „Herrin“ (Koch 1992: 74) angesprochen. Tracht kann aber vielfältigere Funktionen erfül-

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len. Trachtelemente verfügen über eine ausgeprägte Zeichenfunktion, mit der soziale Differenzen und Zugehörigkeiten ebenso gezeigt und aufrechterhalten werden können wie die regionale Zugehörigkeit oder auch der Status eines Individuums (Burmeister 1997: 179; 187–88). Trachtelemente können folglich Statusanzeiger oder Statussymbole sein, jedoch nicht primär Zeichen der sozialen Oberschicht, sondern spezifischerer gesellschaftlicher Positionen des Individuums im Verhältnis zu anderen (Burmeister 2003: 276–7). Zudem unterstellen bisherige Interpretationen stillschweigend, dass sowohl Tracht als auch Armhaltung als Zeichen für ‚Reichtum’ oder ‚Prestige’ stehen – oder sie messen aber der Haltung der Arme keine Bedeutung bei. Dass aber eine Gleichsetzung des Bedeutungsgehaltes von Trachtelementen und Armhaltung nicht vorausgesetzt werden darf, zeigen meines Erachtens zwei Beispiele zweier hallstattzeitlicher Gräberfelder des Taubertals, einem zeitlich und räumlich eng umgrenzten kulturellen Umfeld. Hier findet man Bestattungen mit vergleichbarer Trachtausstattung, aber unterschiedlicher Körperhaltung; so gehört zu der Verstorbenen aus Grab 14 aus Werbach, deren Arme stark angewinkelt waren, ein Inventar, das aus zwei bronzenen Nadeln, zwei bronzenen Armringen, zwei bronzenen Hohlwulstringen, diversen Spiralringen, einem bronzenen Toilettebesteck und einer bronzenen Tülle bestand (Wehrberger 1984: 186–89; vgl. auch Abb. 2). Dagegen bestand das Inventar der Bestattung 14 aus Tauberbischofsheim-›Wolfstalflur‹ aus zwei bronzenen Armringen, zwei bronzenen Hohlwulstringen, 14 Gagat- und zwei Bernsteinperlen sowie einem bronzenen Toilettebesteck. Diese Person wurde aber mit parallel zum Körper angelegten Armen niedergelegt (Baitinger 1999: 249–50; Abb. 77).5 Zum anderen gibt es Bestattungen mit von der Norm abweichender Armhaltung, denen kaum oder gar kein Trachtschmuck (aus Metall) mitgegeben wurde. So ließen sich der verstorbenen Person in Grab 104 B des Gräberfeldes Dietfurt-›Tennisplatz‹ lediglich ein massiver geschlossener Bronzering im rechten Schulterbereich und kleine, stark korrodierte Eisenstifte unter dem Schädel zuweisen (Röhrig 1994: 196; 198 Abb. 87). In Grab 122 A derselben Nekropole ist der verstorbenen Person, die allerdings anthropolo-

Fundstelle/Grab Dietfurt-›Tankstelle‹ Grab 6 [Primärbestattung] Riedenburg-Untereggersberg Grab 57 Beilngries ›Im Ried Ost‹ Grab 17

Beilngries ›Im Ried Ost‹ Grab 18 Niedererlbach Hügel 3/1988 [Erwachsene] Niedererlbach Hügel 3/1988 [Kind] Niedererlbach Hügel 11/1997

Werbach Grab 14

Trachtausstattung 2 Halbmondfibeln, 1 Brillenfibel, 1 bronzener und 1 eiserner Armring, Halskette aus Bernsteinperlen 2 Sechspassfibeln, 7 massive Halsringe, 2 Melonenarmbänder, 1 verziertes Gürtelblech, 14 Spiraldrahtringe, 1 Goldspirale 2 massive verzierte Halsringe, 2 Steigbügel­ armringe, 2 Bogenfibeln, 1 Gürtelhaken, Teile eines verzierten Gürtels, bronzene Spiralringe, 5 Fingerringe mit Spiralenden 5 massive gerippte Halsringe, 2 Melonen­ armringe, 2 Halbmondfibeln Bernsteinkollier aus über 480 Perlen, 2 Vierpassfibeln, bronze­ne Spiralringe, 2 Armringe aus Lignit, Gürtelblech 3 Armringe, 1 Fingerring, 1 Bern­stein­ anhänger, Kette aus über 200 Glasringen Halsschmuck aus Bernstein- und Gagat­ perlen, 2 Nadeln, 1 bronzener Armring, 1 Armring aus Gagat, 2 Schaukelfuß­ ringe, vierrädriger Wagen mit eisernen Radreifen und bronzenen Be­schlägen, bronzene Zaumzeug­teile 2 Nadeln, 2 Armringe, 2 Hohlwulstringe, diverse Spiralringe, 1 Toilettebesteck, 1 Bronzetülle

Literatur Augstein in Druckbegutachtung Nikulka 1998: 277–9; Taf. 85–91 Hoppe 2005: 32; 34; Taf. 4; 5

Hoppe 2005: 33–35; Taf. 5–8 Koch 1989: 76; Abb. 45; 46

Koch 1989: 76; Abb. 45; 46 Engelhardt, Häck 1999: 47; Abb. 32; 33

Wehrberger 1984: 186–89; Abb. 59-63

Abb. 2: Beispiele für Trachtausstattungen.

gisch als Mann bestimmt wurde, nichts als ein eiserner Gürtelhaken mitgegeben worden (ebd. 217; 218 Abb. 112). In Beilngries ›Im Ried Ost‹, Grab 77 A fand sich ein anthropologisch bislang nicht bestimmtes Skelett, dem keinerlei Trachtbestandteile oder Beigaben zugeordnet werden können (Hoppe 2005: 58 mit Abb. 25), und schließlich wäre das wiederum beigabenlose Skelett einer männlichen Person – allerdings aus einer Siedlungsgrube – vom Kapellenberg zu erwähnen (Posluschny 1997: 90). Eine von der Norm der gestreckten Rückenlage mit an den Seiten anliegenden Armen abweichende Bestattung, eine ‚Sonderbestattung’ gewissermaßen, wird in

der Literatur häufig als Resultat eines ‚unzeitigen’ bzw. unnatürlichen Todes erklärt; der abweichende Modus sollte angeblich Schaden durch die Wiederkehr der Verstorbenen verhindern (Pauli 1975; Spindler 1996: 190–91). Die Deutung auf unnatürliche Todesumstände scheint für die hier behandelten Beispiele aber kaum schlüssig, da abgesehen von der Körperhaltung alle anderen im Bestattungskontext fassbaren Parameter in keinster Weise Derartiges andeuten. Die Haltung der Arme scheint keinen ‚funktionalen Zweck’ zu erfüllen. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass organisches Material, Blumen oder Textilien gehalten wurden. Doch ist anzunehmen, dass

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hier primär die zeichenhafte Vermittlung eines konkreten Inhalts angestrebt wurde, dass die Armhaltung zweifellos als eine von den Bestattenden vorgenommene Manipulation des menschlichen Körpers anzusprechen ist, die Zeichencharakter hat. Im Mittelpunkt semiotischer Ansätze in der Archäologie standen bisher vorrangig Objekte, doch nicht nur über oder durch sie kann kommuniziert werden, sondern auch körperliche Äußerungen wie Gesten können als Zeichen fungieren.6 Der Begriff der Geste oder des Gestus ist in der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie allerdings nur mit Einschränkung anzuwenden, da die Gestenforschung darunter die kommunikative Bewegung der Hände oder der Arme versteht (Müller 1998: 13). Das, was in diesem Beitrag als ‚Geste’ bezeichnet wird, stellt demnach eher eine Art ‚eingefrorene Geste’ dar, da der Aspekt der Bewegung hier nicht greifbar ist bzw. möglicherweise sogar nachrangig war.7 Die Lage der Verstorbenen dokumentiert also eine bewusst vorgenommene Körperinszenierung, die eine Nachricht an einen Beobachter impliziert. Der ­Empfänger der Nachricht ist nicht ohne weiteres festzulegen, auch nicht, ob es sich hierbei um einen ­‚Gestus’ handelt, der zu Lebzeiten eine Rolle spielte oder der nur im Rahmen der Bestattungszeremonien, im Moment der Grablegung seine Wirkung entfalten konnte.8 III. Die Deutung einer Körperinszenierung stellt den Archäologen vor erhebliche Schwierigkeiten, denn Gesten sind ebenso wie materielle Äußerungen Ergebnis sozialen wie kulturellen Handelns. Folglich ist vieles, was für Objekte angenommen wird, auch für Körper anzunehmen. Analog zur Umschreibung ‚Dinge als Zeichen’ kann auch vom ‚Körper als Zeichen’ gesprochen werden. Für die Körperinszenierung wie für Artefakte im Grab gilt, dass beide konkrete Bedeutungen vermitteln können, ebenso ist in beiden die kommunikative Absicht der Bestattenden zu fassen. Für beide gilt aber auch, dass der von den Bestattenden beigemessene Bedeutungsinhalt nicht mehr direkt zu bestimmen ist. Die Möglichkeiten, die Informationen nonverbaler Kommunikation, die in Form der Manipulation des Körpers hier zu fassen sind, zu rekonstruieren, sind beschränkt. Ein Zugang zur Bedeutung

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soll aber trotzdem versucht werden, und zwar über die Auseinandersetzung mit zeitgleichen bzw. zeitnahen, formal vergleichbaren Darstellungen von Menschen.9 Vergleiche stellen die Basis für die Interpretation archäologischer Befunde dar. Über die formale ist jedoch nicht zwangsläufig auf eine inhaltliche oder strukturelle Ähnlichkeit zu schließen. Dennoch soll die Gegenüberstellung der Bestattungen mit formal vergleichbaren Phänomenen, die Auseinandersetzung mit deren Deutung hier als Möglichkeit zur Hypothesenbildung genutzt werden, um ein Spektrum an Erklärungen aufzuzeigen und anschließend deren Nutzen für die Interpretation zu prüfen. Mittels des Vergleichs als ‚heuristisches Mittel’ sollen Grenzen und Möglichkeiten der Deutung von Körperinszenierungen hallstattzeitlicher Bestattungen ausgelotet werden. IV. Den Befunden der süddeutschen Hallstattkultur werden zunächst räumlich und zeitlich nahe Bildzeugnisse der Hallstatt- und Frühlatènezeit wie die steinerne Großplastik aus Hirschlanden oder vom Glauberg gegenübergestellt, bei denen die Haltung der Arme ebenso auffällig wie kennzeichnend ist. Beide gehören zu einer Gruppe von figürlichen Darstellungen von Männern, bei denen ein Arm zur gegenüberliegenden Schulter geführt ist, der andere im Bauchbereich liegt (Abb. 3), und die mit Statusattributen wie Halsring und Dolch bzw. Halsring, Schwert und Blattkrone ausgestattet dargestellt worden sind (z. B. Kimmig 1987; Frey 2002); sie bezeichnen nach Müller-Scheeßel (2008: 524) den „zeitgenössischen … semiotischen Kontext“. Vor allem die Armhaltung als das verbindende Element dieser Gruppe ist von zentraler Bedeutung. Es kann angenommen werden, dass sie die Personen als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe auszeichnete und von den Zeitgenossen entsprechend dechiffriert wurde. Dass die Armhaltung eine konkrete Bedeutung hat, dass sie eine bestimmte Botschaft kommuniziert, wird bei der Auseinandersetzung mit diesen Objekten implizit vorausgesetzt. So ist beispielsweise die Rede von „einem bezeichnenden Gestus“ (Frey 2002: 209) oder von einer „charakteristischen Armhaltung“ (ebd. 214). Umso mehr erstaunt es, dass die doch sehr auffällige und für diese Figuren kennzeichnende Armhaltung

Abb. 3: Steinerne Großplastik aus Hirschlanden (nach Frey 2002: 210 Abb. 191) und vom Glauberg (nach Herrmann 2002: 106 Abb. 70).

selten zu erklären versucht wird. Gelegentlich wird die ungewöhnliche Haltung der am Körper anliegenden Arme und Hände als „typischer Gestus … aus dem Bereich des Totenkultes“ (von Hase 1998: 315 Anm. 78), also als ‚Totengestus’ angesprochen und die Steinfiguren als Bilder der gesellschaftlich hochrangigen Verstorbenen oder als Heroen gedeutet. Da man den bei den steinernen Figuren dargestellten Gestus auch nie bei zeitgleichen Körperbestattungen männlicher Individuen feststellen kann, sieht

Müller-Scheeßel (2008: 524) dessen Bedeutung eher als eine „im weitesten Sinne ›herrschaftliche‹ Geste, die ihr Pendant im Leben gehabt haben dürfte“. Die Interpretationen zielen also vor allem auf den Bereich der Symbolisierung von Herrschaft, werden dabei einerseits in den Totenkult eingeordnet, andererseits aber auf eine Funktion im Leben hin gedeutet. In Bezug auf die Befunde aus den hallstattzeitlichen Gräbern bleibt festzustellen, dass auch hier die Armhaltung Zeichencharakter hat und zur Vermittlung von Bot-

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Abb. 4: Anthropomorphe Objekte (›Adorantenhaltung‹): 1 = Trägerfigur der Kline aus dem Grab von Hochdorf (nach Biel 1985: 97 Abb. 57); 2 = Bronzespiegel aus dem Grab von Reinheim (nach Keller 1965: Taf. 28.1); 3 = Trägerfigur des Wagens von Strettweg (nach Egg 1996: 24 Abb. 14).

schaften eingesetzt wird, es sich bei den Steinstelen aber zum einen ausschließlich um Darstellungen von Männern handelt, zum anderen die dargestellte Körperhaltung letztendlich in den meisten Fällen vom Befund abweicht. Auch bei anderen anthropomorph gestalteten Objekten (Abb. 4) fällt die Armhaltung auf, so z. B. bei der bronzenen Kline aus dem Grab von Hochdorf, die von Frauenfiguren getragen wird, deren Arme erhoben sind (z. B. Biel 1985). Ob hier eher der funktionale Aspekt des Tragens oder vor allem die Darstellung des Körpers im Vordergrund steht, lässt sich nicht ohne weiteres entscheiden; man darf aber auch hier für die Armhaltung eine Zeichenfunktion voraussetzen, da der spezielle Modus der Wiedergabe des menschlichen Körpers nicht nur funktionale Aspekte impliziert. Dasselbe gilt auch für den anthropomorphen Griff des Bronzespiegels aus dem Grab von Reinheim (Keller 1965) oder die zentrale weibliche Trägerfigur des Wagens von Strettweg (Egg 1996). Festzuhalten ist jedoch, dass auch diese zumeist als ‚Adorantenhaltung’ angesprochene Körperhaltung keine Entsprechung in den Befunden der hallstattzeitlichen Gräberfelder findet. Erweitert man das Untersuchungsgebiet, so finden sich in Etrurien anthropomorphe Objekte – vor allem

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Darstellungen weiblicher Individuen –, deren Armhaltung tatsächlich Ähnlichkeiten zu derjenigen der Frauen aus den Gräbern der Hallstattkultur nördlich der Alpen aufweist (Abb. 5). In der Tomba Regolini-Galassi in Cerveteri wurden im Vorraum des Grabes im Bereich des Bettes 33 Bucchero-Figürchen gefunden; bei einigen von ihnen ist nur ein Arm, bei anderen wiederum sind beide Arme zu den Schultern hin angewinkelt (Haynes 2000: 79); aus dem Pietrera-Tumulus in Vetulonia sind Fragmente einer steinernen, lebensgroßen Frauenfigur mit stark angewinkelten Armen und auf der Brust liegenden Händen bekannt (Haynes 2000: 82 mit Abb. 65). Die Armhaltung mit beiden Händen vor der Brust wird als ‚Trauergestus’ angesprochen (z. B. Damgaard Andersen 1993: 52; Haynes 2000: 79; 82). Im gleichen Zusammenhang sind auch Objekte wie die Impasto-Figürchen aus dem Tumulus Poggio Gallinaro aus Tarquinia zu sehen, deren Gestus mit dem Schlagen des Oberkörpers als Ausdruck von Trauer und Klage assoziiert wird (Haynes 2000: 81–82).10 Zu beobachten ist der Gestus jedoch nicht bei den Verstorbenen selbst, sondern bei den anthropomorph gestalteten ›Beigaben‹. Das Auftreten solcher Objekte im Grabkontext scheint maßgeblich für die Interpretation der angewinkelten Arme als Trauer-

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Abb. 5: Anthropomorphe Objekte (›Trauergestus‹): 1 = Tomba Regolini-Galassi, Cerveteri (nach Montelius 1969: Taf. 337 Abb. 5 u. 6); 2 = Pietrera-Tumulus,Vetulonia (nach Haynes 2000: 82 Abb. 65); 3 = Tumulus Poggio Gallinaro, Tarquinia (nach Haynes 2000: 81 Abb. 63).

gestus zu sein. Somit wird deutlich, dass die Armhaltung zwar auch hier eine bestimmte Intention erfüllt und einen speziellen Inhalt transportiert, jedoch keine auf die Bestattungen nördlich der Alpen übertragbare Deutung vorgenommen werden kann.

vergleichbares Objekt in der Kammerecke, ebenfalls oberhalb des Kopfbereiches (ebd. 183 Abb. 38). Da also nicht zwangsläufig von Verlagerungsprozessen auszugehen ist, sollte man alternativ über andere Funktionen, z. B. als Teil eines im weitesten Sinne Ze-

V. Für einen ganz anderen Aspekt soll noch einmal Grab 14 aus Werbach behandelt werden (Abb. 6). In diesem Grab befand sich nordöstlich des Schädels eine Bronzehohlkugel mit Tülle. Diese wird vom Bearbeiter der Nekropole, Kurt Wehrberger, als Hohlkugelanhänger bezeichnet und soll – als Trachtbestandteil eigentlich am Körper getragen und zum Hüftschmuck gehörend – durch eine Störung in den Bereich neben dem Kopf geraten sein (Wehrberger 1984: 140). Auch Holger Baitinger weist darauf hin, dass diese Objekte in ungestörten Gräbern in Beckenlage gefunden wurden (Baitinger 1999: 77; vgl. auch Wehrberger 1984: 109 mit Anm. 50; 141). Ein Detailfoto des Beckenbereiches der Verstorbenen aus diesem Grab zeigt aber keinerlei Störung des Befundes (Wehrberger 1984: 188 Abb. 42). Eine Verlagerung an den Kopfbereich erscheint eher unwahrscheinlich. In dem – allerdings extrem gestörten – Grab 12 derselben Nekropole fand sich ein

Abb. 6: Grab 14 aus Werbach (nach Wehrberger 1984: 188 Abb. 41; Tülle: ebd. 208 Abb. 59.7).

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remonialgerätes, nachdenken. Jörg Biel (1977: 37) zog anhand der Befunde des Werbacher Grabes 14 eine Erklärung als Aufsatz eines szepterartigen Holzstabes in Erwägung.11 Zweifelsohne ist davon auszugehen, dass es in prähistorischen Gesellschaften Personen gab, die für kultische oder magische Handlungen zuständig waren. Durch die spezielle Quellenüberlieferung bleibt anhand des archäologischen Befundes ein Nachweis dieses Personenkreises jedoch sehr schwierig. Außer den beiden Bronzegegenständen aus Werbach, deren Funktion letztendlich nicht zu klären ist, liegen aus den übrigen Gräbern mit Frauen mit von der Norm abweichender Armhaltung keine anderen Anhaltspunkte auf eine etwaige Rolle im Kultgeschehen vor. Gleiches gilt aber auch für Hinweise (zumindest materieller Natur) auf eine alternative Bedeutung der Armhaltungen. Die Körperinszenierung ist nicht ‚funktional’ zu erklären; es handelt sich auch nicht um einen regionalen hallstattzeitlichen Modus, in dem alle erwachsenen Frauen bestattet wurden.12 Flächendeckend oder zumindest großflächig ausgegrabene Nekropolen zeigen, dass dies sicher nicht der Fall ist, sondern hier Aspekte der Distinktion zu fassen sind. Diese lassen sich über eine erste Auseinandersetzung mit anthropomorphen Bildzeugnissen nicht näher benennen. Bei den zeitlich und räumlich nahen Beispielen handelt es sich ausschließlich um Darstellungen männlicher Individuen, deren Gestus letztendlich nicht mit dem Befund übereinstimmt. Eine verbindliche Erklärung für die regelhafte Abbildung der ungewöhnlichen Armhaltung existiert darüber hinaus nicht. Ähnlich verhält es sich mit den formal vergleichbaren Darstellungen der Körperhaltung – insbesondere weiblicher Individuen – aus dem etruskischen Raum, deren Deutung als ‚Trauergestus’ maßgeblich auf der Auffindung im Bestattungskontext zu beruhen scheint, aber nicht bei den Bestatteten selbst beobachtet werden konnte. Für die Armhaltungen liegt folglich keine generalisierbare Erklärung vor. VI. Es sollte deutlich geworden sein, dass eine Interpretation dieser Befunde schwierig ist bzw. die Möglichkeiten, der inhaltlichen Bedeutung der Körperinszenierung auf die Spur zu kommen, äußerst beschränkt sind. Festzuhalten bleibt aber, dass diese von den Bestattenden

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vorgenommene Manipulation des Körpers sicherlich eine zeichenhafte Funktion hatte und eine Nachricht oder einen bestimmten Inhalt übermitteln sollte – der Körper wird als Zeichen eingesetzt.13 Der Empfänger des übermittelten Inhalts ist nicht eindeutig anzusprechen; es bleibt unklar, in welchem rituellen Kontext und von wem der Leichnam betrachtet werden konnte, ob die Körperinszenierung überhaupt für einen irdischen Betrachter gedacht war und ob hier ein Gestus gezeigt wurde, der auch schon im Leben der Verstorbenen oder nur für den unmittelbaren Moment der Grablege oder Aufbahrung eine Rolle spielte.14 Die durch eine von der Norm abweichende Körperhaltung auffallenden Frauen geben sich als Vertreter einer bestimmten sozialen Gruppe zu erkennen. Determiniert wird diese offensichtlich durch Alter und Geschlecht; beide gehören zu den zentralen Parametern, die für die Strukturierung der Gesellschaft bedeutsam sind. Das ist auch für die Hallstattzeit vorauszusetzen (zur signifikanten Bedeutung dieser Kategorien siehe Burmeister, Müller-Scheeßel 2005). Doch sind es offenbar nicht allein diese Faktoren, die den Status des Personenkreises ausmachten, da nicht jede erwachsene Frau in diesem Modus bestattet wurde. Auch der so­ ziale Status, der Heiratsstand, die Elternschaft, die Herkunft oder die religiöse Zugehörigkeit können eine maßgebliche Rolle spielen (Kienlin 2005b: 4–5; Arnold 2008: 376) und im Bestattungskontext dargestellt werden. Abgesehen davon ist es ohne Zweifel problematisch, das durch anthropologische Diagnosen bekannte bio­ tische Alter und Geschlecht als ausschlaggebend für die Konstitution sozialer Rollen vorauszusetzen, da es erhebliche Abweichungen von den kulturell konstruierten Ausprägungen geben kann (vgl. Gramsch 2004: bes. 407). Es ist schwer zu beurteilen, in welcher Form und mit welcher Gewichtung im Grabkontext die soziale Identität bzw. verschiedene soziale Rollen repräsentiert sind. Das, was in der Archäologie als ‚social persona’ diskutiert wird, beschreibt eine Rollenselektion, die im Verhältnis zwischen den Verstorbenen und der bestattenden Gemeinschaft begründet ist (Arnold 2008: 376). Die Repräsentation kann sowohl durch die von den Bestattenden vorgenommene Manipulation des Körpers geschehen, aber auch durch die Bei-

gaben, durch die nicht mehr erhaltene Kleidung sowie durch die Tracht. Während in den hier besprochenen konkreten Fallbeispielen eine der sozialen Identitäten des Individuums durch eine reiche Trachtausstattung dargestellt worden sein könnte, ist es ebenso denkbar, dass eine andere soziale Identität durch die Manipulation, also durch die Inszenierung des Körpers sichtbar gemacht worden ist. Im Grabkontext können ganz unterschiedliche soziale Rollen auf ganz unterschiedliche Art und Weise zum Tragen kommen. Es ist von einem komplexen und möglicherweise stark verschränkten Bezugssystem auszugehen, dessen einstige Bedeutung nur schwer zu ergründen sein wird. Eine Rekonstruktion des Bedeutungsgehaltes der Zeichen wird wohl immer unvollständig bleiben müssen. VII. Ohne die Hilfe von mündlichen oder schriftlichen Quellen ist es nur schwer möglich, auf die konkreten Inhalte menschlicher Hinterlassenschaften zu schließen. Eine semiotische Rekonstruktion von Befunden ist nur durch eine umfassende Analyse sämtlicher Überreste und ihrer Bezüge zueinander zu erreichen und führt zu der Forderung nach einer kontextuellen Betrachtungsweise.15 Dazu ist es notwendig, die verschiedenen im Grab repräsentierten Beziehungen nicht aus ihrem komplexen Zusammenhang zu lösen, sondern zu versuchen, die vielfältigen Bezüge zwischen Raum, Material und Körper aufzuzeigen. Durch die separate Betrachtung nur der Körperhaltung oder nur einer bestimmten Materialgruppe läuft man Gefahr, den Blick auf Strukturen oder Bezugnahmen, die für die Interpretation von Bedeutung sein können, zu verstellen. Zu einer kontextbezogenen Analyse gehört also, nicht nur die Inszenierung des Körpers, sondern z. B. auch die Tracht, die übrigen Beigaben – z. B. die Keramik –, die räumliche Positionierung der Objekte im Grab sowie der Gräber innerhalb der Nekropole, Bezugnahmen auf andere Bestattungen sowie Prinzipien des Grabbaus und der Konstruktion zu bedenken. Darüber hinaus muss man aber auch versuchen, die Interpretation auf gut begründete Analogien aufzubauen. Im Rahmen eines kulturanthropologischen Ansatzes ist es problematisch, dass gerade zum Thema Grabkult und Bestattungen, insbesondere aber zur Körperinszenierung im Grab, kaum systematische

Analysen vorliegen, schließlich hängt die Qualität des Vergleichs stark von Zuverlässigkeit und Ausführlichkeit der Quellendokumentation ab. Für eine weiterführende Analyse der Bestattungen mit von der Norm abweichender Armhaltung muss folglich zunächst allen im Befund fassbaren Äußerungen Rechnung getragen werden; folgende Punkte sollten Ziel künftiger Forschungen sein: 1) Eine systematische Analyse der Beigaben. Dazu gehört neben der Trachtausstattung die für Gräber der Hallstattzeit oftmals umfangreiche Beigabe von Keramik – hier wiederum sollte unbedingt die Verzierung als Ausdruck der nonverbalen Kommunikation Berücksichtigung finden. 2) Eine systematische räumliche Analyse. So ist herauszuarbeiten, ob sich innerhalb der Nekropolen Gräbergruppen separieren lassen und ob und inwieweit die Frauen mit von der Norm abweichender Körperhaltung hier eine strukturierte Einordnung finden. Wie lassen sich die Gräber in Beziehung zu anderen Gräbern bzw. anderen Bestattungen einordnen; gibt es klare, sich wiederholende Bezugnahmen? 3) Eine systematische feinchronologische Analyse. Hier gilt es herauszufinden, ob im Falle von mehreren Personen mit angewinkelten Armen auf einem Gräberfeld diese gleichzeitig lebten oder nicht, oder anders formuliert: Gab es nur eine oder mehrere Frauen mit diesem Status pro Generation? Ist die dargestellte soziale Identität singulär vorhanden in einer gleichzeitig lebenden Gruppe?16 4) Systematische anthropologische Analysen bzw.Verwandtschaftsanalysen (z. B. Strontiumisotopen). Besonders bei Gräberfeldern mit mehreren Personen mit abweichender Körperhaltung können solche Analysen Aufschluss über verwandtschaftliche Beziehungen und daraus resultierend über die Erblichkeit von Status geben; zentral sind solche Untersuchungen ebenso für Fragen nach der regionalen Herkunft oder nach Heiratskreisen. 5) Die systematische und breit angelegte Suche nach geeigneten Analogiequellen, z. B. die Datenbank der ‚Human Relation Area Files (HRAF)’, in der in kodierter Form vergleichbare Informationen über Gesellschaften vorliegen, die einem festge-

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legten Standard entsprechen müssen (Bernbeck 1997: 94–95; zur Qualität auch ebd. 97). Ebenso sind aber auch die Bildquellen der Nachbarwissenschaften, beispielsweise der Klassischen Archäologie, der Ägyptologie oder der Vorderasiatischen Archäologie zu berücksichtigen. Eine weiterführende Auseinandersetzung mit dem Körper als Medium und seiner Inszenierung erfordert darüber hinaus den gezielten Austausch mit anderen Disziplinen. Die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie kann nur über eine interdisziplinäre Arbeitsweise zu Ergebnissen gelangen; ohne die Einbeziehung der metho-

dischen Ansätze der anderen archäologischen Fächer, aber auch der Geschichtswissenschaften, der Ethnologie, der Empirischen Kulturwissenschaft bzw. der Volkskunde, der Kunstgeschichte, der Anthropologie und schließlich der unterschiedlichen Disziplinen aus dem Bereich der Sprach- und Kommunikationswissenschaften wird eine Annäherung an die Bedeutung von Körperinszenierungen nur schwer möglich sein. Die Erweiterung des Blickwinkels kann andere oder neue Deutungsansätze eröffnen und scheint in jedem Fall lohnenswert; in diese Richtung werden zukünftige Bemühungen gehen müssen.

Anmerkungen * Für eine kritische Durchsicht früherer Versionen des Manus­ kriptes danke ich Beat Schweizer und Stefanie Samida. 1 Sicherlich muss man für den einen oder anderen Fall auch eine Verlagerung der Arme durch taphonomische Prozesse im Zuge der Verwesung des Leichnams in Erwägung ziehen, doch ist dies insbesondere bei den Bestattungen mit extrem angewinkelten Armen auszuschließen. Hierbei handelt es sich sicherlich um eine intendierte, von den Bestattenden vorgenommene Inszenierung des Körpers. 2 Diese Meinung vertritt auch Müller-Scheeßel (2008: 529–31), der die Lage der Hände im Bauchbereich, die häufiger bei adulten als bei maturen oder senilen Frauen vorkommt – hier sei allerdings auf die relativ kleinen Zahlen und die daraus resultierende Gefahr der Überinterpretation hingewiesen –, als eine im weitesten Sinne apotropäische Maßnahme anspricht. Für die Individuen mit stark angewinkelten Armen vermutet er eher eine „herausgehobene soziale Position“ (ebd. 531). 3 Generell lässt sich festhalten, dass im Falle von Mehrfachbestattungen so gut wie immer ein Kind mitbestattet wurde. Dabei kann sowohl Körperbestattung (vgl. Koch 1989: 76; Meixner 2004: 162; 234 Abb. 46) als auch Brandbestattung (Meixner 2004: 169 Tab. 2) vorliegen. In Grab 33 aus Riedenburg-Untereggersberg wurde aber beispielsweise eine Frau mit angewinkelten Armen zusammen mit einem anthropologisch männlich bestimmten, erwachsenen Individuum bestattet (Nikulka 1998: 29). In dem 1984 untersuchten Grab aus Niedererlbach fand man eine Frau mit abweichender Armhaltung zusammen mit zwei männlichen Individuen (eine Körper- und eine Brandbestattung), einem weiteren weiblichen Individuum (Körperbestattung) sowie einem Kind (Körperbestattung) in einem Grabkontext. Anhand der Trachtbestandteile und stratigraphischer Beobachtungen lässt sich eine Be-

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legungsabfolge wahrscheinlich machen (Koch, Kohnke 1988: 71 Abb. 13; 72; 75 Anm. 66). 4 Auch nach Frank Nikulka (2008: 379) ist diese Bestattungssitte innerhalb des Westhallstattkreises räumlich „weit verbreitet“, er stellt aber ebenfalls heraus, dass sie sich in den Nekropolen dieser drei Flusstäler „besonders deutlich zu erkennen gibt“ (ebd. 380). In anderen Regionen, beispielsweise in BadenWürttemberg, scheint dieser Modus der Niederlegung seltener zu sein, in Bayerisch-Schwaben, Ober- und Mittelfranken sowie dem Nördlinger Ries ist er praktisch unbekannt (vgl. Nikulka 2008: 374; Müller-Scheeßel 2008: 527; 528 mit Verbreitungskarte Abb. 12 [hier sind allerdings alle Bestattungen mit auffälliger Armhaltung aufgenommen, nicht nur jene mit einer starken Anwinkelung der Arme]; Regionalaufarbeitungen: z. B. Hoppe 1986; Ettel 1996; Hennig 2001; Fries 2005). Im Gräberfeld von Hallstatt sind dagegen zahlreiche Bestattungen mit von der Norm abweichender Armhaltung beobachtet worden (Kromer 1959), und auch aus dem oberösterreichischen Machland, aus Hügel X von Mitterkirchen, ist – folgt man dem einzigen bisher publizierten schematischen Plan – möglicherweise eine entsprechende Bestattung belegt (Pertlwieser o. J.: 60). Allerdings ist hier durch das Zusammenbrechen des Wagens und dadurch bedingte Abrutschen des Leichnams mit sekundären Verlagerungen zu rechnen. Für Hinweise zu diesem Grab danke ich Jutta Leskovar (Linz). 5 Das Grabhügelfeld ›Wolfstalflur‹ wurde bereits in den 1920er Jahren ausgegraben. Zu Grab 14 existieren zwar neben einer Skizze nur einige knappe Erläuterungen (Baitinger 1999: 242), Skizzen anderer Gräber dieses Gräberfeldes zeigen aber, dass eine abweichende Armhaltung durchaus wahr- bzw. aufgenommen wurde (ebd. 244 Abb. 71), so dass für Grab 14 eine Bestattung mit angelegten Armen wahrscheinlich erscheint.

6 Der Zeichencharakter von Objekten wird in der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie zunehmend thematisiert, wie fächerübergreifende Tagungen und deren Publikationen zeigen. Zu nennen wären beispielsweise „Spuren und Botschaften. Interpretationen materieller Kultur“ in Tübingen im Jahre 2001 (Veit u. a. 2003) oder „Die Dinge als Zeichen. Kulturelles Wissen und materielle Kultur“ in Frankfurt a. M. im Jahre 2003 (Kienlin 2005a). Auf den Zeichencharakter nichtmaterieller Äußerungen, der Armhaltungen, weisen auch Müller-Scheeßel (2008: 520) und Nikulka (2008: 380) hin. 7 Auch Armit und Grant (2008: 415) betonen den Unterschied zwischen Geste („gesture“) als etwas Bewegung Implizierendes gegenüber dem Terminus Haltung oder Pose („pose“), der Statik ausdrückt, bezeichnen aber die Armhaltung („the very particular arrangement of arms and hands“) – in dem Fall der Stele von Hirschlanden – als ‚Geste‘. Mit der weiterführenden Interpretation der dargestellten Mehrdeutigkeit dieses Objekts bezüglich geschlechtlicher Aspekte kann sich an dieser Stelle nicht kritisch auseinandergesetzt werden. 8 Nikulka (2008: 380) versteht die Armhaltung als gezielt eingesetztes Zeichen, dessen Sichtbarkeit aber auf den Vorgang der Bestattung beschränkt, folglich „der Zeitraum des visuellen Austausches der Botschaft wohl nur auf einige Tage begrenzt war“. 9 Dabei wurde keine systematische Durchsicht des archäologischen Materials in Bezug auf anthropomorphe Darstellungen vorgenommen; es konnte lediglich eine exemplarische Auswahl getroffen werden; vgl. aber Huth 2003. 10 Als „klagende Haltung“ wird auch die Armhaltung einer der Figuren aus Casale Marittimo beschrieben, die jedoch derjenigen der Figuren aus Hirschlanden oder vom Glauberg deutlich näher steht (Colonna 1999: 105 Abb. 80–81). In Bezug auf die Kriegerstatue von Capestrano wird dieser Gestus aber als „Rangabzeichen“ angesprochen (ebd. 106). Allerdings nimmt Colonna hier – im Gegensatz zu den vorher genannten – eine Darstellung nicht der Ahnen, sondern des Verstorbenen selbst an. 11 Mit einem szepterartigen Gegenstand hat man es auch bei einem Objekt – einem Steinbeil, dessen Griff mit Goldröhrchen verkleidet war – aus Grab 43 des kupferzeitlichen Gräberfeldes von Varna zu tun. In dem Grab wurde das Skelett eines etwa 40- bis 50-jährigen Mannes in gestreckter Rückenlage aufgefunden, den linken Arm über die Brust gelegt, während der rechte Arm neben dem Oberkörper extrem angewinkelt war. Das als Szepter angesprochene Objekt befand sich im Bereich des rechten Arms und wurde möglicherweise mit der rechten Hand gehalten. Zu den Beigaben zählten außerdem Kupfer-, Feuerstein- und Steingeräte, Keramik sowie reicher Muschel- und Goldschmuck. Aufgrund der Deutung der Beigaben als Insignien einer Führungspersönlichkeit wird der Verstorbene als hochrangiges Mitglied der Gesellschaft angesehen, als „Stammeshäuptling“ oder als „oberster Priester“ bezeichnet (Ivanov, Nikolov 1985: 131). 12 Alle bislang bekannten Bestattungen weiblicher erwachsener Individuen der Nekropolen des Isartals wurden hingegen in diesem Modus niedergelegt; für Gerhard Meixner (2004:

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163) ein kennzeichnender Bestandteil der Bestattungspraxis weiblicher Personen. Dagegen argumentiert Nikulka (2008: 375), dass hier aufgrund der nur ausschnitthaften und somit ungenügenden Kenntnis der Struktur dieser Bestattungsplätze ein unrealistisch hoher Anteil solcher Bestattungen suggeriert wird. Das ist in anderen Disziplinen bereits thematisiert worden; zu literaturgeschichtlichen und kunstwissenschaftlichen Ansätzen der Auseinandersetzung mit dem Körper als kommunikatives Ausdrucksmittel z. B. Krause 1992; Egidi u. a. 2000. Grundsätzlich zu einer ‚Soziologie des Körpers‘: Gugutzer 2004. Eine zentrale Aufgabe der Kulturwissenschaften besteht u. a. in der Erforschung der Bedeutung performativer Prozesse, in denen eine Gemeinschaft „ihr Selbstverständnis und Selbstbild vor ihren Mitgliedern und Fremden“ vermitteln kann (Fischer-Lichte 2001: 113). Zeremonien, Feste, Spiele, Wettkämpfe, aber auch Begräbnisrituale stellen wichtige Medien dar, bestehende soziale Strukturen ebenso zu festigen wie zu transformieren. Zum ‚performative turn‘ in den Kulturwissenschaften siehe auch Bachmann-Medick 2006: 104–43. Vgl. Kienlin 2005b. Dazu auch Beat Schweizer, der unter einem kontextuellen Ansatz die Möglichkeit versteht, aufgrund der Analyse archäologischer Hinterlassenschaften – also der Funde und Befunde – und ihrer Bezüge, aber ohne direkten Rückgriff auf historische und ethnographische Analogien Einblicke in ideelle Bereiche des Lebens gewinnen zu können (grundlegend dazu: Schweizer 2000; vgl. auch 2003: bes. 319; 336). Er räumt aber den Wert der Einbeziehung von Schriftquellen – für seine Rekonstruktion sozialen Raums (Schweizer 2003) der homerischen Epen – ein. Die Forschungsfrage, ob auf hallstattzeitlichen Bestattungsplätzen tatsächlich alle Bevölkerungsteile repräsentiert sind, ist nach wie vor nicht abschließend beantwortet. Müller-Scheeßel (2007) kommt zu dem Schluss, dass dieses zumindest in Ha D der Fall ist; ein ähnliches Ergebnis für den Bereich der Hunsrück-Eifel-Kultur stellt Hans Nortmann (2007) vor. Eine Beurteilung wird einerseits durch die unzureichende Kenntnis der Siedlungsplätze – hier verbessert sich der Forschungsund Publikationsstand jedoch stetig –, andererseits durch die Tatsache erschwert, dass die wenigsten Nekropolen vollständig ergraben sind, was eine weitreichende Beschränkung der Qualität und Quantität der relevanten Daten zur Folge hat.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Koch, Wendling und Trachsel) Es wird darauf hingewiesen, dass einige Körperhaltungen von Toten auch erst nach der Bestattung (z.B. im Verlauf des Verwesungsprozesses, v.a. bei Gräbern mit Grabkammern) vorkommen können, sodass manche Anwinklungsgrade der Arme nicht mit Sicherheit als intendiert angenommen werden können. Die besonders starke Anwinklung in vielen Fällen, sowie die Tatsache, dass nichts anderes verrutscht ist (u.a. Schmuck noch in Originalposition), erlauben aber zumindest diese Haltungen als beabsichtigt anzusprechen. Die Interpretation der Armhaltung vor dem Oberkörper als Trauergeste wird meist ohne Erklärung von den einzelnen Forschern angeführt. Man beruft sich u.a. auf den „Klageweibergestus des rituellen Schlagens des Oberkörpers“. Diese Haltung ist (inkl. der in dieser Position abgebildeten etruskischen Statuen) bisher nur aus Gräbern/Friedhöfen bekannt, nicht jedoch aus „dem Umfeld der Lebenden“ (wie z.B. Siedlungskomplexen). Eine Beziehung zwischen den weiblichen Bestatteten mit einer dieser besonderen Armhaltungen und den männlichen Kriegerstatuen mit ebenfalls vor dem Oberkörper gehaltenen Armen herzustellen, scheint schwierig zu argumentieren. Möglicherweise kopiert man in einem oder beiden Fällen das Leben oder bezieht sich ansonsten auf den Tod/die Toten? Ebenso bleibt zu beachten, dass der Forschungsstand diesbezüglich noch zu wünschen übrig lässt – oft sind Gräberfelder nicht vollständig ergraben bzw. nur wenige Gräber innerhalb einer Region bekannt, von der Dokumentationsproblematik bezüglich Altfunden noch gar nicht gesprochen. Eine systematische Untersuchung zur regionalen Verbreitung steht daher noch aus. Von den soweit beobachteten Beispielen stammen die meisten aus dem Altmühl-, Isar- und Taubertal; in SW-Deutschland scheint diese Armhaltung eher selten aufzutreten.

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Der akkulturierte Tod. Bestattungsrituale Südostsiziliens unter den Einflüssen der Griechen Kerstin P. Hofmann

Zusammenfassung Das Totenritual des südostsizilischen Hinterlandes unter den Einflüssen der griechischen Kolonien im 8. bis 5. Jh. v. Chr. wird am Beispiel der Grabbefunde von Morgantina auf Akkulturationserscheinungen untersucht. Hierfür wird eine Einführung in das Konzept der Thanatoarchäologie und die Funktionen von Totenritualen gegeben. Aus semiotischer Perspektive werden die Gräber und Bestattungsplätze als „kulturelle Texte“ beschrieben. Sechs miteinander in Beziehung stehende und sich ergänzende semiotische Bedeutungsebenen werden unterschieden: 1) die Lage des Bestattungsplatzes; 2) der Grabbau; 3) die Grabausstattung; 4) die Artefakte im Grab; 5) die menschlichen Überreste und ihre Deponierung und 6) die innere Struktur des Bestattungsplatzes. Nach einer ­Definition des Begriffes „Akkulturation“ werden einige methodische Probleme bei der archäologischen Untersuchung von Akkulturation genannt und mögliche Lösungswege, z. B. die Verwendung eines referentiellen Identitätsbegriffes, aufgezeigt. In Morgantina haben sich während des 6. und 5. Jh. das Totenritual und vermutlich auch die Einstellungen zum Tod unter dem Einfluss der Griechen verändert. Es wurden ausgewählte Kulturelemente adaptiert und ­modifiziert. Die in der Forschung immer wieder formulierte, aber wohl doch zu kurz greifende Frage nach der ethnischen ­Zusammensetzung der Gemeinschaft der Cittadella von Morgantina ist nicht eindeutig zu beantworten, da eine strikte Trennung der Toten nach kulturgeographischer Herkunft anhand der überlieferten Totenrituale nicht nachvollziehbar ist. Die häufig aufgestellte Gleichung „fremde Grabformen oder Fremdgüter = fremde Personen“ kann somit – zumindest für Morgantina - nicht aufrecht erhalten werden. Mit den zusätzlich kennen gelernten Grab­ varianten und Beigaben scheint man vielmehr Alters- und Statusunterschiede ausgedrückt zu haben. Es kam zu einer stärkeren Individualisierung und Differenzierung der Toten.

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Abstract The funerary rites of the south-eastern hinterland of Sicily under the influence of the Greek colonies from the 8th to the 5th century B.C. are examined for evidence of acculturation, using the grave finds of Morgantina as example. In order to do this, an introduction to the concept of thanato-archaeology and the functions of death rituals is given. From a semiotic point of view, graves and burial sites will be described as „cultural texts“. Six related semiotic layers of meaning are distinguished: 1) the position of the burial site, 2) the tomb construction, 3) the grave inventory, 4) the artefacts within the grave, 5) the human remains and 6) the inner structure of the burial site. After defining the term “acculturation”, some methodological problems of the archaeological research of acculturation and their potential solutions will be presented, for example the use of a referential concept of identity. During the 6th and 5th century, under the influences of the Greek colonies, there are changes in Morgantina concerning the funerary rites and presumably also the society’s attitude towards death and the dead. Selected cultural traits were adopted and modified.The question of the ethnic structure of the community of the Cittadella of Morgantina – posed again and again in various studies, but seemingly not reaching far enough – cannot be answered clearly, since there is no strict separation of the dead by their cultural-geographic background in the recorded funerary rites. The often presented equation of “foreign grave structures or foreign goods = foreign people” cannot be maintained, at least for Morgantina. On the contrary, it seems that the newly acquired burial variants and grave goods were used to express differences in age and status. Therefore the individualization and differentiation of the dead were thus increased.

Einleitung Der Tod ist ein Phänomen von genuin historischer und sozialer Bedeutung, denn die Vorstellungen, die sich Menschen einer bestimmten Zeit in einer Region vom Tod bilden, stehen stets in Bezug zu ihrem Lebensentwurf und -vollzug. Die bisher in der Archäologie eher selten gestellte mentalitätsgeschichtliche Frage nach den Einstellungen der Menschen zum Tode und ihren Toten soll im Folgenden mit dem derzeit viel diskutierten Begriff der „Akkulturation“ verknüpft werden. Untersuchungsgegenstand sind die Bestattungsrituale Südostsiziliens des 8.–5. Jh. v. Chr. unter den Einflüssen der Griechen. Nach einer Beschreibung des Arbeitsgebietes, des zeitlichen Rahmens und einer kurzen Übersicht zum Stand der Forschungen sollen die im Folgenden verwendeten Begriffe und Theorien behandelt werden. Zunächst gilt es, den von mir entwickelten Forschungsansatz der Thanatoarchäologie vorzustellen, die Funktion von Totenritualen zu beleuchten und

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Friedhöfe als kulturelle Texte zu definieren. Danach steht der Begriff der Akkulturation im Vordergrund des Interesses. Auf drei Problembereiche der Akkulturationsforschung soll näher eingegangen werden. Dabei spielt vor allem die Konstituierung von Identitäten und Alteritäten sowie deren Identifikation eine große Rolle. Anhand eines Fallbeispieles, den Grabbefunden von Morgantina, wird abschließend die Frage „Akkulturationsforschung + Gräber-Archäologie – eine sinnvolle Kombination?“ diskutiert. Arbeitsgebiet, zeitlicher Rahmen, Forschungsstand Das Arbeitsgebiet liegt in Sizilien, der größten Insel des Mittelmeers, die aufgrund ihrer Fruchtbarkeit und günstigen Lage jahrtausendelang Ziel von Einwanderern verschiedenster Kulturen war. Im Zentrum des Interesses steht im Folgenden Südostsizilien, und zwar nicht das Küstengebiet mit den griechischen Kolo-

Abb. 1: Das Arbeitsgebiet Südostsizilien und die exemplarisch ausgewählten Fundplätze (Kartierungsgrundlage: Longo 2004: 12).

Abb. 2: Chronologietabelle.

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nien, sondern das von Indigenen besiedelte Binnenland. Es ist gekennzeichnet durch seine gebirgige Landschaft, die bis zu 1000 Meter über Normalnull ansteigt und von zahlreichen Flusstälern durchschnitten ist. Laut dem im 5. Jh. v. Chr. lebenden, griechischen Geschichtsschreiber Thukydides (Thuc. 6, 2, 5) siedelten in diesem Gebiet bei Ankunft der ersten Griechen in der 2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr. die Sikuler (vgl. Hodos 2006: 92-3; Sammartano 1998: 201-12). Für die Fragestellung nach Akkulturationserscheinungen wurden auf Grundlage des Forschungs- und Quellenstandes exemplarisch einige Fundplätze beziehungsweise ­-regionen ausgewählt (Abb. 1). Hervorgehoben ist der hier aufgrund seiner guten Publikationslage als Fallbeispiel ausführlicher diskutierte Fundplatz von Morgantina. Den zeitlichen Rahmen bildet das 8. bis 5. Jh. v. Chr. (Abb. 2). Für Südostsizilien sind für diese Zeit die Faszien von Finocchito und Licodia Eubea prägend (vgl. Frasca 1981; Orsi 1898). Den historischen Hintergrund bestimmt die so genannte „Große Griechische Kolonisation“, die in der zweiten Hälfte des 8. Jh. v. Chr. einsetzte (vgl. Antonaccio 2007). In Südostsizilien siedelten vor allem Ionier und Dorer. Der Einfluss der griechischen apoikíai auf die italischen Kulturen bestand bis weit ins 4. Jh. hinein. Im 5. Jh. ist jedoch ein Erstarken der italischen Kulturen zu verzeichnen. So sollen laut Diodor Mitte des 5. Jh. die Sikuler unter ihrem Fürsten Duketios vor allem gegen das dorische Syrakus rebelliert haben (vgl. Cerchiai u. a. 2004; Mertens 2006: 39-46). Die Forschung zu den Italikern im Süden hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen und wird überwiegend von den regionalen Sopraintendenzen und Universitäten betrieben. Die Anzahl der ausgegrabenen griechischen und indigenen Nekropolen Südostsiziliens ist groß. Zahlreiche Materialeditionen, Fundmeldungen und Abhandlungen zu Importfunden liegen vor. Für einzelne Fundplätze beziehungsweise Regionen gibt es bereits Untersuchungen, die den Einfluss der Griechen auf die indigene Bevölkerung thematisieren. Insbesondere Albanese Procelli (1991; 1996), Antonaccio (1997; 2004), Leighton (2000a), Lyons (1996a; 1996b) und Neils (2003) haben sich auf diesem Gebiet verdient gemacht. Vor kurzem erschien des wei-

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teren auch ein Überblickswerk zu „Local Responses to Colonization in the Iron Age Mediterranean“ von Hodos (2006). Es fehlt bislang jedoch an kulturgeschichtlichen Entwicklungsmodellen, die die komplexe Thematik der Konstituierung von Identitäten im Totenritual berücksichtigen. Thanatoarchäologie In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand im Zuge der Grenzdiskussionen um Sterben, Tod und Leben die Thanatologie – thanatos = gr. Gott und Personifikation des Todes, lógos = gr. Wort, Kunde – als Wissenschaft vom Tode, die sich mit allen Aspekten befasst, die die Thematik Sterben, Tod und Trauer berühren. Sie ist transdisziplinär konzipiert (Abb. 3). Gesichtet werden sowohl die theoretischen als auch die praktischen Erkenntnisse der einzelnen Disziplinen (Rest 1989: 1155). So geht es nicht nur um die Erörterung der Fragen, was Tod und Sterben bedeuten und wie sie definiert werden, sondern auch ganz konkret darum, wie man mit Tod und Toten umgeht und umging. Ziel des von mir entwickelten Thantoarchäologieansatzes (Hofmann 2008b) ist es, eine zeitliche Vertiefung der Kenntnisse über das Verhältnis der Menschen zum Tod bis zu den Anfängen seiner biotischen Herausbildung zu erreichen. Untersucht werden die sich im Totenbrauchtum symbolisch manifestierende kategoriale Unterscheidung zwischen „lebend“ und „tot“ und der damit verbundene Übergang sowie der Umgang mit der Sterblichkeit und den Toten im Allgemeinen unter Berücksichtigung der natürlichen und kulturellen Rahmenbedingungen vor allem anhand der materiellen Seite des Todes. Dies entspricht in vielen Punkten dem von Veit (1997) wieder aufgegriffenen und erweiterten Konzept einer „Archäologie des Todes“. Bei dieser geht es in Anlehnung an die „Geschichte des Todes“ nicht um die Erforschung des Todes selbst, sondern um die Einstellungen des Menschen zum Tod. Neben der Tatsache, dass bei der „Archäologie des Todes“ bisher allerdings überwiegend sozialhistorische Fragestellungen im Vordergrund des Interesses standen, bei der hier definierten Thanatoarchäologie jedoch ein besonderes Gewicht auf ideologische, symbolische und ritualhistorische

Abb. 3: Schematische Darstellung des Konzeptes der transdisziplinär arbeitenden Thanatologie.

Aspekte gelegt wird, soll die Thanatoarchäologie im Rahmen einer „Anthropologie als umfassender Humanwissenschaft“ (Hofmann 2006/07) nicht mehr nur eklektizistisch den meist veralteten Wissensstand anderer Fachrichtungen – häufig ohne Berücksichtigung der methodischen Probleme – für sich nutzen, sondern Teil der sich international und transdisziplinär etablierten Thanatologie werden. Damit ist die Auffassung verknüpft, dass die einzelnen Wissen-

schaften, die sich mit der Erforschung des Menschen beschäftigen, nie autark, sondern nur durch die Zusammenarbeit dem Forschungsobjekt in seiner Komplexität gerecht werden können. Das hier formulierte Konzept einer Thanatoarchäologie bricht dabei mit dem induktivistisch-empiristischen Dogma: Beobachte, bevor du theoretisierst (vgl. Eberhard 1999: 32-6). Beobachtung sollte vielmehr stets mit Theoriekonstruktion und -prüfung einhergehen.

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Totenrituale und ihre Funktionen Von zentralem Interesse sind die hier unter dem Terminus „Totenritual“ zusammengefassten Riten, die meist bereits beim Sterbeprozess einsetzen und noch über die Grablegung hinaus vollzogen werden. Früher wurden unter Ritualen sich streng wiederholende Handlungsmuster verstanden, und das Wort „Ritual“ stand letztlich für leeren Konformismus (Douglas 1974: 11). Heute wird das Ritual im Zuge der ritual studies als ein Mechanismus zur gesellschaftlichen Problembewältigung angesehen, ganz egal auf welcher sozialen oder kulturellen Bühne (vgl. Bell 1997; Belliger, Krieger 1998). Für die Untersuchung von Totenritualen schlage ich folgende kommunikationstheoretische Definition von Platvoet (1998: 187) vor: „Ein Ritual ist eine Reihenfolge stilisierten sozialen Verhaltens. […] In einer multimedialen Performance werden mit Hilfe von Symbolen eine Vielzahl von Botschaften und Reizen übermittelt. Von denen, die das Ritual praktizieren, wird dadurch eine Reihe von meist latenten, selten offenkundigen, strategischen Zielen erreicht bzw. versucht zu erreichen“. Totenrituale sind letztendlich Ausdruck symbolischer Bewältigung des Todes durch den einzelnen Menschen und die Gesellschaft (von Barloewen 1996: 10-1; Mischke 1996: 11). Nach van Gennep (1986) handelt es sich um einen dreiphasigen Übergangsritus. Den Umwandlungsprozess durchläuft dabei zum einen der Verstorbene, der meist ins Jenseits integriert werden soll, zum anderen die sich neu ordnende Gemeinschaft der Hinterbliebenen. Durch die Praxis des formalisierten Erinnerns ist es stets auch ein making memories, ein Bestätigen und Schaffen gemeinsamer Vergangenheit (vgl. Hallam, Hockey 2001). Damit verknüpft sind oft Aussagen zu Identitäten des Toten und auch der Bestattungsgemeinschaft. Häufig dienen Totenrituale auch zur Machtlegitimation (Shanks, Tilley 1982). Viele Riten haben aber auch den Sinn, die Angst vor der Trennung und die Trauer besser zu bewältigen (vgl. Stubbe 1985) sowie die Furcht vor den Toten zu bekämpfen (Schlette 1991: 16). Ferner können Totenrituale für die Anwesenden als Art Lebensbrevier und Ermahnung dienen, wenn die aus dem irdischen Dasein bekannten Moraltheorien und deren Erfüllung als Projektion auf das

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post mortem angewendet werden (Lauf 1997: 88). Totenritual und Gräber sind demnach sowohl für die Toten als auch für die Lebenden da (Fleming 1973; Renfrew 1994: 53). Gräber und Friedhöfe als „kulturelle Texte“ Im Folgenden wird aus einer kultursemiotischen Perspektive heraus versucht, Gräber und Friedhöfe als „kulturelle Texte“ zu beschreiben (vgl. Enninger, Schwens 1989; Hofmann 2008a). Dabei wird materielle Kultur in Anlehnung an Peirce (1982) und de Saussure (1998) als Zeichenträger und/oder als kodierter Bedeutungsträger angesehen, der allerdings stets auf Handlungen bezogen untersucht werden muss (Spittler 1993: 180). Jede Äußerung und Handlung im Rahmen des Bestattungsrituals besitzt potentiellen Zeichencharakter. Da der Umgang mit physisch Toten meist nicht rein auf praktische Zwecke – Beseitigung des Leichnams aus hygienischen und ökonomischen Gesichtspunkten – ausgerichtet, sondern fast immer kulturell geregelt ist, spielen Symbole eine große Rolle. Es dominieren gemeinhin visuelle Wahrnehmungen. Ferner ist die räumliche Dimension meist wichtiger als die zeitliche, denn in Fläche und Raum simultan vorhandene Indizes und Ikons sind gegenüber den in zeitlicher Abfolge verketteten Symbolen auf Gräberfeldern in der Überzahl. Die vorkommenden Zeichenkörper gehören verschiedenen Zeichensystemen an. Neben Grabbau und Proxemik können zum Beispiel auch Sprache und bildende Kunst eine Rolle spielen. Die Zeichen manifestieren sich wiederum in verschiedenen Ausdruckssubstanzen, z. B. Holz, Stein, Erde. Das heißt, es liegen multikodale und multimediale Texte vor. Aus verschiedenen Zeichensystemen stammende und in verschiedenen Medien realisierte Zeichen können dabei funktional äquivalent sein, denn „Friedhofstexte“ sind in der Regel redundant kodiert. Die Realisierung des auf Informationsweitergabe ausgerichteten Textes „Gräberfeld“ ist fast immer mit hohem Aufwand verbunden (Koch 1989: 127). Bedeutung haben Gräber und Friedhöfe nicht nur innerhalb des Totenrituals, sondern darüber hinaus. Es handelt sich bei ihnen also nicht um private subtextuelle Mitteilungen, sondern um kulturelle Texte, die

Abb. 4: Identitäten und Alteritäten (vgl. Assmann 1997: 131-2).

zur Veranschaulichung eines Teiles des geltenden Weltbildes der Gesellschaft und ihrer Subgruppen dienen (Enninger, Schwens 1989). Ein Weg zur Identifizierung von im weitesten Sinne durch das Totenritual kodierten Zeichen ist es, anhand des archäologischen Quellenmaterials Regelmäßigkeiten festzustellen (Ravn 2000: 283). Für die Interpretation von Grabbefunden werden von mir sechs miteinander in Beziehung stehende und sich ergänzende Bedeutungsebenen unterschieden (vgl. Härke 1997: 193; Schlette 1991: 10): 1) die Lage des Bestattungsplatzes; 2) der Grabbau; 3) die Grabausstattung unter Berücksichtung des Zustands sowie der Lage; 4) die Artefakte im Grab selbst – ihre technische Ausführung, Form, Farbe, Ornamentik, Ikonographie und Epigraphik; 5) die menschlichen Überreste und ihre Deponierung und 6) die innere Struktur des Bestattungsplatzes. Akkulturation Der aus der Soziologie und Ethnologie stammende Terminus Akkulturation bezeichnet einen Prozess, bei dem es aufgrund längeren Kontaktes zwischen Gruppen unterschiedlicher kultureller Identität zu Veränderungen der Kultur einer oder beider Gruppen kommt (Redfield u. a. 1936: 149; vgl. Berry 1983). Beim Akkulturationskonzept handelt es sich somit um ein Erklärungsmodell für Kulturwandel, das die Adaption von Entlehnungen thematisiert. Ihm liegt ein holistischer Kulturbegriff zugrunde, der alle Bereiche, auch Politik und Wirtschaft, umfasst, ohne auf die Antithese zwischen Natur und Kultur Bezug zu nehmen. Es stehen sich dabei einzelne, im Wesentlichen her-

metisch gedachte Entitäten gegenüber. Dies entspricht jedoch nicht mehr unserem heutigen Verständnis von Gesellschaften, deren dynamische innere Gliederung es stets auch zu berücksichtigen gilt (Gotter 2001: 269). Zur Lösung dieses Problems kann die Berücksichtigung eines komplexen, referentiellen Identitätsbegriffes beitragen. Kollektive Identität wird hier daher als eine bewusste und subjektive Selbst- oder Fremdzuordnung von Individuen zu einer Gruppe aufgrund spezifischer Merkmale in bestimmten Situationen definiert (vgl. Assmann 1997: 131-44; Brather 2004: 97103; Stephan 2002: 13-41). Die Konstruktion von Identitäten basiert demnach auf einem Wechselspiel zwischen Inklusion und Exklusion und geht stets einher mit dem Aufbau von Alteritäten (Brather 2004: 97-8). Die dabei erfolgenden Grenzziehungen können sehr unterschiedlich ausfallen. Sie hängen von der jeweiligen Situation und den Wahrnehmungs- und Bewertungsdifferenzen in den Selbst- und Fremdzuschreibungen ab. Nach Assmann (1997: 131-2) lassen sich drei eng miteinander verknüpfte Identitäten unterscheiden (Abb. 4): 1) die individuelle Identität. Sie bezieht sich auf den unverwechselbaren, einzigartigen Lebensweg. 2) Die personale Identität. Sie bildet sich durch die Eigenschaften und Rollen, die dem Einzelnen in spezifischen sozialen Konstellationen zukommen. 3) Die kollektive Identität. Sie ist das Bild, das eine Gruppe von sich entwickelt und mit dem sich ihre Mitglieder identifizieren. Diese Identitäten, die in der Regel auch im Totenritual zum Ausdruck kommen, stehen mit einer Vielzahl von Alteritäten in Beziehung, die auf die gleiche Weise konstruiert sind.

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Abb. 5: Auswahl an möglichen Identitäten eines Familienoberhauptes (vgl. Daim 1998; Brather 2004: 102 Abb. 15).

„Ihr“ steht hier stellvertretend für die mehr oder minder bekannten Anderen, während „sie“ fremde Personengruppen bezeichnet, zu denen eine größere kulturelle und soziale Distanz, unter Umständen auch aus Unkenntnis, besteht. Durch die fortwährende Verortung in unterschiedlichen Situationen einzelner Individuen beziehungsweise Gruppen können sich verschiedene Konstellationen ergeben. In Abbildung 5 sind einige der möglichen Identitäten eines Familienoberhauptes dargestellt. Neben Alter, Geschlecht und Status können auch der Familienstand und die Herkunft aus einer bestimmten Kultur oder Gemeinschaft eine Rolle spielen. Identitäten sah man bis weit in das 20. Jahrhundert hinein als von außen determiniert und statisch an. Erst im Zuge der 68er erkannte man, dass Identitäten auch individuell und nonkonform konstituiert werden können. Anfang der 90er Jahre hat eine Verlagerung zu handlungsorientierten Ansätzen stattgefunden. Die Menschen konstituieren sich ihre Identitäten im Rahmen der Möglichkeiten bis zu einem gewissen Grade selbst. Heute wird Identität als lebenslanger und aktiver Prozess der Konstruktion, als permanente Verknüpfungsarbeit, die einem Subjekt hilft, sich im Strom der eigenen Erfahrungen selbst zu begreifen, und als Aushandlungsprozess

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zwischen dem Subjekt und der Umwelt verstanden (Keupp 2004: 478-80). Der hier vorgestellte Identitätsbegriff löst jedoch nicht alle Probleme, sondern zeigt vielmehr weitere Schwierigkeiten auf, nämlich die, die bei der Identifikation von Kulturen beziehungsweise fremden Personen im archäologischen Quellenmaterial entstehen (vgl. Brather 2004; Müller-Scheeßel, Burmeister 2006). Im Folgenden wird bewusst auf die Verwendung des Ethnos-Begriffes verzichtet und mit dem Terminus der kulturgeographischen Identität auf das Modell der raumbezogenen Identitäten aus der Geographie Bezug genommen (vgl. Frankenberg, Schuhbauer 1995; Weichhart 1990). Dennoch ist die Problematik der Bestimmung dieser kollektiven Identitäten natürlich eng mit dem derzeit vieldiskutierten Thema der ethnischen Deutung verknüpft (vgl. Brather 2004; Jones 1997). Als mögliche archäologische Kriterien kulturgeographischer Identitäten können angeführt werden: Habitus, Riten, materielle Kultur und mitunter Sprache überliefert durch epigraphische Quellen. Die als so wichtig angesehene gemeinsame Herkunft kann genauso wie das Recht, wenn überhaupt, nur sehr indirekt archäologisch erfasst werden. Kulturgeographische Identität ist zumeist eine politische Kategorie und spielt vor allem bei der Konfrontation mit „Anderen“ eine Rolle. Sie wird in Symbolen ausgedrückt, die es zu identifizieren gilt (vgl. Müller-Scheeßel, Burmeister 2006). In der Archäologie wurden häufig bestimmte kulturelle Kennzeichen mit Kulturen oder gar ethnischen Gruppen einfach gleichgesetzt und das von Brather (2004: 160-1 Abb. 21) offengelegte „5-Phasen-Modell“ verfolgt. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet dabei stets die Gleichsetzung von bestimmten kulturellen Merkmalen, meist Kleidungselementen, mit einem Ethnos. Über kulturelle Kontinuitäten gelange man zur Ethnogenese beziehungsweise über Wanderungen zur Ermittlung von Fremden. Diese Vorgehensweise ist jedoch allein schon aufgrund der vorherigen Überlegungen zum Identitätsbegriff heute methodisch nicht mehr zulässig. Bei der Übertragung des Akkulturationsmodelles auf historische Gegebenheiten ergibt sich ein zweites fundamentales Problem: Kulturkontakt stellt üblicherwei-

se ein Dauerphänomen dar, so dass Anfang und Ende schwer zu bestimmen sind. Bei Gesellschaften, die endemischen Austausch mit anderen pflegen, verliert das Akkulturationskonzept jedoch seine heuristische Prägnanz. Sinnvoll untersucht werden können daher nur Fremdkontaktsituationen (Gotter 2001: 268). Die Berücksichtigung der Historizität ist unter anderem durch die Erweiterung des Akkulturationskonzeptes durch Bitterlis (1976; 1986) „Taxonomie von Kulturkontakten“ und Osterhammels (1995) „Konzept der kulturellen Grenzen“ möglich. So handelte es sich bei der Kontaktsituation in Südostsizilien im 8.–5. Jh. v. Chr. zunächst um eine punktuelle Kulturberührung, die während der griechischen Kolonisation zu einem konfliktbehafteten, gewaltsamen Kulturzusammenstoß wurde, aus dem sich in bestimmten Regionen und Zeitabschnitten eine Kulturverflechtung entwickelte. Ferner können Veränderungen von Kulturelementen im Zuge von Adaptionsprozessen mit Hilfe von Modellen der Rezeptions- und der Innovationsforschung analysiert werden (vgl. Link 1980; Rogers 1962; Braun-Thürmann 2005). Das dritte hier kurz anzusprechende Problem des Akkulturationskonzeptes ist durch die bisherige Forschungsgeschichte bedingt. Die meisten Untersuchungsergebnisse für Akkulturation liegen derzeit für den neuzeitlichen Kolonialismus vor. In dieser Kontaktsituation ist eine der beiden Gruppen dominant und der Kulturaustausch erfolgt überwiegend in eine Richtung und/oder ist zumeist auch nur in dieser Einseitigkeit betrachtet worden. Man spricht dabei von einer eurozentristischen Unilateralität. Die selbst gewählte, jedoch unnötige Einschränkung des Anwendungsgebietes des Akkulturationskonzeptes kann durch eine Verlagerung des Forschungsschwerpunktes auf nicht-einseitige Kulturkontakte überwunden werden. Ferner gilt es, die bereits 1940 von Fernando Ortiz formulierte Kritik zu berücksichtigen. Sein für Mittelamerika entwickeltes Transkulturationskonzept legt ein deutliches Schwergewicht auf die interaktive Dimension kultureller Transformationen. Es wurde seit den 1980er Jahren in den Literaturwissenschaften adaptiert und hat seit kurzem auch Eingang in die Forschung der Klassischen Archäologie gefunden. Es findet seinen Widerhall in der Anwendung des Middle-Ground-Konzeptes (White 1991; Malkin

1998) und der agency-theory (Dornan 2002), indem man Hybridität für möglich hält und die Einheimischen nicht mehr nur als tatenlose Opfer, sondern als Handelnde ansieht. Summa summarum ermöglicht das hier vorgestellte, modifizierte Akkulturationskonzept meines Erachtens die für die Archäologie so wichtige Forderung, differenziert zu untersuchen, wie einzelne Elemente der fremden Kultur übernommen, auf unterschiedliche Weise in die eigenen kulturellen Muster integriert und in diesem Zusammenhang mitunter radikal mit einer neuen Bedeutung versehen wurden. Fallbeispiel: Morgantina Das antike Morgantina, in der Nähe der modernen Stadt Aidone der Provinz Enna gelegen, befindet sich im Inselinneren Siziliens, im äußersten Westen der südlich des Ätnas gelegenen Ebene von Catania. Zwei Siedlungshügel lassen sich unterscheiden: Die Cittadella, ein über 550 m hoher Hügel mit drei Plateaus, und der ab der Mitte des 5. Jh. v. Chr. besiedelte Serra Orlando Höhenzug (vgl. Tsakirgis 1995). Siedlungsentwicklung Nach einer ersten Siedlungsphase in der frühen Bronzezeit war die Cittadella ab dem 10. Jh. v. Chr. vermutlich kontinuierlich bis in die 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. besiedelt1. Eisenzeitliche langrechteckige Hütten mit Lehmflechtwerk wurden auf der gesamten Fläche der Cittadella ohne ersichtliche Konzentration gefunden (Antonaccio 1997: 169-70). Im 2.Viertel des 6. Jh. v. Chr. begann man auf einem Brandhorizont eine neue Siedlung mit rechtwinkligem Straßensystem und kleineren viereckigen Häusern zu errichten. Aus der Zeit um 550 v. Chr. stammen Hinweise auf eine massive Terrassierungsmauer in typisch griechischer Konstruktionsweise und auf mit Dachterrakotten geschmückte Gebäude, die als Naiskoi angesprochen werden (Allen 1977; Antonaccio 1997: 172-3). Ende des 6. Jh. v. Chr. wurde die Ansiedlung von einer Befestigungsmauer umgeben. Laut Diodor (Diod. 11, 78, 5) soll dann 459 v. Chr. Duketios die Stadt erobert und zerstört haben. Ein zeitgleicher Schutthorizont, aus dem der berühmte Krater des Euthymides stammt, unterstützt diese Angabe (Neils 1995). Die

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Abb. 6: Lage der archaischen Nekropolen von Morgantina (Lyons 1996b: 178 Abb. 1).

Besiedlung der Cittadella endet damit weitgehend. Es kommt zu einer Verlagerung auf den Serra Orlando (Antonaccio 1997: 186-7). Anfangs interpretierte man die­se als Resultat der Ankunft griechischer Kolonisten in Morgantina (Sjöqvist 1962: 63-8; 1973: 28-35; Kenfield 1993), heute geht man eher von einem Emporion, einem von Griechen frequentierten Handelsplatz, und/oder einer Siedlung stark akkulturierter Indigener aus (Lyons 1996b; Neils 2003). Bei dieser Interpretation spielen die Grabfunde eine große Rolle, worauf im Folgenden eingegangen wird. Nekropolen Quellensituation Die systematischen Ausgrabungen der Nekropolen begannen im Jahre 1955. Die Bestattungen waren durch antike Eingriffe, Raubgräber und Erosion stark gestört. Es konnten 67 Gräber mit über 100 Bestattungen dokumentiert werden (vgl. Lyons 1996a). Hierbei handelt es sich wahrscheinlich nur um einen Bruchteil der ehemals vorhandenen Grablegen. Aufgrund der Erhaltungsbedingungen waren anthropo-

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logische Untersuchungen nur an 16 Individuen aus sieben Gräbern möglich (Becker 1996). Nekropolenpläne, in denen alle ausgegrabenen Befunde lokalisiert sind, liegen nicht vor. Die Gräber datieren in das 7.– 4. Jh. v. Chr. Die überwiegende Anzahl der Bestattungen stammt dabei aus dem 6. und 5. Jh. v. Chr. (Lyons 1996a: 12-3). Die häufig langfristige Nutzung der Grabkammern beziehungsweise deren Wiederbelegung nach einer Nutzungsunterbrechung erschwert die chronologische Ansprache der einzelnen Bestattungen. Weiterführende Aussagen sind aufgrund der Quellensituation also nur unter Vorbehalten möglich. Lage der Bestattungsplätze Die archaischen Grabstätten von Morgantina befinden sich an den Steilhängen der Cittadella (Abb. 6). Alle Bestattungen erfolgten außerhalb der Befestigungsmauer. Nur wenige Gräber lagen in ihrer unmittelbaren Nähe, wie es für die griechischen Nekropolen der Koloniestädte gebräuchlich wäre. An den Hängen der Höhensiedlungen zu bestatten, ist hingegen in Südostsizilien seit der Bronzezeit üblich.

In Morgantina legte man anscheinend bei der Ortswahl auf eine Bestattungsplatzkontinuität Wert, denn die Bestattungen des 6.–5. Jh. v. Chr. befinden sich in unmittelbarer Nähe der ältesten2 nachgewiesenen Gräber – tombe a forno – der Stufe Pantalica Süd, in der Nekropole IV (Leigthon 1993a: 97-110). Die Platzwahl spricht für eine bewusste dauerhafte Zeichensetzung, die dem indigenen Bestattungsritus entspricht. Die Gräber waren schwer zugänglich und dies auch nur von kleineren Gruppen. Gräber: Bestattungsform und Grabbau Bei den Gräbern der Cittadella von Morgantina handelt es sich überwiegend um Felskammergräber mit Kollektivbestattungen, die häufig als Familienbegräbnisstätten angesprochen werden (Lyons 1996a: 119). Diesbezügliche anthropologische Analyseergebnisse fehlen jedoch. Die Grabkammer war direkt oder über einen Dromos und/oder einen Vorhof zugänglich (Lyons 1996a: 14-21). Diese Grabform ist seit der Bronzezeit für Südostsizilien charakteristisch (Leighton 1993a: 107). In Griechenland und den griechischen Koloniestädten ist sie – mit Ausnahme von Aleria auf

Korsika (Kenfield 1993: 266) – nicht belegt (Lyons 1996a: 18). Während des 6. Jh. v. Chr. wurden die Gräber in Morgantina mehr und mehr architektonisch ausgestaltet. Die Decke wurde giebelförmig, und neben Absätzen wurden später auch Bänke, die man gewöhnlich als Klinen anspricht, in den Fels gehauen. Für letztere sind Vergleichsfunde aus Zypern und der rhodischen Nekropole Kamiros bekannt (Jacopi 1931, 12), aber auch von zahlreichen indigenen Nekropolen Südostsiziliens. Genannt seien hier nur Licodia Eubea, Monte Casasia und Villasmundo (Orsi 1898: 309, 312-3; Frasca 2000: 143;Voza 1978: 105). Die Gestaltung der Gräber als Häuser könnte ein Zeichen für die Vorstellung sein, dass die Toten in ihren Gräbern weiterlebten und das Grab als domus aeterna diente (vgl. Haynes 2005: 95-6; Prayon 1975). Felskammergräber mit eingebauten Sarkophagen und fossa-Gräbern dürften auf griechische Einflüsse zurückgehen (Lyons 1996a: 18). Diese Grabformen gelten wie die enchytrismoi, tombe alla cappuccina und Steinplattensarkophag-Bestattungen häufig als charakteristisch griechische Grablegen. Sie sind in Morgan-

Abb. 7: Anzahl der in den Gräbern gefundenen Warenarten, aufgeschlüsselt nach Funktionen (vgl. Lyons 1996b: 184 Tab. 1).

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tina ähnlich wie Urnengräber nur selten belegt und wurden vereinzelt für außergewöhnlich reich ausgestattete Erwachsenenbestattungen, meist aber für beigabenarme Kinderbestattungen, genutzt (Lyons 1996b: 179-82). Die früher einheitlicher in ihrer Form erscheinenden Bestattungen in Kollektivgräbern, die allgemein als Ausdruck für ein starkes Gemeinschaftsbewusstsein interpretiert werden, erfuhren im 6. und insbesondere im 5. Jh. v. Chr. eine Differenzierung. Einzelne Personen wurden hervorgehoben. Es scheint durch die Kenntnis neuer Grabformen zu einer stärkeren Individualisierung der Toten gekommen zu sein. Grabausstattung Bei der Grabausstattung, den intentionell während des Bestattungsrituals in den Grabkontext gelangten Artefakten beziehungsweise ihren Überresten, handelt es sich überwiegend um Keramikgefäße lokaler Produktion (Abb. 7). Aber auch sikeliotische, sprich in den griechischen Koloniestädten Siziliens hergestellte Keramik, ist zahlreich vertreten. Unter den ebenfalls in mehr als der Hälfte der Gräber gefundenen Importfunden, die 26 % des gesamten Keramikspektrums ausmachen (Antonaccio 2004: 68) und erst ab dem frühen 6. Jh. v. Chr. in den Gräbern Morgantinas auftreten, dominieren korinthische Gefäße, gefolgt von der später datierenden attischen Keramik. Ferner waren im 6. Jh. lakonische Kratere recht beliebt. Bemerkenswert ist das fast vollständige Fehlen weißgrundiger Lekythoi in den Gräbern: die Grabbeigabe der Griechen und Sikelioten Anfang des 5. Jh. v. Chr. par excellence (Neils 2003: 46). Eine Korrelation zwischen den Warenarten und der Grabform konnte nicht festgestellt werden. So kommt z. B. in den als griechisch angesprochenen Grabformen auch lokale Keramik vor. Der Anteil der verschiedenen Warenarten variiert je nach Funktion (Abb. 7). Anfang des 6. Jh. v. Chr. gelangten die griechischen Keramiken als Behälter von Ölen, Parfüm und Wein ins Grab; die eigentliche Grabbeigabe war der Inhalt der Gefäße. Ab der Mitte des 6. Jh. v. Chr. kam es vor allem auf die Funktion der Formen an (Lyons 1996b: 183). Das Fundbild dominieren dem Symposion zugeschriebene Keramiken unterschiedlicher Herkunft. Nur selten wurden hingegen Essenzubereitungs- oder Vorratsgefäße beigegeben.

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Auch die lokale Keramik ist in ihrer Formgebung und Verzierung ab dem 3. Viertel des 6. Jh. v. Chr. stark durch ostgriechische Keramik beeinflusst worden (Kenfield 1993: 264; Lyons 1996b: 183-6). Die Wahl von Krügen und großen Schalen als Beigaben entspricht jedoch dem traditionell indigenen Beigabenmuster (Lyons 1996b: 186). In den Gräbern von Frauen finden sich vermehrt Kosmetikgefäße, während in den Männergräbern häufiger mit dem Symposion zusammenhängende Gefäßformen vorkommen. Beide Geschlechter waren mit Gefäßen für Öle und Salben ausgestattet, welche vermutlich im ­Rahmen des Bestattungsrituals eine Rolle spielten. In den Kindergräbern fanden sich vor allem kleine Keramikgefäße wie Pyxiden, Aryballoi, MiniaturAskoi, Lekythoi und Schalen. Abgesehen von der Größe der Gefäße entspricht das Keramikspektrum jedoch weitgehend dem der Erwachsenengräber (Lyons 1996a: 129-32). Die Metallbeigaben stammen vor allem aus den Kammergräbern. Es handelt sich überwiegend um Kleidungs- und Schmuckelemente. Hier ist eine Präferenz als indigen angesprochener Schmuckformen und Trageweisen festzustellen. Auffallend ist, dass die reicher mit Beigaben ausgestatteten Frauen in Morgantina im Vergleich zu den Toten in den Koloniestädten wesentlich mehr Schmuck trugen (Lyons 1996b: 186). Hier könnten sich unterschiedliche Trageweisen oder sogar „Trachten“ abzeichnen. Verhältnismäßig oft sind noch Werkzeuge und Geräte belegt. Waffen kommen nur selten vor. Es handelt sich um Pfeil- und Speerspitzen, die vermutlich eher der Jagd als dem Kampf dienten. Geschlechtertypische Metallbeigaben konnten nicht bestimmt werden. Ein Hinweis dafür, dass von den Indigenen zwar griechische Fundstücke übernommen wurden, ihre ursprüngliche Bedeutung mitunter jedoch nicht beibehalten wurde, ist der Fund einer Strigilis aus der Frauenbestattung 5 des Felskammergrabes 4, die sich in einem aus dem Felsen gehauenen Sarkophag befand. Historische Quellen belegen, dass Strigiles zunächst nur von Athleten in der Palästra genutzt wurden (Kotera-Feyer 1993: 3; 6; 8). Sie fanden sich dementsprechend anfangs in Griechenland nur in Gräbern männlicher Individuen. Diese geschlechtstypische

Abb. 8: Fundskizze von Kammergrab 9 mit insgesamt 17 Bestattungen, gekennzeichnet durch römische Zahlen, ohne Maßstab (Lyons 1996a: 161 Abb. 8).

Symbolik verlieren die Strigiles jedoch bei den Italikern im 6. und 5. Jh. v. Chr., wo sie auch in Frauengräbern deponiert wurden3. Vereinzelt kommen figürliche Terrakotten vor, deren Beigabe wahrscheinlich auf griechische Einflüsse zurückgeht. Terrakotta-Protome, von denen in den Gräbern der Cittadella 41 Exemplare gefunden wurden, waren als Grabbeigaben vor allem auf ­ Rhodos beliebt. In Sizilien stammen sie überwiegend aus Heiligtümern, sind aber auch für Gela, Selinunt und Paternò als Grabbeigaben belegt. Statuetten sind hingegen etwas seltener. Bei einer in der Nähe einer Kinderbestattung gefundenen Terrakotta, einer auf einem Thron sitzenden Frau, handelt es sich eventuell um die Darstellung der Persephone, der griechischen Toten-, Unterwelt- und Fruchtbarkeitsgöttin. Möglicherweise war die ikonographische Bedeutung der Terrakotten also auch der Bestattungsgemeinschaft der Cittadella bekannt (Bell 1981: 15; 124 Kat.-Nr. 10; Lyons 1996a: 107-8; kritisch zur Frage der ­Aussage von Terrakottenvotiven vgl. Hinz 1998: 33-46).

Insgesamt nehmen die Anzahl und die Varianz der Beigaben im 6. und frühen 5. Jh. zu. Mit ihrer Hilfe scheint man verschiedene soziale Identitäten der Toten im Bestattungsritual ausgedrückt zu haben. Neben einer Differenzierung zwischen Kindern und Erwachsenen stellte man mit den Grabbeigaben vermutlich vor allem den sozialen Status dar. Eine strikte Geschlechterdichotomie anhand der Beigaben ist hingegen nicht nachzuvollziehen. Gestalt der Artefakte Unter der Überschrift „Gestalt der Artefakte“ soll hier nur kurz auf zwei Aspekte eingegangen werden. Bei der figürlichen Bemalung der griechischen Importwaren ist eine Vorliebe für den dionysischen Themenkreis festzustellen (Lyons 1996b: 182). Die Motivwahl entspricht den bevorzugt beigegebenen Symposiongefäßen und den Absätzen in den Felskammergräbern, die als Klinen interpretiert werden. Inwieweit die Jenseitskonstruktionen der bacchischen Mysterien bekannt waren oder damit eher auf einen sozialen Status referenziert wurde (vgl. Schlesier

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Abb. 9: Lageplan des Areals III der Nekropole II mit den Gräbern 1–11 (nach Lyons 1996a: Taf. 95).

2001), ist heute so allerdings nicht mehr ohne weiteres feststellbar. Auch Inschriften auf Keramikgefäßen sind belegt, die nach dem Brennen erfolgten und anscheinend den Besitzer angaben. Sie sind in griechischen Buchstaben verfasst. So ist zum Beispiel auf einer sikeliotischen Typ B-2-Kylix aus dem Grab 18 ein griechischer Personenname, PYRI[], eingeritzt. Der Name ist aus Seli­nunt, Sabucina und Gela bekannt. Derartige Graffiti sind auch von anderen Inland-Fundplätzen wie z. B. Montagna di Marzo und Ramacca belegt (Lyons 1996b: 183). Die Inschriften kommen dabei vor allem auf importierten oder sikeliotischen Trinkschalen vor. Die daraus häufig abgeleitete Annahme, dass Personen aus der einheimischen Bevölkerung griechische Namen annahmen oder Griechen vor Ort anwesend waren, ist jedoch problematisch, denn die Schalen können weitergegeben worden sein und die Inschriften nur einen ehemaligen Besitzer angeben. Über die kulturgeographische Herkunft oder die Lese- und Schreibfähigkeiten des Toten muss dies demnach nicht zwangsläufig etwas aussagen. Die Besitzermarken können jedoch als Anzeichen dafür gesehen werden, dass die Gefäße eine gewisse Wertschätzung genossen.

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Bemerkenswerter ist eher der vermutlich sikulische Personename „YAMIS“ in griechischen Buchstaben auf dem Rand einer sikeliotischen Lampe, eine Inschrift ohne Vergleichsfunde (Lyons 1996a: 131). Aber auch hier ließen sich zahlreiche Deutungsmöglichkeiten anführen, die jedoch alle hochgradig spekulativ wären. Menschliche Überreste Neben osteologischen Untersuchungsergebnissen  kann auch die Art der Deponierung der menschlichen Überreste zahlreiche interessante Informationen ­liefern. Bei der überwiegenden Anzahl der Gräber in Morgantina handelt es sich um Kollektivbestattungen. Die Grabkammern wurden anscheinend immer wieder geöffnet und reorganisiert.War kein Platz mehr für eine weitere Bestattung, wurden die Knochen, eventuell auch nur die Langknochen und/oder der Schädel sowie Beigaben, sorgfältig an den Kammerrand geräumt. Dies entspricht den traditionellen südostsizilischen Bestattungsriten (Lyons 1996a: 119). Die zuvor mitunter vorkommende, mehrschichtige Nutzung der Grabkammern (Leigthon 1993a: 98–110) ist für die archaischen Gräber jedoch nicht belegt. Insgesamt kann

eine Tendenz, die Bestatteten häufiger gesondert, einzeln in der Kammer zu platzieren, festgestellt werden (Abb. 8). Dies geht einher mit der auch ansonsten zu beobachtenden stärkeren Individualisierung der Toten und mag auf griechische Einflüsse zurückgehen (Frasca 2000: 143), denn die Griechen bestatteten ihre Toten überwiegend in Einzelgräbern. Die Körperhaltung und Orientierung der Toten von Morgantina fällt sehr unterschiedlich aus, ohne dass anhand anderer Indizien auf eine identitätentypische Haltung geschlossen werden könnte. Isotopenanalysen, die möglicherweise Auskunft über die geographische Herkunft der Toten geben könnten (Price u. a. 2002), wurden leider nicht durchgeführt. Innere Struktur der Nekropolen Die innere Struktur von Bestattungsplätzen, die Gräberfeldtopographie, stellt eine weitere Dimension der räumlichen Organisation von Gräbern dar. Für Morgantina ist auffällig, dass die verschiedenen Grabformen auf engem Raum zusammen vorkommen (Lyons 1996a: 115). So finden sich in und unmittelbar außerhalb der Felskammern z. B. Sarkophag-, fossa- und Urnengräber (Abb. 9). Nur im Südosten der Nekropole 2 ist eine separat liegende Konzentration so genannter griechischer Grabformen – enchytrismoi, Ziegel- und Erdgräber – dokumentiert worden, die in den kurzen Zeitraum vom späten 6. bis zum frühen 5. Jh. v. Chr. datieren. Bei ihnen handelt es sich ausschließlich um Kindergräber (Lyons 1996a: 121). Gefasst wird hiermit somit vermutlich weniger eine ethnische Gruppe, sondern vielmehr eine bestimmte Altersgruppe; obwohl sich beides nicht zwangsläufig ausschließt. So vermutete Neils (2003: 47), dass es sich um Kinder griechischer Familien handelt, die temporär in dem von ihr als emporion angesprochenen Morgantina lebten. Synthese Über Akkulturation wird derzeit so viel geschrieben, dass derjenige, der sich abermals an diesem Thema versucht, nur in Ausnahmefällen als innovativ gelten kann (vgl. Gotter 2001: 256). Wenn die Archäologie mit ihren theoretischen und empirischen Anstrengungen von der derzeitigen Aktualität des Begriffs Akkultu-

ration profitieren will, dann sollte sie, meiner Ansicht nach, die Konjunktur des Begriffes nicht billig für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen.Vielmehr gilt es, eine Antwort auf die Frage parat zu haben, welchen Erkenntnisgewinn eine Betrachtung von Akkulturationsprozessen bringt und welchen Erkenntnishorizont eine archäologische Betrachtung von Akkulturation erschließt. Ich hoffe, es ist mir gelungen zu zeigen, dass sich in Morgantina während des 6. und 5. Jh. das Totenritual und vermutlich auch die Einstellungen zum Tod verändert haben. Von den Ortseingesessenen wurden ausgewählte Kulturelemente adaptiert: das Symposion, der Wein, Kosmetik und Parfüm, Votive sowie diverse Bestattungsformen. Zum Teil wurden diese zwar übernommen, aber mit anderen Bedeutungen versehen. Hierfür sind die Strigiles ein gutes Beispiel. Fremde konnten anhand der Grabbefunde nicht eindeutig identifiziert werden. Dies könnte jedoch auch an ihrem hohen Integrationsgrad liegen oder daran, dass die kulturgeographische Herkunft für das Bestattungsritual keine besonders große Rolle gespielt hat. Die häufig aufgestellte Gleichung „fremde Grabformen oder Fremdgüter = fremde Personen“ kann so – zumindest für Morgantina – nicht aufrechterhalten werden.Vielmehr scheint man mit den zusätzlich kennengelernten Grabvarianten und Beigaben Alters- und Statusunterschiede ausgedrückt zu haben. Vielleicht schlagen sich hier auch durch den Kulturkontakt ausgelöste oder verstärkte Tendenzen einer zunehmenden Stratifizierung der Gesellschaft im Totenritual nieder. Es kam jedenfalls zu einer stärkeren Individualisierung und Differenzierung der Toten. Insgesamt müssen wir vorsichtig sein, Kulturelemente nur als Anzeiger ethnischer oder kulturgeographischer Identitäten zu betrachten. Die Frage nach Sikuler oder Grieche greift in Fällen wie Morgantina zu kurz, da mit der Entstehung neuer beziehungsweise Transformation von Gesellschaftsformen und Gemeinschaften gerechnet werden muss (vgl. Antonaccio 2004). Das Akkulturationskonzept ist meines Erachtens ein geeignetes Beobachtungsformat für diese Wandlungsprozesse. Im Rahmen historischer Untersuchungen ist es jedoch gerade wegen des nichtlinearen Ablaufes besonders schwierig, dezidierte Aussagen

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über Akkulturationsprozesse zu treffen, denn durch mangelnde Überlieferungsdichte und Tradierungslücken fehlen oft zusätzliche Informationen. Trotzdem hilft das vorgestellte Konzept, ein besseres Verständnis zu erlangen und auch die Bruchstückhaftigkeit des eigenen Wissens zu erkennen. Angewandt auf historische Prozesse wird deutlich, dass

mit Glück kleine Ausschnitte beleuchtet und bei sehr guter Quellenlage eventuell auch mögliche Abläufe konstruiert werden können. Grabbefunde bieten sich dabei zum Beispiel aufgrund des diesbezüglich interessanten Identitätsdiskurses für eine Untersuchung an, stellen aber aufgrund ihrer Komplexität eine große Herausforderung dar.

Anmerkungen 1 Die scheinbare Siedlungslücke im 7. Jh. v. Chr. schließen möglicherweise Grabfunde auf dem Gipfel des Farmhouse Hill (Leighton 1993b). 2 Die chronologische Ansprache der Gräber erweist sich als problematisch. Konventionell werden sie aufgrund der eisernen Schlangenfibeln ins 9. und frühe 8. Jh. v. Chr. datiert, sie könnten aber auch ins späte 8. oder frühe 7. Jh. v. Chr. gehören (Leigthon 2000a: 17; 2000b). 3 Auch in Athen kommt es ab dem letzten Viertel des 5. Jh. und im 4. Jh. zu einer Veränderung der Symbolik der Grabbeigabe Strigiles (Houby-Nielsen 1997). Sie dienen allgemein der Hygiene. Inwieweit es sich hierbei um einen Beleg für einen Ideentransfer von Italien nach Griechenland handelt, erfordert eine eigene Untersuchung der jeweiligen Grabkontexte.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beitrag von Ruprechtsberger) Zur Begriffsklärung: induktivistisch - verwendet als Kritik am rein induktiven Vorgehen bei der Betrachtung von Funden/Befunden; der Ansatz, ohne Fragestellung an Material heranzugehen, damit es „zu einem spricht“, wird als ungenügend empfunden. Proxemik - ein Begriff aus der Psychologie (Stellung von Personen zueinander) wird hier mitverwendet, um das Raumverhältnis von Gräbern im Friedhof, Gräbern zueinander, Beigaben innerhalb der Gräber... anzusprechen.

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Veränderungen zwischen jüngerer Bronzezeit und älterer vorrömischer Eisenzeit innerhalb der nordmitteleuropäischen Brandgräbergruppen – Paradigmen und Perspektiven Rouven Schneider

Zusammenfassung Ein schwer greifbarer Forschungsgegenstand von jedoch außerordentlicher Bedeutung für die nordeuropäische Eisenzeitforschung ist die Zeit des Übergangs von jüngerer Bronzezeit zu vorrömischer Eisenzeit. Umfassende Veränderungen gehen mit dem Wechsel der Materialepochen in typologischer, sakraler und wirtschaftlicher, aber vor allem in sozialer Hinsicht über größere Zeiträume einher. Schon früh in der Forschung wurden die sich gravierend wandelnden Gegebenheiten auf allen Quellenebenen erkannt und auf vielfältige Art und Weise gedeutet (Lindqvist 1920: 234f.; Brøndsted 1931: 95; 1962: 229, 250f.; Schwantes 1933: 197f.; 1950: 128; 1958: 1ff.). Um die Veränderungen und die Entwicklung der allgegenwärtigen Andersartigkeiten zwischen Bronzezeit und Eisenzeit zu erhellen, kommt dem Abschnitt der ‚Übergangszeit‘ erhebliche Bedeutung zu. Derzeit fehlen jedoch detaillierte Erkenntnisse zu eben dieser Übergangsphase. Es ist indessen aufgrund des beschriebenen Forschungsparadigmas ein Forschungs- und Publikationsstand erreicht worden, der es ermöglicht, eine Art Synthese und suprasowie multiregionale Analyse der Genese der Eisenzeit nach holistischen Prinzipien unter der Nutzung von der Problematik angepassten modernen Methoden zu wagen. Diese Methoden beherbergen großes Erkenntnispotenzial, welches auf dem Material der vorangegangenen Studien beruht, aber von diesen methodisch, terminologisch und paradigmatisch entkoppelt ist. Abstract Changes between Late Bronze Age und Pre-Roman Iron Age within the Northern European Cremation Groups – Paradigms and perspectives A very hard to grasp subject concerning European Iron Age is the transition from Bronze Age to Iron Age and in fact the dramatic changes going along with it. These changes affect all aspects of the archaeological record (graves, hoards, depositions and settlements) and with this socio-economic facets as well. These developments were construed in different ways by various archaeologists in science history. In most cases monocausal, arbitrary interpretations attempted to explain the all-embracing diversifications. Although most of these are not pursued until today, there is still no explanation for it. The following paper engages the desideratum for wide-spread statements and conclusions by discussing the given scientific paradigm critically. In addition, modern approaches for analysing chronology and diffusion structures are introduced.

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Eigenheiten und Merkmale der älteren vor­ römischen Eisenzeit in Nordeuropa Der vorliegende Aufsatz ist den methodischen und theoretischen Ansätzen und Prämissen zur Analyse der Impulse und Abhängigkeiten gewidmet, welche die flächendeckende Konsolidierung der neuen, eisenzeitlichen Strukturen ermöglichten und möglicherweise verursachten. Des weiteren sollen verschiedene wissenschaftsparadigmatische Voraussetzungen dargelegt werden. An anderer Stelle wurde bereits die materialbasierte und strukturelle Entwicklung, sowie die terminologische Determination der frühen nordeuropäischen Eisenzeit mit ihren Implikationen hinsichtlich der ,Eisenzeitlichkeit‘ erläutert (Schneider 2009). Bei der genannten Abhandlung sind unweigerlich inhaltliche und kontextuelle Entsprechungen mit den im Folgenden angerissenen Darstellungen gegeben. Die Entwicklung der archäologischen Gruppen der älteren vorrömischen Eisenzeit hat ihre Wurzeln in der jüngeren Bronzezeit des Nordischen Kreises. Dies ist den sukzessiven Entwicklungen des Formenschatzes und des Grabkultes zu entnehmen. Jedoch schon ein oberflächlicher Vergleich zwischen jungbronzezeitlichen Charakteristiken und eisenzeitlichen Äquivalenten macht drastische Unterschiede in nahezu allen Facetten der archäologischen Quellen auf überregionaler Ebene offensichtlich. Seit der jüngeren Bronzezeit wurden die Toten verbrannt und wenige zentral unter Grabhügeln, eine Vielzahl jedoch als Nachbestattungen im Hügelmantel bestattet. Für die Endphase der Bronzezeit gilt zum einen, dass die Ausmaße der Hügel im allgemeinen drastisch reduziert und Tumuli vermehrt in größeren Gruppen angelegt wurden. Zum anderen, dass immer häufiger Nachbestattungen in älteren Hügeln vorgenommen wurden. Seit dem Beginn der Eisenzeit hat man es fast ausschließlich mit Flachgräbern oder lediglich sehr flachen Hügelgräbern mit einer Höhe von unter zwei Metern in Brandnekropolen mit häufig größeren Ausmaßen zu tun (vgl. Nortmann 1983: 91ff.; 96ff.). Man kann in dieser Entwicklung eine gewisse Reduzierung des Aufwandes und der Individualität im Grabbrauch erkennen. Eine Betrachtung der Entwicklung der Beigabensitte stützt diese The-

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se. In der Periode V sind in bestimmten Regionen des Nordischen Kreises überaus reiche Bestattungen, teilweise mit seltenen oder exzeptionellen Objekten bestückte Ausstattungen, gepaart mit aufwendigem Grabbau vorhanden, die ohne Einschränkung den Terminus Prunkgrab verdienen und eine soziale Hierarchie aufzeigen (beispielsweise die Bestattungen bei Seddin, Brandenburg und Albersdorf, Dithmarschen). Indessen ist auch bei den nicht der Elite zuzuweisenden Gräbern eine reiche Formenvielfalt und -variabilität auszumachen. Bereits in der Periode VI jedoch sind überregional keine derart reichen und vielseitigen Ausstattungen mehr angelegt worden. Seltener wurden jedoch noch verhältnismäßig umfangreiche Beigabenensembles den Toten mit ins Grab gegeben. Schon in der fortgeschrittenen Periode VI in Norddeutschland und auch in der frühesten Eisenzeit in Südskandinavien reduziert sich die Anzahl und Formenvielfalt der Objekte in den Gräbern derart drastisch, dass von einer regelrechten Reglementierung auf ein Mindestmaß an Trachtelementen die Rede sein kann. Es hat den Anschein, dass lediglich das, was der/die Verstorbene am Leib trug, mit in das Grab gelangte. Das Beigabenspektrum an ­ Metallobjekten besteht aus Nadeln bzw. Fibeln, Gürtelhaken und in selteneren Fällen spärlichen Bei­ gaben wie Toilettegeräten und Rasiermessern. Noch vereinzelter oder lediglich in bestimmten Regionen tritt Ring- oder Collierschmuck hinzu. Gebietsweise ergänzen Keramikservice die metallenen Objekte. Selbstverständlich ist eine Vielzahl von Quellenfiltern denkbar, die das sich abzeichnende Bild der Eisenzeit entsprechend verzerren können. Dennoch bleiben die Unterschiede in vielen Aspekten im Vergleich zur vorhergehenden Zeit, was den Bestattungsritus betrifft, frappierend. Deponierungen, seien sie im Zuge von Opferpraktiken oder zu Verwahrzwecken angelegt, sind aus der jüngeren Bronzezeit vielfach bekannt. Dabei wurden teilweise außergewöhnlich kostbare Objektzusammenstellungen überliefert. Die nordische Bronzezeit ist, was die Anzahl und Variabilität der niedergelegten Objekte, ihr Material (häufig auch Edelmetalle) und auch das künstlerische und metallurgische Geschick betrifft, für welches beispielsweise die deponierten Großbronzen ein Zeugnis ablegen, mit allen zeit-

gleichen europäischen Kulturzeugnissen ebenbürtig. Ferner geben einige Deponierungen Auskunft über kultische Belange (beispielsweise Luren). Die Deponierung dieser und weiterer offensichtlich zeremoniell genutzten Objekte, die Zusammenstellung und der Gesamtwert einiger Niederlegungen vermitteln den Eindruck von in gewissem Sinne ‚institutionell‘ angelegten Opferungen eines größeren Zusammenschlusses an Menschen. Die ebenfalls häufigen, in der Mehrheit wohl kultisch motivierten Einstückdeponierungen können möglicherweise eher für einen privaten Opferbrauch sprechen. Diese Opfersitte hatte eine überregionale Verbreitung. Grundsätzlich verringert sich die Anzahl der getätigten Deponierungen während der jüngeren Bronzezeit kaum. In einigen Gebieten ist sogar ein deutlicher Anstieg zwischen der Periode IV und V zu verzeichnen. Doch in der letzten Periode der Nordischen Bronzezeit verringert sich die Anzahl der sowohl profan als auch kultisch motivierten Deponierungen eklatant. Lediglich im nördlichen Skandinavien setzt diese Entwicklung zögerlicher und teilweise erst später ein (vgl. Jensen 1997: 146ff.; Abb. 68, 69, 104–106, 108). Aus der entwickelten Eisenzeit sind im Gegensatz zur Bronzezeit nur wenige Mehrstückdeponierungen bekannt. Der althergebrachte Opferbrauch scheint aber nicht völlig in Vergessenheit geraten zu sein und zeigt sein Fortleben anhand zahlenmäßig zwar geringerer aber diachron konsequent vollzogener Einstückdeponierungen und vereinzelt vorkommenden Massen- und Kriegsbeuteopfern (beispielsweise das Schiffs- und Waffenopfer bei Hjortspring). Siedlungsfunde sind aus der älteren vorrömischen Eisenzeit lediglich gebietsweise bekannt. Eine Siedlungshierarchie oder gar eine wie auch immer geartete Zentralörtlichkeit ist nicht auszumachen. Die hier aufgezeigten Tendenzen und dargestellten Entwicklungen zweier völlig unterschiedlicher Quellenlagen und damit verknüpft gänzlich verschiedener Aussagemöglichkeiten sind der Grund für die in rezenter Forschungspraxis nunmehr konsequenten Trennung der Forschungsbereiche Bronzezeit und Eisenzeit. Wie im Folgenden noch ausgeführt werden wird, ist dies jedoch ein Forschungsansatz, der auf einem Paradigmenwechsel in der Mitte des 20. Jahrhunderts beruht.

Probleme und Quellenlage der nordeuropäischen Eisenzeitforschung In der Retrospektive ist die europäische Eisenzeitforschung bestimmt durch drei verschiedene Bearbeitungstraditionen. Von den Anfängen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – abgesehen von frühen Einzelkomplexvorstellungen – war der analytische Ansatz häufiger überregionaler Art. Dabei wurden Aussagen häufig verallgemeinernd für ganz Nordeuropa auf aus heutiger Sicht sehr schmaler Datenbasis getroffen (Undset 1882; Montelius 1885). Die Arbeiten Schwantes’ (1909; 1911) stehen in gewissem Sinne dieser damaligen Forschungstradition entgegen. Sie waren zukunftsweisend und letztlich auch prägend für das nachfolgende Forschungsparadigma in Norddeutschland; dem lokalen und (mikro-)regionalen Ansatz ab etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts. Konkrete Aussagen zu überregionalen Prozessen wurden seit dieser Zeit vermieden. Ein vergleichbarer Wechsel vollzog sich annähernd zeitgleich in Dänemark, was jedoch andere Konsequenzen nach sich zog (vgl. Martens 1996: 237). Die Gründe für diese Wendung lagen zum einen daran, dass aufgrund immer besserer Grabungsmethoden und dem strukturierten Wirken von Landesmuseen und Landesämtern eine bis dato ungekannte Materialfülle ergraben und u. a. durch Publikationsreihen zugänglich gemacht wurde. Zum anderen distanzierten sich die Bearbeiter aus methodischen Gründen zumindest anfangs bewusst von Aussagen, die aufgrund verhältnismäßig kleiner Materialbasis für große Gebiete getroffen wurden. Dies kann als ein wesentlicher Schritt der ur- und frühgeschichtlichen Forschung auf dem Weg zu einer modernen Wissenschaft angesehen werden. H. Hingst beispielsweise äußerte ausdrücklich, dass erst einzelne umfassende Analysen geographisch zusammenhängender Gebiete erfolgen müssten, ehe übergeordnete archäologische Gruppen und ihre Zeitgliederungen interpretiert werden dürften (Hingst 1940: 7f.). Nahezu alle folgenden Forschungen zur vorrömischen Eisenzeit Norddeutschlands folgten, ob bewusst oder nicht, diesem Grundsatz (beispielsweise Hingst 1959; 1974; 1980; 1983; 1986; 1989; Keiling 1962; 1965, 1969; 1979; Behrends 1968; Nuglisch, Schröter 1968;

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Gomolka 1972; Harck 1972; 1978; Simon 1972; 1979; Wegewitz 1973, 1977; Buck 1976; 1979; Häßler 1976, 1988; Griesa 1982; Seyer 1982; Müller 1985; 1993; Nortmann 1983; Tuitjer 1988; Peschel 1990; Reinecke 1986; 1987; 1988; Willroth 1992; Bérenger 2000; u. a.). Die Konsequenz dessen ist, dass innerhalb der fest umrissenen Arbeitsgebiete ein jeweils detaillierter Publikationsstand gegeben ist. Diese Arbeitsgebiete grenzen jedoch nur selten aneinander an und sind nicht flächendeckend. Daher lassen die untersuchten archäologischen Zeugnisse aufgrund ihres begrenzten räumlichen Bezugssystems nur wenig Aussagen zum Gruppen- und Kulturgefüge der frühen Eisenzeit im Allgemeinen zu. Wenn überregionale Bezüge Forschungsgegenstand waren, dann wurden diese für bestimmte, fest umrissene Gebiete dargelegt (beispielsweise Tuitjer 1987). Erst ab dem Ende des 20. Jahrhunderts bis heute wurden wieder Studien losgelöst von regionalen Aspekten betrieben (beispielsweise Martens 1997; Heynowski 2000; Brandt 2001; Schneider 2006), während weiterhin auch regionale oder friedhofsinterne Untersuchungen im Fokus stehen und die Quellenbasis kontinuierlich bereichern, bzw. ältere Publikationen bestimmter Regionen aufarbeiten und mit neuerem Fundmaterial in Bezug setzen (beispielsweise Fischer 2000; Rauchfuß 2009).

Heute ist demnach für Norddeutschland ein Forschungsstand gegeben, welcher einerseits als sehr umfangreich und gut aufgearbeitet gelten kann, andererseits jedoch auf zahlreichen Einzelbetrachtungen beruht (vgl. Müller 2006: 635f.). Eine verknüpfende Bewertung und Synthese der einzelnen Regionalstudien steht noch aus. Statt dessen ist aufgrund der vielfältigen Betrachtungsweisen eine terminologische und typo-chronologische Verwirrung hervorgerufen worden. Kongruenz zwischen den mit typologischem Inhalt aufgeladenen relativen Stufen zu erzielen, gestaltet sich schon bei der Betrachtung weniger, geographisch benachbarter Arbeitsgebiete schwer, obwohl die entsprechenden Forscher als einer Forschungstradition angehörig angesehen werden können (Schneider 2009). Versuche, diese regionalen Chronologiesysteme zu korrelieren, führen zudem bei einer kritischen Betrachtung der stufenimmanenten Objekttypen der verschiedenen Bearbeitern zu teilweise gegensätzlichen Resultaten (Abb. 1) (Heynowski 2000: Tab. 33; Brandt 2001: Abb. 3; Schneider 2009: Abb. 1). Es kann als ein typisches Problem der norddeutschen Forschung zur vorrömischen Eisenzeit geltend gemacht werden, dass der sehr heterogene Forschungsstand auf voneinander isolierten Bearbeitungsfenstern unterschiedlichster Ausmaße oder Einzelfundplätzen beruht (Beispiele s.o.). In den benachbarten Ländern

Abb. 1: Kongruenzschema verschiedener Parallelisierungen der relativchronologischen Stufen der älteren vorrömischen Eisenzeit aus Südostholstein, Nordostniedersachsen und Westmecklenburg.

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ist dies weniger der Fall (beispielsweise für Dänemark: Becker 1961; Jensen 1996; Jensen 1997; Skandinavien: Baudou 1960; Polen: Gedl 1991; Kostrzewski 1958). Es muss in den Landesaufnahmen geprüft werden, ob sich die archäologischen Gruppen abgesehen von ihren typologischen Eigenheiten auch tatsächlich durch fundleere Zonen untereinander abgrenzen (vgl. Keiling 1976: Karte 2). Sollte dies zutreffen, kann unter Bewertung naturräumlicher Faktoren in bestimmten Fällen von einer bewussten Identitätsgruppengrenze gesprochen werden (Müller 2006: 103ff.). Methodische Ansätze zur quellenangepassten Analyse des Übergangs von Bronze- zu Eisenzeit Die Verhältnisse in der vorrömischen Eisenzeit in Nordeuropa sind deutbar, aber die Genese und Weiterentwicklung bleibt durch die speziell in Norddeutschland gegebene situative Betrachtungsweise ungeklärt. Jedoch kommt Norddeutschland bei dieser Fragestellung erhebliche Bedeutung zu, handelt es sich doch um die Kontaktzone Nordeuropas zu den bereits eisenführenden Kulturgruppen im Süden. Bis in die aktuelle Forschung hat sich die (klein)regional gegliederte Bearbeitung der vorrömischen Eisenzeit gehalten. Die­ se war ursprünglich außerordentlich wichtig für die Erforschung der vorrömischen Eisenzeit, kann aber modernen Fragestellungen zu beispielsweise supraregionalen Kontakten und Innovationstransfer nicht mehr gerecht werden. Mit dieser aus heutiger Sicht traditionellen Bearbeitungsweise schlich sich in den letzten Jahrzehnten gewissermaßen eine Resignation in die Erforschung der älteren vorrömischen Eisenzeit ein, die aufgrund ihrer eingeschränkten Sichtweise nicht in der Lage war, zusammenhängende Synthesenund Hypothesenbildungen zum Übergang von Bronze- zu Eisenzeit beizusteuern (vgl. Schneider 2009). Folgend soll ein Versuch eines Ansatzes zur Erforschung der frühesten Eisenzeit skizziert werden, der an die Quellenlage angepasst ist und moderne, methodische Prinzipien im Rahmen der Promotionsarbeit ,Der Wechsel von der Bronze- zur Eisenzeit in Nordeuropa – Studien zu Einflüssen, Kontakten und kulturprägenden Impulsen vom 9. bis 5. Jh. v. Chr. in Europa‘ an der CAU zu Kiel verfolgt. Die theoretischen Grundmuster und praktischen Methoden kön-

nen jedoch auch auf unterschiedliche Fragestellungen und verschiedene Zeitfenster angewendet werden. Besonders Aspekte der Klassifikation sind diesbezüglich bedeutend. Die Quellenlage zur vorrömischen Eisenzeit ist, wie bereits erwähnt wurde, sehr umfangreich aber uneinheitlich. Durch computergestützte Verarbeitung lassen sich nahezu beliebig große Datenmengen sowohl räumlich als auch strukturell vergleichend analysieren. Die strukturellen Analysen decken weitreichende Aspekte der jeweiligen Fund- und Befundspektren ab – angefangen bei der chronologischen Immanenz über die soziologischen Bedeutungen bis zur Typologie.Wie bereits erörtert wurde, ist die Vielzahl der räumlich stark begrenzten Einzelstudien ein wichtiger Grund für die herrschenden Unklarheiten, welche in Bezug auf die grundsätzlichen, supraregionalen Vorgänge am Beginn der Eisenzeit bestehen. Zugleich liefern diese Regionalstudien aber auch den Korpus und bilden das breite Fundament solcher Arbeiten. Aus diesem Grund ist es vorzuziehen, das Arbeitsgebiet nicht durch moderne Verwaltungseinheiten zu begrenzen, sondern stattdessen eine Synthese auf holistischer Quellenbasis anzustreben. Diese wurde durch die immer weiter gesteigerte Rechnerleistung der letzten Jahre ermöglicht. Überregionale Synthesen scheitern jedoch am Zeitaufwand zur Datenerfassung. Deshalb scheint es sinnvoll, statt den Untersuchungsraum künstlich zu begrenzen und weiter regional beschränkte Forschung zu betreiben, eine materialfiltrierte Analyse durchzuführen. Bei einer solchen Kombination von Material aus verschiedenen Bearbeitungen muss eine ‚neutrale Betrachtungsweise‘ stets gewahrt werden. Die verschiedenen Bearbeiter benutzen uneinheitliche Terminologien und füllten ihre regional erschlossenen Zeitstufen jeweils mit unterschiedlichem Material. Letzten Endes böte eine Bearbeitung des gesamten Fundstoffs aller Regionalanalysen der entsprechenden Zeit die Möglichkeit eines kritischen Abgleichs und ein Korrektiv. Sowohl die räumliche Lage, Kontext als auch objektbezogene Daten bilden die Basis der angestrebten überregional konzipierten Analysen. In der Dissertation kommt als grundsätzliche methodische Basis das von O. Nakoinz entwickelte Konzept der „kulturellen Metrik“ zur Anwendung und wird an die spezielle Fragestellung, das Fundspektrum

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Abb. 2: Schematische Darstellung der chronologischen Spannen von Schwanenhalsnadeln, einschneidigen Rasiermessern und ­Wendelringen in Bezug zur Chronologie Norddeutschlands.

und die Quellenlage angepasst (Nakoinz 2005: 34ff.; 50ff.; Nakoinz, Steffen  2008: 384ff.). Bevor jedoch auf die methodische Vorgehensweise und ihre heuristischen Grundprinzipien in den Abschnitten zu Analyseeinheiten und Klassifikation eingegangen werden soll, wird aus Gründen der Stringenz zunächst die Auswahl der zugrunde liegenden Materialien dargelegt. a) Fundmaterial Als Auswahlkriterium für die zu untersuchende Materialbasis bietet es sich an, jene Komplexe auszuwählen, in denen Objekte vorliegen, über deren zeitliche Stellung am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit Einigkeit besteht. Dies trifft zum einen auf Fundvergesellschaftungen zu, die Nadeln mit schwanenhalsartig gebogenem Schaft enthalten und zum anderen auf solche mit einschneidigen Rasiermessern ohne Griff. Diese beiden Objektgruppen können grundsätzlich als Leitformen angesprochen werden, wobei sich diese in weitere Typen untergliedern lassen. Ergänzt werden die Komplexe mit Leitformen durch solche mit Wendelhalsringen. Die Hinzunahme von Gräbern und Deponierungen mit Wendelringen verdichtet die räumliche Streuung der Fundorte immens und erhöht die Anzahl der Ensembles und damit die der in die Untersuchung eingehenden Funde gewaltig. Dies ist zum einen für die Signifikanz und die Ergebnisse anschließender, statistischer Auswertung von hohem Wert. Zum anderen wird die

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durch Schwanenhalsnadeln und einschneidige Rasiermesser gekennzeichnete Zeitstufe mit der dieser vorangehenden, wie auch der dieser nachfolgenden Stufe, die beide durch Komplexe mit Wendelringen charakterisiert sind, verbunden. Dies ermöglicht ein Einflechten der chronologischen und chorologischen Systeme, die es zu entwickeln gilt, in bestehende übergeordnete Gliederungen (Abb. 2). Den drei Objektgruppen, Schwanenhalsnadeln, Rasiermessern und Wendelringen und ihren Subtypen, kommt aus archäologischer Sicht folgendes zu Gute: 1. Sie sind repräsentativ häufig in geschlossenen Befunden vergesellschaftet, womit ein signifikanter und repräsentativer Querschnitt zeitgleicher Inventarbestandteile erfasst werden kann. 2. Sie sind überregional weit verbreitet. Dabei decken die einzelnen Objektgruppen Bereiche ab, die sich einerseits überlagern, es aber auch andererseits Bereiche gibt, an denen nicht alle Objektgruppen gefunden wurden. Es besteht die potenzielle Möglichkeit Transferrouten, Netzwerke und Austauschbeziehungen in ihrem zeitlichen Wandel auf der Basis der räumlichen Streuung nachzuvollziehen. 3. Sie sind in allen drei Quellengruppen (Deponierungen, Siedlungen und Gräbern) vertreten. 4. Die drei Objektgruppen als Ganzes repräsentieren in den Gräbern allem Anschein nach beide Geschlechter.

Die Komplexe, die die genannten Objektgruppen beinhalten, werden auf wissenschaftliche und statistische Auswertbarkeit (Geschlossenheit des Fundes, Dokumentationsqualität, Vergesellschaftung mit mindestens einem weiterem Objekt) geprüft und in ihrer räumlichen Lage erfasst. Eine Gesamtaufnahme der entsprechenden Komplexe aus der Literatur wird angestrebt. Ergänzt werden diese Komplexe innerhalb des Gesamtverbreitungsgebietes durch Grab- und Hortfunde mit ‚Importen‘ nach Nordeuropa, bzw. ‚Exporten‘ aus Nordeuropa. Damit wird eine weitestgehend deckende, relativchronologische Verknüpfung gewährleistet, wobei an dieser Stelle natürlich chronologische Verzerrungsfaktoren berücksichtigt werden müssen (s. u.). Das durch die oben beschriebene Auswahl des Gesamtmaterials erhaltene Fundgut lässt sich grob nach der nordeuropäischen Terminologie den Perioden V und VI der Nordischen Bronzezeit, sowie den Stufen Ia, Ib und Ic der Chronologien Norddeutschlands zuweisen. Es repräsentiert somit das endbronze- und früheisenzeitliche nordeuropäische Fundgut und jenes der älteren Eisenzeit Mittel- und Südeuropas zwischen Golfe du Lion, Alpen und Skandinavien. Die westlichsten Fundkonzentrationen liegen in Ost- und Südostfrankreich, während in Polen der östliche Verbreitungsschwerpunkt liegt. Ausläufer und Ausreißer sind bis in die Slowakei, Russland im Osten und in Zentralfrankreich und auf den Britischen Inseln erfasst. Zum jetzigen Zeitpunkt kann von ca. 1200 Fundkomplexen ausgegangen werden, die den obigen Kriterien entsprechen. Dabei stammt das Gros der Funde aus Gräbern, anteilig gefolgt von Deponierungen, während Siedlungsfunde nur einen geringen Beitrag zur Fundanzahl leisten. b) Räumliche Analyseeinheiten Die Befundmerkmale sowie die objektspezifischen Variablen werden nicht auf der Gesamtheit der ­Datenbasis analytisch bearbeitet.Vielmehr wird eine Vielzahl von gleichartigen, in einer bestimmten ­Reihenfolge angeordneten statistischenAnalysen parallel für verschiedene Analyseeinheiten durchgeführt.Die­seAnalyseeinheiten sind räumliche Gruppierungen von Fundplätzen, welche mittels Kombinationen von Kern-Dichte-Schätzung (Kernel-Density-Estimation – ‚KDE‘) ermittelt

werden. Die hier verwendete KDE besteht aus der Addition mehrerer mit unterschiedlichen, gestaffelten Suchradien ermittelten Dichten und zeigt letztendlich nur räumliche Häufungen unterschiedlicher Abstufungen an (Steffen 2008). Nach einheitlichen Kriterien werden Werte für die Fundplatzdichten festgelegt, die ab diesem Grenzwert als eine Analyseeinheit angesprochen werden. In manchen Fällen kann es dazu kommen, dass bestimmte geomorphologische Gegebenheiten zu einer weiteren Unterteilung einer verhältnismäßig dichten Fundplatzgruppierung führen, was aber im Einzelfall begründet werden muss (Abb. 3). Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass jede Analyseeinheit eine gewisse Mindestanzahl an Fundkomplexen in sich beherbergt. Es ist sinnvoll, die geographische Ausdehnung einer Analyseeinheit kleiner zu wählen, als die Räume, die von bestehenden archäologischen Regionalgruppen postuliert werden, seien sie tatsächliche oder artifizielle Resultate der Methode, bzw. des Arbeitsgebietes. Dies bietet die Möglichkeit potenzielle interne Gruppenentwicklungen erkennen zu können. An dieser Stelle sei explizit darauf hingewiesen, dass die Analyseeinheiten nicht mit archäologischen Gruppen zu verwechseln sind. Es ist wichtig, dass möglichst viele Komplexe die archäologischen Regionalgruppen des entsprechenden Zeitraumes widerspiegeln, um die Diffusion von Ideen, Innovationen oder auch nur Objekten rekonstruieren zu können. Dieses Problem würde umgangen werden, wenn eine Gesamtaufnahme des entsprechenden Zeitraumes in einer fest umrissenen Region im Fokus stehen würde (vgl. Nakoinz 2005; Nakoinz, Steffen 2008). Aufgrund der Fundmenge ist dies weder für Nordeuropa, geschweige denn für das Verbreitungsgebiet der Schwanenhalsnadeln, Rasiermesser und Wendelringe zu leisten. Oben wurden bereits die Gründe genannt, die – was die gewählte Fragestellung betrifft – dagegen sprechen, eine räumlich willkürlich begrenzte Analyse zu betreiben. Die Grenzen des Arbeitsgebietes sind bei dem hier zu thematisierenden Ansatz im Fundgut determiniert. Die komplette Erfassung aller Fundstellen einer gewissen Zeitspanne einer bestimmten Region erbringt bei Nutzung optimierter regionaler Analyseeinheiten für eben diese detaillierte chronologische und typologisch-strukturelle Bezüge untereinander (vgl. Nakoinz 2005: 39ff.). Eine derart

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Abb. 3: Dichtegruppen ältereisenzeitlicher Komplexe in Mittel- und Norddeutschland (KDE-Suchradius 1 Km).

hohe regionale Auflösung ist jedoch bei dem hier besprochenen Ansatz nicht von Interesse. Vielmehr geht es bei der Nutzung von Analyseeinheiten in diesem Fall um die regionale und typo-chronologische Auflösung verhältnismäßig basaler Vorgänge in einem Kontaktgeflecht verschiedener archäologischer Gruppen. Die Analyseeinheiten bilden im Folgenden die zunächst kleinste Einheit geographischer Art. Sie vereinen die in ihnen befindlichen Fundkomplexe in einem Konstrukt. Die Fundkomplexe werden innerhalb der Analyseeinheiten nach Quellengattungen getrennt behandelt. Die Parameter der einzelnen Komplexe beste-

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hen aus allen denkbaren, ihnen zugrunde liegenden Einflussgrößen und sind in ihrer Summe ein ‚archäologischer Fingerabdruck‘ des durch die Analyseeinheit als Ganzem umrissenen Raumes. c) Klassifikation und Merkmalsspektren Nicht nur aufgrund der bereits erwähnten begrifflichen Inkonsistenzen zwischen den unterschiedlichen Bearbeitern, was Objekt- und Typenbezeichnungen und Befundmerkmale betrifft, sondern auch um eine detaillierte computergestützte Analyse erst zu ermöglichen, ist eine erneute Klassifikation des Fundstoffs

und der Befundparameter unumgänglich. Diese sollte sowohl numerisch als auch hierarchisch erfolgen. Eine numerische Benennung bietet für die EDV die Voraussetzung für vielschichtige Berechnungen. Dabei vertreten üblicherweise unterschiedlich lange Zahlenstränge die herkömmlichen Ansprachen für die Dauer der Verrichtung der computerbasierten Analysen. Ein einfaches Ersetzen der in der Archäologie häufig teilweise sehr komplizierten und unkonkreten Bezeichnungen mit einer mehrstelligen Zahl würde zwar eine computergestützte Analyse ermöglichen, wird jedoch der Variabilität des Fundstoffs nicht gerecht. In diesem Fall hat man es genau genommen nicht mit einer Klassifizierung zu tun, sondern lediglich mit einer neuen, numerischen Ansprache. Eine monothetische Hierarchisierung erscheint unter diesem Aspekt sinnvoll. Dabei werden verschiedene Ebenen einer tatsächlichen Klassifizierung geschaffen, in denen die oberste Ebene das jeweils grundlegendste Charakteristikum repräsentiert. Die jeweils darunter liegenden Ebenen zeigen feinere Abstufungen an (vgl. Hodson 1990: 23). Grundsätzlich vereint eine übergeordnete Klassifizierungskategorie alle feiner zu bestimmenden Typen und Varianten in dem jeweiligen Klassifizierungsstrang. „Ein spezialisierter Typ ist auch unter den übergeordneten Variablen aufgeführt“ (Nakoinz 2005: 37). Letzten Endes liegt es am Bearbeiter und der Fragestellung, wie fein die Gliederung angelegt wird. Es erscheint unbrauchbar jedwede noch so geringe formale Ausprägung von Merkmalen einzeln zu klassifizieren, da tatsächlich kaum ein Artefakt oder Befund einem anderen in allen Details gleicht. Wiederum täuschen zu starke Verallgemeinerungen über die Variabilität der Typen hinweg. Letzteres scheint aber häufiger ein Problem darzustellen, was besonders bei althergebrachten Ansprachen der Fall ist. Der Sinn einer Klassifikation ist der, dass ähnliche Objekte und Strukturen als solche erkannt werden können. Noch besser ist es, wenn Varianten innerhalb von Grundformen differenziert werden können, aber dennoch über geringere Tiefen der Klassifikation der Bezug untereinander gewahrt bleibt. Eine Abwandlung der numerischen, monothetischen, hierarchischen Klassifikation, wie sie in dem hier beschriebenen Ansatz Anwendung finden soll, kann jedoch noch mehr leisten als eine Codierung

mit merkmalsimmanenter Bedeutung zu schaffen. Dabei kommt zwei grundlegenden Aspekten besondere Tragweite zu. Zunächst bleiben alle oben genannten Vorteile dieser Klassifikationsmethode gegenüber nicht-monothetischen, bzw. verallgemeinernden Ansprachen gewahrt. Hinzu kommt, dass letztlich die hierarchische Struktur der Merkmalserfassung stark relativiert wird, wobei nur die oberste Klassifikationsebene als diese Beständigkeit hat. Alle weiteren Klassifikationsebenen repräsentieren dabei bestimmte morphognostische Merkmale, die innerhalb des Klassifikationsstranges monohierarchisch, aber in Bezug auf das komplette Fundspektrum polyhierarchisch verteilt sein können. Das bedeutet, dass unterhalb der Basisklassifikation eine Aneinanderreihung von verschiedenen Codes, welche bestimmte Merkmale repräsentieren, folgt. Die potenziell vorhandenen Merkmale werden in einer festgelegten Reihenfolge an dem jeweiligen Objekt oder Befund diagnostiziert und in dieser Abfolge aufgelistet. Die Reihenfolge orientiert sich grundsätzlich an dem Muster von grob/unspezialisiert zu fein/spezialisiert, wobei die allgemeine Verfügbarkeit der Attribute hierbei ebenfalls mit einfließt. Ist zu einem bestimmten Merkmal keine Aussage zu treffen (was bei Bruchstücken oder schlechten Abbildungen oder Beschreibungen der Fall sein kann) erhält die Position die entsprechende Codierung für ‚keine Aussage zu X möglich‘. Jedes im kompletten Fundund Befundspektrum vorhandene Merkmal erhält eine ihm zugewiesene, singulär vergebene vierstellige Zahl. Innerhalb des merkmalsbasierten Zahlenstranges sind Bereiche mit und ohne kausaler Abfolge vorhanden. Gleichsam werden in vorgegebener Reihenfolge bestimmte Bereiche des zu klassifizierenden Objektes auf die entsprechenden Merkmale untersucht. Dabei kann es vorkommen, dass bestimmte Merkmale eng mit der zugrunde liegenden Basisklassifikation zusammen hängen; bestimmte Aspekte treten nur an bestimmten Objekten auf. Wiederum ist es jedoch auch möglich Merkmalsverknüpfungen über die Basisklassifikationen hinaus zu erfassen, was der polyhierarchischen Struktur der Merkmale in Bezug auf das komplette Fund- und Befundspektrum zugrunde liegt. Hier liegt der entscheidende Vorteil der Methode, denn so können Bezüge zwischen unterschiedlichen Objektklassen und Befundarten erst

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Abb. 4: Die Struktur von hierarchischen, numerischen Klassifikationssträngen. A: Polythetisch nach Hodson (1990: 103, Abb. 1), B: Polythetisch-monothetisch.

strukturiert erfasst werden. In gewissen Fällen sollten Merkmale zusammengefasst werden, wenn diese eine offensichtliche Einheit bilden. Dies kann bei bestimmten Ver­zierungsmotiven sehr sinnvoll sein. Es besteht durch die hierarchische Gliederung der Merkmale und dadurch, dass jedes Merkmal tatsächlich einen singulären Code erhält, die Möglichkeit polythetische durch nachfolgende monothetische Angaben zu verfeinern. Dies ist bei der üblichen, rein monothetischen Gliederung von Merkmalen nicht möglich (vgl. dazu Hodson 1990: 23). Beispielsweise kann der polythetische Aspekt der Verzierung im Waldalgesheim-Stil erfasst werden und daran anschließend die einzelnen monothetisch strukturierten Merkmale, welche in unterschiedlichen Ausführungen des Waldalgesheim-Stils vorkommen, aber nicht an jedem Objekt in gleicher Weise vertreten sind (Abb. 4).

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Ein ausführliches Beispiel zur angestrebten Klassifikation findet sich auf Abbildung 5. Die Klassifikation von Befunden und Funden soll nicht das Ziel haben, neue Ansprachen zu schaffen. Sie ist lediglich eine Methode, die der strukturellen und typologischen Tiefe der archäologischen Hinterlassenschaften gerecht zu werden versucht. Gleichsam verkörpert sie eine Taxonomie der archäologischen Quellen. Weitere dem Quellenstand und der Fragestellung angepasste Aspekte sind, dass je nach Möglichkeit der zu erhaltenden Tiefe der Klassifikation jedes Objekt und jede Struktur sich auf zumindest geringer Klassifikationstiefe mit allen anderen in Bezug setzen lässt. Dies kann nützlich sein, wenn durch Bruchstückhaftigkeit eines Objektes oder schlechte Dokumentation, Abbildungen und Beschreibungen keine komplette Klassifizierung eines Objektes oder Befundes möglich ist.

Jedes Objekt und jeder Befund kann seinem Aussagewert entsprechend verarbeitet werden. Somit gehen keine Informationen verloren und es werden alle verfügbaren Daten erfasst. Zudem können objektund befundübergreifende Verknüpfungen strukturiert erkannt werden. Dies ist besonders bei funktional gleichwertigen Objektgruppen von großem Nutzen. Wenn beispielsweise Nadelköpfe Fibelfüßen gleichen, oder bestimmte Motivkonstellationen von Gefäßen auf Blechgeräten wiederkehren, so kann dies wichtige Anhaltspunkte zum eigentlichen Thema der Innovationsdiffusion und Beeinflussungen bei Intergruppenkontakten liefern. Ebenso verhält es sich beispielsweise in werkstofflicher Perspektive. Bewusst fließt das Material, aus dem die Geräte sind, auf keinem Klassifikationsniveau mit ein. Dadurch kann erkannt werden,

wenn beispielsweise eiserne Objekte in Bronze imitiert werden. Die einzelnen Bezüge müssen jedoch im Einzelfall auf Stichhaltigkeit geprüft werden. Das komplette Spektrum jeder Analyseeinheit wird in den Merkmalskombinationen mit allen Klassifikationstiefen erfasst. Hierbei wirkt die Visualisierung als Histogramm veranschaulichend (Abb. 6; vgl. Nakoinz 2005: 39ff., Abb. 4.3.4; Nakoinz, Steffen 2008: 386ff., Abb. 8). Die Merkmalsspektren werden anschließend computergestützt miteinander verglichen. Die Möglichkeit der ,Auflösung‘ der Spektren nach allen gewünschten Klassifikationstiefen gestattet es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen in den Analyseeinheiten befindlichen Komplexe differenziert darzustellen. Einzelne Bezüge und konkrete Merkmalsverknüpfungen liefern Indizien über dama-

Abb. 5: Struktur der Datenerfassung für die Klassifikation (oben) und Beispiele für unterschiedliche Klassifikationen (unten) (Rasiermesser: Jensen 2002: 514; Nadel: Coudrot 2002: 64).

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Abb. 6: Beispielhafte Merkmalsspektren unterschiedlicher Analyseeinheiten.

lige Netzwerke. Dabei wird eine Perspektive erreicht, die sowohl intra- als auch intergruppenspezifische Interaktionen in ihrer räumlichen und typo-chronologischen Relevanz erfasst. d) Chronologie Als Mittel zum Zweck der im Vordergrund der Arbeit stehenden Diffusionsanalyse muss eine detaillierte

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relativchronologische Abfolge der einzelnen Inventarbestandteile erstellt werden. Denn wie bereits weiter oben gezeigt werden konnte, sind bisherige typo-chronologische Einteilungen für Nordeuropa, was diesen Aspekt in überregionalem Kontext betrifft, nicht zufriedenstellend. Um sukzessiven Ideentransfer, Beeinflussungen oder Objekttransfer und dem zugrunde liegende Netzwerke in ihrem Wandel darstellen zu

Abb. 7: Beispiel der mittels relativchronologischen Markern ermittelten Datierungswahrscheinlichkeiten für unterschiedliche Objekte gleicher Klassifikationstiefe auf Basis der Vergesellschaftungen innerhalb einer Analyseeinheit.

können, ist ein hochauflösendes, relativchronologisches Raster, in das die unterschiedlichen Parameter eingepasst werden, unverzichtbar. Dieses Raster sollte dem Anspruch genügen, dass es verhältnismäßig flexibel und modifizierbar ist, um Unschärfequellen kompensieren zu können. Diese Unschärfequellen können u. a. Verbreitungszeiten, unterschiedliche Lauf- und Nutzungszeiten, aber auch ungleiche Bestattungs- und Deponierungsbräuche sein (vgl. Eggert 2005: 154f.; 219f.; 236f.). Genannte Phasenverschiebungen spielen jedoch bei relativen, typologisch determinierten Stufen eine sehr viel geringere Rolle als unter absolutchronologischen Gesichtspunkten. Da im hier zu skizzierenden Vorgehen die absolute Chronologie zunächst gar keine Bedeutung hat, ist der Aspekt der zeitlichen Phasenverschiebung nicht überzubewerten. Hinzu kommt, dass in Ermangelung absoluter Datierungsmöglichkeiten ohnehin nur Spekulationen über die tatsächlichen zeitlichen Ausmaße der Phasenverschiebungen angeführt werden können. Die in solchen Fällen zur Anwendung kommenden „intuitiven Vorstellungen über Diffusionserscheinungen“ lassen „jegliches theoretische Fundament“ vermissen (Brandt 2001: 48). Brandt macht in diesem Kontext treffend auf ein der Archäologie ureigenes Dilemma aufmerksam: „Um […] auf die Frage nach zeitlichen Dimensionen typologischer Reihen zurückzukommen, ist abschließend darauf hinzuweisen, daß es sich dabei um ein allgemeines methodologisches Problem der archäologischen Forschung handelt. Einerseits wird typologische Nähe bei Fundvergleichen mit zeitlicher Nähe gleichgesetzt, andererseits werden durch typologische Reihen Zeitstufen begründet. Typologie dient somit zwei gegenteiligen Zwecken: der chronologischen Gleichsetzung und der chronologischen

Streckung.“ (ebd.). Die im Folgenden vorgestellte Herangehensweise zur relativen typo-chronologischen Gliederung des Materials stellt einen Versuch dar, die verschiedenen Unschärfequellen weitestgehend zu kompensieren, bzw. zu umgehen, sofern sie für das Konzept der relativen Chronologie überhaupt Relevanz haben. Wieder stellen die Analyseeinheiten die zunächst kleinste räumliche Einheit dar. Für jede Analyseeinheit wird anhand verschiedener Klassifikationstiefen des Merkmalsspektrums eine Zahl von Sereationen erstellt. Verschiedene Gruppierungen werden entsprechend ihrer potenziellen chronologischen Relevanz bewertet. Über nicht in der jeweiligen Region ursprünglich vorhandene Objekte aus Gebieten, in denen eine verhältnismäßig feine relative Stufenuntergliederung gegeben ist, werden in der Sereation relativchronologische ,Marker‘ erhalten (beispielsweise stufentypische Importe aus dem Gebiet der Hallstattund Frühlatènekultur). Dabei gilt zunächst, dass die jeweiligen Objekte als ,gleichstufig‘ mit denen in ihrem Ursprungsgebiet angesehen werden. Das mit diesen Objekten vergesellschaftete Material wird wiederum zunächst als chronologisch unspezifisch angesehen. Basierend auf den Vergesellschaftungen der chronologisch unspezifischen Objekte mit den ,Markern‘ werden für jede relevante Merkmalskombination Datierungswahrscheinlichkeiten für die jeweiligen, durch die ,Marker‘ vertretenen Zeitstufen, errechnet und in prozentualen Anteilen ausgedrückt (Abb. 7). Diese prozentualen Werte dienen dann der Ermittlung der Datierungswahrscheinlichkeit einzelner Fundkomplexe. Um dem Aspekt des terminus post quem gerecht zu werden, wird ein geringer Wert der gesamten Datierungswahrscheinlichkeit jedes Objektes (z. B. 5 %)

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Abb. 8: Beispiele für die Ermittlung von komplexbezogenen Datierungswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit von objektspezifischen Datierungswahrscheinlichkeiten (vgl. Abb. 7).

durch die Anzahl der Stufen geteilt, die mit Datierungswahrscheinlichkeiten der Ensemblebestandteile für jüngere Stufen gekennzeichnet sind. Die Anteile dieses Prozentsatzes werden jeweils auf die folgenden Zeitstufen zu gleichen Teilen verteilt. Die der jüngsten Belegung nachfolgenden relativen Zeitstufe wird hierbei mitberücksichtigt. Diese Aufteilung der ,Nachdatierungswahrscheinlichkeit‘ könnte ebenfalls mit zunehmender Entfernung zur ältesten vertretenen Stufe in Abhängigkeit zur Normalverteilung oder linear abnehmend gestaffelt erfolgen. Im Endeffekt wird die Datierungswahrscheinlichkeit eines Objektes aus einem Komplex je relativchronologische Stufe als Wahrscheinlichkeit der Datierung des gesamten Komplexes angesehen. Hierfür wird die jeweils geringste Datierungswahrscheinlichkeit eines Objektes je Stufe mit denen der anderen Stufen addiert und auf der Basis der Summe die relative Datierungswahrscheinlichkeit des Komplexes für die jeweilige Stufe errechnet (Abb. 8). Der Gedanke, der dahinter steht ist der, dass

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innerhalb eines Komplexes bekannterweise das jüngste Objekt datierend ist. In der Praxis verhält es sich aber häufig tatsächlich so, dass das am besten zu datierende Objekt den Komplex datiert, was ein selten reflektiertes Problem der Archäologie darstellt. Letztlich ergeben die prozentual unterschiedlich auf die Stufen verteilten Werte der einzelnen Bestandteile verschiedene Datierungswahrscheinlichkeiten des jeweiligen Komplexes. Hierbei entstehen statistische Verteilung, die in Grundzügen denen des aoristischen Verfahrens ähneln (vgl. Ratcliffe 2000; Mischka 2004; 2007: 62ff.). Der wesentliche Unterschied zur bisherigen Anwendung in der Archäologie liegt jedoch darin, dass hier nicht absolute Zeitangaben das Fundament von wahrscheinlichkeitsbasierten Stigmatisierungen bestimmter Zeitabschnitte bilden. Somit braucht eine weitere Auflösung der Wahrscheinlichkeiten, heruntergebrochen auf absolute Zeitspannen, die in den meisten Fällen ja nur vagen Schätzwerten entsprechen, nicht durchgeführt werden (vgl. Nakoinz 2009). Die tatsächliche,

absolute Zeitspanne, die von den relativen Stufen vereinnahmt wird spielt keine Rolle, da die Stufen als solche als ein statisches Gebilde, aufgeladen mit typologischem Inhalt, gelten. Abgesehen davon können selbst bei großflächigen Datierungsreihen keine tatsächlichen Anfangs- und Endzeitpunkte zu typologisch determinierten Stufen angegeben werden. Nachdem alle Merkmalskombinationen mit Datierungswahrscheinlichkeiten behaftet sind, werden diese vom jeweiligen Referenzsystem gelöst. Das ermög­ licht es, die Merkmalskombinationen mit den Sereationen abzugleichen und das Material auf Sprünge und Veränderungen zu untersuchen, die nicht nur an wenigen, augenscheinlichen Objekten vorkommen, sondern sich als Entwicklungen auf breiterer Materialbasis zeigen. So wird ein Loslösen aus leitformbasierten Stufeneinteilungen gewährleistet. Ob man aber mit der Stufenunterteilung auf der Basis breiterer Veränderungen der Merkmale eines Fundspektrums automatisch der nun einmal linear abgelaufenen Vergangenheit gerechter wird, bleibt ungewiss. Nachdem die jeweiligen Analyseeinheiten separat relativchronologisch geordnet wurden, kann ein alle Analyseeinheiten übergreifender Vergleich stattfinden. Dabei werden zunächst die Sereationsresultate mit chronologischer Bedeutung aus benachbarten Analyseeinheiten abgestimmt. Typo-chronologische Entsprechungen und Inkonsistenzen zwischen den jeweiligen Merkmalen unterschiedlicher Klassifikationsebenen der Analyseeinheiten lassen es möglich

erscheinen, ­ diese möglicherweise mit Beeinflussung, Austausch, Verbreitung oder Weiterentwicklung zu erklären. e) Aussagekraft und Erkenntnispotenzial Die sich den oben genannten Vorarbeiten anschließende Analyse beherbergt detailliertes Erkenntnispotenzial. Eine hochauflösende Darstellung von Variantenverläufen und Typenwechseln scheint möglich. Dabei können in bestimmten Fällen Objektabfolgen mit ihren chronologischen Schwerpunkten herausgearbeitet werden. Aussagen über relative Lauf- und Verbreitungszeiten werden bei supraregionalen Vergleichen ermöglicht. Demnach ließen sich im Abgleich mit naturräumlichen Gegebenheiten Schlussfolgerungen über Austauschwege und die Kommunikationsstruktur ableiten. Das Resultat des Zusammenspiels der hier vorgestellten Ansätze ist im Stande, eine mit plausiblen Datierungswahrscheinlichkeiten aufgeladene, weniger auf starre Stufen basierende, Abfolge von Artefakten und Strukturen in allen Merkmalsdefinitionen und Klassifikationsgraden zu leisten. Diese würde einerseits eine chrono-geographische Bearbeitung und Innovations-DistributionsAnalyse repräsentieren. Es verbleibt andererseits die Möglichkeit der kulturhistorischen Interpretation der Vorgänge am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit mit weniger lokal dominierter Sichtweise; statt dessen auf trans- und ­supraregionale Vorgänge und Abhängigkeiten abzielende Deutungsversuche.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Gavranovi´c, Hofmann, Albers und Trachsel) Die für die Bearbeitung ausgewählten Kriterien sollen keine neue Typologie erzeugen, sondern als Arbeitsinstrumente die Genauigkeit erhöhen und soviel Detailtiefe als möglich erlauben. Hier wurden vorerst überwiegend morphologische und optische Eigenschaften herangezogen. Das Hinzufügen von weiteren Kriterien zur Ansprache der Funde wie Länge, Gewicht, Legierung, etc. ist ohne weiteres möglich, falls gewünscht. Die Gliederung der Ebenen ist subjektiv; man sieht sich die Objekte an und versucht, alle als wichtig erachteten und alle modifizierbaren Elemente zu erfassen. (In diesem Stadium ist z.B. das Material des Objektes nicht erfasst, um die Möglichkeit offen zu lassen, dass „das gleiche Objekt“ mehrfach aus unterschiedlichen Materialien vorkommt (dann aber nicht in zwei verschiedenen Spalten bearbeitet wird). Außerdem können einige Kriterien deshalb nicht einbezogen werden, weil sie im Fundgut (noch?) fehlen.) Dass es sich hierbei um ein hierarchisch aufgebautes Modell handelt, ist beabsichtigt. So können auch Fragmente oder sehr unterschiedliche Objekte inkludiert werden. Die Bezeichnung „typologische Modularisierung“ wird vorgeschlagen. Für die in diesem Stadium der Bearbeitung sichtbare zunehmende Verarmung bietet das Modell vorerst keine Erklärungsmöglichkeiten. Soziokulturelle Aussagen erhoffen sich die Bearbeiter von der angestrebten Verfeinerung in chronologischer und typologischer Hinsicht. Der Versuch, mit einer Vielzahl von Kriterien aber ohne Typen und Chronologiestufen zu arbeiten, wird als interessant angesehen, großer Spielraum in der Aussagekraft scheint aber zweifelhaft. Die Arbeiten befinden sich noch in den Anfangsphasen. Welche Theorien sich als brauchbar erweisen oder welche Vorstellungen und Fragen sich ergeben, soll noch abgewartet werden.

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Das spätkeltische Prunkgrab von Sinsheim-Dühren – ein Zeugnis sozialer „Eliten“ am Unterlauf des Neckars? Julian Spohn

Zusammenfassung Das im Jahr 1865 entdeckte Prunkgrab von Sinsheim-Dühren zählt zu den ungewöhnlichsten Grabfunden der vorrömischen Eisenzeit in Mitteleuropa. So ist das beigegebene Objektensemble des reich ausgestatteten Frauengrabes der ausgehenden Mittellatènezeit von singulärer Qualität und Vielseitigkeit und hebt sich nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Bezüge in den mediterranen Raum vom Großteil der bekannten Bestattungen des 2. und 1. Jh. v. Chr. im keltischen Siedlungsgebiet ab. Zusätzliche Bedeutung erhält der Befund durch seine erst in den letzten Jahren entdeckte, außergewöhnliche Lage im Innenraum einer spätkeltischen Wall-Graben-Anlage („Viereckschanze“). Aus dieser ansonsten bislang unbekannten Befundkonstellation ergeben sich neue Impulse zur sozialhistorischen Bewertung eines der bedeutendsten Grabfunde der Keltiké. Auch wenn die Forschungen im Rahmen des hier vorgestellten Dissertationsprojektes noch im vollen Gange sind, zeichnet sich ab, dass mit dem Dührener Prunkgrab sowie weiteren Fundstellen entlang des Unterlaufs des Neckars eine herausgehobene keltische Bevölkerungsschicht fassbar wird, die möglicherweise vom Gütertransport auf dem Wasserwegenetz sowie von der geringen Entfernung zur Fernhandelsroute entlang des Oberrheins profitierte.

Abstract The female burial of Sinsheim-Dühren (Rhein-Neckar-Kreis, Baden-Württemberg), discovered in 1865, is one of the most exceptional lavishly equipped graves in Iron Age Middle Europe.The ensemble of grave goods shows a considerable variety not least with regard to many funerary traditions known especially from the northern italic region. An additional importance must be attached to the burial by it’s location inside a square enclosure. Even if the research isn’t completed yet, it becomes apparent, that the rich burial of Sinsheim-Dühren as well as further findspots along the Lower Neckar are the archaeological evidence of a marked celtic social group, which possibly profited from the goods transport on the river as well as from the geographical proximity to the long-distance trade route along the Rhine valley.

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Im Rahmen der 3. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie konnten die bisherigen Ergebnisse der Dissertation „Das mittellatènezeitliche Prunkgrab von Sinsheim-Dühren und seine Stellung im spätkeltischen Besiedlungsbild des unteren Neckarraumes“ vorgestellt werden, die zur Zeit am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen verfasst wird. Das bereits im Jahr 1865 entdeckte, reich ausgestattete Frauengrab von Sinsheim-Dühren (Rhein-Neckar-Kreis, Baden-Württemberg; Abb. 1) zählt zu den bedeutendsten Grabfunden der jüngeren Latènezeit im mitteleuropäischen Raum. So ragt die in die ausgehende Mittellatènezeit (Lt C2) datierende Bestattung nicht nur aufgrund des Umfangs, sondern auch wegen der außergewöhnlichen Zusammensetzung ihres Beigabenensembles völlig aus dem Spektrum der bislang bekannten, zeitgleichen Gräber im Gebiet nördlich der Alpen heraus1. Der in derVergangenheit mehrfach pauschal als „Fürstinnengrab“ angesprochene Befund (Fischer 1986: 225; Bockius 1990: 675) zeigt neben einem einheimischen Beigabenspektrum zahlreiche, in dieser Intensität sonst unbekannte Bezüge in den italischen Raum. Dadurch erlaubt das Grab von Sinsheim-Dühren in besonderer Weise einen Blick auf das Totenbrauchtum einer Bevölkerungsgruppe, die aufgrund eines gesteigerten Bestattungsaufwands als herausragend zu bezeichnen ist. Trotz seines großen Erkenntnispotentials zu Form und Trägern der spätkeltischen Prunkgräbersitte fand der außergewöhnliche Grabfund in der Latèneforschung dennoch bislang nur unzureichend Beachtung2. Die Kenntnislage zum eigentlichen Grabbefund ist durch die unsystematische Bergung – das Grab war beim Bepflügen eines Ackers entdeckt und durch den Finder geborgen worden – sowie spätere Zerstörungen als denkbar schlecht zu bezeichnen. Dennoch lässt sich der Befund in seinen Grundzügen rekonstruieren. Es handelt sich demnach um eine einzelne, etwa West-Ost-orientierte Körperbestattung, die von den zahlreichen Beigaben umgeben war (Schumacher 1890: 409-10; vgl. auch Polenz 1982: 58-9). Allein aufgrund des Umfangs und der Art der Beigaben ist vermutlich von einer größeren und stärker in den anstehenden Boden eingetieften Grabgrube auszugehen3. Zahlreiche größere „Kalkbrocken“ (Schu-

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Abb. 1: Lage der Grabfunde von Sinsheim-Dühren (1) und Neckarsulm (2) (Kartengrundlage: Wagner 2006).

macher 1890: 410) könnten auf Steineinbauten in dem wohl als Flachgrab anzusprechenden Befund (vgl. Fischer 1993a: 116) hinweisen. Für die Datierung des Fundkomplexes4 sind die insgesamt sieben überlieferten Fibeln vom Mittellatèneschema maßgebend (Abb. 2,4-10), die sich größtenteils in das entsprechende Typenspektrum der Phase Lt C2 im süddeutschen Raum einfügen (vgl. Polenz 1971: 356). Mehrere Anhaltspunkte sprechen für eine zeitliche Einordnung des Grabfundes in einen fortgeschrittenen Abschnitt oder an das Ende dieses Zeithorizontes5 (ders. 1982: 110-1; 155-6). Bislang völlig singulär im Raum nördlich der Alpen ist hingegen ein ungleiches Silberfibelpaar mit reichem, meist aufgelötetem Filigrandekor aus Silber und Gold6. Weder für die ungewöhnliche Verzierung der vollständig erhaltenen Silberfibel vom Typ Beltz Var. G (Abb. 2,4) – bestehend aus einer traubenförmigen Granalienzier der Bügelmanschette sowie einer scheibenförmigen Fußzier – ,

Abb. 2: Auswahl von Funden aus dem Prunkgrab von Sinsheim-Dühren (unterschiedliche Maßstäbe; nach Polenz 1982: Abb. 4).

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noch für die Gestaltung der zweiten, in Bruchstücken überlieferten Silberfibel mit plastisch verziertem Bügelknoten (ähnlich Beltz Var. F; Abb. 2,5) sind konkrete Parallelen belegt (vgl. Krämer 1971: 130 mit Taf. 30). Von einer antiken Reparatur im Bereich der Spirale des fragmentarisch erhaltenen Trachtobjektes zeugen eine später eingezogene eiserne Spiralachse sowie eine separat gefertigte Nadel und eine zusätzliche Schmucksehne (vgl. Schumacher 1890: 411-2). Dies belegt, dass diese Fibel, möglicherweise nach längerer Nutzung, erst in einer sekundärenVerwendung als Beigabe in das Grab gelangt sein dürfte. Hinsichtlich der Herkunftsbestimmung der Dührener Silberfibeln lassen sich bislang noch keine abschließenden Aussagen machen. Mehrfach wurde eine Herstellung der beiden Stücke im italischen Raum erwogen, nicht zuletzt aufgrund der im Sachgut des Prunkgrabes fassbaren zahlreichen Bezüge in die mediterrane Region (Krämer 1971: 130; Polenz 1982: 191). Aber auch wenn v. a. aus Oberitalien ähnliche Verzierungselemente an Fibeln aus Edelmetall bekannt sind (vgl. Barfield 1971:Taf. 46; Krämer 1971: 130), ist ein direkter Import aus dem Gebiet südlich der Alpen nicht zwingend vorauszusetzen. Die Dührener Silberfibeln weisen vielmehr Gestaltungsmerkmale auf, die gleichermaßen an ihre Fertigung im Latènemilieu und somit an die Umsetzung eines mediterranenVorbilds denken lassen7, wenngleich eine regionale Eingrenzung noch nicht vorgenommen werden kann. Da also für eine lokale Herstellung bislang keine Anhaltspunkte vorliegen, sind die beiden Trachtobjekte m. E. eher als Fremdgüter im südwestdeutschen Raum anzusprechen. Gleiches gilt für eine heute verschollene eiserne Korallenfibel mitteldeutscher Provenienz (Abb. 2,10; Bockius, Łuczkiewicz 2004: 23-6). Auch für dieses in Südwestdeutschland singuläre Stück lässt sich ein direkter Import aus dem nördlich an den keltischen Kulturraum angrenzenden Barbaricum bislang nicht belegen (ebd.: 114-5 mit Abb. 21). Dennoch unterstreicht es, zusammen mit den Fibeln aus Edelmetall, die überregionalen Verflechtungen, die am Dührener Fundensemble fassbar werden. Trotz der ungewöhnlichen Fibelfremdformen zeigt die weitestgehend als geschlechtsspezifisch anzusehende Trachtausstattung der in Dühren Bestatteten vorwiegend einheimische Elemente. Ebenso wie die Bronzefibeln finden auch die meisten anderen hier

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überlieferten Trachtbestandteile Parallelen in Fundkontexten der ausgehenden Mittellatènezeit im mitteleuropäischen Raum. So weist beispielsweise der Glasschmuck (Abb. 3,3-13) eine größtenteils regionaltypische Zusammensetzung auf (Wagner 2006: 191-2 Kat. 150-5; 261-2 Kat. 102-9). Auch für den in Teilen überlieferten Bernsteinschmuck (Abb. 2,11-3.158) sowie die beiden Fingerringe aus Gold (Abb. 2,2-3) lassen sich Vergleiche in zeitgleichen Gräbern festmachen, wobei sich die in Dühren fassbare Kombination von Mehrfibeltracht, Goldfingerringen und umfangreichem Glas- und Bernsteinschmuck regelmäßig in reich ausgestatteten Frauengräbern findet (Jud 1998: 131-4; Göhlich 2004). Für das Dührener Grab deutet sich dabei aufgrund des goldenen Spiralfingerringes ein engerer Bezug zur nordalpinen Schweiz an, gleiches gilt für Teile des Glasschmucks (Waldhauser 1998: 90-100; Wagner 2006: 139). Neben der umfangreichen Beigabe an Trachtschmuck weist auch die weitere Ausstattung des Dührener Grabes eine bemerkenswerte Zusammensetzung auf. Eindeutig einer im Raum nördlich der Alpen belegten Beigabetradition folgt das fast vollständig geborgene, heute jedoch verschollene dreibeinige Kesselgestell (Abb. 4,7). Von dem zugehörigen Kesselgehänge aus Eisen sowie dem Bronzekessel sind lediglich wenige Fragmente überliefert (vgl.Wagner 1911: 333). Dreibeine sind ab der ausgehenden Mittellatènezeit in geringer Zahl aus jüngerlatènezeitlichen Gräbern bekannt und zeigen sich durchweg an Bestattungen mit einem gesteigerten Grab- bzw. Beigabenaufwand gekoppelt. Dabei sind die Grabfunde mit Dreifussbeigabe als auch weitere Bestattungen mit anderen Formen repräsentativen Herdgeräts häufig durch die zusätzliche Beigabe equidischen Totenzubehörs sowie mediterranen Formenguts ausgezeichnet (Schönfelder 2002: 65-74; 345-7 mit Tab. 57). Aufgrund des Umfangs und eines ähnlichen Kategorienspektrums der Grabausstattung wurde die Beigabe von equidischen Objekten auch für das Prunkgrab von Sinsheim-Dühren erwogen (Martini 2007: 537 Anm. 62). Da sich hierfür im Fundgut jedoch keine konkreten Anhaltspunkte finden (vgl. Gleser 2005: 324), muss diese Annahme hypothetisch bleiben. Einen deutlichen Schwerpunkt im Fundinventar des Prunkgrabes bildet ein Objektensemble, dessen For-

Abb. 3: Auswahl von Funden aus dem Prunkgrab von Sinsheim-Dühren (unterschiedliche Maßstäbe; nach Polenz 1982: Abb. 5).

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Abb. 4: Auswahl von Funden aus dem Prunkgrab von Sinsheim-Dühren (unterschiedliche Maßstäbe; nach Polenz 1982: Abb. 6).

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menschatz und ursprünglicher Verwendungszweck im Bestattungsbrauchtum in den italischen Raum verweisen und das hier in m. E. bislang singulärer Intensität eine Rezeption der fremden Beigabesitten belegt. Dass hierbei zumindest zum Teil von einem keltischen Transformationsprozess auszugehen ist, zeigt in eindrücklicher Weise die Beigabe einer im süddeutschen Raum geprägten sog. Kreuzmünze (Typ Dühren; Abb. 2,1). Eine systematische Analyse münzführender latènezeitlicher Bestattungen durch H. Polenz (1982) erbrachte, dass die bereits ab dem 3. Jh. v. Chr. im Raum nördlich der Alpen nachweisbare Beigabesitte in zunehmendem Maße eine eigenständige Umsetzung und Verfremdung erfuhr. Dabei wurde diese außergewöhnliche Ausstattung, die auf nur wenige, meist reichere Frauengräber beschränkt zu bleiben scheint, in das regional vorherrschende Totenbrauchtum eingebunden. Aufgrund der sich hieraus ergebenden großen Variationsbreite in der Beigabeweise ist, H. Polenz folgend, in der Sitte der Münzbeigabe in latènezeitlichen Gräbern somit insgesamt weniger eine formal und möglicherweise auch inhaltlich korrekte Übernahme des mediterranenVorbildes als eher in erster Linie ein Statussymbol zu sehen (ebd.: 205-17). Als solches dürften auch die in jüngerlatènezeitlichen Bestattungen Mitteleuropas äußerst selten belegte bzw. singuläre Beigabe zweier unterschiedlicher Spiegel (Abb. 4, 1-2; vgl. Fischer 1986: Taf. 17) sowie eines Satzes von kugeligen Glasobjekten (vgl. Abb. 2,24) anzusehen sein, die aufgrund von Parallelen im italischen Raum übereinstimmend als Spielsteine gedeutet werden (Krüger 1982: 177-8; vgl. auch den Beitrag Wendling in diesem Band). Während für die Glasspielsteine aufgrund von Farbentsprechungen im zeitgleichen Glasschmuck Südwestdeutschlands eine einheimische Herstellung nahe liegt (Wagner 2006: 141), ist die Herkunft der beiden Spiegelfunde noch ungeklärt. Anders als für den unverzierten und in einem Stück gegossenen Griffspiegel mit aufgeworfenem Rand, für den bislang keine Vergleichsbeispiele bekannt wurden, liegen für die Spiegelscheibe aus Zinnbronze mehrere Parallelen aus jüngerlatènezeitlichen Siedlungskontexten im Raum nördlich der Alpen vor (v. Endert 1991: 62-3; Wieland 1998: 33-6). Eine Entstehung im keltischen Raum ist – nicht zuletzt im Hinblick auf die Tatsache, dass die Spiegelscheiben meist nur aufgrund

der beigefundenen Bronzegefäße als Südimport interpretiert wurden (vgl. v. Endert 1991: 65) – für diese Objekte nicht auszuschließen. Ob dies auch auf den Griffspiegel zu übertragen ist, wie mit dem Spiegel von Hochheim/Main (Main-Taunus-Kreis, Hessen) ein mögliches weiteres Zeugnis spätkeltischer Toreutik (ebd.: 64) anzudeuten scheint, muss dabei bislang offen bleiben. Für die Phase Lt C2 ungewöhnliche Zeugnisse einer „mediterranisierten“ Beigabenaustattung sind auch die aus dem Dührener Grab bekannt gewordenen Bronzegefäße (Abb. 4,8-9). Sowohl für die Pfanne wie auch für das Bronzekännchen ist hinsichtlich der Formgebung eine ursprünglich italische Provenienz unstrittig (Feugère, De Marinis 1991: 97-112; Castoldi 2000: 409-12). Dennoch sprechen auch hier mehrere Anhaltspunkte für eine zumindest teilweise Umsetzung der mediterranen Vorbilder im latènezeitlichen Milieu. Neben der ungewöhnlichen Form des Pfannenkorpus zählt hierzu der vergleichsweise kurze, höchstwahrscheinlich antik reparierte Pfannenstiel, der an seinem Ende statt des Kopfes eines Wasservogels einen bislang völlig singulären, fein gearbeiteten Widderkopf trägt (vgl. Feugère, De Marinis 1991: 105-7 mit Abb. 7). Gute stilistische Vergleiche zu der Gestaltung des zoomorphen Stielendes finden sich in einer Stierkopfprotome aus dem Oppidum von AltenburgRheinau (Fischer 1993b: 120-1) sowie einem hundekopfartigen Ausgussbeschlag aus dem Oppidum von Manching (v. Endert 1991: 46; Taf. 9,237). Auch wenn sich ein möglicher Produktionsort für die Dührener Bronzepfanne bislang nicht benennen lässt, weisen die genannten Parallelen die Entstehung zumindest des Pfannenstiels in den süddeutschen Raum. Ob auch der Korpus einheimisch – möglicherweise in einer der Metall verarbeitenden Werkstätten der Großsiedlungen an Hoch- und Oberrhein – gefertigt wurde, wird ebenso Inhalt der kommenden Untersuchungen sein wie eine systematische Herkunftsanalyse des ovoiden bis bikonischen Bronzekännchens, für das eine Ansprache als keltisches Derivat ebenfalls nahe liegt8 (vgl. Schumacher 1890: 419). Betrachtet man zusammenfassend die hier vorgestellten Überlegungen, so zeigt sich das Beigabenensemble des reichsten bislang bekannten mittellatènezeitlichen Frauengrabes (vgl. Schönfelder 2002: 79) als eine

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Abb. 5a: Sinsheim-Dühren, Gesamtplan der Grabungsaktivitäten von K. Schumacher im Jahr 1889 (Vorlage: Ortsarchiv Archäologische Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Karlsruhe; Umzeichnung: J. Spohn): a: Grabungsschnitt durch die als Grab bezeichnete Stelle. – b-d: rechtwinklig dazu angelegte Sondagen. – e: Sondage entlang der verkohlten Hölzer (hier als schwarze Signatur). – f: bandförmige Holzkohlekonzentration entlang der westlichen Grabenwandung.

weitgehend in den keltischen Kulturraum eingebundene Totenausstattung. Dabei lässt sich der umfangreiche Trachtschmuck, der Parallelen in weiteren, meist durch einen herausgehobenen Beigabenaufwand ausgezeichneten Gräbern besitzt, gut in das Formen- und Objektspektrum der ausgehenden Mittellatènezeit vor allem im süddeutschen Raum und der nordalpinen Schweiz verorten. Auch die Beigabe des Kesselgestells bindet den Befund an exzeptionell ausgestattete jüngerlatènezeitliche Bestattungen des keltischen Siedlungsgebietes an (vgl. ebd.: 345-9). Als äußerst bemerkenswert erweist sich die mediterran beeinflusste Ausstattung des Dührener Grabes, deren Umfang und Zusammensetzung bislang keine Parallelen in mittelund spätlatènezeitlichen Bestattungen im Raum nördlich der Alpen besitzen. Gerade vor dem Hintergrund des erst in der Stufe Lt D vermehrt auftretenden sog.

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Südimports in Mitteleuropa erstaunt die hier bereits umfangreiche Rezeption eines fremden Totenbrauchtums, bildet doch das Dührener Grab für mehrere seiner mittelmeerischen Objektkategorien hier einen der frühesten Nachweise9. Insbesondere aufgrund der Tatsache einer stark mediterran ausgerichteten Beigabenausstattung wurde in der Latèneforschung teilweise eine Herkunft der in Dühren Bestatteten aus diesem geographischen Raum erwogen, wobei die im Inventar ebenso fassbaren „einheimischen“ Trachtbeigaben als Indikator für den Grad der Integration der Grabinhaberin gewertet wurden (vgl. Polenz 1982: 191; 2134). Die hier aufgezeigte überwiegende – wenn nicht sogar vollständige – eigenständige Umsetzung des mediterranen Formenguts stellt, zusammen mit dem beigegebenen Trachtschmuck, das Prunkgrab m. E. jedoch eindeutig in einen mitteleuropäischen Kontext. Daher

Abb. 5b: Sinsheim-Dühren, Gesamtplan der Grabungsaktivitäten von K. Schumacher (Vorlage: Ortsarchiv Archäologische Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Karlsruhe) mit Einzeichnung der Zone der anzunehmenden Überdeckung durch Graben und Wall der Viereckschanze (Umzeichnung und Ergänzungen: J. Spohn).

ist eine fremde Abstammung der dort bestatteten Frau, möglicherweise auf der Basis einer „politischen“ Heiratsbeziehung (ebd.: 215), keinesfalls zwingend anzunehmen. Vielmehr ist R. Bockius und P. Łuczkiewicz (2004: 26 mit Anm. 151) zu folgen, die neben einer Herkunft aus „mediterran überformten Gebieten“, wie z. B. Südgallien oder dem Südostalpenraum, eine „native Herkunft der Bestatteten vom unteren Neckar“ durchaus gleichberechtigt in Betracht ziehen. Ob die südlichen Güter in letzterem Falle als Aneignung „transzendenten Gedankenguts“ oder als „bloßer Ausdruck von Besitzstand“ (ebd.: 26 Anm. 151) zu werten sind, muss an dieser Stelle offen bleiben. Eine Bewertung der gesellschaftlichen Position der in Dühren Bestatteten ist allein auf der Basis einer Analyse des Beigabenensembles nur bedingt vorzunehmen, greift doch die Annahme einer einfachen

Korrespondenz zwischen Grabreichtum und sozialem Stand zu kurz (vgl. Arnold 2008: 377). Dennoch lassen sich m. E. anhand des hier vorliegenden Inventars sowie der Ausstattungsparallelen in weiteren jüngerlatènezeitlichen Bestattungen des keltischen Siedlungsgebietes durchaus gewisse Rückschlüsse auf die Grabinhaberin bzw. die bestattende Gemeinschaft ziehen. Wie die im Rahmen dieses Beitrags vorgestellte Beigabenanalyse zeigt, weist das aus Dühren belegte Objektensemble zahlreiche Verbindungen zu einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Gräbern auf, denen ihrerseits häufig aufgrund eines herausragenden Grab- bzw. Beigabenaufwandes sowie einer teilweise auffälligen topographischen Lage eine Sonderstellung unter den Grabfunden des 2. und 1. Jh. v. Chr. im Raum nördlich der Alpen zukommt.Vielfach sind diese Befunde den höchsten lokalen oder regionalen

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Abb. 6: Umzeichnung der bekannten Teile der Viereckschanze von Sinsheim-Dühren mit Einzeichnung der ungefähren Lage des Grabes (nach Matthes et al. 2007: 87 Abb. 65).

Ausstattungskategorien zuzuordnen (vgl. beispielsweise Polenz 1982: 214; Jud 1998: 142-3; Schönfelder 2002: 349-52). Auch wenn freilich eine Vielzahl von Faktoren für das Zustandekommen eines archäologisch fassbaren Grabinventars verantwortlich zeichnet, dürften diese Grabausstattungen – zumal sie sich von der Menge der eher uniform ausgestatteten zeitgleichen Gräber deutlich abheben – doch als Zeugnis eines materiellen Wohlstandes bzw. bestimmter Beigabeprivilegien (Schönfelder 2002: 349-50) und somit in einem gewissen Maße als eine Reflexion des sozialen Standes der hier repräsentierten Bevölkerungsgruppe zu werten sein (vgl. Arnold 2008; 376-77). Eine verlässlichere diesbezügliche Einordnung kann jedoch letztlich erst unter Einbeziehung des jeweiligen lokalen und regionalen Kontextes gelingen, was im Folgenden für das Prunkgrab von Sinsheim-Dühren in Ansätzen vorgenommen werden soll. Bemerkenswert ist ein in geringer Entfernung westlich der Fundstelle des Grabes vorbeiführender Spitzgraben (Abb. 5a), den bereits K. Schumacher bei der ersten systematischen Untersuchung des Fundplatzes im Jahr 1889 in Teilen erfasst hatte und den er später als Bestandteil einer Viereckschanze ansprach. In diesem konnte er über eine Länge von mehr als 30 m Reste verkohlter Hölzer sowie verziegeltes Erdreich feststellen, was ihn dazu veranlasste, das Ende der Anlage in einer Brandkatastrophe zu vermuten (Schumacher 1931: 14-5). Eine neue systematische Untersuchung der Fundstelle in den Jahren 2006 und 2007 unter Leitung von G.Wieland (Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 25 Denkmalpflege) bestätigte diese Interpre-

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tation in vollem Umfang.10 Von der Schanzenanlage ist bislang durch großflächigere geophysikalische Untersuchungen ein L-förmiger Grabenabschnitt von ca. 120 m bzw. ca. 50 m Länge bekannt, wobei auf keiner Seite ein deutlicher Abschluss erfasst werden konnte (Abb. 6). Somit dürfte die Dührener Viereckschanze im oberen Bereich des bekannten Größenspektrums dieser Denkmälergattung anzusiedeln sein (Matthes et al. 2007: 88-9; vgl. auch Wieland 1999: 121-207). Durch die nun fassbare Orientierung der Grabenstrukturen ergibt sich für den Dührener Fundplatz eine m. E. bislang singuläre und äußerst bemerkenswerte Befundkonstellation, da das Prunkgrab eindeutig innerhalb der Schanzenanlage zu lokalisieren ist. Auffällig ist die Lage der Bestattung im Westen des Innenraums. Bei einem aufgrund der topographischen Gegebenheiten am ehesten im Osten anzunehmenden Eingangsbereich der Schanze befände sich das Grab an der rückwärtigen Seite der Anlage und somit in einer Zone, die in zahlreichen anderen Wall-Graben-Anlagen durch meist größere Gebäudegrundrisse geprägt und herausgehoben ist (zusammenfassend Wieland 1999: 34-5; 2006: 357). Da das aus dem Bereich der Schanze geborgene Fundmaterial jedoch noch keine Feindatierung innerhalb des Zeithorizonts Lt C2/D zulässt (Matthes et al. 2007: 89), muss die direkte intentionelle Zusammengehörigkeit der beiden Befunde bislang hypothetisch bleiben. Bei einer möglichen Gleichzeitigkeit der Bestattung und der Schanze ergäbe sich mit dem Befundensemble von Dühren die erstmalige eindeutige Zuweisung eines – zudem exzeptionell ausgestatteten – Grabfundes zu dieser Siedlungskategorie. Gegen eine Gleichzeitigkeit scheint hingegen die auffallend randliche Lage des Grabes im Innenraumbereich zu sprechen. Zwar ist die ursprüngliche Breite von Wall und Graben der Schanze ebenso wenig wie die genaue Lage der eigentlichen Grabgrube zu ermitteln11. Geht man jedoch von den für die durchschnittlichen Graben- und Wallbreiten üblichen Werten von ca. 4-6 m bzw. 7 m aus (Wieland 1999: 42), so ist eine Überdeckung des Flachgrabes durch den inneren Randbereich des Walls sehr wahrscheinlich12 (Abb. 5b). In diesem Fall läge für SinsheimDühren eine Mehrphasigkeit des Fundplatzes von der ausgehenden Mittellatène- bis in die Spätlatènezeit vor und somit ein Phänomen, das bereits von zahlreichen

Abb. 7: Überlieferte Beigaben des latènezeitlichen Körpergrabes von Neckarsulm. Fundnotizen vom 28.3.1928 von O. Paret (nach Polenz 1982: Taf. 2, 2-3).

anderen Schanzenfundplätzen bekannt geworden ist (zusammenfassend ders. 2006: 358-60). Das Ende der Dührener Viereckschanze ist – analog zu einer Vielzahl vergleichbarer Anlagen im süddeutschen Raum – durch einen Brandhorizont bestimmt, der sich hier jedoch zeitlich noch nicht näher eingrenzen lässt. So kamen auch im Rahmen der aktuellen archäologischen Untersuchungen an der Fundstelle Brandreste zutage, wenngleich die im Jahr 1889 von Schumacher beobachteten „Bretterlagen“ in dieser Form bislang nicht angetroffen wurden. Der von ihm beschriebene Befund weist enge Parallelen zur Viereckschanze II von Nordheim (Kr. Heilbronn, Baden-Württemberg) auf, in deren Graben ebenfalls verkohlte Hölzer beobachtet werden konnten (Neth 2005: 53). Die dort vorgenommene Interpretation als Teile einer verstürzten Holzpalisade ist auch für den Dührener Befund plausibel. Wenngleich das Dührener Prunkgrab bis heute

eine singuläre Erscheinung unter den wenigen jüngerlatènezeitlichen Bestattungen in Südwestdeutschland darstellt, so fällt doch die räumliche Nähe zu einem weiteren ungewöhnlichen Grabfund auf, der bemerkenswerte Ausstattungsparallelen aufweist. Es handelt sich hierbei um das ca. 25 km weiter östlich gelegene Frauengrab von Neckarsulm (Kr. Heilbronn; Abb. 1), das wohl ebenfalls an das Ende der Phase LT C2 zu datieren ist (Polenz 1982: 77; 1124; vgl. auch Wieland 1999: 60-1). Der Befund ist leider nur äußerst fragmentarisch überliefert. Dennoch stellen eine zum Dührener Grab identische Kreuzmünze, ein Spiralfingerring aus Bronze13 sowie Teile von Bernsteinschmuck (Abb. 7) einen engeren Bezug der beiden Grabfunde zueinander her. Auch wenn weitere signifikante Funde ausblieben, weist die Präsenz dieser nicht zur regelhaften Beigabenausstattung im jüngerlatènezeitlichen Bestattungsbrauchtum zählenden Objektgruppen auf eine

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herausgehobene, möglicherweise ursprünglich umfangreicher ausgestattete Bestattung hin, der allein aufgrund der Münzbeigabe ein Sonderstatus zuzuweisen ist (vgl. Polenz 1982: 211-7). Eine mit dem Grab in direkter Verbindung stehende Siedlungsstelle konnte bislang nicht erfasst werden. Dennoch legen zwei kleinere, jüngerlatènezeitliche Fundstellen im weiteren Umfeld des Frauengrabes eine kontextuelle Verortung dieses Grabfundes in eine ländliche Siedlungsstruktur nahe (vgl. Wieland 1996: 19-24; 240-2 Kat. 312-5). Bemerkenswert ist einer dieser Fundplätze, aus dem neben mehreren Töpferöfen auch Briquetageziegel bekannt wurden (ebd.: 241-2 Kat. 313). Ob die Bestattung mit dieser Siedlung und somit möglicherweise mit der Nutzung der Salzquellen in der Region in Verbindung stand, muss beim derzeitigen Forschungsstand jedoch ebenso völlig offen bleiben wie die Frage einer auf der Basis dieses Wirtschaftsfaktors (ebd.: 164; 178) eventuell stärker hier­archisch gegliederten Siedlungs- und Gesellschaftsstruktur des Gebietes. Auch für den Dührener Grabbefund ist der zeitgleiche regionale Siedlungskontext weitgehend offen, da eine systematische Fundstellenanalyse bislang noch am Anfang steht. Waren jüngerlatènezeitliche Siedlungsspuren aus dem nördlichen Kraichgau bis vor kurzem fast völlig unbekannt, so legen einige in den letzten Jahren erfasste Fundplätze mittlerweile eine Besiedlung nahe (Matthes et al. 2007: 90), deren Struktur jedoch noch gänzlich unbekannt ist. Dennoch machen der engere Bezug zu der umgebenden Viereckschanze auf lokaler Ebene sowie das bislang rekonstruierbare mittel- und spätlatènezeitliche Besiedlungsbild für das Neckarmündungsgebiet und die angrenzenden Landschaftseinheiten auf regionaler Stufe eine Einbindung des exzeptionellen Frauengrabes in ein eher ländlich geprägtes Milieu wahrscheinlich. Deutlich ausgeprägte Strukturierungs- und Hierarchisierungstendenzen im Siedlungsgefüge, wie sie beispielsweise am Ende der Phase Lt C2 entlang des südlichen Oberrheins fassbar werden, sind in diesem geographischen Raum bislang nicht zu erkennen (ähnlich auch Wieland 1996: 181; Nick 2006: 150-6; 256-7). Gleichwohl unterstreichen zentrale Siedlungen, die wohl als Warenumschlagsplätze auch für Fernhandelsgut fungierten, und Viereckschanzen in verkehrsgeographisch günstiger Lage die

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herausragende Bedeutung dieser Gebiete entlang der beiden großen schiffbaren Wasserwege in Südwestdeutschland (Wieland 2000: 80-84; Neth 2005; 48; Nick 2006: 150-6). In diesem Zusammenhang ist die Lage der beiden außergewöhnlichen Frauengräber von Neckarsulm und Dühren im näheren bzw. weiteren Umfeld des Neckars auffallend14. Ein Hinweis auf die gesellschaftliche Einordnung der in den beiden Gräbern fassbaren Bevölkerungsgruppe ergibt sich möglicherweise durch einen Blick auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der jüngeren Latènezeit im deutlich besser erforschten südlichen Oberrheingebiet. Dort finden sich im Umfeld der großen, unbefestigten Zentralorte zahlreiche Siedlungen von gehöftartigem Charakter. In diesen werden die Wohnstätten einer umfangreicheren, Land besitzenden Bevölkerungsschicht vermutet, die durch die Verfügungsgewalt über den landwirtschaftlichen Ertrag im Umland sowie gegebenenfalls über weitere Rohstoffquellen einen bedeutsamen wirtschaftlichen und somit auch politischen Machtfaktor dargestellt haben dürfte. Aufgrund der Lage dieser Siedlungen entlang des Wasserweges sowie der dort belegten Fundspektren ist zudem eine gewisse, wohl aktive Partizipation der Bewohnerschaft an der handwerklichen Produktion sowie am regionalen und überregionalen Güteraustausch festzumachen (Wendling 2006: 621-7). Wie H. Wendling darlegte, ist dabei ein gewisser sozialer Status alsVoraussetzung und gleichzeitig als Produkt dieses wirtschaftlichen Engagements anzusehen (ebd.: 625). Zeugnisse eines nicht unbeträchtlichen materiellen Wohlstandes dieser sozialen Gruppe, der eine maßgebliche Rolle bei der Herausbildung und Kontrolle der protourbanen Großsiedlungen zugekommen sein dürfte, sind Funde von als „prestigeträchtig“ angesehenem Südimport – in erster Linie Amphorenfunde –, der nicht zum üblichen Fundspektrum ländlicher Siedlungen zählt (ders. 2005: 22; 2006: 626). Auch in den Viereckschanzen entlang des mittleren und unteren Neckars weist das häufigere Auftreten mediterranen oder mediterran beeinflussten Sachguts auf einen gehobenen Lebensstandard der entsprechenden Bewohnerschaft hin, deren „elitärer“ Status wahrscheinlich auf den gleichen Faktoren beruhte wie sie für die vergleichbaren Siedlungen im südlichen Oberrheingebiet angenommen werden

(Wieland 1999: 58-61; Neth 2005). Dabei wird die Teilhabe an der Vermittlung des Warenstroms über den Fluss durch die verkehrsgeographisch günstige Lage dieser ländlichen Siedlungen offenkundig (Wieland 2000: 80-4; Neth 2005: 48). Sind in dem exzeptionellen Prunkgrab von Sinsheim-Dühren sowie unter Vorbehalt auch dem Grabfund von Neckarsulm Bestattungen von Angehörigen dieser wirtschaftlichen und politisch bedeutsamen Gesellschaftsschicht zu fassen? Ein Hinweis hierauf könnte die außerordentliche Akkumulation von mediterranem Formengut in Dühren sein, die in eindrucksvoller Weise eine Einbindung in ein überregionales Kontaktsystem belegt. Für eine aktive Teilnahme an Handel und Gütertransfer könnte darüber hinaus die Beigabe eines kleinen polierten Blockes aus schieferartigem Gestein (Abb. 2,26) sprechen, der wahrscheinlich zur Überprüfung des Edelmetallgehalts von Münzen diente. Vergleichbare Stücke sind in den letzten Jahren beispielsweise aus mehreren latènezeitlichen Oppida Frankreichs bekannt geworden (Chabot 2004: 231; Fleischer, Teegen 2004: 4-5) und

werden dort aufgrund nachweisbaren Goldabriebs entsprechend interpretiert. Die bisherigen Forschungen zum Prunkgrab von Sinsheim-Dühren und seinem regionalen Umfeld haben bereits wichtige neue Erkenntnisse zur Einordnung dieses für die Latènezeit in Mitteleuropa einzigartigen Befundes geliefert und gleichzeitig neue Fragen aufgeworfen. Dabei zeigt sich, dass eine eingehendere Untersuchung des Grabes und der damit verknüpften kultur- und sozialhistorischen Fragestellungen erst in einer Synthese aus einer systematischen regionalen Fundstellenanalyse und einer überregional vergleichenden Studie gelingen kann.Von großer Bedeutung sind hierbei – nicht zuletzt im Hinblick auf die Distribution des in den mediterranen Raum verweisenden Sachguts – Überlegungen zur Anbindung des Dührener Grabfundes an den Fernhandels- und Kommunikationsstrang des Rheintals sowie das Verhältnis zu den sich in dieser Zeit herausbildenden spätkeltischen Siedlungs- und Wirtschaftszentren etwa am südlichen Oberrhein.

Notes 1 Der zeitweise zur Bezeichnung des Grabfundes benutzte Terminus „Prunkgrab“ ist hier im Sinne einer durch einen überdurchschnittlichen Grab- bzw. Beigabenaufwand herausgehobenen Bestattung zu verstehen (vgl. Steuer 2006: 13). 2 Grund hierfür ist neben der bislang ausstehenden umfassenden Fundanalyse die weitgehend fehlende Rekonstruktion des regionalen Siedlungsgefüges dieser Zeit. 3 Nach den Angaben des Finders wurde die Körperbestattung in einer Tiefe von ca. 0,6-0,8 m erfasst. Aufgrund der auf dem Geländerücken anzunehmenden massiveren Erosionsprozesse (vgl. Matthes et al. 2007: 88-9) ist für das Prunkgrab allerdings eine deutlich größere ursprüngliche Grabtiefe anzunehmen. 4 Eine systematische Zusammenstellung des Dührener Grabinventars kann im Rahmen dieses Beitrags nicht geleistet werden. Hierzu sei auf Polenz (1982: 58-65 mit Abb. 4-6) verwiesen. 5 Neben der Gestaltung des Fußes der vollständig erhaltenen Silberfibel (Abb. 2,4) sprechen die Formgebung einer Bronzefibel mit ursprünglich 16-schleifiger Spiralkonstruktion und eiserner Spiralachse (Abb. 2,6) sowie eine eiserne Fibel mit Korallenperlenbesatz (Abb. 2,10) für einen jüngeren Ansatz innerhalb der Phase Lt C2 (vgl. Polenz 1982: 110-1; Bockius,

Łuczkiewicz 2004: 23). 6 Die Verzierung der beiden Silberfibeln wurde in der Vergangenheit als überwiegend vergoldete Silberauflagen angesprochen (so z. B. auch Schumacher 1890: 410-3). Diese Annahme beruht durchweg auf makroskopischen Analysen (vgl. Polenz 1982: 111 Anm. 137). In Kooperation mit dem am Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Freiburg i. Br. laufenden Dissertationsprojekt „Studien zur Herstellung von latènezeitlichem und provinzialrömischem Silberschmuck in Mitteleuropa“ (B. Schorer M. A.) sollen auch die Dührener Silberfibeln erstmals einer umfassenden makro- und mikro­ skopischen sowie chemischen Analyse unterzogen werden. 7 So sah bereits Schumacher (1890: 413) die „geperlten Goldund Silberdrähte“ der Fibeln als mögliche Nachahmung einer ursprünglich in Filigran- oder Granulierarbeit ausgeführten Verzierung an. 8 Neben den stilistischen Untersuchungen soll die Herstellungsregion der beiden Bronzegefäße mittels Metallanalysen geklärt werden. 9 Dies gilt für die Beigabe an Spielsteinen genauso wie für die Spiegelfunde und das Bronzegeschirr (vgl. Wagner 2006:141 mit Anm. 147; Schönfelder 2002: 339 mit Anm. 1147; Gleser

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2005: 334). Lediglich für die Sitte der Münzbeigabe lassen sich – wie bereits aufgezeigt – Vorläufer im keltischen Raum nachweisen (Polenz 1982: 101-28). Eine umfassende Publikation der Grabungsergebnisse durch G. Wieland ist in Vorbereitung. Die ursprüngliche Breite des heute noch ca. 1,6 m tief erhaltenen Spitzgrabens (Matthes et al. 2007: 89) ist aufgrund des unbekannten Erosionsbetrages auf dem Geländerücken nicht mehr exakt zu bestimmen. Ebenso lässt sich die Lage der eigentlichen Grabgrube durch die weitgehende Zerstörung der Fundstelle nach der Entdeckung des Grabes innerhalb des durchwühlten Bereiches nicht weiter eingrenzen; vgl. Abb. 5; Zone a. Dies spricht m. E., neben der Größe der Anlage, gegen eine Ansprache der Schanze als Grabeinfriedung, wie beispielsweise F. Fischer vermutet hatte (Fischer 1993a: 116). Gegen eine Interpretation dieses Befundes als Grabgarten sprach sich auch bereits K. Schumacher aus (Schumacher 1931: 15). Laut Polenz (1982: 113 Anm. 145) könnte es sich auch um einen Spiralfingerring aus Silber gehandelt haben. Dabei lässt sich derzeit eine direkte Verbindung des Prunkgrabes von Sinsheim-Dühren mit der Handelsroute des Neckars aufgrund der größeren Entfernung nicht klar fassen (s. Abb. 1). Denkbar wäre auch eine Anbindung an einen in West-Ost-Richtung durch den nördlichen Kraichgau führenden Landweg, wie er ab der frühen Römischen Kaiserzeit nachzuweisen ist (Schumacher 1931: 16).

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von H. Müller, Koch, Wendling, Hofmann und Karl) Es liegen keine Knochenfunde vor, die Ansprache als Frau erfolgte aufgrund der Beigaben. Die Münzbeigabe wird allgemein als Statussymbol bezeichnet, weil sie ab dem 3. Jh. im keltischen Raum zwar vorkommt, aber selten ist, sowie meist an sehr reich ausgestattete Grabkomplexe gekoppelt ist. Da es vorerst keinen Befundhinweis auf einen Wall gibt, könnte es sich bei dem Graben eventuell auch um einen großen Grabgarten handeln. In dem vom Graben umschlossenen Areal wurden keine weiteren Untersuchungen angestellt. Der Bearbeiter neigt wegen der beachtlichen Ausmaße des Grabens (ca. 120 x 120m) eher zu einer Deutung als Viereckschanze. Ein weiterer Deutungsvorschlag wäre die bewusste Einbindung des Grabes in die vorhandene und zu schaffende Kulturlandschaft einer Bevölkerung, deren politische und wirtschaftliche Bedeutung eng mit Landwirtschaft verbunden ist: Errichtung des Grabens in Bezug auf das Grab - Rückbesinnung auf (ev. auch fiktive) Ahnen, bewusster Rückgriff auf ein sichtbares Monument, Anbindung an (frühere) Realitäten, zum Verweis auf Landbesitz... statt eines Bruches in der Besiedlung und Bau des Grabens ohne das Grab zu kennen/zu berücksichtigen. Dabei bleibt immer offen, dass bisher nicht geklärt werden konnte, ob Grab und Graben gleichzeitig oder nacheinander erbaut wurden/sichtbar waren. Selbst ein schmaler Wall (falls errichtet) würde allerdings das Grab zumindest teilweise überdeckt haben. Da die Landschaft anzunehmenderweise eher durchgehend mehr oder weniger dicht besiedelt bzw. genutzt wurde und Gräberstandorte lange Zeit bekannt zu bleiben scheinen (Bestattungsplätze respektiert werden), spricht dies wohl dafür, dass das Grab bei einer zeitlich darauf folgenden Wallerrichtung eine Rolle gespielt hat, über deren Natur wir leider nichts wissen. Ebenso wird für unwahrscheinlich gehalten, dass etwas so „Kleines“ wie ein Grab beim Bau von etwas so „Großem“ wie einem (Wall-)Grabensystem rein zufällig berührt wird. Die vermutliche Position in der Wallfront wird als Indiz für eine bewusste Bezugnahme genannt. Weiters ist es in eisenzeitlichen Siedlungsanlagen häufiger der Fall, dass Gräber (hier vor allem die von Kindern) in lineare Elemente des Baues (wie z.B. Gräben) einbezogen werden.

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Radiocarbon and Chronology of the Iron Age Hillforts of Northwestern Iberia J. F. Jordá Pardo1, J. Rey Castiñeira2, I. Picón Platas2, E. Abad Vidal3, C. Marín Suárez4

Departamento de Prehistoria y Arqueología. Universidad Nacional de Educación a Distancia. Madrid (Spain) Departamento de Historia I. Universidad de Santiago de Compostela (Spain) 3 Fundación Centro Tecnológico de Supercomputación de Galicia. Santiago de Compostela (Spain) 4 Departamento de Prehistoria. Universidad Complutense de Madrid (Spain) 1 2

Zusammenfassung: Das vorgestellte Projekt hat zum ersten Mal 388 Radiokarbondatierungen von 69 eisenzeitlichen Fundstellen in Galizien, Asturien, im nordwestlichen Kastilien und León (Spanien) und im nördlichen Portugal in einer einzelnen Datenbank zusammengefasst. In der ersten Projektphase wurde die Verlässlichkeit der Datierungen überprüft, um sicher zu stellen, dass der experimentelle Wert der C14-Datierungen gut mit den archäologischen Datierungen vereinbar ist. Datierungen, die nicht den grundlegenden Anforderungen der Verlässlichkeitsprüfung entsprachen, wurden verworfen. In einem zweiten Schritt wurden die als verlässlich erachteten Daten kalibriert. Diese kalibrierten Daten wurden im Hinblick auf einzelne Fundstellen und ihren regionalen und kulturell-chronologischen Kontext analysiert, um eine Chronologie der Eisenzeit dieses Raums zu erstellen. Allgemein konnte beobachtet werden, dass die Besiedlung der Höhensiedlungen im Nordwesten der iberischen Halbinsel am Anfang des ersten Jahrtausends v.Chr. beginnt. Ebenfalls konnte beobachtet werden, dass im nördlichsten Teil dieses Raums dieser Prozess erst etwas später einsetzt, mit dem Beginn der ersten Eisenzeit. Im Gegensatz dazu erscheinen befestigte Höhensiedlungen in den südlicheren Regionen des westlichen Galiziens und im westlichen Duero-Tal bereits in der späten Bronzezeit. In beiden Regionen haben die Höhensiedlungen lange Laufzeiten, durch das ganze erste Jahrtausend hindurch. Die Besiedlung setzt sich auf vielen Fundstellen auch während der römischen Kaiserzeit fort. Die kalibrierten Datierungen weisen darauf hin, dass die Besiedlung der Höhensiedlungen hauptsächlich in den Zeitraum zwischen 8. Jh. v. Chr. und 2. Jh. n. Chr. fällt. Während des 3. und 4. Jh. n. Chr. ist eine generelle Aufgabe dieser Siedlungsfundstellen zu beobachten, mit punktuellen späteren Besiedlungsphasen bis in die Neuzeit und in einzelnen Fällen sogar in die Gegenwart.

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Abstract The present work gathers 388 radiocarbon dates from 69 Iron Age sites, located in Galicia, Asturias, NW Castilla y León (Spain) and N Portugal, in a single database for the first time. In the first phase of our work, we examined the validity of the dates in order to ensure that the experimental value of the radiocarbon dates corresponds well with the archaeological dates, rejecting all those dates that do not adjust to the basic requirements for their validation. In a second phase, we calibrated the dates that we consider reliable.These calibrated dates have been analysed according to individual sites and to regional and chronological - cultural contexts, in order to establish a chronology for the Iron Age of the this area. In general, we observe that the occupation of the hillforts of Northwestern Iberia starts at the onset of the first millennium BC. It is also observed that this process is delayed in the most northern area of the studied zone, where this process does not begin until the First Iron Age. In contrast, in the more southern areas of western Galicia and the western Duero valley, hillforts emerge in the Late Bronze Age. In both zones the hillforts have a long occupation during the Iron Age throughout the whole of the first millennium BC. This occupation continues in many of the settlements during the Roman period. The calibrated dates indicate that the occupation of hillforts takes place mainly between the 8th century BC and the 2nd century AC. Finally, a general abandonment of the settlements is observed from the 3rd-4th centuries AC, with later puctuated occupations, which in some sites appear into the Modern Age and even, in some cases, to the present day.

1. Introduction Since the radiocarbon dates of Mohías hillfort (Asturias, Spain) were published in 1971 by an amateur archaeologist, the doctor Jesús Martínez Fernández (1971), archaeological research into the Iron Age hillforts of Northwestern Iberia have provided a high number of radiocarbon dates. However, until now, all these dates have not been analyzed as a whole, except in pioneering works of a general (Carballo, Fábregas 1991; Picon 2008) and regional type (Rey 1996; Cuesta et al. 1996).This work represents the beginning of a coordinated treatment of these radiocarbon dates. We present the results of an interdisciplinary study undertaken by a team of different specialists: three archaeologists, one geographer and one geologist, from four different work centres of Spain. The study area corresponds with the region occupied by the hillforts in the northwestern corner of the Iberian Peninsula (Fig. 1), one of the Atlantic Finisterrae of Antiquity. Though its limits are currently debated, this region essentially corresponds with the Duero river at south (or perhaps the Vouga river), the Esla riv-

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er to the east, the Atlantic Ocean to the west and the Cantabric Sea to the north. Today, this area constitutes Asturias, Galicia (provinces of A Coruña, Lugo, Ourense and Pontevedra), northern Portugal (districts of Viana do Castelo, Braga, Vila Real, Bragança, Aveiro and Viseu) and northwest Castilla y León (provinces of León and Zamora). In this study we have considered all sites of the Iron Age with radiocarbon dates, including plain settlements, mining activities and sepulchral caves as well as hillforts (“castros” in Spanish terminology). That is, all radiocarbon dates on material ranging from the Late Bronze Age until the contact with Roma and the first steps of Romanization have been included. In total, we have considered 69 archaeological sites. The principal aims of this work are: i) the construction of a database containing all the radiocarbon dates of the Iron Age of NW Iberia, ii) the accomplishment of a spatial data infrastructure by mean of a GIS; iii) the analysis of all radiocarbon dates; iv) the development of strategies of action for future investigations; and v) the dissemination of the collected information on the internet for the scientific community.

Fig. 1. Geographical location of the Iron Age sites with 14C dates of Northwestern Iberia.

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The methodology that we have used in our work consists of a) compilation and evaluation of all radiocarbon dates published until 2008; b) calibration of the dates that have passed a validity test; c) integration of the data within a GIS or spatial data infrastructure; and d) analysis of the dates in two ways: first focusing on each hillfort and second analysing all the hillforts as a group. This analysis has been done according to regional and chronological-historical contexts. Therefore, we have established a chronology for the Iron Age of NW Iberia. 2. The radiocarbon dates and their calibration Currently, there are 388 radiocarbon dates obtained from 69 archaeological sites in the Northwestern Iberian Iron Age. These dates are widely dispersed throughout the literature. Due to this and the limited space which we have here, we will mention only those publications that present the basic summaries of dates of one or of several sites namely: Carballo and Fábregas (1991), Cuesta et al. (1996, 2000), Rubinos et al. (1999), Rubinos and Alonso (2002), Alonso (2002), Villa (2002), Arias and Fábregas (2003) and Picón (2008). Unpublished dates have been provided to us by their researchers. For example, the Caravia hillfort dates have been provided by Gema Adán (Cid et al., in press) and Neixón hillfort dates provided by Xurxo Ayán. The dates of Coaña hillfort have been obtained from their preliminary publication in the journals of Asturias. We have submitted all of the dates to an analysis of validity to ensure that the radiocarbon dates correspond to their archaeological contexts. All dates that do not fulfil the requirements have been rejected and are not included in the following analysis (Mestres, 1995, 2000; Mestres, Nicolás, 1997). Our criteria fall into two categories, those associated with the radiocarbon measurement, and those related to the archaeological association of the material dated. The technical requirements include laboratory accuracy (contamination elimination and radiocarbon measurement) and measurement precision (standard deviation) whilst the archaeological requirements include the association and synchrony of the material dated with the event of interest.

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The dates were obtained in 15 radiocarbon laboratories: - Beta: Beta Analityc Inc., Miami (Florida, USA), - CSIC: Laboratorio de Geocronología, Instituto de Química-Física Rocasolano (CSIC), Madrid (Spain), - CU: Department of Hydrogeology, Charles University, Prague (Czech Republic), - GaK: University of Gakushuin, Tokyo (Japan), - Gd: Radiocarbon Laboratory, Technology Institute of Physics, Silesian University, Gliwice (Poland), - GiF: Centre de Faibles Radioactivites, CNRS-CEA, Gif-sur-Yvette (France), - GrN: Isotopes Physics Laboratory, University of Groningen, Groningen (Germany), - I: Teledyne Isotopes, Inc., Huntsville (Alabama, USA), - ICEN: Laboratorio de Isotopos Ambientais, Instituto Tecnológico e Nuclear, Sacavém (Portugal), - Ly: Laboratoire de Radiocarbone, Centre de Datations et d’Analyses Isotopiques, Claude Bernard University, Lyon (France), - PAL: Radiocarbon Laboratory Palynosurvery Co., Tokyo (Japan), - Ua: Laboratorio Ángstrom, University of Uppsala (Sweden), - UBAR: Laboratori de Dataciò per Radiocarboni (UBAR), University of Barcelona, Barcelona (Spain), - UGRA: Laboratorio de Datación por Carbono 14, Centro de Instrumentación Científica, University of Granada, Granada (Spain), and - UtC: Utrecht van der Graaf Laboratorium, University of Utrecht, Utrecht (The Netherlands). With regards to the accuracy of the laboratories, we have rejected only the dates obtained in the laboratory of Gakushuin University (GaK),Tokyo (Japan). Dates from this laboratory are known to be problematic (Carballo, Fábregas 1991; Castro et al. 1996). With respect to the precision of the dates, we have rejected dates with a standard deviation of greater than 100 years. Two further aspects that must be considered correspond to the ability to compare results obtained by

Fig. 2. Accumulated probability curve obtained from the calibration of the radiocarbon dates of A Coruña hillforts, using the calibration curve CalPal 2007 Hulu, included in the CalPal software (Version March 2007) (Weninger et al., 2007). The calibration curve shows the plateaux called “the Iron Age catastrophe”.

different dating methods and results obtained from different materials. Separate analysis of the dates obtained by the conventional radiocarbon method and AMS would lengthen the analysis. We are conscious that such an independent treatment might lead to slightly different conclusions. However, the small percentage of AMS measurements (5.4 %) suggests that the results of the analysis are unlikely to be vastly different.Therefore, in this work we will treat both groups of dates as an homogenous (uniform) group. Within the literature the detail with which radiocarbon dates are reported varies considerably. Unfortunately, this hampers any analysis of the potential impact of different sample material (e.g. individual charcoal fragments, bulked charcoal, carbonaceous sediments,

bones, shells, plant species of short or long life, etc). Therefore, again we will treat the dates as an homogeneous group, though we are conscious of the variations that might be present within this dataset. The reliability of the archaeological association is difficult to assess as it can only be examined from the published information about the sample context. Therefore, unfortunately we are forced to accept that a correct association exists between the dated sample and the archaeological context of interest.We can only reject a date when it is clearly anomalous when compared to its archaeological context. After undertaking this evaluation we have obtained 331 valid dates from 61 sites. To place the radiocarbon dates on a calendric scale,

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Fig. 3. Accumulated probability curves obtained from the calibration of the radiocarbon dates of the Iron Age sites of Asturias, using the calibration curve CalPal 2007 Hulu, included in the CalPal software (Version March 2007) (Weninger et al., 2007).

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Fig. 4. Radiocarbon chronology of the Iron Age sites of Northwestern Iberia, using the calibration curve CalPal 2007 Hulu, included in the CalPal software (Version March 2007) (Weninger et al., 2007).

we calibrated the accepted dates using CalPal (2007 March-June version) of the University of Cologne (www.calpal.de) (Weninger, Jöris 2004; Weninger et al., 2007). This program transforms the Gaussian distributions of the uncalibrated date into equiprobability curves.This allows the visualisation of the chronometric trends and the evalutation of the synchrony and diachrony of individual and separate sites. We have used the calibration curve CalPal 2007 Hulu (Fig. 2), which is very similar to the IntCal04 curve proposed

by International Calibration working group for the last 24.000 years BP (Weninger et al., 2005). One of the major problems affecting calibration within the Iron Age is the plateau in the curve between 800 and 400 cal BC, called “the Iron Age catastrophe” (Fig. 2). This results in large error ranges for calibrated dates within the First Iron Age (Alonso 2002). However, the elimination of dates with a standard deviation greater to 100 years, has slightly minimised this problem.

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Fig. 5. Chronological amplitud of the Iron Age in the different geographical areas of nothwestern Iberia, using the calibration curve CalPal 2007 Hulu, included in the CalPal software (Version March 2007) (Weninger et al., 2007).

3. Chronological analysis Traditionally, the definition of Protohistoric periods of NW Iberia have been primarily based on historical events of the Roman era and typological chronologies. According to the interpretation of this region as a finisterrae or periphery of peripheries, it has been assumed that both technological and social developments, for example the adoption of iron metallurgy or the increasing sophistication of the use of domestic or

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territorial space, occured at a later date than in adjoining areas. Indeed, many syntheses suggest that in NW Iberia a real Iron Age did not exist, but rather, that the region remained in a dark stadium between the Late Bronze Age and the Roman epoch (Rey 2001). The radiocarbon dates obtained in the NW of Iberia provide sufficient information to begin to study the Iron Age groups into a calendaric timescale, though they are not quite as precise as we would wish.The radiocarbon dates clearly and consistently demonstrate

Fig. 6. Descriptive maps of Northwestern Iberia with the number of dates within each hillfort, the validity of dates, the 14C methods used (conventional or AMS) and the material dated.

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Fig. 7. Chronological maps of the 14C dated hillforts of Northwestern Iberia.

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that the hillforts of NW Iberia had clear phases of development from the Final Bronze until the Roman epoch. We have analyzed the calibrated dates both according to individual sites (Fig. 3) and jointly for regional (Fig. 4) and chronological-cultural contexts (Fig. 5), establishing a seriation that we have compared with the periodization realized for the Iron Age of the geographical area considered (Rey 1996; Arias 2002; González 2006/2007). We have marked the conventional limits between the different phases in a diffuse way, establishing transitions between every phase, as we show in the following scheme: - Early and Middle Bronze Age: until 1200 cal. BC (until 3000 BP). - Late Bronze Age: between 1200 cal. BC and 800 cal. BC (3000 – 2650 BP). This period corresponds with the phase Ia of González’s (2006/2007) periodization for the NW Iberia hillforts. - 1st Iron Age: between 800 cal. BC and 500-450 cal. BC (2650 – 2400 BP).This period correspond with the Initial Phase of Rey (1996), the Castrexo Inicial period of Arias (2002) and with the phases Ib and Ic of González’s (2006/2007) seriation. - 2nd Iron Age: between 500-450 cal. BC and 10050 cal. BC (2400 – 2050 BP), correlated with the Middle Phase of Rey (1996), the Castrexo Pleno period of Arias (2002) and the phases II and IIIa of González’s (2006/2007) seriation. - Roman Period: between 100-50 cal. BC and 400 cal. AD (2050 – 1600 BP), correlated with the Final Phase of Rey (1996), the Castrexo Final period of Arias (2002) and the phases IIIb, IIIc and IIId of González’s (2006/2007) seriation. - Late Roman Period and Middle Age: 400 – 900 cal. AD (1600 - 1000 BP). Figure 3 shows a comparison of all sites (hillforts, sepulchral caves and mining activities) of Asturias in the north of the study area within their geographical context. Figure 4 shows a comparison of all geographical areas using the current administrative divisions. Once the boundaries between the cultural intervals described above had been established the construction of the radiocarbon chronology was complete. The re-

sult is shown in figure 5. This allows to visualize two aspects in relation with the settlement process in the considered area: Chronologies of individual sites indicate that the length of occupation varied considerably reflecting short, medium and long term durations, restricted to a single chronological phase or including several phases. At some hillforts all radiocarbon dates are concentrated in the First Iron Age, others are restricted to the Second Iron Age, whilst others include both. In some cases radiocarbon dates extend through the Roman epoch until Middle Ages. Some hillforts are located in the same place as Early, Middle or Late Bronze Age occupations. The radiocarbon chronology indicates that the stages of settlement and abandonment occurred probably in connection with economic and social cycles.Although there are continuities between the principle stages of occupation throughout the region, in many cases these stages are delimited by generalised foundations and by periods of decay and abandonment. Even though there is continuity between the principal stages of occupation – which correspond to the 1st Iron Age, transition 1st-2nd Iron Age, 2nd Iron Age and Roman epoch – the intervals are limited by widespread foundation events and periods of abandonment. 4. Geographical analysis For the development of the spatial data infrastructure we have used ArcGis that allows us to geographically analyze the information. Within the geographical framework of our area of study we have introduced much data about the hillforts and their radiocarbon dates, including for example, photographs of hillforts and archaeological materials. In relation to the geographical context, we have made two analyses, the descriptive and the sequential one: The descriptive analysis includes maps with the location of the radiocarbon dated hillforts, the hillforts within the Roman geography, the number of dates within each hillfort, the validity of dates, the radiocarbon methods used, conventional or AMS, and the material dated, among other aspects (Fig. 6). In relation with the chronological analysis we have

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Fig. 8. Isochronal map of the first occupation and diachronic map of the 14C dated hillforts of Northwestern Iberia.

made a periodization by grey scale in order to see the evolution by means of sequential maps that show the evolution of the hillforts occupation from the Early and Middle Bronze Age until the Middle Age, including Late Bronze Age, First Iron Age and transition to Second Iron Age, Second Iron Age and transition

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to Roman period, Roman Period, and Late Roman and Middle Age (Fig. 7), and through the use of an isochronal map of the first occupation of the hillforts (Fig. 8). The isochron map of the first occupation of the hillforts (Fig. 8) shows information of certain interest: this

Fig. 9. Accumulated probability curves obtained from the calibration of the radiocarbon dates of San Chuis hillfort (Asturias) grouped by their chronostratigraphical position, and archaeological materials associated: 1, Examples of pre-Roman pottery; 2, Examples of Roman common pottery, with continuity of some characteristics of the preRoman pottery; 3, Examples of Terra Sigillata Hispanica; 4, Roman thin-walled vessel; 5 and 6, beltplates; 7, omega fibula; 8, pendant.

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Fig. 10. Accumulated probability curves obtained from the calibration of the radiocarbon dates of A Graña hillfort (A Coruña) and chronostratigrapy of its habitat structure evolution and archaeological materials associated.

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map demonstrates the wide distribution of the radiocarbon points corresponding to occupation of the hillforts during the Late Bronze Age. This fact demonstrates that the process of fortification of the settlements was a generalized worry in NW Iberia and is in contrast to the currently supported idea that the process had spread from the south to the north and from the coast to the interior, such that the forts first appear in the south and on the coast during the Late Bronze Age, whilst in the North and the interior they do not appear until the First Iron Age. 5. Archaeological analysis: contextual readings of Northwestern Iberia radiocarbon The analysis of the radiocarbon dates must be incorporated into the archaeological chronologies (typological and stratigraphical) in a systematic way. It is evident that the the results obtained by radiocarbon provide very suggestive images, but it is necessary to compare them and to integrate them with information obtained from other types of archaeological evidence, such as typological and stratigraphic interpretations. This is still a hanging topic in the archaeology of the hillforts of NW Iberia. It is rare that studies involving different methodologies are connected within publications, such as archaeological reports. In order to begin to analyse the data in this way, the advantages in the change in approach must be demonstrated. In general, we can estimate that the stratigraphic sequences and the archaeological materials will extend the radiocarbon stages recognized for each site. We can extend the number of places with long occupation, from the Early and Middle Bronze Age to the Late Roman period and Middle Age and we can clarify the phases of occupation corresponding to the hillforts. The application of the radiocarbon method in many cases has been centred on certain archaeological levels and has been excluded in others where, for example, objects that can provide precise dates are present or the level is of little importance within the aims of the excavation.The comparison of the radiocarbon and archaeological chronologies also allows us to state that some hillforts are of short duration and are restricted to a single stage.The use of the hillforts of Torroso, Penalba or Penarrubia, for example, begins and finishes

in the First Iron Age, according to both the typology and the radiocarbon dates. This contrast, comparison of the radiocarbon chronology and and the techno-typological evidence eradicates the idea of a late incorporation of iron metallurgy. This material appears during the radiocarbon interval of the First Iron Age, when tools of the Late Bronze Age were still in use. The presence of imported products and aesthetic and technological acculturations from Southwestern Iberia in the imported products during early radiocarbon periods invalidate the idea that the culture that was isolated until the Romans came to NW Iberia. The definition of the Second Iron Age presents two main problems. First, many deposits containing the phase were removed during the Roman period. Second, its intermediate typological position means that it can be difficult to identify. Its description is limited to its nature as a mixture of some more evolved features relating to Roman period alongside earlier Late Bronze Age features. Nevertheless the importance of this phase from the radiocarbon point of view, seems to increasingly confirm the typological sequences and the events that have been fixed within some stratigraphic records. For example, the fortification of settlements becomes more complex, iron metallurgy is evident and the wide use of the iron produced is demonstrated by material finds as well as evidence of its use in construction, agriculture, carpentry, etc. In addition, many other crafts, such as pottery production, goldworking or sculpture incorporate ideas and technological and aesthetic innovations related to the manufacture and consumption of iron. The radiocarbon dates of the Roman period in the NW Iberian hillforts indicate the foundation of settlements, continuity of settlements and their decline. In many cases it is necessary to examine imported products because their presence can provide chronological information during moments without radiocarbon dates. The history of the consumption of these products indicates that the hillforts demanded them with great intensity during the first times of contact and that this consumption languishes when the process of romanization is intensified.The demand moves then to the cities and to the villas. The analysis of the radiocarbon dates from the As-

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turian hillforts has allowed us to establish a precise chronology for the multitude of bronze objects that traditionally have been placed in the Late Bronze Age through the use of the relative typological chronology (derived from imprecise typological work) (Fanjul, Marín 2006). Now, using radiocarbon we can link many of these artefacts to the first hillforts of the Cantabrian zone (First Iron Age) and reject the classic chronologies for this zone. This allows us to better understand the ancient phase of the Cantabrian hillforts. This appears to suggest a drastic cultural change of the mobile populations of the Bronze Age of this zone. Also we could have checked that the characteristic walls of modules of the western Cantabrian zone arise in the transition between the First and the Second Iron Age, and simultaneously have place a generalization of the stone architecture. Until middle of the nineties it was thought that the Asturian hillforts were associated with the Roman conquest. Our recent investigations have allowed us to establish the sequence of the ceramic products for the entire chronological period of use of the hillforts, which in many cases is approximately a millennium. For example, at the paradigmatic case of San Chuis hillfort (Fig. 9) we have identified pottery of the First Iron Age for the first time in Asturias (Marín, Jordá 2007). In contrast..., many NW Iberian hillforts offer scanty archaeological evidence. Thus, it is very difficult to relate archaeological events to the radiocarbondates obtained. For example, in A Graña hillfort (Galicia) (Meijide 1990), the radiocarbon dates establish two discontinuous calibrated intervals: one related to the first occupation during the First Iron Age, and other related to the transition between the middle and late phases of the hillfort, situated around the change of era. Similarly the typological chronologies show a long duration of settlement originating in the First Iron Age. However, they extend its development until the Late Roman period. The stratigraphic sequence of the domestic structures shows an uninterrupted occupation, with structures from the First Iron Age until the change of era, when stone houses are built for the first time. The radiocarbon date obtained from the foundation of a stone house establishes a very late moment for the incorporation

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of the stone houses at A Graña, indeed later than in other settlements of the Northwest Iberia (Fig. 10). A similar situation exists for the adoption of iron metallurgy and the introduction of the rotary querns in this hillfort. In A Graña hillfort the radiocarbon dates have allowed us to place on an absolute timescale some archaeological materials (such as ear-rings, fíbulae or ceramics), establishing a direct relation with the dates (Fig. 10). Until now the typological seriations have been stylistic and evolutionary and few typological stages have been fixed by calendaric chronologies. Definitively, the information published from the A Graña hillfort illustrates well the potential that exists for improving the archaeological understanding of this period. The chronological milestones that provide the objects and that give historical and cultural value to the stratigraphic sequences are not currently developed. Conversely, the stratigraphic sequence identified in A Graña has not provided the stylistic history of the materials from all of its chronological stages, which would allow us to be more certain of the age of the events. 7. Conclusions We propose the first radiocarbon chronology of the Iron Age of the Northwestern Iberia. The calibrated dates indicate that the occupation of hillforts takes place mainly between the 8th century BC and the 2nd century AC. We also perceive that the hillforts begin in the Late Bronze Age in western Galicia and the western Duero valley. On the contrary, this process is delayed in the most northern area of the studied zone, where this process doesn’t begin until the First Iron Age. In both zones the hillforts hold a long occupation during the entire Iron Age. This occupation continues in many of the settlements during the Roman period. Finally, a general abandonment of the settlements is observed from the 3rd-4th centuries AC, with later punctuated occupations, which, in some sites, occur throughout the Middle and Modern Ages, even until the present day.

Acknowledgements We want to express our gratefulness to María Gómez and Marina González who helped us to prepare the manuscript in English and very specially to Rachel Wood who checked the English translation of our text and made interesting commentaries. Special thanks to Gema Adán and Xurxo Ayán who provided us unpublished radiocarbon dates from Caravia and Neixon hillforts.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beitrag von Karl) The shown sequence has parallels in Wales and western Britain e.g. in the late bronze age with about 1000 years of occupation in some regions. In Spain there are clear distinctions between coastal regions and landlocked areas. Sometimes while the hillfort-occupation increases, the use of lowland settlements is being reduced. Sometimes lowland settlements even seem to be abandoned, when hillfort usage starts. But any conclusion to this matter is not very strongly scientifically based, because most of the available data (e.g. radio carbon dating) is linked to hillforts (92%, lowland settlements only 3%).

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„Trianguläre“ und kriegerische Gesellschaften in der Eisenzeit des „keltischen Hispaniens“? Auf der Suche nach der Vielfalt eisenzeitlicher Sozialstrukturen Gonzalo Ruiz Zapatero, Manuel A. Fernández-Götz

Zusammenfassung Traditionellerweise hat man die „keltischen“ Gesellschaften der Eisenzeit Iberiens als stark hierarchisiert und mit Kriegereliten dargestellt. Dies hat zum Klischee einer idealen und idealisierten, zeitlich wie räumlich homogenen und einheitlichen „keltischen Gesellschaft“ geführt. Im Rahmen des vorliegenden Beitrages wird gezeigt, wie die Gesellschaften des sog. „keltischen Hispaniens“ unter anderen Blickwinkeln betrachtet werden können, so dass man: 1) der historischen Kontextualisierung jedes Einzelfalles mehr Bedeutung einräumt, 2) die Kritiken von Autoren wie J. D. Hill zum „triangulären“ Gesellschaftsmodell der Eisenzeit in Betracht zieht, und 3) die Konzepte von Krieg und Kriegern kritischer beurteilt. Bei dieser Darstellung konzentrieren wir uns auf die Analyse der VettonenGesellschaften Zentralspaniens sowie der Castro-Gemeinschaften des Berglandes von Soria und des Nordwestens der Iberischen Halbinsel. Das Bild, das sich aus dieser Revision ergibt, ist das einer reichen Vielfalt an Gesellschaftstypen in der Eisenzeit Iberiens. Wie in den restlichen europäischen Regionen gab es nicht „die Gesellschaft der Eisenzeit“, sondern verschiedene eisenzeitliche Gesellschaften.

Abstract Traditionally, „Celtic“ Iron Age societies in Iberia have been described as strongly hierarchical and dominated by warrior elites. This has generated the cliché of an ideal and idealised „Celtic society“, a single and homogeneous social model which would remain unchanged overtime and regardless of spatial variation.The aim of this paper is to show how we can rethink the societies of the so-called „Celtic Hispania“ in a way that: 1) grants greater importance to the historical context of each particular case, 2) takes into account the criticisms posed by authors like J. D. Hill to the „triangular“ model for Iron Age societies and 3) considers the notions of war and warriors more critically. In order to do so we will focus on the Vettones’ societies of central Spain and the Hillfort communities from the Soria mountains and the Northwest Iberian Peninsula.The picture resulting from this reassessment presents a rich diversity of social formations in the framework of the Iron Age Iberian Peninsula. As in all other european regions there was no „the Iron Age society“ but several Iron Age societies.

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Einleitung: Das „keltische Gesellschaftsmodell“ zur Debatte

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Social Distance

Das traditionelle Bild der eisenzeitlichen Bevölkerungen des sogenannten „keltischen Hispaniens“ beschreibt diese Gesellschaften als stark hierarchisiert, mit Eliten an der Spitze der sozialen Pyramide und mit einem markanten kriegerischen Charakter. Diese Interpretation findet ihren Ursprung und Erklärung in dem europaweit verbreiteten Modell der „keltischen Gesellschaften“. Das Problem ist, dass dieses Modell zur Etablierung eines Klischees geführt hat, das unkritisch für jeden zeitlichen und geographischen Rahmen angewendet wird. Demnach wäre das eisenzeitliche Europa von „keltischen“, kriegerischen und „triangulären“ Gesellschaften bewohnt gewesen. Besonders bedauerlich erscheint dabei die Tatsache, dass dies in der Regel zur Idee einer einheitlichen und homogenen „keltischen Gesellschaft“ geführt hat. Die topischen Beschreibungen der antiken Schriftquellen, die Waffenbeigaben in den Gräbern und die befestigten Siedlungen, von den Hillforts bis hin zu den Oppida, haben dazu geführt, diese Sichtweise zu untermauern. Erst die kritischen Arbeiten von britischen Archäologen wie J. Collis (1994) oder J. D. Hill (1995; 2006) begannen, diese vereinfachende Interpretation der eisenzeitlichen Gesellschaften zu dekonstruieren. Wie Collis (1994: 32) betont hat, umfassen die verschiedenen Gesellschaften, die man traditionell als „keltisch“ bezeichnet hat, eine enorm breite Palette von unterschiedlichen Sozialstrukturen, von den urbanisierten Gesellschaften Galliens im 1. Jh. v. Chr. bis hin zu den dezentralisierten Gemeinschaften der englischen Pennines. Klar erscheint, dass die regionalen Unterschiede, die synchron und diachron existierten, berücksichtigt werden müssen. Es gab nicht „die Gesellschaft der Eisenzeit“, sondern verschiedene eisenzeitliche Gesellschaften. Dennoch haben in vielen Gebieten, unter denen sich auch die Iberische Halbinsel befindet, die traditionellen, homogenisierenden Ansätze weiterhin ihren Vorrang behalten. Auf der Iberischen Halbinsel wird die Eisenzeit traditionellerweise in zwei große Bereiche unterteilt: zum einen das iberische Gebiet, das sich entlang der Mittelmeerküste erstreckt; und zum anderen das sogenannte „indoeuropäische“ oder „keltische“ Gebiet, das die

zentralen, westlichen und nördlichen Regionen einnimmt und somit Gruppen wie Keltiberer, Vettonen, Vaccäer, Lusitaner oder Galläker umfasst (Fernández-Götz im Druck). Wie bereits angedeutet hat die Forschung dazu geneigt, die Bevölkerungen des „keltischen Hispaniens“ unter dem Blickwinkel einer idealen und idealisierten, zeitlich wie räumlich homogenen und einheitlichen „keltischen Gesellschaft“ darzustellen. Erst im Laufe des letzten Jahrzehntes sind eine Reihe von neueren Arbeiten erschienen, die durch kritische und kontextbezogene Analysen dieses einheitliche Bild zu verändern beginnen und damit die Identifizierung von verschiedenen Gesellschaftstypen ermöglichen (vgl. z. B. González-Ruibal 2006; 200607; im Druck; Ruiz Zapatero 2007; Sastre Prats 2002; 2008).Wie im Rahmen des vorliegenden Beitrages gezeigt wird, gab es in der Eisenzeit der Iberischen Halbinsel zweifellos „trianguläre“ Gesellschaften, aber auch andere, die man weder als „triangulär“ noch als besonders „kriegerisch“ bezeichnen kann. Wahrscheinlich ist Hill (1995; 2006) derjenige Forscher gewesen, der die Vielfältigkeit der eisenzeitlichen Gesellschaften am deutlichsten und überzeugensten hervorgehoben hat. Wie er zutreffend bemerkt, deutet die Variabilität im archäologischen Befund klar auf die Existenz von verschiedenen Gesellschaftsformen im eisenzeitlichen Europa hin. Hill bezeichnet als „triangulär“ jene Gesellschaften, die eine starke Hierarchisierung aufweisen, deutliche soziale Unterschiede

Proportion of Population

Abb. 1: „Trianguläres“ Gesellschaftsmodell (nach Hill 2006).

Die „Castro-Gemeinschaften“ der Frühen Eisenzeit

Abb. 2: Alternative Organisationsformen eisenzeitlicher Gesellschaften (nach Hill 2006).

zwischen ihren Mitgliedern aufzeigen und Kriegereliten an der Spitze der sozialen Pyramide besitzen (Abb. 1). Demnach zeichnen sich die sogenannten „triangulären“ Gesellschaften durch die Existenz zweier grundlegender Merkmale aus: erstens eine große soziale Distanz zwischen den Gesellschaftsmitgliedern; und zweitens eine sehr geringe Anzahl von Individuen, die den höchsten Rang innerhalb der sozialen Ordnung einnehmen und die wir normalerweise als Eliten oder Aristokratie bezeichnen. Dies ist das Modell von Cunliffe (1995) für Danebury und darüber hinaus für die Hillforts von Wessex, es ist aber auch das vorherrschende Gesellschaftsmodell für Bevölkerungen wie Keltiberer (Lorrio 2005) oder Lusitaner (Martín Bravo 1999) im Inneren der Iberischen Halbinsel. Demgegenüber hat Hill (2006) vorgeschlagen, dass andere eisenzeitliche Gesellschaften verschiedene Organisationsformen haben konnten. Dabei weist er auf flachere Hierarchien hin, in denen eine geringe soziale Distanz zwischen den Mitgliedern existiert haben dürfte und in denen außerdem ein bedeutender Anteil der Bevölkerung die soziale Oberschicht bildete (Abb. 2). Aufbauend auf Hills Sozialmodellen sind wir der Ansicht, dass sein Vorschlag eine gültige Alternative darstellt, um die eisenzeitlichen Gesellschaften kritisch zu überdenken. Ziel des vorliegenden Beitrages ist deshalb: 1) die Vielfalt der eisenzeitlichen Gesellschaften des „keltischen Iberiens“ hervorzuheben; 2) auf die Notwendigkeit von kontextspezifischen Analysen hinzuweisen; und 3) eine Reihe von Fallbeispielen von der Iberischen Halbinsel zu zeigen (Abb. 3), um so auf die Schwierigkeit und Komplexität einer sozialen Archäo­ logie der Eisenzeit aufmerksam zu machen.

Wir werden diese Darstellung der Vielfältigkeit eisenzeitlicher Gesellschaften mit zwei Fallstudien aus der Frühen Eisenzeit Iberiens beginnen (ca. 700-500/400 v. Chr.). In beiden Fällen handelt es sich um relativ egalitäre Gemeinschaften, mit einer geringen demographischen Größe und geringer sozialer Komplexität. Das erste Beispiel bezieht sich auf die Kultur der „Castros“ (befestigte Höhensiedlungen) des Berglandes von Soria, im Osten der spanischen Meseta. Die Castros von Soria bilden eine ziemlich homogene Gruppe von Siedlungen, die sowohl durch natürliche als auch durch künstliche Befestigungen wie Gräben, Steinmauern und chevaux de frise, gesichert waren. Sie verteilen sich auf einer Höhe von zwischen 1100 und 1500 Metern durch die Gebirge Sorias, mit einer Chronologie von ca. 600 bis 400/350 v. Chr. Ihre Verbreitung weist auf eine regelmäßige Besiedlung des Territoriums hin, mit Standorten, die sowohl eine visuelle Kontrolle der Landschaft als auch eine verteidigungsgünstige Lage vereinten. Schutz und Selbstständigkeit scheinen die wichtigsten Kriterien bei der Wahl der Standorte gewesen zu sein (Romero Carnicero 1991). Die Castros besitzen einen einfachen Grundriss und eine Gesamtfläche, die im Allgemeinen weniger als 1

Abb. 3: Eisenzeitliche Gesellschaften des „keltischen Hispaniens“: Fallbeispiele.

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Abb. 4: a) Grundrisspläne von Castros aus dem Bergland von Soria; b) Hausgrundriss; c) Rekonstruktionsversuch eines Rundhauses (nach Benito Batanero et al. 2006; Romero Carnicero 1991).

Hektar beträgt. Alte und neue Ausgrabungen haben Informationen zur inneren Organisation dieser Siedlungen geliefert, die sowohl Rundhäuser als auch – noch häufiger – Rechteckhäuser besaßen (Benito Batanero et al. 2006; Romero Carnicero 2005). Dabei lassen sich weder in der Größe noch im Reichtum der Bauten Unterschiede erkennen. Die Ausstattung der Häuser ist ärmlich und es fehlen jegliche Prunk­ objekte (Abb. 4). Was die wirtschaftliche Produktion betrifft, kann man einen Vorrang der Viehzucht gegenüber dem Getreideanbau in den Tälern ausmachen. Es gibt Anzeichen für handwerkliche Aktivitäten wie Töpferei, Bronze- und Eisenverarbeitung, aber die Gemeinschaften scheinen weitgehend autark gewesen zu sein. Insgesamt haben wir es hier mit kleinen Gruppen zu tun, mit Bevölkerungszahlen, die pro Castro

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zwischen 30/40 und 80/90 Einwohner betragen haben dürften; wahrscheinlich überstiegen sie nie hundert Individuen. Allem Anschein nach handelte es sich um relativ egalitäre Gemeinschaften, die rund um die Familiengruppen strukturiert waren und in denen die scheinbar einzige kollektive Arbeit die Errichtung und Erhaltung der Steinmauern war. In der Tat bildeten die Mauern eine effektive Abwehr gegenüber anderen Gemeinschaften, aber zugleich auch eine Symbolisierung der Identität jeder Gruppe. Das Kollektive und Kommunale dürfte über die Familienverbände und die Individuen Vorrang gehabt haben. Leider kennen wir keine Nekropolen, die uns weitere Auskünfte über die soziale Struktur dieser Gemeinschaften liefern könnten. Das zweite Fallbeispiel einer egalitären Gesellschaft

Abb. 5: Die Frühe Eisenzeit des Nordwestens: a) und b) Charakteristische Castros dieser Periode; c) Innenbereich des Castros von Neixón Pequeño; d) Hausgrundrisse aus der Siedlung von Toralla; e) Rekonstruktionsversuch eines Castros (nach González-Ruibal 2006-07).

von bescheidener Größenordnung stammt aus den Gruppen der „Castro-Kultur“ des Nordwestens während der Frühen Eisenzeit (González-Ruibal 2006-07; Parcero 2002). Sie konzentrieren sich in den westlichen Gebieten des Zentrums und Südens dieser Region der Iberischen Halbinsel. Auch hier, wie im Falle von Soria, finden wir Gebiete mit Castros, die absichtlich verteidigungsgünstige Standorte in den Höhen und eine starke visuelle Kontrolle des umliegenden Territoriums suchen. Die Castros sind sichtbar und unzugänglich, was bedeutet, dass das wichtigste Kriterium für die Auswahl ihrer Lage die natürlichen Schutzgegebenheiten waren. Im Nordwesten der Iberischen Halbinsel markiert die Ältere Eisenzeit das Ende der traditionellen Lebensformen der Bronzezeit, die sich durch halb sess-

hafte Siedlungsformen und die Akkumulation von Reichtum in Bronzedepots charakterisiert hatten. Es verbreitet sich jetzt ein neues Phänomen: die Errichtung von befestigten Siedlungen. Die Castros bildeten den wirksamsten Mechanismus zur Förderung und Erhaltung der gemeinschaftlichen Bindungen; wie man für den Fall der britischen Hillforts hingewiesen hat, könnte das Bauen und Leben in einem Castro das wichtig­ste Element für die Herausbildung eines gemeinsamen Identitätsbewußtseins gewesen sein. Wie bereits angedeutet, befanden sich die Castros der Frühen Eisenzeit auf Anhöhen. Sie verfügten über eine beachtliche Sichtweite, hatten eine Fläche von weniger als 1 Hektar und waren durch Gräben und Wehrmauern befestigt.Torroso und Bodaño sind zwei gute Beispiele dieser Castros aus der Älteren Eisenzeit.

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In ihrem Innern verstreut wurden Rundhäuser erbaut, die große freie Flächen zwischen ihnen ließen und sich an die Topographie der Siedlung anpassten. Man beobachtet keinerlei Hierarchie in der räumlichen Anordnung der Bauten. Es handelt sich um kleine Häuser, mit 3 bis 5 Metern Durchmesser, die aus vergänglichen Materialien errichtet wurden, wenngleich schon seit den ersten Phasen auch Häuser mit Steinmauerwerk vorkommen. Die Feuerstellen lagen zentral und es fehlen Hinweise auf eine innere Raumaufteilung, was allerdings auch am Fehlen von detaillierten Flächengrabungen liegen könnte (Abb. 5). Die Anzahl der befestigten Areale ist geringer als in späteren Etappen, die Schutzwälle sind niedriger und die Gräben weniger tief und enger. Ausserdem sind die Castros gleichwertig in Größe, Lage und architektonischen Strukturen (González-Ruibal 2006-07: 187-209; Parcero et al. 2007: 143-182). Diese Übereinstimmungen spiegeln sich auch in einer ähnlichen Bevölkerungsgröße wider, die wahrscheinlich die 100/150 Einwohner pro Castro nicht überschritt, und in einem gleichwertigen Zugang zu den Ressourcen (González-Ruibal 200607: 205-206).

Mit anderen Worten, wir haben es hier mit kleinen Gemeinschaften zu tun, bestehend aus Familiengruppen, die keine sichtbaren Unterschiede zueinander aufweisen. Auch hier dürfte, wie im Falle der Castros von Soria, die Errichtung und Erhaltung der Befestigungsanlagen die wichtigste gemeinsame Arbeit gewesen sein. Die soziale Landschaft der Frühen Eisenzeit in dieser Region ist die eines fragmentierten Territoriums mit kleinen, selbständigen und zerstreuten Gemeinschaften, gleichrangig in Größe und Macht, die ihre Identität mittels der befestigten Siedlungen markierten. Sie hatten eine enge Bindung an die von ihnen bewirtschafteten Territorien und sie befanden sich in einem Zustand ständiger Auseinandersetzung mit „den Anderen“ oder, besser gesagt, von permanenter Bedrohung, was die Bedeutung der Befestigungen und das Konkurrenzklima zwischen den gleichwertigen Gruppen erklärt. Die Castros dürften nicht Schauplatz großer kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen sein, sondern höchstens von schnellen Übergriffen durch kleine Gruppen von bewaffneten Männern, die Vieh, Korn und andere Waren plünderten. Wie auch in anderen europäischen Regionen wirkten

Abb. 6: a) Ausrüstung eines Kriegers des Nordwestens; b) Bronzene Speerspitzen; c) Eisenmesser; d) Kurzschwerter (b, c, und d nach González-Ruibal 2006-07).

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die Verteidigungsanlagen eher als abschreckende Elemente. Ein Beweis dafür ist, dass das Verhältnis zwischen der Länge der Wehrmauern und die geschätzte Anzahl an den zur Verfügung stehenden Verteidigern keine effektive Abwehr der Befestigungen ermöglicht haben dürfte. Auf jeden Fall deuten das Klima sozialer Instabilität und die potentiellen Konflikte zwischen den verschiedenen Gemeinschaften darauf hin, dass Krieg und Gefechte Teil des Lebens dieser Bevölkerungen des Nordwestens waren (Almagro-Gorbea 1997; González García 2006; González-Ruibal 200607: 232, 440-441; Parcero et al. 2007: 177-182; Sastre 2008). Und dies sehr wahrscheinlich auch durch ritualisierte Formen des Kampfes, wie unter anderem die von Strabo (3,3,6) beschriebene Beibehaltung von Bronzewaffen während der Eisenzeit andeutet. Dennoch sind Kriegsausrüstungen, genauso wie Ackerbaugeräte, nicht besonders zahlreich (Abb. 6). Wir wissen nicht, wie die Bewohner der Castros bestattet wurden, und dieses Fehlen an Grabausstattungen erklärt gewissermaßen auch die spärlichen Waffenfunde. Die ständige Bedrohung, Spannung und Konkurrenz zwischen gleichrangigen Gemeinschaften dürfte auch dazu beigetragen haben, den Zusammenhalt der einzelnen Gruppen zu erhalten und eine mögliche Zunahme der sozialen Ungleichheiten innerhalb derselben zu mindern. Gewalt und Konflikt waren

deshalb wesentliche Bestandteile dieser kleinen Gemeinschaften. Es handelte sich gewiss nicht um kriegerische Gesellschaften mit reichlicher Bewaffnung und um militärische Zusammenstöße größeren Umfangs, sondern um ein Klima von Konkurrenz und Auseinandersetzung zwischen den Gemeinschaften, das mit der Bezeichnung „geringer Intensität“ charakterisiert werden kann. Dieses Szenario erfuhr eine beträchtliche Veränderung während der Späten Eisenzeit, als eine Reihe von Transformationen stattfanden, die zur Herausbildung verschiedener Gesellschaftstypen im Nordwesten der Iberischen Halbinsel führten. Die soziale Pyramide der Vettonen Zentralspaniens Das nächste Fallbeispiel, mit dem wir uns befassen, sind die vorrömischen Gesellschaften der westlichen Meseta, die von den antiken Schriftquellen als Vettonen benannt wurden (Álvarez-Sanchís 1999; 2000; 2008; Sánchez-Moreno 2000). Dabei konzentrieren wir uns insbesondere auf das Amblés-Tal, eine der am besten erforschten Regionen in diesem Gebiet. Es handelt sich um eine gut definierte geographische Einheit, deren Besiedlung während der Späten Eisenzeit durch große befestigte Siedlungen wie Las Cogotas, La Mesa de Miranda und Ulaca gegliedert wurde. Darüber hinaus existierten aber auch eine Reihe von

Abb. 7:Vettonen: Grundriss verschiedener Castros und Oppida; Gebiet der Vettonen mit Lage der wichtigsten Fundstellen;VerracoSkulpturen (nach Álvarez-Sanchís 1999, 2008).

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kleinen, unbefestigten Talsiedlungen (Álvarez-Sanchís 1999: 115-120; Ruiz Zapatero, Álvarez-Sanchís 1995). Was die Demographie der Region während der Späten Eisenzeit betrifft, haben neuere Annäherungen eine geschätzte Bevölkerungszahl von 1050 bis 1400 Einwohner für Ulaca ergeben, zwischen 300 und 400 für La Mesa de Miranda und ca. 250 für Las Cogotas (Álvarez-Sanchís, Ruiz Zapatero 2001). Schließlich findet man im Amblés-Tal eine der wichtigsten Konzentrationen von den berühmten zoomorphen Steinskulpturen, die man im Allgemeinen als „Verracos“ kennt (Abb. 7). Diese vorrömische Plastik, die eine der außerordentlichsten archäologischen Zeugnisse der Eisenzeit Zentralspaniens bildet, stellt hauptsächlich Schweine und Stiere dar und erreicht vereinzelt Ausmaße von über 2,5 Metern Länge (Ruiz Zapatero, Álvarez-Sanchís 2008). Im Unterschied zu anderen Regionen, wie dem Nordwesten der Iberischen Halbinsel, verfügen wir in diesem Gebiet über ausgiebige Informationen aus den Nekropolen, vor allem aus den großen Friedhöfen von Las Cogotas und La Osera, die mit jeweils 1.600 und 2.200 Gräbern die wesentliche Quelle für die Kenntnis der Gesellschaft in diesem Teil der Meseta bilden. Die soziale Deutung der Gräberfelder ermöglicht es, diese Gemeinschaften als aristokratisch zu bezeichnen, mit einer sozialen Hierarchisierung, die weitgehend der eines „triangulären“ Modells entspricht (Ruiz Zapatero 2007). An der Spitze dieser sozialen Pyramide befand sich eine Militärelite, die sich von einer breiteren Gruppe von Kriegern mit bescheidener Waffenausstattung durch Pferde- und Prunkwaffenbeigaben im Grab absetzte. Auch die ikonographischen Darstellungen von Reitern und Pferden, die man auf Keramik, Fibeln und Felsgravierungen findet, können als Hinweis über die­ se Aristokraten oder Equites herangezogen werden. Diesen führenden Familien nachgeordnet scheint eine Reihe von Bestattungen mit Waffenbeigaben gewesen zu sein, durch die eine breitere Kriegerklasse fassbar wird, die zumindest teilweise in einem Klientelverhältnis zu den Eliten gestanden haben könnte. Einige Strukturen aus den Castros, wie vor allem das rituelle Schwitzbad von Ulaca, können als Ausdruck dieser kriegerischen Aristokratien gedeutet werden. Dabei muss auch auf ein Zitat aus den Schriftquellen hinge-

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wiesen werden (Strabo 3,3,6), das über Initiationsbäder von Kriegern in dieser Region der Meseta berichtet. Eine weitere Gruppe von Gräbern kann mit Handwerkern wie Schmieden, Töpfern oder Steinmetzen in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus dürfte ein wichtigerer Anteil von Bestattungen mit Schmuck und/oder nur Keramik Frauen und männlichen Bauern zugeordnet werden, eine Art „Mittelschicht“ dieser Zeit. Die Mehrheit der Gräber – in manchen Fällen um die 80 % – besaß allerdings keinerlei Beigaben, so dass man sie den unteren Gesellschaftsschichten zuweist, vielleicht sogar Knechten und Sklaven. Letztere werden in Helmantiké (Salamanca) anlässlich des Feldzuges von Hannibal im Jahr 220 v. Chr. schriftlich erwähnt (Álvarez-Sanchís 1999: 295-303). Einer der interessantesten Aspekte innerhalb der großen Vettonen-Nekropolen ist die Existenz von verschiedenen Gräbergruppen, die untereinander räumlich getrennt erscheinen. Ihre Identifizierung legt den Schluss nahe, dass es sich um Verwandtschaftsgruppen oder Sippen handeln könnte, wenngleich gezielte paläogenetische Untersuchungen wünschenswert wären, um dieser Interpretation eine größere empirische Basis zu verschaffen (Ruiz Zapatero 2007: 70). Das Defizit an Flächengrabungen innerhalb der Castros erschwert die soziale Deutung auf Siedlungsebene. Auf jeden Fall zeugen sowohl die Lage der wichtigsten Siedlungen in den Anhöhen als auch die mächtigen Verteidigungsanlagen mit Wehrmauern und chevaux de frise von einer Suche nach dem Schutz vor kriegerischen Übergriffen. Im Prinzip scheinen sich die sozialen Ungleichheiten der Nekropolen nicht in den Häusern ausgedrückt zu haben, wenngleich in den spätesten Etappen auch einige größere Wohnbauten mit mehreren Räumen erscheinen. Als viel interessanter erweist sich hingegen die Identifizierung von verschiedenen Arealen wie „Akropolis“, Bereiche für handwerkliche Aktivitäten oder gemeinschaftliche Müllhalden wie in Las Cogotas, die von einer funktionalen Gliederung des Siedlungsraumes zeugen (Álvarez-Sanchís 1999: 130-159; Ruiz Zapatero, Álvarez-Sanchís 1995). Schließlich hat man für die zoomorphen Skulpturen, die sogenannten „Verracos“, eine Deutung als Abgrenzungen von Besitzflächen und Markierer wesentlicher ökonomischer Ressourcen vorgeschlagen

(Álvarez-Sanchís 1999: 278-294). Es gibt Anzeichen dafür, dass die besten Viehweiden und die nächstliegenden Wasserquellen durch die Aufstellung von Verracos in der Landschaft markiert wurden. Außerdem erweckt es den Anschein, dass man mit Absicht Punkte in der Landschaft aufsuchte, die leicht zu identifizieren waren. Aus dieser Perspektive könnten die zoomorphen Skulpturen eine Art „visuelle Marker“ in der Landschaft gebildet haben, die die Wichtigkeit des Viehs in der sozioökonomischen und symbolischen Struktur der Vettonen zum Ausdruck brachten und Besitzflächen abgrenzten. Demnach wären die Verracos ein weiterer Ausdruck der Macht der VettonenEliten, die durch die Errichtung dieser Steinskulpturen die Landschaft auf eine im eisenzeitlichen Europa außergewöhnliche Weise „konstruierten“ (Ruiz Zapatero, Álvarez-Sanchís 2008). Die Späte Eisenzeit des Nordwestens: ein Beispiel unterschiedlicher Sozialstrukturen An diesem Punkt angekommen, möchten wir jetzt den Blick nochmals zum Nordwesten der Iberischen Halbinsel wenden, wo das traditionelle Bild einer einzigen und einheitlichen „Castro-Gesellschaft“ der Späten Eisenzeit während der letzten Jahre auf heftigen Widerstand gestoßen ist. Dank des monumentalen Werkes von González-Ruibal (2006-07) ist es heutzutage möglich, in dieser Region verschiedene Gesellschaftstypen zu unterscheiden (Abb. 8). Als erstes muss der Fall hervorgehoben werden, der das beste Beispiel einer ungleichen und hierarchisierten Gesellschaft darstellt, und den González-­Ruibal (2006; 2006-07: 410-419) nach der Terminologie von Lévi-Strauss als société à maison („Haus-Gesellschaften“) bezeichnet hat. Dieses Modell bezieht sich auf Gesellschaften, die sich vorwiegend über Häuser im kulturanthropologischen Sinne (Strukturen, Personen und Güter) gestalten und sich über Häuser repräsentieren. In diesen Gemeinschaften manipulieren die Individuen patrilineare und matrilineare Elemente, reale oder fiktive Verwandtschaften, politische Allianzen und Blutsbindungen, Vermögensgüter und immaterielle Güter, um die Macht des Hauses zu vermehren und zu reproduzieren. Die Identifizierung dieses Gesellschaftstyps im Nordwesten der Iberischen Halbinsel ist

Abb. 8: Unterschiedliche Gesellschaftstypen in der Späten Eisenzeit des Nordwestens (nach González-Ruibal im Druck).

aufgrund von verschiedenen Indikatoren möglich wie: die wachsende soziale Ungleichheit; die materielle und symbolische Bedeutung der Häuser; und die Rolle der Häuser als Zeichen sozialer Vorrangstellung. Schauen wir zuerst einmal auf die historischen Prozesse, die sich ab ca. 400 v. Chr. ereigneten und die zugleich eine neue Epoche markieren: die Jüngere Eisenzeit (González-Ruibal 2006-07: 279ff.; Parcero et al. 2007: 182-241). Seit Beginn des 4. Jh. v. Chr. erfuhren die Gebiete des Nordwestens Iberiens einen wichtigen Wandel. Als erstes können dabei die Veränderungen im Siedlungsmuster genannt werden, mit der Aufgabe vieler Castros in den Anhöhen und der Besiedlung von Tälern in einem Prozess, der zum Teil als regelrechte Binnenkolonisation bezeichnet werden kann. Die guten Sichtverbindungen zwischen den Castros deuten auf eine weitere Veränderung hin: das Territorium, das nicht mehr wie während der Älteren Eisenzeit durch völlig selbständige und unabhängige Gemeinschaften besetzt ist, gewinnt an Bedeutung. Andererseits beobachtet man auch Veränderungen in der Wehr- und Hausarchitektur. Die Castros erlangen eine höhere Komplexität, mit einer größeren Anzahl

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Abb. 9: „Haus-Gesellschaften“: a) Wohnkomplex; b) Rekonstruktionsversuch (nach verschiedenen Autoren, in González-Ruibal 2006-07).

und Vielfalt an Verteidigungsanlagen und mit mächtigeren Gräben und Wehrmauern. Auch die Häuser werden komplexer, zumindest in gewissen Gebieten, in denen sie mit Steinverzierungen an den Türpfosten ausgestattet werden. Schließlich ereigneten sich auch substanzielle Veränderungen im archäologischen Material, vor allem im Bereich der keramischen Traditionen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Rahmen der besagten Umwandlungen zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. in den Regionen des südwestlichen Galiziens und nördlichen Portugals – bekannt in römischer Zeit als Gallaecia Bracarense – die größte soziale Differenzierung des Nordwestens entstand. Es ist deshalb kein Zufall, dass gerade hier die Identifizierung der sogenannten „Haus-Gesellschaften“ vorgeschlagen worden ist. Nach González-Ruibal (2006-07: 410-419) waren die wichtigsten Merkmale dieser Gesellschaften des bracarensischen Gebietes: 1) Das Aufkommen der Oppida, ein völlig neues Phänomen in diesem Gebiet, mit großen stadtartigen Zentren, die mehrere hundert und sogar einige tausend Einwohner beherbergt haben dürften.

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2) Die Herausbildung von monumentaleren und komplexeren Häusern und von einem neuen Hausmodell: die Wohneinheit mit Hof, die neben dem Hauptwohnhaus mit Atrium auch andere Bauten für Küche und Lagerung sowie ein Gehege für das Vieh enthält; all dies umgrenzt durch die Mauern der Bauten oder durch Zäune (Abb. 9). Dieses neue Hausmodell, das neben anderen einfacheren Wohnhäusern existiert, ist Anzeichen einer hierarchischeren Gesellschaft, die die Häuser zum Aufbau und zur Erhaltung der sozialen Ungleichheiten benutzt. 3) Das Auftreten einer Reihe von Indikatoren sozialer Ungleichheit, die mit den Eliten in Verbindung stehen: Bronzehelme, Goldtorques und, am ausdrucksvollsten, die berühmten galläkischen Kriegerstatuen, die idealisierte Mitglieder der Aristokratie darstellen (Abb. 10). Aber auch andere Elemente wie die rituellen Schwitzbäder oder die Götterstatuen können mehr oder weniger direkt mit den Eliten in Zusammenhang gebracht werden. Ferner sind die Oppida, wie auch in anderen europäischen Regionen, Zeichen einer bisher unbekannten sozialen Differenzierung.

Abb. 10: „Haus-Gesellschaften“: Statussymbole der Eliten. a) Bronzehelme; b) Kriegerstatue mit Caetra; c) Torques (nach González­Ruibal 2006-07).

4) Schließlich wurden die Häuser auch dazu benutzt, um symbolische Dimensionen auszudrücken, z. B. durch die bevorzugte Südwest-Südost Ausrichtung der Hauptbauten oder durch die Verzierung mit Triskelen und anderen kosmischen und apotropäischen Elementen. Die Wohnbauten waren aber zugleich auch Zeichen sozialer Stellung, wie man vor allem an ihrer architektonischen Dekoration und durch die sogenannten „Häuserbiographien“, die in manchen Fällen mächtige Stratigraphien aufweisen, erkennen kann. Diese „Haus-Gesellschaften“ des Nordwestens waren nach den Castros und ihren Territorien strukturiert. Die römischen Schriftquellen erwähnen Castella (Castros), was bedeutet, dass die Personen zu einem topographischen Anhaltspunkt griffen, um ihre Herkunft auf einer höheren Einheit als der Familie zu definieren, nämlich: die Siedlung, in der sie lebten. Darüber hinaus würden die Anführer der wichtigsten Häuser Festmahle und Rituale feiern, sowie als Kriegschefs agieren. Zur selben Zeit als sich im Südwesten Galiziens und im Norden Portugals diese „Haus-Gesellschaften“

entwickelten, kann man in anderen Regionen des Nordwestens der Iberischen Halbinsel auch andere, unterschiedliche Gesellschaften identifizieren (González-Ruibal im Druck). Im Norden Galiziens gab es keine großen Oppida, es fehlen Hinweise auf monumentalisierte Häuser mit reichen Dekorationen wie die des Südens, und die Wohneinheiten weisen keine wichtigen Unterschiede untereinander auf. Demnach hätten die Häuser hier nicht dieselbe Bedeutung wie im bracarensischen Gebiet gehabt. Es können aber andere Merkmale genutzt werden, um diese Gesellschaften der nördlichen Gebiete zu charakterisieren, z. B. die Anhäufung von Reichtum in Schmuck. In der Tat findet man hier die größte Konzentration an späteisenzeitlicher Goldschmiedekunst des ganzen Nordwestens. Die zahlreichen Goldtorques, die wahrscheinlich mit Kriegern in Verbindung standen, zusammen mit Hinweisen über die Wichtigkeit des Viehs und des Krieges als Mittel zur Erlangung von Prestige, deuten auf die Existenz von Gemeinschaften hin, die von Parcero (2002) und García Quintela (2002) als „heroisch“ bezeichnet worden sind (vgl. auch González-Ruibal 2006-07: 405-410) – Gesellschaften, in

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denen die Anführer soziale Ungleichheiten durch die Kontrolle der Zirkulation von Schmuck und Vieh markieren. Schließlich finden wir in den Regionen des Inneren Galiziens und in den westlichen Gebieten der Berge Leons egalitärere und einfachere Gesellschaften (Fernández-Posse, Sánchez-Palencia 1998; SánchezPalencia 2000: 47-108). Die Siedlungen sind klein, mit keinerlei Unterschieden zwischen den Häusern oder ihren Ausstattungen. Außerdem wurden weder Schmuck noch andere Elemente der materiellen Kultur oder das Vieh als Mittel benutzt, um mögliche soziale Ungleichheiten zu markieren. Allem Anschein nach handelte es sich um Gesellschaften mit geringer sozialer Differenzierung, die in gewisser Hinsicht als „segmentär“ bezeichnet werden können (Sastre 2002). Obwohl wir nicht genau wissen, wie die Macht innerhalb dieser Gesellschaften organisiert war, dürfte sie auf jeden Fall weniger konzentriert gewesen sein als im Falle der „Haus-“ oder „heroischen“ Gesellschaften. González-Ruibal (im Druck) hat für diese Gemeinschaften den Begriff „deep rural communities“ vorgeschlagen, das heißt, Gesellschaften mit einem stark egalitären Ethos und Widerstand gegenüber äußeren Einflüssen. Der relativ isolierte Charakter dieser Gebiete, die ziemlich abgeschieden und geschlossen in Bezug zu anderen geographischen Regionen standen, kann dazu beitragen, dieses gesellschaftliche Modell zu verstehen. Was die Geschlechtsidentitäten im Nordwesten ­betrifft, dürfte es sich bei den galläkischen Gemeinschaften vorwiegend um androzentrische Gesellschaften gehandelt haben. Aus archäologischer Sicht gibt es zwei Zeugnisse, die eine gewisse Information über den ­ Status der Frauen im Nordwesten liefern: die Skulpturen und die Goldschmiedekunst (González-Ruibal 2006-07: 419-429, 555-558). Bei den Skulpturen ist es auffällig, dass die meisten Exemplare Krieger darstellen, die die Schönheit und den Glanz des männlichen Körpers hervorheben; bei den wenigen weiblichen Skulpturen handelt es sich um Gottheiten. Die galläkische Goldschmiedekunst ist gleichfalls vorwiegend männlich: Die Torques enthalten viel Metall (in manchen Fällen bis zu zwei Kilo) und ihre Funde sind sehr zahlreich und häufig in religiösen Kontexten; die Ohrringe der Frauen wiegen

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dagegen nur wenige Gramm, sind viel seltener als die Torques und kommen vor allem in Hauskontexten vor. Dieses archäologische Bild ist aber zwei wichtigen Einschränkungen unterworfen. Zum einen ­ liefern ­einige antike Schriftquellen Hinweise darauf, dass die Frauen in den Gesellschaften des Nordens und Nordwestens einen höheren sozialen Status besaßen als viele ihrer Zeitgenossinnen aus dem Mittelmeerraum. Und zum anderen befindet sich die archäologische Erforschung der sozialen Stellung der Frau innerhalb der „Castro-Gesellschaften“ noch weitgehend in ihren Anfängen (Fernández-Posse 2000). Wie in vielen, oder besser gesagt, fast allen europäischen Regionen stellt sie ­somit auch hier ein wichtiges Desiderat für zukünftige Forschungen dar. Ausblick Zum Abschluss dieses Beitrages sei nochmals betont, dass die Identifizierung und Erforschung unterschiedlicher sozialer Organisationsformen sicherlich eine der wichtigsten Aufgaben der europäischen Eisenzeitarchäologie darstellt. Wenngleich das hier vorgegebene Bild noch viele Fragen unbeantwortet lassen muss, zeigt die selektive Analyse einiger Bevölkerungen des „keltischen Iberiens“ die reiche Vielfalt an eisenzeitlichen Sozialstrukturen. Wie Collis (1994) zutreffend bemerkte, müssen wir als erstes die Vielfältigkeit der eisenzeitlichen Gesellschaften anerkennen, um dann eine kritischere Methodologie zu entwickeln, die uns eine bessere Interpretation der archäologischen Daten erlaubt. Schließlich sei daran erinnert, dass die Erforschung der eisenzeitlichen Gesellschaften nicht auf ihre Eliten beschränkt bleiben kann (Trebsche et al. 2007). Es ist Zeit für eine nicht verallgemeinernde „trianguläre“ Eisenzeit (Hill 2006). Was wir brauchen sind kontextbezogene Analysen, die es uns ermöglichen, verschiedene eisenzeitliche Gesellschaftstypen zu identifizieren, mit unterschiedlichen Formen von „triangulären“ und „nicht-triangulären“ Sozialstrukturen. Wenn wir jetzt allerdings nur noch nach „nicht-triangulären“ Gesellschaften suchen, würden wir dabei das Kind mit dem Bade ausschütten und den selben Fehler begehen, der zur Etablierung des homogenen, hierarchischen Sozialmodells führte.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Löcker, Wendling, Karl, Koch und Lucianu) As there seem to be not enough areas excavated inside the castros, it is proposed to use geo-radar to get more but cost-efficient results, to have more data available for basing societies upon their house-types. The results so far include data from old excavations without - and new excavations with mapping the geography inside the the houses. It is possible to date increasingly more houses and do better reconstructions. It is emphasised that the theories on hand should only be the beginning of the thought - intended to guide and be tested by future research. It is too early to say, if the settlement structure did develop in different phases, how it changed chronologically and if there is a connection with social structures (building or not of elites, etc.). This research dealt first and foremost with general structures, trying to offer new approaches for viewing the data. The Spanish scientific community started only a short while ago to use these forms of working with the data; the kind of research being done starts to change aiming to obtain more detail and build a solid base to work from. Order of the moment is: to ask the right questions. Getting or giving answers is only the next step. For the time being there is not much contact between the

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„house-based-societies“ in the small coastal strips and the societies inland to be seen. Although the coastal societies seem quite competitive, they don‘t really seem to expand or try to take over settlements inland. One possible explanation is the geography: the regions inland are very strongly compartmentalised and not very accessible. Another one - or on top of that: the coastal communities were mainly involved in trade (overseas, mediterranean regions) and as such orientated towards the sea / not interested in settling far from the coast, where they would have to find another economic sector to live on. The interpretation of earrings found in house contexts as female items is only based on traditional views; there are no data whatsoever deriving from graves to back or contradict it. Only exception are torques - which are to be seen on - male - statues. One can assume that craftsmen were not the poorest people in these societies. Graves with tools are usually equipped quite good, but do mostly not belong to the group of the richest known graves. As in middle-Europe they can be associated with the upper classes, for example because presumably these were their employers for producing things like the ‚verracos‘ (big stone statues of animals). It is still possible, that the picture shows different phases of the same society - not different societies (changing from systems involving elites to more egalitarian ones). But in this stage of the research it‘s to early to state.

The formation of the Iberian culture in the north-eastern extreme of the Iberian Peninsula Josep Burch*, Antoni Rojas*, Jordi Vivo**

* Institut Català de Recerca en Patrimoni Cultural/Universitat de Girona ** Universitat de Girona

Zusammenfassung Von der Mitte des 7. Jh. v.Chr. an kam es zu bedeutenden Veränderungen im extremen Nordosten der iberischen Halbinsel, die letztendlich zur Entstehung der Iberischen Kultur führten, die auch entlang der mediterranen Küsten der iberischen Halbinsel bestand. In diesem Sinn unterscheidet sich dieser Prozess nicht durch einzigartige Eigenschaften vom Rest des erwähnten Gebiets, obwohl sich am Beginn des 6. Jh. v. Chr. Phokäer auf einer kleinen Halbinsel an der Küste ansiedelten und in der Mitte des 6. Jh. v.Chr. auf das Festland übersiedelten, um dort Emporion zu gründen. Daraus ergeben sich Fragen zum Verhältnis zwischen den Iberern, die um Emporion lebten, und der phokäischen Enklave, und wie diese die Entstehung der Iberischen Kultur in dieser Region beeinflusste.

Abstract Since the mid-seventh century BC changes of great importance occurred in the extreme northeast of the Iberian Peninsula, which finally led to the birth of the Iberian culture, as it also happened in much of the rest of the Mediterranean strip of the Iberian Peninsula. In this sense, this process would not present singular traits different from the rest of the mentioned territory even though at the beginning of the sixth century BC the Phocaeans settled on a small peninsula off the coast and in the mid-century moved to mainland to found Emporion.This fact raises many questions about the relationship between the Iberians who lived around Emporion and the Phocean enclave and how this influenced in the formation of the Iberian culture of this territory.

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The written sources (Avienus, Ora maritima, vers. 523524; Sallust, Hist., 2.98; Strabo, III.4 and III.4 8 and Pliny, Nat. Hist. 3.21) locate the populus of the indigetes in this region. Aside from this information, the data they offer is quite sparse, especially for dates as those dealt with in this study. Thus, most of the information available for this period comes from archaeological sources. Geographical context The north-eastern end of the Iberian Peninsula is located in the northwest of the Mediterranean Sea. Besides its coastal situation, one of its main geographic characteristics is the northern boundary with the mountain range of the Pyrenees. Although in this zone the Pyrenees do not reach important heights, they create a clear visual separation between the territories that are located beneath their two slopes. The territory is characterized by a hilly topography, with numerous little mountain peaks. Absolutely flat areas, although they are present, are not very important. The rivers that pass through this territory, the Ter and the Fluvià, are characterized by moderate and seasonally fluctuating water levels. All of them flow from west to east and drain into the sea. Moreover, in ancient times, many of the low-lying areas near the coast were characterized by the presence of lagoons, pools, etc. (Blech, Marzoli 1987; Marzoli 2005). Mid 8th to mid 7th century BC From the mid 8th to the mid 7th century BC, the communities inhabiting this zone frequented the numerous caves that are scattered throughout the territory. They were used both as funerary and habitation space (Pons 1984). Although in the period before the 8th century BC, a considerable number of small hut groups constructed from perishable materials are known (for example, the phase I of Sant Martí d’Empúries or the village of La Fonollera), in this period, only a couple of sites are documented:Verna-Espolla and Parrallí II. In the first of them an irregular stone structure enclosing a circular or ovoidal plan hut was documented (Pons 1984: 82-89). Parrallí II is a settlement located very close to

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the sea, only known from finds of pottery fragments (Pons 1984: 90-94). Another characteristic element is the existence of cremation cemeteries that do not show significant differences between tombs, but with some carrying grave goods already indicating some social differentiation between individual community or group members. Metal finds are predominantly made from bronze, usually associated with the ornamentation and personal use, although in the final period of this stage iron objects appear, mainly for a personal use, in some tombs (Pons 1984: 182). The recovered pottery in archaeological excavations shows that it was manufactured exclusively by hand, with different varieties of form. Another feature of this period is the existence of occasional silos or storage pits that are of little significance quantitatively but indicate the existence of agricultural surplus for use in the medium and long term. The known case is the pit found at kilometer 752 of the road N-II, dated to between 850 and 700 BC. (Pons et al. 2005) Overall, from the evidence discussed, we can consider that in this period, the communties frequenting or settling in this territory are characterized by their mobility. Surely, the chronological hiatuses that are documented in some sites, such as the one between the phases I (Esteba, Pons 1999) and II of Sant Martí d’Empúries (Castanyer et al. 1999) must be explained by the lack of territorial establishment of the communities that populated this region at this time, which periodically moved, most likely based on the exploitation of the environment. In this type of economy, hunting and gathering played an important role in feeding the population, along with inputs from agriculture and animal husbandry that would lead to surpluses that could be used in the medium and long term, kept in storage pits. In addition, based on the occasional presence of prestige goods in cemeteries, we can conceive societies that frequented this territory during that period to have been only little, but at least somewhat hierarchically organised. From the mid 7th to the mid 6th century BC From the mid 7th to the mid 6th century BC, the changes detected in the archaeology are substantial and caused

Fig. 1: Situation since mid 8th century BC until mid 7th century BC. (Copyright UdG)

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at the end of this period the birth of a new culture: the Iberian one.This is not an isolated, exceptional change in the context of other coastal areas of the Iberian Peninsula, but it presents, as we shall see, singular outlines and characteristics, especially related to the founding of the Greek enclave of Emporion on the coast. At this time, the use of caves as habitation places still continues, but already is of minor importance compared with the huts scattered throughout the territory. Although these have been partially excavated, most of the information comes from the group of huts found in Sant Martí d’Empúries (Castanyer et al. 1999) and of the set found in the Illa d’en Reixac (Martin 1998). These are two significant cases since the first one is a hut group on the same site where also Greek settlers were present and who later gave rise to the establishment of Emporion. The latter case constitutes the older levels of the more important population of the northeast of the Peninsula together with the Puig de Sant Andreu whose settlement is a great complex, because of its magnitude and complexity. The distribution of these huts is not balanced and uniform throughout the area but it concentrates mainly around the coastline (Sant Martí d’Empúries) and the courses of its main rivers and lakes, for example Mas Castell de Porqueres, Illa d’en Reixac, Puig de Sant Andreu or La Devesa de Besalú. In these places are the main settlement sites that appear either in the form of isolated huts or houses such as Sant Mori, Camallera (Pons 1984) or Mas Gusó (Casas, Soler 2000; Casas, Soler 2004) or in the form of small groups, such as those mentioned cases of Illa d’en Reixac and Sant Martí d’Empúries. The architecture of these settlements is very simple because it is mainly huts built of perishable materials, although in some cases the use of stone plinths is documented (Martin 1998).The buildings are basically circular or ovoidal although in some cases rectangular plans are already documented for houses with a single room (Castanyer et al. 1999). It is also important to note that none of the excavated sites belonging to this period has walls or other defensive systems. The funerary rite for this period is cremation, so there is a strong continuity from the previous period. However, some significant differences are found in the characteristics between the sets accompanying the fu-

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nerary urns.These differences are either in the number of finds accompanying the urn, or in the presence in some tombs of imported goods, basically Phoenician or imitations of Phoenician products, documented in the cemeteries of Agullana and Anglès (Pons 2005: 80). More recently the cemetery of Vilanera, close to Emporion, has been excavated, in which a certain variety in the types of tombs is documented as well as significant quantitative differences of grave goods, and also the presence of Phoenician material (Codina et al. 2000: 57-58; Agustí et al. 2002: 78-79). Unfortunately, the number of excavated cemeteries is small and the excavations have only partially been published, limiting the possibilities for sound interpretations. The pottery of this period, by contrast, shows no significant changes compared to the previous period, since it continues to be manufactured by hand. However, as the excavation of Sant Martí d’Empúries has demonstrated, there is a trend toward greater standardization of forms (Castanyer et al. 1999). The most significant change that can be seen in this period is the appearance of iron objects, always personal adornments or weapons in contexts around 600 BC (Pons 2005: 80), but never as work utensils for either agricultural or craft activities. The existence of hut groups with rectangular plans and stone plinths leads us to think of communities tending toward a clear stabilization of the various groups that inhabited this area between the mid 7th and mid 6th century BC. However, the use of caves, although quantitatively smaller in relation to the previous period, the prevalent use of perishable materials for the construction of the huts as well as the predominance of circular or ovoidal plans and the absence of fortified nuclei lead us to think about communities that are not yet fully sedentary, a fact that will not occur until the end of this period in mid 6th century BC. One of the most significant elements accompanying this incipient fixation in the territory is also the incipient hierarchy of social groups settled in this area. Among the elements that lead us to this conclusion are the differences between the funerary sets already mentioned above, but also some others like the find of a horse bit in Empúries, which can be dated to between 625/600 and 580 BC. (Castanyer et al. 1999: 179) The

Fig. 2: Situation since mid 7th century BC until mid 6th century BC. (Copyright UdG)

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horse, a symbol of distinction and class, supports this interpretation for these early dates. The existence of silos for storage of grain surplus shows us the critical importance of agriculture, especially the cultivation of barley, though accompanied by other minority cultures, like the vine, documented in Empúries between 625/580 BC (Castanyer et al. 1999: 179). However, the predominance of agriculture must not lead us to neglect the role played in this period by hunting, fishing or gathering. One of the most singular events taking place in this territory is the installation of a Greek settlement on the coast, Emporion. This enclave is, together with another Greek foundation (Rhode), the only two Greek settlements fully identified in the Iberian Peninsula, although the second enclave was founded later than the first. However, the recent excavations in Empúries document a phase in which the first materials are imported from a Phoenician and Etruscan origin and not Greek.The Greek Phocean element did not clearly materialize until about 560 BC, when Phocaeans founded a small establishment located on a small peninsula on the coast that was called in antiquity Palaiapolis and that led to an increase and consolidation of exchanges between indigenous and colonial commercial agents. (Castanyer, Santos, Tremoleda 1999) This situation is quite parallel to that we see in the Iberian sites of the emporitan surrounding. First, the early ceramic vessels that we see come from a Phoenician and Etruscan origin, followed later by the arrival of goods of Greek origin (Martin, Lafuente 1999: 319). Secondly, the number of imports is quite small. Therefore, it is not an exchange of large amounts but of goods of prestige or sumptuous objects intended for the indigenous elites as reinforcements to an ideological position that is under construction and consolidation at this time.Thus the local context in which records the arrival of Mediterranean peoples is that of an economy of prestige goods (Krueger 2008).The colonial world attempts to ensure its commercial positions in the far northeast of the Mediterranean Sea. The formation of the Iberian culture The changes arising since the mid seventh century BC crystallize and consolidate in the mid sixth century

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BC. We can consider that in this period, the Iberian culture was formed. In this period, we can identify some settlements already existing in the previous period (like Illa d’en Reixac, Puig de Sant Andreu d’Ullastret, Perelada, Mas Castell de Porqueres, Montilivi-La Creueta, etc.), now accompanied by new ones like Sant Sebastià de la Guarda (Burch, Rojas, Sagrera 2003) or Sant Julià de Ramis (Burch et al. 2001).We should note as the most significant element – because it allows seeing the culmination of the formation of territories and social development in communities inhabiting this area since the Late Bronze Age – the nuclei formed during this period on the whole remained persistent until the Roman conquest. Where groups of storage pits are concerned, the period between 550 and 450 does not seem to highlight a remarkable amount (Asensio, Francès, Pons 2002: 129), which does not seem to indicate that the trade of cereals was a cause for the establishment of Emporion in the second half of the 5th century BC on the mainland. One of the main events in the mid 6th century BC is the foundation of the Greek settlement of Emporion on the mainland.This is a Greek enclave of limited extent, about 3 hectares, which is located at the mouths of the main rivers in the area. Although this situation has always been associated with the commercial possibilities that it offers, the truth is that imported materials in settlements located in the interior, non-coastal areas of the territory are quite insignificant in quantity (Burch et al. 2001: 47-52) unlike in the villages of the coast, which seem to have benefited from easier access to foreign products. Iberian settlements at this time are usually in elevated positions, that is, on top of hills and mountains whose access is not very difficult and who are very close to the plain. Another position is even more typical for Iberian villages located on the same coast. Typically, these are located on small peninsulas, easy to defend, and near small creeks that allowed anchoring small boats: Castell de Palamós, Sant Sebastià de la Guarda and possibly El Fortim. Another characteristic is the proximity of rivers to the inhabited areas. The best known case is that of Sant Julià de Ramis, located at the top of a hill flanked by the main river of this territory, the Ter. To a lesser extent, some of the settle-

Fig. 3: Situation during the formation of the Iberian culture. (Copyright UdG)

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Fig. 4: Wall from Sant Julià de Ramis. (Copyright UdG)

ments were located on or near the edge of marshes, small lakes, etc. This applies to Illa d’en Reixac, Puig de Sant Andreu or Mas Castell de Porqueres. This set of situations provided to the communities inhabiting these enclaves protection because they were found in elevated positions in relation to their environment; various natural resources such as water, farmland, forests where to get wood and, finally, a special visual control of the territory. One of the differences, compared with the previous period, is the existence of fortified spaces. Very few instances are known, and that only partially. Ullastret is one of the best known cases. In this settlement a powerful wall flanked by towers is built into a powerful wall flanked by troncoconic towers (Martin 2005: 327). Although, generally, one of the most characteristic elements is the lack of fully fortified enclosures since only the most vulnerable sides of the settlements are defended. Walls of minor size were documented recently in the village of Sant Julià de Ramis, some of which have their origin in this period (Burch, Sagrera, Miquel 2008). Where the architecture is concerned, ovoidal or circular plans disappear and regular rectangular plans for houses and settlements are consolidated. Originally consisting of a single room, slowly the houses in-

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crease in complexity through the articulation of several rooms and spaces, although this situation is not fully developed until the next period, as is documented in the area 14 – in process of excavation – of the site of Ullastret (Martin et al. 2004). Complementing this situation, the use of stone plinths becomes universal and the use of adobes for building walls become observable, which accompanied during the entire period the use of perishable materials. Another remarkable element of this period is the existence of an internal spatial organization of villages. This is not the development of a regular urbanism but of creating communication spaces, paths, etc. that draw up boundaries between areas of communally used spaces and habitation and work spaces (Llorens, Mataró 1999; Burch 2001: 63-72).

Fig. 5: Iberian belt. (Copyright UdG)

Fig. 6: Sant Sebastià de la Guarda settletment. (Copyright UdG)

A characteristic of this period is the emergence of wheel-thrown pottery. Among the most emblematic productions we emphasize the amphorae as a little well-known product containers and tableware that in many occasions is painted. Also noteworthy was the development of metal products that, according to the evidence, never surpass a stage technically little developed, but cause the extension of the use of the metallic tools to the practice of agriculture. The set of characteristics we discussed consists of long-time occupied villages, the existence of fortified enclosures, a more complex architecture as well as the regulation of space inside the settlements, and shows the fixation of the people in the territory. This is not only a fixation in space, but also a clear social structuring that remains until the Roman conquest. This means the consolidation of an indigenous elite that

presumably held the political, economic and cultural power in the indigenous societies of this region. Although an increase in production of handmade objects is observable as time progresses, agriculture constituted the main economic sector of the zone, especially the cultivation of grain mainly consumed by the local population. The few storage pits found in these region are a clear example of this and of the achievement of surpluses controlled by the indigenous elites of which we spoke above, which were redistributed among communities under the dominance of these privileged groups (Sanmartí 2005: 717-726), which in turn reinforced the role of dominant groups. The existence of a permanent Greek settlement on the coast meant a further reinforcement for the maintenance of this privileged position from the trade of imported objects, increasingly represented in the Iberian settlements (Sanmartí, Asensio, Martin 2002). Those products had as its main target the local elites, which could be exchanged or redistributed among other groups or segments of the local population on the basis of reciprocity, in some cases fictitious and not in others, strengthening the power of the elites. Thus, the formation of the Iberian culture in this territory has as one of its main features the consolidation of a privileged social group that found in the prestige goods brought to the area by traders from the Mediterranean a tool to increase its prestige in its community, and this contributed to an increase its power and wealth, as archaeological remains indicate, especially in the later period.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beitrag von Andrisek) The analysis of the grade of visibility of/from the settlements is not yet in the final stages. It will not only be based on the assumption that there was visibility, if there are no hills obstructing the view, but other criteria as well. Distance, vegetation, control over territory, exact position etc. will be tried to be clearly established, where possible. In some cases it‘s easy to presume that the position of the settlement is intended at exactly its spot; for example with coastal settlements on peninsulas in a distance of 5-8 km of each other on elevated ground - to control the areas in between and the surrounding countryside. The tradition of speaking of settlements of 1st, 2nd, 3rd... order shall be included in this research - there is yet unfortunately no fully grown answer to this problem.

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Social structure(s) of the Oppida area (NW of the Iberian Peninsula) Francisco Sande Lemos1, João Fonte2, Gonçalo Cruz3

1 CITCEM, Universidade do Minho. Braga (Portugal) 2 LaPa, Laboratorio de Patrimonio. CSIC, Instituto de Estudos Galegos Padre Sarmiento. Santiago de Compostela (Spain) 3 Sociedade Martins Sarmento. Guimarães (Portugal)

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1. Geographic context The Iberian Peninsula is the region of Occidental and Central Europe with the second highest average altitude (the first is Switzerland).The North and the West coast of Iberia are surrounded by the Atlantic Ocean. On the opposite side lays the Mediterranean Sea. The Galician and Cantabric coasts have an intensive humid climate, with green hills and slopes, while the Mediterranean area is covered with large fields of olives or vineyards. In some regions of the South of Iberia the landscape is almost arid. Strong differences in the climate and in the orography have created a peculiar medium sized subcontinent, with very different geographic entities and landscapes. One can say that Iberia is an interesting puzzle of regions, each one with its own features. One of them is the Northwest. It is enclosed in the West and North by the Atlantic Ocean; in the South and East is delimited by the rivers Douro and Elba, and also by the high mountains known as Picos da Europa. But the Northwest of Iberia itself is not a homogeneous country. For instance, while in the mountains near the Atlantic the average annual rainfall reaches 2 000 or 2 500 mm, in the Southeast corner, at the Douro valley, the same value decreased to 400 or 500 mm. The proximity of the coast, the geological features, the orography, the complex network of hydrographical basins, and ancient tectonic activity created very different landscapes. We do not know if there was a pre-roman designation for this wide area. After the Roman conquest two entities arises: Callaecia (the occidental part); and Asturia (eastern half). Callaecia was divided in Northern (Lucencis) and Southern (Bracarensis), separated by the Dorsal Galega (a range of mountains). Asturia, in this period, was also divided in two zones: the Augustana (the South) and the Transmontana (the North, including the Cantabric mountains and a narrow coastal platform). This paper is about Southern Callaecia in Late Iron Age. 2. The Castro Culture The hillforts, locally called castros, were the main settlement type during the Late Iron Age in the Northwest

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of the Iberian Peninsula, as much in Northern Portugal as in Galice and Asturias (Spain).There are, in both countries, more than three thousand castros, although their size varies from a single hectare to about twenty four (Citânia de Briteiros, perhaps the largest one).Actually, the territory where the largest hillforts are located, who are large enough to be called oppida, is confined to the Southwestern corner of Northwest Iberia.This geographical area corresponds to the current Portuguese regions of Minho, Douro Litoral and Western Trás-osMontes, and the Spanish region of South Galice (Pontevedra and Ourense). Out of this area, one hillfort with a surface of 5 hectares has already been classified as a probable central place. In contrast, hillforts with ca. 5 hectares are very common in Soutern Callaecia. In the latter area, the main features of hillforts are their prominence in the landscape, high density of occupation, an apparent settlement hierarchy, complex defensive systems, proto-urban organization and a specific and exuberant archaeological record. These features apparently reveal a much more complex social model (or models), at least in the Late Iron Age, than in the other areas (Northern Galice, North-eastern Portugal, Western Castilla y Léon and Asturias). It seems that the communities within Southern Callaecia were more permeable to external contacts. However, we have to take into account the cultural fragmentation and the regional diversity of the NW of Iberia, so we must think that these variations may reflect ecological conditions, settlement patterns and social structures. Until some decades ago the researchers tried to establish the common archaeological features of the castros, like their walls, the location in high elevations, or the round houses, ignoring the differences in the hillforts’ sizes, the settlement patterns, the material culture, thus creating a scientific conglomerate named Castro Culture. In the eighties of the last century, a new approach began, which first tried to verify the regional features of the so called Castro Culture, a concept that some authors even had put in doubt (Martins 1990). Now there is a consensus about the regional differences (Carballo Arceo and González Ruibal 2003), but the process to establish what is specific of each area is still in progress. Different models have been proposed to explain, or contextualize, the social structure of the castros. From

Fig. 1: The area in study, the Northwest of the Iberian Peninsula

an historical-cultural perspective as a Celtic influence (López Cuevillas 1989), or as an Indo-European heritage: a social structure described as a tripartite scheme, of warriors, priests and farmers.This approach is based on the structuralist theories of G. Dumézil and was developed by the Portuguese archaeologist A. C. Silva (2007). Other interpretative models propose the definition of “heroic societies” (Parcero Oubiña 2003), where cattle, jewels and war were key elements in the political economy of these societies, characterized by the idea of “value”. Although there is some evidence of clear social distinctions, the communities avoided the formation of central places, like oppida, but created social differentiation through material elements. This model is recorded specially in the region of Northern Galice. The so called “segmentary societies” (Sastre Prats 2002, 2008) or “deep rural communities” (González Ruibal 2008), a more communal and egali-

tarian model, can be found to the East of Galice, West of Asturias and of Castilla y León and also in Eastern Trás-os-Montes (Portugal). Here the communities seem to have chosen isolationism and the conservatism as a resistance to foreign influences, since they had not created systems and items of social differentiation to allow inequalities. Recently, an anthropological point of view has been developed specially for the Southwestern part of NW Iberia, based on Lévy-Strauss’ theory of “sociétés à maison” (González Ruibal 2006), where the domestic space was the basic element to reproduce the society and to generate inequalities. Although there were other elements associated with power which may have produced inequalities and encouraged power relations, it was in the domestic space were the most evident social distinctions of status, gender and class occurred. In Southern Callaecia, in the Late Iron Age, power

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Fig. 2: The region of the oppida in NW of Iberia

and hierarchical policies were controlled by elites, in a region which became immersed in the Atlantic and Mediterranean trade networks and cultural interaction early on. It was here that the oppida emerged. These “complex chiefdoms” were articulated with the oppida and were associated with a complex and standardized material culture, as a way to justify and consolidate the power. There were some elements that use to favour the maintenance of social order and the restriction of power by the elite. In hierarchical societies such distinct ways to structure the power should occur. In the Late Iron Age, conflict and opposition seemed to grow within and between communities, which implies the increasing of social differences. The NW communities seem to have reacted to this differently, since some communities restricted inequalities more than others, though no doubt the historical and geographical context favoured one solution or other. Each society should have had certain mechanisms

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of political coercion that encouraged social cohesion. These different social organizations changed in space and over time, although they were closely linked to the territory, settlements and households, while in other parts of Iberia, kinship ties prevailed (González Ruibal 2006). These different economies of power were associated with different social organizations, and possibly generated a sense of common territorial identity: the castella. These different social structures can be archaeologically identified through the variability and complexity of the material culture and the landscape itself, understood as products of social action (González Ruibal 2007, Lemos et al. in press). Within the area that we generally call the “oppida region”, the territories close to the outer limits show some varieties concerning the morphology of the settlements, and probably its social structure. This is the case of current Western Trás-os-Montes (Portugal), the South of the Ourense Province (Spain) or, more specifically, the Tua basin, between Western Trás-os-Montes and the Zoelae region (Lemos 1993).The few archaeological surveys made in those regions make it very difficult to define clearly a social model, either if it use to be the “société à maison” model, the “deep rural communities” or another. 3. Culture and Archaeology The main issue to be discussed is whether the data available currently allows any effective social interpretation of Castro Culture, as a whole, or as a sum of regional contexts, with slight differences. If we look to the archaeological record, and the evidences that it reveals, not all the different regions give the same kind and amount of information. From the end of the 19th century until now hundreds of excavations had been undertaken in castros of Portugal, Galicia and Asturias. Sadly, the number of publications of excavations is scarce. Beside that the lack of cemeteries is a serious handicap to study the social structure of the castros. Another problem is the complex stratigraphy of the inhabited compounds, which requires very slow and meticulous recording during field work. This is often forgotten and the validity of the data must be questioned.

However, a larger quantity of and more significant data has been recorded in the area of the oppida, which show a very particular context concerning density of occupation, and hillforts’ planning complexity, so that we can describe them as urban settlements. The region that extends from the Minho to the Douro rivers, with its nuclear social and political center in the Cávado and Ave basins, was inhabited by communities that had an expressive social complexity. The analysis of the internal organization of the “large castros”, where proto-urban features, associated with complex constructive and decorative programmes, are remarkable, shows the coexistence of powerful families with others of low status. The former would have controlled production, and would have been the political elite of each community, probably based on military or/and religious power. The big warrior statues, the quality of the construction of some family compounds, and the existence of specific buildings, apparently of restricted social use (steam bath structures, and the so called “council houses”), can be connected with these families. Large construction programmes, such as paved streets and water systems, are further evidence of governance by elites, as well as the defensive ramparts that show an ubiquitous central role of war. There was, in the urban conception of the large oppida of North-western Iberia, a clear separation between what were public and private areas. The urban landscapes of the “large castros” is dominated by the family households, what could demonstrate the continuity of the family community, as the base of the Castro Culture social structure. But this continuity is also the social platform used to support the power of some lineages. In fact, some of the domestic compounds show the most complex and perfect decorated elements, perhaps as a form of ostentation that use to indicate the wealth and power of the family living in the house. On the other hand, we can see structures whose construction was a public or communal investment, such as the streets, the ramparts, the “council houses” and the steam bath places.The walls, more or less complex, are present in every settlement. This can be interpreted as a hint at the existence of very unstable communities, in permanent state of war (Queiroga 2003), or the architecture of the ramparts could have had the

Fig. 3: Aerial view of the Citânia de Briteiros, Guimarães, Portugal

purpose to impress, either the inhabitants, or foreigners. The latter idea is based on the few elements found in these settlements connected to warfare, like destructions and reconstructions, and the rarity of weapons. If war is generally a symbolic way of manifesting power and managing deep conflicts (Lemos et al. 2007b), do the sculptures of warriors express this kind of social thinking? Actually, the warrior statues, called “guerreiros calaico-lusitanos”, interpreted in principle as religious or even funerary icons, can never be separated from their

Fig. 4: Digital model of the Outeiro Lesenho hillfort, Boticas, Portugal

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Fig. 5: The Cidá do Borneiro, a hillfort from Northern Galice, A Coruña, Spain (after http://www.castrenor.com/?mod= mapacastros&event=muestracastro&lang=pt&id=7689)

original martial symbolism, as they represent warriors, with their weapons and complete clothing. It is very possible that the sculptures should be related with religion or mythological personalities, but they are connected most of all with the symbolic defence of the settlements, as in the example of Citânia de Sanfins. In this hillfort a broken statue was discovered, probably in a secondary context. But the marks cut in the bedrock where the warrior should have been positioned were also found. This enabled the director of the excavations to establish that the statue was displayed in a very visible location, close to one of the gates in the rampart (Silva 2003). Other statues, found at the oppida of S. Julião and Monte Mozinho, both also outside their original context, were found between the fallen stones of one of the defensive walls. These statues can be assumed, as well, as heroic or divine representations, idealized representations of warrior aristocrats with an apotropaic value, which symbolically protected the entrance of the settlements, while bearing the power of the ruling elite, concerning to the particular artistic and technical investment in its design and sculpting (González Ruibal 2004). The idea that these statues were a product of native assimilation of Roman artistic patterns (Calo Lourido 1994) was questioned

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by recent studies (Shattner 2003, González Ruibal 2004). Like other decorated stones of some constructions, they are a clear indigenous cultural manifestation, far away from the Romanitas. Although these statues have their own style, many scholars have made comparisons with the statues found in Central Europe, namely those from Glauberg and Hirschlanden. However, the Callaeci warrior statues were probably produced in the late second and first centuries BC and always appear linked to oppida, while the Hallstatt examples are from the sixth to fifth centuries BC and were found in funerary contexts (González Ruibal 2004). Other particular characteristics of the North-western Iberia oppida are the “council houses” and the bath places, both assumed as meeting points of restricted use. The “council houses” are large round structures with stone benches along the inner wall. These houses were detected in places like Citânia de Briteiros and Cividade de Cossourado, in zones without other constructions, close to the summit of the hillfort, and are too small for an equal rep-

Fig. 6: Reconstitution of a family compound in the Citânia de Sanfins, Paços de Ferreira, Portugal (after Silva 2007)

it could not be used by every inhabitant of the hillfort, taking in account the large population that every oppidum seem to had in the Late Iron Age. A connection of these elements suggests a very complex social model, with a remarkable hierarchy, based on the existence of an elite, formed by important families. 4. Final Remarks

Fig. 7: Warrior statues found at the Outeiro Lesenho hillfort, Boticas, Portugal (Museu Nacional de Arqueologia, Lisbon)

resentation of all living families. Thus we can look to these structures as a seat of the more important personalities, wether they should be elders, warriors, priests, or both of them. The bath structures are often located in places where natural water can be accessed or in topographic depressions which allowed a most easy way to conduct an artificial water supply, thus located in the periphery of the hillforts, close to the outer rampart. These monuments are an example of the finest architectonic and artistic concepts of the Castro Culture, used for steam and cold water baths, consisting in a main steam chamber, with a furnace, antechamber and an outdoors courtyard. The bath structures seem to have been one of the most important buildings of each hillfort, according to the human investment and technical capability necessary to its construction, and the decorative complexity of these buildings, namely in the decoration of the Pedras Formosas (a portuguese popular name meaning “beautiful stone”). Once more, the very restricted space available in the steam room suggests that

Some authors (Martins 1990) argued that these oppida of Northwestern Portugal and Southern Galice are the result of an endogenous process of demographic growth and concentration triggered by a process of economic intensification, while others outlined the influence of the slow advance of the Roman Empire from the Southeast of Iberia to the Atlantic coast (Silva 2007). Or, perhaps, there was the convergence of both, although we should take into account the active and dynamic role of indigenous communities. However, we cannot neglect the particular history and evolution of each settlement and region, the variety and complexity of Late Iron Age landscapes and material culture and the complex dynamics of indigenous societies (González Ruibal 2006-07). In any case, the Archaeology of the “large castros” is the main key not only to access their historical, or social, changes, but also to

Fig. 8: Pedra Formosa, found at Citânia de Briteiros, Guimarães, Portugal

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Fig. 9: Golden earrings collected at Citânia de Briteiros, Guimarães, Portugal

understand why other territories of the Northwest of Iberia remained so immune against social change until the Roman conquest and why after that in the first century AD the indigenous elites had a very important role in the governance of the Roman civitates. We believe that in Southern Callaecia and Asturia the hillforts of the Late Iron Age had a long history of autonomy and a deep connection with the territory, as well as a very sophisticated knowledge of the landscape and an accurate capacity to manage the natural resources. In the countryside hillforts, less submitted to the strain, there was a choice to contract the demographic growth and social complexity.The internal stress use to be solved by segmentation. In the case of an acute conflict the community used to divide itself, and half the people used to go away, to a new settlement. Between these little hillforts remains a complicated network of alliances and links, recorded for instance in the Zoelae tabulae.These are very important documents, the first one dating from the first centu-

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ry and written in Latin, but quoting an ancient pactus, perhaps pre-roman. The second was redacted in the second century but now the treaty was signed at Asturica Augusta. The little hillforts of the Zoelae were also protected by a defensive structure, which usually was one single wall, although a powerful line, with a turret and a large ditch. So we may assume that these farming communities were not peaceful at all. The people that inhabited the little hillforts of the Zoelae were also a fierce populace, able to fight against external dangers and hardly permeable to foreign influences. In the area of the valley of the Sil River, a tributary of the Minho, the main river of Northern Callaecia, the excavations undertaken under the direction of Fernández-Posse and Sánchez-Palencia (1998) in a little castro named El Castrellin, revealed a community who chose to stay in harmony with the territory, living in economic autarchy, avoiding the intensive exploitation of the mineral resources which were very abundant around. Other excavations made previously by the same team in the countryside, at the valley of a tributary of the river Esla, recorded a small hillfort (Castro de Borrenes) without social complexity, in spite of the rich gold ore in his territory. As we have already stressed, more data is necessary. But there is an important and evident distinction between the small hillforts of the countryside and the oppida, whose main features we have already related.The border between the hillforts organized in lineages and the castella is well known. However, in Southern Callaecia, which already had a long history of contacts with Greeks and Punics, in the context of the maritime trade, and a more favourable environment, the hillforts evolved towards more complex societies during the first half of the Late Iron Age. In the this period the Roman incursions, the first led by Decimus Iunus Brutus in 137 BC, may have accelerated the formation of more competitive and dynamic societies.The control of the resources and of the territory induced the formation of large hillforts, or oppida, that dominated some small other hillforts around. Inside the oppida arose some lineages who ruled over the other common families, protecting them in war. These wealthy aristocracies had also the property of some industries, like pottery, and perhaps their own private lands.

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The court of law in Iron Age Celtic societies Raimund Karl

Zusammenfassung Umfriedete Hofanlagen sind ein häufig anzutreffendes Element im Siedlungsbefund der europäischen Eisenzeit. Beispiele finden sich in den hallstattzeitlichen “Herrenhöfen” und latènezeitlichen “Viereckschanzen” Deutschlands und anderer Teile Mitteleuropas, den französischen enclós und den britischen enclosed farmsteads, aber auch den “ringforts” des frühmittelalterlichen Irlands. Obgleich sich alle diese Anlagen in mancher Hinsicht deutlich voneinander unterscheiden, gibt es zwischen ihnen auch einige auffällige Ähnlichkeiten, die am besten als Resultat einer gemeinsamen religiösen Ideologie gedeutet werden können: ein Überwiegen von ostwärts orientierten Eingängen, strukturierte Deponierungen im Siedlungsraum und eine ähnliche interne Raumaufteilung, gewöhnlich mit einem Hauptgebäude auf der dem Eingang gegenüberliegenden Seite eines vergleichsweise großen, unverbauten Platzes. Linguistische Evidenzen zeigen, dass dieser eingefriedete Siedlungsraum mit verwandten Begriffen bezeichnet wurde: Gallisch lissos hat Kognaten in Altirisch les und Walisisch llys, wobei alle diese Worte jeweils unter anderem auch die Bedeutung “Hof” und “Einfriedung” haben. Interessanter Weise haben jedoch der altirische und der walisische Begriff auch weitere parallele Bedeutungen: Altirisch les bedeutet auch “Abhilfe,Wiedergutmachung, Rechtsmittel;Wiedergutmachung durch Gerichtsverfahren; Grund, Fall, Angelegenheit, Sache”, während Walisisch llys auch “Gerichtshof, Rechtsfall oder Gerichtsverfahren” und “Einspruch oder Widerspruch gegen einen Zeugen oder Schöffen” bedeutet. Abgeleitete Begriffe finden sich in Altirisch lesach “erfolgreich rechtlich durchgesetzte Wiedergutmachung” und “rechtlicher Vertreter, Anwalt” und Walisisch llysaf, “Zeugen oder Schöffen widersprechen oder ablehnen, Einspruch (gegen eine Aussage, Richter etc.)”.Wie beim englischen Wort court, das ebenfalls “eingefriedeter Bereich, Hof” aber neben vielen anderen Dingen auch “eine Versammlung von Richtern, Gericht” bedeutet, scheint auch in den keltischen Sprachen eine Assoziation zwischen dem Hof, dem eingefriedeten Platz in einem Gehöft, und der Funktion der Durchführung von Gerichtsverfahren zu bestehen. Die frühesten Rechtstexte in keltischen Sprachen liefern uns ausführliche Informationen über die Durchführung von Gerichtsverfahren zwischen dem 6. und 13. Jh. n.Chr. Dabei findet besonders die Praxis des Schwörens von Eiden, unterstützt durch Eidhelfer, eine enge Parallele in frühen germanischen Rechten, insbesondere der Lex Ribuaria aus dem 6. Jh. n.Chr. Sprachliche Evidenzen unterstützen ebenfalls die Ansicht, dass das Schwören von Eiden eine gängige Praxis war, Keltisch *oitos, “Eid” findet enge Kognaten in Altirisch oeth und Altwalisisch *ut, und natürlich auch in Englisch oath und Neuhochdeutsch Eid. Dass die Beiziehung von Eidhelfern auch vermutlich bereits in der Eisenzeit gängige Praxis war, wird wiederum durch den bekannten Bericht über das (missglückte) Gerichtsverfahren der Helvetier gegen Orgetorix nahe gelegt.

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Aufbauend auf diesen Daten wird versucht, einige minimale Aussagen über den Aufbau des Gerichts - sowohl als physischer Raum als auch als soziale Institution - in eisenzeitlichen “keltischen” Gesellschaften zu treffen. Nachdem die Struktur des Gerichts bzw. von Gerichtsverfahren auch soziale Konsequenzen hat, wird auch untersucht, welche Folgen solche gewaltfreien bzw. geregelt gewaltsamen Konfliktlösungsmechanismen für das Verhalten eisenzeitlicher Menschen und Gesellschaften in Mittel- und Nordwesteuropa gehabt haben dürften. Abstract Enclosed homesteads are a common feature of the European Iron Age, with examples being the Hallstatt ‘Herrenhöfe’ and Latène ‘Viereckschanzen’ in Germany and other parts of Central Europe, the French enclós, and the British enclosed farmsteads, but also the ‘ringforts’ of early medieval Ireland. While differing considerably in some regards, they also show some striking similarities, which can best be explained as a result of a shared religious ideology: a predominance of east-facing entrances, structured depositions in the settlement, and similar internal organisation, usually with a main building opposite of and facing the entrance across a relatively sizeable open courtyard. Linguistic evidence demonstrates that this enclosed settlement space was referred to by a common term: Gaulish lissos finds cognates in Old Irish les and Welsh llys, all meaning, amongst other things, ‘courtyard’ and ‘enclosure’. Interestingly, the Old Irish and Welsh terms also have other parallel attested meanings: Old Irish les also means ‘relief, redress, remedy; redress obtainable through court proceedings; cause, case, affair, matter’, while Welsh llys also refers to ‘a court of law, court case or proceedings’ and ‘a challenge or objection to a witness or juror’. Derived terms include Old Irish lesach, ‘successful in obtaining legal remedy’ and ‘legal representative’, and Welsh llysaf, ‘to object to or challenge a witness or juror; reject (a plea, judge etc.)’.Thus, as with the English word court, which also refers to both ‘an enclosed area, a yard’ and, amongst many other things, ‘an assembly of judges’, there seems to be a close association between the courtyard, the enclosed space commonly associated with settlements, and legal proceedings in the Celtic languages. The earliest law texts in Celtic languages provide us with substantial evidence for court procedure in the period between the 6th and 13th century AD. Particularly the practice of swearing oaths, assisted by oath-helpers or compurgators, finds a close parallel in early Germanic law, especially the 6th century AD lex Ribuaria. That oath-swearing was a common practice is also supported by linguistic evidence, with Celtic *oitos, ‘oath’ finding close cognates in Old Irish oeth and Old Welsh *ut as well as in English oath and German Eid. And that the provision of compurgators for court cases probably was already practice in the Iron Age is made likely by the famous report of the (failed) trial of Orgetorix by the Helvetians. Based on this evidence, this paper attempts to make some minimum assumptions about the court of law – as both a physical space and a social institution – and legal procedure in Iron Age ‘Celtic’ societies. As the structure of legal proceedings will also have had social consequences, it also examines the likely effect that such non-violent conflict resolution will have had on the constitution of Iron Age societies in central and north-western Europe.

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Our view of Iron Age ‘Celtic’ populations in Europe is still largely dominated by a ‘warrior image’, a myth of a ‘heroic’ society, in which (the) dominant males solved problems and particularly all kinds of disputes mainly, if not only, by brute force. This is particularly true of the public perception, but this view also still holds sway in much of the academic discourse. While I do not wish to argue that the European Iron Age was bloodless (cf. James 2007), I do agree with more recent, and in my opinion more reasonable, ideas that ‘the Celtic spirit’, and more specifically ‘the Celtic warrior spirit’, is a modern myth (Hill 1995a; 1995b; 1996; James 1999; Collis 2003). And while the recently published argument of Simon James (2007) that the (Early) Iron Age should be seen as neither ‘pacified’ nor ‘warlike’, but perhaps best as a period of ‘endemic insecurity’ (James 2007: 169) is very attractive at first glance, it may be diverting our focus back to the violent side of Iron Age life too quickly. The real issue I think we should consider is neither peace nor insecurity nor war as ‘states’ of relations between polities or individual persons, but rather the modes of conflict resolution in the Iron Age. In fact, James’ ‘3 states’ (James 2007: 168) can be seen as a sliding scale with its both extremes: peace as the absence of insecurity, war as maximum insecurity, with a whole range of greater or lesser insecurity in between (fig. 1). James himself remarks on this quite correctly when he writes that ‘war’ and ‘peace’ are distinct conditions requiring active choice: ‘War requires that armed forces are marshalled, motivated, supplied and led. Peace requires active suppression of violence and ‘disorder’ within the polity to establish and maintain ‘civil order’.’ (James 2007: 168; emphasis as in original). Insecurity, however, is an individual’s or society’s perception of what is really a function of the presence or absence of and the degree of effective resolution, effective suppression or escalation of conflicts within or between polities or societies (fig. 2). While James remarks that peace often is enshrined in codes of law, he sees ‘lawful’ behaviour as enforced, and thus as an active suppression of violence. As he puts it: ‘... the exercise of armed violence is a right increasingly abrogated to central authority and jealously guarded.’ ( James 2007: 168) – in other words, peace, or if you will, the rule of law, is brought

War

Insecurity

Peace

Fig. 1: James’ ‘3 states’ model of polity relations (James 2007, 168)

many conflicts

no conflicts

resolution

escalation

suppression

Fig. 2: Presence and absence and resolution, suppression and escalation of conflicts as loosely coupled aspects of what is perceivable as ‘war’, ‘insecurity’ and ‘peace’

about by the ‘state’ monopolising the right to exert physical violence. As Iron Age communities, particularly in Britain (Hill 1995a; 1995b; James 1999), but increasingly also across Europe (cf. Burmeister 2000: 208-11; Karl 2006a, 467-90; 2007a; 2007b), are seen as largely lacking such centralised state authorities, either of the extreme ‘states’ would be pretty much impossible, as James also concludes: ‘For egalitarian and other small-scale or loosely organised polities, a simple war : peace opposition may be of little conceptual value since they tended to lack the social institutions which could sustain either state, sensu stricto. Insecurity – some risk of physical danger from others in the absence of reliable peace as well as organised warfare – has always been a common experience of human life even in states, and was probably the norm in Earlier Iron Age Britain.’ ( James 2007: 169; emphasis as in original). According to this model, such societies would essentially be ones where most conflicts would be resolved by interpersonal violence, as they were not sufficiently organised to enforce peaceful co-habitation, even though – luckily, perhaps – they were not sufficiently organised either to engage in full-scale warfare. Though undoubtedly an important step forward, James model in my opinion obscures the possibility that there might have been a ‘third way’, that a ‘reason-

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ably secure’, or ‘somewhat pacified’ state of community relations could have existed in the absence of strong, centralised state institutions. While James quite rightly observes that virtually no truly strife- and violencefree human society is attested, that physical conflict and violence other than organised warfare are all but universal (James 2007: 167), he does neglect the fact that laws are also all but a human universal (Murdock 1945: 124), and thus that a rule of law may, at least theoretically, also exist in the absence of a state monopoly on physical violence. It seems to me that by linking violence with insecurity, James further confuses the issue, rather than clarifying it. While physical violence can be one element contributing to a feeling of insecurity, there are many other factors that can lead to that same feeling and have nothing to do with violence: at a very personal level, whether the person one loves returns the same feelings can be a major source of insecurity, as can the question of whether a partner in any kind of undertaking will satisfy his obligations – e.g in any non-immediate exchange of goods, whether he will deliver his side of the bargain – as can uncertainty of whether a judge or arbitrator will rule in one’s favour in a civil law suit. Thus, by linking violence with insecurity, and declaring insecurity to be the ‘state’ in which (early) Iron Age societies were living, James brings us back full circle to ‘the Celts’ of old, perceived as stupid barbarians, as too uncivilised to solve any problem without resorting to physical violence. Thus, I think we need to decouple violence and insecurity, and particularly violence and ‘Iron Age societies’ or, if you prefer,‘the Celts’. Not because ‘the Celts’ or ‘Iron Age societies’ were totally ‘pacified’ or generally non-violent: without any reasonable doubt, interpersonal violence was one mode of conflict resolution in Iron Age Europe – any, even the most superficial glance at the evidence, even from allegedly ‘peaceful’ Iron Age communities anywhere in Iron Age Europe reveals this quite clearly, as does James’ short overview of the British evidence (James 2007: 162-6). Rather, we need to decouple them because this automatic link between ‘primitive’, ‘pre-state’ Iron Age societies and ‘violence’ is seriously hampering our understanding about how Iron Age societies may actually have functioned.

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Definitions and preliminary remarks To achieve this decoupling, some definitions and preliminary remarks are required. Insecurity, as I have already hinted at above, in my view is a state of feeling, a subjective perception of real or imaginary dangers the future may hold. These dangers may be some kind of physical harm, possibly even imminent death, but may equally be emotional, spiritual or any other kind of potential harm. I may very well feel insecurity about whether what I write here is total nonsense, even though that puts me in no real danger of physical harm – even if it is, it remains highly unlikely that anyone will try to hurt me by subjecting me to physical violence because of this, nor am I very likely to die, or loose a limb, just because what I wrote is flawed. As I also have already hinted above, insecurity is a function of the presence or absence of, and the degree of effective resolution, effective suppression or escalation of conflicts (fig. 2). These conflicts may be between me and other people, or me and my physical environment, or may be just between other people or between other people and their physical environment, but nonetheless have the potential to affect me as an ‘innocent bystander’. I may be surrounded by and involved in a million of conflicts, but may feel entirely secure (for instance, if I trust that there is a solid system in place to resolve all of these conflicts in a way that they will not adversely affect me), or may live in blissful harmony with my social and physical environment, and nonetheless feel exceedingly insecure, if the only conflict there is is the one with the guy right in front of me, pointing a loaded gun at my head and just starting to squeeze the trigger (in other words, the conflict is just about to escalate to a level that could very easily be lethal for me). As such, insecurity is not a very useful concept in my opinion: two people standing next to each other can feel exactly the opposite where insecurity is concerned, regardless of the reality of the situation they are in – in that sense, insecurity is in the eye of the beholder. Seeing the Iron Age as a period of ‘endemic insecurity’ (James 2007: 169) is therefore of limited usefulness in explaining it. War may be a more useful concept, as being at war is not a totally subjective feeling (although there is an element of subjectivity to it, too), but can be reason-

ably clearly defined: as organised acts of communally sanctioned physical violence inflicted by one group of people onto another group of people (however these groups are defined, and however large or small they are) in the absence of other mechanisms of conflict resolution (cf. Ferguson 1984: 5 for a slightly different definition). That these acts are organised distinguishes war from sudden communal acts of physical violence that start by accident or in the heat of the moment, e.g. when two groups of people meet, by pure chance, in the middle of nowhere and lash out at each other because of some real or perceived slight, threat or some kind of accident (a gun in one party accidentally going off and hitting somebody in the other one). That it is groups who act distinguishes wars from individual acts of violence like violent crimes or individual heroic (or just plainly stupid) forays into ‘enemy territory’.That it is communally sanctioned distinguishes war from other organised group violence, e.g. bands of criminals systematically pillaging the countryside, who are not part of a wider community who has sanctioned their actions.And that war only happens in the absence of other mechanisms of conflict resolution distinguishes it from internal strife within a community, like riots or ‘rebellions’, whose perpetrators have other mechanisms of conflict resolutions at their hands, to which they should have resorted according to the rules of the community they are part of. While war does require some degree of social organisation, if we remember that according to the late 7th century AD laws of Ine, a here, an ‘army’, was defined as having more than 35 members (Lupoi 2000: 178 FN 45), a community need not be particularly large to engage in warfare. While an ‘army’ of 35 members would probably be too much to expect to be fielded by a single British Early Iron Age household, at least some Early Iron Age hillfort communities in Britain, e.g. the community living in the relatively densely settled hillfort of Moel y Gaer (Guilbert 1976), would have been very well able to marshal, motivate and supply such a force. As such, I would by no means rule out war as a possible means of conflict resolution even in ‘egalitarian’ Early Iron Age Britain. Peace on the other hand, has hardly been defined in the past. I agree here with James (2007: 166) that ‘recent discourse seems to me to constitute a simple

back-projection of our own cultural expectations; that the default state of society is peace, sometimes punctuated by episodes of an abnormal alternate state called war’. Much like James I think that this is not a good definition (cf. Karl 2008: 110-1), and agree with him (James 2007: 168) that peace is a distinct condition requiring active choice, and that it is often codified through some form of law. However, in opposition to James (2007: 168) I would not see peace necessarily as an enforced state of community interactions, nor that it necessarily requires active suppression of violence and ‘disorder’ within the polity by a centralised state authority having monopolised the right to exert physical violence within the community. Rather, I would see peace as an ideal state (and as such, a state that is never fully achievable) of ‘order’, a state in which everyone and everything behaves according to pre-established and communally agreed (or at least communally accepted) rules. Or, in other terms, where everything and everyone behaves lawfully – which is why peace is not just often, but usually, codified through some sort of law. I agree here with Maurizio Lupoi (2000: 381) that the ancient concept of peace was as both the object and the objective of the law. Of course, this state must be actively maintained (James 2007: 168), and must – on occasion – even be violently enforced against those bent on breaking it. This may have been particularly true in western IndoEuropean societies (as which probably most Iron Age societies in western and central Europe can be classified), where the concept of ‘peace’ may have had an immense religious importance based on a shared myth of ‘creation’ as the act of establishing a ‘divine’ order, or in other words ‘peace’, where there had only been chaos before (cf. Karl 2008: 110-2). Peace, therefore, is not a state of absence of violence, but can well be very violent, if it’s defence requires the active removal of something or someone threatening it. That said, there is no need that this state is enforced, at least no more than any other kind of ‘normal’ social behaviour is ‘enforced’, e.g. by social practice (Bourdieu 1977). Even less is there a necessity that ‘peace’ be enforced by a monopolization of physical violence by a central state authority. Today, most people do not abstain from physical violence because they feel threatened by the legal sanctions associated with its use, but

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rather out of simple self-interest: they don’t want to get hurt, and the easiest way to avoid that is to not engage in it in the first place.There is no need to assume that Iron Age people in Europe were much different in that regard, unless one starts out with either the bias that violent solutions were the only available solutions to Iron Age people, or with the bias that Iron Age people had a more ‘heroic’ spirit than most people today and thus resorted to violence as their preferred means of resolving conflicts. That is of course not to say that violence was not certainly less restricted in the Iron Age than it is today, and thus resorting to it will have been a more viable solution than it is today. But it is to say – assuming for a moment that Iron Age people frequently had a choice of different means of conflict resolution – that many of them may have chosen to behave ‘lawfully’, and in that sense also ‘peacefully’, by their own choice. Even in relatively egalitarian societies, as we now think that Early Iron Age British societies were, such choices may well lead to quite ‘peaceful’ behaviour, at least by and large. As such, I would also not rule out ‘peace’ as a possible state of community relations in Early Iron Age Britain and in Iron Age Europe more generally. Much of the rest of this paper will look at possibly ‘peaceful’ means of conflict solution in the European Iron Age. Suppression (fig. 2, 3) is one of the ways one can deal with conflicts. Simply said, suppression simply keeps a lid on any given conflict, preventing it from escalating (from boiling over), but also (in its own right) not resolving the conflict. Suppression as a strategy is open both to parties involved in the conflict and outside parties. A party involved can simply chose to refrain from further escalating a conflict, but at the same time refuse to resolve it. A good example is a simmering quarrel between two parties concerning the ownership of a certain piece of land: both may maintain their claim to it, but chose not to act on that claim by not using it in any way. A third, outside party can also suppress a conflict, by threatening (and enforcing) sanctions if the conflict should ever escalate.To remain with the example just given, a third party may decide to threaten both parties with some kind of punishment if their quarrel about the piece of land should ever escalate beyond a certain limit (e.g. should they ever come to blows over it), but otherwise lets the parties

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get on with their conflicting claims in whatever way they like. Suppression can lead to a resolution, for instance if the conflict is suppressed long enough that all involved parties forget about it altogether. But it can also lead to escalation; if the simmering conflict leads to too much pressure building up, the lid may suddenly be violently blown off. Escalation is another way to deal with conflicts. It means that increased pressure is being put on the other parties involved in a conflict to accept what the party increasing the pressure ‘wants’ (even though the increasing pressure may be a result of natural forces that cannot literally ‘want’ anything, e.g. water breaking through a previously only slightly leaking dam and flooding an area). Usually, the ultimate escalation is the application of lethal physical violence. Again to return to the competed claim on a piece of land used as an example above, if the two parties involved, rather than suppressing the conflict, escalate it ever further, the escalation will ultimately reach a level where one kills the other. Escalating a conflict is something only parties involved in it can really do, but they can – as one strategy of escalation – try to bring in additional parties to assist them in piling on added pressure on their opponent(s). Escalating a conflict can lead to its suppression, because third parties may become concerned about the fallout from the conflict and decide to step in to put a lid on it. But it can also lead to the resolution of a conflict, not least if one party kills all the other parties involved and as the ‘last man standing’ has thus resolved the conflict, but also by removing an obstacle to a resolution, or by enticing an external arbitrator to step in and resolve the conflict for the parties involved (as far as that is possible). Resolution is the third way of dealing with a conflict, and in a way it is the only one that really deals with it, because it removes it (as such, it includes substitution, i.e. the replacement of one conflict with another). A resolution can only be achieved by the parties involved in a conflict, but it can be facilitated by an arbitrator or judge. It is also noteworthy that if two parties have a conflict with each other, one party can see a certain course of action as a resolution of a conflict, while the other party need not necessarily do so: again to remain with the example of the competed claim on land, an arbitrator’s decision that party A is the own-

resolution

escalation

suppression

Fig. 3: Suppression, escalation and resolution of conflicts

er of the competed land will probably be seen as a resolution of the conflict by party A, but not necessarily by party B. Thus, a resolution can be partial or complete. As mentioned above, both suppression and escalation of a conflict can lead to its resolution, either by both parties forgetting about the original conflict, or the original conflict being replaced by another conflict (e.g. with a third party who suppresses the original conflict by claiming the land for itself), or by one of the parties involved being removed by becoming extinct as a result of a lethal escalation of the conflict. Of course, even if a conflict has been temporarily resolved, it can develop anew, particularly if circumstances change – but such a reemerged conflict I would consider a new conflict. Conflicts I have intentionally left as the last element to define, because I expect this has created a conflict for you, which I now hope to resolve. As a conflict, I would define every situation where the intentions or actions of one or more parties are not perfectly aligned. Life, as such, can be seen as a never ending stream of conflicts. If you are hungry, you are facing a conflict, as food will not fly into your mouth on its own volition. As such, you will have to resolve this conflict by finding something to eat, as if you don’t, the conflict will escalate until ultimately, you will starve and thus die. Finding food will resolve this conflict, but may open up numerous additional conflicts: you may need to prepare the food (unless you eat it raw), somebody else might want to eat the same thing that you want to eat, and so on. The overwhelming majority of all conflicts we daily face we resolve perfectly peacefully (even if we have to resort to violence, as in the case of preparing or eating food, which will most likely kill something), i.e. without breaching any rules of accepted, orderly behaviour. The same we can assume was

true, as a norm, for Iron Age people in Europe: most conflicts they encountered in their daily lives were resolved in a routine and perfectly orderly, and as such perfectly ‘peaceful’, manner. For the rest of this paper, I do want to focus on a particular subset of conflicts, that is conflicts of interest between two or more human parties. Such conflicts I would like to call disputes. Disputes are characterised by involving at least two humans, whose interests or actions are not perfectly aligned. For instance, ownership of the piece of land used as an example above is disputed, because two different people claim it is theirs. This is a dispute where the interests of two people are actually directly opposed, but direct opposition is not a necessary precondition for a dispute: if I want some milk that you have, this milk is disputed, even if you have no intention to keep that milk to yourself, but are quite happy to give it to anyone (including me) – but have not yet formed an opinion as to whom to give it to. Our intentions or actions are not perfectly aligned, but are by no means diametrically opposed – in fact, they are almost perfectly aligned already, but just not quite perfectly, yet. Of course, this dispute may be easily resolved if I ask you to give it to me, and you decide that I’m as good as anyone but am the first to have asked and thus give it to me – our intentions and actions have become perfectly aligned, and the dispute has been resolved. Where Iron Age communities in Europe are concerned, we can be pretty sure that what was said above about conflicts, that most were resolved in a routine and perfectly orderly and thus ‘peaceful’ manner, will also have held true for most disputes. Only a comparatively small number of disputes will have escalated beyond a certain threshold, where their resolution was no longer possible via the routine of everyday life, but where more ‘drastic’ measures were required to sort them out.Yet, as I will argue below, the next step need not be the direct application of physical violence, but another means of resolving ‘extraordinary’ disputes. Resolving ‘extraordinary’ disputes in medieval ‘Celtic’ (and ‘Germanic’) societies Before I have a look at the resolution of ‘extraordinary’ disputes in Iron Age European societies, I would like

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to take a short look at the resolution of such disputes in (early) medieval societies in western and central Europe, pretty much all of which can either be classified as ‘Celtic’ or as ‘Germanic’ on linguistic grounds. I have explained elsewhere in detail why I think that a linguistic link is relevant (Karl 2007a: 155-8), and that nonetheless any interpretation based on e.g. medieval ‘Celtic’ sources should be seen as no different from any other kind of analogy (Karl 2007c: 325-34, 342-3), and thus will not repeat this here. Suffice to say that I think that there is very good reason to believe that these medieval societies are a very valid and useful source for analogies for the interpretation of Iron Age European societies. Without any doubt, these (early) medieval societies knew violence in abundance, and as such no reasonable argument can be made that this period was in any way bloodless – historical as well as archaeological evidence makes that more than obvious (cf. Alcock 1987; Davies 1990; Edwards 1990; Ó Cróinín 1995; CharlesEdwards 2000; James 2001; Snyder 2003). At the same time, particularly the societies in the western parts of the British Isles during that period had not yet developed strong centralised state institutions, even though they were in the process of doing so, and the right to exert violence had not yet been (fully) monopolised by the central state, even if there were some attempts to do so, particularly in the High Middle Ages (cf. Jenkins 1990). Nonetheless, resorting to unsanctioned violence by no means seems to have been the only means to settle disputes within, and sometimes even between different (early) medieval polities (depending on how one wants to define a polity, particularly in early medieval Ireland, cf. Karl 2006b). Rather, the primary means to address ‘extraordinary’ disputes (cf. Davies 1986: 259) seems to have been through court arbitration (Charles-Edwards et al. 1986; Kelly 1988; Mitteis, Lieberich 1992; Lupoi 2000). Nowhere in (early) medieval Europe was court arbitration necessarily non-violent, nor was judicial violence necessarily restricted to state authorities, in fact, in most cases, it was not. Both the intiation of a case and possible punishment following judgement could – depending on the nature of the case and its outcome – allow for or even require violent actions by the par-

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ty who wanted the case to be heard, or who had won it. Even the trial itself could include acts of violence, whether it was trial by combat in the first place, or violent ordeals to prove a case (or the innocence of the accused). However, provided proper procedure was followed, this violence – if it was necessary at all – was sanctioned and as such not a breach of the peace, but rather an act to enforce it. But before taking a slightly more detailed look at violence in the context of enforcing the peace in the absence of state monopolization of physical violence, let us stay with non-violent resolutions of court cases.The examples used here will be drawn mostly from early Irish law, as it is probably the best or at least most extensively attested early non-Roman law in Europe (cf. Binchy 1978: vii), and as it is the one that is best know to me. However, similar (though frequently not identical) examples can frequently also be found in early Welsh (cf. Kelly 1988; Jenkins 1990) and also in early Germanic laws (cf. Mitteis, Lieberich 1992; Lupoi 2000). Where there are similarities that seem particularly relevant to me, these will be specifically mentioned and discussed. A court case could be started and carried out in several different ways in early Irish law (and most other attested early European laws), depending on the precise nature and circumstances of the dispute that it sought to resolve. The first step, however, was almost invariably for the plaintiff – usually the aggrieved party or one of its relatives – to publicly indicate that he was seeking redress (Kelly 1988: 190; Charles-Edwards 1989: 54-66; Mitteis, Lieberich 1992: 45, 101; Lupoi 2000: 200-1 and 201 FN 164). In early Irish law, the plaintiff even was required to ‘hire an advocate (OIr. aigne) to plead on his behalf ’ (Kelly 1988: 190). This is at least partially the case because court procedure was highly formalised, and any deviance from the ‘right’, almost ritualistic, pattern of actions and pleadings would result in the party breaching procedural rules either having to pay a hefty fine or even automatically losing the case (cf. Kelly 1988: 191-2; Mitteis, Lieberich 1992: 45; Lupoi 2000: 120-1). In any case, the case would be argued in front of some judges or arbitrators (Kelly 1988: 192-8; Charles-Edwards 1989: 55-66; Mitteis, Lieberich 1992: 45, 101) or even the communal assembly (Davies 1986: 260-1; Lupoi 2000: 118-21), who would,

based on the arguments, find a judgement in line with the law. Somewhere during the trial, whether before any hearing commenced (Kelly 1988: 192) or at the latest after judgement had been pronounced (Mitteis, Lieberich 1992: 46), the parties involved would have been required to either swear an oath and / or give a pledge or provide a surety that they would accept the decision of the court and put its judgement into effect. Refusal to accept due process or the judgement of a proper court may result in what is frequently described as ‘the punishment for the most serious crimes’, banishment / outlawry (Kelly 1988: 222-4; Mitteis, Lieberich 1992: 40-2; Lupoi 2000: 121, 370-87). All of this could happen without any party resorting to or even only threatening physical violence, if the circumstances of the case allowed. If the circumstances of a case were different, however, the threat of or actually resorting to physical violence may have been required or even an integral part of court proceedings. Early Irish law for instance allows all kinds of ordeals, including duels, for at least some types of cases (Kelly 1988: 209-3), practices which are also known from early Germanic laws (Mitteis, Lieberich 1992: 47-8; Lupoi 2000: 347-9). Similarly, punishment on conviction can be very violent, including hanging, starving to death in a pit, slaying with a weapon, setting a convict adrift on the sea, mutilation and flogging (Kelly 1988: 216-22), even though the preferred punishment seems to have been the payment of compensation or fines or selling the convict into slavery (Kelly 1988: 214-6), all again with good parallels in Welsh and the early ‘Germanic’ laws (Jenkins 1990; Mitteis, Lieberich 1992: 38-43; Lupoi 2000). Even to initiate a court case, particularly if the opponent is not willing to submit the matter to arbitration, some form of legal ‘violence’ is permitted, like distraint of that opponent to ‘force’ him to submit to arbitration, or ‘legal entry’ on a piece of land that is disputed. With distraint and ‘legal entry’ being part of proper judicial process, they were highly formalised and regulated practices, too, not just simple ‘theft’ of some property or squatting on some piece of disputed land, but they nonetheless require direct and at least potentially violent action by the plaintiff (Kelly 1988: 177-89). While there is less information on distraint in Welsh law, it is noteworthy that the terms used for this legal practice in early Irish and Welsh laws

are cognate, oir. athgabál and mcy. adauayl both be− ‘distraint, lit. taking derived from a celt. *ate-gabagla, ing back, re-seizure’ (Binchy 1973: 27), indicating that the practice may be an old element of medieval Celtic laws. Again, Irish law advises that the plaintiff employs a professional advocate to guide him through the correct process (Kelly 1988: 185-6). As explained above, much of early medieval court process in most of Europe was highly formalised, including the precise nature and content of pleas, as well as methods of proof. Arguing a case in an early medieval court seems not so much have been about putting forth a legal argument with evidentiary support, as we would nowadays expect, but rather about taking the correct formulaic steps in the right sequence and fulfilling certain more or less firmly set tests (Kelly 1988: 190-213; Mitteis, Lieberich 1992: 46-8; Lupoi 2000: 120-1). Ordeals and duels were such tests, but seemingly more commonly, oaths were the main means of proof. Primarily, these were oaths by the parties involved, but they also frequently required support by oath-helpers or compurgators, who swore either to facts that were common knowledge or alternatively to their belief that the party they were helping was telling the truth. While not all early Germanic laws include oath-helpers (Lupoi 2000: 340-3, who considers compurgation a relatively recent development in European law, 345-8), many and both Irish and Welsh law do, and frequently require substantial numbers of oath-helpers, some laws for some denials by oath requiring as many as 72 (lex Ribuaria; Lupoi 2000: 341) and even up to 300 men (Welsh law; Charles-Edwards 1993: 202). Whether with helpers or not, oaths clearly were a central element of early medieval ‘Celtic’ and ‘Germanic’ legal practice, which is also confirmed by cognate terms for the oath existing in many Celtic and Germanic languages, oir. oeth, cymr. an-ud-on, ‘perjury’ and gaul. oito- from celt. *oitos and got. aiþs, on. eiðr, ofris. êth, ohg. and ger. Eid and ags. aþ, aþe from germ. *aiþa-, with Kluge (1989: 168) thinking that the Germanic words are unlikely to be a loan from Celtic and Delamarre (2003: 240) taking the opposite view. Both the highly formalised, almost ‘ritualised’ process of court pleading itself and the importance of the oath indicate quite clearly that they had emerged out of a primarily religious context and were, in a sense, con-

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Fig. 4: The ‘court of law’ in the courtyard of a schematic enclosed settlement of the British Isles

tinuing this primarily religious and only secondarily legal connotation (Lupoi 2000: 120-1, 256-8, 347), with Christian writers even explicitly opposing, at least the excessive use of, judicial oaths (Lupoi 2000: 347), making it unlikely that this was a Christian influence on early medieval law. Given that it may have required a considerable number of participants (even if we assume that oaths sworn by 300 compurgators were rare), courts of law will have required considerable space. Fergus Kelly gives a schematics of the setup of an early Irish court

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as described in the Airecht-text (Kelly 1986; 1988: 1934), which I have adapted slightly for this paper (fig 4.). While large courts may well have been held at large communal events like the óenach, the annual ‘general assembly’ of the túath, the ‘polity’ (Kelly 1988: 4), probably then on some large open field, many less significant, ‘ordinary’ cases, which did not require several hundred compurgators to swear an oath, will most likely have been heard in the ‘court’ of the judge or a local ‘noble’ or ‘king’. These ‘courts’ of early medieval Irish nobles or judges, or in fact pretty much eve-

ry landowning freeman in early medieval Ireland we know very well as the Irish ‘ringfort’, both from the archaeological record (Edwards 1990: 11-33; Stout 1997) and the law texts (Kelly 1998: 360-97), and in many regards, their arrangements fit the schematic organisation of the idealised court of law very well. Figure 4 shows Kelly’s (1988: 194) schematic ‘court of law’ inscribed into the equally schematic ‘ideal model’ of enclosed settlement in the British Isles (Karl 2008: 119), a model that also fits the pattern of Irish early medieval ringforts. The enclosed area that makes up the ‘courtyard’ of an early medieval Irish ringfort is called oir. les, (DIL L 115-6) which finds cognates in cymr. llys, ‘court, palace; courtyard, enclosed space’ (GPC 2276) and gaul. lissos, with probably the same meaning (Delamarre 2003: 204). However, in our current context, it is particularly interesting that cymr. llys also has a secondary meaning, ‘court of law, court case or proceedings; parliament, gathering of nobles etc.’, and also ‘a challenge or objection to a witness or juror because of some legal impediment, incompetency of a witness’ (GPC 2276). The latter is matched by a second oir. term les, meaning ‘relief, redress, remedy; redress obtainable through court proceedings; cause, case; affair, matter’ (DIL L 113-5). In addition, there are also cymr. llysaf,‘to reject, repudiate, refuse; except, exempt’ and ‘to object to or challenge a witness or juror because of some legal impediment, reject (plea, judge etc.)’ (GPC 2276-7) and oir. lesach,‘successful in obtaining legal remedy’ and ‘legal representative’ (DIL L 117).The ‘courtyard’ of Irish and Welsh early medieval enclosed settlement and legal pleading are polysemous in both Celtic languages in which we also have extant law texts. There is a possibility that at first ‘noble’ courts emerged out of ‘ordinary’ enclosed settlements, expanding an earlier meaning of ‘simple courtyard’ with a ‘noble’ association, from which even later the meanings ‘court of law’ and ‘pleading in a court of law’ developed, but given that particularly oir. les never seems to have developed any particularly ‘noble’ associations, this seems a rather unlikely suggestion. It rather seems likely that the enclosed area within the settlement and legal pleading (cf. Karl 2008) became associated rather early, and then developed in parallel. This makes it a distinct possibility that already gaul. lissos was not only

referring to a courtyard, but also already to a court of law. And that brings us back to the Iron Age. Iron Age enclosed settlement It is not only terminology that creates a possible link between the early medieval sources and the Iron Age. An even more obvious link can be found in the archaeological record. Starting in the late Bronze Age or slightly before that, enclosed homesteads, which show many clear architectural similarities to the early medieval ‘ringforts’ of Ireland, become a common feature in the settlement record of Britain (Parker-Pearson 2005: 25; Cunliffe 2004: 21-36), even though in Ireland, this type of settlement only becomes clearly visible in the early 1st millennium AD (Stout 1997: 22-31). There are a few known earlier sites, mostly late Bronze or early Iron Age ‘figure of 8’ enclosures, from a number of Irish ‘royal’ sites like Tara, Dún Ailinne and Emain Macha (Raftery 1994: 65-81; Lynn 2003: 2750). These share some architectural features (like easterly orientation of entrances, and the existence of a distinct ‘courtyard’ enclosure) with ‘ringfort’ and British ‘enclosed homestead’ sites known from Ireland, but are usually interpreted as some sort of ‘communal assembly places’ or ‘ritual’ sites. In our context, this makes them interesting as well, as they may well have been the precursors to the later ‘ringforts’, but fulfilling more specialised communal ritual and judicial functions. But as these sites are specific to Ireland, they are not the focus of this paper and I will not go into further detail discussing them, but rather will concentrate on the enclosed settlements of Britain and the Continent. Late Bronze and Iron Age enclosed settlements in Britain – the ‘households’ of Hill’s (1995a; 1 995b) and James’ (2007) ‘different’ and ‘egalitarian’ Iron Age – display a number of features that connect them to the early medieval Irish ‘ringforts’. The same features also connect them to similarly enclosed settlements on the European continent, particularly the ‘Herrenhöfe’ and ‘Viereckschanzen’ of southern Germany and neighbouring regions (cf. Reichenberger 1994; Wieland 1999) and the ‘enclós’ or ‘fermes indigenes’ of France (von Nicolai 2006: 4-6; Pomepuy et al. 2000; Malrain et al. 2002). The perhaps most prominent of these features is the orientation of entrances into buildings and

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Fig. 5: Orientation of Iron Age and Early Medieval enclosed settlement and house entrances

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enclosures, which is predominantly a literal orientation, i.e. the majority of these are facing towards the east or south-east (Karl 2008: 97-101; compare fig. 5). Several of these have also produced evidence for structured deposition, possibly as part of some ritual use of these sites, and the deposition of human remains or use of features of these sites as places for secondary or regular burial, at least of some members of society, particularly of infants who may have been too young to have been entitled to burial in the regular cemetery (Karl 2008: 104-7, 112-20). As I have argued elsewhere (Karl 2008), these features indicate that these sites had both secular (probably mostly as farmsteads) and religious functions (with the ‘secular’ and ‘sacred’ spheres being indistinguishable in what could be called ‘integrated’ thinking in the European Iron Age), at least in what Jürgen Zeidler (2005: 178) has called ‘popular’ as opposed to ‘official/state’ religion.This physical and spiritual enclosure and its ritual definition and delimitation in my opinion served the purpose of creating a place of both physical and spiritual ‘sanctuary’, a space under the permanent ‘peace’ of the household, a safe (or if you prefer, a secure) place in both a direct physical and a spiritual sense (Karl 2008: 107-12). As such a ‘private sanctuary’, the enclosed homestead would of course also be ideally suited to carry out quasi-religious judicial ‘rituals’, much like those that make up the ‘formulaic’, almost ‘ritualistic’ and strictly formalistic procedures of early medieval court proceedings. As I have also argued (Karl 2008: 101-4), these sites are also characterised by yet another feature, their spatial organisation. This usually consists of a relatively large open courtyard, occasionally cobbled in the case of early medieval Irish ‘ringforts’, usually directly inside of the (main) entrance into the settlement enclosure. Usually, the ‘main’ building (if the site has an identifiable main building, which is not always the case), normally a large house (which usually is interpreted as the main dwelling on site) near the centre or rear side of the enclosure, is found opposite across the courtyard, with its entrance facing towards the entrance into the enclosure, with other buildings on the site arranged around the open courtyard (Karl 2008: 101-4). In the case of the southern German ‘Viereckschanzen’ type monuments, this main building occasionally addition-

ally has a porch-like structure attached to it, also facing this courtyard (Wieland 1999: 35), while many of the British roundhouses have an elaborated entrance (e.g. Moore 2007: 271), which may also indicate the existence of a porch-like structure or some kind of architectural features on the first floor above the entrance. While there are good practical reasons for any kind of farm to have a reasonably substantial yard, the architecture of ‘typical’ enclosed Late Bronze and Iron Age homesteads does betray not only a certain attempt to impress visitors, but also lends itself to communal activities like the ‘ritualised’ early medieval court proceedings. And given that it is quite likely that these courtyards were – among other things – used to hold courts of law in the early medieval period in Ireland, it does not seem totally unlikely that the courtyards of Late Bronze and Iron Age enclosed farmsteads also already were. There is yet another feature that does – although not regularly, but also not too infrequently either – appear in the context of Iron Age enclosed settlement, and that are annexes and/or internal divisions of the main enclosure (Wieland 1999: 44; von Nicolai 2006: 4-5; Cunliffe 1991: 240), which don’t show any buildings as features within them. It is tempting to see them as particularly ‘safe’ pens to keep cattle that has been impounded as part of a legal distraint, which under early medieval Irish law requires the plaintiff to keep the cattle in a private ‘pound’. As the plaintiff is liable for any injuries the cattle sustains while being driven to and staying in this ‘pound’, which needs to be wellfenced (Kelly 1988: 178), such annexes or segregated parts of Iron Age enclosed homesteads may well have served as such ‘judicial pounds’, with the added benefit that the impounded cattle was not only supervised by the ‘court’ that would rule on the case, but also was immediately available after the decision and under the control of the court to give to whoever had won the case. Of course, the archaeology of Late Bronze, Iron Age and early medieval enclosed settlement in central and western Europe does not tell us about what actually was going on on the courtyards of these settlements, even though it has been noticed that, particularly where ‘Viereckschanzen’ are concerned, that these sites were often – but not always – kept surprisingly clean (Wie-

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land 1999: 54), which again would fit with the early Irish tradition that the airdrochat – the paved courtyard at the entrance of the les, where supposedly courts of law could be held – should be kept clean (Kelly 1998: 367). However, given that quite clearly some planning effort was invested into creating an ‘impressive’ courtyard, and that there is reason to believe that the courtyard was considered a physically and spiritually ‘pacified’ space where rituals and other similarly ‘formalised’ activities could and would take place, it offers itself as one logical place for communal assemblies where justice would be dispensed. The archaeology of late Bronze Age, Iron Age and early medieval enclosed settlement can thus be seen as providing a ‘theatre’ that would have facilitated, among others, the use that this space was associated with in the medieval Celtic languages, as a space where courts of law would be held, and where people would ‘plead in the court’. Iron Age legal practice Having identified a possible, perhaps even a likely place in the Late Bronze and Iron Age archaeology where courts of law could have been held, we still need to establish whether it is at all likely that European Iron Age societies had a sufficiently developed legal system that such courts could imaginably have been held and provided the ‘security’ that allowed Iron Age people to solve even many of their ‘extraordinary’ disputes by ‘peaceful’ (whether violent or not) means. Here, we do come up against a major obstacle because of lack of evidence except for the very final stages of the Iron Age, where historical records become more detailed and also start to cover aspects of legal practice. And even where we have such historical evidence, it is virtually exclusively limited to latest Iron Age Gaul.As such, saying anything specific about this issue is difficult. However, we may, if we find that what little evidence exists on latest Iron Age Gaulish law matches with some or most of what I have discussed above about legal practice in (early) medieval central and western European (‘Celtic’ and ‘Germanic’) societies, assume that we are seeing reasonably stable legal systems which may well have existed more than half a millennium before the first historical attestations in the last centuries BC. After all, there is also more than half a millenni-

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um between when early medieval laws are first attested and the latest Iron Age societies in Europe where we at least have some shreds of historical evidence about possible legal practices. As so often, it is Caesar’s description of the Gallic Wars that contains some of the most valuable information on this issue, and particularly his excursus on the Gauls (b.g. 6,11-20). In what is one of the most famous parts in this very well-known passage, Caesar describes as one of the functions of the druids: ‘In fact, it is they who decide in almost all disputes, public and private; and if any crime has been committed, or murder done, or there is any dispute about an inheritance, about boundaries, they also decide it, determining rewards and penalties: if any person or people does not abide by their decision, they ban such from sacrifice, which is their heaviest penalty. Those that are so banned are reckoned as impious and criminal; all men move out of their path and shun their approach and conversation, for fear they may get some harm from their contact, and no justice is done if they seek it, no distinctions falls to their share.’ (b.g. 6,13.5-7). He then continues regarding the annual meeting of the druids in the territory of the Carnutes: ‘... and sit in conclave in a consecrated spot.Thither assemble from every side all that have disputes, and they obey the decisions and judgements of the druids.’ (b.g. 6,13.10). These two short passages already and on their own tell us a lot of what we need to know: there obviously are some laws, there obviously are ‘courts’ that decide disputes, there are specialised judges, and the disputes are what we would understand as legal matters: murder and other crimes, but also the division of assets, particularly land, between heirs. We hear that both matters public and private are matters for these courts, and that they determine ‘praemia poenasque’ (b.g. 6,13.5), which we can loosely translate as ‘compensations and fines’ (lat. praemium, ‘that which is taken first, the pick; a gift, award, reward, recompense’, lat. poena, ‘money paid as atonement, a fine; punishment, penalty’). We even learn that disobedience to the court’s decision results in the ‘excommunication’ of the offender, who, once so banned, will no longer receive any justice even if asking (and presumably having a justified grievance). All of this pretty much perfectly matches what we know from many early medieval Europe-

an laws and court procedures, down to the point that the gravest of all punishments is banishment, which is the punishment for disobeying the court (Mitteis, Lieberich 1992: 44-6; Lupoi 2000: 368-87). Similarly, compensation payments and fines are the main kinds of punishment under both Irish and Welsh Law (Kelly 1988: 214-5; Jenkins 1990).There are specialised judges in Irish and Welsh law, and in Irish law even specialised advocates, all of who are trained (for extensive periods) in the law, usually in specialised law schools run by masters in the subject (Davies 1986; Kelly 1988: 51-7, 185-6, 225-63; Jenkins 1990) – pretty much like Caesar describes for the training of druids a couple of lines after the passage quoted above (b.g. 6,14.2-4). Several further passages describing aspects of later Iron Age law and court procedure can be found in Caesar’s text. For instance on punishment for crimes, he reports in the context of human sacrifices: ‘They believe that the execution of those who have been caught in the act of theft or robbery or some crime is more pleasing to the immortal gods; but when the supply of such fail they resort to the execution even of the innocent.’ (b.g. 6,16.5). Caesar himself mentions burning as one method of execution (b.g. 6,16.4), while the Berne Scholia on Lucan’s Pharsalia mention hanging, burning and drowning (Usener 1967). We hear of Gaulish states having laws that rumours heard should only be reported to magistrates, not to others (b.g. 6,20.1), and that discussing matters of state was not allowed except at assembly (b.g. 6,20.3). In another context, we learn that the Helvetians had a ‘custom’ that striving for the kingship was forbidden on pain of death by burning, and that Orgetorix was put on trial for this (b.g. 1,4.1-2).The very fact that he was put on trial tells us a lot about later Iron Age legal practice, and the importance of maintaining ‘peace’ (as expressed through lawful behaviour), as this must have been as politically charged and high profile a case as they get. Even more significantly, ‘in accordance with their custom they compelled Orgetorix to take his trial in bonds.’ (b.g. 1,4.1), and Orgetorix seems to have stood for it, as we are also told that ‘on the day appointed for his trial, Orgetorix gathered from every quarter to the place of judgement all his retainers, to the number of some ten thousand men, and also assembled there all his clients and debtors, of whom he

had a great number, and through their means escaped from the trial.’ (b.g. 1,4.2). That Orgetorix was killed shortly afterwards when those who had brought the case against him had also mobilised their supporters, or committed suicide, as Caesar quotes the Helvetians’ ‘suspicion’ (b.g. 1,4.3), adds another quite interesting dimension to the case. Because its facts don’t seem to add up. Let’s think about this for a moment. If we suppose that Orgetorix had actually been illegally freed and was running away with his ten thousand and some supporters, why would he commit suicide unless cornered by an army bigger than his own? But if the Helvetian magistrates could mobilise such an army quickly enough to counter his ‘surprise escape’, how come they failed to mobilise it in time to prevent his army from springing him from his trial in the first place? On the other hand, if we suppose that Orgetorix was fleeing with a much smaller retinue, allowing a much smaller, rapidly mobilised force of the magistrates to corner and prompt him to commit suicide, the question arises why he should have left the safety of his assembled army that had just illegally sprung him from almost certain death? After all, in a highly political case like this, had he illegally escaped, the magistrates were bound to mobilise their own forces to hunt him down. Then again, if Orgetorix had been acquitted in court and was on his way back home with only a handful of retainers accompanying him, and was murdered by his enemies (who had probably indicted him in the first place), the question arises as to why these enemies had not just murdered him right away when they first got hold of him. Either way makes no sense at all. The whole case becomes a lot clearer if we think about it slightly differently. If we assume that normal Helvetian legal process included compurgatory oaths as normal practice, and that in a case of an offence probably considered to be as severe as high treason a large number of oath-helpers would be required, it becomes entirely logical that the Helvetian magistrates would have allowed Orgetorix to summon his retainers to his trial. While he may have had to appear for his trial in bonds (b.g. 1,4.1), there is no real reason to assume that he was actually held captive. Rather, he may very well have attended the trial willingly, knowing how many oath-helpers he could rely on and that

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they would get him acquitted easily enough. His enemies, on the other hand, may very well have hoped he would not find enough oath-helpers to escape the charge, or may just have hoped to force him into a mistake. If then something went wrong at the trial – whether Orgetorix was acquitted, or whether he was sprung by a small group of especially loyal (but somewhat dumb) retainers – the following events also become more credible, whether he was hunted down by a quickly assembled posse because he had run from the trial, or whether he was caught by his enemies by surprise after thinking he had exonerated himself. Either way, the Orgetorix episode does tell us that at least some of the leading Helvetian politicians trusted the legal system sufficiently to rely on it in even such a highly political case, even if the whole case was perhaps planned by its instigators as a farcical show trial to get Orgetorix out of the way. Nonetheless, should his enemies have wanted to kill him after having already captured him they could have done so without the trial (whether that was planned as a farcical show trial or not), unless there was a very strong public perception that due legal process had to be observed. And had his enemies just charged, but not captured him, the fact that he did show up for it at all (even if he ultimately decided to run rather than stand trial) tells us that he himself trusted the legal system sufficiently to at least show up. Equally, that his retainers were allowed to attend – and ten thousand plus people ‘from all quarters’ planning to attend can hardly have gone unnoticed before the trial date – indicates that calling upon oathhelpers may very well have been a common practice in 1st century BC Helvetian law. Caesar’s text also tells us that oaths were an important part of latest Iron Age Gaulish legal practice, even though they are not specifically mentioned in the context of court procedure. However, contracts and alliances were quite obviously agreed by solemn oaths (cf. b.g. 1,3.8; 7,2.2-3), and it seems to have been common practice to also give pledges (b.g. 1,3.8) or exchange hostages (b.g. 5,27.2; 7,2.2). All these elements are not just a central element of (early) medieval contract laws, particularly in Ireland and Wales (Kelly 1988: 158-76; Jenkins 1990; McLeod 1992; Karl 2006: 202-45), but also are at the heart of all court proceedings (which in a way are hardly more than a contract between two

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parties that they will accept the judgement of an arbitrator to settle their dispute) in many (early) medieval European laws (Kelly 1988: 164-76, 190-213; Mitteis, Lieberich 1992: 46-7; Lupoi 2000: 339-50). As such, it does not seem unreasonable to assume that oaths, pledges and hostages were also part of the Iron Age court procedure, in all likelihood also including, as the Orgetorix episode indicates, oath-helpers to support the oaths of the parties involved in a court case. In fact, given the attested importance of oaths and hostages in late Iron Age Gaulish societies, and the fact that judgements were seemingly found by druids in what at least was a semi-religious context, it would be very astonishing if oaths were not a major element of court procedure in these societies. When Caesar discusses Gaulish marriage customs, he makes yet another interesting point when he states: ‘Men have the power of life and death over their wives, as over their children; and when a father of a house, who is of distinguished birth, has died, his relatives assemble, and if there be anything suspicious about his death they make inquisition of his wives as they would of slaves, and if discovery is made they put them to death with fire and all manner of excruciating tortures’ (b.g. 6,19.3).This, taken together with the report on the druids dispensing justice at their annual gathering in the territory of the Carnutes (b.g. 6,13.10), the fact that the Helvetians obviously had their own court when they attempted to try Orgetorix for treason (b.g. 1,4.1-2), and that the Aeduan Vergobret, their highest magistrate, held ‘the power of life and death over his fellow countrymen’ (b.g. 1,16.5), shows us several different levels at which justice was dispensed. While the reference to the power of men over the lives of their wives and children may be little more than a reference explaining to Caesar’s Roman audiences that the Gauls also had a concept akin to the Roman idea of patria potestas, the reference to ‘trials’ of the wives of deceased upper class men implies that some judicial powers rested with the local household itself. Even if married, women were likely to maintain some links with their own relatives (Karl 2006: 73-8, 96-119, 154-9, 40911), who would most likely want to support them if accused by the relatives of their deceased husband of some wrongdoing, at least to guarantee them reason­ ably fair treatment. As such, they would most likely in-

sist on some kind of fair representation given to their female relatives in such a situation – which means that some kind of court trial would have had to be held in such a case. Then, some judicial powers seem to have rested with the magistrates at the level of the civitas, who seem to have held what we might call ‘regional’ courts.And finally, there seems to have been something like a pan-Gaulish court at the annual druid assembly, dispensing justice at what could then perhaps be called a ‘national’ level. This again seems to be reasonably well matched with the situation in the (early) medieval Irish and Welsh laws: the south Welsh Llyfr Blegywryd recognises three ‘levels’ of judges, the brawdwr llys, the ‘court’ judge (essentially the ‘chief judge’ of one of the main Welsh kingdoms in the Middle Ages), the brawdwr cwmwd neu gantref herwydd swydd, the official judge in each administrative district, and the brawdwr o fraint swydd, the judge in respect of land tenure, being explained as pob perchennog tir, ‘namely every owner of land’ (Davies 1986: 262). Similarly, Irish law recognises different ‘grades’ of judges, with texts occasionally referring to a brithem ard, a ‘high judge’ (Binchy 1978: 1727 = CIH 1727.35), very regularly to the brithem túaithe, ‘judge of a túath’, who was presumably the official judge of a ‘district’, also presumably appointed by the ‘king’ of that community (Kelly 1988: 52-3), but also more ‘lowly’ judges (Kelly 1988: 51-6). As in early medieval Ireland there exists a ‘hierarchy’ of ‘kings’, from the rí túaithe, the ‘king of one túath’ over the rí túath, ‘king of several túatha’ to the rí ruirech, ‘king of overkings’, with the ‘higher’ ‘kings’ presumably having their own judges, who not only were responsible for a single túath, we again find similar ‘layers’ of justice, from the local to the ‘national’. While I wouldn’t think that this allowed for stages of appeals (even though I would not completely rule out that possibility either), these are similar ‘layers’ of justice in both Irish and Welsh law as observable in Caesar’s text: presumably, members of the same household, for instance two tenants, would go to their landlord to settle their dispute, two landowners in the same district would appeal to the district or ‘regional’ court for a settlement of their dispute, while disputes between different districts (or their rulers) would be settled in the ‘national’ court. That even disputes between polities may have been

dealt with in courts of law already in the late 2nd century BC in Gaul can possibly be gathered from a passage in Poseidonios’ Gaulish ethnography, describing the influence of the druids: ‘For oftentimes as armies approach each other in line of battle with their swords drawn and their spears raised for the charge, these men come forth between them and stop the conflict, as though they had spell-bound some kind of wild animals.Thus even among the most savage barbarians anger yields to wisdom and Ares does homage to the Muses.’ (Diod. 5,31.5; transl. Tierney 2007: 85-6; cf. Hofeneder 2005: 147-52). While this can of course be seen as simply describing the influence of religious authorities on superstitious barbarians, it may equally well reflect the judicial function of the druids: by stepping in between two advancing armies and indicating that this dispute should rather be resolved peacefully (in both meanings of the term), that is, in a court of law, they may well have stopped the impending battle. Court settlements may thus have been seen as a viable alternative for conflict resolution even between different polities. Finally, in another one of the very famous passages of his excursus on the Gauls, Caesar also discusses the role of the principes, the leaders of the Gaulish factions: ‘In Gaul, not only in every state and every canton and district, but almost in each single household, there are parties; and the leaders of the parties are men who in the judgement of their fellows are deemed to have the highest authority, men to whose decision and judgement in the supreme issue of all cases and counsels may be referred. And this seems to have been an ordinance from ancient days, to the end that no man of the people should lack assistance against a more powerful neighbour; for each man refuses to allow his own folk to be oppressed and defrauded, since otherwise he has no authority among them.The same principle holds in regard to Gaul as a whole taken together; for the whole body of states is divided into two parties.’ (b.g. 6,11.25). It thus would seem that for any leader, whether that of a household, or a district or canton or even roughly half of Gaul, it was deemed necessary, to maintain his authority, to see justice done. By turning this on its head for a moment, it becomes apparent that if an unjust man was deemed unfit to lead ‘his’ community, somebody wanting to become or remain a leader

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of ‘his’ community would have to be seen to have seen justice done, or in other words, would have to publicly perform his role as somebody actively maintaining justice. This does, of course, not imply that these leaders would also necessarily be the judges themselves. Rather, as we have seen before, we can at least suspect that there were specialised judges, trained in the law, whether they were druids, magistrates or just unattached ‘lowly’ judges. More likely, from the principes (who Dunham 1995 wants to see as one and the same as the druids, an opinion I do not share) down to the leaders of parties in single households, these leaders are likely to have had a supervisory role in court proceedings, perhaps to confirm a judgement that the judge had pronounced or the community had found. Again, this seems pretty much identical with what we find in the (early) medieval European, and especially the Irish and Welsh laws: the ‘leaders’ of the community, whether they be kings or nobles or other kinds of ‘leaders’, are ‘the cliff which is behind (i.e. controlling) the court’ (Kelly 1988: 193). These ‘leaders’ may call the court to session, they provide (the space, ‘peace’, and whatever else is necessary) for it, and they may pronounce or confirm the judgement of the court, but they do not usually find the judgement: to do so is the task of either the assembly or the judges (Jenkins 1990; Mitteis, Lieberich 1992: 45; Lupoi 2000: 11221; for a somewhat different view also see Lupoi 2000: 173-223). In fact, pretty much all of what little historical information we can gleam on the administering of justice in the latest Iron Age is surprisingly similar to what we find in the (early) medieval Irish and Welsh laws, and also in what Maurizio Lupoi (2000) has more generally called the ‘European Legal Order’, all of which are first attested only more than half a millennium later. While there will undoubtedly have been numerous local and regional as well as chronological differences where the details of the law are concerned, like what was considered illegal and what not, how high the fines were for a particular offence, or what other punishment was appropriate for a certain crime, the fundamental principles by and large seem very similar, if not identical. There seem to have been courts of law, with different ‘levels’ of responsibility, from the local to the ‘national’, professional judges backed up by

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the authority of community leaders, oaths, compurgatory oaths and probably also ordeals are likely to have been the main means of proof, banishment the penalty for disobedience against the court. It could of course now be argued that the late Iron Age Gaulish societies of Caesar’s account were urbanised societies, organised at a much larger scale than the societies of, for instance, early Iron Age Britain (as for instance, John Collis has; Collis 1994: 32), and therefore needed a more complex legal system than the ‘egalitarian’ societies of the latter (Hill 1995a; 1995b; James 2007). It could also be argued that the late Iron Age Gaulish legal systems may have been strongly influenced by Roman law, and perhaps other laws of Mediterranean societies in Antiquity, with whom they had already had contact for an extended time when we get the first few glimpses about how later Iron Age Gaulish laws might have worked. And both of these arguments do indeed carry some weight: 1st century BC societies in Gaul were undoubtedly much more urbanised than early Iron Age societies in Britain, and equally had most likely been considerably influenced by Mediterranean societies’ laws. As such, one might easily think that the information gleamed from sources like Caesar would be inapplicable to other European Iron Age societies like those of e.g. early Iron Age Britain. But then, the (early) medieval societies of both ­Ireland and Wales, at the times their law texts were composed, were anything but urbanised societies, and while the medieval Welsh laws were clearly strongly influenced by Roman law, the Irish were much less so. Particularly where the early medieval Irish are concerned, even though they were not left completely untouched by Roman legal ideas either, the evidence makes it very clear that most of their legal system was based on old, indigenous ideas, and had not just been copied from Roman law – especially where the fundamentals of the law were concerned. And where the archaeological record the early medieval Irish and Welsh left behind is concerned, there is little in the evidence that would have us think that their societies were much more highly organised than those of their late Bronze and early Iron Age ancestors (cf. Karl 2006b). Even more, if Caesar was right in his assertion that the Druidic ‘faith’, which seemingly was closely connected to

the dispensation of justice in Iron Age Gaul, had originated in Britain, and those who wanted to study it most diligently where travelling from Gaul to learn it back where its roots were (b.g. 6,13.10-12), it seems even more unlikely that the ‘Gaulish’ legal system had only recently developed in Gaul as a response to the increasing urbanisation of that region during the final 2 centuries BC. Rather, if Caesar were right with this, the principles upon which the late Gaulish legal system was built most likely would have emerged considerably earlier, probably even in those late Bronze Age and early Iron Age ‘egalitarian’ British societies where we see ‘enclosed homesteads’ becoming one of the, if not the very dominant type of settlement. The Iron Age court of law and the judicial process If the above arguments should be reasonably correct, we arrive at a very different Iron Age to the one portrayed in the traditional ‘Celtic heroic spirit’ narratives. But not just that, we would also have succeeded in decoupling ‘primitive’ or ‘pre-state’ societies from being necessarily more ‘violent’ or ‘endemically insecure’ than more highly organised ‘modern’ or ‘state’ societies, the problem that still was hampering James’ (2007) approach to the subject. So let us for a moment assume that my above argument is correct: what do we arrive at, then? We can conclude that during the late Bronze and Iron Age, new legal systems developed in central and western Europe that allowed communities to resolve – both within and at least partially also between different polities – their disputes ‘peacefully’, even though ‘peacefully’ is to be understood primarily as ‘lawfully’ and ‘orderly’, not necessarily as ‘non-violent’. We can assume that these new systems were not entirely new, at least in the sense that even earlier European societies will almost definitely have had such ‘peaceful’ mechanisms of conflict resolution available to them. But, probably related to other changes in the constitution of societies that, as I have argued elsewhere (Karl 2007a), where happening at roughly the same time in roughly the same area, they were new in the sense that they were fulfilling the needs of these newly emerging, potentially more complex (or at the very least somewhat differently organised) societies. After

this period of rather rapid change, the situation seems to have reasonably stabilised again, for at least 2 millennia, and arguably in parts even until today (at least in the sense that some of the concepts that seemingly were developed at the beginning of this period are still with us today). While during these two millennia (or more), some changes will have happened, most of the fundamentals of the legal system remained mostly unchanged. One of the fundamental changes seems to have been an increased importance of the role of the individual household, mainly to be understood here as a community of people inhabiting the same ‘homestead’ (Hill 1995a; 1995b), even though by extension (at least sometime after the initial period of change) also applicable to all people under the control of a single person, usually the one ‘owning’ the land on which the community lived (cf. Karl 2008). It is these landowners, these ‘heads of a household’, who as I have also argued elsewhere (Karl 2007a; 2007d) performed their status by delimiting their homestead with a more substantial enclosure, who became the lowest rung on a ladder of ‘judges’, arbitrating in disputes between members of their ‘own’ household. As different households (perhaps mainly represented by their respective ‘heads’) also interacted and occasionally had to settle disputes, their ‘heads’ will in turn have approached particularly highly respected or authoritative members (who themselves were heads of their own households) of their wider community to assist them with negotiating contracts (Karl 2006a: 202-45; 2007c: 334-8) and to arbitrate between them to settle disputes (Karl forthc.). These ‘authoritative’ members of the community, who as a result of this became not only the ‘regional judges’ but also an emerging elite (or ‘nobility’), also will probably have arbitrated in their own respective ‘courtyards’, which again will have been their own ‘enclosed homesteads’.The same process was repeated at yet one higher level as well, leading to emerging ‘kings’ (Karl 2007a; 2007b; forthc.) who saw justice done on a ‘national’ level, again with hearings taking place in their respective ‘enclosures’. These enclosed ‘courtyards’, celt. *lissos, thus generally became the arena for the arbitration of disputes, with the word acquiring a secondary meaning as ‘a place for arbitration, court of law’, with derived terms mean-

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Fig. 6: The ‘court of law’ in the courtyard of a schematic enclosed settlement of the Continent

ing ‘pleading in a court of law’ or ‘redress achievable through court proceedings’ also developing. That it is the ‘courtyards’ of the ‘heads of households’ that were chosen for such arbitrations is, besides practical reasons, also due to two additional, interrelated reasons.The first of these is that the object of the law (and

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thus of proceedings to uphold it) was to maintain (or re-establish, after it had been breached,) ‘peace’, with ‘peace’ to be understood here not as the absence of violence, but as (the divinely preordained) ‘order’, where everyone and everything behaved as they should. The second is that to do so, judgements – who in a sense

were the means to establish or maintain this divinely inspired ‘order’ – would have to be passed in a ‘pacified’, ‘orderly’ space. As such, the enclosed settlements, which as I have argued elsewhere were consciously laid out architecturally to follow or ‘copy’ the ‘divine order of the world’ (Karl 2008), where not only readily and conveniently available, but were such ‘permanently pacified’ places, and thus supremely suited to serve as a place for judgements. Even more conveniently, their architectural layout also provided for a ‘theatrical’ space for communal assemblies in which justice could be publicly seen and recognised to have been done (see fig. 4 for a model of the ‘British’ and fig. 6 for a model of the ‘Continental’ layout of such sites with the ‘order of the court’ inscribed). While the objective of the law was to maintain the ‘peace’, that ‘peace’ was not ‘enforced’ by, nor had the application of violence been monopolised or restricted by central state authorities (in contrast to James’ 2007: 168-9 argument that such state enforcement and monopolization of violence is a necessary precondition for the maintenance of ‘peace’). Rather, it was left to individual members of society to voluntarily maintain and where necessary act to ‘enforce’ the ‘peace’ against those who they perceived were breaching it. This included, if and where necessary, the right – and probably even the responsibility – of every member (at least every fully legally competent member; cf. Kelly 1988: 17-68, esp. 68) of the community to use legally sanctioned violence in accordance with the law. Given that the right and responsibility to maintain the ‘peace’ seems to still have rested exclusively with the individual rather than any central state authorities, legal cases will only have been heard when an individual, whether a wronged party or its relatives, acted to initiate proceedings (even though this may have already been different in late Iron Age Gaul where, perhaps influenced by contact with Roman and other Mediterranean ‘Classical’ societies and their laws, or perhaps simply by further ‘native’ legal and social evolution, such central state authorities may have been in the process of emerging or may already have had emerged, and may have already had acquired the right to initiate legal cases on behalf of the state). This will usually have meant, as a first step, that the aggrieved party publicly proclaimed that it had been wronged,

and accused another party that it was responsible for some breach of the ‘peace’ (cf. b.g. 1,4.1-2).That other party then probably had the chance to agree to settle the matter in a court of law voluntarily. If the accused party refused to voluntarily agree to resolve the matter in court, the aggrieved party then probably was allowed to ‘enforce’ a resolution by legally sanctioned violence, which was primarily aimed at ‘forcing’ the accused party to agree to a ‘peaceful’ resolution of the dispute in court. In most cases, distraint, celt. *ate-gabagla− (lit. ‘re-seizure, taking back’) will have been the legally sanctioned means of violence to ‘force’ the accused party to agree to a court hearing.This will usually have meant that the aggrieved party will have forcefully seized some property (possibly primarily cattle) of the accused party and deposited it in a safe place, to be returned to the accused party if it submitted itself to court arbitration. If the accused party still did not submit to arbitration, the seized property would be kept by the aggrieved party in lieu of compensation, so in effect not submitting to court arbitration after having been distrained amounted to an admission of guilt. However, other, more symbolic means of distraint may also have been possible, particularly where professionals who did not primarily depend on farming (or cattle rearing) for their subsistence were concerned, e.g. distraining a professional blacksmith by tying a ribbon around his anvil (Kelly 1988: 181). In cases regarding disputes about the ownership of land (cf. b.g. 6,13.5), distraint may have been replaced by another process called ‘legal entry’ (Kelly 1988: 186-9), which did however fulfil the same purpose, that is to ‘force’ the accused party to submit to court arbitration. Once proceedings had been initiated (whether by agreement between the litigants or ‘enforced’ by distraint or ‘legal entry’), a court session would have been arranged. In the ‘lower’, local courts, this may have been on an ad hoc basis, whenever the need arose to hear a case.The ‘higher’ (regional and ‘national’) courts on the other hand will probably only have assembled on certain dates, whether annually (cf. b.g. 6,13.10; Kelly 1988: 4) or more regularly, perhaps called individually depending on the ‘usual’ case load in a certain region at any given time, or perhaps simply regularly on ‘public holidays’. Given that in pre-literate societies

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(or at least societies where literacy is very limited and perhaps even culturally or religiously restricted, b.g. 6,14.3-4), the only way to ensure that judgements are actually remembered and adhered to is to make them as publicly known as possible, court sessions will have been public assemblies, and judgements will have to have been arrived at more or less consensual (Lupoi 2000: 173-231). Court procedure itself will probably have been guided by druids (b.g. 6,13.5-7; 6,13.10) or other similarly legally trained ‘specialists’, and is likely to have been highly formalised, perhaps even ‘ritualised’, even though probably not as much as is occasionally assumed for earliest medieval courts (Mitteis, Lieberich 1992: 44-8; for a criticism of such views see Lupoi 2000: 339-50).There is no reason to assume that all legal procedure was simply based on ritualised swearing of oaths or proof by ordeals, and that evidence, where it existed, was ignored. Given the likely importance of witnesses, celt.sing. *ueidos (Karl 2006a: 207-9), and all kinds of sureties and pledges (Karl 2006a: 209-18) in contracts, whose only real purpose is to provide both material evidence for and witnesses who can testify to the facts of a case in a court of law, it would seem exceedingly unlikely that proceedings in an Iron Age court of law did not include an evaluation of the factual evidence. Nonetheless, it is likely that witnesses were required to testify under oath (as is still the case today), and that other forms of proof were required where no or only insufficient evidence (whether material or given by witnesses) was available. These other forms of proof were probably mainly oaths sworn by the parties involved and possibly supported by compurgatory oaths of oath-helpers (cf. b.g. 1,4.2; Kelly 1988: 200-2; Mitteis, Lieberich 1992: 47-8; Lupoi 2000: 339-50), or different kinds of ordeals, including duels (Kelly 1988: 209-13). Interlinked with, but mostly independent of this, court procedures nonetheless were most likely highly formalised, after all, their purpose was to maintain or re-establish a divinely preordained order, and as such, they are a ritual in their own right, which, like most rituals, will have had to strictly follow a certain, ‘orderly’ pattern (Turner 1969). Once all parties involved had pleaded their case, all witnesses had been heard, evidence presented etc., judgment would be reached. It is not perfectly clear who

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actually would have ‘found’ the judgement, whether the assembled community, some professional judges (e.g. the druid or druids guiding the proceedings, cf. b.g. 6,13.5), or perhaps even the ‘head of the household’ in whose ‘court’ the proceedings were held. This may very well have differed both regionally and chronologically, as well as possibly depending on the ‘level’ of the court (i.e. whether the court was ‘local’, regional or ‘national’). In a ‘Celtic’ context, it is of course tempting to assume that it was always a druid (or several druids) who would actually find the judgement (in line with b.g. 6,13.5), with the princeps or ‘head’ (b.g. 6,11.2-4) who provided the ‘court’ perhaps only confirming or pronouncing it. But if only because it is anything but clear that all ‘Celtic’ societies actually had druids (or a social function akin to what would be called a druid in those areas where the term is actually attested), this cannot be confidently assumed. The litigants, if they had not already been required to do so at an earlier stage of the procedure, will then have had to swear another oath, that they would uphold and put into effect the judgement. Refusal to do so, seemingly, will have resulted in the banishment of that party (b.g. 6,13.6-7; cf. Lupoi 2000: 368-87),‘their heaviest penalty’. The actual putting into effect of the judgement then again seems to have been left to the individual(s), whether this was the collection of a fine from / the payment of a fine by the convicted party (or its relatives), or the carrying out of the sentence (which will usually have been a violent one), and not carried out by the court, even though it is possible that death sentences were removed to a religious, ‘sacrificial’ context (b.g. 6,16.4; also see the remark that much more emphasis is placed on the death penalty in early Irish canon law than in the secular laws in Kelly 1988: 216-7). Refusal by a convicted party to put the judgement into effect after it had publicly sworn an oath to do so is virtually impossible: after all, the community knows about the judgement and the oath that the convicted party swore to put the judgement into effect. Refusal to carry out the judgement would thus constitute a new and probably even more serious breach of the ‘peace’, and the recalcitrant convict, by his own actions, put himself ‘outside the law’, he becomes an outlaw (Mitteis, Lieberich 1992: 40-2, 46; Lupoi 2000: 368-87). That, of course, will have also meant that if

such a fractious convict were to resist an attempt by the victorious plaintiff to assert his rights and collect his compensation, that the latter would be entirely legally entitled to inflict whatever violence necessary on the convict to ensure he would get what he was due. This gives us a likely Iron Age court of law, and a legal procedure, that would have allowed disputes to be settled ‘peacefully’, even if not necessarily without resorting to – but in this case, legally sanctioned – violence. Conclusions ‘Enforcement’ of the ‘peace’ in such societies as we can imagine to have inhabited the (early) European Iron Age thus was not (necessarily) a function of a threat of violence by some central state authority, but rather of the ‘voluntary’ choice of individuals to comply with judgements and to uphold the law, because, by and large, they wanted to remain part of their community, rather than to exclude themselves from it through their own, anti-social actions. A legal system like the one described above creates a strong incentive for each individual member of a society to behave according to the communally agreed rules, as expressed in customary laws and court judgements. Where the resolution of disputes is concerned, it probably provided a viable ‘third way’ for European Iron Age societies to arrive at a ‘reasonably peaceful’ state of community relations, that was neither totally strife- or violence-free (James 2007: 167) or ‘bloodless’, to use James (2007) very emotive term, nor characterised by ‘endemic insecurity’ (James 2007: 169) or constant warfare either. This is not meant to say that all Iron Age European societies will have been inherently ‘lawful’ and thus inherently ‘reasonably peaceful’. Of course, there will have been periods and regions where the ‘rule of law’ (if you will) had broken down for whatever reasons (be it endemic brigandage, internal unrest or external strife, or whatever other reason one can think of), where the law was not even worth the non-existing paper it had not been printed on. If and when that happened – and it may well have happened quite frequently, if we are to believe Caesar’s account (b.g. 6,15.1) – James’ (2007: 169) characterisation of the ‘state’ that such societies were in as one of ‘endemic insecurity’ may well be very accurate – even though I do believe that he

rules out organised warfare much too quickly for even early Iron Age British societies (cf. Finney 2006 for the middle Iron Age in Britain, which may well have been different to the early Iron Age, but whether sufficiently to totally invalidate his observations is doubtful). But I see no reason why the very possibility that many, if not most periods and areas of the European Iron Age were, by and large, ‘reasonably peaceful’, should a priori be ruled out. Equally, this is not meant to say that all or even only many (or in fact, any) European Iron Age societies were inherently ‘non-violent’ or in any way ‘bloodless’, even when and where the ‘rule of law’ prevailed. For one, as I have tried to demonstrate above, even within the boundaries of the law there were probably many possibilities, resting with each individual member of the community, to exert violence where appropriate and necessary. There is even the distinct possibility that, at least in cases that could not be settled based on evidence, (mortal) combat was one of the means of ascertaining the truth or falsehood of an allegation. And it would also be ridiculous to believe that even where the rule of law prevailed, every member of every society was equally enthusiastic to uphold the law. As in any other society, some people will have been sticklers for red tape, most will have obeyed the law where it suited or at least didn’t bother them too much to do so, but will have tried to get away with the odd minor infraction where they thought they could or where they simply couldn’t be bothered, while some will have been more than happy to habitually break it as long as they had reasonable chances to get away with it. And depending on local historical circumstances, what one could reasonably expect to get away with (whether a drunken punch-up in front of one’s favourite watering hole or outright murder), and how many people would regularly try to do so (whether just a few hardened criminals or pretty much everyone), will also have considerably differed. So yes, there will have been brigands in the Iron Age forests, the question is only how many, when, and in which particular Iron Age forest – and quite probably considerably more than we nowadays would expect to find in any forest (at least in the western world). Neither of these two caveats, however, makes the European Iron Age necessarily a period of ‘endem-

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ic insecurity’ (James 2007: 169), at least no more than virtually any other period of recorded human history with perhaps the single exception of the last couple of decades in the western world. And especially not so simply because (early) Iron Age (British) societies lacked the degree of social sophistication and the allegedly necessary complexity of social organisation to maintain any other state of affairs: many much more complex and highly socially sophisticated societies went through extended periods of ‘endemic insecurity’, indeed, pretty much every military dictatorship of the past and present, even though almost invariably more complex and more sophisticated than the societies of the European Iron Age, would seem much more ‘endemically insecure’ to me. Thus, my argument would be that we should see the Iron Age as neither characteristically ‘endemically insecure’, nor as ‘pacified’ either, but rather see it as equally patterned than we would see our present, with perhaps the one difference – but that mainly or perhaps even exclusively relates only to the western world since WW II – that the general level of violence within and between societies will have been somewhat higher on average, and that may be saying too much. Even today in the almost completely ‘pacified’ western world, violence is not as uncommon as we would like to think (just think about the use of guns in the USA or the currently frequently reported proliferation of knife crime in some British cities). And even today in the almost completely ‘pacified’ western world, feeling almost totally secure, or very insecure, not only strongly depends on the person you ask, but also on where that person lives: where I live, I can and do frequently leave the door of my house unlocked, even standing wide open, whenever somebody is at home, with most of my neighbours doing the same, and nothing has ever happened in the past 5 years. Only some 2 miles down the road, however, hardly anyone does, and they seem well advised to do so, because there are relatively frequent incidents that make the precaution of locking one’s door seem quite reasonable. Thus, even today in the west-

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ern world, havens of almost total safety, and zones of relatively high ‘insecurity’, may not be all too far apart. I don’t think that we should, in that regard, see the European Iron Age as much different. As I have demonstrated above, it seems reasonable to assume that a legal system existed in European Iron Age societies that allowed members of a community, and perhaps even different polities, to resolve their disputes without necessarily having to resort to random violence. How the legal system was precisely organised, and how efficiently and effectively it was executed, will have varied from region to region, and from time to time, even though it is likely that across wide areas of Europe and for a quite extensive period of time, the basic fundamentals of the different local and regional legal systems were quite similar to each other. The spectrum of community interactions, both within and between polities, will most likely have ranged from almost perfectly ‘peaceful’ and ‘non-violent’, past ‘reasonably peaceful’ with mostly only ‘legally sanctioned violence’, and past ‘somewhat insecure’, to almost completely ‘insecure’ and very randomly violent. In all likelihood, most of the time, in most of the regions, ‘security levels’ will have oscillated somewhere around the middle ground, between ‘reasonably peaceful’ and ‘somewhat insecure’. In the same line of reason, most of the Iron Age inhabitants of central and western Europe, or ‘Celts’, as they are occasionally referred to, most of the time will neither have sorted all their problems according to the demands of a ‘Celtic heroic warrior spirit’ by simple application of brute force. Nor will they have lived happily ever after in a bloodless, ‘pacified’ la-la-land of eternal egalitarian bliss and happy ‘negotiations’ of everything, from social roles to who gets the scarce food after a bad year. For most of them, most of the time, life will have been tough, but somewhere in between those two extremes, as it is for all of us, too, with different kinds of problems and conflicts, that could be solved in several different ways. And most of the time, they probably were quite successful at solving them reasonably peacefully.

Abbreviations b.g.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Collis, Stifter, Wendling und Lucianu) The expected objection to the use of the word „Celtic“ in this context is duly voiced. There still is danger perceived in connecting people that speak a similar language, assuming they do the same things. One example here is the Irish society: the one of the medieval period is very distinctive of the one in the iron age, even in the same region. The generalisation about how societies function is approved of - to get an even better feel of it, it is proposed to look at e.g. Icelandic sagas, which depict kind of ‚iron-age-like‘ court scenes. However, there is violent conflict as well - for example ending only when the chief of group A is killed by group B.There are still general rules like „you must take revenge“ that have to be resolved by other rules like „practice hospitality - go and talk it over“. The new interpretation for the use of Viereckschanzen seems intriguing, but does not apply to many other iron age societies, without those sort of structures. This research has aimed at giving one model of problem-resolving without using the barbarian cliche of physical violence as only means. It should not apply to all Celtic societies and is at the same time not limited to only Celtic societies - similar practices exist in e.g. ‚Germanic‘ (to mention an - to them - equally uncomfortable term) societies. The model is intended to be seen as midway between the ideal „warrior-society“ and „peaceful egalitarian society“; so not to stick to one of the extremes of conflict resolution. ‚Celtic‘ here is used in the same-language sense, because the argument uses lingistics as one of its points.

It is pointed out, that the terms for the legal procedures linguistically are mostly reconstructions not of ‚Celtic language‘ but of an insular Celtic variety. The problem of the christian writers who gave us the written sources about Irish, Germanic, etc. laws and culture might have tinted the reports with their christian views is mentioned. The pre-christian concepts might be altered or concealed behind the christian ideals. But does the fact, that the written sources are produced inside the cultural framework of the time of writing, preclude, that a similar system has been working / has been in use earlier? Is it perhaps originally a nonchristian concept that has been adopted in the christian ideology of the 8. and 9.th century? Could it be the other way round, because this concept of „peaceful space“ for example doesn‘t show dominantly in early christianity? Additionally the procedures which include accepting witnesses and evidence might forge a community spirit, while forcing the persons involved to find a common ground on what to believe, what to agree upon as to be (to prove) the truth. So the convenient proceedings might be formed to create or promote social cohesion. However, judgement by peers needs not be a base for a democratic society. An example for the limitations of interpretation is given: the modern Swiss society - contemporaries perceive it as very peaceful, but „archaeologically“ you would find a military assault rifle in at least every second houshold. This emphasises very well that the perception of security/insecurity needs not be directly proportional to the level of visible violence.

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‘But I still haven’t found what I’m looking for’. New Agendas in Irish Iron Age research Katharina Becker

Zusammenfassung Auf den großflächigen Ausgrabungen, die in den letzten Jahren des Wirtschaftswachstums in Irland zahlreich durchgeführt wurden, sind endlich Daten über eisenzeitliche Siedlungen und Wirtschaft zu Tage getreten. In diesem Artikel werden einige der vorläufigen Ergebnisse eines Forschungsprojekts vorgestellt, das diese Daten aufgenommen und untersucht hat, und einige sich daraus ergebende Folgen für die Zukunft der Eisenzeitforschung in Irland angerissen.

Abstract The large numbers of excavations conducted during the recent years of economic growth in Ireland have at last produced evidence of Iron Age settlement and industry.This article presents some of the preliminary results of a research project that is studying this new material and outlines some of its implications for future studies of the period in Ireland.

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Until recently, the archaeological record of the Irish Iron Age consisted of rather disparate and disjointed groups of artefacts and monuments. Ceremonial sites, linear earthworks, the trackways of the midlands, a small group of burial monuments and a small corpus of high-status metalwork primarily represent aspects of high status and ceremonial life. On the other hand, they reveal little about everyday life in the Iron Age; domestic or industrial activity and evidence of the vernacular and the mundane have long remained elusive with hardly any settlement evidence (cf. Armit 2007: 130-132; Raftery 1994: 112-146). This problem, encapsulated in the phrase ‘The Invisible People’ (Raftery 1994: 112), has contributed to the enigmatic character of the period. Glimpses of everyday life can be caught in the archaeology of the wetlands with its trackways and the wooden vessels and other mundane objects found as secondary deposits on these sites (e.g. Raftery 1996; Moore 2008). However, just as the palaeo-environmental evidence from ceremonial high-status sites with evidence for feasting (e.g. McCormick 2007: 95-97; 2002; 1997; Crabtree 2007) allows some insight into the agriculture of the period but cannot be read as an accurate reflection of subsistence patterns in the Irish Iron Age, these sites are not representative of everyday life. The archaeological record of Iron Age Ireland is thus curiously biased towards ceremonial and high-status activities. As a consequence, it is likely that not only certain aspects of life but also the majority of the population are not visible in the archaeological record (Raftery 1994: 112). This is particularly apparent in the case of the metalwork. This material, with its clear typological affinities to continental and British La Tène forms (cf Raftery 1984; 1983), was for a long time synonymous with the ‘Celtic Iron Age’ in Ireland’s prehistoric past. While these bronze and gold artefacts and probably contemporary stone artefacts constitute the main body of Irish Iron Age evidence, they clearly cannot be considered as representative of everyday life in the period. This is due to the fact that the range of artefacts is functionally biased, comprising largely of high-status items of a martial or ceremonial nature with weaponry, horse gear and gold ornaments constituting some of the most prevalent find categories. These items re-

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flect specialised activities and were probably only produced and utilised by a small stratum of society (c.f. Raftery 1998b: 22). In terms of its geographic distribution, too, the La Tène material has been revealed to be biased. One of the central issues in the discussion of the distribution of Iron Age evidence in Ireland has been the discrepancy between the north and the south of the country. Due to the small number of settlement sites, the debate has focused primarily on the artefact record (e.g. Raftery 1983: 314-315; Warner 1998, Woodman 1998, Raftery 1998b). Artefacts that can be attributed to the La Tène complex are concentrated in the north of the country, especially in the province of Ulster (fig. 1), but are rarely found in the south; a pattern that is particularly clear in the case of Iron Age quern stones (fig. 2, Warner 2002; Caulfield 1977). While there is a similar absence of burials in the south of the country, these are not very frequent in the north either (fig.3). The few settlements known at the time and the ceremonial sites (the so-called Royal Sites, fig.4) were also included on the map published by Raftery in 1983 (Raftery 1983, map 23) that, in subsequent research, provided a foundation for the debate on regionality in the Iron Age. These sites show, if anything, a predominately eastern bias - but their overall number is small. The uneven distribution of artefacts has been discussed as representing the absence of an Iron Age in the south, as evidence for the existence of a non-metal or non-La Tène using culture in the south (Raftery 1998b: 23; Warner 1998: 29) or for low population levels in these areas (Warner 1998: 29, but see Woodman 1998). The biases that clearly affect this particular part of the archaeological record make it clear that the body of La Tène and associated artefacts „is not and was not representative of the majority of population of Ireland in the centuries spanning the birth of Christ.” (Raftery 1995b: 5). This obviously also had implications for the cultural interpretation of the period and, consequently and the notion of Celtic invasions or immigrations into Ireland was widely abandoned as a relevant explanatory model and greater emphasis put on the continuity between the Bronze and the Iron Age (c.f. Armit 2007: 132; Champion 1982; Ó Donnabháin 2000; Raftery 2006; 1998a; Waddell 1995; 1991).

Fig. 1: Distribution of Iron Age metalwork. After Raftery 1983, map 23, with additions.

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The data The lack of evidence of domestic and industrial activity made it impossible to replace the Celtic paradigm with a new framework of thought or to examine the known high-status material within a contemporary everyday context. This only now becomes possible with the recent emergence of new archaeological information. The large numbers of excavations conducted within the context of recent private and public development have started to bring to light the Iron Age settlement and industrial sites previously lacking in the archaeological record: they present Iron Age research in Ireland with a unique opportunity to address many of the issues raised by the previously known material. These new sites, most of which are still unpublished, are being collated and analysed in the project entitled ‘Iron Age Ireland: Finding an invisible people’, the pilot phase of which was funded by the Irish Heritage Council in 2008 (Becker, Ó Néill and O’Flynn 2008a; 2008b). All the sites excavated up to 2004 (the current cut-off date for the project) that have produced Iron Age dates (here defined as the period between the end of the Bronze Age, about 700BC, to the beginning of the Early Medieval period around 400AD) have been recorded in a database. The sites dating to the Late Bronze Age (between about 900 and 700BC) were also collated in order to examine the crucial changes that occurred between the two periods. Burials were not included because a comparable study of those sites was conducted recently (McGarry 2007; 2005). Only securely dated sites were included in the present study. Radiocarbon and dendrochronological dates constitute the main source of dating evidence as associations with artefacts, and securely datable artefacts in particular, are rare. In order to capture the transition from the Late Bronze Age to the Iron Age, which is a particularly problematic issue in Ireland (cf Raftery 1994: 17-37; Raftery 1976a; Champion 1989; 1981), it was decided to include sites dating to the later part of the Late Bronze Age. The end of the Late Bronze Age and the beginning of the Iron Age, in both absolute-chronological and cultural terms, are the subject of much debate due to the absence of burials, hoards and settlement assemblages between 700BC and about 400/300

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BC. The artefact record gives some indication of significant transitions occurring around 700 BC and in the mid 3rd century BC. While the earlier date signifies the end of the Late Bronze Age (Dowris phase, Eogan 1964) and the later date that of the commencement of the La Tène metalworking traditions (Raftery 1984: 326) the period in between corresponds to what has been referred to as the Dark Age of the Iron Age. After a small number of Hallstatt C imports and related artefacts, mainly local forms of Gündlingen swords, no objects with direct or indirect parallels to continental styles of metalwork can be identified in the record. Neither Hallstatt D nor La Tène A material can be identified and it is a small corpus of late La Tène B artefacts that marks the re-emergence of identifiable parallels with the Continent and, in fact, any artefact record at all (c.f. Raftery 1984: 7-14). As this gap roughly corresponds to the so-called Hallstatt plateau and any radiocarbon dates in this bracket would have wide ranges and thus, in most cases, not allow any finechronological differentiation, the period between 700 and about 400 BC was defined as the Early Iron Age. The onset of a period with a better quality of radiocarbon dates coincides roughly with the re-emergence of a burial record and the earliest artefacts of the La Tène tradition. The beginning of the Developed Iron Age was thus defined as about 400/300 BC. The end of this phase and the beginning of the Late Iron Age around the birth of Christ was chosen as a rather artificial subdivision of the remaining 800 years prior to the beginning of the Early Medieval period at about AD400; although somewhat informed by the knowledge of broad cultural changes elsewhere and the apparent increased contact with the provincial Roman world in the centuries before and after the birth of Christ (e.g. Warner 1976). While this phasing was initially understood as a working chronology for the material that might have to be revised at a later stage in the project, the radiocarbon dates already available for different types of sites and features indicate some significant changes in the material that broadly correspond to the suggested phasing (fig. 5). In particular, the onset of certain types of site can be observed around 400 or 300 BC, broadly corresponding to the first emergence of La Tène style metalwork and formal burial (McGarry 2007: 8-9). This is most clearly noticeable

Fig. 2: Distribution of Iron Age beehive quern stones. After Warner 2002.

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Fig. 3: Distribution of Iron Age burials recorded before 1983. After Raftery 1983, map 23.

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Fig. 4: Distribution of Iron Age ceremonial (‘Royal’) sites and settlements. After Raftery 1983, map 23 and Raftery 1994.

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Fig. 5: Sum graphs of radiocarbon dates for different types of sites.

in the case of earthworks and metalworking sites. This peak in probability is also observable for settlement sites and individual features such as hearths and pits. This is in contrast to an observable decrease in dates from fortified sites and may support the validity of the suggested chronology. One of the most striking results of the project is the fact that a significant number of sites can be assigned to the Early Iron Age (fig. 6), thus bridging the former gap between the end of the Late Bronze Age and the Iron Age. Surprisingly, the number of sites that can be identified as belonging to these former Dark Ages is roughly equivalent to the number of the sites that date to the Late Iron Age and Late Bronze Age. The largest number of sites has been assigned to the Developed Iron Age and this increase is not simply due the fact that the so-called Royal Sites and linear earthworks emerge at this time, but is visible across all categories of sites. While it might have been expected that the number of sites in the Late Iron Age would further increase towards the Early Medieval Period, a pronounced decrease is in fact visible. The dataset currently contains about 200 sites and site complexes dating to the Iron Age. These include a variety of different forms of settlement and industrial sites as well as the evidence from the so-called

Fig. 6: Number of excavated Late Bronze Age and Iron Age sites recorded in the project.

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Fig. 7: Iron Age site types.

Royal Sites and the trackways and platforms in the bogs of the midlands. A range of sites has been classified provisionally as evidence of settlement: this includes unenclosed structures, enclosed sites, wetland sites, and more ephemeral evidence where pits, hearths, and isolated post or stake holes have been discovered in an area without the presence of a recognizable structure or enclosure. Such sites, in fact, make up a large portion of the dataset while actual identifiable structures are relatively rare. As suspected on the basis of the few structures known from nondomestic sites such as Navan Fort, Co. (Armagh Waterman 1997) or Dun Ailinne, Co. Kildare ( Johnston and Wailes 2008) the characteristic form of Iron Age structure seems to have been the round house, which was also the characteristic type of structure prevalent in the preceding Bronze Age. Thirty such post or plank constructions of either habitation or workshop character have been identified. Occupation sites currently constitute the largest body of material from the period and are represented in all phases of the Iron Age (fig.7), with a general increase in sites during the Developed Iron Age and a decrease in the Late Iron Age. Iron-working sites constitute an important site category but other craft activities such as bronze and glass-working have also been found. Hillforts, which were expected to be of Iron Age date, have in fact proved to be a characteristic site type of the

Bronze Age (e.g. Raftery 1976b; Grogan 2006; Mallory 1995; Mallory, Warner 1988). The character of these sites partly explains why it has only recently been possible to identify them. To a great extent this is a problem of recognisability: the lack of characteristic find assemblages has hindered the recognition of sites as being of Iron Age date. Already in the Bronze Age, artefacts are rarely found on settlement sites and, in the Iron Age, the problem is compounded by the fact that this period appears to have been aceramic (Raftery 1995a). Moreover, the lack of diagnostic site types and house forms has contributed to the fact that these sites were not recognisable before the systematic application of radiocarbon and dendrochronological dating. Structures of Iron Age date follow the Bronze Age roundhouse tradition and it is thus not possible to identify them on the basis of their morphology alone. In the case of individual features within scatters or clusters of features, without stratigraphic associations only - radiocarbon or dendrochronological dates can reveal to be attributable to the Iron Age. As has emerged from the study, individual features on multiperiod sites often produce Iron Age dates but these may not always be captured by radiocarbon dating programmes, which tend to focus on recognisable structures. It can thus be suspected that similar ephemeral evidence for Iron Age activity will in many cases have gone unnoticed.

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Fig. 8: Distribution of Iron Age sites.

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Fig. 9: Multiperiod sites that include the Iron Age and their associated phases.

The sites recorded in this project completely change our understanding of the distribution of Iron Age activity in Ireland. As can be seen from fig. 8, Iron Age sites can now be shown to have existed in all parts of the country, even if no sites can as yet be identified in some areas, for example along the south-eastern coast or in large parts of the western province of Connacht. This is in striking contrast to the small number of excavated sites recorded before 1994 (fig. 4). The distribution of sites will have to be further examined in order to determine the degree to which it is the result of landscape types or modern land-use. Clearly, recent infrastructural development activity such as the construction of roads and gas pipelines and its location influence the apparent distribution of Iron Age sites. Recent excavation activity has, for example, focused on the greater Dublin area in Eastern Ireland and the linear distribution of sites in County (Cork) in the South clearly shows how a single road construction scheme can create a regional cluster of Iron Age sites. Nevertheless, these clusters surely represent to some extent a prehistoric reality. The question of whether the absence of sites at the locations of other schemes is an actual absence of sites or simply recovery related, will be addressed by comparison with datasets that were generated in similar circumstances and thus subject to the same biases.

A new era While it is now possible to identify Iron Age activity in most parts of Ireland, the record still raises many questions. Although a variety of different site types have been found, it must be noted that actual houses or other structures are still rare and agglomerations of the same are even rarer.The particular difficulties encountered in recognising Iron Age sites - as outlined above - make it likely that a large number of sites still go unrecognised. But, as noted elsewhere (Armit 2007: 135), the peculiar character of the evidence, which is often ephemeral and lacking in structures, stands in stark contrast to the high-status metalwork that reflects the considerable affluence of at least a portion of society, monumental structures such as the linear earthworks (e.g. Lynn 1989; Walsh 1987) and the so-called Royal Sites of the period. This may imply that Iron Age society was rather mobile and the construction of these monuments has to be considered as the representation of group identities on a regional scale (Armit 2007: 134-135). Mobility has already been discussed in previous research as a possible explanation for the lack of settlement evidence (ibid; Raftery 1994: 113) and can, on the basis of the present evidence, still be considered a possible model when attempting to reconcile the contrasting parts of the record. It also seems to

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be supported by the environmental record (e.g. Plunkett 2007: 232-233, fig. 12.2). The study of the sites in their landscape setting and palaeo-environmental evidence will thus play a central role in future studies of Iron Age settlement. Comparisons with the preceding and following periods will be particularly relevant. Evidence of Iron Age activity has been found on sites that have yielded material indicating phases of earlier or later activity and thus demonstrating settlement continuity or repeated use of certain landscapes throughout prehistory. Earlier use is surprisingly often Neolithic in date but, as is to be expected, many sites were also used in the Late Bronze Age and the Early Medieval period (fig.9). However, the majority of sites appear to have only been used in the Iron Age and the study of the similarities and differences between the various categories of site will also play a central role in any attempt to understand the changes that occurred during the course of later prehistory. Contextualising the ‘old Iron Age’ The new data not only add significant information about settlement in the period, but also allow a contextualisation of the previously disparate parts of the archaeological record. Most importantly, it is now possible to re-evaluate the distribution of La Tène ar-

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tefacts. The distribution of Iron Age sites is relatively balanced throughout the island, a fact which stands in distinct contrast to the picture created by mapping the artefact record. Just as the functional range of artefacts cannot be considered representative of the artefacts in use during the period, the geographic distribution cannot be considered representative of the areas inhabited at that time. Most of the artefacts were found in natural places, mainly wet places such as bogs and rivers. As argued elsewhere, the type-specific deposition patterns visible in the record can be considered as a reflection of the symbolic relevance of these items (Becker forthcoming). This is clearly supported by the distribution of dated Iron Age sites, which show a relatively even distribution throughout the country and do not reflect the north-south bias visible in the artefact record. When compared with the settlement record, artefact deposition and also the regionally restricted burial record are shown to be regional phenomena and a reflection of regionally restricted social practices. The new data, by providing a vernacular backdrop for the formerly disjointed and specialised phenomena of the metalwork, ceremonial sites, or the trackways, will not only make the people of the Irish Iron Age visible, but will also fundamentally change our understanding of the this crucial period in Irish prehistory.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Albers und Collis) One cause for the problem of the ‘invisibility of the beginning of the iron age’ could have something to do with the iron itself. The phenomenon exists in lots of regions and lots of different circumstances, especially where settlements are difficult to find / to record. Perhaps an intercultural comparison could shed some light on this? Ireland lacks well documented settlements, deposits are very scarce too. The visibility starts with the artefacts - there is nice typological data for the evolving iron age, but only a few artefacts fit in there. There are warnings for the use of the term ‘royal’ to describe special sites, because of the connotations with a centralisation that we cannot (yet?) prove. Further examples for the mentioned ‘invisibility’ are France Hallstatt D/LaTène A and B, where even if Livius speaks of ‘overpopulated regions’ in the 5th century, archaeological finds are scarce. Similar problems exist in the south of Britain, where there start to be ditches around settlements and the new settlement form of hillforts, but there is ‘no pottery’ like in Ireland. Perhaps research using pollen-evidence could help to find out, what is going on beside these visible things. In Ireland there is not enough evidence for detailed interpre­ tations yet. But it seems that at the beginning of the iron age activity on the earthworks and ‘royal’ sites is downsizing, while settlements and finds are peaking at the same time. Which development should be considered representative - for what, is still to be answered.

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Siedlungshierarchien und kulturelle Räume I – Die naturräumliche und wirtschaftliche Perspektive Markus Steffen,Wolfgang Zirkel

Zusammenfassung Das Projekt „Siedlungshierarchien und kulturelle Räume“ als Teil des DFG-Schwerpunktprogramms „Fürstensitze“ verfolgt einen makroregionalen Ansatz mit flächendeckenden Untersuchungen der Siedlungssysteme und der Verteilung kultureller Ähnlichkeiten in der älteren Eisenzeit. Der landschaftsarchäologische Ansatz strebt dabei das Ziel an, die Auswirkungen naturräumlicher Bedingungen und Bedingtheiten auf das Siedlungsgefüge und die siedlungshierarchischen Systeme im Umfeld der Fürstensitze und in den Räumen dazwischen zu analysieren. Statistische und GIS basierte Analysemethoden bilden dabei den methodischen Kern, eine Gesamtaufnahme der hallstatt- und frühlatènzeitlichen Fundstellen Baden-Württembergs die Quellenbasis des Projektes. Die beispielhaft an der Region Kraichgau dargestellten Verfahren zur Analyse der naturräumlichen Lageparameter hallstattzeitlicher Siedlungsfundstellen und die sich hieraus ergebenden Resultate und ihre Interpretationsmöglichkeiten sind Hinweis für das Potenzial, welches ein holistisches, überregionales und flächendeckendes Konzept eröffnet. Die landschaftsarchäologische Auswertung und die Kulturanalyse werden ergänzt durch eine wirtschaftsarchäo­ logische Komponente. Das Ziel dieses Projektzweiges ist es, Wirtschaftsräume und Wirtschaftsbeziehungen zu rekonstruieren, also zu Aufschlüssen über das Wirtschaftsgefüge und dessen Strukturen und Veränderungen zu kommen und deren Bezüge zu Siedlungsräumen und zentralen Orten zu ermitteln. Abstract The project “Siedlungshierachien und kulturelle Räume” is a part of the DFG priority program “Fürstensitze” and aims to a supraregional approach containing an area-wide investigation of the settlement network and the spreading of cultural similarities within the early Iron Age. Besides, the landscape-archaeological approach strives for the goal of analysing the effects of habitat characteristics and conditionality to the settlement network and the hierarchical system of the settlements environmental to the princly sites and the spaces in between. Statistical and GIS-based analyses are the methodical focal point, the complete recording of the find spots in Baden-Württemberg being hallstatt or laten age is the data base of the project.The procedures shown by means of Kraichgau for the analyses of the biogeographic environmental location parameters of Hallstatt find spots, the results and the possibilities of interpretation are an evidence for the capability established by a holistic, supraregional and area-wide concept. Landscape archaeology, social archaeology and archaeological cultural geography will be completed by economic archaeology. The aim of the economic archaeology is to analyse market areas in different sectors of the economy and to make visible structures and changes with regard to the central places. Because of a rather poor database for this economic question there will be used analogies with the pre-industrial times of the Middle Ages.

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Teil 1 (Steffen): Naturraum und Wirtschaftsraum am Beispiel des Kraichgau in Nordwest Baden-Württemberg Einleitung Ein wichtiger Teilbereich des seit 2004 im DFG Schwerpunktprogramm 1171 (vgl. Krausse 2008) „Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse - Zur Genese und Entwicklung ‚frühkeltischer Fürstensitze’ und ihres territorialen Umlandes“ etablierten Projektes „Siedlungshierarchien, kulturelle Räume, soziale Evolution und Territorialität vom 8. bis 4. Jh. v. Chr. in Südwestdeutschland“ ist eine landschaftsarchäologische Auswertung der älteren Eisenzeit (Nakoinz, Steffen 2008: 381–398; 2007: 146–152; Krausse, Nakoinz, Steffen 2006). Da das Projekt einen makroregionalen Ansatz mit flächendeckenden Untersuchungen verfolgt, musste das Arbeitsgebiet die Kernregionen der Fürstensitzzone abdecken und dadurch ergibt sich eine Fläche, die dem heutigen Gebiet Baden-Württembergs entspricht. Die Datengrundlage bilden ca. 13.000 Fundstellen der Zeitstufen HA C bis LT B, die mit Ihren Befund- und Fundinformationen in die Projektdatenbank aufgenommen wurden, die somit die bis dahin umfassendste Sammlung eisenzeitlicher Fundstellendaten darstellt. Neben den rund 8000 Grabfundstellen sind fast 5000 Siedlungsfundstellen erfasst, die für eine landschaftsarchäologische Analyse zur Verfügung stehen. Ein Problem ist die heterogene Qualität der Daten. Hier reicht die Spanne von wenigen großflächig gegrabenen und umfassend publizierten Siedlungen bis hin zu eher dürftigen Fundnotizen, deren Aussagegehalt hinsichtlich der geplanten Analysen zu beachten ist. Auf Grund des großen Untersuchungsraumes und der hohen Anzahl an Fundstellen bieten sich zur Auswertung der Siedlungsstrukturen und der Siedlungsplatzwahl EDVgestützte, statistische Verfahren an, die mit Hilfe von Geoinformationssystemen (ArcMap, SAGA, GRASS) und im Projekt entwickelten Analysemodulen zeitkostengünstige und vergleichbare Ergebnisse liefern. Zentrale Fragestellungen des landschaftsarchäologischen Projektteils sind insbesondere die Entwicklung der Besiedlungsdichten, die Verteilung zentralörtlicher Funktionen in Raum und Zeit und der Zusammen-

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hang zwischen naturräumlicher Ausstattung und Siedlungsplatzwahl. Als letzter Punkt soll an dieser Stelle das methodische Vorgehen anhand erster Testergebnisse am Beispiel des Naturraums Kraichgau erläutert werden. Methoden Dass ein Zusammenhang zwischen naturräumlichen Ressourcen und Siedlungsintensität besteht, ist evident. Insbesondere, wenn, wie in der Eisenzeit, der überwiegende Anteil der Siedlungen auf Basis landwirtschaftlicher Selbstversorgung wirtschaftete. Die Analysen sollen im Ergebnis zu einem wesentlich präziseren Verständnis dieses Zusammenhangs beitragen, ferner aber auch die Veränderungen der Lagepräferenzen in der Zeitspanne von Hallstatt C bis Latène B aufzeigen, die durch eine möglicherweise geänderte ökonomische Grundlage oder auch einen technologischen Fortschritt bedingt sein könnten. Als Grundlage zur Bewertung der naturräumlichen Ressourcen stehen natürlich nur rezente Daten zur Verfügung, da die hallstattzeitlichen Verhältnisse nicht bekannt sind bzw. der Versuch der Landschaftsrekon­ struktion für die ältere Eisenzeit nicht geleistet werden kann, nicht zuletzt auch auf Grund des sehr großen Untersuchungsgebietes. Trotz des Umstands, dass die absoluten Werte der verwendeten Geobasisdaten nicht immer korrekt die prähistorischen Gegebenheiten widerspiegeln, sollten doch die relativen Unterschiede Gültigkeit haben und zu interpretierbaren Ergebnissen führen. Zur Betrachtung der naturräumlichen Ausstattung werden folgende Basisdaten verwendet: 1. Höhe über NN (ERS DEM, © ESA [2005]) 2. Hangneigung (ERS DEM, © ESA [2005]) 3. Exposition (ERS DEM, © ESA [2005]) 4. Bodenart (Bodenübersichtskarte von Baden-Württemberg 1:200.000 [2005], © Regierungspräsidium Freiburg, LGRB) 5. Bodengüte (Reichsbodenschätzung) 6. Jahresdurchschnittsniederschlag (interpoliert nach Angaben des DWD, © DWD 1997-2007) 7. Beginn der Apfelblüte (© DWD 1961-2007) 8. Gewässernähe (ERS DEM, © ESA [2005])

Abb. 1: Clusteranalyse (50 x 50 m; 15 Cluster) wichtiger Naturraumfaktoren in Baden-Württemberg (Höhe über NN, Hangneigung, Exposition, Beginn der Apfelblüte, Jahresdurchschnittsniederschlag, Jahresdurchschnittstemperatur, Bodengüte).

Wie stark offensichtlich eisenzeitliche Besiedlung an den Naturraum gebunden ist, zeigt eine erste einfache Analyse. Dabei wurde Baden-Württemberg mit Hilfe einer Clusteranalyse in 15 Gruppen eingeteilt, die auf dieser Ebene ähnliche naturräumliche Bedingungen aufweisen (Abb. 1). Die Lage der Siedlungsfundstellen zeigt selbst auf dieser simplen analytischen Basis, dass eine ausgeprägte Korrelation zwischen der Siedlungsverteilung und einzelnen Zonen der Clusteranalyse besteht. Auffällig ist zudem, dass Cluster, die z. B. im Taubergebiet siedlungsfrei bleiben, in anderen Zo-

nen am dichtesten besiedelten sind. Eine Auffälligkeit, die sich dahingehend interpretieren lässt, dass man bei der Siedlungsplatzwahl natürlich nur die vorhandenen regionalen Möglichkeiten nutzen konnte und folglich aus dem gegebenen Angebot die jeweils besten Bereiche auswählte. Auch eine unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzung der Gebiete könnte als Erklärung angeführt werden, wobei sich diese natürlich auch an den gegebenen naturräumlichen Ressourcen orientieren würde bzw. durch diese bedingt wäre. Dies zeigt auch, dass eine komplette Analyse des gesamt-

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en Arbeitsgebietes zu unklaren Ergebnissen führen muss, denn bedingt durch die hohe naturräumliche Diversität in Baden-Württemberg mit so unterschiedlichen Landschaften wie dem Oberrheingraben, dem Schwarzwald, der Donauebene oder der schwäbischen Alb und die eher kleinregional begrenzten Auswahlmöglichkeiten der eisenzeitlichen Bevölkerung, müssen zu regional spezifischen Lagepräferenzen führen. Die Analyseräume mussten davon ausgehend einerseits durch ein möglichst homogenes naturräumliches Umfeld charakterisiert sein, andererseits eine statistisch relevante Anzahl an Siedlungsfundstellen aufweisen. Hierzu bot sich die naturräumliche Aufteilung 3. Ordnung an, die diese Bedingungen hinreichend erfüllt. Um die Auswirkung von Quellenfiltern wie Sammlerkreise, rezente Oberflächennutzung, Erosion/Akkumulation oder Forschungsstand möglichst gering zu halten, wird ausgehend vom derzeitigen Forschungstand versucht, Ergebnisse, ähnlich denen eines predictive modelling, zu erzielen, die sich von den wenigen bekannten Siedlungsstellen zu einer flächigen Bewertung der gesamten Analyseregion interpolieren lassen. Zu Beginn der Auswertung werden die Naturraumfaktoren für jede Siedlung der zu untersuchenden Zeitstufe im GIS erhoben. Hierbei sind verschiedene Vorgehen denkbar, die unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen und auf ihre Verwertbarkeit hinsichtlich der gewünschten Aussagen einerseits und dem zeitlichen und rechnerischen Aufwand andererseits zu prüfen waren. 1. Nur am Koordinatenpunkt der Fundstelle (vgl. Posluschny 2002: 93) 2. Liefert nur Angaben zur „Wohnstelle“ selber. Nicht aber zu nah gelegenen Ressourcen. Bei der Auswahl der „Wohnstelle“ können gänzlich andere Faktoren eine Rolle spielen (z. B. Wind- oder sichtgeschütze Situation, Wasserversorgung, Anbindung an Verkehrswege usw.), als bei der Auswahl der „Wohn- und Wirtschaftsgegend“. 1. Als Durchschnittwert der gepufferten Fundstelle. Liefert nur einen Wert pro Fundstelle. Keine Berücksichtigung des Geländereliefs. 2. Als Durchschnittswert einer cost distance Berechnung (vgl. Posluschny 2002: 103, Anm. 372). Liefert nur einen Wert pro Fundstelle. Keine Berücksichtigung der Entfernung von der Fundstelle.

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3. Als gewichtete Einzelmesswerte auf Grundlage einer cost distance Berechnung (Kostenoberfläche und Neigung). Die Berechnung liefert nur mangelhafte Ergebnisse für Fundstellen in Hanglage, da die Richtung in der das Gelände durchquert wird nicht berücksichtigt ist. 4. Als gewichtete Einzelmesswerte auf Grundlage einer cost distance Berechnung (Kostenoberfläche, Neigung und Exposition). Gute Annäherung an die relativen Unterschiede in der Erreichbarkeit des Geländes. 5. Als gewichtete Einzelmesswerte auf Grundlage einer Landschaftsrekonstruktion und einer cost distance Berechnung (Kostenoberfläche, Neigung und Exposition). Beste Annäherung an die relativen Unterschiede in der Erreichbarkeit des Geländes. Sehr aufwendig und nur für kleine Regionen mit ausreichendem Datenstand zum eisenzeitlichen Landschaftsbild möglich. Das unter Punkt 5 skizzierte Verfahren zur Erhebung der Naturraumfaktoren stellt den in Bezug auf Datenmenge und Fragestellung besten Kompromiss für die Naturraumfaktorenanalyse im Projekt dar. D. h. es wird für jede Siedlung ein Wirtschaftsumfeld mit einem festgelegten Grenzwert für den maximalen Aufwand auf Grundlage der Erreichbarkeit im Gelände erstellt.Wie hoch der Grenzwert und damit der zur Siedlung gehörende, folglich auch der in der Analyse berücksichtigte, Wirtschaftsbereich gewählt werden sollte, lässt sich nur schwer festlegen. In den vorliegenden Analysen wurde der Grenzwert analog zum Aufwand, der zur Bewältigung eines 4 km langen Weges in flachem Gelände nötig ist, gewählt. Um das Problem einer festen Grenze abzuschwächen werden in einem 50 x 50 m Raster die Werte der Naturraumfaktoren ermittelt und anhand ihrer relativen Erreichbarkeit von der Siedlung aus gewichtet. So werden nah an der Siedlung gelegene Flächen höher, weiter entfernte schwächer gewichtet. Die Gewichtung kann linear oder über eine beliebige andere Funktion durchgeführt werden, um so verschiedene Modelle der Raumnutzung zu simulieren. Die so gewonnenen Daten werden in projektintern erarbeiteten VBA-Modulen verrechnet, statistisch

ausgewertet, und können als Tabelle, Diagramm oder in Kartenform visualisiert werden. Dadurch ergeben sich vielfältige, vergleichbare Grundlagen für die anschließende visuelle Auswertung und Interpretation. So können beispielsweise durch den Vergleich der Nutzung einer Naturraumfaktorenklasse im Verhältnis zu ihrem absoluten Auftreten im Analysegebiet Aussagen darüber gemacht werden, ob diese Klasse gesucht oder gemieden war. Der Differenzwert kann im Vergleich mit denjenigen der anderen untersuchten Naturraumfaktoren auch zeigen, ob man z. B. eher nach Bodenfruchtbarkeit, geomorphologischen oder klimatischen Faktoren ausgewählt hat. Die Möglichkeit, nach Analyse sämtlicher Regionen im Arbeitsgebiet die Auswahlkriterien der eisenzeitlichen Besiedlung vergleichen zu können, wird nicht nur Unterschiede in der Bevorzugung bestimmter naturräumlicher Ressourcen aufzeigen, sondern im Rückschluss vielleicht auch Vorhersagemodelle zu den ökonomischen Grundlagen einzelner Siedlungen oder Siedlungseinheiten und ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung liefern können. Es ist jedoch für die Interpretation der Analyseergebnisse zu beachten, dass es de facto auch grundsätzliche Korrelationen in den Verteilungen der Klassen zwischen den einzelnen Naturraumfaktoren geben kann. Abnehmende Temperaturen mit zunehmender Höhenlage oder die Korrelationen zwischen Klimafaktoren und phänologischen Daten wären hier zu nennen. Der Grad dieser Abhängigkeiten lässt sich momentan nicht bewerten, was jedoch im Fall der hier angewandten Vorgehensweisen irrelevant ist, da die Ergebnisse durch den Effekt nicht verfälscht werden. Analysen am Beispiel des Kraichgau in Nordwest Baden-Württemberg Der Naturraum Kraichgau soll exemplarisch mögliche Ergebnisse und auch weitere methodische Ansätze zur Gliederung von Siedlungssystemen illustrieren, ohne dass die hier vorgestellten Vorergebnisse und Testanalysen hinsichtlich ihrer Gültigkeit allzu sehr strapaziert werden sollten. Im Nordwesten Baden-Württembergs gelegen, umfasst der Kraichgau ein fruchtbares Altsiedelland, das östlich vom Oberrheingraben, im Westen durch den

Neckar begrenzt wird. Im Norden erreicht er gerade noch die ersten Höhenzüge des Odenwaldes und reicht im Süden bis an den Lauf der Enz. Ausgangspunkt der Analyse waren 50 Siedlungsfundstellen der Phase Hallstatt C bis Hallstatt D, die nach Erstellung des potenziell erreichbaren Wirtschaftsumfeldes ca. 55.000 Messpunkte lieferten. Betrachtet man die potenzielle Nutzung bestimmter Naturraumfaktorenklassen imVerhältnis zu ihrem absolutenVorkommen im Analyseraum, lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, welche Naturraumfaktoren und welche Klassenbereiche einzelner Faktoren eher gesucht bzw. gemieden waren. Das Ergebnis dokumentiert, dass es vor allem klimatische Faktoren, wie Jahresdurchschnittsniederschlag, Jahresdurchschnittstemperaturen und die Dauer der Vegetationsperiode sind, nach denen die Platzwahl erfolgte. Die Bodenfruchtbarkeit tritt hinter diesen zurück, was im Falle des Kraichgau sicher auch damit zusammenhängt, dass dies ein im Allgemeinen mit ertragreichen bis sehr ertragreichen Böden ausgestattetes Gebiet ist. Betrachtet man die Naturraumfaktoren und ihre Nutzung separat, zeigt sich für den Kraichgau ein interessanter Effekt (Abb. 2). Offensichtlich wurden gerade die Bereiche besonders intensiv genutzt, die die Grenze zu den im Verhältnis gemiedenen Zonen bilden. Daraus ergeben sich verschiedene Deutungs- und Hypothesemöglichkeiten, die an dieser Stelle nur kurz angerissen werden sollen. Den Vorstellungen von Christian Maise folgend (1998: 197 – 235; dazu Krausse 2006: 312ff.) kommt es im Zuge einer klimatisch günstigen Phase und technischer Innovation durch die Einführung von z. B. Eisen zu einer gesteigerten Produktivität auch im landwirtschaftlichen Sektor, die zu einer Zunahme der Bevölkerung führt. In Folge dessen entstehen neue Siedlungen, was zu einer Flächenverknappung führt, so dass mit Fortschreiten dieses Prozesses immer mehr Siedlungen mit ihren Wirtschaftsumfeldern in den gerade noch nutzbaren Grenzregionen zusammen kommen. Die starke Nutzung dieser Grenzzone lässt allerdings keine Aussagen auf die Bevölkerungsdichten zu, sondern basiert zunächst nur auf den Fundstellendichten. Es ist durchaus denkbar, dass in den ungünstigeren Bereichen kleinere Siedlungen bis hin zu Einzelgehöften wesentlich häufiger sind als in den siedlungsgünstigsten Zonen, wo die Produktivität der landwirtschaftlich nutzbaren

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Abb. 2: Differenz zwischen dem Vorkommen der Naturraumfaktorklasse und der Nutzung der Naturraumfaktorklasse (in %); Jahresdurchschnittsniederschlag (oben) und Höhe ü. NN (unten). Die positiven Werte zeigen eine im Vergleich zum Vorkommen überdurchschnittliche Nutzung der Naturraumklasse an. In den negativen Bereichen ist die Nutzung entsprechend unterrepräsentiert.

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Flächen eine deutlich größere Bevölkerungszahl ernähren kann, ohne dass die genutzten Areale weiter ausgedehnt werden müssen. In den Randbereichen reichte die Ertragsfähigkeit im näheren Siedlungsumfeld dazu nicht aus.Wagt man sich in dieser These noch einen Schritt weiter, könnte man in solchen „Großsiedlungen“ durchaus Markt- oderVerteilerfunktionen annehmen, damit auch Möglichkeiten für spezialisiertes Handwerk und nicht zuletzt auch kultische oder politische Funktionen für die Siedlungskammer oder auch darüber hinaus. Ein solches System, bei dem Grenzregionen genutzt werden müssen um die Versorgung aufrecht zu erhalten, kann stabil bleiben, wenn sich die Naturraumfaktoren nicht ins Negative verändern. So kann es im Falle einer geringen Klimaverschlechterung, vielleicht nur für wenige Jahre, dazu kommen, dass eine große Anzahl der Siedlungen mit ihren Wirtschaftsflächen über die Grenze in ungünstige Bereiche verschoben wird und die Ertragsfähigkeit nicht mehr zur Eigenversorgung ausreicht.Wenn solche Produktionsausfälle nicht durch Überschüsse in den begünstigten Regionen ausgeglichen werden können, muss dieses Szenario fast zwangsläufig zu ernsthaften Krisen in diesen Regionen führen. Eine weitere Möglichkeit zur Darstellung der durch die statistischen Auswertungen gewonnenen Ergebnisse ist deren Kombination in einer Kartendarstellung. Dabei werden die Zellen der Naturraumbasisdaten mit den entsprechenden Nutzungswerten versehen und in einem zweiten Schritt addiert. Dadurch lässt sich für den gesamten Analyseraum eine Siedlungsgunstkartierung erstellen, die es ermöglicht, jeden Bereich auf seine potenzielle Siedlungseignung zu überprüfen (Abb. 3). So lassen sich auch Siedlungsfundstellen ermitteln, die in besonders ungünstigem Gebiet liegen. Ausgehend von der Annahme, dass der überwiegende Teil in für landwirtschaftliche Produktion vorteilhaften Regionen liegt, ergibt sich für solche Fundplätze die Frage, ob man dort andere Funktionen annehmen kann, die bei der Platzwahl ausschlaggebend waren. Zu denken wäre hier etwa an fortifikatorische Gründe, verkehrstechnisch wichtige Positionen, kultische Gründe, besondere Rohstoffquellen oder Rohstoffverarbeitung wie sie erst in den letzten Jahren zum Beispiel in Neuenbürg-Waldrennach im Zusammenhang mit

Eisenverhüttungsplätzen dokumentiert werden konnten (vgl. Gassmann, Wieland 2006: 97ff.; 2007: 82ff.; 2008: 88-93; Gassmann, Rösch, Wieland 2007: 273ff.; 2007: 88-93). Kartiert man zu den Siedlungsgunstregionen die Gräberfelddichten, so zeigt sich, dass die dichtesten Bereiche sich eher peripher zu den als siedlungsgünstig erkannten Zonen befinden und auch die Siedlungen wiederum in der Peripherie der Zonen größter Gräberfelddichte liegen (Abb. 4). Neben der Überlegung, dass der Flächenverbrauch an sehr ertragreichen Zonen gering gehalten werden sollte, könnte auch eine abgrenzende bzw. besitzanzeigende Markerfunktion für die Grabhügel vorliegen, wie man es auch für die Megalithgräber Mitteleuropas annimmt (vgl. Veit 1999: 395-419; Renfrew 1973; 1976: 298-320). Dass Grabhügel durch ihren Monumentalcharakter als (weithin) sichtbares Zeichen zu verstehen sind, ist zumindest kaum anzuzweifeln (vgl. Steffen 2008: 353363). Folgt man diesen Überlegungen, könnte man zu der Annahme kommen, dass einzelne Siedlungsgruppen sich durch sie umgebende Grabhügel nach außen abgrenzten. Um dieses Modell zu illustrieren, wurden die Siedlungen im Kraichgau mittels der von I. Herzog (im Druck) vorgestellten und im Projekt leicht modifizierten Methode auf Basis der Siedlungsdichte und der Entfernung zur jeweils nächsten Siedlung in klar abgegrenzte Cluster gruppiert. In einem zweiten Schritt wurden Grabhügel, auf Basis der Erreichbarkeit im Gelände der jeweils nächsten Siedlung zugeordnet, ohne jedoch behaupten zu wollen, dass diese Bestattungsplätze explizit die der zugeordneten Siedlung sind. Das sich daraus ergebende Bild für den Kraichgau (Abb. 5) zeigt eine Aufteilung der Besiedlung in klar abgegrenzte Gruppen mit einer Zone hoher Siedlungsgunst und einer durch die Nekropolen besetzten Peripherie. Die periphere Zone könnte durch extensive Nutzung wie Weidewirtschaft, Holzgewinnung und ähnliches die Subsistenzgrundlage der Siedlungsgemeinschaft vervollständigen. Die endgültigen, diachronen Analysen aller Naturräume auf der dann vollständigen und optimierten Datenbasis, die für 2009 geplant sind, werden hoffentlich das hier nur vage angerissene Bild der Siedlungsstrukturen der älteren Eisenzeit in Südwestdeutschland wesentlich vertiefen und präzisieren können. Zusätzlich

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Abb. 3: Kartierung der Siedlungsgunst/-ungunst im Kraichgau (50 x 50 m Raster).

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Abb. 4: Kartierung der Verteilung der Gräberfelddichten und Siedlungsfundstellen der Hallstatt- und Frühlatènezeit im Kraichgau.

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dazu werden weitere Untersuchungen zu den Siedlungshierarchien sowie die Ergebnisse der anderen Projektbereiche - die Verteilung der kulturellen Räume und die sozial- und wirtschaftsarchäologischen Analysen - die Möglichkeit eröffnen, zu einer makroregionalen Synthese und damit zu einem wesentlich klareren Verständnis der Genese und Entwicklung der späthallstattzeitlichen Fürstensitze und ihres weiteren Umlandes zu gelangen. Teil 2 (Zirkel): Projektvorstellung Wirtschaftsräume, Wirtschafts­ strukturen Im Projektzweig „Wirtschaftsarchäologie“, der zu der landschaftsarchäologischen Auswertung und den Kulturraum- und sozialarchäologischen Analysen hinzutritt, wird das Projekt um die wirtschaftlichen Aspekte ergänzt. Es wird versucht, zu Aussagen über Wirtschaftsräume und Wirtschaftsstrukturen der späten Hallstatt- und frühen Latènezeit zu kommen. Entgegen der ursprünglichenVorgabe können im Folgenden allerdings noch keine konkreten Ausführungen zum Umfeld oder zum Einzugsgebiet der Heuneburg gemacht werden, da die Bearbeitung dieses Projektzweiges noch ganz am Anfang steht. Es werden vielmehr im Wesentlichen allgemeine und grundsätzliche Überlegungen zur Konzeption der geplanten Arbeit vorgestellt werden. Bearbeitungszeitraum (Ha C, Ha D, Lt A/B) sowie geographischer und zeitlicher Rahmen der Arbeit sind durch das Projekt vorgegeben, und erstrecken sich, wie schon eingangs erwähnt, auf das Gebiet des heutigen deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg und damit auf einen der Kernbereiche des westlichen Hallstattkreises, der zudem eine lange Forschungstradition aufweist (Bittel, Kimmig, Schiek 1981). Zur näheren Bestimmung des Begriffes „Wirtschaftsarchäologie“ kann zunächst die Definition von Urban (2002: 27) herangezogen werden: „Wirtschaftsarchäologie wird als Teil der Wirtschaftsgeschichte verstanden, in dem ausschließlich oder bevorzugt archäologische Quellen zur Verfügung stehen.“ Es soll versucht werden, mittels archäologischer Methoden zu Aufschlüssen über das Wirtschaftsgefüge und dessen Strukturen und Entwicklungen zu gelangen, also einerseits Wirt-

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schaftsräume zu umschreiben, wirtschaftliche Strukturen zu erkennen und Wirtschaftsbeziehungen zu rekonstruieren, andererseits deren Bezüge zu Siedlungsräumen und zentralen Orten zu ermitteln. Dabei sind natürlich die verschiedenen Bereiche wirtschaftlichen Handelns zu bearbeiten, von der Landwirtschaft und dem Hauswerk oder Kleinhandwerk, das nur sekundär für den Markt arbeitet (Subsistenzwirtschaft), bis hin zum teilweise hoch spezialisierten Berufshandwerk, das primär für die Märkte produziert (Überschusswirtschaft) und zum Handel. Dabei ergeben sich besonders im Bereich der Landwirtschaft oder auch der Rohstoffversorgung enge Berührungspunkte zum landschaftsarchäologischen Projektzweig, was im vorangehenden Teil 1 schon mehrfach angeklungen ist. Als Methode zur Rekonstruktion von Territorien können die so genannten Thiessenpolygone verwendet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein zentraler Ort das Gebiet dominiert, das ihm näher liegt als einem anderen Zentralort. Die so rekonstruierten Territorien sind aber Idealterritorien. Zur Gewinnung realer Territorien muss das archäologische Material einbezogen werden, etwa durch Kartierung spezieller Fundtypen und Zierstile. Hier geht es aber in erster Linie zunächst um wirtschaftliche Einzugsgebiete, also Wirtschaftsräume. Wirtschaftsräume stellen Ausschnitte der Erdoberfläche dar, die bestimmte naturräumliche Faktoren, bestimmte Strukturmerkmale und funktionale Verflechtungen aufweisen, durch die sie sich von benachbarten Räumen unterscheiden. Ob und inwieweit sich diese dann mit Herrschaftsgebieten ganz oder teilweise korrelieren lassen, muss sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen. Gemeinsames methodisches Konzept im Projekt ist die Verwendung von Merkmalsspektren anstatt der Analyse einzelner Merkmale (Nakoinz, Steffen 2008: 384). Grundsätzliches hierzu wurde bereits im Teil 1 ausgeführt. Dies wird, wie in der landschaftsarchäologischen Auswertung, zunächst an Testgebieten erprobt. Hier sind zwei Gebiete in Aussicht genommen, die sich durch hohe Fundstellendichte auszeichnen, also eine vergleichsweise gute Quellenlage bieten,aber auch ganz unterschiedliche naturräumliche Bedingungen bezüglich Topographie, Höhenlage, Klima, Bodenqualität, Wasserversorgung und Rohstoffvorkommen aufweisen.Vorgesehen sind einmal das Gebiet des nördlichen

Abb. 5: Versuch einer Gliederung eines Siedlungssystems der Hallstattzeit im Kraichgau auf Grundlage von Dichteclusterberechnungen.

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mittleren Neckarraumes, im Wesentlichen durch Stadt und Landkreis Heilbronn umschrieben, und andererseits das Gebiet der mittleren Schwäbischen Alb, also im Wesentlichen der Landkreis Reutlingen, der östliche Zollernalbkreis und angrenzende Gebiete. Die Projektdatenbank als zentrale Komponente, auf die alle vier Projektzweige zurückgreifen, wurde ebenfalls schon dargestellt. Das darin gesammelte und aufbereitete Material an Befunden und Funden aller bekannten Fundstellen des genannten Zeitraums aus Baden-Württemberg muss einem quellenkritischen Filter unterzogen werden, so dass nur ein kleinerer Teil der erfassten Fundstellen für die vorliegende Fragestellung verwendet werden kann. Alle registrierten Fundstellen, die keine für wirtschaftsarchäologische Fragestellungen verwertbaren Befunde oder Funde liefern, scheiden aus. Dies sind etwa reine Luftbildbeobachtungen oder bei Begehungen festgestellte Objekte ohne weitere Untersuchungen. Nur bedingt verwertbar sind auch solche, die nicht hinreichend datiert werden können.Von vielen Fundstellen liegen zudem nur einzelne Lesefunde vor, die in ihrer Aussagekraft ebenfalls begrenzt sind. Damit wird die Quellenbasis deutlich eingeschränkt und stellt sich als eher bescheiden dar. Um dennoch zu Aussagen über Wirtschaftsstrukturen und deren Veränderungen zu gelangen, sollen daher ergänzende Informationen herangezogen werden. Hier bieten sich Analogien mit den ebenfalls vorindustriellen Verhältnissen des Mittelalters an, für die ein erheblich umfangreicherer Quellenbestand verfügbar ist. In diesem Rahmen werden auch historische Quellen von Bedeutung sein. Dabei kann es sich nicht um eine einfache Übertragung handeln. Zu beach-

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ten sind außer dem zeitlichen Abstand von rund 1000 Jahren vielmehr auch die nicht unerheblichen Veränderungen der Verhältnisse im Verlaufe des Mittelalters. Während im Frühmittelalter die Schriftquellen noch recht spärlich fließen und die Verhältnisse insgesamt noch wesentlich stärker prähistorischen Epochen zu vergleichen sind, wächst die Zahl der Schriftzeugnisse erst vom Hochmittelalter beginnend und besonders im Spätmittelalter stark an. Ein Beispiel kann möglicherweise die Materialgruppe „Keramik“ abgeben. Untersuchungen der Mittelalterarchäologie haben Indizien dafür geliefert, dass die Verteilung bestimmter Warenarten mit der Ausdehnung von Herrschaftsgebieten, seien es Grundherrschaften oder Territorien, in Verbindung gebracht werden kann (Gross 2007). An zahlreichen Beispielen lässt sich zeigen, dass das Vorkommen spezifischer Keramik mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Reichweite herrschaftlichen Einflusses in Zusammenhang stehen dürfte. Das macht besonders die Tatsache deutlich, dass ein aus Schriftquellen bekannter Wechsel der politischen Zugehörigkeit eines Ortes mit dem Neuauftreten oder dem Ende bestimmter Warenarten an diesem Platz korrespondiert. Wenn es gelingt, Wirtschaftsräume mit ihren Strukturen und Veränderungen zu erfassen, könnte dies nicht nur zu einem tieferen Verständnis der Genese und Entwicklung der Fürstensitze und ihres Umlandes verhelfen, sondern auch einen Beitrag zur Beantwortung der Frage liefern, warum am Ende der Späthallstatt-Frühlatènezeit das Gesellschaftssystem kollabierte. Schon Spindler (1991: 301) vermutete als Ursache eine Überforderung der zugrunde liegenden Organisationsformen und wirtschaftlichen Strukturen.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von C. Eibner, Lucianu, Wendling, Trachsel, Koch, Kowarik und H. Müller) Es wird ergänzt, dass bei der Verteilungskurve betreffend Gunstlagen mit nur so wenigen Daten rein statistisch gesehen eine Gauß‘sche Kurve nicht erwartet werden kann. Die dargestellten Farbbereiche sind nach einer geringen Zahl von Kriterien erstellt worden und als Beispiel für eine Auswertungsmethode gezeigt worden, die man in der Folge nicht mehr anwenden möchte. Das Untersuchungsgebiet sei zu großräumig und zu vielfältig, um es in so großen Einheiten sinnvoll darzustellen. Es ist zu bedenken, dass auch der hallstattzeitliche Mensch in kleineren Dimensionen dachte, wenn er Siedlungsgebiete betrachtete oder Siedlungsplätze auswählte. Verfügbare naturwissenschaftliche Daten zum Naturraum wurden einbezogen, das Ergebnis von u.a. Pollenprofilen (Dr. Rösch) oder Makrorestanalysen ist aber aufgrund der ebenfalls sehr geringen Datenmengen enttäuschend. Der Zoomfaktor des Rasters (dzt. 50x50 m) hat möglicherweise eine sichtbare Auswirkung auf die Ergebnisse. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Projektlaufzeit ist geplant, dahingehend zumindest stichprobenartige Untersuchungen anzustellen. Ein bereits erfolgter Versuch mit einem noch kleineren Raster zu arbeiten ist an der Rechenleistung des benutzten Computers gescheitert. Um die in vielen Belangen wohl auch modern beeinflussten Faktoren (naturräumliche Gegebenheiten, Funddichten, ...) einzubeziehen, wurde wie erwähnt angedacht, quellenkritische Filter einzubauen. Obwohl die Bearbeiter annehmen, dass die verschiedenen Quellenfilter das Ergebnis nicht allzu stark verfälschen werden (heute günstiger Lebensraum - auch damals relativ zum Umland günstiger; Zonen, die heute feuchter als Nachbargebiete sind, auch damals ungefähr so vorhanden; Erhaltungsbedingungen mit modernen Untersuchungsmethoden weniger ein Problem, weil z.B. Grabhügel nun auch in eingeebnetem Zustand auffindbar sind; etc.), soll versucht werden, alle Gebiete ins Modell einzubeziehen und damit auch (für noch datenfreie Areale) Vorhersagen zu ermöglichen. Die Qualität der inkludierten Fundstellen ist sehr unterschiedlich. Bei vielen davon handelt es sich um Nachweis durch Lesefunde oder Luftbilder, Untersuchungsberichte aus Archiven wurden genauso beobachtet wie moderne Ergebnisse. In die Analyse wurden nur einigermaßen sicher datierbare Fundstellen aufgenommen. Es wird vorgeschlagen, Gegentests vorzunehmen, um aufgrund der Sedimentationsrate nicht mehr bzw. noch nicht „sichtbare“ Fundstellen eventuell doch aufzufinden. Da im Untersuchungsgebiet Baden-Württemberg im Gegensatz zu z.B. der Region Freiburg Untersuchungen z.B. zur Erosion noch nicht durchgeführt wurden, sind solche Daten für das Projekt nicht verfügbar. Gegentests über Vergleiche mit verschiedenen Regionen innerhalb des Untersuchungsgebiets sind geplant. Eine Möglichkeit diese Problematik aufzugreifen sind Trassenprojekte, die den Bearbeitern sozusagen einen langen Schnitt über eine große Strecke bieten. Solche sind vorteilhafterweise auch in Baden-Württemberg vorhanden.

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Weil eine große Anzahl der Fundstellen (siehe Graphik mit dichtem Fundstellennetz) nicht aussagekräftig genug sind, um in die Berechnungen einbezogen werden zu können, wird alles Material, das irgendwie von Nutzen sein könnte, auch genutzt. Dabei werden natürlich auch Gräberfunde einbezogen. Ob sich zu den eher wirtschaftshistorisch orientierten Aussagen siedlungsbasierter Forschungsfragen später auch Antworten zu soziohistorischen Fragen finden werden lassen, muss noch abgewartet werden. Weiters werden als historische Daten weniger ethnographische als eher Materialdaten aus der selben Gegend zur Interpretation herangezogen. Z.B. zeigt die mittelalterliche Keramik eine Korrelation zwischen Produktion/Verbreitung von Warenarten und politischer Struktur, die ev. auch auf die Hallstattzeit anwendbar sein könnte, sodass vielleicht auf Wirtschafts- und Herrschaftsräume geschlossen werden kann. In der ersten Welle der Kartierungen sollen Ressourcen wie Rohstoffe (Eisenerzlagerstätten, Salzvorkommen, etc.) und Verkehrsgunst (Wegesysteme, ...) noch nicht einbezogen werden. Dies ist erst für den zweiten Schritt dieser Analysen vorgesehen. Hier sehen die Bearbeiter u.a. Probleme mit der Besiedelung in auf den ersten Blick ungünstigen Stellen, denen aber dann eine „andere Art von Günstigkeit“ zugeschrieben wird wie z.B. befestigbar oder Nähe zu einer Rohstofflagerstätte. Weiters sind Wegesysteme meist nur sehr schwer zu rekonstruieren, wenn keine geographischen Anhaltspunkte vorhanden sind; ausgenommen die überregional sowieso sichtbaren Gegebenheiten wie Flusstäler, Pässe und ähnliches. Möglicherweise kann an letzteres Problem über z.B. Reihungen von Fundstellen herangegangen werden, indem diese als „Nutzungslinien“ interpretiert werden. Bei der Einbeziehung von historischen Quellen (genannt wurden mittelalterliche Schriftzeugnisse) möge bitte nicht auf die viel zeitnaheren antiken Quellen vergessen werden. Obwohl es sich z.B. bei den Römern um ein anders funktionierendes Wirtschaftsystem handelt, nutzen sie doch in vielen Fällen dieselben Rohstoffe oder bevorzugen ähnliche Standorte für Kastelle etc. Deren Abrechnungsbücher könnten zum Beispiel wertvolle Hinweise liefern. Es wird eingeworfen, dass sich die mittelalterliche Politik und Sozialstruktur doch sehr von der eisenzeitlichen unterscheidet. Ein Rückfall auf die seit dem 19. Jh. „eingefahrenen“ Gedankengänge von „Fürsten und Untertanen“ sollte, wenn möglich, vermieden werden. Die Heranziehung von mittelalterlichen Quellen scheint hier eine Gefahr darzustellen. Allerdings wird im vorgestellten Projekt das Schwergewicht auf frühmittelalterliche Zeugnisse gelegt, deren kultureller und wirtschaftlicher Hintergrund als dem hallstättischen nicht allzu unähnlich angesehen wird. Da die Bearbeiter eine möglichst breite Quellenbasis als vorteilhaft betrachten, wird die Anregung die Kulturanthropologie für Vergleiche z.B. der Sozialstrukturen heranzuziehen mit Wohlwollen notiert und soll ev. in einer fortgeschritteneren Projektphase aufgegriffen werden. Ziel ist es ja, so breit als möglich nutzbare Modelle zu erstellen.

Siedlungshierarchien und kulturelle Räume II – Die kulturellen und sozialen Dimensionen des Raums Oliver Nakoinz, Christoph Steffen

Zusammenfassung Die soziale Dimension – Ansätze zur Rekonstruktion von sozialen Strukturen in der späten Hallstatt- und frühen Latènekultur Sozialgeschichtlich wirkten sich vor allem zwei Faktoren prägend auf unser Bild der nordwestalpinen Späthallstattkultur aus. Zum einen ist während dieser Zeit ein zunehmender Kontakt zwischen den zivilisatorisch weiter entwickelten Kulturen des Mittelmeerraums und den Kulturen in den nordwestlich der Alpen gelegenen Regionen anhand von Fernhandelsbeziehungen nachweisbar. Zum anderen sind spürbare Tendenzen für die Konzentration von politischer und sozialer Macht sowie von ökonomischen Ressourcen in den Händen einiger privilegierter Personen bzw. Personengruppen fassbar, deren Machtstellung nicht zuletzt auf Kontrolle der Fernhandelsbeziehungen beruhte (vgl. z. B.: Frankenstein, Rowlands 1978; Wells 1980). Beide Faktoren werden letztlich als Anzeichen für eine gesteigerte soziale Dynamik gewertet. Die prähistorische Archäologie versucht diese Zentralisierungs- und Hierarchisierungsprozesse anhand der Entstehung von Siedlungszentren mit protourbanem Charakter, den Fürstensitzen, und dem Aufkommen des Prunkgrabphänomens in Form der Fürstengräber zu fassen (Sievers 1972; Biel 1987; Pare 1991; vgl. dazu auch: Krausse 2008a). Dabei verlangt insbesondere das Fehlen vergleichbarer Siedlungen und Gräber in prähistorischen Vorgänger- und Nachbarkulturen nach Erklärungsansätzen, welche die Ursachen und die zugrunde liegenden Abläufe dieser sozialen Prozesse genauer beleuchten. Diesem dringenden Forschungsdesiderat kann z. T. durch eine sozialarchäologische Untersuchung Abhilfe geleistet werden, wobei der Entwicklung und Anwendung neuer methodischer Ansätze eine wichtige Rolle zukommt, ohne die über konventionelle Ergebnisse kaum hinaus zu gelangen ist. Dem Projektteil, der sich mit dem kulturellen Raum beschäftigt, liegt die Kulturdefinition Hansens (2003) zugrund, die besagt, dass Kultur Standardisierungen sind. Diese werden durch archäologische Funde reflektiert. Anstatt kulturell signifikante Typen werden Typenspektren, also Zusammenstellungen aller Typen in einer Kategorie verwendet. Diese erlauben es, kulturelle Distanzen zu berechnen und damit kulturell ähnliche Gebiete zusammenzufassen.

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Abstract As an integral part of the DFG project “Siedlungshierarchien und kulturelle Räume – Siedlungshierarchien, kulturelle Räume, soziale Evolution und Territorialität im 8. bis 4. Jh. v. Chr. in Südwestdeutschland und den angrenzenden Regionen” it is the aim of the project branch “social archaeology” to examine the Late Hallstatt and Early Latène grave complexes of Baden-Württemberg from a social archaeological perspective.The project’s conception aims ultimately at the investigation of centralisation and hierarchisation processes, main research focuses of the DFG priority programm 1171 “Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse – Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes“. Concepts, like “fuzzy sets”, “Typenspektren” and therefore the “cultural” and “social metrics” form the theoretical/methodical background of the investigation. In analytic regard the investigation is based on the classification of grave complexes by means of different “Typenspektren” using a hierarchical cluster analysis. This method is actually developed within the scope of the project branch and is adapted to the research questions and the available data.The first results of test analyses are briefly introduced which let assume the potential of the method still in development for the social archaeological evaluation of huge, area wide and supraregional data supplies. The part of the project concerned with the cultural space aims to analyse the cultural similarities. According to Hansen (2003), we define culture as standardisations reflected by the archaeological artefacts. Instead of using the traditional concept of significant types, which we refuse, we use ‘Typenspektren’ for the evaluation of cultural distances.These ‘Typenspektren’ are the compilation of all types or all types in a category. A hierarchical cluster analysis is used to classify entities with similar culture. For the analysis there is a spatial partition depending on the defined types of find, thus we are able to recognize polyhierarchic structures. One parameter used for dividing the types into partitions is the depth of classification. For the evaluation of the results, four criteria were used. In addition to the spatial cultural division, the analysis results in a delimitation of the central places’ territories if there are strong interactions within the territories.The current test analysis indicates that chieftain’s seats do not have marked territories.

Aussagemöglichkeiten und Ziele einer sozial­ archäologischen Analyse Ziel einer sozialarchäologischen Untersuchung ist es, aus dem archäologischen Befund heraus zu Erkenntnissen über die gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien einer prähistorischen Kultur zu gelangen, diese zu rekonstruieren und die daraus resultierenden sozialen Gruppen auszusondern (vgl.: Burmeister, MüllerScheeßel 2005: 107), diese darüber hinaus hinsichtlich ihrer räumlichen wie zeitlichen Verteilung zu deuten sowie sie letztlich in einen kulturhistorischen Kontext zu stellen. Dabei muss es unter anderem auch Aufgabe einer modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden, sozialhistorischen Untersuchung sein, einheitliche Kriterien zum archäologischen Nachweis bestimmter sozialer Gruppen zu entwickeln und ein

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Klassifikationssystem zu erarbeiten, welches es erlaubt, verschiedene Grade von sozialem Rang zu unterscheiden. Auf diesem Weg wird versucht, zu verschiedenen Modellen der vertikalen und horizontalen Gliederung der Gesellschaft zu gelangen. Das Aussagepotenzial einer aus sozialarchäologischer Perspektive geführten Untersuchung umfasst auf räumlich-synchroner Ebene die verschiedenen regionalen Ausprägungen der gesellschaftlichen Strukturen, welche anhand von quantifizierbaren Kriterien von einander abgrenzbar sind. Auf der diachronen Betrachtungsebene steht die Erforschung der Genese dieser sozialen Strukturen, deren Transformation und die Integration in größere soziale Verbände im Vordergrund. Aus dieser räumlichsynchronen und diachronen Betrachtungsweise ergeben sich neue Erklärungsansätze zur sozialen Dynamik der späten, nordwestalpinen Hallstattkultur.

Räumlicher und zeitlicher Rahmen des Unter­ suchungsgebietes Der geographische wie auch chronologische Rahmen der Untersuchung ist durch die zur Verfügung stehende Datenbasis bestimmt und umfasst den Zeitraum zwischen dem 8. und dem 3. Jh. v. Chr., also die Stufen Hallstatt C und D sowie die Frühlatènezeit auf dem Gebiet Baden-Württembergs. Der Untersuchungszeitraum umfasst mit Ha C eine Phase, in der die zu untersuchenden sozialgeschichtlichen Prozesse in Form der Fürstensitze und Fürstengräber archäologisch noch nicht fassbar sind. Mit der Frühlatènezeit wird auch der Horizont erfasst, in dem die „frühkeltischen“ Fürstensitze Baden-Württembergs ihre Bedeutung weitgehend einbüßten und sich die kulturellen wie sozialen „Impulsgeber“ in andere Regionen, z. B. ins Mittelrheingebiet verlagerten. Somit umfasst der Untersuchungszeitraum nicht nur die eng begrenzte Phase des Auftretens der Fürstengräber und Fürstensitze, sondern sowohl eine vorangehende Phase eventuell konstituierenden Charakters, als auch die nachfolgende Phase des Machtverfalls dieser Zentren, so dass der gesamte Prozess von den Voraussetzungen über die Genese bis hin zum Verfall der Machtstrukturen fassbar wird (Krausse 2008b). Der geographische Untersuchungsrahmen umfasst vor allem die Kernzone des Fürstensitzvorkommens an der oberen Donau (Heuneburg), den mittleren Neckarraum (Hohenasperg), Südbaden (Münsterberg bei Breisach) und das östliche Württemberg (Ipf bei Bopfingen) und erlaubt somit einen regionalen Vergleich der Ergebnisse. Es besteht gegenüber auf einzelne Fürstensitze und deren Umfeld fokussierten Untersuchungen auch die Möglichkeit verschiedene Fürstensitze, aber auch die zwischen den Fürstensitzen liegenden Gebiete zu vergleichen, wodurch eine synchron-räumliche Beurteilung der sozialgeschichtlichen Voraussetzungen ermöglicht wird, die in bestimmten Regionen zur Entstehung dieser Siedlungsform führten. Ferner können auf der Basis diachroner Vergleiche auch weit reichende Erkenntnisse über die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse gewonnen werden, die mit der Genese eines hierarchischen Siedlungs- und Sozialgefüges einhergingen.

Methodische Grundlagen Methodisch ist die sozialarchäologische Auswertung als integraler Bestandteil eines holistischen Forschungsansatzes zu verstehen, bei dem eine konzeptuelle Vernetzung von verschiedenen Teildisziplinen der prähistorischen Archäologie verfolgt wird. Die vorgestellte sozialarchäologische Untersuchung steht nicht als isolierte Einzelstudie im Raum.Vielmehr bietet sie durch eine enge wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den archäologisch-kulturgeographischen, den siedlungsund wirtschaftsarchäologischen Projektzweigen des DFG-Projektes „Siedlungshierarchien und kulturelle Räume – Siedlungshierarchien, kulturelle Räume, soziale Evolution und Territorialität im 8. bis 4. Jh. v. Chr. in Südwestdeutschland und den angrenzenden Regionen“ die Möglichkeit, zu weit reichenden kulturhistorischen Synthesen zu gelangen. Den theoretisch methodischen Grundstock bilden Konzepte, wie das der „unscharfen Mengen“, der Typen- bzw. Merkmalsspektren und somit der „kulturellen“ bzw. „sozialen Metrik“. Dabei wird ein archäologischer Kulturbegriff zugrunde gelegt, der sich von der konventionellen Sichtweise der archäologischen Kultur als klar begrenzter Formenkreis oder Fundprovinz unterscheidet. Die Kulturen bzw. Regionalgruppen werden als räumliche Einheiten aufgefasst, deren materielle Hinterlassenschaften ein hohes Maß an kultureller Ähnlichkeit aufweisen (Hansen 2003; 2009; Nakoinz 2005; Nakoinz, Steffen 2008). Auf ganz ähnliche Weise werden „soziale Gruppen“ aufgefasst, nämlich als Kollektive von Individuen, die ähnliche kulturelle Merkmale aufweisen. Merkmale bzw. Merkmalskombinationen, welche zur Abgrenzung und Bildung von sozialen Gruppen führen, werden als „soziale Ordnungsprinzipien“ bezeichnet. Aufgrund dieser, dem Projektzweig „Sozialarchäo­ logie“ zugrunde liegenden Konzeption, bildet die statistische Auswertung der späthallstatt- und frühlatènezeitlichen Grabkomplexe Baden-Württembergs den Ausgangspunkt der gesamten Untersuchung. Dabei bieten Daten aus Grabkontexten dieser Zeitstellung aufgrund der vorherrschenden Einzelgrabsitte den Vorteil, dass diese Daten in einem engen Bezug zu damals lebenden Individuen gesetzt werden können. Auf Basis der Grabkomplexe ist es möglich, den bestat-

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teten Individuen verschiedene Merkmale zuzuweisen, welche es wiederum ermöglichen, die Individuen/ Gräber anhand der auftretenden Merkmalskombinationen zu klassifizieren. Die Gruppierung der Grabkomplexe erlaubt somit gleichermaßen eine Gruppierung von Individuen anhand von Trachtmerkmalen, Beigabenkombinationen und Merkmalen des Grabbaus. Die resultierenden Grabgruppen können als Manifestationformen von Kollektiven im Bereich der rituellen Sphäre des Bestattungsbrauchs interpretiert werden, deren sich Gesellschaften bedienten und in denen sich die kollektiven, idealisierten Vorstellungen von der Gliederung der damaligen Gesellschaft widerspiegeln. Dabei spielen naturgemäß verschiedene Bezugsysteme eine Rolle, denn einerseits wird nicht nur die soziale Stellung des Bestatteten im Grab repräsentiert, sondern andererseits ebenso die soziale Stellung der bestattenden Gruppe. Beiden Aspekten gemein ist aber die Möglichkeit, Rückschlüsse auf die damals herrschenden und in den Gräbern manifestierten Vorstellungen zur gesellschaftlichen Ordnung zu ziehen (vgl. dazu auch: Burmeister, Müller-Scheeßel 2005: 107–108).

auszeichnen, gegebenenfalls auf dieser Basis eine soziale Deutung erfahren. Durch die Untersuchungen von Korrelationen von bestimmten Gruppenmerkmalen mit anthropologischen Daten können z. B. geschlechts- oder altersspezifische Trachtkombinationen ermittelt und in ihrer Bedeutung als soziale Ordnungsprinzipien beurteilt werden. Durch die Verknüpfung von räumlichen und „sozialen“ Distanzen ist es möglich, sich den Verbreitungsbzw. Geltungsbereichen dieser gesellschaftlichen Strukturen anzunähern. Anhand der für bestimmte soziale Gruppen charakteristischen Merkmalsspektren sollten sich Wahrscheinlichkeiten für die „Präsenz“ bestimmter sozialer Strukturen auch für Gebiete erschließen lassen, in denen die Datengrundlage aufgrund des Fehlens hinreichend dokumentierter Grabkomplexe zur Zeit noch zu schwach ist. Derzeit befasst sich der Projektzweig „Sozialarchäo­ logie“ schwerpunktmäßig mit der Entwicklung, Automatisierung und den Tests der Analysealgorithmen an ausgesuchten Testdatensätzen. Exemplarisch sollen im Folgenden die vorläufigen Ergebnisse der Analysetests am Beispiel der Testregion 1, den Oberen Gäuen, einem Naturraum 3. Ordnung, vorgestellt werden.

Vorgehensweise Ein erster Schritt der Analyse besteht aus der Klassifikation des Grabbestands anhand der erfassten Daten zur Beigaben- und Trachtaustattung sowie zu Merkmalen des Grabbaus, wozu auch Grabritus, Lage des Verstorbenen etc. zu zählen ist. Zusätzlich werden Informationen zu Fundort, Lagekoordinaten, Datierung und vorhandenen anthropologischen Sterbealter- und Geschlechtsbestimmungen zu jedem Grabkomplex erfasst. Zur Klassifikation wird eine hierarchische Clusteranalyse durchgeführt, welche als Ergebnis Grabgruppen liefert, die sich durch große Ähnlichkeiten in den analysierten Merkmalsgruppen auszeichnen: Beigaben-, Tracht- und Grabbaugruppen. Diese lassen sich in einem weiteren Schritt hinsichtlich der gruppenspezifischen Merkmalskombinationen untersuchen. Die spezifischen Merkmalskombinationen bilden die Ausgangsbasis für weitere Interpretationen. So können z. B. Grabgruppen, welche sich durch einen regelhaft hohen Anteil von bestimmen Beigabentypen

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Analysetest Obere Gäue In die Testanalyse flossen die Daten von 110 Grabkomplexen aus der Testregion ein. Eine feinchronologische Gliederung der Datensätze wurde nicht vorgenommen. Zu jedem Grabkomplex wurde ein 52 Formentypen umfassendes Fundspektrum ausgewertet. Die relative Häufigkeit des Vorkommens der Formentypen im Beigabenspektrum der einzelnen Grabkomplexe wurde berechnet und zur Clusterbildung herangezogen.Tracht- oder Beigabentypen wurden nicht gesondert analysiert. Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Clusteranalyse in Dendrogrammform. Die Diagramme (Abb. 5, 6 und 8) und Karten (Abb. 2–4) bilden die Ergebnisse für die Schnittebenen S 1 bis S 3 des Dendrogramms ab. Schnittebene S 1 zeigt, dass sich der Grabbestand anhand der erfassten Merkmale in zwei große Gruppen gliedert. Aus der Diagrammdarstellung der durchschnittlichen Merkmalszusammensetzungen der beiden Cluster 1 und 2 (Abb. 5) wird ersichtlich, dass

Abb. 1: Dendrogramm der Clusteranalyse für die Testregion 1 „Obere Gäue“ mit den Schnittebenen (S 1–3) und den Clustern (C 1–C 2.2.2.2).

Cluster 2 ein wenig differenzierbares Merkmalsspektrum aufweist, da regelhaft Formen des gesamten untersuchten Typenspektrums vorkommen. Cluster 1 hingegen zeigt deutlich Schwerpunktbildungen bei bestimmten Formengruppen, wie z. B. im Bereich der Gefäßbeigaben (B1) und der Waffenbeigaben (B4), aber auch bestimmte Schmuckformen und Trachtbestandteile sind regelhaft in den Gräbern des Clusters 1 vertreten. Die Darstellung der Clusterlösung auf Schnittebene S 2 mit insgesamt 5 Clustern (Abb. 6) zeigt bereits ein wesentlich differenzierteres Bild der Merkmalsspektren. Das vormals recht indifferent wirkende Merkmalsspektrum des Clusters 2 lässt sich in deutlich unterscheidbare Merkmalskombinationen auflösen (Cluster 2.1–2.2.2). Noch deutlicher wird dies am Beispiel des Clusters 1, welches auf dem Subniveau in

die beiden Subcluster 1.1 und 1.2 aufgegliedert wird. Cluster 1.1 ist, wie auch schon das Obercluster 1 durch das regelhafte Vorkommen von Waffentypen im Grab gekennzeichnet, während den Gefäßbeigaben eine anteilsmäßig geringe Bedeutung zukommt. Das Formenspektrum des Clusters 1.2 ist, wie auch das des Oberclusters vor allem durch Gefäßformen und Waffentypen gekennzeichnet. Der Einfluss der einzelnen Variablen auf die Clusterfusion, bzw. deren Aufspaltung kann auf rechnerischem Weg nachvollzogen werden. Ein Wert, der den Einfluss einer Variablen auf die Clusterfusion bzw. -aufspaltung wiedergibt ist z. B. die Differenz zwischen der Summe der Standardabweichungen der Variable und dem Betrag der Differenz des arithmetischen Mittels der Variable der jeweils zu vergleichenden Cluster. Dabei stehen hohe Werte für Variablen, die eher einen

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Abb. 2: Karte der Testregion 1 „Obere Gäue“. Dargestellt ist der prozentuale Anteil der Cluster auf Schnittebene 1 am erfassten Grabbestand der Gräberfelder.

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Abb. 3: Karte der Testregion 1 „Obere Gäue“. Dargestellt ist der prozentuale Anteil der Cluster auf Schnittebene 2 am erfassten Grabbestand der Gräberfelder.

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Abb. 4: Karte der Testregion 1 „Obere Gäue“. Dargestellt ist der prozentuale Anteil der Cluster auf Schnittebene 3 am erfassten Grabbestand der Gräberfelder.

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Abb. 5: Darstellung der durchschnittlichen Merkmalsspektren in Diagrammform für die Cluster der Schnittebene 1.

trennenden Einfluss ausüben, während niedrige Werte Variablen kennzeichnen, die eher zu einer Clusterfusion führen. Die Tabelle (Abb. 8) zeigt exemplarisch die Berechnung dieses Werts für die Trennung des Cluster 1 in die beiden Subcluster 1.1 und 1.2 (Abb. 1). Es zeigt sich, dass die beiden Cluster 1.1 und 1.2 vor allem durch die Variable B1, also durch das Vorkommen von Gefäßen im Grab getrennt sind. Die regelhaft niedrigen Werte der Variablen der Gruppe B4, den Waffenformen, zeigt, dass die Fusion der beiden untersuchten Cluster zum Obercluster 1 vor allem auf dem regelmäßigen Vorkommen von Waffenformen im Typenspektrum der Gräber beruht. Cluster 1 setzt sich also letztlich aus einer Gruppe von Gräbern zusammen, die durch einen relativ hohen Anteil von Waffen- und Gefäßformen im Grabkontext gekennzeichnet sind (Cluster 1.2), und einer Gruppe von Gräbern, die zwar ebenfalls regelmäßig hohe Anteile von Waffenformen aufweisen, aber daneben fast keine Gefäßformen enthalten (Cluster 1.1). Die sozialarchäologische Deutung der Ergebnisse muss aufgrund der Konzeption als Test zukünftigen Analysen vorbehalten bleiben. Dennoch zeigt sich bereits bei diesen Testanalysen, das im methodischen Vorgehen, wie auch im Analysekonzept vorhandene Potenzial für eine sozialarchäologische Untersuchung des späthallstatt- und frühlatènezeitlichen Grabbe-

stands Baden-Württembergs. Dies gilt insbesondere für regional und überregional ansetzende, diachron und räumlich-synchron vergleichende Studien zur sozialen Gliederung von prähistorischen Gesellschaften. Die kulturelle Dimension Die Analyse kultureller Räume muss mit Definitionen, Axiomen und Prämissen beginnen. Unter Kultur verstehen wir im Sinne Hansens (2003) Standardisierungen.Vereinfacht gesagt besitzen mehrere Personen eine gemeinsame Kultur, wenn sie gemeinsame Standardisierungen verwenden. In Hansens Begrifflichkeit werden die Personen, die Träger einer Kultur sind, als Kollektiv bezeichnet. Kulturen sind polyhierarchisch strukturiert, das heißt, dass einzelne Kollektive oder ihre Teile ein neues Kollektiv bilden können, indem sie weitere Individuen durch übergeordnete Standardisierungen, die sie teilen, aufnehmen. Einzelne Personen gehören vielen hierarchisch verschachtelten Kollektiven an. Die Standardisierungen schlagen sich in drei Gruppen von Manifestationen nieder: den Artefakten, den Mentefakten und den Soziofakten. Archäologisch direkt fassbar sind lediglich die Artefakte. Diese können wir als Indikatoren der Standardisierungen verwenden. Eine eindeutige Zuordnung von Artefakttyp und Standardisierung ist jedoch nicht möglich. Ein Typ kann

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Abb. 6: Darstellung der durchschnittlichen Merkmalsspektren in Diagrammform für die Cluster der Schnittebene 2.

mit unterschiedlicher semantischer Belegung von verschiedenen Kollektiven und damit in unterschiedlichen Standardisierungen verwendet werden. Umgekehrt können Standardisierungen in unterschiedlichen Artefakttypen, insbesondere in verschiedenen Typen mit gleichen Merkmalen ihren Niederschlag finden. In den meisten Fällen dürften bei gleichen Artefakttypen auch gleiche Standardisierungen vorliegen. Dieser Schluss ist vom Spezialisierungsgrad der Artefakttypen abhängig. Bei sehr einfachen Formen oder bei Funden, zu denen nur wenige Informationen vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie der materielle Niederschlag unterschiedlicher Kollektive sind. Fundtypen mit einem hohen Spezialisierungsgrad hingegen kommen nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit in unterschiedlichen Kollektiven vor. Ein weiteres Axiom ist die Annahme, dass in Interaktionsräumen tendenziell ein Kulturangleich stattfindet. Hiermit sind wir in die Lage versetzt, nichtephemere Interaktionsräume anhand des archäologischen Fundmaterials mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkennen zu können. Die Rekonstruktion eines Teils der räumlich geschlossenen Kollektive und ihrer räumlichen Hierarchien ist das primäre Forschungsziel dieses Projektzweiges.

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Im Rahmen des Schwerpunktprogrammes 1171 ist es wünschenswert, die Struktur und Entwicklung der kulturellen Räume mit den Zentralorten in Verbindung zu bringen, da sich aus der Wirkung der Zentralorte und ihrem Umfeld Rückschlüsse auf die Fürstensitze ziehen lassen. Hierbei hilft uns der Kern von Christallers (1933) zentralörtlicher Theorie, der Zentralorte dadurch definiert, dass er zentrale Funktionen für ein bestimmtes Einzugsgebiet, sein Territorium, erfüllt. Bilden diese Territorien ausgeprägte Interaktionsräume, ist also die Erfüllung zentraler Funktionen so intensiv, dass sie die innerterritorialen Interaktionen deutlich erhöhen, so lassen sich die Territorien als kulturelle Räume erkennen. Sowohl Territorien, als auch eigenständige archäologische Kulturen - die im Gegensatz zum hansenschen Kulturbegriff eine Überlagerung räumlich abgegrenzter Kollektive ähnlicher Ausdehnung bezeichnen - zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Interaktionsräume innerhalb ihrer Grenzen bündeln. Mit diesem Zusammenhang verfügen wir über ein Werkzeug, die Einflussbereiche bzw. Territorien der Zentralorte zu ermitteln. Für die Analyse selbst werden zunächst räumliche Analyseeinheiten definiert. Es bietet sich an, ein Raster

Abb. 7: Tabelle mit den berechneten Werten zu Abschätzung des Variableneinflusses auf die Clusteraufspaltung bzw. -fusion der Cluster 1.1 und 1.2.

von Punkten zu wählen, an denen die Dichte der jeweils untersuchten Parameter abgegriffen wird. Für alle Analyseeinheiten werden anschließend Typenspektren zusammengestellt. Diese enthalten prinzipiell alle verfügbaren Typen, sind allerdings nach Typengruppen geordnet. Die Untergliederung des Materials für die einzelnen Analysen erfolgt anhand der Fundgattung, der Materialgruppen, der Einordnung in Zeitscheiben und der Klassifikationstiefe. Das Konzept der Klassifikationstiefe wurde eingeführt, um der unterschiedlichen Aussagemöglichkeit der verschiedenen Klassifikationsniveaus gerecht zu werden: kt1: Fundgruppen ermöglichen quellenkritische Aussagen und können ähnliche ökonomische und kulturelle Basissysteme anzeigen (z. B. Schmuck, Gefäß). kt2: Grundformen zeigen syntaktisch ähnliche Gebiete an (Standardisierung der Trachtelemente; z. B. Fibel, Halsring). kt3: „Typen“ zeigen semantisch ähnliche Gebiete an (Standardisierung der Ausprägung der Trachtelemente; z. B. Paukenfibel). kt4: „Varianten“ ermöglichen eine weitere Differenzierung semantisch ähnlicher Gebiete (z. B. P2 mit kugelförmigem Fuß). kt5: spezielle Typen (z. B. Linsenflasche) sind nicht im monohierarchischen Klassifikationssystem enthalten und ermöglichen einerseits eine ergänzende Differenzierung und andererseits die Regionalisierung spezieller Phänomene (Werkstattkreise etc.). Aufgrund geringerer Quantitätskontrolle sind die Ergebnisse jedoch aus methodischer Sicht erheblich unsicherer. Eine exakte Konkordanz der Klassifikationstiefe mit den Klassifikationsniveaus ist nicht möglich, da es sich in beiden Fällen um Abstraktionen handelt, die jedoch unterschiedlichen Prinzipien folgen. Eine ungefähre Entsprechung, die für eine erste analytische Anwendung ausreicht, ist jedoch gegeben. Die einzelnenTypengruppen mit ihren zugeordneten Typenspektren entsprechen grob unterschiedlichen sozialen Segmenten beziehungsweise Kollektiven. Da wir einerseits keine exakte Entsprechung von Typengruppe und sozialem Segment vorliegen haben, und andererseits nur einen kleinen Bruchteil der Kollektive mit diesen Typengruppen erfassen können, haben

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Abb. 8: Darstellung der durchschnittlichen Merkmalsspektren in Diagrammform für die Cluster der Schnittebene 3.

wir es mit einer starken Vereinfachung der prähistorischen Verhältnisse zu tun. Diese Vereinfachung ist jedoch grundsätzlich durch unseren Quellenbestand gegeben. Unter den zahlreichen Details, die bei der Analyse kultureller Räume zu beachten sind, sei exemplarisch die Klassifikation der Funde hervorgehoben. Da das Analyseergebnis von der Klassifikation abhängt, ist diese an den Erfordernissen der Fragestellung und der Methode auszurichten. Zu den Anforderungen zählt, dass die gesamte Materialbasis erfasst werden soll, ein Maximum an Informationen über die Funde – und Befunde, was erst in der abschließenden Analyse 2009 geschieht – einfließen soll, die Fundähnlichkeit auf allen Niveaus sowie die Fundquantitäten erfasst werden sollen. Diese Anforderungen führen zu einer hierarchischen Klassifikation mit disjunkten Klassen in den jeweiligen Klassifikationsniveaus. Zudem soll auch die Inventarähnlichkeit erfasst werden und der Spezialisierungsgrad gewichtet werden. Das wird durch eine unstrukturierte Klassifikation ohne disjunkte Klassen ermöglicht. Dieser Widerspruch lässt sich auflösen, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die hierarchische

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Klassifikation auf Anforderungen der Datenerfassung und die unstrukturierte Klassifikation auf Anforderungen der Analyse beruht. Wir können nun die hierarchische Klassifikation durch eine Projektion in eine unstrukturierte Klassifikation für die Analyse vorbereiten und erhalten hierbei automatisch die gewünschte Gewichtung. An dieser Stelle sollen die Vorteile der Typenspektren gegenüber den traditionell verwendeten kulturellen Leitformen hervorgehoben werden. Zunächst ist festzuhalten, dass die kulturelle Signifikanz der kulturellen Leitformen das Ergebnis einer Analyse ist, die wir bei ihrer Verwendung im Allgemeinen noch nicht durchgeführt haben. Da wir die Signifikanz nur vermuten können, haben wir mit kulturellen Leitformen eine ungünstige Ausgangslage und es kommt unweigerlich zu Zirkelschlüssen. Zudem können die in den Analysen verwendeten Verhältnisse der Distanzen zwischen den Analyseeinheiten - und nicht nur die absoluten Werte der Distanzen - auch falsch sein, wenn wir die signifikanten Typen kennen und die Analyse auf sie beschränken. Die Vorteile der Typenspektren liegen nun darin, dass sie eine quantitative Differenzierung

Abb. 9: Vergleich der Typenspektren und kulturellen Leitformen.

von deckungsgleichen Verbreitungsräumen kultureller Leitformen ermöglichen kann, aber auch auf „typologischen Ausreißern“, also nicht signifikanten Typen beruhende Differenzierungen erkennen kann.Von besonderer Bedeutung sind jedoch die Möglichkeiten, Zugehörigkeitsgrade zu Gruppen zu ermitteln und Hierarchien zu rekonstruieren. Diese Argumente machen deutlich, warum sich der erhebliche Mehraufwand, der Erfassung ganzer Typenspektren anstatt einzelner kultureller Leitformen lohnt. Der Gang der Analyse besteht aus folgenden Schritten. Zunächst wird eine Typengruppe ausgewählt und eine Fundliste erstellt. Anschließend wird ein Raster der Analyseeinheiten angelegt. Für jede Analyseeinheit werden die Typenspektren ermittelt und normiert. Die kulturellen Differenzen aller Analyseeinheiten zueinander werden in einer Distanzmatrix eingetragen. Zusätzlich können die Typenspektren und Distanzen zu den Fürstensitzen als Referenzpunkte ermittelt werden. Hiermit lassen sich die Isolinien kultureller Distanzen zu den Fürstensitzen und die kulturellen Dominanzterritorien berechnen. In der Clusteranalyse werden die einzelnen Analyseeinheiten anhand der Werte der Distanzmatrix fusioniert. In Abhängigkeit der verwendeten Fusionsmethode kann eine teilweise Neuberechnung oder Erweiterung der Distanzmatrix notwendig sein. Abschließend werden im

Dendrogramm einige Knoten, die die Gesamthierarchie möglichst gut repräsentieren, ausgewählt und die entsprechenden Cluster kartiert. Bei der Beurteilung der Ergebnisse sind zunächst einige Kriterien zu beachten, welche die Güte des Analyseergebnisses beurteilen lassen. Kriterium 1: Die Cluster sind weitgehend räumlich geschlossen. In diesem Fall liegt ein regionalisierbares Phänomen vor. Andernfalls könnte es sich sowohl um ein zufälliges Ergebnis als auch um ein nicht regionalisierbares Phänomen handeln. Kriterium 2: Die Cluster weisen eine Mindestgröße auf, die abhängig vom Algorithmus ist. Bei der Verwendung von Funddichten kann die Ähnlichkeit zweier benachbarter Analyseeinheiten methodisch bedingt sein. Ähnliches gilt für fundarme Regionen. Die Funddichte ist zu berücksichtigen. Kriterium 3: Die Hierarchie der kulturellen Ähnlichkeiten entspricht weitgehend der räumlichen Hierarchie. Benachbarte Zweige im Dendrogramm liegen tendenziell nebeneinander. Dies entspricht Kriterium 1, angewendet auf mehrere Hierarchieebenen. Kriterium 4: Die Ergebnisse sind weitgehend stabil. Eine Verbesserung der Datenbasis (Quantität und Qualität) führt nicht zu grundlegenden Änderungen des Ergebnisses, so dass eine Approximation an den tatsächlichen Befund erwartet werden kann. Andernfalls wäre die Datenbasis entweder gänzlich unzureichend oder die Methode fragwürdig.

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Abb. 10: Erste Ergebnisse der Clusteranalyse kultureller Räume (Datenbasis: shkr-Datenbank, Stand Sommer 2007).

Sind diese Kriterien erfüllt, so ergeben sich folgende Erwartungen an das Ergebnis: Wenn im Arbeitsgebiet Kulturgrenzen (archäologische Kultur, siehe oben), oder Grenzen starker Territorien auftreten, sind diese in allen Typengruppen wieder zu finden. Es ergeben sich in diesem Fall klare Grenzen. Ist dies nicht der Fall - und innerhalb derartiger Grenzen - ist damit zu rechnen, dass die unterschiedlichen sozialen Segmente verschiedene Interaktionsräume ausprägen, die nicht deckungsgleich sind. Weiterhin ist bei ausgeprägten Territorien, die auf einen Zentralort fokussiert sind, zu erwarten, dass sich eine Hierarchie der kulturellen Ähnlichkeiten ergibt, die vom Zentralort zur Peripherie abnehmende kulturelle Ähnlichkeiten widerspiegelt. Ausgeprägte Territorien ohne Zentrum bilden vermutlich keine derartige „Zwiebelstruktur“ aus.

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Bislang wurden nur Testanalysen mit einem vorläufigen und nicht korrigierten Datenbestand durchgeführt. Diese Testanalysen umfassen nur sehr wenige der geplanten über 300 Typengruppen, ermitteln also nur einen vagen Ausblick auf den tatsächlich zu erwartenden Befund. Dennoch erlauben diese Testanalysen eine erste Beurteilung des Ergebnisses und erste Interpretationen. Diese Interpretationen stehen selbstverständlich unter dem Vorbehalt, dass die abschließende Analyse zu gleichen Ergebnissen kommt und dass die Fragmente, die sich aus der Testanalyse ergeben, durch den Kontext der Gesamtanalyse in ihrer Interpretation nicht wesentlich beeinflusst werden.Von den durchgeführten Testanalysen werden hier nur zwei repräsentative vorgestellt. Es handelt sich um die Analyse der Gefäßkeramik und des Ringschmucks. Die Analysen

umfassen den gesamten projektrelevanten Zeitraum von Ha C bis Lt B und verbergen damit zeitliche Entwicklungen. Es wurden die Klassifikationstiefen kt1 bis kt3 sowie alle Quellengattungen berücksichtigt. Bei der Darstellung wurden nur zwei Hierarchieniveaus berücksichtigt. Der äußere Kreis der einzelnen Analyseeinheiten stellt das höhere Niveau und der innere Punkt das niedrigere Niveau dar. Die Farben bzw. Grauwerte dienen nur der Codierung unterschiedlicher Gruppen. Die Ergebnisse zeigen folgendes: Die Keramik bildet räumlich geschlossene Gruppen, die relativ gut mit den Fürstensitzen korrelieren. Für das HeuneburgTerritorium ergibt sich, dass es eher nach Norden orientiert ist. Die Grenze zum Hohen-Asperg-Territorium scheint am Nordrand der Schwäbischen Alb bestanden zu haben. Die Hierarchie verbindet die Territorien von Heuneburg und Hohen-Asperg und stellt dieses Gebiet einem Bereich im Osten gegenüber, der mit dem Ipf in Verbindung gebracht werden kann. Dieses Bild lässt sich anhand des Schmucks nicht bestätigen. Zwar lässt sich die Grenze am Nordrand der Alb partiell erkennen und auch eine Gruppe im Osten lässt sich ausmachen, aber die Gesamtverteilung und vor allem die Hierarchie unterscheidet sich deutlich von der Analyse der Keramik. Das Ergebnis der Schmuckanalyse wirkt allgemein etwas feingliederiger. Kleine Strukturen, wie sie etwa am Südrand des bearbeiteten Gebietes auftreten, sind auf eine geringe Funddichte zurückzuführen, womit der Einfluss einzelner Funde stark ansteigt und das Bild verzerren kann. Die kleinen Strukturen im Bereich des Neckars hingegen liegen in Bereichen hoher Funddichte und entsprechen somit eher realen Differenzierungen. In diesen Analysen zeichnen sich keine klaren Territorialgrenzen ab. Vielmehr deutet sich an, dass im Untersuchungsbereich der Testanalysen die sozialen Segmente unterschiedliche Interaktionsstrukturen ausbilden, die nicht durch eine Territorialstruktur gebündelt werden. Eine nähere Beurteilung dieser unterschiedlichen Interaktionsstrukturen kann auf der Basis der vorläufigen und sehr bruchstückhaften Ergebnisse noch nicht erfolgen. Mögliche Folgerungen aus dem Fehlen deutlicher Territorialstrukturen können hingegen skizziert werden. Zunächst ergibt sich,

dass die Grundlage der besonderen Bedeutung der „Fürsten“ nicht in einer Territorialherrschaft zu sehen ist. Vielmehr sollten wir die besondere Lage und verhältnismäßig kurze Dauer des Auftretens der Fürstensitze und reichen Gräber, wie es von Brun (1988) und Krausse (2008b) herausgestellt wurde, ins Auge fassen. Wenn wir einerseits die charakteristischen Südkontakte und andererseits die im Laufe der Eisenzeit zu beobachtende Verschiebung dieses Phänomens nach Norden betrachten, so wird deutlich, dass die Lage in der Kontaktzone zweier Organisationssysteme von besonderer Bedeutung ist. Den „Fürsten“ bzw. den Zentralorten kommt eine besondere Funktion in diesem Gebiet zu, die im Wesentlichen in der Vermittlung zwischen diesen beiden Systemen bestanden haben dürfte und durch die prunkvolle Lebensweise an den Knoten dieses Austauschsystems kommuniziert wurde. Der Niedergang der Fürstensitze könnte demnach auf eine Kombination verschiedener Ursachen beruhen. Eine Ursache, die als der Impulsgeber zu sehen ist, dürfte in einer wirtschaftlichen Rezession liegen. Eine andere Ursache ist eine, auf die Organisationsstrukturen bezogene, Akkulturation, die zu einer Konsolidierung der Organisation, die durch die Zentralorte repräsentiert wurde, führte und besonders hervorgehobene Funktionsträger, die einer Elite angehören, in gewissem Umfang überflüssig machte. Eine zuverlässige Beurteilung des Phänomens der ältereisenzeitlichen Zentralorte ist allerdings erst möglich, wenn sowohl die abschließende Gesamtanalyse mit vollständigen und optimierten Daten, als auch die Zusammenschau und Synthese der unterschiedlichen Projektzweige erfolgt sind. Die im letzten Absatz knapp umrissene und derzeit überwiegend spekulative Interpretation macht deutlich, dass ein Zusammenspiel naturräumlicher, ökonomischer, sozialer und kultureller Faktoren die komplexen Prozesse, die wir derzeit als Zentralisierung umschreiben, beeinflusst haben können. Die Modelle, die es zu entwickeln gilt, müssen allen Aspekten gerecht werden und sollten nicht auf einzelnen, als exklusiv angesehenen Faktoren beruhen. Die vorläufigen Analysen deuten an, dass folgende Befunde von Bedeutung sein können: 1. Der deutliche Bezug der Siedlungen zu bevorzugten Naturraumfaktoren.

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2. Die überproportionale Siedlungsdichte in den Randbereichen der Gunstgebiete. 3. Der Umlagerung der Bereiche hoher Siedlungsdichte mit Bereichen hoher Grabdichte. 4. Die Ausprägung individueller Interaktionsräume der einzelnen sozialen Segmente. 5. Das Fehlen deutlich hervortretender Territorialstrukturen.

Die abschließenden Analysen, die für den Sommer 2009 vorgesehen sind, mit einer möglichen Bestätigung oder auch Widerlegung dieser Punkte sowie mit zahlreichen Details werden hierzu ein wesentlich differenzierteres Bild ermöglichen, als es die vorliegenden, ausschnitthaften Testanalysen leisten können.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Augstein, Gavranovic, Jung, Lucianu und Trachsel) Von den im Untersuchungsgebiet erfassten ca. 3000 Grabkomplexen wurden nur die statistisch auswertbaren zur Analyse herangezogen. Die Datenqualität der einzelnen Fundstellen ist sehr unterschiedlich, anthropologische Auswertungen liegen nur für einige Hundert vor, ungestörte Komplexe machen ebenfalls nur einen geringen Teil aus). Aussagen zur Kult- und Ritus-Zugehörigkeit wurden auf Basis von oberflächlichen Daten wie „Brand- oder Körperbestattung“ getroffen (vorerst nicht innerhalb einzelner Gräberfelder sondern nur über das gesamte Untersuchungsgebiet unterschieden). Die Auswahl der in der jeweiligen Detailstufe als „besonders“ bezeichneten Beigaben bezieht sich nicht primär auf das bestattete Individuum selbst (jemand anderes begräbt den Leichnam, meist wählt nicht diese/r selbst seine/ihre Beigaben aus), sondern zeigt die ideale Selbstansicht der sozialen Struktur der sozialen Gruppe von sich selbst. Also die Waffenbeigabe beweist nicht, dass die bestattete Person diese trug oder nutzte, sondern dass es innerhalb der sozialen Gruppe der Bestattenden Waffen gab, deren Besitz eventuell etwas aussagt. Die in den Graphiken gezeigten Peaks stellen eine relative Anzahl dar, keine absoluten Werte. Da soziale Stellung mit territorialer Herrschaft bzw. den „richtigen“ sozialen Kontakten zusammenhängt, wird hier nicht in Ursache oder Wirkung der einzelnen Komponenten unterschieden. Es wird darauf hingewiesen, dass die Klassifikation der Objekte die Ergebnisse großteils bereist vorwegnimmt (wird z.B. ein und derselbe Fibeltyp unverziert, ordentlich gearbeitet, stark abgenutzt

als unterschiedliches Merkmal gewertet oder nicht?). Allein die Wahl der Clusteranalyse als Methode bedingt die statistische Artefaktproduktion. Die Bearbeiter sehen den Cluster als soziale Gruppe, die auf jeder weiteren Schnittebene in größerem Detail hervortritt. Von besonderem Interesse sind die Knotenpunkte, an denen Gruppen zusammengeführt werden. Besonders relevante oder sich der Interpretation anbietende Gruppen sollen identifiziert und für das Endergebnis herausgegriffen werden. Es werden Zweifel an der Methode geäußert: die Berechnung werde der Typologie nicht gerecht; die Koordinatenberechnung passe rechnerisch nicht zu den in verschiedener Weise zusammenhängenden Typen. Laut Bearbeitern wird über den Ausgangspunkt, dass Zentral­ orte eine zentrale Funktion innehaben, hinausgegangen. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Möglichkeit der Interaktion (der Zentralort kann den Interaktionsraum begünstigen oder durch diesen begünstigt werden, muss es aber nicht). Um sinnvolle Abstände in der Clusteranalyse zu erhalten, wurden die Abhängigkeiten in die Daten bewusst eingebracht. Die Gewichtung der Fundtypen beruht auf Vermutungen. Dass die Möglichkeit besteht von den spezialisierteren Typen (über die viele Details bekannt sind) abhängig zu werden, ist bekannt, dies soll später durch andere Zugänge neutralisiert werden. Möglicherweise sind die Gruppen auch chronologisch bedingt (viel Keramik und Waffen - ergäbe ein typisches sogen. Ha C Schwertgrab). Es ist geplant, solche Abhängigkeiten durch die Auflösung in mehrere Zeit-Scheiben herauszufiltern. Das gleiche gilt für eventuelle regionale Ausstattungsunterschiede, die durch die hier gewählte Analyseform hoffentlich besser sichtbar zu machen sein werden.

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Nur Gruben und Abfall? – Überlegungen zur Strukturierung von Flachlandsiedlungsplätzen der nordöstlichen Hallstattkultur Sebastian Müller

Zusammenfassung Im folgenden Artikel werden ausgewählte Flachlandsiedlungsplätze der frühen Eisenzeit im nordöstlich der Alpen liegendem Raum und angrenzenden Gebieten auf ihre funktionale Strukturierung untersucht. In ersten Schritten wird versucht die Funktion der das Befundbild prägenden Gruben einzugrenzen und den Charakter der Gruben­ verfüllungen zu bestimmen. Anschließend werden die aus den behandelten Siedlungen stammenden Funde und die näher bestimmbaren Befunde nach funktionalen Kategorien geordnet und hinsichtlich ihrer Verbreitung am Beispiel der Siedlungsplätze von Göttlesbrunn und Tˇešetice betrachtet. Die sich dabei abzeichnenden Verteilungsmuster deuten eine Differenzierung zwischen Bereichen an, die zum einen von einzelnen Haushalten und zum anderen gemeinschaftlich genutzt worden sein könnten.

Abstract The Early Iron Age in the Northeast Alpine region is defined by gravegoods. Despite a long tradition of research, only little is known about the settlements and their structure. For this study, the more or less comprehensively published open settlements of Unterparschenbrunn (Lauermann 1994), Göttlesbrunn (Griebl 2004), Stillfried (Hellerschmid 2006) and Wien-Oberlaa (Ranseder 2006) of the Kalenderberg group have been selected. Additionally, one site of the Horákov group,Tˇešetice in Southmoravia (Podborský 1965; Golec 2003), is also considered (Abb. 1). Different types of pits, characteristic features of this settlement type, are discussed. One type can be identified by its special shape as grain storage pits. Other square or rectangular pits or shallow sunken features are interpreted by some authors as dwellings, especially if they include stairs, ramps, banks or hearths. However there are examples which do not necessarily indicate they were dwellings. One important variable in deciding whether they were used as habitation or not is their size. A comparison with plans from the open settlement Sereï and the hillfort of Smolenice-Molpír in Western Slovakia show that the dimension of pits regarded as dwellings is probably to small for that function (Abb. 2).The lack of evidence for other buildings in most of the open settlements is presumably due to them being constructed without sunken elements. It is also concluded that the find assemblages within a pit cannot be related to its function, since its content has to be considered as resulting from rubbish deposition after the end of its primary use. It is, however, assumed that the

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rubbish deposition did not take place very far from where it formed, making it possible to recognize activity areas within the settlements, which provide information about its internal structure. Before differential patterns of deposition of artefact groups is examined within the settlements, all finds have to be assessed in terms of what types of activities are represented. Textile and ceramic production and the manufacturing of leather, wood and metal can be recognised, in addition to food production, preparation and storage and ritual activities (Abb. 4). Also, some artifact groups do not relate to any of these activity categories, representing social rather than functional aspects, and thus will not be examined in this study. To observe activity areas via the internal distribution of artifact groups in settlements, extensively excavated sites are required, making Göttlesbrunn and Tˇešetice the sites of chose for this analysis. In Göttlesbrunn, two areas can be identified where textile and ceramic production, food preparation and probably some skilled manual labour took place (Abb. 5,2-4). Rituals, represented by the rich decorated Feuerböcke and Kalenderbergtöpfe, were also performed in both these areas (Abb. 6,1). The distribution of dateable ornamentation shows that both areas were used contemporarily. However, vessels display different stylistic details in their decoration, possibly indicating the presence of two groups or communities in the village (Abb. 6,2-3). In between these two areas, a lower density of features can be observed, this area being additionally characterized by the presence of storage pits with trapezoid profiles and special structures, for example three hearths (Abb. 5,1). It is concluded that the excavated part of the settlement shows two areas which have been occupied by perhaps two households or communities which shared a central area for special food preparation and storage. The settlement of Tˇešetice consists of three sites on a river terrace, dispersed over more than 1000 m (Abb. 7).The internal distribution of artefacts in two of these sites was examined and interpreted.The “Sutny” area is characterised by a high concentration of trapezoid storage pits and a finds assemblage similar to the middle zone in Göttlesbrunn, possibly used by multiple households (Abb. 9,1-4). “Vinohrady” is characterised by special structures, like hearths, and evidence for textile production (Abb. 8,1-3). The concentration of unusual finds in “Vinohrady” indicates it may have been used as a zone for habitation (Abb. 8,4).

Die Hallstattkultur im nordostalpinen Raum und den daran anschließenden Gebieten wird vor allem durch Grabfunde definiert. Höhen- und Flachlandsiedlungen waren zwar in der Forschungsgeschichte immer wieder Gegenstand von Grabungen, jedoch hält sich das Aussagepotential dieser Quellengruppe aufgrund des schwierigen Überlieferungscharakters in Verbindung mit den zumeist kleinen Grabungsflächen bisher in Grenzen. Die folgenden Überlegungen werden sich auf die in diesem Raum teilweise freigelegten Flachlandsiedlungen beziehen, von denen bisher nur eine geringe

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Anzahl in Form von mehr oder weniger umfänglichen Publikationen bekannt gemacht worden ist. Es handelt sich dabei um die zur Kalenderberggruppe zuzuordnenden Siedlungsstellen von Unterparschenbrunn (Lauermann 1994), Göttlesbrunn (Griebl 2004), Stillfried (Hellerschmid 2006) und Wien-Oberlaa (Ranseder 2006) (Abb. 1). Andere Siedlungsplätze, die Ziel wissenschaftlicher Beschäftigung waren, stehen bedauerlicherweise nicht in allgemein zugänglicher Form zur Verfügung oder sind lediglich aus Vorberichten bekannt. Zusätzlich wird eine weitere, bereits jenseits der Thaya liegende Fundstelle, die Siedlungskammer

von Tˇešetice (Podborský 1965; Golec 2003), die der Horákovkultur zugeordnet wird, in die Betrachtung mit einbezogen (Abb. 1). Wie auch immer die jeweiligen Siedlungsbefunde im einzelnen gedeutet werden, zumindest herrscht Konsens darüber, dass die Grundstruktur der Flachlandsiedlungen als Ansammlung locker gestreuter Gehöfte zu verstehen ist (Nebelsick et al. 1997: 105; Griebl 2004: 203; Ranseder 2006: 345). Allen hier behandelten Fundstellen ist ein ähnliches Befundbild gemeinsam, welches sich in Form von mehr oder weniger dichten Konzentrationen von Grubenbefunden manifestiert. Indikatoren für oberirdische Konstruktionen in Form von Pfostensetzungen oder Wandgräben kommen zwar gelegentlich vor (Griebl 2004: 108), lassen sich jedoch nicht zu vollständigen Grundrissen rekonstruieren. Betrachtet man als erstes die Formen der Gruben, so lassen sich diese mehr oder weniger eindeutig bestimmten Grundtypen zuweisen. Neben annähernd quadratischen oder rechteckigen kommen auch elliptische bis runde und unregelmäßige Formen vor (siehe z.B. Griebl 2004: 18-100). Im Profil sind ebenfalls sämtliche denkbaren Grundformen von gerundeten, eckigen mit geraden Seitenwänden bis zu trapezförmigen Eintiefungen vertreten. Von allen diesen Typen lässt sich lediglich eine Gruppe anhand ihrer Form relativ klar funktional bestimmen. Es handelt sich um die ab dem Neolithikum bekannten Vorratsgruben für Getreide (Lüning 2000: 173; Griebl 2004: 122), die sich im Planum als annähernd runder Befund darstellen und ein trapezbzw. beutelförmiges Profil aufweisen (z.B. Golec 2003: 248, 257). Im Planum und Profil unregelmäßig geformte Gruben, die aus den hier behandelten Siedlungsplätzen zum Beispiel aus Unterparschenbrunn bekannt sind (Lauermann 1994: Abb. 21, 29), werden plausibel als Material- bzw. Lehmentnahmegruben gedeutet (ebd. 170). Zumindest dürften sie kaum eine konkrete, kennzeichnende Funktion gehabt haben. Bei quadratischen oder rechteckigen Befunden mit geraden oder leicht schrägen Wänden und einem ebenen Boden wurden hin und wieder Feuerstellen oder Öfen, Zugangsrampen bzw. Treppen und Absätze oder Bänke nachgewiesen (Griebl 2004: 104-12),

Abb. 1: Lage der im Text erwähnten Fundorte.

die gelegentlich als Indikator für eine Wohnfunktion der entsprechenden Gruben angesprochen werden (ebd. 101-22; 203). Allerdings schließen diese nicht allzu häufig zu beobachtenden Merkmale andersartige Nutzungen des jeweiligen Objekts nicht aus, wie z.B. Befund 36 von Göttlesbrunn mit drei Herdstellen zeigt, der von M. Griebl dann auch folgerichtig als Wirtschaftsgebäude gedeutet wird (2004: 74-7), so dass sich die Frage stellt, welche Möglichkeiten für die Erschließung einer eventuellen Wohnfunktion dieser Befunde noch verbleiben. Hierbei drängt sich die Größe der Gruben als wichtiges Kriterium auf, wie E. Lauermann anhand eines Vergleichs zwischen Grubenbefunden von Michelstetten, Unterparschenbrunn und Tˇešetice bereits hervorgehoben hat (1996: 220-3), da angenommen werden darf, dass für eine Behausung auch eine gewisse Wohnfläche nötig war. In diesem Zusammenhang liefert die Siedlung von Sered’ - Maˇcadske vˇršky in der Westslowakei, in der Nähe des Flusses Váh gelegen, wichtige Anhaltspunkte (Paulík 1955). Hier wurden neben den bekannten Grubenbefunden auch eindeutige Hinweise für oberirdische Konstruktionen – es handelt sich um Estrichreste und Pfostengruben - nachgewiesen, die

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Abb. 2: Vergleich der Maße von Hausgrundrissen und Grubenbefunden, die für eine Wohnfunktion in Frage kommen könnten.

sich sinnvoll zu Gebäudegrundrissen verbinden lassen (ebd. 158; 167; 174; 178). Die hallstattzeitliche Zeitstellung dieser Objekte ist durch eine laufende Neubearbeitung der Funde gesichert. Bemerkenswerterweise lässt sich hier beobachten, dass eine Reihe von Gruben kleineren Ausmaßes entweder in oder in unmittelbarer Nähe der Grundrisse situiert ist (ebd.) und nach Ausweis der derzeit noch nicht publizierten Funde nichts dagegen spricht, beide Befundformen miteinander in

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Beziehung zu setzen. Mit diesen Grundrissen, von denen mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf, dass sie unter anderem von Wohngebäuden stammen, liegt nun eine Bezugsgröße vor, die darüber Auskunft geben kann, mit welcher Grundfläche bei derartigen Bauten durchschnittlich zu rechnen ist. Da die entsprechenden Belege aus Sered’ nicht allzu zahlreich sind, werden noch Flächenmaße der zahlreichen Hausbefunde aus der befestigten Höhensied-

lung von Smolenice-Molpír, die an der Ostseite der Kleinen Karpaten liegt, in die Untersuchung mit einbezogen (Dušek, Dušek 1984; 1995). Wichtig für das Verständnis der Befunde dieser durch Befestigungen in drei Areale unterteilten Siedlung ist die besondere topographische Situation des Molpírs, bei dem es sich um einen stetig ansteigenden Ausläufer der Kleinen Karpaten handelt. Aufgrund des Mangels an für die Errichtung von Gebäuden nötigem, halbwegs ebenem Baugrund, wurden die Standorte für die Häuser mühsam aus dem anstehenden Felsgestein herausgeschlagen und z.T. aufgeschüttet. Dieser Umstand sowie der allgemein begrenzte Platz, der in dem mit einer SteinHolz-Erde-Konstruktion umwehrten, dritten Befestigungsareal zur Verfügung stand, lässt die Annahme zu, dass die hier errichteten Häuser eher ein Mindestmaß des Raumes umfassen, der von den Menschen dieser Zeit und Region für ihre Wohnbauten bzw. ihren Lebensbereich beansprucht wurde.Auch wenn mit den Befunden vom Molpír einige Probleme verbunden sind, die sich unter anderem auf die genaue Abgrenzung einzelner Objekte und damit auch auf deren Größe beziehen, oder zu bedenken ist, dass sicherlich nicht alle Häuser tatsächlich als Wohnbauten anzusprechen sind (Stegmann-Rajtár 1998: 265-75), lässt sich mit Hilfe eines Diagramms zeigen (Abb. 2), dass sich die Maße der Häuser und die der rechteckigen oder quadratischen, für eine mögliche Wohnfunktion in Frage kommenden Gruben aus den Flachlandsiedlungen – bei einigen Befunden aus Göttlesbrunn handelt es sich zum Teil auch nur um sehr flache, kaum eingetiefte Befunde (z.B. Griebl 2004: 20; 27) – klar voneinander unterscheiden. Die Mehrzahl der eventuell als Wohnstätte in Frage kommenden, aus den hier interessierenden Siedlungen stammenden Grubenbefunde bleiben flächenmäßig unterhalb der Größenmaße, welche von den Hausgrundrissen vorgegeben werden. Ein geringer Überschneidungsbereich lässt zwar nach wie vor die Möglichkeit zu, dass ein gewisser Teil der größeren Grubenbefunde statistisch gesehen, nämlich diejenigen, die eine Grundfläche über 20 Quadratmeter aufweisen – ein Ergebnis zu dem E. Lauermann bereits gekommen ist (ebd. 1996: 221) als Wohnstätte genutzt worden sein könnten. Allerdings erscheint dies im Licht der sich größtenteils deutlich absetzenden Hausgrundrisse eher unwahrscheinlich.

Vielmehr dürften die fehlenden bzw. nur ansatzweise beobachteten Hinweise auf oberirdische Bauten in den Flachlandsiedlungen in aller erster Linie mit deren Konstruktion und den allgemeinen Erhaltungsbedingungen in Verbindung stehen. Spricht man also dem Großteil, wenn nicht sogar allen Gruben eine primäre Funktion als Wohnstätte ab, so folgt daraus, dass es sich hierbei vor allem um Vorrats- bzw. Wirtschafts- oder auch Handwerksobjekte gehandelt hat. Aufschluss über die jeweils in Frage kommenden Funktionen könnte auf den ersten Blick eine genauere Analyse des Fundinhalts geben. Allerdings wird dabei relativ schnell klar, dass Dokumentationen von in situ Funden, die sich auch tatsächlich unmittelbar mit dem Befund in Zusammenhang bringen lassen, äußerst selten sind (Griebl 2004: 21-26: Hellerschmid 2006: Taf. 18, 46) und die absolute Mehrheit der Fundstücke ganz eindeutig sekundär verlagert, nämlich als Teil der Verfüllung, in die Gruben gelangt und somit lediglich als Abfall bzw. Müll zu bezeichnen ist. Diese keinesfalls neue und bereits verschiedentlich geäußerte Schlussfolgerung (z.B. Ranseder 2006: 244-5) wirft ein ernüchterndes Licht auf das Erkenntnispotential der in den Grubenbefunden enthaltenen Funde. Chr. Ranseder hat bei ihrer Bearbeitung der Befunde von Wien-Oberlaa darauf aufmerksam gemacht, dass Untersuchungen aus dem englischsprachigen Raum zu Abfallbewegungen und – verlagerungen die Vielzahl an unterschiedlichen Einflüssen, die auf das Material eingewirkt haben könnten, in beispielhafter Weise erschlossen haben (2006: 244-5). Leider fehlen in allen bisher publizierten, hier interessierenden Siedlungen die detaillierten Angaben, die für eine Studie etwa im Stil der Fundanalyse von Runnymede Bridge, Berkshire, notwendig wären (Needham, Spence 1996: 61-73). Allerdings ist es möglich einige grundsätzliche, hypothetische Überlegungen zum Zustandekommen der Grubenverfüllungen anzustellen. In den meisten Fällen dürfte davon auszugehen sein, dass der Abfall nicht allzu weit von der Quelle seiner Entstehung entsorgt wurde. Selbstverständlich fällt es nicht sehr leicht diese Annahme zu untermauern. Einerseits könnte wohl einigermaßen plausibel aus dem Fundus der persönlichen Alltagserfahrung geschöpft werden – Mülltonnen oder Müllschlucker befinden sich schließlich auch

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Abb. 3: Wien-Oberlaa – Vernetzung der Befunde am Beispiel der Verteilung von aneinanderpassender Keramik und Knochen (Ranseder 2006: Abb. 32).

in unmittelbarer Nähe unserer Wohnungen und Häuser – oder andererseits, um in einem vorindustriellen Kontext zu bleiben, lassen sich auch ethnologische Parallelen z.B. aus dem Amazonasgebiet heranziehen (Erickson 2003: 467-68). Des Weiteren ist es sehr wahrscheinlich – und läßt sich wiederum durch ethnologische Parallelen belegen – , dass der Müll nicht wahllos, sondern in dafür vorgesehene Areale (Kent 1999: 81; Erickson 2003: 467-68) auf überirdischen Halden entsorgt wurde. In die Grubenbefunde der Flachlandsiedlungen, deren Anlage zum Zweck der Müllentsorgung zwar denkbar, aber wenig wahrscheinlich ist, gelangte der Abfall größtenteils erst nach Aufgabe des jeweiligen Objekts, wenngleich begrenzte Ansammlungen von Unrat an bestimmten Stellen auch schon im Laufe der primären Nutzung des Objekts zustande gekommen sein könnten. Wenn die Gruben aber nicht

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als Abfalldeponie angelegt wurden, dann bleibt zu bedenken, dass das eigentliche, von einem Haushalt oder der Dorfgemeinschaft gewählte Areal zur Deponierung des Abfalls, welches wir aufgrund der fehlenden Laufhorizonte nicht mehr nachweisen können, nicht zwangsläufig in der Nähe der gerade offen- und zur Verfüllung bereit stehenden Grube gelegen haben muss. Aber auch hier kann die oben formulierte Hypothese, wonach in der Regel keine allzu weiten Wege zur Entsorgung genommen worden sein dürften, zutreffend sein. Neben dieser Grundannahme der kurzen Wege ist weiterhin zu vermuten, dass bestimmte Tätigkeiten in einem Areal spezifische Abfallprodukte hervorgebracht haben, die sich dann im näheren Umkreis des jeweiligen Bereichs konzentrieren sollten, wobei eine Verteilung der selben Gegenstände über mehrere beieinander liegende Gruben ein stärkeres Argument für

diese Annahme darstellt, als dies beim Vorkommen von Abfallprodukten in nur einer einzelnen Grube der Fall ist, da dann nicht ausgeschlossen werden kann – vorbehaltlich der Voraussetzung, dass es sich nicht um eindeutig mit dem Befund verbundene Gegenstände handelt – , dass der Müll hier doch eher zufällig deponiert wurde. Um in diesem Sinne also überhaupt Erkenntnisse über die Struktur der Siedlungsplätze zu gewinnen, ist es kaum ratsam jeden Befund für sich zu untersuchen, vielmehr sollten ganze Siedlungsbereiche in den Fokus genommen werden. Um mit dieserVorgehensweise einigermaßen brauchbare Ergebnisse zu erzielen, sind allerdings großflächig oder zumindest über eine größere Distanz ergrabene Siedlungsbereiche erforderlich, die in publizierter Form leider meist nicht allzu zahlreich vorliegen. Über die Verteilung bestimmter Befunde und Funde im Siedlungsplan sollte es dann möglich sein zu weiterführenden Schlussfolgerungen zu kommen, wobei die sonst so häufig in den Vordergrund tretende chronologische Komponente hierbei eher eine nachrangige Rolle spielt, wenngleich sie nicht völlig irrelevant ist. Um einen Eindruck davon zu gewinnen, ob die gerade formulierten Annahmen einigermaßen zutreffend sein könnten, kann ein instruktives Beispiel aus der Siedlung Wien-Oberlaa herangezogen werden. Hier wurde erstmalig im Rahmen der Publikation einer Siedlung aus dem Kalenderbergraum systematisch die Anpassung von Scherben und Knochen zwischen den Befunden einer Siedlungsstelle untersucht. Das hierbei erkennbare Verteilungsmuster zeigt die Vernetzung der erfassten Befundstrukturen untereinander (Abb. 3). Die Verteilung könnte sogar dahingehend interpretiert werden, dass der Abfall aus der zwischen den beiden Befundgruppen liegenden freien Fläche stammt. Ob hier vielleicht sogar ein oberirdischer Bau, der aufgrund seiner Konstruktion nicht mehr nachweisbar ist, gestanden hat, oder ob die Objekte eher als Unterkellerung aufzufassen sind, muss Spekulation bleiben. Leider handelt es sich nur um einen vergleichsweise kleinen Siedlungsbereich, so dass die Frage nach eventuell anpassenden Funden in etwaigen weiter entfernt liegenden Gruben unbeantwortet bleiben muss. Das Beispiel verdeutlicht vor allem, das Bruchstücke von ein und dem selben Gegenstand zwar in unterschied-

liche Gruben, aber dennoch in relativer Nähe zueinander eingelagert worden sind, was zumindest die These der kurzen Wege unterstützt. Bevor nun aber die Verteilung bestimmter Artefakte innerhalb der Siedlungen näher untersucht werden soll, empfiehlt es sich erst einmal das Spektrum der Funde zu betrachten und sich über deren Funktion und Aussagekraft klar zu werden. Neben der mengenmäßig dominierenden Keramik, deren Grundformen man mehr oder weniger plausibel Funktionsbereichen zuweisen kann (Griebl 2004: 200; Ranseder 2006: 329), wenngleich hier einige Unsicherheiten herrschen, findet sich in den Verfüllschichten der Gruben auch eine größere Menge von vollständigen oder fragmentierten Kleinfunden, deren primäre Funktion zumindest teilweise erschlossen werden kann. Anzumerken ist allerdings, dass sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Artefakten einer genaueren Ansprache entzieht, sei es, weil es sich um offenkundig multifunktional einsetzbare Gegenstände handelt, oder die genaue Funktion weder über die Form noch über etwaige klärende Kontexte zu erschließen ist. Wie auf einer Zusammenstellung sämtlicher funktional bestimm- bzw. eingrenzbarer Kleinfunde und Keramikformen unter Einbeziehung der klar ansprechbaren Befundstrukturen zu sehen ist (Abb. 4), ist es möglich eine Reihe von Tätigkeitsbereichen bzw. Funktionszusammenhängen abzuleiten – ohne dabei jedoch einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. An dieser Stelle wird der Fokus vor allem auf funktionalen, tätigkeitsbezogenen Bereichen liegen. Soziale Kategorien sollen hingegen nicht im Vordergrund stehen, wenngleich sie natürlich auch den definierten Arbeits- und Tätigkeitsfeldern immanent sind. Dies führt dazu, dass sich bestimmte Gegenstandsgruppen, wie Trachtbestandteile, nicht in den festgelegten Bereichen unterbringen lassen. Sie werden jedoch aus Gründen der Vollständigkeit ebenfalls mit aufgeführt. Klar ist auch, dass es sich nicht um Kategorien handelt, die sich allesamt auf der selben analytischen Ebene befinden, wie vielleicht am eindrücklichsten die bei archäologischen Deutungen gelegentlich etwas überstrapazierte Kategorie Kult klar macht. Hierbei handelt es sich um einen Bereich der auf einer übergeordneten Ebene steht, die anderen Kategorien

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Abb. 4: Zusammenstellung aller Funde aus den Siedlungen Göttlesbrunn, Wien-Oberlaa, Unterparschenbrunn, Stillfried und Tˇešetice und der aus dem Material ableitbaren Tätigkeitsbereiche. In den eckigen Klammern ist mit Ausnahme der Keramik die Summe der jeweiligen Objekte aus den Siedlungsstellen angegeben.

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aber gleichzeitig durchdringt und miteinander verbindet. Dass es überhaupt möglich ist dieses spezielle Tätigkeitsfeld auch von dem hier eingenommenen, auf funktionale Zusammenhänge ausgerichteten Blickwinkel zu erkennen, ist dem besonderen Umstand geschuldet, dass sich mit den typisch verzierten Tonfeuerböcken und den durch ihre Verzierung besonders hervorgehobenen Kalenderbergtöpfen tatsächlich Gegenstandsgruppen fassen lassen, die nach Ausweis aller bisherigen Erkenntnisse unmittelbar mit kultischen Handlungen in Verbindung gebracht werden können (Teržan 1986: 227-234; 1996: 51825; Nebelsick 1996). Einige Tätigkeitsbereiche, die aufgrund der Existenz bestimmter Gegenstandsgruppen im Fundmaterial, die ihrerseits wieder auf bestimmte Tätigkeitsfelder hinweisen, erkennbar sind, wurden nicht extra mit aufgeführt bzw. in der Übersicht noch zusätzlich gekennzeichnet. Die Kategorie Keramikproduktion wird also nicht wegen der Existenz von Keramik am Fundort als Tätigkeitsbereich aufgestellt, sondern weil sich direkt Gegenstände und Rohstoffe auf den Fundplätzen finden, die zumindest hypothetisch eine Eingrenzung des Areals, wo die Keramik tatsächlich produziert wurde, möglich machen könnten. Die zahlreichen Knochenartefaktfragmente z.B. setzen selbstverständlich das Vorhandensein einer Knochenverarbeitung in den Siedlungen voraus. Da jedoch nicht ausreichend Informationen darüber verfügbar sind, welche Fragmente als Produktionsabfall zu betrachten sind und somit das entsprechende Siedlungsareal über die Verteilung dieser Abfälle nicht weiter eingegrenzt werden kann, ist dieser Tätigkeitsbereich im Rahmen der hiesigen Fragestellung nicht in die Systematik mit einbezogen worden. Insgesamt zeigt die Übersicht eine ganze Reihe von funktionalen Kategorien, die sich aus der Betrachtung und Ansprache der Befunde und Funde extrahieren lassen. Die bei den jeweiligen Fundobjekten beigefügten Stückzahlen von Nachweisen aus den behandelten Siedlungen verdeutlichen jedoch, wie dünn einzelne Tätigkeitsfelder durch die zur Verfügung stehenden Quellen belegt sind. Darüber hinaus wird das Bild noch durch die nicht zu vernachlässigende Tatsache getrübt, dass die funktionale Ansprache bestimmter Kleinfunde zum Teil subjektiv ist. Dies gilt selbst bei

Objekten deren Funktion vermeintlich auf der Hand liegt: Mahlsteine und Reibplatten müssen beispielsweise nicht zwangsläufig für die Nahrungsverarbeitung genutzt worden sein. Um hier größere Sicherheit zu gewinnen bedürfte es jedoch eingehenderer, fachübergreifender Analysen und experimentalarchäologischer Versuche. Aufgrund der recht unterschiedlichen Quellensituation der einzelnen Siedlungsplätze ist es nicht weiter verwunderlich, dass nicht überall alle aufgeführten Tätigkeitsbereiche auch tatsächlich nachweisbar sind. Darüber hinaus treten bestimmte Aktivitäten, wie z.B. die Textilproduktion aufgrund gut überdauernder Indikatoren wie Spinnwirtel und Webgewichte dominant in den Vordergrund, während andere mögliche Bereiche wegen fehlender Nachweise nicht repräsentiert werden. Da kleine Siedlungspläne mit einer geringen Zahl an Befunden, wie die Fundplätze von Wien-Oberlaa, Unterparschenbrunn und Stillfried erwartungsgemäß kaum aussagekräftigeVerteilungsmuster zeigen, werden sie an dieser Stelle aus Platzgründen nicht näher besprochen. Exemplarisch sollen die großflächiger ergrabenen Siedlungsplätze von Göttlesbrunn und Tˇešetice hinsichtlich ihrer Struktur untersucht werden. Die Siedlung von Göttlesbrunn wurde im Zuge eines Autobahnbaus über einen 200 m langen und ca. 30 m breiten Streifen erfasst. Dieser großflächige Ausschnitt mit seiner hohen Befunddichte von 52 Objekten, die zusammen mit ihrem Fundinhalt von M. Griebl umfassend und in beispielhafter Weise ausgewertet und publiziert wurden (2004), verspricht einen für die hier interessierende Fragestellung maßgeblichen Einblick. Bereits die Kartierung klar ansprechbarer Befundstrukturen, wie Öfen bzw. Herdstellen und die anfangs erwähnten trapezförmigen Vorratsgruben deuten eine Teilung des Siedlungsareals in zwei Bereiche an (Abb. 5,1). Deutet man die Gruben und Herdstellen als Anzeiger für Nahrungslagerung und Verarbeitung, dann empfiehlt sich ein Blick auf die Verteilung von Gegenständen, die ebenfalls mit diesen Tätigkeitsbereichen zu verbinden sind. Backplatten, Stößel bzw. Läufer und Reibplatten sind demnach über die gesamte Siedlung verstreut, wenngleich sie in größerer Konzentration im südöstlichen Teil der Siedlung zu finden sind (Abb.

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Abb. 5: Fundverteilungen Göttlesbrunn (Plan nach Griebl 2004).

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5,2). Keramische Formen, wie Töpfe und Kegelhalsgefäße, die mit der Bevorratung und Essenszubereitung in Verbindung stehen, wurden nicht kartiert, sie kommen in allen Teilen der Siedlung vor. Die Verteilung von Knochenartefakten und Schleifsteinen, die sich nicht ohne weiteres oder auch gar nicht einem bestimmten Tätigkeitsfeld zuordnen lassen, zeigt keine Präferenz für einen der beiden Siedlungsbereiche, wenngleich der äußerste Südosten, der durch die hohe Konzentration von Reibplatten aufgefallen war, nun fundleer bleibt (Abb. 5,4). Glättsteine, die sich mit der Keramikproduktion verbinden lassen, sind ebenfalls in beiden Siedlungsbereichen anzutreffen. Ein vergleichbares und noch viel deutlicheres Bild liefert die Verteilung der Webgewichte und Spinnwirtel (Abb. 5,3). Insbesondere hier lässt sich die Zweiteilung der Siedlung sehr klar erkennen, da der mittlere Abschnitt frei von entsprechenden Nachweisen bleibt. Ein identisches Bild zeigen die dem kultischen Bereich zugeschriebenen verzierten Tonfeuerböcke und mit klassischer Kalenderbergverzierung versehenen Henkeltöpfe (Abb. 6,1). Da sich also keine wirklich klare Beschränkung von bestimmten Aktivitäten auf einen Bereich ausmachen lässt, erscheint es nun doch angebracht kurz auf die chronologische Entwicklung des Platzes einzugehen. Griebl hat mit Hilfe einer Seriation und typologischen Beobachtungen eine Entwicklungstendenz der Siedlung in räumlich-zeitlicher Sicht von Südost nach Nordwest erarbeitet (2004: 201-4), obgleich sie darauf hinweist, dass in den Gruben häufig ältere und jüngere Elemente miteinander vergesellschaftet sind (ebd. 201-2). Die ältere durch flächige, erhabene Verzierung, wie Knoppern und Leisten, gekennzeichnete Kalenderbergverzierung und die zeitlich nachfolgende, sich durch dichte, eingetiefte Verzierung auszeichnende Pseudokalenderbergverzierung (Nebelsick et al. 1997: 77; Griebl 2004: 130) ermöglichen einen exemplarischen Einblick in die Entwicklung des Siedlungsplatzes. Bereits die Kartierung der mit dem Kultischen verbundenen Gegenstände hat gezeigt, dass die klassische Kalenderbergverzierung in beiden Siedlungsteilen vertreten ist. Ähnliches gilt für die Pseudokalenderbergverzierung, so dass die Vermutung naheliegt, dass beide Siedlungsareale sowohl in einer älteren als auch in einer jüngeren Besiedlungs-

phase genutzt wurden. Dabei lassen sich möglicherweise anhand von bestimmten Merkmalen, wie den mit einem Gerät stempelartig erzeugten, flächig über das Gefäß verteilten Dellen, spezifische, für bestimmte Bereiche kennzeichnende Merkmale fassen, die eventuell sogar individuell auf einen bestimmten Haushalt bezogen werden können. Pseudokalenderbergverzierung bestehend aus einem Winkelband mit dazwischen liegenden länglichen Eindrücken findet sich z.B. vor allem im Südosten (Abb. 6,2), während runde Eindrücke gehäuft im Nordwesten konzentriert sind (Abb. 6,3). Hier findet sich auch eine Ansammlung einer anderen Variation der Pseudokalenderbergverzierung mit eingetieften Halbbögen (Abb. 6,2). Fasst man die Informationen aus den beobachteten Befund- und Fundverteilungen zusammen, so lässt sich feststellen, dass eine Zweiteilung der Siedlung zu erkennen ist, die sich aus funktionaler Sicht jedoch nur anhand von Befundstrukturen, den Öfen und Herdstellen, fassen lässt. Der mittlere, trennende Bereich ist durch eine geringere Befunddichte und durch die Existenz von trapezförmigen Vorratsgruben gekennzeichnet. Alle anderen in Göttlesbrunn anhand von Funden nachweisbaren Tätigkeitsbereiche, wie Textilproduktion, Keramikherstellung, Nahrungsverarbeitung und sogar kultische Handlungen sind in beiden Siedlungsarealen ausgeübt worden. Griebl hat in ihrer Auswertung der Befunde ebenfalls auf die auffällige Konzentration der Vorratsgruben im mittleren Siedlungsteil aufmerksam gemacht und vermutet, dass es sich um einen gemeinschaftlich genutzten Bereich zur Getreidespeicherung handelt (2004: 122; 133). In diesem Sinne könnten auch die in jenem Siedlungsteil liegenden Befunde 31 und 36 verstanden werden. Im ersteren wurde der einzige Kuppelofen des Siedlungsausschnitts nachgewiesen (ebd. 66-8), während im zweiten drei Herdstellen lagen, von denen zwei, die apsidenartig am Objekt anschlossen, zwei Bauphasen erkennen ließen (ebd. 74-7). Es wäre durchaus denkbar, das es sich um von der gesamten Dorfgemeinschaft genutzte, spezialisierte Bauten gehandelt hat.Aus chronologischer Sicht dürften beide Areale gleichzeitig besiedelt gewesen sein, möglicherweise deuten feine Unterschiede in der Keramikverzierung auf zwei Haushalte oder Hofgemeinschaften hin. Wenngleich das Grabungsareal von Göttlesbrunn

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Abb. 6: Fundverteilungen Göttlesbrunn (Plan nach Griebl 2004).

eine im Vergleich zu den anderen Siedlungsplätzen große und für nähere Untersuchungen durchaus brauchbare Fläche einnimmt, bietet sich im Fall von Tˇešetice die Möglichkeit eine Siedlungskammer näher zu betrachten. Der Fundplatz „Vinohrady“ ist bereits seit einiger Zeit bekannt (Podborský 1965), während die beiden anderen Fundstellen der Flur „Sutny“, von denen eine bei einer Rettungsgrabung und die an-

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dere im Zuge systematischer Ausgrabungen freigelegt wurde, erst vor einigen Jahren publiziert worden sind (Golec 2003). Die Flächen verteilen sich am Rand einer Flussterrasse über eine Strecke von mehr als 1000 m (Abb. 7). Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt sich nicht sagen, ob die Bereiche durch ihre Befundverteilung miteinander verbunden sind. Nach Meinung von M. Golec sind alle drei Flächen trotz unterschiedlich

langer Nutzungszeiten und -schwerpunkte zumindest für eine gewisse Zeit auch synchron besiedelt worden (2003: 178-80) (Abb. 7). Im folgenden sollen zwei Flächen näher betrachtet werden, nämlich der Fundplatz „Vinohrady“ und die durch die Rettungsgrabung erfasste Fläche der Flur „Sutny“. Das im Rahmen der Forschungsgrabung freigelegte Areal hat nur relativ wenige Befunde mit für die hiesige Fragestellung kaum relevanten Funden hervorgebracht, so dass dieses hier nicht weiter behandelt werden soll. Allgemein kann beim Vergleich beider Stellen festgestellt werden, dass die Befunddichte auf der Fläche „Sutny“, deren Besiedlung bis Ha D3 angedauert haben soll (Abb. 7), deutlich höher ist, als dies bei der weiter östlich liegenden Stelle „Vinohrady“ der Fall ist. Betrachtet man nun die Verteilung der trapezförmigen Vorratsgruben, so stellt man fest, dass „Sutny“ von diesen Befunden dominiert wird (Abb. 9,1), während sie auf „Vinohrady“ lediglich durch zwei Befunde repräsentiert werden (Abb. 8,1). Dafür finden sich hier in zwei direkt nebeneinander liegenden Objekten Öfen, aber sonst, abgesehen von einer Reibplatte, keine weiteren Hinweise, dass in diesem Areal Nahrungsbevorratung und -verarbeitung in

einem größeren Rahmen stattgefunden hat. „Sutny“ zeigt ein ähnliches Bild: lediglich eine Reibplatte, im westlichen Bereich aber zusätzlich noch drei beieinanderliegende Backplattenfragmente (Abb. 9,1). Bemerkenswerterweise finden sich auf „Sutny“ zahlreiche Belege von Webgewichten in den Befunden, die über die gesamte Fläche streuen, wenngleich im südwestlichen Teil eine hohe Konzentration zu beobachten ist. Spinnwirtel streuen lockerer über die gesamte Fläche (Abb. 9,2). Auf der Fundstelle „Vinohrady“ bleiben die Webgewichte dagegen auf wenige Befunde beschränkt (Abb. 8,2), während die Spinnwirtel über das gesamte Areal streuen. Bemerkenswert ist, dass in zwei unmittelbar nebeneinander liegenden Befunden (46; 47) neben Webgewichten und Spinnwirteln auch scheiben- bzw. herzförmige Anhänger vorkommen, die möglicherweise auch mit der Textilproduktion in Zusammenhang stehen, ebenso wie ein Stempel der aus einem nahegelegenen Befund stammt. Gegenstände, die eventuell mit der Keramikherstellung zu verbinden sind, wie Graphit und nicht näher spezifizierter roter Farbstoff, finden sich ganz im Osten und Westen der Fläche „Sutny“ (Abb. 9,3). In „Vinohrady“ ist Graphit ebenfalls einmal belegt (Abb. 8,3), hier

Abb. 7: Übersichtsplan der Siedlungskammer von Tˇešetice (nach Golec 2003: 238).

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Abb. 8: Fundverteilungen Tˇešetice „Vinohrady“ (Plan nach Podborský 1965: Abb. 2).

fallen aber besonders die vielen Abschläge auf, die sich nicht ohne weiteres einem bestimmten Tätigkeitsfeld zuordnen lassen – vorausgesetzt es handelt sich nicht ohnehin um Relikte einer früheren Besiedlung an dieser Stelle. Auf der Fläche „Sutny“ finden sich noch geringe Mengen von Schlacke, die wohl aber nicht ausreichen, um dort tatsächlich eine Metallverarbeitung annehmen zu können. Besonders stark zeigt sich der Gegensatz beider Stellen bei der Verteilung von besonderen Gegenständen (Abb. 9,4). Hier hebt sich „Vinohrady“ durch eine ungewöhnlich hohe Dichte an metallenen Funden hervor (Abb. 8,4). Andere bemerkenswerte Gegenstände, deren Funktion allerdings derzeit nicht bekannt ist, wie z.B. gezackte Tonknöpfe,

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sind ebenfalls nur hier zu Tage gekommen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Fläche „Sutny“ anhand der Befunde eng mit der Vorratshaltung zu verbinden ist. Textilproduktion dürfte nach der Verteilung der Funde an beiden Stellen stattgefunden haben, jedoch zeigt sich eine Fokussierung dieser Tätigkeit in den eng beieinanderliegenden Befunden 46 und 47 von „Vinohrady“. Die Verteilung von Werkzeugen und Rohstoffen manifestiert sich in einer größeren Gewichtung am östlichen und westlichen Rand der Fläche „Sutny“. Allerdings sind die Belege hierfür aufgrund ihrer geringen Menge nur sehr schwach und sollten deshalb nicht überbewertet werden. Dennoch lässt sich erahnen, dass „Sutny“

Abb. 9: Fundverteilungen Tˇešetice „Sutny“ Rettungsgrabung (Plan nach Golec 2003: 241).

möglicherweise eher für bestimmte, spezialisierte Tätigkeiten genutzt wurde, wie die vielen Vorratsgruben zeigen, an deren Nutzung sich möglicherweise mehrere Haushalte bzw. Höfe beteiligten – wobei hier noch die Frage nach der zeitlichen Stellung der einzelnen Gruben geklärt werden müsste – , während „Vinohrady“ durch die große Variabilität an Gegenstandsgruppen und nicht zuletzt wegen der beachtlichen Menge an speziellen Gegenständen, darunter auch Trachtbestandteile, eher einen Bezug zum direkten Wohnbereich hat, wenngleich hier Befunde mit Öfen oder die mit der Textilproduktion verknüpften Gruben ebenfalls eine Spezialisierung bestimmter Objekte offenbaren. Bemerkenswert ist, dass dieses Bild zumindest in Ansätzen auch in Göttlesbrunn beobachtet werden konnte: einerseits ein Bereich, der sich anhand der Funde mit einer Vielzahl von Tätigkeiten verbin-

den lässt, und zum anderen ein Teil, der einen spezialisierteren Charakter insbesondere im Bezug auf die Bevorratung der Nahrung aufweist. Ein direkter Zusammenhang der beiden untersuchten Areale von Tˇešetice ist allerdings nach derzeitigem Kenntnisstand und der unterschiedlichen chronologischen Gewichtung nicht gegeben. Am Ende kann festgestellt werden, dass selbst bei der komplizierten Quellenlage, die naturgemäß mit den Funden von Flachlandsiedlungen verbunden ist, durchaus Erkenntnismöglichkeiten zur strukturellen Gliederung existieren, wenngleich detailliertere Analysen, die bei einem Großteil der Befunde anhand der zur Verfügung stehenden Informationen nicht ohne weiteres geleistet werden können, für ein besseres Verständnis der hier nur grob skizzierten Muster unabdingbar sind. Abgesehen von der Notwendigkeit

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derartige Fundstellen großflächig zu ergraben, bedarf es umfänglicherer Publikationen, die sich nicht nur darauf beschränken Auszüge aus dem Fundmaterial abzubilden.Vielmehr müssten sämtliche Informationen, wie in Ansätzen schon gelegentlich geschehen, z.B. auch Anzahl, Gewicht und Größe der Scherben für jeden Befund angegeben, sowie systematische Untersuchungen zur Anpassung fragmentierter Funde zwischen den Befundobjekten durchgeführt werden. Die Notwendigkeit bestimmte Fundgegenstände hinsichtlich ihrer Funktion näher zu bestimmen wurde schon weiter oben genannt, naturwissenschaftliche Analysen des Grubeninhalts könnten ebenfalls wichtige Erkenntnisse liefern.

Die durchgeführte Untersuchung kann lediglich als Versuch betrachtet werden das Aussagepotential der Befunde und Funde aus den hier behandelten Flachlandsiedlungen zu beleuchten. Allgemeine Aussagen zur Strukturierung der Siedlungen lassen sich auf Basis des jetzigen Kenntnisstands kaum in verlässlicher Weise machen. Neben den funktionalen müssten in einem weiteren Schritt auch soziale Kategorien in die Bewertung mit einfließen. Erst wenn tatsächlich alle relevanten Informationen zu den Fundplätzen verfügbar sind, können Ansätze entwickelt werden, die es möglich machen tatsächlich von Siedlungen und deren Struktur und nicht nur über Gruben und Abfall zu sprechen.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Spohn, C. Eibner und Koch) Hinweise für die anfangs oberirdische Lagerung von Abfall sind im Befund bisher nicht eindeutig vorhanden. Je kleiner die Scherben und je abgenutzter die Ränder und Bruchstellen desto eher kann davon ausgegangen werden, dass diese öfters verlagert worden sind. Da in den Publikationen nur selten Aussagen dazu veröffentlicht werden, sind Daten dazu schwierig zu sammeln. Wichtig ist v.a. das Ergebnis, dass das ganze Siedlungsareal betroffen ist, nicht nur je eine einzelne Grube. Im Bezug auf speziell für bestimmte Nutzungen vorgesehene Areale in Siedlungen, wird als Beispiel Stillfried a.d. March erwähnt. In der dortigen Siedlung häufen sich mit Textilarbeiten in Verbindung zu bringende Funde im Westbereich = gegen das Hinterland = in Wallnähe. Dies könnte als Zeichen für eine „gemeinschaftliche Struktur“ angesehen werden, sodass jeder, der solche Arbeiten durchführen will bzw. solche Erzeugnisse benötigt, weiß, wo er/sie sie finden kann. Ein gemeinsam organisierter „Mistplatz“ scheint ebenfalls in ein solches System zu passen. In den vorgestellten Siedlungen sind die Webgewichte eher in einer Zone der Siedlung konzentriert, die Spinnwirtel aber über die gesamten Areale verstreut. Möglicherweise ließe sich eine Aussage treffen, wenn die Spinnwirtel-Lagen noch nach Größen, Material,Verzierungsgrad etc. unterteilt werden könnten. Dies war im vorliegenden Material bisher noch nicht möglich.

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Beaten Boii and Unattested Urbanisation. Observations on the theory of a north Italian origin of the oppida1 Jan Kysela

Zusammenfassung In diesem Beitrag wird die Theorie diskutiert, nach der die Entstehung der Oppida in Böhmen angeblich mit einer Migration des keltischen Stammes der Boier nach ihrer Vertreibung aus Norditalien durch die Römer in Zusammenhang steht. Der Artikel wendet sich zuerst gegen die Idee, dass es eine solche Migration aus der Poebene nach Böhmen gegeben hat. Danach wird die späteisenzeitliche (4. bis frühes 2. Jh. v.Chr.) Siedlungsstruktur in der Emilia (Italien) ausschließlich auf Basis archäologischer Quellen besprochen. Es wird gezeigt, dass der gegenwärtige Forschungsstand in dieser Region nicht ausreichend ist, um verlässliche Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, bis zu welchem Grad die Urbanisierung der norditalienischen Boier gegeben war. Die Diskussion über dieses Thema beruht vielmehr vorwiegend auf schriftlichen Quellen. Noch bedeutender ist jedoch, dass den Wissenschaftern zur Zeit der Formulierung dieser Theorie keinerlei Evidenz zur boischen Siedlungsstruktur vorgelegen ist. Diese Umstände schwächen zusätzlich die Grundlagen der Idee der Urbanisierung der norditalienischen Boier.

Abstract The paper discusses a theory according to which the rise of oppida in Bohemia is to be connected with the reputed migration of the Celtic tribe of the Boii expelled by the Romans from Northern Italy.The paper tries firstly to contest the very idea of migration from the Po plain towards Bohemia. Subsequently the Late Iron Age (IVth – early IInd century B.C.) settlement pattern in Emilia (Italy) is discussed based exclusively on archaeological sources. Their present state is proclaimed to be insufficient to draw any clear conclusions from them concerning the level to which the north Italian Boi were urbanised. Discussion on this theme is driven largely by written sources. More importantly, no evidence at all concerning the settlement situation was at disposal of scholars at the time the theory was being formulated.This circumstance only further weakens the foundations of the idea of the north Italian Boii’s urbanisation.

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In this paper I would like to discuss a theory proposed on the theme of the origin of the Bohemian (and European) oppida. Not surprisingly it has been verbalised almost exclusively by archaeologists of Czech origin. It was mainly through the studies of O.H.Frey on the one hand and of V. Kruta on the other that Italy became central to the search for a presumed inspiration source for the central European oppida and, above all, that the north Italian Celts came to be considered the supposed prime movers of the urbanization process in transalpine Europe. If Frey’s contributions content themselves with the enumeration of some formal traits common to both Italic and central European agglomerations and with pointing at the Cispadans in general as the possible mediators (e.g. Frey 1984), the „competing“ theory goes much bolder in the interpretative level (formulated by Kruta 1978; 1980a; 1980b). Kruta’s thesis connected originally the rise of oppida directly with a single historical event: the (supposed) expulsion of the Celtic tribe of the Boii from northern Italy after their defeat by the Romans in the late 190’s B.C. The theory was soon adopted and enriched by further evidence from the central Bohemian site of Závist when its excavators P. Drda and A. Rybová dated the foundation of the Late Laténe oppidum to a surprisingly early date (Drda, Rybová 1992: 341) and presented other (rather indirect) evidence for linking the site’s foundation with a supposed southern intervention (Drda, Rybová 1997: 109-114). In other words the thesis may be structured as follows: The North Italian Boii expulsed by the Romans from the Po region,… … return to their Ur-Heimat, i.e. Boiohaemum, the present day Bohemia where they… …in „roughly 175 B.C.“ … … start founding oppida following the schemes of the urban culture they came to know in northern Italy. Each of these points and the sum of them as such is worth an attentive critical re-consideration because it lets us perceive very clearly some schemes which operate even beneath seemingly more sober argumentations. Our first doubt is that about the very genre of the discussed theory. Its mono-linearity, cohesion and pre-

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cise delimitation make quite a strong impression on a narrative. It is questionable to what extent a narrative is a genre suitable for a synthesis of archaeological or historical data for which ends we may wage more apposite procedures (see Vašíˇcek 2006 for the theoretical discussion about the archaeological or historical synthesis including their relation to narrative). To return to the points listed above: the expelling of the Boii and their departure towards Danube (not a single word is mentioned about Boiohaemum, let alone – naturally – about Bohemia) is only one (Strabo, Geography V, 1, 6) out of three versions of the end of the Boian presence in Italy (and not the most probable one)2. It is quite possible that we have to deal here with nothing more serious than the Geograph’s own learned construction based on not more serious grounds than the homonimity of the Cispadan and the Danuvian tribe (Dobesch 1993: 9-10; Tomaschitz 2002: 85-87). No archaeological evidence stands at our disposal to support this version. As far as Boiohaemum is concerned, its equation with the present day Bohemia is a firmly rooted creed of Czech research formalised (not without certain cracks in argumentation) mainly in the study of J. Dobiáš (1964: 24-26) against the opinions of E. Šimek (1935: 173) or (a Slovak) V. Ondrouch (1959) and ever since only challenged by J. Waldhauser (2001: 13-15)3. Even if we accepted it as valid we would still be at pains to explain what link there actually is between the Po plain and Bohemia. Since the grounds on which the connection between Bohemia and the North-Italian Boian area were searched (Kruta 1980a) have been mostly proved as invalid by later research (cremation: contra Vitali 1992: 398; composition of parures: contra implictly e.g. Ortalli 2008: 303) there remains only the concept of Ur-Heimat which may give any validity to it. It is however precisely at this point that we lose any contact with archaeological reality and enter the grounds of narrative in the better case dangerous ideology in the worse one. Thirdly, the chronological dimension of all the story need not be in my opinion exactly as clear as its authors present it – the discussion which in itself would be too complex for this occasion may be exemplified by the date to which they pin down the foundation of Závist: „about 175 B.C.“ Even if we leave aside the

antiquity of the date, it is obvious that dating an event within the first half of the second century with a precision of a decade is a remarkable achievement… The last point remains to be examined: the cispadanian Celts and their ”urban experience“. The departure point of our inquiry will be the Late Iron Age (the early fourth to the early second century BC) of the north-Italian region of Emilia where and when the written sources collocate the seats of the Celtic tribe of Boii (Peyre 1992: 11-13). At this point, I will abstain from discussing the cultural/ethnical problems4. My only concern here will be that about the simple presence of the sites in the area and the character of documentation attested there. I will also leave aside any discussion of the written sources, which has already been undertaken on numerous occasions and little may be added to these previous contributions (see mainly Peyre 1985; 1992; SchulzeForster 1998; Vitali 1996 and for a point of view divergent from the others Malnati, Violante 1992). This abstraction and concentration purely on the archaeological evidence is to a great extent intentional as I hope to explain in the conclusions. My question in what follows will be, if the character of the settlement observed in the region bears any of the formal traits which might be considered „oppida“ (which in transalpine Europe include mostly the site’s extension, the presence of fortification and usually a perched position) or, more freely, which might be considered at least a distant model for the central European oppida. In most of the thirty eight or thirty nine sites5 which have to be taken into consideration (see the list Fig. 1 and the map Fig. 2), the human presence on the site is only indicated.We have to deal here with surface finds; isolated settlement features – pits, trenches; or evidence of funerary character so that (mainly in the Po plain) we have to work prevalently with sites about which we may only say that there was some human presence in the Late Iron Age but almost never how this settlement actually was.With a single exception (see below) no clues are given to understand neither the character of the single settlement sites nor even simply their extension. The only low-land site excavated to a sufficient extent (and at the same time at least partially published6)

to give some idea about its character is the Forte Urbano in Castelfranco Emilia (0,8 ha), the only Emilian site which also gave undeniable evidence of fortification7 (Kruta, Malnati 1995). The importance of such evidence, however, should not be overestimated, given that according to the excavators the existence of the site begins already in the fifth century B.C. and, above all, does not continue beyond the mid fourth century (i.e. the site’s chronology antedates the absolute majority of LT finds in the rest of Emilia). Within the Appenine mountains we have at least the possibilty to guess at one “oppidal” trait, i.e. the site’s extension: provided that no hilltop settlement may occupy a space larger than that offered by the hill-top itself. In most cases this area is by far less than even the 10 ha, taken as the most benevolent minimal extension which “permits us“ to call a site “an oppidum“8. In the case of the best studied Emilian settlement site, the Pianela di Monte Savino, on the promontory of Monte Bibele (for the latest summary see Brunaux 2008), the extension of the settlement is less than 1ha. The limits have not been satisfactorily traced, there is no hope, however, to multiply the extension ten-fold! Among the other mountain or pedemontal sites, the S. Antonio di Monte Morello arrives at 3ha; the two units at Savignano sul Panaro are both less than 3ha. Only the hilltop of Monteacuto Ragazza with its cca 13ha might host an extremely pocket-size oppidum. The archaeological documentation from the site, however, does not allow anything more precise about the settlement than its date (Lipolis, Pini, Sani 1998) to be stated. No traces of fortification whatsoever have been attested so far in any of these sites. In the modern cities (Bologna and Modena) the settlement finds (extremely rare and in most cases lacking any reliable find context) do not say more than what we already know thanks to the written sources and the funeral documentation: that the area nowadays covered by the roman - medieval - modern strata was inhabited in the Late Iron Age (for Bologna see Vitali 1992 and Ortalli 2004; for Modena Malnati, Violante 1992). There is no convincing archaeological evidence if (or in what way) e.g. Bologna maintained its felsinean („pre-Celtic“) urban character down to the Late Iron Age. The case of Marzabotto is worth mentioning for

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Fig.1: A list of Late Iron Age sites in Emilia.

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comparison (the Late Iron Age phases are reassumed in Malnati,Violante 1992; L. Malnati’s conclusions are however different from ours). Here, the finds dated to the Late Iron Age are scattered in what had been in the fifth century an orthogonally planned town.There is no hint, however, that the fourth century dwellers strived in a particular way to take up the site‘s urban orderliness. On the contrary: the failure to identify any actual structures to which these fourth century’s finds can be associated, the LT cemetery right in the ruins of the fifth century’s town etc. seem to testify to a substantial shrinkage of the inhabited area as well as about the no less substantial change in values and pretensions of the inhabitants. Such a passive exploiting of pre-existent structures can in my opinion be hardly taken as evidence for urban experience. The same approach, the same lack of interest about the „exploits“ of the previous felsinean culture, may be observed also elsewhere (it should be stressed that in practically all the sites where the Late Iron Age is represented there had already been a previous felsinean settlement). Most conspicuous are in my opinion the cases of obliteration of pre-existing felsinean („pre-Celtic“) irrigation structures: this phenomenon has been detected e.g. in Casalecchio di Reno, Bologna – via Foscolo, San Damaso – via Scartazza. None of these structures seems to have pursued its existence down to the „Celtic“ period (this phenomenon is observed also by J. Ortalli 1995 who, however, discredits its totality). To sum up: basing on formal traits of the Late Iron Age settlement sites known to date in Emilia-Romagna there is not a single one which could convincingly be described as „urban“ and not even „formally oppidal“. Not a single site surely presents an extension of tens or hundreds of hectares, not a single Late Iron Age site has given evidence of having been fortified. The archaeological evidence at our disposal does not allow any such statement. It would of course bear little fruit to ponder if it is so because the evidence really reflects the original state of things or because of its too fragmentary a state. As mentioned above, all considerations exposed here are, obviously of a purely formal character – it is much more the function of the sites and their mutual relations, the repartition of the central or subsidiary roles,

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Fig. 2: Late Iron Age Emilia. The numbers of single sites correspond to the numbers in table Fig.1.

Fig.3: Comparison of the state of knowledge in 1980 and 2008.

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which might answer our inquiry. Exactly these relations are, however, in my opinion impossible to estimate basing exclusively on the archaeological evidence presented above. Despite this, the extent of urbanization of the Late Iron Age Emilia became an object of a fiery discussion:The idea of deep integration of the cispadan Celts in a post-felsinean urban culture launched by Kruta 1980a and sided mainly by L. Malnati (see Malnati 1990; Malnati, Violante 1992), was contested by Chr. Peyre (1985; 1992) and mainly D.Vitali (mainly 1996; 2004) who sees the transition between the felsinean and the „gallic“ period as a traumatic and irreversible cultural rupture with the felsinean settlement system. It is worth noting that in the key points of the discussion the ancient writers play still a more important role than modern excavations. The discussion about the central role (or the way to understand the role) of Bologna/Felsina for instance takes place almost exclusively on the textual level. Although in the discussion of the settlement pattern in general both sides use extensively archaeological arguments, the doubt remains if –

considering the present state of our knowledge – there would be any discussion at all in case we dealt only with archaeological evidence. To what extent then, is the latter instrumentalised in the discussion and for the aims of the discussion...? As D.Vitali concludes his last contribution (2004) to the theme: the archaeological evidence is still not sufficiently studied and our knowledge too fragmentary to allow any synthesis. One more observation about the fragmentarity of the evidence: the maps and facts presented here reflect the state of our knowledge in the summer 2008. The theory promoting the Boii to the role of progenitors of the urbanisation movement in transalpine Europe was, however, as mentioned above, first pronounced as early as 1978-1980. The map „downgraded“ to the state of knowledge valid for this date (Fig. 3) shows that basically none of the sites decisive for consideration concerning the settlement problems had been excavated or sufficiently published and studied by that time. We are obliged now to ask on what grounds, then it was actually formulated? Were they more relevant than simply a stereotype „mediterranean=urbanization“?

Notes 1 The theme of this article makes part of the grant project GAUK N°259205 „The Bohemian Oppida and Mediterranean“. 2 Competing versions being that of Livy XXXVI, 39, recording the confiscation of a half of the Boian territory (implying that the other half remained settled) and that of Pliny NH III, 116 according to whom in hoc tractu interierunt (disappeared, vanished) Boii. 3 The latest summary of Bohemian prehistory does not contest the collocation of the historical Boiohaemum within broadly the area of the present day Bohemia (Vencová (ed.) 2008: 9) although the approach to the problem is very cautious. The idea of Boian migration towards Danube is treated with a great reserve there (ibidem). 4 Both literary and archaeological – epigraphic – evidence attest the presence of ethnic groups other than the Celts and it is not at all sure that all the sites are actually „Celtic“ – whatever this word may mean. The ethnical complexity was already clear to Brizio 1887, for modern contributions see mainly Vitali 1985; 2003; Lejars 2006 for the archaeological part of the evidence and Sassatelli 2008 for the epigraphic one.

5 Given the limited space of the present paper, I have to abstain from full bibliographical documentation of all the sites: I hope to make up for this in a forthcoming paper. 6 More detailed publications of Magreta Podere Decima (preliminarily see Kruta, Malanti, Cardarelli 1991) and the settlement traces in Casalecchio di Reno (Ortalli 2008: 316) might broaden (though probably not revolutionize) our knowledge. 7 There are two other instances when fortification is attested in the 3rd-2nd century Emilia: the walls of Modena and those of (rather remote) Ravenna. Any connection with the Boii has to be excluded since both of these masonry constructions (stones and brick respectively) are Roman and as such at best „antiboian“. 8 The single proposals are summed up by Kaenel 2005: 22: Dehn 1961 - 50ha; Guillaumet 1984: 278 – 50 ha; Collis 1984 – 2025 ha; Duval 1984: 280 – 10ha; Fichtl 2005: 19 – 15 ha.We may add to this the 15 ha proposed by J. Waldhauser (1984:266).

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Zur Interpretation der Oppida in Böhmen und in Mitteleuropa1 Vladimír Salaˇc

Abstract Archaeology currently considers the La Tène period oppida to be the first towns north of the Alps. This theory is based on the ideas of the time in which it became prominent, but is increasingly out of step with the results of ­excavations in the last few decades.This paper provides an overview of the development of scholarly research on the oppida of central Europe and illustrates a number of its present problems.

Zusammenfassung In der gegenwärtigen Archäologie ist die Vorstellung stets lebendig, dass die latènezeitlichen Oppida die ältesten Städte nördlich der Alpen sind. Diese Vorstellung entspricht ihrer Entstehungszeit und ist allmählich nicht mehr im Einklang mit den Ergebnissen der Ausgrabungen in den letzten Jahrzehnten. Der vorliegende Beitrag bringt einen Abriss der Entwicklung der Oppidaforschung in Mitteleuropa und weist auf einige ihrer aktuellen Probleme hin.

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Anfänge – Irrtum und Zufall Als Beginn der Oppidaforschung kann symbolisch das Jahr 1867 bezeichnet werden, als in Murcens (Frank­ reich) ein murus gallicus entdeckt wurde (Castagné 1868) und die Ausgrabungen auf dem Mt. Beuvray aufgenommen wurden. Diese Ausgrabungen wurden im politischen Auftrag von Napoleon III. durchgeführt und dienten dem Anliegen, die Stellung der Gallier in der Geschichte Frankreichs anhand archäologischer Untersuchungen der Punkte ihrer militärischen Zusammenstöße mit Caesar zu betonen. Die größten Ausgrabungen realisierten J.-G. Bulliot (1867-1895) und J. Déchelette (1897-1901) auf dem Mont Beuvray, wo die Hauptstadt des Stammes der Haeduer – Bibracte – lokalisiert wurde. Aufgrund ihrer Entdeckungen entstand jene Vorstellung, dass Oppida große und reiche Städte waren. „Les forteresses gauloises n‘etaient pas de simples refuges destinés uniquement à recueillir en cas d‘alerte les gens et les bestiaux, mais de véritables villes occupées par une population fixe comprenant divers corps de métier... L‘oppidum était aussi l’emporium, le marché de la cité: les villes importantes de la Gaule renfermaient des comptoirs de commerce, des magasins et des ateliers... les trafiquants romains, au péril le leur vie, s‘etaient installés dans les principales villes gauloises...“ (Déchelette 1914: 948). Zur gleichen Zeit begannen auch in Böhmen die Untersuchungen keltischer Fundstätten. Im Jahre 1865 veröffentlichte J.E.Wocel die erste Arbeit über die keltischen Befestigungen. 1877 wurde in Hradištˇe bei Stradonice ein Depot mit goldenen Münzen gefunden, was wilde Ausgrabungen zu Folge hatte, welche eine Menge Funde erbrachten. Die ersten planmäßigen Ausgrabungen in einem Oppidum in Böhmen verwirklichte 1895 und 1902 J.L. Pícˇ in Hradišteˇ bei Stradonice. Seine Ergebnisse veröffentlichte er schon ein Jahr später (Pícˇ 1903). Sein Buch hat J. Déchelette ins Französische übersetzt (Pícˇ 1906), und so wurde es eines der grundlegenden europäischen Werke für das Studium der Spätlatènezeit. Das Oppidum Stradonice wurde mit seinen reichen Funden Maßstab und Anhaltspunkt für die Identifizierung weiterer Oppida nicht nur in Böhmen, und für eine bestimmte Zeit bürgerte sich sogar der Begriff Stradonicer Kultur ein. Kurz danach wurden zwei anˇ dere Oppida bekannt - Ceské Lhotice in Ostböhmen

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(Šnajdr 1911) und Staré Hradisko in Mähren (Lipka 1909). F. Lipka bezeichnete dabei Staré Hradisko als das „mährische Stradonice“. Am Anfang der Oppidaforschung in Böhmen und Mähren standen also Funde von zwei der reichsten Fundstätten – Stradonice und Staré Hradisko –, was zweifelsohne auch den Gesamtblick auf diesen Siedlungstyp beeinflusste. Die Oppida wurden von Anfang an für wichtige wirtschaftliche Zentren gehalten. Pícˇ (1903: 110-111) schreibt, dass Stradonice von Händlern und Handwerkern bewohnt war und hier handwerkliche Werkstätten tätig waren. Er bezeichnet Stradonice aber als Burgwall und nicht als Oppidum, obwohl ihm die französischen Oppida bekannt waren. Ähnlich führen Karel Buchtela und Lubor Niederle (1910) in ihrem Handbuch zur tschechischen Archäologie Stradonice als Burgwall an, und charakterisieren es als „ein hervorragendes Handels- und etwa auch Militärzentrum“. Dank der persönlichen Kontakte zu J.L. Pícˇ hatte J. Déchelette sehr gute Informationen über das Oppidum Stradonice, sodass er ihm in seinem Werk große Aufmerksamkeit widmete, Stradonice darin mit Bibracte verglich und es als Oppidum und Siedlung städtischen Charakters bezeichnete. Bekannt ist seine Vergleichstabelle, in die er neben Bibracte und Stradonice auch Manching und Velem St. Vid aufgenommen hatte (Déchelette 1914: 985,Tab. 404). Durch sein Werk wurde die weitere Entwicklung der Interpretation von latènezeitlichen Oppida in ganz Europa für lange Jahrzehnte vorbestimmt. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass am Anfang dieser Interpretation ein Irrtum stand, nämlich eine falsche Datierung der Funde und Befunde in Bibracte und der Zufall, dass zuerst vor allem die außerordentlich reichen Oppida untersucht wurden (Stradonice). Ein sehr wichtiger Umstand, der zur Interpretation der Oppida als Städte und einzige Produktions- und Handelszentren führte, war die absolute Absenz der Kenntnis von offenen Siedlungen. Bekannt waren damals nur flache Körpergräberfelder (siehe Salacˇ 2005). Weiterhin ohne offene Siedlungen Nach dem Ersten Weltkrieg, obwohl keine Freilegungen von latènezeitlichen Fundstätten realisiert

wurden, hatte die Interpretation der Oppida in der tschechischen Archäologie einen beträchtlichen Fortschritt gemacht. In der Einführung in die Urgeschichte Böhmens und Mährens bezeichnete O. Menghin (1926) Stradonice als „Stadtburg“.Wenige Jahre später schreibt J. Schránil (1928, 249) in seiner Vorgeschichte Böhmens und Mährens: „Es war kein Volk von Ackerbauern und Viehzüchtern, das diese festen gallischen Oppida bewohnte. Die Funde auf den Burgwällen von Stradonice und Staré Hradisko überzeugen uns, dass es Fabrik- und Handelsstationen waren, wo Bronze-, Eisen- und Glasgegenstände in Werkstätten hergestellt wurden, und wo sich der Handel mit entfernten Ländern konzentrierte, wofür die zahlreichen Münzen auswärtigen Ursprungs stumme Zeugen sind“. In den Jahren 1934-37 führte J. Böhm planmäßige Ausgrabungen im Oppidum Staré Hradisko durch, bei denen ein Hektar Fläche freigelegt wurde, was die umfangreichste Ausgrabung in einem Oppidum bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa darstellte. Auch wenn die Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden, beeinflussten sie wesentlich die Ansicht über Oppida in der böhmischen Archäologie. J. Böhm genoss nämlich große Autorität2 und seine Ansichten erfreuten sich großen Respekts. „Aus dem archäologischen Gesichtspunkt ist sehr wichtig, dass die Städte (Oppida – Bemerkung V.S.) sämtlichen Handel mit Rohstoffen und sämtliche Produktion mit all den Herstellungstechnologien in ihren Mauern konzentrierten..., ... die Städte schafften es, Produkte aller Art in solcher Menge herzustellen, dass sie alle Konkurrenz erschwerten, und zwar vor allem die Produktion in Dörfern...“ (Böhm 1942: 443). In seiner Arbeit über die ältesten Städte, die sich vornehmlich mit keltischen Oppida befasst, hat er diese Vorstellung durch die Berechnung der Einwohnerzahl von Staré Hradisko mit dem Ergebnis von 5000 Personen betont (Böhm 1946). Dieses Buch schuf gemeinsam mit der Arbeit der zweiten großen Autorität der tschechischen Archäologie, J. Filip (1948), ein Bild von Oppida als vorindustrielle Städte. Zu erwähnen sind noch die Freilegungen von L. Franz im Oppidum Tˇrísov in Südböhmen in den 30er Jahren. Die hiesigen Ausgrabungen zeigten eine Befestigung sowie relativ intensive Besiedlung, boten jedoch keine attraktiven Funde wie Stradonice und Staré Hradisko. Diese Ergebnisse führten beim Autor zur Vorstellung von Tˇrísov als Provinzstadt: „Wir ha-

ben uns den Ort als provinzielle Verkleinerung der großen Oppida zu denken, als Landstädchen mit nicht sehr großer Einwohnerzahl, die Gewerbe und Handel trieben, nicht in wenigen Großunternehmungen, sondern in mehreren kleinen Werkstätten, während in der Umgebung sicher bäuerliche Niederlassungen gewesen sind“ (Franz 1942: 49). Zwischen den beiden Weltkriegen kamen keine neuen Erkenntnisse über offene Siedlungen hinzu, was die Deutung der Oppida als Städte, in denen sich sämtliche Produktions- und Handelsaktivität abspielte, noch verstärkte. In den 50er Jahren des 20. Jh. begannen planmäßige Ausgrabungen der Oppida Hrazany in Mittelböhmen und Tˇrísov in Südböhmen (zu Motivationen der Ausgrabungen in Oppida vgl. Salacˇ 2009). Wie gerade angeführt, gehört Tˇrísov nicht zu den reichsten Oppida. Überraschend noch bescheidenere Ergebnisse erbrachten langjährige Ausgrabungen in Hrazany, die nur eine sehr geringe Menge von nichtkeramischen Kleinfunden erbrachten (Jansová 1965; 1986/1988/1992). Seinerzeit handelte es sich um die einzigen planmäßigen Ausgrabungen keltischer Oppida in Europa. Auch wenn die ersten Berichte über offene Siedlungen allmählich zu erscheinen begannen, stützte sich trotzdem die ganze Forschung über die Latènezeit weiterhin auf die aus den Oppida und Körpergräberfeldern gewonnenen Erkenntnisse. Ähnlich war es in ganz Europa, wie das 1970 in Prag veranstaltete internationale Kolloquium zur Latènezeit am besten veranschaulicht, an dem „Spezialisten aus nahezu allen Gebieten des keltischen Siedlungsraums“ (Filip 1971: 272) teilnahmen. Auch dabei wurden ausschließlich Oppida und Gräberfelder präsentiert. Dieses Kolloquium schließt eigentlich die Forschungsetappe über die Latènezeit ohne jede Kenntnis von offenen Siedlungen ab. Es ist zu bemerken, dass gerade planmäßige Ausgrabungen der Oppida Hrazany, Tˇrísov und Závist und auch Notgrabungen in Manching anzudeuten begannen, dass zwischen den einzelnen Oppida wesentliche Unterschiede bestehen. Endlich Siedlungen Erst Ende der 50er Jahre des 20. Jh. begannen konkretere Mitteilungen über offene Siedlungen zu erscheinen (z. B. Motyková-Šneidrová 1959/1960). Im

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Jahre 1964 veröffentlichte A. Rybová (1964) Ergebnisse der planmäßigen Ausgrabungen eines Teiles der offenen Siedlung in Nový Bydžov–Chudonice. Ende der 60er Jahre legte sie dann einen zusammenfassenderen Blick auf die unbefestigten Siedlungen vor (Rybová 1969), die sie zwar der Überlieferung nach als bäuerliche Dörfer bezeichnete, wies aber auf Nachweise der Handwerkerproduktionen in diesen Dörfern hin – Töpferei, Hüttenwesen, Schmiedehandwerk, Steinmetzerei, Weberei usw. Erst umfangreiche Notgrabungen in NordwestBöhmen in den 60er und 70er Jahren brachten eine Menge Informationen zu offenen Siedlungen. Besonders die Freilegung der Siedlung in Radovesice, welche die erste Flächengrabung einer ganzen latènezeitlichen Siedlung in Europa darstellte, beeinflusste die Ansicht über die Dörfer (z. B.Waldhauser 1977). Sie bestätigte eine breite Skala handwerklicher Tätigkeiten, welche schon die früheren Teilgrabungen angedeutet hatten. Überraschend war allerdings auch die breite Skala der aus umliegenden Regionen sowie aus sehr entfernten Landschaften eingeführten Gegenstände, die belegten, dass die Siedlung zum regionalen und auch überregionalen Handel Zugang hatte. Durch die Untersuchung der kleinsten Siedlungseinheit des sog. Gehöftes bei Bílina (Waldhauser,  Holodnák 1984) ˇ trat ein neuer Siedlungstyp zu der allmählich untersuchten Siedlungsstruktur hinzu. Auch in dieser kleinsten Siedlungseinheit wurden Spuren handwerklicher Aktivitäten (Eisenschlacke) und importierte Artefakte (Feinkeramik) gefunden. Allmählich wurde offensichtlich, dass weitaus nicht alle offenen Siedlungen ausschließlich für Agrardörfer gehalten werden können und dass sich handwerkliche Tätigkeiten auch in der Nutzungszeit der Oppida in den Dörfern abspielten. Unerwartete Siedlungstypen Die Notgrabungen in den 80er Jahren in Lovosice (NW-Böhmen) haben nachgewiesen, dass sich unterhalb der heutigen Stadt eine ausgedehnte latènezeitliche Siedlung mit einer Fläche von 40-60 ha befand. In diesem Bereich fanden sich schon seit dem 19. Jh. Töpferöfen, von denen mindestens 15 hier festgestellt wurden, was mehr als die Hälfte sämtlicher in

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ganz Böhmen ausgegrabener latènezeitlicher Töpferöfen darstellt. Die Auswertung der Keramik hat ergeben, dass die nordböhmischen offenen Siedlungen mit Feinkeramik von den Lovosicer Werkstätten versorgt wurden (Rulf, Salacˇ 1995). Die hiesige Feinkeramikproduktion hatte also offenbar eine überregionale Bedeutung. In Lovosice wurde auch eine Werkstatt zur Herstellung von Drehmahlsteinen festgestellt. Die überregionale Bedeutung dieser Produktion wurde durch eine petrologische Analyse der gesamten Mahlsteinfunde aus Böhmen nachgewiesen, die zeigte, dass die Lovosicer Mahlsteine nach ganz Böhmen geliefert wurden (Waldhauser 1981). Sie wurden sogar bis ins Oppidum Staré Hradisko in Mähren exportiert, d. h. in eine Entfernung von über 200 km Luftlinie ˇ ( Cižmᡠr, Leichmann 2002). Neben der Keramik- und Mahlsteinproduk­tion von überregionaler Bedeutung wurden weitere handwerkliche Aktivitäten in Lovosice nachgewiesen: Schmiedehandwerk, Eisenhütten, Knochen- und Textilproduktion. Große Handelsaktivitäten der Siedlung von überregionaler Bedeutung weist nicht nur der massenhafte Export von Mahlsteinen und Feinkeramik auf, sondern auch eine breite Skala importierter Gegenstände und Rohstoffe: Sapropelitschmuck, Glasarmringe und -perlen, Bruchstück eines Glasgefäßes, bemalte und Graphitkeramik, Rohgraphit. Es fehlt auch nicht Keramik aus entfernteren Gebieten – Mittelrhein-, Mitteldonau- oder Mittelelbegebiet. Selbstverständlich muss auch Import von Buntmetallen und weiteren Rohstoffen angenommen werden. Angesichts dessen, dass die Lovosicer Siedlung auf Grund ihrer Fläche und der intensiven Produktionsund Handelsaktivitäten von den gängigen latènezeitlichen offenen Siedlungen abweicht, wurde für diesen Siedlungstyp die Bezeichnung Produktions- und Distributionszentrum /PDZ/ vorgeschlagen (Salacˇ 1990; 2000a). Führen wir jetzt ihre weiteren wichtigen Charakteristika an. Sie dehnt sich in einer fruchtbaren Ebene in einem vom Neolithikum bis heute besiedelten Raum aus. Die Siedlung liegt in einer verkehrsgeographisch sehr günstigen Lage, die den Elbeflusslauf sowie auch einige wichtige Landwege überwachen lässt. Die intensivste Besiedlung ist in der Flussschlinge belegt, am Platz eines Naturhafens (Resslova Strasse, Abb.

Abb. 1: Lovosice (NW Böhmen). Typische Lage eines Produktions- und Distributionszentrums im fruchtbaren Tiefland an Fernwegen, vom Neolithikum bis heute besiedelt. Oben Stratigrafie in der Resslova-Straße (A auf dem Foto) - Schichten: A – Frühmittelalter, B – römische Kaiserzeit, C – Latènezeit, D – der gewachsene Boden mit neolithischen Funden).

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1,A), wo spätestens seit LT B2 gesiedelt wurde. Die Siedlung bestand bis zu Ende von LT D1, als der hiesige Raum von der neuen Großromstedter Kultur direkt übernommen wurde. Manche dieser Charakteristika sind auch für weitere unbefestigte latènezeitliche Zentralsiedlungen in Eu­ropa kennzeichnend, z. B. Aulnat, d´Acy-Romance, Bad Nauheim, Basel-Gasfabrik, Berching-Pollanten, Breisach-Hochstätten, Chalon sur Saône, Nowa Cerekwia, Levroux Les Arènes,Yverdon-les-Bains (vgl. z. B. Czerska 1976; Andouze, Buchsenschütz 1989; Guillaumet 1985; Guichard, Sievers, Urban 2000; Rieckhoff, Biel 2001; Müller, Kaenel, Lüscher 1999; Schäfer 2003a). Es hat sich also gezeigt, dass es notwendig war, in die damals bekannte latènezeitliche Siedlungsstruktur die Produktions- und Distributionszentren aufzunehmen, in denen eine größere Einwohnerzahl lebte als in Dörfern, und in denen sich Produktion und Handel deutlich konzentrierten. Diese Zentren waren bezüglich wirtschaftlicher Aktivitäten den Oppida gleichgestellt, viele von ihnen haben sie sogar mit ihrem wirtschaftlichen Potential übertroffen. Ähnliches wurde auch im Westen Europas parallel festgestellt (cf. Buchsenschütz 2002; 2008). Anfang des 21. Jh. wurden zwei Siedlungen entdeckt, deren Funde und Befunde unsere Kenntnisse der Siedlungsstrukturen erweitert haben: Neˇ mcˇice nad Hanou in Mähren und Roseldorf in Niederösterreich. Die Siedlung in Neˇ mcˇice nad Hanou weist ähnliche Charakteristika wie das PDZ auf: Es liegt auf einer milden Anhöhe mitten im fruchtbaren Gebiet in einer günstigen verkehrsgeographischen Lage; die Mindestfläche wird aufgrund der geophysikalischen Untersuˇ chungen auf 50 ha geschätzt (Kˇrivánek, Cižmá rˇ 2007), ihre Anfänge reichen bis in die Stufe LT B2 hinein und der Höhepunkt wurde in der Stufe LT C2 erreicht. Die Existenz der Siedlung in der nachfolgenden Stufe LT D1 ist bisher nicht klar. In Neˇ mcˇice wurden bislang keine Ausgrabungen durchgeführt, deshalb gehen sämtliche Informationen auf die Auswertung der Funde von Feldbegehungen zurück, wobei ein Teil der Artefakte von Sondengängern gewonnen wurde und den Archäologen nicht zugänglich ist. Die folgenden Fundzahlen sind deshalb als Minimum zu betrachten. ˇ Bis zum Jahr 2006 führen M. Cižmá rˇ und E. Kolníková (2006) unter gewonnenen Funden folgendes an: 420

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Münzen3, 1500 bronzene und 500 eiserne Kleinfunde. N. Venclová (im Druck) registriert 515 Glasarmringe, über 500 Perlen und Ringperlen und 300 Stück Glastropfen und Bruchstücke von Rohglas. Einen beträchtlichen Teil der Kleinfunde bilden Halbfabrikate und Produktionsabfall, die eine umfangreiche Gieß- und Schmiedeproduktion sowie die Herstellung von Glasschmuck nachweisen. Die gefundene Tüpfelplatte mit festgestellten Goldresten, goldene Ingote sowie Schrötlinge liefern einen Nachweis der Goldmünzenprägung. Aufgrund der Menge gefundener kleiner Silbermünzen des gleichen Typs wird ihre Produktion in Neˇ mcˇice erwogen. In der Siedlung ist auch ein intensiver Handel belegbar, inklusive des Fernhandels. Es zeugen davon nicht nur die Produktion aus Rohmaterial und Halbfabrikaten, die sich in der Umgebung der Siedlung nicht fanden (Gold, Silber, Kupfer, Zinn) oder hier nicht hergestellt wurden (Rohglas), sondern vor allem zahlreiche Gegenstände fremder Provenienz, die enge Kontakte vor allem in südlicher und südöstlicher Richtung aufweisen. Die gefundenen Münzen stammen dann nicht nur aus benachbarten Ländern, sondern auch aus entfernten Gebieten (Abb. 2). Eine identische Lage auf einer sanften Anhöhe in fruchtbarer Landschaft und eine mehrere Dutzend Hektar große Fläche weist die Siedlung Roseldorf (Nieder­österreich) auf, woher auch eine vergleichbare Fundzahl stammt, einschließlich z. B. ein Minimum von 1500 Münzen (Dembski 2008). Auch hier lässt sich eine Skala von Produktions- und Handelsaktivitäten inklusive Münzwesen nachweisen. Das häufige Vorkommen von kleinen Silbermünzen in beiden Fundstätten führte zu deren Benennung nach den beiden Siedlungen – Typ Neˇ mcˇice-Roseldorf. Auch die Anfänge dieser Siedlung sind schon in die Stufe LT B2 zu datieren (Dembski 2008; Holzer 2007). Im Unterschied zu Neˇ mcˇice verlaufen hier schon seit mehreren Saisonen Ausgrabungen, bei denen es gelang, ein Heiligtum freizulegen und somit nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine kultische Bedeutung der hiesigen Siedlung zu belegen (Holzer 2008). Vorläufig kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die beiden Siedlungen oder deren Teile befestigt waren. Es ist aber offensichtlich, dass sich keine mächtige Befestigung, wie sie von Oppida bekannt sind,

ˇ Abb. 2: Herkunftsplätze fremder, im Zentrum von Nˇemcˇice nad Hanou gefundener Münzen (nach Cižmᡠr, Kolníková 2006).

auf ihnen befand. Beide Siedlungen weichen mit ihrer Fundmenge und dem Reichtum von den bisherigen Vorstellungen über die Produktions- und Distribu­ tionszentren ab, deshalb seien sie vorläufig nach dem Muster der Münzen – Zentren vom Typ Nˇemˇcice- Roseldorf (NRZ) bezeichnet. Der heutige Blick auf die Siedlungsstruktur der Latènezeit Die Erforschung der offenen Siedlungen brachte seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine

Menge wichtiger Erkenntnisse, die den Blick auf die Siedlungsstrukturen der Latènezeit und nicht zuletzt auch auf die Stellung der Oppida innerhalb dieser Struktur grundsätzlich verändert haben. Heute werden Gehöfte, Siedlungen, PDZ, NRZ und Oppida (Abb. 3)4 unterschieden. Offensichtlich müssen wir uns von jenen Modellen verabschieden, welche nur zwei Typen von Siedlungen unterscheiden, nämlich Oppida/Städte und offene Siedlungen (Dörfer). Ebenso muss auf jene Vorstellung verzichtet werden, dass sich in den Oppida sämtliche handwerkliche Aktivität abspielen sollte, während offene Siedlungen

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Abb. 3: Schema der Entwicklung des Erkenntnisstandes der latènezeitlichen Siedlungsstruktur in Böhmen und in Mitteleuropa.

ausschließlich an der Agrarproduktion orientiert sein sollten. Wenn nämlich die oben angeführten Zentren in die Struktur aufgenommen werden, die den Oppida chronologisch vorangingen, aber mit ihnen nachweisbar wenigstens teilweise gleichzeitig waren, dann wird nicht nur die Siedlungsstruktur komplizierter, sondern vor allem die Relationen zwischen ihnen. Bei der Deutung der Beziehungen zwischen verschiedenen Siedlungstypen ist es nötig gedanklich zuzulassen, dass auch einfache offene Siedlungen eine breite Skala handwerklicher ­Aktivitäten aufweisen und vor allem, dass die Produktion sowie Handel sich in den PDZ und NRZ konzentrierten. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus besaßen Oppida also bei weitem keine so außerordentliche Stellung, wie dies bis vor kurzem beurteilt wurde. Gleichzeitig scheint klar zu sein, dass die Zentren vom Typ Neˇ mcˇice-Roseldorf in der Voroppidazeit eine solche wirtschaftliche (aber höchstwahrscheinlich auch politische oder kultische) Bedeutung gewannen, die später nur von einigen wenigen der reichsten Oppida erreicht wurde. Zur Bildung einer zumindest vorläufigen Vorstel-

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lung von der Zahl der Funde bzw. dem Reichtum der Fundstellen wurde Tab. 1 zusammengestellt, die das Vorkommen von Münzen registriert, die als typisches Artefakt in der letzten Zeit meistens mittels Detektoren entdeckt werden. Zum Vergleich und zur Eliminierung wenigstens der gröbsten Verzerrung sind hier auch Funde von Glasarmringen angeführt, also eines markanten Artefaktes, das im Gegensatz dazu mittels Detektoren nicht aufzufinden ist. Obwohl die Tabelle nur die Mindestwerte bringt, die zudem nicht direkt vergleichbar sind, zeigt sich, dass zwischen der Fundmenge in den einzelnen Fundstellen riesige Unterschiede bestehen. Die reichsten Fundstellen sind dabei die NRZ. Manching als Zentrum vom Typ Nˇemcˇ ice­Roseldorf Eines der reichsten Oppida ist zweifelsohne Manching, das dank umfangreicher Freilegungen und großzügiger Publikationen zum Vorbild der Oppidum-Stadt geworden ist. Beim näheren Blick auf diese Fundstätte

stellen wir allerdings fest, dass sie in vielen Parametern mit den PDZ und NRZ identisch ist. Die Anfänge der Siedlung in Manching sind genauso wie bei den PDZ und NRZ schon in der Stufe LT B2 zu suchen, genau wie jene liegt sie im fruchtbaren Tiefland und verfügt über eine günstige verkehrsgeographische Lage direkt an angenommenen Landwegen und am ehemaligen Donauufer. Manching befand sich im immer besiedelten Gebiet, auch heute ist es zum Teil von einem Städtchen überdeckt. Durch diese Charakteristika unterscheidet sich das hiesige Oppidum deutlich von den meisten mitteleuropäischen Oppida. Mit ihnen teilt sie eigentlich nur die Befestigung. In ihrer zusammenfassenden Arbeit hat S. Sievers (2003) richtig auf die Tatsache hingewiesen, dass die hiesige Siedlung während des Großteils der Nutzungszeit nicht befestigt war, und Manching erfuhr den Höhepunkt seines wirtschaftFundstelle

lichen Aufschwungs noch vor dem Aufbau der Befestigung. In den Stufen LT B2-C2 würden wir also keine Unterschiede zwischen Manching und den anderen Zentren feststellen, und die hiesige offene Siedlung kann für diesen Zeitraum also mit Recht der Kategorie der Zentren zugeordnet werden, hinsichtlich der Fülle der Funde der Kategorie der Zentren vom Typ Neˇ mcˇice-Roseldorf (vgl. z.B. Tab. 1). Was ist jetzt mit den Oppida? Der oben angeführte Abriss der Forschungsent­ wicklung zeigt folgendes: Sollen keine irreführenden Schlüsse gezogen werden, so müssen Oppida ausschließlich im Kontext der ganzen Siedlungsstruktur interpretiert werden. Man darf nicht annehmen, dass wir die Struktur vollständig kennen oder sogar verste-

Typ der Fundstelle PDZ/NRZ

Freilegung über 1 ha +

Münzen 98

Glasarm­ ringe 430

Bergoppidum

+

3

0

PDZ NRZ/Taloppidum NRZ

+

1342

23 620

-

430 (2000)1

518

Neubau bei Linz Roseldorf Stradonice

PDZ/NRZ

+

162

?

NRZ Bergoppidum

-

1500 1400 (+700)2

? 143

Staré Hradisko

Bergoppidum

+

91

62

Tˇrísov

Bergoppidum

+

6

9

Závist

Bergoppidum

+

16

4

Berching­Pollanten Hrazany Lovosice Manching Nˇemˇcice

Literatur Schäfer 2003a; 2003b; 2007 Militký 2008; Venclová 1990 Salacˇ 1990; 2001 Gebhard 1989; Kellner 1990; Sievers 2003 ˇ Cižmᡠr - Kolníková 2006; Venclová im Druck Prokisch 2007; Trebsche 2007 Dembski 2008 Militký 2008; Venclová 1990 ˇ Cižmᡠr 2003; Venclová 1990 Militký 2008; Venclová 1990 Militký 2008; Venclová 1990

Tab. 1. Münzen- und Glasarmringfunde in einigen PDZ, NRZ, Tal- und Bergoppida in Mitteleuropa. Angaben in Klammern: 1 ­­­– geschätzte Zahl inklusive Privatsammlungen, 2 – Zahl der geschmolzenen Münzen aus dem Depot aus dem Jahre 1877.

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hen, trotzdem ist der gegenwärtige Forschungsstand eine Herausforderung, an Siedlungstypen und Denkmale neu heranzugehen. Es wurde gerade darauf hingewiesen, dass das Oppidum Manching, eine der Säulen der Oppidaforschung, unter ihnen eher eine Ausnahme darstellt und im Gegenteil betreffs der meisten Charakteristika den bisher bekannten PDZ und vor allem NRZ näher liegt, was durch seine Lage im Tiefland am markantesten zum Vorschein kommt. Es sei das Oppidum im Tiefland also als selbstständiger Typ ausgegliedert und als Taloppidum bezeichnet und einer gemeinsamen Kategorie mit den Zentren vom Typ Nˇemˇcice-Roseldorf zugeordnet. Für die anderen „klassischen“ Oppida ist die Lage auf Bergen typisch. Bezeichnen wir sie also als Bergoppida und versuchen wir, beide Kategorien zu charakterisieren: Taloppida / NR Zentren - liegen in fruchtbaren Tiefebenen mit dichter Besiedlung und verfügen also über ein günstiges Agrarhinterland - aus ihren Arealen ist eine Besiedlung während anderer archäologischer Kulturen bekannt, heute sind sie oft besiedelt - sie befinden sich direkt an Fernwegen, Kreuzungen, Flüssen usw. und können diese deshalb unmittelbar nutzen und kontrollieren - sie sind großflächig (Dutzende von Hektar), dicht besiedelt und weisen eine Konzentration von Produktions- und Handelstätigkeiten in hohem Maße auf - nur wenige haben heute eine festgestellte Befestigung (Manching), wodurch die meisten von ihnen nicht den archäologischen Vorstellungen von einem Oppidum entsprechen - sie entwickelten sich allmählich von kleineren Dörfern bis zu wichtigen und großen Zent­ral­­siedlungen - die Wurzeln von Taloppida/NRZ sind mindestens schon im 3. Jh. v. Chr. zu suchen – sie sind also wesentlich älter als die Bergoppida Bergoppida - liegen auf den Bergen, am Rande oder ganz außerhalb der besiedelten Regionen, ihnen fehlt günstiges Agrarhinterland

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- nicht selten liegen sie abseits der natürlichen Fernverbindungen - ihre Areale waren nicht selten vor dem Oppidaaufbau leer, nach der Oppidazeit blieben sie unbesiedelt - auch in der Latènezeit waren nicht alle dicht besiedelt, auf manchen ist keine großflächige und dichte Besiedlung und auch keine besondere Konzentration von handwerklicher Produktion nachweisbar - alle sind befestigt - sie wurden in der Regel auf der grünen Wiese in einem Zug erbaut - sie wurden alle erst nach Mitte des 2. Jh. v. Chr. aufgebaut5 Beim Blick auf die angeführten Charakteristika scheinen Taloppida und NRZ6 dem Begriff Stadt wesentlich besser zu entsprechen. An ihnen ist eine wesentlich breitere Skala von städtischen (zentralen) Funktionen zu demonstrieren: Produktionskonzentration, umfangreiche Handelstätigkeit, Kontrolle und Organisation des Verkehrs, kultische Einrichtungen, im Falle der Befestigung auch Schutzfunktionen und strategische Einrichtungen. Hinsichtlich Funden von großen Silos und Speichern (z. B. Basel-Gasfabrik, Roseldorf, Manching) ist ein Anteil an der Wirtschaftung mit Agrarprodukten vorauszusetzen. Zu erwägen sind natürlich auch wichtige politische, administrative oder machterhaltende Funktionen. Nachgewiesen ist die Konzentration der Bevölkerung und auch die „urbanistische Verbauung“. Dagegen sind an zahlreichen Bergoppida manche dieser Funktionen nicht nachweisbar. Die wirtschaftliche Bedeutung der Berg­ oppida war offenbar niedriger als die der Tal­oppida. Schon in Bezug auf ihre Lagen an Fernwegen innerhalb besiedelter Regionen konnten die Tal­oppida ihre städtischen Funktionen viel besser erfüllen als die Berg­oppida.7 Die Nachteile der Lage von Berg­ oppida zwecks Erfüllung der städtischen Funktionen werden eindeutig durch die weitere Besiedlungsentwicklung ihrer Areale belegt, die nach dem Untergang der Latènekultur in der Regel verlassen blieben und bis heute leer sind (Abb. 4). Gerade diese Tatsache ­demonstriert am besten die Annahme, dass der Aufbau von Bergoppida der Entwicklung der Urbanisierung in Mitteleuropa ausweicht und so eigentlich ihre Sack-

Abb. 4: A - Závist (Mittelböhmen), B - Mt. Beuvray (Burgund). Typische Lagen der Bergoppida bleiben leer – heute sind sie höchstens von Archäologen bewohnt.

gasse darstellt. Im Gegenteil weist die Überdeckung vieler PDZ/NRZ und Taloppida durch heutige Städte darauf hin, dass gerade diese die natürlichen Urbanisierungsprozesse widerspiegeln (vgl. Salacˇ 2000b). Ein unbestrittener Vorteil der Bergoppida ist im Gegenteil ihre günstige Lage für die Erfüllung der militärischen und symbolischen Rollen. Die Bergoppida konnten die Funktion einer Festung zweifellos besser erfüllen als die Taloppida oder sogar unbefestigte NRZ. Auch vom symbolischen Gesichtspunkt her waren ihre dominanten Lagen auf Bergen viel attraktiver als unauffällige Lagen im Tiefland. Es ist höchstwahrscheinlich, dass die Befestigung selbst, oft sehr mächtig und prächtig, auch eine ästhetische bzw. symbolische Funktion hatte. Hinsichtlich der Ausmaße einiger Oppida kann sogar bezweifelt werden, dass es möglich war, die (ganze) Anlage effektiv zu verteidigen und man fragt sich, ob die symbolische Aufgabe

letztendlich nicht eine wichtigere Rolle beim Aufbau der Befestigung spielte, als wir heute zulassen mögen. Ich vermute, der Aufbau von Bergoppida war zum wesentlichen Teil vor allem durch strategische und symbolische Gründe motiviert und sie erfüllten vor allem diese Rolle. Nur ein Teil von ihnen erreichte eine größere wirtschaftliche Bedeutung und den Charakter einer Stadt. Messen wir allerdings den Taloppida und NRZ die städtischen Funktionen zu, müssen einige weitere Hypothesen unbedingt umbewertet werden. Vor allem zeigt sich, dass die Annahme, dass die ersten Städte nördlich der Alpen Bergoppida darstellen, falsch ist. Es ist unumstritten, dass manche Stadtfunktionen schon die NRZ erfüllten. Die bisherige Identifizierung der Oppida ausschließlich mit den Bergoppida führte zur Ansicht, dass die Städte in Mitteleuropa plötzlich und unter starkem Einfluss von außen entstanden. Solche Vorstellungen haben z.B. P. Drda mit A. Rybová (z.B. 1995: 121-127) eindeutig formuliert, die vermuten, dass Oppida in Mitteleuropa von den durch die gestärkte römische Macht aus Norditalien vertriebenen Boiern erstmals erbaut wurden. Abgesehen von dem Fakt, dass es für eine solche Hypothese weder im Ausgangsgebiet, also Norditalien (Kysela 2009), noch in der Chronologie Anhaltspunkte gibt, ist es offensichtlich, dass diese Hypothese auch aktuellen Kenntnissen von der Siedlungsstruktur nicht entspricht. Zur Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten und dementsprechender Bevölkerungskonzentration in relativ ausgedehnten Zentralsiedlungen kam es deutlich vor dem Aufbau von Tal- und Bergoppida. Die meisten wirtschaftlichen und zivilisationsbezogenen Elemente, die lange Zeit erst der Zivilisation der (Berg)Oppida zugemessen wurden, existierten nördlich der Alpen schon wesentlich früher. Die allmähliche Entstehung der NRZ ging zweifellos von inneren Bedürfnissen der latènezeitlichen Gesellschaft aus und man kann annehmen, dass die antiken Einflüsse, die sicher existierten (z.B. Münzwesen), sich auf diese Entwicklung zwar auswirken konnten, z. B. sie beschleunigten, nicht aber verursachten. Die Vorstellung von einer simplen Übertragung der Städte (welchen Typus?) von Nord­ italien ins latènezeitliche (also urgeschichtliche) Mitteleuropa im 2. Jh. vor Chr. (LT C2), ohne dass hier für

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Abb. 5: Oben – die wichtigsten Oppida in Europa nach U. Schaaf und A. K. Taylor (1975). Unten – Böhmen und Umgebung ergänzt durch Produktions- und Distributionszentren und Zentren vom Typ Nˇemˇcice-Roseldorf.

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ihre Existenz Bedingungen geschaffen waren, ist aus ökonomischem Blickwinkel nur schwer vorstellbar. Im latènezeitlichen Milieu Mitteleuropas stellt gerade die Entstehung von NRZ die ersten Schritte in der Urbanisierung des Landes dar, die nicht durch den Ausbau der Bergoppida ihren Höhepunkt erreichte, sondern durch die Befestigung einiger NRZ und also durch die Entstehung von Taloppida. Die Wurzeln dieser Entwicklung sind zumindest schon im 3. Jh. v. Chr. zu finden, wo PDZ und NRZ die führende Rolle bei der Entwicklung der latènezeitlichen Wirtschaft und Gesellschaft spielten. Die Entwicklung der ganzen latènezeitlichen Gesellschaft bestimmten auch im 2. Jh. v. Chr. vor allem PDZ, NRZ und Taloppida, die ihre Rolle auch im 1. Jh. v. Chr. nicht verloren hatten. Es könnte scheinen, dass dieser Behauptung eine niedrige Anzahl der bekannten PDZ, NRZ und letztendlich auch Taloppida widerspricht. Es kann aber auch so erklärt werden, dass es sich um die Widerspiegelung des aktuellen Forschungsstandes handelt (Abb. 5). Waren noch vor vierzig Jahren praktisch keine offenen Siedlungen bekannt, wurde vor zwanzig Jahren erst die Entdeckung der PDZ eingeleitet und war über die NRZ bis unlängst keine Spur vorhanden, dann ist im Vergleich dazu die Zahl der Bergoppida schon lange Jahrzehnte beständig und ist gewissermaßen auch für endgültig zu halten.

Die Anzahl der nachgewiesenen und vorausgesetzten unbefestigten Zentralsiedlungen nimmt dagegen ständig zu (z.B. Etzersdorf, Karwowski 2004; Egglfing, Uenze 2007; Neubau bei Linz, Prokisch 2007; Trebsche 2007). Es ist nicht auszuschließen, dass bei einigen dieser Siedlungen mit der Zeit auch Befestigungen entdeckt und sie von den Archäologen als (Tal)Oppida anerkannt werden. Und noch ein wichtiger Faktor verzerrt wesentlich die Situation: Dank ihrer günstigen Lagen ist ein großer Teil der PDZ, NRZ und auch Taloppida von heutigen Städten überdeckt (z. B. Bratislava, Lovosice, Manching, Passau, Straubing). Manche der latènezeitlichen Zentralsiedlungen sind wahrscheinlich infolge des mittelalterlichen und modernen Städteauf baus ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden und bleiben dadurch überdeckt, was deren Erforschung behindert. Dagegen liegen Bergoppida ungestört auf ihren dominanten Lagen außerhalb der Gebiete der sich entwickelnden Städte und sind höchstens durch archäologische Ausgrabungen bedroht. Abschließend sei noch bemerkt, dass der Inhalt des Begriffs Oppidum von modernen Archäologen geschaffen wurde und zwar noch gar nicht eindeutig. Er muss mit dem Inhalt dieses Wortes in der Antike nicht identisch sein und schon gar nicht mit der damaligen Struktur und Hierarchie der latènezeitlichen Siedlungen korrespondieren.

Notes 1 Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Tschechische Länder mitten in Europa in der Vergangenheit und heute“ (MSM 0021620827). 2 Er war Direktor des Staatlichen Archäologischen Instituts, später des Archäologischen Instituts der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1938 bis 1962. 3 Gegenwärtig wird die Menge der gefundenen Münzen auf etwa 2000 Stück geschätzt, wobei wenigstens eine Hälfte der Exemplare in Privatsammlungen unzugänglich sein soll. 4 In diesem Beitrag lassen wir die sog.Viereckschanzen beiseite, denn es handelt sich um einen Siedlungstyp, der nur in einigen Regionen eine wichtigere Rolle spielte (z. B. Bayern), in

anderen spielte er im Gegenteil eine ganz marginale Rolle (z. B. Böhmen, Mähren, Österreich). 5 Für die Datierung von Závist ins Jahr 175 v. Chr. (Drda, Rybová 1995) finde ich keine Anhaltspunkte im präsentierten archäologischen Material. 6 An dieser Stelle ist es nicht möglich, sich der Theorie der Zentralorte bzw. Städte zu widmen, es wird deshalb auf weiterführende Literatur zu dieser Problematik verwiesen (Christaller 1933; Denecke 1973; Salacˇ 2002). 7 Trotzdem erreichten einige Bergoppida den Städtecharakter – im betreffenden Gebiet z.B. Staré Hradisko oder Stradonice.

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Zusammenfassung der Diskussion der Vorträge von Jan Kysela und Vladimír Salacˇ (Beiträge von C.Eibner, A. Eibner, Lucianu, Wendling, Collis und Albers) Es wird angemerkt, dass die traditionelle Forschung, die sich auf die Identifizierung von oppida und villae konzentriert, kritisch hinterfragt werden sollte; weil z.B. die bei Cäsar genannten anderen Siedlungsformen (urbs, aedificium) meist unbeachtet bleiben; weiters weil der murus gallicus immer mit dem oppidum verknüpft wird, auch wenn dieser ev. nicht vorhanden / erst nachträglich errichtet / ein älterer Wall später mitgenutzt wird. Bergoppida sollten nicht nur als Herrschaftssymbol betrachtet werden, sie hätten oft auch eine Funktion als kultisches Zentrum; obwohl es auch eine Vielzahl von Kultplätzen ohne Befestigung gibt. Ergebnisse zu naturwissenschaftlichen Untersuchungen zu Nemetice (z.B. chemische Analysen der Münzen) liegen derzeit noch nicht vor. Ein neuzeitliches Beispiel von Berg- und Tal-Siedlungen (USA) zeigt, daß „Tal-Oppida“ als Handelsstädte wachsen, „Berg-Oppida“ wie z.B. Prospektionssiedlungen eher gezielt gegründet werden. Die Ursache dafür in Bezug auf die eisenzeitlichen Siedlungen ist noch „gesucht“ - möglicherweise ist sie auch in der Gesellschaftsstruktur zu finden. Wohl einer von vielen Sonderfällen findet sich im südlichen Oberrheingebiet, wo keine wirklichen Oppida existieren - die Befestigungen wurden dort nicht fertiggestellt. Dies sei mit ein Argument eben nicht den murus gallicus als Kriterium für das Vorhandensein von Oppida heranzuziehen. Ein Zusammenhang mit dem Gedeihen oder Niedergang in geographischer Nähe zueinander liegender Berg- bzw. Tal-Siedlungen ist schwer zu generalisieren. In Frankreich (u.a. der Region um Clermont-Ferrand) gibt es viele in B2 beginnende „neue“ Talsiedlungen, die bedeutende Areale einnehmen und reiche Funde zutage bringen, zu einem Zeitpunkt als dort bereits eine Bevölkerungskonzentration vorhanden war. Ebenso sind Fälle bekannt, in denen eine offene Siedlung schrumpft, aber nach Gründung eines nahegelegenen Oppidums wieder zu blühen beginnt. Die Strukturen sind also viel komplexer als dass es eine klare Trennung und immer gleiche Definition von zwei Siedlungsformen (Oppidum, Dorf) gäbe. Es gibt keine vollkommen unbesiedelten Bergoppida (zumindest sind in Böhmen bisher von allen zumindest einige Funde bekannt). Die Frage stellt sich, ob jede Bergsiedlung in Beziehung zu einer Talsiedlung stand / wie weit solche Pärchen (oder Gruppen) voneinander entfernt sein „dürfen“, um als „in Beziehung“ betrachtet zu werden; und wie so eine Beziehung archäologisch einwandfrei nachzuweisen sein könnte.

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Stadt – Land – Fluss: Überlegungen zum Wirtschafts- und Besiedlungsgefüge des spätkeltischen Oppidums Heidengraben und seines weiteren Umlands Gerd Stegmaier

Zusammenfassung Das spätkeltische Oppidum Heidengraben liegt ca. 30 km südöstlich von Stuttgart auf einer der Schwäbischen Alb vorgelagerten Berghalbinsel. Mit einer Gesamtfläche von mehr als 1660 Hektar ist der Heidengraben bei Grabenstetten (Baden-Württemberg) die größte befestigte Siedlungsanlage der vorrömischen Eisenzeit in Mitteleuropa. Trotz zahlreicher Grabungsunternehmungen ist über das Oppidum am Rand der Schwäbischen Alb bis heute relativ wenig bekannt. Dies liegt vor allem daran, dass bislang nur ein verschwindend geringer Teil des ausgedehnten Fundplatzes systematisch untersucht wurde. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich nun mit einer eingehenden Analyse der siedlungs- und verkehrsgeographischen Gegebenheiten im weiteren Umfeld des Heidengrabens. Vorab lässt sich diesbezüglich festhalten, dass das Oppidum wohl primär aufgrund von fortifikatorischen Aspekten auf einer leicht zu befestigenden Hochfläche angelegt wurde. Seine territoriale Dominanz spiegelt sich dabei auch in der Kontrolle mehrerer wichtiger Albaufgänge wider. Mit einer Anbindung an die großen Flusssysteme Süddeutschlands steht der Heidengraben darüber hinaus als Mittler zwischen dem Rheintal und den an der Donau gelegenen Oppida von Manching und Kehlheim. Von entscheidender Bedeutung für die Entstehung der spätkeltischen Großsiedlung dürfte jedoch, neben der strategisch außerordentlich günstigen Lage, vor allem das geoökologische Potenzial des hier zu besprechenden Naturraums gewesen sein. Darauf verweisen nicht nur die vergleichsweise günstigen klimatischen Bedingungen, sondern auch die ausgedehnten Flächen fruchtbarer Ackerböden, die sich im unmittelbaren Umfeld der Siedlungsanlage erkennen lassen. Die großteils wohl agrarwirtschaftlich orientierte Ökonomie spiegelt sich in einer differenzierten Besiedlungsstruktur des Oppidums wider. Dementsprechend kann zwischen einem eigentlichen Siedlungszentrum und dem für landwirtschaftliche Zwecke genutzten weiteren Innenraum unterschieden werden.

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Abstract The late Celtic oppidum Heidengraben is situated approximately 30 km to the south east of Stuttgart on a hill peninsula of the Swabian Alb.With a total area of more than 1660 hectares, the Heidengraben near Grabenstetten (Baden-Württemberg) is the biggest fortified settlement of the pre-Roman Iron Age in Central Europe. Despite numerous excavations only little is known about the oppidum until today. This is due to the fact that so far only a small part of the settlement area has been excavated. The present article closely analyses the conditions of settlement- and infrastructure in the wider surrounding of the Heidengraben. It can be said in advance that the oppidum was first and foremost located on a plateau that could easily be fortified. Its territorial dominance is also visible in the control of several important routes to the Swabian Alb. Having access to the large river systems of South Germany, the Heidengraben additionally functions as a connecting element between the Rhine Valley and the oppida of Manching and Kehlheim which are located at the river Danube. Of decisive importance for the development of the extensive late Celtic settlement was probably the geo-ecological potential of the environment. This is not only suggested by the comparatively advantageous climatic conditions but also by the broad areas of fertile ground which can be found close to the settlement structure. Probably the economy was mainly based on agriculture.This seems to be reflected in a differentiated settlement pattern which shows a distinction between the actual centre of the settlement and the expanded interior area which was used for agricultural purposes.

Der Heidengraben bei Grabenstetten (Kr. Reutlingen, Baden-Württemberg) liegt ca. 30 km südöstlich von Stuttgart und ist eine von mehreren Großsiedlungen der jüngeren Latènezeit in Südwestdeutschland. Aufgrund seiner erheblichen Ausmaße zählt er, wie die befestigten Siedlungen von Creglingen-Finsterlohr, Altenburg-Rheinau und Kirchzarten (Tarodunum), zur Kategorie der Oppida. In der Vergangenheit wurde der Heidengraben immer wieder mit der bei Ptolemaios erwähnten Stadt „Riusiava“ in Verbindung gebracht, die in der südlichsten Zone Germaniens gelegen haben soll (Nierhaus 1981). 1. Topographie Das primäre Charakteristikum des Heidengrabens offenbart sich in seiner Lage auf einer leicht zu befestigenden Berghalbinsel am Rand der Schwäbischen Alb. Schroffe Felsformationen und steil abfallende Hänge grenzen dabei die Siedlung in markanter Art und Weise von der umgebenden Landschaft ab. Die einzige

254

Verbindung zur eigentlichen Hochfläche der Schwäbischen Alb bildet eine nur 300 m breite Landbrücke südöstlich des heutigen Ortes Grabenstetten. Unverkennbar ist, dass die natürliche Topographie ganz gezielt in den Bau der Befestigungsanlagen mit einbezogen wurde. So war es möglich, den Innenraum des Oppidums bereits durch eine kleine Zahl an kurzen Abschnittswällen effektiv gegen fremde Angreifer zu schützen. Die strategisch günstige Lage der spätkeltischen Großsiedlung spiegelt sich aber auch in der Kontrolle mehrerer, relativ leicht zu bewältigender Albaufgänge wider. Gleich drei dieser Wegverbindungen führen entlang der Seitentäler des Oppidums auf die Hochfläche der Schwäbischen Alb (Abb. 1). Dabei handelt es sich südwestlich des Heidengrabens um die Passage durch das Erms- und das Seeburger Tal. Darüber hinaus führt ein weiterer Abzweig entlang der Elsach zum Oppidum selbst. Der wichtigste der drei Albaufstiege verläuft jedoch nordöstlich des Heidengrabens durch das Lenninger Tal. Es ist dies genau die Wegstre-

Abb. 1: Höhenmodell der Vorderen Alb und des Albvorlands mit Wegverbindungen auf die Hochfläche.

cke, welche in römischer Zeit auch das Kohortenkastell von Köngen und die dazu gehörige Zivilsiedlung „Grinario“ mit dem auf der Alb gelegenen Kastell bei Donnstetten verband (Goessler, Hertlein, Paret 1930: 260-2; Filtzinger 1976a: 338). 2. Naturraum, Klima und Böden Der von den Befestigungen des Heidengrabens eingeschlossene Innenraum liegt auf einem Niveau zwischen 690 und 720 m ü. NN und weist damit ein recht gleichmäßiges und für die Besiedlung außerordentlich günstiges Oberflächenrelief auf. Den geologischen Untergrund bilden die Schichten des Oberen Jura (Weissjura d-z). Bezüglich der Wasserversorgung erweisen sich die

Jurakalke, mit ihren ausgeprägten Karstverhältnissen, aber als äußerst siedlungsfeindlich. Dementsprechend war die Verfügbarkeit von Trinkwasser auf der Schwäbischen Alb bis in moderne Zeit ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. In der Region um den Heidengraben kommt hier nun ein ganz spezielles geologisches Phänomen zum Tragen. Dabei handelt es sich um eine tertiäre Vulkanaktivität, die das Kalkgestein des Untergrunds durchschlagen und zahlreiche Basaltschlote hinterlassen hat (Geyer, Gwinner 1991: 212-7 mit Abb. 130, 329-32 mit Abb. 220). Die zurück gebliebenen Schlotfüllungen fungieren bis heute als wasserstauendes Gestein, so dass sich auf ihnen kleine Tümpel und Teiche bilden konnten. Hinzu kommen im Traufbereich der Berghochflä-

255

GK

GK

Höhe Ø

MTJ

VEG

Rechts

Hoch

m

°C

Tage

∆ FB Tage

1. Albhochfläche

3539641

5366358

845

6,1

172,8

0,0

2. St. Johanner Alb

3525232

5371173

773

6,4

174,3

1,3

3. Hinterland Heidengraben

3535701

5372405

761

6,8

176,3

3,3

4. Lenninger Alb

3538365

5380033

762

7,2

178,4

4,7

5. Oppidum Heidengraben

3533280

5377551

692

7,4

179,4

6,0

6. Filderebene

3517283

5391332

409

8,2

183,5

10,7

7. Neckartal

3531524

5396197

271

11,1

198,2

22,7

Messpunkt

Tab. 1: Lagekoordinaten der Messpunkte, Temperaturwerte und daraus resultierende Daten zur Vegetationsperiode (nach Stegmaier, Wahr im Druck: Tab. 1 und 2).

Abb. 2: Hochauflösende Kartierung der durchschnittlichen mittleren Jahrestemperatur im Bereich der Vorderen Alb mit den Messpunkten (nach Stegmaier, Wahr im Druck: Abb. 1).

256

Abb. 3: Schematische Kartierung der fruchtbaren, mittel- bis tiefgründigen Böden im Bereich der Vorderen Alb (Kartengrundlage: Orohydrographische Karte von Baden-Württemberg, M 1:200.000, Blatt 7520 Reutlingen und 7522 Bad Urach).

che mehrere ganzjährig schüttende Schichtquellen, die das Oppidum zusätzlich mit Wasser versorgten. Dennoch dürften die natürlichen Wasserressourcen, auch in Jahren mit hohem Niederschlag, nicht allzu üppig gewesen sein. Ein sehr viel deutlicherer Gunstfaktor offenbart sich jedoch anhand eines Höhenvergleichs mit der umgebenden Landschaft. So liegt der Heidengraben mit einem durchschnittlichen Niveau von rund 700 m ü. NN ca. 50 m niedriger als die benachbarten Berghalbinseln und die nach Osten anschließende Hochfläche der Schwäbischen Alb (vgl. Abb. 1). Dies wirkt sich auch auf die klimatischen Bedingungen innerhalb der einzelnen Kleinregionen aus. Zur genaueren Beurteilung des geoökologischen Potenzials in der Region um den Heidengraben wur-

de daher eine detaillierte Analyse der naturräumlichen Gegebenheiten durchgeführt (Stegmaier, Wahr: im Druck). Dabei zeigte sich unter anderem, dass die mittlere durchschnittliche Jahrestemperatur (MTJ) im Bereich des spätkeltischen Oppidums rund 1° C höher ist als in den angrenzenden Gebieten (Tab. 1; Abb. 2). Einzig die weiter nördlich gelegene Hochfläche der Lenninger Alb weist ein dem Heidengraben vergleichbar günstiges Klima auf, doch eignet sich hier die stark zergliederte Landschaft nur schlecht für eine großflächige Besiedlung. Aus den höheren Temperaturwerten resultiert letztlich auch eine deutlich längere Vegetationsperiode (VEG), was nicht nur in Zeiten anhaltender Schlechtwetterphasen über Leben und Tod der Oppidumsbevölkerung entscheiden konnte. Vor allem

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der pflanzenphysiologisch außerordentlich wichtige frühe Frühlingsbeginn fällt dabei auf. Dieser liegt im Bereich des Heidengrabens rund 6 Tage vor dem phänologischen Frühlingsbeginn auf der eigentlichen Albhochfläche (∆ FB), was die positive Entwicklung der angebauten Nahrungsmittel erheblich beeinflußt. Auch die Verteilung und Qualität der zur Verfügung stehenden Böden zeigt einige Auffälligkeiten. So finden sich im weiteren Umfeld der latènezeitlichen Großsiedlung ausgedehnte Flächen fruchtbarer, mittel- bis tiefgründiger Ackerböden, von denen insgesamt 800 ha im Schutz der Befestigungsanlagen bewirtschaftet werden konnten (Abb. 3). Darüber hinaus standen im unmittelbaren Vorfeld des Oppidums weitere 1200 ha des landwirtschaftlich hochwertigen Substrats zur Verfügung.

In diesem vorgelagerten Gebiet dürften sich in spätkeltischer Zeit, wohl auch die externen agrarwirtschaftlich genutzten Areale befunden haben, die das Oppidum zusätzlich mit Nahrungsmitteln versorgten. Eine hier ansässige Bevölkerung hätte im Fall einer kriegerischen Bedrohung die schützenden Wälle der Hauptsiedlung problemlos und schnell erreichen können. 3. Besiedlungsstruktur Richtet man den Blick auf die innere Struktur des Heidengrabens, so zeigt sich ein differenziertes Bild mit verschiedenen Befestigungsanlagen und einer größeren Anzahl von Toren (Abb. 4). Komplett von einem Wall umgeben ist dabei die sogenannte Els-

Abb. 4: Innenraum des Heidengrabens mit Fundstellenkartierung außerhalb der Elsachstadt: Befestigungsanlagen und Tore (dicke schwarze Linien); Elsachstadt (dunkelgrau); weiterer Innenraum (hellgrau); fruchtbare Böden (mittelgrau); Fundkonzentrationen (schwarze Schraffuren); Amphorenfunde (weiße Punkte).

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achstadt (Müller 1998). Obwohl bislang nur rund 1% der Elsachstadt archäologisch untersucht wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sich hier das eigentliche Siedlungszentrum des Heidengrabens befand. Dies deutet auch die große Zahl an Lesefunden aus diesem Bereich der Großsiedlung an. Über den weiteren Innenraum des Oppidums ist demgegenüber bis heute nur wenig bekannt. Wie intensive Feldbegehungen zeigen, lässt sich hier keine einheitliche Streuung an Lesefunden nachweisen. Dennoch liegt zwischenzeitlich aus einer ganzen Anzahl an Fundpunkten Material der Spätlatènezeit vor (Lehmkuhl, Stegmaier 2008). Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um handgemachte Keramik, aber auch um Metallfunde und qualitätvolle Drehscheibenkeramik wie sie aus anderen Siedlungen gleicher Zeitstellung bekannt ist. Hinzu kommt eine ganze Reihe an Fragmenten italischer Weinamphoren. Es zeigt sich somit eindeutig, dass auch außerhalb der Elsachstadt mit einer gewissen Siedlungsaktivität während der jüngeren Latènezeit zu rechnen ist. Angesichts der immensen Fläche des Heidengrabens wird man jedoch nicht davon ausgehen wollen, dass einstmals der gesamte Innenraum des Oppidums dicht besiedelt war. Dies belegen meines Erachtens die Größenvergleiche mit anderen Siedlungen dieser Zeit (siehe dazu Fischer 1979: 45 mit Abb. 9). Vielmehr dürfte es sich bei der Bebauung außerhalb der Elsachstadt um einzelne Gehöftgruppen oder kleinere ländliche Siedlungseinheiten gehandelt haben, die eine agrarwirtschaftliche Nutzung in diesem Teil des Oppidums widerspiegeln. Hierfür spricht auch die Verbreitung der außerordentlich fruchtbaren, mittel- bis tiefgründigen Ackerböden. Während diese Böden im Bereich der Elsachstadt nur einen kleinen Anteil ausmachen, dehnen sie sich im weiteren Innenraum der Siedlungsanlage auf mehr als 50 % der Gesamtfläche aus. Dass es sich bei den Fundstellen außerhalb der Elsachstadt nicht unbedingt um ärmliche Bauernsiedlungen handelte, belegen zahlreiche Reste großer Weinamphoren aus dem Mittelmeerraum. Daher darf also auch in diesem Bereich des Oppidums mit einem durchaus gehobenen Lebensstandard gerechnet werden.

4. Handwerks- und Handelsplatz Insgesamt betrachtet fand der Heidengraben in der archäologischen Forschung bislang relativ wenig Beachtung. Dies liegt vor allem daran, dass bis heute nur ein verschwindend geringer Teil des Oppidums archäologisch untersucht wurde. Welche Bedeutung dem Heidengraben aber wohl zugemessen werden darf, zeigt bereits ein Größenvergleich mit anderen Siedlungen der Spätlatènezeit. So ist der Heidengraben bei Grabenstetten, mit einer Gesamtfläche von mehr als 1660 Hektar, die mit Abstand größte befestigte Siedlungsanlage der vor­ römischen Eisenzeit in Mitteleuropa. Einen weiteren Beleg für die gehobene Stellung der spätkeltischen Siedlung am Rand der Schwäbischen Alb liefern darüber hinaus zahlreiche Münz- und Glasfunde, von denen wohl zumindest letztere auf eine lokale Produktion zurückzuführen sind. Ebenso ist das Auf kommen an importierten Amphoren aus dem mediterranen Raum so groß (Knopf 2006: 7597), dass man im Fall des Heidengrabens durchaus von einem überregionalen Handwerks- und Handelszentrum sprechen kann. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch eine spätlatènezeitliche Riemenzunge böhmischer Provenienz, die ebenfalls für die weitreichenden Verbindungen des Heidengrabens spricht (Nierhaus 1957). Immer wieder werden spätkeltische Großsiedlungen mit den Begriffen Eisenverhüttung und -produktion in Verbindung gebracht (so z.B.: Wieland 2001: 228, 234; Dehn 1999: 113). Welche Rolle diesbezüglich die großen Vorkommen an Bohnerz im weiteren Umfeld des Heidengrabens gespielt haben könnten, bleibt aber vorerst unklar (Hübner 2005: 22). So kann beim derzeitigen Stand der Forschung eine eisenzeitliche Verhüttung innerhalb des Oppidums weder belegt noch verneint werden (Gassmann 2005: 39-40). Die Kartierung mittelalterlicher Schlackenhalden innerhalb des spätkeltischen Siedlungsareals zeigt jedoch, dass hier in jüngerer Zeit größere Mengen an Bohnerz verhüttet wurden, über die auch die keltische Bevölkerung hätte verfügen können (Ebd.: 40 mit Beil. 1).

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Abb. 5:Verkehrswege durch das spätkeltische Süddeutschland. Durchgezogene Linien: Flusstransport; Punkte: Landtransport; Quadrate: Oppida und größere Siedlungen; Gefülltes Quadrat: Heidengraben (modifiziert nach Wieland 1999: 73 Abb. 50). – 1.) Ohne Verbindung durch das Filstal; 2.) Mit Verbindung durch das Filstal.

5. Überregionale Verkehrsverbindungen Von besonderer Bedeutung bei der Beurteilung eines Siedlungsplatzes als Wirtschafts- oder Handelszentrum ist seine Verortung innerhalb eines überregionalen Wegenetzes. Für den Heidengraben spielt dabei der Flusslauf des Neckars eine ganz entscheidende

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Rolle. Über ihn besaß das Oppidum einen Anschluss an die großen Handelsrouten Mitteleuropas (vgl. Abb. 5,1). Es verwundert daher auch wenig, dass sich besondere Handwerks- und Handelsgüter, wie importierte Weinamphoren aus dem Mittelmeerraum oder Drehmühlen aus dem Odenwald, nahezu perlschnurartig

Abb. 6: Jüngerlatènzeitliche Fundstellen im Kreis Göppingen und angrenzenden Gebieten: 1. Gingen/Fils; 2. Geislingen/Steige; 3. Lonsee-Urspring (modifiziert nach Schreg 2002: 24 Abb. 11).

entlang des Neckars bis an den Fuß der Schwäbischen Alb aufreihen (Wieland 2002: 188-90 mit weiterer Literatur; Bock, Lehmkuhl 2006: 183; Lehmkuhl, Stegmaier 2007). Als Verbindung in Richtung Osten dürfte darüber hinaus das Filstal eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben (Abb. 5,2). Dieser bislang aus verkehrsgeographischer Sicht weitgehend unbeachtete Weg verbindet eine ganze Reihe bemerkenswerter Fundplätze der vorrömischen Eisenzeit (ausführlich dazu Stegmaier: im Druck). Zu nennen ist unter anderem eine Siedlung der jüngeren Latènekultur bei Gingen an der Fils (Abb. 6,1). Diese Fundstelle erbrachte bei verschiedenen

Begehungen und Sondagen immer wieder Material der jüngeren Latènezeit (Schreg 2002). Moderne Luftbildaufnahmen belegen neben einer Vielzahl an Siedlungsgruben eine 40 x 45 m große rechteckige Grabenanlage. Insgesamt streuen die spätkeltischen Funde und Befunde über ein Gebiet von mehreren Hektar, so dass hier von einer durchaus nicht unbedeutenden Siedlung des zweiten bzw. ersten Jahrhunderts vor Christus auszugehen ist. Folgt man der Fils weiter flussaufwärts in Richtung Osten, dann erreicht man nach kurzer Wegstrecke das heutige Geislingen an der Steige. Auch aus dem Geislinger Talkessel sind zahlreiche Funde der jüngeren Latènezeit bekannt (Abb. 6,2). Erwähnenswert ist ne-

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ben verschiedenen Siedlungsfunden ein Waffenrandgrab der mittleren Latènezeit (Fischer 1967: 69-72; Kley, Schreg 1992: 29-30). Von Geislingen aus führt der Weg dann auf die Schwäbische Alb. Der zu überwindende Höhenunterschied von ca. 70 m ist hier, an der sogenannten „Geilsinger Steige“, im Vergleich zu anderen Albaufstiegen äußerst gering. Vom Albtrauf aus sind es nur noch wenige Kilometer, in nahezu ebenem Gelände, bis zum heutigen Ort Lonsee-Urspring.Wie der Name bereits sagt, entspringt hier die Lone, ein kleiner Fluss der weiter in Richtung Osten fließt und bei Lauingen in die Donau entwässert. Aus dem Ortsbereich von Urspring sind mehrere Fundstellen bekannt, die auf eine ausgedehnte Siedlung der jüngeren Latènezeit schließen lassen (Abb. 6,3). Leider fehlen aber bis heute größere systematische Grabungen, so dass nur auf eine Zusammenstellung der Einzelfunde bei G. Wieland verwiesen werden kann (Wieland 1996: 300-02). Dass dieser Siedlung am Beginn des Lonetals eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zugemessen werden darf, unterstreicht die Tatsache, dass an genau derselben Stelle im 1. Jh.n.Chr. das Alblimeskastell „Ad Lunam“ errichtet wurde (Filtzinger 1976b: 543-46). Darüber hinaus kreuzen sich hier zwei der wichtigsten römischen Straßen Südwestdeutschlands. Dabei handelt es sich um die so genannte Rhein-Donau-Straße und die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Alblimesstraße (Ebd: 546).Von Mainz kommend, verfolgte die Rhein-Donau-Straße dabei exakt die zuvor beschriebene Route durch das Neckar- bzw. das Filstal und führte über Lonsee-Urspring nach Faimingen an der Donau. Im Mittelalter kam dieser Fernverbindung ebenfalls eine erhebliche Relevanz zu. So verlief nicht nur ein wichtiger Abschnitt der „Salzstraße“ auf dieser Strecke, sondern auch ein großer Teil der „Frankfurter Straße“, die die Niederlande mit Italien verband (Maier 1994: 14 mit weiterer Literatur). Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass hier eine bereits in vorchristlicher Zeit entstandene, wichtige OstWest-Verbindung von den Römern weiter genutzt und ausgebaut wurde. In spätkeltischer Zeit hätte der Weg über das Rhein-, Neckar- und Filstal aber nicht nur an

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die Donau geführt, sondern auch in Richtung der beiden großen Oppida von Manching und Kelheim. Einen wichtigen Beleg für die besondere Bedeutung des Filstals bzw. der Fils während der jüngeren Latènezeit, liefert des weiteren der Flussfund eines Knollenknaufschwerts unweit von Eislingen (vgl. dazu Schreg 1992: 25-28 mit weiterer Literatur). Bemerkenswerterweise handelt es sich dabei um das einzige südwestdeutsche Exemplar einer solchen Waffe, das nicht aus der Donau stammt (Paysan 2005: 97-9 mit Abb. 3). 6. Ergebnisse und Interpretation Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das spätkeltische Oppidum Heidengraben in erster Linie aufgrund von fortifikatorischen Aspekten auf einer leicht zu befestigenden Berghalbinsel am Rand der Schwäbischen Alb angelegt wurde. Die territoriale Dominanz der Großsiedlung spiegelt sich dabei auch in der Kontrolle mehrerer wichtiger Albaufstiege wider. Mit einer Anbindung an die großen Flusssysteme Süddeutschlands stellt der Heidengraben darüber hinaus ein Bindeglied zwischen dem Rheintal und den an der Donau gelegenen Oppida von Manching und Kelheim dar.Vor allem der Weg durch das Filstal bietet hier eine Option der direkten Verbindung, deren Bedeutung auch in späterer Zeit klar zu erkennen ist. Die Platzwahl des Heidengrabens besticht jedoch nicht nur aus verkehrsgeographischer und strategischer Sicht. Vielmehr zeigt sich, dass hier die zur Verfügung stehenden Ressourcen des Naturraums ganz gezielt genutzt wurden. Die Subsistenz der Siedlung dürfte dabei wohl größtenteils auf einer ackerbaulich orientierten Ökonomie basiert haben. Darauf verweisen nicht nur die klimatischen Vorzüge, sondern auch die großen Flächen an außerordentlich fruchtbaren Böden im Bereich des Heidengrabens. Knapp die Hälfte dieser agrarwirtschaftlich hochwertigen Areale konnte im unmittelbaren Schutz der Befestigungsanlagen bestellt werden. Auf eine differenzierte Nutzung der Flächen innerhalb des Oppidums deutet auch die unterschiedlich dichte Verteilung spätlatènzeitlicher Funde hin. Während das eigentliche Siedlungszentrum, die Elsachstadt, einstmals wohl relativ dicht bebaut war, fin-

den sich im weiteren Innenraum des Heidengrabens nur sehr vereinzelt Fundkonzentrationen, die auf die ehemalige Existenz kleinerer Gehöftgruppen oder ländlicher Wirtschaftseinheiten schließen lassen. Dass es sich dabei durchaus um „herrenhofartige“ Ansiedlungen einer gehobenen Bevölkerungsschicht handeln könnte, legen zahlreiche Fragmente importierter Weinamphoren aus dem mediterranen Raum nahe.

Die vorgetragenen Ergebnisse zeigen deutlich, dass für die spätkeltische Anlage des Heidengrabens von einem komplexen Wirtschafts- und Besiedlungsgefüge ausgegangen werden kann. Während die agrarisch genutzten Flächen innerhalb und außerhalb der Siedlung das Überleben der Oppidumsbevölkerung sicherten, gelangten über Fernwege begehrte Waren und Güter an den Heidengraben, die von hier aus weiter verhandelt wurden.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Salacˇ, Wendling, Waldhauser und Löcker)

von weit transportierten Waren wie Mahlsteine und Amphoren sprechen aber dafür, dass es sich beim Heidengraben nicht um eine völlig unbedeutende Hinterlandsiedlung gehandelt hat. Eine weiterer möglicher Gedankengang bezieht sich auf eine nur zeitweilig beabsichtigte Nutzung wie als Fluchtort oder für saisonale Tätigkeiten. In Böhmen sind möglicherweise auf diese Weise genutzte Anlagen in größerer Zahl vorhanden, wenn auch die meisten nur eine kleinere Fläche umfassen. Dass sich relativ viel Keramik finden lässt, muss noch nicht auf durchgängige Besiedlung hinweisen. Der Bearbeiter schließt eine zeitweilige Nutzung nicht nur aufgrund der Fundmenge eher aus. Bis spätestens ins LT B ist starke Siedlungstätigkeit angezeigt; es handelt sich hier um eine trotz ihrer Höhe klimatisch begünstigte Altsiedellandschaft. Die Gegend scheint im Verhältnis zur Umgebung „immer schon“ äußerst beliebt zu sein; noch heute streiten sich die Bauern, weil jeder genau dort ein Feld besitzen möchte. Auch die weniger günstigen Lagen höher auf der schwäbischen Alb zeigen seit dem Neolithikum Nutzungsspuren; dort wäre nicht nur aber auch Almwirtschaft oder Ähnliches eher anzunehmen. Man kommt darauf zurück, dass es sich definitionsgemäß doch um ein Bergoppidum handelt, wenn dieses auch aufgrund der günstigen Bedingungen eher einen Ausnahmefall darstellt. Anstelle der „physischen“ Kontrolle des Passes könne es ja auch andere Wege der Beherrschung der Umgebung gegeben haben. Ziel des Vortrages war es, den Heidengraben in seinem gesamten umgebenden Naturraum zu zeigen. Dies sollte nicht implizieren, auf welchem Weg die Bewohner sich mit Handelsgütern versorgt haben. Eine dafür vorgesehene Niederlassung am Fluss / an der Straße ist dafür anzunehmen, diese gehört dann aber auch im großen räumlichen Zusammenhang in irgendeinem Sinn „zum“ Heidengraben dazu. Die Datierung der Abschnittswälle ist mit Sicherheit späte ­Eisenzeit.

Bei dem vorgestellten Fundort handelt es sich um ein ausgezeichnetes Beispiel sowohl für ein „Bergoppidum“ (wie im Beitrag von Salaˇc angesprochen), als auch dafür, wie komplex die möglichen Gründe, Ursachen, Ziele, sozialen Implikationen, Wirtschaftsformen etc. in jedem dieser Fälle sind. In großem Maßstab gesehen scheint die Lage sowohl verkehrsgeographisch günstig als auch ein leicht befestigbarer Ort für die Siedlung zu sein. Näher betrachtet, ist der Heidenberg aber doch ca. 20 km vom nächsten genannten Bergübergang entfernt (ob dies nun noch als „nah“ bzw. „kontrollierbar“ bezeichnet werden kann, sei zu bezweifeln). Der Heidengraben scheint insofern wirklich eher isoliert - sozusagen an einer Sackgasse - zu liegen. Der Bearbeiter nimmt auch nicht an, dass Warentransport u.Ä. tatsächlich direkt an der Siedlung vorbei erfolgte. Die Befestigungen und Funde sprechen ebenfalls weniger für urbane Strukturen als vielmehr für eine Siedlung (Siedlungsansammlung?) mit ländlicherem Charakter. Vielleicht handelt es sich um mehrere Siedlungen ev. einer (gehobenen) Gesellschaftsschicht, die gemeinsam Schutzbauten errichtet. Ähnlich mancher mediterraner Siedlungskonglomerate gibt es auch hier wenig Anzeichen für eine Konzentration von Handwerk oder besonderer Spezialisierung auf eine bestimmte Wirtschaftsform/Produkte. Der Weg über das Gebirge scheint hier nicht den Ausschlag für die Siedlungsplatzwahl gegeben zu haben. Um die Verkehrsgunst auszunutzen, hätte man im Flusstal unten siedeln müssen. Augenscheinlich wollte man eine geschützte Lage für die Siedlung und hat sich im Umkreis dafür die beste Stelle ausgesucht (Wasser, gute Böden, Klima). Die Frage stellt sich bei jeder Siedlung: welche primären Gründe lenken die Platzauswahl, was gibt es sozusagen als „Draufgabe“. In diesem Fall zuerst Schutz, dann Landwirtschaft, und erst danach Nähe zum Verkehrsweg, so scheint es. Die Funde

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Fragen an einen Fisch – Möglichkeiten und Grenzen der ­Interpretation der Goldfunde von Vettersfelde/Witaszkowo Manfred Nawroth

Zusammenfassung Im Jahr 1882 wurde bei Drainagearbeiten auf einem Acker bei Vettersfelde/Witaszkowo (Polen) zufällig eines der bedeutendsten Fundensembles der Vorrömischen Eisenzeit Mitteleuropas entdeckt. Seither wurden die Fragen nach der Zusammensetzung des Komplexes, der genauen Lage des Fundorts, der Lokalisierung des Herstellungsgebiets der Goldgegenstände und der funktionalen Ansprache des fischförmigen Beschlags, vor allem aber die Frage, wie die Gegenstände in die Lausitz und dort in den Boden gelangten intensiv und kontrovers in der archäologischen Forschung diskutiert. Obwohl all das heute weitgehend geklärt scheint, sollen in einer kurzen Bestandsaufnahme Probleme bei der Interpretation angesprochen werden.

Abstract In 1882 one of the most significant finding ensembles of the Preroman Iron Age of Central Europe was discovered at drainage work on a field near Vettersfelde /Witaszkowo (Poland) by chance. Since that time the questions after the composition of the complex, the precise position of the finding place, the localization of the production area of the golden objects and the functional address of the fish-shaped application, above all, however, the questions above how the objects came to Lusatia and there in the ground got intensely and controversially discussed in the archaeological research. Although today these questions seem to be cleared to a great extent, problems with the interpretation should be discussed in a short stock-taking.

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Am 5. Oktober 1882 zog der Vettersfelder Büdner August Lauschke auf seinem nahe Vettersfelde, Gem. Guben (heute Witaszkowo, gmina Gubin, woj. Lubuskie, Polen) gelegenen Acker nach der Aussaat von Roggen drei zum Abfluss des Regenwassers erforderliche Drainagegräben. Zwei Tage später entdeckte er nach einem Regenguss 30 cm unter der Oberfläche liegende Fundstücke inmitten von Scherben eines nicht mehr erhaltenen Gefäßes. Durch Vermittlung des Gutsherren Prinz Heinrich zu Schönaich-Carolath gelangten die Gegenstände in das Antiquarium der Königlichen Museen zu Berlin, wo sie am 22. Januar 1883 inventarisiert wurden. In einem 1882 verfassten Brief erwähnt der damals am Antiquarium in Berlin tätige Archäologe Adolf Furtwängler, dass Lauschke auf seinem Felde schon öfter kleinere Geräte aus Gold herausgepflügt hätte (Greifenhagen 1982: 3). Bedingt durch die zufällige Entdeckung und unsystematische Bergung, lassen sich bis heute viele Fragen zum Fund­ensemble nicht eindeutig beantworten. Die Zusammensetzung des Fundensembles Neben dem fischförmigen Goldblechbeschlag gelangten eine vierpassförmige goldene Zierplatte, der goldene Griff eines Akinakes, eine wahrscheinlich nachträglich eingesetzte profilierte Eisenklinge, der obere Schwertscheidenbeschlag aus Gold, das ebenfalls zur Schwertscheide gehörende Ortband mit filigranem Golddraht und Emailverzierung, ein am oberen Ende in Gold gefasster und zum Anhängen durchbohrter Schleifstein, ein massiver goldener Halsring, ein goldener Armring mit schlangenkopfförmigem Ende, eine geflochtene Goldkette mit an einem Ende angebrachtem profiliertem Ringabschluss mit angelöteter Öse, ein zusammengedrückter Goldblechzylinder, ein goldenes Ohrgehänge mit drei runden Kapseln und Steineinlagen aus Serpentin, ein mit Goldblech gefasster Anhänger aus Stein, ein rautenförmiger Goldanhänger sowie weitere Kleinteile aus Gold in das Antiquarium. Noch im Jahr 1883 wurden die Vettersfelder Funde in einer bis heute als vorbildlich geltenden Monografie durch Adolf Furtwängler veröffentlicht (Furtwängler 1883). Mit Ausnahme des Halsreifens und des goldenen Ortbands, die während der kriegsbedingten Auslagerung des Fundes spätes-

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tens 1947 gestohlen wurden, befinden sich die Gegenstände noch heute in Berlin (Greifenhagen 1982: 5-8). Neben den in das Antiquarium eingelieferten Gegenständen behielt Lauschke weitere zugehörige Objekte in seinem Besitz, verschenkte sie an Freunde und verkaufte sie an Juweliere, die die meisten Gegenstände einschmolzen. Glücklicherweise wurden von einem Teil der heute verschollenen Gegenstände Skizzen angefertigt und veröffentlicht. Einen weiteren Goldbeschlag, der als Abformung in das Gubener Museum gelangte, fand die Familie Lauschkes 1914. Die nicht einfache Beurteilung der wahrscheinlichen Zusammensetzung des in die Zeit um 500 v. Chr. zu datierenden Fundkomplexes nahm L. Nebelsick überzeugend vor (Nebelsick 2003a: 64-65; Nebelsick 2003b; Nebelsick 2006: 317-19). Die Lokalisierung des Fundorts Nur ein Jahr nach Auffindung der Goldgegenstände lokalisierte der Berliner Archäologe E. Krause die Fundstelle am 1. August 1883, gemeinsam mit Lauschke und dem Goldschmied P. Telge, ungefähr 1 km ­nordwestlich von Vettersfelde, nahe dem Kasower Kirchhof im sandigen Boden. Nach seiner Beschreibung befand sich in der Nähe eine Talsenke, „die früher einmal von einem See gefüllt gewesen sein dürfte“. Im südwestlichen Teil der Ackerfläche stand früher Lehm an, der zur Herstellung von Ziegeln durch die damals schon aufgelassene Ziegelei diente. Nach Krause ist „ein Lehmstück unberührt geblieben; dieses barg die Hauptstücke des Fundes; die in einiger Entfernung von ihm gefundenen Stücke sind höchstwahrscheinlich mit dem Pfluge dorthin verschleppt worden.“ Krause begann noch am 1. August, nach einer Feldbegehung, mit den Ausgrabungen und fand „ausser Branderde und Kohlenresten…Lehmstücke mit Abdrücken von Rohrhalmen..; ausserdem einige wenige, ebenfalls, alte Scherben, darunter ein Stückchen Bodenkante eines dickwandigen, vermutlich sehr grossen Gefässes“, das scheinbar grob gemagert und schlecht geglättet war. Er führt weiterhin aus, dass „eine ausgiebigere Untersuchung nicht möglich war, da wir buchstäblich in einem Lehmsumpf arbeiteten.“ Deshalb setzte er seine Untersuchungen in knapp 100 m

Entfernung fort und entdeckte dabei ein Steinpflaster, das eine 1 m große und 30 cm tiefe Grube mit gebrannter Erde bedeckte, sowie einige Scherben (Krause 1883: 488-89). Nach Angaben des Gubener Gymnasiallehrers und Heimatforschers Hugo Jentsch soll die Fundstelle unterhalb der „Jetzschkoer Schenke“ gelegen haben und war durch die Eintragung Z (Ziegelei) in der Generalstabskarte genau zu lokalisieren (Jentsch 1915: 306-08). Weitere Grabungen blieben in den nächsten Jahrzehnten aus, bis Carl Schuchhardt im Rahmen einer Grabungskampagne in der nahe gelegenen Burgsiedlung von Starzeddel 1921 einige Suchgräben bei Vettersfelde anlegte und dabei scheinbar auf Spuren eines neolithischen Pfostenhauses stieß. Nach weiteren Forschungen polnischer Archäologen in den 1960er bis 70er Jahren (Malinowski 1967: 247-65; Kulczycka-Leciejewiczowa 1975: 33-39) wurden von 2001 bis 2004 im Rahmen des sächsisch-polnischen „Burgenprojekts“ systematische Ausgrabungen durchgeführt. Dabei konnte in einem ersten Schritt, basierend auf den vorliegenden Angaben und dem Studium von Altkarten, das Fundareal auf einem sanft abfallendem Sandhügel im Bereich der Gemarkung Kozów/Kaaso an der westlichen Grenze zu Vettersfelde neu lokalisiert werden. Im Anschluss an durchgeführte Magnetometer-Sondierungen wurden vom Landesamt für Archäologie Sachsen und der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau gemeinsame Testgrabungen durchgeführt, die Hinweise auf eine Nutzung des Platzes in der Zeit um 500 v. Chr. erbrachten. Bei weiteren Ausgrabungen wurden neben Grubenbefunden, Steinpflastern und Pfostenlöchern mit Spuren von Brandrückständen auf dem Areal der Fundstelle am Fuß des Hanges auch Keramik der frühen Eisenzeit, pontischer Perlenschmuck und eine als Altfund in die Erde gelangte Kahnfibel entdeckt. Für die Ausgräber steht damit außer Zweifel, in Kozów, Fundstelle 2, den Fundort des Goldschatzes lokalisiert zu haben (Nebelsick 2003a: 78-79; Nebelsick 2003b; Nebelsick 2006: 327-28). Nach Nebelsick ist „ein mittelbarer, vielleicht sogar direkter Zusammenhang zwischen den exotischen Stücken wie den pontischen Perlen und der Deponierung des Goldfundes als höchstwahrscheinlich anzunehmen“ (Nebelsick 2006: 328). Die Ausgrabungen verweisen seiner Meinung nach „auf die Existenz einer

Siedlung, an deren unbewohntem, feuchten Randbereich aufwendige Deponierungen im Rahmen lokaler ritueller Aktivitäten vorgenommen wurden.“ … „Nach den bisherigen vorläufigen Grabungsergebnissen läßt sich die Deponierung dieses Fundes innerhalb eines Quellteiches präzisieren“ (Nebelsick 2006: 328). Ob im Rahmen der Ausgrabungen tatsächlich die genaue Fundstelle des Vettersfelder Fundes lokalisiert werden konnte, kann bis zur Vorlage der abschließenden ­Publikation nur schwer beantwortet werden, da zu prüfen ist, ob sich der Befund mit den Angaben Krauses in Einklang bringen lässt. Herkunft und Herstellungsgebiet der Goldgegen­ stände Auf die Einzigartigkeit der Zusammensetzung im gesamten mitteleuropäischen Raum des in die Zeit des späten 6. bis frühen 5. Jh. v. Chr. zu datierenden Fundkomplexes vonVettersfelde machte bereits Furtwängler aufmerksam. Er erkannte, dass die nächsten Parallelen in den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres zu suchen und die Gegenstände stilistisch dem graecoskythischen Kulturkreis zuzuweisen sind (Furtwängler 1883: 15). Wie spätere Analysen zeigten, sind fast alle Gegenstände aus einer 18-karätigen Gold-Silberlegierung gefertigt und wurden wahrscheinlich in einer einzigen Werkstatt hergestellt. Dies wird auch durch die Beobachtung nur geringer Abnutzungsspuren auf allen Objekten, durch technologisch übereinstimmende Punzspuren auf den verzierten Gegenständen und durch den Nachweis von wahrscheinlich kurz vor der Niederlegung entstandenen Hitzeschäden an mehreren Stücken unterstützt (Redfern 2000: 405-18; Platz-Horster 2001: 43-44; Nebelsick 2006: 319-20). Zweifellos das größte Aufsehen erregte seit seiner Entdeckung der aus einem starken Goldblech getriebene, 41 cm lange und 608,5 g schwere Beschlag in Form eines Fisches, auf dessen Schauseite Schuppen, Flossen und Binnenzeichnungen von Tieren mit Punzen eingeschlagen bzw. ziseliert sind (Abb. 1). Das Auge war ursprünglich mit einer Einlage aus Glas oder farbigem Stein hervorgehoben und wird zusätzlich durch die plastisch herausgearbeiteten großen, spiralig gewundenen „Greifenlocken“ betont, das gezähnte Maul des Fisches ist leicht geöffnet.

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Abb. 1: Der fischförmige Beschlag aus dem Goldfund von Vettersfelde/Witaszkowo (nach Furtwängler 1883: Taf. 1).

Das Bildprogramm ist durch eine Brustflosse in zwei Reliefzonen gegliedert. Auf der oberen Hälfte sind Tierkampfszenen dargestellt, bei denen ein Löwe einen Hirschen packt, gefolgt von dem einen Eber reißenden Leoparden. Am beschädigten oberen Rand des Beschlags ist ein springender Hase wiedergegeben. Die untere Reliefzone ist mit Darstellungen aus der Unterwasserwelt geschmückt. Ein bärtiges Meereswesen – Darstellungen aus der Bildkunst des Orients und des archaischen Griechenland verwandt – , in der linken Hand einen Delphin schwingend, führt einen Schwarm von fünf Fischen an. Auf der in Widderköpfen endenden Schwanzflosse breitet ein die gesamte Darstellung überfliegender Adler seine Schwingen aus. Das komplexe Bildprogramm des Beschlags verbindet die Naturelemente von Land, Luft und Wasser. Möglicherweise symbolisieren der Bildgedanke und die Bildstruktur in ihrer Gesamtkomposition die Verbildlichung eines greifenartigen Fischmischwesens, dessen Motivschatz Elemente der graeco-skythischen Ikonographie vereint (Furtwängler 1883: 11; Greifenhagen 1982: 6-7; Michel 1995: 47-59; Kull 1997: 312; Kull 2000: 433-35; Nebelsick 2003a: 70-71; Nebelsick 2006: 321-322; Nawroth 2007). Als mögliche Herstellungsorte für den Fischbeschlag wurden von Aleksandrescu aufgrund stilistischer Vergleiche mit den Darstellungen der ostgriechischen Vasenmalerei die im nordwestlichen Pontosbereich gelegenen Städte Istros und Olbia

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als wahrscheinlich erachtet (Alexandrescu 1997: 683684). Nebelsick verwies auf einige Stilmerkmale des Beschlages, etwa wie den durch Schrägritzungen geperlten Rand der Fischflossen sowie den einen Hasen bzw. Fische jagenden Adler und weitere Merkmale, für die er Parallelen im „thrakischen“ Kunstkreis anführt, sowie „westliche“ Bezüge bei Teilen des weiteren Schmuckinventars. Er folgerte daraus, dass „sich der Goldschmied des Kanons skythischer Prunkausrüstungen aus den Schwarzmeersteppen und angrenzender Gebiete bediente, bewußt einen westlichen Akzent in die Komposition dieser Prunkausrüstung einbrachte und daß sein Auftraggeber aus der bis nach Mitteleuropa hineinreichenden westlichen Peripherie eines skythisch geprägten Kulturkreises stammte“ (Nebelsick 2006: 324). In erster Linie sind die bildlichen Darstellungen allerdings dem graeco-skythischen Kunstkreis verhaftet. Es wäre wünschenswert, wenn sie nochmals einer eingehenden stilkritischen Analyse unterzogen würden. Skythische Prunkembleme Während die Funktion und Symbolik einiger der Vettersfelder Goldfunde eindeutig ist, ist dies für den Fisch nicht eindeutig zu bestimmen. Die rückwärtigen Ösen lassen darauf schließen, dass er auf einem festen Untergrund befestigt war (Abb. 2). Bereits Furtwängler

Abb. 2: Die Rückseite des fischförmigen Beschlags aus dem Goldfund von Vettersfelde/Witaszkowo (nach Furtwängler 1883: Abb. S. 5).

hielt es mit Verweis auf den hirschförmigen Beschlag aus Kul‘ Oba und Darstellungen auf Schilden in der ostgriechischen Vasenmalerei für wahrscheinlich, dass der fischförmige Beschlag einen Schild geschmückt hat (Furtwängler 1883: 18-20). Als im Rahmen der Ausgrabungen des Kurgans von Kostromskaja Stanica ein goldenes Hirschemblem entdeckt wurde, das auf einer dünnen, runden Eisenscheibe gelegen haben soll, schien die Ansprache als Schildbeschlag bestätigt zu sein und blieb lange die bevorzugte Interpretation, zumal die Auffindung eines 19 cm langen fischförmigen Bronzebeschlages aus Ordžonokidze, der in einem Eisenrahmen verkeilt war, dies endgültig zu bestätigen schien (z.B. Greifenhagen 1982: 7: Schild oder Panˇ zer; Parzinger 1993a: 204; Michel 1995: 21; Cernenko 2006: 109-14). Dagegen ordnete Rostowzew den Vettersfelder Fisch in Kenntnis des damals bekannten skythischen Pferdestirnschmucks dieser Gruppe zu (Rostowzew 1913: 227). Die Ansprache als Zierplatte eines Goryts schloss Furtwängler noch aus. Doch wird diese Deutung heute bevorzugt (Alekseev 1996: 130-34; Redfern 2000: 416-417; Nebelsick 2006: 320; Nawroth 2008a: 67). Vollständige skythische Schilde sind aufgrund der überwiegend verwendeten organischen Materialien nur selten erhalten und vor allem aus den Gräbern der Pazyryk-Kultur im Altai bekannt. So werden bei der Auseinandersetzung mit Schilden neben Metall-

beschlägen vor allem literarische Quellen und Bild­ darstellungen berücksichtigt. Eingehend beschäftigte ˇ sich zuletzt Cernenko mit den skythischen Schutzwaffen und differenzierte Holzschilde mit Lederüberzug, geflochtene Schilde, Schilde mit Metalldecke, Schilde mit Panzerdecke und solche mit Schuppenpanzeˇ rung ( Cernenko 2006: 109-14). Zu den Schilden mit Schuppenpanzerung zählte er auch das hirschförmige Emblem aus Kul‘ Oba und den pantherförmigen Beschlag aus Kelermes, den Schilden mit kompakter Metalldecke rechnete er den hirschförmigen Beschlag aus Kostromskaja Stanica zu. Basierend auf der Befundbeschreibung Veselovskis aus dem Jahr 1897 galt dieser Beschlag als Zier eines Prunkschildes. In der Folge wurden auch die beiden oben genannten Beschläge aus Kul’ Oba und Kelermes sowie die in Ungarn geborgenen Hirschembleme aus Tapiószentmárton und Zöldhalompuszta sowie der fischförmige Beschlag aus Vettersfelde als Schildbeschläge angesprochen. Zweifel an einer derartigen Ansprache äußerte Alekseev nach dem Studium der Archivunterlagen zur Grabung von Kostromskaja Stanica. Er konnte nachweisen, dass in der originalen Handzeichnung der hirschförmige Beschlag mit nach links gewandtem Kopf auf der Schauseite abgelegt wurde und diese Befundsituation in der Publikation Veselovskis nachträglich korrigiert wurde. Auch lag der Hirsch nicht auf einem eisernen Gegenstand, was ebenfalls gegen eine Deutung als Schildbe-

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Abb. 3: Umzeichnung der frühskythischen, anthropomorphen Steinstele aus der Man’i cˇ skaja Stanica, Russland, mit der Darstellung eines Panthers auf dem Goryt (nach Ol’chovskij 2005: Abb. 80).

schlag spricht. Nach weiteren Archivstudien äußerte Alekseev auch Zweifel an der Ansprache des Panthers aus Kelermes als Beschlag eines Schuppenschildes, da die Schuppen in einer Entfernung von 0,9-1,0 m vom Panther beim Skelett geborgen wurden und wohl eher Teil einer Rüstung waren (Alekseev 1996: 130-34). Der ebenfalls zitierte fischförmige Bronzebeschlag aus Ordžonokidze unterscheidet sich allein durch Material und deutlich geringere Abmessungen von der Gruppe der goldenen Prunkembleme. Auch die von Rostowzew postulierte Ansprache des Vettersfelder Fisches als Pferdeschmuck erscheint unwahrscheinlich, obwohl eine Verwendung von Fischmotiven in Zusammenhang mit Reitzubehör durchaus belegt ist. So weisen etwa die aus Gräbern von Pazyryk und Ak Alakha 2 bekannten, als Sattelschmuck verwendeten fischförmigen Filzapplikationen ein völlig anderes Befestigungsprinzip auf, ebenso die aus Goldfolie geschnittenen Fischdarstellungen aus Aržan 2 in Tuva, die wohl in ähnlicher Weise verwendet wurden. In den Gräbern rund um das Schwarze Meer liegen kombiniert mit seitlichen Wangenklappen fischförmige Stirnbleche vor (zu ergänzende Zusammen-

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stellung bei Michel 1995: 166-71), die sich jedoch in Form, Maß und Gewicht vom Vettersfelder Exemplar unterscheiden. Die Stirnbleche haben eine Länge von 33,6-48 cm und eine Breite von 6,0-8,1 cm bei einem Gewicht von nur 34-63 g. Der Vettersfelder Fisch weicht mit einer Länge von 41 cm, einer Breite von 15,5 cm und einem Gewicht von 608,5 g deutlich von ihnen ab. Abschließend soll noch auf die Deutungsmöglichkeit der Gruppe der hirsch- und pantherförmigen Prunkembleme als Gorytzier eingegangen werden, deren Maß- und Gewichtsspektrum (Länge 31,4-41 cm, Breite 15,5-19 cm, Gewicht 264-735 g) sich der Vettersfelder Fisch mühelos anschließen lässt.Vollständige erhaltene Köcher und Goryte aus organischen Materialien sind bislang nur aus dem Altai bekannt. Aus dem Schwarzmeergebiet gibt es Hinweise auf Bemalung, Fell- und Perlenbesatz (Eckhardt 1996: 90). Daneben ist die kleine Gruppe der ganzflächig mit ˇ Gold beschlagenen Prunkgoryte vom Typ Certomlyk bekannt. Daneben lassen sich in wenigen Beispielen kleine gestanzte Goldbleche als Schmuckbesatz prunkvoller Goryte ansprechen, die ihre Entspre-

chungen in bildlichen Darstellungen der graeco-skythischen Kunst finden (zusammenfassend Rätzel 1978: 163-180). Die Gruppe der theriomorphen Prunkbeschläge fand lange Zeit in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung. Erst in jüngster Zeit wurden sie als Gorytbeschläge angesprochen (Alekseev 1996: 130-34; Redfern 2000: 416-27; Nebelsick 2006: 32021; Nawroth 2008a: 67). Grundlage für die Interpretation sind zwei anthropomorphe Steinstelen aus der Man’icˇ skaja Stanica am unteren Don (Abb. 3) und aus Selani in Ostgeorgien (Abb. 4). In beiden Fällen tragen die dargestellten Männer einen Goryt, der jeweils mit einem großen zoomorphen Beschlag verziert ist. Von den Proportionen her lassen sich die zoomorphen Prunkbeschläge unter Berücksichtigung der erhaltenen bzw. rekonstruierten Goryte aus dem Altai und dem Schwarzmeerraum mit Maßen von ca. 6080 x 25-35 cm somit überzeugend als Gorytbeschläge ansprechen. Berücksichtigt man noch die Bedeutung von Pfeil und Bogen in der skythischen Welt, so ist der Goryt als Emblemträger für die tierförmigen Beschläge vom Typ Vettersfelde bestens geeignet. Beute oder Gastgeschenk. Waren die Skythen in Mitteleuropa? Eine hitzig und kontrovers geführte Diskussion entbrannte mit der Auffindung des Vettersfelder Goldfundes um die Frage, wie die Gegenstände in die Lausitz gelangten. Schon Furtwängler zog einen Zusammenhang mit den bei Herodot überlieferten Perserkriegen im Jahr 513 v. Chr. in Erwägung (Herodot IV, 121), in dessen Zuge die Skythen einen Vorstoß in Richtung Westen unternommen haben könnten (Furtwängler 1883: 48-50). Mit Berufung auf weiteres Sachgut skythischer Prägung, wie das Widderköpfchen aus Scheuno/Brózek oder dreiflügelige Pfeilspitzen, war man sich sicher, dass die Skythen, aus Südrussland über Galizien kommend, zumindest momentane Vorstöße nach Schlesien unternahmen (Reinecke 1896: 340; Jahn 1928: 11-25) und skythische Einfälle die Ursache für den Niedergang der Lausitzer Kultur gewesen seien (Neugebauer 1933: 8). In den 1970er und 80er Jahren vertraten vor allem Bukowski und Chochorowski unter Berücksichtigung von Fundmaterial skythischen Charakters, wie dreiflüge-

Abb. 4: Umzeichnung der frühskythischen, anthropomorphen Steinstele aus Selani, Ostgeorgien, mit der Darstellung eines Tieres mit untergeschlagenen Beinen auf dem Goryt (nach Ol’chovskij 2005: Abb. 65).

lige Pfeilspitzen, eiserne Äxte und pontische Ohrringe die Auffassung, dass Skythen zunächst in das Karpatenbecken gelangten, und in einem weiteren Vorstoß über die Mährische Pforte in das Gebiet der Lausitzer Kultur eingedrungen sind (Bukowski 1977: 281-87; Bukowski 1981: 333-52; Chochorowski 1985a: 20471; Chochorowski 1985b; Chochorowski 1998: 48788). Kritisch zur Interpretation der Funde skythischen Charakters als Beleg für einen Aufenthalt der Skythen in Mitteleuropa äußerten sich Dušek und Malinowski, da die oft aus unsicheren Fundzusammenhängen

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stammenden Pfeilspitzen ihrer Meinung nach keinen Beweis für eine skythische Präsenz liefern können (Dušek 1964: 29-72; Malinowski 1967: 247-65). Ausführlich setzte sich Parzinger mit skythisch geprägten Funden auseinander und äußerte Zweifel an der feinchronologischen Aussagekraft von Pfeilspitzen, Äxten und pontischen Ohrringen, die über 100 Jahre typologisch nahezu unverändert blieben. Da auch die Lausitzer Höhensiedlungen mit Funden skythischer Prägung meist keine klaren Befunde liefern und aufgrund ihrer frühen Ausgrabung im 19. Jh. schlecht dokumentiert sind, zudem Pfeilspitzen, Äxte und Ohrringe häufig in Brandgräbern der einheimischen Bevölkerung auftreten, lässt sich ihm zufolge aus den Befunden keine skythische Präsenz in der Lausitz ableiten, sondern ist mit einer Rezeption reiternomadischen Sachgutes durch die einheimische Bevölkerung zu rechnen (Parzinger 1993a: 211-15; Parzinger 1993b: 517-18). Ob die Zerstörung der Lausitzer Burgen der Billendorfer Kultur, etwa der nahe Vettersfelde gelegenen Höhensiedlung von Witzen/Wicina – wo im Inneren der Anlage Pfeilspitzen, aber auch verbrannte und verstümmelte Leichen von Männern, Frauen und Kindern gefunden wurden – durch skythisch geprägte Reiternomaden herbeigeführt wurde, kann aufgrund der vorliegenden Befunddokumentation nicht abschließend beantwortet werden (Kossack 1987: 132; Parzinger 1993a: 214).Treffend bringt es Nebelsick auf den Punkt, wenn er bilanzierend feststellt, dass letztendlich alles möglich sei, dass der reiche skythisch geprägte Fundniederschlag in der Lausitz Ergebnis von Akkulturation und Aggression, von Allianzen, Plünderungen und Austausch zwischen der einheimischen bäuerlichen Bevölkerung und nomadischen Kriegern sein könne (Nebelsick 2006: 325). Dass eine detaillierte Untersuchung bestimmter Materialgruppen zu dieser Frage interessante Ergebnisse liefern kann, zeigt die Bearbeitung der skythischen Pfeilspitzen der hallstattzeitlichen Befestigungsanlage von Smolenice-Molpír in der Südwestslowakei, die ca. hundert Jahre vor der Witzener Burganlage zerstört wurde. Dort wurden, in unmittelbarer Nachbarschaft zur skythisch geprägten Vekerzug-Kultur im Karpatenbecken gelegen, fast 400 bronzene Pfeilspitzen skythischen Typs geborgen, die teilweise noch in den Mauern der Burganlage steckten und, wie die unter

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Mauertrümmern begrabenen Überreste getöteter Bewohner, auf ein gewaltsames Ende der Burg schließen lassen. Die feintypologische Analyse der Pfeilspitzen und der Vergleich mit Funden aus Südosteuropa führte zu dem Ergebnis, dass die vorliegenden Pfeilspitzen mit äußerer Schäftungstülle ihre nächsten ­ Parallelen in Gräbern Siebenbürgens bzw. am Mittleren Dnestr haben, dagegen in Gräbern der näheren Umgebung Smolenice-Molpírs fehlen. Der Untergang der Siedlung von Smolenice-Molpír dürfte daher mit einer „Ausbreitung früher Reitervölker aus den östlichen Steppenzonen hinein in das östliche Mitteleuropa“ in Zusammenhang stehen (Hellmuth 2006a: 151-53; Hellmuth 2006b: 41-44). Die Frage nach dem Weg des Goldfundes nach Vettersfelde, ob durch Handel, Tausch, Tribut, Beute oder im Zuge einer Invasion, bedingte stets auch die Frage nach seiner Herkunft. Furtwängler ging davon aus, dass die Objekte am Schwarzen Meer gefertigt wurden und für die Grabausstattung eines skythischen Großen in Südrussland bestimmt waren, jedoch auf ungeklärte Weise schnell ihren Weg nach Vettersfelde fanden (Furtwängler 1883: 48-52). Ähnlich ging Reinecke davon aus, dass es sich bei den Funden um die Grabaus­ stattung eines in der Lausitz beigesetzten Angehörigen der skythischen Oberschicht handelte (Reinecke 1896: 1-43). Gegen die Grabtheorie und skythische Vorstöße sprach sich auch Parzinger aus, der zudem die Frage stellte, „welcher skythische Krieger, bei Raubzügen in die Niederlausitz zu Tode gekommen, wäre schon eingeäschert und mit Billendorfer Töpfen ausgestattet worden“ (Parzinger 1993b: 519). Vielmehr würden die Gegenstände aus dem unteren Dneprgebiet stammen, „von wo aus sie dann direkt, und nicht etwa über das Karpatenbecken, in die Niederlausitz gelangten“ (Parzinger 1993a: 218). Auch Bukowski wandte ein, dass es sich nicht um die Grabausstattung eines skythischen Fürsten handeln könne, da diese niemals in fremdem Milieu bestattet wurden (Bukowski 1977: 269; Bukowski 1981: 345). Schon früher deutete Buck den Fundkomplex als ein als Kriegsopfer vergrabenes Beutegut eines Billendorfer Stammes (Buck 1979: 143). Dafür sprechen nach Platz-Horster auch die an Fisch und Vierpass zu beobachtenden groben Beschädigungen, die darauf hindeuten, dass beide „in Eile von Schild und Panzer abgerissen wurden, mit

den anderen Waffen- und Schmuckteilen zusammengerafft und entwendet wurden“ (Platz-Horster 2001: 44). Als Gastgeschenk an einen lokalen Machthaber betrachtete Nebelsick die Funde und sieht Allianzhandlungen als Grund für ihren Weg in die Lausitz, dass der Auftraggeber für die Ausrüstungsgegenstände im Raum zwischen Dnestr und Donauknie ansässig gewesen wäre. Gänzlich spekulativ bleiben dahingehende Vermutungen, dass der Schatz vermutlich verpackt in die Region gekommen sei. Unklar sei nur, ob aus direkter Hand vom Herstellungsort oder über mehrere Zwischenstationen (Nebelsick 2003: 78-79; Nebelsick 2006: 328). Ob die Goldfunde als Gastgeschenk, Beute oder auf andere Weise in die Lausitz gelangten, können wir nicht sagen. Zu sehr steht die Deutung mit der Interpretation der historischen Ereignisse und der Befürwortung bzw. dem Ablehnen der Theorie skythischer Präsenz in der Lausitz in Zusammenhang. Letztendlich lässt sich noch immer mit Furtwängler, dem Erstbearbeiter des Fundensembles, bilanzieren: „Wir wissen es nicht und können es auch nicht wissen, nicht einmal vermuten, höchstens ahnen“ (Furtwängler 1883: 512). Deponierung Es gestaltet sich schwierig solch komplexe Zusammenhänge zu erklären, wenn selbst die Angaben zur Fundstelle des Ensembles nicht eindeutig sind. Die Zusammensetzung des Vettersfelder Goldfundes entspricht in vielen Punkten den Ausstattungsmustern skythischer Eliten nördlich des Schwarzen Meeres. In Zusammenhang mit dem bei Herodot erwähnten Skythenvorstoß nach Westen war die These verlockend, das Ensemble für die Grabausstattung eines skythischen Militärführers zu halten. Bei der unsachgemäßen Bergung und den späteren Ausgrabungen Krauses kamen allerdings keine Spuren von Knochen zu Tage. Verwunderlich ist dies nicht, da die Skythen ihre Toten nicht in der Fremde bestatteten. Im Gegenteil wurden im Gedenken an die in der Fremde gefallenen Krieger in der skythischen Heimat Heiligtümer errichtet, wie wir sie aus Uljap oder Tenginskij Stanica im Kuban-Gebiet kennen. Frühere Forschungen zogen mitunter eine Deutung des Vettersfelder Fundes als Urnenbrandgrab

in Erwägung (Reinecke 1896: 1-43). Bereits Krause vermutete 1883 in der Beschreibung der Fundstelle, dass es sich bei dem Vettersfelder Fund nicht um ein Grab, sondern um eine Deponierung innerhalb einer Siedlung gehandelt haben könnte (Krause 1883: 48890). Diese Auffassung wird von Seiten der modernen Forschung ausnahmslos geteilt (Parzinger 1993a: 215), und auch die in den Jahren 2001-2004 im Bereich der Vettersfelder Fundstelle durchgeführten Ausgrabungen in Kozów scheinen dies zu bestätigen. Es konnte eine intensive eisenzeitliche Siedlungsaktivität festgestellt werden, an deren feuchtem Randbereich die Fundstelle des Goldfundes gelegen haben soll. Insbesondere auf dem beschriebenen Feuchtbodenmilieu beruht schließlich auch die Theorie als „aufwendige Deponierung im Rahmen lokaler ritueller Aktivitäten“, die „als Gabe an die Götter“ in einem Quellteich versenkt worden sei (Nebelsick 2003: 78-79; Nebelsick 2006: 328). Ob denn die genaue Fundstelle des Goldensembles tatsächlich bei den modernen Ausgrabungen erfasst worden ist, kann bis zur Vorlage der abschließenden Publikation nicht beurteilt werden. Die Zusammensetzung des Vettersfelder Fundes mit seinen überwiegend aus Gold gefertigten Gegenständen erinnert ungeachtet seiner Befundsituation in seiner Zusammensetzung eher an einen Grab- als an einen Depotfund. Wenngleich Deponierungen in fast allen Perioden der Menschheitsgeschichte vorkommen, so häufen sie sich doch auffällig in der Frühbronze- und Urnenfelderzeit mit Barren- und Brucherzhorten, für deren Niederlegung in erster Linie wirtschaftliche Gründe verantwortlich gemacht werden können. Eine zweite Gruppe von Waffen-, Schmuck- und Gefäßdepots, gelegentlich auch gemischte Horte, dürfte hingegen aus religiösen Gründen niedergelegt worden sein. Dabei fällt gewöhnlich die Mehrfachausstattung an Waffen oder Schmuckgegenständen auf, die offensichtlich mehrere Personen repräsentieren sollten (Huth 2008: 132-50). Hortfunde sind, wenn auch in geringerer Zahl, ebenfalls aus der Hallstattzeit und der nachfolgenden Latènezeit bekannt (Milcent 2004; Tomedi 1994: 4960; Kurz 1995). Deponierungen im Verbreitungsgebiet der hallstattzeitlichen Billendorfer Kultur sind mit einem Vorkommen von gerade mal 10 Stück selten

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(Buck 1979). Sie treten innerhalb von Gräberfeldern und ausschließlich im Neiße-Bober-Raum in Siedlungen bzw. im freien Gelände auf. Es handelt sich dabei, wie im Falle des Hortes von Zilmsdorf um Depots bronzener Schmuckgegenstände (Buck 1979: 35). In der Burganlage von Witzen wurden zwei bronzene Hortfunde niedergelegt, die für die Datierung der Zerstörung der Siedlung am Ende 6. bis 5. Jh. v. Chr. von Bedeutung sind (Kossack 1987: 132). In dem beschriebenen Umfeld ist der Goldfund von Vettersfelde somit nicht nur wegen der einzigartigen Gegenstände, sondern auch in seiner Zusammensetzung singulär. Edelmetalldepots sind in vorgeschichtlicher Zeit grundsätzlich die Ausnahme und hatten allein schon wegen ihres materiellen und symbolischen Wertes eine besondere Bedeutung. Bereits in der Frühbronzezeit treten Goldhorte auf, darunter auch ein so ungewöhnlicher Fund wie das Depot von Persinari in Rumänien mit 12 Dolchen und einem Schwert aus Gold sowie silbernen Äxten. Eine Häufung von Edel­metalldepots ist von West- über Nord- bis nach Südosteuropa in der späten Bronzezeit zu beobachten. Geübt wurde vor allem die Deponierung von Gefäßsätzen und Schmuckgegenständen, wogegen ­Waffen die Ausnahme bildeten (Marasek 2006: 285-286). ­Auffallend ist dabei in jedem Fall die Mehrfachausstattung mit ­Sätzen von Gefäßen, Schmuck oder Waffen, die vielleicht als Auszeichnungen der ursprünglichen Besitzer bzw., im Falle der Gefäße, zur Trankspende der Gemeinschaft im Boden versenkt wurden (Huth 2008: 154).

Sowohl die aus der Bronze- bis Latènezeit bekannten Edelmetalldepots als auch die Bronzehorte der Billendorfer Kultur unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung grundsätzlich vom Vettersfelder Fundensemble, das in der Kombination der jeweils in Einzahl vorkommenden Gegenstände eher einer Prunkgrabausstattung als einem „klassischen“ Depotfund entspricht. Vergleichbare Deponierungen, und dazu auch noch in Edelmetallausführung, sind kaum bekannt. Einer der seltenen Funde, der mit dem Vettersfelder Ensemble vergleichbar ist, wurde innerhalb der thrako-getischen Höhensiedlung des 4. bis 3. Jh. v. Chr. von St a˘ nce¸sti, Moldawien (Rumänien) geborgen und bestand aus einer eisernen Trense und goldenen Zaumzeugbeschlägen, darunter einer in Form eines Mischwesens aus Fisch und Eber (Florescu 2005: Abb. 109). Damit kommt den Vettersfelder Funden nicht nur im Bereich der skythisch geprägten Hinterlassenschaften in Mitteleuropa, sondern auch den Deponierungen eine Sonderstellung zu. Zu viele Fragen bleiben offen, wie es zu seiner Niederlegung kam, es müssen aber ungewöhnliche Umstände dazu geführt haben – nahezu alles ist denkbar. Letztendlich bleibt die Einzigartigkeit des Fundensembles festzuhalten und die damit verbundene Schwierigkeit der Interpretation, die aufgrund der mangelhaften Dokumentation auch mehr als 125 Jahre nach seiner Auffindung gegeben ist. So manches Rätsel wird der Fund trotz intensiver Beschäftigung auch in Zukunft für sich behalten.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Koch und Schneider) Es wird darauf hingewiesen, dass gerade für eine Analyse der Funktion von Gegenständen besonders auch die Rückseite von Interesse ist. Leider wird oft darauf vergessen, diese in der Publikation anzuführen. Es wäre wünschenswert, wenn dies - wo möglich und wie in diesem Fall - wenigstens noch nachträglich erfolgen könnte. Ob es sich in diesem Fall um eine Deponierung handelt (Definition von „Depot“?) bleibt zu diskutieren. Das Argument, dass es sich um ein Depot handeln müsse, weil es denn kein Grab sei, wäre jedenfalls zu wenig schlagkräftig und sollte öfter und tiefer hinterfragt werden. Gerade für untypische / besondere Dinge bleibt eine Deponierung allerdings anzunehmen, denn, wenn man es nicht in einem Grab „verschwinden lassen“ will, aber aufgrund ebendieser „Besonderheit“ auch nicht einschmelzen, bleibt als Fundgattung nur mehr die Deponierung, oder?

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Zur Funktion latènezeitlicher Scherbenrundel Holger Wendling

Zusammenfassung Die aus den Scherben beschädigter Keramikgefäße rund zurechtgeschlagenen Rundel sind eine häufig im Siedlungsmaterial der Jüngeren Eisenzeit anzutreffende Fundgattung. Generell können zwei Varianten, solche mit und ohne zentrale Durchbohrung unterschieden werden. Auf Basis vergleichbarer Gegenstände aus ethnographischem Kontext und aufgrund allgemeiner Überlegungen über ihre Verwendbarkeit, ihren Sinn und Nutzen bei unterschiedlichen Tätigkeiten wurden jenen keramischen Objekten verschiedenste Funktionen zugewiesen. Sie reichen vom Gebrauch als Spinnwirtel, Netzsenker und Spielsteine bis hin zur Deutung als Amulette, Schleudergeschosse oder Keramikglätter. Unglücklicherweise fußt ein Großteil jener Erklärungen hauptsächlich auf dem Aussagewert der Objekte an sich und schließt selten eine Interpretation ihres Befundzusammenhangs oder ihrer Fundvergesellschaftung mit ein. Die große Zahl von rund 300 Rundeln, die in der LT D2-zeitlichen Siedlung auf dem Breisacher Münsterberg (Baden-Württemberg, Deutschland) gefunden wurde, bot Anlass, fest gefügte Annahmen und Interpretationen zu überdenken und neu zu bewerten. Jüngste Ausgrabungen in gallischen Siedlungen und Heiligtümern, in denen bedeutende Mengen nicht durchbohrter Rundel zu Tage kamen, lassen Zweifel an einer auf eine einzige Funktion abzielenden Deutung aufkommen; vielmehr könnten die dort gemachten Funde auf eine differenzierte Rolle der Rundel im religiösen, sozialen und politischen Miteinander hinweisen. In analoger Deutung zu formal ähnlichen Parallelen, wie den aus Buntmetall gegossenen Miniaturrädchen oder rouelles, könnten sie als Wahlmarken oder Lose, den griechischen ostraka vergleichbar, gedient haben. Daneben könnten sie als Votivgaben und Substitut für andere, wertvolle Gegenstände wie Münzen oder als symbolischer Eintrittspreis für Zeremonien und Feiern Verwendung gefunden haben. Zudem mögen sie als Spielsteine in rituellen Spielen und bei divinatorischen Praktiken eingesetzt worden sein. Angesichts größerer Mengen von Rundeln im Umfeld der Münzstätten der Oppida von Corent und Villeneuve-SaintGermain (Frankreich) sowie des Münsterbergs ist ferner eine weitere Funktion in Betracht zu ziehen: Rundel könnten hiernach als Rechensteinchen zur mathematischen Kalkulation mit einem Abakus gedient haben, der im antiken mediterraneum verbreitetsten Methode zum Umgang mit großen Zahlen. Wenngleich entsprechende Rechenbretter aus der Jüngeren Eisenzeit in Mitteleuropa bislang fehlen, können die Rundel, die in vorrömischem Siedlungskontext in solch großer Zahl auftreten, Einblicke in ökonomisches und religiöses Handeln gewähren, das dergestalt in der Forschung bisher kaum erfasst wurde.

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Abstract So called Rundel, circular disks dressed from damaged ceramic vessels’ bodies, are frequently found in Late Iron Age settlements. Two varieties can generally be distinguished, i. e., those which are fitted with a central hole and those which lack such a perforation. On the basis of similar objects from ethnographic evidence as well as general considerations of their potential usefulness in different occupations, various functions have been suggested for these ceramic items. They range from spindle whorls, fish net weights and gaming pieces to amulets, slingshots or tools to grind ceramics. Unfortunately these explanations are mostly based on the objects themselves rather than on their context or association with other finds.The amount of c. 300 of these Rundel found at the LT D2 settlement of Breisach “Münsterberg” (Germany) gave reason to a reevaluation of established assumptions and interpretations. Recent excavations in Gallic settlements and sanctuaries producing considerable amounts of non-pierced Rundel raise doubts about their serving a single function. Indeed, they might point to a role in religious, social and political interaction. Analogous to formally corresponding parallels, i. e. metal cast miniature wheels or rouelles, the Rundel might have served as ballots or lots similar to Greek ostraka. Also, they might have been votive offerings in exchange for other precious items (e. g. metal coins) or a symbolic entrance fee to ceremonies and celebrations. In addition the Rundel could have served as tokens in ritual gaming and divinatory practices. According to large amounts of Rundel in the precincts of mints at the Oppida of Corent,Villeneuve-Saint-Germain (France) and on the Münsterberg yet another function appears possible: they might have been used as pieces for calculating on an abacus, a prevalent method of dealing with high numbers in Mediterranean antiquity. Notwithstanding the absence of a Late Iron Age calculating tablet in Central Europe, but given their overall frequency in pre-roman settlements, the Rundel might shed light on economic and religious activities which are hardly recognized to date.

Rundel in Breisach Eine auf den ersten Blick eher unscheinbare und für kulturhistorische, über eine rein funktional-wirtschaftliche Ansprache hinausgehende Fragen scheinbar kaum relevante Objektgattung stellen die als Rundel bezeichneten Keramikscheiben dar, die recht häufig in prähistorischem Siedlungskontext zu finden sind. Bereits J. Skutil (1940) wies anhand mährischer Fundassemblagen auf das diachrone Vorkommen dieser aus der Wandung von Keramikgefäßen rund zurechtgeschlagenen und teilweise mit einer zentralen Durchbohrung versehenen Objekte hin. Seit ihrem frühesten bandkeramischen Auftreten sind sie in zahlreichen Kulturgruppen und Zeiten der mitteleuropäischen Ur- und Frühgeschichte bis in römische Zeit belegt. Sie wurden aufgrund ihrer bemerkenswerten Form bereits 1880 von R. Virchow hervorgehoben, der sie als „Geldscherben“ apostrophierte (Virchow 1880a: 148; 1880b: 235–6). Ungeachtet ihres zeit-

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lich und räumlich weit gestreuten Vorkommens lässt sich eine Häufung der Rundel in der jüngeren Vorrömischen Eisenzeit ausmachen, in der sie geradezu als Leitfund der Stufen LT C und LT D gelten können. Insofern sind sie Gegenstand fast jeder Auswertung latènezeitlichen Siedlungsmaterials, nehmen dort bis auf Ausnahmen (Lasch 1999: 99–102; Stork 2007: 172–5) aber nur einen verhältnismäßig geringen thematischen Raum ein, da ihre Funktion bereits durch ihre Form und darauf basierende, implizit herangezogene kulturanthropologische Analogien offensichtlich zu sein scheint. Dies beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass aus Ton geformte ‚echte’ Spinnwirtel eine in jüngerlatènezeitlichem Kontext eher seltene Fundklasse darstellen; in Ermangelung anderer Arten der Schwungscheiben von Spindeln werden die durchbohrten Rundel daher als grundlegendes Gerät des Textilhandwerks gedeutet (e. g. Jud 2008: 112, 141). Nicht durchbohrte Exemplare werden, da auch unvollständig durchbohrte Rundel vorliegen, gemeinhin

als Zwischenprodukte oder Halbfabrikate der Wirtelherstellung bezeichnet. Geradezu erwartungsgemäß wurde bei archäologischen Ausgrabungen, die in den 1980er Jahren auf dem Plateau des im südlichen Oberrheingebiet gelegenen Münsterberges von Breisach (Baden-Württemberg) stattfanden, ebenfalls ein Konvolut jener charakteristischen Rundel gefunden und als Teil einer umfassenden Grabungs- und Siedlungsanalyse im Rahmen meiner Dissertation ausgewertet (Wendling 2006a; 2006b; 2007). Auf der Höhe des inmitten der Rheinaue gelegenen Berges befand sich im Zeitraum zwischen 90/70 v. Chr. und 40/30 v. Chr. eine Siedlung, die in den turbulenten Zeiten des letzten vorchristlichen Jahrhunderts wie andere Siedlungen ähnlicher topographischer Lage aufgrund ihrer fortifikatorischen Vorteile einer indigen keltischen Bevölkerung als wirtschaftliches und militärisches Zentrum gedient haben dürfte.1 Neben einer spezialisierten Töpferei zur Herstellung von Dolien des Typs ‚Zürich-Lindenhof ’ finden sich Nachweise von Kupfer- und Eisenverarbeitung (Wendling 2005). Metallanalysen eines Gusstrichterinhaltes erbrachten darüber hinaus Indizien für eine Münzstätte, die Potinmünzen mit der Münzlegende TOC emittierte (Wendling 2006b: 28–9) (Abb. 1a); sie stellt einen Hinweis auf die Anwesenheit eines ökonomisch und politisch potenten Machthabers auf dem Münsterberg dar, der zumindest nach der caesarischen Okkupation im Auftrag und als Protegé Roms vermutlich das

umliegende Gebiet militärisch kontrollierte und die Rheingrenze strategisch sicherte (Wendling 2006a). Neben den rund 20 Fundmünzen belegen Importgüter die Integration in ein weitgespanntes Handelsnetz, das die Einfuhr süd- und zentralgallischer Gebrauchs- und Feinkeramik sowie italischer und spanischer Weinamphoren und Campana gestattete (Abb. 1c). Der Zugriff auf Wein und die Übernahme der für seinen adäquaten Genuss notwendigen Paraphernalia – Campana wurde überdies vor Ort in einheimischer Façon imitiert – weisen auf den sozialen Stellenwert, den der Konsum von Rauschgetränken während des Gelages auch auf dem Mün­sterberg innehatte (Wendling 2006b: 28; cf. Rieckhoff 1998). Die sozialen Aspekte des Symposions wurden durch die Verknüpfung mit religiösen Vorstellungen und deren kultischer Umsetzung überdies ideologisch verankert und legitimiert (Poux 2006: 20–1).2 Möglicherweise bieten die auf dem Münsterberg gefundenen Rundel die Möglichkeit, jene dort bislang kaum greif bare religiös-soziale Sphäre zu beleuchten und damit letztlich mutmaßliche politische Dimensionen im südlichen Oberrheingebiet im 1. Jh. v. Chr. zu erhellen. Mit insgesamt 304 durchbohrten, undurchbohrten und einen Bohransatz aufweisenden Rundeln übersteigt ihre Zahl auf der Breisacher ­Höhensiedlung – auch im Verhältnis zur Gesamtzahl der spätlatènezeitlichen Keramik und gemäß des ergrabenen Areals – jene in anderen späteisenzeitlichen Siedlungen der Region bei weitem.

Abb. 1a-1c: Breisach „Münsterberg“. a) Gusstrichterinhalt als Nachweis der Münzproduktion. – b) Waagebalkenfragment zum Abwiegen von Münzen oder Münzmetall. – c) Auswahl römischer und gallischer Importgüter (Zeichnungen Denkmalpflege Freiburg; Foto H. Jensen).

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Abb. 2: Breisach „Münsterberg“. 1 Anteil der Warenarten am Gesamtbestand der durchbohrten Rundel. – 2 Anteil der Warenarten am Gesamtbestand der Rand- und Bodenscherben (Graphik H. Wendling).

Durchbohrte Rundel – Werk- oder Spielzeug? Insgesamt liegen aus den Grabungsbereichen „Rathauserweiterung/Tiefgaragenneubau”und „Kapuzinergasse” der Jahre 1980–1986 41 durchbohrte Rundel vor. Als Rohmaterial dienten meist Wandscherben zerbrochener Gefäße, nur dreimal wurde die Platte eines Bodens mit gerilltem Standring verwendet. Der bei vier Exemplaren sichtbare Bohransatz – dreimal von innen und in einem Fall von außen – zeigt, dass Rundel lokal auf dem Münsterberg angefertigt wurden. Die Durchbohrung wurde, wie die doppelkonischen Löcher belegen, meist von beiden Seiten aus durchgeführt, nur in acht Fällen wurde sie vermutlich eindimensional von innen, drei mal von außen eingetieft. Auf die größere Bruchfestigkeit ist das Vorherrschen der hartgebrannten Dolienscherben sowie der geglätteten und bemalten Feinkeramikscherben zurückzuführen; mit nur fünf grobkeramischen Stücken ist von einer bewussten Auswahl der härteren und weniger stark gemagerten Warenarten auszugehen, deren Proporz die generelle Häufigkeit der Warenarten übertrifft (Abb. 2). Die Unterschiede zu den Rundeln aus Breisach-Hochstetten (Baden-Württemberg), die dem generellen Verhältnis der dort vorkommenden Keramikwaren entsprechen (Stork 2007: 172), oder zum Repertoire aus Berching-Pollanten (Bayern), wo rund 40 % der Rundel grobkeramisch sind (Lasch 1999: 100, Abb. 56), mögen auf spezifische Material- und Qualitätscharakteristika zurückzuführen sein. Bestimmte Oberflächenverzierungen wur-

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den auf dem Münsterberg offenbar nicht bevorzugt. Die Kanten der Rundel sind bei zehn Stücken (24 %) leicht bis teilweise sorgfältig geglättet oder verrundet. Mag die leichte Rundung auf häufigen Gebrauch und Abrieb hindeuten, so zeigt das sorgfältige Abschleifen der Bruchkanten bei einigen Exemplaren eine bewusste Fertigung, die ästhetischen Belangen oder einer gleichmäßigeren Rotation gedient haben könnte. Der Durchmesser der Scheiben liegt im Mittel bei 5,2 cm, nur wenige Exemplare liegen außerhalb der Standardabweichung von 1,26 cm; die großen Exemplare von 7,5–9,0 cm Durchmesser sind Einzelfälle. Ähnliche Werte weisen die Rundel aus Manching (Bayern) und Basel-Gasfabrik (Basel-Stadt) auf (Furger-Gunti, Berger 1980: Taf. 14.288–305; Jacobi 1974: 60; Jud 2008: 141; cf. auch Götze 1930: 14). Die Verbreitung der durchbohrten Rundel zeigt keine Schwerpunkte, sie liegen in loser Zahl aus Gruben, Schichten und als Streufunde vor; eine Vergesellschaftung mit spezifischen anderen Funden – auch den einzigen drei aus Tonmasse geformten spätlatènezeitlichen Spinnwirteln – ist gleichfalls nicht erkennbar. Obwohl rein archäologische und morphologische Daten eine Deutung der Rundel – unabhängig von ihrer Durchbohrung – meist kaum hinreichend absichern, sind zumindest für die durchbohrte Variante mehrere Interpretationsvorschläge gemacht worden, deren Plausibilität anhand des Breisacher Materials getestet werden kann. Das Glätten von Keramik (Vencl 1980: 528–30; 536) mag im Einzelfall durchaus praktiziert worden sein.

Die auffällige Häufung gerundeter bzw. abgeschliffener Kanten bei den durchbohrten und undurchbohrten Varianten der feinkeramischen und aus Dolien hergestellten Rundel – nur fünf von insgesamt 51 kantengeglätteten Rundeln sind grobkeramisch – könnte ein Hinweis auf eine solche Nutzung sein. Allerdings lassen sich keine hierauf hindeutenden spezifischen Glättspuren an Keramik oder Gebrauchsspuren an den Rundeln anführen. Dies und ihre grundsätzliche Eignung als Keramikglätter müsste daher experimentell geprüft werden. A. Götze (1928; 1930: 14) sah, besonders aufgrund der teilweise exzentrischen Durchbohrung, in einigen der Rundel Schleudergeschosse für Jagd und Krieg, die man „auf einen Faden aufziehen und wie einen Patronengurt umhängen“ (ibid.) konnte. Ist eine effektive Durchschlagskraft der Scheiben durchaus vorstellbar, so verwundert hier jedoch, warum gerade in den Schlachtberichten Caesars diese gemäß ihres heutigen Fundaufkommens augenscheinlich so verbreitete Waffengattung nie als gallisches Charakteristikum Erwähnung fand. Häufig wurden durchbohrte Rundel als Netzsenker oder ‚Senkblei’ einer Angel interpretiert (Götze 1930: 14; Major 1940: 29; 179), was auf dem inmitten des Rheines gelegenen Münsterberg überzeugen mag und auch die geringe Zahl der Stücke auf dem Berg erklären könnte, die bei Verlust wohl eher im Rhein versunken wären. Ihre Effizienz bei einem geringen mittleren Gewicht von nur 16 g und der unklaren Fließgeschwindigkeit des Stromes vermag ich nicht zu

beurteilen (Piovan 1971: 679). Experimente am Pollantener Rundelkomplex zeigten, dass überraschenderweise sowohl an eine Funktion als Netzsenker als auch als Schwimmer zu denken ist (Lasch 1999: 102). Allerdings deutet ein einziger Fischrest – ein Brustflossenstachel eines Welses (Arbinger-Vogt 1978: 20, Tab. 2; 174) – im Breisacher Faunenbestand der Spätlatènezeit nicht auf groß angelegte Fischerei im Umfeld des Münsterberges hin. Die Verwendung der vermeintlich ästhetisch unscheinbaren Rundel als Schmuckstücke oder Amulette ist auf den ersten Blick kaum wahrscheinlich, wenngleich nicht grundsätzlich auszuschließen (Lasch 1999: 101; Major 1940: 29; contra Skutil 1940: 79). Auf dem Münsterberg finden sich allerdings, abgesehen von dem bereits erwähnten Zuschliff der Kanten, kaum hinreichende Indizien für eine solche Deutung. Lediglich ein doppelt durchbohrtes Exemplar aus einer Dolienwandscherbe könnte aufgrund dieser Besonderheit auf eine spezifische Nutzung hindeuten. Sie erinnert formal und farblich an Amulettscheiben, die aus menschlichen Schädelkalotten geformt wurden und ihrerseits wiederum Imitationen aus Ton nach sich zogen (Pauli 1975: 119 mit Anm. 122; 130–31; Abels 1987; Piovan 1971: 681–2) (Abb. 3). Allerdings unterscheiden sich solche ‚Schädelrondellen’ mit ihrer regelhaften dreifachen Durchlochung in einem wichtigen Detail von dem Breisacher Rundel, bei dem beide Durchbohrungen von der ehemaligen Gefäßinnenseite aus vorangetrieben wurden. Dies scheint zumindest gegen eine ursprüngliche Funktion etwa

Abb. 3: Frühlatènezeitliche Schädelrondellen (1-5) und tönerne Nachformungen (6-8) aus Oberfranken sowie zweifach durchbohrter Keramikrundel vom Breisacher Münsterberg (9) (nach Abels 1987: 79, Abb. 50; Zeichnung 9 H. Wendling).

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Abb. 4: Breisach „Münsterberg“. Aus der Gefäßwandung desselben Doliums hergestellter Rundelsatz (Foto H. Wendling).

als Auf­hängungselement des vollständigen Gefäßes zu sprechen. Ein Loch liegt im Zentrum der Scheibe, das andere ist leicht zur Kante hin verschoben. Entweder wurde die erste Durchbohrung vor dem Zuschlagen ausgeführt, als asymmetrisch erkannt und deshalb versetzt wiederholt oder das Stück wurde intentionell als Amulett oder auch als Knopf zum Verschließen von Kleidung, Taschen oder ähnlichem angefertigt. In latènezeitlichem Grabzusammenhang liegen keramische Rundel nur selten vor, scheinen daher kaum eine dezidierte Rolle als persönliches Ausstattungsobjekt, noch dazu mit Amulettcharakter, gehabt zu haben. B.‑U. Abels schreibt dieses Fehlen freilich dem ‚Alltagscharakter’ der keramischen Substitute zu, die im Totenritual ihren knöchernen Vorbildern weichen mussten (Abels 1987: 80). Letztlich kann eine davon herrührende rein religiöse Funktion auch mancher undurchbohrter Rundel nicht ausgeschlossen werden. Ob ein Satz von sieben aus demselben Dolium in abnehmender Größe hergestellter Rundel eine auf dem sakral-mystischen Charakter der Zahl fußende Bedeutung hat, bleibt rein spekulativ (cf. Piovan 1971: 683) (Abb. 4). Aufgrund der anscheinend genormten Größe könnten einige, so besonders die sorgfältig geglätteten Stücke, als Räder von Spielzeugwagen gedient haben (Feugère 1992: 138, Nr. 97). Vergleichbare Fahrzeuge aus Holz oder Ton stammen aus römischer Zeit (André 1992: 43; Durand 1992: 17; Speck 1993: 16). Als Spiel­objekte könnten durchbohrte Rundel zudem nach Art heutiger Steckspiele oder für Wurf-, Schiebe- und Geschicklichkeitsspiele Verwendung gefunden ­ haben (Endrei 1988: 148–53; Götze 1928: 342;

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­ iovan 1971: 684–7; Skutil 1940: 79). So warf man P beim mittelalterlich-frühneuzeitlichen französischen palet (franz. „Wurfscheibe/Wurfstein“) auf extra ausgewiesenen Plätzen mit Keramik- oder Holzscheiben auf eine Zielmarkierung oder suchte beim Scheidemünzwurf den Gegner durch die größere Nähe zu Wand oder Mauer auszustechen (Endrei 1988: 149; Götze 1928). Beim griechischen Scherbenspiel war die unterschiedlich gefärbte Seite beim Wurf der keramischen ostraka spielentscheidend, beim kóttabos galt es, während des Symposions durch das Verspritzen von Wein ein auf einer Stange balanciertes Tellerchen zum Absturz zu bringen (Fittà 1998: 27; 92–6). Einem ähnlichen Zeitvertreib mögen auch Rundel beim keltischen Gelage gedient haben. Schließlich ist auch eine Funktion als ‚Schwungrad’ eines Kreisels vorstellbar, der in der griechischrömischen Antike zum Teil magische Funktionen innehatte, die über eine reine Freizeitgestaltung hinausgingen (Lafaye 1917; Lukian, dial. mer. 4.5). Weder Kreisel als solche noch ihr Gebrauch als Zauber­ instrument lassen sich jedoch in der Vorrömischen ­Eisenzeit nachweisen. Trotz aller plausiblen, zumindest jedoch nicht widerlegbaren Interpretationen wird meist die recht pragmatische Ansicht vertreten, dass es sich bei den durchbohrten Rundeln um Spinnwirtel zum Spinnen der Rohwolle zu Garn oder zur Zwirnherstellung handle (Gostencnik 2000: 18; Jacobi 1974: 60; Lasch 1999: 102; Weber-Jenisch 1995: 58–9; Wieland 1996: 103; contra Piovan 1971: 678–9). Implizit wird hiermit der Seltenheit konischer Spinnwirtel Rechnung getragen, kaum jedoch einmal ausdrücklich deren Menge bzw. die Zahl der Rundel der mutmaßlichen Intensität der Schafhaltung und Wollproduktion gegenübergestellt, wie dies I. Stork unlängst für das Inventar aus Breisach-Hochstetten getan hat. Neben anderen Indizien zeigt dies, dass „von Hochstetten aus eher Argumente für die Wirtelfunktion beizu­bringen“ sind (Stork 2007: 172–3). Ethnographische Analogien gleichförmiger, oft aus Holz gefertigter Wirtel liegen z. B. aus dem subrezenten Textilhandwerk Rumäniens vor (von Kimakowicz-Winnicki 1910: 24; 58–64; Feest, Janata 1999: 119), was andererseits die Argumentation auf Basis einer intensiven Wollherstellung entkräftet: die wenigen echten Wirtel konnten durchaus

Abb. 5: Breisach „Münsterberg“.Verbreitung und Häufigkeit nicht durchbohrter Rundel im Grabungsareal „Rathauserweiterung/Tiefgaragenneubau“ (Graphik H. Wendling).

durch hölzerne Spindeln ergänzt werden, ohne dass keramische Lochscheiben benötigt wurden (cf. Dunning 1992: 45–6). Obgleich auch die Größe, Asymmetrie und grobe Zurichtung einiger Rundel einen effizienten Wirtelgebrauch fragwürdig erscheinen lässt (Piovan 1971: 678), zeichnet sich in vielen Fällen eine solche Nutzung in einem gering differenzierten textilen Hauswerk ab. Grundsätzlich wird man dieser These somit je nach Befundkontext und Fund-

vergesellschaftung in den meisten Fällen folgen dürfen, wenngleich im Einzelfall eine andere Funktion nicht auszuschließen oder gar wahrscheinlich ist. Die geringe Menge an handgeformten Spinnwirteln und ‚Rundelwirteln’ in der spätlatènezeitlichen Siedlung des Münsterberges zeigt, dass der Garnproduktion dort nur geringe Bedeutung zukam. Möglicherweise schlägt sich hierin der vornehmlich militärische Charakter des Platzes nieder.

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Ob allerdings der Symbolgehalt der Wirtel in Breisach und ganz allgemein im keltischen Kulturraum wie in der griechisch-römischen Welt ebenfalls von Bedeutung war, muss offen bleiben. Dort wird ihre mythologisch-religiöse Bedeutung ja nicht zuletzt durch die Rolle der Moiren veranschaulicht, von denen Klotho die Schicksalsfäden der Menschen spinnt (Dunning 1992: 48–9). Vor diesem Hintergrund kamen sie nach Ausweis der literarischen Überlieferung als magisches Zauberutensil und Instrument der Schicksalsvorhersage und Zukunftsdeutung zum Einsatz (Zintzen 1979: 973; Amm. 29, 1, 28–32; Hor. epod. 17, 6). Ferner repräsentierten Spindel, Rocken und Webstuhl wirtschaftliches und soziales ‚Privileg’ sowie den Status der Haus- und Hofherrin und – ähnlich wie der Schlüssel – die Kontrolle über Haushalt und Wirtschaften (Eibner 1986; Trinkl 2000). Sie besaßen damit einen von der tatsächlichen Funktion befreiten ideellen Wert, der wiederum an die oben erwähnte mutmaßliche Amulettfunktion einiger Rundel erinnert. Einschränkend muss hier aber nochmals bemerkt werden, dass Beigaben von Spinnwirteln in der mitteleuropäischen Latènezeit, die man ja bei einer solchen zeichenhaften Funktion erwarten könnte, relativ selten sind (cf. Gleser 2005: 145). Einen Einzelfall stellt Grab 2 von Nierstein (Rheinland-Pfalz) dar, in dem fünf echte Wirtel und ein Rundel zweifellos derselben Funktion und Bedeutung vergesellschaftet sind (Polenz 1982: 78–81).

Mantik, Wahl und Mathematik – Nicht durchbohrte Rundel Neben den 41 durchbohrten Scherbenrundeln wurde mit 261 Stücken eine beträchtlich größere Zahl nicht durchbohrter Exemplare geborgen, zu denen sieben weitere aus älteren Grabungen treten (Bender, Pauli, Stork 1993: Taf. 63A,1.2; 67I,1; 71C,1; 73D,7; 76H,5; 77F,1). Diese Menge findet im oberrheinischen Umland keine Entsprechung: In Hochstetten besitzen neun von 56 Rundeln kein Loch, in Basel-Gasfabrik tauchen im Fundbestand bis 1980 13 solcher Rundel auf, deren Zahl bis heute nicht eklatant zugenommen hat (Furger-Gunti, Berger 1980:Taf. 14, 306–318; Jud 2008: 112 mit Kat. 856.1063). Gleiches gilt für die undurchbohrten Rundel der Basler Münstergrabung, von denen in spätlatènezeitlichen Schichten gar nur ein Exemplar zu Tage kam (Furger-Gunti 1979: Taf. 20, 341). Ein Großteil der undurchbohrten Rundel konzentriert sich im Nordwesten des Grabungsareals ‚Rathauserweiterung/Tiefgaragenneubau’ (Abb. 5). 43 Exemplare aus Grube 016/I weisen auf eine gezielte Deponierung hin; 118 Stücke aus einem geschotterten Laufhorizont und spätlatènezeitlichen Ablagerungen benachbarter Schnitte könnten bei Aktivitäten auf einer Frei- oder Hoffläche niedergelegt oder verstreut worden sein. Die Hintergründe der Akku-

Abb. 6: Breisach „Münsterberg“. 1 Anteil der Warenarten am Gesamtbestand der nicht durchbohrten Rundel. – 2 Anteil der Warenarten am Gesamtbestand der Rand- und Bodenscherben (Graphik H. Wendling).

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mulationen und der hierzu führenden Handlungen wirtschaftlicher, religiöser oder politischer Art bleiben wie bei ähnlichen Phänomenen in der Siedlung von Feurs (Loire) letztlich spekulativ (Vaginay, Guichard 1988: 73–4). Bis auf vier Bodenscherben wurden auf dem Münsterberg ausschließlich Gefäßwandungen zu Rundeln umgearbeitet. Das Verhältnis der verwendeten Warenarten zeigt eine Dominanz der Dolien, deren Anteil von mehr als 50 % die übrigen, grob gleich verteilten Kategorien eindeutig übertrifft (Abb. 6). Weshalb der Dolienanteil im Vergleich zu den durchbohrten Rundeln auf Kosten der feinkeramischen Exemplare derart hoch ist und ob die Unterscheidung zwischen reduzierendem (geglättete Feinkeramik, Feinkammstrich und Grobkeramik 36 %) und oxidierendem Brand (Dolien, bemalte Feinkeramik und Amphoren 64 %) bzw. der dort häufig anzutreffenden weißen Engobe eine Rolle spielt, muss offen bleiben. Eine gezielte Auswahl der Waren hinsichtlich ihrer Verzierung und Oberflächengestaltung ist darüber hinaus nicht auszumachen. Der geringe Anteil der Grobkeramik dürfte auf deren erhöhte Bruchanfälligkeit zurückzuführen sein, obgleich dies bei anderen Fundkomplexen, z. B. in Feurs (ibid. 73) keine Rolle zu spielen scheint. Der Rand bzw. die Kanten sind nur bei 41 (16 %) der undurchbohrten Rundel durch häufigeren ‚Gebrauch’ oder gezielte Zurichtung abgeschliffen und verrundet. Offenbar ließ man es meist bei ‚ad hocFertigung’ zuungunsten einer ästhetisch ansprechenderen Form bewenden; letztere tritt ferner in allen Größenkategorien auf. Vier grobkeramische verrundete Scheiben spiegeln schlicht die schlechtere Glättbarkeit der stärker gemagerten Matrix wieder. Häufig wurden die undurchbohrten Rundel als Halbfabrikate der Wirtelproduktion gedeutet (Jud 2008: 112; Stork 2007: 172), wobei fraglich bleibt, ob bei der Menge an Objekten auf dem Münsterberg nicht mit einer größeren Zahl von ‚Fehlprodukten’ oder zerbrochenen Fertigstücken zu rechnen wäre. In Analogie zu Verschlussscherben römischer Amphoren und ethnographischen Belegen könnte man zudem vermuten, es handle sich bei den Rundeln um deckelartige ‚Pfropfen’ für Gefäße (Stauch 1993: 5). Eine solche Funktion lässt sich aufgrund nicht korrelierbarer

Rundel- und Mündungsdurchmesser auf dem Münsterberg jedoch nicht verifizieren; freilich kann man hierbei die Existenz engmundiger Holz- oder Korbgefäße nicht ausschließen (cf. Gostencnik 1997; Piovan 1971: 680). Die geläufigste Deutung der eisenzeitlichen Rundel basiert ebenfalls auf Vorbildern römischer Zeit, die aufgrund ihrer Vergesellschaftung und gelegentlichen Kennzeichnung eindeutig als Spielsteine identifiziert wurden (Bös 1955/6a; Bös 1955/6b; Götze 1928; Maeg­lin 1986: 67; Pfahl 2000: 18–9; Skutil 1940: 79; Sommer 1989; Stolz 1987). Für latènezeitliche Rundel ist eine analoge Deutung problematisch: In einer Arbeit, die sich mit dem ur- und frühgeschichtlichen Spielwesen der Germania libera und östlichen keltiké auseinandersetzt, betonte T. Krüger die grundlegende Einschränkung, „daß zwar ein reiches, möglicherweise als Keramikspielsteine zu deutendes Inventar“ vorliege, „diese Interpretation jedoch von den Zusammenfunden mit gesicherten Spielgeräten her nur eine äußerst schwache Grundlage“ habe (Krüger 1982: 161). Zudem verwundert das konsequente Festhalten an einer einzigen Materialklasse; trotz der vermeintlichen Beliebtheit der (Brett-) Spiele sind, anders als in römischer Zeit, wo wie ja offenbar auch in der Latènezeit der „großen Masse der Spielsteine … als Materialbasis ausschließlich ‚Recyclingstoffe’“ dienten (Pfahl 2000: 18–9), daneben kaum Objekte aus Horn, Stein oder edlerem Material überliefert. Im Gegensatz zur Materialvielfalt und -qualität vieler römischer Spielsteine bilden zwei Bronzescheiben aus Staré Hradisko (Kr. Prostìjov), die jedoch auch als Gewichte o. ä. gedeutet werden können, eine seltene Ausnahme (Meduna 1961: Taf. 7, 4.5). Gläserne Spielsteinfunde der Vorrömischen Eisenzeit stammen – dort zusammen mit den mutmaßlichen Resten eines Spielbretts – aus dem Grab von Welwyn Garden City (Herts) des ausgehenden 1. Jh. v. Chr. (Stead 1967) und dem LT C2-zeitlichen Grab von Sinsheim-Dühren (BadenWürttemberg) (Polenz 1982: 78–81; Beitr. Spohn in diesem Band).3 Will man der Deutung als Spielgerät dennoch folgen, fällt auf, dass trotz der prinzipiellen Einmütigkeit im Deutungsansatz bislang kaum auf die sozialen Implikationen der Rundel eingegangen wurde, obwohl sie und konsequenterweise das Spiel gemäß ihrer Häu-

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figkeit im spätlatènezeitlichen Siedlungsfundstoff ein zentraler Aspekt der gesellschaftlichen Realität gewesen zu sein scheinen. Ihr häufigesVorkommen in einem militärisch geprägten Umfeld wie dem Münsterberg würde demzufolge kaum überraschen.Als Zeitvertreib der anwesenden Krieger dürften Brettspiele sicherlich eine geschätzte Beschäftigung gewesen sein, obwohl deren Form und Art nicht zu rekonstruieren sind (cf. Murray 1952; Piovan 1971: 683–7). Dennoch lässt sich unabhängig von der tatsächlichen Spielform ethnographisch und historisch eine enge Verbindung zwischen Spiel und religiösen Vorstellungen nachweisen, die sich mitunter in der gleichen materiellen Ausprägung von ‚Spielzeug’ und ‚Kultobjekt’ äußert (Huizinga 1994: 13; 24–37). Dies mag auch für Brettspiele in der Germania libera gelten, die dort als Teil des Banketts und divinatorisches Medium gleichsam zeremonielle Funktionen innehatten. Das Brettspiel galt als Orakel und Schicksalsweiser und besaß demnach „im Kultischen sowohl seinen Ursprung als auch Inhalt und Funktion“ (Ulf 1988: 446; Gabriel 2005: 360–1; van Binsbergen 2004). Auch in der keltischen Religionspraxis nahmen Weissagung und Zukunftsdeutung nach Aussage antiker Autoren eine zentrale Rolle ein (Maier 2001: 124–31). Neben anderen, spektakulären und daher berichtenswerten Vorhersagemethoden mag dabei auch das (Brett-) Spiel von gewisser Bedeutung gewesen sein, die freilich in den Schilderungen keine Erwähnung findet. Nach Aussage ethnographischer Parallelen konnte sich der Inhalt des Spieles vom eigentlichen Spielgeschehen lösen und eine metaphorische Ebene erreichen, die in hohem Maße eine soziale Komponente beinhaltete. Versöhnungsgesten, Streitlösung, Erbfragen, magische Beschwörung oder die konkurrierende Vermittlung gesellschaftlicher Positionen waren zentrale Motivation der in der spielerischen Auseinandersetzung stattfindenden sozialen Kommunikation (Huizinga 1994: 89–101; Ulf 1988: 447). Das Spiel ist dabei selbst ritualisiert und in den religiösen Ritus als „kulturell konstruiertes System symbolischer Kommunikation“ (Tambiah 2002: 213; cf. Bell 1992: 196) integriert. Im archäologischen Befund lassen sich solcherlei inhaltliche Konzepte nur schwer fassen, allerdings könnte es durch aktuelle Untersuchungen zum spätkeltischen Kultgeschehen möglich

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sein, zumindest indizienartig einige Zusammenhänge zu erschließen. Die im Umfassungsgraben und Umkreis des Zentralheiligtums im Oppidum von Corent (Puy-de-Dôme) deponierten Hunderte von nicht durchbohrten Rundeln sowie die in großer Zahl auch in den Kultbezirken von Chilly (Somme), Saint-Marcel/Argentomagus (Indre), Antigny (Vienne) und Clermont-Ferrand ‚Le Brézet’ (Puy-de-Dôme) vorliegenden Exemplare sind offensichtlich in einen religiös-kultischen Kontext zu stellen.4 Ihre Größenverteilung und die Vergesellschaftung mit Relikten kultischer Festivitäten wie Faunenund Amphorenresten sowie Münzdeponierungen lässt M. Poux (2006: 22; Poux et al. 2002: 79; 105) auf eine Funktion der vermeintlich wertlosen Objekte als ex voto-Gaben oder symbolisches Äquivalent von Münzspenden schließen. In einen solchermaßen umrissenen kultischen Bereich fügt sich die Funktion als Teil ritueller Spiele ein, die im Laufe des religiösen Zeremoniells mit Gelage oder Bankett als integralem Bestandteil stattgefunden haben könnten. Die Rundel aus Clermont-Ferrand ‚Le Brézet’ lassen angesichts ihrer teilweise bewussten Anordnung und Vergesellschaftung mit Würfeln, Astragalen und Amphorenresten ganz eindeutig den Zusammenhang mantischen Spielens und rauschhaften Gelages erkennen (Barral et al. 2003: 154; Poux et al. 2003: 79). Eng hiermit verknüpft ist die Befragung des transzendenten Willens durch Losentscheid und die darauf fußende politische Entscheidungsfindung. Demnach mögen sie zudem als Anwesenheitszeichen bei religiösen oder politischen Zusammenkünften im Sinne griechischer ostraka oder ‚Wahltäfelchen’ gedient haben (Poux 2001: 45; 2006: 22; Poux et al. 2002: 79; cf. Huizinga 1994: 92–4). Auf eine solche Funktion weist die Analogie zu einer anderen weitverbreiteten spätlatènezeitlichen Fundgattung, kleinen Modellrädchen aus Bunt- oder Edelmetall, den so genannten rouelles, hin. Sie liegen regelhaft in Siedlungen und teilweise zu tausenden im sakralen Kontext spätkeltischer und gallorömischer Heiligtümer vor (Lambot 1989; Piette 1987). Eine inhaltliche Mittelstellung scheint dahingehend das Suessonische Oppidum von Villeneuve-Saint-Germain (Aisne) eingenommen zu haben, dessen Funde und Befunde politische, soziale und religiöse Aktivitäten offenbaren (Debord 1982; 1989; Peyre 2000). Am

Treffpunkt von vier orthogonal aufeinander zulaufenden Graben- und Baustrukturen wurden bronzene und bleierne Rädchen, Glasperlen sowie zahlreiche keramische Rundel gefunden (Debord 1982: 251). In fundierter Argumentation deutet C. Peyre (2000: 162– 72) die Rädchen und Glasperlen als ‚Stimmzettel’, mit denen in einem architektonisch genau festgelegten Rahmen, der dem der Wahlschranken (saepta) auf dem Marsfeld des republikanischen Rom auffallend ähnelt, über Angelegenheiten der civitas abgestimmt worden sei. Parallelen zu den rädchenförmigen Wahltäfelchen finden sich im Abstimmungsmodus des obersten Gerichts des antiken Athen, der Heliaea, bei dem sich im Vorhandensein einer Achsdurchbohrung die Stimmentscheidung ausdrückte (ibid. 173–5). Ob hierin eine Analogie zur Durchbohrung der keramischen Rundel vorliegt, sei dahingestellt. Wie die rouelles könnten die keramischen ‚Radscheiben’ folglich Relikte politischer Versammlungen sein, die meist eng mit kul-

tischen Zeremonien verwoben gewesen sein dürften (contra Piovan 1971: 681). Letztere beinhalteten wiederum Festivitäten, in denen Opferriten und das mit diesen einhergehende kriegerische Bankett oder Symposion eine zentrale Stellung einnahm. Die genaue Funktion der nicht durchbohrten Rundel mag dementsprechend auf mehreren Ebenen zu suchen sein: als Spielstein im orakelnden Miteinander des Festes und – gleichzeitig? – als ostrakon in der religiös verklärten politischen Entscheidungsfindung (ibid. 680–1; 687). Dass beide Funktionen schließlich eine ‚Sakralisierung’ der im weitesten Sinne kultischen Objekte erforderten, ist durchaus vorstellbar und würde ihr Auftreten als symbolische Votivgabe erklären. Neben der Befund- und Fundkorrelation scheinen formale Untersuchungen der Rundel aus Corent zudem die Interpretation als symbolisches Zahlungsmittel zu stützen. So scheint zwischen den Durchmessern der Rundel und Münzen eine bewusst herbeigeführ-

Abb. 7: Breisach „Münsterberg“. Durchmesserspektrum der nicht durchbohrten Rundel. Der weiß markierte Bereich entspricht dem doppelten Durchmesser der Sequanerpotin-Typen 1–6. (Graphik H. Wendling).

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te metrische Relation zu bestehen (Poux et al. 2002: 76–7). Der Durchmesser der Stücke vom Münsterberg variiert von 2,2–8,7 cm, sein Mittel liegt bei 4,2 cm; damit sind die undurchbohrten Stücke sowohl im Durchschnitt und in ihrer großen Mehrheit kleiner als die durchlochten (Abb. 7). Dies stellt die pauschale Deutung als Halbfabrikate der durchbohrten Rundel in Frage und deutet auf eine grundsätzlich andere funktionale Bestimmung hin. Die Schwerpunkte in den Bereichen von 3,0–3,5 cm, 3,7– 4,3 cm und 4,5–5,0 cm können nicht schlüssig erklärt werden. Da der Abgleich mit dem Münzdurchmesser aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes und der geringen Anzahl der Breisacher Münzfunde problematisch ist, wurden die anhand des Basler Inventars ermittelten Maximalwerte der Sequanerpotins als häufigster oberrheinischer Münzgattung herangezogen (Burkhardt, Stern, Helmig 1994). Es zeigt sich, dass auch hier deren zweifacher Durchmesser, der typ­ spezifisch von ca. 1,5–2,3 cm variiert, weitgehend dem oben genannten Spektrum der häufigsten Rundeldurchmesser (3,0–5,0 cm) entspricht (Abb. 7). Ob eine solche vage Wechselbeziehung angesichts der gemessenen Varianz der Rundel und Münzen allerdings auf einer gezielten Zurichtung fußt, ist fraglich. Dementsprechend muss die darauf basierende Vermutung, die Keramikscheiben hätten auch auf dem Münsterberg als Geldsubstitut gedient, das in einem symbolischen Zahlungsverkehr verwendet wurde, kritisch beurteilt werden (Poux 2007: 19; Poux et al. 2002: 76– 9; Déchelette 1904: 41). Im Vergleich hierzu ist die räumliche Verknüpfung der Rundel mit der Produktion von Münzen auf dem Münsterberg, in Villeneuve-Saint-Germain und Corent aussagekräftiger; dort wurden Münzstätten durch Münzstempel, Tüpfelplatten und Fragmente von Feinwaagen identifiziert (Poux 2003; 2007: 18; Poux et al. 2003: 53; Debord 1989). In Breisach liegt gleichfalls ein vermutlich spätlatènezeitlicher Waagebalken vor, der sich gut mit der metallanalytisch nachgewiesenen Emission von Potinmünzen verbinden lässt (Abb. 1b). In jenem ökonomischen Kontext scheint eine Deutung der Keramikscheiben als Rechenutensil naheliegend, die vereinzelt bereits vermutet (Vaginay, Guichard 1988: 74; kritisch Piovan 1971: 680) und in der Diskussion zum vor-

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liegenden Vortrag erneut zur Sprache kam. Ihr zur Folge könnten die Rundel als calculi oder ‚Rechensteinchen’ der Lösung von Additions- und Substraktionsaufgaben auf Rechenbrettern oder -tüchern gedient haben. Solche abaci waren im antiken Mediterraneum das Mittel des potenzierten Rechenwesens schlechthin und sind ikonographisch, literarisch und vereinzelt als Objekte belegt (Fellmann 1983; Kretzschmer, Heinsius 1951; Menninger 1934: 216– 236; Nagl 1914; Naumann 2001: 31–2) (Abb. 8.1–3). Auch im nordalpinen Raum begegnen uns Darstellungen, beispielsweise auf einem Trierer Grabmal des dritten nachchristlichen Jahrhunderts (Kretzschmer, Heinsius 1951; contra Baltzer 1983: 60–64) (Abb. 8.4), wohingegen aus vorrömischer Zeit bislang keinerlei Nachweise ihrer Nutzung überliefert sind. Deshalb der späten keltiké der letzten vorchristlichen Jahrhunderte angesichts der sich entwickelnden Geld- und Marktwirtschaft, der intensiven Handelsbeziehungen mit dem Süden und dem literarisch überlieferten Umgang mit hohen Summen ein Verständnis für komplexe mathematische Aufgaben von Grund auf abzusprechen, fällt indes schwer.5 Trotz des Schweigens der Quellen ist es durchaus denkbar, dass man sich hier für das Rechnen mit hohen Zahlen der in Antike, Mittelalter und Neuzeit in ganz unterschiedlichen Kulturen gängigen Rechenbretter oder des prinzipiell gleichartigen ‚Rechnens auf den Linien’, wie es in der Frühen Neuzeit durch Adam Ries beschrieben wurde, bediente (Abb. 8.5) (Menninger 1934: 263–7; Naumann 2001: 31–4). Neben einfachen Steinchen (lat. calculus „Kalksteinchen“) mag somit auch in der Vorrömischen Eisenzeit ein Teil der Rundel als calculi gedient haben, zumal diese meist in größerer Zahl aus spätkeltischen Händler- und Handwerkersiedlungen vorliegen. Die Kombination mit Zeugen der Münzproduktion und Geldwirtschaft auf dem Münsterberg, in Corent und Villeneuve-SaintGermain scheint diese Annahme auch ohne den direkten Nachweis eines Rechenbrettes zu erhärten: Die Kalkulation der für die Münzherstellung benötigten Metallmenge, der Zahl der Ausmünzungen oder etwaiger Abgaben und Einlagen könnte durch den Gebrauch mutmaßlicher ‚Rechenrundel’ vereinfacht worden sein. Von hier ist es wiederum nur ein kleiner Schritt zur symbolischen Dimension der

Abb. 8: Antike und frühneuzeitliche Darstellungen von Rechenbrettern und Rechenszenen: 1 Dareios-Vase (4. Jh. v. Chr.) (Menninger 1934: 225). – 2 Etruskische Gemme (ibid. 226). – 3 Salaminische Rechentafel (o. M.; vermutl. 3. Jh. v. Chr.) (ibid. 220). – 4 Trierer Grabpfeiler (3. Jh. n. Chr.) (schematisierte Umzeichnung V. K. Altmann; nach Baltzer 1983: 135, Abb. 88). – 5 „Rechnung auff der Linihen“ des Adam Ries von 1525 (Gebhardt, Rochhaus 1997: 3).

Tonscheiben als ideelles Geldsubstitut oder Spielobjekt, die im Lateinischen bezeichnenderweise gleichfalls als calculi firmieren. Versponnene Bedeutungsstränge – Homo ludens, calculans et faber In Anbetracht der zahlreichen unterschiedlichen Deutungsvarianten fällt eine klare funktionale Ansprache der keramischen Rundel schwer. Lassen sich teilweise plausible Erklärungen für die eine oder andere Interpretation beibringen, so fehlt doch häufig eine über intuitive Vergleiche oder rein morphologische Analogien hinausgehende Argumentation. Dennoch geschah häufig und – soweit dies neuere, auf anderen

Fundgattungen,Vergesellschaftungen und Verteilungsmustern beruhende Analysen stützen – nicht zu unrecht eine Ansprache der durchbohrten Exemplare als Spinnwirtel. Eine gleichartige Interpretation auch der undurchbohrten Stücke ist jedoch zu pauschal und lässt weiterreichenden kulturhistorischen Überlegungen zu wenig Raum. Hierzu können neuere Rundelfunde aus gallischen Siedlungen und Heiligtümern beitragen, deren Aussagepotential durch Befundkontext und Beifunde erheblich vergrößert ist. Die Verknüpfung kultischer Aktivitäten, des Konsums von Wein und Nahrung im keltischen Gelage und der Schaffung politischer und sozialer Kohäsion wird beispielsweise im Heiligtum von Corent eindrücklich vor Augen geführt. Ausgehend von den dortigen Be-

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obachtungen sind auch die in großer Zahl auf dem Münsterberg zu Tage gekommenen Rundel dem weiten Feld sozialer, religiöser und politischer Handlungen zuzuweisen. Ihre auf Analogie zu römischen Funden basierende Funktion als Spielsteine fügt sich sehr gut in jenen Kontext religiöser Aktivitäten, bei denen das Spiel vermutlich als Medium sozialer Auseinandersetzung und möglicher mantischer Vorstellungen fungierte. Hiervon lassen sich weitere Deutungen als Losscheiben, Wahl- oder Eintrittsmarken sowie symbolischer Münzersatz nicht strikt trennen, vielmehr sind unterschiedliche Bedeutungsebenen und Nutzungsverschiebungen denkbar, an deren Ende die Deponierung der Rundel stand. Die in mehreren Orten im direkten Umfeld von Rundel- und rouelles-Depots existierende Münzstätte wirft zudem Licht auf eine weitere jener verschiedenartigen, wie ein Zwirn miteinander versponnenen Bedeutungsebenen. Für die Verwaltung größerer Geldsummen, Abgaben oder Zuwendungen sowie die Berechnung des Münzmetalls könnten Rechenbretter verwendet worden sein, auf denen Rundel als ‚Rechensteinchen’ oder calculi dienten.Wiederum lässt sich eine solche durch den Befundkontext angeregte Interpretation kaum von einer etwaigen Nutzung als Spielsteine, Geldsubstitut,Wahl- oder Votivmarke trennen. Eine Unterscheidung ist, wenn sie denn jemals in der antiken Realität vorgenommen wurde, heute wohl nicht möglich und kann nur indizienartig der jeweiligen Menge

der Rundel, den begleitenden Funden sowie dem lokalen Befundkontext und vergleichbaren Phänomenen an anderen Fundorten Rechnung tragen. Auf dem Breisacher Münsterberg und an verschiedenen Orten Zentralgalliens scheinen sie dahingehend in gewisser Weise das politische, sakrale und ökonomische Machtfundament der sozialen Elite zu versinnbildlichen. Deren Mitglieder treten als Repräsentanten wirtschaftlicher und ideeller Macht auf, die durch Münzen und Importe einerseits, durch die Rundel andererseits symbolisiert wird und als Privileg, aber auch Verpflichtung gegenüber ihrer Klientel aufzufassen ist. Ob im religiös verklärten Miteinander des Gelages und mantischen Spiels, der politischen Entscheidungsfindung oder der konkreten Berechnung wirtschaftlicher Mittel – das scheinbar Wertlose dürfte ein ideelles Format besessen haben, das einen zentralen Platz im Leben, in Kult, Politik und Wirtschaft der Mittel- und Spätlatènezeit einnahm. Danksagung Für die ausgezeichnete kritische Durchsicht des Textes und hilfreiche Anmerkungen und Hinweise danke ich Stefanie Samida (Tübingen) ganz herzlich. Victoria K. Altmann (Tübingen) und Manfred K. H. Eggert (Tübingen) korrigierten und kommentierten eine frühere Version der hier vorgelegten Ausführungen sowie die englischsprachige Zusammenfassung. Beiden schulde ich hierfür großen Dank.

Anmerkungen 1 Auf das zeitliche und funktionale Verhältnis der Ansiedlung auf dem Münsterberg zur älteren unbefestigten Großsiedlung von Breisach-Hochstetten kann hier nicht näher eingegangen werden. Zur Rekonstruktion der zeitlichen Abfolge siehe Wendling 2007, zur modellhaften Interpretation der Siedlungsgenese im südlichen Oberrheingebiet siehe Wendling einger. 2 Einen vereinzelten Hinweis auf kultische Aktivitäten auf dem Münsterberg liefert ein in eine Vorratsgrube eingebrachtes Depot aus Flussgeröllen und Rinderknochen (Wendling 2007: 116). 3 Der Beifund eines Probiersteines lässt allerdings auch hier weitere Deutungsmöglichkeiten, z. B. als ‚Rechensteine’, zu,

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auf die unten detaillierter eingegangen wird. 4 Corent: Poux 2001: 45–6; 2006: 21; 2007: 19; Poux et al. 2002: 76–9. – Chilly: Brunaux et al. 2003: 54–5; Collart 1987. – Argentomagus: Tuffreau-Libre 1994: 130. – Antigny: Tuffreau-Libre 1994: 130. – Clermont-Ferrand: Barral et al. 2003: 153–4; Poux et al. 2002: 79;Vernet, Poux 2001: 44–5. 5 Indirekt scheinen in den Schilderungen Caesars mehrfach Rechnungsszenen auf. So dürfte die von den Helvetiern selbst schriftlich fixierte Aufstellung aller an ihrem Exodus beteiligten Personen den rechnerischen Umgang mit hohen Zahlen nötig gemacht haben; möglicherweise ist auch der von Caesar initiierte census der Helvetier mittels indigen keltischer Administration und Berechnungen durchgeführt worden

(Caes. gall. I 29). Ferner könnte die Anforderung von größeren Mannschaftskontingenten oder Material- und Waffenlieferungen seitens der Kelten ein Indiz für mathematische Aufstellungen sein. Dass die sonstigen, aus dem Mund keltischer Stämme stammenden Zahlenangaben (z. B. ibid. II 4, 4–5) auf konkreten Berechnungen beruhen und keine topischen Beschreibungen sind, ist denkbar, aber nicht zu belegen.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Trachsel, C. Eibner, Waldhauser, Resch­ reiter, Salacˇ und Trachsel) Als weitere Interpretationsmöglichkeiten für die Verwendung der Scherbenrundel werden genannt: Rechenmarker für das Rechenbrett bzw. Rechentuch (Vorgänger des Abacus); eine Interpretation, die für ähnliche Funde im Mittelmeerraum des öfteren angeboten wird. Die als Marker bezeichneten Funde stammen meist aus der Nähe eines „freien Platzes“ innerhalb der Siedlung und werden oft in Kombination mit Münzen gefunden. Es könnte sich sogar eine Verwendung als „Ersatzgeld“ ergeben haben. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wäre, die Rundlinge als Deckel für z.B. Amphoren einzusetzen. In diesen wie auch den im Vortrag schon angebotenen Fällen stellt sich die Frage, wieso nicht häufiger - zumindest auch - extra für diese Zwecke angefertigte Objekte aufzufinden sind, sondern „nur“ die recycelten Keramikscherben im Fundgut aufzutauchen scheinen. Zur möglichen Nutzung der durchlochten Rundlinge als Spinnwirtel wird ergänzt, dass sich im Zuge eines Versuchs die vereinzelt in der archäologischen Landschaft aufgefundenen gelochten Scherben zu erklären, herausgestellt hat, dass diese auch zum Entzünden von Feuer (Drehen/Reiben von Holzstäbchen) gedient haben können. Die Mitnahme von Spinnwirteln / einzelnen Spielsteinen überallhin könnte durch ihre Multifunktionalität (inkl. Feuermachen) erklärt werden. Insgesamt wird beklagt, dass diese Objekte oft nicht bzw. nicht ausreichend mit ihrem Fundkontext publiziert werden. Bisher sind durchbohrte und nicht durchbohrte Scherbenrundlinge verschiedenster Größen in vielfältigen aber unauffälligen Verteilungen und

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Vergesellschaftungen bekannt, wodurch keine oder alle Interpretationsmöglichkeiten gleichermaßen gestützt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass gerade bei älteren Grabungen Anzahl, Form und Fundzusammenhang ähnlicher Kleinfunde mit Vorsicht zu betrachten ist, weil Beispiele wie Stradonice zeigen, dass es sich in vielen Fällen um moderne abendliche Heimproduktion der nach Fundstückanzahl entlohnten Grabungsmitarbeiter handeln könnte. Da diese Fundsorte über die gesamte Latènezeit in ganz Europa verbreitet ist und in Siedlungen jeder Größe und Anlageform vorkommt, wird die Wahrscheinlichkeit, dass es sich überall um Rechenhilfen handelt, als nicht allzu hoch angesehen. Chronologisch scheinen sich die „echten“ Spinnwirtel zu den Scherbenrundlingen eher indirekt proportional zu verhalten (es gibt immer weniger Spinnwirtel, während die Fundzahl der Scherbenrundel steigt). Ein weiteres Problem bei der Bearbeitung stellt die Praxis dar, „alle“ Scherben mit Lochung seit dem Neolithikum als Rundlinge zu bezeichnen, selbst wenn diese nicht besonders rund sind und die Bohrung vermutlich eher von einer Gefäßreparatur stammt. Trotz des Rückgangs in der Anzahl der keramischen Spinnwirtel müssen nicht die Scherbenrundlinge als Ersatz herangezogen worden sein. Es gäbe ausreichend Möglichkeit Holz-Spinnwirtel (wie sie aus Feuchtbodensiedlungen erhalten sind) für diesen Zweck zu verwenden. Bisher scheint es keine einheitliche Antwort auf die Frage zu geben, wie gut gewuchtet ein Spinnwirtel zu sein habe, um zu funktionieren. Angaben variieren von „fast alles ergibt ein ausreichendes Schwunggewicht“ bis zu „der Wirtel bekam einen kleinen Spalt und musste daher weggeworfen werden“.

Zur Deutung von Mischwesen in der Frühlatènekunst* Matthias Jung

Zusammenfassung Thema des Beitrags ist die Frage, ob die für die Frühlatènekunst so charakteristischen Mischwesen möglicherweise gar keine Mischwesen im eigentlichen Sinne sind, sondern solche, die ihre Gestalt wandeln können und in einer Metamorphose begriffen wiedergegeben werden. Zur Erörterung dieser Frage werden Gestaltwandlerdarstellungen der antiken griechischen Kunst auf Gemeinsamkeiten und Differenzen zu den Mischwesen des Frühen Stils betrachtet und außerdem Überlegungen zu Darstellungsweisen von Metamorphosen im Allgemeinen sowie zu methodischen Schwierigkeiten bei ihrer Identifizierung angestellt.

Abstract My paper discusses the issue, whether the hybrid beings, apparent in the art of the early La-Tène-period, are not of that particular sort in the actual sense, in that they are rather a kind of beings, which are capable of transforming their form and shape. Moreover it is argued, that they are being depicted in undergoing such a metamorphosis. Thus the representation of these „metamorphists“ in ancient greek art is dwelled on as well as possibilities of symbolisations of metamorphoses in general and methodological matters are reviewed.

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Die nachfolgenden Überlegungen schließen an eine Untersuchung ambiger Darstellungen in der keltischen Kunst an (Jung 2008), deren Ergebnisse kurz rekapituliert werden sollen. Ausgehend von doppeldeutigen Darstellungen auf Attaschen etruskischer Kannenhenkel, in denen man entweder Palmetten oder Gesichter bärtiger Wesen erkennen kann (Jung 2008: 212 Abb. 2), hat sich die Frage gestellt, ob diese möglicherweise die keltische Kunst beeinflusst haben, insbesondere Werke, die als Vertreter des Cheshire-Stiles nach der Definition von P. Jacobsthal (1944: 19) anzusprechen sind. Analytisch sinnvoll wäre dabei eine Unterscheidung einerseits zwischen dem Cheshire-Phänomen und andererseits den Stilen im Sinne der Gesamtheiten von Gestaltungsregeln, die solch uneindeutige Gesichtsdarstellungen hervorbringen. Das CheshirePhänomen, also das Hervortreten von Gesichtern aus ornamentalen Konfigurationen nach einem mehr oder minder langen Einsehen, gibt es im Kunstschaffen zahlreicher Kulturen, die Stile, mit denen dieser Effekt erreicht wird, sind aber kulturspezifisch, auch wenn es sicher, von der Sache erzwungen, Konvergenzen geben wird. Bezogen auf die keltische Kunst wäre des Weiteren zu differenzieren zwischen einem „Waldalgesheim-Cheshire-Stil“ und einem, einen terminologischen Vorschlag V. Megaws (1970: 274f.) aufgreifend, „Disney-Stil“. Für den Waldalgesheim-Cheshire-Stil ist kennzeichnend, dass die verrätselten Gesichter zumeist auf Palmetten zurückgeführt werden können, aber eben nicht auf isolierte Palmetten, wie sie auf den Attaschen anzutreffen sind, sondern auf in Rankengeflechte eingebettete. Die Gesichter erwachsen aus einer uneindeutigen Relation zu den sie umgebenden Verschlingungen, oder präziser: Sie können als Teil dieser Verschlingungen oder eben als Gesichter gelesen werden. Ganz andere Gestaltungsprinzipien determinieren die Gesichter im „Disney-Stil“, die zumeist nicht im Verhältnis zu ihrer Umgebung, sondern in sich ambivalent sind. Schon aus diesem Grund erscheint es wenig sinnvoll, beides gleichermaßen unter „Cheshire-Stil“ zu subsumieren. Jacobsthal selbst ist in dieser Frage merkwürdig unentschieden, denn seine Definition des Cheshire-Stiles klingt wie eine Beschreibung des Waldalgesheim-Cheshire-Stiles, die von ihm genannten Beispiele aber verweisen mehrheitlich auf Stücke, die dem Disney-Stil zuzurechnen

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sind (Jacobsthal 1944: 18–9). Eine klare Absetzung von ihrer Umgebung haben die Disney-Stil-Gesichter mit den mediterranen „Palmettengesichtern“ gemeinsam, die Umsetzung aber erfolgt bei jenen mit anderen Mitteln, denn der Betrachter sieht, wie bereits Megaw (1965/66: 124) feststellte, entweder ein Gesicht oder eine Ansammlung kurvolinearer geometrischer Formen, die sich aber nicht zu einer alternativen Gestalt konfigurieren. Anders das Palmettengesicht, denn hier gewärtigt man in jedem Fall eine integrale Gestalt, ein bärtiges Gesicht oder eine Palmette, nicht aber unverbundene abstrakte Formen. Mit dem „Cheshire-Stil“ in seinen beiden Spielarten wird als ein Grundzug der keltischen Kunst die Darstellung von Transformation greifbar, und zwar einer Transformation vom Vegetabilen und darauf beruhenden Ornamentalen zu Wesen, die, wie verzerrt auch immer, eine erkennbare Menschenähnlichkeit haben.2 Wie sind aber nun die frühlatènezeitlichen Figuren, die gewöhnlich als Masken, Dämonen, Misch- und Fabelwesen angesprochen werden, in diesen Zusammenhang einzuordnen? Denkbar wäre, dass die Wesen, die auf diese Weise vergegenwärtigt wurden, mit den Rankengeflechten des WaldalgesheimStiles angemessener dargestellt werden konnten. Dann ist jedoch zu fragen, ob auch die Mischwesen des Frühen Stiles vielleicht gar keine Mischwesen im eigentlichen Sinne sind, sondern vielmehr Gestaltwandler, die im Prozess einer Metamorphose wiedergegeben werden. Die Frage, die ich im Folgenden ein wenig zu erhellen versuche, lautet demnach: Gibt es explizierbare Kriterien dafür, Misch- und Fabelwesen auf der einen Seite und Gestaltwandler auf der anderen stabil zu unterscheiden? Dabei ist zunächst einmal näher zu bestimmen, was Mischwesen eigentlich sind. Mischwesen setzen sich aus verschiedenen tierischen oder tierischen und menschlichen oder auch tierischen, menschlichen und vegetabilen Elementen zusammen, manchmal finden sich auch Elemente der unbelebten Natur wie Feuer, Wasser, Gestein etc. Sie sind entweder „vollständig“, weisen also vier Extremitäten, Rumpf, Kopf, ggf. Schwanz auf, die aber von unterschiedlichen Lebewesen genommen sind, oder es sind hybride, „überausgestattete“ Wesen qua Addition von Körperteilen.3 Die Bedeutung dieser „Überausstattung“ ist wohl in

der Kombination besonders erwünschter oder besonders gefürchteter Eigenschaften wie Kraft, Schnelligkeit, Flugfähigkeit etc. zu suchen. Im Fall von Tier-Mensch-Mischwesen kann die Kombination entweder eine Aufwertung bedeuten oder aber eine Stigmatisierung, der Status als Mischwesen kann, mit anderen Worten, Resultat einer Gunst oder einer Bestrafung sein. Gleiches gilt auch für die „Gestaltwandler“, denn die Metamorphose kann ebenfalls entweder ein Segen sein, wenn sie nämlich willkürlich herbeigeführt werden kann, oder aber ein Fluch, wenn sie unwillkürlich sich vollzieht. Zur analytischen Unterscheidung von Mischwesen und Fabelwesen könnte man postulieren, dass Mischwesen Mixturen aus tatsächlich vorhandenen, zoologisch benennbaren Geschöpfen sind, die Fabelwesen dagegen nicht nur als Ganze nicht in der Natur vorkommen, sondern bereits ihre einzelnen Bestandteile keine realen Entsprechungen haben. Beide, Mischwesen und Fabelwesen, bewegen sich innerhalb des semantischen Spannungsfeldes von unnatürlich (mit der Konnotation des Abwertenden) und übernatürlich (mit der Konnotation des Aufwertenden). Die Unterscheidung natürlicher und übernatürlicher Wesen ist allerdings insofern nicht unproblematisch, als zum einen die Angehörigen der Kulturen, die Fabel- und Mischwesen hervorbrachten, an deren reale Existenz geglaubt haben können, und zum anderen auch reale Tiere mit übernatürlichen Bedeutungen aufgeladen werden können.4 Überlegt man nun, welche Möglichkeiten der Gestaltwandlerdarstellung es gibt, die diese Eigenschaft prägnant zum Ausdruck kommen lassen, dann muss bedacht werden, dass gar nicht die Metamorphose selbst gezeigt werden muss, sondern der kundige Betrachter nur mehr oder weniger dezenter Hinweise bedarf, um eine Figur und das ihr zukommende Wandlungsvermögen zu erkennen.Wenn aber tatsächlich die Verwandlung selbst zur Darstellung gebracht wird, dann ist zu fragen, wie zwischen in einer Transformation begriffenen Wesen einerseits und Mischwesen andererseits unterschieden werden kann. Im Wesentlichen bieten sich die folgenden Möglichkeiten an: Entweder wird die Figur in einer ihrer möglichen Gestalten gezeigt, ohne dass die Metamorphose selbst in irgendeiner Weise markiert wäre. In diesem Fall bedarf es eines Attributes, welches die Identität der Figur verdeut­licht,

oder eines Kontextes wie zum Beispiel eines szenischen Zusammenhanges, aus dem heraus die Identität ersichtlich ist. Oder die Figur wird während der Transformation dargestellt, und dabei ­können die beiden Gestalten – wenn es denn zwei sind – gleichermaßen beteiligt sein, oder eine, sei es die Ausgangsgestalt oder die Finalgestalt, ist die führende und Elemente der anderen sind ihr beigeordnet. Hier nun wird das Problem virulent, die Metamorphose selbst, die den Gestaltwandler vom Mischwesen unterscheidet, zum Ausdruck zu bringen, und ein naheliegendes Mittel wäre etwa, die Dramatik der Verwandlung durch eine gleichfalls dramatische Gestik, Mimik oder Körperhaltung zu versinnbildlichen. Zur empirischen Unterfütterung des Gesagten seien exemplarisch einige Darstellungsweisen von Gestaltwandlern in der antiken Kunst vorgestellt, nämlich von Aktaion, Acheloos, Nereus, Thetis und Daphne. Diese Auswahl ist nicht systematisch, sie folgt dem Prinzip einer „informierten Willkür“ und hat lediglich einen heuristisch-illustrativen Charakter. Aktaion (vgl. Guimond 1981) rühmte sich, ein besserer Jäger als Artemis zu sein oder, einer anderen Überlieferung zufolge, überraschte Artemis bzw. Diana beim Bad, weshalb er in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Jagdhunden zerrissen wurde. Die Verwandlung hat hier also den Charakter einer Bestrafung bzw. ist die Voraussetzung der Bestrafung. Aktaion wird zuweilen ohne Anzeichen einer Verwandlung in szenischen Zusammenhängen dargestellt, entweder bei seiner Verfehlung oder bei der durch sie herausgeforderten Bestrafung. Seine Identität kann aber auch durch ein auf dieVerwandlung hinweisendes Hirschfell angezeigt werden oder durch Hirschattribute, einem Geweih auf seinem Menschenkopf oder aber einem Hirschkopf auf menschlichem Leib. Die Metamorphose des Aktaion wird also durch Hirschfell, Geweih oder Hirschkopf angedeutet. Von einem Mischwesen wäre er in den beiden letztgenannten Gestalten ohne Kenntnis der Sage nicht zu unterscheiden. Acheloos (vgl. Isler 1981) unterlag im Ringkampf mit Herakles, obwohl er sich in eine Schlange und einen wilden Stier verwandelte. Er wird allein oder im Kampf mit Herakles gezeigt, und zwar in Menschengestalt mit Stierhörnern, als Mannstier, als Mannstier mit Armen, mit Fischleib (der vielleicht eher als

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Schlangenleib zu deuten ist), schließlich auch in Kentaurengestalt. Auch bei Acheloos ist eine Unterscheidung von Mischwesen aufgrund formaler Kriterien nicht möglich. Darstellungen des Nereus (vgl. Pipili 1992), des greisen Meergottes mit der Gabe der Verwandlung und der Weissagung, zu der er von Herakles allerdings gezwungen werden musste, zeigen ihn in menschlicher Gestalt oder mit Fischschwanz. Hinweise auf seineVerwandlungsfähigkeit bzw. seine tatsächliche Verwandlung während des Kampfes sind Schlangenprotomen oder Schlangen- und Löwenprotomen, die aus dem Fischleib herauswachsen. Von mit Protomen bestückten Mischwesen wie Chimaira kann Nereus nicht unterschieden werden. Thetis (vgl.Vollkommer 1997) vermag sich in Feuer und Wasser sowie in Schlange und Löwe zu verwandeln, und von dieser Verwandlungsfähigkeit machte sie Gebrauch im Kampf mit Peleus, dem sie unterlag, woraus die Zeugung des Achilleus resultierte. Manche Vasenbilder zeigen Peleus im Kampf mit einem Mischwesen aus Löwe und Fisch (wobei der Fisch möglicherweise für das Wasser steht), andere ihn im Kampf mit der in Feuer sich verwandelnden Thetis, die hier wie ein Mischwesen aus Mensch und Feuer erscheint. Auch findet sie sich in Menschengestalt, der die Gestalten, die sie annehmen kann, in kleinerem Maßstab beigestellt sind. Peleus ringt in solchen Darstellungen nicht mit einem Mischwesen aus Frau und Tier und auch nicht mit einer Verwandlungsform der Thetis, sondern er kämpft gegen mehrere Gegner gleichzeitig. Nicht werden wie bei Nereus einzelne Elemente der möglichen Gestalten zusammengeführt, sondern die kompletten Figuren. Zu Daphne liegt eine von V. Müller (1929) formulierte Typologie von Darstellungsweisen vor, deren Bezugspunkt dasVerhältnis von Körper und Lorbeerbaum als dem Anfangs- und Endstadium der Verwandlung ist. Der 1. Typus (Müller 1929: 59–61) zeigt Daphne in rein menschlicher Gestalt, die entweder einen Lorbeerbaum umfasst oder der ein kleiner Zweig aus dem Kopf wächst. Dieser Zweig ist ein symbolisches Attribut, das sie von anderen Geliebten Apollos unterscheiden soll. Dargestellt wird nicht die Metamorphose, sondern deren Ursache in Form der dramatischen Situation. Dieser Typus atmet nach Müller (1929: 65)

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„den Geist echtesten klassischen Griechentums“. Eine menschliche Gestalt zeigt auch der 2. Typus (Müller 1929: 61f.), an der aber die Verwandlung selbst dargestellt wird: Die Beine sind mit dem Baumstamm verschmolzen, und Zweige sprießen aus der Gestalt selbst, nicht aus ihren Konturen. Dieser Typus ist hellenistisch, die Naturform des Baumes verschmilzt mit der idealen Personifikation. Anders als in der klassischen griechischen Kunst wird nicht der Ruhepunkt zwischen zwei Bewegungen geschildert, sondern der Moment des Übergangs, was zur Folge hat, dass nun die Metamorphose selbst wiedergegeben werden kann. Dies ermöglicht eine Beschränkung auf die Einzelfigur der Daphne unter Fortlassung der dramatischen Szene und begünstigt auch plastische Darstellungen. Bei dem 3. Typus (Müller 1929: 62f.) ist die Figur nicht mehr vollständig menschlich, die Unterschenkel sind durch einen Baumstumpf ersetzt, aus dem die menschliche Gestalt emporwächst. Die Arme sind zwar unzweideutig menschliche Arme, ihre Haltung erinnert aber an Äste. Dieser Typus stellt wie Typus 2 eine Verwandlung dar, dies aber derber und weniger subtil, denn die Formen von Mensch und Baum werden nicht miteinander verschmolzen, sondern sie wirken wie äußerlich zusammengesetzt. Nichts deutet auf eine Verwandlung hin, es wird eigentlich nicht ein Werden, sondern eher ein Zustand abgebildet, was den Eindruck hervorruft, dass es sich um ein Mischwesen handelt, das halb ein Baum und halb ein Mensch ist. Im Fall des 4. Typus (Müller 1929: 63f.) schließlich dominiert der Baum, Daphne kommt aus dem hohen Stamm, der mehrere Äste hat, hervor. Dieser Typus geht auf einheimische Darstellungen einer mit Daphne identifizierten syrischen Baumgöttin zurück, er stammt folglich nicht aus griechischem und erst spät hellenisiertem Gebiet. Müller zufolge betont die orientalische Mythologie bei Verwandlungen nicht die Verwandlung selbst, sondern die beiden nebeneinanderstehenden Seinsformen, wie der Darstellungsmodus von Typus 4 anschaulich zeigt. Blickt man von ihm zurück auf die anderen Typen, dann stellt sich heraus, dass auch Typus 3 dem Modell der orientalischen Zusammensetzungen folgt, in ihm ist allerdings gegenüber Typus 4 das orientalische Vorbild stärker gräzisiert. Zu Typus 4 merkt Müller an: „Möglich sind solche Zusammensetzungen dadurch, dass die orientalische

Kunst alle ihre Gestalten nicht wie die griechische nach dem Formgesetz des menschlichen Organismus, in dem alle Glieder ‚organisch’ verbunden und von einem einheitlichen lebendurchflossenen Rhythmus durchzogen sind, bildet, sondern ihn ‚kristallinisch’ aufbaut, aus einzelnen Teilen zusammensetzt; bei dieser ‚Addition’ kann dann auch noch ein Teil hinzugefügt werden, der sich in der Natur nicht findet oder sich mehrere heterogene zusammenschliessen“ (Müller 1929: 83). Diese Bemerkungen weisen auf einen Umstand hin, der in seiner Selbstverständlichkeit vielleicht überhaupt erst wieder zu Bewusstsein gebracht werden muss: Dass es nämlich Traditionen und Stile künstlerischen Schaffens gibt, die der Darstellung von Metamorphosen günstiger sind als andere. Das klassische griechische Kunstverständnis mit seiner idealischen Überhöhung natürlicher Formen beispielsweise war kein guter Nährboden für Verwandlungsdarstellungen, und ein später Reflex dieses Verständnisses liegt Winckelmanns entschiedener Ablehnung der Daphne Berninis zugrunde, die zum Modell der Zurückweisung solcher Darstellungen im Klassizismus wurde.5 Die Kunst des Barock dagegen war ihnen vergleichsweise aufgeschlossen, ebenso, wenn auch aus anderen Gründen, der Symbolismus. Eine Konjunktur erlebten Metamorphosen im Jugendstil, in dem insbesondere das Stilmittel der fließenden Linie einer Gestaltung von Bewegung und Übergang im Allgemeinen und von Verwandlung von menschlichen zu vegetabilen Formen bzw. von Figur zu Ornament im Besonderen günstig war, wie auch im Surrealismus.6 In beiden Fällen liegt die Frage nahe, ob jeweils die neuen Stilmittel zu einer angemesseneren Darstellung bestimmter Inhalte ersonnen wurden oder ob umgekehrt die Künstler sich zu diesen neuen Stilmitteln passende Inhalte suchten. Es hat den Anschein, dass für den Jugendstil ein gewisser Vorrang der Formensprache charakteristisch war, die sich die ihr gemäßen Sujets wählte, während im Surrealismus eher das Moment des Inhaltlich-Programmatischen dominierte, zu dessen Umsetzung dann adäquate Gestaltungsmittel gesucht wurden.7 Zusammenfassend kann man festhalten, dass diejenigen Kunststile Metamorphosendarstellungen ablehnend gegenüberstehen, für die ein naturalistisches Gestaltungsprinzip, sei es realistisch oder idealistisch

überhöht, maßgeblich ist. Dies ist bei der Frühlatènekunst nicht der Fall, daher müssten in ihr Metamorphosendarstellungen im Prinzip möglich sein. Es sei daran erinnert, dass es Gestaltungsambiguitäten auch schon im Frühen Stil gibt, und zwar im Ornament. Allerdings ist, wie oft konstatiert wurde, insbesondere für den Frühen Stil eine fast orientalisch anmutende Starrheit kennzeichnend, die der Darstellung von Mischwesen günstig sein mag, nicht aber der von Bewegung und Transformation. Welche Möglichkeiten der Metamorphosendarstellung sind ihm jenseits dieser immanenten stilistischen Einschränkung aber dann gegeben? Legt man die Erkenntnisse zu Grunde, die in dem Gang durch die Darstellungsweisen von Gestaltwandlern in der antiken Kunst gewonnen wurden, dann lassen sich vor allem zwei mögliche Indikatoren für eine Metamorphose nennen: erstens eine Addition von Elementen der Gestalten, die ein Wesen annehmen kann (wie zum Beispiel bei Nereus) bzw. das Nebeneinanderstellen dieser Gestalten (wie zum Beispiel bei Thetis), zweitens eine die Dramatik des Gestaltwandels oder die der ihn evozierenden Situation zum Ausdruck bringende, etwa gewundene Körperhaltung. Diese beiden möglichen Indikatoren erinnern an zwei Gestaltungsmittel des skythischen Tierstils, die, wie M. Guggisberg (1998) aufgezeigt hat, auch die frühkeltische Kunst beeinflussten, nämlich die zoomorphe Junktur und die Inversion. Bei der Inversion handelt es sich um einen Darstellungsmodus, der den Hinterleib des Tieres um 180 Grad verdreht zeigt, ein weiteres, in der Literatur nicht als solches bezeichnetes Inversionsphänomen ist der zurückgewandte Kopf eines Tieres, der einem starren Bild ein Moment der Dynamik verleiht. Die zoomorphe Junktur beschreibt ein Gestaltungsprinzip, „das in der Zerlegung und Neuzusammenfügung des Tierkörpers unter Einbeziehung von artgleichen und -fremden Tierkomponenten begründet ist“ (Guggisberg 1998: 555). Der Begriff der Junktur geht auf A. Riegl (1893: 92) zurück, der ihn bezüglich assyrischer Blütenornamentik verwendete, L. Curtius (1913: 19) griff ihn auf und wies auf die Existenz auch zoomorpher Junkturen am Beispiel eines assyrischen Dreifußes hin, bei dessen Beinen aus Entenköpfen Stierfüße hervorkommen bzw. von den Enten verschlungen werden.

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Im Hinblick auf das vielleicht prominenteste Motiv der skythischen Kunst, den Hirsch, wie er idealtypisch verkörpert wird von dem Exemplar aus dem Kurgan von Kostromskaja Stanica (Katalog Hamburg 1993: 47), hat K. Schefold Folgendes bemerkt: „Der skythische Hirsch ist liegend dargestellt, aber nicht in ruhiger Entspannung mit untergeschlagenen Beinen, sondern in einer gespannten Haltung, die alle Möglichkeit der Bewegung und alle Eigenschaften des Tieres versinnbildlicht“ (Schefold 1938: 34).8 Wenn denn nun aber nicht nur Aktuelles oder Ideales, sondern auch Potentielles zur Darstellung kommt, führt dies zu der Überlegung, ob nicht auch die zoomorphe Junktur vielleicht Möglichkeiten abbildet, nämlich solche der Metamorphose. Diesem Gedanken ist Schefold auch tatsächlich nachgegangen: „Die ‚zoomorphe Junktur’ hat man aus der Vorstellung von der Verwandlungsfähigkeit des dämonischen Wesens glücklich erklärt“ (Schefold 1938: 38). Sein Gewährsmann in dieser Frage ist A. Alföldi, aber die Konsultation des Textes, auf den Schefold verweist, ist enttäuschend: Alföldi äußert sich ganz allgemein zu der „theriomorphen Weltbetrachtung“, die auch der skythischen Kunst zugrundeliege und die von der prinzipiellen Wandelbarkeit alles Daseienden ausgehe, ohne dass er die zoomorphe Junktur auch nur erwähnen und ihre von Schefold behauptete Funktion als Metamorphosenindikator begründen oder ableiten würde.9 Ein berühmtes Gegenstück zu dem Hirsch von Kostromskaja Stanica stammt aus dem Kul’-Oba-Kurgan (Katalog Hamburg 1993: 127). Diese gemeinhin einem griechischen Künstler zugesprochene Arbeit scheint ein gutes Beispiel für die zoomorphe Junktur zu sein, bei genauerer Betrachtung erweist sich aber, dass eigentlich nur der Widderkopf an der letzten Geweihsprosse und der den Schwanz bildende Raubvogelkopf hierfür in Anspruch genommen werden können, während die anderen Tiere bloß appliziert, aber nicht in die Gesamtgestalt stimmig integriert sind. Ein gelungenes Beispiel hierfür bietet der Wolf im Rolltiertypus aus dem Kulakovskij-Kurgan (Katalog Hamburg 1993: 81): Ein Widder, dessen Horn in einem Vogelkopf ausläuft, bildet die Schulter, weitere Vogelköpfe bilden Hüfte und Pfoten. Höchst eigentümlich ist die Zusammenrollung des Tieres, und es ist viel darüber spekuliert worden, ob diese Form immanent ästhe-

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tische Gründe hat oder aber der Notwendigkeit geschuldet ist, runde Zierapplikationen anzufertigen.10 Jedenfalls gibt dieser Typus keine aufgrund ihrer Geschlossenheit in sich ruhende Form wieder, sondern es ist ein spannungsreiches, dynamisches Gebilde. Auf paradox erscheinende Weise wird hier also Spannung in einer auf den ersten Blick spannungslosen Form erzeugt, was den ästhetischen Reiz ausmacht und an den Hirsch von Kostromskaja Stanica erinnert, bei dem derselbe Effekt durch andere Mittel erreicht wird. Eine Mischung aus beidem verkörpert der Steinbock auf der Schulter des Wolfes, der dem Hirsch vergleichbar gelagert ist, aber durch den zurückgewandten Kopf, verstärkt noch durch den von seinem Horn gebildeten Bogen, sich der Kreisform annähert. Eine gespannte Körperhaltung zeigt auch die Inversion an. Schwierig ist es jedoch, deren Grund namhaft zu machen, da die skythischen Tierfiguren zumeist für sich, ohne ein sie umgebendes szenisches Geschehen wiedergegeben werden. An das zu dem Steinbock Ausgeführte anschließend, scheint mir bei dem Mufflon aus dem Kurgan 3 von Pazyryk (Katalog Hamburg 1993: 208) die Inversion vor allem den Zweck zu haben, eine (aus welchen Gründen auch immer) als erforderlich erachtete Kreisform herzustellen, sie hätte hier also dieselbe ästhetische Funktion wie die Zusammenrollung der Tiere. Betrachtet man den Wolf oder auch einen Panther unbekannter Provenienz (Katalog Hamburg 1993: 157), dann liegt der Gedanke nahe, dass gemäß dem Rolltiertypus Raubtiere, mit der Inversion dagegen deren Beutetiere gestaltet wurden. In der Tat erinnert der verdrehte Hinterleib des Mufflons an das verzweifelte seitliche Ausschlagen der Hinterläufe angegriffener Beutetiere. Ein bekanntes Gegenbeispiel sei aber sofort benannt: Eine goldene Schmuckplatte ebenfalls unbekannter Provenienz, die einen Löwen zeigt, der ein Pferd anfällt (Katalog Hamburg 1993: 160f.). Hier sind nun beide, Räuber und Beute, im Modus der Inversion dargestellt. Bei dem Pferd passt die Inversion gut zu der Annahme eines Ausschlagens, bei dem Löwen dagegen nicht. Jedoch gilt es hier zu bedenken, dass eine Darstellung als Rolltier wegen des hermetischen Charakters dieses Typus in einer solchen Szene gar nicht möglich wäre. Insofern signalisiert die Inversion des Löwen hier nicht die Ab-

wehrbewegungen des unterlegenen Tieres, sondern die Kraft und Beweglichkeit des Räubers; außerdem ist diese Stilisierung des Löwen im Kontext der Szene ja auch unmissverständlich. Wir sehen also in der skythischen Kunst das eine postulierte mögliche Kriterium für die Identifikation metamorphosenfähiger Wesen, eine gespannte Körperhaltung, prinzipiell erfüllt, die umso suggestiver wirkt, als die Figuren im Normalfall nicht in ein szenisches Geschehen eingebettet sind, sondern für sich stehen, was den Betrachter dazu veranlasst, den Grund der Spannung in ihnen selbst zu suchen und nicht in dem Kontext oder der Situation, in der sie sich befinden. Wenn es sich allerdings bestätigen würde, dass die Inversion primär bei Beutetieren anzutreffen ist, dann wäre die Inversion eine Chiffre für eine bestimmte Eigenschaft dieser Tiere, nicht für ein Sich-Winden, das eine bevorstehende Verwandlung anzeigt. Wie steht es im Lichte dessen nun um die zoomorphe Junktur? Kann sie als Indikator einer aktuellen oder potentiellen Metamorphose gedeutet werden? Ich möchte zumindest einen Befund benennen, der dagegen zu sprechen scheint: Einen Panther aus dem Kurgan 1 von Kelermes (Katalog Hamburg: 49), dessen Schwanz und Tatzen aus kleinen Panthern im Rolltiertypus gebildet werden. Hier ist offensichtlich, dass die kleinen Panther nicht Indikatoren von Verwandlungsmöglichkeiten sein können, da sie identisch sind mit dem Tier, das als materialer Träger fungiert. Allenfalls wäre daran zu denken, dass sie die Fähigkeit dieses Tieres anzeigen, sich zu vervielfachen. Beide Merkmale,Verdrehung des Körpers und Addition von Körperteilen, sind folglich weder notwendige noch hinreichende Kriterien für die Annahme einer Metamorphosendarstellung in der skythischen Kunst. Das bedeutet für sich genommen natürlich noch nicht, dass die diese Elemente aufnehmenden keltischen Künstler sie nicht als willkommenen Impuls zu einer Versinnbildlichung der Verwandlungsfähigkeit eines Tieres betrachtet haben könnten. Wie also ist es nun um die Inversion und die zoomorphe Junktur in der Frühlatènekunst bestellt? Was die Inversion (in einem erweiterten Verständnis, das auch eine Verdrehung von Hals und Kopf um 180 Grad einschließt) angeht, so ist sie in der Latènekunst ubiquitär, und vor allem bei tiergestaltigen Fibeln häufig anzutreffen. Besonders

beliebt ist das Motiv der Ente, und seine Beliebtheit weist den Weg in die Richtung, wie die Inversion in diesen Fällen wohl zu verstehen ist: Nämlich nicht als Zeichen einer Körperspannung oder inneren Bewegtheit, sondern im Gegenteil einer Ruhehaltung, denn bei Enten besteht diese in einem zurückgewandten und in das Gefieder gesteckten Kopf. Die Inversion dient hier demnach vor allem dem Zweck, eine in sich geschlossene Figur zu bilden. Anders liegt der Fall bei Inversionsphänomenen auf Gegenständen, die nicht eine einzelne Figur, sondern ein Ensemble von Figuren zeigen wie auf dem Rodenbacher Ring (Megaw, Megaw 2001: 89 Abb. 114), dem Gürtelhaken aus Weiskirchen (Megaw, Megaw 2001: 66 Abb. 65), den Erstfelder Ringen (Megaw, Megaw 2001: 71 Taf. 9) und der Glauberger Schnabelkanne (Katalog Frankfurt 2002: 243–45 Abb. 233–36). Hier kann man aber den zurückgewandten Kopf zwanglos aus der Logik der Komposition erhellen, ohne auf inhaltliche Erklärungen zurückgreifen zu müssen. Was nun zoomorphe (und anthropomorphe) Junkturen angeht, liegt eine wichtige Differenz der skythischen Kunst zur keltischen darin, dass, wie schon G. Boroff ka (1926: 383) bemerkte, der skythische Tierstil zwar durch zoomorphe Junkturen den Eindruck des Phantastischen erweckt, ihm aber eigentlich Motive phantastischer Tiere fremd sind – wenn solche erscheinen, sind sie über Vorderasien und Griechenland vermittelt. In der keltischen Kunst ist das ganz anders, hier herrscht eine Abundanz hybrider Figuren, die zoologisch nicht eindeutig zugeordnet werden können. Das erschwert es auf einer ganz basalen Ebene, Junkturen überhaupt zu erkennen, ganz einfach weil sich das Trägertier nicht bestimmen lässt. An dieser Stelle sei eine methodologische Bemerkung eingeschaltet. Für das Methodenmodell, das bei meinen Ausführungen im Hintergrund steht, das der Objektiven Hermeneutik11, ist die Einhaltung der sogenannten Sparsamkeitsregel essentiell, die besagt, dass nur diejenigen Lesarten zuzulassen sind, die ohne weitere Zusatzannahmen von dem zu analysierenden Sachverhalt erzwungen werden.12 Die Bedeutung dieser Regel ist nicht nur eine forschungsökonomische, sondern eine genuin forschungslogische, denn sie dient dazu, Hypothesen, die nicht am Material selbst

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überprüft werden können, auszuschließen. Damit wird nicht behauptet, dass diese Hypothesen falsch sind, sie sind wegen ihrer Unüberprüfbarkeit aber als Hypothesen unbrauchbar und tragen zum Erkenntnisfortschritt nichts bei, können aber eine erhebliche Verwirrung stiften. Daher ist höchste Vorsicht geboten, wenn sich in wissenschaftlichen Texten die Formulierung findet, man könne einen bestimmten Sachverhalt „keineswegs ausschließen“, denn das genau ist die sprachliche Markierung des Versuches, an solchen aufgrund ihrer Nichtüberprüfbarkeit eigentlich auszuscheidenden Hypothesen doch noch festzuhalten, so als wäre die Nichtüberprüfbarkeit nicht ein Ausschlusskriterium, sondern im Gegenteil eine Geltungsquelle. Die Folge einer derartigen Wendung ins Affirmative ist ein sich selbst immunisierender Dogmatismus, der die Beweislast demjenigen aufbürdet, der eine solche nicht falsifizierbare Hypothese kritisiert und dem zugemutet wird, sie zu widerlegen. Die Anwendung der Sparsamkeitsregel ist im Fall der Mischwesen und Gestaltwandler nicht ganz einfach. Strikt angewendet, wären die Gestalten, die aus Elementen verschiedener Wesen zusammengesetzt sind, als Mischwesen zu bezeichnen. Bezieht man aber die Ebene der Darstellungspragmatik mit ein, wie sie sich bei der Betrachtung griechischer Gestaltwandler gezeigt hat, dann wäre in Ansehung dieser Gestalten auch in Rechnung zu stellen, dass es sich um Gestaltwandler handeln könnte. Ich würde jedoch dafür votieren, die Sparsamkeitsregel tatsächlich streng anzuwenden und die Explikationen zu den Darstellungsmodi von Gestaltwandlern als heuristische Konstruktion „im Hinterkopf“ zu behalten, damit Indizien für das Vorliegen eines Gestaltwandlers, wenn sie im Material auftreten, dann auch als solche erkannt werden können. Solche Heuristiken sind keine bloßen Gedankenspielereien, sondern notwendig, damit ein Gegenstand oder Sachverhalt, der eine neue Evidenz bedeutet, auch tatsächlich wahrgenommen wird. Anders gesagt, muss man vorauseilend gedankenexperimentell konstruiert haben, wie eine Evidenz beschaffen sein muss, damit man sie dann auch in ihrer Bedeutung erkennen kann. Man darf sich allerdings nicht von der Suggestivität heuristischer Konzeptionen blenden lassen und, von dem eigenen Wunschdenken geleitet, sie unter der Hand zu Hypothesen aufwerten.13

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Nach so viel Skepsis und ernüchterndem Bedenkenträgertum möchte ich mich abschließend aber doch mit einer etwas ungeschützten Spekulation hervorwagen, freilich auf der Grundlage des diskutierten Für und Wider und in dem Bewusstsein, dass diese Ableitung auf einer Reihe voraussetzungsreicher Annahmen beruht und nicht beanspruchen kann, eine Hypothese über die vergangene Realität zu sein: Sie ist ein heuristisches Gerüst, aus dem vielleicht einmal eine Hypothese entstehen kann. Das vierfüßige, geflügelte Deckeltier der Röhrenkanne aus dem „Fürstengrab“ 2 vom Glauberg (Katalog Frankfurt 2002: 257 Abb. 251) hat seinen Kopf, den man wohl am ehesten als von einem Pferdekopf inspiriert deuten kann, zurückgewandt und berührt mit seinem Maul den Flügel. ­Diese Haltung zeigt allerdings keine Körperspannung an, vielmehr wird die Bewegung des Kopfes von dem Flügel aufgenommen, was eine harmonische Kreisform ergibt. Der Körper will zu einem Pferd nicht passen, die Beine enden nicht in Hufen, sondern in Tatzen, und die Kontur erinnert eher an ein Raubtier, das aber, wie die angelegten Hinterbeine zeigen, nicht in einer Angriffsposition dargestellt ist. Die ornamentierte Spirale auf dem Hüftgelenk soll wohl, ganz ähnlich wie bei skythischen Darstellungen, die Muskelkraft veranschaulichen. Der kräftige Schwanz endet in einer Einrollung, die zugleich als erstes Glied der Kette fungiert, mit welcher der Deckel an dem Kannenhenkel befestigt ist. Vergleicht man dieses Wesen mit dem, das die Fibel aus dem Glauberger „Fürstengrab“ 1 bildet (Katalog Frankfurt 2002: 250 Abb. 243), sind trotz aller Unterschiede im Detail die Ähnlichkeiten offensichtlich. Der Körper ähnelt mehr dem eines Pferdes, der Flügel ist verkümmert, er wirkt wie ein Auswuchs und ist nicht wie bei dem Deckeltier durch seine Ornamentierung als Flügel gekennzeichnet. Was könnte es aber dann sein? Der antiken Darstellungen von Chimaira und Nereus eingedenk, könnte man eine aus dem Rücken herauswachsende Protome vermuten, aber ein Gesicht oder auch nur Andeutungen eines solchen sind nicht zu erkennen. Auffälligster Unterschied zu dem Deckeltier ist natürlich der auf der Hüfte sitzende bärtige Menschenkopf, der nach oben blickt und mit dem Kinn den Flügel berührt.Wenn man nun unterstellt, dass die Fibel- und die Kannenfigur Darstellungen desselben Wesens sind, dann mag man vor dem

Hintergrund des Ausgeführten in dem Menschenkopf eine Möglichkeit der Erscheinungsweise desselben sehen, der Kopf deutet also dessen Fähigkeit an, seine Gestalt zu verändern. Weiter sei unterstellt, dass die keltischen Röhrenkannen in den gleichen Kontexten Verwendung fanden und sich auch in den Deckelfiguren der Kannen aus Waldalgesheim (Kimmig 1988: 99 Abb. 28) und Reinheim (Kimmig 1988: 98 Abb. 27) dieses Wesen manifestiert, welches dann in einem systematischen Zusammenhang mit der Funktion dieser Kannen stünde. Die Reinheimer Kanne würde es mit vergleichsweise naturalistischem Pferdekörper und bärtigem Menschenkopf zeigen, die Waldalgesheimer Kanne in Pferdegestalt, aber stärker stilisiert und ornamentiert.14 In jedem Fall wäre die Variationsbreite der Darstellung dieses Wesens bemerkenswert, ganz analog zu derjenigen der Gestaltwandler in der griechischen Kunst, die oben kursorisch vorgestellt wurden. Was allerdings die Darstellungskonventionen von Mischwesen angeht, so setzte in der Früharchaik ein Prozess der „Durchklärung“ ein: „Aus der Unzahl orientalischer Mischwesen hatte die früharchaische

Kunst wenige herausgegriffen, die rasch immer schärfer umrissen werden; so die Greifen, Kentauren, Sirenen und Sphingen. Der Orient hatte eine große Zahl von Mischbildungen von Löwe und Adler geschaffen, während die griechische Kunst zunächst nur den Adler-, später auch den Löwengreifen weiterformt. Zur schärferen Bestimmung der Fabelwesen kommt noch, daß die Mischwesen ihre feste Stelle in der Sage finden (...)“ (Schefold 1952: 30). Eine vergleichbare „Durchklärung“ der frühlatènezeitlichen Bilderwelt ist nicht auszumachen, hier herrscht eine verwirrende und faszinierende Vielfalt von Wesen vor, für die kaum ein verbindlicher Gestaltungskanon rekonstruiert werden kann – möglicherweise auch deshalb, weil auch gar keine identifizierbaren und benennbaren Figuren abgebildet werden sollten, sondern eher das Personal eines Pandämoniums. Allerdings hat diese Vermutung eine Voraussetzung, deren Berechtigung erst zu erweisen wäre: Dass nämlich wie in der griechischen Antike die abgebildeten Mischwesen auch tatsächlich überwiegend echte Mischwesen und gerade keine Gestaltwandler waren.

Anmerkungen * Für freundliche Hinweise danke ich Prof. Dr. Martin Guggisberg, Dr. Ursula Mandel, Prof. Dr. Louis Nebelsick und Prof. Dr. Dr. hc. mult. Hermann Parzinger. 2 Zum Begriff des Anthropomorphen vgl. Jung i.Vorb. – Ob und in welchem Maße die pflanzliche Ornamentik, aus welcher auch der Plastische Stil letztlich hervorgegangen ist, Gegenständliches meint, ist kaum zu entscheiden; wie irreführend eine Kategorisierung als „bloßes“ Ornament sein kann, zeigen die Ausführungen von N. Himmelmann-Wildschütz (1968) zur frühgriechischen Ornamentik. 3 Eine an der Formensystematik sich orientierende Mischwesentypologie hat H. Mode (2005: 19–26) vorgeschlagen: 1. „Tiermenschen“, d.h. Mischwesen mit Menschen- oder Tierleib in menschlicher Haltung; 2. „Menschentiere“, d.h. Mischwesen mit Tierleib oder in Tierhaltung mit Menschenkopf; 3. „Mischtiere“, d.h. Mischwesen, die aus Elementen verschiedener Arten ohne menschliche Merkmale zusammengesetzt sind; 4. Mischwesen mit einer Vervielfachung oder Vereinfa-

chung, Vergrößerung oder Verkleinerung der Körpermerkmale; 5. Mischwesen, die auf einer Vermenschlichung oder Theriomorphisierung von Naturgegebenheiten und Gegenständen beruhen. Aus kulturhistorischer Perspektive ist an Modes Arbeit die Feststellung interessant, dass Mischwesendarstellungen vor allem in Hochkulturen anzutreffen sind, was er mit einem „Prozeß der Rationalisierung, des Greifbarmachens, des Sichtbarmachens“ erklärt, der zugleich „auch den Beginn eines rationalen Ankämpfens gegen solche Schreckgestalten“ (Mode 2005: 14) bedeute. 4 Aus diesem Grund hat P. Müller (1978) in seiner Arbeit über Mischwesen in der archaischen griechischen Kunst auch den Löwen behandelt. – Zu solchen Bedeutungsaufladungen am Fallbeispiel der Entenvögel vgl. Jung 2005. 5 Vgl. hierzu Lichtenstern 1992: 9–11. 6 In der Bedeutung der Linie und der von ihr eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten liegt eine interessante Gemeinsamkeit von Jugendstilästhetik und Waldalgesheim-Stil.

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7 Im Surrealismus wurde die Metamorphose zu einer Art Chiffre für Grenzerfahrungen, Utopien und das Problem der Identitätsfindung, der ein starkes Interesse an mythischen Erzählungen korrespondierte. Geradezu eine Symbolfigur des Surrealismus wurde der Minotaurus (der freilich kein Gestaltwandler, sondern ein Mischwesen ist), dessen Figur eine bemerkenswerte Umdeutung zum positiven Helden erfuhr: „Minotaurus steht in seinem Labyrinth für die subversiven Kräfte aus dem verborgenen Reservoir der Imagination, des Unbewußten und der Libido“ (Lichtenstern 1992: 141). 8 Ähnlich auch Jettmar (1964: 28): „Offenbar geht es um die Spannung, um die potentielle Fähigkeit zur Bewegung, nicht um die Bewegung selbst“. 9 „So offenbart sich auch der wichtigste Zug des theriomorphen Denkens, die Überzeugung von der Wandelbarkeit der Dinge, nach der ‚es in dieser Welt keine bleibende Form gibt, sondern nur Wandlungen und Metamorphosen’, zu feststehenden Formeln gebunden“ (Alföldi 1931: 398f.). 10 Jettmar erwägt bezüglich der Eigentümlichkeiten des skythischen Tierstiles auch die durch das ursprüngliche Material vorgegebenen Notwendigkeiten: „Auch manche der unnatürlichen Posen könnten durch das Material erklärt werden. Man wollte eben den Tierkörper in die begrenzte Fläche einer Knochenplatte einpassen. Die Eigentümlichkeiten einer älteren Welt scheinen fortzuleben, selbst bei der Umsetzung in wesensfremden Stoff, in Gold oder Bronze“ (Jettmar 1964: 29). 11 Zu dieser Methode vgl. Oevermann 2000, zu ihrer Anwendung auf materielle Kultur Jung 2003. 12 Zum Stellenwert der Sparsamkeitsregel in der Objektiven Hermeneutik vgl. Wernet 2000: 35–8. 13 Ein Beispiel mag dies verdeutlichen. An anderer Stelle habe ich D. Kraußes (2004) Ausführungen zur Übernahme des Kottabos-Spieles durch die „Hallstatt-Fürsten“ kritisiert (Jung 2007), oder genauer: Ich habe nicht Kraußes Überlegungen als solche kritisiert, sondern ihre vorschnelle Verbuchung als ernsthafte Hypothese. Diese Überlegungen sind wertvoll insofern, als dann, wenn wirklich ein Fund gemacht werden sollte, der sich mit Kottabos-Spielgerät in Verbindung bringen lässt, dieser gewissermaßen auf bereiteten Boden fällt und in seiner Bedeutung nicht übersehen werden kann. 14 Die Figur auf der Waldalgesheimkanne hat L. Nebelsick in einem Vortrag einmal als Acheloos gedeutet, und der zunächst naheliegend erscheinende Einwand, dieser habe schließlich einen Stier- und keinen Pferdekörper, relativiert sich bei einem Blick auf antike Darstellungen, die ihn durchaus auch mit Pferdeleib zeigen; von den Kentauren unterscheidet er sich durch die fehlenden Arme. Der Gedanke einer Verbindung zwischen Acheloos und dem Typus der Röhrenkanne ist reizvoll, bedenkt man, dass das Horn, das er im Kampf mit Herakles verlor, zum Überfluss spendenden Füllhorn wurde, so wie die Kanne gewissermaßen ihren Inhalt spendet. Allerdings ist die Begründungslast, welche die Annahme zu rechtfertigen hat, die Kelten hätten von den Griechen die Figur des Acheloos mit all ihren Eigenschaften und Implikationen übernommen, erheblich.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beitrag von C. Eibner) Die Unterscheidung, ob es sich bei den vorhandenen Darstellungen um Gestaltwandler oder Mischwesen oder beides handelt, ist ohne korrespondierende Schriftzeugnisse besonders schwierig. Aus dem Vergleich mit der antiken Kunst ergäbe sich statistisch gesehen eine überwiegende Zahl von Mischwesen.Wirkliche Gestaltwandler scheinen bedeutend in der Minderzahl zu sein. Wie weit dies nun auf die betrachteten frühlatènezeitlichen Beispiele zutrifft, lässt sich daraus nicht ableiten.

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Reich im Grab – Sparsam in der Grube. Überlegungen zum Ressourcenmanagement im ältereisen­ zeitlichen Salzbergwerk Hallstatt Hans Reschreiter, Karina Grömer, Ralf Totschnig

Zusammenfassung Von den drei großen prähistorischen Bergbaurevieren in Hallstatt konnten in den letzten Jahrzehnten der ältereisenzeitliche und der bronzezeitliche Betrieb genauer erforscht werden. Die erstklassigen Erhaltungsbedingungen im Bergwerk und die dadurch überlieferten Funde erlauben es, gerade für den bronzezeitlichen Bergbau den Arbeitsablauf genau zu rekonstruieren. Dieser Ablauf ist dadurch gekennzeichnet, dass für viele Arbeitsschritte maßgeschneiderte Geräte entwickelt und eingesetzt wurden. Sowohl das Sammeln des gebrochenen Salzes als auch der Transport erfolgten mit Werkzeug, das nur aus Hallstatt bekannt ist. Ganz anders stellt sich die Situation im ältereisenzeitlichen Bergbau dar. Die wissenschaftliche Bearbeitung der gebrochenen Pickelstiele, der Textilien wie auch der Holzgefäße erbrachte einen interessanten Befund: Alle drei Fundgruppen weisen meist zahlreiche Spuren einer intensiven sekundären Verwendung auf. Es macht sogar den Anschein, als wären verschiedene Tätigkeiten nur mit recyceltem Material ausgeführt worden. Wie passt dieser Befund zum gleichzeitigen Gräberfeld? Die anthropologische Auswertung zeigt, dass harte körperliche Arbeit nicht in Widerspruch zu einer reichen Grabaustattung stehen muss. Trug unter anderem auch das gezielte Ressourcenmanagement zu dem im Gräberfeld fassbaren Reichtum der Bergbaugemeinschaft bei?

Abstract Of the three main prehistoric mining areas in Hallstatt, the early Iron and Bronze Age operation have been examined in detail over the last few decades. Due to the excellent preservation conditions in the mine, the conserved finds allow to reconstruct working process in quite some detail, particularly for the Bronze Age mining. The Bronze Age mining is characterised by the purposebuilt tools used in it. Both the collection and the transport of the broken salt is done with tools known exclusively from Hallstatt. The early Iron Age mining is organised quite differently.The analysis of broken pick handles, textiles and wooden vessels has shown an interesting feature: all three find categories show signs of intensive secondary usage. It even seems as if some activities were done exclusively with recycled materials. How does this record fit with that of the contemporary cemetery? Physical anthropology demonstrates that burial in a richly equipped grave and hard physical labour were not mutually exclusive. Could it be that, among other strategies, resource management constributed to the attested wealth of the mining community?

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Einleitung (H. Reschreiter) Von den drei großen prähistorischen Bergbaurevieren in Hallstatt konnten in den letzten Jahrzehnten der ältereisenzeitliche und der bronzezeitliche Betrieb genauer erforscht werden. Die erstklassigen Erhaltungsbedingungen im Bergwerk und die dadurch überlieferten Funde erlauben es, gerade für den bronzezeitlichen Bergbau den Arbeitsablauf genau zu rekonstruieren. Der Arbeitsablauf bestand aus Brechen, Sammeln, Transportieren, Umfüllen und Weitertransportieren des Salzes (Abb. 1). Dieser Ablauf war dadurch gekennzeichnet, dass für fast alle Arbeitsschritte maßgeschneiderte Geräte entwickelt und eingesetzt wurden. Sowohl das Brechen des Salzes, das Sammeln des gebrochenen Materials als auch der Transport erfolgten mit Werkzeug, das nur aus Hallstatt bekannt ist. Gebrochen wurde das Salz mit dem Lappenpickel aus Bronze, der auf einer Knieholzschäftung mit

einem langen, extrem dünnen Stiel saß (Barth 1967). Der Tüllenpickel, wie er zeitgleich am nahen Mitterberg verwendet wurde, kam nicht zum Einsatz (Kyrle 1918: 56, I, Fig. 2). Das gebrochene Hauklein wurde mit sogenannten Fülltrögen und Kratzen aus Holz gesammelt (Barth, Lobisser 2002: 18). Beide Geräte sind aus keinem anderen zeitgleichen Befund überliefert. Die Fülltröge sind, wie die Kübel, aus speziellen Wuchsformen von Tannen hergestellt, die es ermöglichen, sehr dünne und daher leichte aber trotzdem stabile und haltbare Hohlgefäße zu erzeugen (Grabner 2008: 225). Der Transport innerhalb der Abbauhallen, von der Ortsbrust bis zum Füllort beim Schacht, erfolgte mit den bekannten Tragsäcken (Barth 1992b). Auch diese Spezialentwicklung, die es erlaubte, in einem kontinuierlichen Prozess große Mengen von Schüttgut kräftesparend zu tansportieren und wieder zu entladen, ist nur aus Hallstatt bekannt. Der Weitertransport des Haukleins durch die Schächte bis an den Tag erfolgte mit dicken Wollsäcken, die an Lindenbastseilen hingen (Barth 1993/94: 28; Reschrei-

Abb. 1: Lebensbild des bronzezeitlichen Salzbergbaus um 1300 v. Chr. (Gröbner, Reschreiter, NHM-Wien).

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Abb. 2: Lebensbild des ältereisenzeitlichen Bergbaus (Gröbner, Reschreiter, NHM-Wien).

ter, Kowarik 2008: 57). Seile mit der Dicke, wie sie im bronzezeitlichen Bergbau in Hallstatt vorkamen, bis zu 4 cm, und die dazugehörigen Handschutzleder, sind wiederum nur aus diesem Bergbau bekannt. Auch für Fahrten (Steighilfen im Bergbau wie Leitern, Treppen, ...) wurde in der Bronzezeit in Hallstatt ein eigener Weg eingeschlagen. Es wurden vorzugsweise Holztreppen eingesetzt. Sie sind aus mehreren Bereichen überliefert (Barth 2005: 27-28), während bisher nur aus einer bronzezeitlichen Fundstelle Steigbäume bekannt sind. Die Treppen wurden vermutlich ebenso für die Fahrung im Schacht wie in geneigten Abbauen eingesetzt. Wir haben es anscheinend mit einem Betrieb zu tun, der innovativ und zielgerichtet auf die Anforderungen der Lagerstätte reagierte. Steinsalz kommt im Gegensatz zu Kupfererz in mächtigen „Schichten“ vor, weshalb große Abbauhallen angelegt werden können und nicht wie im Kupferbergbau einer sehr schmalen Ganglägerstätte nachgegangen werden muss. Diesem

Umstand wurde mit den entwickelten Geräten und Techniken Rechnung getragen. Bisher haben wir für die Bronzezeit den Nachweis von drei große Schachtanlagen, die zum Teil gleichzeitig in Betrieb waren und Teufen von über 200 m erreichten. Diese großen Abbaue hatten vermutlich halb Europa mit dem lebensnotwendigen Salz zu versorgen. Die nächsten nachgewiesenen Produktionsorte sind Reichenhall, Volterra, Schwäbisch Hall und in den Karpaten (Saile 2000: 155; Pasquinucci, Menchelli 2002; Weller, Dumitroaia 2005). Welchen Status die Hallstätter aus dieser Monopolstellung erlangten, ist nicht bekannt. Bisher wurden weder die Siedlung noch das Gräberfeld dieser Bergleute entdeckt. Ganz anders stellt sich die Situation im ältereisenzeitlichen und frühlatènezeitlichen Bergbau dar. Nachdem der bronzezeitliche Betrieb vermutlich durch geologische Ereignisse zugrunde gegangen war (Eh-

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Abb. 3: Formenspektrum der eisenzeitlichen Holzgefäße aus dem Salzbergwerk Hallstatt (Reschreiter).

ret 2008: 69), tritt uns ab 900 v. Chr. der Abbau der älteren Eisenzeit mit einer gänzlich veränderten Technik entgegen. Der Schachtbau wurde durch bis zu 200 m lange horizontale Abbaue abgelöst. Man brachte keine kleinstückige Sackware mehr in den Umlauf, sondern produzierte große Steinsalzplatten (Abb. 2) (Barth, Lobisser 2002: 21). Die Theorienbildung zu dem hallstattzeitlichen Bergwerk ist bis heute verständlicherweise von der überaus reichen Ausstattung der im (zeitgleichen) Gräberfeld bestatteten Bergleute beeinflusst. Auch in diesem Bergbau kam eine Spezialentwicklung zum Einsatz: die Pickelschäftungen (Barth 1967). Die wissenschaftliche Bearbeitung sowohl dieser gebrochenen Pickelstiele als auch der Textilien und der Holzgefäße erbrachte einen interessanten Befund. Alle

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drei Fundgruppen aus dem Betriebsabfall des ältereisenzeitlichen Bergbaus weisen Spuren einer teils intensiven sekundären Verwendung auf. Welche Aussagen diese Zweitverwendung auf die Struktur dieses Bergbaus im Gegensatz zum bronzezeitlichen zulässt, soll im Folgenden erörtert werden. Holzgefäße (H. Reschreiter) Aus den eisenzeitlichen Fundstellen des Hallstätter Salzberges sind bisher fast 150 Holzgefäßfragmente bekannt. Das Formenspektrum umfasst sowohl unterschiedlichste Schalenformen als auch Schöpfer und nicht zuweisbare Gefäße (Reschreiter 2008) (Abb. 3). Bei den meisten dieser Gefäße, die aus einem Stück

geschnitzt wurden, wird davon ausgegangen, dass es sich um Ess- oder Trinkgeschirr handelt. Die Holzgefäße werden mit dem nachweislich in der Grube gekochten Eintopf, dem Ritschert, in Verbindung gebracht (Barth 1992a: 64). Teilweise sind in den Gefäßen noch die Reste der gegessenen Speise erhalten. Vom Auskratzen des Ritscherts dürften die Schabspuren an den Gefäßinnenseiten stammen. Brachen Holzgefäße bei der Verwendung, so wurden sie häufig repariert (Reschreiter 2008). Davon zeugen die Stücke mit Reparaturlöchern, in denen teilweise noch das Bindematerial erhalten ist. Wesentlich auffälliger als die häufigen Reparaturspuren sind aber die oft auftretenden verrundeten Kanten der Holzgefäßbruchstücke. Es kann ausgeschlossen werden, dass diese von der primären Nutzung der Holzgefäße (Essen, Trinken oder Schöpfen) herrühren, da sie sowohl an den Rändern der Gefäße als auch an den Bruchflächen zu finden sind. Diese Spuren kommen nicht an allen Gefäßen vor und sind nicht auf die Bodenlagerung zurückzuführen. Bei den Schalen und Schöpfern weisen über 50% der gefundenen Stücke verrundete Kanten auf, ein Viertel sogar stark verrundete Kanten (Abb. 4). Die Frage, wie diese Spuren im Bergwerk entstehen konnten, steht im Zentrum der folgenden Überlegungen: Um das in der älteren Eisenzeit verhandelte Stücksalz herstellen zu können, wurden tiefe Rillen herzförmig in den Berg geschlagen und anschließend die Herzhälften von der Mitte her als Ganzes abgelöst. Der Salzgrus, der beim Schrämmen dieser Rillen anfällt, bleibt als meterhoher Betriebsabfall in den Hallen zurück. Den Abbau in den nachweislich bis zu 20 m hohen, waagrechten Hallen stellen wir uns ­stufenförmig vor (Barth 1982: 11). Damit der waagrechte Vortrieb beibehalten werden konnte, musste der in beträchtlichen Mengen anfallende Salzgrus regelmäßig vom Abbauort entfernt werden. Für das Umlagern dieses kleinstückigen Materials bediente man sich nicht mehr des Werkzeuges, das sich in der Bronzezeit bewährt hatte – Fülltrog und Kratze in Kombination mit den Tragsäcken. Diese Geräte gab es in der älteren Eisenzeit nicht mehr. Im Fundmaterial ist nur eine Gruppe zu erkennen, die bei dieser Tätigkeit als Werkzeug herangezogen worden sein könnte: die Säcke aus Zie-

Abb. 4: „Scherben“ eines Holzgefäßes, der auf allen Seiten verrundete Bruchkanten aufweist (Reschreiter, NHM-Wien).

genbälgen (Abb. 5). Sie wurden ohne Bauchschnitt abgezogen und die Öffnungen von Hals und Beinen zugenäht (Barth 1980: 73; Popa 2008: 104). Fragmente solcher Säcke liegen in sehr großer Zahl vor und weisen oft massive Beanspruchungsspuren auf. Neben Schäftungen und Holzgefäßen sind Sackfragmente die häufigste Fundgruppe.

Abb. 5: Ziegenhautsack aus der Fundstelle Kernverwässerungswerk (Rausch, NHM-Wien).

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Wenn die Ziegenhautsäcke die für das Umlagern des Haukleins notwendigen Transportbehälter darstellen, dann stellt sich die Frage, wie sie befüllt wurden. Will man nicht davon ausgehen, dass die Räumarbeit nur mit bloßen Händen ausgeführt wurde (Weisgerber 1989: 195), wären die länglichen „Holzgefäßscherben“ eine hervorragende Alternative. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Salzgrus mit den Holzgefäßbruchstücken in die Säcke gekratzt wurde und dass hierdurch die verrundeten Kanten entstanden. Es ist davon auszugehen, dass Holzgefäße, nachdem sie gebrochen waren und in ihrer primären Funktion als Essgeschirr nicht mehr genutzt werden konnten, zum Sammeln des minderwertigen Salzes eingesetzt wurden. Die experimentell nachgebauten und verwendeten bronzezeitlichen Kratzen zeigen ein Abnutzungsmuster, das jenem der ältereisenzeitlichen Holzgefäßbruchstücke sehr ähnlich ist. Bei beiden Objektgruppen ist die Abnutzung auf die Arbeitskanten beschränkt. Am nahegelegenen und zum Teil zeitgleich in Betrieb befindlichen Dürrnberg wird auch von einem Bergbau ausgegangen, der große Mengen an taubem Material umzulagern hatte (Stöllner 1999: 55). Am Dürrnberg kennt man zwar das Werkzeug zum Befüllen der Fördergefäße (Schaufeln), die Gefäße selbst sind jedoch bisher unbekannt. Ziegenhautsäcke wie in Hallstatt kommen nicht vor. Das einzig denkbare Fördergefäß, ein „Förderschiffchen“ (Stöllner 1999: 144), liegt als Einzelstück vor. Holzgefäße sind jedoch nicht die einzige Fundgruppe im Berg, die sekundär verwendet wurde. Auch an Textilien lässt sich eine teils intensive Weiterverwendung nach Verlust der Primärfunktion feststellen. Textilien und Ressourcenmanagement in Hallstatt (K. Grömer) Mit den Textilien, die im Herbst 2008 bei den Ausgrabungen im Salzbergwerk entdeckt wurden, verfügen wir aus Hallstatt über ca. 600 Einzelfragmente, die zu 270 Gewebekomplexen zusammengehören, der Großteil stammt aus der eisenzeitlichen Ostgruppe. Die Textilien finden sich nicht in einer von den eisenzeitlichen Menschen intentionell deponierten und eine bestimmte Funktion anzeigenden Lage, wie etwa

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in einem Grab, sondern die Gewebe wurden gemeinsam mit dem anderen Betriebsabfall im Berg zurückgelassen. Dadurch ist die Frage nach ihrer Funktion etwas erschwert bzw. weicht von üblichen Interpretationen ab. Allgemein kann man prähistorische Textilien nach diversen Befunden unterschiedlichen Funktionsbereichen zuweisen (Grömer, in Vorber.), etwa als Kleidung. Der einzige sichere Kleidungsteil, der offentsichlich während der Arbeit im Berg abgerissen ist, ist die ­sogenannte „Ärmelborte“ aus dem Kernverwässerungswerk. Andere Funktionsbereiche prähistorischer Stoffe sind etwa als Grabbeigabe, sogar als „Heimtextil”: Wandbehang, Kissen etc... All dies sind primäre Verwendungen- also die Gewebe wurden für diesen Zweck hergestellt bzw. die Endprodukte aus Meterware dementsprechend gestaltet. Bei den Textilien aus dem Berg ist auffällig, dass sie sich teils in einem Zustand befinden, der sich nicht damit erklären lässt, dass die Stücke beim Arbeiten von der Kleidung abrissen: Es finden sich intentionell in Streifen gerissene Fragmente und auch verknotete Gewebe (Abb. 6) - eines in Verbindung mit Bast. Das derzeitige Denkmodell geht dahin, dass nicht mehr benötigte Textilien in der Siedlung gesammelt und in den Berg eingebracht wurden, um dort für verschiedene Zwecke zu dienen. Die Ressource Textil war also eine bedeutende, die es bis zuletzt auszunützen galt. Auch im heutigen Bergbau gibt es die sogenannte „Fetzenkiste“, in der die Bergleute Lumpen deponieren.Von dort aus nehmen sie die Stofffetzen mit in den Berg, etwa zum Reinigen der Schrämhämmer. Es können anhand des Erscheinungsbildes der Gewebe aus dem Salzberg verschiedene Formen des Textil„recyclings“ für Hallstatt angenommen werden (Grömer 2007), etwa als behelfsmäßiges Bindematerial für gebrochenes Gerät oder zum Bündeln von Leuchtspänen. Besonders bekannt ist ein heute leider verschollenes Beispiel vom Dürrnberg: Ein aufwendig gewobenes verziertes Band war um einen gebrochenen Werkzeugstiel gewickelt (Kyrle 1918: I, 57, Fig. 60 und 61). Textilien könnten auch im Hygiene- bzw. Sanitärbereich eine Rolle gespielt haben. Ein Zusammenhang mit Exkrementen (Stofffetzen als „Toilettpapier“) ist aber nicht belegt. Wiederum vom Dürrnberg kennen

Abb. 6: Beispiele für sekundär verwendete Gewebe aus dem ältereisenzeitlichen Bergbau Hallstatt – Ostgruppe (Rausch, Reschreiter, NHM-Wien).

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wir einen Fingerverband, zusammengebunden aus einem Stück weichen Leinenstoff mit Bast und Holzplättchenverstärkung (Stöllner 2005, Abb. 12). Ein in ähnlicher Funktion verwendeter - allerdings intentionell hergestellter und genähter lederner Fingerschutz wurde in Hallstatt an der bronzezeitlichen Fundstelle Grünerwerk entdeckt. Für die Herstellung von Textilien wird viel Zeit benötigt, man kann etwa aus den Resten von Flickungen sehen, dass auch bei der Primärverwendung mit dieser Ressource sorgsam umgegangen wurde. Reparaturen und Flickungen (Mautendorfer 2005) sind teils sehr sorgfältig ausgeführt. Als Beispiel dient ein gemusterter Stoff - hier wurde der Flicken so eingesetzt, dass das Muster gut weitergeführt wird. Es wurden auch mittels ad hoc-Näharbeit aus Stofffetzen Gebrauchsgegenstände hergestellt, die gerade benötigt wurden, z. B. ein geflicktes Exemplar aus dem Kilbwerk (Abb. 6). Es war vermutlich ehemals ein Teil eines Kleidungsstückes, wie an einer feinen Kappnaht kenntlich ist. Dann wurde es aber mit groben Stichen zusammengenommen und zu einem gröberen Teil verarbeitet. Nun ähnelt es in Größe und Einsetzbarkeit den sogenannten „Handledern“. Diese dienten als Schutz der Handinnenflächen bei der Betätigung der diversen Geräte und Werkzeuge im bronzezeitlichen Bergwerk. Die Textilien aus dem Salzbergwerk zeigen also durch diverse Flickungen und Reparaturstellen, so-

Abb. 7: Gezähe des ältereisenzeitlichen Bergbaus (Typ II) (Rausch, NHM-Wien).

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wie durch Sekundär- und Tertiärverwendungen einen sorgsamen Umgang mit der Ressource Textil, die in ihrer Herstellung viel Zeit kostet. Es gibt Belege für gezieltes Recycling. Die große Anzahl an Textilresten bezeugt, dass sie für wesentliche Tätigkeiten im Arbeitsablauf vorgesehen waren. Die oben genannten Interpretationen sind möglich, weitere Funktionszuweisungen sind ebenfalls denkbar. Neben den Textilien gibt es noch eine dritte Fundgattung aus dem ältereisenzeitlichen Bergbau, die häufig sekundäre Verwendungsspuren aufweist, aber bisher keiner eindeutigen Funktion zugewiesen werden konnte – die gebrochenen Pickelstiele. Sekundäre Benutzungsspuren an hallstattzeit­ lichen Knieholzschäftungen aus dem Salzberg­ werk Hallstatt (R. Totschnig) Aus dem Hallstätter Salzberg liegen zwei unterschiedliche Formen von Knieholzschäftungen vor (Barth 1967): º Typus I: die bronzezeitliche Schäftung º Typus II: die ältereisenzeitliche Schäftung Der grundlegende Unterschied beider Typen ist in der Form des Stiels und der Schäftungszinken zu finden. Typus I weist einen langen, dünnen Stiel auf, der das Abfedern des Schlages unterstützt. Typus II besitzt einen kurzen, wesentlich dickeren Stiel, der seinerseits durch eine zusätzliche Ausnehmung im oberen Teil das Prellen der Hände bei der Arbeit verhindert (Abb. 7). Bereits bei der ersten Bearbeitung dieser Fundgruppe wurde auf die sekundären Benutzungsspuren auf den hallstattzeitlichen Knieholzschäftungen durch Fritz Eckart Barth hingewiesen (Barth 1967). Ziel der neuerlichen Untersuchung war es, diese Spuren zu analysieren und dadurch heraus zu finden, welches Werkzeug sie verursacht hat und im Zuge welcher Tätigkeit sie entstanden sind (Totschnig 2008). Im Zuge der Arbeit wurden sämtliche Schäftungsfragmente aus der Sammlung der Prähistorischen Abteilung aus dem Fundmaterial der Ostgruppe hinsichtlich möglicher sekundärer Benützungsspuren untersucht und in eine Datenbank aufgenommen.

Abb. 8: Materialverlust der Schäftung durch mehrere hundert Beilhiebe verursacht (Totschnig).

Innerhalb der Ostgruppe (Schauberger 1960) (Hallstatt- und Frühlatènezeit) konnten während mehrerer Grabungskampagnen insgesamt 192 Knieholzschäftungsfragmente geborgen werden, wobei die Stielfragmente in dieser Zahl nicht inbegriffen sind. Eigene experimentalarchäologische Versuche und der Vergleich mit Originalfunden ergab, dass es sich hierbei nur um Hackspuren von Beilen handeln konnte, wobei die Schlagfacetten eindeutig auf Beile mit gerundeter Schneide hindeuten, wie sie auch im Gräberfeld häufig nachgewiesen sind (Kromer 1959). Die Schäftungen wurden offensichtlich nicht nur als Pickelstiele, sondern auch als Hackunterlage verwendet. 92 der 192 Stück weisen Spuren dieser zum Teil sehr intensiven sekundären Benutzung auf. Um die Intensität dieser sekundären Verwendung zu eruieren wurden in mehreren Experimenten so genannte Hiebzahlgruppen definiert, denen die einzelnen Schäftungen zugeordnet wurden. Es wurden die Spuren nach jeweils hundert Beilhieben dokumentiert und diese auf die Originalfunde übertragen. Diese Daten bildeten die Grundlage für die weitere Untersuchung und den daraus resultierenden Interpretationen möglicher Arbeitsschritte im Salzbergwerk. Auswertung des Fundmaterials Die Auswertung der gesammelten Daten zeigt ganz deutlich, dass sich die Hackspuren meist auf der Außenseite der Schäftungsköpfe befinden. Auffallend ist die große Zahl an gespaltenen Schäftungsköpfen.Von den 92 Schäftungsfragmenten mit Spuren sind 72 längs gebrochen, das entspricht 78%. Dass mehr als dreiViertel der Schäftungen in dieser Form brechen, ist durch

den stetigen Schlag des Pickels gegen den Schäftungskopf, der nach längerem Gebrauch gleichsam gespalten wird, erklärbar. Bei vielen Stücken mit Hackspuren ist schwer zu entscheiden, ob eine Benutzung als Hackunterlage erfolgte, während das Stück als Pickel noch in Verwendung war, oder nachdem es bereits gebrochen war. Prinzipiell stellt sich die Frage, inwiefern ein Schäftungskopf durch den Substanzverlust an Stabilität verlöre und weshalb eine derartige Schwächung des Arbeitsgerätes akzeptierte würde (Abb. 8). Einige Stücke sind eindeutig erst nach Bruch der Schäftung als Hackstock verwendet worden: º Neun längs gespaltene Schäftungsköpfe ( 4,3% der oben angegebenen Gesamtfundmenge), die auf der Innenseite der Spaltfläche Hackspuren aufweisen. º das Fundstück eines gespaltenen Schlögels, der auf der Bruchfläche Hackspuren aufweist. º Hackspuren auf der Außenseite eines gespaltenen Schäftungskopfes, die derart massiv sind, dass die Wölbung des Kopfes sukzessive bis zum völligen Verschwinden abgearbeitet wurde. Die Statistik zeigt recht deutlich die Häufung der Spuren innerhalb einer gewissen Zone des Schäftungskopfes. Auf Grund dieser Häufigkeit im Bereich II kann aber eine parallele Verwendung der Schäftungen als Pickelstiel und Hackunterlage nicht ausgeschlossen werden, da dieser Bereich die meiste Substanz aufweist (Abb. 9). In einigen Fällen ist eindeutig nachzuweisen, dass die Schäftungen extra zurechtgehackt wurden, um als Un-

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Auffallend ist, dass diese Form der Hackspuren fast ausschließlich auf Schäftungen vorkommt. Es finden sich lediglich zwei Schlögeln (Inv. Nr.: 77748, 85913) (Abb. 11), ein Holzgefäß (Inv. Nr.: 92071) und eine größere Hackscharte (Inv. Nr.: 90193), auf denen sie ebenfalls nachgewiesen werden konnten. Eigens zu diesem Gebrauch angefertigte Hackstöcke konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Tätigkeit

Abb. 9: Zonen des Schäftungskopfes (Totschnig).

terlage zu dienen, indem der Stiel bzw. der Zinken abgelängt wurde (Abb. 10). Eine tertiäre Verwendung der Knieholzschäftungen mit Hackspuren stellt die Verwendung als Brennmaterial dar. 23% der geborgenen Schäftungsbruchstücke weisen, so wie etliche Holzgefäße auch, Brandspuren auf. Dass viele Schäftungsfragmente verbrannt oder anderwertig entsorgt wurden und dadurch nicht im Bodensatz der Strecken und Abbauhallen liegen blieben, wird deutlich durch dasVerhältnis der gefundenen Schäftungsteile. 70 einzelnen ausgerissenen Schäftungszinken stehen nur zwei Schäftungsköpfe gegenüber, bei denen die Zinken fehlen.

Abb. 10: Schäftung mit abgehacktem Zinken (Totschnig).

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Im Weiteren ergibt sich nun die zentrale Frage nach der Tätigkeit, durch die die Hackspuren auf den Knieholzschäftungen entstanden sind; eine Frage, die letztlich nicht eindeutig beantwortet werden kann. Auf Grund der zahlreichen Hackspuren muss es sich um eine sehr häufig vorgekommende Tätigkeit gehandelt haben, die aus einem oder mehreren Arbeitsschritten bestand.

Abb. 11: Hackspuren an einem gebrochenen Schlögel (Totschnig).

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Dimension eines möglicherweise zuzuhackenden oder abzuhackenden Objektes Grenzen unterlag, da ein Schäftungskopf als Unterlagsfläche nicht allzu viel Platz bietet. Das Herstellen von Keilen wäre eine Tätigkeit, die in Frage kommt. Hackspuren im rechten Winkel könnten Indizien für das Anspitzen von Gegenständen darstellen, da solche Spuren entstehen, wenn von verschiedenen Seiten gearbeitet wird.Allerdings finden sich im Fundmaterial der Ostgruppe lediglich zwei Keile (Inv. Nr.: 89.774, 90.086). Auch das Anpassen einer Schäftung an einen neuen

Abb. 12: Anpassen einer Schäftung an den Pickel (Löcker).

Pickel wäre eine Möglichkeit (Abb. 12). Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass dies nicht allzu oft nötig war, da sich die Bronzepickel in Versuchen als sehr robust erwiesen haben (Versuche im Rahmen von Grasböck 2008) (Abb. 13) und dann auf jeder Schäftung nur die wenigen Hiebe zum Anpassen des neuen Stiels zu finden wären. Die Vermutung, dass die Schäftungen praktisch als Jausenbrett zum Hacken von Speck gedient hätten, dürfte als Erklärung nicht zutreffen, da sich auf keiner der Schäftungen Reste von Fett nachweisen ließen,

Abb. 13: Abbauversuch mit dem nachgebauten Gezähe (Resch­ reiter, NHM-Wien).

wie dies auf Holzgefäßen der Fall war (Reschreiter 2008: 93). Das Ablängen von Bindematerial erscheint ebenfalls einleuchtend, bis jetzt konnte aber keine Notwendigkeit für eine derartige Menge an Hackspuren gefunden werden, da dafür selten mehr als ein Hieb benötigt wird. Durch die Auswertung der Spuren auf den Schäftungen konnte keine eindeutige Antwort gefunden werden. Die Spuren, die mit Sicherheit von Beilen stammen, können keiner Tätigkeit eindeutig zugewiesen werden. Was derart oft und regelmäßig gehackt wurde, ist bisher nicht geklärt. Wenn die Hackspuren auf der Bruchfläche zu finden sind, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Pickelstiele erst nach Funktionsverlust als Hackstock verwendet wurden. Bei vielen Stücken ist aber auch denkbar, dass die Hackspuren entstanden, während die Schäftung noch in Funktion war. Ergebnis (H. Reschreiter) Es entsteht der Eindruck, dass sich die beiden großen prähistorischen Hallstätter Bergbaue grundlegend durch ihre „Philosophie“ unterscheiden. Während in der Bronzezeit ein Bergbaubetrieb existierte, der für jede Tätigkeit maßgeschneidertes Gerät entwickelte und einsetzte, scheint in der älteren Eisenzeit häufig auf gebrochenes Material als Gerät zurückgegriffen worden zu sein. Reparaturen waren in der Bronzezeit die Ausnahme und beschränken sich auf wenige Nachweise an Kübeln, Fülltrögen und Schäftungsstielen, während in der älteren Eisenzeit Textilien, Holzgefäße und Ziegenhautsäcke häufig repariert wurden. Sekundäre Nutzung war im bronzezeitlichen Bergbau auf Pickelstiele, die gelegentlich zu lanzettförmigen Geräten (mit unbekannter Funktion) umgeschnitzt wurden, und auf Fragmente von Fördersäcken beschränkt. Im Gegensatz dazu gab es im eisenzeitlichen Betrieb häufig ausgeübte Tätigkeiten, für die man auf altes gebrochenes Gerät zurückgriff. Es entsteht sogar der Eindruck, als seien verschiedene Tätigkeiten nur mit recyceltem Material ausgeführt worden (Reschreiter 2008: 130). Dabei ist nicht von der Annahme auszugehen, dass behelfsmäßig auf herumliegendes gebrochenes Material zurückgegriffen wurde, son-

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dern der Einsatz von recyceltem Material war eine standardisierte Vorgehensweise. Für diese Arbeiten gab es kein „richtiges“ Gerät. Das Befüllen der Säcke mit Hauklein erfolgte scheinbar nur mit gebrochenen Holzgefäßen. Gehackt wurde regelhaft auf den Schäftungsköpfen und nicht auf Hackstöcken, und Stofffetzen wurden regelmäßig im Produktionsprozess eingesetzt. Es spricht alles dafür, dass gebrochenes Material, Schäftungen, Holzgefäße und Textilien gezielt für den Einsatz in der Grube gesammelt wurden. Es ist durchaus denkbar, dass Altmaterial nur für sekundäre Verwendung in die Grube gebracht wurde. Dies könnte auch erklären, warum in Hallstatt bisher nur Stofffetzen aus Wolle gefunden wurden und die von anderen Fundorten bekannten Leinenstoffe nicht. Vielleicht war nur Wolle für die benötigte sekundäre Verwendung geeignet. Das Ressourcenmanagement des ältereisenzeitlichen Bergbaus war scheinbar äußerst effizient. Auf den „zweckmäßigen“ Charakter dieses Bergbaus im Gegensatz zu den sorgfältigen und oft verzierten Arbeiten der Bronzezeit wurde bereits 1973 hingewiesen (Barth 1973: 28). Auch die Beschaffung von Brennholz für die Koch- und Bewetterungsfeuer im ältereisenzeitlichen Bergbau unterlag diesem „Geist“. Viele angebrannte Schäftungen und Holzgefäße weisen darauf hin, dass herumliegendes „Altmaterial“ als Brennholz gesammelt und genutzt wurde. Auch die viel geringere Leuchtspandichte im eisenzeitlichen Bergbau im Vergleich zum bronzezeitlichen kann vermutlich darauf zurückgeführt werden. Abgebrannte Leuchtspäne wurden wahrscheinlich ebenfalls als Brennmaterial benutzt. Es lässt sich nicht abschätzen, welcher Prozentsatz an nicht mehr benötigtem Gerät verbrannt wurde und sich uns hierdurch nicht erhalten hat.

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Obwohl im Salzberg ideale Erhaltungsbedingungen herrschen, und wir davon ausgehen können, dass sich alle Objekte, die im Bergwerk zurückgelassen wurden, erhalten haben, waren die Althallstätter mit ihrem Recycling teilweise so gründlich, dass manche Tätigkeiten und Abläufe in ihrem Arbeitsalltag nicht oder nur indirekt erschlossen werden können. So ist etwa die Vorgehensweise beim Loslösen und dem Transport der gebrochenen Salzplatten bisher völlig ungeklärt. Ebensowenig lässt sich der Grund für die Hackspuren auf den Schäftungen erschließen. Materialintensive Konstruktionen, wie die bronzezeitlichen Stiegen, sind in der Älteren Eisenzeit nicht mehr in Gebrauch. Es werden nur mehr Steigbäume gehackt (Barth 2005: 27). Interessanterweise wurden aber im Gegensatz zum Dürrnberg die angebrochenen Schäftungen in Hallstatt nicht geflickt und repariert (Stöllner 1999: Taf. 2, 13, 34). Wie passt nun dieser sehr sparsame Umgang mit den Ressourcen im ältereisenzeitlichen Bergbau mit dem reichen Gräberfeld zusammen? Die Auswertung der Knochen aus den Körpergräbern legt den Schluss nahe, dass kein Wiederspruch zwischen harter Arbeit im Bergwerk und einer relativ reichen Bestattung besteht (Pany 2008). Die Sparsamkeit im Bergbau dürfte ihre Ursache nicht darin haben, dass neues oder besseres Gerät nicht leistbar war, denn die reiche Ausstattung der Gräber war durchaus möglich. Könnte dieses effiziente Ressourcenmanagment eine Reaktion auf den neu erwachsenen Konkurrenten in verkehrsgünstiger Lage am Dürrnberg sein? Wollte man durch gezieltes Ressourcenmanagement die Gestehungskosten für Salz niedrig halten? Oder war die Sparsamkeit möglicherweise einfach dem Zeitgeist geschuldet, vergleichbar dem modernen Werbespruch „Geiz ist geil”?

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von C. Eibner, Hofmann, Stegmaier, Koch und Leskovar) Beispiele für die Interpretationsproblematik von Grabgut (Besitz/Ausstattung des Verstorbenen, Gabe an Totengötter im weitesten Sinn, Statement der Hinterbliebenen für Hinterbliebene, etc.) werden genannt: Opfer der Frau um den Tod des Königs von Theben zu verhindern lt. Euripides, drei Schicksalsgöttinen mit einer Dame und Apollo auf dem Kegelhalsgefäß von Sopron, Mitbringsel von Geschmeide an Persephone. Ob daraus Erklärungen für die unterschiedliche Einstellung zu Weiterverwendung bzw. Recycling zwischen Bronzezeit (kaum) und Hallstattzeit (beinahe alles) abgeleitet werden können, bleibt offen. Die Effizienz von den Holzgefäßscherben in zweiter Nutzungskategorie als Kratzer wird angezweifelt. Ob in diesem Fall nicht die Arbeitseffizienz zugunsten der Ressourcenersparnis leidet? Möglicherweise ließe sich aus der Antwort auf diese Frage darauf schließen, dass Arbeitskräfte/Arbeitszeit im Überschuss vorhanden waren bzw. eine Rohstoffknappheit die Handlungsweisen diktierte. Die diesbezüglichen Untersuchungen sind zwar noch nicht abgeschlossen, es scheint allerdings, als wäre dies eine der Arbeiten, die von Kindern durchgeführt wurden. Es wird angenommen, dass kleine Kinder vorwiegend zum Leuchten (Kienspanhalten) eingesetzt wurden; etwas ältere Kinder dazu, den auf dem Boden der Arbeitsfläche anfallenden Grus zu entfernen (Kratzer passen in Kinderhände, Abnutzungsspuren würden dafür sprechen). Da nicht allzu viel Grus anfällt, wäre in dieser Hinsicht die Arbeitseffizienz nicht unbedingt ausschlaggebend. In den üblichen großen Abbauhallen sollte auch genügend Platz sein, dass die Kinder arbeiten können, ohne die eigentliche Abbautätigkeit zu behindern. Ebenso wird das Füllen von Transportgefäßen oft von Hand - ev. mit einem Handschuh - durchgeführt. Beinahe ausschließlich in der Bronzezeit wird für jede Tätigkeit ein Spezialgerät entwickelt und verwendet; in der Hallstattzeit ist dies nicht der Fall.

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Die benutzten und wiederverwendeten Instrumente scheinen durchwegs von geringer Größe zu sein – möglicherweise handelt es sich um eine generelle Sparsamkeit in Bezug auf Rohstoffe. Obwohl die Herkunft der Ressourcen in vielen Fällen noch ungeklärt ist, lässt sich z.B. in Bezug auf Holzgefäße und Textilien schon sagen, dass viele von weither zum Bergbau gebracht wurden. Auch die üblichen Schäftungen der Bronzegeräte sind oftmals aus nicht lokal vorkommender Eiche. Lange Transportwege könnten dafür sprechen, diese so wenig als möglich in Anspruch nehmen zu wollen. Erklärungen für die Wechsel in der Abbautechnik werden noch gesucht. Möglich ist u.a. dass wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend gewesen sind. In Hallstatt wird in der Eisenzeit das Hauklein auf Halde einfach liegengelassen, aus dem Berg und zum Verkauf gelangen dem Anschein nach ausschließlich Salzplatten. Hierbei kann der Abnehmer deutlich sehen, welche Qualität er erhält, er muss wörtlich nicht „die Katze im Sack“ kaufen. Im Gegensatz dazu lässt die Situation am Dürrnberg keinen Plattenabbau zu, das Salz dort muss in Behältnisse abgefüllt werden. Man könnte ein frühes „Markenbewußtsein für Luxusgüter“ andenken: Salzplatten mit dem „Herkunftsgütesiegel Hallstatt“, die sich besser oder teurer verkaufen lassen. Je nach Hersteller verschiedene Verkaufsformen (Platten, Kegel, etc.) sind u.a. auch aus dem Saharabereich bekannt. Die Ablehnung letzterer Theorie aus den Reihen der auf den Dürrnberg konzentrierten Wissenschafter könnte dann dadurch erklärt werden, dass diesen dort ein solches „Gütesiegel“ eben fehle. Trotz der verkehrsgünstigeren Lage stellt der Dürrnberg während der Latènezeit für Hallstatt nur für eine kurze Periode eine Konkurrenz dar, wohingegen Hallstatt lange vor und auch nachher noch bis in römische Zeit floriert. Dies könnte an der vom Käufer gewünschten Salzqualität liegen. Andere Erklärungsmöglichkeiten bleiben natürlich weiterhin offen.

Keltische Frauen an der Macht. Ausnahme oder Regel? Holger Müller

Zusammenfassung Die Frage nach keltischen Frauen im Allgemeinen und nach ihrem politischen und/oder religiösen Einfluss muss methodisch aus verschiedenen Blickrichtungen betrachtet werden. Aufgrund der großen Anzahl keltischer Frauengräber ist natürlich eine archäologische Betrachtung sinnvoll. Und so widmet sich der erste Teil dieses Beitrags einigen ausgesuchten Frauengräbern. Dabei erfolgte die Auswahl weder zufällig, noch ist hiermit Vollständigkeit angestrebt. Vielmehr wurden Gräber gewählt, die seit einiger Zeit bekannt und wissenschaftlich gut aufgearbeitet sind, und natürlich zur Fragestellung passen. Da der Autor selbst kein Archäologe ist, sondern Althistoriker, erhebt dieser erste Teil keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der zweite Teil, der den Schwerpunkt dieses Beitrags bildet, widmet sich schließlich den in den antiken Quellen genannten mächtigen Frauen.

Abstract Celtic women in power. Exception or rule? The question of the political and/or religious influence of Celtic women must be looked at methodically, from different points of view. Due to the large number of Celtic women’s graves, an archeological approach makes sense. Thus, the first part of this contribution devotes itself to some hand-picked woman burials.The question is examined to what extent “power” can be determined by analyzing grave goods. The second part of the essay deals with the classical sources.These repeatedly mention Celtic women who are said to have had religious or worldly power. Archeology and literature reveal significant differences. Grave goods, for example, seem hardly to be indicative of worldly power; some burials of women however are in an obviously religious context.The literary evidence for Celtic priestesses can be wholly disproved, but some Celtic female rulers are safely attested. It is possible to conclude that Celtic women indeed may have held positions of worldly and religious power, although it only seems to have happened rarely that they actually did.

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Zu Beginn eines solchen Beitrags muss natürlich definiert werden, was unter einer Machtposition zu verstehen ist. Es soll gezeigt werden, dass keltische Frauen dreierlei verschiedene Formen von Macht ausgeübt haben, wobei eine genaue Trennung bzw. Festlegung aufgrund der ungünstigen Quellenlage oft nicht möglich ist. Diese Formen sind politische, religiöse und militärische Macht. In neueren Darstellungen werden hierbei zum Teil andere Begriffe gebraucht. So ersetzt Heiko Steuer die Bezeichnung „politische Macht“ durch „traditionelle Macht“ und ergänzt sie durch „wirtschaftliche Macht“. Letztere spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle (Steuer 2006: 22). Keltische Frauen können also als Herrscherinnen, Priesterinnen und Heerführerinnen auftreten. Archäologisch lassen sich eine große Anzahl von Gräbern nachweisen, in denen Frauen bestattet wurden, die Symbole der Macht als Beigaben mitbekommen haben. In der archäologischen Forschung wird die Bedeutung der Grabbeigaben als Indikator für die Macht heftig diskutiert, und es ist nicht Sinn dieses althistorisch orientierten Beitrags, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Eine hervorragende Zusammenfassung findet sich im neuen Aufsatz von Hazel Butler (Butler 2008: 18–20). Archäologische Vorüberlegungen Im Jahr 1954 wurde in Reinheim ein Frauengrab gefunden, welches den Schluss zulässt, dass die hier begrabene Keltin einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hatte. Die Identifikation als Frauengrab erfolgte allerdings nur anhand der Beigaben, da die Knochen durch den kalkzehrenden Boden vollständig aufgelöst wurden (Buwen 2003: 13). An dieser Stelle sei auf zwei gravierende Probleme der Forschung hingewiesen. So wird in der meisten Literatur die Größe des politischen Einfluss, also die „Macht“ einer Person anhand des Reichtums der Grabbeigaben definiert (dazu mit Angabe von Literatur Karl 2006: 372–3). Zwar kann angenommen werden, dass Reichtum zu jeder Zeit in gewisser Weise die Möglichkeit bot, Einfluss und Macht auszuüben (Buwen 2003: 41), doch kann über den Reichtum, wie u.a. Raimund Karl mehrfach betont (Karl 2006: 373; 404), keine sichere Aussage über die politische

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und herrschaftliche Bedeutung einer Person gemacht werden. Hiermit hängt auch das Problem der für die­ se „in aller Pracht begrabenen“ Personen benutzten Begriffe zusammen. Gemeinhin werden diese immer noch als „Fürsten“, im Fall des Reinheimer Grabes also als „Fürstin“, bezeichnet. Etymologisch setzt dieser Begriff die damit bezeichnete Person aber auf eine machtpolitisch hervorgehobene Position (siehe Buwen 2003: 14; Kluge 1995: 292). Noch Manuel Déchelette glaubte, in jedem Fürstengrab läge ein „chefs celtiques auxquels obéissaient de puissantes tribus“ (Déchelette 1927: 569). Bereits seit den 70er-Jahren ist diese Annahme heftig kritisiert worden, ohne dass sich eine vernünftige neu Begrifflichkeit durchsetzen konnte (zur Diskussion siehe Echt 1999: 255). Obwohl man nicht allen so genannten Keltenfürsten ihren Rang absprechen sollte, muss bedacht werden, dass nicht nur der Reichtum der Beigaben und der Aufwand des Begräbnisses, der, wie die Diskussion zwischen Manfred Eggert, Dirk Krauße und zuletzt auch Raimund Karl gezeigt hat, prinzipiell nicht übermäßig war (dazu Karl 2006: 381–3), sondern vor allem die Art (nicht der Wert) der Beigaben Aufschluss über die politische Stellung des Toten geben kann (Steuer 2006: 43). Mit einer gut erhaltenen Inschrift ließen sich natürlich alle Zweifel ausräumen. Es wäre also zu fragen, ob sich Beigaben herausschälen lassen, deren Besitz einzig einer Elite vorbehalten war, und ob diese auch Frauen erlaubt waren. Ohne jetzt näher darauf eingehen zu wollen, scheint die Benennung von Gräbern und Begrabenen also eher willkürlich zu sein. So werden Fürstensitze durch die Nähe reich ausgestatteter Grabhügel definiert (u.a. Chaume, Reinhard 2002: 8), während Fürstengräber oftmals als reich ausgestattete Gräber in der Nähe von Fürstensitzen definiert werden (u.a. Egg 2006: 41). Diese ungeeignete Bezeichnung hat sich aber soweit durchgesetzt, dass sie sich auch in der englischsprachlichen Literatur findet (so u.a. Arnold 1996: 47). Das Problem wird bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Doch soll in diesem Rahmen keine Diskussion geführt werden, die bereits in den 60er-Jahren einsetzte und in der Georg Kossack im Jahr 1974 erstmals die Bezeichnung „Prunkgräber“ als Alternative nannte (Kossack 1974: 3–33). Somit erstaunt es, dass die Bezeichnung „Fürsten“ auch noch in moderner Literatur zu finden ist, obgleich sie offen-

sichtlich bei den meisten Archäologen aufgrund ihrer Problematik auf allgemeine Ablehnung stößt (so u.a. bei Thrane 2006: 27). Doch zurück zum Reinheimer Frauengrab. Aufgrund seiner Ausstattung lässt es zumindest den Schluss zu, dass es sich um das Grab einer sehr angesehenen Person gehandelt hat (Buwen 2003: 42). Wie aber Peter Buwen betont, gibt es keinerlei Indizien für eine direkte Herrschaftsausübung dieser Person (Buwen 2003: 42). Hingegen gibt es eine Vielzahl von Gegenständen mit religiöser Symbolik. So stellen die Endfiguren des einen Armringes weibliche Figuren mit Flügeln dar, die einen Greifvogelhelm tragen. Hierin die Zusammenführung der zwei griechischer Gottheiten Artemis und Athena zu sehen, wie auch in neuerer Literatur behauptet wird, ist nicht zu beweisen, zumal geflügelte Gottheiten und Dämonen ebenso kulturübergreifend zu finden sind wie die Greifvogelsymbolik. Vor allem die Behauptung, dass durch diese Kombination eine einheimische Gottheit umschrieben werden soll (Buwen 2003: 23–5), überzeugt nicht. Dies würde bedeuten, dass ein ausländischer Künstler mit intensiven Kenntnissen der keltischen Religion den Ring angefertigt hat. Doch warum sollte dieser dann nicht gleich eine keltische Gottheit dargestellt haben? Auch wenn an dieser Stelle darauf verzichtet werden muss, alle magisch-religiös gedeuteten Gegenstände zu nennen, kann festgehalten werden, dass in der hier begrabenen Frau eher eine Priesterin als eine Fürstin zu sehen ist (so auch Buwen 2003: 42; Chaume, Reinhard 2002: 11–2). Ein weiteres bedeutendes Frauengrab wurde am Fuße des Mont Lassois bei Vix im Jahr 1952 entdeckt (Chaume et al. 1995: 45). Auch die hier Begrabene hatte aller Wahrscheinlichkeit nach eine religiöse Funktion (Krausse 2006: 67; 72). Immerhin war mit ihr ein 1100 Liter fassendes bronzenes Kultgefäß begraben und ein Wagen, der für den täglichen Gebrauch zu fragil wirkt, und daher auch als Kultwagen gedeutet wird.1 Ob sie auch eine Fürstin im eigentlichen Sinn war – der Vergleich mit anderen Fürstengräbern könnte diese Vermutung nahe legen (Lorentzen 1993: 50) – wage ich nicht zu behaupten (so u.a. Birkhan 1997: 335; Lorentzen 1993: 50). Zumindest kann man in anderen Kulturen der späten Bronze-/frühen Eisenzeit archäologisch nachweisen,

dass Frauen eine gleichberechtigte politische Stellung einnahmen. Man kann hier zum Beispiel an die Etrusker denken, bei denen die Wandbilder der Gräber ebenso wie die Sarkophage auf eine politische Gleichberechtigung schließen lassen (Lorentzen 1993: 49). Für keltische Frauen existieren solche Abbildungen allerdings nicht. Schon diese zwei Gräber können als archäologischer Nachweis dienen, dass keltische Frauen innerhalb einer bestimmten Bevölkerungsschicht mit demselben materiellen Aufwand bestattet wurden wie Männer. Sie waren somit zumindest wirtschaftlich gleichberechtigt. Und: Bei herausragend reich ausgestatteten Gräbern lässt sich bei der Bestatteten zumeist ein religiöser Kontext herstellen. Eindeutige Hinweise auf politische Macht lassen sich hingegen bei keinem der Gräber erkennen. Doch kann diese im Prinzip auch bei Gräbern von Männern ja nur vermutet werden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Dirk Krausse kürzlich darauf hingewiesen hat, dass die bislang entdeckten reichen Frauengräber im Vergleich zu den anderen Prunkgräbern der jeweiligen Region jüngeren Datums sind. Er erklärt dies u.a. durch die Möglichkeit, Macht und Einfluss zu ererben (Krausse 2006: 71). Literarische Belege Nach dieser kurzen archäologischen Einführung soll sich nun den antiken Schriftquellen zugewendet werden. Diese zeigen deutlich eine differenzierte Priesterschaft, die durchaus auch in politische Belange eingriff. Wird heutzutage von keltischen Priestern gesprochen, so denkt man gemeinhin zuerst an die Druiden, und es kommt leider nicht nur in der populärwissenschaftlichen Literatur vor, dass keltische Priester, gleichgültig zu welcher Zeit oder Region, mit diesem die Fantasie anregenden Begriff bezeichnet werden. Literarisch überliefert ist der Begriff Druide aber erst seit dem ausgehenden 3. Jahrhundert v. Chr. durch Diogenes Laertios (Diog. Laert. vitae philosophorum, prooem. § 1). Doch werden an dieser Stelle auch andere Priester, die Semnotheoi (= dem Gott geweiht) genannt. Die Suche nach Belegen für keltische Priesterinnen in der antiken Literatur liefert hingegen nur ein überschaubares Ergebnis. Die erste Erwähnung von Prieste-

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rinnen im keltischen Raum scheint sich in einem von Strabon zitierten Fragment des Poseidonios zu finden (Strab. 4, 4, 6) und kann damit erst in das erste Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Auch wenn man sich in der Forschung einig ist, dass auch Poseidonios ein Vorlage, nämlich Artemidoros, zitiert, kann man literarisch frühestens um 100 v. Chr. Priesterinnen nachweisen, obwohl auch Artemidoros nicht als Urheber dieser Überlieferung angesehen werden muss (Hofeneder 2005: 133 mit Anm. 734). Hier wird von einer Insel im Atlantik berichtet, auf der ein einzig von Frauen vollzogener Mysterienkult für Dionysos praktiziert wurde. Eine genaue Betrachtung dieser Stelle zuletzt durch Andreas Hofeneder hat gezeigt, dass diese Priesterinnen keinesfalls in keltischer Tradition stehen können. Dafür entspricht der an dieser Stelle beschriebene Dionysos-Kult in zu vielen Einzelheiten hellenistischen Kultpraktiken, so dass kein keltisches Element mehr zu erkennen ist (Hofeneder 2005: 135). Eine weitere Priesterin wird bei Plutarch für das Ende des 2. Jh. bzw. den Beginn des 1. Jh. v. Chr. erwähnt (Plut. mor. 257E–258C. In kürzerer Version auch Plut. mor. 768B–D, sowie Polyain. 8, 39; dazu Hofeneder 2008b: 526). An dieser Stelle geht es um Kamma, die Frau des Galatertetrarchen Sinattos. Obwohl Kamma an sich als Priesterin, nämlich der Artemis, bezeichnet wird, muss hinterfragt werden, ob sie Priesterin eines keltischen Kultes war. Wie aber neue Untersuchungen zeigen, ist es kaum möglich einen solchen Kult zu beweisen (Hofeneder 2004; Hofeneder 2008b: 527–9). Weder kann eine keltische Herkunft der Priesterin nachgewiesen werden, da der Name sowohl phrygisch als auch keltisch hergeleitet werden kann (Hofeneder 2008b: 528 mit Anm. 3820; 3821), noch ein keltischer Kult mit Sicherheit angenommen werden.2 Bei letzterem kann man nur sicher sein, dass es kein Artemiskult war, sondern Plutarch einen fremden Kult griechisch interpretiert. Dabei wird es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen kleinasiatischen Kult gehandelt haben, da der Artemiskult selbst aus diesem Raum kam. Hierdurch wird die Gleichsetzung durch Plutarch erklärbar (dazu Burkert 1977: 233–4). Die von Plutarch betonte Erblichkeit des Priesterinnenamtes spricht allerdings für einen ursprünglich kleinasiatischen Kult (Hofeneder 2008b: 528). Obwohl sich die ältere Forschung dafür aus-

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spricht in dieser Textstelle einen Beweis für galatische Priesterinnen eines keltischen Kultes zu sehen (Kendrick 1927: 140; MacCulloch 1911: 161; Jullian 1903: 100; 105), muss man sich der Ansicht von Andreas Hofeneder anschließen, der auch in dieser Stelle keinen eindeutigen Beleg für ein keltisches Priesterinnenamt sieht (Hofeneder 2008b: 528). Zumindest kann eine oft vermutete Gleichsetzung der Artemis mit der keltischen Göttin Brigantia nicht überzeugen, belegen doch Inschriften eine direkte Verbindung zur Siegesgöttin Nike/Victoria (so u.a. bei RIB 627 = CIL VII 200; RIB 628). Anders sieht es mit den neun Priesterinnen aus, die Pomponius Mela im 1. Jh. n. Chr. auf einer Atlantikinsel lokalisiert (Mela 3, 48). Wie Roger Sherman Loomis festgestellt hat, sind die Parallelen dieser Insel Sena mit der in der Vita Merlini beschriebenen Insel Avallon zu deutlich, um sie zu ignorieren (Hofeneder 2008b: 273; Loomis 1927: 191; Vries 1961: 218). Immerhin gibt es auf beiden Inseln neun Wunderheilerinnen. Auch die Tatsache, dass Bernhard Maier eine überzeugende neue Lesart für die Gallizenas gefunden hat, scheint es wahrscheinlich zu machen, dass hier tatsächlich von keltischen Priesterinnen die Rede ist. Maier leitet „Gallizenas vocant“ von „Galli genas vocant“ (= die Gallier nannten sie Jungfrauen) ab (Maier 1997; zusammengefaßt bei Hofeneder 2008b: 274). Das Inselmotiv in antiken Reiseerzählungen darf natürlich auch nicht ignoriert werden (Maier 2004: 95). Die keltologische Literatur nennt weitere antike Belege für keltische Priesterinnen, die aber bei genauer Betrachtung entweder mit Vorsicht zu genießen sind, oder schlichtweg überinterpretiert und historisch ­widerlegbar sind. So wurden die Belegstellen für Druidinnen in der Historia Augusta schon seit ­geraumer Zeit als historisch unglaubwürdig erkannt (siehe ­ Hofeneder 2008a mit weiterer Literatur), und die von Tacitus erwähnten furienartigen Frauen auf der Insel Mona liefern durch ihr Verhalten auch keinen Beweis für ein religiöses Amt (Tac. ann. 14, 30, 1– 3; dazu Hofeneder 2008a: 80;Vries 1961: 217). Ohne an dieser Stelle auf alle Belege ausführlich einzugehen, kann festgehalten werden, dass schriftliche Quellen, die zumindest keltische Priesterinnen anzudeuten scheinen, erst ab dem 1. Jh. n. Chr. vorliegen und sich hauptsächlich auf die britischen Inseln bezie-

hen. Womit man bei dem Problem wäre, ob die Bewohner Britanniens überhaupt keltisch waren (dazu u.a. Collis 2006: 181–2; Collis 2007: 114–5). Diese Frage muss aber aufgrund des gesetzten Rahmens anderweitig beantwortet werden. Doch kann man eine auffällige Diskrepanz zwischen den archäologischen und den literarischen Belegen feststellen, eine Diskrepanz, die bislang nicht erklärt werden kann. Dabei erscheinen die materiellen Beweise für eine weibliche Priesterschaft eindeutig, das Fehlen literarischer Belege bedarf aber einer Erklärung, die noch aussteht (so auch Hofeneder 2008a: 80). Eindeutiger sind die Quellen, wenn es um Frauen mit weltlicher Macht geht. Hier ist die wohl bis heute berühmteste keltische Königin Boudicca, die Herrscherin der Icener (Cass. Dio 62; Tac. Agric. 15; Tac. ann. 14, 31–37). Die meisten Informationen überliefert Tacitus. Bei einer genauen Betrachtung fällt auf, dass die Herrschaft der Boudicca nicht auf einer regulären Amtsübernahme beruht, sondern die Folge einer Ausnahmesituation war. So ist sie zu allererst nicht die reguläre Herrscherin! Glaubt man den Quellen, die zugegebener Maßen stark pro-römisch geprägt sind, so erklärte König Prasutagus, der Gatte der Boudicca, Kaiser Nero und seine Töchter zu Erben (Tac. ann. 14, 31, 1. Dazu Kienast 2004: 96–101). Welche Rechte Boudicca als Königsgattin hatte, lässt sich nicht erkennen. Dass die Töchter erbberechtigt waren, muss jedenfalls nicht erstaunen, da dies, abhängig von der Art des Erbes, über das wir hier nichts erfahren, in der Antike nicht unüblich war. Der Einfluss des Prasutagus bei den römischen Machthabern scheint immens gewesen zu sein, schaffte er es doch seinen Stamm vor römischen Übergriffen zu schützen. Diese fanden erst nach seinem Tod statt, nahmen dann aber ein Ausmaß an, das selbst unseren romfreundlichen Berichterstatter deutliche Worte der Empörung finden lässt. Schließlich hatte Prasutagus Nero als Miterben eingesetzt, um genau dies zu verhindern. Doch war hiervon der gesamte Adel der Icener betroffen. In der Folge kam es zum Aufstand, dem sich auch weitere Stämme anschlossen. Boudicca tritt zu diesem Zeitpunkt in keiner Quelle als Rädelsführerin in Erscheinung. Sie scheint nicht zur Rebellion aufgerufen zu haben. Erst als es zur Schlacht gegen Suetonius kommt, wird sie als streitwagenfahrende Anführerin vorgestellt, die die

einzelnen Stämme motiviert, und in den Kämpfen gegen die Römer nimmt Boudicca schließlich eine hervorgehobene Stellung ein. Immerhin betont Tacitus in einer Zusammenfassung der Ereignisse, die er in der Lebensbeschreibung des Agricola liefert, dass Boudicca den Oberbefehl in den Kämpfen hatte (Tac. Agr. 16). Zwischen der Entstehungszeit der Vita und den Annalen liegen ca. 12 Jahre (Römer 1997: 683), und es ist erstaunlich, dass er in seinem „Lebenswerk“ nicht genauer auf die in der Vita des Agricola angedeutete Bedeutung der Boudicca eingeht. Wesentlich deutlicher scheint dies Cassius Dio betont zu haben.3 Ihm zu Folge leitete sie das gesamte Kampfgeschehen (Cass. Dio 62, 2, 2), und nur durch ihren Tod wurden die Kämpfe beendet. Doch lässt sich auch aus dieser Erzählung keine reguläre Herrschaft eine „Königin“ ableiten, vielmehr hat hier eine offenbar charismatische Frau ihren durchaus nicht geringen Einfluss genutzt, um eine bedeutende Rolle in einem Aufstand zu spielen. Tacitus behauptet allerdings, dass die Britannier des Öfteren von Frauen in die Schlacht geführt wurden (Tac. Agr. 16;Tac. ann. 14, 35), daher lohnt es sich nach weiteren Anführerinnen zu suchen. Diese finden sich in der Königin Cartimandua. Sie beherrschte die Briganten, einen Stamm im mittleren Britannien, und sicherte ihre Herrschaft, indem sie mit den Römern paktierte (Tac. hist. 3, 45). Ihre erfolgreiche Herrschaft endete erst, als sie sich von ihrem Gatten trennte und dessen Waffenträger heiratete (Tac. hist. 3, 45, 1). Die Stelle ist es wert genauer betrachtet zu werden. Tacitus schreibt: „spreto Venutio (is fuit maritus) armigerum eius Vellocatum in matrimonium regnum que accepit.“ Mit dem Wort sperno gibt Tacitus dem Prozess der Trennung einen demütigenden Charakter. Doch was war an dieser Trennung für Venutius so demütigend? Der Akt der Scheidung an sich kann es nicht gewesen sein, da zumindest in altirischen Rechtstexten auch der Frau ein Scheidungsrecht eingeräumt wird (Birkhan 1997: 1029–1033). Außerdem scheint Cartimandua einen höheren sozialen Stand eingenommen zu haben als ihr Gatte. Tacitus nennt sie stets „Königin“ (regula) (Tac. ann. 12, 40, 4; Tac. hist. 3, 45, 2), wohingegen er Venutius immer nur als ihren Gatten definiert. Auch die Art und Weise, wie sie agiert zeigt ihren politischen Status. Sie unterstützt Kaiser Clau-

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dius. Sie nimmt König Caratacus gefangen. Sie ist im Besitz von großem Reichtum. Und sie trennte sich von ihrem Gatten, heiratete Vellocatus und machte ihn zum König (Tac. hist. 3, 45, 1). Von ihr ging also das „Königsheil“ aus. Gründe für die Trennung werden nicht genannt, doch deutet Tacitus an, dass sie und ihr (alter) Gatte einen unterschiedlichen politischen Standpunkt Rom gegenüber einnahmen. Immerhin wurde sie von römischen Truppen gerettet, auch wenn sie ihre Herrschaft verlor (Tac. ann. 12, 40, 2–3 Tac. hist. 3, 45, 2. Dazu Birkhan 1997: 256; Maier 1994: s.v. Cartimandua, 69). Und der Stamm der Briganten war hierin wohl der Meinung des Venutius. Von Bedeutung ist auch, dass Tacitus die Übertragung der Königswürde an Vellocatus als flagitium bezeichnet (Tac. hist. 3, 45, 2). Dieser Begriff sagt mehr aus als die deutsche Übersetzung „Schande“ beschreiben kann. Vielmehr wird mit diesem Begriff deutlich gemacht, dass ein selbstentehrender Akt vorgelegen hat (Hofmann, Walde 1982: 508). War es einer Königin vielleicht untersagt, sich von ihrem Gatten zu trennen? Je nachdem, wodurch die Brigantenkönige ihre Herrschaft legitimierten, kann dies durchaus sein. Es sei erwähnt, dass die antiken Schriftquellen nichts über Initiationsriten bei den Inselkelten berichten. Doch sowohl archäologisch als auch in den mittelalterlichen Quellen sind verschiedenste Initiationsriten überliefert (dazu u.a. Birkhan 1997: 956–957). Es seien an dieser Stelle Spekulationen erlaubt. Davon ausgehend, dass es eine Vorstellung von einem vom König oder der Königin ausgehenden und übertragbaren (zum Beispiel auf die Nachfahren) Charisma (also Königsheil) gab, kann man vermuten, dass etwas von diesem göttlichen „Segen“ durch die Hochzeit auf den Partner übertragen wurde. Es stellte somit eine Art Weihe, vergleichbar mit Taufe oder Priesterweihe dar. Dies würde bedeuten, dass die Königin nur einmal heiraten durfte, bzw. einen Mann bis zu seinem oder ihrem Tod behalten musste. Rechtlich können wir diese Situation nur indirekt fassen. Ein Blick in die altirischen Rechtstexte zeigt aber, dass Frauen abhängig von ihrem eigenen Vermögen durchaus die Stellung einer mater familias innehaben konnten (Markale 1991: 39).Auf dieser Grundlage lassen sich auch die diversen dominanten Königinnen der irischen Sage erklären und vielleicht auch die außergewöhnliche Position der Cartimandua. Zumin-

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dest ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Frau und Mann zeigen aber auch die antiken Schriftquellen (so u.a. Caes. gall. 1. 3). Andere antike inselkeltische Anführerinnen und Königinnen verschwinden im Nebel der Überlieferung. Allein ihre Existenz in den inselkeltischen Sagen lässt vermuten, dass hinter diesen ein wahrer Kern steckt (Ellis 1996: 98; weitere Beispiele bei Kelly 1988: 68–9). Betrachtet man das Festland, so ist die Suche nach mächtigen keltischen Frauen in den antiken Quellen noch erfolgloser. Zwar gestehen einige Autoren ihnen erheblichen Einfluss auf die politischen Belange zu, doch wird dies zumeist als Kuriosum angegeben und die Frauen werden als Gruppe gesehen (u.a. bei Amm. 15, 12, 1). In der antiken Überlieferung wird gerade einmal eine festlandkeltische Frau genannt, die eine Machtposition innehatte. Doch ist die Überlieferung äußert problematisch. Laut des Berichterstatters scharrte eine Frau namens Onomaris im durch Hungersnot geplagten Gallien eine offenbar große Anzahl von Auswanderungswilligen um sich und wanderte in die Balkanregion. Nachdem die Einheimischen bezwungen worden waren, ließen sich die Auswanderer nieder und ernannten Onomaris zu ihrer Königin (Anonymus: De mulieribus claris in bello 14; dazu Tomaschitz 2002: 96). Bereits die Überlieferungsgeschichte erweist sich als problematisch. So gibt es weder Hinweise auf die Autorenschaft, noch auf die vom Autor benutzten Quellen. Das Zitat entstammt einer anonymen Schrift, die 14 Episoden tatkräftiger Frauen überliefert. Bei zwölf Episoden nennt der Autor seine Quellen,4 doch ausgerechnet in unserem Fall wird es unterlassen (dazu Gera 1997: 219–220; Tomaschitz 2002: 97). Über die Autorenschaft wurde in der wenigen Literatur, die sich mit der Quelle beschäftigt, diskutiert, ohne dass ein akzeptables Ergebnis dabei herausgekommen ist (siehe Dottin 1906; Gera 1997: 56–8; Wentzel 1896: 1447; Westermann 1839: XLI; zusammengefasst bei Tomaschitz 2002: 97). Eine Diskussion über die Historizität dieser Episode ist schnell geführt. Ob der Name der Onomaris keltischen Ursprungs ist, wird zumeist argumentativ verneint (dazu Tomaschitz 2002: 97 mit Anm. 402; anders Gera 1997: 220–1). Doch kann beim Namen

eine Gräzisierung stattgefunden haben, die die Zugehörigkeit zu keltischen Sprachen kaum noch erkennen lässt. Immerhin existiert der Name ÉOnÒmarxow im griechischen (siehe Benseler, Pape 1911: 1064). Die beschriebenen Ereignisse passen in die Zeit der keltischen Süd-Ost-Wanderung und damit in das beginnende 3. Jh. v. Chr. (Gera 1997: 219). Auch der Versuch einer Stammeszuordnung wurde unternommen mit dem Schluss, dass Onomaris, sollte sie existiert haben, eine Skordiskerin gewesen sein könnte (Dottin 1906; Jullian 1906; Tarn 1913: 141–2). Ob allerdings eine Frau als Anführerin für eine solche Wanderbewegung gewählt worden wäre, ist fraglich, vor allem wenn man sich das damit eng in Verbindung stehende Klientelwesen vorstellt. Zumindest liefern die antiken Zeugnisse keinen Beweis dafür.5 Somit muss man feststellen, dass es im Bereich der antiken Quellen nur zwei Belege von keltischen Königinnen gibt und einen, wo eine Frau nach dem Tod ihres Mannes als Anführerin in Erscheinung tritt. Es liegt nahe, dies als Ausnahme anzusehen. Doch dass Frauen in der keltischen Gesellschaft die Königinnenwürde nicht grundsätzlich verboten war, belegen diese wenigen Beispiele ebenso, wie die in keltischer Tradition stehenden bretonischen Rechtstexte (dazu Markale 1991: 39). Doch auch in der inselkeltischen Tradition, wo zumindest in den unterschiedlichsten Sagenkreisen diverse keltische Königinnen auftauchen und auch die Rechtstexte den Frauen keineswegs die Königinnenwürde absprechen, gibt es keine stichhaltigen Beweise für die frühe Existenz keltischer Herrscherinnen. Einen zweifelhaften Hinweis findet man in den irischen Inschriften (CIH 2294.35–2295.4 = Ériu 12 (1938) 26 § 32; dazu Kelly 1988: 69). Die auffällig vielen, zum Teil eher unglaubwürdig wirkenden Kommentare zu den keltischen Frauen zeigen aber deutlich, dass ihre Position wesentlich emanzipierter war als in den mediterranen Kulturen. So wurden die keltischen Heere in der Schlacht von ihren Frauen begleitet, die auch der Schlacht beiwohnten (Tac. ann. 14, 34; Tac. germ.), und einige Autoren behaupteten sogar, dass die keltischen Frauen ihren Männern an Statur und Mut gleich, bzw. sogar überlegen waren (Amm. 15, 12, 1; Diod. 5, 32, 3). Sie sollen sogar über Krieg und Frieden entschieden haben (Plut. mor. 246 C). Doch genau hier liegt ein

Problem der literarischen Überlieferung: Sie tradiert nur das, was der Autor als überlieferungswert angesehen hat. Dies hat zur Folge, dass bestimmte Themen, vor allem die alltäglichen, wie die soziale Stellung der Frau, nicht oder nur unzureichend überliefert sind, ein Phänomen, das sich durch die Jahrhunderte bis in die moderne Forschungsliteratur zieht (siehe Butler 2008: 19; Lorentzen 1993: 47). Doch muss dies nicht bedeuten, dass die hier erwähnten Frauen eine Ausnahme dargestellt haben? Immerhin finden in den frühen Quellen auch Frauen aus dem römisch-griechischen Kulturkreis nur dann Erwähnung, wenn sie außergewöhnliche Persönlichkeiten waren. Zu denken ist hier zum Beispiel an die Dichterin Sappho (mit weiterer Literatur Risch 2001). Hierdurch gewinnen aber auch die Hinweise zur allgemeinen Bedeutung keltischer Frauen neues Gewicht, zeigen sie doch, dass deren soziale Stellung anders als im mediterranen Raum war. So deutet Livius bei den Kelten eine matrilineare Erbfolge an (Liv. 5, 34). Diese These scheint durch DNA-Analysen von elf Bestattungen, die im Rahmen eines 2004 abgeschlossenen Pilotprojektes angefertigt wurden, erhärtet zu werden (zusammenfassend Krausse 2006: 72–75), wobei das methodische Vorgehen einer genaueren Überprüfung nicht standhält (dazu Krausse 2006: 72–75; Wahl 2007: 73). Über weitere Projekte dieser Art liegen mir aber bislang keine Informationen vor. In der modernen Forschung wird bei der Frage nach politisch einflussreichen keltischen Frauen und dem Problem des Nachweises gern auf die ungünstige Quellenlage und besonders das Fehlen indigener schriftlicher Quellen hingewiesen (Lorentzen 1993: 49), doch ist diese Aussage eine Verlegenheitslösung, die durch den ständigen Gebrauch nicht an Glaubwürdigkeit gewinnt. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich ein Quellenproblem, doch meines Erachtens nicht bei der Frage nach der möglichen sozialen Stellung und politischen Macht keltischer Frauen. Hier muss nur von Schwarz-Weiß-Malerei abgesehen werden. Keltische Frauen konnten anscheinend Einfluss und Macht in politischen und religiösen Belangen aus­üben, doch war dies offensichtlich nicht die Regel (so u.a. Arnold 1996: 44). Vor allem reale politische Macht ist für die Antike nur in Ausnahmefällen nachweisbar.

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Anmerkungen 1 Eine Beschreibung des Gefäßes mit Abbildungen findet sich bei Moreau 1961: 23f.; 247; Taf. 15; Farbtafel I, sowie Birkhan 1999: Abb. 267. Dazu auch Rolley 2003. Die geringe Wandstärke des Kessels hätte dem Flüssigkeitsdruck nicht standhalten können, so dass er nur kultischen Zweck haben konnte (so auch Birkhan 1997: 811). Ähnliche Kultkessel sind bei Herodot (Hdt. 4, 81; 4, 152) belegt. Zum Wagen siehe Birkhan 1997: 854; Egg et al. 2003. 2 Wie es u.a. Peter Ellis tut, der behauptet Plutarch hätte bei der Nennung der Artemis als Göttin eigentlich nur den griechischen Namen für die keltische Göttin Brigit verwendet (Ellis 1996: 100). Doch gibt es keinerlei Hinweise auf irgendeinen Zusammenhang zwischen den beiden Göttinnen (außer dem Geschlecht). Artemis war als „Herrin der Tiere“ eine Göttin der Jagd, aber auch eine Beschützerin der jungen Frauen (Burkert 1977: 234–7). Die irische Göttin Brigit war eine Göttin der Heilkunst und des Schmiedehandwerks (Maier 1994: s.v. Brigit (I), 55). Namentlich besteht eine Beziehung zur in römischer Zeit für Gallien nachweisbaren Göttin Brigantia, die meist mit der Siegesgöttin Victoria (RIB 627; RIB 628) gleichgesetzt wird (Maier 1994: s.v. Brigantia, 54). Eine Beziehung zu Artemis lässt sich hingegen nicht ziehen. 3 Die Passage (Cass. Dio 62f.) ist nur durch Johannes Xiphilinos, einem Mönch den 11. Jahrhunderts nach Christus überliefert. Dazu Soustal 2000. 4 5x Herodot; 2x Ktesias; je 1x Hellanikos, Aischines, Timaios, Menekles von Barka und Xenophilos. 5 Dobesch 1980: 422 betont, dass stets Männer als Patrone auftraten.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beitrag von C. Steffen) Es wird eingeworfen, dass die altirischen Sagentexte in diesem Zusammenhang mit Vorsicht zu verwenden seien. Bei der einzigen weiblichen Königsfigur (Maeve) handelt es sich um eine „herabgesunkene Landesgöttin“. In den historischen Quellen (siehe u.a. Untersuchung von Stüber) sind insgesamt neben sehr vielen männlichen kaum Frauennamen überliefert. Auch wenn in bretonischen Rechtstexten z.B. eine Königin für das 8. Jh. erwähnt wird, stellen diese anscheinend nur Ausnahmefälle dar.

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Klein ist die Welt ... Engere Kontakte im frühen dritten Jahrhundert v.Chr. Greta Anthoons1

Zusammenfassung Im fünften und frühen vierten Jh.v.Chr. gab es zwei kulturell dominante Regionen im nördlichen Gallien, die Mittelrhein-Mosel-Region in Deutschland und die Aisne-Marne-Region in Frankreich. Diese hatten einen starken Einfluss auf die Materialkultur ihrer Nachbarregionen, und es liegen auch Hinweise auf einen gegenseitigen Austausch von Ideen und Technologien zwischen diesen beiden Regionen vor. Beide sind durch eine hohe Konzentration von Wagengräbern und anderen reichen Bestattungen gekennzeichnet, die oft auch mediterrane Importgüter enthalten. In der zweiten Hälfte des 4. Jh. scheint jedoch ihre Blütezeit zu einem Ende gekommen zu sein. Gegen 300 v.Chr. scheinen die Karten neu verteilt worden zu sein. Wagengräber kommen nun in vielen verschiedenen Regionen Nordgalliens und sogar auf den britischen Inseln vor. Diese sind weniger zahlreich und auch allgemein weniger reich ausgestattet, scheinen jedoch alle dem Zweck zu dienen, neue Zentren von Macht und Prestige zu etablieren. Alternativ könnten sie auch den Kampf einer bestehenden herrschenden Schicht um die Erhaltung ihrer Macht widerspiegeln. Auch andere Phänomene charakterisieren diese Periode. Das frühe 3. Jh. ist eine Zeit der Innovation und Standardisierung. Neuentwicklungen, viele davon, aber nicht alle, im Bereich der Waffentechnik, verbreiten sich rasch über große Distanzen. Kontakte beschränken sich nicht mehr auf eine begrenzte Zahl benachbarter Regionen, sondern reichen bis fern nach Osteuropa. Die Welt scheint kleiner geworden zu sein, und Internationalisierung scheint ein Schlüsselwort zur Beschreibung dieser Phase. Das Bild, das sich abzuzeichnen scheint, ist eines von komplexeren Netzwerken über größere Distanzen, die eine große Zahl an Akteuren beinhalten. Mittels dieser Netzwerke verbreitet sich das alte Konzept des Wagengrabes, und Innovationen in Kunst und Technologie verbreiten sich rasch. Dieser Beitrag versucht eine Erklärung für diese Entwicklung von einem Netzwerk mit vergleichsweise wenigen Akteuren hin zum komplexeren System, wie es sich für das frühe 3. Jh. zu zeigen scheint, zu geben.

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Für die Übersetzung aus dem Englischen danke ich Kollegen R. Karl herzlich.

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Abstract In the fifth and early fourth centuries BC, there were two culturally predominant regions in Northern Gaul, the Middle Rhine Moselle in Germany and the Aisne-Marne in France. They had a strong influence on the material culture of their neighbours, and there is evidence of a mutual exchange of ideas and technologies between the two regions. Both had high concentrations of chariot burials and other rich burials, often with grave goods of Mediterranean origin. However, in the second half of the fourth century BC, their hay days appear to have come to an end. By 300 BC, the cards seem to be reshuffled. Chariot burials now appear in many different regions in Northern Gaul, and even in Britain. They are less numerous and generally less rich, but they all seem to serve the purpose of establishing new centres of power and prestige, or alternatively reflect the struggle of an existing ruling class to preserve its power. Other phenomena are characteristic for this period.The early third century BC is a time of innovation and standardisation. Novelties, many but not all in the field of weaponry, are quickly spread over a large distance. Contacts are no longer confined to a limited number of neighbouring regions, but reach as far as Eastern Europe. The world has become a smaller place and internationalisation is the keyword. The picture that emerges is one of more complex long distance networks, involving a larger number of actors. Via these networks the old concept of the chariot burial is spread and adopted, and innovations in art and technology disseminate at a rapid pace. This paper will seek to find an explanation for this evolution from a network with relatively few actors to the more complex system that can be discerned in the early third century BC.

Einleitung In einem früheren Artikel (The origins of the Arras Culture: migration or elite networks? Anthoons 2007) wurden typische Elemente der Bestattungspraxis im eisenzeitlichen East Yorkshire, wie Wagengräber und quadratische Grabeinfassungen, mit ähnlichen Elementen in verschiedenen Gebieten des nördlichen Gallien in Hinblick auf die Frage verglichen, welche Theorie besser geeignet ist, die Entstehung der Arras-Kultur zu erklären: kleine Elitemigrationen oder die Übernahme fremder Bestattungsriten durch die lokale Elite durch Kontakt mit vergleichbaren Eliten am Kontinent. Dieser Vergleich zeigte, dass die verschiedenen beobachteten Elemente nicht mit einer bestimmten Region des Kontinents in Verbindung gebracht werden können, sondern vielmehr eine Kombination von Elementen aus verschiedenen Regionen, inklusive einiger lokaler britischer Elemente, darstellen. Dies führte zur Schlussfolgerung dass Elitennetzwerke

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als Grundlage für die Veränderungen der Bestattungspraxis in East Yorkshire plausibler sind. Bei der Diskussion eisenzeitlicher Elitenetzwerke muss man sich bewusst sein, dass diese nicht stabil, in­ stitutionalisiert und lange dauernd sind, sondern leicht vergänglich, unstetig und inneren und äußeren Einflüssen unterworfen sind, die sie rasch verändern können. Der vorliegende Beitrag will zeigen wie es auf Basis des archäologischen Befundes möglich ist, die Veränderungen in diesen Netzwerken sichtbar zu machen. Wir wissen, dass gegen Ende des 4. Jh. East Yorkshire Teil des gallischen Netzwerks war. Im nördlichen Gallien selbst kam es jedoch zu etwa dieser Zeit zu bedeutenden Veränderungen. Im 5. und frühen 4. Jh. gab es zwei kulturell dominante Regionen: die AisneMarne- und die Mittelrhein-Mosel-Region. Im Lauf des 4. Jh. scheinen jedoch diese beiden Kerngebiete ihre kulturelle Dominanz über ihre Nachbarn verloren zu haben; sie sind jedenfalls nicht mehr die einzigen Akteure. Statt dessen gedeihen mehrere andere

Regionen, die sich durch reiche Bestattungen und die Entwicklung von neuen Kunststilen auszeichnen. Um ihre Macht und ihr Prestige zu etablieren oder zu erhalten, greifen die Eliten in diesen neu an Bedeutung gewinnenden Regionen auf die herausragendste Form der Bestattung in den ehemaligen Kernregionen, die dort gar nicht mehr praktiziert werden, zurück: das Wagengrab. Wechselseitige Kontakte sind nun auch nicht mehr nur auf Nordgallien beschränkt, sondern reichen weit nach Osteuropa. Gleichzeitig verbreiten sich viele Innovationen sehr rasch über weite Bereiche der gemäßigten Klimazone Europas, und zwar so rasch, dass es oft schwierig ist, die Ursprungsregion einer bestimmten Innovation mit Sicherheit zu bestimmen. In diesem Beitrag wird zuerst die Situation in Nordgallien im 5. und 4. Jh. besprochen, ehe in größerem Detail auf die Veränderungen am Ende des 4. Jh. eingegangen wird. Es wird argumentiert, dass diese Veränderungen die Restrukturierung der bestehenden Netzwerke widerspiegeln. Abschließend werden einige mögliche Erklärungen präsentiert, um die Evolution im Netzwerksystem zu erklären. Nordgallien im 5. und 4. Jh. In der Frühlatènezeit werden ganz allgemein zwei Regionen als Kerngebiete der Latènekultur in Nordgallien angesehen: die Mittelrhein-Mosel-Region in Deutschland und die Aisne-Marne-Region (in derVergangenheit oft etwas unspezifisch als „die Champagne” bezeichnet) in Frankreich. Diese Ansicht beruht in erster Linie auf der hohen Konzentration reicher Bestattungen mit Wagenbeigaben,Waffen, hochwertigem Schmuck, mediterranen Importgütern und Edelmetallbeigaben, die diese Regionen gegenüber ihren Nachbarregionen hervorheben. Die Elitegräber dieser Regionen wurden von Diepeveen-Jansen (2001) mit dem Ziel untersucht, „die Konzepte zu identifizieren, die mit Eliteidentitäten in diesen Gesellschaften verbunden sind ” (2001: 15). Sie betrachtet beide Regionen als kulturelle Einheiten (2001: 16-17), die in eine Reihe von Mikroregionen geteilt werden können (2001: 74-76, 145-146). Die Bedeutung dieser Regionen zeigt sich jedoch nicht nur an der Präsenz reicher Bestattungen. Betrachtet man bestimmte Aspekte der Materialkul-

tur, reicht die Einflusssphäre der Aisne-Marne- und der Mittelrhein-Mosel-Region weit über ihre geographischen Grenzen. Das beste Beispiel um dies zu zeigen ist die sogenannte Marne-Keramik, die über weite Gebiete Nordgalliens verbreitet ist, inklusive Belgien und das südliche Holland, und die sowohl in Bestattungen als auch in Siedlungskontexten auftritt. Marne-Keramik ist besonders feine Keramik, gekennzeichnet durch eine kielförmige Gestalt und oft bemalt oder geschlickert. Die größte Bandbreite an Formen dieser Keramik ist in der Aisne-Marne-Region nachgewiesen, darunter die anmutigsten tulpenförmigen Gefäße, die weiter westlich und weiter nördlich, in der westlichen Picardie, im Artois und in Flandern, nicht vorkommen (Hurtrelle et al. 1990: 220-221). Es ist nicht immer völlig eindeutig, bis zu welchem Ausmaß Marne-Keramik in den verschiedenen Regionen Nordgalliens Importware ist, zur gleichen Keramiktradition gehört, oder auch nur durch Marne-Einflüsse inspiriert ist. Hurtrelle et al. (1990: 217-244) haben auf Basis der Keramik sogar argumentiert, die AisneMarne-Gruppe wäre auf den Großteil Nordgalliens auszudehnen, wogegen sich jedoch Leman-Delerive und Warmenbol (2006: 105) deutlich ausgesprochen haben, aus deren Sicht das Argument der unterschiedlichen Bestattungssitten schwerer wiegt als die Analogie im Bereich der Keramik. Die dominante Bestattungssitte in der Aisne-MarneRegion ist zu dieser Zeit die Körperbestattung, im Gegensatz zu den meisten anderen Gebieten in Nordgallien, in denen Brandbestattung überwiegt oder die bisher überhaupt keine Hinweise auf eine archäologisch fassbare Bestattungsweise erbracht haben. Gelegentlich lassen sich jedoch Körperbestattungen mit Marne-beeinflusster Keramik an Plätzen finden, wo sie am wenigsten erwartet werden, wie zum Beispiel im holländischen Rheindelta: Ein einzelnes Körpergrab des späten 5. oder frühen 4. Jh. wurde in Someren (Noord-Brabant) entdeckt, während in ­ NijmegenLent und in Geldermalsen (Gelderland) kleine Gräberfelder mit Körper- und Brandbestattungen ausgegraben werden konnten. Einige der Grabbeigaben aus Geldermalsen (ein bronzener und ein eiserner Torques, Marne-beeinflusste Keramik und ein Randstück eines importierten Gefäßes), als auch das Auftreten von Körperbestattungen in einer Region, in der

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sonst Brandbestattung den standardisierten formellen Bestattungsritus darstellt, werden generell als ein Beweis kultureller Verbindungen mit der Aisne-MarneRegion angesehen (Van den Broeke 1999; Gerritsen 2003: 135). Gleichermaßen zeigt sich der Einfluss der Materialkultur und des Ritus der Mittelrhein-Mosel-Region in Gebieten abseits dieser Kernzone, wie z.B. an den Gräbern von Wijshagen en Eigenbilzen (belgische Provinz Limburg), die mit ihren Metallgefäßbeigaben und Phaleren außergewöhnlich für ihre Auffindungsregion sind (Van Impe 1998). Die Region, in der sich der Einfluss der AisneMarne-Region und des Mittelrhein-Mosel-Gebiets am deutlichsten zeigt, sind die belgischen Ardennen, mit einer durch eine fundleere Zone von etwa 12 km Breite getrennten nördlichen und südlichen Gruppe. In der südlichen Gruppe datiert die Mehrheit der Gräber in den Zeitraum zwischen 450 und 390 v.Chr., ehe nach einem scheinbaren Aussetzen der Bestattungstätigkeit für beinahe ein Jahrhundert einige Gräberfelder im 3. und zu Beginn des 2. Jh. wieder benutzt wurden. Die Gräberfelder der (weit weniger erforschten) nördlichen Gruppe dürften von kürzerer Laufzeit gewesen sein und scheinen keine Bestattungen der jüngeren Phase zu enthalten. Charakteristisch für beide Gruppen sind niedrige, runde Grabhügel (tombelles) ohne Umfassungsgraben. Wagengräber finden sich nur in der südlichen Gruppe (Cahen-Delhaye 1998a; 1998b). Die traditionelle Interpretation spricht für die nördliche Gruppe aufgrund großer Ähnlichkeiten im Bereich der Keramik und der metallenen Grabbeigaben von Einwanderern aus dem Mittelrhein-Mosel-Gebiet, sowie für die südliche Gruppe aufgrund einer engen Übereinstimmung in der Materialkultur von Einwanderern aus der Aisne-Marne-Region (siehe z.B. Cahen-Delhaye 1991). Es ist jedoch offensichtlich, dass die Situation keineswegs so einfach ist: Die südliche Gruppe zeigt Eigenschaften beider Kernregionen, besonders im Bereich des Bestattungsrituals. Wagengräber sind zum Beispiel für beide Kernregionen typisch, während runde Grabhügel ohne Umfassungsgraben nur für das Mittelrhein-Mosel-Gebiet charakteristisch sind: In der Aisne-Marne-Region gibt es keine sichtbaren Überreste von Grabhügeln, wo-

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hingegen runde und quadratische Umfassungsgräben einigermaßen häufig vorkommen. In dieser Hinsicht zeigt die südliche Gruppe also größere Übereinstimmungen mit dem Mittelrhein-Mosel-Gebiet. In anderen Bereichen (z.B. Grabgruben und allgemeine Anordnung der Bestattungen) ähneln die Gräber jedoch weit mehr dem, was in der Aisne-Marne-Region üblich ist. Charakteristisch für die belgischen Ardennen ist, dass die Grabbeigaben generell weniger reich als in den Kernregionen ausfallen. Es gibt auch Hinweise auf kulturellen und materiellen Austausch zwischen den beiden Kernregionen selbst. Einige der frühesten (LT A1) Gräber mit zweirädrigem Wagen in der Aisne-Marne-Region wurden im Süden der Champagne und im nördlichen Burgund (Départements Aube und Yonne) gefunden. Verger (1995: 278-281) hat gezeigt, dass die Wagen keineswegs in lokaler Tradition gefertigt waren, sondern den Wagen des Rheinlandes weit näher stehen: Die Achsenkappen, die Stäbe zur Verstärkung der Achsen und die Ösenstifte und Doppelösenstifte für das Aufhängungssystem fehlen in den zeitgleichen Wagengräbern der Aisne-Marne-Region, sind aber typisch für das Mittelrhein-Mosel-Gebiet. Eine lokale Eigenheit stellen jedoch die Achsnägel mit hohlen, geraden Schäften dar. Es ist daher unwahrscheinlich, dass es sich dabei um importierte Wagen gehandelt hat. Möglicherweise wurden sie durch einen Wagenbauer aus dem Rheinland erzeugt, der sich in der Gegend angesiedelt hatte. Das plausibelste Szenario ist wohl, dass ein lokaler Wagenbauer stark durch das rheinländische Modell beeinflusst wurde, weil er seine Ausbildung (oder wenigstens einen Teil davon) im Mittelrhein-Mosel-Gebiet erhalten hatte. Tatsächlich ist die Kombination lokaler Elemente mit externen Innovationen ein gutes Beispiel des von Karl (2005) beschriebenen „Meister und Lehrling“-Modells. Abgesehen von diesem Technologieaustausch gibt es auch Ähnlichkeiten im Bereich des Ritus. Eine dieser Ähnlichkeiten ist das Fehlen des Zaumzeugs, die diese Region vom Rest des Aisne-Marne-Gebiets unterscheidet, aber eine klare Ähnlichkeit zum Mittelrhein-Mosel-Gebiet darstellt. Ein anderes gemeinsames Element sind die hölzernen Grabkammern (Verger 1995: 286-288). Einige Jahrzehnte später, am Übergang zwischen

LT A1 und A2, und weiter nördlich lokalisiert, bietet das Wagengrab von Somme-Bionne (Departement Marne) durch seine Beigabenausstattung ein weiteres Beispiel der teilweisen Übernahme eines ortsfremden Modells der Bestattung. Statt mit einem Dolch (bis dahin die Standardwaffe im Grab) wurde der Bestattete hier mit einem Schwert begraben. Andere Beigaben – die meisten davon unbekannt in der Aisne-MarneRegion, aber typisch für das Mittelrhein-Mosel-Gebiet – waren ein goldener Ring, ein Trinkhorn, eine attische Vase, eine Bronzekanne, ein verzierter Gürtel und eine bronzene Schwertscheide. Manche dieser Beigaben (Goldring, attische Vase, Trinkhorn) treten in der Aisne-Marne-Region nicht mehr auf, während andere für einige Zeit Teil des üblichen Beigabenspektrums bleiben (Verger 1994: 654-656). Die Aisne-Marne- und die Mittelrhein-MoselRegion werden jedoch nicht nur aufgrund der Wagen- und anderer reicher Gräber als Kernregionen angesehen, sondern auch wegen ihres Einflusses auf benachbarte und sogar entferntere Regionen. Ihre Keramik wurde häufig kopiert und ihre Bestattungssitten gelegentlich imitiert, aber die besten Beispiele und das breiteste Spektrum an typischer Keramik finden sich jeweils nur in diesen Kerngebieten, wohingegen die Gräber außerhalb der Kernzonen bestenfalls gute Kopien sind, wie außergewöhnlich sie auch immer in ihrem jeweiligen lokalen Kontext erscheinen mögen. Die Existenz von Kern- und Randgebieten im nördlichen Gallien in dieser Periode bedeutet jedoch nicht, dass die sozialen Strukturen in den Randgebieten weniger komplex als in den Kerngebieten waren. Gerritsen (2003: 3) kritisiert korrekt, dass „die Bezeichnung der Westhallstattzone und später der MarneMosel-Region als Kerngebiete (obgleich ihrerseits Randgebiete im mediterranen Weltsystem) automatisch impliziert dass die weiter nördlichen Regionen als peripherer und daraus abgeleitet weniger komplex und dynamisch waren.“ Die Eliten dieser Regionen können jedoch ebenso gut keine Notwendigkeit für pompöse Bestattungsrituale gesehen oder ihre Ressourcen bevorzugt anderweitig investiert haben. Alternativ mögen sie auch einfach die dafür notwendigen Mittel nicht gehabt haben: es ist eine Sache, einen Wagen zu besitzen, aber eine andere, ihn als Grabbeigabe zu verwenden.

Wenn neue Informationen aus Siedlungskontexten bekannt werden, wird es interessant sein zu beobachten ob, und wenn ja wie, diese das oben beschriebene Kern- und Peripherieregionsmodell in Nordgallien zu ergänzen oder modifizieren geeignet sind. Nordgallien um 300 v.Chr. Am Ende des 4. Jh. sind die Aisne-Marne- und die Mittelrhein-Mosel-Region nicht mehr die hauptsächlichen oder gar einzigen Akteure. Andere Regionen gewinnen nun an Bedeutung. Diese Regionen haben Kontakte in weite Teile Europas und übernehmen die prestigeträchtigen Bestattungsriten der früheren Kernregionen. Wagengräber und andere reiche Gräber erscheinen um diese Zeit in vielen verschiedenen Regionen: um Paris, in der Normandie, der Groupe de la Haine (belgische Provinz Hainaut), in der zweiten Belegungsphase in den belgischen Ardennen und in East Yorkshire. Anders als in der früheren Phase sind die Wagengräber nun nicht mehr sehr zahlreich, die größte Häufung fand sich in East Yorkshire (etwa 20). Die Gräber sind auch generell weniger reich ausgestattet als jene des 5. und 4. Jh. Die Region um Paris kann bis zu einem gewissen Grad mit East Yorkshire verglichen werden, in dem Sinn dass es scheinbar eine Periode gibt, in der es keine archäologisch erkennbaren Bestattungen gibt, der unmittelbar die Anlage einer Reihe von Körpergräberfeldern folgt. Manche dieser Gräberfelder sind von beachtlicher Größe, die meisten sind jedoch eher klein und enthalten nur wenige vergleichsweise reiche Bestattungen: ein oder zwei Wagengräber und einige wenige Gräber mit (oft schön verzierten) Waffen. Viele der Objekte, darunter einige Wagenteile und Teile des Pferdegeschirrs, sind im plastischen Stil verziert. Traditionell wird das plötzliche Auftreten von Gräberfeldern und Wagengräbern durch die Ankunft von Einwanderern erklärt. Diese Einwanderer werden heute nicht mehr als Teil einer großen Völkerwanderungsbewegung gesehen, sondern man glaubt eher an Kleingruppen- oder sogar Migrationen von Einzelpersonen (Ginoux, Poux 2002: 229). Diese Kleingruppen werden auch als die Verantwortlichen für die Einführung des plastischen Stils gesehen. Ginoux (2002: 22-23) zufolge gibt es keine Hinweise auf eine

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lokale Kunstentwicklung: Als der plastische Stil in der Region um Paris ankommt hat er bereits seine entwickelte Form erreicht. Die Entwicklung des Stils kann hingegen andernorts beobachtet werden, z.B. in den Werkstätten im Donauraum, in denen es zu bedeutenden Fortschritten bei der Perfektionierung der Kupferlegierungen kommt, die zur Erzeugung der volumetrischen Formen notwendig waren, während andere technologische Entwicklungen, wie die Technik des Gusses in verlorener Form, in Mähren und der Slowakei entstanden. Marion (2007: 106) hingegen argumentiert, dass das plötzliche Auftreten von Wagengräbern in der Region um Paris auf den Bedarf einer lokalen Aristokratie, ihrer territorialen Souveränität auf spektakuläre Weise Ausdruck zu verleihen, zurückzuführen sei, was impliziert, dass die Macht dieser Aristokratie noch der Stärkung oder der Legitimierung bedurfte. In diesem Zusammenhang verweist Marion auf Caesars Bericht, nach dem das Territorium der Parisii durch eine Abspaltung eines Teils des zuvor durch die Senones kontrollierten Gebiets entstand. Er zitiert Caesar, der in seinem De Bello Gallico (VI.3) das folgende schreibt: (…) concilium Lutetiam Parisiorum transfert. Confines erant hi Senonibus civitatemque patrum memoria coniunxerant (...). (…) er verlegte die Versammlung nach Lutetia im Gebiet der Parisii. Diese grenzten an die Senones und hatten in früheren Zeiten einen Staat mit ihnen gebildet (…) (übers. R. Karl). Hier stellt sich jedoch unmittelbar die Frage nach der genauen Bedeutung von patrum memoria. Ist die Formulierung wörtlich zu verstehen, kann die Auflösung der Einheit zwischen Parisii und Senones nicht mehr als etwa 50 Jahre vor Caesars Zeit zurückgehen, während die Zeitspanne zwischen den Wagengräbern und dem gallischen Krieg etwa 250 Jahre beträgt. Wenn jedoch „Väter” in diesem Kontext für „Ahnen” steht, ist eine solche längere Zeitspanne vorstellbar. Es gibt jedoch noch weitere Schwierigkeiten mit der exakten Bedeutung dieser Passage bei Caesar, für die Marion sich auf Duval (1961: 92) bezieht. Wie Duval anmerkt suggeriert diese Stelle bei Caesar, dass die beiden Völker nicht ursprünglich eine Einheit bildeten, sondern dass sich die Parisii zu einer unbekannten Zeit (aus eigenem Antrieb) mit den Senones verbunden hatten, möglicherweise um einer akuten Gefahr

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besser widerstehen zu können; sobald diese Gefahr jedoch vorüber war zerfiel der gemeinsame Staat wieder. Marion (2007: 106) argumentiert, dass von einem archäologischen Standpunkt aus die Zeit des Auftretens der Wagengräber das beste Beispiel für die Entwicklung der Pariser Umgebung als unabhängige Region darstellt, auch wenn er vor der Gefahr der Gleichsetzung von Veränderungen in der Materialkultur mit politischen Realitäten warnt. In den anderen neuen „Zentren” mögen die Gründe für die Einführung der Wagengräbersitte ähnlicher Natur gewesen sein. Nachdem ein gewisser Grad an Bevölkerungsmobilität nicht unkritisch ausgeschlossen werden sollte, kann das Auftreten von Wagengräbern die Ankunft einer neuen Elite markieren, die fremd in diesem Gebiet ist. Es kann aber auch das Streben der bestehenden herrschenden Klasse anzeigen, ihre Position abzusichern, eventuell als Folge von Veränderungen in den Machtverhältnissen wie z.B. das Aufsteigen neuer herrschender oder die Herrschaft anstrebender Geschlechter. Die letztgenannte Möglichkeit würde gut zu den Daten aus der südlichen Gruppe in den belgischen Ardennen passen. Nach der Periode zwischen 450 und 390 v.Chr., die bereits oben diskutiert wurde, besteht scheinbar eine Lücke in der Belegung der Bestattungsplätze, die beinahe ein Jahrhundert andauert. Im frühen 3. Jh. werden nun in den bestehenden Gräberfeldern neue Grabhügel errichtet und neue Gräber in bereits bestehenden Grabhügeln angelegt. Zu dieser zweiten Phase gehören zwei Wagengräber, von denen eines in die erste Hälfte des 3. Jh., das andere hingegen vermutlich ins frühe 2. Jh. datiert. Obwohl Veränderungen bei den in den Gräbern aufgefundenen Beigabentypen beobachtet werden können, scheinen sich die Bestattungspraktiken durch die dazwischen liegende Zeit nicht verändert zu haben (Cahen-Delhaye 1997: 22-23, 64, 87; Cahen-Delhaye 1998a: 17; CahenDelhaye, Hurt, Gratia 1989). Generell wurden nur die Grabhügel, nur selten die Flächen um oder zwischen den Grabhügeln untersucht. Daraus resultiert, dass nur vergleichsweise wenige Flachgräber ausgegraben wurden (für einige Verweise siehe Cahen-Delhaye 1998b: 60, FN 5). Wie viele Flachgräber es gegeben haben könnte, kann daher nicht abgeschätzt werden. Sollte es zahl-

reiche Flachgräber gegeben haben, mögen diese das fehlende Glied zwischen dem 5. und 3. Jh. darstellen. Möglicherweise können die Grabhügel als Plätze der Ahnenverehrung interpretiert werden, in denen in einer ersten Phase Nachbestattungen angelegt wurden, während spätere Bestattungen in Flachgräbern in der Nähe des Hügelgrabs der Ahnen des Verstorbenen angelegt wurden. Möglicherweise enthalten einige dieser Flachgräber Wagenbeigaben, wodurch sich erklären ließe, warum die Bestattungstradition des 5. Jh. unverändert in den Wagengräbern des 3. und 2. Jh. ihre Fortsetzung findet. Dass im 3. Jh. neue Grabhügel errichtet und neue Nachbestattungen in bestehenden Grabhügeln angelegt wurden könnte dann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass gewisse Verwandtschaftsgruppen ihre Stellung in der „Ahnenlandschaft” bestätigen mussten oder wollten. Eine weitere Region mit Wagengräbern aus der Zeit um 300 v.Chr. ist die Groupe de la Haine (Mariën 1961). Unglücklicherweise stammt das meiste Material zu dieser Gruppe aus alten, sehr schlecht dokumentierten Ausgrabungen; alle Informationen über den Fundkontext sind daher verloren gegangen. Das beste bekannte Beispiel ist das Grab von Leval-Trahegnies, La Courte, mit in plastischem Stil dekorierten Achsnägeln und Leinenringen. 2006 wurde das erste komplette Wagengrab in der Normandie entdeckt, in Orval, Les Pleines (Departement Manche). Den ersten, vorläufigen Publikationen (Lepaumier, Chanson, Giazzon 2007a; Lepaumier, Chanson, Giazzon 2007b) zufolge kann dieses Grab ins frühe 3. Jh. datiert werden. Die in diesem Grab gefundenen Achsnägel haben in plastischem Stil verzierte Köpfe, die bronzenen Pferdegebisse weisen Koralleneinlagen auf. Als Beigaben finden sich außerdem ein Schwert und eine Speerspitze, sowie ein goldener Ring. Das Grab enthielt auch Reste zweier Pferdeschädel (nur Kiefer und Zähne waren erhalten), einer davon komplett mit dem zugehörigen Geschirr. Nachdem die Zahl von Wagengräbern in jeder dieser Regionen nicht sehr hoch ist, mag es zusätzlich zu den oben besprochenen gleichzeitig noch andere Regionen mit (bisher noch nicht entdeckten) Wagengräbern gegeben haben. Wagengräber waren offensichtliche Zeichen von Status und Prestige und dürften einen gewissen Zweck erfüllt haben. Zusätzlich ist be-

achtenswert, wie schnell das Phänomen sich über einen vergleichsweise großen Raum verbreitet hat. Internationalisierung Die belgischen Ardennen bieten ein gutes Beispiel für die Entwicklungen im nördlichen Gallien am Ende des 4. Jh., wenn man die Stärke der Interaktionen mit benachbarten und weiter entfernten Regionen vergleicht. Während der ersten Belegungsphase der Gräberfelder (450-390 v.Chr.) hatten die belgischen Ardennen ein sehr enges Verhältnis ausschließlich mit den beiden damaligen Kernzonen, dem Mittelrhein-Mosel-Gebiet und der Aisne-Marne-Region. Im 3. Jh. erweitern die Bewohner der belgischen Ardennen jedoch die Anzahl ihrer Kontakte und auch ihren Horizont. Obwohl die früheren Kernzonen immer noch eine gewisse Rolle spielen sind sie eindeutig nicht mehr die einzigen Inspirationsquellen, sondern es gibt jetzt Interaktionen mit einer Vielzahl anderer Regionen im nördlichen Frankreich (Oise, Somme,Val-d’Oise), aber auch weiter entfernt bis hin nach Mitteleuropa (Cahen-Delhaye 1997: 87-89). Das Wagengrab aus dem frühen 3. Jh. aus Neufchâteau-Le-Sart enthielt sogar ein Schmuckstück aus Perlen, die vermutlich in einer orientalischen Werkstatt gefertigt wurden (Cosyns, Hurt 2007; Gratuze, Cosyns 2007). Diese Internationalisierung ist typisch für weite Gebiete in Europa zu dieser Zeit und geht Hand in Hand mit mehreren technologischen Innovationen, auch im Bereich der Wagentechnologie. Die Entwicklung flacher Radreifen ohne Nägel zur Fixierung des Reifens an der Felge zeigt deutlich, dass bedeutende Fortschritte in der Technik des heißen Aufziehens des eisernen Reifens auf die Felge und seine folgende Fixierung durch Kontraktion bei der Abkühlung gemacht wurden (Anthoons 2007). Des weiteren gibt es einige neue Entwicklungen im Bereich der Bewaffnung, die charakteristisch für Latène C werden, aber das erste Mal am Ende von Latène B2 (frühes 3. Jh.) auftreten. Eine dieser Innovationen ist die neue Aufhängung des Schwerts, bei der die alten Lederriemen durch metallene Schwertketten ersetzt werden, eine andere das neuerliche Auftreten von Metallbeschlägen (Schildbuckel, Spindel und Rand) auf Schilden (Rapin 1999: 49, 54-58).

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Ein weiteres Beispiel für diese Internationalisierung ist die rasche Ausbreitung von Kunststilen, wie dem bereits oben erwähnten plastischen Stil und dem Schwertstil. Auf Basis historischer Nachrichten wird dies oft in Zusammenhang mit Migrationen und/ oder territorialen Expansionen gebracht, so z.B. von Megaw, Megaw (1996: 123), die behaupten dass die Präsenz von „nahezu identischen Artefakten in dieser Periode in nahezu der ganzen keltischen Welt, von Rumänien bis England“ durch die „Wanderungen dieser marodierenden Kelten“ erklärt werden kann. Es könnten jedoch auch andere Prozesse abgelaufen sein, wie weiter unten noch diskutiert werden wird. Die Entwicklung der Elitenetzwerke zwischen 5. und 3. Jh. Wie oben gezeigt wurde kam es zwischen 5. und 3. Jh. zu bedeutenden Veränderungen der interregionalen und lange Distanzen überbrückenden Kontakte in Nordgallien. Die Situation im 5. und 4. Jh. wird in Abb. 1 schematisch dargestellt. Es bestehen zwei Kernzonen und mehrere periphere Zonen. Interaktionen finden zwischen den Kernzonen selbst und zwischen den Kernzonen und den peripheren Zonen statt.

Reihe verletzlicher Knoten (vulnerable nodes) sein, die einen sogenannten percolating vulnerable cluster bilden (Collar 2007: 152); ein solcher Prozess kann sowohl rasch als auch langsam ablaufen. Alternativ kann die Netzwerkdistanz (im Gegensatz zur geographischen Distanz) zwischen dem holländischen Rheindelta und der Aisne-Marne-Region kurz gewesen sein: Es ­könn­te ein Beispiel für eine sogenannte „schwache Verbindung“ (weak tie) sein, ein zufälliger Kontakt. Schwache Verbindungen sind von extrem großer Bedeutung in der raschen Informationsweitergabe. Wo „starke Verbindungen” (strong ties) bestehen (Familie, Freundeskreis), breitet sich Information gewöhnlich nicht weit aus; erst durch die Kommunikation mit dem weiteren Bekanntenkreis dringt Information über die Grenzen der eigenen sozialen Gruppe hinaus. Auf diese Weise können schwache Verbindungen als wichtige soziale Brücken fungieren (Buchanan 2002: 34-47). In moderner sozialer Netzwerktheorie bezieht sich der Begriff „schwache Verbindungen” gewöhnlich auf soziale und nicht auf geographische Distanz, aber der Begriff scheint auch an dieser Stelle – der im wörtlichen Sinn „entfernten“ Bekannten – nicht unangebracht zu sein. Starke und schwache Verbindungen gemeinsam bilden ein sogenanntes „kleine Welt“- (small world-) Netzwerk (Collar 2007: 151). Gegen Beginn des 3. Jh. gibt es hingegen mehrere Zentren ohne Kernzone und mit Interaktionen zwischen den verschiedenen Zentren. Dies kann wie folgt schematisiert werden:

Abb. 1: Schematische Darstellung der Beziehungen im 5. und 4. Jh.

Information mag zwischen den Kern- und peripheren Zonen auf verschiedene Arten geflossen sein. Im Fall der Körpergräber des holländischen Rheindeltas (geo­ graphisch weit entfernt von der Aisne-Marne-Region) könnte z.B. die Praxis der Körperbestattung und die Präsenz von Marne (-beeinflusster) Grabbeigaben das Resultat einer Informationsweitergabe durch eine

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Abb. 2: Schematische Darstellung der Interaktion im frühen 3. Jh.

Hier ist eine Entwicklung von einer recht einfachen Kern-Periphere-Struktur, bei der zwei dominante Akteure benachbarte Regionen sowohl auf ritueller als auch auf materieller Ebene beeinflussen, zu komplexeren Langdistanz-Netzwerken mit vielen ­Akteuren mit etwa gleichem Einfluss und vielen Interaktionssträngen zu erkennen. In Letzteren reisen neue Technologien und Ideologien schnell, und Kontakte beschränken sich nicht mehr auf eine begrenzte ­Anzahl benachbarter Regionen, sondern reichen bis Osteuropa oder noch weiter. Diese Veränderung ist eine Art von Phasenübergang (phase transition). Durch die Hinzufügung einiger weniger Verbindungen zwischen existierenden isolierten Clustern springt das Netzwerk plötzlich von einem Zustand in den anderen. Die verschiedenen Cluster werden zu einem gigantischen Element (giant component), die Kommunikation durch das gesamte Netzwerk wird möglich. Assoziiert mit Phasenübergängen ist die Absenz von Zentralität (Collar 2007: 150); dies passt gut zum Bild, das im frühen 3. Jh. entsteht. Dies alles führt zur Frage was diese Veränderung in der Netzwerkstruktur ausgelöst hat und warum sie an diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Eine kulturhistorische Hypothese Im frühen 3. Jh. treten in den Gräberfeldern im Großraum Paris regelhaft Waffen zu Tage. In der gesamten Île-de-France ist im Vergleich zur vorhergehenden Periode eine Zunahme von Waffen in Gräbern zu beobachten (Marion 2004: 212). Die mit Waffen bestatteten Männer mögen tatsächlich Krieger gewesen sein, oder auch nur im Grab als Krieger dargestellt worden sein. In jedem Fall waren Waffen aber Symbole für hohen sozialen Status, und Kriegsführung dürfte als integraler Teil der Gesellschaft betrachtet worden sein. Wenn man von dieser Vorstellung ausgehen kann ist es schwer, den Anteil der Männer zu bestimmen, die tatsächlich in kriegerische Handlungen involviert waren; unter normalen Umständen dürfte Kriegsführung wahrscheinlich lokal begrenzt gewesen sein und eher gelegentlich stattgefunden haben, also keine Vollzeitbeschäftigung gewesen sein. Gallische Söldner sind jedoch mehrfach durch historische Nachrichten belegt; es ist da-

her nicht unvorstellbar, dass, wenn eine bestimmte Gelegenheit zu einem deutlich erhöhten Bedarf an Söldnern führte, ein Teil der männlichen Bevölkerung für kürzere oder längere Zeit zu professionellen Kriegern wurde. Eine solche Gelegenheit mag sich ergeben haben, als nach dem Tod Alexanders des Großen 323 v.Chr. Nachfolgekriege zwischen seinen Nachfolgern, den sogenannten Diadochen, ausbrachen, die sich über mehrere Jahrzehnte hinzogen. Tatsächlich bemerkt Wells (2001: 80), dass keltische Söldner im frühen 3. Jh. vermehrt in diesem Zusammenhang Erwähnung finden. Es geht aus den antiken Berichten nicht immer eindeutig hervor, woher konkrete Kontingente von Söldnern kamen (Wells 1999: 47), aber manche davon mögen sehr wohl in Gallien rekrutiert worden sein. Die Zunahme an Söldnern muss wiederum den Bedarf für Waffen erhöht haben, was bedeutet, dass mehr Handwerker benötigt wurden, um diesen steigenden Bedarf zu decken. Gleichzeitig legt die kontinuierliche und rasche Evolution in der Bewaffnung in einem weiteren internationalen Kontext den Gedanken nahe, dass wenigstens einige dieser Handwerker hoch spezialisiert waren. Wie schon Marion (2004: 350; 2007: 112) bemerkt waren technologische Innovationen, zuerst fokussiert auf die Reduktion der für die Produktion von Nahrungsmitteln aufgewendeten Arbeitsstunden pro Person, eine logische Konsequenz der Verringerung der im landwirtschaftlichen Sektor verfügbaren Arbeitskräfte; im Verlauf des 3. Jh. dürfte der Druck auf die Nahrungsmittelproduktion zur Entwicklung effizienterer Arbeitstechniken in der Landwirtschaft geführt haben, z.B. zur Entwicklung der Rotationsmühle. Krieg und gemeinsames Kämpfen wird als die „stärkste Kraft des sozialen Zusammenhalts zwischen Männern“ (Van de Noort 2006: 282) angesehen und bildet daher einen wichtigen Mechanismus in der Ausbildung sozialer Netzwerke. Nach Ende ihrer Anstellung werden viele Söldner in ihre jeweilige Heimat zurückgekehrt sein (siehe Wells 1999: 46-47, 54; 2001: 80-81), und es scheint nicht unvernünftig anzunehmen, dass die Freundschaften, die sie in ihrer Zeit als Söldner gebildet hatten, zu vermehrten Kontakten zwischen ihnen und somit auch ihren jeweiligen Herkunftsregionen geführt haben. Es ist so-

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gar vorstellbar, dass Söldner wiederum durch solche Netzwerke rekrutiert wurden. Dies würde erklären, weshalb größere Gruppen des Öfteren aus Mitgliedern aus verschiedenen Regionen und von verschiedenen Völkern bestanden, wie z.B. im Fall der Gaesatae (Tomaschitz 2002: 85). Eine alternative Erklärung Eine andere Möglichkeit ist, dass die erhöhte Komplexität der Elitenetzwerke Nordgalliens ohne irgendwelche Einflüsse aus dem Mittelmeerraum entstand, sondern ein Resultat von systemimmanenten Prozessen war. In einer Anfangsphase ist dabei das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie eines von asymmetrischer Reziprozität. Wie jedoch weiter oben bemerkt wurde sind Netzwerke nicht stabil: Gewisse Teile eines Netzwerks können nicht mehr genutzt werden, wenn frühere starke Beziehungen schwächer werden, während dauernd neue Verbindungen durch die verschiedenen Mechanismen, die eisenzeitlichen Elitenetzwerken zugrunde liegen dürften, wie politische Eheschließungen, Zieheltern-, Geiselaustauschund Klientelbeziehungen, geschaffen werden. Im Rahmen der oben beschriebenen Evolution mögen Ziehelternbeziehungen eine bedeutende Rolle gespielt haben. Es gibt natürlich keine direkten Hinweise darauf, dass Ziehelternschaften im Gallien des 3. Jh. praktiziert wurden. Für die Späteisenzeit wird jedoch Caesars Beobachtung, dass die Gallier es für eine Schande hielten, mit ihren Söhnen in der Öffentlichkeit gesehen zu werden, ehe diese das Alter erreicht hatten, in dem sie Militärdienst leisten konnten, häufig als ein Hinweis für die Existenz von Ziehelternschaften betrachtet (siehe z.B. Karl 2005: 256). Parkes (2003: 751, 754) bemerkt, dass eine solche Kindesmeidung durch die Eltern exakt Kovaleskys Beobachtungen bezüglich väterlicher Kindesmeidung während der Ziehelternschaft bei den Osseten entspricht. Wenn wir annehmen, dass Ziehelternschaft als erzieherische Praxis in Gallien bereits im 5. und 4. Jh. existierte, sollte bedacht werden, welcher Typ der Zieh­ elternschaft am besten die Einflussströme erklärt, die sich im archäologischen Befund beobachten lassen. Es würde sich dabei wohl nicht um Verwandtschaftszieh­ elternschaft handeln, sondern eher um Allianz- bzw.

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Gefolgschaftsziehelternschaft wie durch Parkes (2006: 359 FN 2) beschrieben, der zwischen patronaler (die Kinder von sozial Untergebenen werden durch soziale Vorgesetzte erzogen) und klientaler (die Kinder sozial Vorgesetzter werden durch sozial Untergebene erzogen) Gefolgschaftsziehelternschaft unterscheidet. Es ist sehr schwer zu entscheiden mit welchem Modell der Gefolgschaftsziehelternschaft das oben beschriebene Zentrum-Peripherie-Modell am besten zusammen passt. Auf den ersten Blick scheint patronale Gefolgschaftsziehelternschaft die logischere Option, aber das würde bedeuten, dass das Zentrum-Peripherie-Modell auf die politische Ebene übertragen würde, mit einer Konzentration von „Patronen“ in den Kernregionen und „Klienten“ in den peripheren Zonen, was offensichtlich unzulässig ist. Die Lage war wohl weit komplexer und erfordert daher zusätzliche Untersuchungen, die jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden. In jedem Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Kernregionen wahrscheinlich viele Ziehkinder der Oberschicht der peripheren Zonen angezogen haben werden, wodurch es dazu kam, dass Kinder aus mehreren verschiedenen Regionen in den selben Familien aufwuchsen. Es ist bekannt dass in Gesellschaften, in denen Ziehelternschaften üblich sind, die Verbindungen zwischen Ziehbrüdern besonders stark sind und gewöhnlich ein Leben lang gepflegt werden. Es scheint also nicht unvernünftig anzunehmen, dass durch solche Beziehungen graduell neue und komplexere Netzwerke entstanden, durch die zahlreiche Gelegenheiten für andere Mechanismen wie z.B. politische Ehebündnisse entstanden. Dies könnte wiederum zu einer graduellen Veränderung der Machtstrukturen in den peripheren Zonen geführt haben, wo das Phänomen Wagengrab, das in den Kernzonen bereits weitgehend aus der Mode gekommen war, als ein prominenter Statuszeiger, der hochgradig geeignet war um neu erworbene politische Positionen zu bestätigen, aufgegriffen wurde. Letztendlich dürfte das die Entstehung zahlreicher neuer Zentren in den früher peripheren Zonen begünstigt haben. Die Beziehungen zwischen diesen Zentren sowie zwischen den neuen Zentren und den früheren Kernzonen wandelten sich zu solchen symmetrischer Reziprozität.

Die Arras-Kultur von East Yorkshire Wagengräber wurden in East Yorkshire etwa zur Zeit, als die oben besprochenen „neuen Zentren” entstanden, eingeführt. Dies wird besonders deutlich wenn man die Wagen selbst untersucht. In der Entwicklung der eisernen Radreifen sind die Wagen aus Yorkshire am gleichen Stand wie jene aus der Region um Paris, während beide später als die Wagen der Aisne-MarneRegion aufkommen (Anthoons 2007: 144-145). Ebenso finden sich für das System der fünf Leinenringe – stets als einer der grundsätzlichsten Unterschiede zwischen East Yorkshire und dem Kontinent angesehen, wo vier Leinenringe in der Aisne-Marne-Region die Regel sind – einige Belege in der Umgebung von Paris, so z.B. in Plessis-Gassot (Ginoux 2003: 46; pers. Beobachtung) und Roissy (Lejars 2005: 77, fig. 4). Sogar die charakteristisch zerlegten Wagen der Yorkshire Wolds finden eine mögliche Parallele in einem Wagengrab aus Bouqueval (Guadagnin 1984: 44-53). Sowohl in East Yorkshire als auch in der Pariser Region ist die Körperbestattung typisch, aber die Körperhaltung im Grab ist deutlich unterschiedlich: gestreckte Rückenlage in der Umgebung von Paris – die übliche Körperlage am Kontinent durch die Eisenzeit hindurch – und Hockerstellung (schwach bis extrem) in East Yorkshire, eine alte bronzezeitliche Tradition, die sich in Britannien bis in diese Zeit erhalten hat. Ein weiteres Charakteristikum der Arras-Kultur sind die quadratischen Grabhügel mit ihren üblicherweise zusammenhängenden Umfassungsgräben. Gute Parallelen können in der Aisne-Marne-Region gefunden werden, in den Gräberfeldern von Ménil-Annelles und Ville-sur-Retourne (Stead, Flouest, Rigby 2006); beide Fundstellen datieren nach der Wagengrabperiode in der Region, sind aber zeitgleich mit den Gräberfeldern der Arras-Kultur. In der Umgebung von Paris sind quadratische Umfassungsgräben hingegen selten und zusammenhängende quadratische Umfassungsgräben gänzlich unbekannt. Es scheint daher so zu sein, dass die Bestattungssitten, die von den Bevölkerungen East Yorkshires praktiziert wurden, nicht mit einer bestimmten Region Nordgalliens in Verbindung gebracht werden können, sondern aus Elementen zusammengestellt sind, die aus verschiedenen Regionen übernommen wurden, und

die auch in lokalen britischen Traditionen verankert sind. Es ist ungeklärt, welchen Anteil East Yorkshire an diesem oben dargestellten Prozess der Innovation, Standardisierung und Internationalisierung hatte. Es ist beachtenswert, dass es im Zusammenhang mit Bewaffnung und Kampf mehrere Hinweise darauf gibt, dass Schwerter scheinbar am Rücken getragen wurden, statt an der rechten Körperseite mit dem Schwertgriff in Hüfthöhe, wie es am Kontinent und im südlichen Britannien üblich war (Stead 2006: 61-63, Taf. 9). Das suggeriert, dass die Beteiligung East Yorkshires am gallischen Netzwerk eher im Bereich des Religiösen oder Spirituellen als im Bereich einer stetig an kriegerischen Handlungen beteiligten Elite anzusiedeln ist. Schlussfolgerungen Das frühe 3. Jh. ist eine Zeit vieler Veränderungen, nicht nur im Bereich der Materialkultur, wo es rasche Innovationsschübe gibt, speziell im Bereich der Bewaffnung, sondern auch im Bereich des Bestattungsritus, mit der Anlage neuer Gräberfelder und der Verbreitung der Wagengräbersitte über verschiedene Regionen in Nordgallien und sogar in Britannien. Kontakte beschränken sich nicht mehr auf nahe Nachbarn, sondern sind weiter reichend und verstärkt von unterschiedlicher Natur. Diese Veränderungen spiegeln die Entwicklung hin zu einem komplexeren Elitenetzwerk wider. Diese Entwicklung könnte das Resultat eines erhöhten Bedarfs an Söldnern im Mittelmeerraum gewesen sein, die aus verschiedenen Regionen Galliens und vielleicht sogar Britanniens rekrutiert wurden, und eine hochgradig mobile Elite erzeugt haben könnte, was zur Umformung bereits grundsätzlich angelegter, aber noch vergleichsweise einfacher Kern-PeripherieNetzwerke zu einem komplexeren Netzwerk geführt haben könnte. Andererseits könnte die Entwicklung eines komplexen Netzwerks auf interne, bereits bestehenden Netzwerken inhärente Faktoren zurückzuführen sein, die ursprünglich als gemäß einem Kern-Peripherie-Modell konstituierte Netzwerke mittels der Elitenetzwerken zugrunde liegenden Mechanismen wie politischen Ehebündnissen, Ziehelter-

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schaften, Klientelbeziehungen etc. zu einem Netzwerk mit mehreren gleichgestellten Zentren umformten. Tatsächlich schließen einander diese beiden Hypothesen auch gar nicht gegenseitig aus und mögen daher beide Teil einer Erklärung der Veränderungen sein, die sich im frühen 3. Jh. beobachten lassen.

Schließlich zeigt die analoge Entwicklung der Begräbnissitten in East Yorkshire, dass auch diese Region zum nordgallischen Netzwerk gehörte, einem Netzwerk, das sich auch in anderen Richtungen bis jenseits der engeren Grenzen Galliens bis nach Mitteleuropa erstreckte.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von Lucianu, Collis und Andrisek) There is opposition voiced concerning the adopting of vocabulary from other disciplines. Here the term „small world networks“ does not correlate accordingly to the clear definition in systems theory. So far there is minimal archaeological evidence for that kind of social networks. The mentioned networks are one hypothesis for explaining the basis for these clearly visible quick changes. Frequent and long distance contacts could be the reason for this development. The problem in explaining how continental ideas reach the British isles is still to be solved. The closest connections get the most influx - but they need not be where the shortest geographical distances exist. The Arras culture in its special peculiarity is an outstanding example. It has been seen as a kind of gateway for all European ideas into Great Britain; but the opinions have changed, because southern Britain and most of France don‘t have the burials to do comparisons. In their regional context both Arras and their counterpart in France are exceptional. So far no explanation for the mechanisms that bring ideas as well as objects (like those made of coral) has survived further examination. The reason why people invest money, time and effort, why they brave dangers of long journeys to uphold contacts like these, still are not obvious. The same goes for the close similarities in the 6.th century and the 1.st century b.c. again, while in the meantime from 400 to 150 b.c. there seem to be periods of isolation.The influence of imports and ideas doesn‘t fully stop but gets much more exclusive. The mass of objects and ideas seem much more insular. To know more about possible reasons for some connections being made and some others not, still needs more and deeper research. The researcher confines herself at the moment to compare same period materials - in the Arras as well as the Paris region in this period there are e.g. rich male burials besides lots of male and female ‚normal‘ burials. These are to be compared as a first step. The mentioned two explanations for what is going on are not to be seen as antagonims. They are examples, what could be the reason, one of those, both consecutively, both at the same time, or none - there is no proof for either possibility so far.

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Fernhandelskontakte der Hallstattzeit als Medium des Kulturtransfers Geneviève Honeck

Zusammenfassung Das Auftreten mediterraner Importe in der Hallstattzeit ist ein viel diskutiertes Thema. In den letzten Jahren ­wurden Importe und deren lokale Nachahmungen mit dem Begriff der Akkulturation beschrieben. Der Artikel beschäftigt sich mit den Mechanismen der Akkulturation und geht der Frage nach, wie überregionale Austausch­ systeme als Medium des Kulturtransfers fungieren können. Für die Hallstattzeit werden zwei Phasen vorgeschlagen, die strukturell verschiedene Austauschsysteme auf­weisen. Während für die Frühphase hauptsächlich kleinräumige verwandtschaftlich organisierte Systeme angenommen ­werden, weist die Spätphase zusätzlich Anzeichen eines elitär organisierten Austauschs über große geographische Distanzen auf. Da Kulturtransfer mit sozialer Nähe assoziiert wird, bieten Austauschsysteme auf verwandtschaftlicher Basis ein größeres Potential, Ideen zu transferieren, als Fernkontakte. Obwohl die vermuteten Austausch­systeme zu einer gegenseitigen kulturellen Beeinflussung führten, findet sich jedoch in der Hallstattzeit kein ­Beleg für soziokulturelle Veränderungen, die den Begriff Akkulturation im Sinne seiner ursprünglichen Bedeutung ­rechtfertigen.

Abstract The appearance of Mediterranean imports in the Hallstatt period has been much discussed. Recent approaches describe imports and their local imitations with the term acculturation. This article deals with the concept of acculturation and the role of supraregional exchange systems as a medium of culture transfer. The Hallstatt period can be divided into two phases with structurally different exchange systems. For the early phase, kin based, small scale exchange systems are suggested. The later phase shows additional evidence of long distance exchange contacts which are institutionalised by the elite. Because of the association of social proximity and culture transfer, kin based exchange systems possess a higher potential for the transfer of ideas. Although the exchange systems caused mutual cultural interferences, there is no evidence of a culture change which can be described as acculturation in its original sense.

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Einleitung Das Auftreten von mediterranen Importen und deren lokalen Imitationen in Zentraleuropa seit dem Ende der Bronzezeit und während der Hallstattzeit wird seit Jahren diskutiert und immer wieder neu interpretiert. Obwohl die Gesellschaften des Hallstattkreises in ihrem zentraleuropäischen Umfeld alles andere als isoliert waren, sind es vor allem die Südkontakte, die die meiste Beachtung fanden. Dies begründet sich hauptsächlich darin, dass der Südimport die spektakulärsten Manifestationen erbracht hat. Zudem bildeten sich in Europa zu dieser Zeit erstmalig hierarchisch gegliederte Gesellschaften heraus, die sich in Zentren organisierten. Dieser Umstand hat zu der Annahme geführt, die Hallstattkultur stelle die Peripherie des Weltsystems der klassischen Antike dar (Sherratt, Sherratt 1993: 374). Der Import fremder Objekte und deren Aufnahme in lokale Kontexte wurde zunächst vor dem Hintergrund mutmaßlicher asymmetrischer Beziehungen als Assimilation beschrieben. Man ging davon aus, dass in der Hallstattkultur die eigene kulturelle Identität zu Gunsten einer als überlegen angesehenen mediterranen Identität aufgegeben wurde. Neuere Ansätze beschreiben diese Vorgänge mit dem Begriff „Akkulturation“. Über die Mechanismen der Akkulturation und die spezielle Rolle überregionaler Austauschsysteme im Kulturtransfer ist bisher aber nur wenig diskutiert worden. Fernhandel und Akkulturation Kulturen sind dynamische Gebilde. Aufgrund der alltäglichen sozialen Praxis sind sie einem ständigen Wandel unterlegen. Da Kulturen aber keine isolierten Einheiten mit scharfen Grenzen sind und in ständiger Interaktion miteinander stehen, ist gegenseitige Beeinflussung nahezu immer gegeben (Even-Zohar 2008: 118). Der Austausch von Produkten oder Rohstoffen hat einen wesentlichen Anteil an der wechselseitigen Beeinflussung, da mit dem Austausch von Gütern auch ein Ideentransfer einhergeht. Durch Kulturkontakt entstandener Wandel wird im Allgemeinen mit dem Begriff „Akkulturation“ erklärt. Nach der klassischen Definition ist Akkulturation ein kultureller Wandel, der entsteht, wenn Personen aus

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unterschiedlichen Kulturen direkt miteinander interagieren (Redfield u.a. 1936:149; Berry 2002: 18; Sam 2006: 16). Damit ist zunächst noch nichts über die Konditionen und die Konsequenzen gesagt, denn die Umstände, die Form und das Ausmaß des Wandels können verschieden sein (Berry 2002; Blum 2002: 6-12; Meyer 2007:11). Sie sind das Resultat der spezifischen historischen Gegebenheiten der zusammentreffenden Kulturträger. Der Wandel kann progressiv sein und die Entwicklung neuer kultureller Techniken nach sich ziehen, aber auch statische Elemente hervorrufen, die das Bestehen alter Traditionen bekräftigen. Akkulturation bedeutet aber nicht nur die Übernahme oder Ablehnung fremden Kulturgutes, sondern beinhaltet auch die Frage nach der Motivation und den sozialen Strategien, die zu diesem Ergebnis führen (Berry 2002: 24). Fremde Elemente können übernommen werden, weil sie einen bestimmten gesellschaftlichen Nutzen mit sich bringen. Dabei ist es sowohl möglich, dass die fremden bereits bestehende Elemente ersetzen, oder aber sie werden als Versatzstücke, sozusagen als Ergänzung, in die eigene Kultur aufgenommen. Zum Konzept gehört neben der Übernahme aber auch die Ablehnung fremden Kulturgutes. Diese resultiert u.a. daraus, dass andere Kulturen gegenüber der eigenen als minderwertig oder abnormal bewertet werden. Da Kulturen keine homogenen Gebilde sind, besteht die Möglichkeit, dass der auftretende Kontakt und der dadurch verursachte Wandel auf eine bestimmte Personengruppe beschränkt ist und erst viel später von der übrigen Gesellschaft rezipiert wird (Even-Zohar 2008: 132). Der Kontakt, der durch Fernhandel entsteht, ist eine spezielle Form des Kulturkontaktes. Der Kontext des Zusammentreffens ist der Bedarf an bestimmten Waren oder Rohstoffen. Das Zusammentreffen ist somit friedlicher, ökonomischer Natur. Es geht darum, die Vorteile des anderen für sich zu gewinnen. Daher sind Handelsaktivitäten auch meist mit guten diplomatischen Beziehungen vor Ort verbunden, die die Sicherheit der Händler und ihrer Geschäfte garantieren können. Aber nicht immer steht hinter dem Aufkommen von Importen aus entfernten Regionen ein zielgerichteter direkter Fernhandel. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Güter über verschiedene Zwischenhändler

Abb. 1: Schematische Darstellung der Kontaktsituation.

entfernte Orte erreichen (Köhler 1985: 44-45; Eggert 1991). Für die Identifikation eines Kulturtransfers ist es von essentieller Bedeutung, ob Importe einen direkten Weg genommen oder über Zwischenstationen ihr letztendliches Ziel erreicht haben. Ein Kulturtransfer ist per definitionem immer nur zwischen zwei Kulturen möglich, die in einem direkten Kontakt miteinander stehen (Redfield u.a. 1936: 149). Der Weg über Zwischenstationen kann zwar dazu führen, dass Objekte oder Formen einer dritten Kultur importiert werden und auch Eingang in die materielle Kultur finden.Was aber die sozialen Implikationen und die Verwendung in bestimmten Kontexten anbetrifft, so können Zwischenhändler nur ihre eigene Interpretation dieser Gegenstände anbieten, die nicht identisch sein muss mit deren Bedeutung in der Ursprungskultur. Ein Kulturtransfer über Zwischenstationen ist somit problematisch. Das zu erwartende Ergebnis wäre hier vielmehr ein Gemenge von Ideen der Ursprungskultur und der vermittelnden Kultur, die daraufhin wiederum von einer dritten Kultur erneut bewertet werden. Um Kulturwandel durch Kulturkontakt verstehen zu können, ist es wichtig, den Fokus auf die Akteure

zu legen. Der initiale Punkt, von dem ein Kulturwandel ausgeht, ist das Zusammentreffen von Menschen. Die Begegnung mit fremden kulturellen Techniken und Verhaltensweisen stellt immer auch die eigenen in Frage, weil sie die Menschen mit ungewohnten Ansichten und Verhaltensnormen konfrontiert (Abb. 1). Auf der psychologischen Ebene führt der Kontakt zu Irritationen, die eine Stresssituation verursachen. Um diese Stresssituation bewältigen zu können, kommt es zu einer Aneignung von kulturellen Fähigkeiten (Sam 2006: 16). Maßgeblich für das Verständnis des anderen sind dabei das Vorwissen, die Einstellung und das Verhalten gegenüber Fremden, sowie der Kontext des Zusammentreffens. Diese Faktoren beeinflussen die Beurteilung des Gegenübers, die sich wiederum auf das eigene Verhalten auswirkt. Gerade beim Handel ist es besonders wichtig, in der anderen Gesellschaft ein besonders positives Bild von sich zu erzeugen, um ­diese für sich zu gewinnen. Die Übernahme kultureller Techniken ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Ein essentieller Faktor ist hierbei die kulturelle Bewertung der Geberkultur. Diese Bewertung ist als ein gesellschaftlicher Diskurs zu verstehen, der dazu führt, dass bestimmte Dinge als vorteilhaft aufgefasst und integriert oder dass andere Dinge abgelehnt werden, weil kein Interesse oder Bedarf besteht. Welche Auswirkungen Handelskontakte auf eine Kultur haben, hängt davon ab, wie diese Kontakte etabliert wurden und welche Personenkreise daran beteiligt waren. Gästen, wie Fremdarbeitern oder Handlungsreisenden, wird in der Akkulturationsforschung gemeinhin nur wenig Potential zugeschrieben, einen kulturellen Einfluss auf die Gastgeberkultur auszuüben (Bochner 2006: 183). Der Grund dafür sei die kurze Zeitspanne, während derer sie sich in einer fremden Kultur aufhalten. Das Wissen um die Begrenztheit des Aufenthaltes verhindere eine intensive Auseinandersetzung mit der Gastgeberkultur. Dieses Modell ist aber nicht ohne Weiteres auf die Urgeschichte zu übertragen, da hier die Zirkulation von Produkten und Rohstoffen grundlegend anders strukturiert war. Der Austausch von Gütern ist in vorstaatlichen Gesellschaften immer eingebunden in ein Netzwerk persönlicher Beziehungen, die eine soziale, aber auch rechtliche Sicherheit darstellten (Polanyi 1978: 75).

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Um dieses durchaus komplexe System von Beziehungen beschreiben zu können, in dem, wie bereits Mauss feststellte, alle gesellschaftlichen Institutionen kumulieren (Mauss 1990: 17), hat sich eine Unterscheidung in Gaben- und Warenökonomie etabliert (Gregory 1982; Wagner-Hasel 2000: 53-54). Während die Gabenökonomie auf die sozialen Beziehungen abzielt und sozusagen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vorgibt, stellt die Warenökonomie den Gütertausch dar, der gemeinhin als Warentausch bezeichnet werden kann, weil hier Güter nach Austauschwerten bemessen und gegeneinander getauscht werden. Die Frage, wer mit wem unter welchen Bedingungen tauscht, ist aber auch abhängig vom Grad der Professionalisierung. An einem verwandtschaftlich organisierten Tausch, der von den einzelnen Haushalten durchgeführt wird, sind große Teile der Gesellschaft beteiligt. Tauschhandel, der von Spezialisten durchgeführt wird, konzentriert sich hingegen auf bestimmte Personengruppen. In Gesellschaften, die keine Spezialisierung aufweisen, ist der Austausch von Ressourcen oder Produkten durch verschiedene Tauschsphären organisiert (Bohannan 1955). Diese ermöglichen den Güterfluss durch die verschiedenen Gesellschaftsschichten. Meist existieren mehrere Sphären, die jeweils ihre eigenen Regeln und Normen haben. So existiert neben einer Sphäre, in der Subsistenzgüter zirkulieren, noch eine Ebene, auf der Prestigegüter zwischen Personen der Elite als Gaben geschenkt werden, um Beziehungen zu schaffen. Eine Konvertierbarkeit der Güter zwischen den Sphären ist dabei nicht immer gegeben (Köhler 1985: 47; Morris 1986: 8). Um den Güterfluss zu sichern, sind die Tauschverbindungen oft eingebettet in ein System von exogamen Heiratsbeziehungen. Die Zirkulation von Waren und Dienstleistungen folgt einer ausgeglichenen Reziprozität, die keine Anhäufung von Gewinn zulässt (Sahlins 1972: 194-5). Die Sanktionierung von persönlichem Profit ist ein wesentliches Merkmal, das vorindustriellen Gesellschaften gemein ist (Polanyi 1978). In Gesellschaften, die zumindest teilweise professionell organisiert sind, besteht hingegen eine andere kulturelle Konzeption des Tausches. Sie geht einher mit der Entwicklung von marktwirtschaftlichen Elementen und der Bildung einer bestimmten gesell-

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Abb. 2: Austauschsphären.

schaftlichen Gruppe, die sich durch den Gewinn ihren Lebensunterhalt sichert. In den meisten Fällen ist gewinnorientierter Tausch nur zwischen geschlossenen kulturellen Einheiten möglich, da er durch kulturelle Normen innerhalb einer Gesellschaft sanktioniert ist. Demnach ist diese Form des Tausches, die Sahlins als negative Reziprozität bezeichnet, immer mit kulturellen Grenzen und sozialer Distanz assoziiert (Appadurai 1986: 10-11; Sahlins 195-6). Die Herausbildung professionalisierter Händler ist daher eng mit dem Fernhandel verknüpft. Für einen erfolgreichen Fernhandel müssen zudem spezielle Anforderungen erfüllt werden, wie gute Kontakte an den Umschlagplätzen, die entsprechende logistische Ausrüstung für den Transport der Waren und eine Gruppe von Personen, die den Transport durchführt. Da der Fernhandel aufgrund des hohen Aufwandes gegenüber den lokalen Austauschsystemen einen Sonderfall darstellt, ist ihm eine eigene Austauschsphäre zuzuschreiben, die eigene Regeln und Normen hat (Abb. 2). Schnittpunkte mit den lokalen Sphären bilden die Personenkreise, die Zugang zum Fernhandel besitzen bzw. diesen kontrollieren. Dadurch ist es möglich, dass Objekte aus dem Fernhandel in eine andere Sphäre übergeleitet werden (Köhler 1985: 47). Waren können hierbei mit neuen Konnotationen versehen und in einem anderen Kontext als Gabe weitergereicht werden, um soziale Beziehungen unter den Eliten zu festigen oder Klientelbeziehungen zu etablieren.

Der Grad der Spezialisierung ist vor allem dann relevant, wenn Tauschhandel zwischen Kulturen stattfindet, die diesbezüglich asymmetrische Strukturen aufweisen. Welche kulturellen Konsequenzen entstehen, wenn professionalisierte Händler auf eine Kultur ohne entsprechende Strukturen treffen, lässt sich am Beispiel Griechenlands ableiten. Dort existierten zu Beginn der archaischen Zeit zwei indigene Tausch­ sphären, die festgelegten kulturellen Regeln und Normen folgten (von Reden 1995, 59; Morris 1986). Auf der einen Ebene wurden Subsistenzgüter kleinräumig zwischen den einzelnen Haushalten (oikoi) getauscht. Diese Ebene diente der Versorgung des Haushaltes mit Ressourcen und folgte den Regeln der ausgeglichenen Reziprozität (Finley 1992: 67, 72). Parallel dazu existierte eine Sphäre, in der Luxusgüter als Gabentausch zwischen den Eliten zirkulierten, um persönliche Beziehungen und Allianzen zu schaffen. Zusätzlich zu den indigenen Tauschsphären wurde Tausch mit phönizischen Händlern betrieben, um den Bedarf an Rohstoffen zu decken, aber auch um Luxusgüter zu importieren (von Reden 1995: 58-60; Morris 1986: 6). Obwohl Handel aufgrund des profitorientierten Charakters einen geringen gesellschaftlichen Stellenwert besaß (Odyssee 8. 159-164) (Finley 1992: 68; Sommer 2004: 236), schien sich der Warentausch in den Kreisen der Aristokratie zu etablieren (Morris 1986: 6). Dieser Austausch stellte jedoch etwas Fremdes dar, da der Tausch von Gütern in der griechischen Gesellschaft an persönliche Beziehungen und soziale Nähe gekoppelt war. In der Gesellschaft war somit einseitiger Profit nicht toleriert, und der Gütertausch wurde gemeinhin als „Gabentausch“ deklariert. Dieses Ideal des gleichwertigen Tausches, der fest eingebettet war in soziale Beziehungen der Tauschpartner, existierte noch bis in das 4. Jh. v. Chr. (Morris 1986: 6; Aubet 1993: 103). Eine Möglichkeit, den Widerspruch zwischen dem Ideal des Gabentausches und dem tendenziell profitorientierten Warentausch (Fernhandel) zu überbrücken, war die Etablierung von Gastfreundschaften. Diese ermöglichten durch bestimmte ritualisierte Handlungen, eine Art rite de passage, die Eingliederung der fremden Person in den Haushalt und die Schaffung von sozialer Nähe zumindest auf symbolischer Ebene (Odyssee 1. 123-124) (van Gennep 1999: 29). Die Etablierung von interkulturellen Gastfreundschaften und die Deklarie-

rung des Austausches als „Gabentausch“ war jedoch nicht nur eine symbolische Legitimation des Handels. Sie ist Ausdruck der bestehenden Denkgewohnheiten oder Verhaltensnormen, die erforderten, dass der Austausch von Gütern in einen bestimmten gesellschaftlichen Rahmen eingebettet war. Dabei ist davon auszugehen, dass diese Situation von beiden Seiten unterschiedlich bewertet wurde. Während den Phöniziern eine profitorientierte Handlungsweise zumindest indirekt nachgewiesen werden kann, da sie zielorientierten Fernhandel betrieben (Sommer 2004: 239), ist nicht überliefert, in wie weit sich die griechischen Aristokraten am Gesetz der Gleichwertigkeit orientierten und von welchem Zeitpunkt an auch sie Gewinn zu erzielen suchten. Die Expansion der griechischen Gesellschaft in weite Teile des mediterranen Raumes und die Schaffung von überregionalen Beziehungen durch die Kolonisation ließen auch in der griechischen Gesellschaft Handelsstrukturen entstehen. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich die Griechen auch im Rahmen anderer interkultureller Kontakte an den Gewohnheiten orientierten, die sich im Kontakt mit den Phöniziern etabliert hatten. Hallstattzeitliche Fernkontakte Die Belege hallstattzeitlicher Fernkontakte lassen sich im Wesentlichen in zwei Phasen gliedern: eine frühe Phase vom 7. Jh. bis um die Mitte des 6. Jh. v. Chr. (Ha C/D1), sowie eine späte Phase von der Mitte des 6. bis an den Beginn des 5. Jh. v. Chr. (Ha D2/D3). Die frühe Phase setzt ein mit dem Auftreten mediterraner Importe in einer kleinen Gruppe von Gräbern, die von D. Krauße als „westliche Prunkgräbergruppe“ zusammengefasst worden ist (Krauße 1996: 322). Auf der Heuneburg korreliert diese Frühphase mit der Periode IV (Kurz 2000: 161). Charakteristisch sind Perlrandschalen des Typs Hohmichele (Abb. 4) (Krauße 1996: 318) und bronzene Kleeblattkannen, sog. „rhodische“ Bronzekannen (Shefton 1989: 213; ders. 1979). Die Ursprungsregionen der Importe sind Mittel- (Krauße 1996: 318) bzw. Oberitalien (Kurz 2000:161). Sowohl Krauße als auch B. Shefton gehen für die genannten Bronzeobjekten von einem Transportweg über das Flusssystem Rhône-Saône-Doubs

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aus (Krauße 1996: 318; Shefton 1989: 213; ders. 1979: 21 Abb. 2). Parallel dazu zeichnet sich eine Konnektivitätszone zwischen Oberitalien, dem alpinen Raum (vor allem den Westalpenpässen) und Süddeutschland ab, die sich im Auftreten einzelner Trachtbestandteile manifestiert. In der späteren Phase bleiben die etablierten Verbindungswege bestehen. Perlrandschalen des Typs Imola-Hundersingen (Ha D2-D3) (Abb. 4), deren Ursprungsregion das südliche Oberitalien (Emilia-Romagna) zu sein scheint, belegen Kontakte über die im Tessin gelegenen Alpenpässe (Krauße 1996: 318). Auf der Heuneburg lässt sich ab der Stufe Ha D2, besonders aber in Ha D3, ein vermehrtes Aufkommen griechischer Keramik beobachten, die über Südfrankreich und Massalia importiert wurde (Pape 2000). Die Frühphase (Ha C/D1) In die frühe Phase fallen die Anlage der ersten Prunkgräber und die Gründung befestigter Höhensiedlungen in Südwestdeutschland, die auf eine progressive gesellschaftliche Stratifizierung und Zentralisierung hindeuten (Pare 1989). Der archäologische Niederschlag der Fernkontakte zeigt sich auf zwei Ebenen. Zum einem lassen sich Adaptionen „fremder Kulturelemente“ in der persönlichen Ausstattung feststellen. Hierzu gehören die Übernahme der Fibelmode, die die einheimischen Nadeln ersetzt (Teržan 1994: 453), das Aufkommen mehrreihiger Bernsteinkolliers mit Knochenschiebern (Krauße 1996: 235) und die Dolchproduktion (Sievers 1982: 12-13). Die Ursprungsregion dieser Einflüsse ist Oberitalien. Von dort aus verbreiten sich die Ideen durch die Golasecca- und Estekultur über die Alpen nach Süddeutschland. Auf der Heuneburg (Periode IV) schlägt sich der Kontakt u.a. in der Produktion von Bogenfibeln mit organischem Bügelkern, eine Imitation der Sanguisuga-Fibel (Drescher 2000: 236-237; Kurz 2000: 86), und dem Auftreten von Rohkoralle nieder (Kurz 2000: 160-161; Sievers 1982: 84). Die auf der Heuneburg gefundenen verzierten Knochenschieber bildeten vermutlich Teile eines Bernsteinkolliers (Abb. 4). Die Verzierung eines Schiebers mit Zirkelornamentik deutet nach Oberitalien (Sievers 1984:14-16, 84). Krauße vermutet, dass Trachtbestandteile aus dem Picenum über Este

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und Hallstatt in den Norden vermittelt worden seien (1996: 232-5). Die auf der Heuneburg entdeckte Rohkoralle hat ihren Ursprung ebenfalls in Oberitalien, ist aber über die Golaseccakultur in den Norden gelangt (Kurz 2000: 160-161; Sievers: 1982: 84; Schmid-Sikimiæ 2000). Ch. Pare hat diesbezüglich auch auf technologische Ähnlichkeiten bei der Wagenkonstruktion, besonders die Verwendung von Winkeltüllen, aufmerksam gemacht, die eine Übernahme von mittelitalisch-etruskischen Elementen nahe legt (Pare 1989: 449; Egg 1987: 97 Abb. 21). Parallel zu dem Auftreten fremder Trachtbestandteile lässt sich der Import von Luxuswaren aus dem mittelitalischen Raum in Form von bronzenen Trinkund Speisegeschirrsätzen fassen. Hierzu zählen Rippenschalen, Perlrandschalen und Kleeblattkannen. Die bronzenen Serviceteile finden sich in den gehobenen Bestattungen der Stufen Ha C/D1, wo sie teilweise, wie in Ihringen-Gündlingen (Baden-Württemberg), miteinander vergesellschaftet sind (Eckerle, Dehn 1996). Sie lassen sich mit dem etruskischen Export nach Südfrankreich in Verbindung bringen, der sich im 7. und frühen 6. Jh. größtenteils auf gut zu transportierende Bronzeobjekte beschränkte. Importierte etruskische Keramik findet sich hingegen nur in den küstennahen Gebieten am Golf von Lyon (Pape 2004: 110-111, Abb. 3). Luxusobjekte wurden aber nicht nur über Südfrankreich, sondern auch über die Alpen vermittelt, wie sich am Auftreten von Rippenzisten und Situlen ersehen lässt (Stjernquist 1967). Das in der Stufe Ha D1 angelegte Grab von Kappel am Rhein (Egg 2004) enthielt eine Bronzesitula vom Typ Kurd in Vergesellschaftung mit neun Rippenzisten und einer Situla mit Rippenzier und abgewinkelten Stielösen. Situlen mit Stielösen und Rippenzier haben ihren Verbreitungsschwerpunkt in der Emilia-Romagna und Oberitalien, wohin auch die Kombination der Situla vom Typ Kurd mit Rippenzisten deutet. M. Egg hat vermutet, dass diese Objekte über die Golaseccakultur und das Tessin nach Norden importiert wurden (Egg 2004: 167-169). Zirkulationssysteme Nach Auffassung von B. Stjernquist lag der Weitergabe der Importe eine kleinräumige Zirkulation

mit vielen Zwischenstationen zu Grunde, die über die Alpenpässe verlief (Stjernquist 1967: 166). Auch Shefton hat sich bezüglich der Weitergabe der Kleeblattkannen für kleinräumige Zirkulationssysteme ausgesprochen. Die Kannen seien im Zuge eines Gabentausches „von Häuptling zu Häuptling“ weitergereicht worden (Shefton 1979: 22; ders. 1989: 216). Demgegenüber sieht J. Pape einen „etruskischen Fernhandel nach Norden“, lässt dabei aber alle Modalitäten offen, vor allem was die Frage nach Zwischenstationen anbetrifft (Pape 2004: 11). M. Eggert zufolge stehe hinter dem Auf kommen der Südimporte ein Etappenhandel über kleinräumige Verwandtschaftsgebiete (Eggert 1991: 10). Ich möchte mich der These Eggerts anschließen und ein kleinräumiges, verwandtschaftlich organisiertes Tauschsystem eher annehmen als einen zielgerichteten Fernhandel. In dem Kontext wäre auch die Übernahme verschiedener „Fremdformen“ erklärbar, da diese über viele Zwischenstationen jeweils von der benachbarten Gesellschaft aufgegriffen wurden und daher keine direkten Fernkontakte etwa bis nach Oberitalien repräsentieren. Eine Ausnahme hiervon bildet die Lehmziegelmauer der Heuneburg. Die Lehmziegelbauweise muss durch fremde Baumeister durchgeführt oder aber von Einheimischen in der Fremde erlernt worden sein. Das belegt zwar, dass einzelne direkte Kontakte möglich waren, ein institutionalisierter Fernhandel dürfte darüber hinaus jedoch nicht stattgefunden haben (vgl. Baray 1997: 252). Die Spätphase (Ha D2/D3) Die späte Phase der Fernkontakte beginnt in Ha D2, als der Zentralisierungsprozess in Südwestdeutschland und Ostfrankreich zur Entstehung einiger weniger Zentralsiedlungen führte. Neben den Verbindungen in die Küstenregionen Südfrankreichs bestanden weiterhin Kontakte in die Alpenregionen. Die Golaseccakultur fungierte als wichtiges Bindeglied zwischen Oberitalien und den nördlich benachbarten Gesellschaften. B. Schmid-Sikimi´c ist dieser Verbindung im Falle des Korallenhandels nachgegangen (Schmid-Sikimi´c 2002: 218-235). Die in der nördlichen Adria gewonnenen Korallen gelangten durch die Golaseccakultur bis zum Nordrand der Alpen ins

Tessin, von dort aus zeichnet sich ein Weg über den Hoch- und Oberrhein ab (ebd. 231). Es ist davon auszugehen, dass diese Zirkulationssysteme kleinräumig und verwandtschaftlich organisiert waren. SchmidSikimi´c hat versucht anhand der Verbreitung geschlechtsspezifischer Fibeln folgendes Szenario für den Alpenraum zu zeichnen: Fibeln, die von Männern getragen wurden, finden sich außerhalb ihres Produktionsgebietes in Siedlungen, Fibeln von Frauen hingegen auf Gräberfeldern. Daraus leitet sie ab, dass der Transport Aufgabe der Männer gewesen sei, während Frauen aufgrund eines Systems patrilokaler exogamer Heiratsbeziehungen ihre Herkunftsregion verließen (ebd. 216). Dass der Transport, in diesem Falle über schwer begehbare Gebirgsstrecken, Aufgabe der Männer war, findet Parallelen in ethnographischen Berichten über den Salzhandel im Himalaya (Fischer 1989: 82-83). Die Konnektivitätszone in den Alpen war demnach auch in der Spätphase durch verwandtschaftliche Beziehungen und kleinräumige Zirkulationssysteme geprägt. Das Vorkommen von Koralle auch in anderen Grabkontexten als den Prunkgräbern belegt, dass der Zugang nicht beschränkt war, sondern weiten Bevölkerungsschichten offen stand (Krauße 2001: 245). Es handelte sich hier auch nicht um eine Redistribution zur Schaffung von Abhängigkeiten oder Ähnlichem, wie in der Forschungsliteratur vielfach für die Südimporte diskutiert worden ist (u.a. Frankenstein, Rowlands 1978), sondern die Koralle gehört in den Kontext der bereits für die Frühphase der Fernkontakte festgestellten engen Beziehungen, die eine Übernahme von Trachtbestandteilen ermöglichten. Die Spätphase ist aber vor allem durch den Import griechischer Keramik und das Aufkommen exzeptioneller Bronzegefäße sowie verschiedener anderer Luxusgüter gekennzeichnet. Ausgangspunkt und Vermittler war die phokäische Kolonie Massalia am Golf von Lyon. Die Kolonie war zunächst in ein Netzwerk etruskischer Austauschsysteme eingebunden, ab der zweiten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. dominierten jedoch griechische Produkte in Südfrankreich. Darüber hinaus intensivierte sich der Austausch und auch entfernt gelegene Regionen, wie der südwestdeutsche bzw. ostfranzösische Raum, hatten direkten Anteil daran. Anhand der Fundverteilung massaliotischer und

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Abb. 3. 1: Heuneburg, 2. Hochdorf, 3. Kappel am Rhein, 4. Ihringen-Gündlingen, 5. Mont Lassois, 6. Bragny-sur-Saône, 7. Massalia.

griechischer Transportamphoren lässt sich ein Transportweg über das Flusssystem Rhône-Saône-Doubs rekonstruieren (Pape 2000: 113 Abb.17). Strukturen hallstattzeitlicher Zirkulationssysteme nördlich der Alpen Die Entstehung von Zentralorten in Südwestdeutschland und Ostfrankreich, die durch das Umland versorgt werden mussten, lässt annehmen, dass mit dem Wachstum der Siedlungen auch die Rohstoffversorgung auf der Basis gesellschaftlicher Spezialisierung erfolgte, da sie einen bedeutenden Faktor für den Ausbau der Siedlungen bildete. Nach Meinung von M. Rösch u.a. (2008: 331) zeigen botanische Untersuchungen, dass der Getreideanbau im Umfeld der Zentralsiedlungen eine Spezialisierung erfahren habe, was eine über die Eigenversorgung hinausgehende, marktwirtschaftliche Nutzung andeute. Dem gegenüberzuset-

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zen ist jedoch die Keramikproduktion, die (trotz der Kenntnis der schnelldrehenden Töpferscheibe) nicht professionell organisiert war, sondern hauptsächlich in den Haushalten nach Bedarf produziert wurde (van den Boom, Fort-Linksfeiler 1989: 84). Diesbezüglich zeichnet sich hier also eine andere Situation als in Südfrankreich ab, wo die Etablierung mediterraner Keramiktechnologie mit einer Professionalisierung der Keramikproduktion einherging (Dietler 1997: 299). Außerhalb der zentralörtlichen Organisationsformen lassen sich keine Hinweise auf handelsähnliche Strukturen finden. Die Diversität der Produkte, wie Textilien (Grömer 2007), Keramikgeschirr (van den Boom, Fort-Linksfeiler 1989: 84) oder Agrarprodukte (Rösch u.a. 2008: 331; Eggert 2007: 275-276) deutet auf eine nicht marktwirtschaftlich orientierte, subsistenzwirtschaftliche Produktion hin. Zu diskutieren blieben die Hinweise auf Werkstätten in der Heuneburg-Außensiedlung, die Textilien und Bronzeschmuck über

den Bedarf eines Haushaltes hinaus produzierten (Eggert 2007: 282-283; Kurz 2000: 155). Eine regelrechte handwerkliche Spezialisierung lässt sich dadurch jedoch nicht ableiten, da Belege für Metallverarbeitung insgesamt rar sind (Eggert 2000: 283; Drescher 2000: 249). Zwar könnte hier Überschuss produziert worden sein mit dem Ziel, diesen im Tauschhandel einzusetzen. Es wäre aber genauso denkbar, dass die Einrichtungen von mehreren Familien gemeinsam für den Eigenbedarf genutzt wurden. Im Ganzen dürfte davon auszugehen sein, dass während der gesamten Hallstattzeit ein kleinräumiger, verwandtschaftlich organisierter Tausch bestand. Eine Professionalisierung ist hingegen für die Hallstattzeit bislang nicht nachzuweisen. Fernhandel oder Etappenhandel: die Frage nach den Südimporten Im Gegensatz zur Frühphase besteht für die Spätphase eine Reihe von Hinweisen auf direkte Kontakte zu mediterranen Kulturträgern. Ein Beleg ist in erster Linie das Auftreten von äußerst aufwändig gearbeiteten Luxusgütern, wie z.B. der Krater von Vix am Mont Lassois oder der Kessel von Hochdorf. Ähnliche Objekte sind aus dem etruskischen und griechischen Raum bekannt, jedoch in Südfrankreich bisher nicht belegt. Dass derartige Gegenstände in Südfrankreich fehlen, ist durch eine andere gesellschaftliche Konstitution zu begründen, die die Anlage von Prunkgräbern nicht vorsah (Dietler 1990: 383). Auch scheinen hier die Schwerpunkte hinsichtlich der Art und der Verwendung der Importe andere gewesen zu sein (Dietler 1990: 385). In Südfrankreich wurden vor allem Wein und dazugehöriges Trinkgeschirr importiert. Die daraus resultierende Adaption neuer Keramikformen erfuhr eine weite gesellschaftliche Durchdringung und scheint nicht restringiert gewesen zu sein. Dies muss aber nicht bedeuten, dass Luxusobjekte, wie sie aus Südwestdeutschland oder Ostfrankreich bekannt sind, in Südfrankreich nicht zirkulierten, sondern ihr Fehlen kann auf unterschiedliche Überlieferungsbedingungen zurückgehen. Bragny-sur-Saône am Zusammenfluss von Saône und Doubs war möglicherweise ein Umschlagplatz und eine Zwischenstation im Tauschhandel zwischen

Südfrankreich und dem Hallstattgebiet (Abb. 3). Die Siedlung datiert an den Übergang von der Hallstattzur Latènezeit (Feugère, Guillot 1986), was bedeutet, dass sich der Ort erst kurze Zeit vor dem Nachlassen der Kontakte etabliert hat. Bragny-sur-Saône liegt an einer überregionalen Verkehrsroute direkt im Grenzgebiet der Hallstattkultur zu den südfranzösischen Gesellschaften. Die Wahl eines derart peripher gelegenen Ortes als Handelsplatz spricht für eine Ausrichtung auf interkulturellen Fernhandel. L. Baray hat Bragny daher als port of trade bezeichnet (Baray 1997: 251). Unter ports of trade werden Orte verstanden, an denen interkultureller Austausch unter sicheren Bedingungen stattfinden kann (Polanyi 1963: 30; Möller 2000: 19-25). Sie befinden sich in den Grenzgebieten zwischen verschiedenen kulturellen oder geographischen Regionen an überregionalen Verkehrswegen. Das Modell geht zurück auf K. Polanyi, der Marktwirtschaft, zu der vor allem die freie Verhandelbarkeit von Preisen gehört, für die Urgeschichte grundsätzlich abgelehnt hat. Der an einem port of trade stattfindende Austausch wird durch die lokale Elite kontrolliert, die vor allem daran interessiert ist, Luxusgüter zu importieren (Möller 2000: 24). Es handelt sich also nicht um einen Marktplatz, an dem fremde Güter meistbietend feilgeboten werden. Vielmehr besteht eine klare Trennung zwischen dem lokalen Zirkulationssystem und dem gelenkten Fernhandel (bei Polanyi: „verwalteter Tausch“, s. Möller 2004: 225). Diese Trennung zwischen den beiden Austauschsphären stellt eine grundlegende Voraussetzung für die Funktionalität eines port of trade dar und unterscheidet ihn von anderen Modellen, bei denen ein uneingeschränkter Warenfluss möglich ist. A. Möller hat darauf aufmerksam gemacht, dass in den ports of trade häufig Werkstätten existieren, deren Produktion jedoch nicht zwangsläufig auf den Fernhandel ausgerichtet ist (Möller 2000: 23). Von besonderer Bedeutung ist dies im Hinblick auf Bragny, wo Werkstätten eindeutig nachgewiesen werden konnten (Feugère, Guillot 1986: 208). Da die Produktion ausschließlich lokales Formengut hervorbrachte und keine mediterranen Einflüsse aufwies (ebd. 211), scheint hier nur für den lokalen Bedarf produziert worden zu sein. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass

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Abb. 4:Verbreitung der Knochenschieber (nach Krauße 1996: Liste 11), Perlrandschalen vom Typ Hohmichele (nach Krauße 1996: Liste 13J) und Perlrandschalen vom Typ Imola-Hundersingen (nach Krauße 1996: Liste 13F).

Bragny als ein Ort des kontrollierten Zusammentreffens zwischen zwei Kulturen im Sinne eines port of trade fungiert hat. Fernhandel unterscheidet sich hinsichtlich der sozioökonomischen Konstitution von kleinräumigen Zirkulationssystemen dadurch, dass durch den hohen Aufwand an Transport und das damit verbundene Risiko eines Verlustes ein Gewinn von vornherein eingeplant werden muss, damit eine andauernde Austauschbeziehung erhalten bleiben kann. Zu klären bleibt die Frage, welcher „Gewinn“ im hallstattzeitlichen Mitteleuropa hiermit erzielt werden konnte. M. Helms hat die Möglichkeit erwogen, dass Fernkontakte als politische Unternehmungen auf den Gewinn symbolischen Kapitals abzielten (Helms 1988). Auch von M. Dietler ist die Rolle der Fernhandelsgüter in-

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nerhalb der politischen Ökonomie diskutiert worden (Dietler 1990; ders. 1997). Da es außer den Südimporten keine archäologischen Belege des Austausches gibt, die Aufschluss über Charakter und Beschaffenheit weiterer Waren zuließen, bleiben Umfang und Frequenz höchst spekulativ. Die Möglichkeit, dass die Importe nur einen Teil eines umfangreicheren Warenflusses darstellten, ist in der Forschung ausgiebig erörtert worden. Demgegenüber steht die Annahme, dass es sich bei den Unternehmungen um von der Elite initialisierte Fernkontakte handelte, mit dem Ziel, prestigeträchtige Objekte in den eigenen Besitz zu bringen. Diese könnten als symbolisches Kapital von der Elite eingesetzt worden sein, um innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses die eigene Position aufzuwerten. Gera-

de in der Hallstattzeit, in der sich Status noch nicht fest etabliert hatte, war die soziale Position abhängig vom symbolischen Kapital, das sich im gesellschaftlich anerkannten Prestige ausdrückte. Hatten sich erst feste Klassen mit einem durch die Geburt determinierten Status etabliert, verloren aufsehenerregende Prestigegüter ihre Funktion. Dies spiegelt sich in der Latènezeit in den wesentlich einfacheren und einheitlicher gestalteten Südimporten wider. So kamen etwa exzeptionelle Trinkgeschirre zu Gunsten der einfacheren Kombination von Kannen und Becken außer Gebrauch. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die hallstattzeitlichen Fernkontakte verschiedene Strukturen aufwiesen (Abb. 5). Der alpine Tausch scheint über kleinräumige verwandtschaftliche Austauschnetze abgewickelt worden zu sein. Er war im Zugang nicht beschränkt und ermöglichte so eine hohe gesellschaftliche Durchdringung von südalpinen Produkten und Ideen. Im Gegensatz dazu scheint sich der Austausch von griechischen Produkten über Südfrankreich auf den Kreis der Elite beschränkt zu haben. Ein Modell der Übereignung könnte der verwaltete Tausch in bestimmten ports of trade gewesen sein, wie es für Bragny-sur-Saône diskutiert worden ist. Da der Austausch von Waren in den ports of trade von der Elite kontrolliert wurde, war der Zugang stark eingeschränkt. Dies könnte eine Erklärung für die sehr selektive Übernahme bestimmter griechischer Produkte bieten. Indem nur ein kleiner Teil der Gesellschaft Zugang besaß, beschränkte sich der Einfluss auf diese Kreise und blieb in seinem Ausmaß sehr gering. Da das gesellschaftliche Prestige der Eliten auch von der übrigen Gesellschaft anerkannt werden musste, richtete sich die Repräsentation von Status auf die Verwendung traditioneller Ausdrucksformen und nicht fremder Kulturelemente. Fernkontakte und Kulturwandel Die enge Verflechtung von Austauschsystemen und persönlichen, eventuell sogar verwandtschaftlichen Beziehungen in der Frühphase förderte den Ideentransfer auch über die Grenzen der eigenen Gruppe hinweg. Dies ermöglichte am Ende von Ha C/Anfang D1 u.a. die Ausbreitung der Mode der Schlangenfi-

bel aus Oberitalien (Schieck 1981: 301 Abb. 15;Teržan 1994: 453; Ettel 1995) und die Anregung zur Dolchproduktion (Sievers 1982: 55; Pare 1989: 449), die im Wesen übernommen wurden, jedoch schnell lokale Ausprägungen aufwiesen. So stellt der Dolch der Stufe Ha D1 mit spindelförmiger Griffstange und nur noch schwach ausgeprägten Antennen eine nordalpine Kreation dar (Sievers 1982: 55, Taf. 43). Anregungen wurden auch in der Produktion von Bronzegeschirr umgesetzt. Die Breitrandschalen entwickelten sich aufgrund neuer Ideen aus Italien (Perlrandschalen) zu Schalen vom Typ Chavéria-Corminbœf in Ha D1 (Krauße 1996: 278-287; 279 Abb. 199; 319). Diese wurden weiterhin mit verbreitertem Rand gefertigt, der als Träger von Verzierungen diente. Die genannten Einflüsse belegen einen Ideentransfer über kulturelle Grenzen hinweg, der Teil des allgemeinen Kulturwandels ist. Dabei handelte es sich jedoch nicht um direkte Übernahmen aus dem mediterranen Raum, sondern um das Ergebnis einer Diffusion über verschiedene Zwischenstationen. Das Resultat war ein Gemenge von Ideen der beteiligten Kulturen, wie eigene Entwicklungen und Deutungswandel zeigen. Deutlich wird dies durch die ursprünglich im Süden zur Männertracht gehörende Schlangenfibel, die im Norden auch von Frauen getragen wurde und damit ihre geschlechtsspezifische Konnotation verloren hatte (Schmid-Sikim´c 2002: 232). Ermöglicht wurde der Ideentransfer durch verwandtschaftlich verbundene Gruppen. Die dadurch entstandene soziale Nähe und der regelmäßige Kontakt führte zur Aufnahme und Weiterentwicklung neuer Formen. Anders gestaltet sich die Situation bei echten Fernkontakten, für die keine verwandtschaftlichen Verbindungen und soziale Nähe als Mechanismen geltend gemacht werden können. Der einzige Beleg für eine direkte Verbindung in der Frühphase, die Lehmziegelmauer auf der Heuneburg, regte keine eigene Bautradition an (Jung im Druck). Die Aufnahme der Kanne in das lokale Trinkservice, sowohl als Import als auch in lokaler keramischer Umsetzung der importierten Bronzeform (Mötsch 2008; Mötsch u.a. 2008: 22), kann mit dem Konsum von Wein in Zusammenhang gebracht werden (Pape 2000: 80). Wein wie auch die dazugehörigen Trinkgefäße ergänzten jedoch lediglich das lokale Spektrum, wie die Spuren von Met in dem

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Abb. 5: Importwege und Übereignungsarten.

Bronzekessel von Hochdorf zeigen (Körber-Grohne 1985; Dietler 1990: 382). Die Spätphase ist neben den weiterhin bestehenden kleinräumigen Zirkulationssystemen durch direkte Fernkontakte geprägt. Diese korrelieren mit der Herausbildung zentralörtlicher Strukturen und der Etablierung überregionaler Kontakte. Die Kontrolle scheint der lokalen Elite zu unterliegen. Der mit den überregionalen Kontakten verbundene gesellschaftliche Diskurs war daher eng mit der Elite verknüpft. Es ist möglich, dass diese den Diskurs steuerte, um die eigene Position aufzuwerten. Fremde Kulturelemente wurden in diesem Kontext eingesetzt, um eine Abgrenzung gegenüber den anderen Gesellschaftsschichten zu symbolisieren (Dietler 1990). Dennoch

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ist die Annahme einer „Mediterranisierung“ dieser Gesellschaftsschicht (Kimmig 1983: 19; Krauße 1996: 327) abzulehnen. Diese wurde vor allem für den Bereich der Speise­- und Trinksitten postuliert. Andeutungen auf eine Beeinflussung indigener Speise- und Trinksitten lassen sich durch das Auftreten von Bratspießen (Pare 1989: 442; Kohler 2000) und bestimmten Trinkgeschirrformen, wie Bronzegefäßen oder griechischer Feinkeramik, zwar fassen, und auch die Ergänzung des einheimischen Spektrums alkoholischer Getränke durch den Import von Wein könnte dazuzuzählen sein. Die Verwendung von importiertem Trinkoder Speisegeschirr lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass diese ursächlich für soziokulturelleVeränderungen gewesen wären.

Die Aufnahme mediterraner Kulturelemente technologischer Natur, wie die der schnelldrehenden Töpferscheibe, die die Produktion der graumonochromen riefenverzierten Ware anregte (Balzer 2006: 239-248), oder der Import von Koralle als Einlage für Fibeln, sind als Adaptionen streng genommen Akkulturationsphänomene auf der Ebene der materiellen Kultur. Die Übernahme der Fibel- oder der Dolchproduktion ist jedoch nicht das Ergebnis von Fernkontakten, sondern einer Diffusion über kleinräumige Zirkulationssysteme auf der Basis von engen persönlichen Kontakten. Anders verhält es sich bei der Produktion von Perlrandschalen und Kleeblattkannen, die aus Importen abzuleiten sind und echte Fremdformen darstellen. Der Import griechischer figürlich verzierter Keramik hat interessanterweise in der Hallstattzeit noch keinen Einfluss auf die Keramikproduktion. Aufnahme fand hingegen die südfranzösische graumonochrome Keramik, die ihrerseits ein Derivat der griechischen, phokäischen Keramik ist. Aus einem Kulturkontakt in diesem Bereich entstanden, stellt sie eine Adaption an die lokalen Gegebenheiten Südfrankreichs dar (Dietler 1997: 302-304). Mit den Fernkontakten scheinen keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Hallstattkultur verbunden gewesen zu sein, die eine Bezeichnung als Kulturwandel respektive Akkulturation rechtfertigen könnten. Das Problem, archäologische Befunde

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durch das moderne sozialwissenschaftliche Konzept der Akkulturation zu erklären, liegt jedoch auch in der Genese des Begriffes begründet. Ursprünglich entwickelt, um durch Kulturkontakt verursachte, bekannte Veränderungen moderner Gesellschaften im Zeitalter der Globalisierung zu beschreiben, ist der Begriff schwer mit dem vorwiegend an materiellen Hinterlassenschaften orientierten Kulturverständnis der Archäologie in Einklang zu bringen. Die vermeintliche Identifikation von Akkulturation im archäologischen Befund hat ihre Begründung in der Gleichsetzung des allgemeinen Kulturbegriffes mit materieller Kultur, sowie in der falschen Annahme, dass materiellen Kulturgütern stets ein gleichbleibender Bedeutungsgehalt zuzuschreiben sei. Aufgrund des prozessualen Charakters von Kultur, die einem ständigen Wandel und Austausch unter­liegt, stellt die Aufnahme fremder Kulturelemente einen Teil des allgemeinen Kulturwandels dar. Sie ist weder zielgerichtet, noch kann sie ein eigentliches Resultat haben. Es ist also nicht möglich festzustellen, dass eine Kultur zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte akkulturiert gewesen sei, da der Prozess kontinuierlich und graduell vonstatten geht. Die Aufnahme fremder Formen zeigt hier nicht ein bestimmtes Maß an Akkulturation an, sondern ist ein Spiegel der zeitgemäßen Bedürfnisse und Ausdrucksformen.

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Vernacular Celtic Writing Traditions in the East-Alpine Region in the Iron-Age Period?1 David Stifter

Abstract In previous scholarship, four inscriptions or groups of inscriptions are mentioned as proof for vernacular Celtic literacy in the East-Alpine region, i.e. modern Austria, during the La-Tène period or shortly afterwards: 1. the so-called ‘writing tablet’ from the Dürrnberg above Hallein (Salzburg), 2. the so-called ‘Noric’ inscriptions from the Magdalensberg (Carinthia), 3. the graffito on a tile fragment from the Frauenberg near Leibnitz (Styria), 4. the graffito on a tile fragment from Grafenstein (Carinthia). This article critically evaluates all four of them. The conclusion is that only the fourth contains genuine Celtic linguistic material. The others belong to different literary traditions or to different periods.

Zusammenfassung In der einschlägigen Forschung werden vier Inschriften oder Inschriftengruppen als Hinweis für einheimische, keltische Schriftlichkeit im Ostalpenraum, d.h. im auf dem Gebiet des heutige Österreichs, während der La Tène-Zeit oder kurz danach angeführt: 1. das sogenannte ‚Schreibtäfelchen’ vom Dürrnberg oberhalb Hallein (Salzburg), 2. die sogenannten ‚norischen’ Inschriften vom Magdalensberg (Kärnten), 3. die Ritzung auf einem Ziegelbruchstück vom Frauenberg bei Leibnitz (Steiermark), 4. die Ritzung auf einem Ziegelbruchstück von Grafenstein (Kärnten). In diesem Artikel werden alle vier kritisch gesichtet. Die Schlussfolgerung ist, dass nur der vierte Text echt keltisches Sprachmaterial enthält. Die anderen gehören anderen Schrifttraditionen oder anderen Epochen an.

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In the east-Alpine region, by which term is meant the area occupied by modern Austria, in the Iron-Age period before the Roman occupation (around 15 b.c.) two vernacular Schriftprovinzen can be found, i.e. areas with a local, non-Roman influenced writing tradition: one in the Tyrol, belonging linguistically to the Raetic language with a much larger area of extent in northern Italy (see Schumacher 2004: 190–193), the other one in the Gailtal of southern Carinthia, belonging to the Venetic language (Prosdocimi, Pellegrini 1967: 607– 628). The Venetic inscriptions (to which a few more pieces must be added, see below) are not the product of a native population group, but they belong to a class of traders from the south who had their emporium on the Gurina above the Gail. Both writing traditions used their own alphabets, derived from an early Etruscan alphabet. Both writing traditions are rather circumscribed and cover only a small area of the much wider east-Alpine region.The question arises whether that ethnic group which in the late Iron Age inhabited the most extensive part of Austria, i.e. Celtic people like the Noricans,Tauriscans or Boians, did have an Iron-Age writing tradition of its own? From the circum-Alpine periphery, there is ample evidence for writing by Celtic people. In northern Italy and southern Switzerland we have ca. 150 testimonies of the Lepontic language (Solinas 1995), written in the local Lugano alphabet, a variant of the northEtruscan script, covering the period from the 6th to the 1st century b.c., as well as a handful of Gaulish texts, also written in the Lugano script (Lejeune 1988: 1– 54). From Switzerland (cf. Stüber 2006) there is also the zinc tablet from Berne, Thormebodewald (L-106, Stüber 2005: 11–45), written in Greek letters with an admixture of Latin letter forms; the sword with the name Korisios in Greek letters on it, found in the river Zihl at Port near Biel; a glass bead with the appearance of Etruscoid letters on it from Münsingen-Rain (Gambari, Kaenel 2001); and a painted wall inscription from a Roman villa in Meikirch (Fuchs et al. 2004). The latter is from late antiquity, but the others conceivably all belong to the Iron Age. From Germany, two tile fragments are known from the oppidum of Manching, one bearing the name Boios in Greek or Roman letters, the other one containing a sequence of four letters of the Greek alphabet (Krämer 1982).

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More recently, a shard with the Latin letters TAR[ was discovered (Schubert 2002). From Slovenia stem two testimonies of possibly Celtic provenance, the inscription reading artebudz brogdui (or artebuvsbroxvui) from Ptuj (Eichner et al. 1994), and perhaps some of the names on the famous helmet A from Ženjak-Negau (Ia: siraku, Ic: duJniJanuaJi; Nedoma 2002: 57–58). Schumacher (2004: 329–331, 335), however, considers the possibility of a Raetic affiliation of those names. In addition to all that there is indirect evidence for writing in the form of styluses and writing tablets, excavated in the oppida of Berne (Switzerland), Manching (Bavaria), Závist, Staré Hradisko and the Hradišt near Stradonice (Czech Republic) (Zeidler 2003: 97). Leaving aside northern Italy, these stray pieces of evidence taken together do not attest to a continuous zone of literacy across Central Europe, but they raise the hopes for Celtic writing to be found also on the soil of modern Austria. In the scholarly literature devoted to ancient Celtic Austria, reference to three inscriptions and one group of inscriptions can be found that might support the notion of vernacular literacy: 1. the so-called ‘writing tablet’ from the Dürrnberg above Hallein (prov. Salzburg) 2. the so-called ‘Noric’ inscriptions from the Magdalensberg (prov. Carinthia) 3. the graffito on a tile fragment from the Frauenberg near Leibnitz (prov. Styria) 4. the graffito on a tile fragment from Grafenstein (prov. Carinthia) As a fifth class of inscriptions the Noric-Tauriscan and Boian coin legends might be added, but they are excluded here. The inscriptions on the coins do not necessarily attest of an independent tradition of writing, but can be interpreted as being part of the Venetic and Roman cultural and linguistic zones. In the following, I want to present all four texts. Each has its own problems of interpretation and analysis. In each case, research is still continuing.Therefore I am not in a position to present results of any kind, let alone interpretations of the contents. All I want to do is take stock of what inscription can be reliably attributed to a Celtic language, and to give an overview of the state of research.

1. The ‘Writing Tablet’ from the Dürrnberg I start with an extraordinary fragment of pottery that was discovered in spring 1982 during excavations in the Ramsautal at the Dürrnberg above Hallein, Salzburg (Moosleitner, Zeller 1982: 30; Zeller 1984: 62– 63, 77; Krämer 1984; Zeller 1988: 11). It is now kept in the archives of the Salzburg Museum in the town of Salzburg where it has the inventory nr. 673/82. It’s 6.5 × 5.5 × 1.5 cm large and of a light-brown colour. It bears very fine, almost fragile scratches that evoke the impression of an inscription (ill. 1).The scratches were made after the baking (pace L. Pauli in Krämer 1984: 294), apparently by someone with some experience in writing in baked clay. Despite several attempts noone had hitherto succeeded in reading the text (Meid 1996: 308–309, 319; 1998: 23). The excavators, Fritz Moosleitner and Kurt Zeller, suggested to read Greek letters, but they did not substantiate their claim. The object is remarkable in other respects, as well. Its light, ochre clay has no parallel among the dark-gray LaTène pottery that accompanied it in the same excavation sector. The excavators interpreted the medium of the inscription to be the fragment of a writing tablet, that is, an object that was covered on one side by a thin layer of wax into which letters could be inscribed with a pointed stylus. A clay object of this kind, however, has no parallel in the entire history of writing. I deem it more likely that the object is the fragment of a tile.

On the basis of the accompanying finds and because of the archaeological stratum the excavators assigned the object to the 4th or 3rd centuries b.c. This date, as well as the archaeological context and the place of discovery, Dürrnberg, are the sole reasons why this has been claimed to be a Celtic inscription. No textimmanent justification has been provided so far. The two crosses at the beginning and at the end, which are suggestive of a Christian background, seem hard to square with a pre-Christian date. In fact, it is likely that the inscription can be omitted from Celtic palaeography altogether. Following the suggestion that the inscription bears Greek letters, in November 2008 I showed an image of the fragment to a Greek epigrapher, Hans Taeuber from the University of Vienna. After more than twenty-five years, he was the first person who was able to recognise some letters on the tile. According to him, the script is late imperial Greek cursive.The two crosses could well be of Christian origin. At the moment, Taeuber’s readings are only tentative, pending a more detailed study not of a photograph, but of the real object. According to him, the first three letters can be read fairly securely as §g≈ ‘I’. The final portion could be §p¤. The letters in between are unclear. If Taeuber’s reading is correct, we are dealing with a late-antique object that by accident slipped into a La-Tène stratum. Bruno Reiterer, the conservator at the Salzburg Museum, told me that there were other such cases, even from much later periods. Since, however, chronologically misplaced objects had been of no interest to anyone, these had not been studied or mentioned in the literature. Kurt Zeller has raised the objection that Roman-age objects were absent almost altogether from the Dürrnberg. A late imperial Greek funeral (?) inscription would thus be fairly exotic. A thermoluminescence examination, which Kurt Zeller has announced for 2009, will hopefully resolve all open questions. 2. The So-called ‘Noric’ Inscriptions from the Magdalensberg

Ill. 1. The ‘writing tablet’ from the Dürrnberg (source: Moosleitner, Zeller 1982: 30).

The next item, the so-called ‘Noric’ inscriptions from the Magdalensberg in Carinthia, are the longest-known complex of possible Celtic literacy in Austria. During his excavation campaigns on the famous

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mountain in the 1950ies and 60ies, the archaeologist Rudolf Egger not only produced thousands of everyday graffiti in Latin script and language, but also a small number of inscriptions which he, who also tried to distinguish himself as an epigrapher, assigned to a separate, local alphabet. All material was published in the bi- or triannual excavation reports (Egger 1959, 1961, 1963, 1966, 1969), as well as in a few publications elsewhere (Egger 1968a, 1968b) and by colleagues or disciples (Moßler 1961, 1986; Hebert 1991). In several of these publications Egger explicitly called the script ‘Noric alphabet’. All specimens of the Noric script are highly suspect of being figments of Egger’s imagination. This suspicion is fed by several observations and considerations. Many of Egger’s alleged Noric letters simply belong to Latin. For example, the variant of the letter A with a slanting middle stroke (ill. 2) is common in Latin epigraphy. Egger never provided explanations for his analyses. I can only surmise that the reason why he regarded the fragmentary text ]FIK or ]EIK as Noric (ill. 3) must be sought in the use of the letter K which was rare in Latin. But rare doesn’t mean absent. K is encountered not infrequently among the Latin graffiti from the Magdalensberg, as in the monogramme of the trader Titus Kanius (Ill. 4) or in the company stamp of the Laekanii (Ill. 5). In a similarly arbitrary fashion Eggers sometimes read the letter that has the shape of St. Andrew’s cross as an abbreviation of the name Xanthus or as the numeral ‘10’, whereas he analysed it as Noric T when found on local pottery. It need not be stressed that a character like X need not always be a letter at all, but may be a mere non-literate marker. Often Egger’s interpretation of a letter as Noric went hand in hand with the type of medium on which it is found. Characters on imported pottery were assigned to Latin; characters on coarse local ware, especially on so-called Dreifussschalen ‘three-legged bowls’, were almost automatically regarded as Noric.

Ill. 2. ‘Noric’ A (source: Egger 1966: 465).

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Ill. 3. ‘Noric’ ?IK (source: Egger 1963: 100).

Ill. 4. Monogramme of Titus Kanius (source: H.Vetters, G. Piccottini (1986), Magdalensberg – Gra­bungsbericht (15). Die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg 1975 bis 1979, Klagenfurt: 249).

Ill. 5. Part of the company stamp of the Laekanii (source: Egger 1959: 139).

Practically all of Egger’s Noric inscriptions consist of single letters. For this fact alone the alarm should go off immediately. Inscriptions in alphabetic scripts typically consist of strings of letters, not of single graphic items. If we systematically find single signs on local ware, it is more appropriate to think of a marking, not a writing system – indeed this seems to be the current consensus (see, for example, Zabehlicky-Scheffenegger 1997: 130). These potters’ marks may be para-literate, that is to say, those artisans who attached these signs in imitation of writing systems of neighbouring cultures or even of certain classes within their own culture, were non-literate themselves.Thus it becomes clear why some of the signs can in no way be regarded as belonging to a writing system, but have to be classified as purely ornamental (e.g., nrs. 1–5, 25, 33 in ill. 6). Some of them are of a rather unspecific, universal, geometric nature (e.g., nrs. 11, 15, 26–29 in ill. 6). Some, however, have clear and undeniable parallels in letters of known alphabets, especially of the Venetic script (e.g., nrs. 17, 18, 24 in ill. 6). It may also be noted that

apart from the stray publications by Moßler 1986 and Hebert 1991 (which contain material that is dubious even by Egger’s standards) no more Noric inscriptions were found after Egger’s death. The methods of how to identify Noric inscriptions were apparently tied to a single person; it was not an objective method. There is only a single exception to the Noric singleletter-inscriptions. In July 1957, in regular excavations five pieces of a fragmentary terra-sigillata plate were discovered, containing graffiti that create the impression of two strings of letters (see ill. 7). The plate dates to the late Augustan period.The graffiti quite obviously contain no Latin letters. Immediately after the discovery Rudolf Egger and the excavators had agreed that the inscription was of vernacular, that is, Noric provenance. In order to enhance the legibility of the graffiti its lines were filled with a white paste, probably gypsum. Convinced of his ideas about local scripts of Noricum, in the following years Egger published two divergent readings and translations of the plate (Egger 1959: 135–139, 1968b). His interpretations are methodically so haphazard that it would be unjustified to discuss them here. For Egger it was a fact beyond dispute that he was working with an authentic inscription. For me it is not. There are three possible approaches to determine the authenticity of an inscription: one can ask persons who were present at the time whether they know of rumours, or more, about a fake. Or, one can apply scientific methods to find out if the object is a modern artifact. Or, one can try to position the graffiti in an epigraphic-palaeographic typology. Since all people who were involved in the excavations are long dead, the first possibility is eliminated. As for the second possibility, neither of the two methods suggested by Markus Scholz from the Römisch-Ger­ma­nisches Zentral­museum in Mainz looks promising for the present object. One would be to analyse the chemical structure of the soil remains in the scratches. By comparing the chemical ‘fingerprint’ with that of the soil at the alleged place of discovery it would be possible to say whether the inscription had indeed remained under earth. But since the object was thoroughly cleansed after the discovery and since the scratches were afterwards filled with a white paste, it is very unlikely that enough material (several grammes) could be accumu-

lated for an investigation.The other method is optically stimulated luminescence. Ideally, it would allow to assess whether the scratches and the surrounding surfaces had been exposed to different amounts of light. But the plate had been lying covered in earth for 1900 years. If the inscriptions are of a modern date, they must have been applied immediately after the discovery of the plate, in which case surface and scratches would have been exposed to an almost identical amount of light. I am still looking for further scientific methods that can be of help in this matter. There remains the palaeographic comparison. Studying the Magdalensberg plate from a palaeographic point of view very soon leads to the conclusion that – given our knowledge about writing systems in northern Italy and in the Mediterranean world – this inscription must be unauthentic.The inscription looks like clumsy, untrained scribbling, the shapes and the spaces between the letters are erratic, very much in contrast to the graffiti that are usually found on pottery. The presumed ‘letters’ of the inscription find parallels nowhere. It is long known that the alphabets and the shapes of the letters in the circum-Mediterranean world stand in precise genealogical relationships to each other. The scratchings on the Magdalensberg plate have no cognates anywhere. Furthermore, those ‘letters’ lack a local writing tradition. Even if Egger were right with his hypothesis of a Noric alphabet at the Magdalensberg, the ‘letters’ on the plate have nothing in common with all other so-called Noric inscriptions. There is only one conclusion that I can draw: somebody played a joke on Rudolf Egger. Already in the 1920s Egger had been the victim of a similar joke. Someone had planted a bone with a faked runic inscription on it (Egger 1927: 1–2). Only years later Egger reluctantly admitted its unauthenticity (Egger 1936: 88–89). Egger is part of a tradition in which faked inscriptions were a means of playing practical jokes on archaeologists. When surveying all so-called Noric inscriptions from the Magdalensberg the conclusion must be drawn that none of it stands up to a close investigation. The short inscriptions either belong to the Roman tradition or are potters’ marks. The only inscription with more than one letter, the Magdalensberg plate, is beset with so many oddities that its value is reduced to zero. I must

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Ill. 6. Potters’ marks from the Magdalensberg (source: Zabehlicky-Scheffenegger 1997: 131).

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.n.no.u. inVenetic letters (see also Kos 2004).3 The connection with the Noric king Voccio has to be dropped. In any case those early coins give evidence of the use of the Venetic script in Noricum at least in a limited sector of life. 3. The Tile from the Frauenberg

Ill. 7. Terra-sigillata plate from the Magdalensberg (source: D. Stifter).

state it clearly: the Noric script is a chimera of Rudolf Egger’s. Egger was too eager to discover a writing system of his own to be restrained by a sober assessment of what he was doing. As noted above, some of the potters’ marks show an untrivial resemblance to letters of the Venetic script. This allows some conclusions to be drawn about the cultural relationships in the pre-Roman period. It is long known that the Gurina in the Gailtal in southern Carinthia was a Venetic post north of the Carnic Alps for trading with the Alpine-Celtic peoples, a trading post much of the sort the Magdalensberg was for the Romans in a later period. As such, the Gurina was a focal point for cultural exchange between the ethnic groups. This cultural exchange found one expression in the Tauriscan-Noric coin emissions of the 2nd century b.c.2 But contrary to a widespread belief most of those coin legends that are termed ‘Venetic’ in publications by numismaticists or historians (like Göbl 1973) are of late date and are written in Roman letters; only the earliest emissions from the 2nd century b.c. made use of the Venetic script. One legend is of particular interest because it has been wrongly read so far. The coin with the inscription VOKK used to be identified with the Noric king Voccio, mentioned once by Julius Caesar (bell. Gall. 1, 53, 4). Up to the discovery of the Enemonzo hoard this identification provided the most important clue for the chronology of the Tauriscan-Noric coin production. However, an examination of the coin has revealed that it actually reads

This leads us directly to the third inscription that has been claimed for Celtic in Austria. The fragmentary graffito on a tile from the Frauenberg near Leibnitz in southern Styria has not been properly edited so far. It is not entirely clear when it was discovered, but it seems to have been found in a waste heap of the 2nd or 1st centuries b.c. during excavations in the 1990s. The inscription consists of the two Venetic letters ]a.u. that seem to form the end of a word (see ill. 8). The rest of the word is missing. The tile was on display 2008 at an exhibition about ‘Heiligtümer der Druiden. Opfer und Rituale bei den Kelten’ at the Museum für Urgeschichte in Asparn an der Zaya where it was presented as an example of the Celts’ use of writing for non-religious purposes. It is cursorily discussed and explained as a Celtic dative in the exhibition catalogue (Tiefengraber, Grill 2008: 96). This interpretation, for which Patrizia de Bernardo Stempel and Reinhold Wedenig

Ill. 8. Tile fragment from the Frauenberg (source: Tiefengraber, Grill 2008: 96).

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4. The Grafenstein Tile

Ill. 9. Tile fragment from Grafenstein (source: Glaser 1991).

are ultimately responsible (ibid. 101), is then used to analyse the whole text as dedicatory. All of these conclusions are too far-reaching. Unfortunately, the catalogue does not explain by which criteria the two letters were assigned to a Celtic language in the first place. The only thing that is fairly certain is that the two letters belong to the Venetic alphabet. The most natural conclusion must be that an inscription in Venetic letters that was found not very far away from the Venetic-speaking area contains a text in the Venetic language. All other assumptions are admissable only if there are cogent reasons to think otherwise. However, this is not the case here. Therefore this short text cannot be regarded as Celtic, but it has to be added to the corpus of Venetic.4

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The final item is the inscribed tile fragment from Grafenstein near Klagen­furt in Carinthia. The object, which is appr. 27,5 × 13,5 × 3,4 cm large, was discovered 1977 accidentally while digging out a gravel pit. The tile itself has not been dated, but a grave and various Roman objects associated with the find belong to the 2nd century a.d. Nothing in the inscription militates against such a date.The tile is kept at the Landesmuseum Kärnten without inventory number. The letters, which were encarved before baking, are of a moderate Roman cursive variant (see ill. 9). They are generally well readable, except for a few sections where the medium itself has been interfered with or is damaged. The inscription has been edited three times so far (Glaser 1991, Lambert 2002: 243–244 = L-95, Stifter 2003).All three editions, including my own, are wrong. Franz Glaser, the archaeologist responsible for the find, lacked the linguistic expertise, Pierre-Yves Lambert and I made our editions only on the basis of photographs and a drawing by Glaser. Nevertheless the text, in particular the phrase ollo so, has evoked some interest among historical linguists (Watkins 1999, Katz 2001, De Bernardo Stempel 2003). Only two years later did I find the opportunity to study the object with my own eyes. This allowed me to correct several misreadings in the previous editions.With a few questions still unsolved (especially the second word of the third line), the following provisional text can be given: MOGII · IIS[ P· II- LAV · IIX[ NII . · SA D . NIIS[ . OLLO · SO · VILO[ ON . A. C[…] OLLO · SO · 7- [ P L VGN V. · SI . All sequences of II are probably to be read as E, except for II- in the second line, which is the Roman numeral ‘2 1/12’, preceded by P = pondo ‘having the weight of ’. This phrase is Latin. Nevertheless, the inscriptions contains some undoubtedly Celtic elements

that make it the only authentic Celtic inscription of the four studied in this article. Moge at the beginning is probably to be connected with the Celtic name Mogetius. Likewise, Lugnu and si are possibly Celtic. Most clearly Celtic is the twice repeated phrase ollo so, probably ‘all that’. One best thinks of a receipt or a delivery note or something similar, perhaps for use in a pottery. Finding the vernacular language used in such a context in the 2nd century a.d. is remarkable. All of the foregoing are preliminary results. In the near future I will publish much more detailed studies on each of the inscriptions presented here. In summary

it can be said that at the moment there is no conclusive evidence that there existed in the east-Alpine region, i.e. in and around the Noric kingdom, a pre-Roman tradition of writing. The Venetic script was known in the 2nd century b.c., and the Roman script a little later, but we find it only applied in the production of coins. This is no evidence for a fully developed writing tradition, since the use of letters on coins could have been imported with foreign mintmasters. The only inscription with an undoubted Celtic-language portion, the tile fragment from Grafenstein, belongs to the Roman provincial period and to a Romanised cultural world.

Ill. 10. The places mentioned in the article (source: Raimund Karl).

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Notes: 1 Work on this paper was undertaken within the FWF-funded project P20755-G03 ‘Die altkeltischen Sprachreste in Öster­ reich’ (The Old-Celtic Language Remains of Austria). This work was awarded the 2008 prize of the ‘Burgenlandstif­tung Theodor Kery’ (http://www.kerystiftung.at/). 2 Because of the influential works of Göbl (1973, 1994) it was long assumed that the local Celtic coin production was confined to the period from ca. 70–30 b.c. Doubts about this relatively short period were expressed already during the 1990s, but only the discovery of the hoard from Enemonzo (Gorini 2005) has made it clear that the Tauriscans and Noricans started issuing money almost a century earlier than hitherto thought. 3 The interpretation of .n.no.u. is difficult. I suspect that it is an error (?) for the popular Venetic name Enno, perhaps with a ‘Celticising’ ending. Compare this with the coin legend .e.n.no. on the imitation of a Nike stater in Paris, Bi­bliothèque Nationale, Cat. nr. 9474. 4 Other texts that must be added to the Venetic corpus: the Noric-Tauriscan coin legends t, ves, .n.no.u., and possibly kr and ekr, the coin legend .e.n.no from Paris, and possibly an unedited inscription on a stylus from the Naturhistorisches Museum Wien (Jablonka 2001: 356).

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von C. Eibner und Leskovar) Die bekannte lange Tradition der Nutzung einzelner schriftähnlicher Zeichen z.B. auf Gefäßböden wird als Markierung (der Besitzer, der Hersteller, etc.) betrachtet. Diese wurden bereits ausführlich bearbeitet (Zeidler), hier aber nicht weiter beachtet, weil der Forschungsschwerpunkt nicht Einzelzeichen sondern Schrift (also sinnvoll kombinierte Zeichen) ist. Die Punkte innerhalb der venetischen Inschriften sind Teil der Silbenmarkierung der venetischen Orthographie (sie bezeichnen eine Art Ausnahmen in der Silbenstruktur). Um mögliche Fälschungen unter den Inschriften-Funden herauszufiltern, könnte mittels CT der Verwitterungsgrad untersucht werden (u.a. die Fachhochschule in Wels beschäftigt sich mit derartigen Analysen).

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Die Konstruktion von Chronologien John R. Collis1

Zusammenfassung Die chronologischen Systeme von Paul Reinecke und Joseph Déchelette haben die Erforschung der Eisenzeit das letzte Jahrhundert hindurch dominiert. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass ihre Methoden nicht meht dazu ausreichen, die verfeinerten Chronologien zu konstruieren, die wir heute benötigen und dass die von ihnen entwickelte Nomenklatur am zusammenbrechen ist. Es ist daher nun an der Zeit, sowohl ihre Methoden als auch ihre Nomenklatur zu überdenken. Statt mit dem von Reinecke und Déchelette gewählten Ansatz, sich auf Perioden, Phasen oder Stufen zu konzentrieren, die durch Leittypen charakterisiert werden, wird vorgeschlagen, das Konzept des Horizontes zu verwenden. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Horizont und der Periode ist, dass der Horizont nur einen Beginn, aber kein Ende hat, wenigstens was die Deponierung von Artefakten betrifft und daher das Auftreten eines Attributs auf einem Artefakt, oder von einem Artefakt in einem bestimmten Kontext, einen /terminus post quem/ bestimmt. Auch wird vorgeschlagen, sich auf einzelne Attribute statt auf Leittypen zu konzentrieren. Ein Attribut ist das kleinste beobachtbare Merkmal an einem Objekt, und jedes Objekt wird durch eine große Anzahl von Attributen charakterisiert, von denen jedes einzelne chronologisch signifikant sein kann, oder auch nicht. Dadurch sollte es möglich sein, unsere Chronologien maßgeblich zu verfeinern. Es wird ebenfalls argumentiert dass Chronologien für verschiedene Kontexte entwickelt werden müssen, von der einzelnen Fundstelle über kleinregionale und regionale Chronologien, die durch ein universelles Chronologiegerüst und eine universelle Nomenklatur verbunden werden können. Ein solches neues, universelles Chronologiegerüst samt zugehöriger Nomenklatur für die Latènezeit, aufbauend auf der Schweizer Fibelsequenz, wird entwickelt und mehrere Beispiele für regionale und lokale Chronologien, die mittels dieser universellen Chronologie und Nomenklatur verbunden werden können, werden vorgestellt. Die hier vorgeschlagenen Prinzipien und Methoden stellen eine signifikante Abwendung von den üblichen Methoden der Chronologieerstellung dar, gehen aber auf eine lange Tradition in der Eisenzeitforschung zurück, beginnend mit Tischler und besonders bereits von Hodson in seinen Studien der Gräberfelder von Münsingen und Hallstatt verwendet. Während Hodsons Studien fundstellenspezifisch waren versuche ich jedoch nun, diese Prinzipien auf die Erstellung einer universellen Nomenklatur auszuweiten, statt die beobachteten Horizonte mit den Stufen der Systeme von Reinecke und Déchelette zu korrellieren zu versuchen. Es wird argumentiert, dass viele der Probleme in der Erstellung von Chronologien durch einen auf Horizonten aufbauenden Ansatz leichter gelöst werden können als mit den herkömmlichen Ansätzen.

1 Übersetzt aus dem Englischen von R. Karl.

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Abstract For the last century, the chronological systems of Paul Reinecke and Joseph Déchelette have dominated Iron Age studies. In this paper, it is argued that their methodologies are no longer suitable for the refined chronologies we now require, and that their nomenclature has now started to collapse. It is now time for a major rethink of both.Rather than continuing with the approach chosen by Reinecke and Déchelette to focus on periods, phases or stages defined by type fossils, it is proposed to replace these with horizons. The major difference between a horizon and a period is that the horizon only has a beginning and no end, at least for the deposition of artefacts, and so the appearance of an attribute on an artefact, or of an artefact in a specific context, will mark a /terminus post quem/. Also, rather than defining type fossils, it is suggested to instead focus on single attributes.The attribute is the smallest recognisable feature of an object, and each object possesses a large number of attributes which may or may not be chronologically significant.This, it is suggested, will allow to significantly refine our chronologies. It is also argued that chronologies have to be developed for different contexts, starting at the individual site, over micro-regional and regional chronologies, which should be liked by a universal system and nomenclature. Such a new universal chronological system and nomenclature for the La Tène period, based on the Swiss brooch sequence, is proposed, and several examples for regional and local chronologies that could be linked by this universal system are presented. The principles and methodology presented here are a significant departure from the normal methods of constructing chronologies, but they do have a long history in Iron Age studies, starting with Tischler, and especially employed by Hodson in his studies of Münsingen and Hallstatt. Where Hodson’s studies were site specific, I am trying to extend the principles to the universal nomenclature rather than correlate the horizons with the phases as defined under the Reinecke or Déchelette systems. It is argued that many of the problems of constructing chronologies may be more easily resolved with a horizon approach.

Es ist ungefähr ein Jahrhundert vergangen, seitdem die Chronologiesysteme, welche die Erforschung der Eisenzeit im 20. Jahrhundert dominiert haben, erstmals erstellt wurden, jenes von Paul Reinecke (Hallstatt C, D, La Tène A, B, C, D; Reinecke 1963) und jenes von Joseph Déchelette (Hallstatt I, II, La Tène I, II, III; Déchelette 1914). In einem kürzlich erschienen Beitrag (Collis 2008) habe ich argumentiert, dass deren Methodologien für die verfeinerten Chronologien, die wir heutzutage benötigen, nicht mehr geeignet sind; und dass die Nomenklatur, die fortlaufend verfeinert und umdefiniert wurde, am Zusammenbrechen ist, weil die gleichen Termini für die Definition fundamental unterschiedlicher Perioden und Materialien verwendet werden (Kaenel 2008). Es ist daher an der Zeit, unsere Methoden und Nomenklatur grund-

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legend zu überdenken, und dieser Artikel stellt einen Versuch dar, dies zu untersuchen und neue Ideen zur Anwendung zu bringen. 1. Eine kurze Geschichte der Chronologie­ forschung Sowohl Reinecke als auch Déchelette wandten die selben grundlegenden Methoden an, nämlich die Bestimmung verschiedener Leittypen, die dann den verschiedenen archäologischen Perioden in der gleichen Weise zugeordnet werden konnten, wie Geologen mit der Zuordnung von Fossilien zu spezifischen geologischen Schichten und Epochen verfuhren (Abb. 1). Die Leittypen wurden durch ihre belegten Vergesellschaftungen miteinander verknüpft, entweder durch ge-

Abb. 1: Leittypen des Latène I nach Déchelette (1914).

schlossene Funde, wie zum Beispiel die Beigaben in einem Grab, oder weniger stringent als die Fundvergesellschaftung auf Fundstellen mit begrenzter Nutzungsdauer (z.B. Oppidum von Mont Beuvray); diese Verwendung von Fundvergesellschaftungen war die hauptsächliche Methode, mit der von der Mitte des 19. Jahrhunderts an die frühesten Chronologien von Johannes Worsaae und seinen Zeitgenossen erstellt wurden (Gräslund 1987). Die relative Datierung dieser verschiedenen Gruppen bzw. Fundvergesellschaftungen konnte durch das technologische Niveau erreicht

werden, das sich in ihnen zeigte, beispielsweise durch Christian Thomsens Einteilung in Stein-, Bronze- und Eisenzeit (1836; 1848). In der Numismatik war die Verwendung von Münztypen bereits gut etabliert, was zur Verwendung ähnlicher Klassifizierungsschemata durch numismatisch gebildete Prähistoriker wie Hans Hildebrand führte, und bereits 1849 hatte John Evans ein Diagramm publiziert, das die Evolution („Degeneration“) britischer eisenzeitlicher Münzen zeigte, die von den Stateren Philipps von Makedonien abgeleitet waren. Daher wurde die Typologie bereits sehr

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Abb. 2: Definitionen des Früh-, Mittel- und Spätlatène nach Tischler (1885). Früh- und Spätlatèneschwerter wurden im Original umgekehrt abgebildet.

früh auf zwei verschiedene Arten genutzt: einerseits für die Klassifizierung von Artefakten und andererseits für die Darstellung einer chronologischen Entwicklung der Typen. In Skandinavien und Großbritannien wurde eine Reihe von Studien verfasst (z.B. Evans 1885; Montelius 1884; 1896), die die Evolution von Artefakten mit der von Darwin beschriebenen biologischen Evolution verglichen. Die typologische Methode wurde besonders mit Oscar Montelius assoziiert, der sie in Verbindung mit Kulturkontaktdatierungen

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zur Erstellung einer Bronzezeitchronologie für Europa nutzte, die letztendlich auf schriftlichen Nachrichten aus Ägypten aufbaute (e.g. Montelius 1903). Ein anderer Ansatz wurde hingegen von Otto Tischler verfolgt, der eine einzelne Variable in der Fibeltypologie dazu verwendete, um seinen Früh-, Mittel- und Spätlatènehorizont zu definieren (1885), und zwar darauf aufbauend, ob der Fuß der Fibel freistehend, an den Bügel anmontiert oder an den Bügel angegossen war (Abb. 2).

Abb. 3: Filips „Duxer Horizont”: Teil des Hortfundes aus Duchcov, Nordböhmen (nach Filip 1956: fig. 26).

Spätere Entwicklungen im 20. Jahrhundert führten zu einer zunehmenden Verfeinerung dieser Phasen. Zu den frühesten diesbezüglichen Arbeiten gehörten jene von Jakob Wiedmer-Stern (1908) und David Viollier (1916), aufbauend auf dem Gräberfeld von Münsingen bei Bern. Diese basierten in erster Linie auf der horizontalen Stratigraphie in diesem Gräberfeld; im Fall von Viollier führte dies zu einer Unterteilung des Systems von Déchelette, Ia, Ib und Ic, beruhend auf der Verzierung des Fibelfusses und der Bügelform. Aufgrund der Vergesellschaftung mit diesen Fibeln in den Gräbern konnten auch andere Fundgegenstände wie

gebogene silberne Fingerringe diesen Unterphasen zugeordnet und so die Menge der Leittypen erweitert werden. Dadurch ergab sich auch eine Ausweitung der geographischen Reichweite der Nomenklatur, von Großbritannien bis nach Rumänien. Es gab mit dieser weiterreichenden Verwendung jedoch auch Probleme. In Großbritannien sind zum Beispiel Grabfunde selten, und in Südbritannien sind die hauptsächlich anfallenden Funde Siedlungskeramik mit sehr kleinräumig verbreiteten, lokalen Charakteristika, die nur schwer oder überhaupt nicht mit kontinentalen Formen parallelisiert werden können

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Abb. 4: Filips „gedellter Eisengürtelhakenhorizont” und „lange Fibel mit anmontiertem Fuß-Horizont”. Grab 9, Kobylnice, Moravia (nach Filip 1956: fig. 37).

(z.B. „saucepan pots“), während Funde, die mit kontinentalen Artefakten vergleichbar sind, die Ausnahme darstellen. Nach einer Periode in der versucht wurde, die kontinentale Nomenklatur zu übernehmen (e.g. Smith 1925; Hawkes et al. 1930), führte Christopher Hawkes (1931, 1960) eine lokale Nomenklatur für Großbritannien ein, die auf einer Folge angenommener kontinentaler kultureller Einflüsse aufbaute: Iron Age A (Hallstatt); Iron Age B (Frühlatène, „Marnian“) und Iron Age C (Späteisenzeit, „Belgic“). Aber auch in Schlüsselzonen Mitteleuropas können bestimmte Leitfunde selten oder sogar unbekannt sein. In einem bahnbrechenden Artikel zeigten R. Giessler und Georg Kraft (1940) dass die elaborat verzierten Fibeln, die im nördlichen Bayern gefunden wurden (Maskenfibeln), ungefähr zeitgleich mit den weit einfacheren „Marzabotto“-Fibeln waren, die weiter südlich auf Fundstellen wie Münsingen auftraten. Die Nomenklatur Déchelettes, die in der Schweiz, Frankreich und Großbritannien verwendet wurde, und das System Reineckes, das in Deutschland und Mitteleuropa verwendet wurde, ließen sich grob miteinander

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in Einklang bringen: A/Ia; B1/Ib; B2/Ic; C1/IIa; C2/ IIb; D/III; in jüngster Zeit ist das System Reineckes sogar in Frankreich in der Eisenzeitforschung dominant geworden. Ein alternativer chronologischer Ansatz wurde in der Eisenzeitforschung durch Jan Filips Studie zur Latènezeit in Mitteleuropa eingeführt (Filip 1956; 1960), der in erster Linie auf den früh- und mittellatènezeitlichen Flachgräberfeldern in Böhmen, Mähren und der Slowakei beruhte. Dieser Ansatz war charakterisiert durch das Konzept des „Horizonts“, gekennzeichnet durch das Auftreten bestimmter Artefakttypen. Filip unterschied zwei Horizonte in seinem Material, einen älteren, den „Horizont Dux“, der durch einen den Hortfund von Duchcov in Nordböhmen dominierenden Fibeltyp, die „Duxer Fibel“ charakterisiert wurde, der durch einen langen, flachen Bügel und einen freistehenden Fuss charakterisiert wird, welcher in einem spitzen Winkel in Richtung des Bügels zurückgebogen ist und ein „vasenförmiges“ Ende aufweist (Abb. 3). Filips zweiter Horizont wurde hingegen durch den aus Eisen gefertigten „gedellten Gürtelhaken” be-

stimmt (Abb. 4), der in Waffengräbern auftritt; dieser kennzeichnet ungefähr den Beginn des Mittellatène (La Tène C1). Andere Artefakttypen wurden mit diesen Leitfunden verbunden, wodurch die Nomenklatur auf solche Gräber ausgedehnt werden konnte, in denen die Leitfunde selbst nicht enthalten waren. Die bekannteste Anwendung des Konzepts des Horizonts ist die von Rolf Hachmann, der damit die Einführung neuer, aus Mitteleuropa stammender Artefakttypen in der frühen und mittleren Bronzezeit Skandinaviens beschrieb, nämlich seine „Hortfundhorizonte“ (Hachmann 1957). Aber auch Hawkes’ A, B, C für Britannien ist eine Serie von Horizonten (auch wenn er selbst diesen Begriff nicht verwendete), ebenso wie Jacobsthals Stile der Latènekunst, sein Früher Stil, Waldalgesheim Stil, Plastischer Stil und Schwertstil (Jacobsthal 1944). Die Art, wie diese Autoren das Konzept des Horizonts verwendeten, ist durch eine Reihe von Eigenschaften gekennzeichnet. Der Ansatz ist zuerst einmal diffusionistisch: Ideen werden von außen eingebracht und bestimmen so den Beginn eines neuen Horizontes. Für Filip und ihm nachfolgende Autoren zeigte der Duxer Horizont die Ankunft von Kelten in Mitteleuropa im frühen 4. Jh. v. Chr. an, welche die „Latènekultur“ einführten. Für Hawkes zeigte der Horizont die Einwanderung neuer Siedler von jenseits des Ärmelkanals an; nach seiner ursprünglichen Dreiteilung schlug er eine Reihe von Untergruppen vor, um neue Ideen zu erklären, die von verschiedenen Ursprungspunkten in Westeuropa nach Britannien eingeführt wurden, z.B. das Auftreten von stempelverzierter Keramik, für die er eine Herkunft entlang der Atlantikküste irgendwo in Frankreich oder auf der iberischen Halbinsel suchte. Zweitens ist bedeutend, dass Horizonte nicht unbedingt eine chronologische Abfolge darstellen, sondern zwei oder mehrere Horizonte gleichzeitig nebeneinander bestehen können. Daher waren für Jacobstahl der Schwert- und der plastische Stil ungefähr zeitgleich, aber charakteristisch für verschiedene Artefakttypen: eine Gruppe bestehend aus Schwertscheiden und Lanzen mit eingravierter Verzierung, und eine zweite Gruppe aus dreidimensionalen Objekten wie Arm- und Fussringe, Pferdegeschirr und Wagenteile. Für Hawkes bedeutete die Ankuft von ‘Iron Age B’-

Abb. 5: Die Chronologie von Radovesice, Böhmen, nach Waldhauser (1993).

Einwanderern nicht die Ausrottung der Nachfahren seiner ‘Iron Age A’-Einwanderer, und gleichermaßen vertrieb auch nicht die Ankunft der Belgae in Südostbritannien viele der früheren Einwohner in Britannien. Die früheren Ankömmlinge verschwanden an manchen Orten (wurden vertrieben oder absorbiert), oder erzeugten eine Hybridkultur (AB), oder überlebten einfach in peripheren Regionen, sodass alle drei Kulturgruppen nebeneinander bestehen konnten.Tatsächlich nahm er sogar an, dass seine Iron Age A-Kultur in peripheren Regionen wie den Pennines und den Hochlandregionen von Schottland und Wales bis zur römischen Eroberung überlebte. Ein drittes Element des Horizont-Modells war die Vorstellung, dass eine gewisse Zeitverzögerung zwischen dem ersten Auftreten eines Artefakts in einer innovativen Region wie z.B. der Champagne-Marne Region in Nordfrankreich und seinem ersten Auftreten in einer „peripheren“ Region vorauszusetzen sei.

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Abb. 6: Das Auftreten verschiedener Stile auf Grabsteinen aus New England (Dethlefson, Deetz 1966).

Am extremsten war dies im Fall von Großbritannien, für das Hawkes eine Verzögerung von mehreren Jahrhunderten annahm und daher die Ankunft von hallstättischen Elementen erst um 550 v. Chr. und von Latène um 300-250 v. Chr. ansetzte. Ähnliche Vorstellungen von Diffusion und zeitverzögerter Übernahme, wenn auch nicht so explizit ausgedrückt, wurden auch auf Mittel- und Südwestfrankreich angewendet (Guichard 1986; Boudet 1990).Wie ich zu zeigen versucht habe (Collis 1986; 2003/2006) sind diese Interpretationen nicht länger haltbar. Sie sind verfälscht

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durch die relative Menge von Grabfunden und damit verbunden den Reichtum an Metallfunden in bestimmten Regionen. Diese Vorstellungen haben jedoch immer noch Nachwirkungen für allgemeinere Interpretationen, sowohl in der populären als auch der Fachliteratur, zum Beispiel in Bezug auf die Frage nach der „Herkunft und Ausbreitung der Kelten“ (Collis 2003; 2006). Der Ansatz der Horizonte erfreute sich besonders unter tschechischen Archäologen großer Beliebtheit, beispielsweise in den durch neue Keramikformen gekennzeichneten Horizonten in der Siedlung von Radovesice (Abb. 5; Waldhauser 1993), und wurde auch von Hodson für seine Untersuchung des Gräberfelds von Münsingen verwendet (1968). Ein dritter Ansatz für die Konstruktion von Chronologien ist die „Seriation“, die auf der Annahme beruht, dass jedes Attribut, jeder Artefakttyp und jedes kulturelle Phänomen wie z.B. ein bestimmter Bestattungsritus seinen eigenen Entwicklungszyklus durchlaufen wird, der unabhängig vom Entwicklungszyklus anderer Elemente sein kann. Symbolisiert wird das oftmals durch die Metapher der „Geburt“, wenn ein neues Element das erste Mal auftritt, der „Reife“, wenn es zur Norm geworden ist, und dem „Tod“, wenn es wieder aus dem Befund verschwindet. Klarerweise werden einige Ideen schon unmittelbar nach ihrer Geburt umgebracht – sie werden nicht angenommen, und sind daher nicht nützlich für chronologische Zwecke. Stellt man die Häufigkeit dieser Elemente über die Zeit hinweg graphisch dar, erzeugt das die sogenannten „Häufigkeitskurven“. Dieser Ansatz hat eine lange Geschichte (er lag implizit einigen der frühen skandinavischen Studien zugrunde), aber wurde zum ersten Mal formal durch Flinders Petrie in seiner Studie des ägyptischen Gräberfelds von Naqada entwickelt (Petrie 1899). Eines der besten Beispiele für die Verwendung dieser Methode ist die Studie von Dethlefsen und Deetz (1966) zum Stil der Grabsteine in Friedhöfen des 18. und 19. Jahrhunderts in New England (Abb. 6); dabei wird angenommen, dass das Datum des Todes vom Datum der Errichtung des Gedenksteins nicht stark abweicht, wodurch sich eine solide Chronologie für die Datierung bestimmter Moden ergibt. In der Eisenzeitforschung ist das klassische Beispiel für die Verwendung der Seriation die Studie von Roy Hodson zum Gräberfeld von Münsingen (1968). Er

Abb. 7: Leittypen aus Münsingen nach Hodson (1968).

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definierte zu diesem Zweck zuerst verschiedene Artefakttypen (Abb. 7) wie Fibeln, Armringe, etc., oder verschiedene Modeerscheinungen (das Auftreten von Halsringen in Frauengräbern). Diese wurden dann auf Basis ihrer gegenseitigen Vergesellschaftung in den reicheren Gräbern in eine chronologische Sequenz gebracht. Manche Typen erwiesen sich dabei als chronologisch sehr empfindlich, andere hingegen weniger. Die graphische Darstellung der Artefakttypen in den verschiedenen Gräbern zeigte eine allgemeine Abb. 8: Teil der Seriation der GräKontinuität ohne klaber aus Münsingen, nach Hodson re Unterbrechungen (1968). in der Deponierung und der Benutzung des Gräberfeldes (Abb. 8). Das Problem, vor dem Hodson damit stand, war die Entwicklung einer Nomenklatur, die er durch die Definierung von Horizonten erreichte (A bis V), auf Basis von Gräbergruppen, in denen sich eine signifikante Veränderung im Vergleich zu früheren Gruppen zeigte; diese Horizonte wurden anschliessend mit der Déchelette/Viollier Nomenklatur korreliert (Abb. 9). Die Feingliederung mag dabei nur für die Region von Bedeutung sein (z.B. überlebt die Halsringmode in anderen Regionen länger), ja könnte sogar nur für das Gräberfeld selbst von Relevanz sein. Die Seriation ist inzwischen als eine der Standardmethoden für die Konstruktion von Eisenzeitchronologien angenommen worden, insbesondere für die Untersuchung von Gräberfeldern (z.B. Demoule 1999).

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2. Gegenwärtige Probleme Der Trend der letzten ca. 30-40 Jahre war die Entwicklung von immer feineren regionalen Chronologien auf der Basis von Gräberfeldern, wo diese vorkommen, aber zunehmend auch auf Basis von Siedlungsbefunden wie in Böhmen (z.B.Waldhauser 1993), in der Auvergne (Mennessier-Jouannet 1999; 2000; 2001; 2002; 2003a) und im südlichen Britannien (Cunliffe 1974; 2005). Diese Entwicklung hat zu einer Reihe neuer Probleme geführt. Erstens bauen Chronologien auf Basis von Siedlungsbefunden unvermeidlich auf den Keramikfunden auf, die weit variabler und stärker regional unterschiedlich als Metallfunde sind. Auch sind die Deponierungsprozesse weitaus komplexer, mit – wenigstens in manchen Fällen – beabsichtigter und selektiver Deponierung (z.B. Hill 1995; Poole 1995), aber auch durch die langdauernde Wiederverwendung und Umlagerung von Siedlungsabfällen, beispielsweise durch Misthaufen, von primären in sekundäre Ablagerungszonen. Das Bruch- und Ablagerungsverhalten von Feinkeramik unterscheidet sich ebenfalls sehr deutlich von dem von z.B. Speicher- oder Kochgefässen, und es gibt ein hohes Verfälschungspotential aufgrund solcher Faktoren wie der Art der Tätigkeiten, die auf einer Fundstelle ausgeübt wurden, der auf der Fundstelle ausgeübten Wirtschaft, ihrem Zugang zu Handelswegen und Produktionszentren, und dem sozialen Status ihrer Bewohner. Auch die Fundaufnahmestrategien der Ausgräber können einen bedeutenden Einfluss haben, z.B. durch eine Konzentration auf den Kernbereich einer Siedlung bei vergleichweiser Vernachlässigung ihrer Randzonen, in denen unterschiedliche Arten der Deponierung von Funden stattfinden können. Auch Funddurchmischung durch natürliche Prozesse kann ein größeres Problem sein, wie jüngere Studien gezeigt haben (z.B. Gosden 1984; Lock 1995; Pierpoint i.V.), und unsere Methoden müssen erst an solche Probleme angepasst werden um effektiv sein zu können. In Danebury wurden keramische Phasen vor Beginn der Ausgrabungen definiert (Cunliffe 1974), oft auf Basis unverlässlicher Daten von einer Reihe von Fundstellen in Wessex (Cunliffe 1974; 2005); Keramikfunde wurden in weiterer Folge diesen Phasen zugeordnet und somit zur Datierung der Befunde herangezogen. Gary Lock, der für die Bearbeitung verantwortlich

Abb. 9: Die Chronologie von Münsingen nach Hodson (1968) und ihre Korrelation mit traditionellen Chronologien.

war, hat in einer offenen Kritik der Ergebnisse angedeutet, dass bis zu 60% der Befunde auf der Fundstelle falsch datiert worden sein könnten (Lock 1995: 284), während die Keramikspezialistin Lisa Brown bezweifelt hat, dass die Keramikphasen 4 und 5 unterschieden werden können (1995). Die Gründe für das

Versagen, trotz etwa 30 Jahren Forschung eine detaillierte Chronologie zu erstellen, sind unterschiedlich: das Problem verlagerten Materials; ein Versagen zwischen den besser stratifizierten, tieferliegenden Verfüllungsschichten und den oftmals durchmischten und gestörten höheren Verfüllungsschichten von Gruben

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zu unterscheiden (vgl. Pierpoints Untersuchung in Owslebury); das Unterlassen ein System einzuplanen, dass die regelmäßige Überprüfung der vorweg definierten Phasen und gegebenenfalls ihre Restrukturierung gestattet hätte; die Komplexität der Datenbasis, mit Keramik die aus einer Reihe verschiedener Produktionszentren stammt; der geringe Fundanfall in einigen der Befunde; und die Beschränkungen, die das Konzept der „Phase“ der Erstellung einer Feinchronologie auferlegt. Die Häufung verschiedener regionaler Chronologien hat auch zu einer Verwirrung in Bezug auf die Nomenklatur geführt, wie Gilbert Kaenel (2008) gezeigt hat: Latène D1a wird in Manching durch das Auftreten der Nauheimer Fibel definiert, während es in der Schweiz durch das Auftreten einer eisernen Fibel in Spätlatènekonstruktion bestimmt wird und die Nauheimer Fibel erst später auftritt (Abb. 10). Diese auffällige Diskrepanz ist jedoch nur die Spitze eines Eisbergs zahlreicher solcher Abweichungen; Latène D2a in der Auvergne wird durch andere Kriterien als am Mont Beuvray bestimmt, und, wie mir Sabine Rieckhoff mitgeteilt hat, basiert die Datierung und chronologische Ansprache des großen Hauses Parc aux Chevaux 1 (PC1) mehr auf der Stratigraphie als der Typologie der Fundgegenstände (Paunier und Luginbühl 2004). Date 150 120 80 50

Miron et al. C2 D1a D1b D2a D2b

Krämer / Fischer et al. C2 D1a D1b

Abb. 10: Alternative Terminologien für die Chronologie der Spätlatènezeit auf Basis des Moseltals (Miron et al.) und Bayerns (Krämer, Fischer), nach Kaenel (2008).

In der französischen und deutschen Archäologie gibt es die Tendenz, eine Überblickstafel über die in jeder bestimmten Phase gefundenen Artefakte zu erstellen. Dabei werden diese Phasen oft als „Etappen“ oder „Stufen“ angesprochen, was einen evolutionären Prozess von der einen zur nächsten Stufe impliziert, im

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Gegensatz zum Begriff „Phase“ selbst, in dem dieser evolutionäre Prozess weniger offensichtlich impliziert ist. Es fehlt jedoch eine klare Methode, mittels derer die Stufen in verschiedenen Regionen miteinander verbunden werden können, und insbesondere wie diese in ein beliebiges universelles System eingebunden werden können, das mit jeder neuen regionalen Studie umgeformt werden kann. Ein Weg dieses Problem zu umgehen ist, charakteristische Artefakte wie die Nauheimer Fibel heranzuziehen und über einen „Nauheimhorizont“ in jenen Phasen zu sprechen, in denen sie auftritt. Aber im Fall der Auvergne scheinen wir zwei getrennte Phasen zu finden, in denen die Nauheimer Fibel im Gebrauch stand: die frühere in den letzten Phasen der Besiedlung der Fundstellen in der Grande Limagne um Aulnat (z.B. La Grande Borne), und eine zweite, spätere Phase in Corent. Es sind jedoch andere Aspekte der Materialkultur die nahe legen dass es sich dabei um unterschiedliche Phasen handelt, insbesondere das häufige Auftreten der Jatte d’Aulnat auf den Flachlandfundstellen und ihr nahezu vollständiges Fehlen in Corent. Die Vorstellung eines „Nauheimer Horizonts“ hat dazu geführt, dass der Begriff „Horizont“ als alternatives Wort for „Phase“ oder „Stufe“ / „Etappe“ in Gebrauch gekommen ist (z.B. Lavendhomme; Guichard 1997; Haffner: 1969, Abb. 1, 2). Ein französischer Kollege hat mir sogar mitgeteilt, dass er den Begriff Horizont für die Periode des stärksten Gebrauchs der Nauheimer Fibel verwendet, nicht jedoch für die Periode ihres ersten Auftretens, was, wie ich zu zeigen hoffe, eine falsche Vorstellung ist. Auch haben wir Schwierigkeiten mit den Leittypen selbst – was genau ist eine „Nauheimer Fibel“ und kann sie, zum Beispiel, aus Eisen ebenso wie aus Bronze oder Silber gemacht sein, und muss sie die charakteristische Verzierung auf einem flachen, dreieckigen Bogen haben? Für meine französischen Kollegen wird eine „Jatte d’Aulnat“ durch das Vorhandensein charakteristischer runder oder ovaler Aufhängungsösen am Rand bestimmt, während sie für mich auch aus bestimmtem Ton in bestimmter Brenntechnik mit bestimmter Schlickerung hergestellt sein und Kammstrichverzierung aufweisen muss, und als solches nur eine sehr begrenzte chronologische und geographische Verbreitung hat. Wie Martin Trachsel (2004) gezeigt hat, können wir

nicht einmal den Beginn der Latèneperiode definieren: Ist es das Auftreten von Fibeln im Latènestil, das Auftreten zweirädriger Wagen in Gräbern, oder die Annahme der Latènekunst? Es gibt eine Tendenz anzunehmen, dass all diese Dinge gleichzeitig passiert sind, aber man muss vermuten, dass dies tatsächlich nicht der Fall ist. Konkretisierte Phasen, wie sie Reinecke und Déchelette definiert haben, stellten einen bedeutenden Schritt für die Entwicklung unseres chronologischen Verständnisses der Eisenzeit dar und waren für jene frühe Phase der Forschung gut geeignet, in der die Kontexte von Funden oft nur ungenügend aufgenommen wurden und es noch größere Lücken in der chronologischen Sequenz gab. Nun suchen wir aber in Perioden wie der Spätlatènezeit zunehmend nach sehr verfeinerten Datierungen, und wir beschäftigen uns auch mit andersartigen Kontexten – häuslichen, industriellen, Bestattungs- und Ritualkontexten – in denen sich die in Verwendung stehenden Objekte und die Deponierungspraktiken deutlich voneinander unterschieden haben können. Das Konzept der Phase ist daher nicht länger ausreichend, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Theoretisch gesprochen ist es sogar unmöglich, eine Phase in typologischen Termini zu definieren. Durch Artefakte definierte typologische Phasen existieren einfach nicht! Für mich ist daher klar, dass sich unsere Chronologien in einem Zustand der Verwirrung befinden. Wir haben keine allgemein anerkannten Methoden, und unsere Terminologie mit Begriffen wie Etappe, Phase und Horizont ist verwirrend.Wir können uns auf kein einheitliches System der Nomenklatur einigen, und niemand hat in der jüngeren Vergangenheit versucht, eine alternative Terminologie zu entwickeln, die von der unserer Gründerväter Tischler, Reinecke und Déchelette abweicht: Genau das will ich in diesem Artikel jedoch nun versuchen. 3. Wege der Chonologiekonstruktion Meine erste Aufgabe ist es, die theoretischen und methodischen Ideen zu betrachten, die hinter unseren Chronologiekonstruktionen liegen, und die Terminologie die wir verwenden, die klarer bestimmt und definiert werden muss. Dann werde ich eine Methode vorschlagen, wie wir ein neues chronologisches

System konstruieren können und Beispiele bringen, wie dieses neue System auf das britische Material und konkreter auf die von mir ausgegrabene Fundstelle von Owslebury in Südengland angewendet werden kann. In diesem Abschnitt werde ich mich mit den drei grundsätzlichen Ansätzen beschäftigen, die in der Vergangenheit verwendet wurden: der Periode oder Phase, dem Horizont, und der Seriation. Ohne Bedeutung ist dabei für mich, wie Menschen in der Vergangenheit die Zeit wahrgenommen haben (z.B. lineare im Gegensatz zu zyklischen Zeitvorstellungen), was von Bedeutung für das Verstehen von Veränderungen sein mag, aber irrelevant für die archäologischen Ziele dieses Artikels ist, nämlich zu wissen, was zuerst und was später kam, und wie wir diese Tatsache in unserer Nomenklatur zum Ausdruck bringen. a. Die Periode oder Phase Dieses Konzept wurde in erster Linie in der Geologie des 19. Jahrhunderts entwickelt, die spezifische ­Leitfossile dazu benutzte, größere geologische Perioden zu definieren, wie z.B. die Jura- oder Kreidezeit. Dies erlaubte es, weltweit bestimmte Gesteine zu bestimmen, die gleichzeitig entstanden sein könnten. In der Ur- und Frühgeschichtsforschung wurden in frühen ­ Studien Versuche unternommen, ein Set von Artefakten zu identifizieren, die Christian Thomsens „Dreiperiodensystem“ zugeordnet werden konnten, der Stein-, Bronze- und der Eisenzeit (cf. Worsaae 1859/2002), wobei es hauptsächlich die paläolithische Archäologie mit der für sie charakteristischen engen Anbindung an die Geologie war, die hauptsächlich in den 1860ern durch die Entdeckung von mit charakteristischenTierfossilien assoziierten Artefakttypen, die in stratigraphischer Lage in Flussterrassen und Höhlenablagerungen gefunden wurden, wichtigere Fortschritte erzielte, woraus sich die nach „Typenfundstellen“ benannte paläolithische Sequenz ergab: das Acheuleen, Mousterien, Aurignacien, etc. Ein vergleichbarer Ansatz wurde auf die Eisenzeit durch Hildebrands Gegenüberstellung von Hallstatt- und Latènezeit angewandt (1876), aber de Mortillets Versuch, diese Nomenklatur zur Verfeinerung später Phasen der Urgeschichte auszuweiten (z.B. ein Beuvraysien für die Spätlatènezeit) wurde von anderen Autoren nicht aufgegriffen. Wo raum- oder fundstellenbasierte Namen bis in die

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Abb. 11: Beispiel eines „Schubladen“-Ansatzes zur Chronologie (nach Demoule 1999: 147, Tab. 9.4).

1930er eingeführt wurden, z.B. das Jogassien, Marne, Kalenderberg, Sanzeno, etc., wurden diese eher für kulturelle als für chronologische Gruppen verwendet. Das war der sogenannte „Schubladen“-Ansatz, in dem die Perioden die zeitliche und die „Kultur“ die räumliche Dimension angab (Abb. 11). Das bedeutendste charakteristische Element einer Phase oder Periode ist, dass sie einen definierten Beginn und ein definiertes Ende hat, und eine Reihe von Artefakten in die gleiche Schublade gehört, durch die die Periode definiert wird. Es handelt sich dabei um ein sehr nützliches Instrument für eine frühe Forschungsphase, in der noch bedeutende Lücken im Befund der Sequenz bestehen, wie sich zum Beispiel an den frühen chronologischen Studien Cunliffes über südbritische Keramik aus den 1960ern zeigt (Cunliffe 1974; 2006). Werden diese Lücken allerdings zunehmend gefüllt, werden die Grenzen zwischen den Perioden zunehmend verschwommen und unklar. Perioden sind ein rein heuristisches Mittel um die Da-

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ten in eine grundlegende chronologische Struktur zu bringen, und niemand nimmt tatsächlich ernsthaft an, dass der Übergang von einer Phase zur nächsten durch einen plötzlichen Wandel in den Fibelformen, Keramiktypen, Verzierungselementen etc. gekennzeichnet ist, der gleichzeitig alle Materialgattungen und Typen betrifft, außer es gibt wirklich ungewöhnliche Umstände wie die komplette Ausrottung einer ortsansässigen Bevölkerung und ihre Ersetzung durch Neueinwanderer. Die Unschärfe der Übergänge wird oft dadurch angedeutet, dass die den Periodenwechsel andeutenden Linien auf graphischen Darstellungen als schräge oder Zickzacklinien eingezeichnet werden. Tatsächlich benutzt Oliver Nakoinz in einem noch unpublizierten Artikel konkret das Konzept von „fuzzy“ Daten. Im Fall von Cunliffes „keramischen Phasen“ waren es schließlich aber seine eigenen Ausgrabungen in Danebury, die den Beginn des Zerfalls seines Systems einleiteten. Es sind in der Vergangenheit mehrere unterschied-

liche Begriffe für dieses Konzept verwendet worden, manchmal mit implizierter hierarchischer Ordnung gemäß der Bedeutung und Länge der beinhalteten Zeit: Epoche, Periode, Phase. Aber auch andere Begriffe wie Stufe oder Etappe wurden verwendet, oder – fälschlicher Weise - Horizont. In diesem Artikel werde ich in weiterer Folge allgemein den Begriff „Periode“ verwenden und den Begriff „Phase“ hauptsächlich für die Beschreibung von im Feld beobachteten chronologischen Abfolgen reservieren, vor allem was die Ausgrabung von Bauwerken und Siedlungen betrifft. Der große Vorteil des „Periodenansatzes“ ist, dass es leicht ist, jeder Periode einen Namen oder eine Nummer zuzuweisen. b. Der Horizont Der Horizont ist jenes Konzept, das die größte Verwirrung in Bezug auf die Begriffsdefinition und –verwendung ausgelöst hat. Meine Verwendung des Begriffs basiert auf der Art, wie der Begriff von Hachmann, Filip, Hodson und Waldhauser verwendet wurde, d.h. der Horizont ist gekennzeichnet durch das Auftreten einer neuen Eigenschaft (Attribut, Artefakt, Bestattungssitte, etc.), entweder in Form einer in der betreffenden Gesellschaft selbst entwickelten Innovation, oder in Form eines Imports, also ohne die diffusionistische Konnotation, die oft bezüglich dieses Begriffs angenommen wird. Der hauptsächliche Unterschied zwischen einem Horizont und einer Periode ist der, dass der Horizont nur einen Anfang, aber kein Ende hat – wenigstens was die Deponierung von Artefakten betrifft –, und dass das Erscheinen eines Attributs an einem Artefakt, oder eines Artefakts in einem bestimmten Kontext, einen terminus post quem darstellt. Klarerweise kommt die Erzeugung eines Artefakts zu irgendeiner Zeit zu einem Ende, aber dies ist im archäologischen Befund oft nicht beobachtbar, und beruht gewöhnlich auf schriftlicher Evidenz (z.B. die Nachrichten über das Ende der Herrschaft einer Person). Gleichermaßen kann eine Bestattungssitte außer Gebrauch kommen (Hodson bemerkt z.B. dass Frauengräber in Münsingen nach Horizont D keine Halsringe und nach Horizont Q keine Fußringe mehr führen). Für Artefakte hingegen kann die Deponierung sich bis in die Gegenwart fortsetzen, und zwar nicht nur durch zufällige Ablagerung, sondern auch durch vorsätzliche Depo-

nierung (z.B. die Platzierung eines Artefakts in einer Museumsvitrine zu Ausstellungszwecken), oder, um ein archäologisches Beispiel zu nennen, die Deponierung paläolithischer Äxte als Votivgaben in römischen Tempeln (Turner, Wymer 1987), oder von polierten Steinbeilen und Feuersteinpfeilspitzen als Amulette in Gräbern wie in Reinheim (Keller 1965)). Ich verwehre mich daher gegen eine Verwendung des Begriffs, wie teilweise in der deutschen und französischen Literatur üblich, z.B. durch Haffner (1969) oder Lavendhomme und Guichard (1997), als einfachen Synonymbegriff für Periode oder Phase. Eine durchdachtere Verwendung des Begriffs Horizont findet sich in Hodson (1968) in seiner chronologischen Gliederung des Münsinger Gräberfeldes, bei der jeder Horizont durch einen deutlichen Wandel im Inventar eines bestimmten Grabes, im Vergleich zu den Inventaren vorhergehender Gräber, gekennzeichnet ist. Gewöhnlich verwendet er eine Gruppe von Funden, aber gelegentlich bemerkt er auch, dass ein neuer Horizont durch ein einzelnes Attribut gekennzeichnet sein kann; in dieser Weise werde ich den Begriff Horizont auch in diesem Artikel verwenden (z.B. große verzierte Niete auf Fibeln im Horizont E, oder das Auftreten des anmontierten Fußes als Anzeichen des Beginns von Horizont Q). In Bezug auf die Nomenklatur „endet“ ein Horizont nur dann, bzw. wird durch einen Nachfolger abgelöst, wenn ein neuer Horizont beginnt, aber dies bedeutet nicht, dass die charakteristischen Attribute eines vorhergehenden Horizonts in der Erzeugung, Verwendung und Deponierung verschwinden. Tatsächlich kann es sogar sein, dass eine Eigenschaft, die einen Horizont definiert, in einem später folgenden Horizont weitaus gebräuchlicher ist als im Horizont selbst, der durch das erste Erscheinen dieser Eigenschaft definiert wird. Ein gutes Beispiel dafür sind Münzen, auf denen das Produktionsdatum angegeben ist. Obwohl der Beginn des neuen Jahres den Beginn des neuen Horizontes von Münzen definiert, die mit dem Datum des neuen Jahres markiert werden, ist es unwahrscheinlich, dass die neuen Münzen in einem Beutel mit Wechselgeld aus dem Jänner dieses Jahres erscheinen. Vielmehr werden – eine regelmäßig fortlaufende Produktion von Münzen durch das ganze Jahr hindurch angenommen – die Münzen aus dem

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Vorjahr (dem vorhergehenden „Horizont“) die größte Gruppe im Geldbeutel darstellen, mit einem graduellen Rückgang von Münzen aus früheren Jahren (Collis 1972; 1989). Die Münzen mit einem bestimmten Datum, also aus einem bestimmten Horizont, werden nur langsam aus der Zirkulation verschwinden (vorausgesetzt sie werden nicht systematisch eingezogen), und daher ihre Verwendung und ihre Deponierung zurückgehen. c. Seriation Die Theorie der Seriation geht von der Annahme aus, dass Wandel kontinuierlich abläuft, und obwohl es Perioden gibt, in denen Veränderungen rascher stattfinden als in anderen, und in denen es zu einer nahezu gleichzeitigen Veränderung mehrerer Eigenschaften kommt, wird es normalerweise bedeutende Überschneidungen in den Laufzeiten verschiedener Variablen geben, die nicht notwendigerweise miteinander korrenspondieren werden, ja es sogar ganz im Gegenteil als unwahrscheinlich zu betrachten ist, dass sie miteinander korrespondieren werden. Die charakteristische Eigenschaft einer Seriation ist daher, dass sie weder einen Anfang noch ein Ende hat. Es gibt in einer Seriation auch keine Brüche, und es ist daher unmöglich, ihr eine Nomenklatur zuzuweisen, solange wir nicht auf ein anderes Konzept zurückgreifen, wie z.B. Hodson seiner Seriation der Münsinger Gräber Horizonte zugewiesen hat, wie auch in seinem Versuch, diese in Bezug zu der universellen Chronologie Wiedmer-Sterns und Violliers zu setzen. Eine Art diesen Ansatz zu zeigen ist die graphische Darstellung des Auftretens von Eigenschaften oder Artefakttypen durch die Zeit, wie es z.B. im Fall der Grabsteine aus New England gemacht wurde, und diese kann dann in eine Reihe von aufeinanderfolgenden Horizonten konvertiert werden. Die Seriation berücksichtigt jedoch alle möglichen Attribute und Artefakttypen und reiht diese in eine chronologische Sequenz, während Horizonte eine gezielte Auswahl bestimmter Attribute odert Artefakte darstellen, um eine vereinfachte Sequenz zu erzeugen. Die Verwendung der Seriation und sequentieller Datierungen hat eine lange Geschichte, und sie ist seit Hodsons Untersuchung des Gräberfeldes von Münsingen ein Standardwerkzeug in der Konstruktion archäologischer Chronolo-

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gien; sie setzt jedoch eine gute Datenbasis, sowohl in Bezug auf die Länge der Sequenz als auch der Zahl der berücksichtigbaren Variablen in geschlossenen Funden, voraus, vorzugsweise zusätzlich unterstützt durch eine stratigraphische Abfolge wie die Horizontalstratigraphie des Gräberfeldes von Münsingen oder die Vertikalstratigraphie sich schneidender Gruben und Gräben in Aulnat – La Grande Borne (Collis 1983). 4. Die Rohdaten Es gibt eine Hierarchie von Informationen, die Archäologen beobachten und zur Konstruktion von Chronologien benutzen können, die von Attribut über Artefakt und geschlossenen Fund zu kollektiv stratifizierten Gruppen (Fundstellenphasen und Sammelfunden) reicht. a. Attribut Das Attribut ist die kleinste beobachtbare Eigenschaft in einem Objekt, und jedes Objekt besitzt eine große Zahl an Attributen, von denen jedes chronologisch signifikant sein kann, oder auch nicht. Eine Spätlatènefibel kann aus Silber, Gold oder Bronze gemacht sein, aber das Material (eines ihrer Attribute), aus dem sie erzeugt wurde, macht zwar vermutlich eine Aussage über den sozialen Status ihres Trägers, hat jedoch keine besondere chronologische Bedeutung. Attribute können als einander gegenseitig ausschließende Variablen auftreten, während andere zu 100% miteinander korreliert sein können, d.h. immer nur gemeinsam auftreten. Üblicherweise ist das Attribut hauptsächlich in numerischen Taxonomien zur Definition von Typen und Leittypen verwendet worden, zum Beispiel in David Clarkes Untersuchung der neolithischen Bechertypen (1970) oder Hodsons Definition von Fibeltypen (1969). Hier soll nun vorgeschlagen werden, dass – für chronologische Zwecke – das Attribut weit nützlicher als der Leittyp ist. Frühere Chronologien, die sich auf jeweils ein einziges Attribut konzentriert haben, haben sich als weitaus dauerhafter erwiesen als andere, wie zum Beispiel Thomsens Dreiperiodensystem, das als einziges Attribut das Material berücksichtigt, aus dem ein Gegenstand erzeugt wurde: Stein, Bronze oder Eisen. Gleichermaßen ist auch Tischlers aus dem Jahr 1884 stammende Unterteilung der Latène-

zeit in Früh-, Mittel- und Spätlatènezeit immer noch im Gebrauch. Die Variable, die er für die Ordnung von Fibeln heranzog, war einzig das Attribut ob der Fuß freistehend, am Bügel anmontiert oder an den Bügel angegossen war; bei Schwertern hingegen war es ausschließlich die Form des Ortbands, nämlich „O-“, „V-“ oder „U-förmig“ (Mobergs Nomenklatur von 1950 folgend). b. Artefakt Ein Artefakt hat viele Attribute. Ein Topf wird aus einem bestimmten Ton erzeugt sein oder eine bestimmte Materialstruktur haben, die selbst wiederum bestimmte besondere Attribute wie beigefügte Magerungsstoffe wie Schamott, Sand, Steinchen oder Muscheln aufweisen kann. Der Topf kann handgemacht sein oder auf der Scheibe gedreht, unter verschiedenen Bedingungen gebrannt worden sein, um verschiedene Brandfarben zu erzeugen, und die Oberfläche kann poliert, geglättet oder unbehandelt sein, und eine Unzahl an dekorativen Techniken und Motiven kann verwendet worden sein. Der Vorteil dieser Attribute ist, dass, wenn sie am selben Topf auftreten, wir mit Sicherheit sagen können, dass sie gleichzeitig sind (anders als bezüglich der Artefakte in einem geschlossenen Fund). Ich möchte hier nicht die komplette Aufgabe der Verwendung des Artefakts in der Konstruktion von Chronologien anregen. Die Identifikation bestimmter relevanter Attribute wird klarerweise oft artefakttypspezifisch sein – so wird man z.B. Attribute von Fibeln wohl hauptsächlich an Fibeln finden, obwohl manche, wie z.B.Verzierungen im Latènestil, auch auf anderen Artefakttypen anzutreffen sein werden. Wie man auch an meiner Diskussion der Chronologie von Owslebury sehen wird, sind manche Horizonte durch das Auftreten bestimmter Artefakttypen charakterisiert, (zum Beispiel die Horizonte, die durch das Auftreten des Serviertellers, oder der Schüssel, des Pastetentellers, und der gebördelten Schüssel gekennzeichnet werden) aber diese werden durch eine Kombination einer kleinen Anzahl von Attributen definiert werden, z.B. der Servierteller über das Verhältnis Höhe:Durchmesser, oder im Fall der gebördelten Schüsseln das Verhältnis Höhe:Rand:Basis sowie die Bördelung direkt unterhalb des Randes. Innerhalb dieser Artefaktkategorien können dann zusätzliche Attribute definiert

werden, die eine weitere Serie von Horizonten zu erstellen gestattet, die eine Feinchronologie auf Basis der typologischen Entwicklung ergibt; dabei werden neuerlich einige Attribute artefakttypspezifisch sein, andere hingegen typenübergreifend, wie zum Beispiel die den gebördelten Schüsseln und Töpfen gemeinsame Machart des Tons. c. Geschlossener Fund Artefakte können gemeinsam in einer Grube, einem Grab oder einem Graben aufgefunden werden. Dies sagt uns bloß, dass alle diese gemeinsam aufgefundenen Objekte an einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden waren, um gleichzeitig abgelagert zu werden. Es verrät uns jedoch nicht, dass sie alle gleichzeitig in Gebrauch standen oder gar alle gleichzeitig erzeugt wurden. Viele Gegenstände können als Müll für lange Zeit herumgelegen und umgelagert worden sein, oder aus früheren Befunden stammen, die durch spätere Gräben oder die Aushebung von Gruben gestört wurden, andere können auch Erbstücke gewesen sein, insbesondere in Gräbern. Die Gleichzeitigkeit von gemeinsam aufgefundenen Objekten ist also nicht gleich gesichert wie die Gleichzeitigkeit von Attributen auf einem Artefakt. d. Fundstellenphase Insbesondere auf Siedlungsfundstellen können Befunde, die mehr oder minder gleichzeitig entstanden sind, zu einer Phase zusammengefasst werden, z.B. die Pfostenlöcher eines Hausbefundes, die Gräben einer Einfriedung, oder die Wände und Begehungshorizonte eines Hauses. Die in einer solchen Phase gefundenen Gegenstände sind mehr oder minder gleichzeitig, abhängig von der Laufzeit der Phase, aber es ist offensichtlich, dass die Funde mit geringerer Sicherheit miteinander vergesellschaftet sind als in einem geschlossenen Fund. e. Sammelfunde Speziell in den frühen Phasen der Chronologieerstellung waren Forscher wie Reinecke und Déchelette in den frühen Jahren des 20. Jahrhundert oder Cunliffe in den 1960ern in Britannien gezwungen, Material von Fundstellen zu benutzen, die eine relativ kurze Laufzeit hatten, aber auf denen die Funde nicht strati-

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Abb. 12: Die Benutzung der „Phase“ oder „Stufe“ für rein deskriptive Zwecke: die Spätlatènezeit in der Auvergne (Deberge, in Mennessier-Jouannet (ed.) 2002: Fig. 10).

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graphisch aufgenommen wurden oder aus einer Reihe von Befunden stammten, deren stratigraphisches Verhältnis unbekannt ist. Daher benutzte Déchelette (1914) die Funde der Oppida von Mont Beuvray, Manching, Velem-St.Vid und Stradonice um sein Latène III zu charakterisieren, obwohl in allen vier genannten Fällen jüngere Ausgrabungen gezeigt haben, dass die Langlebigkeit und stratigraphische Komplexität dieser Fundstellen weitaus größer war als von den ersten Ausgräbern erkannt wurde. In den frühen Tagen der Archäologie war es üblich, nur eine kleine Auswahl „typischer“ Funde von einer Fundstelle abzubilden. In jüngerer Zeit besteht jedoch der Trend, alle Funde auf Ebene des geschlossenen Fundes darzustellen und zu quantifizieren, wie es z.B. im Auvergne-Forschungsprojekt praktiziert wurde (Mennessier-Jouannet 1999; 2000; 2001; 2002; 2003), statt nur auf Basis der Phase oder der Sammelfunde, wie es z.B. in den 1930ern in Maiden Castle gemacht wurde (Wheeler 1943), obwohl es dafür bereits eine weitaus längere Tradition im Bereich der Grabund Hortfunde als diskret geschlossene Fundgruppen gibt (z.B. Ramsauer in Hallstatt oder Wiedmer-Stern in Münsingen). 5. Erläuternde Darstellungen In jüngeren Jahren ist es speziell in Frankreich und Deutschland zunehmend üblich geworden, die chronologische Entwicklung einer Region durch eine Serie von Übersichtstafeln zu veranschaulichen, auf denen die für eine Periode oder Etappe / Stufe typischen Artefakte überschaubar zusammengefasst dargestellt werden (Abb. 12). Die beiden letzteren Begriffe mit ihren evolutionären Implikationen sind dafür wohl die besten Worte. Manchmal wird auch das Wort „Horizont“ für sie gebraucht, aber wie ich oben angemerkt habe, betrachte ich das als eine im konkreten Kontext unzufriedenstellende Benutzung dieses Begriffs. Solche Überblickstafeln sind sehr nützlich, um einen unmittelbaren Überblick über die Evidenz bereitzustellen und helfen dabei, mögliche Ähnlichkeiten mit, oder sogar Importe aus, Nachbarregionen mit einem Blick zu erfassen. Sie sind auch für nicht chronologische Zwecke sehr gut geeignet, z.B. für die Beschreibung der Kultur ei-

ner Region und zur Darstellung ihrer Entwicklung (Py 1993). Allerdings haben solche Sammeltafeln auch ihre Beschränkungen. Zum einen können sie nicht in eine verfeinerte Chronologie entwickelt werden, ohne das ihnen zugrundeliegende System komplett zu zerstören und neu zu strukturieren. Sie sind zwar für die rasche Identifikation von Eigenschaften und Artefakten zur Erstellung einer feineren Chronologie nützlich, aber diese Verfeinerung kann nur durch die Betrachtung der Details der Evolution der individuellen Typen geschehen, und diese mag nicht eng mit der Entwicklung der Stufen korreliert sein. Außerdem erlauben sie, außer auf sehr generalisierender Ebene, die Korrelation mit vergleichbaren Überblickstafeln für benachbarte Fundstellen oder Regionen. Bedeutet die Tatsache, dass ein Artefakt in beiden Überblickstafeln vorkommt, dass auch alle anderen in den korrespondierenden Stufen enthaltenen Funde gleichzeitig sind, oder ist ein Artefakt früh in der komprimierten Sequenz der einen, aber spät in der komprimierten Sequenz der anderen Tafel einzuordnen, woraus folgen würde, dass die Stufen nicht gleichzeitig sind, sondern nur überlappen? Wir haben in der Auvergne beobachtet, dass die Nauheimer Fibel in zwei, wenn nicht sogar drei aufeinanderfolgenen Stufen auftritt (MennessierJouannet 2002:52, 71, 73); wie lassen sich diese mit den Stufen für z.B. den Mont Beuvray, das Moseltal oder Manching vergleichen? 6. Analytische Daten Um zu einer neuen Form der Daten zu gelangen, die uns feinere Datierungen erlaubt, müssen wir die Betrachtungsachse von der Horizontale, wie sie durch die geschlossenen Funde und die Stufen repärsentiert wird, in die Vertikale verlegen, wie sie die Seriation zeigt. Für jeden ausreichend repräsentierten Artefakttyp wird eine Typologie zu erstellen sein, die das Auftreten von Attributen durch die Zeit verfolgt, die gemeinsam auf dem selben Artefakt auftreten, wobei sowohl das gemeinsame Auftreten von Attributen auf demselben Artefakt als auch das gemeinsame Auftreten von Attributen im selben geschlossenen Fund und in derselben Fundstellenphase zu berücksichtigen ist. Dies ermöglicht potentiell die fortlaufende Verfeine-

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rung unserer Chronologien durch neu ausgegrabene Materialien. Durch die so gewonnenen Daten kann eine Sequenz von Horizonten definiert werden. Es kann sich auch als nützlich erweisen, zwischen wichtigeren und weniger bedeutenden Horizonten zu unterscheiden. Für die augustäische Zeit könnte z.B. das Auftreten von rot geschlickerter Terra Sigillata in Form der Arretiner Ware als ein bedeutenderer Horizont betrachtet werden, weil er in weiten Bereichen des südlichen und westlichen Europas auftritt. Das gleiche gilt dann auch für die Produkte der späteren Produktionszentren von Lyon, La Graufesenque, Lezoux, etc. Bei lokalerer Betrachtungsweise wird das Auftreten eines neuen Münztyps einen bedeutenden Horizont darstellen, das Auftreten neuer Stempel, um diesen Münztyp zu prägen, kann hingegen als weniger bedeutender Horizont betrachtet werden, obgleich die letzteren letztendlich die Feinchronologie erzeugen werden. Die Spätlatènezeit und augustäische Periode in der Auvergne bietet ein gutes Beispiel, wie ein solches System einer Abfolge des Auftretens charakteristischer Eigenschaften funktionieren kann, wie dem Auftreten von charakteristischen Eigenschaften wie der kammstrichverzierten Keramik, der Jatte d’Aulnat, verschiedener rollstempelverzierter und abrollungsverzierter Waren, Tellern mit interner „Pompeianischer“ roter Schlickerung, Arretiner Waren, etc. Terra Sigillata bietet ein gutes Beispiel, wie der Ansatz mit Horizonten fortlaufend verfeinert werden kann. Denn es ist bei ihr nicht der Typ oder die Form, die signifikant ist (z.B. die verzierten Schüsseln Dragendorff 29 und 37, oder die Becher 27 und 33), um sie der Flavischen, Hadrianischen oder Antoninischen Periode zuzuweisen. Spezialisten für die Datierung von Terra Sigillata benutzen also bereits stillschweigend den Attribut/Horizont-Ansatz. Es gibt eine Abfolge von Macharten des Tons, die für die diversen Produktionszentren und verschiedene massenproduzierte Formen typisch sind, die sich über die Zeit hinweg entwickelt, wobei jede neue Eigenschaft einen neuen Horizont darstellt, z.B. die Rille am Fuß eines Dragendorff 27 Bechers, oder verschiedene Typen von ovolo auf den verzierten Formen. Für lange Zeit aktive Töpfer wie Cinnamus in Lezoux kann sogar die Evolution ihrer Produkte dokumentiert werden, wodurch sich vielleicht einmal eine sichere Datierung der Produktion

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auf einen Zeitraum von einem Jahrzehnt erreichen lassen wird. Auch können Verzierungselemente auf Erzeugnissen verschiedener Töpfer oder Werkstätten anzutreffen und somit eine Korrelation zwischen diesen erreichbar sein. Indem jede Innovation oder neue Eigenschaft als Horizont behandelt wird, werden die Datierungsmethoden sowohl besser durchschaubar als auch die Datierungskriterien expliziter ausgedrückt. Ein weiterer Vorteil von Horizonten gegenüber dem traditionelleren Ansatz ist, dass sie identifiziert werden können, ohne dass ihre relative Datierung zueinander bekannt sein muss (z.B. wann zwei verschiedene Münztypen zu zirkulieren begannen), sondern dies kann später bestimmt werden, wenn mehr Informationen zu dieser Frage zur Verfügung stehen. Es ist sogar sehr leicht möglich, die relative Datierung zweier Horizonte zueinander umzukehren, ohne dadurch den Rest der chonologischen Struktur mit zu zerstören. 7. Produktion und Deponierung Chronologische Studien, wie alle anderen Forschungen zur Materialkultur, müssen mit der Frage nach Produktion, Verbreitung und Deponierung beginnen. Auf die Verbreitung wird im nächsten Abschnitt eingegangen.Traditionelle Forschungen, insbesondere innerhalb des „kulturgeschichtlichen“ Paradigmas, aber auch in einigen jüngeren chronologischen Forschungen, haben sich primär mit solchen Aspekten wie der Form und Verzierung von Keramik befasst, um „kulturelle Einflüsse“ zu identifizieren, wie zum Beispiel Schmids Untersuchung der Keramik von Feddersen Wierde, in der nur ein Typ der Keramikmachart beschrieben wird und keine Diskussion der Funktion der Töpfe oder ihrer Deponierung enthalten ist (Schmid 2006; besprochen in Collis 2008b). Als Beispiel für die augenfällige Notwendigkeit der Untersuchung der Keramikmachart seien die Dressel 1 Amphoren genannt, bei denen „Graeco-Italische“- und „Dressel Ia“-Typen neben angeblich späteren Typen auftreten und immer noch ungeklärt ist, bis zu welchem Grad dies auf die relative Innovativität oder den Konservatismus verschiedener Herstellungszentren zurückzuführen ist. Wer erzeugt die Gegenstände, die wir untersuchen, wie, und wo, das sollten die ersten Fragen sein, mit denen wir unsere Untersuchungen beginnen.

In jüngeren Jahren haben sich mehrere Untersuchungen mit dem Prozess der Deponierung befasst, und ein Verständnis der Deponierungsprozesse ist essentiell für chronologische Untersuchungen. Der Einfluss kultureller Faktoren auf den archäologischen Befund wird am deutlichsten im Fall von Gräbern und Hortfunden – das Fehlen von Keramik um Münsingen im Vergleich mit ihrer relativen Häufigkeit in der Champagne verdeutlicht dies anschaulich. Das Versagen, jene Regionen in der Auvergne oder im südlichen Britannien in Untersuchungen zu berücksichtigen, in denen eindeutig erkennbare Grabfunde fehlen, hat zu gravierenden Fehlinterpretationen des archäologischen Befunds geführt, inklusive der Datierung der Funde (z.B. die Annahme, dass diese „peripheren Regionen“ Entwicklungen mit Zeitverzögerung übernehmen). Auch haben Untersuchungen der Deponierung von Funden auf Fundstellen wie in Danebury gezeigt, dass selbst scheinbar zufällig entstandene Ablagerungen von Müll durch gezielte Auswahl und Selektionsprozesse beeinflusst werden, und dass andere offensichtliche Faktoren wie der soziale Stand einer Fundstelle, die Art der auf ihr ausgeübten Aktivitäten (Kochen, Essen, Feste feiern, Lagerhaltung, landwirtschaftliche oder industrielle Produktion) die Zusammensetzung von Deponierungen beeinflussen und verfälschen können. Eine Reihe von Untersuchungen hat auch gezeigt, dass eine längerfristige Lagerung von Müll, z.B. auf Misthaufen, oder die Umlagerung von Material aus durch spätere Aktivitäten wie Grabenaushub gestörten Ablagerungen, oder durch die Erosion oberirdischer Bauelemente (z.B. Wälle), dazu führen kann, dass übrig gebliebenes Altmaterial einen wesentlichen Anteil in einer Gruppe stratifizierten Materials darstellen kann (Gosden 1984; Lock 1995; Pierpoint i.V.). Es gibt also einen Unterschied zwischen Herstellung und Ablagerung. Die Produktion eines Gegenstandes mag einen Anfang und ein Ende haben, aber Ablagerung setzt sich endlos fort. Werden andere kulturelle Eigenschaften benutzt, z.B. bestimmte Eigenschaften von Bestattungsriten, können diese einen klar bestimmbaren Anfang und ein ebensolches Ende haben, aber obwohl diese ebenfalls für chronologische Zwecke herangezogen werden können, müssen wir den Unterschied zwischen diesen Eigenschaften und denen von Artefakten berücksichtigen.

8. Modelle der Diffusion Das Konzept der Diffusion wurde durch bestimmte „New Archaeologists“ in den 1960ern vehement abgelehnt (z.B. Colin Renfrew). In der Eisenzeit ist jedoch Diffusion offensichtlich, in der graduellen Übernahme neuer Technologien wie der Eisenverarbeitung oder der Töpferscheibe, oder stilistischer Ideen wie in der Latènekunst. Womit die Anti-Diffusionisten recht hatten war, dass „Diffusion“ oft gleichbedeutend mit „Erklärung“ verstanden wurde, während in Wirklichkeit Diffusion ein rein deskriptiver Begriff ist. Daher war, und ist mancherorts noch, die vermutete „Verbreitung“ einer „Latènekultur“ ein Synonym für die „Verbreitung“ und „Ankunft“ der Kelten. In diesem Modell wurden bestimmte Regionen wie Süddeutschland, das Moseltal und die Champagne als „Herkunftsregionen“ identifiziert und ihnen somit ein kulturelles und chronologisches Primat für die Entwicklung und Verbreitung neuer Ideen eingeräumt. Andere Regionen, wie die Auvergne oder die Britischen Inseln wurden als peripher angesehen (Guichard 1986; Boudet 1990; Hawkes 1960), als Regionen die neue Ideen erst mit bedeutender Zeitverzögerung übernahmen. Oft hängt dieser Eindruck jedoch mehr mit der Natur des archäologischen Befundes zusammen (z.B. Reichtum oder Armut an Bestattungen), als durch eine unvoreingenommene Interpretation der historischen oder archäologischen Quellen gezeigt werden kann. Auf Basis der historischen Nachrichten aus der klassischen Antike kann zum Beispiel ein weit besseres Argument für eine „Herkunft“ der Kelten aus Zentralfrankreich gemacht werden als aus dem Moseltal, für das es keine historischen Quellen gibt die zeigen, dass es jemals durch Kelten besiedelt war (Collis 2003; 2006)! Das Modell einer archäologischen „Kultur“, die einen bestimmbaren Anfang hat und sich dann durch Migration verbreitet, ist daher kein geeigneter Anfangspunkt, um die Verbreitung von Ideen zu erklären. Damit soll nicht behauptet werden, dass dies nicht auch gelegentlich vorgekommen sein kann; das Auftreten von „elbgermanischen“ Bestattungssitten, Keramik und Metallfunden in Böhmen im 1. Jh. v. Chr. oder von „angelsächsischen” Funden im 5. Jh. n. Chr. in Ostengland sind Beispiele, in denen auch historische Nachrichten Hinweise auf Bevölkerungsexpansionen und Kolonisierungsprozesse geben, aber solche Arten

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Abb. 13: Ein vereinfachtes Modell der Diffusion zweier Attribute. In Periode 1 wird Attribut ‘a’ an Punkt X erfunden, und Attribut ‘b’ an Punkt Y, und diese verbreiten sich in der Folge in Perioden 2 und 3. Das Diagramm zeigt die Sequenz an sowohl Punkt X als auch Y und an einem dazwischen liegenden Punkt Z (Autor).

der Verbreitung müssen anhand von Evidenz gezeigt statt nur angenommen werden. Darüberhinaus ist auch unklar, bis zu welchem Grad sich die eigentliche Bevölkerungszusammensetzung in diesen Regionen tatsächlich verändert hat. Dieser Wechsel vom Kulturmodell mit seinem konkreten „Herkunftsort” zu einem multifokalen Ansatz, dem zu Folge ein neues Attribut oder Artefakt überall entstehen kann, wo sich seine typologischen Vorgänger finden lassen, oder sogar außerhalb dieses Gebiets, kann einen Einfluss auf die chronologischen Verhältnisse zwischen verschiedenen Artefakttypen haben. Ich habe daher auf Abb. 13 die Erfindung zweier neuer Attribute, „A“ und „B“, an verschiedenen Orten, aber zur gleichen Zeit postuliert. Region 1 übernimmt die neue Idee B aus Region 2, und Region 2 die neue Idee A aus Region 1. Die chronologische Sequenz wird daher in Region 1 A gefolgt von B sein, während sie in Region 2 B gefolgt von A ist, während zwischen den beiden die beiden Attribute A + B gleichzeitig auftreten können. Der klassische Fall für einen solchen Prozess ist in Mitteleuropa zu finden,

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wo lange angenommen wurde, dass gestempelte Keramik wie die Braubacher Schüssel aus dem Rheinland übernommen wurde, wo sie ins Latène B datiert. Daher wurde angenommen, obwohl sie gemeinsam mit Metallfunden auftrat, die typologisch ins Latène A zu gehören schienen, dass sie später datieren musste, weil sie mit Latène B-Keramik assoziiert wurde. Erst nach Kimmigs bahnbrechender Neuinterpretation des Grabungsberichts aus Libenice (Kimmig 1965; Rybová, Soudský 1962) wird nun angenommen, dass diese stempelverzierte Keramik in Mitteleuropa früher als im Rheinland auftritt, und wird nun durch die Metallfunde ins Latène A datiert. Die Diffusion verlief also von Ost nach West, statt von West nach Ost, wie durch das „Keltenwanderungsmodell“ angenommen worden war. Diffusion ist die Verteilung von Ideen (im Gegensatz zur Verbreitung, welche die Verteilung von Gütern beschreibt), und daraus folgt die Frage wie, und wie schnell, Ideen weitergegeben werden können. Eine ganze Reihe von Mechanismen kommt hier in Frage, die alle voraussetzen, dass sich Menschen über kleinere

oder größere Distanzen bewegen, jedoch nicht notwendigerweise in der Menge, wie es das Migrationsmodell impliziert: Heiratsverbindungen, Lehre und Gesellentum, die Nachahmung von Handelsgütern, etc. Die Geschwindigkeit, mit der sich Ideen ausbreiten können, ist klarerweise variabel. Es ist zum Beispiel historisch belegt, dass sich ein neuer Tanz, der in den nördlichen Territorien Australiens erfunden wurde, innerhalb einer Generation über den gesamten Kontinent verbreitete, eine weit kürzere Zeitspanne, als wir üblicherweise durch unsere Chronologiegerüste für die Eisenzeit in Europa bestimmen können. Nachdem wir ganz allgemein nicht wissen, wo neue Ideen entstanden und in welche Richtungen sie sich ausbreiteten, ist es zu bevorzugen, dass wir keine Annahmen über die relative Datierung verschiedener ähnlicher Elemente an unterschiedlichen Orten treffen, sondern es ist am besten vorerst anzunehmen, dass sie zeitgleich sind, bis das Gegenteil nachgewiesen ist. Andererseits zeigt das Beispiel der Grabsteine aus New England, dass es selbst bei in enger Beziehung miteinander stehenden Gemeinschaften zu Zeitverzögerungen kommen kann. Die Zugänglichkeit von Handelsrouten kann beispielsweise eventuell erklären, warum eine Bevölkerung sich konservativer verhält als eine andere. Gleichermaßen könnte dies aber durch weitaus zufallsabhängigere Faktoren wie die Meinungen oder den Geschmack dominanter Individuen in einer bestimmten Gemeinschaft bewirkt werden. 9. Verbreitung Durch die Eisenzeit hindurch gewinnt der Handel zunehmend an Bedeutung, letztendlich verbunden mit der Entwicklung eines mediterranen „Weltsystems“, durch das verschiedene Gesellschaften auf verschiedenen Stufen sozialer und politischer Entwicklung in eine übergreifende ökonomische Struktur eingebunden werden. Die meisten Objekte, die wir durch Nutzung von Querverbindungen zum Aufbau unserer absoluten Chronologien benutzen, insbesondere jene, die wir zur Erzeugung interregionaler und europaweiter Verbindungen benutzen, sind Gegenstände, die von anderswo importiert wurden. Wir müssen daher wissen, welche Fundstellen Zugang zu solchen Gütern hatten, und das ist abhängig von der

Entfernung zum Erzeugungsort, von den hauptsächlichen Handelsrouten, und auch vom sozialen Status einer Fundstelle. In Owslebury ist der Horizont, in dem Amphoren das erste Mal auftreten, im Vergleich zu kontinentalen Standards eher spät anzusetzen, aber in der britischen Sequenz ist er eher früh, wegen der Nähe zum Hafen von Hengistbury Head. Im Unterschied dazu ist der Horizont, in dem Terra Sigillata auftritt, für südostbritische Verhältnisse vergleichsweise spät (womöglich erst kurz vor der römischen Eroberung, aber wahrscheinlich sogar erst danach), weil die Entfernung vom angenommenen hauptsächlichen Importzentrum (Colchester) groß ist, und auch weil die Fundstelle einen vergleichsweise niedrigeren sozialen Status als solche mit angenommenen königlichen Verbindungen wie Silchester oder Fishbourne gehabt haben dürfte. Dies zeigt ein weiteres Potential des Horizont-Ansatzes, weil dieser nicht nur die klare Erfassung von Gleichzeitigkeit über große Entfernungen erlaubt, sondern auch Unterschiede sowohl zwischen als auch innerhalb von Regionen zu zeigen ermöglicht. Im Fall von Owslebury sind diese Diskrepanzen deshalb klar, weil es eine gut entwickelte Chronologie für sowohl Amphoren als auch Terra Sigillata gibt, und frühe Keramikmacharten und Formen fehlen. 10. Probleme mit Leittypen Von der Zeit Reineckes und Déchelettes an wurden Phasen durch „Leittypen“ definiert, die für die jeweilige Phase typisch sind (ein Ansatz, der aus der Geologie und der paläolithischen Archäologie übernommen wurde), aber Leittypen wurden auch in Seriationen (z.B. Hodsons Definition von Typen in Münsingen) und für Horizonte verwendet (Filips „Duxer Fibel“und „gedellter Gürtelhaken“-Horizonte). In Britannien werden Hawkes’ und Hulls (1947) Definitionen einer Keramiktypenreihe in Colchester immer noch häufig als Kurzreferenzen benutzt (z.B. der charakteristische Camulodunum 113 butt beaker, Abb. 14). Die Erstellung einer Typenreihe war oft das primäre Ziel von Keramikauswertungen, z.B. des Jewry Wall in Leicester (Kenyon 1948), oder Gillams Typenreihe für den Hadrianswall (Gillam 1957), um römische Beispiele zu bringen. Die durch Py (1993a) erzeugte Typenreihe für Südfrankreich hat sich als bedeutendes Werkzeug

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Abb. 14: „Typen“ Gallo-Belgischer Keramik aus Camulodunum (nach Hawkes, Hull 1947).

für die Forschung erwiesen, und Périchon hat, wenngleich mit geringerem Erfolg, das gleiche für Zentralfrankreich in der Latène- und römischen Kaiserzeit versucht (Périchon et al. 1977). Fibeln und insbesondere Münzen eignen sich besonders für die Definition von charakteristischen Typen. Typen funktionieren am besten, wenn man es mit Massenproduktion zu tun hat, wie z.B. bei der Verwendung von Münzstempeln in der Münzprägung oder bei der Verwendung von Schablonen für die Herstellung scheibengedrehter Töpferware. Die Typendefinitionen von Dragendorff und anderen für Terra Sigillata, von Dressel für Amphoren, und von Lamboglia für schwarz geschlickerte „kampanische“ Waren haben den Test durch die Zeit überlebt. Aber der Fall der Terra Sigillata zeigt deutlich die Grenzen dieses Ansatzes für chronologische Zwecke weil es, für sich betrachtet, nicht die Form ist, die die präzise Datie-

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rung erlaubt, sondern die spezifischen Attribute, die weitaus charakteristischer für eng umgrenzte Zeiten sind. Mit anderen Worten, Leittypen, auch wenn diese viele Attribute zwischen vielen Individuen gemein haben, und obgleich ihre Definition für andere Arten der Untersuchung (z.B. von Funktionen von Gegenständen) wichtig sind, zeigen deutliche, sowohl chronologische als auch regionale,Variationen. Auf Abb. 15 zeige ich eine Reihe von „Nauheimer Fibeln“, die alle einen Rahmenfuß und eine vierwindige Armbrustkonstruktion mit äußerer Sehne etc. aufweisen, aber unterschiedliche Typenbezeichnungen aufweisen, die oft nur auf einem Attribut beruhen – Lauterach, Löffelförmig und Giubisaco – und deren unterschiedliche chronologische Laufzeiten seit langem bekannt sind, ja die sogar dazu verwendet wurden um unterschiedliche chronologische Phasen von der eigentlichen Nauheimer Phase zu definieren. Leittypen haben ihre eigenen

Abb. 15: Fibeltypen mit Nauheimer Konstruktion.

Entwicklungen, und es scheint daher besser, individuelle Attribute oder Eigenschaften zu verwenden, entweder einzeln oder in Kombination, z.B. a+b+c oder a+b+e, z.B. offener Rahmenfuß, plus vierwindige Spirale, plus dreieckiger Bügel; oder offener Rahmenfuß, plus vierwindige Spirale, plus löffelförmiger Bügel.Auf diese Art sollte es uns möglich sein, stärker verfeinerte Chronologien zu entwickeln, und beispielsweise zwischen den dominanten Attributen unterscheiden zu können, die möglicherweise die Nauheimer Fibeln aus Aulnat und Corent voneinander unterscheiden. 11. Die Auswahl von Attributen Attribute sind schon allein deshalb nützlicher als Leittypen, weil es viel mehr von ihnen gibt. Auch ist ihre Vergesellschaftung sicherer, weil sie am selben Artefakt gefunden werden und daher nachweislich gleich-

zeitig sind, und sogar Bruchstücke eines Gegenstandes, der nicht ausreichend erhalten ist, um ihn einem Typ zuzuweisen, können immer noch ausreichend viele charakteristische Attribute haben. Zum Beispiel kann die Schlickerung und Keramikmachart eines kleinen Terra Sigillata-Scherbens immer noch gestatten, seine Herkunft und eine ungefähre Datierung zu bestimmen, selbst wenn seine Form nach Dragendorff unbekannt ist. Es sind jedoch nicht alle Attribute chronologisch empfindlich. Manche sind zu langlebig, und wenn zum Beispiel der Horizont der Einführung der Töpferscheibe als chronologischer Marker nützlich sein mag, verliert er danach seinen chronologischen Wert. Wie bereits zuvor angemerkt wurde ist das Metall, aus dem eine Latènefibel hergestellt wurde (Gold oder Silber im Gegensatz zu Bronze) vielleicht indikativ für sozialen Status, während die Verwendung von Eisen geschlechtsspezifisch sein mag (Männer); auch

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große Fibeln mögen typisch für Männer sein, und kleine für Frauen, z.B. die involuted brooches in Britannien (Dent 1982). Unterschiedliche Attribute mögen auch gleichzeitig nebeneinander laufen, wie zum Beispiel die Verzierungseigenschaften von Terra Sigillata für individuelle Töpfer charakteristisch sein können, und eine Zeit lang wurde angenommen dass der Unterschied zwischen scheiben- und vasenförmigem Fuß auf Frühlatènefibeln chronologisch signifikant sein könnte, während diese tatsächlich gleichzeitig nebeneinander bestehen. Attribute sollten auch leichter identifizierbar sein als Typen, wie die komplexen statistischen Versuche von Clarke und Hodson in den 1960ern zeigten (Clarke 1968; Hodson 1969), unter Verwendung von Methoden wie multidimensionaler Skalierung. Solche Methoden können nützlich sein um zum Beispiel die Erzeugnisse einer bestimmten Werkstatt zu identifizieren, aber sind weniger nützlich für chronologische Zwecke. Obwohl seine Studie in erster Linie auf Artefakttypen zur Bestimmung seiner Horizonte beruhte, wie bereits oben angemerkt wurde, hat Hodson teilweise auch auf einzelne Attribute zurückgegriffen, um einen Horizont zu bestimmen: große Zierniete für Horizont E; der verzierte Kugelfuß für Horizont H; die Anmontierung des Fußes an den Bügel, die den Beginn des Horizonts Q anzeigt. Welche Attribute konkret herangezogen werden, wird unvermeidlicher Weise auf gelehrtem Urteil und Experimenten beruhen. 12. Die Chronologie einer Fundstelle Wie Hodsons Untersuchung von Münsingen zeigt ist es möglich, eine sehr feine Chronologie für eine einzelne Fundstelle vorzuschlagen, so lange das Material aus jedem geschlossenen Fund ausreichend zahlreiche datierbare Elemente enthält. Nimmt man seine Chronologie wörtlich (22 Horizonte in 300 Jahren), dann sprechen wir über weniger als 15 Jahre pro Horizont. In einem Gräberfeld einer ausreichend großen Population (im Fall von Münsingen etwa 30 Individuen aus zwei oder drei eng miteinander verknüpften erweiterten Familien) können wir vielleicht davon ausgehen, dass es keinen größeren Bruch in der Sequenz, noch bedeutende soziale Unterschiede innerhalb der

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Gruppe gibt, selbst wenn es Unterschiede in der Zahl der Grabbeigaben gibt; Gräber mit einer größeren Zahl an Grabbeigaben werden in den späteren Phasen seltener. Das Geschlecht ist oft ein bedeutender Differenzierungsfaktor, was unterschiedliche Chronologien for Frauen und Männer notwendig macht, und auch das Alter der Verstorbenen muss in Betracht gezogen werden, weil ältere Individuen mit Gegenständen bestattet worden sein können, die sie eine lange Zeit bessessen haben können. Es kann in Zusammenhang mit dem Alter von Bestatteten auch Unterschiede in der Auswahl der Gegenstände geben, die die chronologische Zuordnung beeinflussen können. In der Frühlatènezeit haben jüngere Frauen tendentiell ein breiteres Spektrum an Beigaben, insbesondere in Form von „Amuletten“, als ältere Frauen. Es kann also nützlich sein, solche Attribute auf einer Zeitskala aufzuzeichnen, bei der das Alter eines Individuums zum Zeitpunkt seines Todes berücksichtigt wird. Siedlungen stellen ein größeres Problem dar, und die Kontinuität von Ablagerungen wird von den durchgeführten Aktivitäten wie Grabenaushub, Säuberung oder Nachbesserungen, und dem Vorhandensein von Vorratsgruben oder Materialentnahmegruben abhängen, die möglicherweise bloß einmal pro Generation stattfanden, nachdem Gebäude oft viele Jahre bestehen. Dies stellt zum Beispiel ein gravierendes Problem auf bandkeramischen Siedlungen wie Bylany dar; gab es eine zyklische Aufgabe von Siedlungen, weil es eine Brandrodungswirtschaft gab, wie Bohumil Soudský vorgeschlagen hat, oder gibt es scheinbare Brüche in der Keramiksequenz einfach deshalb, weil die Häuser nur in gewissen Abständen ersetzt wurden (Soudský 1966)? Längere Zeitabschnitte können nur durch sehr wenige Befunde und Funde gekennzeichnet sein, wie es zwischen dem 6. und 4. Jh. in der Auvergne der Fall zu sein scheint, in deutlichem Gegensatz zur Masse der Information, die für das 2. Jh. zur Verfügung steht, z.B. in Pâtural (Deberge et al. 2007). Zusätzlich besteht das Problem, wie lange sich Material angesammelt hatte, ehe es deponiert wurde: lange benutzte Misthaufen, offen auf der Fundstelle herumliegende Abfälle, der Wiederaushub von Gräben, wodurch Material wieder an die Oberfläche kommt – das sind alles relevante Faktoren. Die Funde sind daher allgemein gesprochen eher das Ergebnis einer zufälligen Auswahl als die ab-

Abb. 16: Die Chronologie der Fibeln von Basel Gasfabrik und Münsterhügel (nach Hecht et al. 1999).

sichtlich beigegebenen Funde aus Gräbern, was einerseits ein Vorteil ist, weil bewusste Selektion einen geringeren Einfluss hat, aber andererseits ein Nachteil, weil es sich dabei um Material handeln kann, das sich über mehrere Generationen und aus verschiedenen funktionalen Kontexten angesammelt hat, und das daher von nur beschränktem chronologischen Wert ist. Auch mag es Probleme im Rahmen der Ausgrabung geben, weil es nicht immer leicht ist, zwischen verschiedenen Phasen in einem mehrphasigen Graben zu unterscheiden, wie die Beispiele von Owslebury und La Grande Borne zeigen (besprochen in Collis 2001). 13. Die Chronologie von Mikroregionen Die beste Ebene für die Erstellung einer detaillierten Chronologie ist die der Mikroregion, da diese ein breiteres Spektrum von Kontexten als eine einzelne Siedlungsfundstelle bieten, insbesondere wenn die einzelne Siedlung klein ist. Es ist weit unwahrscheinlicher dass es Brüche in der Sequenz geben wird, und dies gilt umso mehr für Evidenz aus Gräbern. Für eine wirklich feine Chronologie auf dieser Ebene ist vermutlich die Keramik am ergiebigsten, weil sie sowohl in großer Menge vorhanden als auch eher empfind-

lich für rasche stilistische Veränderungen ist, und auch gewöhnlich leicht bricht und daher rasch deponiert wird. Der Radius einer Mikroregion wird wohl etwa bei 50 Kilometer liegen. In der Auvergne ist beispielsweise die charakteristische Jatte d’Aulnat um Clermont-Ferrand allgegenwärtig, aber schon in Lezoux selten, während in der Allier oder der Haute-Loire der Satz an keramischen Stilen ein ganz anderer ist; tatsächlich gibt es sogar drei verschiedene Keramiktraditionen innerhalb eines Départment (Lallemand 2008). Dasselbe gilt auch für Südbritannien, wo regionale Stile noch unterschiedlicher als am Kontinent sind. Der St. Catharine’s Hill-Stil mitteleisenzeitlicher Keramik tritt im Großteil des mittleren und nördlichen Hampshire und in West Sussex auf, aber jenseits dieser Mikroregion sind die Stile ganz anders, mit den blackburnished wares in Dorset, unterschiedlichen Verzierungsstilen und Gefäßformen in Berkshire, und noch deutlicher im Bereich der mittleren Themse, und wieder anders in East Sussex (Cunliffe 2005). In beiden Fällen sind der St. Catharine’s Hill-Stil und die Jatte d’Aulnat und ihre verwandten Formen vermutlich Erzeugnisse einer einzelnen Produktionszone. Die Quantifizierung von Daten in der Mikroregion stellt uns vor bedeutende Probleme. Der prozentuelle

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Anteil eines Keramikprodukts wird deutlich ausdünnen, wenn man sich den äußeren Grenzen seines Verbreitungsgebiets nähert, und eine Seriation (z.B. zur Erzeugung der „Häufigkeitskurven“) muss daher die geographische Lage der Fundstelle im Vergleich zum Erzeugungsort des Produkts berücksichtigen. Auch müssen wir uns einigermaßen sicher darüber sein, was wir als zwei anzunehmenderweise gleichzeitige Deponierungen von verschiedenen Fundstellen betrachten. Zwei Gräben mit ähnlichen Fundkombinationen können in Wirklichkeit 20 bis 30 Jahre auseinander liegen. Dies macht keinen großen Unterschied, wenn wir mit Stufen/Etappen arbeiten, ist jedoch wichtig, wenn wir uns mit Horizonten beschäftigen, oder wo beispielsweise eine Fundgruppe mit dendrochronologischen Daten zusammenhängt, die diesen konkreten Kontext datieren, aber nicht unbedingt den anderen Kontext, aus dem die anderen Funde stammen. 14. Die Chronologie einer Region Die Mikroregionen stellen die grundlegenden Bausteine für eine regionale Chronologie dar, und die die Sequenz in jeder zugehörigen Mikroregion darstellenden Tafeln bilden einen ersten Schritt in der Konstruktion der regionalen Chronologie, zum Beispiel für die Grande Limagne, die Haute Loire und die Allier, oder, in einem britischen Kontext, für Hampshire, Sussex, die mittlere Themseregion und Dorset. Wir müssen dazu jedoch mit der Annahme beginnen, dass die Anfänge und Enden dieser Stufen/Etappen nicht gleichzeitig sind, auch wenn der zeitliche Unterschied zwischen ihnen nur ein oder zwei Jahrzehnte betragen mag. Dieses Problem wird dadurch verstärkt, wie Stufen normalerweise miteinander in Beziehung gesetzt werden, d.h. eine Anzahl von gemeinsamen Eigenschaften wie Nauheimer Fibeln, importierten Dressel Ia Amphoren, kampanischen Waren, etc., zur Annahme der Gleichzeitigkeit herangezogen wird. Wir wissen jedoch nicht ob diese charakteristischen Typen durch die ganze Periode hindurch auftreten, oder nur an ihrem Anfang, oder an ihrem Ende. Werden nicht genug Typen verwendet, verstärkt das dieses Problem noch zusätzlich; werden jedoch zu viele verwendet, wird man mehrere davon auch in den vorhergehenden oder folgenden Phasen antreffen, und ich würde da-

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her meinen, dass dies keine zielführende Vorgehensweise ist. Benutzen wir stattdessen hingegen Seriationen und Horizonte, ist das unmittelbar auftretende Problem die Tatsache, dass zahlreiche der Attribute, die wir für den Aufbau von fundstellenspezifischen oder mikroregionalen Chronologien verwendet haben, nur für ihre jeweilige Region charakteristisch sein werden und in Nachbarregionen nicht oder nur sehr selten angetroffen werden. Anders gesagt, die Anzahl der uns zur Verfügung stehenden nützlichen Attribute wird umso kleiner, je größer die Region ist, die die chronologische Untersuchung zu berücksichtigen versucht. Dies wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Importstücke aus benachbarten Regionen angetroffen werden – wie das Graphittonkeramikgefäss aus La Grande Borne, oder die in Glastonbury-Stil gefertigte Scherbe vom Lizard in Winchester (obwohl unglücklicherweise in beiden Fällen diese Importe nicht sicher stratifiziert sind!). Eine dritte Evidenzkategorie sind Artefakttypen, deren Entwicklung überregional ist, wie die stempelverzierte Frühlatènefeinkeramik, die bemalte Keramik der Mittel- und Spätlatènezeit, oder Fibeltypen wie die Nauheimer Typen. In diesem Fall müssen wir jedoch die Möglichkeit einer Zeitverzögerung durch die Geschwindigkeit der Verbreitung in großen Regionen berücksichtigen, z.B. die Diskrepanzen zwischen dem ersten Auftreten stempelverzierter Keramik zwischen Böhmen, dem mittleren Rheinland und der Bretagne. Die letzte Kategorie sind schliesslich jene Gegenstände, die über große Distanzen verhandelt werden, wie Amphoren, schwarzgeschlickerte kampanische Waren, Teller mit innerer „pompeianischer“ roter Schlickerung und Arretiner Waren, die in ausreichender Menge angetroffen werden können um für die Definition von Horizonten und für Seriationen geeignet zu sein, aber im Gegensatz zu lokalen Waren werden diese Seriationen auf internationaler Ebene durchgeführt werden müssen. 15. Ein universelles Chronologiesystem und eine Nomenklatur Gegenwärtig sind es die Perioden und Terminologie Déchelettes/Violliers und besonders Reineckes, die

im Großteil Europas benutzt werden. In Wirklichkeit sind es aber hauptsächlich gut ausgearbeitete Regionalchronologien, die als lokale Stellvertreter für das universelle System fungieren, wie Mirons (1989) und Haffners (1974) Systeme für die Gräberfelder der Moselregion, oder die Sequenzen aus Manching und der Schweiz. Das Problem ist, wie bereits oben ausgeführt, dass viele der charakteristischen chronologischen Kriterien nur lokal, nicht jedoch universell verbreitet sind. Als Daumenregel kann man davon ausgehen, dass um so höhere Ebenen der Abstrahierung und Verallgemeinerung wir zu erreichen versuchen, um so weniger Attribute zur Verfügung stehen, die verwendet werden können. Mein Vorschlag ist, dass wir in der Praxis die Methode, die wir auf der lokalen Ebene verwenden (wo wir so viele Attribute als möglich verwenden), umkehren und auf universeller Ebene so wenig Attribute als möglich verwenden. Das andere Hauptproblem in der Vergangenheit war, dass jedesmal, wenn eine verfeinerte Chronologie für eine Region erstellt wurde, diese die vorhergehende ersetzte, wodurch sich der materielle Gehalt der Termini, die wir für Phasen verwenden (z.B. Latène B1), ununterbrochen verändert. Um das zu verhindern, schlage ich vor, dass wir eine Terminologie mit einer möglichst einfachen Definition entwickeln, die auch neue Forschungen unverändert überstehen kann. Der geeignetste Artefakttyp, um eine solche universelle Chronologie und Terminologie zu entwickeln, ist die Fibel, denn diese tritt nicht nur relativ häufig sowohl in Siedlungen als auch Gräberfeldern auf, sondern auch in Heiligtümern und gelegentlich auch in Hortfunden (z.B. Duchcov). Die charakteristischen Formen sind mehr oder minder von Britannien im Westen bis Rumänien im Ostern identifizierbar, auch wenn in gewissen Perioden lokale Formen deutlich von der „europäischen Norm“ abweichen können, wie beispielsweise die involuted brooches im mittellatènezeitlichen Britannien, oder Eigenschaften mögen länger überleben als anderswo, wie z.B. in der Form des Fußes der Blandford brooches. Auch müssen wir als Ausgangspunkt eine Region wählen, die relativ zentral im Maximalverbreitungsgebiet der „Latènekultur“ liegt, und wo eine relativ gute Sequenz bereits wohl etabliert ist. Der logische Kandidat ist hier die Schweiz mit dem Gräberfeld von Münsingen, aber auch den

späteren Gräberfeld- und Siedlungsfunden beispielsweise aus Basel, die uns mit einem breiten Spektrum an spätlatènezeitlichen und frührömischen Fibeln bis zur römischen Eroberung bringen. In einigen Fällen mag es vollkommen ausreichend sein, ein einzelnes Attribut für die Definition eines Horizonts zu benutzen (z.B. die zweiteilige Konstruktion augustäischer Fibeln mit einem Haken, um die Feder zu halten); in anderen mögen zwei oder drei Attribute notwendig sein. Für das Mittellatène ist das erste relevante Attribut, ob der Fuss an den Bügel angebunden oder mit einer Klammer an diesem fixiert ist; eine zweite Variable ist der Knopf am Fußteil: ein großer Knopf, ein kleiner (wie an der Fibel vom Typ Mötschwyl), und schlußendlich kein Knopf. Das Schema ist um nichts komplexer oder verfeinerter als die gegenwärtig in Verwendung stehende Nomenklatur Reineckes, hat jedoch den Vorteil der Einfachheit und Unveränderlichkeit. Es wird auch in Zukunft keinen Grund geben, dieses neu vorgeschlagene Schema zu verfeinern oder zu unterteilen. Die notwendige Verfeinerung ergibt sich vielmehr daraus, dass diese universelle Chronologie und Terminologie mit anderen Horizonten auf der regionalen und mikroregionalen Ebene verbunden wird. Obwohl dieses System eine Unterteilung der Latèneperiode ist, empfehle ich eine neue Nomenklatur zu verwenden, damit das neue System nicht mit bestehenden Systemen verwechselt wird, und würde LIA (für das Later Iron Age) in English, SEZ (Späteisenzeit) in Deutsch, und SAF (Second Age du Fer) in Französisch vorschlagen, gefolgt von einer Nummer, um die aufeinanderfolgenden Horizonte voneinander zu unterscheiden. Die Hallstattperiode wurde hier nicht genauer betrachtet, aber eine vergleichbare Sequenz könnte für das „Early Iron Age“ (EIA) erstellt werden. Für das EIA wäre das deutsche Gegenstück die FEZ (Früheisenzeit), und PAF (Premier Age du Fer) das Französische. Dieses neue System hätte auch noch den zusätzlichen Vorteil, die Verwirrung zu verhindern, die durch dieVerwendung der Begriffe Hallstatt und Latène für sowohl chronologische Perioden und kulturelle Entitäten entsteht, die in der Vergangenheit zu Problemen geführt hat, beispielsweise ob es wirklich eine latènezeitliche Besiedlungsphase auf der Heuneburg gibt oder nicht (besprochen in Collis 1984 und 2003:167–9).

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16. Anwesen- bzw. Abwesenheit und Quantifi­ zierbarkeit Idealer Weise sollten die Attribute, die in einem Kontext vorhanden sind, quantifiziert und als Prozentwerte dargestellt werden, um Kontexte unmittelbar miteinander vergleichbar zu machen, und wir sollten versuchen, sie in Häufigkeitskurven, wie sie in Seriationen Verwendung finden, darzustellen. Dies ist allerdings eher schwierig in der Praxis umzusetzen. In einem Grab wird wahrscheinlich jeweils nur ein Gegenstand eines bestimmten Typs vorhanden sein, und wenn es zwei Gegenstände eines Typs in einem Grab gibt (wie z.B. Fussringe), dann ist es wahrscheinlich ein zusammenpassendes Paar. Einfache Anwesenheit oder Abwesenheit eines Typs mag ausreichend sein. In Siedlungskontexten hingegen gibt es vermutlich eine große Menge an Abfall, der in Kontexte geraten ist, weshalb die Prozentwerte wahrscheinlich am ehesten die Menge dieses Altmaterials indizieren. Ein Weg, dieses Problem zu vermeiden, mag der Versuch sein, diese Altmaterialen auszusortieren, aber dies wird unvermeidlich ein subjektiver Prozess sein. Ein zweites Problem, auf das bereits oben hingewiesen wurde, sind Fundstellen, die im Vergleich mit dem Erzeugungsort von Gegenständen eher peripher gelegen sind. 17. Absolutchronologie Eine Reihe von Personen hat mir gegenüber vorgeschlagen, dass absolute Datierungen die Basis einer zukünftigen Nomenklatur sein sollten. Dies muß jedoch aus einer Reihe von Gründen abgelehnt werden, zuerst einmal aus rein methodischen und prozeduralen Gründen. Ziel der Erstellung einer Chronologie ist, dass sie absolute Daten zur Verfügung stellen soll; daher sollten wir nicht am Beginn einer Untersuchung mit der Annahme dessen beginnen, was wir am Ende der Untersuchung erreichen wollen. Zweitens können sich Datierungen ändern, was zu Verwirrungen führen kann, selbst wenn wir vermutlich nicht die massiven Veränderungen sehen werden, die wir in den letzten Jahrzehnten beispielsweise in der Latènechronologie beobachten konnten. Im letzten halben Jahrhundert wurde die Datierung des Auftretens der Nauheimer Fibeln sehr verschieden angesetzt, von nach 50 v. Chr.

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(Werner 1955), über um 60 v. Chr. (Müller-Beck und Ettlinger 1962–3), über 100–80 v. Chr. (Collis 1984) bis um 150–120 v. Chr. (die gegenwärtige Schätzung auf Basis von dendrochronologischen Daten und der Definition von Spätlatènefibeln). Drittens ist eine meiner größten Hoffnungen, dass es uns gelingen wird, Keramik aus dem 1. Jh. v. Chr. auf die Dekade genau zu datieren; alle Daten, die wir jetzt angeben können, können also bestenfalls Annäherungen an das sein, was wir in der Zukunft zu erreichen hoffen. Wir können annehmen, dass, wenn mehr und bessere Daten verfügbar werden, absolute Datierungen konstant Verfeinerungen unterworfen sein werden, und es ist weitaus besser dass absolute Datierungen, seien diese nun historisch, dendrochronologisch oder Radiokarbondatierungen, frei neben der universellen Terminologie und den lokalen Horizonten stehen sollten. Die Länge der individuellen Phasen in der universellen Chronologie wird durch diese Daten einfach wie eine Ziehharmonika zusammengerückt oder auseinandergezogen werden, um den neu bekannt werdenden Absolutdaten zu entsprechen.Wir sollten auch festhalten dass in manchen Regionen wie in Irland, Wales, Teilen Englands und Schottlands solche Absolutdatierungen das uns primär zur Verfügung stehende Datierungsmittel bleiben werden, weil Keramik selten oder unbekannt ist und Metallfunde in Kontexten, die sich auswerten lassen, noch seltener anzutreffen sind. 18. Die Ausarbeitung einer Chronologie a. Die universelle Chronologie: Schweizer Fibeln Eine Reihe von Studien hat sich mit der Fibelchronologie der Schweizer Späteisenzeit befasst. Der folgende Chronologievorschlag baut hauptsächlich auf drei Quellen auf. Zuerst ist da Hodsons Studie über das Gräberfeld von Münsingen (1968), auf der meine Horizonte 3 bis 8 beruhen. Für die frühen und mittleren Phasen der Späteisenzeit wird dies durch Kaenels Studie der Gräberfelder der Westschweiz (Kae­nel 1990) ergänzt. Die spätesten Phasen bauen auf den Baseler Siedlungen Gasfabrik und Münsterhügel, wie in Hecht et al. 1990 diskutiert, auf. Die Eigenschaften der spätesten Fibeln beruhen auf allgemeinen Beobachtungen in Mitteleuropa und Frankreich. Ich schlage eine Sequenz mit 16 Horizonten vor (Abb. 16); diese

teile ich in 3 Gruppen, der ursprünglichen Einteilung Tischlers folgend, mit freistehendem, anmontiertem und mitgegossenem Fußteil, und zusätzlich zu dieser grundlegenden Variable füge ich ein, oder in manchen Fällen zwei, zusätzliche Attribute hinzu. Freistehender Fuß (Frühlatènekonstruktion) SEZ 1. Einteilige Feder mit äußerer Sehne (die La Tène Federkonstruktion). Ohne Abbildung. SEZ 2. Flacher Bügel, Fuß in einem Winkel zum Bügel zurückgebogen (wie bei den Fibeln von Lausanne und Rance). SEZ 3. Hoher geschwungener Bogen, Fuß parallel zur Nadel in einem 180°-Winkel zurückgebogen (Typ Marzabotto). SEZ 4. Dachförmiger Bügel, Fuß in 45°-Winkel zum Bügel zurückgebogen. SEZ 5. Langer Bügel, Fuß in 45°-Winkel zum Bügel zurückgebogen (wie beim Typ Dux). SEZ 6. Hoher geschwungener Bogen, Fuß in 45°Winkel zum Bügel zurückgebogen. Fuß an den Bügel angebunden oder angeklammert (Mittellatènekonstruktion) SEZ 7. Mit großem Buckel oder Scheibe am Fuß. SEZ 8. Mit kleinem Buckel am Fuß (wie beim Typ Mötschwyl). SEZ 9. Ohne Buckel am Fuß. Fuß mit dem Bügel mitgegossen oder angeschmiedet (Spätlatène- und augustäische Konstruktionen) SEZ 10. Einfacher Rahmenfuß, Fibel aus einfachem, unverzierten Draht oder Stab gefertigt. SEZ 11. Einfacher Rahmenfuß, Bogen mit beginnendem dreieckigen Verzierungselement neben der Feder (wie beim Typ Lauterach). SEZ 12. Einfacher Rahmenfuß, mit dekoriertem, abgeflachten Bügel auf silbernen oder bronzenen Fibeln, unverziert auf Eisenfibeln (Nauheimer Konstruktion). SEZ 13. Einfacher Rahmenfuß, mit löffelförmigem Bügelende am Federende. SEZ 14. Einfacher durchbrochener Rahmenfuß (erscheint auf verschiedenen Typen, darunter auch Nauheimer, Löffelbügel- und geschwungenen Bügelfibeln (Geschweifte Fibel), etc.).

SEZ 15. Komplex durchbrochener Rahmenfuß (wie beim Typ Colchester). SEZ 16. Zweiteilige Konstruktion (Nadel und Feder mittels Haken anmontiert). Ich setze formal den Beginn der SEZ Fibelsequenz mit dem Auftreten der Konstruktionsweise an, die den Großteil der Eisenzeit dominiert, nämlich die einteilige Federkonstruktion mit einer äußeren Sehne (von Horizont 10 an wird die Sehne gewöhnlich innen geführt); dieser Sammelbegriff umfasst eine Reihe von frühen Fibeln, die Trachsel als ‘Proto-Marzabotto’ bezeichnet. Allgemein gesprochen wird diese Konstruktionsweise bis zum Auftreten der zweiteiligen Fibel beibehalten, die den Horizont 16 anzeigt, obwohl es andere Arten gibt, wie zum Beispiel in der Mitte des 1. Jh. v. Chr. die Scharnierfibeln von Typ Alesia, die in diesem Beitrag nicht besprochen werden (Duval 1977), und die im nächsten Abschnitt besprochenen britischen Fibeltypen. Die typische Federkonstruktion am Ende der Früheisenzeit ist die Armbrustkonstruktion, die während des 5. Jh. v. Chr. häufig bleibt (z.B. die Fibel von Rances, die den Horizont 2 illustriert). Wie in der allgemeinen Diskussion ausgeführt, mögen sich manche dieser Horizonte chronologisch nicht voneinander unterscheiden lassen, z.B. ob der Horizont SEZ 4 mit dachförmigem Bügel wirklich vom Horizont SEZ 3 Marzabotto, oder der Horizont 11 Lauterach vom Horizont SEZ 12 Nauheim unterschieden werden. Stellen die Fibeln in Mittellatènekonstruktion des Horizonts 9 eine eigene Phase dar, oder sind sie alle gleichzeitig mit Fibeln der Spätlatènekonstruktion? Sicherlich werden sich nicht alle Horizonte in jeder Region feststellen lassen (wie wir in Britannien sehen werden), und wir mögen mit dem längeren Überleben eines früheren Typs oder dem frühzeitigen Auftreten eines neuen Typs rechnen müssen, oder es werden lokale Typen die Lücke füllen. Dies spielt jedoch beim Horizont-Konzept keine Rolle. Es sind dies Fragen, die diskutiert werden können, wenn lokale Chronologien entwickelt werden. Der wichtige Aspekt ist, einen gemeinsamen Referenzrahmen zu haben. Das gleiche gilt auch für die spätesten Horizonte (können Horizont 15 und 16 chronologisch unterschieden werden?). Die Attribute, die ich gewählt habe,

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sind die Eigenschaften, die am häufigsten auf den Fibeltypen zwischen der Mitte des 1. Jh. v. Chr. und der Mitte des 1. Jh. n. Chr. oder noch später auftreten. Viele verschiedene Typen können identifiziert werden, jeder mit seiner eigenen typologischen Entwicklung. Zum Beispiel die geschweiften Fibeln, der Typ Colchester, und die Kragenfibeln haben alle ihre eigenen internen Chronologien, wobei die einteiligen Formen anzunehmender Weise früher sind, während die Mehrheit schon über die kompliziertere zweiteilige Konstruktion verfügt. Ebenso, wie wir auf Abb. 15 sehen können, gibt es sogar Nauheimer Fibeln mit durchbrochenem, und nicht nur dem üblichen einfachen Rahmenfuß. Meine Horizonte stellen einen Versuch dar, diese Komplexität zu reduzieren. b. Ein regionales Beispiel: die britische Fibelsequenz 1987 wurde Hulls Korpus britischer Bügelfibeln durch seinen langjährigen Kollegen Christopher Hawkes publiziert (Hull, Hawkes 1987), und obwohl seitdem viele Fibelfunde getätigt wurden, insbesondere durch Sondengänger, basiert diese vorläufige Darstellung auf diesem Korpus.Viele Fibeln sind Streu- oder Flußfunde, aber selbst wo der Fundkontext bekannt ist, ist dieser nicht besonders nützlich, da die Fibeln zur Datierung der Keramik verwendet werden, und nicht umgekehrt. Der Großteil der Chronologie beruht daher auf Vergleichen mit der kontinentalen typologischen Sequenz, besonders der der Schweiz und Nordfrankreichs; unabhängige Datierungen gibt es praktisch nicht. Die eine große Ausnahme ist das Gräberfeld von Wetwang Slack (Dent 1982), auf dem es stratigraphische Daten aus den sich überschneidenden Gräben der mit quadratischen Gräbchen umgebenen Grabhügel gibt und sich Datierungen aus der Gräberfeldtopographie (Verfüllung der Lücken zwischen den frühen Grabhügeln) und aus der Grabarchitektur (frühe Grabhügel sind groß und haben seichte Grabgruben, die späteren sind hingegen kleiner und haben tiefe Grabgruben) ableiten lassen. Die Typologie der Fibeln gibt einen vierten Anhaltspunkt für Datierungen, das Gräberfeld gibt uns also eine Sequenz der Fibelentwicklung, besonders der verwickelten Formen (involuted brooches). Dent hat auch beobachtet, dass große Fibeln eher in Männer-, kleinere eher in Frauengräbern anzutreffen waren.

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Britische Fibeln in der Latènetradition stellen eine stark von der Norm abweichende Gruppe dar, und zeigen damit deutlich das Problem von transkontinentalen Vergleichen auf. Gewisse Horizonte wie SEZ 4 oder ab SEZ 9 können jedoch gut mit der Schweizer Sequenz verglichen werden (Abb. 17, linke Spalte), aber zwischen SEZ 5 und SEZ 8 weichen die Fibeln zunehmend vom kontinentalen Stil ab (Abb. 17, rechte Spalte), und Beispiele, die sich mit dem Kontinent vergleichen lassen, sind entweder selten oder unbekannt. Die eigenartigen britischen Fibeln haben oft nicht einmal eine ordentliche Federkonstruktion, sondern eine Imitation; vom Ende der FEZ an rotiert die Nadel oft um einen Draht oder eine stäbchenförmige Achse, die durch die Federimitation geschoben ist, oder, im Fall zahlreicher verwickelter Fibeln, an einer Trommel aufgehängt sind (z.B. die hier dargestellten Beispiele von Danes Graves und von Beckley). SEZ 2 ist kaum vertreten, obwohl die Fibel 7029 aus Woodeaton in einigen Eigenschaften mit den Fibeln von Lausanne und Rances übereinstimmt, wie die hohle Konstruktion des Bügels und der Schlitz in der Mitte des Bügels, um eine Koralleneinlage aufzunehmen. Aber es fehlt ihr der für Frühlatènefibeln typische zurückgebogene Fußteil; stattdessen hatte sie eine Art aufwärts stehenden Knopf (nun verloren), der in den Fuß eingesetzt war, eine Eigenschaft, die eher für das Ende der FEZ typisch ist, wohin diese Fibel auch üblicherweise datiert wird; auch hatte sie vermutlich eine Armbrustfederkonstruktion, ebenfalls für die FEZ typisch, auch wenn diese länger weiter läuft. Der nächste Horizont, 3, charakterisiert durch die Marzabottokonstruktion, ist in Britannien häufig anzutreffen und gibt uns einen guten Fixpunkt, aber der Horizont SEZ 4 mit dem dachförmigen Bügel scheint bisher zu fehlen. Der nächste Horizont, 5, ist wieder recht gut vertreten, aber gemeinsam mit ihm ist eine verbreitete Gruppe britischer Fibeln anzutreffen, deren typischer Vertreter die Blandford Fibel ist, die Eigenschaften der SEZ 3 (z.B. den parallel zur Nadel verlaufenden Fuß) und SEZ 5 (den langen, flachen Bügel) in sich vereint, eine am Kontinent seltene oder unbekannte Kombination (Hodson 1971). An diesem Punkt beginnt die britische Sequenz von der kontinentalen abzuweichen, mit immer länger werdenden Fibeln mit immer flacher werdenden Bügeln, zuerst

Abb. 17: Eine internationale Chronologie auf Basis der Schweizer Fibeln (Maßstab 1:2). FEZ 1 wird durch das Auftreten der einteiligen Federkonstruktion gekennzeichnet, die sich in den Horizonten 3 bis 8 findet.

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Abb. 18: Britische Fibeln (nach Hull, Hawkes 1987). Die linke Spalte zeigt Fibeln mit starker Ähnlichkeit zu kontinentalen Stilen, die rechte lokale Fibeln, die eigenständige Eigenschaften oder typische Eigenschaftskombinationen zeigen, die nicht auf kontinentalen Fibeln zu finden sind. Die Nummern sind Hulls Korpus entnommen, ebenso wie seine Klassifikation. Maßstab 1:2.

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mit freistehendem und später mit an den Bügel angeklammertem Fuß. Der Bügel wird auch zunehmend um sich selbst gewickelt, wodurch der Typ der verwickelten Fibel (involuted brooch) entsteht. Die meisten kontinentalen Fibeltypen fehlen, nur einige wenige Beispiele der Horizonte 7 und 8 kommen vor. Im Gegensatz dazu ist Horizont 9 wieder stark vertreten, und von diesem Zeitpunkt an folgt die britische Sequenz wieder stark der kontinentalen und die meisten britischen Fibeln können in die kontinentale Klassifikation eingereiht werden, obwohl gewisse Typen und Attribute, wie die Lauteracher und die Löffelbügelfibel, bisher nicht bekannt sind. Das Verhältnis zwischen den spätesten verwickelten Fibeln und Fibeln des Horizonts 9 ist unbekannt, aber die Letzteren sind im Gräberfeld von Wetwang nicht vertreten, was vermuten läßt, dass dieses Gräberfeld (und die verwickelten Fibeln) nicht mehr benutzt wurden, als diese Fibeln eingeführt wurden. Eine neue Untersuchung der britischen Fibeln ist eindeutig dringend nötig, um Hulls Datenbank auf den neuesten Stand zu bringen. c. Ein lokales Beispiel: die Keramiksequent von Owslebury Der Bericht über die Keramik der eisenzeitlichen und römischen ländlichen Siedlung von Owslebury (bei Winchester, Hampshire) ist derzeit in Vorbereitung (Collis et al. i.V.). Die Fundstelle war durchgehend vom 4. Jh. v. Chr. bis ins späte 4. Jh. n. Chr. besiedelt und stellt uns vor viele der Probleme, die für die Erstellung einer Artefakt-basierten Chronologie typisch sind, und somit auch vor Probleme bei der Zuweisung der 700+ ausgegrabenen Befunde zu Phasen. Zum ersten ist, obwohl Bügelfibeln in dieser Region ab den 6. Jh. v. Chr. auftreten, die früheste Fibel von dieser Fundstelle eine in Nauheimer Konstruktion (SEZ 12), die früheste aus einem stratifizierten Kontext stammende gehört sogar erst in SEZ 16, sowohl aus Grab- als auch aus Siedlungsbefunden. Fibeln und, vom 1. Jh. v. Chr. an, Münzen, helfen zwar bis zu einem gewissen Grad bei der Datierung, aber für die frühe römische Kaiserzeit stellt die Terra Sigillata die beste Grundlage für die Chronologie dar, unterstützt durch seltenere Importstücke wie St. Rémy grünglasierte Waren und Rheinische Becher. Ansonsten basiert die Datierung auf den Typenserien

von bedeutenderen Fundstellen in der Umgebung wie Danebury,Winchester und Silchester, und, weiter entfernt, Hengistbury Head, Fishbourne und Colchester. Wie allerdings bereits angemerkt wurde ist die Chronologie von Danebury für die Früh- und Mitteleisenzeit problematisch, und das Einzugsgebiet der Keramik von Owslebury und Danebury überlappt nur teilweise. Für die Zeit zwischen 1. Jh. v. Chr. und 1. Jh. n. Chr. ist Owslebury die bedeutendste stratifizierte Gruppe in der Region und wird daher selbst der wichtigste Referenzpunkt werden. Darüber hinaus gibt es auch keine Feinchronologie für die spätrömische Periode und es ist daher schwer zwischen Kontexten des späten 3. und 4. Jh. n. Chr. zu unterscheiden. Außerdem fehlen viele der charakteristischen Formen wegen des niedrigen ökonomischen Status der Fundstelle während dieser Zeit, die zum Beispiel für das regionale Zentrum von Winchester, Venta Belgarum, 7-8 Kilometer entfernt, typisch sind. Die frühen eisenzeitlichen Befunde auf der Fundstelle bestehen großteils aus rasch wieder verfüllten Störungen: Vorratsgruben, Materialentnahmegruben und Pfostenlöcher. Diese überschneiden einander nur selten, es gibt also beinahe überhaupt keine stratigraphischen Beziehungen. Die Funde aus jedem einzelnen Objekt wirken sehr homogen, sind aber oft stark fragmentiert. Es stellt sich also die Frage woher das Verfüllungsmaterial stammte, das nahezu immer absichtlich eingebracht wurde, z.B. von überirdischen Misthaufen, und wie lange es sich dort angesammelt haben mag. Gegenwärtig ist der einzige Weg zu einer relativen Chronologie für diese eisenzeitlichen Phasen (‘Middle Iron Age’ in der lokalen Terminologie) der über die Seriation. Im Gegensatz dazu stammt späteres Material hauptsächlich aus Gräben von zwischen ein und zwei Metern Tiefe. Es gibt daher zahlreiche sich überschneidende Gräben oder solche die an vorher bestehende Wälle und Gräben angesetzt sind. In manchen Fällen verfüllten sich diese Gräben über eine Zeit von 3-400 Jahren, wodurch sich eventuell stratigraphische Sequenzen ergeben. Unglücklicherweise ist jedoch der Prozess der Grabenverfüllung ein sehr komplexer, bei dem Material aus älteren Ablagerungen an den Wänden des Grabens, aus Erdwällen und aus der Humusschicht durch Frost auserodiert und in den Graben

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fällt. Grober Schutt lagert sich also zur gleichen Zeit an der Grabensohle ab, zu der sich feine Ablagerungen an den Grabenwänden bilden, dazu kommen möglicherweise bedeutende Störungen durch menschliche und tierische Handlungen, die dazu führen können, dass sich unterschiedliche Stellen desselben Grabens unterschiedlich rasch verfüllen. Vergleichsweise flache Gräben sind daher nicht geeignet, die feine Stratifikation zu produzieren, die man beispielsweise in urbanen Kontexten antreffen kann. Schließlich kommt noch das Problem dazu, dass viele dieser Gräben mehrmals gereinigt oder nachgegraben wurden, und dadurch Schichten oft durch spätere Phasen des Grabenaushebungsprozesses verunreinigt werden. Diese Probleme von Verunreinigung und Residualität werden im Detail von Pierpoint in seiner Analyse der Keramik besprochen werden (Pierpoint i.V.), das Problem der Ausgrabung dieser Gräben wurde bereits in Collis 2001 diskutiert. Schließlich waren noch alle Befunde durch Wurmaktivitäten nach Aufgabe der Siedlung gestört, sodass die obersten 5-10 cm aller Objekte (inklusive rein natürlicher Befunde) komplett durchmischtes Material enthielten und daher bei der chronologischen Auswertung der Funde nicht berücksichtigt werden konnte. Die Eigenschaften der Keramik, die sich für die Erstellung von Horizonten für eine fundstelleninterne Chronologie als nützlich erweisen könnten und auch die Anbindung an eine regionale und internationale Chronologie erlauben, fallen in vier Hauptkategorien: technologischeVeränderungen, Gefäßformen, die Machart, sowie spezifische Eigenschaften wie Verzierungen oder stylistische Kriterien wie Randformen. In der Siedlung wurde keine Keramik erzeugt, alle Horizonte sind damit also zumindest von regionaler Signifikanz. Technologische Horizonte Der eine offensichtliche technologische Horizont ist das Auftreten von scheibengedrehter Keramik; die früheste Scherbe ist aus Grube F400, wurde gemeinsam mit einem Henkel einer Dressel 1 Amphore (vermutlich Dressel Ia) angetroffen und datiert ins späte 2. – frühe 1. Jh. v. Chr. Dies erlaubt eine Korrelation mit anderen Fundstellen im südlichen Britannien, auch wenn die Keramikformen dort deutlich ande-

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re sein mögen. In der frühen römischen Periode ist dann die Keramik durchgehend auf der Scheibe gedreht, es gibt jedoch auch einen weiteren Horizont in der spätrömischen Periode, in dem neuerlich handgemachte Kochtöpfe auftreten (Abb. 20.21). Andere mögliche Veränderungen sind das Auftreten oxidierender Brenntechniken, in Owslebury mit dem Auftreten Gallo-Belgischer Waren assoziiert. Gefäßformen Diese reflektieren kulturelle Veränderungen in den Lebensstilen der Einwohner, besonders in den Nahrungserzeugungstechniken, Esspraktiken und Lagerpraktiken. Es kann daher langsame Evolution geben (die graduelleVeränderung von flachen Schalen in tiefere Schüsseln, wie bei der Terra Sigillata (Dragendorff 18, 18/31 und 31)), wozu es eine parallele Entwicklung in den lokalen Waren gibt, aber auch sehr rasche Veränderungen, wie um die Zeit der römischen Eroberung, mit dem Auftauchen von Mörsern, Kannen und neuen Typen von Tischgefässen. Bedeutendere Veränderungen dieser Art beinhalten: Teller und Becher. Diese haben eine lange Tradition in Britannien, wie auch in vielen Teilen des Kontinents, als Ess- und Trinkgeschirr, beginnend in der Spätbronzezeit und in Britannien bis ins 5.-4. Jh. v. Chr. laufend. Owslebury wurde gegründet, als diese Tradition gerade zu Ende ging, und bisher wurde bloß ein handgemachtes Gefäß dieser Klasse identifiziert (Abb. 19.2). Situlaförmige Töpfe und Kochtöpfe. Auch diese Tradition war im Aussterben, als Owslebury gegründet wurde (Abb. 19.1). Kasserollen (Saucepan pots). Diese geradwandigen oder etwas konkaven Gefäße sind eine typische Erscheinungsform der „Mittleren Eisenzeit” im zentralen Südbritannien. Eine Unterteilung zwischen den frühen, grob gemachten und unverzierten Beispielen aus der frühesten Siedlungsphase (Abb. 19.3), die primär zum Kochen verwendet wurden, und den späteren fein verzierten Beispielen die sowohl zum Kochen als auch zur Präsentation geeignet waren (Abb. 19.5) mag angebracht sein; es gibt eine graduelle Entwicklung vom einen zum anderen, mit dem Auftreten von Glättverzierungen auf groben Gefäßen (Abb. 19.4). Tiefe Schüsseln. Nach einer Lücke von etwa einem Jahrhundert oder mehr treten handgeformte Schüsseln

Abb. 19:Vorrömische Keramik aus Owslebury, Hants. Maßstab 1:4.

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auf (Abb. 19.7, 8), am Übergang zwischen der lokalen Mittel- und Späteisenzeit (für eine Definition dieser Phasen siehe Collis 1977). Diese sind handgemacht, aber einige Exemplare wurden in F400 gemeinsam mit der frühesten scheibengedrehten Keramik gefunden, und es gibt einige Kontinuitäten von den Kasserollen in der Herstellung (Machart,Verzierung). Amphoren. Amphoren treten ab etwa 100 v. Chr. auf und werden dann weiterhin eingeführt, eventuell durch die gesamte römische Periode hindurch, obwohl sie stark fragmentiert sind und in erster Linie anhand ihrer Machart und nicht aufgrund ihrer Form identifiziert werden können.

Scheibengedrehte Töpfe und handgemachte Imitationen. Dazu gehören Formen mit umlaufender Leiste (Abb. 19.9) und Töpfe mit Wulstrand (Abb. 19.10), die kontinentale Einflüsse, in erster Linie aus der Bretagne und der Normandie, repräsentieren. Platten und Teller. Diese sind Teil der Übernahme italienischer und gallischer Essstile, und beinhalten Terra Sigillata Platten, Terra Nigra (Abb. 19.11), Terra Rubra, und lokale sandige Tone. Gallo-Belgische Becher. Dazu gehören Becher verschiedener Arten (butt beakers, Abb. 19.12, und girth beakers Abb. 19.13). Alle diese Typen mögen als Paket auftreten, nicht als eine Serie von Horizonten, die eine

Abb. 20: Römische Keramik aus Owslebury, Hants. Maßstab 1:4.

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feinere Chronologie erlaubt hätten. Sie treten vermutlich im Vergleich mit Fundstellen wie Silchester erst spät auf. Henkelflaschen. Dazu gehören Hofheim-Flaschen (Abb. 19.14), ein weiteres Element des Gallo-Belgischen Pakets. Krüge. Diese treten auch etwa zur gleichen Zeit auf, oder ein wenig nach den Gallo-Belgischen Waren (Abb. 20.15). Töpfe mit geradem Hals (Straight-neck jars). Dies ist eine charakteristische lokale Form die in verschiedenen Varianten und Größen auftritt, und die sich eventuell weiter unterteilen wird lassen, wodurch sich eine bessere Chronologie für das späte 1. und 2. Jh. n. Chr. ergeben sollte (Abb. 20.16). Einfache Teller. Diese ersetzen die Platten, aus denen sie sich entwickeln, auf die gleiche Art wie sich die Terra Sigillata-Schalen von Dragendorff 18 über 18/31 zu 31 entwickeln (Abb. 20.17). Pastetenschalen. Eine typische Form des späten 2. und 3. Jh. n. Chr. (Abb. 20.18). Gebördelte Schüsseln. Eine typische späte Form, die in verschiedenen Größen und Tonarten auftritt (Abb. 20.19). Faltenbecher. Frühe Importe von Rheinländischen und Castorwarenimitationen scheinen zu fehlen, und die Form tritt erst auf, nachdem die New Forest Töpferwerkstätte ihre Produktionstätigkeit aufgenommen hatte (Abb. 20.20). Handgemachte Kochtöpfe. Diese treten häufig in späten Ablagerungen auf, sogar als Urne in einer späten Brandbestattung, Grab 35 (Abb. 20.21). Machart Steve Pierpoints Untersuchung der Keramik konnte über 100 verschiedene Macharten identifizieren, hauptsächlich solche lokalen Charakters, entweder mit lokalem Flint oder gebranntem Flint versetzter Ton, oder, zunehmend, sandgemagerte Waren, die während der römischen Periode dominant werden. An dieser Stelle möchte ich nur zwei oder drei der wichtigsten Macharten nennen. In den früheren Phasen der eisenzeitlichen Besiedlung gibt es neben den flintversetzten auch spreugemagerte Waren (z.B. Abb. 19.4), und eine bedeutende Veränderung ist das Auftreten fein gemagerter geglätteter Waren des ‘St.

Catharine’s Hill’ Keramikstils (Abb. 19.6), die auch länger weiterläuft (Abb. 19.7). Der Großteil der frühen scheibengedrehten Ware ist sandgemagert, aber einige der frühesten Stücke ist schamottgemagert (z.B. Abb. 19.9). Das Ende der Eisenzeit ist durch das Auftreten Gallo-Belgischer Macharten, besonders von Terra Nigra, Terra Rubra und verschiedenen oxidierend gebrannten Waren bei Bechern und Flaschen gekennzeichnet. Es ist nicht klar, ob diese schon vor oder erst nach der römischen Eroberung auftauchen, die sich durch das Auftreten von Terra Sigillata kennzeichnet (nur eine Scherbe könnte vor die Eroberung datieren). Durch die fragmentarische Erhaltung der Terra Sigillata auf der Fundstelle ist die Machart das hauptsächliche Kriterium, nachdem diese Scherben datiert werden können. In der späten römischen Periode sind bedeutende Marker das Auftauchen von New Forest-Macharten, besonders die auffälligen färbig überzogenen Waren für Flaschen und Becher (z.B. Abb. 20.20), und auch die handgemachten schamottgemagerten Kochtöpfe (Abb. 20.21) könnten einen nützlichen Horizont darstellen. Obwohl manche der Macharten, besonders importierte Waren, nützliche chronologische Marker bieten werden, ist Owslebury ein gutes Beispiel für eine Fundstelle, die manche Macharten erst etwas verspätet erreichten (z.B. Terra Sigillata). Verzierung und stilistische Kriterien Von den frühesten Phasen an ist eine auffällige Eigenschaft das Abflachen des Randes, entweder horizontal (Abb. 19.4) oder schräg (Abb. 19.3). Die Attribute und Sequenz der mitteleisenzeitlichen Keramik ist derzeit noch unklar und es ist unwahrscheinlich, dass diese Fragen in Owslebury gelöst werden können, aber verwendbare Attribute stellen die Behandlung der Oberfläche (der Beginn der Glättverzierungen) und insbesondere die Verwendung von Verzierungen dar. Die häufigste Verzierungsart ist ein Band schräger Linien unterhalb des Randes, häufig vorgezeichnet mit durchgehenden Linien oder Punktreihen. Anfänglich sind diese geglättet (Abb. 19.5), aber ein häufiges Charakteristikum des ‘St. Catharine’s Hill’ Stils sind leicht kannelierte Verzierungen (Cunliffe 2005: Fig. A:16), obwohl in einer Grube, F186, die Verzierungen tief eingegraben sind. Gelegentlich sind diese Gefäße mit

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Abrollstempeln oder Kammeindrücken verziert; es gibt aber auch komplexere Motive (Abb. 19.6). Mit dem Auftreten der Töpferscheibe tritt ein neues Spektrum an Eigenschaften auf, auch auf handgemachter Keramik. Dazu gehört ein neuer Verzierungsstil mit zwei in deutlichen Abstand voneinander angebrachten geglätteten Bändern (im Bereich zwischen Rand und Schulter, und um den Bauch des Gefäßes), zwischen denen vertikale Rillen oder Glättstreifen oder Linienbündel angebracht sind (Abb. 19.10). Verzierungsleisten und Standfüße setzen ein, Eigenschaften die aus früheren Phasen der Eisenzeit bekannt sind (aber nicht lokal) und nun nach einer langjährigen Unterbrechung neuerlich auftreten. Die häufigste Randform in den späteren Phasen der Eisenzeit und der frührömischen Periode ist der Wulstrand, der ab der mittleren Eisenzeit auftritt, aber nun dominierend wird. Teilweise steht die Form der Wulstränder mit der Form und Funktion der Töpfe in Zusammenhang, aber sie ist auch chronologisch empfindlich, mit zahlreichen Formvarianten, die eine feinere Chronologie der 2300 Jahre, in denen sie in Verwendung standen, erlauben sollte (Abb. 21). Zu den selteneren Verzierungen gehören eingeritzte Metopenbänder, ein Stil der auch aus Hengistbury Head bekannt ist (Cunliffe 1987: Ill. 224, nos. 679, 767), und mittels derer eine Korrelation zwischen den Sequenzen dieser beiden unterschiedlichen Regionen hergestellt werden kann. In der frühen römischen Periode sind es die geradhalsigen Gefäße, die das beste Potential für feintypologische Studien aufweisen. Diese haben verschiedene Randformen, und sie zeichnen sich durch Anwesenheit oder Abwesenheit von Leisten (und durch Rillungen erzeugte falsche Leisten) am unteren Ende des Halses oder an der Schulter sowie verschiedene Stile von Glättverzierungen zwischen den Leisten aus (Abb. 20.16), aber zu welchem Grad dies chronologisch empfindlich ist oder Hinweise auf unterschiedliche Produktionszentren gibt ist bisher noch ungeklärt. Das gleiche gilt im wesentlichen für die Platten und Schüsseln – ab einem gewissen Zeitpunkt werden Platten sowohl an der Innen- als auch an der Aussenseite mit Wellenbändern verziert, und dies wird dann auch auf die Schüsseln übertragen (Abb. 20.17). Diese Verzierung findet sich auch auf anderen Gefäßtypen wie Töpfen und stellt ein Beispiel für

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eine Eigenschaft dar, die die üblichen auf der Gefäßform aufgebauten typologischen Unterscheidungsmerkmale transzendiert. Die gleiche Variation kann auch bei der Glättstreifenverzierung und bei der Gitterverzierung auf den Pastetenschalen und den gebördelten Schüsseln gefunden werden (Abb. 20.18, 19), und diese weisen ebenfalls eine Varianz bei den Randformen auf. Die durch die verschiedenene Mittel entwickelten Horizonte fallen in drei Hauptkategorien: 1. Solche die für die Phasengliederung der Fundstelle und ihre Einordnung in ihr regionales und internationales Umfeld bedeutend sind, und die auch ausreichend häufig vorkommen, dass ihr Fehlen in einem beliebigen Kontext aussagekräftig sein kann. Zu diesen gehört, in ungefährer chronologischer Abfolge: flacher Rand, Glättverzierung, kannellierte Verzierung (St. Catharine’s Hill style), scheibengedrehte Keramik, flache Schüsseln, geglättete Metopenverzierungen, Gallo-Belgische Waren, Platten, Terra Sigillata, geradhalsige Gefäße, Pastetenschalen, gebördelte Schalen, New Forest farbig überzogene Waren, handgemachte Kochtöpfe. 2. Attribute die eine feinere Chronologie zu erstellen erlauben, ohne größere Horizonte darzustellen: verschiedene Wulstrandtypen,Verzierungen auf geradhalsigen Gefäßen, Platten, Pastetenschalen, gebördelten Schalen, etc. 3. Seltene Stücke die den chronologischen Vergleich mit anderen Fundstellen erlauben: Kamm- und Rollsiegelverzierungen auf Kasserollen, eingeritzte Metopenverzierungen, Machart von Amphoren, St. Rémy glasierte Waren, Rheinische Becher, Verzierungen auf New Forest und Oxford Waren. Durch diese detailliertere Analyse wird hoffentlich eine feinere Chronologie erstellt werden können als gegenwärtig verfügbar, obgleich es wegen der Art der Stratigraphie in Owslebury nur möglich sein mag, die verschiedenen Attribute zu definieren, aber nicht ihre chronologischen Verhältnisse oder Laufzeiten. Das andere Problem ist, dass für die frühen eisenzeitlichen Phasen keine stratifizierten Funde von Bügelfibeln zur Verfügung stehen und es daher gegenwärtig unmöglich ist, die Sequenz in Owslebury mit meiner internationalen Sequenz zu korrellieren. Dies kann nur

durch die Beobachtung von mit stratifizierten Fibelfunden im ganzen Land assoziierten Attributen geschehen. Haselgrove (1997) hat damit begonnen, die verschiedenen Typen gemäß Hulls Sammlung aufzulisten, und die hervorzuheben, die aus stratifizierten Kontexten stammen. Dies muss jedoch noch in größerem Detail geschehen; in Britannien hinken wir, hauptsächlich wegen der schwierigen Natur unserer Daten, noch weit hinter unseren kontinentalen Kollegen her, wo die Konstruktion solider Chronologien betroffen ist, selbst in Regionen, in denen es viele Keramikfunde gibt! 19. Martin Trachsels Chronologie Der wichtigste Beitrag aus jüngeren Jahren zur Chronologie der Eisenzeit, sowohl für das gemäßigte als auch das mediterrane Europa, ist jener von Martin Trachsel (2004). Obwohl er sich auf die erste Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. konzentriert, hat er auch wichtige Dinge über den Beginn der späten Eisenzeit angemerkt. Seine chronologische Verfeinerung baut teilweise auf der Verwendung von Attributen bzw. Merkmalen statt von Typen auf, und, wie bereits zuvor bemerkt wurde, bricht er mit der Idee eines monolithischen Beginns der „Latène”-Eisenzeit und ersetzt diese durch eine Reihe von Markern, die nicht notwendigerweise gleichzeitig eingeführt werden: zwei- statt vierrädrige Wagen, die einteilige Latènefibelkonstruktion statt der zweiteiligen hallstättischen „Armbrustkonstruktion“. Die Einführung der Latènekunst wird in voneinander getrennte Komponenten geteilt: den Scheibenfibel-Stil, den stark geometrischen Stil, den organischen Stil, etc., und weiter in einzelne Motive und Elemente unterteilt. Diese treten ebenfalls nicht alle gleichzeitig auf. Sein hauptsächliches Ziel sind letztendlich die absoluten Daten, und insbesondere die Angleichung der auf Dendrochronologie beruhenden mitteleuropäischen mit den auf klassischer Kulturkontaktdatierung basierenden Vergleichen mit italischen und letztlich griechischen Chonologien, wodurch gezeigt wird, dass diese ebenfalls der Revision bedürfen. Sein Ausgangspunkt ist die Chronologie von Wagen, hauptsächlich in Gräbern gefundene, auch wenn manche, besonders unter den frühesten, hauptsächlich aus

Hortfunden bekannt sind.Aufbauend auf diesen erstellt er eine Seriation und erzeugt mittels der statistischen Methode der Korrespondenzanalyse eine Sequenz der 393 von ihm untersuchten Wagen. Obwohl regionale Eigenschaften in einigen Fällen die Sequenz bestimmen, ist der hauptsächliche Faktor in ihrer Ordnung ihre Datierung. Er versucht dann, seine Sequenz zu bestätigen (oder zu widerlegen), indem er seine Ergebnisse mit den traditionellen chronologischen Phasen abgleicht, aber auch, in größerer Detailtiefe, durch einen Vergleich mit der typologischen Entwicklung anderer assoziierter Artefakttypen wie Nadeln, Fibeln, Schwertern, Ortbändern, Dolchen, etc., also Typen die ausreichend häufig vorkommen, um Vergleiche zu gestatten. Allgemein und auch in vielen der Details unterstützen diese Typologien seine Chronologie. Durch die Analyse der „geschlossenen Funde”, wie sie Gräber darstellen, schlägt Trachsel zwei Prinzipien vor: 1. eine Unterscheidung zwischen „Produktionszeit”, während der ein bestimmter Artefakttyp erzeugt wurde, und der „Laufzeit“, während der der Artefakttyp nicht mehr produziert wurde und durch einen anderen Typ ersetzt worden ist, aber immer noch im Gebrauch stand oder weitergegeben wurde. 2. dass Grabbeigaben gewöhnlich das persönliche Eigentum des Verstorbenen waren, und sich so aus Gegenständen zusammensetzen, die an bestimmten Punkten während der Lebenszeit des Verstorbenen (z.B. während Übergangsriten) erworben wurden, eine Interpretation die auf den Beobachtungen der Bestattungen im Magdalenenberg bei Villingen beruht. Eine alte Person wird daher Gegenstände angesammelt haben, die eventuell 40 oder 50 Jahre vor der Bestattung erzeugt worden waren, während jüngere Verstorbene eine kleinere aber homogenere Ausstattung mit sich führen würden, die erst vergleichsweise kürzer vor der Bestattung erzeugt worden waren. Dies erscheint mir als vernünftige Hypothese was robuste Gegenstände wie Schwerter und Wagen betrifft, problematischer jedoch wo delikatere Gegenstände wie Fibeln betroffen sind. Es wäre aber auch möglich, dass die Ausstattung in anderer Weise angesammelt werden konnte (z.B. Geschenke von Trauernden).

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Wie seine Ideen in der Praxis umgesetzt werden, zeigt sich deutlich an seiner Behandlung des Grabes von Vix. Seit seiner Entdeckung 1953 wurde dieses Grab zur Charakterisierung der Späthallstattzeit (Ha D3) in Ostfrankreich herangezogen: vierrädriger Wagen, Fibeln in Hallstattkonstruktion, attisch schwarzfigurige Keramik. In seiner Wagensequenz ist Vix Nummer 294, vor seinem „Hallstatt / La Tène” Übergang, den er zwischen Wagen 301 und 302 ansetzt. Er merkt jedoch an, dass die Eigenschaften der Grabbeigaben und des Bestattungsritus typischer für „La Tène“ als für „Hallstatt“ sind: ein offener statt ein geschlossener Goldtorques, der geflügelte Pegasus an seinen Enden, der einfache „Ringschmuck“ (Armringe, etc.), die Lage des Körpers auf dem Wagen. Obgleich die Verstorbene nur etwa 35 Jahre alt war,schlägt er vor, dass diese Zeit ausreichend war, dass sie in ihrer Jugend „Hallstatt“-Gegenstände ansammeln konnte, aber näher an ihrem Tod modischere „Latèneornamente“ erwerben konnte. Daher ist für ihn das Grab von Vix ein „Latènegrab”, und er verwendet es um sein „Latène A früh“ zu definieren, obwohl zum Beispiel die gleichen Fibeln in seinem Ha D3 in Baden-Württemberg verwendet werden. Das ist der Punkt wo sich meine Ansicht von seiner trennt! Wir beginnen beide mit der Seriation als unserer primären methodologischen Basis für die Konstruktion von Chronologien, und anerkennen die möglichen Widersprüche in der Evolution und den Typologien verschiedener Atrefakttypen. Trachsel sagt explizit, dass er für seine Unterteilungen der traditionellen Phasen (Ha D3, Lt A, etc.) absichtlich Begriffe wie „früh“, „mittel“ und „spät“ verwendet, um vermeiden zu können, diese im Detail definieren zu müssen. Im Fall des Grabes von Vix vermischt er jedoch meine drei unterschiedlichen chronologischen Methoden. Er verwendet die Seriation zur Beschreibung des Materials, Phasen oder Stufen werden zur Definition davon verwendet, was „Hallstatt“ und was „Latène“ ist, und das Konzept des Horizonts wird dazu verwendet, den Beginn seiner Latèneperiode durch die Anwesenheit der „Latène“-Charakteristika zu bestimmen, die er im Grab von Vix bemerkt. In diesem Fall kommt dem die zusätzliche Bedeutung zu, dass dies nicht nur den Übergang von einer Phase zur nächsten darstellt, sondern einen bedeu-

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tenden kulturellen Wandel, eben den von Hallstatt zu Latène. Dadurch ergibt sich eine Reihe von Fragen: sollten wir alle möglichen Charakteristika oder Attribute verwenden, um den Beginn des Latène zu bestimmen, wodurch „unscharfe” Grenzen entstünden, weil diese mit Sicherheit nicht alle gleichzeitig auftreten, was aber den Vorteil hat, dass die Unterteilung nicht womöglich auf der An- oder Abwesenheit einer Eigenschaft beruht, die rein zufällig in einem Fundkomplex fehlen mag, oder deshalb, weil sie nur selten deponiert wird. Aber wie wir im Fall von Vix gesehen haben, führt dies zu einer Verwirrung im Bereich der Nomenklatur, und ich musste mich während dieser Diskussion dauernd daran erinnern, ob er über einen Bereich sprach, in dem sich meine Annahmen, wodurch eine bestimmte Periode bestimmt würde, mit den seinen deckten, oder wo wir voneinander abweichen. Oder sollten wir, wie ich in diesem Beitrag vorschlage, ein bestimmtes Kriterium als Marker setzen, selbst wenn wir wissen, dass andere mögliche Marker damit nicht übereinstimmen werden? Für mich bedeutet diese klare Unterteilung das Vermeiden von Verwirrungen. Ein weiteres Problem ist, dass Trachsel Interpretation und Nomenklatur mischt. Im Fall von Vix mögen wir eine Ansammlung von Gütern über einen gewissen Zeitraum vor uns haben (eine Interpretation), aber eine andere Interpretation könnte zum Beispiel davon ausgehen, dass die Trauernden die Güter bereitgestellt hätten, die der Verstorbenen mitgegeben wurden. In diesem Fall könnten wir das „Hallstatt“Material als repräsentativ für den Bestattungsbrauch zur Zeit der Bestattung sehen („Maturität“ in der Seriationsnomenklatur wird oben diskutiert), aber dass neue Elemente zum Zeitpunkt ihrer „Geburt“ vorhanden waren, die später in der folgenden Latèneperiode zur Norm werden. Dieser „Übergang“ hat den zusätzlichen gefühlsgeladenen Faktor eines vermeintlichen „Kulturwandels“, der die „Hallstattkultur“ in die „Latènekultur“ verwandelt. Es ist ungünstig, dass die Archäologie Gordon Childe (1929) darin gefolgt ist, das einzelne Wort „Kultur” als Abkürzung für Kossinnas „Kulturgruppe” zu verwenden, wodurch zwei fundamental unterschiedliche Konzepte vermischt wurden. Trachsel, in für die deutschsprachige Tra-

Abb. 21:Variationen von eisenzeitlichen und frührömischen Wulsträndern (nach Pierpoint i.V.).

dition typischer Weise, akzeptiert die Existenz einer „Hallstattkultur“ und einer „Latènekultur“ als Kulturgruppen. Ich bin willens, diese Begriffe in ihrem anthropologischen Sinn zu sehen, d.h. als „Hallstatt”und „Latène“-Art, Dinge zu tun, wie z.B. eine Fibel zu machen, einen Gegenstand zu verzieren oder Verstorbene zu begraben, und sehe dies als in stetigem Wandel begriffen, regional unterschiedlich und oft chronologisch kurzlebig. Aber ich akzeptiere nicht das Konzept einer „Hallstatt“- oder „Latène“-Kulturgruppe, die die Präsenz gewisser statischer Elemente impliziert, die diese definieren. Ich denke das verwirrt unser Denken,

wie im Fall von Vix. Trachsel, wie auch ich, anerkennt vielfältige Ursprünge der kulturellen Eigenschaften eisenzeitlicher Gesellschaften in Mittel- und Westeuropa, zum Beispiel die mutmaßlich britische Herkunft des bronzenen Gündlingen-Schwerttyps, die atlantische oder südwestliche Herkunft der Hallstatt DDolche, und möglicherweise eine südwestfranzösische Herkunft der Armbrustkonstruktion. Er geht jedoch nicht so weit zu hinterfragen, ob die Idee eines „Westhallstatt-Kulturkreises“ tatsächlich irgendeine Bedeutung hat.Trotzdem er das Problem der Phasendefinition anerkennt, investiert er einen unmä-

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ßigen Arbeitsaufwand darauf, Kriterien zu definieren, die den traditionellen Phasen wenigstens eine gewisse Realität zuzuweisen erlauben. Er macht jedoch nicht den meiner Meinung nach notwendigen nächsten logischen Schritt und fragt „Warum belasten wir uns damit, etwas zu definieren, das logisch nicht existiert?“, um nach einem neuen Weg, die Dinge zu betrachten, zu suchen. Seine Arbeit hat uns ein großes Stück in Bezug auf die Konstruktion einer neuen Chronologie weiter gebracht, aber letztendlich setzt seine Arbeit meiner Meinung nach nur die Tradition fort, die Sonnenstühle an Deck umzugruppieren, während die Titanic des Reinecke-Systems langsam in den Wellen versinkt. Es ist Zeit das Schiff zu wechseln, und das gilt nicht nur für die mittel- und westeuropäische Eisenzeit, sondern, wie seine Arbeit ebenfalls zeigt, auch für die mediterranen Chronologien Griechenlands und Italiens. 20. Die weitere Perspektive Die Prinzipien und Methoden, die hier vorgestellt wurden, stellen ein signifikantes Abgehen von den herkömmlichen Methoden der Chronologiekonstruktion dar, haben jedoch eine lange Tradition in der Eisenzeitforschung, beginnend mit Tischler, und wurden insbesondere von Hodson in seinen Untersuchungen von Münsingen und Hallstatt (1991) verwendet. Der hauptsächliche Unterschied zwischen Hodsons Arbeiten und meinem Vorschlag ist, dass ich der Bedeutung einzelner Attribute mehr Gewicht beimesse als der von Typen. Auch waren beide Untersuchungen Hodsons fundstellenspezifisch, während ich versuche, dieselben Prinzipien auf die universelle Nomenklatur auszudehnen, statt die Horizonte mit den Phasen des Systems Reineckes oder Déchelettes in Einklang zu bringen. Drittens befasste sich Hodson ausschließlich mit dem Material von Gräberfeldern, deren Material gegenüber jenem von Siedlungsfunden sowohl einige Vorteile als auch einige Nachteile hat – die weitaus zufallsbedingtere Zusammensetzung der Siedlungsfunde und ihr potentiell größeres Spektrum sind von Vorteil, aber das größere Problem der Funddurchmischung mit Altmaterial ist ein Nachteil. Wie ich ebenfalls ausgeführt habe, gibt es bereits Bereiche typologischer Studien, beispielsweise die Un-

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tersuchung von Terra Sigillata, wo die von mir hier vorgestellten Ideen, wenn auch noch nicht so explizit ausgedrückt wie hier, bereits in Verwendung stehen. Als ich eine frühere Version dieses Beitrags in Lille präsentierte, wurde durch das von anderen, sich mit chronologischen Themen auseinandersetzenden Teilnehmern gezeigte Interesse klar, dass die hier vorgestellten Prinzipien auch weitere Implikationen für traditionelle Chronologien wie die gut etablierten Sequenzen aus Griechenland und Italien haben, und viele der dort anstehenden Probleme (z.B. die Probleme einer „langen“ und „kurzen“ Chronologie der italischen Spätbronze- und Früheisenzeit und deren Korrelation mit der griechischen Sequenz) durch einen auf Horizonten basierenden Ansatz weitaus leichter lösbar sein. Ein anderer Bereich, wo dieser Ansatz zur Anwendung kommen kann, sind humangenetische Untersuchungen. Eine Untersuchung wie jene Oppenheimers (2006), aufbauend auf den Mutationen bestimmter Gene der mitochondrialen DNA und am Y-Chromosom, folgen denselben Prinzipien wie in diesem Artikel vorgeschlagen, wobei jede Mutation einen „Horizont“ markiert. Hier könnte die Archäologie möglicherweise zur Humangenetik beitragen; wir haben keine Hoffnung, einen Überblick über den gesamten Genpool einer vergangenen Population zu erhalten, weil sich antike DNA nur selten, und wenn, dann nur fragmentarisch erhält, aber wir könnten im Stande sein, eine Datierung für das Auftreten einer bestimmten Mutation zu ermitteln, und somit eine Bestimmung des Zeitpunkts zu erhalten, vor dem sie stattgefunden haben muss, als auch eine Ortsbestimmung, beides Dinge, die die Genetiker momentan hauptsächlich aus der Verteilung moderner Populationen zu extrapolieren versuchen. 21. Eine Rekapitulation der Prinzipien 1. Der gegenwärtige Ansatz zur Chronologiekonstruktion, der auf den Konzepten der Periode oder Stufe und auf Leittypen beruht, den Methoden Reineckes und Déchelettes folgend, ist für die gegenwärtige Forschung nicht länger ausreichend. Diese Perioden sind nur heuristische Mittel, und sie existieren eigentlich nicht. Die verwendete

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Nomenklatur variiert von Region zu Region und ist verwirrend.Wir benötigen daher einen alternativen Ansatz. Leittypen sind von begrenzter Nützlichkeit, weil sie selbst internen chonologischen Entwicklungen unterliegen. Mein Vorschlag ist eine Chronologie aufbauend auf konkreten Attributen und dem Konzept des Horizontes (der den Moment der Annahme eines neuen Attributs anzeigt, d.h. sein Auftreten bestimmt einen terminus post quem). Je detaillierter eine Chronologie ist, umso begrenzter ist ihre Anwendbarkeit auf einen weiteren geographischen Raum. Eine Chronologie und Nomenklatur, die weit anwendbar ist, wird notwendigerweise sowohl einfach als auch grob bleiben müssen, und sollte nicht der dauernden Revision und Neudefinition unterworfen sein. Für eine internationale Chronologie schlage ich die Nomenklatur „Früheisenzeit” (FEZ) und „Späteisenzeit” (SEZ) vor, um die Verwirrung durch Begriffe wie Hallstatt und Latène, die auch kulturelle Konnotationen haben und in vielen Regionen nicht unbedingt anwendbar sind, zu vermeiden. Die Konzepte von „Hallstatt“ und „Latène“-Kulturgruppen sollten aufgegeben werden, da sie unmöglich definiert werden können und methodisch fragwürdig sind. Statt dessen sollte Kultur in einem anthropologischen Sinn auf Ideen beschränkt werden, die durch Raum und Zeit weitergegeben werden können (z.B. Grabriten, Kunststile). Das Konzept des Wandels oder „Übergangs“ hat keine Bedeutung, weil Materialkultur (und alle anderen Aspekte von Kultur) einem stetigen Wandlungsprozess unterliegen, und sollte daher als verwirrend aufgegeben werden (z.B. der angebliche Wandel von einer Hallstatt- zu einer Latène„Kultur“). Es gibt einfach Zeiten rascheren (und möglicherweise fundamentaleren) und Zeiten langsameren Wandels (z.B. Zeiten in denen Kontinuität in der Friedhofsbelegung und Bestattungssitten besteht). Wenn eine Chronologie der früheisenzeitlichen Fibeln erarbeitet wird, sollten deren Horizonte mit denen der Späteisenzeit überlappen, um keine

Vorurteile über dasVerhältnis zwischen den beiden zu treffen. Der Unterschied in der Nomenklatur zwischen FEZ und SEZ erfüllt ausschließlich die Funktion, die Urgeschichte in Abschnitte von akzeptabler (überblickbarer) Größe zu unterteilen. 10. Diese Nomenklatur sollte auf der spezifischen Kombination von Attributen auf Fibeln beruhen, weil diese recht häufig in einem breiten Spektrum von Fundkontexten aufgefunden werden (Siedlungen, Gräber, rituelle Deponierungen). Die Bestimmung jeder einzelnen Periode sollte auf einem Maximum von drei Attributen aufbauen. Der Beginn der SEZ ist definiert durch das Auftreten der einteiligen Feder an Fibeln, wie sie typisch für die „Latènekonstruktion“ ist. 11. Lokale Chronologien in den meisten Regionen werden in erster Linie auf Keramikfunden aufgebaut sein, die die feinsten Chronologiegerüste gestatten sollten, sowohl für Mikroregionen (von etwa 50 Kilometern Radius) als auch für größere Regionen. 12. Lokale und regionale Chronologien können entweder durch einzelne Attribute, die weit verbreitet sind und in verschiedenen Regionen aufgegriffen wurden, miteinander verbunden werden, oder durch häufig verhandelte Güter wie z.B. Amphoren, kampanische Waren und Terra Sigillata. 13. Daher schlage ich eine Hierarchie von Chronologien mit abnehmender Feinheit vor: Fundstelle, Mikroregion, Region und Universell. Es sollten keine Versuche unternommen werden, lokale Chronologien und Nomenklaturen auf eine weiterreichende Ebene anzuwenden (z.B. ist Trachsels Chronologie nur für Süddeutschland und die Schweiz anwendbar, wenn überhaupt, und Hodsons Chronologie für Münsingen nur auf dieses Gräberfeld selbst anwendbar). Sie können allerdings dazu verwendet werden, als Arbeitshypothese für Datierungen in anderen Regionen zu dienen (z.B. zur Datierung britischer Fibeln), wo keine unabhängige Datierungsevidenz zur Verfügung steht. 14. Der vorgeschlagene Ansatz kann auch außerhalb des engen Felds der Artefakttypologie zur Anwendung gebracht warden, zum Beispiel für humangenetische Daten.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beiträge von C. Eibner, Karl, Koch, Anthoons und Löcker) It is added, that most objects seem to be used not only in the horizon of production but in the following horizons as well. That the majority of objects in a ‘present’ horizon are older ones, is a given. But this poses no problem with the methodology as a stratigraphy of attributes is being built. The proposed use of Hallstatt and LaTène as periods only could - while ok for some regions - cause problems for other regions: for example the Scandinavian collegues might argue, that it would not be useable for them in the proposed way. As the vocabulary effects the interpretation, meaning that Hallstatt or LaTène are not only perceived as phases, periods or horizons but acquire a taste of cultures as well, new terms are proposed, in order to lose those connotations. There will be more problems, e.g. in France, because there are not many brooches, or in Ireland, with not many finds at all. But that is only a reflection of the archaeological record - it does not say anything about the importance of a region at all. The researcher wants a more neutral chronology above all. Perhaps a little bit more fuzzy terms would give a feel as well, that there are no actual breaks in between the phases (used for putting finds in different drawers of the antiquarian collector’s chest), but that they are at least overlapping. Somehow one has to break down the concept of hard boundaries in favour of looking at it as a continuous process.

The terms “first and second iron age” are proposed - that should fit e.g. for the Scandinavian situation as well. Probably the terms will have to be different for every region anyway. It is strongly underlined, that the linking of artefacts to stratigraphic context is very important (and sadly still often neglected). Comparisons should first and foremost concentrate on the stratigraphic recording of the site / of different sites, and only then start to compare artefacts of different sites with each other. Often things, that are thought of as contemporary are not or even need not be contemporary at all. A further problem is caused by the fact, that still many excavations are not done stratigraphically. So the structure of the excavation is hindering the thoughtprocess from the beginning. One reason for that could be the excessive use of (cheap?) workmen instead of trained personnel on excavations, so that neither on the site nor in post excavation work theoretical questions are / can be asked and methodologically sound processes used. There are voices defending the straight-lines-trench-excavation: if used properly, taking lots of horizontal and vertical ‘slices’ the stratigraphic model could be built afterwards anyway. In some soil conditions there is no choice for the excavator to use the recording processes he/she would wish for. At the end of the day one could try to abandon the iron age as a whole, which is surely something to think about, as there is proof that people were working iron as early as in the bronze age.

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Ich seh’ ich seh’, was Du nicht siehst... Ein theoretischer Ansatz zu Ausgrabungsprozessen Matthias Kucera1, Klaus Löcker2

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VIAS – Vienna Institute for Archaeological Science, Universität Wien ArcheoProspections® ZAMG – Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien

Zusammenfassung Diese Arbeit hat die Anwendung wissenschaftstheoretischer Aspekte auf allgemeine archäologische Arbeitsabläufe zum Ziel. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Ausgrabungsprozessen in Verbindung mit der stratigraphischen Methode. Ausgehend von einem Zitat von Edward Harris (Harris 1989: 133), das die Notwendigkeit des Vergleichs von stratigraphischem Material und Fundmaterial einer Fundstelle mit dem anderer Fundstellen ähnlicher Zeitstellung behandelt, versuchen wir die Parameter auszuarbeiten, unter denen die Ergebnisse verschiedener Ausgrabungen miteinander vergleichbar sind. Wir bezeichnen eine Ausgrabung als die Diskontinuität von natürlichen Transformationsprozessen des Bodens. Da archäologische Ausgrabungen an die materiellen Aspekte einer archäologischen Fundstelle geknüpft sind, müssen Ausgrabungsprozesse im Kontext der Naturwissenschaft betrachtet werden. Weil das Experiment das am meisten akzeptierte Werkzeug der Naturwissenschaften ist, definieren wir die Parameter, unter welchen eine archäologische Ausgrabung als Experiment durchführbar ist und betrachten die Axiome eines solchen archäologischen Experiments. Zudem definieren wir die Abweichung zwischen der wahren Stratifikation und der beobachteten und konstruierten Stratigraphie als den Fehler des archäologischen Ausgrabungsprozesses.

Abstract With this paper we intend to apply aspects of philosophy of science to common archaeological procedures.The main focus is set to excavation processes linked to the application of the stratigraphic method. Based on a citation of Edward Harris (Harris 1989: 133) concerning the necessity to compare the stratigraphical and artefactual material of one site with other sites of a similar period, we try to set the parameters which make the results of different excavations comparable.We argue that an excavation is the discontinuity of natural transformation processes of the soil. Being linked to the observation of the material structure of an archaeological site, excavation processes therefore have to be discussed in the context of natural science. As the most approved tool of natural science is the experiment, we define the parameters of an excavation being an experiment and take a look at the axioms of such an archaeological experiment. Additionally we define the difference between the true stratification and the observed and constructed stratigraphy as the error of the excavation process.

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Zielsetzung Gängige Praxis in der archäologischen Forschung ist der direkte und nahezu ausschließlich typologische Vergleich von Fundgegenständen aus verschiedenen archäologischen Fundstellen gleicher oder ähnlicher Zeitstellung. Es ist unser Anliegen, diese Vorgehensweise kritisch zu betrachten und wissenschaftstheoretische Ansätze auf allgemeine archäologische Vorgänge, insbesondere den Ausgrabungsprozess und folgende analytische Prozesse, anzuwenden. Wir wollen keine Dekonstruktion irgendwelcher archäologischer Methoden vornehmen, sondern dem wissenschaftlichen Diskurs eine unserer Meinung nach solide erkenntnistheoretische Grundlage bieten. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf archäologische Ausgrabungsprozesse in Verbindung mit der stratigraphischen Methode nach Harris gelegt werden. Die stratigraphische Methode kann aufgrund ihrer Universalität bei jeder archäologischen Ausgrabung Anwendung finden und ist Grundvoraussetzung für eine wissenschaftlich korrekte und zielführende archäologische Analyse der Befunde und des Fundmaterials. Fragestellung Edward Harris formulierte in seinem 1989 erschienenen Buch „Principles of Archaeological Stratigraphy“ einen wesentlichen,in der breiten archäologischen Theorieforschung aber weitgehend vernachlässigten Satz: „Once the stratigraphic and artefactual study of a site has been completed, it may be necessary to compare that material with other sites of a similar period” (Harris 1989: 133). Dieser Satz macht die Verschränkung von archäologischem Befund und Fundmaterial deutlich. Er zeigt die Notwendigkeit der Analyse und des Vergleiches von beidem – der archäologischen Stratigraphie und des Fundmaterials in seinem stratifikatorischen Kontext. Er weist auch darauf hin, dass einem Studium des Fundmaterials eine fachkundige Analyse der aus methodologisch abgesicherten Grabungsprozessen gewonnenen Stratigraphie der Fundstelle voran gehen muss. Da in einem weiteren Schritt ein wesentliches Ziel archäologischer Forschung der Vergleich von Ausgrabungsergebnissen verschiedener archäologischer Fund-

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stellen ist, ist die prinzipielle Vergleichbarkeit einzelner Ausgrabungen zu hinterfragen. Das bedingt vorerst eine Analyse von archäologischen Ausgrabungsprozessen, der wir uns im Folgenden widmen wollen. Ausgrabungsprozesse Eine Ausgrabung ist die Diskontinuität natürlicher Transformationsprozesse des Bodens. Archäologische Fundstellen sind primär permanenten natürlichen Transformationsprozessen unterworfen. Diese beginnen mit den ersten anthropogenen Eingriffen in den Boden sowie mit allen Ablagerungen menschlicher Tätigkeit auf der Fundstelle und sind bedingt durch natürliche Einflüsse wie Gravitation, Erosion, Pertubation und ähnlichem. Diese anthropogenen Ablagerungen und Eingriffe erzeugen eine Stratifikation (Abfolge von Ablagerungen und Oberflächen im Boden einer archäologischen Fundstelle), welche von Anfang an diesen Transformationsprozessen unterliegt, die erst unmittelbar durch den Beginn der archäologischen Ausgrabung unterbrochen werden. Da archäologische Ausgrabungen also an die materiellen Aspekte einer archäologischen Fundstelle geknüpft sind, können Ausgrabungsprozesse im Kontext der Naturwissenschaft betrachtet werden. Das am meisten bewährte wie auch in wissenschaftstheoretischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht bestens untersuchte Werkzeug der Naturwissenschaft ist das Experiment.Wie ein Experiment in den Naturwissenschaften untersucht auch eine Ausgrabung materielle Eigenschaften – im speziellen Fall die einer archäologischen Fundstelle. Es ist daher zu klären, auf welche Weise eine archäologische Ausgrabung als Experiment gesehen werden kann bzw. welche wissenschaftstheoretischen Erkenntnisse zu Grabungsprozessen im Allgemeinen durch eine solche Betrachtungsweise gewonnen werden können. Ist eine archäologische Ausgrabung ein Experiment? Um die Frage der prinzipiellen Möglichkeit zu klären, ob eine archäologische Ausgrabung als Experiment wahrnehmbar ist, sind die grundlegenden theoretischen Aspekte eines Experiments näher zu betrachten.

Ein Experiment ist die Überprüfung einer vorläufig angenommenen Theorie anhand der Fakten (Brockhaus 1898: 473). Damit ein Experiment im wissenschaftlichen Kontext zur Theorienbildung herangezogen werden kann, muss es drei Axiomen genügen. Das sind die Reproduzierbarkeit des Experiments, die Quantifikation der daraus gewonnenen Daten und ihre Analyse (Pietschmann 1996: 83). Wir gehen davon aus, dass eine archäologische Ausgrabung, definiert als Experiment, die Theorie der Stratifikation überprüft. Edward Harris (Harris 1989: 29) postuliert, dass jede archäologische Fundstelle stratifiziert ist. Dieses Postulat beruht auf der Theorie der Stratifikation und meint, dass jede ausgrabbare archäo­ logische Fundstelle – auch wenn sie lediglich eine einzige Ablagerung mit den dazugehörigen Oberflächen über dem geologischen Untergrund umfasst – als stratifizierte Einheit angesehen werden muss. Die­se stratifizierte Einheit unterliegt allgemeinen Ablagerungs- und Transformationsprozessen und damit sowohl natürlichen als auch anthropogen bedingten Einflüssen. Eine archäologische Grabung, ­definiert als Experiment, ist also ein probates Werkzeug zur Überprüfung der Theorie der Stratifikation basierend auf Ablagerungsprozessen anhand der im Zuge des Ausgrabungsprozesses dokumentierten Fakten. Sie entdeckt und dokumentiert daher nichts anderes als archäologische Stratifikation. Eine archäologische Ausgrabung als Experiment überprüft keine archäologischen Ergebnisse vorangegangener Ausgrabungen oder vorab angenommene Theorien kulturhistorischer Natur. Sie dient lediglich zum Sammeln von Daten. Jedwede archäologische Analyse dieser Daten ist jedoch erst in einem zweiten Schritt nach erfolgreicher Überprüfung der Theorie der Stratifikation auf der untersuchten Fundstelle durchzuführen. In diesem Zusammenhang gilt es, die erkenntnistheoretische Frage nach dem Vorhandensein einer Stratifikation vor dem Ausgrabungsprozess eingehender zu beleuchten bzw. festzustellen, auf welchem erkenntnistheoretischen Konzept die durch die Ausgrabung gewonnenen Fakten beruhen. Es scheint eine Diskrepanz zwischen dem, was vor der Ausgrabung im Boden als bestehend anzunehmen ist und dem, was während einer Ausgrabung dokumentiert wird, zu be-

stehen. Dabei ist einerseits die Realität der Stratifikation vor der Ausgrabung zu definieren und andererseits die Gewichtung der gewonnenen Daten einzugrenzen. Da zu zeigen ist, dass die Ausgrabung legitim als Experiment im Sinne der Naturwissenschaften zu bezeichnen wäre, soll diese Problematik im Rahmen der Quantenmechanik und ihrer erkenntnistheoretischen Überlegungen betrachtet werden. Quantenmechanik – ein Exkurs Die Erkenntnisse der Quantenmechanik haben in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Physik und ihre Ansichten revolutioniert. Bis zu diesem Zeitpunkt galt eine deterministische Sichtweise, wobei sämtliche beobachtbaren und messbaren materiellen Eigenschaften von physikalischen Objekten als klar definiert angenommen wurden. Abweichungen der Ergebnisse ließen sich statistisch auch resultierend aus verschiedenen Versuchsanordnungen mit unterschiedlicher Qualität erklären. Die Quantenmechanik untersucht die Eigenschaften wie Aufenthaltsort, Impuls und Energie von Quantenobjekten (z.B.: Elektron, Proton) im atomaren und subatomaren Bereich. Erste Experimente des frühen 20. Jahrhunderts ließen den Welle-Teilchendualismus von Quantenobjekten vermuten, der schließlich im Rahmen der Quantenmechanik erklärt werden konnte. So stellt sich ein Elektron abhängig von der gewählten Versuchsordnung als Welle oder Teilchen dar. Ein Quantenobjekt wird durch die raumund zeitabhängige Wellenfunktion c(Vx,t) dargestellt, wobei diese über ihr Betragsquadrat mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung r(Vx,t) des Quantenobjektes zusammenhängt. Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung liefert die Wahrscheinlichkeit, das betreffende Quantenobjekt unter gegebenen Rahmenbedingungen nach einer Messung an einem bestimmten Ort Vx innerhalb eines infinitesimalen Volumenelementes (d3x) vorzufinden. Die von Erwin Schrödinger aufgestellte und nach ihm benannte Gleichung erlaubt es nun unter Kenntnis der experimentellen Rahmenbedingungen diese Wahrscheinlichkeitsverteilung in mögliche diskrete Werte (Eigenwerte) überzuführen. Somit sind diese Eigenwerte (Energie, Ort,…) eines Quantenobjektes vor der Messung beziehungsweise vor der Beobachtung durch die Wahrscheinlichkeits-

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verteilung vorhergesagt aber nicht determiniert. Erst durch die Beobachtung kollabiert die Wellenfunktion und somit die Wahrscheinlichkeitsfunktion und gibt diskrete Werte preis (Schwabl 1993). Schrödingers Katze in der Grube Obwohl Schrödinger eines der wichtigsten Gesetze der Quantenmechanik fand, war er mit dem Ergebnis und dessen Konsequenzen unzufrieden,was in ­einer philosophischen Diskussion vor allem mit Niels­ Bohr mündete. Problematisch erschien, dass die bewährte Sichtweise des Determinismus im Bereich der Quantenmechanik ihre Wirkung, ja sogar ihre Rechtfertigung verlor. Es wurden zahlreiche Experimente und auch Gedankenexperimente durchgeführt, um die prinzipielle Existenz diskreter Zustände vor einer Beobachtung zu belegen, was aber bis jetzt nicht gelang. Eines dieser von Schrödinger entwickelten Gedankenexperimente ist unter dem Begriff „Schrödingers Katze“ bekannt geworden. Dieses Experiment veranschaulicht Auswirkungen der Aussagen der (mikroskopischen) Quantenmechanik auf makroskopische Systeme, im konkreten Fall durch eine Katze symbolisiert. Das Problem dieser Katze ist, dass sie sich gemeinsam mit einem radioaktiven Element in einer verschlossenen Box befindet, also der Beobachtung entzogen ist. Der Zerfall des radioaktiven Elements wird freilich durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung gegeben. Wir wissen also, dass das Element in der Box mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Zeitpunkt zerfallen ist oder nicht. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung gibt somit die Überlagerung dieser beiden Zustände an. Der Zerfall eines einzelnen radioaktiven Atoms würde der Katze soweit nichts anhaben, wenn nicht der Zerfall an einen Mechanismus gekoppelt wäre, der einen Hammer betätigt, der wiederum eine Phiole mit Gift zerschlägt, was äußerst negative Auswirkungen auf den Zustand der Katze hat. Schrödingers Punkt war nun, dass sich auch die Katze gemäß der Wahrscheinlichkeitsverteilung in einer Überlagerung aus Leben und Tod befindet, solange die Box nicht geöffnet wird (Meissner 1992). Die wichtigste Auswirkung dieser Diskussion (und einiger Experimente) auf die Archäologie ist, dass es keine Möglichkeit gibt, grundlegende Werte ohne Messung festzustellen.

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Wie ein Experiment der Quantenmechanik legt eine archäologische Ausgrabung eine spezifische Abfolge diskreter Werte fest. Archäologische Stratifikationseinheiten liegen im Boden jeder Fundstelle nun vernünftigerweise aber nicht zwingend als diskrete Werte vor, welche eindeutige und wahre Grenzflächen zu einander aufweisen, ohne jedoch tatsächlich beobachtbar zu sein.Vor Beginn einer archäologischen Ausgrabung ist daher keine definitive Angabe zur wahren Stratifikation möglich. Schrödingers Katze befindet sich also sozusagen in der archäologischen Grube. Es muss jedoch prinzipiell angenommen werden, dass jede archäologische Fundstelle stratifiziert ist, genau so wie in der Quantenmechanik die möglichen Werte von Teilchen/Wellen durch die Wahrscheinlichkeitsfunktion vor einer Messung definiert sind. Die primäre Aufgabe einer archäologischen Ausgrabung als Experiment ist die Überprüfung dieser Annahme. Es ist daher die Frage irrelevant, ob eine Fundstelle vor einer archäologischen Ausgrabung in Wahrheit stratifiziert ist oder nicht, weil sie ohne die Beobachtung nicht falsifizierbar ist. Es ist jedoch wichtig, eine archäologische Ausgrabung als Beobachtung (Messung) einer archäologischen Fundstelle zu bezeichnen, weil erst diese Beobachtung die Festlegung der Stratifikation ermöglicht. Während einer Ausgrabung ist es jedoch nicht möglich, die eindeutigen und real im Boden vorhandenen Grenzflächen einzelner Stratifikationseinheiten exakt zu bestimmen. Beim Ausgrabungsprozess kommt es zwangsweise immer zu mehr oder weniger großen Abweichungen zwischen der wahren Stratifikation und den beobachteten und dokumentierten Oberflächen. Es hängt mit vielerlei Faktoren zusammen, wie der Perzeptionsfähigkeit und Erfahrung der ausgrabenden Personen oder Boden-, Wetterund Lichtverhältnissen auf der Grabung, wie hoch diese Abweichungen letztendlich ausfallen. Das Ergebnis ist jedoch immer eine subjektiv konstruierte Stratigraphie (=Beschreibung der Stratifikation) der Fundstelle. Offensichtlich ist also das Ergebnis jeder archäologischen Ausgrabung die Konstruktion einer spezifischen Stratigraphie der wahren Stratifikation einer Fundstelle. Man könnte also die Abweichung zwischen der wahren Stratifikation und der beobachteten und kons-

truierten Stratigraphie als den Fehler des Ausgrabungsprozesses bezeichnen. Dieser Fehler ist zwar nicht quantifizierbar, doch ist seine Bedeutung bei der Betrachtung einer archäologischen Ausgrabung als Experiment grundlegend wichtig. Auch bei sämtlichen der Ausgrabung folgenden Analysen und Interpretationen der durch die Ausgrabung gewonnenen Daten ist dieser Fehler anzugeben und zu berücksichtigen. Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, dass dieser Fehler existiert und sowohl für die sprachliche als auch für die erkenntnistheoretische Bedeutung der Begriffe „Stratifikation“ und „Stratigraphie“ den grundsätzlichen Unterschied macht. Diese Begriffe sind nicht austauschbar und sollten daher auch entsprechend ­ihres semantischen Signifikats verwendet werden. Axiome einer archäologischen Ausgrabung als Experiment Ein Experiment wird durch die Begriffe der Reproduzierbarkeit, der Quantifikation und der Analyse definiert. Erst wenn ein Experiment unter den gleichen Rahmenbedingungen reproduzierbar ist, sind die Ergebnisse innerhalb einer angegebenen Schwankungsbreite vergleichbar und unterstützen die bestehende Theorie bzw. falsifizieren sie bei widersprüchlichen Resultaten (Pietschmann 1996: 83). Betrachtet man nun eine archäologische Ausgrabung als Experiment, so wird die Theorie der Stratifikation innerhalb gegebener Fehler überprüft, wobei prinzipielle Vergleichbarkeit nur durch die Anwendung gut definierter und klar dargelegter Methoden erreicht wird. Um festzustellen ob die Resultate eines Experiments, also auch einer archäologischen Ausgrabung, mit­einander vergleichbar sind, bedarf es der Quantifikation der erhaltenen Daten. Qualitative Ergebnisse sind nicht vergleichbar, da sie immer subjektiven Charakter haben (Pietschmann 1996: 83). Die Abstraktion der Resultate einer archäologischen Ausgrabung als eine stratigraphische Sequenz (Harris Matrix) ist als Quantifikation zu betrachten und bietet der Archäologie die Möglichkeit, die Grabungsergebnisse verschiedener Fundstellen miteinander zu vergleichen. Die Theorie der Stratifikation und die Gesetze der Stratigraphie werden daher auf jeder archäologischen Ausgrabung überprüft.

Da die Untersuchung einer Grabungsstelle von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird und nur die Quantifikation einfacher Systeme erfolgreich ist, bedarf es zusätzlich der Analyse der gewonnenen Resultate. Bei dieser Analyse werden – selbstverständlich subjektiv – die beeinflussenden Faktoren in wesentliche und unwesentliche unterteilt (Pietschmann 1996: 83). Erst nach diesem Schritt kann die Theorie der Stratifikation getestet werden. Hierbei ist nochmals zu betonen, dass das Experiment einer archäologischen Ausgrabung a priori nicht interpretative archäologische und kulturhistorische Aspekte testet, sondern lediglich die postulierten Gesetze der Stratifikation und Stratigraphie. Die Konstruktion des Kontexts, also die archäologisch-kulturhistorische Interpretation der Ergebnisse, Funde und Befunde, ist ein zweiter Schritt, der erst erfolgen darf, wenn die Theorie der Stratifikation auf der betreffenden Fundstelle erfolgreich überprüft wurde. Zusammenfassung Eine archäologische Ausgrabung ist ein Prozess, welcher mit naturwissenschaftlichen Methoden verknüpft ist. Definiert als Experiment, überprüft eine Ausgrabung die Theorie der Stratifikation innerhalb systematischer Fehler. Diese systematischen Fehler sind bedingt durch die spezielle Situation der Ausgrabung, wie beispielsweise der Unterscheidbarkeit der prinzipiell erfassbaren stratigraphischen Einheiten, der verwendeten Dokumentationsmethoden sowie der Grabungsmethodik an sich. Das Ergebnis einer archäologischen Ausgrabung ist eine stratigraphische Sequenz (Harris Matrix), welche die wahre Stratifikation einer Fundstelle innerhalb eines bestimmten Fehlerbereiches repräsentiert. Dieser Fehlerbereich setzt sich zusammen aus den systematischen Fehlern und dem zu erwartenden Unterschied zwischen der wahren Stratifikation und der Stratigraphie. Der Begriff der wahren Stratifikation wird eingeführt und definiert als die Abfolge von Ablagerungen und Oberflächen im Boden, die durch den Ausgrabungsprozess diskrete Werte annehmen. Die Beschreibung und Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse werden durch die Harris Matrix innerhalb von systematischen und methodeninhärenten Fehlern festgesetzt.

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Zusammenfassung der Diskussion (Beitrag von C. Eibner) Es wird angemerkt, dass bei jeder Grabungsmethode Stratigraphien untersucht werden, weil dies in der Natur der Sache läge. Grabungen sollten schon im Humus begonnen werden, weil durch Verwitterungsprozesse im Boden (ausbleichen, verlagern, anreichern, etc.) schon dort Befunde sichtbar sein können (andere Prozesse finden entlang der Störungszone statt und diese kann daher verfolgt werden). So befundete scharfe Grenzen im gesamten Profil können scheibchenweise abgetragen und später zu einem dreidimensionalen Bild zusammengefügt werden. Harris hat grundlegende stratigraphische Konzepte formuliert. Die Unterscheidung in z.B. vergangenen oder vorhandenen Pfosten innerhalb der Pfostengrube findet in der nach den Regeln erstellten Abfolge der Stratigraphie natürlich ebenfalls Niederschlag. Auch während einer grundsätzlich in stratigraphischer Methode durchgeführten Grabung können als Zwischenstand auch Arbeitsplana eingezogen werden. Ziel ist es am Ende zu einer schlüssigen Stratigraphie zu kommen, in der von den Umständen diktierten oder vom Ausgräber dafür gewählten Vorgangsweise.

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Agenten im Hallstätter Salzbergwerk. Agentenbasierte Simulation für den bronzezeitlichen Salzbergbau in Hallstatt/OÖ Kerstin Kowarik1, Hans Reschreiter1, Gabriel Wurzer2, Ralf Totschnig1, Andreas Rausch1

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Prähistorische Abteilung, NHM Wien Institut für Architekturwissenschaften, TU Wien

Zusammenfassung Das bestehende archäologische Modell zu Organisation und Funktionsweise des bronzezeitlichen Salzbergbaus in Hallstatt/OÖ lässt einige bedeutende Fragen offen: Wie groß waren die Abbaureviere? Wie lange dauerte die Betriebszeit der Abbauhallen? Was war das Produktionsvolumen? Wie groß war die Bergbaugemeinschaft? Somit fehlen wesentliche Informationen, um zentrale Aussagen zur wirtschafts- und sozialhistorischen Beurteilung dieses im prähistorischen Europa einzigartigen Platzes treffen zu können. Durch agentenbasierte Modellierung (ABM) konnten wir das bestehende Erkenntnismodell in eine Simulation übersetzen. Dadurch war es erstmals möglich die geltenden Annahmen auf logische Konsistenz zu überprüfen sowie zur Ermittlung der angesprochenen Fragen zu benutzen. Wir sind der Meinung, dass wir hiermit ein geeignetes Werkzeug für die Analyse komplexer Arbeits- und Produktionsabläufe geschaffen haben.

Abstract The existing archaeological model of the Bronze Age saltmines in Hallstatt (Upper Austria) leaves some important unanswered questions: What was the size of the mining area, how long did mining activities continue, what was the amount of salt mined, how big was the size of the mining community.This is regrettable, since answers to these questions would provide important insights into the economic and social history of prehistoric Europe. By using agent-based modeling (ABM), we have translated the body of theories conceptualizing the mining complex into a simulation. This allowed to check the consistency of the existing archaeological knowledge and obtain answers to the aforementioned questions using computation. We are convinced that our solution can be taken as powerful tool for the analysis of complex production as well as for explorative computation of working processes.

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1. Einleitung Die aktuelle Theoriebildung zu Organisation und Funktionsweise des bronzezeitlichen Salzbergbaus im Hallstätter Salzberg ist durch große Detailfülle und Komplexität gekennzeichnet (Kap. 1.2). Dieser an sich erfreuliche Tatbestand erschwert das explorative Arbeiten mit dem Erklärungsmodell1, d.h. „was wäre wenn“-Fragestellungen können nur schwer durchgespielt und in all ihren Auswirkungen abgeschätzt werden. Der vorliegende Beitrag stellt eine Methode vor, die ebendies ermöglicht. Mithilfe einer Agentenbasierten Simulation (ABM) wurde das verbale Erklärungsmodell in ein digitales Modell „umgesetzt“ und somit ein Werkzeug geschaffen, das erlaubt, das archäologische Modell unter veränderbaren Parametern (Anzahl der ArbeiterInnen2, Höhe der Abbauhalle, etc.) bei unveränderten Grundannahmen (straffe Organisation, hohe Arbeitsteiligkeit, etc.) immer wieder durchzuspielen und dessen Reaktionen zu analysieren. Der Aufbau einer Simulation führt grundsätzlich zu einer systematischen Analyse des bestehenden verbalen Modells und legt Inkonsequenzen in der Argumentation sowie Datenlücken, u. a. durch die interdisziplinäre Diskussion, offen. Bei einem Erklärungsmodell entsprechender Komplexität und Detailfülle entwickeln sich automatisch implizite Annahmen, die oftmals nicht mehr in vollem Umfang hinterfragt und analysiert werden können. Der Aufbau einer Simulation zwang dazu, diese 1. „offen zu legen“ und 2. rigoros zu hinterfragen. • Durch den Aufbau einer Simulation aus dem uns vorliegenden Wissen über den bronzezeitlichen Bergbau im Salzberg von Hallstatt konnten wir ein in sich logisches und berechenbares Modell erstellen (Kap. 2). Dabei waren folgende Problemstellungen zu bewältigen: ° Datenselektion: Die Menge der zurVerfügung stehenden Informationen musste auf jene beschränkt werden, welche unmittelbar relevant für die spätere Auswertung waren (Kap. 1.1 und 2.1.1). Datenerhebung: Fehlende Informationen wurden ° in einem Zwischenschritt erhoben (Kap. 2.1.1). • Hierdurch wurde es möglich, das Modell bei bestehenden Grundannahmen unter veränderbaren Pa-

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rametern immer wieder durchzuspielen. Dies führte zum einen zur Korrektur bestimmter impliziter Annahmen innerhalb des archäologischen Modells: So konnte gezeigt werden, dass die vollständige Ausbeutung einer Abbauhalle nur einen Bruchteil der bisher angenommenen Zeit und Personenzahl benötigt. Zum anderen konnte die Argumentation des verbalen Modell auf seine innere Stringenz überprüft werden (Kap. 2.3 und 3). • Die gewonnenen Erkenntnisse legen den Grundstein für eine Systemmodellierung des gesamten bronzezeitlichen Bergbaus in Hallstatt (Kap. 3). • Es wurde ein Werkzeug geschaffen, das exploratives Experimentieren mit Modellen prähistorischer Produktionsabläufe ermöglicht (chaîne operatoire) (Kap. 3). 1.1 Agentenbasierte Simulation in der Archäologie ABM zählt zu den computergestützten Modellierungstechniken, die in der anthropologischen und archäologischen Forschung seit mehr als einem Jahrzehnt eingesetzt werden (Altaweel 2006: 30-31). Die Agentenbasierte Simulation nutzt unabhängige Individuen, sogenannte Agenten, die in begrenztem Maß ihre Umwelt wahrnehmen und mit dieser sowie mit anderen Agenten interagieren können (Premo et al. 2005: 11). Den Agenten können einfache Verhaltensregeln, abhängig von der zu untersuchenden Fragestellung, vorgegeben werden (Graham, Steiner 2006: 50). Auf dieser Basis können die Agenten „eigenständige“ Entscheidungen treffen (Altaweel 2006: 30). Dabei ist es möglich, für jeden einzelnen Agenten unterschiedliche Verhaltensregeln zu definieren. Zwei wesentliche Modelltypen existieren: Ein einzelner Agent wird in eine bestimmte Umgebung „gesetzt“ und interagiert mit dieser (Brantingham 2003; Premo 2005; 2006). Oder eine große Zahl an Agenten respektive Agentengruppen interagieren mit ihrer Umwelt und miteinander und bilden „künstliche Gesellschaften“ (Kohler et al. 2000; Premo 2005; 2006). Zwei wesentliche Vorteile der ABM liegen folglich darin, dass sowohl die Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt wie auch die Interaktion Mensch – Mensch auf individueller Ebene erfasst und analysiert werden können. „Agent-based models of this type allow

Abb. 1: Schematische Darstellung der drei bekannten bronzezeitlichen Schachtanlagen im Hallstätter Salzberg (Appoldwerk, Grünerwerk und Christian v. Tuschwerk) (© K. Löcker/H. Reschreiter, NHM Wien).

for insights into individual behaviors that create group level phenomena eventually observable by us in the archaeological record as artifact, household and settlement patterns“ (Gabler 2006: 47). Seit der Einführung von ABM Anfang der 90er Jahre in die archäologische und anthropologische Forschung (Altaweel 2006: 30) wurde es vor allem bei der Untersuchung des Verhaltens komplexer Systeme eingesetzt. Dabei lag das Augenmerk im Wesentlichen auf der Frage, inwiefern veränderte Verhaltensweisen auf der Ebene der Subeinheiten (Haushalte, Individuen) das Verhalten des übergeordneten Systems beeinflussen (Altaweel 2006: 31 mit weiterführender Literatur). Auch bei sozioökologischen Fragestellungen kam ABM zum Einsatz (Altaweel 2006: 30). In den letzten Jahren wurde ABM bei einer großen Bandbreite an Forschungsfragen genutzt, von Untersuchungen zu Nahrungsverteilung bei frühen Hominiden (Premo 2005; 2006) bis hin zu Untersuchungen zum Wassermanagment bei den Hohokam (Murphy 2006)3. In jüngster Zeit wurden vor allem die methodischen Konsequenzen der Anwendung von ABM für die archäologische Forschung herausgestrichen: Dies betrifft zum einen die Eignung von ABM zum Testen von Hypothesen (u.a. Gabler 2006: 43; 47; Premo et al. 2005). „Once encoded a computer model can do what our limited imaginations do not permit: follow the implications of our ideas to find where they lead and, often, where they are in-

consistent“ (Premo et al. 2005: 11). Zum anderen wurde das Potential von ABM als „cultural laboratories“ betont (Premo 2005 et al.; 2007). Durch das explorative Arbeiten mit ABM („was wäre wenn“-Fragestellungen) können zahlreiche alternative historische Szenarien erstellt und erprobt werden. Dabei liegt der Fokus weniger auf der Zielsetzung, ein besonders passendes und realistisches Modell aufzubauen, sondern auf dem Versuch, eine Vielzahl an Szenarien zu erstellen und „Deckung mit“ ebenso wie „Abweichung von“ der realen archäologischen Fundlandschaft zu analysieren. Die vorliegende Arbeit zielt im Besonderen auf Hypothesen-Testen und exploratives Arbeiten mit dem erstellten Modell ab. 1.2 Der bronzezeitliche Salzabbau – archäo­ logische Theoriebildung Die grundlegenden Daten zu den bronzezeitlichen Salzbergwerken und die hieraus resultierende Theoriebildung werden im Folgenden kurz zusammengefasst: Untertägiger Salzabbau ist im Hallstätter Salzberg seit dem 15. Jh. v. Chr. belegt. Nach heutigem Forschungsstand ist davon auszugehen, dass drei riesige Schachtanlagen mit Teufen bis 170 m gleichzeitig in Betrieb waren (Abb. 1) (Barth 1986; Barth, Neubauer 1991; Reschreiter, Kowarik 2008a). Für die Simulation legen wir im Wesentlichen die

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Abb. 3: Die bekannten Tragsäcke sind so konstruiert, dass sie ohne Absetzen ausgeleert werden können (© A. Rausch, NHM Wien).

Abb. 2: Das bronzezeitliche Schachtsystem im heutigen Christian v. Tuschwerk. Die Abbauhalle in der die archäologischen Ausgrabungen stattfinden ist gekennzeichnet (© D. Groebner/H. Reschreiter, NHM Wien).

Daten aus der Abbauhalle im heutigen Christian v. Tuschwerk zu Grunde, in dem die aktuellen Ausgrabungen der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien stattfinden. Die dendrochronologische Datierung aller auswertbaren Hölzer aus dieser Abbauhalle fixiert einen Zeitraum von 1458-1245 v. Chr. (Grabner et al. 2006; Grabner et al. 2007). Knapp nach 1245 wurde das gesamte Abbaurevier durch einen Einbruch von Oberflächenmaterial verschüttet (Grabner et al. 2006). Das heißt die Halle wurde über einen Zeitraum von 213 Jahren „genutzt“. Dies bedeutet nicht zwingend, dass während der gesamten 213 Jahre Salz abgebaut wurde. Sowohl unterhalb als auch oberhalb der relevanten Halle bestanden weitere Abbauhallen (Abb. 2) (Reschreiter, Kowarik 2008a). Der große Fundreichtum und die erstklassige Erhaltung der prähistorischen Objekte ermöglichen die Rekonstruktion des Arbeits-

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ablaufs in den Abbauhallen vom Brechen des Salzes bis zum Transport an die Oberfläche4 (Barth 1993/94: 28; Barth, Lobisser 2002: 18; Reschreiter, Kowarik 2008a: 57). Aus folgenden Beobachtungen leiten sich die wesentlichen Argumente für die aktuelle Modellbildung ab: 1. der enorme Fundreichtum 2. der hohe Standardisierungsgrad bestimmter Werkzeuggruppen und Betriebsmittel (z.B. Schäftungen) (Barth 1967; Barth 1973; Reschreiter, Kowarik 2008a) 3. die große Funktionalität bestimmter Werkzeuggruppen und Betriebsmittel (z.B. Stiege, Tragsack: Abb. 3) (Barth 1992; Barth, Reschreiter 2005; Reschreiter, Kowarik 2008a) 4. die starke Spezialisierung bestimmter Werkzeuggruppen auf

Abb. 4: Kratze und Schwinge wurden zum Sammeln des Salzes und dem Befüllen des Tragsacks benutzt (© H. Reschreiter, NHM Wien).

Abb. 5:Visuelle Darstellung der aktuellen Theoriebildung zum bronzezeitlichen Bergbau im Hallstätter Salzberg (© D. Groebner/H. Reschreiter, NHM Wien).

einen einzigen Arbeitsschritt (z.B. Tragsack, Schwinge, Kratze: Abb. 4) (Barth 1992; Barth, Reschreiter 2005; Reschreiter, Kowarik 2008a). Aufgrund dieser Daten wird der bronzezeitliche Bergbau als ein straff organisierter und effizient wirtschaftender Großbetrieb mit stark optimierten Arbeitsabläufen verstanden (Abb. 5). Ein intensiver Salzabbau in nahezu industriellem Ausmaß wird angenommen (Barth 1993/94; 1998; Barth, Lobisser 2002: 14; Reschreiter, Barth 2005; Reschreiter, Kowarik 2008a). Hieraus leiten sich im Detail folgende Annahmen ab: • ein Arbeitsablauf, der darauf ausgerichtet ist, Stehzeiten zu vermeiden • ein stark segmentierter Arbeitsprozess respektive intensive Arbeitsteilung ° Es wird angenommen, dass für jeden Arbeitsschritt eigene Arbeitsgruppe bestanden (HäuerInnen, TransporteurInnen). Ausgehend von der speziellen Konstruktion des ° Tragsacks und der außergewöhnlichen Breite der o. g. Holzstiege (Begehen im Gegenverkehrsbetrieb), wird davon ausgegangen, dass viele Trans-

porteurInnen benötigt wurden respektive im Einsatz waren. • ein hoher Bedarf an Arbeitskraft und Betriebsmitteln (und entsprechend ein hoher Versorgungsaufwand) Trotz der ausgezeichneten Datenlage fehlten wesentliche Informationen, ohne die eine wirtschafts- und sozialhistorische Analyse des bronzezeitlichen Bergbaus nur in unzureichendem Ausmaß möglich ist: 1. Das tatsächliche Produktionsvolumen des bronzezeitlichen Bergbaus ist nicht bekannt. Auch die Größe des Abbaureviers insgesamt ist unbekannt, da wir nur in jene Bereiche Einblicke haben, die durch den mittelalterlichen oder neuzeitlichen Bergbau angefahren wurden (Reschreiter, Kowarik 2008b). Die prähistorischen Abbaureviere könnten also wesentlich größer sein als bislang bekannt. 2. Die Größe der Bergbaugemeinschaft ist nicht bekannt. Weder ein Gräberfeld noch eine Siedlung, die mit dem Bergbau in Beziehung gebracht werden könnten, wurden bislang entdeckt.

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2.1.1 Datenselektion und -erhebung

salt mining can begin

Transporter

Miner

Mining in one Level of Salt Mine

Selecting Mining Spot

Break Salt

Transport To Collection Spot

salt is ready to be lifted to surface

Abb. 6: Schematische Darstellung des modellierten Arbeitsprozesses (© G. Wurzer, K. Kowarik).

2. Die Agentenbasierte Simulation 2.1 Modellierung Die Realisierung der Simulation erforderte zunächst eine präzise Formulierung der archäologischen Grundannahmen sowie eine Definition und Erhebung der notwendigen Daten. Der von uns modellierte Abbauprozess umfasst folgende Tätigkeiten (Abb. 6):

Die verwendeten Daten basieren zum einen auf experimentalarchäologischen Versuchen und zum anderen auf aus langjährigen Forschungen resultierenden Hypothesen. Experimentalarchäologisch erhobene Daten: Die einzelnen Arbeitsschritte wurden mit rekonstruierten Werkzeugen nachgestellt und der Zeitaufwand gemessen (Abb. 8); dasVolumen des Tragsacks (anhand archäo­ logischer Funde) wurde gemessen (20 l)5. Beim Brechen des Salzes kommt es zu einer Auflockerung des abgebauten Materials (Der Auflockerungs­ faktor beträgt 1,7 m3 auf 1 m3 festes Gebirge). Archäologische Grundannahmen: maximale Betriebszeit der Abbauhalle (213 Jahre), Größe des initialen Abbauraums (18 m3). Die maximale Höhe der Abbauhalle kann aufgrund folgender Argumente angenommen werden: Die nächsten Fundpunkte befinden sich 30 m oberhalb des aktuellen Grabungsgebiets. Berücksichtigt man den notwendigen Sicherheitsabstand von 6-7 m, erhält man eine maximale Höhe der Abbauhalle von 19 m. Ausgehend von den archäologischen

• Das feste Gebirge wird von HäuerInnen mit Bronzepickeln abgebaut (Abb. 7). • Dabei kommt es zu einer Auflockerung des Materials (Diese wird in der Simulation berücksichtigt.). • gebrochenes Salz sammeln • Tragsack mit Salz befüllen • Transport zum Schacht • Die Salzmenge, die den Schacht erreicht, stellt den Output der Abbauhalle dar. Der simulierte Arbeitsprozess ist auf eine Abbauhalle beschränkt und umfasst: • die Auswahl des Abbauortes • das Brechen des Salzes • Sammeln des Salzes und Transport zum Füllort Der Transport in die nächste Abbauhalle und schluss­ endlich an den Tag ist nicht mehr Teil der Simulation. Es stehen zwei verschiedene Typen von ArbeiterInnen zur Verfügung: • HäuerInnen, die das Salz brechen • TransporteurInnen, die das Salz transportieren

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Abb. 7: Salzbrechen mit Bronzepickel (© A. Rausch, NHM Wien).

Abb. 8: Tabelle der experimentalarchäologisch erhobenen Daten (© NHM Wien).

Befunden wurde die Größe des Abbaurevieres mit 40 m x 100 m x 6-19 m festgelegt. Des Weiteren wurde eine Salzverteilung mit 70% reinem Salz auf 30% taubem Gebirge als Ausgangsbasis zu Grunde gelegt. Es wird ein stufenförmiger Abbau vorausgesetzt, wobei jede Stufe eine Höhe von 2 m aufweist (Abb. 5). Basierend auf dem archäologischen Forschungsstand wird von einem auf Effizienz abzielenden, arbeitsteiligen Arbeitsprozess ausgegangen. Zur Vereinfachung wurden Ruhepausen u.ä. nicht berücksichtigt. Die ABM rechnet mit reiner Arbeitszeit. 2.2 Implementierung Die Wahl einer Agentenbasierten Simulation erfolgte vor allem aus dem Grund, dass eine Interaktion mit der simulierten Welt gewünscht war, aber auch die Interaktion der verschiedenen Arbeitsgruppen (HäuerInnen und TransporteurInnen) beobachtet werden sollte. Die Welt in der Simulation ist zellenbasiert, wobei jede der Zellen eine Grundfläche von 1 m2 und eine Höhe von 2 m aufweist. Diese stellen das feste Gebirge dar und müssen eine nach der anderen abgebaut werden (Abb. 9). Um den Simulationsvorgang zu beschleunigen wurde die Agentenbasierte Simulation mit einer diskreten Simulation in folgender Form kombiniert: Der Abbau von einer Zelle dauert 6,6 Tage. Dieser Vorgang wird nicht in Echtzeit simuliert, sondern auf ein Mal; jeder Agent der handeln will wird

dazu in eine zeitlich geordnete Warteliste eingetragen („Agent 1, Salz Abbauen, Startzeit=100s), wobei der Agent der am frühesten handeln will zuerst in der Liste steht (Abb. 9). Der Simulationsalgorithmus entnimmt nun immer den ersten Agenten aus dieser Liste, stellt seine Uhr auf dessen Startzeit vor und lässt ihn seine Handlungen ausführen. Der Agent selbst schreibt sich nach Beendigung seiner Handlungen wieder in die Warteliste („Agent 1, Auf Ende Salzabbau warten, Startzeit= t+6,6T“). Neben Agenten die sich in eine zeitliche Warteliste einordnen gibt es auch Agenten die auf Ereignisse warten („Warte auf neue Abbaustelle frei“). Diese Ereignisse werden von anderen Agenten ausgelöst, so dass hiermit eine Synchronisation möglich ist. Als Umgebung für die Simulation wurde die Software Netlogo (Tisue, Wilensky 2004) verwendet. Die Software gibt in jedem Schritt folgende Informationen an: die verstrichene Zeit, das Produktionsvolumen aufgeschlüsselt in: gebrochenes Salz, gebrochenes taubes Gebirge, Salz das an den Tag gefördert werden kann (Output) und die Zahl der arbeitenden und unbeschäftigten Agenten (Abb. 10). Diese Daten werden zusätzlich in eine Exceltabelle zur späteren Auswertung übertragen. Die Agenten selbst werden in einen eigens geschriebenen Agenten-Editor programmiert, mit dem es komfortabel möglich ist, das „Gehirn“ und damit die befolgten Abläufe festzulegen. Das so erstellte Programm wird zur Laufzeit in einen Zustandsautomaten übersetzt. 2.3 Durchführung und Resultat Im Simulationsdurchgang wird das Modell bis zur vollständigen Erschöpfung des Salzlagers durchgerechnet. Details zur verwendeten Implementierung finden sich in Kapitel 2.2. In der Simulation können einige Parameter variabel eingestellt werden: • Zahl der ArbeiterInnen (HäuerInnen und TransporteurInnen jeweils getrennt) • tatsächliche Höhe der Abbauhalle und daraus resultierend die Anzahl der Abbaustufen Das Modell wurde mehrmals durchsimuliert, um sto-

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Abb. 9: Die simulierte Welt ist zellenbasiert. Jede Zellen weist eine Grundfläche von 1 m2 und eine Höhe von 2 m auf. Diese stellen das feste Gebirge dar und müssen eine nach der anderen abgebaut werden (© G. Wurzer, K. Kowarik, H. Reschreiter).

chastischen Einfluss auszuschließen. Im Folgenden werden wir nur das Ergebnis eines Simulationsdurchlaufes diskutieren, da der vorliegende Beitrag vor allem darauf abzielt, eine Methode vorzustellen6. Das Ergebnis zeigt, dass das Ausbeuten eines Salzlagers deutlich weniger Arbeitskraft und Zeit benötigt als bislang angenommen: 25 ArbeiterInnen benötigen bei einer Hallenhöhe von 6 m knapp 14 Jahre reine Arbeitszeit, um das Salzlager auszubeuten. Hier sind wir also weit entfernt von der maximalen Zeitspanne von 213 Jahren. Doch ist zu bedenken, dass es sich um 14 Jahre reine Arbeitszeit handelt. Pausen, Schichtzeiten u.ä. sind erst einzurechnen. Wir dürfen wohl auch voraussetzen, dass es sich bei diesen 14 Jahren um die Phase der größten Leistungsfähigkeit eines Menschen handelt. Wenn wir weiter annehmen, dass diese 25 ArbeiterInnen „Vollzeit“ arbeiten, d.h. keine Zeit haben ihre

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Versorgung mit Lebensnotwendigem zu gewährleisten, müssen wir weitere Personengruppen voraussetzen, die diese ArbeiterInnen mit Betriebsmitteln und Lebensnotwendigem versorgen, und Gruppen, die für Instandhaltung, Wartung u.ä. im Bergwerk zuständig sind. Das heißt die Bergbaugemeinschaft „wächst“. Möchten wir weiter annehmen, dass die Bergbaugemeinschaft Nachwuchs aus den eigenen Reihen rekrutierte, muss die Gruppe noch weiter „wachsen“. Weiterhin ist zu bedenken, dass mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als eine Abbauhalle und mehr als ein Schachtsystem gleichzeitig betrieben wurde (Abb. 1). Es zeigte sich, dass die Rolle der TransporteurInnen im Arbeitslauf vollkommen untergeordnet, nahezu vernachlässigbar ist. Das ist eine wesentliche Abweichung von der aktuellen Modellvorstellung, die davon aus-

Abb. 10: Screenshot der Simulation (© G. Wurzer, K. Kowarik, H. Reschreiter).

geht, dass parallel zum Brechen des Salzes eine große Zahl an Arbeitern mit dem Sammeln und Transportieren desselben beschäftigt sein muss. Möglicherweise wurden diese Tätigkeiten also nicht parallel, sondern nacheinander ausgeführt. Außerdem wurde deutlich, dass Platzmangel den Abbauprozess stark verlangsamt. Ein solche Situation wäre in der ersten Phase nach der Erschließung der Lagerstätte denkbar. In dieser Situation wäre zuviel Arbeitskraft tatsächlich hinderlich und müsste unter Umständen auf andere Tätigkeiten ausgelagert werden. Wir gehen davon aus, dass die somit gewonnenen Ergebnisse sowie auch unsere Methode die Grundlage für weiterführende Modellierungen in höherem Maßstab liefern können. 3. Ausblick und Conclusio Ziel dieser Simulation war es, ein Werkzeug zum explorativen Arbeiten mit dem bestehenden archäologischen Modell zu schaffen und die wesentlichen Parameter des Abbauprozesses zu erfassen. Bereits die Darstellung der Produktionsleistung in Abhängigkeit von Betriebszeit und Personalaufwand (unter Berücksichtigung der Auflockerung und der inhomogenen Salzverteilung) erbrachte wesentliche Resultate (kürzere Betriebszeit, geringerer Personalaufwand).

Darüber hinaus war es mit Hilfe der Simulation möglich: • den Arbeitsprozess in seiner räumlichen Struktur zu konzeptualisieren. • Wir konnten darstellen, wie sich, unter Annahme eines auf Optimierung und Vermeidung von Stehzeiten bedachten Abbauprozesses, die Aufgabenverteilung innerhalb der Abbauhalle gestaltet. Das optimale Gleichgewicht zwischen den Arbeitsgruppen kann ermittelt werden (Wieviele TransporteurInnen kommen auf eine(n) HäuerIn) und in weiterer Folge der Grad der Arbeitsteiligkeit. • Auch wird deutlich, welche Arbeitsschritte oder -phasen besonders kritisch bzw. vernachlässigbar sind. Wir sehen diese Simulation als einen ersten Schritt zu einer umfassenden systemdynamischen Modellierung des gesamten Bergbaus unter Einbeziehung seines Umlandes und seiner Sekundärgewerbe, die es schließlich ermöglichen würde, den gesamten Produktionskomplex mit seinen Arbeitsabläufen und Versorgungsstrukturen zu erfassen. Zusammenfassend zeigen die Resultate sehr ­deutlich das Potential Agentenbasierter Simulation für die Konzeptualisierung komplexer Arbeitsab­läufe. Grundsätzlich ist das hier vorgestellte Modell mit ­ einigen

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Adaptierungen auf andere montanarchäologische Fundstellen übertragbar. Sein wesentliches Potential sehen wir jedoch in einem anderen Bereich: • der räumlichen Strukturierung von Arbeitsprozessen • der organisatorischen Strukturierung von Arbeitsprozessen ° Aufgabenverteilung ° Grad der Arbeitsteiligkeit ° Granularität (d.h. Detaillierungsgrad der betrachten Arbeitsschritte)

Wie sehen ABM als in besonderem Maße geeignet, komplexe wirtschafts- und sozialgeschichtliche Abläufe aber auch Produktionsprozesse (chaîne operatoire) zu erfassen und zu konzeptualisieren. Dank Einen herzlichen Dank an Luke S. Premo (Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology, Leipzig) für Diskussion und Literaturunterstützung. Vielen Dank auch an Bettina Gabriel, Thomas Koch-Waldner und Martin Obenaus für ihre Unterstützung bei der experimentalarchäologischen Datenerhebung.

Notes 1 Zur Verwendung des Begriffs Modell: Der Begriff Modell wird im weiteren mit zwei Bedeutungsinhalten verwendet. Zum einen bezeichnet der Begriff die archäologische Theoriebildung zu dem prähistorischen Salzbergbau. In diesem Fall werden Ausdrücke wie Erklärungsmodell, verbales Modell, archäologisches Modell verwendet. Zum anderen bezeichnet der Begriff das aus der Agentenbasierten Modellierung hervorgegangene „Modell“. In diesem Fall wird nur der Ausdruck Modell oder aber digitales Modell verwendet. 2 ArbeiterInnen, HäuerInnen, TransporteurInnen wird im Weiteren weniger aus genderpolitischen Gründen verwendet, sondern vielmehr aus dem Grund, dass für die Ältere Eisenzeit in Hallstatt eindeutige Hinweise auf schwere Arbeitsbelastung bei Frauen und Männern vorliegen und diese mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Arbeit im Bergwerk in Verbindung zu bringen sein dürften (Pany 2003; 2008). 3 Für einen umfassenden Überblick über jüngere Arbeiten mit

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ABM siehe die CAA 2006 Session „Social Modeling and Simulation Symposium“ in: Clark, Hagmeister 2006: 16-59 und die Website der Agent-Based Modeling Group and der University of Arizona (www.u.arizona.edu/ajtmurphy/ ABM/ABM.htm). 4 Alles organische Material, das in den prähistorischen Gruben zurückgelassen wurde oder verloren ging, hat sich dank der konservierenden Wirkung des Salzes bis heute erhalten (Grubenholz, Holzwerkzeuge, Gras- und Bastschnüre, Fell, Leder, Textil, menschliche Exkremente etc.). Dieser Betriebsabfall – auch Heidengebirge genannt – blieb am Boden der Abbauhallen liegen und ist inzwischen wieder fest mit dem Berg verwachsen. 5 Die Daten wurden durch R. Totschnig, B. Gabriel, T. KochWaldner, M. Obenaus und A. Rausch erhoben. 6 Eine umfassende Analyse und Diskussion aller Ergebnisse der ABM ist Teil einer Doktorarbeit (K. Kowarik, Insitut für Urund Frühgeschichte, Betreuung F. Daim, Universität Wien).

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