Interpretierte Eisenzeiten: Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [5] 3854742908, 9783854742906

Die Tagungsreihe 'Interpretierte Eisenzeiten' feiert mit diesem, dem fünften Tagungsband, ihr erstes kleines J

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German, English Pages 328 [330] Year 2013

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Interpretierte Eisenzeiten: Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [5]
 3854742908, 9783854742906

Table of contents :
Bettina Glunz-Hüsken / Sparsam in der Grube! - Reich im Grab? Varianten und Aspekte sekundär verwendeter Beigaben aus dem Gräberfeld von Hallstatt, Oberösterreich 9
Hans Reschreiter, Doris Pany-Kucera, Dominic Gröbner / Kinderarbeit in 100m Tiefe? Neue Lebensbilder zum prähistorischen Hallstätter Salzbergbau 25
Helga Rösel-Mautendorfer / Wer hat die Hosen an? Überlegungen zu Hosen- und Rockdarstellungen auf der Situlenkunst 39
Dirk Seidensticker / Die Nutzung und Funktion von Gruben in Zentralafrika. Ethnografische Analogien und geochemische Analysen 51
Katharina Rebay-Salisbury / Phänomenologie und Landschaft: der menschliche Körper in Bewegung 61
Manuel A. Fernández-Götz / Politik, Religion und Jahrmärkte: zur Rolle der Volksversammlungen im eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Europa 71
Iztok Vrenčur / Ritual, Sign, Identity. The case of ceremonial instrument from Črnolica tumulus 83
Erika Makarová / Chamber tombs of the Platěnice culture – elite burials? 95
Melanie Augstein / Gräber – Orte der Lebenden und der Toten, Medien der Kommunikation 107
Jennifer M. Bagley, Robert Schumann / Materialized Prestige. Remarks on the archaeological research of social distinction based on case studies of the late Hallstatt golden necklaces and early La Tène Maskenfibeln  123
Mario Schmidt / Unter die Haube gekommen? Überlegungen zur Verwendung von Nadeln und der Funktion einer Kopftracht in der Späthallstattzeit 137
Gadea Cabanillas de la Torre / Social Issues Raised by 'Celtic' Art in Brittany. The Case of Stamped Pottery  153
Manuel Zeiler / Chronologie im Spannungsfeld überregionaler Beigabensitten – Fallbeispiel jüngerlatènezeitliche Keramik 165
Alfred Reichenberger / Keltisches Gefolgschaftswesen und Totenfolge im Lichte archäologischer und althistorischer Quellen  181
Tanja Trausmuth / 'Cruachan Aí' – Der Königssitz von Ailill und Medb – Vergleich einer altirischen Erzählung mit geophysikalischen und archäologischen Befunden  191
Mario Wallner / Die 'deserta boiorum' – ein Zentrum der vorrömischen Eisenindustrie?  209
Alexandra Vonkilch / Keltische Trance – Schamanismus in der eisenzeitlichen Keltiké? Diskurs und empirische Ergebnisse  223
Vladimír Salač / Zwei Beispiele des Beharrungsvermögens in den Eisenzeitinterpretationen: Die Oppida und die Markomannen  233
Petra Kmeťová / 'Masters of Horses' in the West, 'Horse Breeders' in the East?: On the Significance and Position of the Horse in the Early Iron Age Communities of the Pannonian Basin 247
Katarína Hladíková / Reflection of Age or Social Status? Case study - Quattro Fontanili, Veii  259
Gerd Stegmaier / 'Feuer – Opfer – Schädelkult'. Zur Interpretation eines ungewöhnlichen Baubefunds der Heuneburg-Außensiedlung 271
Raimund Karl / Siedlungsbestattung?  283
Jana Esther Fries / Wo sind die Häuser und wenn ja wie viele? Anmerkungen zur eisenzeitlichen Besiedlung in Nordwestdeutschland  299
Matthias Jung / Zwischen Sachhaltigkeit und Projektion. Ergebnisse einer Besucherbefragung in der Ausstellung „Keltenland am Fluss“ im Schlossmuseum Aschaffenburg  315

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Interpretierte Eisenzeiten Fallstudien, Methoden, Theorie Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie

Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.)

Impressum Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich Folge 37 Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.) Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Herausgegeben vom Oberösterreichischen Landesmuseum ISBN 978-3-85474-290-6 Medieninhaber: Land Oberösterreich/Oberösterreichisches Landesmuseum Museumstraße 14, 4020 Linz Direktoren: Gerhard Aubrecht, Interimistischer wissenschaftlicher Direktor Walter Putschögl, kaufmännischer Direktor Schriftleiter: Bernhard Prokisch Redaktion: Jutta Leskovar Grafische Gestaltung: Alexandra Bruckböck Druck: Easy-Media GmbH Linz Linz, 2013 Das Oberösterreichische Landesmuseum hat sich bemüht, alle Bildrechte abzuklären. Bei einigen Bildern konnte der Rechteinhaber nicht ausfindig gemacht werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich an das Oberösterreichische Landesmuseum zu wenden.

Inhaltsverzeichnis

Bettina Glunz-Hüsken Sparsam in der Grube! - Reich im Grab? Varianten und Aspekte sekundär verwendeter Beigaben aus dem Gräberfeld von Hallstatt, Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Hans Reschreiter, Doris Pany-Kucera, Dominic Gröbner Kinderarbeit in 100m Tiefe? Neue Lebensbilder zum prähistorischen Hallstätter Salzbergbau. . . . . . . . . . . . 25 Helga Rösel-Mautendorfer Wer hat die Hosen an? Überlegungen zu Hosen- und Rockdarstellungen auf der Situlenkunst . . . . . . . . . . 39 Dirk Seidensticker Die Nutzung und Funktion von Gruben in Zentralafrika. Ethnografische Analogien und geochemische Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Katharina Rebay-Salisbury Phänomenologie und Landschaft: der menschliche Körper in Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Manuel A. Fernández-Götz Politik, Religion und Jahrmärkte: zur Rolle der Volksversammlungen im eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Iztok Vrenˇcur ˇ Ritual, Sign, Identity. The case of ceremonial instrument from Crnolica tumulus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Erika Makarová Chamber tombs of the Platˇenice culture – elite burials?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Melanie Augstein Gräber – Orte der Lebenden und der Toten, Medien der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   107 Jennifer M. Bagley, Robert Schumann Materialized Prestige. Remarks on the archaeological research of social distinction based on case studies of the late Hallstatt golden necklaces and early La Tène Maskenfibeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   123 Mario Schmidt Unter die Haube gekommen? Überlegungen zur Verwendung von Nadeln und der Funktion einer Kopftracht in der Späthallstattzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   137 Gadea Cabanillas de la Torre Social Issues Raised by “Celtic” Art in Brittany. The Case of Stamped Pottery. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   153

Manuel Zeiler Chronologie im Spannungsfeld überregionaler Beigabensitten – Fallbeispiel jüngerlatènezeitliche Keramik Aspects of the addiction of ceramic chronology to custom of furnishing the dead with pottery while La Tène B to C between Rhine and Carpathian Basin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   165 Alfred Reichenberger Keltisches Gefolgschaftswesen und Totenfolge im Lichte archäologischer und althistorischer Quellen. . . .   181 Tanja Trausmuth ‚Cruachan Aí‘ – Der Königssitz von Ailill und Medb – Vergleich einer altirischen Erzählung mit geophysikalischen und archäologischen Befunden. . . . . . . . . . .   191 Mario Wallner Die ‚deserta boiorum‘ – ein Zentrum der vorrömischen Eisenindustrie?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   209 Alexandra Vonkilch Keltische Trance – Schamanismus in der eisenzeitlichen Keltiké? Diskurs und empirische Ergebnisse. . . . .   223 Vladimír Salaˇc Zwei Beispiele des Beharrungsvermögens in den Eisenzeitinterpretationen: Die Oppida und die Markomannen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   233 Petra Kmet´ová „Masters of Horses“ in the West, „Horse Breeders“ in the East? On the Significance and Position of the Horse in the Early Iron Age Communities of the Pannonian Basin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   247 Katarína Hladíková Reflection of Age or Social Status? Case study - Quattro Fontanili,Veii. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   259 Gerd Stegmaier „Feuer – Opfer – Schädelkult“. Zur Interpretation eines ungewöhnlichen Baubefunds der Heuneburg-Außensiedlung . . . . . . . . . . . . . .   271 Raimund Karl Siedlungsbestattung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   283 Jana Esther Fries Wo sind die Häuser und wenn ja wie viele? Anmerkungen zur eisenzeitlichen Besiedlung in Nordwestdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   299 Matthias Jung Zwischen Sachhaltigkeit und Projektion. Ergebnisse einer Besucherbefragung in der Ausstellung „Keltenland am Fluss“ im Schlossmuseum Aschaffenburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   315

Vorwort Raimund Karl, Jutta Leskovar

Die Tagungsreihe „Interpretierte Eisenzeiten“ feiert mit diesem, dem fünften Tagungsband, ihr erstes kleines Jubiläum. Was als Versuch startete, eine Plattform für intensive Diskussionen über Interpretationsversuche eisenzeitlicher Archäologie zu bieten, ist mittlerweile ein etabliertes Tagungsformat, das keine Ermüdungserscheinungen zeigt.Von 15.–17. November 2012 präsentierten 31 Vortragende vor insgesamt knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihre aktuellen Überlegungen, Forschungs- und Diskussionsansätze. Das Themenfeld war gewohnt breit, wie auch der Blick ins Inhaltsverzeichnis dieses Bandes zeigt. Die verbindende Spange war und ist wie immer der Begriff „Eisenzeit“, in all seiner (fächerübergreifenden) Bandbreite. Zu unserer großen Freude gab es wieder sehr intensive und produktive Diskussionen nach den Vorträgen und bei abendlichen Treffen, auch wenn wir diese – schon allein auf Grund der Menge dieser Diskussionsbeiträge – nicht mehr in den Tagungsband aufnehmen konnten, wie das in den ersten drei Tagungsbänden noch der Fall war. Auch wenn die Mehrheit der Vortragenden und ­TeilnehmerInnen naturgemäß aus den deutsch­ sprachigen Ländern kommt, freut uns doch die große Zahl derer, die trotz der teilweise vorhandenen Sprachbarriere auch aus anderen Ländern kommen. Dabei ist vor allem auf die erfreulicherweise

große Zahl ­tschechischer Kolleginnen und Kollegen hinzuweisen. Fünf Beiträge konnten aus verschiedenen Gründen leider nicht im Tagungsband erscheinen: Julia K. Koch „Einmal Mittelmeer und zurück? Zur Integration mobiler Männer in der hallstattzeitlichen Bestattungsgemeinschaft des Magdalenenberges beiVillingen (Baden-Württemberg)“; Doreen Mölders „Wirtschaf tsgeschichte(n) der Latènekultur“; Karl Strobel „Die Tektosagen: Zu Grundproblemen der „keltischen Expansion“; Richard Thér, Tomáš Mangel “Pottery technology and the Late Iron Age society in Chrudim region (NE Bohemia)”; und Simone Weise „Überlegungen zu einer Wirtschaftsgeschichte der Hallstattund Latènezeit“. Dennoch geben die verbleibenden 26 Beiträge einen guten Überblick über die Tagung. Unser Dank gilt denVerfasserInnen der Beiträge, den TeilnehmerInnen der Tagung, Bernhard Prokisch (Bereichsleitung Kulturbereich des Oberösterreichischen Landesmuseums), Gerhard Aubrecht (interimistischer wissenschaftlicher Direktor) und Walter Putschögl (kaufmännischer Direktor) für die Möglichkeit, die Beiträge in bewährter Manier in der Reihe des Ober­ österreichischen Landesmuseums veröffentlichen zu können und die langjährige Unterstützung unserer Tagung, sowie Alexandra Bruckböck, Graphik, für die wie immer höchst angenehme Zusammenarbeit.



Preface Raimund Karl, Jutta Leskovar

Our bi-annual conference ‚Interpreted Iron Ages‘ celebrates a small anniversary with this volume, the fifth in the series. What started as an attempt 10 years ago to provide a platform for intensive discussions of interpretative approaches to Iron Age archaeology has since become an established conference format going from strength to strength. Between 15-17 November 2012, 31 speakers presented their thoughts and research results and discussed them with an audience of almost 100 participants. The range of topics presented was as wide as usual, as is evident from the articles included in this volume. As with most previous conferences in this series, there were no restrictions on the topics included other than that the papers presented did relate to the Iron Ages in one form or other. We again were very pleased with the high amount of intensive and productive discussions which followed the papers and continued into the social events in the evenings. Not least due to the massive amount of those, we could sadly no longer include them in the conference volume as we did in the first three proceedings in this series. Even though the majority of presenters and participants came from the German speaking parts of Europe, we were very happy about the numerous participants from other parts of Europe, who attended and presented despite the occasional limitations due to language barriers. On this occasion, and to our great pleasure, it was particularly a large number of Czech colleagues who attended.

For various reasons, five of the presentations could not be included in these proceedings: Julia K. Koch’s „Einmal Mittelmeer und zurück? Zur Integration mobiler Männer in der hallstattzeitlichen Bestattungsgemeinschaft des Magdalenenberges bei Villingen (Baden-Württemberg)“; Doreen Mölders‘ „Wirtschaf tsgeschichte(n) der Latènekultur“; Karl Strobel‘s „Die Tektosagen: Zu Grundproblemen der „keltischen Expansion“; Richard Thér and Tomáš Mangel‘s “Pottery technology and the Late Iron Age society in Chrudim region (NE Bohemia)”; and Simone Weise‘s „Überlegungen zu einer Wirtschaftsgeschichte der Hallstatt- und Latènezeit“. Nonetheless, the remaining 26 contributions provide a good summary of the conference’s contents. We would like to thank the contributors to this volume and to the conference and all participants for contributing significantly to the success of the conference. We would also particularly like to thank Bernhard Prokisch (Bereichsleitung Kulturbereich des Oberösterreichischen Landesmuseums), Gerhard Aubrecht (interimistischer wissenschaftlicher Direktor) and Walter Putschögl (kaufmännischer Direktor) fort he opportunity to publish these proceedings in the publication series oft he Upper Austrian Museum and for continually supporting our conference. Finally, out thanks go to Alexandra Bruckböck (layout) for the usual good collaboration.





R. Karl, J. Leskovar [Hrsg.] (2013), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 37, Linz, 9–24.

Sparsam in der Grube! – Reich im Grab? Varianten und Aspekte sekundär verwendeter Beigaben aus dem Gräberfeld von Hallstatt, Oberösterreich Bettina Glunz-Hüsken

Zusammenfassung Im Fokus stehen verschiedene Beigaben aus der Nekropole, die umfunktioniert wiederverwendet und mit anderen kombiniert als innovative Objekte in Frauengräber gelangten. Ihre Komponenten ergeben z. T. mehrteilige, religiös motivierte Schmuckstücke mit Amulettcharakter, weil deren Bestandteile mitunter in lange tradiertem, überregional bekanntem Kultgerät herausragender Bestattungen wiederkehren, sich also einer über Hallstatt hinaus verständlichen „Sprache“ bedienen, obwohl es sich formal um unikate, Lokalprestige markierende Objekte handelt. Sie belegen zwar eine gewisse wirtschaftliche „Sparsamkeit“, gleichzeitig aber auch eine starke religiöse Motivation. Abstract I present different grave goods from the cemetery in Hallstatt which have been converted and reused as jewelry and/ or amulets in female graves. Composed of various components, they can be interpreted as multipart adornments of religious character, because their signal components also occur in common and famous cult objects found in exceptional burials.They demonstrate ‘economic’ recycling as well as a strong religious meaning.



Im Rahmen dieser Schriftenreihe wurde unlängst darauf hingewiesen, dass Pickelstiele, Holzgefäße und Textilien aus dem ältereisenzeitlichen Bergbau Hallstatts z. T. intensive Spuren sekundärer Verwendung aufweisen, ja offenbar bestimmte spezialisierte Tätigkeiten ausschließlich mit Abfallprodukten durchgeführt wurden, z. B. das Sammeln von Salzklein mittels Holzscherben, Fragmente ehemaliger Holzgefäße. Auch die Nutzung sehr verschlissener Textilien oder irreparabler Kleidungsstücke als Bindematerial liegt nahe (s. hierzu auch Grömer, Stöllner 2009 [Dürrnberg]), ist aber bis in heutige Zeit üblich („Fetzenkiste“). Sogar die Schäftungsköpfe von Pickelstielen dienten als Hackunterlage, wobei nicht geklärt werden kann, was gehackt wurde (Reschreiter, Grömer, Totschnig 2009: 307–20). Der hier dokumentierte, offenbar extreme Umgang mit Verbrauchsmaterialien jeglicher Art steht zwar offenbar im Gegensatz zum bronzezeitlichen Bergbau (der über spezialisierte Geräte verfügte), erstaunt aber m. E. dennoch keineswegs, ist er doch bis heute Kennzeichen erfolgreichen wirtschaftlichen Handelns. Darüber hinaus stünden diese Befunde konträr zu den sog. „reichen“ Grabausstattungen des namengebenden Friedhofs, die die theoretische Möglichkeit belegten, neues Gerät für den Rohstoffabbau anzuschaffen (ebd. 318). An dieser Stelle soll nicht der augenfällige Reichtum Hallstätter Bestattungen angezweifelt werden, obwohl hinzuzufügen ist, dass erst die Aufdeckung des bronzezeitlichen Friedhofs vergleichende Schlussfolgerungen betreffend Bergbau und Gräberfeld einerseits und Bronze- Hallstattzeit andererseits begründet ermöglicht. Ohne die Facetten des Begriffs „reiche Grabausstattung“ generell und die hergestellte, mindestens bedenkliche Korrelation zwischen stark religiös verhafteten Begräbnissitten und profanem bergmännischem Salzabbau zu hinterfragen, beleuchten die nachfolgenden Beispiele „Sparsamkeit“ und „Wirtschaftlichkeit“ im Gräberfeld selbst. Manche Beigabe wurde derart ambivalent verwendet, dass man in einigen Fällen sehr wohl von „Sparsamkeit“, also einem rein wirtschaftlichen Gesichtspunkt auch im Bereich des Totenkults sprechen kann. Evident scheint jedoch ihre religiöse Motivation, weil sie Elemente mit Signalcharakter enthalten, Bausteine überregionalen Kultgeräts, dessen sich die Elite traditionell bediente. Jene unterlagen

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daher kaum der Willkürlichkeit. Ihre z. T. komplexe, mitunter solitäre Form und die Wirkmächtigkeit ihrer Bestandteile, also ihre immateriell-inhärenten Eigenschaften weisen sie als lokale Prestigeobjekte mit religiösem Charakter aus. Achsnägel Grab 507 – Radamulett Grab 669 Aus dem ikonographisch, symbolisch und materiell reichsten Inventar des Friedhofs, Grab 507 (vermutlich die Bestattung von Frau und Mann), stammen vier ­typologisch singuläre Achsnägel (Kromer 1959: Taf. 89,2; Barth 1973)1. Ihre gleichmäßig umgebogenen Enden zeigen einen fahrenden vierrädrigen Wagen nordalpiner Manier an und belegen offenbar seine völlige Demontage, weil anders die funktionstüchtigen Nägel nicht erklärbar wären: Hätte man die Nägel aus der Achse gezogen, müssten sie wie ihre böhmischen Verwandten geradlinig verlaufen. Eine reine pars pro toto-Anfertigung der Nägel (ohne Existenz eines Wagens) zu postulieren bliebe ohne Parallele, ebenso wie die Annahme eines – mit Ausnahme der Achsnägel – rein hölzernen Wagens. Die Bestattung enthält keine weiteren Wagenteile oder Pferdegeschirr. Dies, die Anbringung von Klapperblechen an den Nägeln und die geografische Situation ihres Fundortes gaben bisher Anlass, an der Existenz eines realen Wagens im Hochtal zu zweifeln (Kromer 1986: 82; Metzner-Nebelsick, Nebelsick 1999: 70 –1) (Abb. 1 a).

Abb. 1a:  Achsnagel, Hallstatt Grab 507 (nach Barth 1973: Taf. I, 8).

Abb. 1c:  Fragment eines Schmuckobjekts mit Bestandteil eines mutmaßlichen Nabenrings, Hallstatt Grab 669 (NHM-Wien Inv.-25705, Foto A. Schumacher). Abb. 1b:  Schmuckobjekt, Hallstatt 669 (nach Kromer 1959: Taf. 153,5).

Zwischenzeitlich wurde in Brandgrab 669, nach archäologischer Bestimmung ein rein weibliches Inventar der Stufe Ha D 1, ein mutmaßlicher, weiterer Wagenbestandteil identifiziert, nämlich das Fragment eines bronzenen Nabenbeschlags. Das unvollständige, sehr massive Blech gehört zu einem innovativen, singulären Radobjekt (überliefert sind vier Teile), dessen Funktion unklar bleibt (Abb. 1 b). Nichts spricht jedoch dagegen, es vorerst als stark symbolbehafteten Schmuck mit Amulettwert anzusprechen. Das noch 2,5 cm breite, getreppte, im Gegensatz zu Bronzegefäßen (z. B. Prüssing 1991, z. B. Taf. 142 Nr. 385 und 386) starke Blech fungiert als „Felge“ einer Raddarstellung, seine acht „Speichen“ ahmen eine Torsion nach und schaffen so eineVerbindung zu den gestielten Ringgehängen der Gräber 507 und 121, letzteres stellt ja eine vergleichsweise realistisch dargestellte Nabe dar (Egg 1987: 185; siehe auch Egg 1988/89: 262–3; 1996: 223). Mindestens acht Miniaturgefäße, Imitationen heimischer Hochhalsschüsseln, dienen als Niet zwischen Felge und Speiche, auf ihre Symbolik komme ich an anderer Stelle zurück. Die „Felge“ indes stellt vermutlich einen ehemaligen Nabenhalsbeschlag dar. Im Profil gut vergleichbare Ringe stammen aus Großeibstadt, Pilsach-Niederhofen, Dýšina und Salz-

Abb. 1d:  Nabenbeschlag Großeibstadt (nach Pare 1992: Pl. 74 B 1).

burg-Taxham (Pare 1992: Taf. 87 A2; 108, A1; 131, A 1,2) (Abb. 1 c und d). Seine größere Breite mag den in der ­Regel auch wenig längeren Achsnägeln, die außerhalb des Hochtals üblich waren, entsprechen. Möglicherweise wurde das Blech an den Rändern gekürzt, so dass unklar bleibt, ob es zu einem gewöhnlichgroßen, einem kleineren Wagen oder einem Modellwagen gehörte.

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Abb. 1e:  Como Ca`Morta (nach Egg 1996: 29 Abb. 19, 2).

Könnten wir die Frage bejahen, ob Achsnägel und Nabenring vom gleichen Wagen stammen, hätten wir den Beweis, dass er nach dem Tod der in Grab 507 (Ha C) Bestatteten zerlegt, manches später wiederverwertet (Grab 669 Ha D 1) und der zu postulierende, fehlende metallische Rest des Gefährts offenbar vollständig eingeschmolzen wurde – ein in seiner Gesamtheit zweifellos starker religiöser Akt. ­Lediglich die Achsnägel reichten aus, um den sozialen Stand und den Glauben an eine Wagenfahrt ins Jenseits (und/oder die Wagenfahrt zu Lebzeiten im Flachland) der hier Beerdigten gegenständlich zu zeigen – die ­reduzierteste aller Varianten. Religionsgeschichtlich von Interesse ist die Tatsache, dass der mutmaßliche ­Nabenbeschlag dazu benutzt wird, ein neuartiges Symbol zu schaffen, das durch die Speichen erneut ­ einen Rad-Wagenbezug herstellt und zwar auf innovative Weise, die keine Nachahmung findet. Schließlich hätte man leicht einen „geschichtslosen“, neuen „Felgenring“ für das Amulett fertigen können. Tordierte Speichen kennt man weder von großen noch von Modell­ wagen. Die Gesamtheit seiner Elemente, nämlich

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(­lokal und zeitlich geprägtes) Gefäß, Rad und Torsion sind ­allerdings wiederkehrende Bausteine überzeitlicher Becken­wagen, langlebiges bekanntes Kultgerät heraus­ragender europäischer männlicher Bestattungen seit der Bronze­zeitstufe D z. B. aus Skallerup/Seeland, Peckatel/Mecklenburg, Milavˇce/Südböhmen, Radkersburg/Steiermark, Ca`Morta/Como, Marsiliana d`Albegna/Grosseto, Strettweg (Abb. und weitere ­Literatur bei Kossack 1956/57; Kossack 1997: Abb. 1; Egg 1986; 1991; 1996; Schauer 1987; Müller-Karpe 2009: 68ff.; Kossack 2002) (Abb. 1 e). Stellte sich umgekehrt heraus, dass die Achsnägel und der Metallbeschlag nicht an einem oder zwei Wagen aus Hallstatt montiert waren, müsste der Nabenring als durch Handel ins Hochtal gelangtes Einzelstück gelten, dessen ehemalige Funktion vermutlich aber durchaus bekannt war, weil mit ihm erneut ein Wagen- bzw. Radkontext hergestellt wird. Mindestens wirtschaftliche Sparsamkeit verkörpern jedenfalls sowohl die ausschließliche Beigabe der Achsnägel als Symbol für den kompletten Wagen (realer Rest, keine „recycelten“ Teile2), als auch die spätere Verwendung einer Nabenverkleidung als solitärer Bestandteil des Amuletts. Gleichzeitig intendieren beide auf minimale Weise aber auch eine starke religiöse Aussage, die überall verstanden wurde. Stammten beide Wagenbestandteile vom selben Gefährt, drängt sich außerdem die Frage nach der Art und Weise der Beziehung zwischen den in Grab 507 während Ha C Beerdigten und dem jüngeren Ha D1-zeitlichen Frauengrab 669 auf: Sie kann mangels überliefertem Leichenbrand nicht beantwortet werden. Situla Grab 599 – Brustschmuckring Grab 603 Brandschüttung 599 enthielt u. a. neben weiblichem Schmuck (Kugelkopfnadeln, Spiralen, Bernsteinperlen) zwei Situlen. Dabei handelt es sich zum einen um einen 70 cm hohen Eimer vom Typ Kurd, der mittels Trageringen (und zu postulierender Stange) zu bewegen war (Certosa-Situla 2. Fries) (Abb. 2 a). Einer dieser verzierten Ringe samt bandförmigem Henkel fehlt allerdings. Schon K. Kromer fiel auf, dass er sich vermutlich in Körpergrab 603 befindet (Abb. 2 b). Die mutmaßlich weibliche Tote trug ihn integriert in ein Gehänge, das sie auf der Brust trug und außerdem aus

1991: Nr. 101). Ob die Umwidmung eines Tragerings zu Schmuckzwecken aus reiner Sparsamkeit im wirtschaftlichen Sinn erfolgte oder verwandtschaftliche, freundschaftliche Gründe für eine Verbindung der beiden Frauen über den Tod hinaus ausschlaggebend waren, bleibt u. a. wegen der Quellenlage der Altgrabungen erneut unbeantwortet. Stellvertretend könnte die Kette mit dem dominanten Ring dem Betrachter das Gelage in Erinnerung gebracht haben, also seinen ursprünglichen Kontext. Ziergehänge Grab 778

Abb. 2a:  Situla mit Tragering, Hallstatt Grab 599 (nach Prüssing 1991; Taf. 17,101).

Eine ca. acht Zentimeter breite, zweischalige, beidseitig gleichartig verzierte Bulle mit anthropomorphen ­ Anhängern und Eberhauerauflage stammt aus der Brandschüttung 778 (Kromer 1959: Taf. 163,4), Abb. 3a. Die Anbringung der Ketten durchlochte die Bleche am Rand, so dass der hohle Körper wohl kaum zur Aufbewahrung eines besonderen Inhalts diente, weil die beiden Schalenhälften somit fest verschlossen ­ waren. Die beiden ziergleichen, aber ungleich gewölbten Bleche mit radialen Strichgruppen und Buckeln finden in Form und Maß (8 –10 Zentimeter) zweifellos Entsprechungen in italischen Treibarbeiten; aus dem Hallstättischen Umfeld ist Vergleichbares nicht bekannt. Ich führe insbesondere die Zentren der Bronzefeldflaschen an, obzwar sich keine exakte Parallele durch von dreireihigen Streifen getrennte ­Buckel

Abb. 2b:  Situla-Henkelring, Hallstatt Grab 603 (NHM-Wien Inv.-Nr. 25533, Foto A. Schumacher).

Bernsteinperlen und einem tönernen kreuzförmigen Riemenverteiler bestand. Eine versehentliche Vermischung der Beigaben ist also nicht nur wegen dieses eindeutigen Befundes ausgeschlossen, sondern auch, weil die beiden Gräber ca. 19 m voneinander entfernt waren (Kromer 1959: 132–3,Taf. 117,1; Prüssing

Abb. 3a:  Schmuckbulle, Hallstatt Grab 778 (NHM-Wien Inv.Nr. 26000, Foto A. Schumacher).

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Abb. 3b:  Feldflasche, Bisenzio Le Bucacce Grab 1 (nach Marzoli 1989: Taf. 9).

mit zentralem Buckel finden lässt (Abb. 3 b). Dies ist wenig erstaunlich, weil es sich bei den regional eng begrenzten Flaschen aus Südetrurien um Einzelstücke handelt, die keine Gruppenbildung ermöglichen (Marzoli 1989). Die Annahme ihrer Fertigung aus ­einer Feldflasche erklärte jedenfalls sowohl die ungleiche Wölbung der Scheiben, als auch die „Zweiseitigkeit“ des Schmucks. In Frage kommen außerdem italische Schilde, bzw. Schildbuckel. Allerdings müsste es sich bei den Hallstättischen dann um eine „neue“, von A. Geiger nicht bearbeitete Werkstattgruppe handeln, weil Schild­ buckel mit zentralem Zierbuckel immer durch Punktreihen und nie durch Rippengruppen getrennt sind (Geiger 1994: z. B.Taf. 24, 25, 26, 27, 64, 65, 70, 71, 74, 75, 78, 80, 81, 82, 83, 84, 85) und die beiden hallstättischen Zierbleche im Vergleich mit einigen Italischen wenig stufig ausfallen (ebd. z. B.Taf. 18, 64). Die ­beiden vergesellten Pferdefibeln mit nach unten gerichtetem

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Knotenschwanz (Polenz 1978: 132) weisen wie die bernsteinbesetzten Sanguisugafibeln (Glunz 1997: 70 – 6) und das hier besprochene Amulett nach Mittelitalien, ohne damit die leibliche Herkunft der Verstorbenen zu klären. Stern Grab 841 Der vielleicht ehemals mit Koralle oder Glas gefüllte bronzene Stern von ca. vier cm Durchmesser befand sich (zusammen mit einem Eberhauer?) auf dem Unterleib der Körperbestattung 841, dessen Skelettgröße Ramsauer nicht angibt (Kromer 1959: 174, 5) (Abb. 4). Kombiniert waren neben einer Brillenfibel und verschiedenen Perlen heimischer Ringschmuck, nämlich ein grob geperlter Armring vom Typ Traunkirchen und ein Buckelarmring mit Zwischenscheiben Typ Ottensheim. Es handelt sich also um eine weibliche Bestattung der Zeitstufe Ha C/

Abb. 4:  Stern, Hallstatt Grab 841 (nach Kromer 1959: Taf. 174,5).

Abb. 5a:  Schmuckfalere, Hallstatt Grab 750 (nach Kromer 1959: Taf. 150,1).

D1. In Form und Maß vergleichbarer Zierrat gehört in Vaszar und Pullach als Aufsatz zu Ringfußknöpfen, also Pferdegeschirr (Metzner-Nebelsick, Nebelsick 1999: 72). Man kennt eine Parallele als Falerenscheitelknopf vom bayerischen Hesselberg3, drei Sterne aus Este Via S. Stefano, Fondo Candeo Grab 302 (Ende 8. Jh.), Bischofshofen Grab 487 und Stiˇcna Hgl. VI bzw. 55 Grab 13 (Müller-Karpe 1959: Taf. 91,10; Lippert, Stadler 2009/2: 106 Taf. 142,5). Sie ermöglichen leider keine genauere Zuordnung zu einem Gegenstand, den sie durch ihre Sternform – ein Emblem – zierten. Die über den Schmuckzweck hinausgehende Funktion bleibt folglich ebenso unklar wie jene der Faleren (Egg 1996b: 327–45, bes. 343; Stöllner 2002: 136 –38; Hansen 2003: 27–9). Die Lage des Sterns im Bauchbereich und die mutmaßliche Kombination mit einem Eberhauer bleiben singulär und sprechen für ein vielleicht an einem Ledergürtel getragenes, mehrteiliges Amulett.

Schmuckfalere Grab 750, Klapperblech-Streufund Eine flachkrempige 11,4 cm breite Falere, umgearbeitet zu einem Schmuckobjekt mit diversen Klapper­ blechen (Abb. 5 a) gehört außer Keramik,Tierknochen, Armreifen und Brillenfibeln, deren Anzahl und Form nicht überliefert sind, zur Brandschüttung 750, die Bestattung wohl einer Frau (Kromer 1959: Taf. 150, 1; Gleirscher 1993: 46; Metzner-Nebelsick, Nebelsick 1999: 74). Obwohl die Funktion der Faleren überregional nicht einheitlich benannt werden kann und sie nur sehr vereinzelt in Frauengräber gelangten (in Vergina und Donja Dolina; Egg 1996 B: 343), muss das Stück hier als funktionsfremd betrachtet werden, weil Faleren (ohne Zier) in Hallstatt durchwegs männlich konnotiert sind. Der flache Knopf der Oberseite weicht wiederum jedoch von den klassischen Hallstätter spitzkonischen Falerenknöpfen ab. Der obere Rand der Falere ist stark beschädigt und

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Abb. 5b:  Gürtel, Hallstatt 861 (nach Kilian-Dirlmeier 1972:Taf. 55,559).

somit bleibt offen, ob die Ketten mit Klapperblechen umlaufend fixiert waren oder nur in der unteren Hälfte, was zu vermuten ist. Ein gut vergleichbares 15 cm breites Blech findet sich in Hügel 24 Grab 2 des Gräberfeldes von Seewiesen bei Heidenheim-Schnaitheim. Das Kammergrab enthielt die Leichenbrandreste einer wahrscheinlich erwachsenen Frau und u. a. ein reichhaltiges Keramikservice, zwei Hohlwulstringe (Gürtel), eine Rassel und die genannte Schmuckscheibe. Sie unterscheidet sich durch eine kreuzförmige Punktbuckellinie und das Fehlen des zentralen Zierknopfes mit Schlaufe. Die untere Hälfte zeigt noch sechs erhaltene Klapperbleche, wie üblich beidseitig verziert, in bekannter Tremolierstichzier (Dietrich 1998: 237– 9, Taf. 32). Vergleichbar ist weiterhin der doppelschalige Blechkörper aus Grab 963 von Hallstatt, ebenfalls keine Falere (Kromer 1959: 198,2). Zwei der sechs erhaltenen Klapperbleche der ­Falere aus Hallstatt Grab 750 zeigen senkrecht getriebene ­engere Rillen, die von einer zu ihnen waagrecht verlaufenden Linie begrenzt werden (Leiterband). Parallelen zu diesem Muster findet man an Gürtelblechen Südwestdeutschlands und der Schweiz (Kilian-Dirlmeier 1972: Nr. 343, 345, 355, 356, 365, 377, 390, 400, 408, 473, 679), einmal in Oberbayern (ebd. Nr. 622 Huglfing, Lkr. Weilheim-Schongau), vor allem aber an Hallstättischen Gürteln. Betroffen sind die Typen mit getriebenem Dekor (Hallstatt Grab 67/1872), mit Rapportmuster (523, 494, 33/1871), mit großen geschlossenen Feldern (98/1874), Schrotzhofen (485, 696, 874) und Echerntal (861, 1001) (Abb. 5 b). Vermutlich wurden auch die beiden anderen triangulären Bleche der Falere aus einem größeren ausgeschnitten, wie die Form der Ränder und der nicht zentriert gelegene getriebene Buckel eines der Bleche vermuten lässt.

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Die beschriebene Wiederverwertung von Gürtelblechen wird allerdings kaum ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt sein, ist sie doch überregional belegt: Im Depot aus Wiesing-Buchberg im Tiroler ­Inntal wurden 1996 in einer schmalen Felsspalte zwei punzierte Blechgürtel, eine Bronze­fibel vom Mittellatèneschema sowie ein über acht Meter langes, vorerst als Zeremonialbehang eines Pferdes interpretierter Kettenbehang entdeckt. Der vorläufigen Veröffentlichung durch L. Wamser ist zu entnehmen, dass 38 der insgesamt 51 Blechanhänger und Klapperbleche aus mindestens 14 verschiedenen Blechgürteln bestehen (aus 1–3 Werkstätten), die eine ähnliche Punzornamentik aufweisen wie die beiden an der Fundstelle niedergelegten Gürtel (Wamser 2002). Zwei kleine spezifisch verzierte trianguläre Bleche aus der Nekropole von Pfatten Grab 199 kehren auf Gürteln im Grab 200 desselben Friedhofs und in Moritzing Grab 1, 2, 12 und 27 wieder (Pfatten: Alberti 2007: Taf. LVIII/11–15. Moritzing: Steiner 2002: Taf. 1, 3, 12, 27). Weitere Belege stammen aus Bergisel und Volders-Himmelreich (Appler 2010: 42 Abb. 21; 43 Abb. 22.; s. auch 190 –91). Somit scheint sich vorerst eine inneralpine Verbreitung dieses wiederver-

Abb. 5c:  Klapperblech, Hallstatt Streufund (nach Prüssing 1991: Taf. 142,390).

wertenden Brauchs entlang des Inns, nach Süden bis in den Bozner Talkessel abzuzeichnen. Glatte unverzierte Klapperbleche sowie unspezifisch dekorierte entziehen sich einer Prüfung unter diesem Aspekt. Darüber hinaus sind aber auch wiederverwertete Blechgefäße überliefert: Ein trianguläres Klapperblech aus Hallstatt – leider ein Streufund (Prüssing 1991: Nr. 390) (Abb. 5 c) – zeigt ein geritztes geometrisches Muster, das an Kreuzattaschenkessel oder Beckentassen wiederkehrt (Jacob 1995: Nr. 44. 231; Prüssing 1991: Nr. 23) (Abb. 5 d). Aus Mechel/Nonsberg stammen mindestens elf aus Bronzegefäßen ausgeschnittene Klapperbleche, die Lucke und Frey bereits 1962 vorlegten. Sie zeigen Figuren und Tiere; ihr Ausschnitt berücksichtigt mitunter weder Dekor noch seine Ausrichtung. Nach den Autoren stammen sie aus einem „Heiligtum“ (Lucke, Frey 1962: 66–7, Taf. 27), von H. Steiner jüngst auch als Brandopferplatz angesprochen (Steiner 2010: 900, dort zahlreiche Angaben). Floraler Dekor (Baum?) kennzeichnet ein Blech von der Burg Greifenstein, Gem. Jenesien bei Bozen, dessen Niederlegung in einer Felsspalte für eine religiös motivierte Entäußerung spricht (Torggler 2002: 144 Abb. 10; 153 Taf. 2, 5). Wahrscheinlich handelt es sich um die Darstellung eines Baumes, zu sehen auf den Situlen von Nesactium 1981 (2x), Certosa,Welzelach (2x) und Töplitz (Nesactium: Mihovili´c 1995; andere: Lucke, Frey 1962: Taf. 64, 72, 76). Er befindet sich bei allen Eimern im 3. Fries, eingebunden zwischen Tiere, mit Ausnahme der Certosa-Situla (Hasenjagd), wohl die Wildnis symbolisierend (Huth 2003: 194). Spekulativ und gleichviel ob hier Halbfabrikate einer Werkstatt oder in irgendeiner Form „ausgemusterte“ Gefäße ge-

opfert wurden: Schließlich kann ein vollständiges Gefäß nur von einer Person rituell verwendet werden, während es mehrteilig Vielen zur Verfügung steht. G. Kossack formulierte: „… Mögen solche figuralen Werke heute als bloße Abbilder höfischen Lebens erscheinen, die sakrale Grundidee, die es damals geprägt hat, schlug auch bei den Bildern durch. Wer sie im Zusammenhang ‚las‘, wird mythisches Geschehen in eine Wirklichkeit besonderer Art transponiert gefunden und es sich vergegenwärtigt haben; bei Kultfesten sah er es in Handlung umgesetzt. Dieser Aspekt lässt sich zusätzlich begründen, wenn man figural verzierte Gefäße zerschnitten und die Blechstücke als Heilsbringer geweiht hat …“ (Zitat Kossack 1993: 17–8). Nicht nur die beiden Gürtel aus Wiesing-Buchberg, die etwa 100–200 Jahre lang über Tage verwahrt wurden, auch die depotartige Niederlegung von Gürteln im Grab (Kilian-Dirlmeier 1972: 124–25; Wamser 2002: 1030 –31) bezeugt ihre besondere religiöse, über den Tod hinausgehende Bedeutung. Gürtel selbst waren bekanntlich Träger von Bilderzählung, auf den Situlendenkmälern werden Gürtel von Faustkämpfern und Trankspendern getragen, Personen mit symbolisch-mythologischem Gehalt. Ganz offensichtlich wird ihre Bedeutung durch die Beigabe eines im Inventar zweiten, goldenen Gürtels in Hallstatt Grab 505 und – einzigartig – jenen mit Schärpen- bzw. augenscheinlich verbindendem, „zwischenmenschlichem“ Charakter (über zwei Tote gelegt in den Gräbern 376, 121, 210, 264, 459). Ihre zum Teil wohl auf gewebte Muster zurückgehenden Dekore und bisweilen anhängenden und auf ihnen abgebildeten Klapperbleche (Wamser 2002: 1000-1, Abb. 6, 7) schaffen einen Kontext zur Webkunst und zu Musik und Klang (Fath,

Abb. 5d:  Bronzetasse, Hossingen Hgl. 2 (nach Jacob 1995: Taf. 8,44).

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Abb. 6a:  Scheibenfibelpaar, Hallstatt Grab 83 (NHM-Wien Inv.-Nr. 23918 u. 23919, Foto A. Schumacher).

Glunz-Hüsken 20114), in Vielzahl gestempelte Adoranten, Pferde,Vogelbarken und Sonnenmotive weisen sie als Träger z. T. alt überlieferter religiöser Embleme aus (Siehe hierzu auch Kossack 1998: 85–86 [Gürtel Fliess]). Es liegt daher nahe, sekundär aus Gürtelblechen gefertigte Klapperbleche (und anderen Blechschmuck z. B. Appler 2010: Abb. 21, 22) keineswegs unter dem Aspekt der Sparsamkeit zu sehen, sondern ihnen einen als magisch empfundenen Gehalt zuzuschreiben, weil ihnen ursprünglich eine religiöse und soziale Rolle – verkörpert im Gürtel – zukam oder anders formuliert: Man empfand die religiöse Wirkkraft des Gürtels und der Bronzegefäße auch noch nach langer Zeit in ihnen präsent, sie waren zu sakral, um sie einzuschmelzen. Symboltragende Objekte zu Amuletten umzuarbeiten geht grundsätzlich offenbar auf eine lange Tradition zurück: B. Kull berichtet von frühphrygischer Keramik mit Hirschbildern, deren Scherben zu Amuletten umgestaltet wurden (Kull 1997: 237).

ein eisernes Ärmchenbeil und ein unikates Scheibenfibelpaar (Abb. 6 a). F. R. Hodson sah es aus Faleren gefertigt an (Hodson 1990: 107), wobei hier formenkundlich weder Krempenfaleren noch die Kalotten der Gräber 643, 1015a, 283 und 465 (Barth 1980 mit Deutung als Helmaufsätze) als wirklich vergleichbare Parallelen gelten können. Unter anderem der getreppte Zierknopf der Scheiben erinnert allerdings stark an die Zierknöpfe von Schüsselhelmen, wobei selbst nach Autopsie nicht geklärt ist, ob es sich um origi-

Scheibenfibel Grab 83 Brandschüttung 83 enthielt an Beigaben ein für eine weibliche Bestattung sprechendes Haarschmuckset, bestehend aus acht Kugelkopfnadeln plus Spiralrolle, diversen Ringschmuck, ein kreuzförmiges Riemenhohlkreuz (Metzner-Nebelsick, Nebelsick 1999: 74. Var. Osovo nach Parzinger, Nekvasil, Barth 1995),

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Abb. 6b:  Schüsselhelmscheibe, Hallstatt Grab 811 (nach Kromer 1959: Taf. 168,18).

nale Seitenscheiben oder „Kopien“ handelt. Gut vergleichbar sind die Scheibenspitzen der Inventare 776, 799, 78 und 811 (Abb. 6 b). Die dreifach umlaufenden Zier­liniengruppen stellen jedoch ein von den überlieferten Seitenscheiben mancher Schüsselhelme abweichendes Merkmal dar, während die Wölbung und ihre Größe (Durchmesser 6,7 und 7,3 cm) sich sehr gut in das vorhandene Scheibenspektrum eingliedern lassen. Die höhere Zahl an konzentrischen Zierkreisen muss nicht zwingend gegen Schüsselhelmscheiben sprechen, weil sie leicht nachträglich eingeritzt werden konnten, z. B. um den repräsentativen Charakter zu steigern und die Fibeln mit einem bekannten religiösen Emblem zu versehen (Glunz-Hüsken 2008: 54-6). Schließlich könnte es sich auch um einen bisher unbekannten, spezifisch hallstättischen Schüsselhelmtyp handeln5. Körpergrab 25/1871 bietet nur eine Scheitelscheibe mit konzentrisch anhaftenden Nägeln (einmalig im Friedhof belegt), d. h. der Helm verfügte nur über ­diese Scheitelscheibe (Typ A nach Starè 1962/63). Er hätte dann eine Parallele in Malence (Egg, Neuhäuser, Škoberne 1998: 459 Abb. 22) oder man entfernte die ehemals vorhandenen Seitenscheiben bevor man ihn der Erde übergab. Bestattung 175 enthält als Reste eines Schüsselhelms gesichert eine Knauf- und eine Seitenscheibenspitze, die also hier sicher fehlenden Scheiben (plus Nägel und Geflecht) wurden offenbar nicht beigelegt, weil Schüsselhelme mit nur zwei Scheiben als Typ nicht bekannt sind. In Hallstatt gelangten demnach nicht immer vollständige Helme ins Grab, Teile davon genügten, um den Toten als Krieger zu kennzeichnen. Das Scheibenfibelpaar aus Grab 83, angenommen als modifizierte, originale Helmteile, belegt einerseits eine materielle und ideelle „sparsame“, reduzierte Verwendung, weil zwei kleinere, vergleichsweise schlichte Scheibenfibeln sicher leicht neu anzufertigen gewesen wären. Über diesen wirtschaftlichen Aspekt hinaus könnte auch ein religiöser Bezug be­stehen: Man mag sich die Kraft des Helms, die man ihm als kriegerisches und religiöses Symbol zuschrieb, auch in den Fibeln weiterwirkend vorgestellt haben. Ob und welcher Zusammenhang zwischen der Scheibenfibelträgerin und dem Helmbesitzer bestand, bleibt offen. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist die Neuanfertigung der Scheibenfibeln nach dem Vorbild

der Seitenscheiben von Schüsselhelmen. Auch dieser Fall fände übrigens in der „Gürtelhakenfibel“ aus Brandschüttung 763 eine Parallele: Der 6,7 cm lange blattförmige Fibelkörper ahmt zweifellos einen Gürtelhaken nach. Die Bronze ziert gut sichtbar eine einfach gestaltete Fischdarstellung mittels Tremolierstich (Kromer 1959: Taf. 142,9). Diese Technik kennt man von den rhombischen Haken der Gräber 100, 792 und dem zungenförmigen Haken aus Inventar 132. In das ringförmig gestaltete Ende der Gürtelhakenfibel wurde eine eiserne Nadelkonstruktion eingebracht und in den zur Seite gebogenen Nadelhalter eingehängt; die (wohl eiserne) Nadel selbst ist vollständig vergangen. Eine Flickstelle, die die Fibel als umkonstruierten Gürtelhaken ausweist, ist nicht vorhanden. Über die symbolische Bedeutung der Gürtel (und Haken), die in diesem Fall durch den Fisch als traditionelles Symbol für das Element „Wasser“ bereichert wird (z. B. Kull 1997: 311–12, 242), habe ich oben bereits gesprochen. Nachbarschaftliche Kontakte belegt die singuläre Fibelparallele aus Schleedorf-Mölkham Hgl. 1 im Inn-Salzach-Gebiet (Stöllner 2002: 58), dort gleichfalls als Neuanfertigung. Die Verknüpfung und Darstellung symbolhaltiger Gegenstände, häufiger von Waffen auf/mit Fibeln, die von Männern und Frauen getragen wurden, ist indes ein weithin und langläufig beobachtetes Phänomen (z. B. Derrix 1997: 523–25, Herzsprungschilde; Kull 1997: 333-6 Abb. 64, 7–8, Lanze/Fibel). Pferdegeschirr Weitere Belege für die beschriebene Praxis stammen aus den weiblichen Gräbern 196 (Trense), 457 (Knebel), 672, 83 und 603 (Hohlkreuze), 784 (Riemenkreuzung), 231 und 347 (Riemendurchzüge). In diesen Fällen wurde Pferdegeschirr in meistens mehrteilige dominant wirkende Schmuckgehänge integriert, getragen als Kette (196, 603, 457, 83, 347), Gürtelverschluss (784) oder als Arm- und Stirnbandbesatz (231, 672). Naheliegend, einen unheilabwehrenden Zweck dieser Unikate anzunehmen. Eine regionale Eingrenzung des einzelnen Geschirrs ist wegen seiner weiten Verbreitung nicht möglich (Metzner-Nebelsick, Nebelsick 1999). „Vollständige“ Schirrung ist aus dem Hochtal nicht bekannt. Der Motivationsgrund „wirt-

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schaftliche Sparsamkeit“ greift hier als Erklärung nicht, weil die vormalige Nutzung vor Ort nicht sicher belegt und umstritten ist. Eher ist ein repräsentativ-religiöser Aspekt gegeben, weil Reiten und Wagenfahren seit jeher göttlich legitimiert waren und die meistens männliche Elite sich dieses Mittels zur Festigung ihrer Machtansprüche bediente, worauf mehrfach verwiesen wurde (Kossack 1970; 1988; Kull 1997: 269–80; Egg 2009, z. B. 46 mit Abb. 7 [Trensen]). In Hallstatt sind von diesem Pferdegeschirr-Phänomen überwiegend weibliche Bestattungen mit durchschnittlicher Ausstattung betroffen und dies ist, trotz sekundärer Verwendung auffällig, weil Pferdegeschirr – allerdings in primärer Verwendung – gewöhnlich und viel häufiger als Ausweis für (männliche) Reiter gilt (Koch 2010). Fazit Diese Beispiele stellen zwar quantitativ einen sehr kleinen Bruchteil der Beigaben aus dem Hochtal dar, einige spielen aber eine dominant-religiöse Rolle; sie verleihen ihren Besitzern darüber hinaus soziales, lokal koloriertes Prestige. Herausragende und seltene (Nabenbeschlag 669, Falere 750, „italische“ Bulle 778, Schüsselhelmscheiben Grab 83) aber auch vergleichsweise unbedeutende Objekte (Situlahenkel 603, Stern 841) werden zu Neuem umfunktioniert, bezeichnenderweise entstehen immer singuläre Schmuck­objekte mit mutmaßlichem Amulettwert in weiblichen Bestattungen, wobei die Grenze zwischen Schmuck und Amulett sicher fließend verläuft. Sie veranlassen, die materiell definierte „reiche“ Grabausstattung im Sinne von reich an individuellem und symbolbeladenem Schmuck zu erweitern. Die sicher sekundär verwendeten Beigaben (Gräber 603, 669, 750, 778, 83?) hätte man – vielleicht mit Ausnahme der aus Italien importierten Scheiben (von Feldflaschen?) – vermutlich leicht „neu“ anfertigen können. Deshalb ist zu vermuten, dass ihnen über ihre reine Zweckfunktion hinaus ein „magischer“ Charakter zugeschrieben wurde, den man sich in den innovativen Schmuckobjekten und Amuletten weiterwirkend vorstellte: Besonders anschaulich lebt das Bild des Rades im Radobjekt aus Grab 669 fort. Helme gelten als Symbol für den Krieg und als Statussymbol des Kriegers; es fällt schwer, ­diese spezielle wehrhafte Eigenschaft den Scheibenfibeln zu-

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zuschreiben, aber die Besitzerin der Fibeln und deren Betrachter könnten den Helm und das wofür er stand assoziiert haben. Ihre Fertigung aus einem Prestigeobjekt (Helm, italische Importfeldflasche oder Schild) oder seine Nachahmung ist vermutlich analog den z. B. aus Bronzegefäßen gearbeiteten Objekten religiös verhaftet. Weil Feldflaschen oder spezifisch verzierte italische Schilde im hallstättischen Umkreis unbekannt waren, ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass die Hallstätter Schmiede hier ein rein „profanes“ Schmuckstück „ohne Vergangenheit“ fertigte, dessen repräsentativ-exotischer Vorzeigecharakter im Vordergrund stand. Ebenfalls entzieht sich die Falere (750) und der blecherne Stern (841) einer Deutung, weil wir ihre eigentliche Funktion nicht kennen. Aus Gürteln und geläufigen Bronzegefäßen ausgeschnittene Klapperbleche diverser Form weisen wiederum hingegen klar auf deren religiösen Gehalt hin (Kossack 1964), der im Glauben prähistorischer Gemeinschaften offenbar auch nur in Teilen präsent und überlieferungswürdig gedacht und empfunden wurde. Hier wird greifbar, was mit der „verborgenen Lebenskraft der Dinge“ umschrieben wurde (Kossack 1998). Einige der genannten Beigaben zeigen auch, dass die Zerstörung derjenigen Objekte, deren Bestandteil manche von ihnen ehemals waren, möglicherweise ursprünglich den Zweck ihrer grabrituell zu deutenden Unbrauchbarmachung (zuletzt Hansen 2010: 185–88) zum Ziel hatte. Dies trifft wahrscheinlich für den Wagen und den Helm zu. Dagegen war die Situla auch ohne diesen einen fehlenden Ring letztlich funktionstüchtig; der Gürtel entzieht sich der Beurteilung, weil es sich auch um einen Werkstattrest handeln kann. Eine funktionale Umwidmung und sekundäre Verwendung bestimmter Objekte ist in Hallstatt nicht auf Pferdegeschirrteile beschränkt, die zwar als Einzelteile funktionsfremd verwendet, in sich aber nicht zerstört oder verändert wurden.6

Anmerkungen 1 Eine ausführliche Besprechung des Grabes 507 erfolgt im Rahmen meines DFG-Projektes zu Hallstatt (s. u.). 2 Recycling bedeutet eigentlich die Wiederverwertung bereits benutzter Rohstoffe, was hier nicht gemeint ist. 3 Gleirscher 1993: 51–2; Gabrovec, Teržan 2008 (2010); 198 Abb. 6 (zeichnerische Rekonstruktion des Sterns auf einer Scheibe [Falere, Schüsselhelmscheibe?] ist willkürlich; vgl. hierzu Wells 1981: 75 Fig. 144 a. 4 Dort zu ergänzen ist der Gürtel mit Klapperblechen aus einem Depot von Wörgl-Egerndorfer Wald. Lucke 1938: Taf. 30.14; Situla: Prüssing 1991: Nr. 167.

5 Zuletzt gliederte Egg die slowenischen und hallstättischen Schüsselhelme nach der unterschiedlichen Herstellungsart der Scheitelscheiben in sechs Gruppen: Egg, Neuhäuser, Škoberne 1998. Helm ohne jegliche Scheiben aus Budinjak (ebd.: 445– 46). 6 Ich danke F.-E. Barth (Wien), A. Geiger (Istanbul), S. Huber (Wien), A. Kern (Wien), A. Lang (München), A. Lippert (Wien), Ch. Pare (Mainz), W. Prenner (Wien) und H. Steiner (Bozen) für ihre Unterstützung bei der Recherche und gedanklichen Austausch; A. Schumacher (Wien) fotografierte die Funde.

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Kinderarbeit in 100m Tiefe? Neue Lebensbilder zum prähistorischen Hallstätter Salzbergbau Hans Reschreiter, Doris Pany-Kucera, Dominic Gröbner

Zusammenfassung Vor einigen Jahren wurden Lebensbilder zum prähistorischen Salzbergbau in Hallstatt angefertigt. Sowohl für den bronzezeitlichen Betrieb als auch für den Abbau der älteren Eisenzeit wurde versucht, die Arbeitsabläufe und Charakteristika der einzelnen Reviere darzustellen.Vor kurzem durchgeführte anthropologische Untersuchungen an den Kinder- und Jugendlichen-Skeletten aus dem Gräberfeld Hallstatt waren nun ausschlaggebend für die Überarbeitung des Lebensbildes des Bergbaus der älteren Eisenzeit. Die Ergebnisse der Analysen legen den Schluss nahe, dass neben Frauen und Männern auch Kinder und Jugendliche intensiv in den Arbeitsablauf rund um die prähistorischen Salzbergwerke integriert waren. Beide Geschlechter scheinen von Kindheit an in den Salzbergbau involviert gewesen zu sein. Im Rahmen dieses Beitrags soll das neue Bild zum ältereisenzeitlichen Bergbau in Hallstatt zur Diskussion gestellt werden. Neben den neuen anthropologischen Untersuchungen sollen auch die immensen Fundlücken, die trotz der ein­ maligen Erhaltungsbedingungen im Salzberg vorhanden sind, aufgezeigt und thematisiert werden. So ist zum Beispiel trotz jahrzehntelanger intensiver Forschung der Transport des gebrochenen Salzes nach wie vor ungeklärt. Der Bestattungsplatz der Bergleute, die den bronzezeitlichen Bergbau in Hallstatt betrieben, konnte bisher nicht entdeckt werden. Daher sind auch keine Anhaltspunkte über die Alters- und Geschlechtsverteilung der Tätigen in der Grube vorhanden. Möglicherweise geben aber bisher unbeachtete Funde dennoch Hinweise darauf, wer im Bergwerk anwesend war.

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Abstract For some time now illustrations depicting the life and work in the prehistoric salt mines have been used as important educational tools in the dialogue between researchers and the public.These “life scenes” (Lebensbilder) strongly focused on working processes and the characteristics of the different mining phases. But recently conducted anthropological investigations on children and juvenile remains from the Hallstatt cemetery have challenged the existent model of age and gender distribution of the workforce in the salt mines. The results of the anthropological analysis suggest that children and juveniles were actively taking part in the mining process alongside adult women and men. Females and males seem to have been integrated equally in mining activity from an early age onwards.Thus the development of a new “life scene” for Early Iron Age mining integrating these results was necessary. The new model picture for Early Iron Age mining in Hallstatt is presented and discussed. Discussion focuses on the recent anthropological investigations as well as on gaps in the material record of the Early Iron age salt mines. It is clear that notwithstanding the excellent preservation conditions important gaps in the archaeological record exist. These are highlighted and systematically discussed. Particular attention is given to the issue of salt transport. In addition the question of the Bronze Age mining community’s age and gender distribution will be broached. The lack of a Bronze Age cemetery as a source requires a different approach such as the discussion of age and gender specific pointers in the material record of the Bronze Age mines.

Lebensbilder zum prähistorischen Bergbau und ältereisenzeitlichen Gräberfeld in Hallstatt wurden zuletzt 2006 realisiert. Seither haben sie sich bewährt und stellen auch in der seitdem veröffentlichten Literatur und in Vorträgen ein zentrales Element zur Darstellung des aktuellen Forschungsstandes dar (z. B. Reschreiter, Grömer, Totschnig 2009; Kern, Kowarik, Rausch, Reschreiter 2008). Bereits in das 2006er Bild zum ältereisenzeitlichen Bergbau sind erste Ergebnisse der anthropologischen Auswertung der Körperbestattungen aus dem Gräberfeld eingeflossen (Pany 2003; Pany, Teschler-Nicola 2006). Demnach wurden Frauen hauptsächlich beim Tragen der Salzstücke und Männer beim Abbau derselben dargestellt. Die von Barth 1992 vorgelegten Schuhe aus den Salzbergwerken führten zur Darstellung von wenigen Kindern im Lebensbild. Seit 2006 wurden an den Kinder- und Jugendlichenskeletten aus dem Gräberfeld neue Untersuchungen durchgeführt und eine Fellkappe aus dem Kernverwässerungswerk restauriert. Die Ergebnisse dieser Analysen wurden bereits 2010 von Pany-Kucera und Reschreiter in den „Mitteilungen der An-

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thropologischen Gesellschaft in Wien“ vorgestellt (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010). Diese Ergebnisse bilden die Basis für das in der Zwischenzeit gemeinsam mit Dominic Gröbner umgesetzte Lebensbild, welches im Folgenden vorgestellt wird. Wie mehrfach dargelegt wurde, ist es notwendig, die Grundlagen für Lebensbilder als Erklärung und zum besseren Verständnis in schriftlicher Form anzufügen (z. B. Kühberger 2008: 59). Neue Ergebnisse – neues Lebensbild Bereits die gefundenen Schuhe, die die Größen 31/32 und 34/35 aufweisen (Barth 1992: 25f.), waren ein Beleg für die Anwesenheit von Kindern im älter­ eisenzeitlichen Bergwerk von Hallstatt. Der Fund einer Fellkappe 100 Meter unter Tage, die für einen Stirnumfang von nur 41,2 cm bestimmt war, legt nun nahe, dass auch Säuglinge mit in die Grube genommen wurden (siehe auch Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 55). Die anthropologischen Untersuchungen der Skelette von Kindern und Jugendlichen werfen ein deutliches Licht auf Kinderarbeit in Hallstatt:

Abb. 1:  Lebensbild zum ältereisenzeitlichen Salzbergbau in Hallstatt, D. Gröbner, H. Reschreiter, D. Pany-Kucera/NHM Wien, 2012. Farbversion dieser Abbildung siehe letzte Buchseite.

Insgesamt 40 aus sämtlichen Grabungen zur Verfügung stehende Skelette von Kindern und Jugendlichen aus dem eisenzeitlichen Gräberfeld Hallstatt wurden anthropologisch auf Zeichen früher physischer Belastung und auf Verletzungen untersucht. Dabei liegen bei einigen Individuen jeweils nur einzelne Knochen oder Zähne vor. An den Kinderskeletten konnten Abnutzungserscheinungen (Osteoarthrose) einiger großer Gelenke sowie besonders der Halswirbelsäule festgestellt werden. Es fanden sich auch weitere Zeichen von Belastung an den Skeletten. Am Schädeldach von vier subadulten Individuen (10%) konnten traumatisch bedingte, oberflächliche verheilte Eindellungen festgestellt werden. Aus den meist symmetrischen Abnutzungsmustern an der oberen Wirbelsäule der Kinder könnte auf eine tragende Tätigkeit, die den Kopf involviert, geschlossen werden. Die bisherige anthropologische Auswertung gibt Hinweise darauf, dass zumindest ein Teil der Kinder, die im Gräberfeld Hallstatt in der älteren Eisenzeit und am Beginn der jüngeren Eisenzeit als Körperbestattungen beerdigt wurden, physisch schwer und vermut-

lich eher einseitig körperlich belastet worden waren. Die Merkmale an den Knochen der Hallstätter Kinder, die auf frühe Arbeitstätigkeiten hinweisen, sind etwa ab dem 8. Lebensjahr greifbar. Da die Manifestation dieser Anzeichen jedoch ein Entwicklungsprozess ist, der eine regelmäßige Tätigkeit voraussetzt und einige Zeit in Anspruch nimmt, muss man wohl von einem entsprechend früheren Beginn ausgehen. Unter sehr starker mechanischer Belastung entwickeln Langknochen einen anderen Querschnitt als unter „normalen“ Bedingungen. Die Markhöhle ist enger und die Knochenkompakta dicker. Wenn man den robusten Knochenbau der Hallstätter als Indiz dafür wertet, dass es eine frühe physische Belastung gab, dann könnte man sich aufgrund der körperlichen ­Fähigkeiten für die Mitarbeit der Kinder in der Grube einen schrittweisen Einstieg vorstellen. Aus den unterschiedlichen Abnutzungsmustern an den Wirbelsäulen von Kindern und Erwachsenen lässt sich u. U. eine Änderung der Tätigkeit mit zunehmendem Alter ableiten. Die Ergebnisse legen nahe, dass beide Geschlechter von Kindheit an in den Salzbergbau involviert waren (siehe auch: Pany-Kucera,

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Abb. 2:  Bereits mehrfach diskutierte und veränderte Vorzeichnung für das Lebensbild. Die Nummern beziehen sich auf den Text. D. Gröbner, H. Reschreiter, D. Pany-Kucera /NHM Wien, 2012.

Reschreiter, Kern 2010). Diese Daten und die zuletzt intensiver geführte Diskussion zu Zusammensetzung und Altersstruktur ­ prähistorischer Gesellschaften (z. B. Röder 2010; ­Röder, de Jong, Alt 2012) führten zur Enstehung des neuen Lebensbildes. Das neue Lebensbild Um die Veränderung des Forschungsstandes auf den ersten Blick anschaulich zu machen, wurden sowohl der Aufbau als auch die grundsätzliche Darstellung des Lebensbildes von 2006 beibehalten. Auch die äußerst detailreiche Ausfertigung, welche immer häufiger von einer eher schematischen Darstellung abgelöst wird (Kühberger 2008: 54), wurde bewusst beibehalten. Ziel des neuen Lebensbildes ist es, abermals die neuen Forschungsresultate zur Diskussion zu stellen und zu vermitteln. Nur Gegenstände darzustellen, die auch im Fundmaterial vorhanden sind, war auch bei der Neugestaltung oberstes Prinzip. Lediglich bei der Kleidung der

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Bergleute musste diese Linie verlassen werden. Es sind zwar alle Farben und Muster der dargestellten Kleidung gefunden worden, die Schnitte der Kleider können aber aus den meist sehr kleinen Fragmenten nicht rekonstruiert werden (Mautendorfer 2007). Im neuen Bild wurde versucht, alle Altersstufen, vom Säugling über Kleinkinder bis zu Erwachsenen, darzustellen. Säuglinge und Kleinkinder Der abgebildete Säugling wird von einem älteren Jungen am Rücken getragen und betreut (Abb. 2, Nr. 1). Wir können uns vorstellen, dass die Hallstätter Kinder praktisch ab der Geburt im Berg anwesend sind und langsam in ihre Rolle im Arbeitsablauf hineinwachsen. Bisher konnten keine eindeutigen Spuren von Rachitis an den Hallstätter Kindern nachgewiesen werden. Nach Untersuchungen von Tomashek et.al. sind für weiße Kinder 30 –120 Minuten Sonnenlicht pro Woche ausreichend, um genug Vitamin D zur Vermeidung diesbezüglicher Mangelerscheinungen zu synthetisie-

ren (Tomashek et al. 2001). Welche Arbeitszeiten und Verweildauern in der Grube vor 2500 Jahren üblich waren, wissen wir nicht. Kinder Etwas ältere Kinder könnten die Betreuung der Leuchtspäne übernehmen (Nr. 2). Wie bereits 2010 festgestellt, fehlen für Hallstatt die Nachweise von Leuchtspanhaltern (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 56f.). Kürzlich im Rahmen der Ausgrabung durchgeführte Abbrennversuche von Felix Köstlbauer, Gerald Raab und Josef Weichenberger mit nachgebildeten Tannenspänen haben verdeutlicht, dass eine ständige Manipulation der Späne oder Spanbündel sehr wahrscheinlich ist, um ein gleichmäßiges Abbrennen zu gewährl­eisten. Bisher konnte erst für den bronzezeitlichen Betrieb nachgewiesen werden, dass Späne fallweise auch mit den Zähnen gehalten wurden (Barth 1987/88: 44; Thomas 2009: 153). Kinderarbeit Im neuen Bild werden Kinder und Jugendliche häufig und nicht nur leichte Tätigkeiten ausübend gezeigt. Die von ihnen ausgeführten Tätigkeiten korrelieren so

weit als möglich mit den Abnutzungen an den Skeletten. Im neuen Lebensbild ist bewusst intensive Kinderarbeit dargestellt. Kinderarbeit ist heute noch beinahe weltweit verbreitet und war auch im Bergbau bis ins 20. Jahrhundert in Mitteleuropa üblich (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 41f.). Kinderarbeit stellt ein universelles, vielschichtiges Thema dar, das an dieser Stelle aber nicht diskutiert werden kann. In letzter Zeit wird ihm von mehreren Seiten verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt (z. B.: Röder 2013; Bourdillon 2006). Da bereits 8-jährige Kinder Veränderungen an den Wirbeln aufweisen, muss davon ausgegangen werden, dass sie wesentlich früher mit ihrer einseitigen, regelmäßigen, häufigen und überlastenden Tätigkeit begonnen haben. Tragen am Kopf Möglich wäre, dass Kinder etwa mit 5 Jahren die Betreuung der Leuchtspäne aufgeben und in die Gruppe der Träger aufsteigen. Die Abnutzungen an den Hals- und Brustwirbeln machen ein symmetrisches Tragen direkt am Kopf oder mit Hilfe von Stirntragbändern wahrscheinlich (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 56f.).

Abb. 3/1 und 3/2:  Kinderarbeit in Indien, Eric Valli (http://www.ericvalli.com/index.php?/stories/children-of-the-dust/) (2013).

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Abb. 4:  Tragen des Almpakets am Kopf im Rahmen eines Trachten- und Brauchtums Umzugs (Aitenbichler 2010: 131).

Mehrere unterschiedliche Tragevarianten werden im neuen Lebensbild dargestellt. Direkt am Kopf werden Leuchtspanbündel (Nr. 3) in die Abbaukammer transportiert und gesammeltes Altholz mit Hilfe eines Bastgefäßes zum Brennholzhaufen geliefert (Nr. 4). Das Mädchen mit den Leuchtspänen verwendet einen Tragring zur Unterstützung der Last, wie er von Situlenbildern und dem Wagen von Strettweg bekannt ist (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 63f.). Im Salzkammergut war Lastentransport am Kopf bis vor kurzer Zeit üblich. Im Rahmen von Trachten- und Brauchtums-Umzügen zeigen Bäuerinnen aus der Nähe von Hallstatt das Tragen des Almfachtels mit Hilfe von Tragringen (Aitenbichler 2010: 131). Mit Hilfe eines Stirntragbandes wird der Säugling getragen (Nr. 1). Auch der Versatz wird von den Abbaustufen mit dieser Technik auf die Halde befördert. Es wird angenommen, dass der Abtransport des beim Schrämmen der herzförmigen Salzplatten anfallenden Haukleins in Ziegenhautsäcken erfolgt, deren Fragmente in großer Zahl vorliegen (Reschreiter, Grömer, Totschnig 2009: 311). Am Bild sind das Füllen der Ziegensäcke (Nr. 5), deren Transport (Nr. 6) und das Entleeren (Nr. 7) zu sehen. Das Kind im Bildmittelteil ist mit einem leeren Ziegensack über der Schulter und einem Holzgefäßscherben in der Hand zum Füllen des Sackes dargestellt (Nr. 8) (Reschreiter, Grömer, Totschnig 2009: 310f.). Der Jugendliche an der Feu-

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erstelle (Nr. 9) ist gerade dabei, einen zerrissenen Ziegensack zu reparieren. Neben den dargestellten Tätigkeiten wäre auch noch vorstellbar, dass Kinder die Versorgung mit anderen Betriebsmitteln (Werkzeuge und Lebensmittel) bewerkstelligen und für die Wasserhaltung in der Grube zuständig sind. Die Abnutzung an den gefundenen Schuhen – nur im Bereich des Fußgewölbes und nicht an der Ferse – legt ein ständiges Auf- und Abgehen entweder auf Steigbäumen oder Schinkenfahrten (Barth 2005a) nahe (Figur Nr. 10 ist mit derartig abgenutzten Schuhen dargestellt). Für den Hallstätter Bergbau ist eine weitere Trage­ variante in Form von Rucksäcken nachgewiesen (Barth 1995: 82). Inwieweit sich das Tragen von Rucksäcken allerdings an den Skeletten von Kindern oder Jugendlichen bzw. Erwachsenen abzeichnet, muss vorerst offen bleiben. Da an Kinderskeletten Geschlechtsmerkmale nicht ausreichend ausgeprägt sind, erfolgte bei der Aufnahme keine Geschlechtsbestimmung. Deshalb wurden im Lebensbild Kinder beider Geschlechter tragend dargestellt. Kinderarbeit – Erwachsenenarbeit Wie lange Kinder als Träger tätig waren und wann sie in ihre Erwachsenentätigkeit wechselten, ist nur schwer abschätzbar. Den einzigen Hinweis auf den Zeitpunkt des Übertritts ins Erwachsenenleben bildet der Befund einer 18–25-jährigen Frau, die bereits die „üblichen Abnutzungen“ vom einseitigenTragen schwerer Lasten auf einer Schulter aufweist (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 59). Entsprechend den Kindern musste auch sie die Tätigkeit bereits ­einige Jahre ausgeübt haben, bevor sie sich am Skelett manifestieren konnte. Für den Bergbau in Freyberg im 18. Jh. ist die altersabhängige Tätigkeit gut beschrieben: „Die kleinsten und schwächsten Jungen (ab dem 8ten oder 9ten Jahre) werden zum Ausklauben des abgeläuterten Grubenkleins gebraucht und werden Klauberjungen genannt. Stärkere Jungen arbeiten an der Scheidebank und werden Scheidejungen genannt. Wachsen sie heran und werden sie stärker, so kommen sie in die Grube und werden Grubenjungen genannt. Dort werden sie als Karrenläufer und Hundstößer eingesetzt. Wenn die Grubenjungen noch mehr heranwachsen und Kräfte und Ge-

schicklichkeit zur Arbeit zeigen, so werden sie zu Knechten gemacht und als Haspelknecht, Bohrknecht, Wasserknecht oder Stürzer eingesetzt.“ (Kuczynski 1958: 125f.) Impressionsfrakturen An 10 % der Individuen konnten am Schädel oberflächliche, gut verheilte Impressionsfrakturen festgestellt werden (Nr. 11).Trotz des überdurchschnittlichen Auftretens dieser Frakturen ist deren Ursache schwer zu eruieren (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 53f.). Die Gewalteinwirkung ist als nicht besonders stark einzuschätzen. In Frage kommen Stürze im dunklen, sicherlich zum Teil rutschigen Bergwerk, die wohl aber auch Frakturen am Postkranium verursachen würden. Diesbezügliche Untersuchungen sind noch ausständig. Andernfalls müssen interpersonelle Gewalt durch Gleichaltrige oder Ältere sowie spielerische Kämpfe unter Kindern als Ursache in Betracht gezogen werden. Anteil der Kinder im Bergwerk Welchen Anteil Kinder und Jugendliche wirklich im Bergwerk hatten, ist noch ungeklärt. Die Schuhe und die Babykappe zeigen nur an, dass sie anwesend waren. Es müssen nicht alle Abnutzungen bei Tätigkeiten im Berg entstanden sein. Auch an der Oberfläche waren mit Sicherheit genügend Versorgungsarbeiten zu er­ledigen. Es muss aber besonders hervorgehoben werden, dass 100 % der befundbaren Kinderskelette (n = 14, wobei keines der Skelette vollständig erhalten ist) Abnutzungen an der Wirbelsäule aufweisen, in erster Linie im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 49).Trotz dieser geringen Anzahl auswertbarer Kinderskelette ist damit Kinderarbeit in Hallstatt nicht als Ausnahmeerscheinung zu werten, sondern war vermutlich die Norm. Bisher wurden die körperbestatteten Kinder und Jugendlichen auf Zeichen physischer Belastung analysiert und ausgewertet. Die Auswertung der Leichenbrände von Kindern und Jugendlichen aus dem Gräberfeld Hallstatt, welche durchaus vorhanden sind (Kern 2010), steht noch aus. Die Untersuchung der Exkremente und der dar-

in enthaltenen Hormone könnte ebenfalls Aufschluss über den Anteil der im Bergwerk anwesenden Kinder und Jugendlichen geben (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 56). Derzeit ist die hierfür benötigte Probenmenge aber noch zu groß, um Analyseserien an Hallstätter Exkrementen verantworten zu können. Arbeitende „reiche Kinder“ Auch wenn vorläufig nicht geklärt werden kann, welchen Anteil an der Gesamtarbeitsleistung im Bergwerk Kinder und Jugendliche hatten, so steht bereits fest, dass auch überdurchschnittlich reich ausgestattete Kinderkörperbestattungen durch Belastung verursachte Veränderungen aufweisen. So ist zum Beispiel das Kind aus Grab 33 von 1997 mit einem Keramikschälchen, Eisenmesser, Knotenarmreif, Armreif, Spinnwirtel, Bernsteinkette, 2 Bronzeringen und über 40 weiteren Gegenständen (u. a. Bernsteinperlen) bestattet (Kern 2010: 81) und weist an beiden Ellbogengelenken und am distalen Femur Osteoarthrose auf (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 47). Arbeit im Berg Steigbäume Neuerungen am Lebensbild betreffen aber nicht nur die Darstellung von Kindern und Jugendlichen im Arbeitsablauf. Neu hinzugekommen sind die Steigbäume (Nr. 12), welche die Abbaustufen miteinander verbinden. Sie stehen in klarem Kontrast zu den Treppen der Bronzezeit (zusammenfassend Barth 2005a). Die Schinkenfahrt im Schurf (Nr. 13) bleibt. Feuerstellen Im Bild 2006 wurde nur eine Feuerstelle dargestellt, welche sowohl der Beleuchtung, zum Kochen als auch zur thermischen Bewetterung (Barth 1995: 81) dient. Um einen Wetterzug in den langgestreckten Abbauräumen der älteren Eisenzeit in Gang zu bringen und aufrecht zu erhalten, sind vermutlich mehrere Wärme­ quellen notwendig. Deshalb werden im neuen Bild sechs Feuerstellen dargestellt. Gemeinsam mit der Technischen Universität Wien, Institut für Analysis und Scientific Computing, soll in Zukunft die durch Leuchtspäne, Feuer und Körper erzeugte Wärme be-

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rechnet und die Luftzirkulation im Bergwerk simuliert werden. Im neuen Bild ist auch der Rauch der Feuer und Leuchtspäne sichtbar.Auch dessen Bewegung und Intensität sollen simuliert werden (Nr. 4). Fundlücken Trotz der besten Erhaltungsbedingungen herrschen große Fundlücken im Salzberg Hallstatt. Wir gehen davon aus, dass viel Altmaterial recycelt wurde und vieles verbrannt wurde (Pany-Kucera, Reschreiter, Kern 2010: 55; Reschreiter, Grömer, Totschnig 2009). Viele gebrochene Geräte weisen Brandspuren auf. So sind zum Beispiel 23 % der Pickelstielteile angebrannt (Totschnig 2009: 316). Folglich wurde im neuen Lebensbild ein Kind dargestellt, welches Altmaterial sammelt und zum Brennholzhaufen bringt. Loslösen und Transport der Salzplatten Das Recycling dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass von ganzen Arbeitsschritten die Belege fehlen. So wurden etwa in der Abbaukammer, die vom Kilbwerk bis zum Stügerwerk reicht, einige tausend Kubikmeter Salz gebrochen und an den Tag transportiert. Vom Schrämmen der Herzen zeugen viele abgebrochene Pickelspitzen, die herzförmigen Abbaufiguren im Stügerwerk und im Edlerbergwerk und hunderte gebrochene Pickelstiele (Barth 1982). Wie die freigeschrämten Salzherzen aber von der Ortsbrust gelöst wurden, ist nach wie vor ungeklärt. Deshalb musste trotz der hervorragenden Quellenlage dieser erste ­Arbeitsschritt der Salzproduktion in den kaum erkennbaren Hintergrund geschoben werden. Andere Bereiche mussten komplett ausgeklammert werden. Obwohl Arbeiten und Leben im Hallstätter Salzberg recht detailliert dargestellt werden kann, fehlen alle Hinweise auf religiöse Handlungen im Bergwerk. Am Mitterberg vermutet Stöllner, dass Geräte bewusst zurückgelassen und deponiert wurden (Stöllner 2006: 105). Transport der Salzplatten Auch wie die gebrochenen Salzplatten transportiert wurden, ist völlig unklar. Die Abnutzungen an Frauenskeletten legen nahe, dass Frauen auf einer Schulter schwere Lasten getragen haben – vermutlich die Salzplatten (Pany 2003; Pany-Kucera, Reschreiter, Kern

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Abb. 5:  Als Hackunterlage verwendete gebrochene Pickelschäftung aus dem Kilbwerk/Hallstatt (A. Rausch/NHM).

2010: 56). Dem kräftigen Knochenbau entsprechend, wurden die Hallstätter Frauen auch mit eher robustem Körperbau dargestellt (Nr. 14).Wie die Platten für den Transport aber verpackt wurden, um sie halten oder ­fixieren zu können, ist nicht bekannt. Im Fundmaterial liegen keine größeren Mengen an Leder- oder Fellriemen vor, Tragestangen wie vom bronzezeitlichen Mitterberg (Klose 1918: 10) fehlen vollständig. Daher wurde das Schleppen der Salzplatten so dargestellt, dass die Befestigung nicht zu erkennen ist. Und es werden mehrere Varianten gezeigt – von einer Frau auf einer Schulter und von zwei Frauen mit Hilfe einer Tragestange. Unbekanntes Hacken Eine weitere Fundlücke ist in das neue Lebensbild eingeflossen. Fast 50 % der Köpfe der gebrochenen ­Pickelstiele aus der älteren Eisenzeit weisen Hackspuren auf (Totschnig 2009: 315). Sie müssen von einer sehr häufig ausgeführten ­Tätigkeit stammen. Laut Totschnig wurde auf manchen der Stücke über 1000-mal gehackt (Totschnig 2008). Es ist aber bisher völlig unklar, was gehackt wurde. Da sich im ältereisenzeitlichen Betriebsabfall im Vergleich zum bronze­ zeitlichen von der Fundstelle Tuschwerk fast keine

Hackscharten finden, ist das Zurechthacken oder Abhacken von Hölzern ziemlich sicher auszuschließen. Auch das Hacken von pemmikanartigem Fleisch kann ausgeschlossen werden – es würde fettige Spuren am Hackstock hinterlassen. Auch das Spalten von Leuchtspänen als Ursache für diese Spuren scheint unwahrscheinlich, da ethnographische Parallelen andeuten, dass dünne Späne meist gezogen und nicht mit dem Beil gespalten werden. Wurde das unbekannte Verpackungsmaterial für die Salzplatten zurechtgehackt? Aktivitätszonen Bisher macht der Betriebsabfall, das Heidengebirge, der älteren Eisenzeit in Hallstatt den Eindruck, als ­hätte es keine ausgeprägten Aktivitätszonen gegeben. Fast an allen Fundstellen ist ein sehr ähnliches Fundspektrum vorhanden – von Werkzeugresten über Speisegeschirr, bis Textilien, Fell- und Lederresten, bis zu Exkrementen ist alles recht gleichmäßig verteilt. Ausgeprägte Aktivitätszonen wie am Dürrnberg (Stöllner et al. 2003) oder wie sie für den bronzezeitlichen Betrieb in Hallstatt erwartet werden, konnten bisher nur in einem Bereich an der Fundstelle Kernverwässerungswerk festgestellt werden. Dort tritt eine auffällige Häufung von Exkrementen auf. Es ist aber auch vorstellbar, dass in Hallstatt der Betriebsabfall aus betriebstechnischen Gründen mehrfach umgelagert wurde und dadurch Aktivitätszonen wieder zerstreut wurden. Das Fehlen von Aktivitätszonen und die auffälligen Fundlücken könnten aber auch darauf zurückzuführen sein, dass bisher erst ein kleiner Bereich der großen Abbauräume ergraben ist. Die am besten erforschte ältereisenzeitliche Abbaukammer, zwischen dem Josef­ stollen und dem Christinastollen gelegen, ist mindesten 170 Meter lang und bis zu 20 Meter hoch. Durch ­diesen Abbau wurden zwei Querprofile mit ca 100 cm Breite geschrämmt (Barth 1995: 81; Barth 2005b: 7) – gerade einmal 1% dieser Abbaukammer wurde ­bisher ergraben. Rollenbilder Bereits in der ersten Version des Lebensbildes wurde versucht, die üblichen Rollenklischees (Röder 2002)

nicht beizubehalten und Frauen auch „aktiv“ darzustellen – im Gegensatz zum üblichen Trend (Mehling 2002: 89) – und es wurde versucht, gleich viele Frauen und Männer arbeitend zu zeigen. Auch im neuen Bild ist der Anteil an arbeitenden Männern und Frauen ausgeglichen. Zusätzlich wurde noch ein Anteil von 50 % Kindern und Jugendlichen dargestellt, wie er zuletzt auch von Röder vertreten wurde (Röder 2010: 2). Unterlagen zu neuzeitlichen Bergbauen und aus der Ethnologie zufolge arbeiten zwar häufig ganze Familienverbände im Bergbau, bilden als (Kern-)Familie aber keine Arbeitsgruppe. Die Zugehörigkeit zu einer Arbeitsgruppe wird häufig durch Alter und Geschlecht bestimmt (zu Kernfamilie und Alter als soziale Kategorie siehe auch Röder 2010: 19 und 13). Dementsprechend wurden Arbeitsgruppen von annähernd Gleichaltrigen dargestellt. Kleine Kinder, die Altmaterial sammeln und Betriebsmittel transportieren, ältere Kinder, die für das Sammeln und den Transport des Haukleins zuständig sind, Jugendliche und Erwachsene, die je nach Geschlecht für das Brechen der Salzplatten und deren Transport verantwortlich sind. Auch die Versorgung der Wunde an der Stirn eines Kindes erfolgt hier nicht vom Vater oder der Mutter des Kindes, sondern von einem älteren Mitglied seiner Arbeitsgruppe. Der Säugling, dessen Anwesenheit im Berg durch den Fund einer Babykappe im Kernverwässerungswerk belegt ist, wurde hier, um nicht alteingefahrenen Rollenbildern anzuhängen, nicht in die Obhut der Mutter oder einer Amme gegeben, sondern er wird von einem älteren Jungen getragen und betreut (Nr. 1). Die Betreuung von Kleinkindern durch ältere Geschwister ist im Salzkammergut bis weit ins 20. Jahrhundert in der Hausindustrie belegt (Liesenfeld 1987: 224). Dies ist zum Teil bedingt durch die hohe Müttersterblichkeit, welche auch von Röder für die Urgeschichte thematisiert wird (Röder 2010: 2). Auch das „unbekannte Hacken“ auf einem ausgedienten Schäftungskopf erfolgt nicht von einem Mann, sondern einer jungen Frau (Nr. 10). In weiten Teilen Westafrikas sind sowohl die Brennholzbeschaffung als auch das Zerkleinern desselben und das Unterhalten der Feuer reine Frauensache. Männer sind dort nur selten mit Beilen zu sehen.

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Leben im Berg Nicht nur die Arbeit im Bergwerk kann durch die hervorragende Quellenlage im Lebensbild dargestellt werden, sondern auch das Leben im Berg. Die Feuerstelle im Vordergrund des Bildes, an welcher aus den bereitgelegten Zutaten das Ritschert gekocht und gegessen wird (Barth 1995: 81), wurde beibehalten. Essen Das im Kegelhalsgefäß bereitete Ritschert wird nach wie vor mit den Fingern aus Holzschalen gegessen (Nr. 15). Welche Form des „Fingeressens“ in der ­älteren Eisenzeit üblich war, lässt sich anhand der Abnutzungsspuren an den Holzgefäßen nicht eindeutig feststellen (Reschreiter 2008: 116). ImVordergrund des Bildes sind an der Feuerstelle noch etliche Spanschachteln dargestellt (Reschreiter 2010), und es liegen Bündel von Textilfetzen (Grömer 2009) und Teile von zerrissenen Ziegensäcken herum. Dazwischen finden sich viele abgenagte Knochen, Überreste des Ritscherts (Pucher 2010). Parasiten Der Junge, der mit dem Glutfächer das Feuer anfacht (Nr. 16), kratzt sich in der neuen Version am Rücken, weil ihn Kleiderläuse plagen. Andere Parasiten, nämlich der intensive Befall mit Darmparasiten (Hörweg, Sattmann, Picher, Aspöck 2008) verursachen bei einem Mann (Nr. 17) Bauchkrämpfe, die ihn sich vor Schmerzen krümmen lassen. Exkremente Mann Nr. 18, der öffentlich seine Notdurft verrichtet, wurde beibehalten. Da Exkremente an beinahe allen Stellen des ältereisenzeitlichen Betriebsabfalls entdeckt wurden, müssen wir davon ausgehen, dass für deren Entsorgung meist keine speziellen Plätze vorgesehen waren. Nur an der Fundstelle Kernverwässerungswerk konnte eine auffällige Ansammlung von Exkrementen beobachtet werden. Im bronzezeitlichen Hallstätter Bergbau haben sich im Gegensatz dazu im Betriebsabfall der Fundstelle Tuschwerk bis-

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her erst sehr wenige Exkremente gefunden. Da nach über 20 Jahren Ausgrabung im Tuschwerk sowohl Exkremente weitgehend fehlen als auch noch überhaupt keine Reste von Nahrungszubereitung oder Verzehr freigelegt werden konnten, gehen wir für diese Abbaukammer von anderen Abfallentsorgungsstrategien und Aktivitätszonenverteilungen als in der älteren Eisenzeit aus. Obwohl bisher weder vom anthropologischen Befund noch von den bildlichen Darstellungen Hinweise vorliegen, dass Füße und Zehen zum Halten oder Fixieren verwendet wurden, hält die Frau im Vordergrund (Nr. 15) ihren Leuchtspan mit den Zehen. Reflektorsteine Die Reflektorsteine (Nr. 19) (Barth 2005b), die bereits Eingang in die erste Version gefunden haben, wurden beibehalten. Sie sollen zur leichteren Orientierung in den großen Abbauräumen dienen. Funktion der Lebensbilder Seit 2006 die ersten Lebensbilder zum Hallstätter Bergbau umgesetzt wurden, haben sie sich in vielen Bereichen bewährt und auch bereits etabliert. Es ist kein Vermittlungsprojekt mehr vorstellbar, bei dem die Bilder nicht als Einstieg dienen und wie ein roter Faden durch das Programm führen. Da bei der Konzeption der Bilder versucht wurde, möglichst alle bekannten Bereiche des Lebens und Arbeitens im Bergwerk anzuschneiden und auch noch Ungeklärtes zu thematisieren, geben sie einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Führungen, Schulklassenprojekte und das jährliche Öffentlichkeitswochenende „Archäologie am Berg“ sind ohne diese Bilder beinahe undenkbar geworden. Auch für Fachpublikationen bieten die Bilder einen einfachen Einstieg in die Hallstätter Montanarchäologie, die sich von anderen archäologischen Untersuchungen zum Teil grundsätzlich unterscheidet. Die Bilder werden hauptsächlich dazu genutzt, um die aktuellen Modelle zum Hallstätter Bergbau zur Diskussion zu stellen. Sie werden demnach nicht nur als Illustration von Kinder- oder populärwissenschaftlichen Büchern gesehen, die zum Schmunzeln anregen

sollen (Ruoff 2002), sondern als gezeichnete wissenschaftliche Modelle. Neben dem Modell haben sie sich auch als perfekte Basis für interdisziplinäres Arbeiten bewährt. Mit Hilfe der Lebensbilder können fachfremde Kollegen rasch in die aktuelle Modellbildung eingeführt und in den Forschungsprozess integriert werden. Naturwissenschaftliche Untersuchungen und andere Detailstudien sind dann keine reinen Dienstleistungen mehr, sondern erfolgen eingebunden in das Gesamtbild. Weiters zwingen Lebensbilder genauso wie Computersimulationen (Kowarik, Reschreiter, Wurzer 2010), Arbeitsabläufe konsequent durchzudenken. Vorsicht Lebensbild! So eindringlich sie vermitteln, so nachhaltig prägen Lebensbilder unsere Vorstellung der Vergangenheit. Bilder setzen sich wesentlich leichter und schneller fest als Texte (Röder 2002: 43) und verselbständigen sich. Einmal veröffentlichte Bilder können über Jahrzehnte, sogar über mehr als 150 Jahre nachwirken, auch wenn sie wissenschaftlich lange überholt sind. So sind die im Wasser errichteten Pfahlbauten als Folge der Kellerschen Bilder nicht aus den Köpfen zu bringen, auch wenn inzwischen für viele Uferrandsiedlungen die Errichtung im Trockenen oder nur fallweise überschwemmten Bereich belegt ist (Kaeser 2002). Trotz der Gefahren, die Lebensbilder bergen, wollen wir versuchen, an dieser Schiene festzuhalten. Wir wollen der Gefahr begegnen, indem wir die Bilder regelmäßig erneuern und aktualisieren (Bauer 2002: 55). Es besteht sogar der Wunsch, die Bilder noch exakter und detailreicher zu machen. Im Rahmen eines Sparkling Science Projektes sollen in den nächsten beiden Jahren gemeinsam mit Schulklassen Arbeitsabläufe aus den Lebensbildern nachgestellt werden. Die dabei generierten Daten sollen in computerbasierte Simulationen einfließen, mit deren Hilfe die Abläufe genauer modelliert werden können.

b­ ronzezeitlichen Bergbaus (Gröbner, Reschreiter 2008) auf den letzten Stand gebracht werden. Da, wie bereits erwähnt, manche Aktivitätszonen des bronze­ zeitlichen Bergbaus bisher nicht entdeckt werden konnten, muss sich das Bild auf die Arbeit im Berg beschränken. Das Leben im Berg bleibt bis auf wenige Ausnahmen ausgeklammert.Als Ausnahme ist die Fellmütze aus dem Grünerwerk anzusehen (Barth 1986: 29). Das Stück weist einen Umfang von 53 cm auf und passt damit einem Jugendlichen von ca. 11–13 Jahren (nach Oster 1961: 465). Demnach liegt auch für den bronzezeitlichen Betrieb der Nachweis für die Anwesenheit zumindest von Jugendlichen im Bergwerk vor. Trageversuche mit Nachbildungen der Tragsäcke haben ergeben, dass die Länge des Trageriemens mit der Rückenlänge übereinstimmen muss, da andernfalls entweder der Sack schief am Rücken hängt oder die gesamte Last am Holzknüppel ruht, der eigentlich nur zum Balancieren des Sackes gedacht ist. Es wurde gehofft, durch Messen der Riemenlänge noch indirekt auf mehrere tragende Kinder oder Jugendliche der Bronzezeit rückschließen zu können. Aber sowohl die Länge der Riemen als auch der Abstand vom unteren Riemenansatz zur Knüppelaufhängung variieren innerhalb der fünf Tragsäcke nur gering und entsprechen der Kopie, die von Wolfgang Lobisser angefertigt wurde und die gut von einem Erwachsenen verwendet werden kann. Mit der Realisierung des neuen Bronzezeit-Lebensbildes wird es möglich sein, die Entwicklung der Forschung über beinahe 15 Jahre zu verfolgen. Die erste „graphische“ Umsetzung des Forschungsstandes erfolgte von Wolfgang Lobisser in Form eines Dioramas für das 2002 neu eröffnete Schaubergwerk in Hallstatt. Wir gehen davon aus, dass die Forschungen der nächsten Jahre unser Bild rund um den Bergbau von Hallstatt weiter verfeinern und verändern werden. Auch die zukünftigen Ergebnisse sollen in neuen Lebensbildern umgesetzt werden, um die Diskussionen zum prähistorischen Bergbau voranzutreiben.

Der bronzezeitliche Bergbau Nachdem nun das eisenzeitliche Lebensbild aktualisiert wurde, soll als nächster Schritt das Bild des

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Mag. Hans Reschreiter Studiensammlung Bergbauforschung Hallstatt Naturhistorisches Museum Prähistorische Abteilung Burgring 7 A-1010 Wien [email protected] Doris Pany [email protected]

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Wer hat die Hosen an? Überlegungen zu Hosen- und Rockdarstellungen auf der Situlenkunst Helga Rösel-Mautendorfer

Zusammenfassung* Die Jahrhunderte lange europäische Tradition von der Trennung zwischen Frauen- und Männerkleidung schwingt unterbewusst immer mit, wenn wir uns mit prähistorischer Kleidung beschäftigen. Manchen Kleidungsstücken wurden im historischen Kontext geschlechtsspezifische Attribute gegeben. So wurde in der Kunst ab dem späten Mittelalter die Hose bereits als pars pro toto des Mannes eingesetzt, um Geschlechterbeziehungen zu thematisieren. Doch wer trägt Hosen? Eine eindeutige Darstellung einer Hose bekleidet einen Bogenschützen auf dem Gürtelblech von Molnik, Slowenien (ca. 500 v. Chr.), ansonsten fehlen Hosendarstellungen in der Situlenkunst. Stattdessen begegnen uns verschiedenartige Rockformen. Zumindest laut den Situlen scheint das vorherrschende Kleidungsstück keine Hose zu sein. Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Vergleich der Hosen- und Rockformen in der Situlenkunst und zeigt Formvarianten durch mögliche Trageweisen auf. Abstract Whenever we deal with prehistoric clothing, we subconsciously are swayed by the venerable European tradition of the separation of female and male clothing. Some garments were invested with gender-specific meaning in their historic context. The visual arts in the late Middle Ages began to use trousers as a pars pro toto for the man to distinguish gender relations. But who is wearing trousers in the Iron Age? A distinctive representation of an archer wearing trousers is shown on the belt plate of Molnik, Slovenia (500 BC). But otherwise, there are no images of trousers in situla art. Instead, various forms of skirts are depicted. At least according to situla art, the dominant piece of clothing seems to have been the skirt.This article compares forms of trousers and skirts in situla art and shows variants created by different ways of wearing clothes.

* Der folgende Artikel basiert auf Teilen meiner unveröffentlichten Diplomarbeit „Genähtes aus dem Hallstätter Salzberg. Prähistorische Textilfunde aus Hallstatt im Vergleich mit eisenzeitlichen Gewanddarstellungen“, Wien 2011.

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Einleitung Im europäischen Kulturkreis steht Kleidung einerseits im starken Zusammenhang mit dem Geschlecht, anderseits mit sozialem Ansehen und Repräsentation (Mentges 2010: 18–29). Vor allem Hosen sind in diesem Kontext sehr symbolgeladen. Im Folgenden widme ich mich der Hose und alternativen Bekleidungsstücken in der Eisenzeit. Warum die Hose? Hosen gelten bis heute als männliches Kleidungsstück. Schon ab dem späten Mittelalter wurde die Hose als pars pro toto des Mannes in der Kunst eingesetzt, um Geschlechterbeziehungen zu thematisieren (Wolter 1991: 7). Frauen in Mitteleuropa war das Tragen von Hosen Jahrhunderte lang verboten, nur bei bestimmten Tätigkeiten durften oder mussten Frauen Hosen tragen: etwa die Pilgerinnen des 16. Jahrhunderts und Tänzerinnen im 18. Jahrhundert. Im zwanzigsten Jahrhundert werden Hosen zunehmend von Frauen getragen. Diese gelten bis in die 1960er Jahre hauptsächlich als Freizeit- und Hauskleidung und werden erst nach 1965 als angemessene Kleidung im Berufsleben akzeptiert (Loschek 1994: 262–263). Während es die Hose geschafft hat, sich in der Damenmode zu etablieren, versucht der Rock noch immer vergeblich in der Herrenmode Fuß zu fassen. 1985 präsentiert Jean Paul Gaultier in der Kreation „Et Dieu Crèa L´Homme“ Männerröcke (Loschek 1994: 81; 497). Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden immer wieder Männerröcke am Laufsteg gezeigt, im Alltag durchgesetzt haben sie sich kaum. Dabei finden sich Röcke als traditionelle Männerkleidung bis ins 21. Jahrhundert in der Tracht Schottlands, Albaniens und Griechenlands. Außerhalb Europas sind traditionelle Männerröcke vor allem in Süd- und Südostasien, aber auch in Afrika verbreitet. Beispiel sind der indische dhoti, ein gewickeltes Lendentuch für Männer (Anawalt 2007: 226), der indische lungi, ein schlauchförmiger weiter Rock, der in Falten gelegt wird (Anawalt 2007: 227), der sarong aus Laos (Anawalt 2007: 272), die kurzen Wickelröcke der Massai (Anawalt 2007: 518) und Röcke aus Raphiastoff der Kuba, Bushongo (Anawalt 2007: 540; 542; 544–545).

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Die Hose wird als Kleidungsstück schon bei antiken Autoren erwähnt. Erste Erwähnungen durch Herodot (490/480 v. Chr. – um 424 v. Chr.) beziehen sich auf die Hosen der Perser und der Saken: „… du rüstest dich zum Krieg gegen Männer, die lederne Hosen tragen und deren ganze Kleidung von Leder ist …“ (Herodot 1, 71, 2; Übersetzung H. Stein in: Herodot/ Stammler: 33). „… Zuerst die Perser in folgender Rüstung: Auf dem Kopf trugen sie Tiaren, das sind ungesteifte Filzhüte, am Leib einen bunten Rock mit Ärmeln … und an den Beinen Hosen …“ (Herodot 7, 61, 1; Übersetzung H. Stein in: Herodot/Stammler: 405). „Die Saken, ein skythischer Volksstamm, trugen auf dem Kopf eine Art Hüte, steif und oben spitz zulaufend; dazu trugen sie Hosen …“ (Herodot 7, 64; Übersetzung H. Stein in: Herodot/Stammler: 406). In der antiken Welt werden die Hosen zum Attribut der barbarischen Völker. Besonders die Römer waren von dieser Kleidungssitte so beeindruckt, dass sie keltische Gebiete zum behosten Gallien erklärten (Wolter 1991: 124–125). Pomponius Mela (43–44 n. Chr.) und Plinius (23–79 n. Chr.) berichten, dass das südöstliche Gallien vor der Entstehung der Provinz Gallia Narbonensis von den Römern Bracata genannt wurde. „… aliquando Bracata nunc Narbonensis …“ (Mela II 67; http://www.thelatinlibrary.com/pomponius2. html, am 4.3.2013). „Narbonensis provincia … Bracata antea dicta …“ (Plinius Naturalis historia III 20; http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3 A1999.02.0138%3Abook%3D3%3Achapter%3D20, am 4.3.2013). Zur Kleidung der Kelten schreibt Diodor Siculus im 1. Jahrhundert vor Christus in seiner Historica V. 30, 1: “The Gaul wear stunning clothing – shirts which have been dyed in various colours, and trousers which they call ­bracae …” (Übersetzung von P. Freeman in: Koch, ­Carey 2003: 13). Der Geschichtsschreiber Strabon (63 v. Chr. – 19 n. Chr.) berichtete Folgendes in seiner Geographica 4.4.3: “They wear sagi, let their hair grow long, and wear tight trousers ...” (Übersetzung von B. Fortson in: Koch, Carey 2003: 17, 18). Während die Überlieferungen über die Hosen der

Abb.1:  Eisenzeitliche Hosendarstellungen aus Molnik, Hallstatt, Dürrnberg, Magdalensberg, Führholz bei Mittertrixen (von links nach rechts)

Perser und Saken zeitgleich zur späten Hallstattzeit sind, sind Berichte zu den Hosen der Kelten erst aus der späten Latènezeit und aus römischer Zeit überliefert. Hosen waren demnach schon während der Hallstattzeit im Mittelmeerraum bekannt. Es wird jedoch nicht beschrieben, ob das Tragen von Hosen außerhalb des vorderen Orients üblich ist, noch welche Teile der Bevölkerung Hosen getragen haben. Herodot teilt die Krieger aufgrund ihrer Ausrüstung verschiedenen Völkern zu. Inwiefern Alltagskleidung hier miteinbezogen wird, oder ob es sich um spezielle Kleidung der Krieger handelt, ist nicht klar. In Fachbüchern, populärwissenschaftlichen Publikationen, Kinderbüchern, Ausstellungen, Museen und auf Webseiten finden sich Lebensbilder zur Eisenzeit und Rekonstruktionen, bei denen die Hose als Männergewand vorkommt, obwohl es dabei thematisch meistens gar nicht um Kleidung geht. Folgende Beispiele zu Lebensbildern stammen aus der Datenbank „Lebensbilder“ die von der Arbeitsgemeinschaft Urgeschichtsforschung in der Schweiz und dem Schweizerischen Landesmuseum in Zürich realisiert wurde. Die in der Datenbank gesammelten Bilder stammen von unterschiedlichen KünstlerInnen teilweise unter intensiver Zusammenarbeit mit WissenschaftlerInnen (http://lebensbilder.landesmuseen.ch/index.php, am 11.2.2013). Ausgewählt habe ich hier zwei Bilder, die aufgrund ihrer Beschreibung in die Hallstattzeit fallen und ein weiteres Bild zur Eisenzeit ohne genauere Zeitangabe, das in den handwerklichen Bereich fällt. Bei der Begräbnisszene um 600 von Marc Zaugg tragen alle Männer Hosen (http://lebensbilder.landesmuseen.ch/detail.php?ueber=0&unter=18&kuens

tler=&epoche=1&submit=suchen&start=0, am 11.2. 2013; Osterwalder, Zaugg 1991: 70 –71). Bei der Dorfszene um 600 von Atelier Bunter Hund trägt der einzige dargestellte Mann Hosen (http://lebensbilder.landesmuseen.ch/detail.php?ueber=0&u nter=0&kuenstler=Bunter+Hund&epoche=1&sub mit=suchen&start=0, am 11.2.2013; Furger, Fischer, Höneisen 1998: 8). Auch das Modell eines Feinschmieds von einem unbekannten Künstler trägt Hosen (http://lebensbilder. landesmuseen.ch/detail.php?ueber=3&unter=0&kue nstler=unbekannt&epoche=1&suchtyp=2&submit=s uchen&start=23 , am 11.2.2013; Jäggy 1991: 43, Abb. 10e). Auffallend ist hier, dass alle dargestellten Männer Hosen tragen, die dargestellten Frauen keine. Alternative Kleidungsstücke zur Hose sind bei Männern nicht vorhanden. Es stellen sich daher folgende Fragen: – Ist die Hose schon in der Hallstattzeit üblich oder basiert die Darstellung von Hosen auf einem ­modernen Bedeutungssystem von Kleidung und Geschlecht? – Gibt es in der Hallstattzeit alternative Beinbekleidungen zur Hose? Die Synopse von Originalgewändern und Abbildungen zur Kleidung soll die Möglichkeiten hallstattzeitlicher Kleidung eingrenzen. Generell ist zu sagen, dass die Quellen immer nur eine Annäherung an die tatsächliche Kleidung liefern können. Selbst mit einem Originalfund kann man zwar Aussagen über das ­spezielle Kleidungsstück tätigen, aber keine Verallgemeinerung zur Kleidung aller Gesellschaftsmitglieder treffen.

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Definitionen von Hosen und anderen Beinbekleidungen Als Hose wird eine im Schritt geschlossene Beinbekleidung verstanden. Im antiken Rom wurden diese Hosen allgemein als bracchae bezeichnet. Das Wort - (lateinisch: bracata, althochdeutsch: bruoh, gallorobr aca manisch: tubruci) scheint germanischen Ursprungs zu sein (Birkhan 1997: 1071). Ein weiterer Hosentyp waren anaxyrides, auf einem Fresko in der Silistra/Bulgarien mit integrierten Socken dargestellt (Croom 2002; 55; 58, Abb. 17). Das griechische Wort anaxyrides – énajur¤dew – bezeichnete ursprünglich die Hosen der Skythen, Perser und ihrer Nachbaren. Hosen sind in Griechenland im 6. Jahrhundert vor Christus bereits bekannt und kommen in Abbildungen vor (Hurschmann 2013: http://referenceworks.brillonline.com/ entries/brill-s-new-pauly/anaxyrides-e120700, aufgerufen am 13.2.2013). Der Begriff Hose leitet sich vom althochdeutschen Wort hosa ab, welches für strumpfähnliche Beinlinge verwendet wurde, der ältere germanische Begriff huson bezeichnete Unterschenkelbinden und Beinbinden (Loschek 1994: 258). In der römischen Antike wurden diese Kleidungsstücke als fascia cruralis bezeichnet (Loschek 1994: 124). Der Begriff Leggins wurde ursprünglich für die Beinbekleidung der indigenen Bevölkerung Nordamerikas verwendet und bezeichnete lederne Beinröhren, die am Gürtel befestigt wurden und gemeinsam mit dem Lendenschurz die Beinkleider bildeten (Loschek 1994: 337). Im archäologischen Kontext wird der Begriff für Beinröhren wie beim Fund vom Riesenferner Gletscher (Bazzanella et al. 2005: 151–160) oder bei der kupferzeitlichen Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen (Egg, Spindler 2009: 73–78) verwendet. Die Entwicklung von Beinlingen zu einer Hose lässt sich anhand mittelalterlicher Quellen gut nachvollziehen. Die strumpfähnlichen Beinlinge, die mit Unterhosen gemeinsam die Unterwäsche bildeten (Abbildungen dazu: Rutland Psalter, England, ca. 1260, British Libary, Add. MS 62925, f.42r; Scott 2009: 52, Abb. 36; Roger Frugardi, practica chirurgia, Frankreich, frühes 14. Jh. British Libary, Sloane MS 1997, f.7r; Scott 2009: 67, Abb. 47) wurden bedingt durch die ab dem 14. Jahrhundert beginnende Verkürzung

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des Obergewandes schrittweise geschlossen. Da im 14. Jahrhundert die Oberbekleidung noch lang genug war um den Schritt zu bedecken, genügte es die Beinlinge nach oben zu verlängern (Bönsch 2001: 84). Im 15. Jahrhundert wurde die rückwärtige Mitte mit einer Naht verschlossen, jedoch noch nicht die Vorderseite der Hose. Hosenlätze, die die Hose auch vorne verschließbar machten, kamen erst mit Beginn der Neuzeit auf (Bönsch 2001: 104). Originalfunde von Beinbekleidung Der einzige hallstattzeitliche Originalfund, der mit ­Sicherheit eine Beinbekleidung darstellt, ist der Fund von einem Paar Unterleggins und einem Paar Überleggins, beide aus Wolle mit wollenen Schuhen bzw. Socken vom Rieserferner Gletscher in Südtirol (Bazzanella et al. 2005: 151–160). Leider sind keine weiteren Funde kompletter Kleidungsstücke in unserem Raum vorhanden. Möglicherweise könnten streifenförmige Textilfragmente aus dem Hallstätter Salzberg als Beinwickel verwendet worden sein (Hundt 1970: 70). Hallstattzeitliche Funde von Hosen sind bisher nicht bekannt. Mehrere Funde von Hosen stammen aus den norddeutschen und dänischen Mooren (Schlabow 1976: 76 –80). Diese ebenfalls eisenzeitlichen Funde stammen allerdings aus einer Zeit, die in unserer Region schon zur römischen Epoche gezählt wird. Die Hosen sind vom Schnitt sehr unterschiedlich. Die lange, enge Hose aus Thorsberg hat angesetzte Füßlinge und datiert wie der zweite Hosenfund aus Thorsberg um 175 nach Christus (Nienholdt 1961: 7–9; Kania 2010: 376 –378). Bei der Hose aus Marx-Etzel handelt es sich um eine Kniehose (Schlabow 1976: 79 –80). Die Hose aus Damendorf (Schlabow 1976: 77–78) hat dazugehörige Wickelbinden und bei dem Fund von Dätgen handelt es sich um eine sehr weite Hose. Zu bemerken ist, dass diese Hose von Schlabow aufgrund des zum Fundensemble gehörigen Gürtels in Brettchenwebtechnik als Frauenhose interpretiert worden ist (Schlabow 1976: 78 –79). Obwohl eindeutige Vergleichsfunde für diese Interpretation fehlen, sollte die generelle Möglichkeit von Hosen tragenden Frauen durchaus in Betracht gezogen werden, zudem Hosen auch mit bestimmten Tätigkeiten inVerbindung stehen

Abb. 2: Verschiedene Rockformen in der Situlenkunst: Kuffern, Certosa, Magdalenska gora (1. Reihe von links nach rechts),Vace, Sanzeno (2. Reihe von links nach rechts).

können wie zum Beispiel mit dem Reiten. Bei mittelalterlichen Steppenvölkern, wo beide Geschlechter geritten sind, war es durchaus üblich, dass Frauen ähnliche Kleidung wie Männer und somit auch Hosen trugen (Winckler 2005: 123–124). Aus Nordeuropa gibt es zwei verschiedene Arten von Beinwickeln, die eine Art besteht aus 10 bis 15 cm breiten bis zu 105 cm langen Stoffsteifen (Schlabow 1976: 88–90), die andere aus größeren Stofflappen, die um die Knöchel und unter dem Knie mit Bändern befestigt wurden, wie z. B. die Beinwickel von Søgards Mose II aus der Zeit um etwa 130–340 nach Christus (Croom 2002: 57–58; Mannering, Gleba, Bloch Hansen 2012: 111; 113). In Zentralfrankreich wurden knielange Strümpfe und textile Schuhe in einem gallorömischen Frauengrab aus Les Martes-de-Veyre gefunden, welches ins 2. Jahrhundert nach Christus datiert (Croom 2002: 138–139; Kania 2010: 375). Im mitteleuropäischen Raum liegt die Ursache für das Fehlen hallstattzeitlicher Funde von Kleidungs­

stücken im Allgemeinen und im Speziellen von Hosen in den schlechten Erhaltungsbedingungen für Textilien. Hosendarstellungen auf der Situlenkunst Als späthallstattzeitliche Abbildungen von Bekleidung sind vor allem die Werke der Situlenkunst (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962) nennenswert. Die oft als Situlenfest bezeichneten Darstellungen sind eventuell nur für eine bestimmte Gesellschaftsschicht oder auch für eine bestimmte Festtracht repräsentativ, vielleicht dienen die verschiedenen Kleidungsstücke auch als Symbol für die individuellen Funktionen der Personen. Unabhängig davon, welche Bedeutung den dargestellten Kleidungsstücken zugrunde liegt, geben die Situlenwerke eine Vielzahl verschiedener Kleidungsstücke wieder. Die Bandbreite reicht über einfache Kittel, Umhänge, über Röcke und Hosen bis hin zu unterschiedlichen Kopfbedeckungen in Form von Hüten, Hauben, Kopftüchern und Schleiern

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(Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962). Zu manchen der dargestellten Haubenformen gibt es zeitgleiche Fundstücke aus dem prähistorischen Salzbergbau in Hallstatt (Barth, Lobisser 2002: 23), wie etwa die barettförmigen Hauben und die Phrygischen Mützen wie sie auf den Situlen von Kuffern, Magdalenska gora und Va cˇe (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 115–117; 122;Taf. 32, 36, 42, 50) vorkommen. Bortenbesätze findet man ebenfalls auf den Situlendarstellungen, zum Beispiel auf der Situla aus Matrei, der Situla aus Kuffern (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 113–114; 122; Taf. 27–29, 50–53) und der Situla aus Welzelach (Frey 1980: 130; Lucke, Frey 1962: Taf. 61, 44). Funde von angenähten Borten sind wiederum aus dem Salzberg in Hallstatt bekannt (Grömer 2005: 24– 25; Rösel-Mautendorfer 2011: 133–137). Eindeutig zu erkennende Hosen tauchen auf der ­Situlenkunst nur ein einziges Mal auf, bei der Darstellung des Bogenschützen auf dem Gürtelblech von Molnik, Slowenien (Kern et al. 2009: 20; 24; Egg, Hauschild, Schönfelder 2006: 192; 194). Möglicherweise ist auch auf dem Situlenblech von Carceri bei Este eine Hose dargestellt. Die aufgrund des Schleiers als weiblich angesehene Figur trägt sowohl Rock als auch Hose oder Beinwickel (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 103, Tafel 13). Mit Beginn der Latènezeit findet man öfter ­Hosendarstellungen. Auf der Schwertscheide von Hallstatt finden sich Abbildungen von Hosen oder langen, abgebundenen Leggins (Beinröhren) (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 126; Kromer 1959: 182, Tafel 201/202; Egg, Hauschild, Schönfelder 2006: 190 –192). Eindeutige, mit Bund erkennbare Hosenabbildungen finden sich auf der Fibel vom Dürrnberg (Ausstellungskatalog Das Rätsel der ­Kelten vom Glauberg 2002: 281) und der Reiterdarstellung vom Magdalensberg (Birkhan 1999: 211, Abb. 275). ­ Beide Abbildungen weisen Falten im Schrittbereich auf. Aus der Mittellatènezeit stammt der Gürtelhaken aus Leipzig-Connewitz (Dannheimer, Gebhard 1993: 360), bei dem die engen Hosenbeine durch Querlinien möglicherweise Falten angedeutet haben könnten. Ein anderes Hosenmodell zeigt das Figürchen aus Führholz bei Mittertrixen in Kärnten. Die Hose scheint im ­ Beckenbereich gebauscht zu sein und hat im ­Gegensatz dazu sehr enge Bein-

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röhren im ­Unterschenkelbereich (Birkhan 1999: 156, Abb. 117). Insgesamt lässt sich beobachten, dass Abbildungen von Hosen in der Hallstattzeit im Gegensatz zur Latènezeit seltener sind. Die Quellenlage der Hosen in der jüngeren Hallstattzeit (800 –450 v. Chr.) lässt sich folgenderweise zusammenfassen: – Hallstattzeitliche Funde von Beinbekleidung betreffen nur Leggins und Beinwickel – Funde von Hosen stammen aus der römischen Eisenzeit (0 – 400 n. Chr.) – Nur eine eindeutige Hosendarstellung in der Situlenkunst – Hosendarstellungen sind häufiger in der jüngeren Eisenzeit – Herodot berichtet im 5. Jahrhundert v. Chr. von den Hosen der Perser und Skythen – Berichte von keltischen Hosen tauchen erst in der Spätlatènezeit und beginnenden Römerzeit auf. Die Quellen deuten darauf hin, dass Hosen in der ­jüngeren Eisenzeit durchaus im mitteleuropäischen Raum bekannt und eventuell (für manche Gesellschaftsmitglieder) üblich waren. Für die Hallstattzeit sind die Anhaltspunkte für Hosen allerdings sehr viel geringer. Insofern sollte man hier auch andere Kleidungstypen in Betracht ziehen. Röcke, Kittel und Beinwickel als Kleidungsalternativen in der Hallstattzeit? Der Großteil der Figuren der Situlendarstellungen trägt Kleidungsstücke, die bis weit über die Knie reichen. Neben diesen langen Gewändern für Männer und Frauen kommen verschiedene Rockformen bei männlichen Figuren vor: zum Beispiel der Schöpfer auf der Situla von Kuffern und der Situlenträger auf der Situla von Certosa (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 103; 122; Taf.14–16; 50 –53). Schräg verlaufende rockähnliche Kleidungsstücke findet man auf der Situla von Magdalenska gora (Ljubljana) und bei den Wagenfahrern auf der Situla von Kuffern (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 116; 122; Taf. 43; 50 –53). Die Rockformen auf den Situlen wirken recht vielfältig. Inwiefern diesen Rockarten unterschiedliche

Schnitte oder unterschiedliche Trageweisen zugrunde liegen können, soll anhand der Beobachtungen zu Trageversuchen von Röcken im Zuge des Projekts „Prunkwagen und Hirsebrei – ein Leben wie vor 2700 Jahren“ (Leskovar, Rösel-Mautendorfer 2012: 234–245) diskutiert werden. Während des Projekts wurden von Frauen und Männern bewusst Röcke bei verschiedenen Arbeitstätigkeiten getragen. Die Motivation dafür entstand, um den Besucher durch den ungewohnten Anblick von Männern in Röcken eine Reflektion über geschlechtsspezifische Kleidungsnormen zu ermöglichen. Weiters wollten wir den Rock als alternatives Kleidungsstück (zu herkömmlichen Darstellungen von eisenzeitlichen Männern in Hosen) thematisieren und dessen Verwendung im Alltag austesten. Das Ausgangsmaterial war für alle Teilnehmenden ein langer, gerade geschnittener oder ausgestellter Wickelrock. Der gerade geschnittene Wickelrocktyp besteht aus einem 114 × 155 cm großen Leinenstoff, angenäht an ein 290 × 2,5 cm langes Band. Der ausgestellte Wickelrocktyp besteht aus drei zusammengenähten Stoffteilen mit einer gesamten Bundweite von 120 cm und einer Saumweite von 260 cm bei einer Länge von 108 cm.Am Bund dient ein 220 × 4 cm langes Band zur Befestigung. Die Röcke wurden bei alltäglichen Arbeiten getragen wie Feuermachen, Kochen/Brot backen, Betreuen der Feuerstelle, Holzbearbeitung, Textilbearbeitung. Es waren genügend Röcke vorhanden, sodass die BewohnerInnen diese jederzeit tragen konnten. Die Trageweise des Rockes war der ­ jeweiligen Person selbst überlassen. Grundsätzlich wurden beide Rocktypen auf herkömmliche Art getragen, nur in bestimmten Situationen wurde die Trageweise angepasst um entweder mehr Bewegungsfreiheit zu gelangen oder wegen der Sicherheit (vor allem bei Arbeiten an der Feuerstelle). Trageweisen Kurze Röcke ergaben sich durch bestimmte Trageweisen des langen gerade geschnittenen Wickelrocks. Ausgangspunkt für einen kürzeren Rock mit geradem Saum war der gerade geschnittene Wickelrock. Der etwas über die Knie reichende Rock wurde durch das Umschlagen des bodenlangen Rockes erreicht, befestigt wurde der Rock mit den am Bund

Abb. 3: Trageweise kurzer Rock mit geradem Saum.

angenähten Bändern. Getragen wurde der Rock in dieser Trageweise während eines Holzworkshops. Der Rock ermöglichte durch die kürzere Länge viel Bewegungsfreiheit und war daher auch nicht hinderlich bei der Holzbearbeitung. Kurze Röcke mit geradem Saumabschluss kommen zum Beispiel bei Figuren auf der Situla von Certosa vor.Von den Figuren mit Rock tragen zwei Figuren gemeinsam ein Gefäß. Eine weitere Figur zieht ein Schwein hinter sich nach (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: 103, Tafel 14–16). Ein kurzer Rock mit geschwungenem Saum wurde ebenfalls bei dem gerade geschnittenen Rock ­erzielt, bei dem die Saumkante im Bund befestigt wurde. Diese Trageweise erwies sich durch die erhöhte Bewegungsmöglichkeit als praktisch und wurde daher beim Ausnehmen eines Hasens gewählt. Röcke mit

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Abb. 4: Trageweise kurzer Rock mit geschwungenem Saum.

Abb. 5:  Trageweise langer Rock mit schrägem Saum.

geschwungenem Abschluss kommen zum Beispiel auf der Situla von Kuffern, Providence und Topli cˇe (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: Taf. 40–41; 50 – 53; 59) vor. Besonders auffallend ist der Rock auf der Situla von Welzelach (Frey 1980: 130), der sehr weit dargestellt wird. Der geschwungene Saum betont die Weite, da er an einen Faltenwurf erinnert. Fraglich bleibt, ob es sich um einen faltigen Saum wie bei dem langen Rock auf der Bronzescheibe von Montebelluna (Kromer 1962: Tab. 56) oder um einen gebogen geschnittenen Saum handelt. Ein Beispiel für gebogene Säume ist das eisenzeitliche Textilfragment 34 aus Hallstatt (Hundt 160: 139–140). Bei den kurzen Röcken auf den Situlendarstellungen könnte es sich ebenso gut um herum geschlungene Schurze handeln,

wie sie zum Beispiel bei etruskischen Grabmalereien aus der Tomba dei Baccanti, Tarquinia zu finden sind (Moretti, von Matt 1974: 68–74). Der ausgestellte lange Rock gibt aufgrund der größeren Saumweite wesentlich höhere Bewegungsfreiheit als der gerade geschnittene Rock. Eine nicht herkömmliche Trageweise ergab sich daher eher aus sicherheitstechnischen Gründen, vor allem im Bereich der Feuerstelle, wo die Saumweite eher hinderlich war. Um das Stoffvolumen mehr unter Kontrolle zu haben wurden hier die beiden Kanten des Rockes zurückgeschlagen und die Saumkanten seitlich im Bund fixiert. Dadurch war der Rock vorne wesentlich kürzer, der Rocksaum verlief schräg bis zur hinteren Mitte. Optisch erinnert diese so gestaltete Rockform an

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die schrägen Röcke bei den Tänzern auf der Situla von Magdalenska gora oder bei den Wagenfahrern auf der Situla in Kuffern (Ausstellungskatalog Situlenkunst 1962: Taf. 43; 50–53). Eine weitere Möglichkeit den langen Rock für die durchzuführende Tätigkeit zu verändern, ist den rückwärtigen Rocksaum zwischen den Beinen hindurchzuziehen und vorne in den Bund zu stecken. Die Idee dazu kam von Mario Wallner, der so eine Trageweise in Indien beobachtet hatte. Der Rock wurde dort auf diese Art zu einer Hose verändert, wenn diese Kleidungsform für die Situation von Vorteil war. Typisch für diese Trageweise sind die vielen Falten, die sich im Schrittbereich bilden wie sie auf den Hosendarstellungen auf der Fibel vom Dürrnberg (Ausstellungskatalog Das Rätsel der Kelten vom Glauberg 2002: 281) und dem Reiter vom Magdalensberg (Birkhan 1999: 211, Abb. 275) zu finden sind. Bei der Hose von Molnik hingegen (Kern et al. 2009: 20; 24; Egg, Hauschild, Schönfelder 2006: 192; 194) fehlen solche Falten in der Darstellung. Die Hose scheint eher auf einem echten Hosenschnitt zu basieren. Interessanterweise wurden nur von den Männern die Röcke anders getragen, wenn sie ihnen im Weg waren. Die Frauen trugen die langen Röcke immer auf die herkömmliche Trageweise. War der Rock im Weg wurde er nicht hoch oder weggeschlagen, sondern mit den Knien eingezwickt, sodass er nicht vorfiel. Insofern lässt sich vermuten, dass die in unserer Gesellschaft übliche Art einen Rock zu tragen so verinnerlicht ist, dass Frauen als Trägerinnen von Röcken eher auf ihre angelernten Tragemuster als auf alternative und neue Möglichkeiten zurückgreifen. Für Männer hingegen gibt es kulturbedingt keine gesellschaftlich vorgegebenen Trageweisen für Röcke, daher scheinen sie mehr Spielarten in der Trageweise zu haben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bestimmte Silhouetten von Gewändern nicht nur die Folge eines Schnittes sein können, sondern auch mit einer bestimmten Trageweise in Zusammenhang stehen können. Die Beobachtungen, wie Kleidungsstücke im Alltag getragen werden, zeigen zum einen vermehrt eine gelernte Trageweise, wenn das Kleidungsstück in der heutigen Gesellschaft üblich ist, zum anderen zudem alternative Trageweisen, wenn die herkömmliche

Abb. 6: Trageweise vom Rock zur Hose.

Trageweise kulturbedingt nicht erlernt wurde. Generell eignen sich lange Röcke gut um die verschiedenen Gewandsilhouetten in der Situlenkunst darzustellen. Diese Tatsache spricht aber deswegen nicht für das Vorhandensein von Röcken, sondern soll vielmehr die verschiedenen Möglichkeiten der Kleidungsverwendung und Gewandgestaltung aufzeigen. Kleidung als Kommunikationsmittel Mode ist heute ein wesentlicher Bestandteil der nonverbalen Kommunikation. Kleidungsmerkmale werden bestimmten Bedeutungen zugeschrieben. Dieses Zeichensystem hilft einerseits dem Träger, seine Identität zu präsentieren, andererseits dem Betrachter, ­einen anderen Menschen zu beurteilen. Der Betrachter schließt dabei von der Kleidung als sichtbares Merkmal auf andere nicht sichtbare Eigenschaften des Trägers (Sommer 2010: 242–244). Diese kulturabhän-

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gigen Bedeutungssysteme bedingen bestimmte Kleidermuster. So ist in der westlich geprägten Kultur die männliche Identität mit dem Tragen von Hosen verknüpft. Hosen werden so auch als Muster für die westliche Welt mit ihren Eigenschaften wahrgenommen und grenzen sich von anderen Kleidungsmustern, die wiederum in ihrer jeweiligen Kultur verankert sind, ab (Kolhoff-Kahl 2009). Schon bei Volksschul(Grund schul)kindern lässt sich eine Prägung nach geschlechterspezifischen Kleidermustern erkennen. Diese Wahrnehmung führt dazu, dass die Wahl von Kleidungsstücken dementsprechend beeinflusst wird. Die Verknüpfung von Kleidungsstücken mit ihren Bedeutungen schließt oft andere Möglichkeiten in der Wahl und der Trageweise aus, da diese Geschmacksmuster entweder bei den Kindern nicht vorhanden sind oder zu sozialem Stress, Anderssein und Ausgrenzung führen können. Eine Performance-Aktion im Kunst/Gestaltenunterricht einer Grundschule veranschaulicht das Thema: „Jedes Kind hatte einen Plastiksack mit Mädchen- bzw. Jungenkleidung mitgebracht und tauschte diesen mit einem Kind des anderen Geschlechts. In nach Geschlecht getrennten Räumen wurden die Outfits anprobiert, mit dem Arbeitsauf-

trag, jeder könne für sich entscheiden, was er anziehen wolle. Die Mädchen zierten sich für kurze Zeit in fremde Kleidung zu schlüpfen, aber dann genossen sie die Outfits der Jungen … Die Jungen hingegen waren zutiefst schockiert, liefen weg, wollten keinesfalls Mädchenkleidung anziehen.“ (Kolhoff-Kahl 2011: 108 –109). Dieses Beispiel belegt, dass die Wahrnehmung von Kleidungsmustern somit von früher Kindheit an verankert wird. Diese werden im Tun immer wieder reproduziert. Auch Rekonstruktionen von prähistorischen Gewändern werden im Kontext moderner Wahrnehmungsmuster angefertigt. Sie basieren meistens auf unserem heutigen Zeichensystem und werden über dieses wahrgenommen. Erst die Reflexionen der eigenen Muster können dazu beitragen auch andere, möglicherweise unübliche Muster zu erkennen und diese als Alternativen in der Rekonstruktion mit einzubeziehen. Schlussendlich bleibt die Entscheidung, ob man mit Hilfe gewohnter Wahrnehmungsmuster eine Rekonstruktion im Sinne der modernen (westlichen) Weltordnung verstärken will oder durch das Aufzeigen von ungewohnten Elementen die BetrachterInnen dazu auffordert, ihre Wahrnehmungsmuster zu hinterfragen.

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Mag. Helga Rösel-Mautendorfer [email protected]

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Die Nutzung und Funktion von Gruben in Zentralafrika* Ethnografische Analogien und geochemische Analysen Dirk Seidensticker

Zusammenfassung Mehr oder weniger tiefe Gruben sind neben einigen Gräbern (Meister 2010; Gonzáles-Ruibal u. a. 2011) und Öfen (Lanfranchi u. a. 1998; Meyer u. a. 2009) der vorherrschende Befundtypus, welcher der Archäologie im zentralafrikanischen Regenwald begegnet. Die Befunde zeigen häufig bis regelhaft Merkmale wie dichte Deponierungen von Gefäßen beziehungsweise Scherbenpackungen sowie Eisenobjekten und Auskleidungen der Grubenwandung, die bislang einer schlüssigen Deutung harren. Die Ausprägung der Merkmale ist vielfältig und streut stark über Zeit und Raum. Die Zusammenhänge zwischen den beobachteten Befunden in Zentralafrika1 und ihre kulturelle Bedeutung soll Gegenstand von zukünftigen Untersuchungen sein. Ziel dieses Vortrages kann es beim aktuellen Stand der Auswertung höchstens sein, die Phänomene und Hypothesen dar- und einander gegenüber zu stellen. Abstract Besides some graves (Meister 2010; González-Ruibal u. a. 2011) and furnaces (Lanfranchi u. a. 1998, Meyer u. a. 2009) more or less deep pits are the predominant feature-type encountered by archaeology in the Central African rainforest. They often contain dense depositions of vessels or sherds as well as of iron objects. The pit-walls were in some cases lined with sherds or charcoal. All these characteristics vary widely across time and space.The relationships between the observed features in Central Africa and its cultural significance should be the subject of future investigations.This paper aims to outline the phenomena and to compare current hypotheses.

* Dieser Beitrag basiert auf einem entsprechenden Kapitel meiner im Sommer 2010 an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen angefertigten Magisterarbeit zu „Grubenbefunden in Campo (Südkamerun)“. Die Arbeit wurde von Prof. Dr. Martin Bartelheim und Prof. Dr. Manfred K. H. Eggert betreut. Zu großem Dank für vielerlei Unterstützung bin ich vor allem Conny Meister M.Sc. verpflichtet. Außerdem möchte ich Prof. Dr. Hans-Peter Wotzka für die kritische Lektüre des Manuskripts danken.

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­Zunächst sind einige Vorbemerkungen angebracht, um die Eigenheiten und Beschwernisse zu umreißen, welche die Archäologie im Regenwald Zentralafrikas auszeichnen. Ihre entscheidenden Hürden sind eng mit den Rahmenbedingungen für die Feldarbeit und den damit verbundenen Auswirkungen auf die ­Auswertung verknüpft. Auf politische Hemmnisse soll an dieser Stelle erst gar nicht eingegangen werden, es sollen vielmehr die Strategien der beiden durch Manfred K. H. Eggert in den 1980er und in den 2000er Jahren durchgeführten großen Feldprojekte im ­Kongobecken und in Südkamerun als Referenz und Beispiel herangezogen werden (Wotzka 1995; Eggert u. a. 2006; Meister, Eggert 2008). Im Rahmen des Ende der 1970er begonnenen und vor allem während der 1980er Jahre durchgeführten River Reconnaissance Project 2 wurden große Bereiche des Kongobeckens – vor allem der Cuvette Centrale – prospektiert. In ­insgesamt fünf jeweils sechsmonatigen Feldaufenthalten wurden großräumige ethnologische und archäologische ­Surveys und Grabungen in der Demokratischen Republik Kongo (ehem. Zaïre), der Republik Kongo (ehem. Volksrepublik Kongo) sowie angrenzenden Regionen (Zentralafrikanische Republik und Kamerun) durchgeführt. Das Projekt nutzte vor allem die Flussläufe als Prospektionsrouten: man fuhr mit einem Flussboot (franz.: baleinière) die Zuflüsse des Kongo-Stroms ab und prospektierte die Dörfer an den Ufern. Das Tübinger Teilprojekt der DFG-Forschergruppe 510 nutzte in den 2000ern in Südwestkamerun hauptsächlich das Straßennetz für die Prospektion: man fuhr mit dem Auto die Straßen entlang und lief als Aufschluss freiliegende Straßenprofile, die beim Bau der Pisten und Straßen angelegt worden waren, ab. Dieser Wechsel der Prospektionsstrategie – jede für sich mit spezifischen Vor- und Nachteilen – war durch die verschiedenen Naturräume notwendig geworden. Im Kongobecken bilden die zahlreichen Flüsse und ­Bäche natürliche Achsen und ein dichtes Verkehrsnetz ­(Eggert 2011: 175). Das Südkamerunische Plateau ist weniger durch Flussläufe gegliedert und heutzutage auch besser mit dem Auto zu erkunden. Die hauptsächlich prospektierten Straßenprofile bieten – neben den heutigen Dorfflächen – jedoch nur sehr schmale Streifen beiderseits der Straßen als Aufschluss. Diese Konzentration der

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archäologischen Prospektion auf Straßenprofile und rezente Dörfer, da nur dort künstliche Freiflächen vorliegen, wirkt folglich als massiver Quellenfilter. In diesem Zusammenhang darf auch das vollständige Fehlen von systematischen Flächengrabungen nicht unerwähnt bleiben3 – bislang können lediglich individuell ausgegrabene Befunde interpretiert und lose miteinander in Bezug gesetzt werden. Keramikdepots in Gruben im Inneren Kongo­ becken Der ambitionierteste und durchdachteste Interpretationsansatz zu dem Fragenkomplex nach der Funktion von Gruben in Zentralafrika stammt von Hans-Peter Wotzka (1993) und gründet auf einer Vielzahl von Befunden im Inneren Kongobecken sowie einem detaillierten Survey der ethnografischen Literatur. Ausgangspunkt der Betrachtungen Wotzkas sind Grubenbefunde, die im Rahmen des River Reconnaissance Project zwischen 1977 und 1985 im Bereich der südlichen Nebenflüsse des Kongo-Stromes in der Äquatorprovinz des ehem. Zaïre ausgegraben wurden (Wotzka 1993: 256). Dabei wurden insgesamt 34 Gruben beobachtet und untersucht, die anschließend in Wotzkas Analyse eingeflossen sind. Die Gruben haben Durchmesser von zumeist 0,5–0,9 m, waren noch zwischen wenigen Zentimetern bis zu 1,8 m tief erhalten4 und gaben sich häufig als breit streuende Gruppen von beieinander liegenden Bodenverfärbungen und Funden zu erkennen. Die Gruben im Inneren Kongobecken enthielten häufig umfangreiche, intentionell eingesetzte, stilistisch-chronologisch jeweils homogene Keramikkomplexe in mit Holzkohle, verziegeltem Lehm und Lateritbrocken versetztem humosen Verfüllungs­ material. Es handelt sich um eine Tradition von beachtlicher zeitlicher Tiefe, die von der Zeit des frühesten Auftretens von Keramik zwischen 400 und 100 v. Chr. bis in die Zeit des 11.–14. Jhd. n. Chr. reicht (Wotzka 1993: 256). Besonders verweist Wotzka auf den ­Befund BSN 85/1 aus Boso-Njafo am Lulonga-Fluss, der in die 2. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. datiert (Wotzka 1993: 257f.; Abb. 2). Der obere Verfüllungsbereich der Grube (Schicht 1a–b) wies eine dunkle Verfärbung auf und grenzte sich deutlich

Abb. 1:  Karte der im Text erwähnten Fundstellen und der Ausdehnung des zentralafrikanischen Regenwaldes (grau). 1: Dibamba, 2: Mouanko-Lobethal, 3: Mpoengue, 4: Bwambé-Sommet, 5: Campo, 6: Mampang, 7: Bagofit, 8: Nkang, 9: Zoatoupsi, 10: Obobogo, 11: Nkpwala-Esse, 12: Akonétye, 13: Minyin, 14: Abang Minko’o 15: Okala, 16: Maluba, 17: Munda, 18: Pikunda, 19: Boso-Njafo, 20: Bomane Yangwa.

vom unteren, helleren Bereich (Schicht 1c) ab. In der Kernverfüllung des Befundes befand sich der größte Teil der in der Grube gefundenen Keramik, unter anderem auch 30 mehr oder minder vollständige Gefäße, die größtenteils auf der Seite oder umgedreht auf ihrer Mündung lagen. An der Basis dieses Bereiches war das Gefäß 23 aufrecht stehend und leicht in die untere Verfüllung eingreifend deponiert worden.5 Die in der ­ Grube eingelagerte Keramik kann nach der stilistischen sowie der stratigrafischen Befundauswertung nur als ein intentionell gleichzeitig niedergelegtes Ensemble gewertet werden (Wotzka 1993: 259). Der obere Verfüllungsbereich (Schicht 1a–b) grenzt sich zudem durch einen „dünnen Mantel aus feinen, ­ kohleartigen organischen Partikeln“

vom Anstehenden ab – dieser Bereich wurde vor der Deponierung ausgekleidet. Dieses Merkmal der Auskleidung der Grubenwandung begegnet uns später in Südkamerun wieder ­(siehe unten). Wotzka kann für die von ihm diskutierten Befunde deutlich machen, dass es sich nicht um bloße Abfall-, Vorrats-, Lehmoder ­Lateritentnahmegruben handelt (Wotzka 1993: 264). Aus diesem und den weiteren 33 Befunden entwickelt er einen Kriterienkatalog beziehungsweise eine Liste von Merkmalen (Wotzka 1993: 262ff., Tab. 1). Alle untersuchten Gruben teilen diesen Merkmalskatalog nach Art einer polythetischen Gruppe. Die Liste kann auf einen Kern verdichtet werden: Merkmale für intentionelle Niederlegungen sind die Kriterien 5 –14

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Abb. 2:  Der Befund BSN 85/1 aus Boso-Njafo. A: Die Situation der Fundstelle mit den nah beieinander liegenden Gruben BSN 85/1 und BSN 85/3. B: Foto von Planum 4 in einer Tiefe von ~70 cm unter der rezenten Oberfläche und dem Profil von BSN 85/1 mit darüber gelegter Umzeichnung. C: Das Profil von BSN 85/1 mit den drei Verfüllungsbereichen (1a–c) und der Position von Gefäß Nr. 25 (im Profil nicht sichtbar), aus dem die einzige aktuell vorliegende 14C-Datierung stammt. Diese datiert den Befund auf 800–390 v. Chr. (GrN-14005: 2440±150 BP) (A Foto: Hans-Peter Wotzka; B Foto: Frank Nikulka; C Profilzeichnung: Frank Nikulka).

(Wotzka 1993: 262ff., Tab. 1); darüber hinaus deuten Belege für intentionelle Zerstörung (6), umgestülpte (9)6 oder ineinander gestellte Gefäße (11) sowie zerstörte Applikationen und Böden (13) sowie „Seelen“-Löcher (14) auf Handlungen mit spezifischen Bedeutungen hin. Für Wotzka ist die nicht eindeutige archäologische Befundlage schließlich Ausgangspunkt und Anreiz zu einem Blick in die Ethnologie (ebd. 266). Im Rahmen eines, wie er selbst betont, nur bedingt systematischen Literatursurveys sammelt er 93 ethnographische Belege, die sich auf insgesamt mehr als 100 Ethnien des subsaharischen Afrikas beziehen. Diese reichen von den konkreten Bestattungssitten der Fali in Nordkamerun7 bis zu Belegen für „Seelenlöcher“ in bei Bestattungen genutzten Gefäßen8 sowie auch all-

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gemeinen Beispiel für Zerstörung und Inversion von Keramikgefäßen (Wotzka 1993: 269ff.).9 In seiner abschließenden Bewertung sieht Wotzka den primären Nutzen seines aktualistischen Vergleichs nicht auf einer „Ebene kultureller Spezifika oder breiter explanatorischer Synthesen“ (Wotzka 1993: 272), sondern in der „Erkenntnis, dass es zahlreiche in rezenter und subrezenter Zeit beobachtbare Belege für rituelle Zerstörung von Keramik und anderen Sachgütern gibt, die in einem allgemeinen Zusammenhang mit dem Totenkult stehen“ (Wotzka 1993: 272). Sein Fazit ist schließlich, dass die „gewisse Häufung formaler Übereinstimmungen“ zwischen archäologischen Befunden und ethnographischen Beispielen eine „generelle Option für die angestrebte Erklärung“ darstellt (Wotzka 1993: 275).

Geochemische Untersuchungen an Gruben Südkameruns Neue Impulse zur Frage von Funktion und Nutzung von Gruben kamen durch Untersuchungen in Süd­ kamerun in den 1990er und 2000er Jahren. In Bwambé-Sommet, einer Fundstelle südlich von Kribi an der Atlantikküste, kamen mit Keramik­scherben ausgekleidete Gruben zum Vorschein (Eggert u. a. 2006: 281). Die in meiner Magisterarbeit ausgewertete Grube CAM 07/11 in Campo, das südlich von Bwambé an der Grenze zu Äquatorialguinea liegt, wies ebenfalls eine Konzentration von Gefäßen und großen Gefäßscherben in ihrem Zentrum auf (Seidensticker 2010). Diese lagen so, dass der entsprechende Bereich der Verfüllung teilweise ausgekleidet war. Zudem fand sich an der Sohle der Grube, isoliert liegend, die Hälfte eines verzierten Gefäßes. Dieses Merkmal zeigte sich auch in Grube 1 von Bwambé-Sommet (Eggert u. a. 2006: 280f.). Ein neuer Blick eröffnete sich allerdings erst durch geochemische Untersuchungen von Sedimentproben aus den Gruben. In einer zumeist grauen, lockeren Schicht an der jeweiligen Sohle zeigte sich in allen Fällen regelhaft eine Anreicherung der Phosphor- bzw. Phosphatgehalte. Eine erste Beobachtung dieses Phänomens erfolgte durch Christophe Mbida Mindzié an Befunden aus Nkang, einer Fundstelle am nördlichen Stadtrand der kamerunischen Hauptstadt Jaunde. Für die Nutzung der Gruben in Nkang bietet Mbida Mindzié je nach Befund eine separate Möglichkeit an, die sich vornehmlich an den generellen Dimensionen des Befundes und der Art der Verfüllung orientiert (Mbida Mindzié u. a. 2000: 152). So interpretiert er eine große, sich nach oben verengende Grube (F9) als ‚Zisterne‘, eine rundliche (F13) als ‚Produktionsstätte für organische Produkte‘ (beide Abb. 3) und eine enge und tiefe Grube (F14) als ‚Jagdfalle‘. Die Anreichung der Phophorgehalte wird von ihm nur randlich erwähnt und spielt für die Interpretation der Funktion der Grubenbefunde keine entscheidende Rolle. Aktuell sind die genannten drei Gruben aus Nkang am umfangreichsten beprobt. Des Weiteren liegen Daten für zwei Gruben in Abang Minko’o, drei in ­Minyin (Meister, Eggert 2008: 198–199 Tab. 4), zwei in Akonétye und die beiden in meiner Magisterarbeit

a­ usgewerteten Gruben in Campo (Abb. 3) vor. Weitere Daten gibt es für Gruben in Bagofit, NkpwalaEsse und Mampang. Sie zeigen regelhaft eine positive Korrelation zwischen Tiefe und Phosphorgehalt (P). Auffällig ist, dass Proben unterhalb der Befunde keine Anreicherung zeigen. Die hauptsächliche biologische und anthropogene Quelle für Phosphor im Boden ist organisches Material (Holliday, Gartner 2007: 305). Es liegt im Boden­milieu überwiegend in gebundener Form als Phosphat vor oder ist in anorganischen Salzen sowie an der Oberfläche von Sorbenten spezifisch gebunden (Scheffer, Schachtschabel 2002: 296). Unklar ist jedoch, ob die beobachteten Anreicherungen das Resultat eines intentionellen Eintrags von Verbindungen wie Asche ist, wie es Mbida Mindzié postuliert (Mbida Mindzié 1998; ders. u. a. 2008) oder ob es sich um das Resultat einer natürlichen Akkumulation handelt. Wichtig für das Verständnis der Anreicherungen sind die niedrigen pH-Werte der tropischen Böden – in Campo liegen die Werte bei zirka 3,8–4, sind also deutlich sauer. Generell gilt, „dass steigende Bodenversauerung die P-Aktivität erhöht“ (Scheffer, Schachtschabel 2002: 297). In den stark sauren, tropischen Böden ist folglich mit einer deutlichen Aktivität des Phosphors zu rechnen. In welchen Messwerten sich diese Mobilität des Phosphors bei niedrigen pH-Werten aber ausdrücken würde, ist bislang unbekannt. Die Daten aus Nkang könnten nach dem Muster interpretiert werden, dass in der Grubenverfüllung Phosphor-Gehalte bis zirka 10 mg/g als Norm für zum Beispiel organisch reiche Abfälle anzusehen sind und die zirka 30 mg/g an der Sohle eine Besonderheit darstellen (Abb. 3). Auffällig ist, dass keine Proben mit Phosphorgehalten zwischen ~15–25 mg/g vorliegen. Diese Beobachtung und die Tatsache, dass Proben direkt unter den Gruben keine Anreicherung zeigen, können als Argument für Mbida Mindziés These von der Einfüllung von Asche an der Grubensohle gelten (Mbida Mindzié u. a. 2008). Er liefert aber keine Erklärung, warum ausschließlich an der Grubensohle Asche oder anderes Organik-reiches Material eingebracht wurde und welche Bedeutung dieser Vorgang hatte. Die Entstehung der Phosphorkonzentrationen an den Grubensohlen könnte jedoch auch als Resultat von Lösung und Auswaschung organischer ­Reste

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Abb. 3:  Die Profile der Gruben in Nkang und in Campo sowie die P-Gehalte der darin analysierten Sedimentproben (nach Mbida Mindzié u. a 2000: 154 Abb. 3).

im sauren und stark durchfeuchteten Boden sowie ­einer Anreichung an einer Schichtgrenze – nämlich der Grubensohle – interpretieren werden. Freilich ist für dieses Modell die Annahme einer fast vollständigen Abdichtung der Sohle nach unten notwendig, wie die nicht erhöhten Phosphorwerte direkt unter den Gruben aus Nkang zeigen (Abb. 3). Für einen natürlichen Prozess als Ursache der Akkumulation spricht, dass die Anreicherung ungeachtet der verschiedenen Grubenarten und -formen einheitlich und regelhaft beobachtet wurde. Eine finale Deutung der Daten ist ohne ein genaues Verständnis der bodenchemischen Prozesse in tropischen Verwitterungsböden allerdings nicht möglich.

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Die Ergebnisse der Phosphor-Untersuchungen in Südkamerun können daher auch nur scheinbar mit den von Wotzka (1993) angeführten ethnographischen Analogien für die Nutzung von tiefen Gruben im Totenkult – zum Beispiel der Fali (siehe oben Anm. 7) – zusammen gebracht werden. Sedimentproben aus ­archäologisch als Gräber angesprochenen Befunden in Campo haben keine starke Phosphoranreicherung ­gezeigt. In den flachen, länglichen Gruben mit regelhaften Gefäß- und Eisenniederlegungen wurde eine Korrelation von niedrigen Phosphorgehalten, organischem Kohlenstoff und Kalium als Indikator für vergangenes Knochenmaterial gewertet (Mbida Mindzié u. a. 2008).10

Ausblick Das im Rahmen meiner Dissertation11 zur Bearbeitung anstehende Befundspektrum von verschiedenen Fundstellen im nordwestlichen Kongobecken enthält ebenfalls Gruben mit Deponierungen. Ein Komplex aus zwei stratigrafisch zu trennenden Gruben12 in Pikunda am Sangha-Fluss (Republik Kongo) zeigt beim aktuellen Stand der Auswertung keine oder kaum Merkmale, wie sie Wotzka (1993) für die Befunde im Inneren Kongobecken zusammengefasst hat. In einer anderen Grube in Maluba am Lua-Fluss (Demokratische Republik Kongo) wurde hingegen ein Schädel ausgegraben, in den mehrere Langknochen gesteckt waren.13 Dieser Befund ist ohne Zweifel bereits jetzt im Kontext sekundärer Bestattungsriten zu deuten. Deutlich differenzierter ist das Bild dagegen bei zwei nahe beieinander liegenden und nahezu gleichalten Gruben in Munda am Likwala-aux-HerbesFluss (Republik Kongo).14 Die zirka 1,4 m tiefe Grube MUN 87/2-1-3 wurde mit einer Packung aus mindestens 15 auf der Seite oder der Mündung liegenden Gefäßen verfüllt. Der Befund ist sehr gut mit der Situation, wie sie Wotzka (1993) für das Innere Kongobecken beschreibt, vergleichbar (siehe oben). Die Keramik in der Grube ist stilistisch homogen, und auch die zwei vorliegenden 14C-Daten sprechen dafür, dass die Verfüllung der Grube in einer einzigen intentionellen Deponierung stattgefunden hat. Die unmittelbar benachbarte Grube MUN 87/2-11 präsentiert dagegen ein wesentlich komplexes Bild. Zuerst wurde eine zirka 1,5 m tiefe Grube ausgehoben, in der – wie direkt nebenan in MUN 87/2-1-3 – eine Reihe stilistisch homogener Gefäße auf der Seite liegend deponiert wurden. Ob diese Verfüllung bis zur Oberfläche reichte oder die Grube halb offen stand,

lässt sich aktuell nicht mehr ermitteln. In einem nächsten Schritt wurde eine bis 0,85 m unter die rezente Oberfläche reichende Lehmauskleidung für einen Ofen in die Grube eingebaut. In diesem fand danach mindestens ein Verhüttungsprozess statt. Der ausgeräumte Ofen wurde mit Schlacken und Gefäßen, die sich stilistisch leicht von den im unteren Teil deponierten unterscheiden, aber ebenfalls auf der Seite liegen, verfüllt.15 Knapp unter der Oberfläche fand sich in der Mitte der verfüllten Ofengrube ein Eisenobjekt, das nach der Restaurierung am Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz als „Eisengeld“ (siehe Meister, Eggert 2008: 200f.) angesprochen werden kann. Diese Kette von Ereignissen und Handlungen lässt sich direkt aus dem Befund selbst ableiten. Ob und wie diese Handlungen jedoch zusammenhängen, und ob Bezüge zwischen Deponierungen und Eisenproduktion bestanden, ist derzeit noch nicht klar. Es handelt sich aktuell zudem um den einzigen mir bekannten Befund, bei dem eine Grube mit einer Deponierung als ‚Ofen‘ neu genutzt wurde. In Zukunft soll, um dem Phänomen dieser strukturierten Deponierung in Gruben besser nachgehen zu können, die Datenbasis um die Gruben aus dem westlichen Teil des Regenwaldes (Kamerun und Gabun) sowie neuere Funde aus dem Kongobecken ergänzt werden. Zudem sollen weitere Auffälligkeiten wie etwa isoliert auf der Grubensohle deponierte Gefäßhälften (siehe oben) in den Merkmalschlüssel Wotzkas (1993) einfließen. Ziel soll es sein, das hier diskutierte Phänomen besser beschreiben und klarer abgrenzen zu können, um damit eine verbesserte Interpretationsund Vergleichsbasis zu schaffen.

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Anmerkungen 1 Unter Zentralafrika wird im Folgenden das Staatsgebiet Äquatorialguineas, Gabuns, Kameruns, der Demokratischen Republik Kongo (Kongo-Kinshasa), der Republik Kongo (KongoBrazzaville) und der Zentralafrikanischen Republik sowie der nördliche Teil Angolas verstanden (Abb. 1). 2 Von Sept. 1977 bis Febr. 1978 fand eine erste Feldkampagne im Ruki-Gebiet statt (Wotzka 1995: 23f.). Das im Anschluss durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderte River Reconnaissance Project lief von 1981–1987. Es wurden weitere vier, jeweils sechsmonatige Feldaufenthalte unternommen, in denen man sich vor allem auf das Innere Kongobecken in der Demokratischen Republik Kongo (ehem. Zaïre) konzentrierte. Erst die zweite Hälfte der Kampagne von 1985 führte mit der Prospektion des Ubangi aus dem Inneren Kongobecken hinaus. Während der Kampagne von 1987 wurden der Sangha/Ngoko sowie der Likwala-aux-Herbes-Fluss in der Republik Kongo (ehem. Volksrepublik Kongo) und Gebiete entlang der Grenze zu Kamerun prospektiert. 3 Wenn größere Flächen, zum Beispiel bei Baumaßnahmen wie in Dibamba südlich von Douala (Kamerun), untersucht werden können, dann ist eine schnelle Dokumentation, Beprobung und Fundbergung wenn überhaupt nur während der unmittelbaren Erdarbeiten möglich (Oslisly u. a. 2008). 4 Aus Kamerun sind bis zu 3,9 m (AKO 05/5 in Akonétye; siehe Meister, Eggert 2008: 190) bzw. 4 m (Zoatoupsi; siehe Lavachery u. a. 2010: 120) tiefe Gruben bekannt. In Okala in Gabun wurde eine 1,4 m breite und 2,95 m tiefe Grube (Nr. 21) ausgegraben (Clist 2004/2005: 401). 5 Eine auf den ersten Blick nicht unähnliche Situation wurde 2010 von Alexandre Livingstone Smith in Bomane Yangwa am Aruwimi-Fluss (nördl. Kongobogen) ausgegraben (Livingstone Smith u. a. 2011: Abb. 2). 6 Hier sei ebenfalls auf die umgestülpten Gefäße in den Gräbern von Campo, Akonétye, Mouanko-Lobethal, Mpoengue sowie möglicherweise Obobogo hingewiesen (Meister 2010; Eggert u. a. in Vorb.). Diese sind im Sinne eines „rituel d’inversion“, einer ritualisierten temporären Verkehrung geltender Ordnungen in ihr Gegenteil, interpretierbar (Wotzka 1993: Anm. 35 nach Thomas 1982: 171–174). 7 „Die Fali im nördlichen Kamerun bestatten ihre Toten ‚traditionell’ in kegelstumpfförmigen Grabgruben von 2–2,5 m Tiefe und mit einer Öffnung von nur 50 cm Durchmesser. […] Der Leichnam wird in sitzender Position bestattet und das Grab mit einer umgestülpten Keramikschale verschlossen. […] Die Grabanlage gilt als vorübergehende Wohnstatt des Toten. […] Drei Jahre nach der ersten Bestattung finden die sekundären

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Bestattungsriten statt. […] Man entnimmt den Schädel des Bestatteten, legt ihn nach ritueller Waschung in eine Art Schalenurne. […] Drei, bei weiblichen Toten vier Monate später wird die Urne mit dem Schädel endgültig an festgelegtem Ort in geringer Tiefe begraben. […] Im Mittelpunkt [des Bestattungsrituals der Fali] steht eine tiefe Erdgrube“ (Wotzka 1993: 266–268 nach Gauthier 1969: 166–178). Eine intentionell angebrachte Durchlochung im Sinne eines „Seelenloches“ konnte beim Grab einer Gulmancé-Frau in Tambaga, das 1989 im südöstlichen Burkina Faso fotografiert worden war, beobachtet werden. Das Grab war von einem Gefäß markiert, welches am Tag des Begräbnisses durch Herausschlagen, -brechen bzw. -bohren eines Loches aus der Gefäßwandung und des Bodens präpariert wurde und anschließend auf der Mündung stehend deponiert (Wotzka 1993: 268f., Abb. 8). Opferungen zahlreicher Kühe und das Verbrennen großer Mengen von Salz sowie der Kleider des Toten – Potlatch-artige Elemente – werden im Zusammenhang mit Chef-Bestattungen bei den Kuranko im nordöstlichen Sierra Leone erwähnt (Wotzka 1993: 269ff. nach Jackson 1977: 282–284). In einem der Befunde wurde ein kleines Knochenfragment gefunden, das von Eisenkorrosion umschlossen war. Eine anthropologische Zuweisung des Fragmentes war aufgrund der geringen Größe nicht möglich. Die Anfang 2012 begonnene Arbeit mit dem Titel „Archäologische Untersuchungen zur eisenzeitlichen Besiedlungsgeschichte des nordwestlichen Kongobeckens“ wird durch Prof. Dr. Hans-Peter Wotzka an der Universität zu Köln betreut. Die stratigrafisch jüngere Grube datiert nach einer 14C-Probe ins 12.–14. Jhd. n. Chr., wohingegen der ältere Befund nach einer weiteren 14C-Probe in den Zeitraum 4. Jhd. v. Chr. – 3. Jhd. n. Chr. zu datieren ist. Die vorliegende anthropologische Beschreibung durch Peter Caselitz von 1986 weist das Individuum als adult bis matur, mit einem Trend zum maturen Alter, aus. Die Geschlechts­ diagnose ist unbestimmt bis eventuell männlich. Es liegen insgesamt fünf 14C-Datierungen aus den beiden Befunden vor, die sämtlich zwischen 1800±90 BP (KI-2885) und 2020±180 BP (KI-2887) liegen, mit einem Schwerpunkt bei zirka 1990±50 BP (KI-2876/KI-2881/KI-2888). Die Keramik zeigt keinen sekundären Brand, und die Schlacken lagen stark vermischt in der Ofengrube.

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Dirk Seidensticker [email protected]

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Phänomenologie und Landschaft: der menschliche Körper in Bewegung Katharina Rebay-Salisbury

Zusammenfassung In der englischsprachigen, besonders aber in der britischen Archäologie lieferten phänomenologische Ansätze seit den 1990er Jahren wichtige Impulse zur Theorieentwicklung (z. B. Gosden 1994;Thomas 1993;Thomas 1996;Tilley 1994). In den zwanzig Jahren, die seitdem vergangen sind, bildeten sich aus der philosophischen Grundhaltung verschiedene Zweige, so dass man nun schon fast eine Geschichte der phänomenologischen Archäologie schreiben kann.Tatsächlich gibt es bereits einige Rückblicke (z. B. Brück 2005; Johnson 2012). Phänomenologie ist ein reizvoller und faszinierender Ansatz, der Anreize zum Denken bringt, doch fand sie trotz ihres deutschen Ursprungs in der deutschsprachigen Archäologie bislang wenig Anklang.1 In diesem Beitrag möchte ich daher zunächst eine kurze Zusammenfassung phänomenologischen Denkens bringen, von den Grundlagen zu einigen erfolgreichen Beispielen zur Kritik, dann möchte ich einige Richtungen aufzeigen, in die sich phänomenologische Landschaftsarchäologie entwickelt, und schließlich diskutieren, wie dieser Ansatz Denkanstöße liefert, um die Eisenzeit besser zu verstehen. Abstract Since the 1990s, phenomenology has brought important impulses to the development of archaeological theory in the Anglo-American and particularly British scholarly world (e.g. Gosden 1994;Thomas 1993;Thomas 1996;Tilley 1994).Twenty years on, various branches of phenomenological archaeology have developed, so that it is almost possible to write a history of phenomenological thought in archaeology. Indeed, there already have been a few reviews aiming to present the various threads (e.g. Brück 2005; Johnson 2012). Phenomenology is a fascinating approach that makes one think and interpret the archaeological record differently. Despite its German origin, phenomenology has had little impact on German-language archaeology. In this article, aimed at a German audience, I aim to summarize phenomenological thought, from the basics to some successful examples and its criticism, and point out some new directions that are in the process of being developed. Finally, I will discuss how this approach provides interpretative tools in order to better understand the Iron Age.

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Abb. 1:  Unterschiedliche Perspektiven auf die Welt (Globus: © Bruce Jones Design Inc. 2009).

Phänomenologie ist das Studium und die Beschreibung von Phänomenen, wobei Phänomene alle Einheiten, Dinge und Ereignisse sind, die sich der Welt präsentieren. Phänomenologie ist ein humanistischer Ansatz, der Menschen und wie sie Dinge wahrnehmen zum Zentrum der Forschung macht, aber Phänomenologie ist weder eine Theorie noch eine Methode (Tilley 2005: 202). Als philosophische Grundlagen der Phänomenologie werden oftmals Husserl (1913), Heidegger (2005 [1927], 2006 [1927]) und MerleauPonty (1962) genannt, deren Lesart und Interpretation zu unterschiedlichen Graden in die Werke der Phänomenologen eingeflossen sind. Husserls Kritik des wissenschaftlichen Empirismus wendet sich gegen die Art und Weise, wie die Welt wissenschaftlich beschrieben wird und argumentiert, dass Menschen sie nicht so wahrnehmen. Alles was messbar ist, wie etwa Größe, Gewicht, Distanz, etc. wird in der wissenschaftlichen Sichtweise besonders hervorgehoben, während schwer messbare, qualitative Eigenschaften wie Emotionen verloren gehen. Die wissenschaftliche Sichtweise wird als inhuman und verarmt dargestellt. Ein Beispiel wäre die Kartographie: bis vor kurzem war es Menschen unmöglich, die Welt aus der Vogelperspektive wahrzunehmen. Karten wurden aufgrund von Messungen und Berechnungen erstellt, doch das Bild, das dabei entstand, war abstrakt und hatte nichts

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mit der menschlichen Wahrnehmung zu tun. Heute gibt es wieder Bestrebungen, durch moderne Technik wie virtueller Realität von der Abstraktion zurück zur Wahrnehmung zu kommen. Das Projekt Google Street View2 verspricht, Orte auf der ganzen Welt durch 360Grad Bilder erfahrbar zu machen – Wahrzeichen, Naturwunder, Gallerien und Sammlungen der ganzen Welt sollen so allen Menschen virtuell zugänglich gemacht werden. Auf Heidegger gehen Begriffe wie Dasein und Inder-Welt-sein zurück, die man tatsächlich als deutsche Lehnworte in der englischen Literatur finden kann. In jedem Fall geht es um die Beziehung zwischen selbst und der Welt, um die Konzeptualisierung und Beschreibung von Beziehungen zwischen dem Selbst und der Welt. Wir erfahren die Welt ausschließlich durch unseren Körper, der in der Welt ist und nicht getrennt von ihr sein kann (Abb. 1). Diese Wahrnehmung ist bereits Interpretation, daher kann es keine „objektive“ Sicht der Welt geben. Orte werden dreidimensional, sinnlich und subjektiv wahrgenommen, weshalb Sinneserfahrungen und subjektive Wahrnehmung Gegenstand der Forschung sein müssen. Unsere körperliche Platzierung und Orientierung ist bereits situations- und kontextgebunden. Die Bewegung des Körpers im Raum ist daher besonders signifikant (Brück 2005: 47), da sie Menschen immer wieder an-

dere Einsichten in die Welt ermöglicht. Erfahrungen reihen sich wie Erzählstränge aneinander, aus ihnen geht Bedeutung hervor (Tilley 1994: 27–33). Die Erforschung der Landschaft und deren Monumente ist der wohl bekannteste Zweig phänomenologischer Archäologie, doch es gibt auch andere, die sich vorrangig mit Artefakten oder dem menschlichen Körper befassen. Eines der ersten und sehr bekannten Bücher ist Tilleys „A Phenomenology of Landscape“ (1994), in dem er in einem photographischen Aufsatz seine Eindrücke von der Landschaft um neolithische Steingräber festhält. Es geht ihm darum, Beziehungen zwischen den Monumenten und der unmittelbaren Landschaft (z. B. Felsen, Flusstäler, Bergsporne etc.) zu untersuchen. Landschaft existiert, weil Menschen ihrer Umwelt Bedeutung geben. Ohne diese Bedeutungen ist Landschaft nur Umwelt (Forbes 2007: 395). Barrett and Ko (2009: 280, meine Übersetzung) fassen Tilleys Position folgendermaßen zusammen: 1. Ohne menschliche Präsenz können archäologische Daten nicht verstanden werden. Bedeutung entsteht aus der menschlichen Auseinandersetzung mit der materiellen Welt. 2. Der Körper ist das Medium, durch das diese Auseinandersetzung erfolgt. 3. Indem der eigene Körper als Medium zum Einsatz kommt, können Archäologen das In-der-Welt-sein in der Vergangenheit nachvollziehen, und dabei die Bedeutung der archäologischen Hinterlassenschaften der Vergangenheit erfassen. Tilley geht also davon aus, dass wir mit prähistorischen Menschen im Großen und Ganzen die biologische Grundlage der Wahrnehmung, nämlich unseren Körper, gemeinsam haben. Daher könne man von unseren Sinneserfahrungen und unserem Empfinden auf das der prähistorischen Menschen schließen. Zu den Sinnen zählen neben den aristotelischen fünf (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten) auch Temperaturempfinden, Schmerzempfindung, der vestibuläre Sinn, der zur Balance und räumlichen Orientierung beiträgt, Propriozeption, die Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Körperteile relativ zueinander, sowie die Zeitwahrnehmung. Das Empfinden von Emotionen wie etwa Angst,Wut oder Freude wurde als zentrales Handlungsmotiv prähistorischer

Menschen erkannt (e.g. Harris, Sørensen 2010;Tarlow 2000; Tarlow 2012), doch gestaltet sich die Erforschung von Emotionen in der Vergangenheit, ohne in Spekulationen abzugleiten, als schwierig. Emotionen sind jedoch so eng mit materieller Kultur, Orten in der Landschaft sowie menschlichen Handlungen, Praktiken und Ritualen verbunden, dass sie als Forschungsthema nicht völlig von der Hand zu weisen sind. Die emotionale Subjektivität der Forscher selbst ist nicht zuletzt ebenfalls ein Thema, mit dem sich eine Archäologie der Emotionen auseinandersetzen sollte. Verschiedene Aspekte der Phänomenologie á la ­Tilley waren heftiger Kritik ausgesetzt. Zum einen wurden seine Beobachtungen von Kritikern wie ­Andrew Fleming überprüft (1999; 2006) und zum Großteil als nicht nachvollziehbar eingestuft, was ihren Wert ­ erheblich in Frage stellt. Außerdem wurde kritisiert, dass es bei den ersten Versuchen einer phänomenologischen Herangehensweise fast ausschließlich um den visuellen Aspekt der Landschaft ging. Mittlerweile gibt es jedoch auch zahlreiche andere Versuche: Watson und Keating (1999) haben etwa an Stonehenge kartiert, wie Geräusche durch das Denkmal geleitet werden, in welchen Bereichen sie blockiert und in welchen besonders gebündelt werden. In der paläolithischen Archäologie wird ausprobiert, wie akustische Effekte in Höhlen erzeugt werden, indem man etwa Tropfsteinsäulen als Instrumente betrachtet (Scarre, Lawson 2006). Der Tastsinn wird durch die Oberflächenbearbeitung von Monumenten und der Textur materieller Kultur im Allgemeinen angesprochen. MacGregor (1999) untersuchte zum Beispiel Steinbälle aus dem schottischen Neolithikum, von denen über 400 Exemplare bekannt sind, und die nur mit großen Schwierigkeiten zu deuten sind. MacGregor argumentiert, dass wenn man Artefakte rein unter funktionalen oder sozio-politischen Gesichtspunkten betrachtet, ihre wahre Bedeutung nicht erkennen kann – man muss sie sensorisch erfahren um sie zu rekontextualisieren. So hofft er, Rückschlüsse auf prähistorische Weltanschauungen zu erlangen. Zur Interaktion zwischen menschlichem Körper und materieller Kultur sowie Landschaft hat auch die Hirnforschung Einiges beizutragen. Unter neuronaler Plastizität versteht man, wie sich Hirnfunktion, -anatomie und -vernetzung durch sensorische Reize ver-

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ändert. Durch Wahrnehmung, Erfahrung, Lernen und Aus­üben von Handlungen, kurz gesagt durch die Auseinandersetzung mit der materiellen Welt verändert sich das kognitive System des Menschen. Neuronale Plastizität findet ständig statt, sie ist der Normalzustand. Wir verändern uns ununterbrochen durch Interaktion mit der materiellen Welt. Es gibt daher Stimmen, die befürworten, Artefakte als Teil des menschlichen ­kognitiven Systems zu sehen (DeMarrais, Gosden, Renfrew 2004; Renfrew, Zubrow 1994). So kommen wir also zu Embodiment, der These, dass Intelligenz einen Körper benötigt, und eine physikalische Interaktion mit der Welt voraussetzt. Es entstehen Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche, zum Beispiel beeinflussen Körperhaltungen und Gesten psychische Zustände und Emotionen. Manches Wissen sitzt so tief, dass es nicht mehr artikulierbar ist, und sozusagen fest im Körper verankert ist (Sørensen, Rebay-Salisbury 2012). Motorisches Wissen, etwa wie man spinnt, töpfert, oder Rad fährt, kann nicht ausschließlich durch den Intellekt beschrieben und weitergegeben werden, der Körper muss es lernen und trägt dieses Wissen.Wiederholte Handlungen und Rituale, auch und besonders im religiösen Bereich, sind ebenfalls von diesem „verkörperten Wissen“ geprägt. Das sind nur einige der Grundlagen einer Körpertheorie, die von soziologischen Ansätzen inspiriert (z. B. Featherstone, Hepworth, Turner 1991; Shilling 1993) zur Entwicklung der Archäologie des Körpers geführt haben (Bori c´, Robb 2008; Hamilakis, Pluciennik, Tarlow 2002a; Joyce 2005; Meskell, Joyce 2003; RebaySalisbury, Sørensen, Hughes 2010).3 Eine Archäologie des Körpers ist notwendig, da der Körper nicht nur etwas ist, was wir alle haben, er ist die Grund­lage unserer Wahrnehmung. Beziehungen – zu anderen Menschen und der Umwelt – bestehen aus dem, was unsere Körper machen. Körper sind nicht einfach nur eine biologische Grundlage, auf der Kultur aufbaut, sondern sind darin verflochten: Freuden und Abneigungen, sowie Einstellungen zu körperlichen Vorgängen wie Sex, Krankheit, Geburt und Tod sind nicht natürlich, sondern Produkt kulturellen Lernens. Körperpraktiken, Gesten und Bewegungen sind erlernt und haben häufig eine Bedeutung. Einstellungen zum Körper sind nicht universell, sondern kulturspezifisch, und kön-

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nen daher untersucht werden. Für eine Archäologie des Körpers gilt es, die Entstehung und Erfahrung des gelebten Körpers in Hinblick all dieser Aspekte zu rekonstruieren (Joyce 2005). Erste phänomenologische Ansätze gingen davon aus, dass der Körper, die biologische Grundlage der Erfahrung, das Bindeglied zwischen dem heute und der Vergangenheit ist, da wir ihn im Großen und Ganzen mit unseren Vorfahren gemeinsam haben. Indem wir mit diesem Körper die Spuren der Vergangenheit nachvollziehen, können wir sozusagen dieselben oder ähnliche Erfahrungen machen. Das Problem dabei ist, dass es keinen universellen Körper gibt (Brück 1998; Hamilakis, Pluciennik, Tarlow 2002b: 9; Meskell 1996). Frauen und Männer haben andere Körper, Alte und Junge, Gesunde und Kranke, Schwangere und Personen mit kleinen Kindern. Als frischgebackene Mutter eines kleinen Sohnes machte ich erst kürzlich die Erfahrung, dass man die Welt nun ganz anders wahrnimmt und wahrnehmen muss, sei es, um neue Wege zu entdecken, die man mit dem Kinderwagen bewältigen kann, oder sei es, um Gefahren für das Baby zu erkennen und zu entschärfen. Die Verbindung zum Menschen der Vergangenheit durch Feldbegehung zu suchen ist ja an sich kein neuer Gedanke. Schon Forscher im 19. Jahrhundert schnürten sich die Stiefel und begingen prähistorische Monumente. Trotzdem ist die antiquarische Tradition nicht unbedingt als Vorläufer phänomenologischer Feldmethoden zu verstehen (Gillings 2011). Was unterscheidet aber nun Phänomenologie von üblicher Feldbegehung? Ein wesentlicher Punkt ist, dass das Ziel nicht das Sammeln objektiver Daten, sondern der subjektive Erkenntnisgewinn ist. Phänomenologie kann uns seine reichere Sicht der Vergangenheit ermöglichen, und uns in andere Richtungen denken lassen. Phänomenologie lehrt uns über uns selbst und unsere Beziehung zur Vergangenheit. Phänomenologie akzeptiert verschiedene, unterschiedliche und in Konflikt stehende Interpretationen von Landschaft, und ist daher politisch (Johnson 2012). Ein eisenzeitliches Monument kann zum Beispiel für einen Wissenschaftler eine andere Bedeutung haben als für einen Esoteriker, und beider Interessen gilt es in der modernen Welt zu berücksichtigen. Die praktische Umsetzung phänomenologischer

­ n­sätze bzw. die Entwicklung phänomenologischer A ­Methoden jenseits der Feldbegehung mit photographischem Aufsatz wird von den Puristen völlig abgelehnt, da sie sozusagen die Umkehrung der ur­sprünglichen Abkehr der Wissenschaftlichkeit darstellt. Trotzdem oder gerade deshalb gibt es einige recht interessante Arbeiten. Cummings, Jones und Watson (2002) verwenden etwa Kreisdiagramme, auf denen eingetragen wird, welche topographischen Bezugspunkte von welchem Standpunkt aus gesehen werden und analysieren so Symmetrien und Asymmetrien von Steingräbern in Wales (Abb. 2). Hamilton et al. (2006) entwerfen Fragebögen, auf denen eingetragen werden kann, welche Sinneseindrücke man von einem Bodendenkmal zum anderen erkennt, zum Beispiel ob man Pfeifen, Schreien, Tratschen oder Schafe blöken hört, ob man kochendes Essen riecht, ob man Gesten wie Winken erkennen kann. In Zusammenhang mit den Umwelteigenschaften wie Wetter und Wind wird dann sozusagen eine phänomenologische Einzugsanalyse des Umlandes kartographisch erstellt, wobei Aktivitätszonen kartiert werden. Analog zur Landschaft („landscape“) wird die „taskscape“ (Ingold 1993) entworfen, die einen sozial konstruierter Raum mit Ansammlungen menschlicher Aktivitäten beschreibt, ein. GIS und die virtuelle Realität (Conolly, Lake 2006) bieten natürlich auch die Möglichkeit, phänomenologische Ansätze zu integrieren. Allerdings tat sich in den letzen Jahren eine riesige Kluft zwischen Vertretern der „reinen Lehre der Phänomenologie“ und Archäologen, die GIS verwenden, auf – unter anderem, weil letztere häufig und völlig fälschlich als technisches Personal ohne intellektuelle Ambitionen wahrgenommen werden. Nach zahlreichen Versöhnungsversuchen forderte Gillings zuletzt (Gillings 2012), die Phänomenologen zurückzulassen und eigene theoretische Wege zu gehen. Er greift ein recht interessantes Konzept aus dem Forschungsfeld der visuellen Wahrnehmung auf, das auch für die Archäologie Potential hat: das Konzept der affordances. Der eingedeutschte Begriff Affordanzen ist wenig geläufig und wird daher auch als Angebots- oder Aufforderungscharakter übersetzt. Geprägt von Gibson (1977; 1979) beschreibt dieser Begriff die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt und ist daher so wie die Phänomenologie relational

Abb. 2:  Repräsentation der Sichtzonen und Symmetrien des Grabmonuments von Gwernvale, Wales (nach Cummings, Jones, Watson 2002: Abb. 2; nachgezeichnet von Ursula Mattenberger in Brück 2005: Abb. 3).

(Chemero 2003). Gibsons direkte Theorie der Wahrnehmung argumentiert dass das Umfeld, in dem die Wahrnehmenden eingebettet sind, Bedeutungen kodiert, die direkt wahrgenommen werden, und nicht über den Umweg oder die Übersetzung von Rohdaten im Gehirn. In dem direkten Modell der Wahrnehmung ist die Umwelt mit Bedeutung geladen, und durch die sinnliche Auseinandersetzung mit dieser Umwelt können Wahrnehmende die Bedeutungen extrahieren. Bedeutung entsteht also durch Interaktion. Affordanzen eines Gegenstandes oder Ortes sind nun mehr als nur Eigenschaften oder Ressourcen: sie ermöglichen einer Person, eine Aktion durchzuführen und müssen von einer Person auch als solches wahrgenommen werden. Sie können sich aus physischen, physikalischen, logischen oder kulturellen Gründen ergeben. Soziale Konventionen, Verhaltensregeln und Traditionen zählen zu den Dingen, die den Zugang und die Verwendbarkeit von Ressourcen einschränken können (Norman 1988: 85–86). Ein klassisches Beispiel zur Verdeutlichung des Konzepts der Affordanzen ist der Sessel4. Er hat für erwach-

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Abb. 3:  Stühle laden durch ihre unterschiedliche Gestalt und Beschaffenheit zu bestimmten Verwendungen ein.

sene Menschen den Angebotscharakter, zum Sitzen oder Hinaufsteigen geeignet zu sein, zum Beispiel um eine Glühbirne zu tauschen. Er hat diesen Charakter aber nicht für Babies: Mein Sohn sieht den Sessel als etwas, an dem er sich anhalten und aufziehen kann. Ein Hund kann ihn als etwas sehen, was tabu ist: Er darf nicht darauf sitzen, Menschen aber schon. Menschen aus anderen Kulturen können einen Sessel als unnötig betrachten und eher bevorzugen, auf dem Boden zu sitzen. Bestimmte Objekte laden gleichsam dazu ein, in gewisser Weise behandelt zu werden.Vergleichen wir verschiedene Modelle – einen Bürosessel, Holzsessel, Kaiserthron und Thonet-Schaukelstuhl (Abb. 3), so wird klar, dass sie außer der Idee des Sitzens nicht viel gemeinsam haben, und zu unterschiedlichen Verwendungen auffordern. Doch was hat das alles mit Landschaft zu tun? Für eine phänomenologische Landschaftsanalyse bedeutet das Konzept der Affordanzen zum Beispiel, dass man nicht einfach Ressourcen auf einer Karte eintragen kann, man muss sich auch vergewissern, ob diese tatsächlich von den prähistorischen Menschen, die wir gerade untersuchen, als solche erkannt wurden bzw. zur Verfügung standen. Eine Keramikanalyse von Fundmaterial vom Braunsberg (Gregor, Rebay-Salisbury 2012) hat zum Beispiel ergeben, dass zur Magerung des Tons auch Mineralien der gegenüberliegenden Donauseite zur Verwendung kamen – sie standen also zur Verfügung. Wäre die Donau zur Eisenzeit eine kulturelle Grenze gewesen, wäre das vielleicht nicht der Fall. Ein anderes Beispiel wäre etwa der Streit um Interpretationsmodelle: Eine eisen-

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zeitliche Befestigungsanlage kann ganz unterschiedliche Affordanzen für verschiedene Leute haben – für den Hallstattfürsten die Repräsentation, für den Angreifer die Herausforderung, für die Mutter mit Kind die Gewissheit, dass es nicht sofort den Steilhang hin­ unterstürzen kann, für den Schafhirten eine willkommene Begrenzung der Weidefläche. Die Erfahrung von Landschaft geschieht im Allgemeinen durch In-der-Landschaft-sein, und durch Bewegung durch die Landschaft (Grömer, Mückler, Kritscher 2012). Man kann mehrere Bewegungs­radien voneinander unterscheiden. Zum einen, wie man sich durch bekannte, vertraute Umgebung bewegt – zum Beispiel durch das eigene Haus, die Siedlung oder die unmittelbare Umgebung. Diese vertraute Umgebung besteht nicht nur aus den Orten selbst, sondern aus den dort erlebten Verwandtschaftsverhältnissen, Gemeinschaften, Traditionen und Weltanschauungen (Forbes 2007). Hier kann man die choreographierende Wirkung von gebautem Raum und Architektur untersuchen (Trebsche 2010), sowie die Wirkung des unmittelbaren Umlandes. Ein recht interessantes Projekt, das versucht, Bewegungsabläufe zu dokumentieren, fand kürzlich an der Uni Bedford statt. Stuart Dunn und Kollegen rekonstruierten ein virtuelles eisenzeitliches Rundhaus in einem Tanzstudio und steckten Freiwillige in Anzüge, an denen mehrfache Sensoren befestigt waren, um Bewegungsabläufe genau aufzeichnen zu können.5 Dann hat man die Teilnehmer gebeten, typische, alltägliche Bewegungsabläufe nachzuvollziehen, wie zum Beispiel Wasser holen oder das Rundhaus mit dem Besen

kehren, und so weiter. Die Analyse ist noch nicht abgeschlossen, aber es zeigte sich bereits, dass zumindest bei ­modernen Menschen riesige Unterschiede bestehen, wie sie diese Aufgaben bewältigen. Jene sind zum Teil geschlechtsspezifisch und hängen zum Teil davon ab, wie routiniert die oder der Beteiligte ist. Offen bleibt jedoch die Frage, ob wir über solche Experimente tatsächlich etwas zur Vergangenheit lernen können, oder doch nur zur Gegenwart. Wie die unmittelbare Landschaft erfahren wurde, kann man heute mit Hilfe moderner Technik immer besser nachvollziehen. Ein wichtiger Kritikpunkt phänomenologischer Ansätze ist schließlich, dass die Landschaft seit der Urgeschichte großen Veränderungen unterlag und man sie daher gar nicht mehr authentisch erfahren kann. Ganz dramatisch ist da etwa die Rolle der Bewaldung, die ein Monument völlig verändern kann.Wird die Landschaft aber mit LIDAR Daten rekonstruiert, kann Bewaldung und moderne Bebauung bis zu einem gewissen Grad weggerechnet werden. Ein besonders schönes Beispiel ist die Höhensiedlung von Purbach im Burgenland, die kürzlich genau erfasst werden konnte (Doneus, Briese, Fera, Janner 2008). Durch die Aufnahme der topographischen Details lassen sich Wege erahnen, die Menschen bei der Annäherung an die Siedlung genommen haben mussten, und ihre Eindrücke nachvollziehen. Der Zugang zum Burgberg von Sopron (Eibner-Persy 1980), eine der bekanntesten Höhensiedlungen des Kalenderbergraumes, liegt ebenfalls in heute bewal-

detem Gebiet. Er ist von Grabhügeln gesäumt, aus denen auch die Darstellung von Wagenfahrten stammen (Bella 1894: Abb. 11; Gallus 1934: Taf. 7.2) (Abb. 4). Es scheint kaum vorstellbar, dass diese tatsächlich an diesem Ort gefahren sein konnten. Die Diskrepanz zwischen Darstellung und praktischen Voraussetzungen, bzw. Affordanzen der Wege, muss und kann ideologisch erklärt werden. In der hallstattzeitlichen Kunst ist Bewegung häufig dargestellt. Auf Situlen (Eibner 2012) sieht man, wie unterschiedlich Menschen sich durch den Raum bewegen – Beispiele reichen vom Anschleichen über das Tragen schwerer Lasten, zum in Reih und Glied gehen, Reiten, Fahren und Marschieren. Die Bilder auf Keramik (Reichenberger 2000) sind ähnlich. Prozessionen zu Begräbnisfeierlichkeiten sind ein besonders dominantes Motiv, bei dem wir Männer und Frauen in gemeinschaftlicher Bewegung sehen (z. B. auf der Situla von Bologna-Certosa, vgl. Bartoloni, Morigi Govi 1995: Fig. 6). Man bewegt sich anders durch die Landschaft wenn man reitet, jagt, mit Rennwagen oder vierrädrigen Wagen fährt, dabei musiziert, oder – wie häufig im Fall von weiblichen Darstellungen – Gefäße auf dem Kopf balanciert. Wenn man einen phänomenologischen Ansatz wirklich ernst nimmt, kann man etwa untersuchen, wie Männer und Frauen Räume unterschiedlich nutzen. Wie bewegt man sich auf eine Höhensiedlung zu, wenn man Gefäße auf dem Kopf trägt? Woher kommen Speisen und Getränke, oder auch die Holzstöße, für deren Transport offensichtlich

Abb. 4: Wagenfahrt von Sopron-Várhely, Tumulus 80 (nach Bella 1894: Abb. 11).

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Frauen verantwortlich waren? Welche Wege kann man realistisch zu Fuß, mit Gefäßen auf dem Kopf, zu Pferd oder im Wagen benutzen? Bewegung durch die Landschaft ist nicht frei, sondern durch viele Faktoren eingeschränkt. Dazu zählen körperliche Fähigkeiten, soziale Konventionen, Architektur, kosmologische Vorstellungen, Weltbild, Ängste und Emotionen. Denken wir nur an die Art, wie im Märchen vom Rotkäppchen der Brüder Grimm der Wald mit Eigenschaften wie Dunkelheit, Gefahr und Einsamkeit gleichgesetzt wird und eine emotionsgeladene Landschaft geschaffen wurde. Reisen durch die weitere, unbekannte Umgebung ist häufig mit Bedeutung unterlegt. Tilley (1994: 28) etwa meint, dass die Bewegung durch Landschaft immer auch deren zumindest symbolische Besitzergreifung bzw. das In-Beschlag-nehmen ist. Dass das jedoch keineswegs immer der Fall sein muss demonstriert Forbes (2007) am Beispiel von Kirchen und Heiligtümern. Reisen kann zum Statusgewinn eines Individuums beitragen.Von den skythischen Königen bis zum europäischen Mittelalter war Reisen durch die Landschaft ein wichtiges Element der Herrschaftsausübung und -demonstration. Reisen in unbekannte, exotische Gefilde tragen auch über Geschichten und Mitbringsel dazu bei, den Status des Heimkehrers zu heben. Fremde Güter und Wissen können zum politischen Vorteil gebraucht werden. Helms argumentierte (1988), dass das Wissen über ferne Länder immer eine mystische, heilige Dimension hat und als Wissen gilt, das von den Göttern gegeben wird. So kann Macht auch spirituell legitimiert werden. Ein klassisches Beispiel des Zitierens des Exotischen ist neben vielen anderen hallstattzeitlichen Fürstengräbern das Grab von Hochdorf (Biel 1985), in dem durch materielle Kultur – den Kessel, die Kliene, die Trinkhörner – Netzwerke und Verbindungen in den mediterranen Raum und nach Osten demonstriert werden.

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Reisen können natürlich Teil des ganz normalen Lebens sein, wenn Verwandte und Märkte besucht werden, zu Feldern gefahren wird, gejagt wird oder Beutezüge unternommen werden. Reisen wie Pilgerfahrten und Prozessionen können aber auch als liminale Zustände zu sehen sein. Hier steht weniger die Fahrt von A nach B im Vordergrund, sondern das Reisen als eigentlicher Sinn – der Weg ist das Ziel. Durch Reisen entstehen neue Beziehungen, zwischen dem Zuhause und der Fremde. Menschen in der Diaspora beschreiben das oft als weder hier noch dort, als Zustand von Entwurzelung, ohne wieder zu verwurzeln (Brah 1996: 242). Ankerpunkt im Leben der Menschen ist dann häufig wiederum die tragbare, materielle Kultur – der Koffer voller Erinnerungen und vertrauter Gegenstände (Bender 2001). Auch so könnte man vielleicht die zahlreichen „Importe“ fremder materieller Kultur in der Eisenzeit verstehen. Zurück von diesem Streifzug durch phänomenologisches Gedankengut stellt sich abschließend die Frage: Was hat Phänomenologie je für uns getan? Phänomenologie – versteht man sie contra Tilley doch als Methode – propagiert einen Perspektivenwechsel, in dem der menschliche Körper und seine Sinneserfahrungen im Mittelpunkt stehen. Die bewusste Subjektivität, der Versuch, Dinge in anderer Menschen Schuhen zu sehen, kann uns helfen, eingefahrene Denkmuster zu überwinden. Zudem ist die Betonung der Wechselwirkungen, Beziehungen und Interaktionen zwischen Mensch, materieller Kultur und Landschaft, aus denen Sinn erst entsteht, von Bedeutung. Die Einsicht, dass die Vergangenheit für jeden prähistorischen Menschen einzigartig und anders war, lässt uns bei archäologischen Interpretationen der Frage nach dem „cui bono“ mehr Bedeutung zuweisen. Nicht nur „Wie war das?“, sondern „Wie war das für wen?“ ist eine wichtige Frage.

Anmerkungen 1 Diese Tatsache ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf ein anderes Verständnis von Archäologie als Disziplin in den „humanities“.Viele englische ArchäologInnen würden sich nicht den „sciences“ zuordnen, und daher auch nicht als Wissenschaftler verstehen (auch wenn das Wort Wissenschaftler nicht 1:1 ins Englische übersetzt werden kann). Das Aufgreifen der Phänomenologie mit ihrer Betonung der Subjektivität passt gut in den Rahmen der generellen Anliegen der post-prozessualen Archäologie. Schließlich wird die Schwierigkeit, Geldmittel für Grabungen aufzutreiben, hinter vorgehaltener Hand ebenfalls als Triebfeder phänomenologischer Feldarbeit genannt. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel: Eine völlig andere, nicht in die englischsprachige Tradition eingebundene Ansicht von Phänomenologie wird etwa von A. Krenn-Leeb vertreten (Krenn-Leeb, A. (2011), Von der Phänomenologie zur

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Katharina Rebay-Salisbury School of Archaeology and Ancient History University of Leicester University Road LE1 7RH Leicester United Kingdom

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Politik, Religion und Jahrmärkte: zur Rolle der Volksversammlungen im eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Europa Manuel A. Fernández-Götz

Zusammenfassung Volks- und Ratsversammlungen bildeten einen wesentlichen Bestandteil der sogenannten „keltischen“ und „germanischen“ Gesellschaften. Sie fanden auf unterschiedlichen Niveaus statt, von der Ebene der lokalen Gruppen bis hin zu ganzen Königreichen oder sogar supraethnischen Bündnissen. Durch ihre Abhaltung wurden vielfältige Aspekte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens der Gemeinschaften organisiert, z. B. Rechtsspruch, Regelung der Zugangsrechte zu Land und Produktionsmitteln, Entscheidung über Krieg und Frieden, etc. Ausgehend von einer Zusammenfassung der vorhandenen Informationen über das späteisenzeitliche Gallien wird diese Thematik im vorliegenden Aufsatz auch anhand der viel ausgiebigeren Überlieferungen aus dem alten Irland (óenach) und dem skandinavischen Raum (Thing) erläutert. Neben der allgemeinen Zusammenstellung wird auch auf spezifische ­Fragestellungen wie die oftmals beobachtete Verbindung zwischen Gräbern und Versammlungsplätzen eingegangen. Abstract Public assemblies and council meetings were an important element of so-called ‘Celtic’ and ‘Germanic’ societies. They took place at a number of levels, from that of local groups to entire kingdoms or even supra-ethnic alliances. They were held in order to organise a variety of aspects of the collective life of the communities, for example judgements, regulation of access to land and means of production, decisions about war and peace, etc. Starting with a summary of the available information on Late Iron Age Gaul, in this article the topic is also discussed on the basis of the much more abundant sources from Ancient Ireland (óenach) and Scandinavia (thing). As well as a general survey, specific questions are also addressed, such as the relationship which is often to be observed between burials and assembly places.

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Die Volksversammlung als Grundstein des politischen Lebens „Die Institution der Volksversammlung ist im Bereich von Stammesgesellschaften und sonstigen archaischen politischen Einheiten so weithin verbreitet, dass die Frage interessanter wäre, wo und unter welchen Bedingungen sie gefehlt hat.“ (Wenskus 1984: 444). Die Institution der Volksversammlung, das heisst der Versammlung aller Vollbürger der jeweiligen politischen Gemeinschaft (meistens die freien, erwachsenen Männer),bildet einen wesentlichen Bestandteil von zahlreichen Stammesgesellschaften und frühen Staatsgebilden. Sowohl in den sogenannten „keltischen“ und „germanischen“ Gesellschaften als auch bei vielen anderen Bevölkerungen der Antike, wie z. B. den Griechen, war eine dreigliedrige Grundstruktur der Verfassung mit 1) König bzw. Magistrat, 2) ­Ältestenrat bzw. Senat und 3) Volksversammlung weit verbreitet (Fernández-Götz 2011; Wenskus 1984). Volksversammlungen (griechisch ekklesia; lateinisch comitia; germanisch Thing) stellten kollektive Zusammenkünfte dar, die auf unterschiedlichen Niveaus stattfanden, von der Ebene der lokalen Gruppen bis hin zu ganzen Königreichen oder sogar supraethnischen Bündnissen. Unter den bekanntesten Beispielen befindet sich zweifellos die athenische Volksversammlung, die ihre Blütezeit im 5. Jh. v. Chr erlebte und in der die männlichen Vollbürger an einem festgelegten Ort über die wichtigsten Belange des Staates entschieden (Rhodes 1997). Große Berühmtheit erlangten auch die comitia centuriata in der Römischen Republik (Gizewski 1997). Zwar weisen diese großen Zusammenkünfte in ihrem äußeren Erscheinungsbild und Verlauf einige Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulturen und Epochen auf, aus einer strukturellen Perspektive überwiegen aber die Ähnlichkeiten in Hinsicht auf ihre Rolle für das Funktionieren der Gesellschaften. Durch ihre Abhaltung konnten vielfältige Aspekte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens organisiert werden, darunter Gesetzgebung, Rechtsprechung, Regelung der Zugangsrechte zu Land und Produktionsmitteln zwischen den verschiedenen Verwandtschaftsgruppen, gemeinsame Verteidigung, Kriegserklärung, etc. Darü-

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ber hinaus spielten sie eine beachtliche Rolle bei der Ausführung von Kulthandlungen und bei der Herausbildung und Aufrechterhaltung von politischen und ethnischen Gebilden (Fernández-Götz 2013; Wenskus 1984). Schließlich führte das Zusammentreffen von ­einer bedeutenden Personenzahl an einem selben Ort häufig auch zur Abwicklung von wirtschaftlichen Aktivitäten, z. B. Jahrmärkten, die sich an vielen Plätzen sozusagen als Nebenerscheinung der eigentlichen politischen Veranstaltung entwickelten (vgl. dazu Ligt, Neeve 1988). Mit anderen Worten: DieVolksversammlungen vereinten politische, religiöse und wirtschaftliche Komponenten und waren somit entscheidend für die Organisation des Zusammenlebens und für die Konstruktion von kollektiven Identitäten. Ausgehend von einer Zusammenfassung der vorhandenen archäologischen und literarischen Informationen über das spätlatènezeitliche Gallien wird die Thematik der eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Volksversammlungen im vorliegenden Beitrag auch am Beispiel der viel ausgiebigeren Überlieferungen aus dem alten Irland und dem skandinavischen Raum erläutert. Neben der allgemeinen Zusammenstellung wird auch auf einige spezifische Frage­stellungen eingegangen, z. B. auf die oftmals beobachtete Verbindung ­zwischen Gräbern und Versammlungsplätzen. Ungeachtet ­einiger methodischer Schwierigkeiten, die sich aus der Benutzung von verschiedenen Quellengattungen ergibt, besteht das Ziel darin, auf dieWichtigkeit dieser kollektiven Veranstaltungen für die Identität und die sozialen Organisationsformen der eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Personen hinzuweisen. Volksversammlungen und öffentliche Plätze im späteisenzeitlichen Gallien Die zentrale Rolle von Räten und Versammlungen im politischen Leben des spätlatènezeitlichen Galliens wird von Caesar an verschiedenen Stellen seines Werkes De Bello Gallico hervorgehoben. So berichtet er im Buch VI, dass es verboten sei, außerhalb der Volksversammlung über Politik zu sprechen (BG VI, 20, 3). Neben den eigentlichen Volksversammlungen existierten auch andere Arten von kollektiven Zusammenkünften, die auf unterschiedlichen soziopolitischen Ebenen stattfanden und sowohl regelmäßig als

manchmal auch außerplanmäßig zu besonderen Anlässen einberufen werden konnten (Fernández-Götz 2011 und 2013; Fichtl 2012a: 121–124). Hier sei z. B. an die jährliche Versammlung der Druiden im heiligen Zentrum Galliens im Land der Carnuten erinnert, die Camille Jullian (1908: 97) nicht ganz ohne Grund mit der Amphiktyonie von Delphi im antiken Griechenland verglich: „Zu einer bestimmten Zeit des Jahres tagen die Druiden an einem geweihten Ort im Gebiet der Carnuten, das man für das Zentrum ganz Galliens hält. Von allen Seiten kommen dort alle die zusammen, die einen Streitfall auszutragen haben, und unterwerfen sich den Entscheidungen und Urteilen der Druiden“ (BG VI, 13, 10). Ferner muss auch die Landtagsversammlung ganz Galliens (concilium totius Galliae) hervorgehoben werden, in der sich die Abgeordneten der verschiedenen gallischen Stämme traffen (BG I, 30, 4–5; IV, 6, 5;V, 2, 4; ­ V, 24, 1;VI, 3, 4;VI, 44, 1–3;VII, 63) (Abb. 1). ­Weniger bekannt aber dennoch relevant ist auch die Erwähnung einer „Versammlung aller Belger“ (concilium commune Belgarum, vgl. BG II, 4, 4). Viel zahlreicher als die genannten Treffen dürfte aber die Veranstaltung von Volksversammlungen auf der Ebene der einzelnen civitates gewesen sein. Die am besten überlieferte gallische Volksversammlung ist zweifellos diejenige, die im Jahre 54 v. Chr. im ­Treverergebiet von Indutiomarus ausgerufen wurde: „Sobald er erkannte, dass die Stämme aus freien Stücken zu ihm kamen [...] berief er einen bewaffneten Landtag ein. Nach gallischer Sitte bedeutet das den Kriegsausbruch. Alle erwachsenen Wehrfähigen sind nach allgemein verbindlichem Volksbeschluß gezwungen, sich bewaffnet einzufinden. Wer von ihnen als letzter eintrifft, wird vor den Augen der Menge auf jede mögliche Art gefoltert und anschließend getötet. Auf dieser Versammlung erklärte Indutiomarus den Führer der anderen Partei, seinen Schwiegersohn Cingetorix [...], zum Landesfeind und zog sein Vermögen ein. Anschließend verkündete er in der Versammlung, die Senonen, Carnuten und mehrere andere Stämme Galliens hätten ihn zu Hilfe gerufen; er werde seinen Weg dorthin durch das Gebiet der Remer nehmen, ihre Felder verwüsten, vorher aber noch das Lager des Labienus bestürmen. Hierfür traf er seine Anordnungen“ (BG V, 56). Wie aus diesem Bericht klar hervorgeht, war die treverische Volksversammlung ein politischer Akt (Kriegserklärung, Degradierung des wichtigsten politischen Gegners), der auch religiöse Handlungen

Abb. 1: Veranstaltungsorte des concilium totius Galliae in den Jahren 58-52 v. Chr. nach dem Bericht von Caesar (nach Fichtl 2012a).

beinhaltete (Menschenopfer, wahrscheinlich an eine Kriegsgottheit). Auch unter den Haeduern wird von einem großen Volkstreffen berichtet, bei dem sich eine gewaltige Menschenmenge versammelte: „Da es nach den Gesetzen der Haeduer den Inhabern des höchsten Amtes nicht gestattet war, das Stammesgebiet zu verlassen, beschloß er [Caesar], selbst zu den Haeduern aufzubrechen, um den Anschein zu vermeiden, er habe in ihre Verfassung und ihre Gesetze eingegriffen. Er berief den gesamten Senat und die Vertreter der streitenden Parteien zu sich nach Decetia. Als sich dort fast der gesamte Stamm eingefunden hatte, wurde Caesar darüber unterrichtet, dass bei einer heimlichen Zusammenkunft einiger weniger zu ungesetzlicher Zeit an einem ungesetzlichen Ort ein Bruder von dem anderen als gewählt ausgerufen worden sei. Da die Gesetze es untersagten, dass zwei Mitglieder einer Familie bei beider Lebzeiten zu Beamten gewählt würden, es auch streng verboten

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Abb. 2:  Plan des Oppidums vom Titelberg. 1: Kultgraben zur Abgrenzung des öffentlichen Platzes. 2: Heiligtum (nach Metzler et al. 2006, verändert).

war, dass sie beide in dem Senat saßen, zwang Caesar ­Cotus daher, die Herrschaft niederzulegen, und ordnete an, dass Convictolitavis, der nach Stammesbrauch in der beamtenlosen Zeit unter dem Vorsitz von Priestern gewählt worden war, das höchste Amt übernehmen solle.“ (BG VII, 33). Obwohl in ­diesem konkreten Fall die Versammlung vom ­römischen Prokonsul einberufen wurde, zeugt die strenge Reglementierung der politischen Macht unter den Haeduern und die zumindest äußere Rücksicht von Caesar auf deren Gesetze, dass solche Massenzusammenkünfte zur indigenen, vorrömischen Tradition gehörten. Darüber hinaus veranschaulicht die Tatsache, dass die Wahl unter dem Vorsitz der Priester (Druiden) stattfand, wie eng politische und religiöse Macht miteinander verbunden waren. Aber nicht nur die antiken Schriftquellen sind für die Analyse der gallischen Volksversammlungen von Belang, sondern auch die Archäologie. In der Tat vermehren sich in den letzten Jahren die Hinweise auf

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öffentliche Plätze innerhalb der Oppida, in denen solche Zusammenkünfte stattgefunden haben könnten (Fernández-Götz 2012 und 2013; Fichtl 2010; 2012b; Metzler et al. 2006; Ramona 2011).Angesichts der Tatsache, dass bei einer Volksversammlung auf der Ebene der civitas mehrere Tausend bzw. sogar Zehntausende von Menschen eintrafen, benötigte man als erstes einen großen freien Platz unter freiem Himmel, der höchst wahrscheinlich in irgendeiner Weise abgegrenzt war, und dies vor allem aus symbolischen und religiösen Gründen. Als bestes Beispiel bietet sich das Oppidum von Titelberg im heutigen Luxemburg an, das von Jeannot Metzler seit Jahrzehnten vorbildlich untersucht wird (Metzler 1995; 2006; Metzler et al. 2006). Um das Jahr 100 v. Chr. wurde dort ein ca. 10 ha großes Areal durch einen 4 m breiten und 2,5 m tiefen Graben und eine Lehmziegelmauer vom Rest des Oppidums abgegrenzt (Abb. 2). In der Verfüllung des Grabens fand man zahlreiche Tierknochen, Fi-

beln, Lanzenspitzen, Miniaturwaffen, Rädchenanhänger, Münzen, Fragmente von menschlichen Schädeln, etc. Diese Funde beweisen, dass es sich bei dem Graben nicht nur um eine funktionale, sondern vor allem um eine symbolische Grenze handelte. In einer ersten Etappe blieb der Kultbezirk vom ­Titelberg praktisch unbebaut. Lediglich zur Abhaltung von Wahlveranstaltungen wurde das Gelände zeitweise durch bewegliche, über 60 m lange, parallel verlaufende Palisaden in schmale Gänge unterteilt. Diese Einrichtungen können mit den saepta von italischen Städten wie Rom oder Paestum verglichen werden. Befunde mit einer ähnlichen Deutung wurden auch in anderen gallischen Fundstellen wie Villeneuve-Saint-Germain und Gournay-sur-Aronde identifiziert (Brunaux et al. 1985; Peyre 2000). Ferner zeugen die mehr als 100.000 geborgenen Tierknochen von einer Metzgertätigkeit von quasi industriellem Ausmaß, was vermuten lässt, dass im 1. Jh. v. Chr. auf dem abgegrenzten Bezirk vom Titelberg auch große Jahrmärkte stattgefunden haben, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Veranstaltung von politischen Versammlungen und öffentlichen Kulthandlungen. Mit anderen Worten, es handelte sich um „une immense place destinée à accueillir les manifestations politiques et cultuelles de la Cité“ (Metzler 2006: 194). Auf dem höchsten Punkt des Geländes wurde noch vor dem Gallischen Krieg eine 15 × 14 m große, dreischiffige Halle errichtet, auf deren Vorplatz sich ein Altar befand. In römischer Zeit baute man auf derselben Stelle einen monumentalen Umgangstempel, der bis ins 3. Jh. n. Chr. existierte. Aufgrund der geschilderten archäologischen Ent­ deckungen wurde in der Forschung wiederholt die These aufgestellt, dass die oben erwähnte treverische Volksversammlung, die laut Caesar im Jahre 54 v. Chr. von Indutiomarus ausgerufen wurde, im öffentlichen Bereich vom Titelberg stattgefunden hat. In der Tat würden die 10 ha dieses Areals genügend Platz bieten, um eine so große Personenzahl aufzunehmen. Natürlich bleibt dies nur eine mehr oder minder plausible Hypothese, die wahrscheinlich nie zu beweisen sein wird, aber auf jeden Fall belegt der caesarische Bericht, dass diese Art von Zusammenkünften zwischen den Treverern existierte. Wenngleich die Funde und Befunde vom Titelberg die besten Hinweise auf die Abhaltung von gallischen

Volksversammlungen liefern, finden sich auch an ­anderen spätlatènezeitlichen Fundstellen wie Bibracte, Corent oder Fesques Beispiele für öffentliche Bezirke, die für vergleichbare identitätsstiftende Veranstaltungen Platz boten (Fernández-Götz 2012 und 2013; Fichtl 2010; 2012b; Metzler et al. 2006; Ramona 2011). Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang das Oppidum von Corent, Hauptstadt des mächtigen Stammes der Arverner, in dessen Zentrum die Triade von Tempel, offenem Versammlungsplatz und Markt archäologisch nachgewiesen werden konnte (Poux 2011) (Abb. 3). Interessant in der longue durée ist das Oppidum von Bibracte. In spätkeltischer Zeit bestand auf einem der höchsten Punkte des Oppidums die ca. 110 × 92 m große Einfriedung von „La Terrasse“, die höchstwahrscheinlich als Versammlungsplatz genutzt wurde und vielleicht schon vor Beginn des Oppidums existierte. Nach Aufgabe der Besiedlung auf dem Berg vom Mont Beuvray wurde in der unmittelbaren Nähe die-

Abb. 3:  Rekonstruktionsversuch des Heiligtums von Corent, im Vordergrund der öffentliche Platz (nach Poux 2011).

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Volksversammlungen im Norden: von Irland bis Skandinavien

Abb. 4:  Darstellung vom Jahrmarkt auf dem Mont Beuvray gegen Ende des 19. Jahrhunderts (nach Romero 2006).

ser Einfriedung ein römischer Tempel erbaut, später auf derselben Stelle eine katholische Kirche und eine Kapelle, die bis heute besteht. Darüber hinaus fand bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein großer Jahrmarkt statt, der seit dem Mittelalter schriftlich belegt ist (Fleischer, Rieckhoff 2002; Romero 2006) (Abb. 4).

Obwohl die vorhandenen Informationen sehr lückenhaft sind, belegen sowohl Schriftquellen als auch archäologische Daten die Wichtigkeit der Volksversammlungen im späteisenzeitlichen Gallien. Wie zu ­Beginn des Aufsatzes bereits erwähnt, ist diese politische Institution aber ein viel weiter verbreitetes Phänomen, für das sich auch in zahlreichen anderen ­europäischen und außereuropäischen Kulturen Beispiele finden lassen. Von großem Interesse erscheinen die Versammlungen im alten Irland und im skandinavischen Raum; beide können aufgrund ihrer verhältnismässig guten Quellenlage zu einem besseren Verständnis des Verlaufes von solchen Zusammenkünften beitragen. In Irland gab es die óenacha, große Volksversammlungen, zu denen die Mitglieder eines túath oder einer Provinz angereist kamen (Alberro 2006; Binchy 1958; Mac Niocaill 1972; Melmoth 2010; Raftery 1994). Unter den wichtigsten Standorten befanden sich z. B. Tara, Emain Macha, Uisnech oder Tailtiu, die auch häufig in der Inselmythologie Erwähnung finden (Abb. 5). Was die Termine betraf, waren die Feierlichkeiten oft an die großen Jahresfeste von Beltane, Lughnasadh oder Samhain gebunden. Die Versammlungen vereinten eine ganze Reihe von Komponenten, die nur als Teil eines Ganzen verstanden werden können, darunter Spiele, Musik, Essen und Trinken, Rechtsspruch,Viehmarkt, religiöse Zeremonien oder Überlieferung von Sagen. Die Menschen,

Abb. 5:  Links: Lia Fáil, „Stein von Fal“ in Tara, legendärer Krönungsstein der irischen Hochkönige. Rechts: Rekonstruktionsversuch des zeremoniellen Zentrums von Emain Macha (nach Melmoth 2010).

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Abb. 6:  Gamla Uppsala. Karte aus dem Jahr 1709. Im Mittelpunkt die drei königlichen Großgrabhügel (nach Duczko 1998).

die in ihrem Alltag verstreut in kleinen Weilern und Gehöften wohnten, trafen sich an diesen Tagen, um zusammen Nachrichten auszutauschen, Güter zu verhandeln, soziale Bindungen zu festigen, Hochzeiten zu vereinbaren, etc. (Alberro 2006; Binchy 1958). ­Bezeichnenderweise wurde das Wort für die irische Volksversammlung óenach zum Ausdruck für denViehmarkt (Wenskus 1984: 451). Auch ein kurzer Blick auf die Volks- und Gerichtsversammlungen im skandinavischen Raum, die ­sogenannten „Ding“ oder „Thing“, erweist sich von Interesse (Barnwell, Mostert 2003; Pantos, Sem­ple 2004; Semple, Sanmark 2013; Wenskus 1984). Diese Zusammenkünfte von freien Männern existierten auf unterschiedlichen Ebenen, sodass neben den großen überregionalen Thingversammlungen auch kleinere regionale Treffen tagten. Die Termine waren einerseits genau festgelegt und fanden in regelmäßigen

Abständen statt, andererseits konnte man sich zu besonderen Ereignissen wie dem Kriegsfall aber auch außerplanmäßig treffen. Zu den Versammlungen waren im Allgemeinen alle freien, erwachsenen Männer eines bestimmten Gebietes verpflichtet, Frauen, Kinder, Fremde oder Sklaven dagegen ausgeschlossen, wenngleich es gelegentlich Ausnahmen geben konnte. Innerhalb des Thingplatzes galt der „Thingfriede“. Eines der besten Beispiele für eine überregionale Volksversammlung war der „Thing aller Schweden“, der jährlich in Gamla Uppsala (Alt-Uppsala) stattfand und zugleich eine politischeVersammlung, einen großen Jahresmarkt und religiöse Feierlichkeiten umfasste (Duczko 1998; für eine neue archäologische Annäherung vgl. Ljungkvist et al. 2011) (Abb. 6). Eine sehr aufschlussreiche Beschreibung verdanken wir dem isländischen Historiker Snorri Sturluson, der in seinem Werk Heimskringla (geschrieben um 1230 n. Chr.) u. a.

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folgendes zu berichten weiß: „In Svithjod it was the old custom, as long as heathenism prevailed, that the chief sacrifice took place in Goe month at Upsala.Then sacrifice was offered for peace, and victory to the king; and thither came people from all parts of Svithjod. All the Things of the Swedes, also, were held there, and markets, and meetings for buying, which continued for a week: and after Christianity was introduced into Svithjod, the Things and fairs were held there as before“ (Saga of Olaf Haraldson, part II). Sehr bekannt ist auch der isländische Althing, der seit dem 10. Jh. bestand und noch heute als Ursprung des Parlaments von Island angesehen wird (Bell 2010; Lugmayr 2002). Im Mittelalter war diese Versammlung der freien und volljährigen Männer neben gesetzgebenderVersammlung auch eine Art Volksfest, in dem Zelte standen und sich Kaufleute und Handwerker trafen. Im symbolischen Zentrum lag der „Gesetzesfelsen“ (Lögberg), von dem der Gesetzessprecher (Lögsögumaður) zu der Menge sprach und die Veranstaltung leitete. Neben diesen großen überregionalen Thingversammlungen wie Gamla Uppsala und ­Althing gab es in der skandinavischen Welt auch regionale und kleinere Versammlungen, die sich mit alltäglichen Angelegenheiten befassten. Vor dem Grab tagt der Rat: Versammlungsplätze und Ahnenkult „Das ganze heisst Leichenagon und ist doch ein Fest der ­ ebenden“ (Malten 1923–24: 340) L Zum Abschluss dieses Aufsatzes möchte ich noch ein weiteres Element in die Diskussion einbringen. Im Falle der irischen óenacha fanden die Zusammenkünfte vorwiegend an Orten statt, an denen sich alte Grabstätten befanden, sodass ihr Ursprung eng mit dem Bereich des Totenfestes und der Ahnenverehrung in Verbindung zu stehen scheint (Alberro 2006: 179; ­Ettlinger 1953–54; Raftery 1994: 82). Auch im „germanischen“ Raum tagten viele Dingversammlungen in unmittelbarer Nähe zu Grabhügeln heroisierter Ahnen, wie schon Goessler (1938) in einer ersten, noch sehr im Geiste seiner Zeit verhafteten Annäherung vertrat: „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Volkes treten miteinander inVerbindung, wenn an dem Platz, wo der Ahn auf ererbtem Besitze und in die mystischen Urkräfte der Erde eingebettet liegt, die Sip-

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pe zu Beratung und Verehrung zusammenkommt und so erst recht Tote und Lebende die wahre und ewige Sippengemeinschaft bilden.“ (Goessler 1938: 39). Als ein gutes Beispiel gilt Gamla Uppsala, wo sich drei große Hügelgräber befinden, die noch heute im Gelände deutlich sichtbar sind und traditionellerweise als Königsgräber bezeichnet werden (siehe Abb. 6). Auf vergleichbare Phänomene wurde auch im frühmittelalterlichen Britannien hingewiesen (Williams 2006). Eine ähnliche Verbindung zwischen Versammlungsplatz bzw. Heiligtum und Grabstätten findet man auch in vielen anderen Gebieten, unter anderem in der griechischen Welt. So wird in der Ilias (X, 414– 415) berichtet, dass die Ratssitzung der Trojaner neben dem Grabmal des Ilos, dem mythischen Gründer Trojas, tagt. Ferner sei z. B. an das weltberühmte Heiligtum im griechischen Olympia erinnert, das sich rund um einen großen Tumulus aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. entwickelte (Senff 2012). Die antiken Griechen sahen in diesem Grabhügel die Ruhestätte des Pelops, dem mythischen Gründer der Olympischen Spiele und Namengeber für die Halbinsel des Peloponnes. Es ist deshalb keineswegs abwegig, den Ursprung der Olympischen Spiele in Leichenspielen bzw. Totenfesten zu sehen. Der hier aufgezeigte Bezug zwischen Versammlung der Lebenden und Orte der (realen oder mythischen) Ahnen ist keineswegs überraschend. In der Tat stellt der Rückgriff auf die Vorfahren in nahezu allen traditionellen Gesellschaften einen entscheidenden Grundstein für den inneren Zusammenhalt der Gruppen, für die Konstruktion ihres kulturellen Gedächtnisses und für die Untermauerung von Machtansprüchen und Statusbeziehungen dar (Helms 1998; Insoll 2011;Williams 2003).Wie Assmann (2007: 61) zutreffend bemerkt: „Wenn Erinnerungskultur vor allem Vergangenheitsbezug ist, und wenn Vergangenheit entsteht, wo eine Differenz zwischen Gestern und Heute bewusst wird, dann ist der Tod die Ur-Erfahrung solcher Differenz und die an den Toten sich knüpfende Erinnerung die Urform kultureller Erinnerung“. Es stellt sich natürlich die Frage, ob eine vergleichbare Verknüpfung zwischen Gräbern und Versammlungsplätzen bzw. Heiligtümern auch gelegentlich im west- und mitteleuropäischen Festland existier-

Abb. 7:  Goloring. Plan des Heiligtums mit Grabungsschnitten und Rekonstruktionsversuch (nach Haffner 1998 und Wegner 2007).

te. Auch wenn dieses Thema noch einer gründlichen Analyse bedarf, findet man auf den ersten Blick schon einige Beispiele, die sich in das besagte Schema einfügen lassen (vgl. vor allem Almagro-Gorbea, Lorrio 2011; Häussler 2010). In der frühen Eisenzeit könnte man z. B. das große Henge-Heiligtum von Goloring in der Nähe des heutigen Koblenz nennen, das von zahlreichen Gräberfeldern umgeben wurde (Haffner 1998; Wegner 2007) (Abb. 7). Auch der Glauberg, mit seinem heroon und der 350 m langen Prozessions­straße, muss in diesem Zusammenhang natürlich berücksichtigt werden (Herrmann 2005). Für die späte Eisenzeit möchte ich unter anderem auf die offene Siedlung von Acy-Romance hinweisen, deren Mittelpunkt ein Grabhügel aus der Spätbronzezeit war (Lambot 2006), oder auf das Oppidum von Villeneuve-Saint-Germain, das sich gegenüber des bedeutenden frühlatènezeitlichen Gräberfeldes von Bucy-le-Long befand (Desenne et al. 2009). Sehr bedeutend für den hier behandelten Themenbereich sind die Funde und Befunde aus Manching, wo sich innerhalb der Großsiedlung zahlreiche Hinweise auf einen Ahnenkult finden lassen (Sievers 2007; 2010). Dies hat Krausse (2006: 371–372) zur Aufstel-

lung folgender These veranlasst: „Es ist in Erwägung zu ziehen, dass die Wurzeln von Manching in einem multifunktionalen unbefestigten Siedlungs- bzw. Versammlungszentrum der Stufe Lt B2 liegen, dessen Kern eine Ansammlung von Nekropolen und zugehörigen Ahnenheiligtümern bildete“. Ferner sei darauf hingewiesen, dass sich das picardische Heiligtum von Gournay-sur-Aronde höchstwahrscheinlich in unmittelbarer Nähe eines Hügelkenotaphs aus dem 4. Jh. v. Chr. entwickelte (Brunaux et al. 1985; vgl. auch die Ausführungen in Krausse 2006: 359–365). Auch im Oppidum von Corent hat man einen großen Grab­ hügel aus der späten Bronzezeit in unmittelbarer Nähe zum spätlatènezeitlichen Heiligtum entdeckt: Eventuell könnte es sich für die eisenzeitlichen Menschen sogar um das Grab des vermeintlichen Gründerahnen des Stammesverbandes der Arverner gehandelt haben (Ramona 2011). Sehr interessant ist auch das Beispiel aus der gallischen Siedlung von Ymonville, wo ein älteres Kriegergrab beim Bau des öffentlichen Platzes respektiert und mit einbezogen wurde (Josset 2010) (Abb. 8). Schließlich möchte ich noch das Oppidum von Heidengraben am Rand der Schwäbischen Alb erwähnen, in dessen Innerem sich die bedeutende ur-

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Abb. 9:  Heidengraben-Oppidum. Oben: Wiederaufgeschüttete Grabhügel der Hallstattzeit beim Burrenhof (Foto: A. Lehmkuhl). Unten: Schematisierter Gesamtplan des Gräberfeldes mit den bislang dokumentierten jüngerlatènezeitlichen Grabenstrukturen (nach Ade et al. 2012).

Abb. 8:  Die gallischen Siedlungen von Ymonville (oben) und Acy-Romance (unten), mit den jeweiligen Grabhügeln des vermeintlichen Gründerahnen (nach Ramona 2011).

nenfelder- und hallstattzeitliche Nekropole vom Burrenhof befindet. Neben den Grabhügeln hat man auch einige Grabenan­lagen aus der jüngeren Latènezeit identifiziert, die mit einem Toten- oder Ahnenkult in Verbindung zu stehen scheinen (Ade et al. 2012) (Abb. 9). Zugegeben, die vorhandenen Informationen

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aus dem west- und mitteleuropäischen Festland sind noch lückenhaft und in ihrer Deutung nicht unproblematisch. Und dennoch zeichnen sich auch hier mit wachsender Forschungsarbeit immer mehr ähnliche Phänomene wie im mediterranen, irländischen oder skandinavischen Raum ab.

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Ritual, Sign, Identity. ˇ The case of ceremonial instrument from Crnolica tumulus Iztok Vrenˇcur

Abstract In 1985, a rescue excavation of an almost completely demolished Iron Age tumulus grave was conducted in the vilˇ lage of Crnolica. It is located in vicinity of Rifnik hill, one of the largest Late Bronze and Iron age settlements in Slovenia. Dimensions of the tomb and remains of its exceptionally rich grave inventory have their best comparisons ˇ within the so-called Fürstengräber of Klein Klein and Strettweg in Austrian Styria. The Crnolica burial can be associatively dated in the Ha C2 period, or the second half of 7th century B.C. Part of the original grave inventory were at least three luxurious bronze utensils imported from middle Italy, among them a presentatoio, a unique vessel, with two trapezoidal wings, ornamented with aquatic bird protoma. Comparable presentatoi and related carriages of porta vivande type were discovered in the richest tombs of Etruria, Latium Vetus and Bologna, and date to the late 8. and first half of 7th century B.C.They were used by high ranking members of early Etruscan aristocracy for libation ceremonies, as trays on which liquids were offered to gods. Since we are unable to grasp the meaning of numerous aquatic bird depictions in the Bronze and Iron Age, they can be approached as a sign that refers to some prehistoric notion of the holy or numinous. Diverse Bronze and Iron Age vessels share the same underlying structure that embodies the aquatic bird pair sign, and can be defined as ritual instruments of the bird vessel type. Lost Urnfield myths and cosmogonies, which were explaining the aquatic bird sign, rituals and related material culture, could have formed parts of individual and common identities of some of the Early Iron Age communities in the middle Europe and Italy. This model can be applied for interpreting cultural mechanisms, which brought presentatoio from middle Italy to the Rifnik settlement.

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Zusammenfassung 1985 konnte eine Rettungsgrabung in einem beinahe vollständig zerstörten eisenzeitlichen Grabhügel im Ort ˇ Crnolica durchgeführt werden. Dieser befindet sich in der Nähe des Hügels von Rifnik, einer der größten spätbronze- und eisenzeitlichen Siedlungen in Slowenien. Die Ausmaße des Grabes und die Reste des außergewöhnlich reichen Grabinventars sind am ehesten mit den sogenannten Fürstengräbern von Klein Klein und Strettweg aus ˇ der österreichischen Steiermark vergleichbar. Das Grab von Crnolica kann assoziativ in Hallstatt C2, d. h. die 2. Hälfte des 7. Jh. v. Chr. datiert werden. Teil des ursprünglichen Grabinventars waren wenigstens drei, aus Italien importierte, luxuriöse Bronzegefäße, darunter ein Presentatoio, ein einzigartiges Gefäß mit zwei trapezoiden Flügeln und Wasservogelprotomen. Vergleichbare Gefäße und ihnen verwandte Wagenmodelle des Porta Vivande-Typs wurden zuerst in den reichsten Gräbern Etruriens, Latiums und Bolognas entdeckt und datieren dort in das späte 8. oder frühe 7. Jh. v. Chr. Sie wurden von hochrangigen Mitgliedern der frühetruskischen Aristokratie für Libationszeremonien verwendet, als Tablette auf denen den Göttern Flüssigkeiten dargeboten wurden. Da wir die Bedeutung der zahlreichen Wasservogeldarstellungen der Bronze- und Eisenzeit nicht klar fassen können, können diese als Zeichen verstanden werden, die auf eine prähistorische Vorstellung von Heiligkeit bzw. Numinosität verweisen. Verschiedene bronze- und eisenzeitliche Gefäße weisen die gleiche grundlegende Struktur des Wasservogelpaares als Zeichen auf und können daher als Ritualgegenstände des Wasservogeltyps definiert werden. Heute verlorene urnenfelderzeitliche Mythen und Kosmogonien, die dieses Wasservogelmotiv erklärten, damit in Verbindung stehende Rituale und Materialkultur könnten zur Bildung individueller und kommunaler Identitäten mancher eisenzeitlicher Gesellschaften in Mitteleuropa und Italien gedient haben. Dieses Modell kann dafür verwendet werden, kulturelle Mechanismen zu erklären, die das Presentatoio aus Mittelitalien in die Siedlung von Rifnik brachten.

ˇ Introduction to the Crnolica tumulus In the year 1985/86 Slovenian archeologists from Institute for the Protection of Cultural Heritage, department Celje, performed a rescue excavation of an Iron ˇ Age tumulus grave in Crnolica near Šentjur, fifteen ˇ kilometers east from Celje (Vogrin 1986: 68). Crnolica village is situated northeast of Rifnik hill, whose top and slopes are known to be the area of one of the ­largest Late Bronze Age and Iron Age settlements in Slovenia. Several prehistoric urnfield and tumulus graveyards were discovered close to Rifnik (Teržan 1990: 366). ˇ According to memories of elder villagers, Crnolica tumulus was once upon a time more than three meters high, and had about thirty meters in diameter. It stood on the edge of a river terrace and was very noticeable even from the distance, before whole area was totally changed and built over with residential houses. It remains unclear whether the tumulus was plundered or

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partially damaged even before the early eighties, when it was almost completely destroyed. Two houses were built on each side of the tumulus and new driveway was cut across its center. Highly unusual artifacts such as bronze anthropomorphic legs, together with other bronze fragments, came to daylight during earthworks. Local people offered to sell the artifacts to the museum, which consequently led to a rescue excavation of the tumulus. Archeologists documented remains of a huge round shaped grave chamber, made of big limestone and sandstone pieces, some of them measuring up to one meter. Numerous fragments of unfortunately completely decontextualized and demolished grave goods also were collected on the excavation. An analysis of fragmented artifacts proved that the original grave assemblage contained an abundance of high quality ceramic vessels, considerable number of bronze utensils, at least two glass cups, remains of fibulae, horse harness, and more.With a almost 14 meters

ˇ Fig. 1:  Drawn reconstruction of Crnolica presentatoio (Drawing: Elena Leghissa).

in diameter, and around 150 m² of inner surface, the ˇ stone burial chamber of Crnolica tumulus is as yet by far the biggest one documented in the East Hallstatt cultural circle (compare Teržan 2010: 231). Dimensions of the tomb and its exceptional grave inventory lead us to the assumption, that it was a burial monument of a very high ranking member of the Iron Age community of Rifnik settlement. It has best its comparisons in the so-called Fürstengräber of Klein Klein and Strettweg in Austrian Styria (Egg 1996: 248). The ˇ Crnolica burial dates to the Ha C2 period, or second half of the 7th century B.C. At least three bronze vessels, imported from middle Italy, that is Etruria or Latium Vetus, give a speˇ cial seal to the Crnolica grave assemblage. These are: the remains of big bronze tripod, a variant of a horse ­tripod (Nachbaur 2011: 197, Abb. 1), and a presentatoio, a unique vessel with two trapezoidal wings, based on a conical foot and ornamented with aquatic bird protoma. The following article will focus on analysis of the most peculiar of the three mentioned imported ­vessels: the presentatoio. ˇ Reconstruction of the Crnolica presentatoio ˇ The presentatoio from the Crnolica tumulus was ­almost completely demolished. Only five fragments of the tray made of thin bronze sheet, and two bird

­ gurines, were found at during the excavation. They fi represent one wing of the presentatoio, or roughly about one third of the original object. Below follows a detailed description of existing fragments. The tray is made of 1,5 mm thin bronze sheet. The frontal side of the trapezoidal wing measures 40 cm, its two lateral sides 44 and 46 cm. It has a 3,5 cm high, rectangular, upwards curved edge, which is enhanced with bronze wire. The tray’s surface is profiled. In the center is a 1 mm deep and 1 cm wide three-way grove. The shortest side of the tray is cut circular and rolled down, there are five fully and partially preserved holes for rivets, which served to attach a container with a round aperture. The diameter of the missing central container was estimated to have been about 35 cm. Aquatic bird statuettes with carved details are molded onto the vertexes of tray. The vertexes joints measure 5,5 cm in height, the upper part is shaped in the form of the bird’s head, which extends 2 cm over the edge. Skillfully designed junctions below the bird’s heads ­elegantly continue into the tray edges, and give a visual impression of a bird with spread wings. Considering the fact that only one trapezoidal wing is preserved, while the central container and the other wing are lost, the length of the entire vessel can be estimated to have been about 110 cm. The hypothetical reconstruction (Fig. 1) of the entire utensil is based on the design and proportions of

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Fig. 2:  Italian presentatoii and carriages porta vivande. 1 Cerveteri, tomba Regolini Galassi. 2 Veio, Grotta Gramiccia. 3 Veio. 4 Vetulonia, Circoli di Lebeti. 5 Bologna, Benacci Caprara, grave 39. 6 Acqua Acetosa Laurentina 70.

a­ nalogue Italian presentatoii, especially on the specimen found in the grave Acqua Acetosa Laurentina 70 (Bedini 1990: 57; Bedini 2000: 355). The height and the length are related approximately 3,5:16, the diameter of the conical foot to diameter of central vessel are related 3:4.Although the reconstruction, due to the poor preservation of object, cannot be ideal, it represents the main features and original dimensions of the object satisfactorily enough.

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Presentatoii and carriages porta vivande ˇ The Crnolica presentatoio is extravagant and isolated find in the Hallstatt cultural milieu, however, two types of comparable objects are known from central Italy (Fig. 2). The similarity between presentatoii and carriages, in German literature named as type Beckenwagen (Müller-Karpe 1974: 81; Woytowitsch 1978: 54; Egg 1991: 191), in Italian literature as type Veio-Caere

(Naso 2000: 106ss) or porta-vivande (Torelli 1997: 588), has been noticed almost hundred years ago (Pernier Falchi 1913: 435, Fig. 21; Ducati 1927: 131). Carriages porta-vivande consist of an about one meter long, more or less rectangular tray, with a round vessel in the center. Instead of standing on a conical foot like presentatoii, the whole tray is attached to a chassis with four wheels. A detailed list of carriages of this type is provided by A. Naso (Naso 2002: 87ff.). Presentatoii appear in two sizes, specimens from Bologna cemeteries measure about forty centimeters in length (Montelius 1895: 382, Pl. 76:35; 403, Pl. 86:5; Tovoli 1989: 128, T. 47:10), those from Latium Vetus over one meter (Bedini 1990: 57; Bedini 2000: 355), as all carriages porta vivande do. Every single specimen of both mentioned types is different and offers a unique approach to design and stylistic solutions, however they all share a basic form of a tray with the centrally placed vessel. The map of a distribution (Fig. 3) indicates sites, where carriages porta vivande and presentatoii were found. They originate from the richest Iron Age tombs of Latium Vetus and especially southern Etruria. Among them some are very famous, such as tomba Regolini Galassi in Caere (Pareti 1947: 290, T. 33, 240), or tomba Barberini in Praeneste (Curtis 1925: 36, T. 18). The ˇ presentatoio from Crnolica is so far the only exemplar which was found outside of Italy. For this reason, there is almost no doubt that it was imported. Several authors presume production of carriages porta vivande in Veio (Camporeale 1969: 85; Naso 2002: 112). The oldest graves containing carriages porta vivande are male burials from Osteria dell’Osa and Veio, dating to periods Veio IIC and IIIA, or approximately the second half of the 8th century B.C. (De Santis 1995: 371; Müller-Karpe 1974: 89, T. 22–23). Probably the youngest is the grave from Narce, which is dating to Veio IIIB or the second quarter of the 7th century B.C. (Emiliozzi 1997: 330, n. 203; Naso 2002: 113). Other specimens of both types are chronologically placed inside this quite short time frame. A peculiar evolution of ornamentation is notable during the century of their appearance. Exemplars dating to the late 8th century B.C. are ornamented in the distinct geometric style. Small bobbles, grooves, and rectangular shapes are molded into the tray’s surfaces.Another distinct ­feature of the geometric style represents miniature aquatic

Fig. 3:  Map of distribution of presentatoii and carriages porta vivande. 1 Veio. 2 Osteria dell’Osa. 3 Cerveteri. 4 Praeneste. ˇ 5 Narce. 6 Vetulonia. 7 Acqua Acetosa. 8 Lavinium. 9 Crnolica. 10 Bologna. 11 Capua.

birds. They are attached along tray’s edges. In the first half of the 7th century B.C., presentatoii ceased to be produced, while the ornamentation of carriages porta vivande also changed dramatically. The surface of later specimens is ornamented with lion fights, combined with the floral motives. Instead of aquatic birds statuettes, small palmettes were attached to tray’s edges. All these iconographic elements are distinct to the orientalizing style, which developed in Italy in the time of cultural changes, summarized as the orientalizing revolution (Prayon 2000: 107). In the second half of the 7th century B.C. production of carriages porta vivande also stopped. Ritual aspects The so called cult carriages, among them also the porta vivande type, received quite some academic attention regarding their chronology and function in the past

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Fig. 4:  Representations of aquatic bird pair sign on different prehistoric artifacts. 1 Veio. 2 Bologna, Benacci Caprara. 3 Este, Capodaglio grave 28. 4 Griže.

decades (Woytowitsch 1978: 54, T. 55; Pare 1987: 223, Abb. 15; Schauer 1987: 3ff., Abb. 12; Egg 1991: 200, Abb. 9; Egg 1996: 29, Abb. 18; Naso 2002: 111–114, 101f.). Presentatoii however, did not. Nevertheless, due to their shared general form and cultural and temporal affinity, there is a consensus that both types of vessels were used at least in a similar manner. (Naso 2002: 102; De Santis 1995: 370; Bedini 1990: 57;Torelli 1997: 587). Authors agree that the exclusive design of presentatoii and associated carriages indicates their ­ritual usage as ceremonial vessels (Naso 2002: 102; Bedini 1990: 56; De Santis 1995: 368). It was suggested that their central recipient was used as an incense burner, but the function of the wings remained unexplained (Curtis 1925: 36,T. 18; Müller-Karpe 1974: 96,T. 22:2;

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23:1; Kossack 1999: 33, Abb. 19, 20). A different interpretation was offered by M. Torelli. According to him, the presentatoii and carriages porta vivande were used for sacrificing liquids and possibly food to the gods. Both types of vessels are assumed to have been used as ritual instruments by high ranking members ofearly Etruscan society (Torelli 1997: 586ss). ˇ The  Crnolica presentatoio’s design suggests that it has functioned as a tray, upon which liquids were poured. An expressive feature is the shallow three-way groove embossed on both wings of the tray (Fig. 1). It seems that the grooves were designed to canalize liquid into the central recipient. There are two suggestions regarding the general purpose of rituals performed on ˇ the Crnolica presentatoio: libation or mantic practic-

es. In the former, liquids were poured as an act of sacrifice to a certain divinity or a divine principle. Wine, oil and blood had been used in documented cases of libations. Libation practices involving precious liquids could be understood as a way of returning part of the goods back to the gods (Burkert 1989: 177). In the latter, poured liquids were inspected by a high religious authority in order to see forthcoming events, or to get an advice regarding a specific problem (Trachsel 2005: 56). However, very little is known about mantic practices of European Bronze and Iron Age communities. We do, however, have scarce evidence about diverse mantic traditions in Etruria, where auspicium, inspecting the flight of the birds with the purpose of soothsaying, was highly respected (Camporeale 2000: 80). Rituals are considered to be one of the most complex phenomena in human behavior. Consequently they represent a very intriguing and controversial ­research field within the social sciences. The question as to what is a ritual is an open one. Agreement on a definition has so far not been achieved, and perhaps it is not even needed (Bell 2007: 283). Rituals can be classified, for example, on the basis of their purpose (Trachsel 2005: 56), and engagement in temporality (Morley 2007: 206). However, it was as well cleverly argued that rituals should not be classified, since every ritual finds its best reference and comparison in itself (Insoll 2004: 11), and therefore should be thought within its own phenomenology. Archaeological discourse was criticized for its ­tendency to interpret opaque evidences as referring to ritual (Insoll 2004: 12). On the other hand, neither rules nor definitions exist, how to indicate ritual in a specific context or artifact. It is impossible, however, to understand ritual behavior solely through the mere materiality of archaeological evidence. Interprets must be aware that potential archaeological evidence of ritual is only a material remnant of activity, which was thought, spoken and performed long ago. Every ritual is constituted from dialectic between ideology and practice. It is a materialization of universal principle known from myths, stories, fairytales. Rituals were transmitted through spoken word and passed on via a learning process, as well as being materialized and institutionalized through signs, artifacts and behavior (Burkert 1989: 61, 81, 176).

The sign of aquatic bird Small protomina of aquatic birds are attached to all four ˇ vertexes of the  Crnolica presentatoio. Each of tray’s wings has two birds oriented in the same ­direction, but when observed from the side, one sees a pair of birds in an antithetical posture. Carriages porta vivande, ­ornamented in geometric style, also share the iconography of aquatic birds. Sequences of bird figurines were attached to their edges surrounding the whole tray, or even molded onto the chassis (Fig. 2: 2, 3, 4). The aquatic bird motive has been a subject of prehistoric archeological discussion for more than a century. It is quantitatively one of the, if not the most frequently represented motive of late European prehistory. The present paper has no ambition to enter into a complex discussion of the exact spatial and temporal distribution of archaeological finds ornamented with the aquatic bird motive (Matthäus 1981: 277; Schauer 1988/89, 46; Guba, Szeverényi 2007). It ­rather ­offers one possibility to think about this phenomenon as such. For the purpose of this article, it is enough to acknowledge that the aquatic bird motive was diversely used on an abundance of objects (Fig. 4), especially in the Late Bronze and early Iron Age of Europe including Italy (Kossack 1999: 72). The German ­prehistoric school developed a variety of names for the motive of a bird pair in an antithetical posture. Terms such as Vogelschiff, Vogelbarke, Vogelsonnenbarke and others were and are still in use (Merhart 1969: 349ff.; Kossack 1999: 23; Pare 1992: 179). The boat and the sun in these terms refer to the assumption that the bird pair symbolized a vehicle on which the sun was moving on a daily route between horizons. The connection of the motive to sun worship in the Bronze and Iron Age is still accepted by some scholars (Müller-Karpe 2005: 43, 56). It is, however, questionable. Nevertheless, the universality and almost archetypical omnipresence of the bird pair motive urges us to think of it as a sign with elaborated meaning in Bronze and Iron Age religious systems. The aquatic bird pair might have been representing an attribute, or less likely an epiphany, of a nowadays unknown divinity or divine principle. As we are ­missing the totality of word of mouth, which could help us understand the meaning and ideology of aquat-

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Fig. 5:  Central position of the bird vessel in the ceremony. Situla in Providence, upper frieze (Lucke, Frey 1962: Beilage 1).

ic bird depictions in prehistory, it can only be addressed as a signification of one aspect of the holy or ­numinous. Numinous (lat. Numen – an influence perceptible by the mind but not by senses; divine will) is the irreducible essence of holiness which can be discussed but not defined (Insoll 2004: 19). The term numinous as the idea of the holy was first introduced to religious studies by R. Otto (Otto 1950). It was however scarcely used or criticized by archeologists (Renfrew 1994: 48). Nevertheless, it can be useful when interpreting archaeological contexts and artifacts, which offer ­potential indices of ritual activity, about which nothing is known from other sources. Thinking through the numinous can be helpful in prehistoric studies, especially when addressing the undeterminable subject of worship and deification. There is of course a certain lack of evidence regarding notions of the holy in European prehistory. Denying it, on the other hand, is similar to removing universal fundaments of religious experience (Insoll 2004: 20). Bird vessels The direct participation of the aquatic bird pair sign in ritual activities can be studied in ceremonial instruments of bird vessel type. The term was probably first

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coined by G. v. Merhart, when he used Vogel­gefäss to describe a bronze urn ornamented with a bird pair (Merhart 1969: 276). Each exemplar of bird vessels is unique, although they all share an underlying common structure. A recipient is always positioned between sculptured aquatic bird protomina, which appear on diametrically opposed sides of the vessel and assume an antithetical posture. As opposed to many bird-ornamented artifacts, the bird vessel is not simply ornamented with this sign; it is the sign.The pair of aquatic birds in antithetical posture is inherent to the very shape of the vessel. ˇ Apart from the Crnolica presentatoio the concept of a bird vessel can also be observed in the design of various prehistoric objects. They are all extraordinary artifacts attributed to cult or ritual usage. Let me mention just a few.The famous cult carriages of Kessel­wagen type from Skallerup (Aner, Kersten 1986, no.1269) and Acholshausen (Pescheck 1972:T. 3 –5) are dated to late Bronze Age. Both of them have two pairs of aquatic bird figurines surrounding the central urn. A bronze incense burner from Bologna, Benacci Caprara, grave 39 (Fig. 4, 2), has two aquatic birds protomina diametrically placed on both sides (Tovoli 1989: 44, T. 8:1; Kossack 1999: 59). On the upper frieze of the Situla in Providence a ceremony is depicted in which a

vessel equipped with big bird protomina is centrally ­positioned (Fig. 5). Finally, it must be acknowledged that the same also applies to the majority of Iron Age situlas. In many cases the conclusions of their handles are shaped as stylized aquatic bird protomina. In addition, birds are often portrayed on other features of situlas (Frey 1969: Abb. 2, 29; Abb. 12, 29; Abb. 14, 14; Tecco Hvala, Dular, Kocuvan 2004: T. 7:5; T. 85:17). It would of course not be correct to claim that ­every prehistoric artifact ornamented with an aquatic bird pair was a ritual instrument, but at least in the case of objects designed in the concept of bird vessels all indices are leading into this direction. Their common structure and distinct embodiment of the sign are indicating a joint reference to both the holy and ritual practice. Yet this does not mean that they were necessarily used for the same rituals. The Presentatoio ˇ from Crnolica, for instance, might have functioned as a ­libation altar. Whereas the exemplar from the grave Benacci Caprara 39 was presumably an incense burner, the cult carriage from Acholshausen was used as a funerary urn at least in the context of the tomb (Pare 1992: 179). The bird vessel’s structure provides even more insight into the ontology of the participation of this sign in a ritual. Aquatic birds always circumscribe the ­central ­recipient, limiting and determining the sacrificial space, where the core act of the ritual takes place. Materialization of this concept par excellence can be observed in the carriages porta vivande ornamented in geometric style (Fig. 2: 2, 3, 4; Naso 2002: 112), or the bronzes from Campania. On the latter, aquatic birds statuettes surround the picturesque scenery with clear features of ritual (Kossack 1999: 23, Abb. 9; 25, Abb. 11). To summarize the point with deconstructing the sign; aquatic birds on bird vessels and elsewhere seem to be of lesser importance as compared to what dwells or what goes on between them.The birds do not refer directly to the holy, the true numinous is positioned between them, in what they indirectly signify. Interesting and by all means connected to this problematic is how depictions of bird pairs changed and became a completely new sign during the 6th century B.C., especially in the central alpine and east subalpine region. A female anthropomorphic figurine with arms in the shape of birds is depicted on many Iron Age

objects. This unknown goddess became central to this sign, whereas birds became merely her extremities (Fig. 4:4), (Kossack 1999: 86, Abb. 60). Sign and Identity There can be little doubt that the aquatic bird sign had a dimension also in the word of mouth. It must have been encoded in a nowadays lost mythos, cosmogonies, a story or more likely systems of stories. Myths were explaining material culture associated with the sign and were giving meaning to rituals. It is the ­total lack of word heritage of any kind that makes unanswerable the question: how was the sign of aquatic bird understood in Bronze and Iron Age communities? Furthermore, it is known that the impact of the word of mouth is unstable and traditional stories are not homogenous. Myths spread in a large spatio-temporal diaspora, were spoken in many variations, and their meaning was probably culturally contingent (Burkert 1989: 72). This statement is to some extent true also for the ways in which the aquatic bird sign was understood in prehistory. On the other hand there is no ­reason to believe that its understanding was significantly different within neighboring communities.The similarity of the notion of aquatic bird sign among different cultural groups in European late prehistory is connected to the degree to which they shared religious beliefs.This is necessarily also a question of identity. Knowledge and beliefs differ from material culture and could be co-owned by various groups, clans and tribes. Furthermore, their joint identity can be based on it to a certain extent (Burkert 1989: 75). The aquatic bird pair sign, discussed in this article, was a spiritual product of the European Bronze Ages. The fact that it was the most frequently occurring motive in the late Bronze Age clearly signifies its popularity. Most probably, both personal and common identities were based upon it, as was the case with any sign connected to religious beliefs in history until the present day, for instance the cross. The transition from the late Bronze to the Iron Age in Central Europe was gradual. Undisputable cultural changes that can, for example, be observed in ­settlement patterns or funeral rites, culminated in the formation of Hallstatt culture. New beliefs stood in

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bird vessel type, as well as institutions of ritual, might have been shared as a common tradition by different Iron Age communities. All the above mentioned ­features could have served as means of identity in the way of defining themselves and even more in defining the others. Conclusions

Fig. 6:  Mold for production of water bird plastics. Rifnik settlement. Slovenian Styria (length 8 cm).

the opposition to traditional religious systems or were mixing with them and forming syncretisms. It is probably not wrong to anticipate, that in some communities, Urnfield cosmogony that is connected to the aquatic bird sign, stepped into the role of the old faith, when facing new religious ideas which were gaining power and getting institutionalized. Perhaps especially in the cases of large, centrally placed, Iron Age settlements with documented continuity from late Bronze Age, like Rifnik (Teržan 1996: 507), one should count on long living traditions. The Preˇ sentatoio from Crnolica tumulus as well as other findings from the settlement prove that a notion of the holy, materialized in the aquatic bird sign, remained important within the Rifnik community also in the early Iron Ages (Fig. 6). The existence of the semantic niche for understanding the meaning of the aquatic bird sign, production and usage of ritual instruments of

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Luxurious imported objects from central Italy, found in graves of the elites of the Hallstatt cultural circle, are usually interpreted as diplomatic gifts or simply as a trivial proof of trade exchange (Fischer 1973: 438). Although both suggestions may be correct, the invenˇ tory of the Crnolica tumulus tomb allows us ­another approach towards interpretation. The presentatoio was most likely imported to the Rifnik settlement to serve the very same purpose for which it was produced in middle Italy. The design of the presentatoio was new to the prehistoric population of Rifnik, because it was a distinct italic product. The sign of the aquatic bird, however, had a place also in their community, since it was an important part of a broad Urnfield cultural phenomenon. The structure of the big luxurious vessel, surrounded with aquatic bird protomina, had a meaning in their system of beliefs as well. Like some other related vessels, the presentatoio was used for ­performance of libation rituals, to a divine principle, traditionally assigned with an aquatic bird pair. ­Retaining Urnfield traditions could have functioned as a common identity of some Iron Age communities.

Catalogue of carriages porta vivande and presentatoii Carriages porta vivande 1. Veio, Grotta Gramiccia 871; Dating: Veio IIIA or end of 8th B.C.; Lit: Müller-Karpe 1974: 89,T. 22–23;Woytowitsch 1978: 34, 35, 54; Naso 2002: 101, 111. 2. Veio, unknown grave; Dating:Veio IIIA or end of 8th B.C.; Lit: Montelius 1904: Pl. 352:7; Woytowitsch 1978: 54, T. 22, n.121, Naso 2002: 101, 111. 3. Veio, Monte Michele 5; Dating: Veio IIIB or 675–650 B.C.; Lit: Boitani 1985: 547, T.CI b, c.S; Boitani 2001: 116, n. 19. 4. Osteria dell’Osa 600; Dating: Osteria dell’Osa IIIB or Veio IIC or 750 –725 B.C. Lit: De Santis 1995: 371, Fig. 6; Naso 2002: 112. 5. Cerveteri, tomba Regolini Galassi; Dating: Veio IIIB or 675– 650 B.C.; Lit: Montelius 1904: Pl. 336:10; Pareti 1947: 290, T. 33:240; Woytowitsch 1978: 55, T. 21, n.123; Naso 2002. 6. Praeneste, tomba Barberini; Dating: Veio IIIB or 675–650 B.C.; Lit: Woytowitsch 1978: 54, 55, T. 21, n. 122; Naso 2002: 113. 7. Narce, grave 8(LXI); Dating: Veio IIIB or 675–650 B.C.; Lit: Torelli 1997: 589, 596, Emiliozzi 1997: 330, n. 203; Naso 2002: 113. 8. Vetulonia, Circolo dei Lebeti, Firenze; Dating: Veio IIIB or 675–650 B.C.; Lit: Camporeale 1969: 84–85, T. 26.5; Woytowitsch 1978: 55.56, T. 22, n.124, Naso 2002: 102, 113. Apart from above mentioned exemplars, bronze lamels ornamented with sequences of aquatic birds are known, which might be fragments of another three specimens of carriages porta vivande. 1. Lezoux, Puy-de-Dôme, Francija (Oxford, Ashmolean Museum, Pr. 329–331, Sir John Evans collection; Brown 1980: 26, T.VIb). 2.

Unknown provenance (Yale University Art Gallery, New Haven 1965.5;Teitz 1967: 18–19, n. 2, 108,109). 3. Unknown provenance (Israel Museum, Jerusalem 84.81.467, Jucker 1991: 43, n. 28). Presentatoii 9. Acqua Acetosa Laurentina, grave 70; Dating: end of 8th century B.C.; Lit: Bedini 1990: 57; Bedini 2000: 355. 10. Acqua Acetosa Laurentina, grave 93; Dating: end of 8th century B.C.; Lit: Bedini 1990: 57. 11. Acqua Acetosa Laurentina, grave 121; Dating: first half of 7th century B.C.; Lit: Bedini 1990: 62, sl. 26. 12. Lavinium, Heroon di Indiges/Enea; Dating: end of 8th century B.C.; Lit: Fulminante 2000: 213; Sommela 1976: 305, T.LXXIX, 29. 13. Bologna, Benacci Caprara, grave 39; Dating: end of 8th century B.C.; Lit: Montelius 1895: 382, Pl. 76:35; Tovoli 1989: 128, T. 47:10. 14. Bologna, Arnoaldi; Dating: end of 8th or beginning of 7th century B.C.; Lit: Montelius 1895: 403, Pl. 86:5. 15. Bologna, Arnoaldi; Dating: end of 8th or beginning of 7th century B.C. Lit: Montelius 1895: 403, Pl. 86:6. 16. Capua, grave 465; Dating: second half of 8th century B.C.; Lit: Naso 2002: 103, op. 35; Johannowsky 1983: 37, 104, n. 8, T.XXXVIII. From Bologna cemeteries more presentatoii, similar to Arnoaldi specimen, are known but were never published. From the graveyard Benacci ceramic variants of presentatoii are originating (Montelius 189: 392, Pl. 80:12).

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Chamber tombs of the Platˇenice culture – elite burials?* Erika Makarová

Abstract In the Hallstatt Period, Northern and Central Moravia were occupied by the Platˇenice culture.This culture formed out of the Silesian phase of the Lusatian culture under the influence of the Hallstatt culture. The impact of the Hallstatt environment can mainly be seen in grave pits and in the arrangement of vessels in graves. Graves with a square or rectangular burial pit, containing a large number of vessels dominated by an amphora-shaped storage jar, began to appear in many burial grounds of the Platˇenice culture. However, the most significant innovation appearing in the Lusatian environment during the Hallstatt Period was the building of spacious chamber tombs dated back to the highest phase of the Platˇenice culture. Chamber tombs of the Platˇenice culture differ from each other in the form of graves, dimensions of grave pits, and quantity and quality of grave goods.The remains of a wooden burial chamber are preserved only rarely and a timberand-stone burial chamber is exceptional. Most of the graves generally regarded as chamber tombs are simple cairn graves sporadically combined with simple stone lining, or just stone-lined graves. According to the size of the grave pit and abundance of grave goods, some of them may indeed be considered chamber tombs. Some of the chamber tombs were enclosed by shallow circular trenches, which may indicate the presence of barrows or a sacred space. Besides grave goods which also occurred with amphora graves (e.g. pottery, iron knife, spindle whorl, personal ornaments), some of the chamber tombs also contained weapons, horse harness or unique items. It is beyond doubt that the chamber tombs of the Platˇenice culture are related to people with higher social status. But the differences between individual chamber tombs suggest that the individuals buried within were of different rank, as well.

* This paper was elaborated within the framework of the grant project GD404/09/H020 Moravská škola archeologických studií II.

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Zusammenfassung Während der Hallstattzeit bestand in Nord- und Zentralmähren die Platˇenice-Kultur. Diese entstand aus der schlesischen Lausitz unter dem Einfluss der Hallstattkultur. Der Einfluss von Hallstatt zeigt sich in erster Linie in den Grabgruben und in der Anordnung der Grabkeramik. Quadratische oder rechteckige Grabgruben mit einer großen Anzahl von Gefäßbeigaben, dominiert durch amphorenförmige Urnen, beginnen in vielen Gräberfeldern der Platˇenice-Kultur aufzutreten. Die wohl bedeutendste Innovation in der Lausitz während der Hallstattzeit war die Errichtung geräumiger Kammergräber, die in die Hochphase der Platˇenice-Kultur datiert werden können. Kammergräber der Platˇenice-Kultur unterscheiden sich von anderen gleichzeitigen Gräbern durch die Form des Grabes, die Dimensionen der Grabgruben, und durch Quantität und Qualität von Beigaben. Überreste von Holzkammern sind nur selten erhalten und Holz-Stein-Grabkammerkonstruktionen die Ausnahme. Die Mehrheit der als Kammergräber erachteten Bestattungen haben Steinpackungen, gelegentlich verbunden mit Steinsetzungen, oder nur Steinsetzungen. Aufgrund der Größe der Grabgrube und der Menge von Grabbeigaben können manche davon tatsächlich als Kammergräber betrachtet werden. Manche Kammergräber wurden durch seichte Kreisgräben eingefasst, die auf die Existenz von Grabhügeln oder Grabgärten hinweisen könnten. Neben den auch in Urnengräbern auftretenden Beigaben (z. B. Keramik, Eisenmessern, Spinnwirtel und Schmuck), enthielten einige der Kammergräber auch Waffen, Pferdegeschirr oder einzigartige Objekte. Zweifelsfrei waren die Kammergräber der Platˇenice-Kultur Gräber von Personen mit hohem sozialen Status. Die Unterschiede zwischen einzelnen Kammergräbern weisen aber auch auf Rangunterschiede innerhalb dieser Personengruppe hin.

Introduction The division of the territory of Moravia into two cultural areas, which can already be traced back to the Bronze Age, continued also in the Hallstatt Period. While the southern area belonged to the Danubian cultural groups, the central and the northern part of Moravia were inhabited by the Lusatian culture. In Southern Moravia, the Horákov culture was formed out of the Middle Danubian Urnfield culture by the action of the Hallstatt culture. In Northern and Central Moravia, the Silesian phase of the Lusatian culture was transformed into the Platˇenice culture. Hallstatt influences have penetrated to the milieu of the Lusatian culture in Moravia mainly by the medium of the Horákov culture.And there is no doubt that the Amber road leading through the area of both cultures mentioned above played an important role in spreading the Hallstatt culture (Golec 2005: 20). The influence which the Hallstatt culture has exerted on the environment of the Platˇenice culture was so significant that several researchers assign even

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Northern and Central Moravia to the peripheral area of the East-Alpine Hallstatt region (Golec 2005: 19; Koutecký 2001: 308; Nekvasil 1967: 166). The impact of the Hallstatt environment can mainly be seen in the form of grave pits and in the arrangement of vessels in their interior. Even chamber tombs (fig. 1), which are associated with elite burials, began to appear at some burials grounds. However, chamber tombs of the Platˇenice culture are much smaller and poorer than the “princely” graves of the Eastern Hallstatt cultural sphere. The aim of this paper is therefore to find out whether such graves can still be considered elite burials. Burial rite People of the Lusatian culture continued to practise exclusively cremation also in the Hallstatt Period.They buried their dead at burial grounds, most of which were already founded in the Urnfield Period. But we

Fig. 1:  Distribution of chamber tombs of the Platˇenice culture. A – Grave with remains of a wooden burial chamber, B – Presumed chamber tomb. 1 – Biskupství near Námˇešt’, 2 – Blatec, 3 - Dobrˇcice, 4 – Dolní Újezd, 5 – Drnovice, 6 – Drysice, 7 – Jevíˇcko, 8 – Královský Kopec near Tˇešetice, 9 – Luleˇc, 10 – Moraviˇcany, 11 – Mostkovice, 12 – Náklo, 13 - Orlovice, 14 - Pustimˇerˇ, 15 – Seloutky, 16 - Urˇcice.

can observe that the Hallstatt sections of these graveyards tend to be a little different compared to the overall arrangement – the graves of the Platˇenice culture are usually grouped slightly aside and their number is not as high as that of graves of the Lusatian or mainly the Silesian phase of the Lusatian culture (Nekvasil 1993: 351). During the Silesian phase only urn burials in oval grave pits occurred. In the Hallstatt Period this type of graves has changed into the so-called amphora graves which appear at many burial grounds of the Platˇenice culture (Nekvasil 1983: 61–75). They were mostly characterised by a rectangular grave pit and a high number of ceramic vessels dominat-

ed by an amphora-shaped storage jar. The emergence and fast spread of amphora graves is being associated with the gradual “hallstattisation” of the territory of the Lusatian Urnfield culture. Amphora graves were typical of the Hallstatt Period and were basically used throughout the entire period of the Platˇenice culture. At the beginning they were rather small and poor, but the number of grave goods has gradually increased (Baarová, Mikulková 2004: 305).Their richness culminated around the HC2-HD1 phases (Nekvasil 1983: 76), and at that time chamber tombs also began to appear.Throughout the entire classical and high phase of the Platˇenice culture urn graves without a central am-

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phora-shaped storage jar also appeared.The final phase, however, saw an increase in number of simple urn graves. They contained only an urn and a few vessels, but some of them included about the same number of metal objects as the amphora graves (Nekvasil 1993: 356–7). In the final stage of the Hallstatt Period we do not come across any chamber tombs of the Platˇenice culture.The same situation also occurred in the neighbouring Horákov culture where, however, the chamber tombs ceased to be built sooner, already between HD1 and HD2 (Golec 2005: 276). Construction of chamber tombs The grave pit of a chamber tomb was usually squareshaped or rectangular, often with rounded corners. The corners or long sides of graves were oriented towards the cardinal points, mostly in the north-southern direction. Trapezoid or irregularly-shaped grave pits were only exceptional. The size of grave pits was varied. Regarding the dimensions we can distinguish three groups. In the first one there are graves with quite small-sized burial pit ranging from 0.5 to 1.5 m². The second one, including most chamber tombs, encompasses graves sized 3 to 6.5 m². The third group is represented by really huge chamber tombs with grave pit sized reportedly over 9 m². Differences also occur in the way how the chamber tombs were built. Simple cairns, often made of big, rough stones, appear. They are sporadically combined with simple stone lining, or just a stone lining occurs. Stone cairns are usually interpreted as part of a burial mound or as a simple stone cover of an originally wooden burial chamber (Baarová, Mikulková 2004: 306–7; Holubová 2011: 59). The relationship between huge cairns and chamber tombs is proved by a grave from the site of Dolní Újezd where a grave pit with preserved remains of a wooden chamber was found under such cairn (Vitula, Kalábek 1999: 343). According to A. Gottwald (1928: 11) there were about 2 m³ of stones piled up above the grave No. 2 in Seloutky.This grave was extraordinary because of not only its construction but also the high number of grave goods. It was just rich tombs which used to have a more complicated construction of the grave pit and were buried under stones (Koneˇcná 2005: 34).This is also proved by

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the newly discovered graves at this burial ground. Although there were no preserved remains of a wooden burial chamber, the size of the grave pit, abundance of grave goods as well as a rectangular stone cairn suggest that these graves were indeed chamber tombs. However, stones were also used with graves containing poor grave goods (Gottwald 1928: 12–4; Koneˇcná 2005: 34). Thus, the question arises whether all cairn graves or stone-lined graves indeed originally had a wooden burial chamber. A simple adjustment of graves of the Lusatian Urnfield culture using stones is namely present at several Moravian sites since the beginning of the Hallstatt Period (Pˇrichystal 2003: 110).They are regarded as an autochthonous form, unlike the huge stone constructions which penetrated to the environment of the Lusatian culture as late as in the HC2 phase (Nekvasil 1962: 158). Graves 6/61 and 9/61 from the burial ground in Pustimˇerˇ belong to questionable chamber tombs. Both of them had a grave pit sized less than 1 m², their grave goods consisted only of a few vessels (Baarová 2007: 14–5), and they were dated to HC1 (Nekvasil 1982a: 14).Thus, the use of stone for grave construction has not necessarily to be related only to burials of individuals with high social status. It may refer to older traditions, which could have been maintained due to nearby deposits of lithic raw materials. Z. Holubová (2011: 63) also points out a possible connection between the frequent occurrence of cairn graves in the regions of Vyškov and Prostˇejov and a nearby lithic raw material deposit in the Drahanská Upland. On the other hand, stone was not used with all chamber tombs or graves which may be regarded as graves of individuals with higher social status. This phenomenon can also be observed in the environment of the Lusatian culture in Polish Silesia. While the sumptuous grave of Łazy had a ring of stones around a stone paving above a wooden burial chamber (Madera 1999: 237–42), the burial grounds of Kietrz (Gedl 1973: 13) or Domasław (Gediga 2007: 128–30) did not contain any Hallstatt Period graves with stone elements. Remains of a wooden burial chamber are preserved only rarely in the territory of the Platˇenice culture in Moravia. By now the most graves with traces of timbering were excavated at the burial ground in Moraviˇcany. Postholes in the corners of grave pits

Fig. 2:  Chamber tombs of the Platˇenice culture. 1 – Jevíˇcko, Tomb A; 2 – Moraviˇcany, Grave 1145; 3 – Jevíˇcko, Tomb B; 4 – Drysice; 5 – Orlovice, Grave 842. Scale: a – 1, 3; b – 2, 4, 5 (1, 3 – after Smrž 1975; 2 – modified after Nekvasil 1972; 4 – after Nekvasil 1962; 5 – after Mikulková 2010).

were found in five out of eight chamber tombs. Moreover, in three cases trenches, in which a wooden structure was anchored, were detected at the bottom of the grave pit (fig. 2: 2; Nekvasil 1972; 1982b). Several graves with remnants of a circular or oval post construction were also found at the burial ground in Kietrz, but the most graves included preserved remains of a rectangular wooden burial chamber built inside

the grave pit (Gedl 1973: 20). On the other burial grounds of the Lusatian culture in Polish Silesia appear chamber tombs without postholes (Domasław, Gediga 2007: 128; 2010: 193–5; Łazy, Madera 1999: 238). A wooden burial chamber was probably either built of planks lining the side walls and forming the roof, or made of timber like a log cabin (Gediga 2007: 128). The remains of most likely a timbered burial chamber

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are preserved at Dolní Újezd in Moravia (Vitula, Kalábek 1999: 343), and trenches of log walls were also found in two chamber tombs at the burial ground in Jevíˇcko, location “Na panském”. The construction of burial chambers of the graves from Jevíˇcko (fig. 2: 1, 3), however, is slightly different from the others. Both graves had except wall trenches also postholes in the corners and a single posthole in the middle of the chamber. In addition, Grave A had postholes also in about the middle of the chamber walls (Smrž 1975: 32–3). Five graves with an interior wooden construction were explored at the burial ground in Orlovice (Mikulková 2010: 373). A grave from Drysice with a timber-and-stone ­burial chamber represents an exceptional finding in the area of the Platˇenice culture. There was probably a timbered burial chamber inside a more or less square grave pit with rounded corners sized 4.6 m², which enclosed and originally also held a stone lining. Trenches crossing in the corners remained preserved from the wooden chamber (fig. 2: 4; Nekvasil 1962: 154–5). Similar trenches were also excavated for example at the burial ground in Kietrz (Gedl 1973). A timber-and-stone chamber tomb from Morašice in the territory of the Horákov culture represents the closest, even though much larger, analogy to the grave from Drysice. However, as mentioned by M. Golec (2005: 71), it is a foreign construction technique which came to the environment of the Horákov culture from the southerly situated East-Alpine Hallstatt region. Grave 2/84 from the burial ground in Pustimˇerˇ had probably also a timber-and-stone burial chamber. There was stone lining all around the grave pit, remains of wood were noticed next to one of the narrow sides, and the grave was covered with cairn stones (Baarová 2007: 15). The grave pit, however, does not reach the dimensions of the grave from Drysice. Most chamber tombs at the burial ground in Moraviˇcany were enclosed by shallow circular trenches reaching a diameter of 2 to 4.6 m (fig. 2: 2; Nekvasil 1972; 1982b), which may have surrounded the burial mounds (Nekvasil 1993: 356). Regularly round shallow ditches of more than 15 m in diameter enclosed also several chamber tombs at the burial ground in Domasław in Lower Silesia. Traces of such ditches have usually been associated with the presence of

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barrows. These ditches are generally interpreted as an expression of symbolical marking out of a space for burial. It is understood as either the earmarking of a sacred space in which a deceased was buried, or an attempt to separate the dead from the world of the living (Gediga 2007: 130). This assumption about a kind of sacred space could be confirmed by a chamber tomb from Orlovice (fig. 2: 5), which was the only one at this burial ground enclosed by a circular trench and at the same time the only one which was not plundered. The trench probably emphasized a special position of the tomb, and thereby also of the individual buried within, among the other graves at the burial ground (Mikulková 2010: 373). At the burial ground in Moraviˇcany, on the other hand, two chamber tombs (Gr. 1150 and 1169) surrounded by shallow trenches were plundered (Nekvasil 1982: 344–51). Large burial mounds were reportedly excavated at Královský Kopec near Tˇešetice (Olomouc district) and Náklo (Nekvasil 1993: 357; Wankel 1885: 58; 1889: 93–4). But no finds from them remained preserved and we generally know only very little about these barrows. Although the tumuli in the other graves did not ­remain preserved, we can assume them at least above cairn graves. Burial mounds were not preserved above the graves of the Silesian-Platˇenice culture in Eastern Bohemia either, but several finding contexts suggest the existence of barrows. In most cases it was probably small burial mounds of 2 to 7 m in diameter, but in some cases large distances between graves indicate also larger dimensions of burial mounds (Vokolek 2008: 94–7).The presence of tumuli can also be expected in chamber tombs from Domasław (Gediga 2007: 130). Funerary equipment Chamber tombs of the Platˇenice culture very often contain the same grave goods as the amphora graves. The funerary equipment consisted mainly of vessels. In both amphora graves and chamber tombs there was a large central amphora-shaped storage jar, around which a varied number of vessels were grouped, usually including amphora-shaped vessels, cups, scoops and bowls, often lidded. Their number varies considerably. There are graves with just a few vessels, medium rich

graves containing 10 to 20 vessels, and rich graves with as much as 30 vessels. In several chamber tombs not only vessels but also some other ceramic items were found such as, for instance, spindle whorls or objects which can be considered cultic. Among the latter were double or triple vessels and rattles. They did not occur very frequently, but were found not only in chamber tombs. Interesting are the objects from Grave 1147 at the burial ground in Moraviˇcany. Two of them were in the shape of a cross in a circle, one was in the shape of a swastika and the last one in the shape of a triquetrum. All of them are characterised by having a central spike (Nekvasil 1982b: 343; Makarová, in print). Quite often an iron knife together with animal bones were found as remains of meat food not only in chamber tombs but also in amphora graves. Other items were pins, brooches and various types of personal ­ornaments such as bronze or iron bracelets, hair- or finger-rings, and glass beads. On the other hand, chamber tombs contained also some not very frequent finds like amber beads or belt hooks. Or even unique artefacts were found, for example a golden snake-shaped finger-ring in tomb A at Jevíˇcko (Mackerle 1948: 18; Smrž 1974: 33) or a drinking horn with ferrule remnants and an engraving depicting a four-wheeled wagon in a chamber tomb in ˇ Dobrˇcice (Cervinka 1938: 80). Another category of finds includes weapons and components of horse harness. Weapons are represented by lances, axes and arrowheads, horse harness by bits or small parts of horse gear. These are quite rare items associated especially with chamber tombs. However, a small moulded ring or a rosette, which were most likely parts of horse gear, were occasionally also found in common graves (e.g. Graves PH 172 and HH 3 from the burial ground in Slatinky-Nivky; Pˇrichystal 2003: 81–2). Social status of individuals buried in chamber tombs As a sign of higher social class are regarded large graves, mostly chamber tombs, containing weapons, bronze vessels and components of horse harness or wagons (Koutecký 1968; Kytlicová 1988).

The burial rite of the Platˇenice culture, though influenced by the Hallstatt culture, was based on traditions of the Lusatian Urnfield culture, in which differences reflecting the social status of buried individuals were manifested not as markedly as in its southern neighbours. In graves of the Platˇenice culture we do not find any luxury items such as spits or toreutics, which appear in princely graves of the neighbouring Horákov culture (Golec 2005: 411). A bronze sheet fragment from grave A in Jevíˇcko may be the only relic of a bronze vessel (Smrž 1975: 33). In these graves we neither find a wagon or its parts, which appear for example in graves of the Bylany culture (Koutecký 1968: 463–5). Nevertheless, it is possible to observe a certain social stratification within the burial rite. Graves are found which differ from the others by a more complicated form of the grave pit as well as by quantity and quality of grave goods. However, differences can also be observed between individual chamber tombs. They differ from each other in their dimensions, construction of the tomb as well as in the variety of grave goods. So, what are the criteria for determining the elite graves of the Platˇenice culture? Is it the dimensions of the grave pit? The grave form? The amount of pottery, metal or other items? Or the quality of funerary equipment? The rule that the bigger the grave pit, the more complicated the grave form, the higher the number of ceramic vessels, metal artefacts or luxurious items, is namely not valid. On the one hand there are cairn graves of large dimensions with poor grave goods (Luleˇc – Graves 2 and 3; Šedo 1984: 91), on the other then richly equipped graves of small dimensions (Moraviˇcany – Grave 1100, Pustimˇerˇ – Grave 2/84). A grave with huge pile of cairn stones, a grave pit sized 6.25 m² with remains of a wooden burial chamber, containing as much as 30 vessels inclusive of the so-called Silesian-type painted pottery, was excavated at the burial ground in Dolní Újezd (Vitula, Kalábek 1999: 343). It is one of the largest chamber tombs, and due to number of ceramic vessels also one of the richest. But, apart from a small iron knife, it did not contain any other metal items.The chamber tomb from Drysice stands out for its timber-and-stone burial chamber. But as far as the dimensions of the grave pit, the amount of pottery and the quantity and quality

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of metal items are concerned, it can be ranked among average chamber tombs. Answering these questions is being complicated by the fact that several chamber tombs were excavated at the end of the 19th and beginning of the 20th century respectively, and the excavation documents are not sufficiently detailed (the information about grave forms, dimensions of grave pits and numbers of ceramic vessels, and the plans of graveyards are missing) or, in the worse case, even completely missing. In the case of recently excavated sites, the material has not yet been evaluated and they are known only from short reports. If the quantity and quality of non-ceramic grave goods would be regarded as a key element in determining elite graves, the chamber tombs from Dobrˇcice and Biskupství near Námˇešt’, Grave 2 from Seloutky and Grave 1146 from Moraviˇcany would stand out. In all these graves a higher number of weapons were found, often in association with horse harness which is otherwise rare to find. Moreover, they contained unique items or a higher number of other objects. In the grave from Dobrˇcice, an iron lance, a bit, a belt hook, two bronze bracelets, and part of a drinking horn with an engraving depicting a four-wheeled ˇ wagon were found (Cervinka 1938: 78–80).The grave from Biskupství near Námˇešt’ contained an iron lance, three axes, an arrowhead, two bits and other components of horse harness (Houdek 1901: 128–9). Grave 1146 from the burial ground in Moraviˇcany included an iron lance and a spear, an arrowhead, a knife, a piece of iron, a bronze ring and at least 14 vessels (Nekvasil 1982b: 341–2). Grave 2 from Seloutky was particularly rich. There were 12 vessels (including two urns), a lot of personal ornaments (glass and bronze beads, pins, bracelets, an iron chain), an iron knife, a spindle whorl, three iron bits and components of horse gear (Gottwald 1928: 11–2; Koneˇcná 2005: 37–40). The two chamber tombs from Jevíˇcko are also ­exceptional. These graves were probably located separately, not inside a burial ground. They stand out for the dimensions of grave pit as well as the construction of burial chamber. The number of ceramic vessels included is not known, but the importance of individuals buried within is also suggested by the remaining nonceramic grave goods. Grave A contained pieces of jew-

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ellery dominated by a golden snake-shaped finger-ring and an amber pendant, and probably also a bronze vessel. A golden finger-ring was reputedly also found in grave B, together with an iron lance and a knife (Smrž 1975: 32–3). Anthropological analysis of these graves was not carried out, but according to the grave goods we can assume that it was graves of an important male and female. The above-mentioned graves containing a higher number of weapons and components of horse harness can also be regarded as graves of important males. Grave 2 from the burial ground in Seloutky was probably a twin grave of a male and a ­female. These graves may be compared to the princely graves of the Horákov culture. While the graves from Biskupství, Dobrˇcice and Jevíˇcko were probably ­located separately, that ones from Seloutky and Moraviˇcany were part of a burial ground. Chamber tombs occur, too, which stand out for a high number of personal ornaments.They contain pins or brooches, bracelets, finger- or earrings (Drnovice – Grave 6; Baarová, Mikulková 2004: 292–6; Mikulková 1999: 345), some of them also a high number of glass beads (Seloutky – Grave 26; Koneˇcná 2005: 47–9), or even amber beads (Pustimˇerˇ – Graves 2/84, 4/84 and 1/85; Baarová 2007: 15–8; Šedo 1987: 84).). The absence of weapons and horse harness and, on the contrary, a frequent occurrence of spindle whorls, alternatively even in association with a harp-shaped brooch, indicate that it is female graves. Only graves from the site of Drnovice were anthropologically analysed, but the sex of buried individuals was not determined. A child in the age of Infans I was probably buried in Grave 14/96 (Dobisíková 2004: 320). This grave was the smallest among all chamber tombs. The phenomenon when children were buried in small-sized chamber tombs can also be observed at the burial ground in Kietrz (Gedl 1973: 25–6). In the rich Grave 6, cremation remains were found at several places. According to anthropological analysis, all of them belonged to adult individuals (Dobisíková 2004: 319–20). But it is not clear whether it was only a single one or rather multiple individuals. The number of individuals buried in a grave was already treated by M. Gedl (1973: 17) during evaluation of the burial ground in Kietrz. As emphasized by him, the funerary equipment in graves regarded as double or triple graves

and in those containing just one urn with burned bones exhibited no significant differences. This was also confirmed by anthropological analysis of Grave 504, which has shown that the bone rests found in two urns belonged to just one individual. On the other hand, two different individuals – an adult man and a child in the age of Infans I – were buried in a sumptuous “warrior” grave containing two urns in the burial ground at Łazy (Madera 1999: 240). The presence of two urns can also occasionally be observed at other burial grounds of the Platˇenice culture in Moravia. But in view of the fact that these graves were not anthropologically analysed, we are not able to determine whether they contained only one or multiple individuals. In many cases it is not indicated by grave goods either. Most chamber tombs of the Platˇenice culture are, with regard to their location (at a burial ground together with other graves), dimensions of grave pits as well as composition of grave goods, similar to chamber tombs of the Horákov culture, which M. Golec (2005: 412–7) classified within the group II and interpreted as middle-class burials. This social class probably encompassed the members of princely retinue who, however, may also have been craftsmen, farmers/ herdsmen or merchants. This group of graves was still divided into two subgroups, namely poor graves containing just pottery, and rich graves containing both pottery and metal artefacts – weapons, horse harness (male graves), jewellery, spindle whorls (female graves) and personal items. Chamber tombs of the Platˇenice culture containing besides common grave goods just a single weapon can most likely be classed within average chamber tombs. A single iron lance was found in Grave 1100 at Moraviˇcany (Nekvasil 1982b: 319–20). Single iron axes come from the burial mound at Královský Kopec (Wankel 1885: 93–4) as well as from graves in UrˇciceHájové (Gottwald 1924: 105) and Mostkovice (Gottwald 1931: 93). Not all the chamber tombs stood out for their grave goods. Some of them were in no way different from common amphora graves, as far as the grave goods and their arrangement are concerned (e.g. Drnovice – Graves 1 and 14; Baarová, Mikulková 2004: 305). Poorly equipped chamber tombs occurred also in Kietrz,

but most of them were remarkable for the quantity and quality of their grave goods (Gedl 1973: 25). Some of the amphora graves, on the other hand, are comparable to average chamber tombs regarding their dimensions, number of ceramic vessels and higher amount of metal artefacts. Grave 3 from the burial ground in Blatec contained besides a few metal artefacts even as much as 39 vessels inclusive of painted pottery, which is more than in any chamber tomb of the Platˇenice culture. The grave pit was approximately square in plan, sized 3.4 m², without any traces of a wooden chamber (Tajer 2006: 178–203), but according to the arrangement of vessels and the dimensions of the grave pit it is well possible that it was a chamber tomb. Similar situation is also present in Kietrz.There are some graves without any evidence of a wooden chamber, with large-sized grave pits, quite richly equipped, with an arrangement of grave goods similar to chamber tombs (Gedl 1973: 25–6). Therefore it may be that some of the graves referred to as amphora graves had originally a wooden burial chamber which, however, is not preserved, and there is also no stone construction which could indicate this type of graves. Conclusions The differences between chamber tombs of the Platˇenice culture expressed in different forms of graves, dimensions of grave pits, and quantity and quality of grave goods probably suggest that the individuals buried within were not of the same social status. With respect to all these features, chamber tombs can be ­divided into 3 groups. The first group is represented by exceptional graves – graves containing a higher number of weapons and components of horse harness, often also unique items. These graves can be regarded as burials of males of the highest social rank within the Platˇenice culture. This group probably also encompassed female graves containing a high number of personal ornaments made of bronze, iron and amber. Some of them were ­located separately, others were part of a burial ground. ­According to known details about their form they were of large dimensions. Most chamber tombs fall within the second group.

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There are tombs of medium size, which were part of a burial ground. They contained 10 to 30 vessels, ­often a higher number of metal items, usually personal ­ornaments, sometimes a single weapon or a small part of horse gear. Individuals buried within were of higher social status, but they probably did not reach the “power” or wealth of those buried in chamber tombs of the first group.

Finally, there is a third group, in which small-sized, simple cairn or stone-lined graves can be included. They are very poor, containing just a few vessels, very often without any additional grave goods. There was most likely no burial chamber inside the grave pit. It was probably just common middle-class graves whose construction involved stone, the same way as with some of the chamber tombs.

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Erika Makarová Ústav archeologie a muzeologie/ Institute of Archaeology and Museology Filozofická fakulta Masarykovy university/ Faculty of Arts of Masaryk University Arna Nováka 1 602 00 Brno Czech republic [email protected]

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Gräber – Orte der Lebenden und der Toten, Medien der Kommunikation* Melanie Augstein

Zusammenfassung Die Erforschung kommunikativer Abläufe ist eine der zentralen Aufgaben einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Ur- und Frühgeschichtswissenschaft. Die Stabilisierung oder Transformation sozialer Strukturen erfolgt insbesondere durch Rituale und Inszenierungen – auch im Rahmen von Bestattungen. Begräbnisrituale werden als kommunikative Handlungen verstanden, die der Konstruktion von sozialer Identität oder Status dienen, und sie nehmen bedeutungs- und sinnstiftende Funktionen im Sinne eines bildlich codierten kulturellen Gedächtnisses ein. Sowohl die räumliche Ordnung der Nekropole und des Grabes als auch des Körpers und der Objekte im Grab können als kommunikatives Handeln über personale Identitäten und soziale Gefüge verstanden werden. Gleichermaßen dienen der Körper sowie die Objekte in ihrer räumlichen Formation als mnemotechnische Hilfsmittel. Durch sie wird im Bestattungsritual Erinnerung evoziert. Abstract Places of the Living and the Dead – Graves as Media of Communication The study of processes of communication is one of the main goals of a Cultural Studies-oriented Prehistoric ­Archaeology. Stabilisation and transformation of social structures depends on performance and rituals – including funerary rituals.These can be understood as communicative practices that constitute social identity or status and work in terms of a picture-encoded cultural memory.The burial ground’s spatial structure as well as the posture of the body and the arrangement of the grave goods are means of communication about personal identity or social order – and serve to evoke memories.



Für konstruktive Hinweise zu einer früheren Version des Textes möchte ich Beat Schweizer danken.

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I.  Ritual – Kommunikation – Bild Zeremonien, Feste oder Wettkämpfe, insbe­sondere aber auch Begräbnis­rituale stellen wichtige Medien dar, soziale Strukturen zu visualisieren, sie dadurch zu festigen oder zu transformieren (s. etwa Fischer-Lichte 2001: 113; Gramsch 2010: 124). Die Erforschung performativer und kommunikativer Abläufe bzw. ihrer Bedeutung für die Konstitution sozialer Verhältnisse muss demnach als eine der zentralen Aufgaben einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Ur- und Frühgeschichtswissen­schaft gelten.1 Die Stabilisierung oder Transformation sozialer Strukturen erfolgt insbesondere durch Rituale und Inszenierungen, die eine Grenze zwischen semiotischen Sphären thematisieren, z. B. die zum Transzendenten (Posner, Schmauks 2005: 121) – für Rituale im Bestattungskontext gilt genau das. Gräber sind dann nicht Spiegel sozialer Ränge, sondern das Resul­tat von Begräbnisritualen als kommunikativen Handlungen, die der Repräsentation von sozialer Identität oder Status dienen (dazu umfassend Gramsch 2010). Die verbale Kommunikation, also die Äußerungen einer gesprochenen Sprache, die für den Menschen zweifels­ohne eine zentrale Rolle spielt, ist für prähistorische Verhältnisse nicht zu rekonstruieren. Dennoch hinterlassen Rituale, verstanden als repetitive, institutionalisierte und formalisierte Handlungen (Gramsch 2010: 124; 127), Spuren, die sich im archäologischen Befund im Idealfall als Regelhaftigkeiten oder Muster niederschlagen. Zwar ist die Überlieferung aufgrund diverser kultureller und taphonomischer Filter fragmentarisch, trotzdem lassen sich Rückschlüsse auf Bedeutungsstrukturen und kommunikatives Handeln ziehen, wenn dieses Handeln bewusst geschah und symbolisch war, also eine Bedeutung hatte (Gramsch 2010: 128). Soll Handeln – auch im Zusammenhang mit Bestattungen – eine kommunikative Funktion haben, muss es wahrgenommen werden. Die Sichtbarmachung der Handlungen sowie der Gegenstände, die in ihrem Kontext involviert waren, spielt dabei eine entscheidende Rolle (Gramsch 2010: 128). Rituale sind Ausdrucksmittel kultureller Kommunikation (Gramsch 2010: 127), die sich symbolischer Formen bedient. Ist rituelles Handeln kommunikatives Handeln, dann lassen sich nach Habermas (1981: 208)

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drei funktionale Aspekte fassen: erstens dient kommunikatives Handeln der Tradition und Erneuerung kulturellen Wissens, zweitens der sozialen Integration und Herstellung von Solidarität und drittens der Ausbildung personaler Identitäten. In der archäologischen Auswertung von Gräberfelddaten spielen alle drei Aspekte eine Rolle. Zunächst zum Feld der Kommunikation: Eine kommunikationstheoretische Konzeptualisierung von Gräbern impliziert eine handlungstheoretische Perspektive auf Kommunikation als sinnorientiertes soziales Handeln mithilfe konventionalisierter Medien. Kommunikation ist dabei kein linearer Prozess, sondern ein „komplexer Wirkungszusammenhang zwischen aktiven Kommunikationspartnern in komplexen, sozial schematisierten Situationen“ (Schmidt 2005: 93). Das gilt nicht minder für nonverbale Kommunikation.2 Dazu werden in einer weit gefassten Definition auch Teile des semiotischen Feldes der visuellen Kommuni­ kation gerechnet3, das „Botschaften durch Objekte und Bilder“ impliziert (Nöth 2000: 295). Wenn Kommunikation dann sinnorientiertes Handeln mithilfe von Kommunikationsinstrumenten oder Medien bedeutet, stellt sich die Frage nach der ,Form‘ der Medien. Die gegenwärtige Medientheorie ist nicht mehr vorrangig an verbaler Kommunikation, sondern an ­Visualität und den Möglichkeiten der Entzifferung von Bildern, Texten und ihren Mischformen interessiert. Es wird nicht (nur) gefragt, „was die Medien mit den Menschen machen, … sondern was Menschen mit Medien machen“ und „wie Medien Realität konstruieren“ (Griem 2005: 149). Gleichzeitig zählt der Medienbegriff nach Klaus Sachs-Hombach und Jörg Schirra (2009: 402) „sicherlich zu den umstrittensten und auch terminologisch unklarsten Begriffen gegenwärtiger Diskussionen. Es gibt kaum etwas, was nicht schon als Medium angesprochen worden ist“. Nach Aleida Assmann (2011: 60) sind Medien materiale Träger von Zeichensystemen. Versteht man auch Gräber als Medien der Kommunikation4, dann sind sie meines Erachtens aber nicht nur Träger von Zeichensystemen, sie sind Zeichensysteme (s. hierzu auch Enninger, Schwenns 1989). Es wird unter­schieden zwischen dauerhaften Zeichensystemen und solchen, die nur in ihrem Vollzug wahrnehmbar sind (Posner, Schmauks 2005: 120) – auf Nekropolen trifft beides zu,

denn einerseits sind die Gräber in ihrer Materialität ein dauerhaftes Zeichensystem, andererseits sind die rituellen Handlungen im Kontext der Bestattung in ihrem Vollzug, also zeitlich limitiert wahrnehmbar. Quellen­ bedingt hat man es aber in beiden Fällen mit einem im starken Maße reduzierten Informations­ge­halt zu tun – von einstmals möglicherweise außerordentlich komplexen Vorgängen haben sich in der Regel nur noch Spuren erhalten. Den spezifischen Erhaltungsbedingungen, vor allem aber dem Verlust der Kenntnis des ehemaligen Zeichen- und Symbolsystems geschuldet, sehen sich ArchäologInnen mit dem Problem der eindeutigen Bestimmbar­keit konfrontiert. Zwar bezogen auf Sprache, doch meines Erachtens nicht minder gültig für Zeichensysteme wie Gräber, hebt mit Bezug auf Paul Ricœur allein der Kontext die Polysemie auf (Müller 2005: 101). Die Rekonstruktion des Zeichen- und Symbolsystems kann also nur über den Kontext erfolgen. Grundlage einer kontextuellen Betrachtungsweise ist ein Verständnis archäologischen Materials als Resultat einer durch menschliche Handlungen vorgenommenen, in Raum und Zeit fixierten Auswahl. Da Raum sozial konstruiert ist (s. u. Punkt III), sind Gräber Repräsentationen sozialen Raums (Schweizer 2003: 322). Versteht man Gräber ferner als Kommunikationsform, für die das Visuelle, die Sichtbarmachung von Handlungen und Objekten eine große Bedeutung hat, stellt sich die Frage nach dem Gebrauch von Ansätzen einer Bildwissenschaft zu ihrer Analyse, denn nach Sachs-Hombach und Schirra (2009: 397) gehört zum Forschungsfeld des Bildwissenschaftlers das „gesamt[e] Reich der Bilder oder gar all[e] visuell[en] Phänomene“. Vertritt man einen entsprechend ,weiten Bildbegriff‘, in dem unter ,Bild‘ sehr heterogene Phänomene subsumiert werden, dann können auch Gräber als spezifische Darstellungsform verstanden werden. Bilder haben ebenso wie Gräber eine besondere Prägekraft und eine suggestive Wirkung. Beide sind „visuelle Artefakte“ und damit eine kons­truktive Repräsentationsform, die das Dargestellte nicht abbildet, sondern erst erzeugt (Neumann 2005: 6) – sie prägen damit maßgeblich die Deutung und Aneignung von Wirklichkeit (Neumann 2005: 5). Gräber oder vielmehr die damit verbunde­nen Handlungen nehmen bedeutungs- und sinnstiftende Funktionen im

Sinne eines bildlich codierten kulturellen Gedächtnisses ein. II.  Zur Rekonstruktion ,kommunikativen Handelns‘ anhand archäologischer Kontexte Begräbnisrituale als Medien sozialer Kommunikation zu verstehen, erfordert eine Analyse von Gräbern und Nekropolen, Funden und Befunden als Resultat ritueller Handlungen. Diese Perspektive soll im Folgenden anhand dreier, analytisch getrennter Ebenen verfolgt werden: 1.) dem Grabort, 2.) dem Leichnam und 3.) den Beigaben. Der raum-zeitliche Fokus liegt dabei auf Befunden der Hallstattzeit Süd- und Südwestdeutschlands, da hier der Variantenreichtum im Bestattungswesen eine differenzierte Sozial­struktur mit unterschiedlichen Statuspositionen und Funktionen nahe legt. Kommunikationsebene 1:  Der Grabort Der Grabort ist zwar sicherlich auch pragmatisch bestimmt und vom Sterbezeitpunkt abhängig – Joachim Wahl (1994: 98) hat es treffend einmal so formuliert: „… es kann nicht jeder in der Mitte des Friedhofs liegen“. Betrachtet man Nekropolen als sozial konstruierte Orte, dann ist die Nekropolenstruktur, das Gefüge des Platzes darüber hinaus oder sogar vor allem aber als sinnhaft und bedeutungsgeladen zu verstehen und dient der Kommunikation über soziale Ordnungen. Eine Analyse des Grabortes berücksichtigt zum einen die räumliche Position des Grabes innerhalb einer Nekropole und damit auch das, was Manfred K. H. Eggert (2012: 73) als „sozialen Kontext“ bezeichnet hat – also beispielsweise, ob eine Bestattung in einen größeren Gräberverbund eingefügt ist oder separiert liegt.5 Ferner spielt die Perzeption von Landschaft für die Frage von Gräbern und Nekropolen als sozial konstruierten Orten eine wichtige Rolle. Hier geht es um das, was Eggert als „naturräumlichen Kontext“ anspricht, also um die Lage oder den Ort des Grabes oder der Nekropole in Bezug auf topographische Gegebenheiten (Eggert 2012: 73). Während man es in Baden-Württemberg und Südbayern überwiegend mit separiert liegenden Gräbern – durchaus zu Gräbergruppen oder größeren Nekropolen gruppiert – zu tun hat,6 begegnet man

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im Tauber- und Naabtal sowie in Teilen Mittelfrankens, insbesondere aber im Altmühltal einem anderen Phänomen: Charakteristisch für die hallstattzeitlichen ­Nekropolen dieser Regionen ist eine dichte Belegung in der Fläche. Sie zeigt sich in der ,wabenförmigen‘ Nekropolenstruktur, bei der Kammergräber und Steinkränze derart dicht aneinander angelegt wurden, dass die Steinkreise in vielen Fällen nur noch als Abschnitte oder vielmehr Teilkreise vorhanden sind. Gleichzeitig äußert sich die dichte Belegung auch innerhalb eines Grabkomplexes. In zahlreiche Kammergräber wurde mehr als eine Bestattung eingebracht. Dabei kann es sich um Nachbestattungen weiterer Verstorbener in bereits bestehende Grabkammern handeln; vielfach wurde aber auch oberhalb der Grabkammer der Erstbestattung und gegebenenfalls weiteren Nachbestattungen auf dieser Ebene ein zweiter Bestattungshorizont angelegt. Dieser war durch eine Stein- oder Erdschicht vom Erstbestattungshorizont getrennt. Im Gräberfeld von Untereggersberg findet man fünf separierte Grabgruppen, deren Anlage nicht primär chronologisch bedingt ist (Abb. 1). Im Osten der ­ Nekropole fasst man eine deutliche Konzentration von Männergräbern. Die hier bestatteten Männer zeichnen sich durch besondere Ausstattungen mit Waffen, Zaumzeug oder Schirrungsteilen und Wagen aus. Diese Männergräber verteilen sich auf zwei Gruppen, wobei das relativchronologisch älteste Grab einer jeden Gruppe (Gräber 29 und 73) den jeweils größten Steinkreisdurchmesser aufweist und sich auch ­dadurch hervorhebt (Nikulka 1998: 174). Zusätzlich stehen diese beiden Gräber, in denen besonders alte Männer bestattet wurden,7 ganz am Anfang der Be­legung der gesamten Nekropole und werden von Frank ­Nikulka als „Gründer- oder Primärgräber“ bezeichnet. In ihnen sieht er Personen von „herausragende[r] gesellschaftliche[r] Bedeutung“ (Nikulka 1998: 174), die auch auf das Lebensalter gegründet war. Um diese beiden Gräber herum gruppieren sich dann weitere Gräber körperbestatteter Männer fortgeschrittenen Alters (spätadult bis frühmatur) sowie brandbestatteter Männer. Brandgräber weiblicher Individuen sind in den Gruppen 1 und 2 deutlich unterrepräsentiert; mit dem Ha C/D1-zeitlichen Grab 52 ist lediglich ein frühes Kammergrab einer Frau nachgewiesen (Nikulka 1998: 172). Anders ­erscheint die Situation in Grup-

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pe 3. Hier wurde in jedem der Kammergräber eine Frau bestattet; hier finden sich auch die relativchronologisch ebenfalls früh anzusetzenden Gräber 67, 53 und 57 (Nikulka 1998: 174). Männer sind in dieser Gruppe lediglich in einem ,Kleinen Brandgrab‘ sowie in Kollektiv- oder Mehrfachbestattungskontexten fassbar; eigene Kammergräber wurden hier für sie nicht angelegt. Gleiches gilt für Kinder und Jugendliche (Nikulka 1998: 175). Gräbergruppe 4 wiederum besteht hauptsächlich aus Männergräbern – den Bestattungen vier erwachsener Männer stehen zwei Kinder und ein nicht definiertes brandbestattetes Individuum gegenüber (Nikulka 1998: 175). Die Hauptbestattungen in den Kammern datieren nach Ha D1 und sind somit zeitgleich zu Gräbern der anderen Gräbergruppen (Nikulka 1998: 175). In Gruppe 5 schließlich finden sich zwei Kammergräber erwachsener Männer, zahlreiche Brandgräber weiblicher Individuen unterschiedlichen Alters und eines alten Mannes sowie zwei Kinderkörpergräber. Daraus ergibt sich, dass der Nekropole bereits von Belegungsbeginn an ein Belegungssystem zugrunde lag und zunächst eine räumliche Geschlechtertrennung verfolgt wurde (Nikulka 1998: 175). Bemerkenswert ist ferner, dass für Gräbergruppe 1, die „Männer­gräbergruppe“ (bezogen auf die Kammergräber), nur sehr vage Hinweise auf einen Nachbestattungsvorgang vorliegen, und in Gräbergruppe 3, der „Frauen­gräbergruppe“ innerhalb der Kammergräber, überhaupt nicht nachbestattet wurde (Nikulka 1998: 176). In den Gräbergruppen mit explizit gemischter Belegung sind Nachbestattungen dagegen bedeutend häufiger. ­Nikulka vermutet, dass die Gruppierungen einerseits den Status der Verstorbenen widerspiegeln – wie bei den Gruppen 1 und 2 – oder dass ­ihnen verwandtschaftliche Bindungen zugrunde liegen (Nikulka 1998: 174; 178). Die Nekropolenstruktur ist damit quasi ein Abbild sozialer Strukturen bzw. gesellschaftlicher Ordnung (Nikulka 1998: 179ff.). Anthropologische Bestimmungen zumindest des Sterbealters und biotischen Geschlechts sind für eine moderne Gräberfeldanalyse unerlässlich. Darüber hinaus wäre für eine weiterführende Interpretation solcher Gruppierungen von Gräbern, wie sie etwa im Gräberfeld von Untereggersberg fassbar sind, eine explizite Analyse verwandtschaftlicher Strukturen von

Abb. 1:  Belegungsstruktur der Nekropole von Unter­ eggersberg (nach Nikulka 1998: 173, Abb. 45).

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Interesse. Sebastian Brather (2004: 604) weist sicher zu Recht darauf hin, dass Verwandtschaft „eine kulturelle Konstruktion“ ist, die nicht zwangsläufig auch einen biologischen Hintergrund haben muss. Die Analyse biologischer Verhältnisse kann also nur einen Teil der sozialen Wirklichkeit erfassen (Brather 2004: 605). Dass genetische Verwandtschaft aber durchaus eine zentrale Einflussgröße für die Strukturierung von Gesellschaft sein kann, legen nicht nur Befunde wie die des frühlatènezeitlichen Gräberfeldes von Münsingen-Rain nahe (dazu Alt et al. 2005) – auch Horst Claassen lieferte mit seiner Bearbeitung größerer Skelettserien aus hallstattzeitlichen Gräbern der Oberpfalz bereits Hinweise darauf, dass in der dichten Belegung der Nekropolen, in den Gräbergruppen einerseits, den Nachbestattungen oberhalb der Erstbestattungsebene andererseits, tatsächlich biologisch begründete Strukturen abgebildet wurden (Claassen 1989: 241ff.; 273f.). Kommunikationsebene 2:  Der Leichnam Die zweite Kommunikationsebene bezieht sich auf den Körper. Er ist „das erste Medium, mit dem wir kommunizieren. Als kommunikatives Medium ist der Körper der Dreh- und Angelpunkt, von dem aus unser Verhältnis zur Welt konstruiert wird: die Aktivitäten unserer körperlichen Sinne, das Ausdrucksvermögen in Mimik und Gestik, unsere äußere Erscheinungsweise, die Techniken des Körpers“ (Knoblauch 2005: 105). Es wird vorausgesetzt, dass der Körper auch in der Vergangenheit Träger von Zuschreibungen war, die auf die soziale Her­kunft, auf soziale Zugehörigkeiten oder Machtverhältnisse sowie auf personale und soziale Identitäten verwei­sen (Gugutzer 2006: 15). Er kann als Zeichen für gesell­schaftliche Kategorien oder Klassifikationen stehen oder er kann als Mittel eingesetzt werden, durch das ein Individuum innerhalb der Gesell­schaft positioniert wird und das zur Produktion, Stabilisierung oder Transformation gesellschaft­licher Strukturen bei­trägt (Gugutzer 2006: 17). Der Körper erscheint also als Träger kultureller Codes und Repro­ duzent sozialer Gefüge (Gugutzer 2006: 26) und spielt zweifelsohne im Feld der nonverbalen Kommunikation eine zentrale Rolle.8 Tatsächlich versteht Winfried Nöth (2000: 294) „unter nonverbaler Kommunikati-

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on jegliche[n] Zeichenprozess …, in dem der menschliche Körper Zeichenträger ist“. Wie sieht es aber mit dem toten Körper, dem Leichnam aus? Auch für ihn gilt meines Erachtens das Gesagte – es ist jedoch nicht die verstorbene Person, die durch ihren (eigenen) Körper kommuniziert, es sind die Bestattenden, die den Körper der verstorbenen Person kommunikativ einsetzen. Die Behandlung des Körpers folgt dabei kulturspezifischen Handlungsmustern. Sie bilden den Rahmen dafür, wie ein Körper behandelt wird – auch im Bestattungsritual.9 In den späten 1970er Jahren formulierte Walter Torbrügge (1979: 47) für Körperbestattungen der Hallstattzeit in der Oberpfalz: „Bei Leichenbestattungen ruhen die Toten in bemerkenswerter Einheitlichkeit mit seitlich angelegten Armen ausgestreckt auf dem Rücken …“. Diese seinerzeit postulierte „bemerkenswerte Einheitlichkeit“ kann über 30 Jahre später keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang eine Gruppe von Bestattungen, bei denen ein Arm, häufiger beide Arme mehr oder weniger stark angewinkelt sind (dazu Augstein 2009; 2011; Müller-Scheeßel 2008; Nikulka 2008). In der Tat folgt dieser Bestattungsmodus einem Muster. Eine Analyse des Sterbealters und biotischen Geschlechts der verstorbenen Personen ergab, dass es sich weit überwiegend um erwachsene Frauen, seltener um Kinder handelt (Müller-Scheeßel 2008: 527; 529, Abb. 14). Diese Frauen sind, wie in Nieder­erlbach (Abb. 2), häufig die am reichsten mit Trachtelementen ausgestatteten Personen innerhalb einer Nekropole (s. auch Nikulka 2008: 377). In einigen Fällen sind sie sogar mit einem Wagen bestattet worden, etwa wiederum in Niedererlbach (Engelhardt, Häck 1999: 46f.) oder in Mitterkirchen (Pertlwieser 1987; Leskovar 1998). Die Ausstattung korrespondiert aber nicht zwingend mit der Armhaltung, denn es gibt auch Fälle mit wenigen bis gar keinen Trachtbestandteilen – Körperhaltung und Trachtausstattung scheinen also andere Inhalte zu transportieren, in zahlreichen Fällen aber in Beziehung zueinander zu stehen. Da nicht jede Frau und auch nicht jedes Kind in diesem Modus niedergelegt wurde und Ausstattung und Armhaltung zwar häufig, aber nicht zwingend korrelieren, scheint die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe die Möglichkeit der Zugehörigkeit zu einer anderen sozialen

Abb. 2:  Niedererlbach. Hügel 3/1988 – Detailplan der Bestattung (Koch 1992: 53, Abb. 3).

Gruppe quasi ,begünstigt‘ bzw. die Voraussetzung dafür geschaffen zu haben. Anscheinend fasst man hier den Status – als Position innerhalb des sozialen Gefüges auf der horizontalen wie vertikalen Ebene (vgl. dazu Peuckert 2010: 315; Burmeister 2003: 276) – der verstorbenen Person, der offenbar von Alter und Geschlecht, aber auch von weiteren, mit archäologischen Mitteln nicht fassbaren Parametern bestimmt war. Als Medium der Kommunikation wurde der menschliche Körper gewählt.10

Kommunikationsebene 3:  Die Beigaben Stellt man sich ein noch geöffnetes Grab während der Bestattung vor, wird sich ganz unabhängig von den ­Ritualen, die damit zu tun haben, jeweils ein sehr ­unterschiedlicher Anblick bieten. Ein ,Kleines Brandgrab‘ der Hallstattzeit – zumeist ein einzelnes Gefäß in einer einfachen kleinen Grube ohne weitere Konstruktionselemente, gefüllt mit Leichenbrand und Scheiterhaufenrückständen – wirkt auf den Betrachter gänzlich anders als ein ,Fürstengrab‘. In Gräbern finden sich abgesehen von den Verstorbenen selbst in der Regel Objekte, die zum einem dem Bereich der Trachtausstattung zuzuweisen sind, zum anderen als Beigaben angesprochen werden können. Auch die räumliche und kontextuelle Ordnung dieser Objekte im Grab und ihre ,Biographien‘ können der Kommunikation dienen. Das in den späten 1970er Jahren ausgegrabene späthallstattzeitliche ,Fürstengrab‘ von Hochdorf (Abb. 3a) war Ausgangspunkt zahlreicher Arbeiten zur hallstattzeitlichen Sozialstruktur bzw. zu der politischen Organisationsform jener Periode.11 Darum soll es in diesem Beitrag jedoch nicht gehen (einen konzisen Überblick über die zentralen und mitunter kontroversen Positionen des Diskurses gibt Schier 2010: bes. 375 –78; s. auch Hansen 2010: 202–11). Aufgrund der Tatsache, dass man es hier mit dem seltenen Fall zu tun hat, ein unberaubtes Grab anzutreffen, ist eine vergleichsweise gute Beurteilung der Qualität und Quantität des Inventars und ihrer funktionalen sowie räumlichen Ordnung möglich. Der Ausgräber Jörg Biel unterscheidet die Objekte im Grab in solche, die „schon länger im täglichen Leben des Toten benutzt“ wurden und solche, die „eigens für die Ausstattung, Aufbahrung und Präsentation der Leiche hergestellt wurden“ (Biel 1998: 61). Er legt verschiedene Ausstattungskategorien fest, bei denen es sich um die persönliche Ausstattung des Toten, die Goldgegenstände, die Kline, den Wagen sowie um das Trink- und Speisegeschirr handelt. ­Tatsächlich sind anhand des Hochdorfer Inventars vielfältige weitere Klassifizierungen und Ordnungen denkbar. Laurent Olivier (1999) etwa differenziert das Inventar auf der Basis der auf den Körper des Verstorbenen bezogenen räumlichen Ordnung in drei Hauptkategorien. Die erste Klasse bezeichnet Objekte, die einen direkten Bezug zum Körper aufweisen oder am

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Abb. 3:  Hochdorf. (a) Rekonstruktion der Grabkammer mit den Beigaben (Hansen 2010: 19, Abb. 1); (b) Rekonstruktion der Verhüllung des Toten und der Beigaben (Banck-Burgess 1999: 27, Abb. 4).

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Körper getragen wurden („corporal grave goods“ – Olivier 1999: 113f.). Es handelt sich dabei um ein goldbeschlagenes Gürtelblech, goldbeschlagene Schuhe, eine Bernsteinkette, einen Goldhalsring und einen Goldarmring, zwei goldene Fibeln, einen Dolch in seiner goldbeschlagenen Scheide, ein Täschchen mit Angelhaken und Toilettegerät, einen Birkenrindenhut, darin oder darunter zwei Holzkämme und ein eisernes ­Rasiermesser, dazu kommt ferner ein Köcher mit Pfeilen. Einen direkten Bezug zum Toten sieht er außerdem in dem eisernen, direkt hinter dem Kopf des Toten an der Wand aufgehängten Trinkhorn sowie in der Goldschale, die auf dem bronzenen Löwenkessel lag. All diese Gegenstände befinden sich in der west­ lichen Kammerhälfte. Hier findet man noch zwei ­weitere Gegenstände, die Olivier unter ,Einrichtung‘ („furniture and fittings“) fasst – die Bronzekline, auf der der Leichnam gelegen hat sowie den bronzenen Löwenkessel zu Füßen des Toten (Olivier 1999: 114f.).12 Die dritte Klasse schließlich bezeichnet er als ,Grabausstattung‘ („funerary-endowment grave goods“ – Olivier 1999: 114). Deren Vertreter finden sich räumlich getrennt in der östlichen Kammerhälfte. Es handelt sich um einen vierrädrigen Wagen, auf dem die Schirrung für zwei Pferde, also Zaumzeuge und Doppeljoch und ein Treibstachel lagen. Dazu kommt ein Speisegeschirr in Form von neun Bronzetellern und drei Bronzebecken, eine Eisenaxt, ein Messer sowie ein Hirschhorn- und ein Eisengerät, für die eine Funktion beim Schlachten angenommen wird (dazu ausführlich Krausse 1996). Nach Olivier (1999: 115) können diese Objekte drei Bereichen zugewiesen werden (wobei er den Wagen offenbar nicht berücksichtigt). Das ist einmal der Bereich der Körperpflege mit dem Toilettegerät, dann der der Jagd durch Köcher und Pfeile und Angelhaken, und schließlich der des Verzehrs von Speisen und Getränken, repräsentiert durch die Trinkhörner, die Teller und Becken sowie den Kessel. Wann und für wen die Beigaben sichtbar waren, ist schwer zu beurteilen. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Podium angelegt worden ist, von dem aus man hinunter in die Grabkammer schauen konnte (Biel 2009: 166), ferner liegen Hinweise darauf vor, dass die Grabkammer längere Zeit offen stand (Biel 1998: 34) – es wird jedoch kaum vorauszusetzen sein, dass während

dieser gesamten Zeit das Ensemble in seiner räumlichen Ordnung zu sehen war. Bedenkenswert ist in diesem Zusammenhang die nachgewiesene Verhüllung der Objekte (Abb. 3b). Der genaue Zeitpunkt der Verhüllung ist nicht zu bestimmen, jedoch ist anzunehmen, dass dem Vorgang eine Phase der Visualisierung der Objekte in ihrer räumlichen Ordnung vorausgegangen sein wird. Die Verhüllung gehörte dann zum finalen Teil des Bestattungsvorgangs.13 III. Soziale Räume? Ausgehend von dem letzten Beispiel soll der Frage nachgegangen werden, wie Raum sozial konstruiert wird.14 Im Grab von Hochdorf fasst man eine Zusammenstellung von Objekten aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Auffällig ist die Zweiteilung der Kammer und die damit verbundene (materielle) räumliche Ordnung der Objekte. Diese kann als Symbolisierung verschiedener sozialer Räume des Verstorbenen gelesen werden. Damit schließe ich an Überlegungen von Beat Schweizer (2003) an, der für die ,Fürsten­gräber‘ 926 und 928 des frühen 7. Jh. von Pontecagnano in Kampanien einen Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Grabanlage bzw. der räumlichen ­Anordnung der Objekte im Grab und ihrer funktionalen bzw. materiellen Differenzierung postuliert, die er als Repräsentation sozialen Raums versteht (Schweizer 2003: 328).15 Zu einem ,individuellen‘, ,persönlichen‘ oder ,privaten Raum‘ (Abb. 4.I) gehören in einer solchen Lesart die Ausstattung des Toten, mit Statussymbolen wie Halsring und Dolch, dazu Armring, Gürtel, Fibeln, Hut, Schuhe, Toilettegerät, Köcher, Angelhaken sowie sein Eisenhorn. Auch die Kline ist in dem konkreten Arrangement des Grabes als Ruhestatt des Toten explizit auf seine Person bezogen. Dieser quasi private Raum ist auf die westliche Kammerhälfte beschränkt. Auf einen ,öffentlichen‘ Raum (Abb. 4.II) weist dagegen der Wagen in der Osthälfte der Kammer. Er spielte möglicherweise für den Bestattungsvorgang und den Transport des Toten oder der Objekte, vielleicht auch für eine Art ,rituelle Umfahrt‘ eine Rolle. Ein ,öffentlicher‘ oder ,kollektiver Raum‘ wird ferner durch das auf dem Wagenkasten deponierte Speisegeschirr und Schlachtgerät sowie durch die acht

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Abb. 4:  Hochdorf. Anordnung der Beigaben im Grab und Repräsentation ‚sozialer Räume‘ (Plangrundlage nach Biel 1998: 47, Abb. 32).

Trinkhörner als Teil des Trinkgeschirrs an der Südwand repräsentiert.16 Dass auch der Kessel und die kleine Goldschale in der Nordwestecke einem ,Trinkservice‘ zuzurechnen sind, scheint allgemein akzeptiert. Zunächst stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Goldschale, die ­offenbar am Rand des Kessels auf einer der Stoffbahnen, mit denen das Großgefäß abgedeckt worden war, deponiert wurde.Tatsächlich handelt es sich hierbei wohl kaum um ein geeignetes Schöpfgefäß für Met (so aber Biel 1998: 131; mit Ausnahme von Vix auch Kimmig 1991: 247).17 Die Schale weist vielmehr

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– analog zu weiteren Gefäßen des Hallstattraums aus Edelmetall – den Charakter eines Spendegefäßes oder einer Opferschale auf (Eluère 1987: 120f.; Krausse 1996: 90; 95; 356; s. auch Kull 1998: 375f.).18 Vor diesem Hintergrund könnte auch der Kessel einem anderen Bedeutungszusammenhang angehört haben. Der hier verfolgten Lesart entsprechend wäre er zusammen mit der Goldschale – an der „engen funktionalen Zusammengehörigkeit besteht … kein Zweifel“ (Kimmig 1991: 243) – aufgrund der räumlichen Disposition eben nicht im Zusammenhang mit den Trinkhörnern und als Teil eines Trinkservice zu verste-

hen, sondern alternativ als Repräsentant eines anderen sozialen Raumes oder Kontextes zu begreifen (Abb. 4.III). Solche Kessel sind im Raum nördlich der Alpen grundsätzlich ,fremde‘ Objekte – für den Hochdorfer Kessel wird eine Produktion im großgriechischen Raum angenommen (Gauer 1985: 129). Ferner finden sich im griechischen Mutterland solche Kessel vor allem in Heiligtümern. Schließlich dienten sie dem Mischen von Wein und nicht der Aufnahme von Met, wie für das Hochdorfer Exemplar rekonstruiert wird (Olivier 1999: 118; s. auch Körber-Grohne 1985: 94; Vorwohl 1985: 128).19 Dirk Krausse (1996: 326) erklärt diese ,Umfunktionierung‘ mit dem ,Grad der Akkulturation‘: „die späthallstattzeitliche Elite [war] während der Stufe Ha D2 nur unzureichend mit griechisch-etruskischen Trinksitten vertraut“. Es stellt sich die Frage, ob der Bronzekessel tatsächlich mit ,Met‘ im Sinne eines Getränks gefüllt war oder ob die Analysen letztendlich nur belegen, dass sich in dem Großgefäß eine Flüssigkeit mit einer bestimmten Honigkonzentration befand.20 Fest steht jedenfalls, dass diese Flüssigkeit respektive der ,Met‘, für den häufig eine Rolle bei der Bewirtung während der Totenfeierlichkeiten in Erwägung gezogen wird21, noch weitgehend unvergoren war (Körber-Grohne 1985: 145), davon also während der Bestattung von den Beteiligten nicht getrunken worden sein wird. Biel (1998: 52; 2009: 170) geht davon aus, dass zwischen Tod und Bestattung einige Zeit vergangen ist, ­sodass der Tote konserviert worden sein muss (dazu auch Stegmaier 2008). Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Überlegung StéphaneVergers (2006: 21; 31), nach der die Honigrückstände im Kessel weniger auf eine Metfüllung deuten, sondern vielmehr als Reste des Konservierungsmittels für die Einbalsamierung des Toten – die Goldschale fand möglicherweise hierbeiVerwendung – zu verstehen sind.22 In eine ähnliche Richtung hat bereits zuvor Brigitte Kull ­argumentiert (Kull 1998: 277, Anm. 316 mit ­ Nennung entsprechender antiker Quellen; s. auch Stegmaier 2008: 52). Insgesamt scheint das Ensemble mit Kessel und Schale in einen rituellen Kontext eingebunden zu sein, der nicht vorrangig mit dem Funktionsbereich des Trinkservice zu tun hat. So könnte auch die räumliche Separierung in der Nordwestecke des Grabes, zu Füßen des Verstorbenen erklärt werden.23 Es darf

­natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass mit der De- und Neukontextualisierung von Objekten eine Transformation der Bedeutung (einhergeht oder) einhergegangen sein kann. Ihre Übernahme aus anderen Kon­texten bedeutet eben nicht auch die Übernahme von Bedeutung. Diese hängt auch mit ihrer Biographie zusammen – Grabbei­gaben haben keine einmalige, einzigartige Bedeutung, sondern verwei­sen auf verschiedene Zeitpunkte oder Ereignisse, sie erleben Bedeu­tungswechsel zwischen ihrer Herstellung, ihrem Gebrauch und ihrer Deponierung im Grab (Olivier 1999: 132f.). Möglicherweise ist gerade das der Schlüssel zu ihrer räumlichen Ordnung. Hier anzuschließen ist meines Erachtens ein Zugang zu der Bedeutung von Objekten im Grab, den Ulrich Veit (2005) verfolgt. Er hat versucht, anhand der reichen Inventare der späthallstatt- und frühlatène­ zeitlichen „Prunkgräber“ Konzeptionen Krzysztof ­Pomians (1998) mit denen zum „kulturellen Gedächtnis“ von Jan Assmann (grundlegend: 1992) zusammenzuführen. Veit rekonstruiert bestattungsimmanente Inszenierungen, in denen die Objekte in den Gräbern als „Erinnerungshilfen an die Hinterbliebenen“ dienen, um kulturelles Wissen zu aktivieren (Veit 2005: 10). Eine solche Aktivierung kann nur während der Bestattung erfolgen, wenn die Objekte in ihrer Ordnung, in ihrem Kontext sichtbar sind. Das Zusammenwirken von Ritualen und den Objekten produziert ein ,Bild‘ des Toten, das – wie Heinrich Härke (2003: 119) es ausdrückt – „gewissermaßen als Schnappschuss im Gedächtnis festgehalten wird“. Das gilt in gleichem Maße auch für die inszenierten Körper der Verstorbenen. Was bleibt? Versteht man Objekte in Gräbern als Resultat einer durch menschliche Handlungen vorgenommenen, in Raum und Zeit fixierten Auswahl und Raum als sozial konstruiert, dann sind Gräber ­Repräsentationen sozialen Raums. Sowohl die räumliche Gliederung der Nekropole und des Grabes als auch die Ordnung des Körpers und der Gegenstände im Grab können als kommunikatives Handeln über soziale Ordnungen und personale Identitäten begriffen werden. Gleichermaßen dienen sie als mnemotechnische Hilfsmittel – durch sie wird in einer derart bedeutungsaufgeladenen Situation wie der Bestattung Erinnerung evoziert.

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Anmerkungen 1 Eine grundsätzlich pessimistische Einschätzung des Potentials kommunikationstheoretischer – wie auch hermeneutischer und semiotischer – Zugänge zu archäologischem Material vertritt dagegen Manfred K. H. Eggert (2010). 2 Winfried Nöth (2000: 295) unterscheidet zwischen verbaler bzw. nonverbaler, aber auch zwischen vokaler bzw. nonvokaler Kommunikation, da ,verbal‘ als Synonym für ,sprachlich‘ nicht präzise genug berücksichtigt, dass Spra­che sowohl vokal als auch visuell, also als Schrift, manifestiert sein kann. 3 „Im weitesten Sinne ist nonverbale Kommunikation als ,Kommunikation minus Sprache‘ definiert. Dabei ist manchmal das Gebiet der visuellen Kommunikation allgemein und insbesondere die Kommunikation durch Objekte … mit eingeschlossen … In ihrer engsten Definition beschränkt sich die nonverbale Kommunikation auf sprachbegleitendes Verhalten“ (Nöth 2000: 294; Hervorhebungen im Original). 4 Auf eine unterschiedlich weite Fassung des Medienbegriffs weisen Sachs-Hombach und Schirrer (2009: 400) hin – in seiner elementarsten Bedeutung sind darunter „verschiedene Arten von Kommunikationsmittel[n]“ gefasst, „Medien [sind] für uns also das, was Informationsaustausch ermöglicht und strukturiert“ (Sachs-Hombach, Schirrer 2009: 403). – Und: „Medien als Kommunikationsmittel zu bestimmen stellt sie in einen engen Zusammenhang mit Zeichensystemen“ (SachsHombach, Schirrer 2009: 409). 5 Zum „sozialen Kontext“ zählt Eggert (2012: 73) auch, ob sich das Grab hinsichtlich der Gestaltung von anderen Gräbern abhebt – dies würde meines Erachtens eher zum Bereich der „Grabform“ gehören, in dem für die Klassifizierung die äußere Form und Konstruktionsprinzipien eine Rolle spielen (zur „Grabform“ Eggert 2012: 67–72). 6 Es sei aber auf die ,Fürstengräber‘ des Westhallstattkreises hingewiesen (dazu auch Fallbeispiel 3), für die sehr häufig eine separate Lage beobachtet werden kann. Solche herausgehobenen, abgesonderten Gräber stellen nach Beat Schweizer (2008: 264) „über die familiäre Ebene hinausgehende Kristallisationspunkte des kollektiven und dann auch kulturellen Gedächtnisses“ dar. Diese Deutung lässt die Frage danach offen, warum sich solche Gräber nicht im nordostbayerischen Raum finden, ob hier kein ,Bedarf‘ nach solchen Kristallisationspunkten bestand oder ob die Ebene des ,kollektiven‘ bzw. ,kulturellen Gedächtnisses‘ regionaltypisch formal anders gestaltet wurde. 7 Die anthropologische Bestimmung für Grab 29: „matur“; für Grab 73: „spätmatur bis senil“ (Nikulka 1998: 174). 8 Hubert Knoblauch (2005: 106) empfindet den Begriff „nonverbale Kommunikation“ dagegen als „etwas irreführend“, er stelle vielmehr „eine denkbar schlechte Charakterisierung des Umstands dar, daß wir es mit im Grunde körperlicher Kommunikation zu tun haben“. Abgesehen davon, dass körperliche Kommunikation nicht mit sprachlichen Zeichensystemen vergleichbar sei, sei sie der verbalen in keinster Weise untergeordnet – diese basiere sogar auf einem ganz und gar körperlichen Phänomen, nämlich auf der Stimme. Gleichzei-

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tig vermöge sie aber auch der Sprache entgegenzuwirken und somit ganz eigenständige Bedeutungen zu entfalten. Dazu Knoblauch (2005: 110): „Was immer mit ihnen [den Körpern, M. A.] gemacht wird, geschieht im Rahmen habitualisierter Handlungsweisen und mittels der kommunikativen Handlungsmuster einer Kultur. Insofern ist auch an der dinglichen Gestaltung des Körpers eine ganze Kultur beteiligt. Sie ist nicht nur daran beteiligt, was in den Körper an Wissen eingeht. Sie ist auch daran beteiligt, was der Körper zum Ausdruck bringt und kommuniziert. Und schließlich bildet sie den Rahmen dessen, wie der Körper selbst behandelt wird“. Wie lange und für wen der Leichnam sichtbar war, ist schwer zu klären. Nach Nikulka (2008: 380) „[war] der Zeitraum des visuellen Austauschs der Botschaft wohl nur auf wenige Tage begrenzt. Wird das Grab geschlossen, so verliert das Zeichen der Armhaltung seine visuelle Funktion. Das Wissen um die so bestattete Person und damit auch die eigentliche Botschaft kann hingegen tradiert werden und bleibt im individuellen, aber auch im kollektiven Gedächtnis der Gemeinschaft der Hinterbliebenen und der ihnen Nachfolgenden verankert“. Ulrich Veit (2012: 127) hat jüngst darauf hingewiesen, dass sich der Begriff ,Sozialstruktur‘ – folgt man seiner Verwendung in der Ethnologie – auf den Bereich ,Familie und Verwandtschaft‘ bezieht und „gerade nicht auf Regierungsformen“. Dennoch ist in der Prähistorischen Archäologie regelmäßig von ,Sozialstruktur‘ die Rede, wenn es um ,politische Organisationsformen‘ geht. Veit plädiert dafür, analog zur Ethnologie auch in der Archäologie zwischen einer ,Sozialarchäologie‘, die sich mit Fragen der Verwandtschaftsorganisation befasst, und einer ,Archäologie des Politischen‘, in deren Rahmen entsprechend Regierungsformen behandelt werden, zu differenzieren. Zu „furniture and fittings in the grave“ zählt Olivier (1999: 114) außerdem die Textilien und Behänge an Wänden und Boden, aber auch die übrigen acht Trinkhörner aus Auerochsenhorn. Johanna Banck-Burgess (1999: 126) postuliert, dass sich „im Verbergen der Beigaben … möglicherweise eine Glaubensvorstellung wider[spiegelt], die den irdischen Symbolen von Macht, Reichtum und Schönheit ihre augenfällige Wirkung, aber nicht den damit verbundenen Status nehmen sollte, um damit ein Zeichen für die Beendigung bestehender Machtverhältnisse und die Anerkennung einer neuen Ordnung im Jenseits zu setzen“. – Nach Peter S. Wells (2008: 92f.) war es gerade die Verhüllung, die den Zuschauern der Erinnerung der Handlungen und Objekte diente: „what better way to make a lasting visual impression than to remove fascinating objects from sight during the performance of a ritual?“ – Matthias Jung (2006: 72) zufolge scheint dagegen zum Ausdruck gebracht worden zu sein, dass „die Lebenszeit der Gerätschaften so wie die des Verstorbenen unwiderruflich abgelaufen ist“. ,Raum‘ als Analysekategorie wird nach Doris BachmannMedick (2009: 303f.) „zum Konstruktionsprinzip sozialen Verhaltens, zu einer Dimension von Materialität und Erfahrungsnähe, zu einer Repräsentationsstrategie“. – Zum spatial

turn in den Kulturwissenschaften s. Bachmann-Medick 2009: 284–328. – Nach Peter Trebsche, Nils Müller-Scheeßel und Sabine Reinhold (2010: 10) bieten architektursoziologische Zugänge „ein wesentlich größeres heuristisches Potenzial“ für die Prähistorische Archäologie als raumsoziologische, da ein Großteil der Quellen „unmittelbar zur gebauten Umwelt“ zählt; „raumsoziologisch bedeutsam“ ist aber etwa die räumliche Anordnung von Objekten in Gräbern. 15 In Anlehnung an eine Interpretationslinie der Publikation von Bruno d’Agostino (1977) handelt es sich dabei um einen individuellen, privaten Raum – manifestiert in persönlichen oder mit dem Status des Verstorbenen verbundenen Objekten wie Trachtbestandteilen und Gefäßen aus Edelmetall –, dem er einen sozialen bzw. öffentlichen Raum – mit Herdfeuer und Opfer assoziierten Schlachtgerät, Spießen, Feuerböcken und Weinbehältern bzw. -gefäßen – gegenüberstellt (Schweizer 2003: 330f.). Nach Schweizer (2008: 260) gehören Repräsentationen sozialer Räume zu den Charakteristika von ,Fürstengräbern‘. – In eine vergleichbare Richtung zielen die Überlegungen von Marie Luise Stig Sørensen (2005), die im frühbronzezeitlichen ,Fürstengrab‘ von Leubingen ebenfalls soziale Räume – sie unterscheidet nach „personal“, „social prestige“, „social productive“ und „social domestic“ – repräsentiert sieht. 16 An dieser Stelle sei auf das ,Problem des Filters‘ hingewiesen. Der Innenraum des Grabes erscheint ,leer‘. Zunächst stellt sich die Frage nach (vergangenen) Textilien und Holz­ objekten. Zwar hat man es beim Hochdorfer Grab mit exzeptioneller Überlieferung organischer Materialien zu tun, diese wird ­jedoch durch den Kontakt mit den zahlreichen metallenen Objekten gewährleistet. Deren konservierende Wirkung reichte jedoch wohl nur wenige Zentimeter weit (KörberGrohne 1985: 146). Solange kein ,Referenzgrab‘ im Feuchtbodenmilieu bekannt ist, bleibt eine Beurteilung schwierig. Für das 2010 geborgene Grab der ,Bettelbühl-Nekropole‘ bei der Heuneburg liegt zwar ausgezeichnete Holzerhaltung vor, entsprechende Funde scheinen aber auch hier nicht zutage gekommen zu sein (vorläufig dazu Krausse, Ebinger-Rist 2012). 17 Auch für die Goldschale aus dem Wagengrab von Wehringen nimmt Hilke Hennig (2003: 157) an, dass sie „für den tatsächlichen Gebrauch – dem Schöpfen einer Flüssigkeit – … kaum getaugt haben [wird]“. Alternativ erwägt sie einen rein symbolischen Charakter als Trink- oder Schöpfgefäß (Hennig 2003: 159) oder eine ursprüngliche Funktion als Kultgefäß, das einer Profanierung entzogen worden ist (Hennig 2003: 158).

18 Diametral dagegen: „Aufgrund der Fundlage [auf dem Rand oder der Mündung] kann kein Zweifel bestehen, daß die Schalen … zum Schöpfen des Getränks aus den jeweiligen beigegebenen Großgefäßen dienten. … Eine zusätzliche Bestätigung findet diese Funktionsinterpretation in der Vergesellschaftung der Exemplare von Hochdorf und Vix mit neun Trinkhörnern bzw. zwei attischen Schalen“ (Krausse 1996: 92). 19 An die Interpretation der Flüssigkeit als Met sind dann weit reichende Folgerungen geknüpft wie etwa die, dass dem Weinhandel in der Späthallstattzeit wohl keine große Bedeutung zukommen könne, wenn der Kessel aus dem Hochdorfer Grab „trotz des beeindruckenden Reichtums der Grabbei­ gaben“ nicht mit Wein, sondern eben mit Met gefüllt war (Krausse 1996: 330). – Vgl. auch die daran gebundene Konstruktion des Bildes eines – trotz seiner „engen Beziehungen zum Süden“ – ,bodenständigen schwäbischen Keltenfürsten‘ bei Biel (1998: 132): „Daß er am einheimischen Gebräu festhielt und es vorzog, mit seinen acht Mitzechern Met oder Bier aus großen Hörnern zu trinken, statt griechischen Wein zu schlürfen, paßt recht gut zum Bild dieser Persönlichkeit, das wir aus seinen Grabbeigaben erschließen können“. 20 Eine Auflistung weiterer, wohl mit honighaltigen Getränken bzw. Flüssigkeiten gefüllter Gefäße aus späthallstatt- und frühlatènezeitlichen Grabkontexten findet sich bei Hansen (2012: 114). 21 Etwa Krausse (1996: 327). An anderer Stelle (Krausse 1996: 341) stellt er eine alternative Interpretation vor, die die Mitgabe eines Kessels voll Met zum Zwecke der Bewirtung eines größeren Personenkreises durch den Toten im Jenseits sieht. 22 Die Erwägungen Vergers weist Biel (2009: 170) von der Hand, da eine solche Praxis im Sommer, als der Mann wohl bestattet worden ist, „ein wenig appetitliches Ergebnis erbracht“ hätte. Dies kann jedoch kein Argument sein, da etwa ethnographische Beobachtungen nahe legen, dass Bestattungen in der Vergangenheit keine ,Hygienehandlungen‘ waren und eine Konservierung mit Honig nur aus unserem gegenwärtigen Verständnis von Tod und Bestattung heraus abwegig erscheint. – In eine völlig andere Richtung verweisen dagegen die jüngsten Überlegungen Vergers (2013), nach denen die rituelle Praxis der Verteilung von Met der Bildung und Darstellung von Gemeinschaft diente. 23 Dagegen sieht Krausse eine Verbindung zwischen der Goldschale und den Schlachtgerätschaften, die er als ,rituelle Instrumente‘ interpretiert. Er folgert aus der Beigabe dieser Objekte, dass es sich bei dem Bestatteten um einen ,religiösen Würdenträger‘, einen ,Priesterkönig‘ oder ,theokratischen Herrscher‘ handele (Krausse 1996: passim).

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Materialized Prestige. Remarks on the archaeological research of social distinction based on case studies of the late Hallstatt golden necklaces and early La Tène Maskenfibeln Jennifer M. Bagley, Robert Schumann

Zusammenfassung In der Archäologie der Eisenzeit wird Prestige als Kategorie sozialer Distinktion regelhaft diskutiert, auch wenn sich nur wenige Untersuchungen explizit mit Prestige als Forschungsgegenstand beschäftigen. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen stehen zumeist Prestigeobjekte oder auch -güter, die über ihren außergewöhnlichen Charakter als solche angesprochen und somit als materieller Niederschlag sozialer Abgrenzung gesehen werden. Handlungen, die sich über den Kontext dieser Güter erschließen lassen, spielen dagegen zumeist eine untergeordnete Rolle. Zudem werden Prestigegüter häufig mit Statussymbolen gleichgesetzt und als Abzeichen sozialer Eliten verstanden. Im Gegensatz zum passiven Sozialstatus – gleichzusetzen mit einer festgeschriebenen und durch die Gesellschaft sanktionierten Position – besitzt Prestige oder auch soziales Ansehen jedoch einen aktiven und potentiell gesellschaftsverändernden Charakter und wird in zwischenmenschlichen Aushandlungsprozessen bewusst eingesetzt, um die eigene Position zu gestalten. In diesem Rahmen soll das Potential von Prestige als archäologischer Untersuchungsgegenstand aufgezeigt werden. Exemplifiziert wird dies anhand von späthallstattzeitlichen Goldhalsringen und frühlatènezeitlichen Fibeln im westlichen Mitteleuropa, welche aufgrund ihrer spezifischen Nutzung geeignet erscheinen, unterschiedliche Formen sozialer Abgrenzung in eisenzeitlichen Kontexten zu thematisieren. Gezeigt werden soll, dass nicht nur als Statussymbol interpretierte Fundgruppen zur sozialen Distinktion verwendet werden konnten und die Ansprache ebendieser als Statussymbole im Kontext der Prestigediskussion kritisch zu hinterfragen ist, sondern auch potentiell prestigeträchtige Handlungen und Güter in diesem Zusammenhang aufgrund ihres bewussten und aktiven Einsatzes eine wichtige Rolle spielten.

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Abstract In Iron Age archaeology, prestige as a category of social distinction is discussed on a regular basis; even if it is seldom explicitly analyzed as an object of research. These considerations focus in most cases on prestige goods, characterized through their exceptional character and therewith representing materialized social distinction. Acts that might be reconstructed using the context of these prestige goods usually play a minor role. Moreover, the terms prestige good and status symbol are used synonymously in order to classify social elites. In contrast to the passive social status – a specified and sanctioned position in society – prestige or social esteem has an active character that potentially leads to social change. It is consciously applied in social discourse in order to shape one’s own position.We wish to discuss the value of prestige as an object of investigation, exemplified by late Hallstatt golden necklaces and early La Tène fibulae in central Europe. Based on specific ways of utilization they seem a fit subject for discussion of different kinds of social distinctions within Iron Age society. It becomes clear that not only those finds categorized as status symbols are fit for use in processes of social distinction but potentially prestige goods play an important role in this context through their conscious and active usage. In this respect the identification of prestige goods and status symbols must be discussed as well.

Today as in times past, we are surrounded by many things that have disparate functions, though we barely take notice of them in our daily lives. These things make our lives easier, allow for otherwise impossible work processes, are instrumental in forming our identity (Habermas 1999; Bosch 2010), support nonverbal communications (Burmeister 2003; 2009; Kienlin 2005; critical: Hahn 2003; Eggert 2010) and lead to the establishment and reproduction of social structures (Mauss 1929; Godelier 1999). Nevertheless, objects were relegated to insignificance in the areas of Sociology and Philosophy for many decades. This situation has changed over the recent years through the impact of a “material turn” and many scientific studies have focused on objects and their relevance to the individual and society. In this context, concepts that see an object primarily as a passive element that is either consciously or subconsciously employed have come under criticism. So was the “Eigensinn der Dinge” (Self-will of Things) referenced (Hahn 2011) and objects were attributed an independent status as actants in a network consisting of people and things within the framework of the actor-network-theory by Bruno Latour (Latour 2010). Within the constructs of these and other studies, it has become clear that things have a great influence on our lives. The Internet has changed

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the way we communicate, our concept of the terms ‘private’ and ‘public’, and the personal network of people that we come in contact with. Neurologic studies show that exposure to things can actually change our bodies. An examination of London Taxi drivers shows that their hippocampal volume was larger than that of the control subjects and that this increase in volume correlates to the time they have been working as a Taxi driver. But the introduction of modern GPS has caused a profound change of external preconditions; meaning that the increase in hippocampal volume is no longer necessary (Malafouris 2010). This shows that the relationship a person has with an object is of great importance. It is characterized by a mutual influence – the object animates the person to take action but on the other hand persons fill the object with meaning and usage (Bagley forthcoming). Against this background, the idea of the self-will of things and their active action seems to be a bit too fanciful. More realistically, objects provide people opportunities to exploit things to the fullest of their imagination and capabilities. But it should be remembered that the object offers some possibilities, some uses by implication, and yet others must be excluded by either form or material properties. Furthermore, it is to be realized that an object can be evaluated differently under different sit-

uations. Hans Peter Hahn names this the Polysemy of things (Hahn 2003: 35).They can be imbued with differing meanings, and not all members of society must understand or accept these interpretations. This aspect appears to be mainly of interest when use and production are clearly separated – which often happens in a modern society. We are usually not informed about the production of those things that surround us; but in prehistoric societies artisans and users were often quite closely linked to each other (for the separation of use and production see Liessmann 2010: 11–23). But here also the import of foreign goods or the introduction of innovations can create an empty vessel that must be filled with meaning. These aspects should be kept in mind when considering archaeological findings even if it means that interpretations are always context-dependent and thus result in a more difficult understanding of the object. Current thinking on material culture provides a common ground for fruitful discussions between archeology and other scientific disciplines that are beginning to study things in society. Archeology, which has indeed dealt from the start with the material remains of a society, has awakened the interest of ethnology, sociology, and philosophy in this area of study (see for example Bosch 2010: 27–9). One possibility that arises from the use of things is the previously mentioned change and reproduction of social structures. Objects of prestige and status symbols play an important role in this context. It is crucial to accurately clarify relevant terminology to promote in-depth discussions within the field of archeology as well as with other disciplines. It is questionable that valid and usable definitions for prestige and status can be agreed upon for inter-disciplinary use. But if all parties are aware of what the terms mean in each case then interesting discussions between disciplines can begin. Prestige and social distinction Prestige plays an important part in the foundation of societies; so it seems hard to find an appropriate definition. The best circumscription for prestige would be social esteem. The research training group “Formen von Prestige in Kulturen des Altertums” at the LMU Munich defined prestige as “esteem which a person, a thing, or a behavior, is being awarded in a specific en-

vironment”1. According to another definition appreciation is emphasized when prestige is described as social esteem, social inclusion as well as appreciation. This esteem can be awarded to persons, groups, or social positions, to a different extent (Lamnek 2002). It is obvious that prestige is a phenomenon of attribution that has different forms, depending on the specific social context in which it is discussed. On various occasions prestige is divided into social prestige and individual prestige, especially in older sociological literature (see e.g. Kluth 1957). If so, social prestige means the esteem of different groups or social positions whereas individual prestige describes the prestige achieved through personal accomplishments.This differentiation of prestige could be of interest in archaeological research because especially in works focusing on graves, social groups are merged from individual burials, and graves are allocated to such social groups. As the ascription of prestige is a process of negotiation, at least two persons have to be part of it. Who­ ever wants to gain prestige chooses an object or action that seems suitable for this purpose and has to make sure that it is visible to the public as well as being associated to him- or herself. This may be achieved by taking part in a ritual, or wearing a potentially prestigious object directly on the body. The distinctiveness of such an object is of high importance, as it enables societal differentiation. This may be achieved through limited access of a certain material, an extraordinary production method or labor intensive and time consuming production. Nevertheless, the latter should not be overestimated in relation to the value of a given object, as Michael Vickers is able to show that in antiquity, neither the hours of work nor the craftsmanship has an impact on the price of metallic vessels.This was exclusively dictated by the weight of the raw material (Vickers 2004). Innovation is of high importance in this respect as well, since development may have a prestigious aspect. But it is connected to an amount of uncertainty too, as it may not be accepted by the community and the effort taken might therewith be in vain (Braun-Thürmann 2005: 14–5). In the course of time, some materials, objects, acts or techniques may begin to be bound to certain groups in society and therewith start on their way to become a status symbol, which makes clear how difficult it is to draw a line between a

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prestige good and a status symbol. Prestige goods that became status symbols should, from this point on, be termed as status symbols. Nevertheless those objects can still be used in social discourse and negotiation of prestige based on their material characteristics. As was mentioned above, the ascription of prestige has to be negotiated. Following this, persons or groups of persons in search for prestige are dependent on the (positive) interest of their counterparts. At the same time, the prestige good does not have to be readily ­ noticeable from afar; the desired effect can often be obtained when it is viewed by small groups. Since ­prestige is attributed according to the situation, differing levels of prestige cannot be defined. Ideally, this positive interest leads to the wished for ascription of reputation, but moreover, it may wake desires. Therefore, prestige goods and acts, once they are accepted as such, are liable to mechanisms of imitation as broader parts of society try to hold or improve their place in the social order (Neunert 2010: 14–7). In these cases, archaeology can recognize the approval of prestige goods since they are reproduced and can more often be found in the archaeological record. But they must be adapted and changed repeatedly, even if only in small details, to avoid the annulment of their distinctiveness (Pollock 1983: 18–20). This aspect shows parallels to the phenomenon of fashion, which is also used to form identities and define one’s place in society (Simmel 1905 – and see the concepts of lifestyle as well: Veblen 1899; Bourdieu 1987) – but is not always used to struggle for a higher social position. In the worst case, completely new ways of gaining prestige must be found. But according to David Miller and Heinz Kluth, the easiest and most economic way to do this is to obtain something of cultural closeness, as this ensures comprehensibility (Miller 1987: 93–4; Kluth 1957: 46). In this way, objects and acts can be integrated into social conventions and values. On the other hand, the fact that not all parts of society are able to understand the full meaning of an object is a way of differentiation as well. To review, different aspects are important for using certain objects to gain prestige: their visibility, the ­positive interest of their observers, and their distinctiveness (Neunert 2010; Bagley forthcoming).The role of their cultural comprehensiveness must be regard-

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ed with differentiation. On the one hand, new or imported objects offer a high degree of uniqueness and ­attraction; on the other hand their use to gain prestige is potentially related to a high effort that will not ­necessarily lead to success. In the context of discussing prestige, the term ‘social status’ is of great importance. Social status is defined as a specific position of an individual or a group in any social system (Peukert 2006). When defining the social system as well as status positions, different criteria can be applied. Two different forms of social status can be distinguished: inheritable status, which cannot be ­acquired through personal attainments, and acquirable status. Again, the differentiation is of interest in archaeo­logical research in this context especially in the late Hallstatt Period, where the forming of dynastic structures is intensively discussed (see e.g. Krausse 2006: esp. 70 –2). The main distinction between status and prestige is the fact that every social status possesses a specific social prestige, while prestige in a wider sense acts simultaneously as a mechanism of social distinction, more or less independent of social status whose effect on the development and shift of societies is more active than that of the more passive social status. Furthermore social status is not as ­easily liable to changes as attributed prestige. Referring to status symbols and prestige goods as materialized condensations of social distinction, it may be stated that status symbols indicate a social status already obtained, and therefore work passively, whereas prestige goods reveal a claim on prestige. In contrast to status symbols these objects are therefore used actively in achieving prestige and in the course of social distinction. Whereas his concept of the different forms of ­capitals (see e.g. Bourdieu 1983) experiences a broad ­reception in archaeological publications, the relationship between status and prestige can be described better using the relation of Pierre Bourdieu’s field of social positions, lifestyles, and the habitus based on this theory of capitals (fig. 1; Bourdieu 1987). While the field of social positions shows the ranking of different status groups in a social system, the field of lifestyles displays a specific way of life depending on a particular habitus. Prestige plays an important role here because every lifestyle – as well as taste – can generate prestige depending on the ­specific context.

Fig. 1:  Simplified part of Pierre Bourdieus Field of Social Positions. Drawn after Bourdieu 1987: 212–213 fig. 5–6.

To summarize this shortened definition and discussion of prestige in the context of social behavior and differentiation, prestige can be described as a mechanism of distinction which affects groups and individuals of a given society. In contrast to social status which is difficult to change, members of a society use prestige actively to shape their individual appearance therein as well as the recognition of the social groups they belong to. Although such aspects of human behavior are difficult to investigate in prehistoric cultures due to the nature of archaeological sources, prestige seems a worthwhile research subject for it reveals interesting aspects of social life and differentiation. Case study: Golden necklaces of the late Hallstatt Period Whereas the discussion on social structures and distinction in the Neolithic is dominated by the question

of the negotiation of prestige (see for example Müller, Bernbeck 1996; Siklósi 2004), in the archaeology of the Iron Age, and especially in the discussion on social structures of the late Hallstatt Period in the western Hallstatt region, considerations on social status dominate the debate2.This becomes exceedingly obvious in Stefan Burmeister’s work on „Geschlecht, Alter und Herrschaft“ (gender, age and reign) in the late Hallstatt Period in south-western Germany in which he points to several burial objects with „hohem Statuswert bzw. mit Insigniencharakter“ (high status value or insignial character; Burmeister 2000; fig. 2). In fact, his set of status symbols (Burmeister 2000: 171 Tab. 17) of the later Hallstatt Period enfolds almost all burial objects of this era which makes a critical discussion on whether all of them were status symbols or used distinctively seem appropriate. At this point the question can be raised if some of those finds should be interpreted as prestige goods which – relying on the shortened def-

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Fig. 2:  Stefan Burmeisters finds with high status value or insignial character. After Burmeister 2000: 171, Tab. 17.

initions given above – offer different mechanisms of distinction and therefore have different validity regarding social structures. One type of artifacts from the late Hallstatt Period that is usually interpreted as status symbols and can be labeled a classic example in this era are the ­golden necklaces which were first interpreted as tiaras. ­Except for one example from Uttendorf in Upper Austria that is considered an eastern imitation (Egg 1985: 357;

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Stöllner 2002: 73), the golden necklaces are distributed in the western Hallstatt Region spreading from eastern France and Switzerland to south-western Germany (fig. 3). Among other golden artifacts they have already played an important role in discussions on social structures in early research. During the course of time the interpretation of upper class ­ status symbols was formed and evolved into a paradigm. In his article, dealing with this group of artifacts, Stefan Burmeister

Fig. 3:  Distribution of late Hallstatt golden necklaces. Mapped after Egg 1985: 358, Abb. 28.

states that „there is no doubt in the scientific community that these rings were former status symbols of the upper class as were imported Mediterranean goods, wagons and bronze vessels“ (Burmeister 2003: 274)3. Nevertheless, there are divergent views about which elements of the necklaces make them not only distinctive finds but status symbols. Leif Hansen (2010: 97) stressed that probably not the necklace itself is the status symbol but that the material gold is playing the decisive role in the symbolic meaning of those finds (already indicated by Wolfgang Adler [2003: 304]). However, he does not doubt that the (golden) necklaces were status symbols: „that the golden necklaces were status symbols has already been stated correctly several times and has never really been doubted.“ (Hansen 2010: 98)4. On the other hand, the spread of golden artifacts in graves of the late Hallstatt and early La Tène period indicates that gold itself – as well as necklaces made of bronze – cannot generally be interpreted as a status symbol, for it appears in different contexts (Hansen 2010: 132). One argument for the interpretation of golden necklaces as status symbols is

their appearance in exceptional graves. In several contexts, like the well known burial-site from Hochdorf, this cannot be doubted but it must be noted that in some graves the most remarkable artifact is the golden necklace; the danger of a circular reasoning is evident. The link to (archaeologically defined) graves of males was the main argument for Thomas Stöllner (2002: 73) to interpret the golden necklaces as status symbols although Leif Hansen noted that this is only the case for earlier examples (Hansen 2010: 98). From Ha D3 throughout Lt A they also appear in female burials such as the exceptional grave of the so called princess of Vix and therefore cannot be interpreted solely as male status symbols. The most frequently stressed arguments, however, relate to the objects themselves – as already shown above with the material gold – and not the context they were found in. This was recently compiled and discussed by Stefan Burmeister (2003). He mainly ­focuses on conspicuity, exclusiveness of the material, and manufacturing technology. Those attributes make the golden necklaces special but they only become a

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status symbol because of the symbolic meaning they are linked to. When comparing these attributes with those for prestige-objects sketched above – visibility, positive interest of their observers, distinctiveness and cultural comprehensiveness – it becomes evident that quite similar arguments define prestige goods and status symbols on a material level. Both are distinctive objects and therefore the difference is primarily in the symbolic and social significance. Meaning simplified that prestige goods do not represent the social status of their owner. Research focusing on the objects themselves can show the distinctiveness of those finds but an ­interpretation of their social meaning in terms of status symbols and/or prestige goods remains difficult. Here, the context can clearly give more hints for a scrutinizing interpretation. In the case study of the golden necklaces arguments for an interpretation as status symbols can be found on a different level of consideration. The sepulchral stele of Hirschlanden – as well as the Glauberg stele and fragments of further poorly preserved examples dating to the early La Tène Period (Frey 2002) and other steles form the early Iron Age (see Raßhofer 1999; Kimmig 1987) – shows a male person equipped with a dagger, as well as what can be regarded as a golden necklace by its broadness. The stele can be interpreted in different ways. Among other possible meanings it could depict the person buried under the tumulus (see e.g. Zürn 1964: 31; 1970: 68; Frey 2002: 216) or it could show an idealized representation of a „warrior“ of the early Iron Age (Pauli 1972: 55–6; Hoppe 2012: 227; see Raßhofer 1999: 25–9, 115–7 for a critical discussion of the arguments). In the latter case this would clearly provide an interpretation of the necklace, the hat and the dagger as being status symbols of the social group which is represented. Taking into account the similarities of the stele and the burial site of Hochdorf where the same attributes as displayed on the stele of Hirschlanden can be found as burial objects the interpretation as an idealized representation seems appropriate. This theory clearly supports a designation of the necklaces, or the displayed ensemble as status symbols. In this context the stele’s arm position must be evaluated as well, for it also seems to be special. The same arm positions can also be observed in different graves of females in the early Iron Age, ­recently

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discussed by Nils Müller Scheeßel (2008) and Melanie Augstein (2009).This subject clearly shows the importance of deeds that consign no material remains, in terms of artifacts, in archaeological contexts in the matter of social distinction. The arguments discussed show that there are good reasons to interpret these finds as late Hallstatt Period status symbols. Nevertheless, the golden necklaces are a good example for the problems in consideration of the negotiation process of prestige and the identification of social markers in prehistoric societies. From our point of view the connotation of prestige goods and status symbols for social distinction is too great to justify an often noted equivalent definition in archaeological works, especially when dealing with status symbols which display inheritable status. The interpretation of those objects forms our understanding of the whole social system. The discussion whether distinctive finds are prestige goods or status symbols is therefore too important to justify an equivalency of these terms and to interpret artifacts as status symbols without thorough discussion5. Case study: Maskenfibeln of the early La Tène Iron Age Within the context of analyzing the early La Tène Iron Age social structure, chieftain graves most often become the center of attention. The fundamental groundwork in connection with this are the deliberations of Georg Kossack (1974; see Gronenborn 2009). He proposes that consideration of the location in relation to other graves, the size and architecture of the complex, as well as the presence of certain offerings such as horse’s harnesses and wagons, high quality attire, imported goods and the usage of precious material and symbolic ornaments are of high importance in the identification of chieftain graves. Rudolf Echt states, that there still is no definition of chieftain graves of the early La Tène Iron Age without controversy. In his thoughts on the topic he has drawn two elements into consideration – the inclusion of bronze vessels, regardless of whether they were imported or locally made, and gold in the grave offerings (Echt 1999: 255–257). Moreover, it appears that the addition of wagons had a special meaning; although wagons were

Fig. 4:  Grave ensembles of the early La Tène period containing Maskenfibeln. See Bagley forthcoming for further information.

included in early La Tène period graves, they no longer seem to be part of a set of standard grave offerings. This means that bronze vessels and the material gold are placed at the same socially significant level. Fibulae usually play no role in these contexts. Depending on the design, the opulent character of such objects as the fibulae from Parsberg or the pieces found in the chieftain tombs of Glauberg is accentuated. This was achieved through the use of special materials such as gold and colorful appliqués like coral, a large size, or through design elements such as early La Tène art. All of these aspects make a fibula suitable for use in social discourse and therewith a potential prestige good.This assumption will be discussed in the following example of early La Tène Maskenfibeln. A prestige good must be readily identifiable with the owner – for example by pinning a fibula to one’s clothing. A positive interest

and acceptance by society can be assumed since there was an abundance of decorative figures throughout the early La Tène period. It is primarily birds in the form of Vogelkopffibeln that were depicted, but also anthropomorphic heads are to be found on various objects such as fibulae and rings (see Binding 1993). Aspects of imitation and fashion probably played a role in the spread of art during the early La Tène period as figurative art, a formerly relatively unknown form of expression at least in the western Hallstatt culture, saw an ever broader use in many segments of the population. In this respect, it is noteworthy that the bird has a long tradition north of the Alps (Lang 2002; Kossack 1954), while new designs like mythical beasts were mainly restricted to objects recovered from chieftain tombs. And there might be a peculiarity in regard to the understanding of these representations: not all members

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Fig. 5:  Distribution of early La Tène Maskenfibeln. See Bagley forthcoming for further information.

of the early La Tène society could necessarily interpret the meaning of these ornaments. In this respect they might be especially distinctive, showing special religious beliefs or connections with the Mediterranean region and thereby generating prestige. Thus, visibility and positive interest are achieved. Cultural understanding can be assumed in some cases; in others the distinctiveness is probably increased, because parts of society could not understand their full meaning. Since the objects are comparatively rare in occurrence, the archaeological record makes it at least probable that they are also distinctive elements in themselves. Hence, the Maskenfibeln of the early La Tène Iron Age were potentially prestige goods. But further archaeological research is necessary to determine who used these fibulae and in what context. In order to do this, burial sites

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containing a Maskenfibel will be surveyed in respect to their grave offerings (for more detail see Bagley forthcoming). At first glance, they can be found in very different kinds of ensembles (fig. 4). In some cases, the Maskenfibel is the only (surviving) piece in the grave, however, these features were very often excavated earlier than the year 1900, opened without archaeological surveillance, or the circumstances of their discovery are completely unknown. Furthermore, a couple of graves contain food, ceramic vessels or cutting knives – all of which are related to eating and drinking. Combinations of fibulae and armlets are in the record as well. All of these features cannot be directly related to certain groups of people in early La Tène society. But five pieces are combined with a set of anklets, neck, arm and finger rings, which indicate the interment of a fe-

male. In nine examples, weapons like swords or spears suggest male interment. Regarding their regional extension, these graves with sets of rings and weapons generally focus on the central Rhine region, suggesting that these ornaments were used in different ways in the various regions of their appearance (fig. 5). In the case of the middle Rhine region the Maskenfibel probably was associated to a group of persons characterized through their rich burial offerings, possibly representing the social elite. Wearing a Maskenfibel might have been part of their lifestyle and identified their social position as Pierre Bourdieu described it. Their usage as prestigious objects is hard to grab in the archaeological record – especially as so many findings lack essential data. Nonetheless, it becomes clear that fibulae as well as other objects normally not included in the discussion on social structure, prestige and status of the La Tène society, should be recognized and analyzed in this respect. Conclusions Objects, here in the context of archaeological finds, offer various options to shape and negotiate one’s respect and communal position in the social dialogue. In contrast to the relatively passive social status which is a specified and sanctioned position in society, prestige or social esteem is used actively in social discourse and therefore has an active character and potentially leads to social change. Status symbols and prestige objects, as the materialized remnants of past social distinction, become the center of attention from an archaeological perspective. Status symbols can attain prestige by their specific material characteristics but do not have to do

so. Nevertheless, a differentiation between status symbols and prestige goods, which do not indicate a social status, seems necessary to analyze different forms of social distinction. Discussion on social structures is dominated by the question of different status groups in the case of the late Hallstatt and early La Tène ­period in southern Central Europe. In this paper, emphasis is placed on the importance of prestige as a subject of social archaeology based on the examples of the ­later Hallstatt period golden necklaces and early La Tène Maskenfibeln. This approach clearly illustrates that analyses of the artifacts prove only the distinctiveness of certain groups of objects.The differences between status symbols and prestige goods, and thereby the social implication of these finds, remains difficult to determine on this ­basis. For further information their use in social discourse should be surveyed.This is demonstrated by the cases of the golden necklaces and their pictorial representations on stelae, and the Maskenfibeln in ­relation to their combination with other grave goods in early La Tène burials. In addition to objects that build the center of ­attention in most archaeological works, archaeological features, as remnants of former acts, can be interpreted in the course of social distinction as well. The negotiation of prestige plays an important role in the formation and shift of societies and therefore in the (re)construction of prehistoric social structures. A serious discussion seems necessary when interpreting parts of the material culture or other aspects of past societies as status symbols or prestige goods, since they have a related but different social meaning.

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Notes 1 See Hildebrandt 2009. For different approaches of the Munich research group also see Hildebrandt,Veit 2009. 2 The most influential work on prestige in Hallstatt Culture was Susan Frankenstein‘s and Mike J. Rowlands‘ discussion on the substitution of prestige goods in south-western Germany (Frankenstein, Rowlands 1978). Recently Stefan Burmeister discussed prestige in the same epoche (2009). Prestige is also to be seen in context with power as e.g. Ursula Naue and MariaChristina Zingerle (2007) pointed out for the reconstruction of prehistoric societies. 3 In German: „Es besteht in der Forschung heute kein Zweifel daran, dass es sich bei diesen Ringen – wie auch beim mediterranen Import, bei Wagen und dem Bronzegeschirr – um einstige Statussymbole der sozialen Oberschicht handelt“ (Burmeister 2003: 274). 4 In German: „Dass es sich bei den goldenen Halsringen um Statussymbole handelt, wurde mehrmals zu Recht bemerkt und auch nie ernsthaft angezweifelt“ (Hansen 2010: 98).

5 The possibility of interpreting distinctive actions and objects in archaeological contexts as well as the differentiation of status and prestige and the impact of discussing prestige on our (re)construction of social structures are the framework of my (R.S.) PhD thesis with the working title „Status und Prestige in der Hallstattkultur. Aspekte sozialer Distinktion in älter­eisenzeitlichen Fundgruppen zwischen Altmühl und Save / Status and prestige in Hallstatt culture. Aspects of Social distinction in Early Iron Age regional groups between Altmühl and Sava“ at the Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie of the University of Munich. The thesis is supervised by Carola Metzner-Nebelsick and funded by a doctorate stipendium of the research training group „Formen von Prestige in Kulturen des Altertums“ at the LMU Munich.

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Jennifer M. Bagley Graduiertenkolleg „Wert und Äquivalent“ Goethe-Universität, Campus Westend Grüneburgplatz 1, Fach 136 D-60629 Frankfurt am Main [email protected] Robert Schumann Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Ludwig-Maximilians-Universität München Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München [email protected]

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Unter die Haube gekommen? Überlegungen zur Verwendung von Nadeln und der Funktion einer Kopftracht in der Späthallstattzeit Mario Schmidt

Zusammenfassung Die Ausstattung von Verstorbenen vermag einen Einblick in den Trachtgebrauch prähistorischer Gesellschaften zu gewähren. Auch wenn meist die Bekleidung aufgrund ungünstiger Erhaltungsbedingungen für Textilien nicht überliefert worden ist, erlauben aufgefundene Schmuckgegenstände aus anderen Materialien dennoch einige Rück­ schlüsse. Nadeln im Kopfbereich späthallstattzeitlicher Körperbestattungen legen nahe, in diesen Artefakten Elemente einer Kopftracht zu identifizieren. Eine umfassende Untersuchung dieser Objektgruppe lag bislang nicht vor. Chronologische und chorologische Analysen von verwendeten Nadeltypen belegen ihre Verbreitung innerhalb des Westhallstattkreises und in angrenzenden Regionen. Anzahl und Lage der Nadeln innerhalb der Bestattungen bieten die Möglichkeit, Aussagen über ihrer Funktion zu treffen. Nicht zuletzt scheint mit jener Kopftracht eine soziale Rolle verbunden gewesen zu sein, bei der Alter und Geschlecht nicht alle Aspekte ausgemacht haben. Abstract The accoutrement of the dead is able to give an insight into the use of costumes in prehistoric societies. Although most of the clothing has disintegrated, as textiles are rarely preserved, ornaments from other materials are able to reveal some details and allow to draw some conclusions. Pins near the head of inhumed bodies during the Late Hallstatt Period suggest that these artefacts could have been elements of a head dress. A comprehensive analysis of this object group has not been available yet. Chronological and chorological analyses of the pin types used indicates their distribution within the West Hallstatt Zone and adjoining regions.The number and position of pins within the graves make it possible to draw conclusions about their function. A social role, which encompasses more than age and sex, seems to have been connected with this head dress.

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Ausgehend von dem Phänomen, dass Nadeln im Kopfbereich zahlreicher späthallstattzeitlicher Körperbestattungen dokumentiert worden sind, stellt sich die Frage nach der Verwendung dieser Nadeln. Diese werden im Folgenden auch als Kopfschmuck­nadeln bezeichnet. Zugrunde liegt diesem Terminus die Prämisse, dass die funktionale Lage von Objekten der Trachtausstattung – kurz die Trachtlage – Hinweise auf ihre Gebrauchsfunktion geben kann. In der Literatur findet sich wiederholt die Auffassung von „Haarnadeln“ und „Haubennadeln“. Sie ist konnotiert mit einer „Frauentracht“ (beispielhaft Dämmer 1974: 286; Mansfeld 1971: 95; Zürn 1970: 113). Weiterführende Überlegungen sprechen von Anzeigern verheirateter oder reproduktionsfähiger Frauen (Lenerz-de Wilde 1989: 261–2; Arnold 2008: 376; Burmeister 2000: 91; Burmeister, Müller-Scheeßel 2005: 119). Im Jahr 2012 hat Verf. seine Magisterarbeit mit dem Thema „Nadeln als Kopfschmuck in der Späthallstattzeit“ vorgelegt (vgl. Schmidt in Vorb.). Die Arbeit war assoziiert mit dem vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektverbund „Lebenslaufrekonstruktion mobiler Individuen in sesshaften Gesellschaften“ an der Universität Leipzig und am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie Leipzig, und an das prähistorische Teilprojekt „Integration fremder Individuen in bronze- und eisenzeitlichen Gesellschaften Süddeutschlands. Eine archäologische Analyse“ angeschlossen.1 Ziel war es, sowohl späthallstattzeitliche Nadeln als auch ihre Verwendung als Kopfschmuck einer räumlichen Analyse zu unterziehen, um diese Objektgruppe zur projektbezogenen Frage nach der Integration mobiler Individuen am Fallbeispiel der Bestattungen des Magdalenenbergs bei ­Villingen-Schwenningen heranziehen zu können. Im Folgenden werden Ergebnisse dieser Arbeit vorgestellt, die zu Aussagen über die Verwendung der ­ Nadeln und ihrer Funktion bei einer sich abzeichnenden Kopftracht beitragen können. Daneben ­werden einige chronologische und räumliche Muster der ­Nadeltypen und der Trachtlage aufgezeigt. Kopfschmucknadeln treten nach der Literatur innerhalb der Späthallstattzeit in einem Raum nordwestlich der Alpen auf (vgl. Kimmig 1979: 112; Mansfeld 1971: 95–8; Schaeffer 1930: 264–7; Schiek 1956: 77), der weitgehend der von Müller-Scheeßel (2000: 26)

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herausgearbeiteten „Variante B“ des „Westhallstattkreises“ entspricht. Demnach bilden der Raum Elsaß, Nordschweiz und Südwestdeutschland das Kernarbeitsgebiet. Zudem wurden anzuschließende Bestattungen und Typvertreter – unabhängig von ihrer Lage im Grab – herangezogen, die aus früheisenzeitlichen und frühlatènezeitlichen Kontexten aus einem Gesamt­ arbeitsgebiet stammen, das mehr oder minder als Gebiet der „Hallstattkultur“ (Müller-Scheeßel 2000: 18) bezeichnet werden kann. Zu den Nadeltypen Für die berücksichtigten Nadeln konnten Typen und Varianten herausgearbeitet werden. Die Klassifikationskriterien basieren auf Begrifflichkeiten und Bemerkungen, die bereits in der Literatur vorgefunden worden sind. Es sind zunächst die Typen Kugelkopfnadeln, Kugelkopfnadeln mit profiliertem Hals oder Kopf, Zweischalennadeln, Nadeln mit Bernsteinkopf und Nadeln mit Korallenkopf zu nennen (Abb. 1). Nach der Überprüfung der Laufzeit (Abb. 2) sind alle Typen während der gesamten Späthallstattzeit (Stufe Ha D) vertreten. In der Phase Ha D3 ist außer bei den Kugelkopfnadeln bereits ein Rückgang im Auftreten der Typvertreter zu verzeichnen. Nadeln mit Korallenkopf können dieser Phase nicht mehr eindeutig zugewiesen werden.2 Kugelkopfnadeln sind schon in der älteren Hallstattzeit zahlreich vorhanden. Ihr Vorkommen beschränkt sich aber in der Stufe Ha C bis auf wenige Exemplare auf das Gräberfeld von Hallstatt. Auch einzelne älterhallstattzeitliche Kugelkopfnadeln mit profiliertem Hals oder Kopf und eine Nadel mit Bernsteinkopf sind lediglich von derselben Nekropole bekannt. Im übrigen Arbeitsgebiet sind diese beiden ­Typen ebenso wie die Zweischalennadeln und die ­Nadeln mit Korallenkopf erst ab Ha D1 sicher zu fassen. Für die Frühlatènezeit sind nur sehr wenige Exemplare der Nadeln mit metallischem Kopf bekannt; Nadeln mit Bernsteinkopf und Nadeln mit Korallenkopf treten nicht mehr auf. Nachdem Drack (1950: 238) und Schiek (1956: 81) bereits in den 1950er Jahren die Vermutung geäußert hatten, dass die Kopfgröße der massiven Kugelkopfnadeln im Lauf der Späthallstattzeit abnehme, bestätigte zunächst Mansfeld (1971: 95–6) eine derartige Ten-

Abb. 1:  Nadeln. 1–3 Villingen-Schwenningen, Magdalenenberg. 1 Grab 95. Kugelkopfnadel (nach Spindler 1976: Taf. 19, 4). 2 Grab 31. Kugelkopfnadel mit profiliertem Hals oder Kopf (nach Spindler 1972: Taf. 10, 3). 3 Grab 88. Zweischalennadel aus Bronze,Variante 1 (nach Spindler 1976: Taf. 7, 6, 3). 4 Ditzingen-Schöckingen „Schloßstraße“; Grab. Zweischalennadel mit goldenem Kopf,Variante 2 (nach Zürn 1987: Taf. 136,7). 5–7 Haguenau-Ohlungen, Hügel 3. 5 Grab 1. Nadel mit einteiligem lochreihen- und horizontalrillenverziertem Bernsteinkopf, Variante 2. 6 Grab 7. Nadel mit mehrteiligem lochreihen- und horizontalrillenverziertem Bernsteinkopf,Variante 3. 7 Grab 7. Nadel mit Korallenkopf (nach Schaeffer 1930: 123, Abb. 109, c). Maßstab 1:2.

denz für das nördliche Schweizer Mittelland und den südwestdeutschen Raum. Schließlich belegte Sievers (1984: 34–5) diese Entwicklung anhand der stratifizierbaren Exemplare von der Heuneburg. Diese Tendenz kann für die Kugelkopfnadeln des Arbeitsgebietes bestätigt, zugleich aber ihr Beginn bereits in der älteren Hallstattzeit erfasst werden (Abb. 3). In der Stufe Ha C liegen fast ausschließlich große und sehr große Kopfdurchmesser von über 7 mm vor. Köpfe mit einem Durchmesser von 3–7 mm treten mehrfach erst ab der Phase Ha D1 auf. Die mittelgroßen Köpfe (5–7 mm) sind in Ha D1 am zahlreichsten. Während der Phasen Ha D2 und D3 überwiegen Kugelkopfnadeln mit kleinen und sehr kleinen Köpfen. In Ha D3 machen sie bereits über 80 % aus. Die sehr kleinen Vertreter mit einem Kopfdurchmesser von weniger als 3 mm können bis auf wenige Exemplare fast ausschließlich dieser Phase zugeordnet werden. Die Kugelkopfnadeln der Stufen Lt A/B besitzen sowohl kleine als auch große Kopfdurchmesser; sie können aber aufgrund ihrer geringen Anzahl kaum eingeschätzt werden (Abb. 3). Ebenso ist feststellbar, dass die Schaftdicke der Kugelkopfnadeln im Verlauf der Hallstattzeit abnimmt (Schmidt in Vorb.: 64; Sievers 1984: 35). Es wird offensichtlich, dass bei diesem Nadeltyp der funktionale

Abb. 2:  Laufzeit der Nadeltypen.

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Abb. 3:  Kugelkopfnadeln, Kopfdurchmesser anteilig nach Zeitstellung.

­ spekt der Befestigung gegenüber dem des SchmuA ckes zunehmend in den Vordergrund getreten ist. Die Zweischalennadeln, die keinen massiven, sondern hohlen Kopf aufweisen, können anhand ihres Materials in drei Varianten gegliedert werden: in Zweischalennadeln aus Bronze, in solche mit goldenem Kopf und in solche aus Eisen. Vertreter der zahlreichsten Variante aus Bronze sind vor allem an der oberen Donau und im nördlichen Elsass bekannt (Schmidt in Vorb.: Karte 3). Bemerkenswert sind die Fundleere im Neckarraum und die geringe Funddichte der Nordschweiz; lediglich von Dörflingen „Seeli-Hölzli“, Hügel, Grab 1 ist wenigstens ein Exemplar bekannt (Drack 1957: 13; Taf. 3, 2; Keller 1847: 30). Drei Exemplare finden sich nordöstlich von Nürnberg. Sie sind aber als kleinräumige Modifikation aufzufassen, die sich durch eine größere Länge und Schaftdicke auszeichnet. Die beiden frühlatènezeitlichen Vertreter von Kirchensittenbach-Oberkrumbach „Bäckerslohe“, Hügel 10, Nachbestattung 2 (von Forster 1901: 267; Taf. 26, 2; Hoppe 1986: 138) und von Neunkirchen-Speikern „Schwand“, Hügel 1, Nachbestattung 2 (Uenze, Gregor 1977: 104 Abb. 4, 6; 110) besitzen mit 143 mm bzw. 163 mm deutlich längere Schäfte. Die ältere (Ha D1) Zweischalennadel von Rückersdorf „Stöcklach“, Grab 3 (Hoppe 1986:

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151; Taf. 90, 4) hat eine Schaftdicke von 2,9 mm, diejenige aus dem genannten Grab von NeunkirchenSpeikern von 3,2 mm. Die ältesten Zweischalennadeln aus Bronze finden sich in der Phase Ha D1 maßgeblich im Oberen ­Donauraum. Genannt werden können die Fundorte Heuneburg sowie Gräber von Immendingen-Mauenheim „Untere Lehr“ und vom Magdalenenberg.3 In dieser Region darf die Entstehung dieser Variante und möglicherweise des gesamten Typs vermutet werden. Zu demselben Ergebnis gelangte schon Dämmer (1974: 286). Ob der „Ausgangspunkt“ aber mit der Heuneburg verortet werden kann, sei dahingestellt. Die jüngeren Vertreter (Ha D2-D3) konzentrieren sich auf das Elsass und das Gebiet bei der Heuneburg. Aus der Außensiedlung letzterer liegt möglicherweise ein noch zu treibender Rohling vor (Kurz 2000: 92; 336; Taf. 19, 287), was auf eine Herstellung vor Ort schließen ließe. Nadeln mit Bernsteinkopf sind während der gesamten Späthallstattzeit nachgewiesen. Demnach sind die bekannten Datierungsansätze bestätigt (vgl. Kimmig 1979: 116 –7; Schiek 1956: 79). Für die Nadeln dieses Typs werden drei Varianten unterschieden. Der kugelförmige Kopf kann unverziert (Variante 1) oder mit Lochreihen und Horizontalrillen verziert sein. Die ver-

zierten Bernsteinköpfe können aus einem Stück (Variante 2) oder aber mehrteilig (Variante 3) sein (Abb. 1, 5–6). Die einteiligen verzierten Nadelköpfe (Variante 2) sind für Ha D1-2 belegt und fehlen in der Phase Ha D3. Dagegen ist für Ha D1 die Variante 3 mit den mehrteiligen verzierten Nadelköpfen nicht gesichert; ihre Vertreter sind aber als einzige in Ha D3 zu fassen. Möglicherweise sind also die mehrteiligen Stücke aus den einteiligen verzierten hervorgegangen. Die äußerliche Zierweise beider Varianten stimmt überein; allerdings bieten die Nadelköpfe aus mehreren Kugelsegmenten die Möglichkeit, nicht nur von außen Lochungen, sondern weitere Bohrungen von „innen“ anzubringen. Diese kommen bei durchscheinendem Licht in dem transluciden Bernstein zur Geltung, wodurch der ohnehin dekorative Charakter verstärkt wird. Nadeln der Variante 2 finden sich lediglich in der Forêt de Haguenau und auf der Heuneburg für die Phasen Ha D1–D2 (Schmidt in Vorb.: Karte 4). Dagegen sind die Vertreter der Variante 3 über das gesamte Kernarbeitsgebiet verstreut.4 Die Nadeln mit lochreihenund horizontalrillenverziertem Bernsteinkopf könnten demnach in der einteiligen Variante 2 im Gebiet von Haguenau oder der Heuneburg entwickelt worden sein und sich dann in der mehrteiligen Variante 3 über das ganze Kernarbeitsgebiet verbreitet haben.5 Zwei Bernsteinrohstücke aus der Phase Ha D1 sind von der Heuneburg bekannt (Sievers 1984: 205; Taf. 157, 1798–9); sie sprechen für eine Verarbeitung dieses Werkstoffes vor Ort.6 Dazu dürfen möglicherweise auch Nadeln mit Bernsteinkopf gezählt werden. In den Werkstattgruben aus Hochdorf, ­ Hügel von 1978, sind Abfallprodukte aus Bernstein aufgefunden worden (Biel 1985: 144; Biel 1995: 35 bes. Abb. 23); damit ist ein weiterer Herstellungsort von Bernsteinprodukten für Ha D2 nachgewiesen, aus dessen Nähe – hier im „Pfaffenwäldle“ bei Hochdorf – Nadeln mit Bernsteinkopf stammen (Zürn 1987: 96; Taf. 139, 6 –7). Zu Lagemustern und daraus abgeleiteten Funktionen Um mögliche Lagemuster der Nadeln zu überprüfen, wurden Lagezonen definiert, denen die Nadeln ent-

sprechend ihrer Fundlage im Grab zugewiesen worden sind (Abb. 4a). Der Zuweisung liegt die Haltung der gestreckten Rückenlage zugrunde, die typisch für späthallstattzeitliche Körperbestattungen ist (Kurz 1997: 92). Der Kopfbereich wurde in einen engeren (grau unterlegt) und in einen erweiterten Bereich (innerhalb der Strichlinie) gegliedert. Der erweiterte Kopfbereich schließt den engeren mit ein. Bei unpräziser Angabe oder unsicheren Befunden wurden die Nadeln dem weiteren Kopfbereich zugeordnet. Der engere Kopfbereich ist untergliedert in acht Mikrozonen (S1–S8), die sich ringförmig um den Schädel aufreihen. In 120 Körperbestattungen konnten 405 Nadeln im Kopfbereich dokumentiert werden, davon 241 Stück im engeren Kopfbereich, 164 im erweiterten. In weiteren Körperbestattungen konnte bei 20 Nadeln nicht zwischen einer Position im Kopf- oder im Oberkörperbereich unterschieden werden. Außerhalb des erweiterten Kopfbereiches, d. h. außerhalb der Strich­linie, wurden 21 Nadeln im Brustbereich dokumentiert, weitere 15 nicht in den genannten Körperbereichen. Dem Folgenden liegt die Prämisse zugrunde, dass die Lage von Trachtelementen innerhalb der Bestattung die vorherrschende Trachtlage wiedergibt – abgesehen von Objekten in gestörten Grabbereichen oder nicht in einer überzeugenden Trachtlage. Diese Annahme gründet darauf, dass auch andere Schmuckgegenstände späthallstattzeitlicher Körperbestattungen oft in Tracht­lage beobachtet worden sind. Besonders Ringschmuck lag bei Skelettgräbern noch um die Knochen der ­ Extremitäten oder die Halswirbel. Andere mutmaßliche Trachtelemente wie beispielsweise Gürtelbleche (Hüftbereich) oder Fibeln (Brust-/Schulterbereich) zeichnen sich durch eine sehr einheitliche Lage in den Körperbestattungen aus, die einer erwarteten Verwendung entspricht (von Kurzynski 1996: 72; Spindler 1996: 270; Zürn 1970: 110). Demnach sind Nadeln im Kopfbereich als Elemente einer Kopftracht einzuschätzen. Nadeln im Brustbereich können in erster Linie als Gewandnadeln beurteilt werden. Exemplarisch sei hier Lauda-Königshofen, Grab 4 genannt (Baitinger 1999: 234–5). Es handelt sich überwiegend um Kugelkopfnadeln, die dem Gewandverschluss dienten. Drei der betreffenden Bestattungen gehören zum Gräberfeld von Hallstatt (Gräber 327, 404, 843 – Kromer 1959: 89; 100 –1; 165); den Kugel-

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Abb. 4:  Lagezonen in Bezug auf den Kopfbereich. a Lagezoneneinteilung und Verteilung der Nadeln im engeren Kopfbereich je Mikrozone (S1-S8), Stückzahlen absolut. b Nadeln im engeren Kopfbereich, Anzahl je Mikrozone (S1-S8) nach Typ.

kopfnadeln dieser Nekropole wird neben einer Funktion als Kopfschmuck auch eine als Gewandverschluss zugewiesen (Hodson 1990: 113; Sievers 1982: 120). Aber auch Zweischalennadeln sind im Brustbereich beobachtet worden, wie die bereits genannten Beispiele von Neunkirchen und von Rückersdorf. Auffällig ist, dass 30 % der mutmaßlichen Gewandnadeln aus Eisen sind, was erheblich über den generellen Anteil dieses Materials für Nadeln hinausgeht. Die meisten aufgrund ihrer Lage als Gewandnadeln anzusprechenden Stücke stammen nicht aus dem Kernarbeitsgebiet, in dem anscheinend eine klarere funktionale Trennung für Nadeltypen bestanden hat. Als typische Gewandnadeln gelten eiserne Stufen- und Kropfnadeln, die nicht im Kopfbereich dokumentiert sind (Mansfeld 1971: 105). Eine mögliche Funktion der Nadeln zum Zusam-

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menhalten bzw. Verschließen von Leichentüchern oder -abdeckungen darf nicht außer Acht gelassen werden. Derartige Textilien konnten für das Grab von Hochdorf nachgewiesen werden (Banck-Burgess 1999: 110). Einen anderen Hinweis können Nadeln oder Fibeln bieten, die nicht in erkennbarer Trachtlage aufgefunden worden sind. Für die Nadeln kommt eine Lage in deutlicher Entfernung zum Kopf oder bei den unteren Extremitäten in Frage wie bei Magdalenenberg, Grab 5 oder Grab 53 und Grab 82 (Spindler 1971: Taf. 17, 2; 1972: Taf. 34, 2; 1973: Taf. 51, 2). Ähnliches gilt für Fibeln im Kopfbereich und bei den Füßen wie bei Asperg, Grafenbühl, Nebengrab 11 (Zürn 1970: 44, Abb. 14) oder bei Magdalenenberg, Grab 81 (Spindler 1973: Taf. 49, 2). Allerdings können Fibeln, die im Kopfbereich auf-

Abb. 5: Villingen-Schwenningen, Magdalenenberg, Grab 56a. Lage der Kopfschmucknadeln auf beiden Schädelseiten (nach Spindler 1973: 19, Abb. 2). Ohne Maßstab.

gefunden worden sind, ebenso einen Hinweis dafür geben, dass sie einer vergleichbaren Befestigungsfunktion innerhalb einer Kopftracht gedient haben wie Nadeln (Bauer, Kuhnen 1993: 252; Schmid-Sikimi´c 1985: 424; Spindler 1975: 227). Dies ist beispielsweise bei Mauenheim, Hügel N, Grab 6 gut vorstellbar, für das eine Bogenfibel zusammen mit Kugelkopfnadeln im Kopfbereich dokumentiert ist (Wamser 1972c: Plan 25). Zum anderen ist bei abweichender Lage eine zusätzliche Beigabe von Objekten neben der Tracht denkbar – bei Nadeln oder auch Fibeln vielleicht im Zusammenhang weiterer beigelegter Kleidungsstücke. Während bei der Bestatteten des Grabes 78b vom Magdalenenberg eine Kugelkopfnadel mit Kopfaufsatz auf dem Schädel lag, fanden sich unterhalb der Füße bei zwei Kegelhalsgefäßen sieben weitere ­Nadeln (Spindler 1973: Taf. 41, 1), wovon vier Kopfschmucknadeltypen zuzuordnen sind. Spindler (2004: 142) schlug vor, in diesen Nadeln Fixierungen von Stoffbahnen zu sehen, in die die Kegelhalsgefäße gehüllt gewesen seien. Dass späthallstattzeitliche Beigaben in Stoff gehüllt worden sind, zeigt eindrucksvoll das Grab von Hochdorf (Banck-Burgess 1999: 112–9).7 Dennoch stellt das Magdalenenberger Grab 78b einen Einzelfall dar, bei dem Nadeln abseits des Leichnams bei anderen Beigaben lagen – zudem in größerer Zahl. Daher ist meines Erachtens eine zusätzliche Beigabe von Schmucknadeln, die nicht für die Totentracht benutzt worden sind, ebenso plausibel.

Ferner könnten Nadeln in Behältern neben den Bestatteten beigegeben worden sein, wie es für die Zweischalennadel aus Magdalenenberg, Grab 56b erwogen wurde (Meyer-Orlac 1982: 46; Spindler 1973: 19). Diese lag unmittelbar bei mehreren Lagen von Birkenrindenresten (Spindler 1973: Taf. 3, 1). Einer konkreten Mikrozone im Schädelbereich konnten insgesamt 73 Nadeln aus 29 Bestattungen zugeordnet werden (Abb. 4a). Es wird deutlich, dass die meisten Nadeln im oberen Kopfbereich, d. h. an der Stirn (S1 = 19 Stück) und an den Schläfen (S2 = links 12 Stück, S8 = rechts 11 Stück) lagen. Etwas weniger häufig waren sie an den Seiten des Kopfes (S3 = links 8 Stück, S7 = rechts 11 Stück).Wenige Exemplare befanden sich im gesamten unteren Kopfbereich (S4– S6). Eine Tendenz zur Bevorzugung der linken oder rechten Kopfhälfte ist nicht zu erkennen. Auffälligkeiten ergeben sich auch bezüglich der Lagezuordnung der Nadeln nach typographischer Unterscheidung (Abb. 4b). Im Ergebnis können anhand der Typen zwei Lagemuster unterschieden werden. Die Kugelkopfnadeln und die Nadeln mit Bernsteinkopf fanden sich vorrangig im Stirnbereich (S1), häufig auch an den Schläfen (S2 und S8) und den Kopfseiten (S3 und S7). Während wenige Kugelkopfnadeln auch im gesamten unteren Kopfbereich (S4–S6) ­lagen, fanden sich dort keine Nadeln mit Bernsteinkopf. ­Allerdings gehören die mikrozonal zuordenbaren Vertreter dieses Typs einzig Magdalenenberg, Grab 56a an (Abb. 5). Es mag daher unsicher bleiben, inwiefern dieses La-

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gemuster kennzeichnend für Nadeln mit Bernsteinkopf sein mag. Die Zweischalennadeln und die Nadeln mit Korallenkopf sind hauptsächlich an den Schläfen (S2 und S8), jedoch nicht im Stirnbereich (S1) dokumentiert. Hinzukommt für die Zweischalennadeln in zwei Fällen eine Lage im unteren Kopfbereich (S5) – namentlich bei Grab 7 des Hohmichele (Riek 1962: Taf. 12) und bei dem Frauengrab von der Heuneburg (Mansfeld 1973: 98, Abb. 32).Vermutlich liegt mit diesen beiden Bestattungen ein Hinweis auf eine lokale Tragevariante vor.8 Nur wenige Einzelfälle lassen präzise Schlüsse über Trageanordnungen zu. Beispielhaft ist hierfür Magdalenenberg, Grab 56a, bei dem die Nadeln unmittelbar am Schädel augenscheinlich in Trachtlage dokumentiert werden konnten (Abb. 5). Die sechs Kugelkopfnadeln und zehn Nadeln mit Bernsteinkopf sind abwechselnd entlang der oberen Gesichtshälfte aufgereiht. Es ist meines Erachtens eine textile Kopfbe­ deckung festgesteckt worden, die die Gesichtssilhouette nachgezeichnet hat. Kopfschmucknadeln dürften funktional eine Haarfrisur oder eine Kopfbedeckung (Kopftuch, Schleier, Haube) festgesteckt haben. Ein Feststecken von Frisuren würde voraussetzen, dass sich die Haarzöpfe an der Stelle dieses Lagemusters befanden. Aber auch beim Feststecken einer Kopfbedeckung an den Haaren sollten diese an der entsprechenden Position präpariert gewesen sein9 – vielleicht geflochten oder eingefettet. Zeugnis behandelten Haupthaars gibt der 10 cm lange Zopf, der an der Außenseite der Zentralkammer des Hohmichele aufgefunden worden ist (Riek 1962: 54; 84). Wahrscheinlich wurde das natürlich blonde Haar mit einer tiefroten, eisenoxyd- und fetthaltigen Substanz gefärbt (Hundt 1962: 203–4; Taf. 32, 4). Dadurch dürfte es auch eine größere Festigkeit bekommen haben. Für eine Fixierung von Textilien sprechen letztlich die im Laufe der frühen Eisenzeit dünner werdenden Schäfte der Kugelkopfnadeln. Darin kann ein Hinweis auf feinere Stoffe gesehen werden, der sich gleichfalls bei zunehmend kleineren Fibeln zeigt (Hundt 1971: 71; Pauli 1973: 509; Sievers 1984: 35). Eine andere Möglichkeit böte ein Stirnband, das unter der Kopfbedeckung angelegt worden oder Teil die-

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Abb. 6:  Immendingen-Mauenheim „Untere Lehr“, Hügel H, Grab 1. Kopfbereich mit Lage der Beigaben (nach Aufdermauer 1963: 27).

ser gewesen wäre, um die Nadeln einzustecken. Bemerkenswert sind hierfür die Angaben für das Grab von Dörflingen „Seeli-Hölzli“ und das Grab von Trüllikon-Hattlebuck, Hügel 5, die Anfang der 1840er Jahre ausgegraben worden sind. Keller (1847: 14) bemerkt zum Grab von Trüllikon: „Den Kopf (…) schmückte ein Diadem, bestehend aus einem Streifen Leder, in welchen Nadeln mit acht großen Bernsteinperlen eingesteckt waren. (…) Vermittelst mehrerer Stecknadeln von Erz (…), die sich an den Schläfen fanden, wurden ohne Zweifel die Locken zusammengehalten.“ und ähnlich zum Grab von Dörflingen, hier allerdings unter Heranziehung von Auskünften Dritter (Keller 1847: 30): „Das Haupt (…) war mit einem Diadem von Leder, dessen Enden durch ein bronzenes Kettchen zusammengehalten wurden, geschmückt. Aus diesem trat strahlenartig eine Reihe eherner Nadeln mit großen Köpfen hervor.“ Diese recht konformen Angaben können im Detail mangels Abbildungen nicht überprüft werden. Vergleichbares konnte andernorts nicht beobachtet werden, sicherlich auch aufgrund der schlechten Erhaltung organischer Überreste.10

Abb. 7:  Anzahl der Bestattungen nach Anzahl der enthaltenen Nadeln je Bestattung (gesicherte Mindestzahl), Stückzahlen absolut.

Einen Anhaltspunkt bietet möglicherweise Immendingen-Mauenheim „Untere Lehr“, Hügel H, Grab 1. Dort wurde beim rechten Hohlohrring eine 1 cm ­dicke organische Schicht beobachtet, bei der es sich um Stoff- oder Lederreste gehandelt haben könnte (vgl. Wamser 1972a: 51–52). Durch diese organische Schicht waren eine Zweischalennadel und ein Nadelschaftfragment derart gesteckt, dass je beide Nadelenden auf derselben Seite herausragten (Abb. 6). Die vorgestellten Hinweise auf Stirnbänder als Steckfutter für die Nadeln sind leider unsicher. Sie beschränken sich auf die Nordschweiz und das nicht weit entfernte Mauenheim, so dass lediglich eine kleinräumige Befestigungsweise vorliegen könnte. Zu Anzahl und Verbreitung von Kopfschmuck­ nadeln Die Anzahl der Kopfschmucknadeln je Bestattung (Abb. 7) liegt im Bereich von einem bis 27 Stück. Am häufigsten ist jeweils eine Nadel beobachtet worden. Mit zunehmender Anzahl der Nadeln im Kopfbereich

nimmt die Zahl der betreffenden Bestattungen ab. Auffällig ist ein erneuter Anstieg bei zehn Kopfschmucknadeln je Bestattung. Bei allen untersuchten Gräbern ist ebenfalls ein Anstieg bei zehn Nadeln festzustellen, unabhängig von deren Lage. Große Sätze von zehn oder mehr Nadeln bilden eine auffällige Gruppe. Die meisten Bestattungen mit großen Nadelsätzen gehören zum Gräberfeld von Hallstatt; sie enthalten vorherrschend Kugelkopfnadeln, ausgenommen Grab 405, das neben elf Kugelkopfnadeln auch eine Kugelkopfnadel mit geripptem Hals enthielt (Kromer 1959: 100; Taf. 66, 2d). Für das Kernarbeitsgebiet zeigt sich dagegen ein heterogenes Bild. Hier sind in großen Sätzen häufig Nadeln verschiedenen Typs vergesellschaftet, maßgeblich Nadeln mit Bernsteinkopf, Nadeln mit Korallenkopf sowie Zweischalennadeln. Gerade diese Nadeltypen sind durch große Kopfdurchmesser gekennzeichnet.Weiterhin kann ein Großteil dieser Nadeln aufgrund des seltenen oder exotischen Materials als sehr wertvoll angesehen werden. Zudem weisen die Zweischalennadeln mit goldenem Kopf ­geometrische Punzmuster auf, die in horizontal umlau-

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fenden Zonen angeordnet sind (Abb. 1, 4). Die Nadeln mit Bernsteinkopf können mit Horizontalrillen und Lochreihen verziert sein. Eine besondere Wirkung ist durch kleine Bohrkanäle erzeugt worden, die von den Lochungen, dem Schaftloch und bei den mehrteiligen Exemplaren sogar im Innern von den Basisflächen der Kugelsegmente ausgehen (Abb. 1, 6). Nadeln mit Korallenkopf sind durch ihre weiße bis rötliche Farbe auffällig und wie Bernstein als wertvolles Importmaterial gut erkennbar gewesen. Die genannten Eigenschaften in Größe, Material und Verzierung zeichnen eine Vielzahl der Nadeln in großen Sätzen innerhalb des Kernarbeitsgebietes aus. Beispielhaft seien dazu das Grab von Ditzingen-Schöckingen mit sechs Zweischalennadeln mit goldenem Kopf und vier Nadeln mit Korallenkopf (Zürn 1987: 95; Taf. 136,7–12.24–7), das Grab 56a vom Magdalenenberg mit sechs Kugelkopfnadeln und zehn Nadeln mit Bernsteinkopf (Spindler 1973: 19–20; Taf. 3, 5–20) und das Grab von Trüllikon-Hattlebuck, Hügel 5 mit fünf Kugelkopfnadeln und mindestens fünf Nadeln mit Bernsteinkopf (Schmid-Sikimi´c 1984: 114, Abb. 13; Ulrich 1890: 181; Taf. nach 192) angeführt. Das Verbreitungsbild der 120 Bestattungen mit Kopfschmucknadeln zeigt ihre Konzentration im Kernarbeitsgebiet (Schmidt in Vorb.: Karte 6). Die frühesten Fälle, während der Stufe Ha C, beschränken sich auf das Gräberfeld von Hallstatt; es handelt sich um die Gräber 376b, 678, 686 und 90311 (Kromer 1959: 96–7; 143–4; 173). Anscheinend wurde die Verwendung von Nadeln für die Kopftracht im Kernarbeitsgebiet aus Hallstatt angeregt – zuerst in der Phase Ha D1 zu fassen für den Oberen Donauraum, westlich des Bodensees und für das nördliche Elsaß. Im Neckarraum werden Kopfschmucknadeln erst ab Ha D2 verwendet – ein Ergebnis, das unabhängig von der Lage im Grab gleichermaßen für die untersuchten Nadeltypen zutrifft. Mit der Übernahme dieser Kopftracht sind neue Nadeltypen – Zweischalennadeln, Nadeln mit Bernsteinkopf und Nadeln mit Korallenkopf – im Westhallstattkreis vermutlich entwickelt und gewiß zum Einsatz gekommen. Vorherrschend in diesem Gebiet finden sich Kombinationen mehrerer Typen innerhalb einer Bestattung. Die Verwendung von Kopfschmucknadeln bleibt im Kernarbeitsgebiet auf die Späthallstattzeit beschränkt.

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Ausnahme bildet lediglich die Kugelkopfnadel von ­Haguenau-Schirrhein „Kirchlach“, Hügel 100, Grab 1a (de Ring 1861: 24–5; Taf. 10, 11), das in Lt B1 datiert. Zur sozialen Bedeutung von Kopfschmucknadeln Gebrauchsspuren sind an den untersuchten Nadeln nicht identifiziert worden, so dass ihre Verwendung zu Lebzeiten nicht mittelbar festgestellt werden kann. ­Werden zum Vergleich andere Trachtelemente herangezogen, finden sich sowohl deutliche Abnutzungsspuren – besonders an Arm- und Fußringen – als auch antike Flickungen, die auf eine langjährige und wiederholte Nutzung schließen lassen (vgl. Kilian-Dirlmeier 1972: 87–8; Lenerz-de Wilde 1989: 262; Nagler-Zanier 2005: 6 –8). Einige geschlossene Arm-, Fuß- und Halsringe erwachsener Individuen weisen eine derart geringe lichte Weite auf, dass sie bereits im Kindesalter über Hände, Füße oder den Kopf gestreift und damit langjährig getragen worden sein müssen (Balzer 1997: 114; Lenerz-de Wilde 1989: 260; Zürn 1970: 113; 115). Allein unter den Nadeln von der Heuneburg (vgl. Sievers 1984: 163 –70; Taf. 54–64) sind mehr als 150 stratifizierbare Vertreter der hier genannten Typen bekannt. Mit ihrer Zahl sollte deutlich werden, dass sie in der späthallstattzeitlichen Lebenswelt in „rege(m) Gebrauch“ (Sievers 1984: 80) gewesen sind. Von den 47 physisch-anthropologisch geschlechtsbestimmten Individuen von Bestattungen mit Kopfschmucknadeln sind 44 als weiblich oder eher weiblich bestimmt; das sind knapp 94 %. Daher handelt es sich meines Erachtens bei der Kopfschmucknadel um das Element einer weiblichen Tracht. Unter den weiblich bestimmten Individuen machen die adulten Frauen den größten Anteil aus (Abb. 8). Nur zwei Frauen weisen ein Sterbealter einer post­adulten Altersstufe auf. Die Bestattete aus dem Magdalenenberg, Grab 13 wurde als mindestens frühmatur bewertet (Zäuner, Wahl 2010: Tab. 1), die Verstorbene aus Hallstatt, Grab 45/1999 wurde senil altersbestimmt (Grömer 2005: 118). Lediglich das weibliche Individuum aus Hallstatt, Grab 2/1937 ist juvenil verstorben (Morton 1959: 193). Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass in späthallstattzeitlichen Bestattungen die adulten In-

Abb. 8: Physisch-anthropologisch weiblich bestimmte Individuen mit Nadeln im Kopfbereich nach Altersstufen.

dividuen generell am zahlreichsten sind. Als Referenzgruppe können die altersbestimmten Individuen in Württemberg während der Späthallstattzeit herangezogen werden (Ehrhardt, Simon 1971: 38–9, Tab. 4. Vgl. auch Burmeister 2000: 77, Tab. 3; Taf. 2, 3). Danach sind Frauen etwa zwei- bis dreimal so häufig in adultem wie in maturem bis senilem Alter verstorben. Demgegenüber ist der Anteil der adulten Frauen mit Kopfschmucknadeln ungleich höher. Demnach finden sich Kopfschmucknadeln bei weiblichen Verstorbenen ab adultem, in einzelnen Fällen schon ab juvenilem ­Alter. Ab der maturen Altersstufe sind sie dagegen auffallend selten vorhanden. Zu einem abweichenden Ergebnis für die Nekropole vom Magdalenenberg gelangte Müller (1994: 188, Abb. 16; 189), nach welchem Frauen in senilem ­Alter am häufigsten „Haarnadeln“ besessen haben. Mutmaßlich stützte sich Müller auf die Magdalenenberger Bestattungen 71 und 78b, die von Gallay (1977: 88; 90) als matur bis möglicherweise senil bestimmt worden waren. Nach der Neubearbeitung durch Zäuner und Wahl (2010: Tab. 1) sind beide Bestattungen aber als adult einzustufen. Mehrere alters- und geschlechtsabhängige soziale

Rollen kommen in Frage, die durch eine Kopftracht, zu der auch Kopfschmucknadeln zu zählen sind, angezeigt worden sein können. Denkbar sind beispielsweise die Reproduktionsfähigkeit, die Mutterschaft oder der „Ehestand“ einer Frau. Da postadulten Bestatteten deutlich seltener Kopfschmucknadeln beigegeben worden sind, ist anzunehmen, dass eine Frau diese Rolle im Laufe ihres Lebens wieder verlieren konnte (vgl. Arnold 2008: 377), beispielsweise durch das Erreichen der Menopause, durch das Erwachsenwerden der Kinder oder durch „Verwitwen“. Burmeister (2000: 89– 91) stellte bei der Untersuchung „altersspezifischer“ Ausstattungsmuster ab dem 40. Lebensjahr eine Änderung bei der Frauentracht fest, nachdem eine solche bereits mit 20 Jahren eingetreten war. Zugleich bezweifelte er aber die Hypothese von Lenerz-de Wilde (1989: 261–2), dass einzig eine durch Nadeln und Ohr- oder Schläfenringe angezeigte Kopfbedeckung den „Stand der verheirateten Frau“ repräsentiere, da der Anteil der im Umkehrschluss als unverheiratet zu bewertenden Frauen unwahrscheinlich hoch gewesen sei. Eine ausschlaggebende Kopfbedeckung könnte meines Erachtens ebenso gut anders befestigt worden sein; Befestigungszubehör wie Nadeln könnte außerdem aus

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nicht erhaltenem organischem Material, beispielsweise aus Holz, gewesen sein. Kinderbestattungen enthielten keine Kopfschmucknadeln (vgl. auch Lenerz-de Wilde 1989: 261). Allerdings lag eine Zweischalennadel auf dem Leichenbrand im Magdalenenberger Grab 56b (Spindler 1973: Taf. 2); das Individuum war im Alter infans II-frühjuvenil verstorben (Kühl 1977: 125–6). Ungewiss bleibt, ob dieses Individuum zu Lebzeiten eine Kopftracht getragen hatte, zu der diese Nadel gehört hatte. Diese kann ebenso als zusätzliche Beigabe interpretiert werden. Möglicherweise ist bei dieser sehr jungen Person ein Ausstattungselement vorhanden, das auf eine erwünschte, aber nicht erreichte soziale Rolle hinweist (vgl. Shennan 1975: 285; Koch in Vorb.). Es soll nicht außer Acht gelassen werden, dass drei der Bestatteten mit Nadeln im Kopfbereich physischanthropologisch eher männlich bestimmt worden sind. Bei dem adulten Individuum von Bassenheim „Gollenbusch“, Hügel 26, lag ein eisernes Nadelfragment bei der rechten Schläfe (Joachim 1990: 54;Taf. 18, 26). Die beigegebenen sechs Spiralringe und zwei Armringe verweisen auf eine weibliche Trachtausstattung. Vergleichbar war die im erweiterten Kopfbereich12 aufgefundene Kugelkopfnadel mit Kopfaufsatz und strichverziertem Kopf aus Erlangen-Kriegenbrunn „Krähenholz“, Nachbestattung Eb (Hoppe 1986: 105; 107, Abb. 17) mit sieben Hohlohrringen und sieben Steigbügelarmringen vergesellschaftet. Die Kugelkopfnadel mit geripptem Hals aus dem Magdalenenberg, Grab 31, befand sich im rechten unteren Kopfbereich, gleichzeitig nahe der rechten Schulter des adulten-maturen Individuums (Spindler 1972: 27–8; Taf. 9; Zäuner, Wahl 2010: Tab. 1). Diese Lage gestattet letztlich keine eindeutige Funktionszuweisung. Die Ausstattung mit dem eisernen Gürtelhaken ist nach Burmeis-

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ter (2000: 48 Abb. 8) weiblich, nach Spindler (1975: 233) männlich konnotiert. Die gezeigten drei Fälle belegen nicht zweifelsfrei Kopfschmucknadeln als Teil einer Kopftracht; ihre Ausstattung verweist überwiegend auf eine weibliche Tracht. Möglicherweise handelt es sich um „cross-gender“-Bestattungen (vgl. Gilchrist 1999: 58–64; Koch 2010b: 3) oder um anthropologisch fehlbestimmte, demnach biotisch tatsächlich weibliche Individuen (vgl. Burmeister 2000: 79 –80). Es soll aber nicht ausgeschlossen werden, dass in der Späthallstattzeit vereinzelt biotisch männliche Erwachsene mit ­einer Kopftracht, zu der auch Nadeln gehörten, bestattet worden sind. Für überwiegend adulte Frauen während der Späthallstattzeit darf eine Kopftracht angenommen werden, zu der vermutlich eine textile Kopfbedeckung gehört hat, die nicht einheitlich ausgesehen hat oder befestigt worden ist. Dafür verwendete Kopfschmucknadeln haben neben der vorrangig fixierenden auch eine augenscheinliche, schmückende und damit anzeigende Funktion besitzen können. Das zeigt sich vor allem im Westhallstattkreis bei den großen Nadelsätzen, die durch Anzahl, Auffälligkeit und Ästhetik selbst markante Anzeiger innerhalb einer Kopftracht gewesen sind, deren zunächst wesentliches Element eine Kopfbedeckung oder Haarfrisur gewesen ist. Gleichzeitig enthielten Gräber mit Kopfschmucknadeln tendenziell „reichere“ Ausstattungen, ohne sich dabei deutlich abzugrenzen (Burmeister 2000: 153–4; Kilian-Dirlmeier 1974: 143). Es scheint demnach, dass mit den Nadeln eine Rollenkombination verbunden gewesen ist, bei der Alter und Geschlecht nur einen Aspekt ausgemacht haben. Offenbar haben diese spezielle soziale Kombination aber nicht alle Frauen innegehabt (vgl. Arnold 2008: 389) und wenn sie in höherem Alter wieder abgelegt.

Anmerkungen 1 Der interdisziplinäre Forschungsverbund wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Förderschwerpunkt „Wechselwirkungen zwischen Geistesund Naturwissenschaften“ unter dem Förderkennzeichen 01UA0811A gefördert. Zum Forschungsvorhaben des Projektes vgl. Koch 2010a. 2 Die Typvertreter aus Nordhouse „Bürkelmatt“, Hügel 3, Grab A (Forrer 1912: 292; Taf. 41, 12; Kilian-Dirlmeier 1972: 85, Anm. 8; Kimmig 1979: 101; Hansen 2010: 248) und vom Mont Lassois bei Vix (Joffroy 1960: 71; Taf. 17, 14) können nicht näher als in Ha D2–3 datiert werden. 3 Vgl. Aufdermauer 1963: 28; Taf. 10, 2–4.6–7; Kurz, Schiek 2002: 131; Taf. 43, 469; Sievers 1984: 164; Taf. 56, 697–699; Wamser 1972b: 45; 63; 1972c:Taf. 4, 1–2; 8, 1–3; Spindler 1971: 89; Taf. 21, 10–14; 1973: 58–9; Taf. 51, 4; 1976: 26–7; 51; Taf. 7, 6, 3; 7, 7, 4–5; 34, 4, 1; 34, 4, 5–6. 4 Vgl. zu Variante 2: Schaeffer 1930: 29, Abb. 23, d; 35–36; 48; 118; 122; 144; 149, Abb. 132, g; 150; Schmidt 2012:Taf. 73, 1.4– 6; Sievers 1984: 163–4; Taf. 54, 677; 55, 689.Vgl. zu Variante 3: Drack 1959: 24; Taf. J, 2; de Ring 1861: 6; Taf. 3, 2; Schaeffer 1930: 120; Schmid-Sikimi´c 1984: 114 Abb. 13; Schmidt 2012: Taf. 74, 3–9; Zürn 1970: 108; Taf. P A, 11–4; 1987: 96; Taf. 139, 6–7. 5 Dass die Ähnlichkeit der Verzierung aber auf eine einzige Werkstatt schließen lasse, wie dies Schiek (1956: 79) äußerte, ist meines Erachtens zweifelhaft. Sievers (1984: 31) widersprach der Ansicht Schieks von nur einem Produktionsort und untermauerte anhand der Unterschiede in Aufbau und Technik der Nadelköpfe die These polylokaler Werkstätten, deren eine auf der Heuneburg zu verorten sein könne. 6 Stahl (2006: 29–30) erwähnt zudem Halbfabrikate von der Heuneburg und vom Mont Lassois, womit eine Verarbeitung von Bernstein in diesen Siedlungen angenommen werden kann.

7 Zu weiteren eingehüllten Beigaben vgl. Banck-Burgess 1999: 21–3. Weiter Hansen (2010: 34) zur Überlegung, dass Fibeln die Textilien fixiert haben könnten, in die der Kessel von Hochdorf gehüllt gewesen ist. 8 Möglicherweise kann an diese Lagevariante für Grab 9 aus Hügel 18 der Hohmichele-Gruppe angeschlossen werden. In diesen Fall wurde im rechten Schulterbereich eine Zweischalennadel aufgefunden (Arnold 2003), für die auch eine originäre Lage im unteren Kopfbereich in Frage kommen könnte. 9 Nadeln mit ausreichend langem Schaft können auch in unpräpariertem Haar genügend Halt finden, indem sie von einer Haarsträhne umschlungen werden (pers. Auskunft Karina Grömer). 10 Eine dritte Erwähnung einer Lederstirnbinde liegt für Unterlunkhofen „Bärhau“, Hügel 63, Zentralgrab 3 (Rochholz 1866: 232) vor. Es geht aus der Formulierung aber nicht hervor, ob ein Lederband tatsächlich beobachtet oder nur angenommen wurde. Immerhin wurden weitere organische Überreste für die Unterlunkhofener Bestattung beschrieben. Unklar bleibt auch, inwiefern die Nadeln eingesteckt gewesen sind. 11 Grab 903 von Hallstatt bleibt diskutabel, da hier eine Rollenkopfnadel „am Kopfe“ protokolliert worden ist. Eine Mehrkopfnadel fand sich zudem im Brustbereich der Bestattung. 12 Zweifel an dieser Lage bezüglich der schlecht erhaltenen Skelettreste äußert Hoppe (1986: 33) und sprach sich für eine Gewandnadel aus. In ihrer Lage bezüglich der weiteren Ausstattungsobjekte ist die Nadel meines Erachtens aber im Kopfbereich zu verorten.

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Social Issues Raised by “Celtic” Art in Brittany. The Case of Stamped Pottery Gadea Cabanillas de la Torre

Abstract Stamped pottery has been recognised as a continuous phenomenon in the whole La Tène Europe since Frank Schwappach’s work on the topic in the late 1960s and the 1970s (Schwappach 1969; 1977; 1979). By the same time, Brittany appears clearly not only as a part of the wider La Tène area, but also as a major production centre of stamped pottery (Giot 1971). Forty years ago, Schwappach estimated the Breton corpus in some 44 sites (Schwappach 1969: 215), while nowadays, one year of PhD research has yielded a list of 120 relevant sites (fig. 1), showing both the importance of the regional corpus and its quantitative increase since the last review on the topic. The reassessment of the previous views on stamped pottery, based mainly on Schwappach’s 1969 reference paper, is then justified, on the one hand by the amount of recent discoveries, and on the other hand by the need for a methodological revision of the traditional art-historical approach. Rather than a catalogue of decorations, this paper aims to start developing – further work should still broaden our view of this issue – an archaeological approach of the problem, focusing on the social functions of stamped pottery and understanding it not as a regional, isolated problem, but as a particular focus on a complex and a wider scope issue.Thus a quick overview of the data will be presented.Then, an analysis of the contexts where stamped pottery appears during the whole Iron Age will allow us to discuss the social issues raised by this particular expression of La Tène Art.

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Zusammenfassung Stempelverzierte Keramik wird seit Frank Schwappachs Arbeiten zur Thematik aus den späten 1960ern und 1970ern (Schwappach 1969; 1977; 1979) als Phänomen angesehen, das im gesamten Gebiet der europäischen Latènekultur auftritt. Zu dieser Zeit erscheint die Bretagne nicht nur als Teil des weiteren Latène-Verbreitungsgebiets, sondern auch als eines der Hauptproduktionszentren stempelverzierter Keramik (Giot 1971).Vor 40 Jahren betrachtete Schwappach das Material von 44 bretonischen Fundstellen (Schwappach 1969: 215), während heute ein Jahr PhD-Forschungsarbeit eine Liste von 120 relevanten Fundstellen ergeben hat (fig. 1), was sowohl die Bedeutung des regionalen Fundkorpus als auch das quantitative Anwachsen des Materials seit der letzten Beurteilung des Themas zeigt. Die Neubeurteilung älterer Ansichten zur stempelverzierten Keramik, die hauptsächlich auf Schwappachs Artikel aus 1969 beruhen, erscheint daher sowohl aufgrund der Menge neuer Funde als auch aufgrund der allgemeinen Notwendigkeit einer methodischen Revision des traditionellen kunstgeschichtlichen Ansatzes angebracht zu sein. Anstelle eines Katalogs von Stempelverzierungen zu erstellen zielt dieser Artikel darauf ab, einen archäologischen Ansatz an das Problem heranzuführen – obgleich weitere Arbeiten hier noch notwendig sind – der auf die sozialen Funktionen stempelverzierter Keramik abzielt und sie nicht als regional isoliertes Phänomen betrachtet, sondern als ein komplexes Problem größerer Reichweite. Daher wird zuerst ein kurzer Überblick über die Datengrundlage gegeben und dann eine Analyse der Kontexte durchgeführt, in denen stempelverzierte Keramik durch die Eisenzeit hindurch auftritt, wodurch eine Diskussion der sozialen Fragen möglich wird, die diese konkrete Ausprägung von Latènekunst aufwirft.

I. Stamped pottery: the main artistic expression in Iron Age Brittany A brief outline of the subject shows the relevance of addressing the problem of stamped pottery in this particular region. First, it should be considered, in Brittany as well as in other areas, as a part of what is usually called “Celtic” art – although we will rather refer to La Tène Art, since the adjective “Celtic” has raised no small amount of debate. Schwappach was the first to make the link between both the vocabulary and the construction models of Breton stamped pottery and La Tène art items including both metalwork and ­ceramics (Schwappach 1969: 238–266). The actual corpus shows the importance of motifs such as S, spirals and derived motifs – curvilinear swastikas, lyres, etc. – appearing from early Celtic art to the end of the period (Jacobsthal 1944). Besides, complex patterns including incised lines typically feature simplified vegetal and curvilinear designs, especially related to what has been called “vegetal” style (Megaw 2011: 289–292). The technique itself is based on a subtle relief prone to

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ambiguous and multiple interpretations close to what has been described, from Jacobsthal to the Megaws, as the Cheshire cat effect (Megaw 2011: 274). However, decorated pottery in general, and Breton stamped pottery in particular, has very little visibility in global analyses of Iron Age European art (see for example Megaw 1990; Duval 2009). Two additional reasons support the relevance of the study of stamped pottery in Brittany as a major indicator for social changes, given the fact that it can be considered as the main artistic expression in this period (Villard et al. 2003). Art items made of other materials are indeed scarce. Metal is very poorly preserved in the region, and as far as decorated items are concerned, only some pieces, such as the helmets from Tronoën in Saint-Jean-Trolimon (Duval 1990) and the dagger sheath from Kerne in Quiberon should be mentioned as the most complete and accomplished objects ­(Villard et al. 2003: 224). Because of the poor metallic assemblages, Brittany has been traditionally considered a marginal area in the La Tène world, and in fact these are old finds yielding little information on deposition

Fig. 1:  Map of the sites analysed, with the names of the main sites mentioned in the text (G. Cabanillas).

contexts, but their most interesting feature is the resemblance of the motifs and the global organisation of decoration as compared to stamped pottery (Villard et al. 2003: 224–230). A series of stone anthropomorphic figurines should be mentioned (Cherel 1996: 156ff.), but most decorated stone stelae actually show geometric patterns close to those appearing on stamped pottery (Daire 2005: 69–75). These materials are thus relevant to define a regional variety of La Tène art appearing very early – at the beginning of the fifth century BC – in Brittany, as a coherent artistic language, but also an archaic one, with parallels in earlier Celtic Europe on Hallstatt metalwork (Schwappach 1969: 246–250), and some early Iron Age Golasecca pottery (Schwappach 1969: 250–251). Moreover, both its quantitative and qualitative im-

portance should be stressed: the global distribution map (fig. 1) shows that stamped pottery occurs very frequently, and half of the well-known settlements on Base Fer – the database set up by INRAP of recently excavated Iron Age settlements in Northern France (Malrain et al. 2009) – between the fifth and the midsecond centuries have yielded stamped pottery assemblages. Some examples of structures where contexts are closed and reliable – well excavated and recorded – show that stamped sherds represent a significant category in pottery assemblages, given the rate of decorated ware. The case of Paule, in central Brittany (Menez 2008), shows that in fourth- and third-century contexts, good-quality and decorated productions typically represent 10% of the number of sherds, among which stamped pottery ranges from 50% to

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Fig. 2:  Global families of stamps (G. Cabanillas).

90%. Despite the problems for quantification, due to very different data sources which are difficult to compare, stamped pottery can thus be considered as a generalised phenomenon in Brittany in this period. From a qualitative point of view, the complexity of the compositions requires, as other authors noticed before (Schwappach 1969: 215–219; Cherel 1996: 25 – 26), the development of a typology of decoration – which will not be presented here in detail, since this is not the main subject of this article. Thought as a tool to analyse the underlying structure for the decoration, the system proposed is organised in three levels: fifteen very broad families of stamps (fig. 2), six global types of motifs and four groups of global decoration patterns. The impossibility of dealing with a huge amount of individual cases one-by-one shows the profusion and variability of stamped decoration in a decorative language where stamps usually represent very simple shapes, so that compositions are based on complex combinations. However, groups can be defined intuitively, showing a particular, homogeneous vocabulary and grammar – and individuals in the same group can be very close together.

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A very interesting point is that execution also ­appears to be extremely varied. Some decoration patterns are deliberately ambiguous, so that individual stamps cannot be distinguished from each other and it is sometimes even difficult to define which stamps have been used. This is particularly true in S friezes and spiral stamps but other friezes are also subject to several interpretations, when motifs can be read either through the stamps or through the blank spaces left between them. The creation of such an illusion required much accuracy in the execution of the pattern. Compositions of incised lines and stamp combinations, where the use of space and the drawing technique itself show advanced technical ability must have also required a skilled craftsman. In contrast, some potters failed to produce these effects and some small mistakes appear to the careful beholder: otherwise weakly printed stamps were repeated or, when space was not accurately calculated, some stamps were even replaced by incised lines. As far as the quality of vessels themselves is ­concerned, stamped Iron Age pottery in Brittany ­ systematically occurs on fine ware. All technical ­ features point to

high-quality pottery: it only contains small temper size, the first wheel-thrown pottery in the region, appearing around the mid-fourth century is stamped, graphite and burnished surface finishing giving a metallic appearance or hematite coating and painting are common. Stamped pottery is usually implemented on complex S-profile shapes belonging to the table ware category, close to the formal range that can be found everywhere else in the western La Tène area (Buchsenschutz, Bailly 2003). The problem lies on how to interpret the paradox of very common fine pottery. In this paper, we explore what this apparent contradiction can tell us about the dynamics of production, distribution and consumption of stamped pottery and what we can infer about the social background of the phenomenon and its role in creating and nuancing social relationships. Beyond this issue, in a wider setting, stamped pottery as a feature of La Tène art appears in a very original context: it is a very rich pottery, appearing in large quantities and in domestic structures, and during the whole period, thus providing a good evolution basis. So I will try to conclude on how this example could shed new light on the development of La Tène art from the viewpoint of what is usually considered as a secondary material and a marginal area. II. Archaeological data: a review of stamped pottery in Brittany (France) in its context 1. Global distribution of stamped pottery The wide distribution pattern of stamped pottery in the present-day french region of Brittany (fig. 1) suggests that several production units and consumption centres, of different sizes, existed in this period, but no certain production structures have ever been identified. Some firing structures could be identified as kilns, but lack of evidence – absence of large amounts of pottery and other production indicators – prevent us from discarding other uses. The corpus seems very consistent: no criteria have been identified to distinguish contemporary stylistic or technological groups within the study area. The main differences between the assemblages are related to chronological evolution, the only possible exception being the eastern area, including the present-day

department of Ille-et-Vilaine, which could belong to a marginal area regarding stamped pottery consumption. However, at the same time, identical types of shapes and decorations were being used in the whole area. Simple stamps belong to the same vocabulary stock that seems to have been used everywhere, but global compositions are also recurrent. For example, most fourth-century assemblages feature similar S-profiled bowls presenting decorations based on circular and S stamps organised in friezes and concentric compositions, with very small variations concerning motifs, global patterns and their situation on the vessel. Incised decoration combined with stamps on both high and low shapes show the same complex designs. Even precise motifs, such as the mask design, occurring on three different sites all over the area, do not respond to geographical patterns (fig. 3). Such coherence supports the idea of a homogeneous production area displaying a single decorative language, where the same techniques were used and evolved at the same time. This implies that as far as production is concerned either patterns and models circulated or potters moved to produce identical forms and images and regarding consumption, inhabitants of the whole area were at least interested – if not able to grasp its social implications – by this type of decoration. • Sites level All types of sites have yielded richly decorated stamped pottery in Iron Age Brittany between the fifth and the mid-second centuries. As far as the function of the site is concerned, it is to be found in small or big ­villages, rural residences of elites, cemeteries and sanctuaries. Some sherds have also appeared in some specialised sites, salt-production workshops on the coast where they represent the only good-quality richly decorated production among coarse utilitarian wares. Most interesting is a functional and stylistic change that can be noticed in the late fifth century BC: while the earliest stamped pottery – in the transition from Hallstatt to La Tène – is found in cemeteries, it quickly shifts to mainly, and almost exclusively domestic contexts.The first contexts where stamped pottery appears are cemeteries consisting of small rectangular enclosures with some 10 to 20 incinerated individuals, some included tumular structures and in cists following Ear-

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Fig. 3:  Distribution of the incised and stamped mask motif in Brittany, example of motif from Inguiniel (G. Cabanillas). According to data in Bardel 1986; Hamon 2010.

ly Iron Age traditions, which also appear isolated (Villard et al. 2007). Early stamped pottery is represented by high and medium shapes used as cinerary urns and most cemeteries feature one or two stamped urns. A good example of this is Kerjaouen, a recently excavated cemetery in the periphery of Quimper (Villard et al. 2006) (fig. 4). This typical fifth-century cemetery in Finistère – where only one out of 33 urns was stamped –, belonging to a small group of similar contemporary sites, shows that both the access to burial rites and the use of stamped pottery were clearly restricted at the beginning of the period. From the late fifth century on, this type of cemeteries disappear and ­funerary practices leave much weaker and isolated traces: stamped pottery appears in domestic contexts, on a different and wider range of shapes, including low ones. Thus, social practices related to stamped pottery

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must have changed radically, and might have reached a wider population, whether or not they were still related to funerary rituals. The shift of context, shapes and the social distribution dynamics it implies shows that stamped pottery probably changed social functions, ­although it is a stylistically continuous phenomenon. Regarding settlements, which represent the wide ­majority of sites concerned, stamped pottery is ­recorded both in rich and apparently poor sites. Settlements in this period range from small modest 1 000 – 5 000m2 enclosed farms, such as Bellevue in Augan (Hinguant et al. 1997) to large fortified monumental residences of almost 20 000 m2 such as Saint-Symphorien in Paule (Menez 2008) (fig. 5).This situation raises several issues about the consumption dynamics related to the circulation of stamped pottery: who were the consumers and what was their social status? If we consider that the

Fig. 4:  a. Plan of the fifth-century cemetery of Kerjaouen near Quimper, b. Example of stamped cinerary urn: S 119 urn found in Kerjaouen. J.-F.Villard, in Villard et al. 2006: 174, fig. 4; 178, fig. 11: S 119.

traditional model of association between luxury decorated items and elites usually applied to La Tène art can also be used in the case of stamped pottery – although it was created for the interpretation of metallic items from rich graves (Megaw 2011: 295, 299, 307) –, some questions remain: did elites live in small modest residences and even specialised production sites? To what extent can these otherwise apparently modest populations be considered as elites? • Structures level The lack of production contexts remains a problem since the first identification of stamped pottery in the nineteenth century. The absence of structures is ­striking: the large amounts of Iron Age pottery known suggest important production sites, and stamped pottery has all features for a specialised production, so how to explain the fact that structures have left virtually no traces although we have been excavating and surveying for thirty years? Some examples of production

of richly decorated pottery leaving no archaeological structures behind exist in traditional societies – see for example Somono marriage pottery in Mali (Gallay, Burri 2011). However, despite its artistic quality, it is not a specialised production to the extent that pottery-making is a part-time activity and the technological features are much simpler since pottery is never wheel-thrown. Although the use of light firing structures is possible given the technical characteristics of stamped pottery, the lack of evidence for other phases of the chaîne opératoire remains unexplained. Besides, the fact that the assemblages of stamped ­pottery in Brittany are so uniform does not allow any stylistic clues to define production and distribution areas within the region in order to solve the problem. Scientific analysis of sherds also encounters several problems: research has traditionally focused on later La Tène productions with specific mineral compositions easy to identify (see Morzadec 1995), it rarely takes into account typological groups in the sampling

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Fig. 5:  a. Map of the sites’ surface areas, when known or when an estimation is possible (G. Cabanillas), according to the data from Base Fer database, see Malrain et al. 2009 b. Plan of the enclosed farm of Bellevue in Augan (G. Cabanillas after Hinguant et al. 1997: 59, fig. 3).

process and the homogeneous geological background in the whole Armorican Massif does not help linking mineral compositions to restricted extraction ­areas. Clay quarrying is also scarcely represented in the area, except for small structures in settlements, probably ­devoted to construction (Menez 2008: 50). Otherwise, good quality stamped decoration appears often in domestic, even modest contexts, in all types of structures present in settlements, such as ditches, post-holes, pits and storage underground structures. But another interpretative problem lies in that very few contexts include primary depositions of stamped pottery, most of it has been discarded in the fills and is often associated to structure abandonment. There are, however, two key exceptions to this: a context from Kerven Teignouse in Inguiniel (Morbihan), a settlement in central Brittany, where, on bottom of a pit associated to a building and an enclosure, was found a late fourth-century lavishly decorated lid with fragments of another lid and a plate, all of them stamped (Tanguy 1998: 13–16). The subterranean structure of Plouégat-Moysan Bellevue (Finistère) in Northern

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Brittany represents a very particular case (fig. 6). Underground chambers are clearly associated to rural settlements in Iron Age ­Brittany and are interpreted as storage areas. However, fine ­ tableware plays a major role in these structures, usually because their stratigraphical sequence shows that they were filled during the Iron Age with surrounding materials including good quality pottery among which stamped ware was particularly abundant (Menez 2008: 109). On bottom of the structure in Plouégat-Moysan, however, Giot excavated a well-preserved occupation layer featuring a third-century stamped pottery assemblage represented by an S-profile and a high-necked bowl (Giot 1968: 15). III. Discussion: stamped pottery and Celtic art 1. Production background and distribution dynamics: what can be said despite the lack of evidence? The stylistic coherence of stamped pottery assemblages in Brittany shows that at a regional scale, mobility of information and/or people was very likely. Since dis-

Fig. 6:  a. Plan of the subterranean chamber of Plouégat-Moysan Bellevue (Giot et al. 1965: 118, fig. 2), b. two stamped bowls from the occupation layer (Y. Onnée, in Giot et al. 1968: fig. 4-1, fig. 8-5).

tribution patterns do not show specific concentrations of particular types, it is less likely that objects themselves circulated and probably coherence started at a pattern and form design level. This supports the idea, provided by other archaeological evidence – settlement models, other material items – of a ­coherent cultural area in which this type of decoration was playing the same social roles – the plural should be stressed. The technical features of stamped pottery, its rich decoration and high degree of standardisation clearly point to a specialised production, despite the lack of material evidence for this activity. However, the ­analysis of the contexts where stamped pottery ­appears suggests that an excessively strict vision of its distribution and consumption dynamics, and the role of richly decorated pottery as prestige good might have ­contributed

to the problem. “Celtic” art items are ­usually associated to elites and, therefore, their production is typically attributed to more or less dependent craftsmen sometimes working by a member of the elite’s order. Yet from the fourth century on, there seems to be little or no direct and exclusive link in Brittany as in the Eastern La Tène area (Zeiler 2010: 113; Golanova, 2012) between stamped pottery and especially rich individuals. The wide distribution pattern could be explained by a non-commercial distribution of this type of ­pottery through gift and exchange. Examining again the Somono marriage pottery case, it appears that a richly decorated ware, characterised by a very important production input in terms of time and specialisation – only some women can make this kind of vessels –, and

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a particularly complex chaîne opératoire, can be found in any household (Gallay, Burri 2011), thus providing a parallel because of its wide distribution in domestic contexts. This is not necessarily contradictory with craft specialisation since especially meaningful productions suggest that potters can not only be rewarded through economic devices, but also through the maintenance of ethnic and social links. 2. Consumption and social status La Tène art is traditionally associated to a restricted consumption because the items included in this ­category consist mainly of metallic finds, and are often associated with specific individuals in graves, or concentrated in hoards. However, this example shows that, according to this production’s success in this ­ period, from the late fifth on, a wider population might have had access in Brittany to high-quality, skill-demanding La Tène art items, thus suggesting a different ­model of social use of La Tène art. After the functional shift from small family cemeteries to all types of settlements, ­distribution and deposition were apparently no longer restricted, as opposed to most examples of La Tène art in other areas. Production features, such as the introduction of the slow wheel might have contributed to this, but the relevance of the shift in contexts and vessel shapes shows mainly a change in social functions. As a high-quality and specialised production, if we accept that somehow stamped pottery was consumed by elites, whatever modest they might have been, its distribution would show that power was not centralised, nor were production and consumptions of high quality power-displaying goods, which is confirmed by the settlement pattern in Brittany for this period, relying rather on a complex network of rural ­settlements and a small amount of oppida (Menez 2008: 453–454).This hypothesis leads to another: given the uneven quantity and quality of stamped pottery assemblages on sites with different status and functions, elites should not be considered as a uniform category. 3. Social function of stamped pottery: community and coherence display Given the fact that it is very coherent, the idea of stamped pottery as a tool to negotiate local and even kinship identities, as suggested in other areas such

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as Portugal (Fabião 1998: 94–96), can be discarded. However, the expression of a regional identity can be considered, through the development of specific patterns that do not occur in peripheral areas – now the Pays de la Loire region and the Manche and Calvados ­departements - where stamped pottery also appears, but later in the period and showing clearly different patterns. This interpretation is also supported by the coherence of motifs within the area on several materials – metal, stone – mentioned above. Concerning the practical function of the vessels, ­little can be said. During the whole period, stamped decoration is restricted to table ware but, since it was used at least during the fifth century as cinerary urns, there is no further evidence to support the idea that it only played a role in the consumption of food and drink. However, its rich decoration and previous use suggesting a role in power and identity display, the functional coherence of the assemblages and their primary link to funerary practices prevent from discarding a use in feasting and other public activities related to food and drink. This interpretation would explain the fact that when in context after the end of the fifth-century cemeteries, stamped pottery does not contain human remains but appears in functional combinations – lid and plate of approximately the same size in Inguiniel – or associated to storage areas – in an underground chamber in Plouégat-Moysan. The same shapes certainly appear without stamped decoration – although always on high-quality ware – but this could be explained by the existence of different levels of quality inside a functional group, as observed within stamped pottery which shows different levels of more or less skilled production. In that sense, the late fifth-century change might have represented a transition from smaller community status display during the cemeteries ­ period, to probably an internal social coherence display focusing on the power of the community, not so strictly monopolised by elites. Stamped pottery represents then only a part of a much broader transition context in the late fifth and early fourth centuries, also reflected by different funerary rites – triggering the sudden end of some artistic traditions, such as decorated stone stelae (Cherel 1996: 128) – and the creation of a network of rural settlements. The existence of different quality levels and wide

distribution pattern makes this case a good example to reflect on a possible everyday life use, and a domestic role of richly decorated pottery and generally of some items of “Celtic” art, especially those objects not directly associated with individuals, such as table ware. Although La Tène art is often and, in our opinion, wrongly considered as a homogeneous category of objects assuming similar social roles, they can all be recognised as prestige goods, and analysed in terms of access and control to these items. As we have shown, chang-

es in these key aspects of Breton stamped pottery during the Iron Age reveal that single product can adapt to different social functions thus providing ­relevant information on a wider change context in the late fifth and early fourth centuries. In a broader scope, a more detailed insight into the contexts of La Tène art and its consumption background should help understand its powerful influence on social relationships (Gosden 2001: 164 –165).

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Chronologie im Spannungsfeld überregionaler Beigabensitten – Fallbeispiel jüngerlatènezeitliche Keramik Manuel Zeiler

Zusammenfassung Die Analyse von Siedlungen zwischen dem Rhein im Westen und der Eisernen Pforte im Osten während Latène B und C beruht auf der Keramikchronologie. Diese wurde jedoch auf Basis der Keramikfunde in Gräbern erstellt, aufgrund der Funddurchmischung, dem Fehlen chronologisch empfindlicher Funde und dem von naturwissenschaftlichen Datierungen bei Siedlungsfunden. Gleichzeitig fehlen überregionale Vergleichsstudien von Keramikchronologie und Unterschieden im Bestattungsbrauch im Latène B und C. Dies ist beachtenswert, weil schon C. Pingel (1971: 97) vor mehr als 40 Jahren darauf hingewiesen hat, dass es unterschiedliche Verteilungsmuster der Präsenz oder Absenz von Keramikfunden in Gräbern auf Basis von Alter, Geschlecht und regionalem Ritus gibt. Der Wert des Erscheinens oder Verschwindens bestimmter Formen oder Verzierungen für Datierungen hängt von regionalen Bestattungspraktiken ab. Daher erscheint es problematisch, die Datierung des Erscheinens und Verschwindens von Formen und Verzierungen in Siedlungskontexten auf Basis von Grabinventaren vorzunehmen. Abstract The analysis of settlements from the Rhine in the West to the Iron Gates in the East during La Tène B to C is based on the chronology of pottery.This chronology has been constructed based on finds of pottery in burials, because of the intermixture of finds of various ages, the lack of chronologically sensitive finds and of absolute dates gathered by scientific methods in settlement sites. However, superregional studies of pottery chronology and especially of variations in burial customs are absent for La Tène B and C. This situation is noteworthy, since V. Pingel (1971: 97) noted already more than 40 years ago the existence of patterns of presence and absence of pottery in graves according to sex, age or regional rites.The informative value of dating a form or decoration depends on regional burial conventions. For this reason, dating the appearance and disappearance of forms or ornaments in settlements on the basis of inventories of burials can be problematic.

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Die Rekonstruktion der Vergangenheit Mitteleuropas während der jüngeren Latènezeit (Lt B-C) auf dem Gebiet der Latènekultur beruht im hohen Maße auf Schlüssen, die aus Befunden und dem freigelegten Sachgut ehemaliger Siedlungsplätze gewonnen werden. Grundlegend für deren Beurteilung ist ihre chronologische Einordnung, die auf dreierlei Art unternommen wird. Zum einen sind naturwissenschaftliche Datierungsmöglichkeiten aufzuführen, die allerdings selten in groß angelegte Serien mündeten und bei den alt untersuchten Fundstellen zumeist gänzlich fehlen oder heute teilweise neu zu bewerten sind. Zum anderen werden datierbare Kleinfunde aus dem Siedlungsmaterial herangezogen. Allerdings haben chronologisch eng eingrenzbare Kleinfunde in der Regel nur einen geringen Anteil am gesamten Fundspektrum auf Siedlungsplätzen.Außerdem entstammen sie so gut wie nie aus einem geschlossenen Befund, sondern sind Teil von Fundakkumulationen. Deren Dauer muss jedoch nicht mit der Datierung der Kleinfunde übereinstimmen. Folglich hat die Hauptfundgattung auf Siedlungsplätzen – die Gefäßkeramik – die größte Bedeutung als Datierungsgrundlage. Gängiger Weg zu deren zeitlicher Ansprache ist zunächst ihre relativchronologische Ordnung. Diese wird in den seltensten Fällen, mangels aussagekräftiger Befunde oder Grabungsdokumentation, allein anhand stratigraphischer Anhaltspunkte erreicht.Vielmehr ­ haben sich bei großen Materialkomplexen ­statistische Gliederungsmethoden wie Seriation oder Korrespondenzanalyse bewährt. Gelingen diese Gliederungsansätze, können sie durch stratigraphische Anhaltspunkte und das Vorkommen von Kleinfunden in den untersuchten Befunden näher differenziert oder gegen­geprüft werden. Da aber zumeist, aus dem oben schon erwähnten Mangel an naturwissenschaftlichen Datierungen sowie aussagekräftigen Kleinfunden, eine absolutchronologische Einordnung der statistisch gewonnenen relativchronologischen Gliederung aus dem Fundmaterial der untersuchten Siedlung selbst nicht möglich ist, werden zusätzlich Keramik-Analogien zur Datierung herangezogen. Diese Analogien finden sich in kleinfunddatierten Gräbern und können mitunter sogar statistisch begründete relativchronologische Gliederungen widerlegen (z. B. beim Dürrnberg b. Hallein/Österreich: Stöllner 1998 versus Brand

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1995). Bei Fundkomplexen aus Siedlungen, deren keramische Fundmenge zu gering für statistische Untersuchungen ist, sind häufig Gefäßanalogien aus Gräbern alleinige Datierungsgrundlage. Das Verständnis der Chronologie der Beigabengefäße ist damit grundlegend für die Siedlungsarchäologie im oben formulierten Zeitrahmen. Bemerkenswert ist dabei, dass schon seit vielen Jahrzehnten bemerkt wurde, dass das Auftreten und Verschwinden von Gefäßformen und Verzierungen in den Gräbern nicht automatisch mit dem Erscheinen und Verschwinden dieser Formen und Verzierungen im profanen Sachgut gleichzusetzen ist. Außerdem haben regional ausgeprägte Beigabensitten starken Einfluss auf die Auswahl und Zahl der in die Gräber gestellten Gefäße ihrer Region. Damit kann die Auswahl lediglich regionaler Keramik-Analogien aus Gräbern zur zeitlichen Einordnung von Siedlungsmaterial eine zu enge Datierung nach sich ziehen.V. Pingel hob beispielsweise für den bayerischen Raum hervor, dass die Flaschen- und Breitformenbeigabe geschlechterdifferenziert erfolgte (Pingel 1971: 97). Obwohl diese Probleme bekannt sind, werden zumeist kaum überregionale Analogien aus Gräbern zur Datierung von Siedlungskeramik herangezogen. Zum Beispiel nimmt die deutsche Forschung selten die Vielzahl reich ausgestatteter Gräber im Karpatenbecken wahr. Die Flut an Fundmaterial, die bereits bei regional fokussierten Analysen zu ­bewältigen ist, verhinderte die letzten 40 Jahre eine übergreifende Auswertung der Beigabengefäßchronologie zwischen Rhein und Eiserner Pforte. Dadurch ist die letzte übergreifende Analyse von F. Schwappach von 1969 (Schwappach 1969 bzw. vor allem: Schwappach 1975; 1979) nach wie vor eine häufig zitierte Grundlage der Keramikchronologie. Frank Schwappach entwickelte nach eigenen Aussagen eine Keramikchronologie anhand kleinfunddatierter Grabgefäße zwischen Rhein und Karpatenbecken (Schwappach 1969). In knappen Artikeln legte er Ergebnisse vor (Schwappach 1975; 1979), veröffentlichte aber nie die Materialbasis seiner Untersuchungen bzw. verwies auf seine Dissertation, die nie veröffentlicht wurde. Sie befindet sich heute im Dissertationsarchiv des Vorgeschichtlichen Seminars Marburg/Deutschland, wo Schwappach promovierte. Die Dissertation hatte die stempelverzierte Latènekeramik zum Gegen-

Abb. 1:  Gesamtverbreitung der stempelverzierten Latènekeramik nach F. Schwappach (1977: Abb. 1).

stand und besteht zu einem Teil aus einem bereits veröffentlichten Artikel über die stempelverzierte Ware aus Armorica/Frankreich (Schwappach 1969a). Sowohl zur Keramikchronologie als auch zur Stempelverzierung sucht man allerdings in der Dissertation vergeblich nach einer Zusammenstellung der Materialgrundlage. Stattdessen werden mit wenigen Verweisen Grundzüge der Formenentwicklung beschrieben und stilistische Schlüsse zur Stempelware formuliert. Das Gesamtverbreitungsgebiet der stempelverzierten Ware veröffentlichte Schwappach später in einer vielrezipierten Karte (Schwappach 1977: Abb. 1; s. Abb. 1). Deren zugehöriger Katalog findet sich weder in seinen Publikationen noch in seiner Dissertation, auf die er aber in seinen Veröffentlichungen verweist. Wohl formulierte Schwappach später gerade bei der Stempelverzierung wichtige chronologische und for-

male Aspekte, die er im regionalen Rahmen auch mit Materialkatalogen belegte (zusammenfassend zu den zahlreichen Schriften Schwappachs siehe Zeiler 2010: 20ff.), jedoch sind seine überregionalen Analyseergebnisse mangels Vorlage der Datenbasis heute schwer nachvollziehbar. Auch bleibt damit unbekannt, ob Schwappach das Erscheinen und Verschwinden einer Gefäßform bzw. Gefäßverzierung als Grabbeigabe mit deren Laufzeit im profanen Sachgut gleichsetzte. Es bleibt sogar zu hinterfragen, ob er tatsächlich überhaupt anhand der überregionalen Zusammenstellung kleinfunddatierter Gräber mit Gefäßbeigabe chronologische Ansätze entwickelte: Gerade die Her­ leitung der Datierung der Stempelverzierung anhand kleinfunddatierter Grabgefäße ist nämlich zu bezweifeln, da Schwappach bei der formalen und chronologischen Einordnung von Stempelornamen-

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ten primär toreutische Ornament-Analogien des Frühen Stils bzw. des Waldalgesheim-Stils bemühte und folglich gerade beim prominenten Gräberfeld Braubach zu enge Datierungsansätze entwickelte. Schwappachs stilistisch abgeleitete Datierung widerlegte H. E. Joachim durch die zeitliche Einordnung der Gräber anhand ihrer Kleinfunde und korrigierte den chronologischen Ansatz Schwappachs teilweise von Lt B nach Lt D (Schwappach 1977: 175ff. versus Joachim 1977). Obwohl diese Einschränkungen bemerkt und auf die Problematik der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Analyseergebnisse Schwappachs vielfach hingewiesen wurden, werden diese bis heute trotzdem als Grundlage verwendet. Im Bewusstsein dieser Problematik und dass die Laufzeit von Gefäßformen und -verzierungen als Grabbeigabe nicht mit deren Nutzungszeit in den Siedlungen übereinstimmen muss, hat der Verf. eine Studie unternommen, die auf die Entwicklung der Beigabengefäße fokussiert. Das Arbeitsgebiet liegt zwischen Deutscher Mittelgebirgsschwelle im Nordwesten und der Eisernen Pforte in Serbien im Südosten. Untersuchungszeitraum ist der Abschnitt von Lt B1 bis C2. Hauptfragestellungen sind welche Formen bzw. Verzierungen wann und wo als Grabbeigabe auftreten und wann und wo sie wieder als solche verschwinden. Da diese Studie bereits vorgelegt ist (Zeiler 2010: 52ff.), seien an dieser Stelle nur einige Aspekte heraus gegriffen. Sie zeigen auf, wie stark Beigabensitten und ihre regionalen Ausprägungen Einfluss auf die Entwicklung chronologischer Schlüsse anhand der Grabinventare haben können. Zunächst einmal ist auf Einschränkungen hinzuweisen, die sich durch den Untersuchungsgegenstand, dessen Dokumentation und die Zielsetzung der Studie ergeben. Um Zirkelschlüsse bei der Datierung zu vermeiden, wurden keine bei den jeweiligen Nekropolen entwickelten internen Chronologiesysteme berücksichtigt. Denn häufig wird dort eine relativchronologische Ordnung anhand von Kombinationstabellen der Grabausstattungen erreicht oder Beigabengefäße werden aufgrund von Analogien anderer Gräberfelder zeitlich eingeordnet. Stattdessen wurden in der Studie ausschließlich Gräber ausgesucht, die anhand ihrer jeweilig vergesellschafteten Kleinfunde zeitlich näher eingrenzbar sind. Dabei handelt es sich

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im Schwerpunkt um fibel- und ringführende Gräber, die aufgrund des guten Forschungsstandes zu diesen Fundgattungen (vor allem: Bujna 2003; 2005) überregional datiert werden können. Dadurch entzieht sich der Untersuchung allerdings die Vielzahl an Gräbern ohne diese Trachtbeigaben. Mangels anthropologischer Untersuchungen bietet die Zahl der Ringe sowie das Auftreten von Waffen im Grab Anhaltspunkte zu einer Geschlechtsbestimmung. In der Studie wurden daher Waffengräber (Gräber mit Waffen, vermutlich Männer), Ringgräber (Bestattungen mit drei oder mehr Ringen, vermutlich Frauen) und Sonstige Gräber unterschieden. Allerdings geht ab Lt B1 die relative Menge an in der Studie untersuchbaren waffenlosen und ringarmen Gräber zurück: Da sich im untersuchten Zeitraum nicht nur die Ringtrachtsitten wandeln, sondern sich auch die Brandbestattung allmählich ausbreitet, entziehen sich der Studie besonders die potentiellen Frauengräber. Die Ringzahl im Grab nimmt ab, oder durch die Einäscherung des Leichnams mit seinen Beigaben gingen chronologisch eingrenzbare Trachtelemente verloren bzw. wurden unkenntlich. Zu beachten ist außerdem, dass die Beigabe von zahlreichen Kleinfunden und erst recht von Waffen Ausdruck gesellschaftlich höher gestellter Bestatteter oder deren Angehöriger sein können. Auch repräsentieren diese Beigaben sicherlich nicht den ganzen Lebenszyklus der Bestatteten, sondern nach K. Lesick allenfalls die Lebensphasen Erwachsensein und Alter (Lesick 1997: 35). Folglich fasst die in der Studie vorgenommene Ansprache als „Männergräber“ oder „Frauengräber“ sicher nicht den gesellschaftlichen Durchschnitt der Bestatteten sondern möglicherweise nur elitäre Phänomene eines bestimmten Lebensabschnittes der betreffenden Bestatteten. Ferner sind die ausgewerteten Gräber regional sehr ungleich verteilt. Mehr als die Hälfte der Bestattungen in der Studie stammen aus dem Bereich zwischen Dürrnberg und dem Donauknie mit deutlicher Massierung am ­Donauknie (s. Abb. 2). Als letzte wichtige Einschränkung ist noch aufzuführen, dass in den verwendeten Materialvorlagen der untersuchten Nekropolen teilweise nicht alle Beigabengefäße abgebildet wurden oder durch ungenügende Fotografien oder Schrägansichten nicht verwendet werden konnten, wodurch sich wiederum eine große Zahl an Gräbern der Stu-

Abb. 2:  Nekropolen mit Gräbern der Stufen Lt B-C, zu deren Inventar Gefäße und chronologisch sensible Kleinfunde zählen (Grafik: M. Zeiler). 1 Aislingen. – 2 Apahida. – 3 Au a. Leithagebirge. – 4 Bajˇc-Vlkanovo. – 5 Balatangyörök-Kövesmez˝o. – 6 Belgrad. – 7 Blucina. – 8 Bodroghalom. – 9 Chotín. – 10 Ciume¸sti. – 11 Cleebronn. – 12 Dietzenbach. – 13 Dobova. – 14 Dobšice. – 15 Dolný Peter. – 16 Dubník. – 17 Duchov. – 18 Dudenhofen. – 19 Dürrnberg. – 20 Dvory nad Žitavou. – 21 Ebingen. – 22 Feldkirchen. – 23 Guntramsdorf. – 24 Hévíz. – 25 Holiare. – 26 Horný Jatov-Trnovec nad Váhom. – 27a Hurbanovo-Adadomb. – 27b Hurbanovo-Bacherov majer. – 28 Ižkovce. – 29 Jászberény-Cser˝ohalom. – 30 Jeniš˚uv Újezd. – 31 Judenau. – 32 Kamenín. – 33 Karaburma. – 34 Katzelsdorf. – 35 Kietrz. – 36 Kistokaj-Kültelkek. – 37 Kloster Weltenburg. – 38 Košice. – 39 Landau-Wollmesheim. – 40 Langengeisling. – 41 Libkovice-Maránské Radcice. – 42 Ludwigshafen-Oggersheim. – 43 Magyarszerdahely. – 44 Makotrasy. – 45 Malé Kosihy. – 46 Maˇna. – 47 Manching-Hundsrucken. – 48 Manching-Brandgrab 1957. – 49 Manching-Steinbichel. – 50 Memmingen. – 51 Ménf˝ocsanak. – 52 Mörbisch-Satzäcker. – 53 Muhi-Kocsmadomb. – 54 München-Obermenzing. – 55 Nebringen. – 56 Neuburg a. d. Donau. – 57 Novo Mesto. – 58 Ossarn. – 59 Pécine. – 60 Penc-Bokhegy. – 61 Pilismarót-Basaharc. – 62 Pi¸scolt. – 63 Pottenbrunn. – 64 Pöttsching. – 65 Radostán. – 66 Radovesice, Navynlídce. – 67 Ramsen. – 68 Raunheim. – 69 Rezi-Rezicseri. – 70 Sanislau. – 71 Schrattenberg. – 72 Sinsheim. – 73 Sopron-Bécsidomb. – 74 Sopron-Krautacker. – 75 Stuttgart-Cannstatt. – 76 Sulzbach a. Inn. – 77 Szomód-Kenderhegy. – 78 Thayngen. – 79 Tokod-Árpádakna. – 80 Tˇrtˇeno. – 81 Untergoritschitzen. – 82 Vác. – 83 Veszeny­Kisdebrecen. – 84 Wederath. – 85 Wien, Koppreiter-Gasse. – 86 Wintrich. – 87 Wolfsthal. – 88 Zabrušany. – 89 Ensingen. – 90 Oggau. – 91 Farmos. – 92 Gundelfingen.

die entzog. Letztendlich standen der Studie 958 Gefäße, beigegeben in 451 Gräbern aus 92 Nekropolen zur Verfügung. Um eine einheitliche Terminologie für die Formen und Verzierungen der Beigabengefäße anwenden zu können, wurden sie in einer Typologie zusammengefasst (s. Abb. 3). Sie geht vom Höhen- und Breitenverhältnis aus, was sich als Gliederungskriterium bereits lange bewährt hat (z. B. Bauer et al. 1986: 23ff.), mess-

bar und damit objektiv nachvollziehbar ist. Gefäße mit größerer Höhe als Mündungsdurchmesser sind Hoch- und im umgekehrten Falle Breitformen. Auch bei der weiteren typologischen Unterteilung wurde messbaren Kriterien der Vorzug gegeben. Bei Hochformen bestimmt die Lage des Gefäßschwerpunktes die Gesamtproportion maßgeblich. Daher sind die Hochformen in solche mit Gefäßschwerpunkt in der Mitte oder tiefer (Hu) und in Hochformen mit

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Abb. 3:  Klassifikation der Gefäßformen (Grafik: M. Zeiler).

Schwerpunkt oberhalb der Mitte (Ho) gegliedert. Die Proportion der Breitformen wird wesentlich durch das Größenverhältnis von Mündungsdurchmesser zur Gefäßhöhe bestimmt. Daher unterscheiden sich weitmundige Breitformen mit einem Mündungsdurchmesser doppelt so groß oder größer als die Gefäßhöhe (Bw) von engmundigen Breitformen mit geringerem Mündungsdurchmesser (Bs). Dem Höhen- und ­Breitenverhältnis sowie der Gefäßproportion sind Formdetails wie Oberteil- bzw. Unterteilgestaltung und auch das Vorhandensein von Henkeln als Gliederungskriterien nachgeordnet. Henkelgefäße sind im untersuchten Spektrum sehr selten und ihre in der Studie entwickelte Gliederung wurde bereits von D. Repka erweitert (Repka 2011). Herstellungstechnisch bedingte Details wie Rand­lippen- oder Standflächengestaltung sind ­ keine ausschlaggebenden Parameter für die typologische Gliederung, werden aber bei der Beschreibung der verschiedenen Typen und Varianten besprochen. Die Gefäßverzierungen stellen ­überwiegend umlaufende Rillen bzw. Rippen dar. Diesen deutlich nachgeordnet findet sich Stempelverzierung und Kammstrich. Letzterer ist ­ sicherlich primär ­keine Verzierung, ­sondern funktional bedingt,

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was bereits vielfach festgestellt wurde (z. B. Jerem, ­ ardos 1985). K Nach wie vor (Bittel 1934: 80) gilt, dass keine Gefäßform allein für Lt B oder LT C ausgegliedert werden kann.Vielmehr zeigt die Studie die Langlebigkeit der Formen auf, wohingegen die Gefäßverzierungen einem Wandel unterliegen, der Datierungsanhaltspunkte liefert. Beispielsweise werden Rippen- durch Rillenverzierungen zusehends abgelöst und Unterteilrillen finden zunehmend Verbreitung. Bei der Stempelverzierung ist eine Entwicklung von in Umrissen gestalteten Motiven hin zu erhaben ausgeführten Ornamenten in eingetieften Feldern in Lt B1 feststellbar, die sich dann von floralen zu geometrischen Motiven wandeln. Auch beim Kammstrich zeigt sich die Tendenz, dass Unterteilrillen nicht vor Lt B2 auftreten und gegitterter Kammstrich erst in der Mittellatènezeit angebracht wurde. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist zudem, dass mit der Zeit eine Schwerpunktverlagerung von Beigabensitten donauabwärts erfolgte. Sie begründet maßgeblich, dass bislang prominente ­ keramische Phänomene wie die Linsenflaschen und die Stempelverzierung zu eng datiert wurden. Bei der kammstrichverzierten Graphittonwa-

re bewirken demgegenüber regional stark verschiedene ­Bestattungssitten, dass ihr Erscheinen im allgemeinen Sachgut bislang zu spät angesetzt wird. Bevor nachfolgend auf diese drei Beispiele einzugehen ist, kann anhand flaschenförmiger Hochformen (Typ Hu 1) die Schwerpunktverlagerung und ihre Richtung am besten nachvollzogen werden. Gefäße des Typs Hu 1 ohne die Varianten Hu 1a-h (s. Abb. 3) gelangten sehr häufig in Grabkontexte im Arbeitsgebiet und stellen die Leitform der Beigabengefäße zwischen Lt B1 und C1 dar. Es handelt sich um 216 Gefäße aus 52 Nekropolen, die im Schwerpunkt zwischen Traisental/Österreich und dem Neusiedlersee freigelegt wurden. Von Lt B1 nach Lt B2 ­änderte sich die Beigabensitte. In Lt B1 beträgt das Verhältnis von Männer- zu Ringgräbern und Sonstigen Gräbern mit eingestellten Gefäßen des Typs 1:1:3. Dies entspricht dem Verhältnis dieser Geschlechtskategorien aller untersuchten Gräber in Lt B1 zueinander insgesamt. Flaschenförmige Hochformen des Typs Hu

1 wurden ebenso häufig in Männer- als auch in Frauengräber gestellt. Demgegenüber weicht das Verhältnis von Männer- zu Ringgräbern und Sonstigen Gräbern mit diesen Gefäßen während Lt C1 mit 1:0,2:4 davon deutlich ab, obwohl das Verhältnis der Geschlechtskategorien aller untersuchten Gräber in Lt C1 nach wie vor 1:1:3 beträgt. Demnach blieben flaschenartige Hochformen über den gesamten betrachteten Zeitabschnitt regelhaftes Inventar von Männergräbern, wohingegen sie in der Mittellatènezeit seltener in Frauengräber gelangten. Bemerkenswert ist, dass die Beigabensitte, Gefäße des Typs Hu 1 in das Grab zu stellen, eine östlich ausgerichtete Schwerpunktverlagerung erkennen lässt (s. Abb. 4). Von Lt B1 bis C1 dehnt sich das Verbreitungsgebiet vom anfänglichen Raum Rhein-Donauknie bis in das östliche Karpatenbecken aus. Die Fundstellenschwerpunkte verlagern sich vom Gebiet Traisental-Neusiedlersee (Lt B1), zum Donauknie (Lt B2) und weiter zum Gebiet zwischen Donauknie-Theiss (Lt C1) donauabwärts. Wichtig ist

Abb. 4: Verbreitung von Bestattungen mit flaschenförmigen Hochformen des Typs Hu 1 während Lt B1 und C1 (nach Zeiler 2010: Abb. 54 u. 57).

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Abb. 5:  Unmaßstäbliche Beispiele für Linsenflaschenderivate. – A: Dürrnberg, Grab 44/1 (nach Penninger 1972: Taf. 42/A, 10). – B: Kistokaj-Kültelkek, Grab 12 (nach Hellebrandt 1999: Taf. 72, 31). – C: Maˇna, Grab 43 (nach Benadík 1983: Taf. 19/43, 10).

dabei die Feststellung, dass sich trotz Schwerpunktverlagerung in Lt C1 dennoch seltene Gräber im Westen des Arbeitsgebietes mit eingestellten flaschenartigen Hochformen finden lassen. Demnach spiegelt die Seltenheit der Form Hu 1 in den Grabinventaren im Westen ganz sicher nicht das keramische Spektrum im profanen Sachgut wieder. Vielmehr werden diese Gefäßformen dort nach wie vor regelhafter Bestandteil gewesen sein. Die anhand der Gefäßform Hu 1 aufgezeigte donauabwärts gerichtete Ausbreitung einer Bestattungssitte findet sich auch allgemein bei der Brandbestattungssitte wieder. Sie zeigt sich darüber hinaus bei dem nachfolgenden Brauch, die Toten auf eine Art und Weise zu behandeln, die archäologisch kaum nachweisbar ist, da eindeutige Bestattungen zunehmend verschwinden. Dieser Wandel kombiniert mit der Änderung der Ringtrachtsitten sowie der zunehmend schlechten Erhaltung von Kleinfunden in Brandbestattungen (s. o.) hat zur Folge, dass ab der Mittellatènezeit Ringgräber und besonders Sonstige Gräber sich allmählich der Chronologiestudie entziehen. Waffengräber, die häufig mehr oder besser erhaltene Kleinfunde auch in Brandbestattungen aufweisen, sind dagegen ab der Mittellatènezeit in der Studie überrepräsentiert. ­Folglich sind die Beigabengefäße, die aus mittellatènezeitlichen Grabinventaren bekannt sind, lediglich als Ausschnitt der gleichzeitig profan verbreiteten Gefäßformen zu begreifen. Verschwinden Beigabengefäßformen in der Mittellatènezeit, so ist zu hinterfragen,

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ob dies mit dem Verschwinden dieser Form im profanen Sachgut gleichzusetzen ist, oder ob vielleicht eher veränderte Beigabensitten die Begründung dafür sein können. Diese Problematik lässt sich gut anhand der Entwicklung der Linsenflaschen als Beigabengefäße darstellen. Linsenflaschen waren bekanntlich schon häufig Forschungsgenstand (Voigt 1969; Schwappach 1975: 111f.; 1979; Stöllner 1996/2002: 172ff.; Tappert 2006: 208ff.) und gelten, trotz ihrer jüngsten Zusammenstellung von T. Stöllner, der ihre Existenz über Lt B hinaus betonte (Stöllner 1996/2002: 172ff.), als typische Gefäßform der Stufe Lt A oder zumindest der Frühlatènezeit. Linsenflaschen wurden vergleichbar mit Kleinfunden als Datierungskriterium für Lt A verwendet (Reinecke 1911: 65; Jensen 1986: 76; Koch 1991: 151; 154) oder werden in Berufung auf Schwappachs Chronologiestudien in die Frühlatènezeit datiert (Tappert 2006: 208), obwohl dieser selbst die Existenz dieser Gefäßform über Lt B hinaus beschrieb (Schwappach 1979: 19). In Anlehnung an die zitierten Untersuchungen Stöllners sind in der Studie des Verf. neben der „klassischen“ Linsenflaschenform Typ Hu 2 mit deutlich ausschwingendem Gefäßbauch und gerader Halspartie auch verwandte Formen des Typs Hu 1c sowie Übergangsformen des Typs Hu 1 mit einbezogen (s. Abb. 3 u. 5), die bis auf die weniger lange Halspartie die gleichen bzw. etwas weniger deutlich ausgeprägten Formeigenschaften eines Dekantiergefäßes aufweisen und nachfolgend als Linsen-

Abb. 6: Verbreitung von Linsenflaschen und deren Derivaten zwischen Lt A und Lt C (nach Zeiler 2010: Abb. 60).

flaschenderivate angesprochen werden. Diese Derivate werden als Vorläufer (Stöllner 1996/2002: 172ff.) bzw. auch als Nachfolger (Tappert 2006: 209f.) des Typs Hu 2 diskutiert. Dieser beschränkt sich im Wesentlichen auf das Gebiet von Böhmen, Bayern und den Nordostalpenraum, wogegen die Fundstellen der Derivate besonders weiter östlich liegen. Problematisch ist die Ausgangssituation, dass sich ein beträchtlicher Teil der Linsenflaschen und ihrer Derivate in unbekanntem oder chronologisch unsensiblem Kontext fanden (s. Abb. 6). Die Datierbaren stammen dagegen aus 15 Lt A-Fundstellen, 11 aus Lt B-Fundstellen und 3 aus Lt B2/C1- bzw. Lt C1-Fundstellen. Dieses Verbreitungsbild scheint damit zu bestätigen, dass die Linsenflaschen typisch für die Frühlatènezeit sind, zumal die jüngsten Vertreter der ausgeprägtesten Form Typ Hu 2 aus den Lt B2- Gräbern 20/2 und 46/2 (Penninger 1972: Taf. 50/B: 16–17; Taf. 19: 19/A: 17) stammen. Von Lt A bis Lt B werden die Linsenflaschenproportionen ausgeglichener und nähern sich denen vieler

Vertreter der Linsenflaschenderivate an. Da einzig sie jünger als Lt B2 datieren, ist zu diskutieren, dass die Derivate die klar ausgeprägte Form ablösten, aber aufgrund ihrer formalen Ähnlichkeit dieselbe Funktion erfüllt haben können. Linsenflaschen als auch ihre Derivate finden sich überproportional in Gräbern mit großen Geschirrsätzen, die im Westen des Arbeitsgebietes ab Lt B2 verschwinden und östlich des Neusiedlersees vermehrt erst in Lt B2 auftreten. Dies kann zum einen der Grund sein, warum die klassische Form Hu 2 nicht vor Lt B2 im östlichen Arbeitsgebiet in Grabkontexten auftritt, und dies kann auch der Grund sein, warum keine mittellatènezeitlichen Vertreter dieser Gefäßform aus Gräbern im westlichen Arbeitsgebiet bekannt sind. Da Bestattungen mit großen Geschirrsätzen auch im Osten des Arbeitsgebietes bereits wieder ab Lt C1 verschwinden, bietet sich dort auch ein Erklärungsansatz für das Fehlen von Linsenflaschenderivaten in Grabkontexten ab Lt C1. Die Herleitung des Zeitpunktes des Verschwindens der

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Abb. 7: Verbreitung von Grabgefäßen mit Stempelverzierung der Stufe Lt B1 (nach Zeiler 2010: Abb. 80).

Linsenflasche im profanen Sachgut anhand der Gräber ist damit problematisch. Mittellatènzeitliche Vertreter sind möglich und, begründet mit der Datierung der formal eng stehenden Linsenflaschenderivate aus Lt C-Kontext, sogar zu erwarten. Deren Laufzeitende im profanen Sachgut ist allerdings aufgrund des Wandels der Beigabensitte – dass Bestattungen mit großen Geschirrsätzen ungebräuchlich werden –, nicht mit ihrem Verschwinden als Grabbeigabe gleich zu setzen. Ebenso wie die Linsenflaschen gilt auch die Stempelverzierung als Phänomen mit Schwerpunkt in der Frühlatènezeit. Die bereits oben zitierten Arbeiten Stöllners und C. Tapperts beschreiben neben wichtigen Aspekten zur Entstehung der Gefäßverzierung vor allem auch ihre häufige Anbringung besonders während Lt A. Die östliche Grenze des Verbreitungsgebietes liegt dabei zwischen Transdanubien und dem Donauknie in Ungarn (Stöllner 1996/2002: 228f.; Tappert 2006: 191ff.). Fundstellenkonzentrationen ­liegen in Süddeutschland, Böhmen und dem östlichen

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­ sterreich. Bislang wenig Beachtung fanden hingegen Ö die Analysen P. Gampers zur stempelverzierten Ware im inneralpinen Raum, obwohl sie eine differenzierte  auf Befundstratigraphie und 14C-Daten beruhende – chronologische Gliederung von Stempeleinzelmotiven erreichte und darüber hinaus die Existenz ­dieser Gefäßverzierung im profanen Sachgut noch in Lt C2 nachwies (Gamper 2006: 36ff.). In der Studie zu den Beigabengefäßen des Verf. finden sich 66 ­Grabgefäße mit dieser Verzierung, was nur einem Anteil von 7% aller in der Studie untersuchten Grabgefäße, insgesamt aber 11% aller verzierten Gefäße der Analyse entspricht. Somit sind stempelverzierte Gefäße grundsätzlich eher eine seltene Grabbeigabe. Das Verbreitungsgebiet der Gräber mit stempelverzierten Gefäßen in Lt B1 weicht von den oben beschriebenen Verbreitungsschwerpunkten in Lt A deutlich ab (s. Abb. 7). Neben einer deutlichen Konzentration am Dürrnberg sowie zwischen Traisental und Neusiedlersee befinden sich nur noch vereinzelt stempelverzierte Grabgefäße

Abb. 8: Verbreitung von Grabgefäßen mit Stempelverzierung zwischen Lt B2 und C2 (nach Zeiler 2010: Abb. 81).

im Rhein-Main-Neckarraum/Deutschland sowie bis zum Donauknie/Ungarn. Auffällig ist vor allem das Fehlen dieser Verzierung auf Beigabengefäßen in Süddeutschland und Böhmen. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich Stempelverzierung auch noch auf Beigabengefäßen in späteren Zeitabschnitten findet, allerdings mit östlich verlagertem Verbreitungsschwerpunkt (s. Abb. 8). Denn in Lt B2 ist die Fundstellenkonzentration in Ostösterreich und Westungarn nahezu verschwunden, wogegen die meisten auf diese Art verzierten Gefäße im Raum zwischen Drau, Donauknie und östlichem Karpatenbecken freigelegt wurden. Nach Lt C1 konnte nur noch ein Beigabengefäß aus Bayern im Arbeitsgebiet ausfindig gemacht werden (Manching Steinbichel, Grab 1; Krämer 1985: Taf. 1, 5). Somit zeigt sich erneut eine Schwerpunktverlagerung einer Beigabensitte mit der Zeit donauabwärts an. Das allmähliche Verschwinden der Stempelverzierung auf den Beigabengefäßen kann damit erklärt werden, dass Stempelware sich zumeist in wenig um-

fangreich ausgestatteten Bestattungen der Kategorie Sonstige Gräber findet. Diese entziehen sich allerdings der Studie besonders ab Lt C1 (s. o.), folglich scheinen auch stempelverzierte Grabgefäße zu verschwinden. Allerdings kommen sie, insgesamt betrachtet, regelhaft im Arbeitsgebiet von Lt B1 bis zumindest Lt C1 vor, da sich in diesem Zeitraum das Verhältnis von Gräbern mit Stempelware zu solchen ohne Stempelware lediglich von 1:3 zu 1:5 wandelt. Damit ist auch hier zu hinterfragen, ob die anhand von Grabfunden abgeleitete Datierung der Stempelware als Phänomen der Frühlatènezeit auf ihre Laufzeit in Siedlungskontexten übertragen werden kann. Im Rahmen der Diskussion zum Vortrag des Verf. auf den 5. Linzer Gesprächen zur interpretativen Eisenzeitarchäologie merkte V. Salaˇc an, dass Stempelware in Böhmen tatsächlich nach der Frühlatènezeit aus bislang unpublizierten Kontexten von Siedlungen mit jeweils kurzer und gut datierbarer Laufzeit verschwindet. Somit ließe sich aus den Bestattungen dieser Region mit Stempelverzierung, die

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Abb. 9: Verbreitung jüngerlatènezeitlicher, im Text genannter Siedlungen mit hohem Anteil an kammstrichverzierter Graphitton­ keramik im Fundspektrum sowie von potentiell nutzbaren Lagerstätten von Graphit bzw. Graphiterde (Grafik: M. Zeiler).

ja nach Lt A verschwinden, tatsächlich die Laufzeit der Verzierung im regionalen profanen Sachgut ableiten. Neben der Veröffentlichung dieses Siedlungsmaterials sind aber auch die Vorlage gut datierter mittellatènezeitlicher Siedlungszusammenhänge mit kurzer Laufzeit abzuwarten, die auch für den süddeutschen Raum aufzeigen könnten, ob stempelverzierte Gefäße dort genauso wie in den Bestattungen der Region unüblich werden. Kammstrichverzierte Graphittonware hat insbesondere im Gebiet zwischen Bayern und Transdanubien einen großen Anteil an der Gesamtmenge der Siedlungskeramik jüngerlatènezeitlicher Siedlungen oder dominiert sogar das Fundspektrum. Beispielsweise beträgt ihr Anteil am Dürrnberg 63% (Brand 1995: 141), in Michelndorf/Österreich sogar 76,9% (Kalser 2008: 23), in Göttlesbrunn/Österreich 24,4% (Karl, Prochaska 2005: 58) oder in Sopron-Krautacker/Ungarn immerhin noch 24%. Dieses hohe Aufkommen ist durch

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die relativ große Nähe der erwähnten Siedlungen zu potentiellen Lagerstätten von Graphit bzw. Graphiterde erklärbar (s. Abb. 9). Da kammstrichverzierte Graphittonware in Siedlungen dieses Raums so häufig vertreten ist, misslang dort auch, das Erscheinen dieser Keramik im Sachgut aussagekräftig anhand Korrespondenzanalyse oder Seriation zu bestimmen: Um dieses statistische Verfahren überhaupt anwenden zu können, ist vielmehr diese Gefäßgattung als „Durchläufer“ der Analyse auszuschließen. Gesichert ist immerhin, dass sie in Lt C verbreitet war, und ihr Erscheinen im profanen Sachgut wird daher mehrheitlich ab Lt C datiert. ˇ Allerdings beschrieb bereits M. Cižmᡠr ihr Auftreten auf Grundlage der Auswertung von Beigabengefäßen ˇ aus der Slowakei in Lt B2 (Cižmᡠr 1975). Tatsächlich datiert immer noch der ­älteste Vertreter dieser Gefäßgattung aus Grab 8 der Nekropole Dubník/Slowakei (Bujna 1989: Taf. 6, 10) in Lt B2. Allerdings lässt das in diesem Grabkontext aufgefundene Fibelfragment mit

Abb. 10: Verbreitung kammstrichverzierter Beigabengefäße zwischen Lt B und Lt C sowie von Graphitlagerstätten (nach Zeiler 2010: Abb. 78).

hochgewölbtem Bügel, massivem Querschnitt und Spirale mit kleinem Querschnitt sich mit besser erhaltenen Exemplaren der Nekropolen vergleichen (Grab 18, Bujna 1989: Taf. 27, 1; Grab 20A, Bujna 1989: Taf. 23, 8), die nach J. Bujna (Bujna 2003) auch eine zeitliche Einordnung in Lt B1c erlauben. Ein sicherer Vertreter eines kammstrichverzierten Graphittongefäßes aus einem eindeutig in Lt B1 zu stellenden Grabzusammenhang lässt sich jedoch nicht ausmachen. Allerdings sind auch hier wieder spezielle und regional begrenzte Beigabensitten aufzuzeigen, die zum bislang zu jung datierten Erscheinen dieser Keramik im profanen Sachgut geführt haben. Zunächst einmal ist hervorzuheben, dass kammstrichverzierte Graphittongefäße überhaupt nur selten in Gräber gelangten. Lediglich 4,1% der in der Beigabengefäß-Studie untersuchten Objekte zählen zu dieser Keramikgattung. Des Weiteren ist die Lage dieser Gräber im Vergleich zur Lage der potentiell nutzbaren Lagerstätten von

Graphit bzw. Graphiterde bemerkenswert (s. Abb. 10). Während nämlich lagerstättennah, also in dem Gebiet, in dem auch die kammstrichverzierte Graphittonkeramik teilweise sogar das Fundspektrum in den Siedlungen dominiert, beinahe keine Gräber mit diesen Gefäßen im Kontext auszumachen sind, wurden die meisten Beigabengefäße in Gräbern aufgefunden, die weitab der Lagerstätten liegen. Diese Gräber befinden sich zumeist östlich Transdanubiens mit deutlichem Schwerpunkt am Donauknie­bereich. Es deutet sich an, dass in den Regionen, in denen diese Keramik importiert werden musste, ihre Wertschätzung größer war als dort, wo sie leichter verfügbar war oder sogar Massengut darstellte. Dafür spricht, dass sich kammstrichverzierte Gefäße zumeist nur in Grabkontexten mit großen Geschirrsätzen finden (mindestens fünf Beigabengefäße). Diese treten allerdings östlich Transdanubiens mehrheitlich erst ab Lt B2 auf, was der Grund dafür sein kann, dass bislang kammstrichverzierte Gra-

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phittontöpfe aus keinen Lt B1-Gräbern dieser Region bekannt sind. Das späte Auftreten großer Geschirrsätze in Gräbern des Ostens sowie das Fehlen der Gefäßgattung in Grabkontexten der graphitlagerstättennahen Regionen determinieren derzeit die Datierung des Erscheinens kammstrichverzierter Graphittonware im profanen Sachgut. Ihr Auftreten in Lt B1 ist in den graphitlagerstättennahen Regionen wahrscheinlich, wenn auch dort die bislang einzige Bestattung mit einem solchen Beigabengefäß am Dürrnberg (Grab 344, Lt B2, Zeller 2003: 548f.) diesem früheren Datierungsansatz widerspricht. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Ab­ leitung des Zeitpunktes des Erscheinens oder Verschwindens von jüngerlatènezeitlichen Gefäßformen bzw. Gefäßverzierungen im profanen Sachgut anhand von Grabinventaren problematisch ist. In Abhängigkeit von Zeit, Region, Ausstattungsgröße, Ausstattungskontext und Geschlecht der Bestatteten gelangten Gefäße in Gräber oder wurden dort nicht (mehr) eingestellt. Die Beigabensitten wirken wie ein Schleier, der bereits die Laufzeit von Gefäßformen und -Verzierungen im Grabkontext vernebelt. Folglich ist die Parallelisierung der Laufzeit dieser Gefäßformen und

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ihrer Verzierungen in Siedlungen mit ihren Analogien, besonders wenn nur regionale herangezogen werden, irreführend. Es besteht die Gefahr, dass die tatsächliche Laufzeit der Keramik im Alltagsgebrauch zu eng datiert wird. Die donauabwärts ausgerichtete Verlagerung von Beigabengefäßsitten hat zudem zur Folge, dass im westlichen Arbeitsgebiet keramische Phänomene früher als im östlichen Arbeitsgebiet zu beginnen und zu enden scheinen. Die oben geschilderte Diskussion um die Datierung der stempelverzierten Keramik in Böhmen zeigt auf, dass letzten endlich eine aussagekräftige Datierung der tatsächlichen Laufzeit von Keramik nur anhand von Siedlungskontexten möglich ist. ­Allerdings sind hierzu Siedlungen mit langer Existenzdauer und damit hoher Durchmischung von Funden verschiedener Zeiträume ungeeignet. Es fehlen derzeit Materialvorlagen von Siedlungen mit kurzer Laufzeit bei gleichzeitig eindeutiger Datierung. Deren keramisches Fundspektrum könnte für einen Zeitabschnitt und eine Region stehen und in der Zusammenschau mit dem Material weiterer kurzlebiger Siedlungen anderer Regionen und Epochen ein repräsentatives Bild von der Entwicklung der Keramik liefern.

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Dr. Manuel Zeiler LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe In der Wüste 4 D-57462 Olpe [email protected]

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Keltisches Gefolgschaftswesen und Totenfolge im Lichte archäologischer und althistorischer Quellen Alfred Reichenberger

Zusammenfassung Griechische und lateinische Quellen berichten wiederholt über Erscheinungen für verschiedene Völkerschaften – Skythen, Kelten und Germanen –, die in den Altertumswissenschaften mit dem Begriff ‚Gefolgschaft’ im weitesten Sinne umschrieben werden. Insbesondere bei den Kelten reichen die Vorstellungen von einem gegenseitigen Treueverhältnis über die Tischgemeinschaft mit damit verbundenen Wettkämpfen bis hin zur Totenfolge. Während die schriftlichen Nachrichten wie etwa bei Diodorus Siculus oder Poseidonios von Apameia immer nur den „Blick von außen“ aus der Perspektive der Griechen und Römer widerspiegeln, lassen sich im archäologischen Fundgut gelegentlich direkte Hinweise auf das keltische Gefolgschaftswesen gewinnen. So ist etwa der Fürst von Hochdorf mit neun Trinkhörnern bestattet worden, von denen sicherlich nur das kostbarste für ihn selbst gedacht war, während die übrigen Rückschlüsse auf sein Gefolge im Diesseits wie im Jenseits vermuten lassen. Er lag auf einer Kline, die mit figürlichen Darstellungen eines Schwerttanzes verziert ist.Weitere Elemente des Gefolgschaftswesens zeigen Darstellungen auf den Erzeugnissen der Situlenkunst. Schwieriger ist regelrechte Totenfolge nachzuweisen. Vielleicht sind aber einige Mehrfachbestattungen von Kriegern im Sinne von gemeinsam bestatteten Waffenbrüdern zu interpretieren. Trotz der Lückenhaftigkeit der archäologischen und der oft tendenziösen literarischen Überlieferungen ermöglicht ein interdisziplinäres Herangehen Einblicke, die eine Quellengattung für sich allein nicht erbringen kann. Eine kritische Herangehensweise beim Vergleich archäologischer und schriftlicher Quellen ist gleichwohl angeraten.

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Abstract Greek and Latin sources repeatedly report phenomena for different nations – Scythians, Celts, Germans – usually described in classical studies as ‘retainers’ in the broadest sense. Especially among the Celts, the ideas range from mutual loyalty to the table fellowship with associated competitions all the way to succession into the grave. While the texts of e.g. Diodorus Siculus or Posidonius of Apamea reflect only the ‘outsider view’ from a Greek or Roman perspective, sometimes more direct references to the Celtic retinue can be obtained from archaeological findings. For example, the ‘Prince of Hochdorf’ was buried with nine drinking horns, of which surely only the most precious one was made for himself, while the others may provide grounds to draw conclusions about his entourage both in this world and the hereafter. He was lying on a kline, decorated with figural representations of a sword dance. Further elements of the pledge of allegiance are shown in situla art. It is much harder to prove a regular succession into the grave. But perhaps some multiple burials of warriors are to be interpreted within the meaning of brothers in arms buried together. Despite the fragmentary nature of the archaeological and often very biased literary sources, an interdisciplinary approach allows some insights that one source alone could not provide. However, a critical approach when comparing archaeological and written sources is always recommended.

In seiner wunderbaren Archäologie-Parodie „Motel der Mysterien“ beschreibt David Macaulay die Ausgrabung eines Motels im Jahre 4022 n. Chr., das zweitausend Jahre vorher in Folge einen Katastrophe verschüttet worden war (Macaulay 2000). Der Held des Buches, der Hobby-Archäologe Howard Carson, kommt dabei zu erstaunlichen Schlüssen, die uns deswegen erheitern, weil wir natürlich wissen, was es mit diesem Motel und seinen toten Bewohnern tatsächlich auf sich hat. Gleichwohl sollte die Satire aber auch zu denken geben. Denn oftmals befindet sich die Archäologie in eben der Lage, dass Befunde kaum gedeutet werden können oder vielleicht ganz anders gedeutet würden, wenn schriftliche Quellen zur Verfügung stünden. Andererseits sind aber auch die Schriftquellen oft nur mit Vorsicht zu verwerten. Dieses Spannungsfeld soll an einigen Beispielen dargestellt werden. Aus dem Umfeld der antiken Hochkulturen berichten die griechischen und lateinischen Quellen immer wieder über Erscheinungen bei verschiedenen Völkern – Skythen, Thrakern, Germanen, Kelten –, die in den Altertumswissenschaften mit dem Begriff des „Gefolgschaftswesens“ und damit verbunden der „Totenfolge“ im weitesten Sinne umschrieben werden1.

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Doch beschreiben die antiken Autoren tatsächliche Erscheinungen oder verklären bzw. verteufeln sie nur den Gegner? Sind die beschriebenen Phänomene im archäologischen Befund nachweisbar? Und: Würden wir bestimmte archäologische Befunde anders interpretieren, wenn wir die Schriftquellen nicht hätten? Ein schwerwiegendes Problem bei der Auswertung der Schriftquellen bildet die Tatsache, dass sie samt und sonders aus der Sicht der antiken Hochkulturen, also „von außen“ berichten und damit nur indirekte Quellen bilden. Von den Problemen der Überlieferung generell und im konkreten Einzelfall, wie die antiken Texte überhaupt auf uns gekommen sind, ganz zu schweigen. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden (vgl. etwa Jäger 1975: bes. 32–59). Hinzu kommt ferner, dass sie häufig nicht einmal zeitgenössische antike Quellen darstellen, sondern über tatsächliche oder vermeintliche Phänomene berichten, die schon damals lange Zeit zurücklagen. Dies ist immer im Auge zu behalten. Als sehr viel unmittelbarer sind demnach die archäologischen Quellen zu werten, die deshalb in der Regel authentischer sind (Müller-Karpe 1975: 39). Im Gegensatz zu Siedlungsfunden stellen Grabbeigaben,

und um solche geht es bei den folgenden Beispielen, immer eine bewusste und gezielte Auswahl von Gegenständen dar, die daher gewisse Rückschlüsse auf die Intention der Grabausstattung zulassen (vgl. z. B. Eggers 1974: 14–18; Eggert 2005: 1). Nichtsdestotrotz gelingt es für vorgeschichtliche, also per definitionem schriftlose Kulturen (Eggers 1974: 14–18; Eggert 2005: 1) nur selten, genauere Aussagen zum geistigen Hintergrund der bestatteten Personen zu erschließen. Das Thema ist insofern auch ein Exempel für die Grenzen der archäologischen Wissenschaft überhaupt (vgl. auch Reichenberger 2009). Der Begriff des Gefolgschaftswesens ist nicht gleichzusetzen mit Vorstellungen aus der mittelalterlichen Welt, wie sie etwa geprägt sind durch König Artus und seine Tafelrunde. Insbesondere bei den Kelten reichen die Vorstellungen von einem gegenseitigen Treueverhältnis über die Tischgemeinschaft und damit verbundene Wettkämpfe bis hin zur Totenfolge. Ich folge hier der aus dem germanischen Gefolgschaftswesen abgeleiteten Definition von Hans Kuhn als einem „Verband durchweg freier Männer im ständigen, aber nicht lebenslänglichen Dienst eines Mächtigeren, seinem Haushalt angehörend und nur für Waffendienst und Repräsentation bestimmt, in geachteter Stellung im gegenseitigen Treueverhältnis zu ihrem Führer“ (Kuhn 1956: 12; vgl. auch Landolt 1998: 533). Inwieweit diese aus der Germania des Tacitus erschlossene Definition für den dort verwendeten Terminus comitatus ‚Gefolgschaft‘ bzw. comes ‚Gefolgsmann‘ in der Literatur vielfach auf die für die Kelten bei Polybios (um 200 v. Chr. – um 120 v. Chr.) genannten hetairíai oder bei Caesar erwähnten soldurii, einem gewiss keltischen Wort, übertragbar ist, bedürfte einer ausführlichen Diskussion. An dieser Stelle mag sie jedoch als gegeben ausreichen. Doch sei der Blick zunächst auf einige antike Nachrichten gelenkt. Ein besonders eindrückliches Beispiel überliefert Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.) für die Zeit um 279 v. Chr., als die Kelten Delphi plünderten. Er berichtet von dem Tyrannen Apollodoros von Poteideia auf der Chalkidike, dass dieser Krieger in Form einer Schwurgemeinschaft an sich gebunden habe, deren Kern keltische doryphoroi bildeten. Diese doryphoroi wiederum bilden nach dem Zeugnis des Poseidonios von Apameia (135–51 v. Chr.) die engs-

ten Mitglieder der Tischgemeinschaft und des Gefolges des Königs. Hören wir zunächst Poseidonios: „Wenn mehrere zusammen essen, sitzen sie im Kreis, der Mächtigste wie ein Chorführer in der Mitte – dieser übertrifft die anderen an kriegerischer Fertigkeit oder an Herkunft oder an Reichtum –, neben ihm der Gastgeber, dann der Reihe nach die andern beiderseits nach der Würde des Ranges, den sie einnehmen. Die Schildträger (thyreous hoplophorountes) stehen hinter ihnen, die Speerträger (doryphoroi) aber setzen sich gegenüber im Kreise hin und schmausen wie ihre Herren. Die Diener reichen das Getränk in Gefäßen herum, die ambikes (i.e. Schalen mit ausgebogenem Rand; Anm. d. Verf.) gleichen, entweder in tönernen oder in silbernen. Auch besitzen sie ebensolche Schüsseln, auf die sie Speisen legen, andere besitzen welche aus Bronze und wieder andere aus Ruten geflochtene Körbe. Das Getränk ist bei den Reichen aus Italien und aus dem Land der Massalioten importierter Wein. Dieser ist aber unvermischt; bisweilen wird auch ein wenig Wasser hinzugefügt. Bei den etwas Geringeren ist das Getränk Weizenbier, das mit Honig zubereitet ist, bei der großen Masse dieses für sich (ohne Honig); genannt wird es Korma. Aus ein und demselben Gefäß schlürfen sie langsam, nicht mehr als einen kleinen Schluck; das jedoch tun sie häufiger. Der Diener trägt rechts und links (das Gefäß) herum; so werden sie bei Tisch bedient. Und den Göttern huldigen sie, indem sie sich nach rechts wenden“ (FGrH 87, F 15 = Athen. IV, 151 e – 152 d; Übersetzung nach Stark 1988: 69). Und nun Diodor: „Apollodoros wollte eine Tyrannenherrschaft errichten und dachte, seine Verschwörung abzusichern. Er lud einen jungen Burschen ein, einen von seinen Freunden, um ihn zu opfern, schlachtete ihn als Weihegabe für die Götter, gab den Mitverschwörern die Eingeweide zu essen, und nachdem er das Blut mit Wein vermischt hatte, bot er es zum Trank an“ (Diod. 22, 5, 1; Übersetzung Verf.). Auch bei den Sotiaten im gallischen Aquitanien banden ausgewählte Krieger – devoti, deren keltische Bezeichnung nach Caesar soldurii laute –, ihr Schicksal an ihre Oberen, das sie ebenso freiwillig wie bedingungslos teilten. Insbesondere folgten sie ihm gemeinsam in den Tod: „… versuchte Adiatunnus, der feindliche Oberbefehlshaber, an der Spitze von 600 Getreuen (devotis),

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Abb. 1:  Rekonstruktion der Grabkammer des Fürstengrabhügels von Hochdorf mit der Anordnung der Beigaben. Der tote Fürst liegt auf der Kline. Zu seinen Füßen steht der Bronzekessel. Hinter seinem Haupt hängt sein Trinkhorn sowie daneben acht weitere, kleinere Trinkhörner. Nach Biel 1985c: 102, Abb. 119.

welche in jener Sprache „soldurier“ heißen (illi soldurios appellant), auf der anderen Seite der Stadt einen Ausfall zu machen. Mit den Solduriern hat es folgende Bewandtnis: sie pflegen mit demjenigen, dem sie sich in Freundschaft ergeben haben, alle Freuden des Lebens zu genießen, wenn jenem aber gewaltsamerweise ein Unglück zustößt, entweder dasselbe Schicksal mit ihm zu teilen oder sich selbst den Tod zu geben. Und bis jetzt hat man seit Menschengedenken noch keinen gefunden, der nach dem Tode des Mannes, dem er sich verbunden hatte, zu sterben sich geweigert hätte“2. Vergleichbares berichtet Valerius Maximus, ein Autor aus tiberianischer Zeit, für den keltiberischen Bereich3. Schließlich ist noch ein Bericht des Poseidonios von Apameia zu erwähnen, der bei Athenaios von Naukratis (2./3. Jh.) überliefert ist, und der uns vielleicht die beste Vorstellung davon gibt, wie die Tischgemeinschaften ausgesehen haben mögen: Poseidonios sagt im 23. Buch der ‚Historien‘: „Die Kelten führen zuweilen beim Mahle Zweikämpfe auf. Sie versammeln sich unter Waffen, führen Scheinkämpfe auf und ringen miteinander. Aber manch-

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mal kommt es zu Verletzungen, und im Zorn darüber treiben sie es sogar bis zum Totschlag, wenn nicht die Anwesenden einschreiten. Früher, sagt er, erhielt der Mächtigste das beste Stück von dem aufgetragenen Schinken. Wenn ein anderer darauf Anspruch erhob, kämpften sie im Zweikampf bis zum Tode. Andere auf dem Schauplatz empfangen Silber oder Gold, wieder andere eine Anzahl von Weingefäßen, und wenn sie sich gegenseitig für das Geschenk Bürgschaft geleistet und es an Verwandte oder Freunde als Geschenk verteilt haben, strecken sie sich rücklings auf die Schilde aus, und einer, der daneben steht, schneidet ihnen mit dem Schwert die Kehle durch4.“ Zwei wichtige Gesichtspunkte des keltischen Gefolgschaftswesens können aus den genannten Quellen herausdestilliert werden: es ist dies zum einen die Tischgemeinschaft, denn der „Fürst“ versammelte ­ offensichtlich gerne seine Getreuen um sich, und zum anderen die Frage der Totenfolge. Bei den hier angeführten Fällen muss betont werden, dass Gefolgschaft ein gegenseitiges Treueverhältnis bedeutet, das durch Devotionen, Geschenke, gemeinsames Essen und Trinken begründet, bekräftigt und erneuert wird5.

Abb. 2:  Umzeichnung der figürlichen Motive auf der Rückenlehne der Bronzekline aus dem Fürstengrab von Hochdorf. Nach Biel 1985a, 94 f., Abb. 54.

Auch betonen die jeweiligen Autoren immer die Freiwilligkeit des Handelns der betroffenen Personen und ihren relativ hohen Rang. Dass schon kurz nach seiner Auffindung das hallstattzeitliche Fürstengrab von Hochdorf mit den o. g. Quellen in Verbindung gebracht wurde (Peschel 1989: bes. 277–279), kann nicht weiter verwundern, lassen sich doch in der Tat zahlreiche Elemente – wenngleich nicht alle, wie z. B. die Beschenkung der Gefolgsleute durch den Fürsten – im archäologischen Befund wiedererkennen. Der 1978/1979 von Jörg Biel in der Nähe von Ludwigsburg ausgegrabene, als frühkeltisch6 angesprochene Grabhügel ist dem Übergang von Hallstatt D1 nach Ha D2 zuzuordnen und wurde in den Jahrzehnten zwischen 550 und 500 v. Chr. angelegt. Mit einem Durchmesser von rund 60 m ist der Tumulus von Hochdorf einer der größten des sog. westhallstättischen Fürstengräberkreises (Biel 1982; 1985a; 1985b; 1985c; 2000). Die eigentliche Zentralkammer aus Eichenbohlen mit dem Toten und seinen Beigaben war 4,7 m × 4,7 m groß und war von einer weiteren Holzkonstruktion von 7,5 m × 7,5 m Ausdehnung eingefasst. Zeigt schon die aufwändige Gestaltung der Grabkammer und des Hügels, dass hier eine heraus­ragende Persönlichkeit zur letzten Ruhe gebettet wurde, so wird dies noch unterstrichen durch die ungewöhnlich reiche Ausstattung (Abb. 1). Einzigartig ist die sog. Kline, ein Bronzesofa, auf dem der Tote niedergelegt war (Biel 1982: 92ff.; 1985a: bes. 92ff.). Es wird getragen von acht Figuren, die auf Rädern stehen. Die Rückenlehne ist reich mit figürlichen Motiven

verziert, die im Zentralbereich eine Art Schwerttanz zeigen, gerahmt von zwei Kriegern auf vierräderigen Wagen (Biel 1985a: bes. 94ff.; Peschel 1989: bes. 277– 279; Reichenberger 2000: 126f.) (Abb. 2). Im Einzelnen auf die Beigaben und Trachtbestandteile einzugehen, würde hier zu weit führen. Erwähnt seien aber immerhin ein vierräderiger Wagen mit der Schirrung für zwei Pferde, ein punzverzierter Goldhalsring, ein Antennendolch, mit Gold verzierte Schuhe, Fibeln und anderes. Von höchster Bedeutung ist in unserem Zusammenhang das reichhaltige Trinkund Speisegeschirr, und hier wiederum vor allem ein Set von insgesamt neun Trinkhörnern, das kostbarste und größte – mit einer Länge von 123 cm – aus Eisen mit Gold beschlagen. Die übrigen acht waren aus den Hornscheiden von Auerochsen hergestellt und ebenfalls mit Goldbändern verziert.7 Eine Goldschale und ein mit Löwen und Ringhenkeln besetzter griechischer Bronzekessel (Gauer 1985: 124–129) vervollständigen das Trinkset. Schließlich sind neun Bronzeteller und drei Becken mit Henkeln vom Typ Hatten für den Genuss von Speisen anzuführen. Der Fürst von Hochdorf war also gut gerüstet, um mit acht seiner Getreuen im Jenseits zu tafeln und zu bechern, so wie er es wohl schon in seinem diesseitigen Leben getan hatte. Wie man sich solche Gelage vorzustellen hat, mögen vielleicht Darstellungen aus einem zwar ganz anderen, aber im Wesentlichen zeitgleichen Kulturkreis illustrieren. Aus der Situlenkunst der Este-Kultur kennen wir zahlreiche Bilder des gerne mit dem Terminus „Si-

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Abb. 3:  Ausschnitt aus der Situla von Vace (Slowenien). Nach W. Lucke, O.-H. Frey, Die Situla in Providence (Rhode Island) (1962), Ein Beitrag zur Situlenkunst des Osthallstattkreises. Röm.-Germ. Forsch. 26, Berlin: Taf. 73.

tulenfest“ bezeichneten Geschehens (Huth 2005; Frey 2005; jeweils mit älterer Literatur) (Abb. 3).Wir finden hier musischen wie sportlichen Agon – man vergleiche den ritualisierten Schwertkampf auf der Kline von Hochdorf –, es wird reichlich gegessen und getrunken, und auch die Umzüge von Kriegern fehlen nicht. Im Falle von Hochdorf scheint sich also in der Tat eine Form von Tischgemeinschaft mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erschließen zu lassen. Der Fürst, hervorgehoben nicht zuletzt durch sein besonderes Trinkhorn, tritt mindestens als primus inter pares in Erscheinung.8 Sehr viel schwieriger ist Totenfolge archäologisch nachzuweisen. Darunter ist in der Definition von Heiko Steuer „die freiwillige oder unfreiwillige Nachfolge eines oder mehrerer Menschen als Begleitung eines Verstorbenen in den Tod, während der Bestattungszeremonien“ (Steuer 2007: 189) zu verstehen.

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Beiseite gelassen werden können die allbekannten Beispiele von Witwentötungen, bis in unsere Tage aus Indien bekannt, oder die Beigabe von Dienern und Sklaven9. Die Begleitung eines Gefolgsherrn durch Krieger oder „Getreue“, um die es hier geht, hat eine andere Qualität. Zunächst einmal stellt sich die Frage, wie ein derartiger Nachweis methodisch überhaupt erfolgen kann. Hier stoßen wir sehr schnell an Grenzen. Denn auch die Beigaben, die solchen Toten mitgegeben werden, sagen zunächst ja nichts über die rechtliche Stellung ihrer Besitzer aus. In der archäologischen Literatur werden verschiedene Befunde in Richtung einer Totenfolge von Gefolgsleuten interpretiert, jedoch ebenso kontrovers diskutiert. Zu betrachten sind hier Doppel- und Mehrfachbestattungen mehrerer Krieger in einem Grab, die freilich ebenso gut im Sinne gemeinsam im Kampf gefallener Krieger gedeutet wer-

Abb. 4:  Rekonstruktion der Grabausstattung von Maillerayesur-Seine. Nach Lequoy 1993: 124, fig. 6.

Abb. 5:  Grabplan und Funde von Sogny-aux-Moulins, „Sur les Côtes“, Grab 13. – Nach Thiérot 1930: 381, fig. 2.

den können. Eindeutigkeit ist wohl in keinem Fall zu erreichen. Eines der interessantesten Beispiele, dass mehrere Krieger gemeinsam bestattet wurden, liegt aus Frankreich vor. Im Jahre 1982 entdeckte M.-C. Lequoy in Mailleray-sur-Seine (Dép. Seine-Maritime) in der Normandie ein Brandgrab mit den Überresten von drei oder vier Kriegern und einer sehr ungewöhnlichen Grabausstattung (Abb. 4). In der Grabgrube lagen die Reste von vier Paar eisernen Radreifen, mehrere Wagenbeschläge, drei Latèneschwerter, drei oder vier Schildbuckel, fünf Lanzenspitzen, zwei Lochäxte, vier Pferdetrensen, etliche Fibeln, eine Schere, zwei Feuerböcke, ein Dreifuß, ein Bronzekessel mit Kette, der Fuß eines großen Bronzegefäßes sowie Glas und Tongefäße. Alle Funde waren eng zusammengepackt. Eine anthropologische Untersuchung des Leichenbrandes liegt nicht vor. Das Grab datiert an den

Übergang von der Stufe Latène C zu Latène D, also in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. (Lequoy 1993; Egg 1999: 352f. mit Abb. 24). Offensichtlich wurden in Mailleray-sur-Seine gleichzeitig mehrere Krieger verbrannt und ins Grab gelegt, die in besonderer Beziehung zueinander standen. Ob dies im Sinne von Gefolgschaftswesen oder Totenfolge auszulegen ist, ist aber nicht mit letzter Sicherheit zu klären. Gewiss sind nur der gemeinsame Tod und die gemeinsame Niederlegung der Krieger. Vergleichbare Befunde gibt es in der Latènezeit, aber auch schon in der vorhergehenden Hallstattzeit, des öfteren. So lagen in einem Altbefund aus dem Jahr 1930 von Sogny-aux Moulins „Sur les Côtes“, Grab 13 (Dép. Marne, Nordfrankreich), drei Krieger eng ­nebeneinander aufgereiht im Grab (Abb. 5). Sie hatten zwei Schwerter, drei Lanzenspitzen, ein Messer, Fibeln und Tongefäße bei sich. Die drei Körperbestattungen

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datieren in die Frühlatènezeit, in den Übergang von Latène A zu Latène B (Thiérot 1930; Egg 1999: 351 mit Abb. 23). Eindeutig im Sinne des Nachweises von Gefolgschaftswesen bzw. Totenfolge ist aber auch dieser Befund nicht zu werten (weitere Befunde bei Egg 1999). Egg sprach sich zuletzt – und dies mit Fragezeichen versehen – für die Bestattung von Waffenbrüdern aus, wie sie in der antiken Mythologie mehrfach bezeugt sind. Das bekannteste Beispiel sind die Dioskuren, Castor und Pollux (Egg 1999: bes. 353. 355). Wie man sieht, ist es durchaus nicht leicht, archäologische Zeugnisse mit den literarischen Quellen in Einklang zu bringen. Die Lückenhaftigkeit der archäologischen Quellen, verbunden mit der Lückenhaftigkeit der lite-

rarischen Quellen, die zudem oft noch tendenziös sind, erlaubt es uns nicht, mehr als in Ansätzen über das Gefolgschaftswesen und seinen Niederschlag im ­Totenbrauchtum zu erfahren. Einzelelemente lassen sich gleichwohl erkennen. Aus dem Befund von Hochdorf auf einen Hallstattfürsten zu schließen, der auch im Jenseits seine Tischgenossen um sich scharen will, ist noch vergleichsweise einfach. Ob man bei Befunden wie Mailleray-sur-Seine ohne entsprechende Schriftquellen überhaupt an Totenfolge denken würde, ist doch eher fraglich. Und ob umgekehrt archäologische Befunde die Schriftquellen mit ihren oft drastischen Schilderungen – wie der Opferung des jungen Kriegers bei Diodor – bestätigen können, ist vielleicht noch problematischer.

Anmerkungen 1 Zu Skythen vgl. etwa: Ivantchik 2007: 238–241; Parzinger 2004: bes. 109 –111; Schiltz 1994: bes. 419–430. Zu Skythen und Thrakern: Spindler 1982: 197–214 (mit z. T. sehr weitgehender Interpretation von Doppel- und Mehrfachbestattungen im Sinne von Totenfolge). Zu Germanen: vgl. etwa Landolt 1998: 533–537; Timpe 1998: 537–546; Steuer 1998: 546–554; Steuer 2007: 189 –208. Ähnliches wie Herodot zu Skythen (IV, 71–72) und v. a. Thrakern (IV, 5) berichtet zur Totenfolge noch im 10. Jahrhundert n. Chr. der arabische Reisende Ibn Fadlan von den warägischen Rus: Lunde, Stone 2012: bes. 49 –55. Zum Komplex der Tischgemeinschaft s. Beck 2007: 169 –172. Alle genannten Arbeiten mit Belegen und weiterführender Literatur. 2 Caes. Bell. Gall. 3, 22, 1–3. Übersetzung J. Franz.Vgl. auch Peschel 1989: 274. 3 Val. Max. 2, 6, 11: „Während sich in der Weisheit der Gallier Habgier und Wucher ausdrücken, atmet die der Kimbern und Keltiberer einen Geist frohen Mutes. In der Schlacht pflegten sie zu jubeln, weil sie nun das Leben auf eine ruhmvolle, beglückende Weise verlassen durften; wenn sie von Krankheiten befallen wurden, ergingen sie sich in Klagen, daß sie nun auf eine schmähliche und armselige Art zugrundegehen sollten. Die Keltiberer hielten es sogar für unrecht, die Schlacht zu überleben, wenn in ihr jemand gefallen war, für dessen Leben sie ihr eigenes Leben geweiht hatten. Alles Lob verdient die Entschlossenheit dieser beiden (Völker), an denen Tapferkeit bei der Sicherung des Vaterlandes und Standhaftigkeit in der Freundestreue so wesentliche Züge waren.“ Übersetzung nach Schmitt 1988: 289.Vgl. auch Peschel 1989: 274. Dass die

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Gefolgsleute ihren Führer nicht überleben dürfen, berichtet auch Tac. Germ. 14 von den Germanen. Ferner Ammianus Marcellinus für die Gefolgsleute des Alamannenkönigs Chnodomarius: Amm. 16, 12, 60. Zur Umdeutung in einen bedingungslosen Durchhaltewillen in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges durch die Nationalsozialisten s. Münkler 2011: 159–161. 4 FGrH 87, F 16 (= Athen. IV, 154 a–c). Übersetzung nach Stark 1988: 69. Auf eine erstaunliche Parallele aus dem frühmittelalterlichen Irland beim Streit um die besten Stücke beim Mahl in der „Geschichte vom Schwein des Mac Dathó“ (Scéla muicce maicc Dathó) im Book of Leinster (ca. 1200) weist Meid 2005: 62–66 hin. Vgl. auch den ebd. 25 Abb. 12 abgebildeten Plan der Banketthalle von Tara mit der Sitzordnung der Honoratioren und den ihnen zustehenden Fleischportionen. Vgl. in diesem und im Zusammenhang mit der o. g. Poseidoniosstelle auch die im archäologischen Fundgut anhand von Waffenausstattungen nachweisbare Gliederung elbgermanischer Gräberfelder in drei Ränge (Vollbewaffnete, Lanzenträger und Schildträger), die Peschel 2006 auf keltische Vorbilder zurückführt. 5 Der Sachverhalt mustergültig herausgearbeitet bei Peschel 1989: 273–282. Vgl. auch den Bericht über das Gastmahl des Arvernerkönigs Lovernios: FGrH 87, F 18 (= Athen. IV, 152 d–f). 6 Die Kontroverse, ob die Hallstattzeit schon als keltisch anzusprechen sei oder nicht, ist eher akademischer Natur und soll hier nicht weiter verfolgt werden. Grundlegend dazu Pauli 1980.

7 Zur Wertschätzung von Auerochsenhörnern bei den Germanen als Trinkhörner, die in Silber gefasst werden, s. Caes. Bell. Gall. 6, 28, 6. 8 Darauf, dass es darüber hinaus im archäologischen Befund der hallstattzeitlichen Fürstengräber auch andere Formen der Beigabenausstattung gibt, die u. U. Rückschlüsse auf ganz andere Arten der gegenseitigen Beziehungen zulassen, sei hier nur randlich hingewiesen. So finden sich etwa im Kleinaspergle zwei – gleichwertige – kostbare Trinkhörner. Vgl. zuletzt Hoppe 2012: 247: Abb. 329.

9 Die Totenfolge von servi et clientes bei den Galliern der CaesarZeit tut dieser allerdings als schon nicht mehr gebräuchlich ab: „Die Leichenbegängnisse sind im Verhältnis zur Lebensweise der Gallier prachtvoll und kostspielig. Alles, wovon sie wissen, daß es dem Toten bei Lebzeiten teuer war, wird mit ins Feuer geworfen, selbst Haustiere. Ja, noch kurz vor unserer Zeit wurden zum Schluß der Leichenfeierlichkeit sogar die Sklaven und Hörigen mitverbrannt, welche für die besonderen Lieblinge der Abgeschiedenen galten.“ Caes. Bell. Gall. 6, 19, 4. Übersetzung J. Franz.

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Dr. Alfred Reichenberger Leiter der Öffentlichkeitsarbeit Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/ Landesmuseum für Vorgeschichte Halle [email protected]

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‚Cruachan Aí‘ – Der Königssitz von Ailill und Medb – Vergleich einer altirischen Erzählung mit geophysikalischen und archäologischen Befunden Tanja Trausmuth

Zusammenfassung 2009 wurden im mittelalterlich beschriebenen Königssitz von Ailill und Medb – dem irischen Rathcroghan – geo­ physikalische Untersuchungen durchgeführt. In diesem Artikel wird die Möglichkeit diskutiert, ob die mittelalterlichen Schilderungen des Königssitzes ‚Cruachan Aí‘ mit den Ergebnissen dieser geophysikalischen Prospektionen und anderen, ähnlich aufgebauten, archäologischen Befunden in Übereinstimmung gebracht werden können und eine zusätzliche Hilfe bei bisher eventuell unscharfen, oder schwierig zu übersetzenden Textstellen der alt- bzw. mittelirischen Erzählungen darstellen. Abstract In 2009, geophysical surveys were conducted in Rathcroghan, the place described as the royal seat of Ailill and Medb in medieval Irish texts.This article discusses whether the medieval descriptions of the royal residence ’Cruachan Aí‘ can be related to the results of this geophysical surveys and to other, excavated archaeological structures similar to features discovered at Rathcroghan. It is argued that the archaeological information can successfully be used as an additional interpretational aid for previously somewhat confusing or difficult to translate passages of the Old- and Middle-Irish narratives, and vice versa the texts be used to help interpreting the archaeological record.

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Ailill und Medb, zwei herausragende Persönlichkeiten der mittelalterlichen irischen Literatur, spielten als das berühmte Königspaar von Connacht in vielen Erzählungen eine zentrale Rolle. Ihr Königssitz ‚Cruachan Aí‘ wurde in der wohl berühmtesten irischen Sage aus dem Ulster-Zyklus, über den Rinderraub von Cooley, der ‚Táin Bó Cuailnge‘, erwähnt, deren älteste Version im Manuskript ‚Lebor na hUidre‘ enthalten ist, besser als das ‚Book of the Dun Cow‘ bekannt, das um ca. 1100 n. Chr. im irischen Kloster Clonmacnoise entstand (Edwards 1990: 159–160; Raftery 1994: 13–15; Kinsella 2002: ix–x; 52–53; 58; 63; James 2005: 158; Remmer, Stifter 2005: 278; 289–290). Weitere, wenn auch nur sehr knappe, Beschreibungen erhielt ‚Cruachan Aí‘ in der Erzählung ‚Fled Bricrenn ocus Loinges mac nDuíl Dermait‘, die einzig im ‚Yellow Book of Lecan‘ aus dem späten 14. Jahrhundert n. Chr. überliefert wurde (Windisch 1884: 164; Hollo 2005: 1; Remmer, Stifter 2005: 278). Weitaus detailliertere Darstellungen wurden dem Aufbau der königlichen Wohnstätte von Ailill und Medb und ihrer unmittelbaren Umgebung in zwei Nebengeschichten der ‚Táin Bó Cuailnge‘ gewidmet. In der Sage ‚Fled Bricrenn‘ – übersetzt ‚Bricrius Gastmahl’ – die in ihrer frühesten Version im ‚Lebor na hUidre‘ auf uns gekommen ist und bei der das „Motiv des Streits um den Heldenbissen“ den Ausgangspunkt für die Handlung bietet, wird ‚Cruachan Aí‘ umfassend beschrieben (Remmer, Stifter 2005: 290; vgl. Henderson 1993: xiii, xxiv–xxx; Edel 2009: 132). Die mittelalterliche Erzählung ‚Táin Bó Fraích‘ – übersetzt bekannt als ‚Das Wegtreiben der Rinder Fráichs‘ oder ‚Der Raub der Rinder des Fróech‘ (eine weitere der zahlreichen Schreibvarianten des Personennamens) – stellt ‚Cruachan Aí‘ ebenfalls genau dar. Die frühesten Versionen dieser Erzählung, die den ‚tána‘, den Erzählungen von Rinderraubzügen zugeschrieben werden, sind uns aus dem ‚Lebor Laignech‘, dem ‚Book of Leinster‘, das um ca. 1166 n. Chr. zusammengestellt wurde, und dem ‚Yellow Book of Lecan‘ bekannt (Meid 1967: xvii–xviii; 1970: 31; Remmer, Stifter 2005: 278; 287; 290). Als dieser mittelalterlich beschriebene, herrschaftliche Wohnsitz ‚Cruachan Aí‘ wird weitgehend das heute noch sichtbare Bodendenkmal Rathcroghan nahe der Ortschaft Tulsk im County Roscommon in

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Irland angesehen (Abb. 1) (Norman, St Joseph 1969: 65; Raftery 1994: 70; Karl 2005: 119; Mallory 2006a: 504). Rathcroghan liegt westlich des Flusses Shannon in der Mitte der Ebene ‚Mag nAí‘ im Zentrum eines beeindruckenden Komplexes von über 60 heute bekannten Bodendenkmälern. Die frühesten davon stellen Grab­ anlagen des ausgehenden Neolithikums dar, weitere prominente Monumente der Landschaft zeichnen sich als bronzezeitliche Strukturen, meist Hügelgräber aus, und eine Besiedlung des Gebietes ist auch in der Eisenzeit und dem frühen Mittelalter, in denen ebenfalls ‚ringbarrows‘ und ‚ráths‘ errichtet wurden, festzustellen (Raftery 1994: 70 –71; Breathnach 2006a: 477; Mallory 2006a: 504–505; Waddell et al. 2009: 1–12). Durch die Ergebnisse des Forschungsprojektes ‚Iron Age Ireland: Finding an invisible people‘ ist in Irland von einer Siedlungstypenkontinuität von eingefriedeten und befestigten Siedlungstypen ab der Spätbronzezeit auszugehen, wobei ein rapider Rückgang der Anlagen ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. zu bemerken ist (Becker 2009: 166; 170, Fig. 5). Sogenannte ‚ringforts‘ oder ‚ráths‘ (Ahrens 1990: 39; Edwards 1990: 12; 17; James 2005: 156), die noch heute im gesamten Land als Erdhügel, mit ein oder mehreren kreisförmigen Wällen und Gräben umgeben, zu sehen sind, wurden mit einer beträchtlichen Anzahl – zwischen 30.000 und 50.000 dieser Gehöfte – errichtet (James 2005: 156; Karl 2005: 135–136; Hall 2011: 116) und zählten zur „klar dominierende[n] Siedlungsform“ Irlands (Karl 2005: 135–136). Entsprechen die mittelalterlichen Erzählungen über die verschiedensten Rinderraubzüge – die laut Nancy Edwards teilweise wohl eher einem gefährlichen Sport als einem Verbrechen gleich kamen, wohingegen sie Doris Edel als „normale Kriegsform“ beschreibt – der Wahrheit, so wäre es nicht verwunderlich, dass einige dieser Gehöfte als Schutz für die Rinder während der Nacht genutzt wurden. Auch archäologische Untersuchungen dieser ‚ringforts‘ oder ‚ráths‘ verstärken diese Annahme, da Läuse von Rindern, Schafen und Schweinen sowie Mistkäfer in ihnen gefunden wurden (Edwards 1990: 57; Edel 2009: 130; Hall 2011: 116; 118). ‚Ringforts‘ befanden sich meist in herausragender Lage an höher gelegenen Orten, mit einer guten Sicht über das umgebende Land, sowie einer Sichtbarkeit

Abb. 1:  Irland mit Provinzen & Counties (Edwards 1990: 2).

aus großer Distanz. Ihr Eingang, der einen Durchgang durch Wall und Graben darstellte und eventuell ein Tor oder einen Turm, sowie einen mit Steinen ausgelegten Weg zum Haus besaß, lag bevorzugt im Osten, wobei hier nicht immer der Faktor der Verteidigung berücksichtigt wurde. Ihre Größe und ihr Reichtum an Artefakten mag einen Hinweis auf die soziale Stellung der Bewohner geben, und es scheint

sogar denkbar, dass auch Mitglieder von sozial äußerst hochstehenden Dynastien ihren Wohnsitz darin fanden. ‚Ringforts‘ traten häufig in Gruppen von zweien oder dreien auf, die von Feldsystemen oder Eingrenzungen umgeben waren und wurden im Frühmittelalter unter anderem auch irisch ‚ráth‘, ‚líos‘ oder ‚dún‘ genannt. Die Bezeichnung ‚dún‘ bezieht sich dabei hauptsächlich auf aus Stein errichtete runde oder

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Abb. 2:  Rathcroghan und Umgebung (Herity 1991: backcover).

ovale Anlagen mit repräsentativer Funktion, die nicht ausschließlich auf ‚ringforts‘ angewendet wird und deren Verbreitungsgebiet sich auf ganz Irland erstreckt. Die Termini ‚líos‘ und ‚ráth‘ scheinen hingegen ‚ringforts‘ aus Erde darzustellen, wobei mit ‚líos‘ der offene Raum zwischen den Wällen, also innerhalb des ‚ráth‘ bezeichnet wird. ‚Ráth‘ ist noch heutzutage als Ortsnamen-Element im Osten, Südosten,Westen und Südwesten Irlands häufig zu finden. ‚Ráths‘ sind gekennzeichnet durch eine runde, ovale oder birnenförmige Fläche, deren Durchmesser in den meisten Fällen von ca. 15 bis 35 Metern reicht und die von einem Erdwall und Graben umgeben ist, oder das ‚ráth‘ ist mit mehreren Erdwällen und Gräben umgeben, wobei bei dieser Kategorie der Durchmesser meist ungefähr 35 bis 50 Meter beträgt. Eine künstliche Erhöhung des Inneren der Anlage oder die Anpassung eines natürlichen Hügels trugen zu seinem Erscheinungsbild als Hügel mit einer abgeflachten Kuppe bei (Norman, St Joseph 1969: 65; Ahrens 1990: 39; Edwards 1990: 12–14; 19–21; 32–33; Birkhan 1999: 404–405; Ó Faoláin 2006a: 626).

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Da Rathcroghan (Abb. 2) in seinem Erscheinungsbild dem anderer architektonischer Strukturen in Irland, wie zum Beispiel Tara in der Nähe der Ortschaft Navan im County Meath oder ‚Emain Macha‘, das heutige Navan Fort im County Armagh, sehr ähnelt, wird es von einigen Wissenschaftlern, neben anderen mit den beiden zuvor genannten, als eines der ehemals ‚königlichen‘ Zentren erwähnt (Edwards 1990: 1; Raftery 1994: 64; Karl 2005: 119–120). Die Vermutung liegt äußerst nahe, dass Tara, oder wenigstens Teile dieser Fundstelle in die Eisenzeit datieren, und zumindest die letzte Phase von ‚Emain Macha‘ datiert aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen eindeutig ins 1. Jahrhundert v. Chr., befindet sich also ebenfalls in einem eisenzeitlichen Kontext. Es darf spekuliert werden, dass die Anlage in Rathcroghan in der Eisenzeit Irlands eine gleichermaßen bedeutende Rolle spielte (Raftery 1994: 70 –71; 75 –78; Karl 2005: 126). Obwohl uns die eisenzeitliche Bevölkerung Irlands keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen hat, können die Schriften mediterraner Autoren helfen, ein anschauliches Bild der ‚Kelten‘ zu liefern und die archäologische Evidenz zu erweitern (Raftery 1994: 10). Der Begriff ‚Kelten‘ soll hier als eine Art kulturelles ‚Label‘ oder Sammelname zu klassifikatorischen Zwecken verstanden werden, der für den Überschneidungsbereich zwischen der Sprache dieser Menschen, den materiellen Hinterlassenschaften der Latène-Kultur und den Berichten antiker Autoren als brauchbare Bezeichnung verwendet werden kann (Raftery 1994: 12; Karl 2005: 105 –106; Baum 2009: 32). So beschrieb der antike Historiker Diodorus Siculus im 1. Jahrhundert v. Chr. im 5. Buch, Kapitel 29 seines Geschichtswerkes ‚Bibliotheca historica‘, dass die Tapfersten unter ihnen von den Schlachtreihen heraustraten und ihre Gegner zu einem Einzelkampf herausforderten, oder wie Athenaeus Naucratita uns Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. im 4. Buch seines Werkes ‚Deipnosophistai‘ überlieferte, dass die mutigsten Helden ebenfalls einen Einzelkampf bis zum Tode kämpften, wenn ihnen andere beim Austeilen der Speisen das Oberschenkel-Stück eines Schweines, das sie für sich beanspruchten, streitig machen wollten. Die interessante Tatsache, dass diese beiden Motive – Einzelkampf und Streit um den sogenannten Heldenbissen – uns in ähnlicher Weise in einigen der viel

späteren mittelalterlichen Erzählungen Irlands wieder begegnen, bemerkte bereits unter anderem Barry Raftery (Henderson 1993: xiii–xiv; Raftery 1994: 11–12; Birkhan 1999: 961–963; Kinsella 2002: ix; Remmer, Stifter 2005: 290). Eine ebenfalls erheblich spätere Quelle, die mit den prähistorischen Hinterlassenschaften von Rathcroghan und den mittelalterlichen Sagen über den Königssitz in ‚Cruachan‘ in Verbindung gebracht werden kann, stellen die schriftlichen Aufzeichnungen des gelehrten irischen Mönches Oengus dar. Über Bedeutung und Funktion der ‚königlichen‘ Zentren Irlands Bereits um 800 n. Chr. beschrieb der genannte Oengus, der dem klösterlichen Orden der ‚Culdee‘ oder ‚Céli Dé‘ angehörte, in seinem Martyrologium ‚Félire Óengusso‘ den Triumph des Christentums über das Heidentum und stellte die damaligen Zentren der Christenheit den aufgegebenen und zerstörten Orten, die einst Mittelpunkt des heidnischen Kultes waren – darunter auch ‚Cruachan Aí‘ – gegenüber (Bitel 1990: 49; Raftery 1994: 64). Es muss davon ausgegangen werden, dass die Aufzählung des Triumphes der christlichen Stätten vom gelehrten Mönch Oengus keinerlei Sinn im Verständnis der mittelalterlichen Bevölkerung ergeben hätte, wenn nicht die einstigen heidnischen Zentren eine noch prominente Rolle in der Vorstellungswelt der Bevölkerung gespielt hätten (Waddell 2011: 205–206). Somit müssen heidnische Riten, wie uns zahlreiche Beispiele aus früh- bzw. mittelalterlicher Zeit zeigen, im bereits christianisierten Irland durchaus noch Bedeutung gefunden haben, und ‚Cruachan‘ wird, ebenso wie in den frühen historischen Quellen, von der modernen Wissenschaft, neben Tara, ‚Dún Ailinne‘ und ‚Emain Macha‘, zu den bedeutenden Anlagen von Monumenten gezählt, die primär mit rituellen Gebräuchen und königlichen Funktionen in Verbindung standen (Abb. 3) (Bitel 1990: 49; Raftery 1994: 64–65; 70; 80–81; 180; 1995: 646; 648; Birkhan 1999: 1015– 1018; James 2005: 157; Johnston et al. 2009: 385;Waddell 2011: 201–203; 211). So stellte auch Raftery fest, dass zwar zweifelsohne vieles, das in der frühen irischen Literatur über sie

festgehalten wurde, der Phantasie der Autoren entsprungen und nur unter größter Vorsicht zu verwenden ist, jedoch die schriftlichen Quellen einen wahren Kern enthalten, der sich durch die archäologischen Forschungen der letzten Jahrzehnte allmählich abzeichnet. So spricht er sich neben anderen dafür aus, dass der innenliegende Graben der imposanten Erd-Wallanlagen bei zumindest drei von den vier genannten ‚königlichen‘ Zentren nicht zu Verteidigungszwecken gedient haben kann, und somit diese Anlagen nicht, wie irrtümlich oft dargestellt, zu den ‚hillforts‘ gezählt werden sollten, obwohl ihre beeindruckende Größe und ihre landschaftlich herausragende Lage dafür sprechen würden. Vielmehr stellt die Tatsache des innenliegenden Grabens für ihn einen deutlichen Hinweis für eine primär rituelle Nutzung dieser ‚königlichen‘ Anlagen dar (Bitel 1990: 49; Raftery 1994: 64–65; 70; 73; 80; 180; 1995: 646; 648; Birkhan 1999: 465–466; James 2005: 157). Diese beeindruckenden monumentalen Komplexe könnten als Ausdruck von Macht und Wohlstand, gemeinschaftlichem Zusammenhalt und Glaubensvorstellungen der verschiedenen Stämme gedient haben – wie es auch in den frühen literarischen Quellen festgehalten wurde – und als Hinweis auf eine Elite angesehen werden, die sich der Ressourcen der wachsenden Bevölkerung bediente und aufgrund großangelegter Stammes-Umstrukturierungen und territorialer Expansionen für die Errichtung dieser ‚königlichen‘ Zentren verantwortlich war (Bitel 1990: 49; Raftery 1994: 65; 180; 1995: 646; 648; Birkhan 1999: 412–413; 465–466; 672). Als eine der Hauptaktivitäten wird von einigen Wissenschaftlern das Zelebrieren eines FruchtbarkeitsKultes zur rituellen und symbolischen Verkörperung des Stammesbewusstseins gesehen, bei der die einstigen Könige innerhalb der Monumente die Fruchtbarkeit des Landes und den Wohlstand ihrer Herrschaft bei den altirisch so genannten ‚feis Temra‘ Festen – was wörtlich übersetzt ‚das Schlafen mit Tara‘ bedeutet, zelebrierten (Bitel 1990: 49; Birkhan 1999: 663; 791). In Ausübung eines sakralen Königtums stellte der gott­ ähnliche König, als Personifikation des Stammes für das Wohlergehen seiner Untertanen verantwortlich, durch eine Hochzeit mit der Erde als personifizierte Herrschaftsgöttin bei einem aufwendigen Einwei-

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Abb. 3:  ‚Königliche‘ Zentren und Versammlungsorte Irlands (adaptiert nach Raftery 1994: 84).

hungsritus die Fruchtbarkeit der Erntepflanzen und Tiere sicher (Raftery 1994: 79–81; Birkhan 1999: 530; 882–884;Vries 2006: 236). Ein weiterer Verwendungszweck dieser Anlagen könnte der eines Versammlungsortes oder Festplatzes gewesen sein, zu dem der König in regelmäßigen Abständen zu laden hatte. Bei dieser Veranstaltung, die aus dem altirischen ‚óenach‘ als ‚Jahrmarkt, Versammlung/-sort‘ übersetzt wird und möglicherweise aufgrund einer Spiele-Tradition, die bei Beerdigungen von Helden oder Königen abgehalten wurden, in der Nähe von ­ alten Begräbnisstätten stattfand, wurden neben der Abwicklung von Geschäften auch Pferderennen und Spiele veranstaltet. Einige dieser Veranstaltungen, welche zu ‚keltischen‘ Festtagen wie ‚Beltaine‘, ‚Lughnasa‘ oder ‚Samhain‘ abgehalten wurden, sind ­literarisch genau beschrieben, darunter eine nahe ‚Emain Macha‘ und eine in ‚Cruachan‘. Auffallend bei diesen Versammlungskomplexen ist ebenfalls das Vorhandensein von ­linearen Erdwerken, welche als

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‚Banqueting Hall‘ in Tara, als ‚Mucklaghs‘ in ‚Cruachan‘ oder als ‚Knockans‘ in Teltown im County Meath zu finden sind.Weitere solche Versammlungsplätze sind in ‚Carman‘ im County Kildare, ‚Uisneach‘ im County Westmeath, Raffin im County Meath und dem nahe Tara gelegenen ‚Tlaghta‘ im County Meath erwähnt (Raftery 1994: 80 –83; 180; Birkhan 1999: 405; 535– 536, 663; 791–795; 1019; James 2005: 157;Vries 2006: 52–53; 129; 224–230, 236; Monaghan 2009: 75–76; 366; 436–437; 460 –461; Waddell 2011: 195; 199). Obwohl die Anfänge von einigen dieser Komplexe bereits im Neolithikum oder der Bronzezeit liegen, sprechen sowohl archäologische als auch historische Quellen für eine Weiter- oder Wiederbenutzung der Monumente bis ins späte Frühmittelalter oder darüber hinaus (Raftery 1994: 180; Birkhan 1999: 794– 795; James 2005: 157). Wie John Waddell festhielt, muss diese Tradition nicht konstant oder unabänderlich sein, und ihre Veränderung, Abwandlung oder Umgestaltung ist durchaus

vorstellbar. Jedoch ist besonders bei den sogenannten ‚königlichen‘ Zentren eine Kontinuität und tiefe Verwurzelung in der prähistorischen Vergangenheit deutlich erkennbar, wie archäologische Befunde beim einstigen ‚Tailtiu‘ – Hauptversammlungsort der Uí Néill-Könige von Tara, zeigen. Auch im Komplex von Rathcroghan ist eine kontinuierliche Bedeutung des Ortes bis ins 1. Jahrtausend n. Chr. anhand der Existenz von ca. 30 Grabhügeln, aber auch frühmittelalterlichen ‚ringforts‘, feststellbar und die verschiedenen Anlagen von ‚Cruachan‘ und Tara waren, wie Waddell es ausdrückte, Anhaltspunkte der rituellen und mythologischen Landschaft, in der territoriale und genealogische Rechte in Monument und Mythos zum Ausdruck gebracht wurden (Waddell 2011: 194–195; 197–198; 200). Vergleich mit eisenzeitlichen Anlagen Ähnlich ‚Cruachan‘, das mit dem Königspaar Medb und Ailill verbunden wird, wird ‚Emain Macha‘ in ­vielen irischen Erzählungen des Mittelalters als einstige Hauptstadt und Sitz von König Conchobar in der

Provinz Ulster beschrieben (Raftery 1994: 74; Birkhan 1999: 1016; Mallory 2006c: 691). ‚Emain Macha‘ liegt innerhalb eines großräumigen Komplexes von Monumenten, dessen früheste Siedlungsspuren durch neolithische Gruben und Keramik aufgezeigt werden konnten. Neben bronzezeitlichen Hügelgräbern konnte ein Besiedlungsnachweis des Gebietes in der Spätbronzezeit durch ‚Haughey’s Fort‘, ein dreifachumwalltes ‚hillfort‘, und die Anlage ‚King’s Stables‘ erbracht werden, welche um ca. 900 v. Chr. verlassen wurden. Navan Fort selbst weist eine kontinuierliche Besiedlung ab der Spätbronzezeit auf, zuerst gekennzeichnet durch eine mehrfach erneuerte spätbronzezeitliche/früheisenzeitliche sogenannte 8erStruktur mit einem eingefriedeten Zugangsweg. Um ca. 100 v. Chr. erfuhr die Anlage eine Umwallung mit innen liegendem Graben von mehr als 300 Metern Durchmesser, und die sogenannte 8er-Struktur wurde durch ein großes Gebäude mit einem Durchmesser von ca. 40 Metern ersetzt, das aus sechs konzentrischen Pfostenringen bestand, dessen Zentralpfosten dendrochronologisch auf 95 v. Chr. datiert wurde (Abb. 4). Eine rituelle Versiegelung fand nach Aufgabe der An-

Abb. 4:  Eisenzeitliche Gebäudestruktur von Navan Fort (Raftery 1994: 77).

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Abb. 5:  Letzte Phase von ‚Dún Ailinne‘ (adaptiert nach Mallory 2006b: 621).

lage durch die Errichtung einer ca. 5 Meter hohen Steinschlichtung statt (Raftery 1994: 71–78; Mallory 2006c: 691–693). ‚Dún Ailinne‘ – ehemals Königssitz der Provinz Leinster – konnte als heutiges Knockaulin im County Kildare identifiziert werden und liegt innerhalb eines Komplexes, der neben frühbronzezeitlichen Bestattungen und Funden bereits erste Siedlungsspuren im Neolithikum zeigt. Die eisenzeitliche Besiedlung gliedert sich in drei Hauptphasen und datiert laut 14CUntersuchungen zwischen 5. Jahrhundert v. Chr. und 3. Jahrhundert n. Chr., wobei der Hügel mit einer Wall­anlage mit innen liegendem Graben umschlossen wurde. Der Errichtung einer runden Struktur von Holzpfosten-Setzungen folgte der Umbau in die sogenannte 8er-Struktur, die mit einem von Palisaden eingefriedeten Zugangsareal und einem kleinen Eingang im Nordosten ausgestattet war. In der Endphase wurde die Anlage durch eine Struktur mit zweifachem Graben und einem Durchmesser von 42 Metern überbaut, in deren Inneren sich ein konzentrischer Holzpfostenkreis mit 25 Meter Durchmesser befand, dessen zentrale Pfostensetzung als 9 Meter hoher Turm eines nicht überdachten Bauwerkes rekonstruiert wird

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(Abb. 5) (Raftery 1994: 71–74; Mallory 2006b: 621– 622; Johnston et al. 2009: 401). Der heutzutage als Tara bekannte, ca. 1 Kilometer lange Komplex von Monumenten im County Meath wurde als ‚Temair‘ in der irischen Literatur des Mittelalters vielerorts als ehemals politisches sowie soziales Zentrum und Königssitz der Provinz ‚Mide‘ und späterer Sitz der Hochkönige Irlands beschrieben (Thurneysen 1901: X; Raftery 1994: 66; Johnston et al. 2009: 385). Der Komplex von Tara beinhaltet neben dem ‚Mound of the Hostages‘, einem spätneolithischen Hügelgrab, das in der Früh- und Mittelbronzezeit wieder benutzt wurde und innerhalb des ‚Rath na Ríogh‘ – dem ‚Rath der Könige‘, einem ca. 6 Hektar großen, ovalen Erdwall mit innen liegendem, V-förmigem Graben – liegt, zwei weitere, sich innerhalb des ‚Rath na Ríogh‘ befindliche Monumente, die den bereits bekannten 8er-Strukturen gleichen (Abb. 6). Nur wenige Meter nördlich davon befindet sich das möglicherweise älteste datierte ‚ringfort‘ – die als ‚Rath of the Synods‘ bezeichnete Struktur, welche von drei unterbrochenen Erdwällen umgeben ist und deren Pfostensetzungen, die bei Grabungen in den 1950er Jahren gefunden wurden, denen in ‚Emain Macha‘ und ‚Dún Ailinne‘ gleichen, die in das frühe 1. Jahrhundert n. Chr. datiert (Edwards 1990: 17; Raftery 1994: 66–68; Johnston et al. 2009: 385).

Abb. 6:  8er-Struktur des ‚Rath na Ríogh‘ von Tara (Herity 1991: 30).

Abb. 7:  Interpretation der geophysikalischen Prospektionsergebnisse von Rathcroghan (Interpretation Autorin, Datengrundlage: Waddell et al. 2009: 143; 163; 165).

Rathcroghan Obwohl ‚Cruachan‘, Ailill’s und Medb’s einstiges ‚königliches‘ Zentrum der Provinz Connacht, im Gegensatz zu den bisher behandelten Anlagen nicht ergraben wurde, weist es durchaus eindeutige Parallelen mit den archäologischen Hinterlassenschaften der anderen ‚königlichen‘ Zentren Irlands auf.Wie bereits erwähnt befindet sich ‚Cruachan‘ ebenfalls im Mittelpunkt eines Komplexes von 3 Kilometer Durchmesser mit teilweise ergrabenen Bodendenkmälern aus der neolithischen und bronzezeitlichen Periode Irlands, darunter Hügelgräber des ausgehenden Neo­lithikums und bronzezeitliche Grabhügel, als auch ­ eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Strukturen, welche unter anderem als lineare Erdwerke, ‚ringbarrows‘ und ‚ráths‘, klassifiziert werden konnten (Raftery 1994: 70 –71; Mallory 2006a: 504–505; Waddell et al. 2009: 1–12). Dank der Tatsache, dass geophysikalische Prospek-

tion in der archäologischen Forschung der letzten Jahrzehnte immer wieder aussagekräftige Ergebnisse lieferte, kann sie heutzutage als anerkannte Methode der archäologischen Grundlagenforschung betrachtet werden (Neubauer et al 2002: 135; Leckebusch 2003: 213). Durch die 2009 von der Universität Galway durchgeführten und von Waddell publizierten geo­ physikalischen Untersuchungen von Rathcroghan gelang es, detaillierte Aussagen über das ehemalige Erscheinungsbild der im Boden verborgenen Strukturen von ‚Cruachan‘ treffen zu können, um weitere Vergleiche anzustellen (Waddell et al. 2009). Die als Rathcroghan, also ‚ráth‘ von ‚Cruachan‘ (‚crúach‘ - altirisch für ‚Hügel‘) bekannte Erhebung im Zentrum der Anlage ist von einem ca. 5 Meter breiten und 360 Meter Durchmesser umfassenden Graben (A) umgeben (Abb. 7). Im Inneren dieser Anlage be-

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Abb. 8:  Vergleich der sogenannten 8er-Strukturen der ‚königlichen‘ Zentren (adaptiert nach Waddell et al. 2009: 192).

finden sich zwei ‚ringbarrows‘ (B) und die sogenannte nördliche Einfriedung (C), welche ein von Palisaden eingefriedetes Zugangsareal aufweist. Im Zentrum ist das Hauptráth (D) – der künstlich abgeflachte Hügel zu erkennen, der in der Geomagnetik am Fuße einen Graben (E) mit ca. 90 Meter im Durchmesser zeigt. Der trapezförmige Palisadengraben (F) des Innenhofes stellt den eingefriedeten Zugangsweg zum ‚ráth‘ dar, das in seiner erhöhten Innenfläche mehrere konzentrische Holzpfostenringe (G) mit bis zu 32 Meter Durchmesser besitzt (Waddell et al. 2009:143; 146– 156; 162–163). Neben dem Vorhandensein der in der Spätbronze- bzw. Eisenzeit bereits ‚alten‘ Begräbnisstätten weist auch der optische Vergleich ‚Cruachans‘ mit der andernorts vorhandenen spätbronzezeitlichen/ früh­eisenzeitlichen 8er-Struktur, obwohl sie in Rathcroghan nicht konkret nachgewiesen werden konnte, gewisse Ähnlichkeiten mit den anderen ‚königlichen‘ Zentren auf (Abb. 8). Des Weiteren waren aufgrund der geophysikalischen Untersuchungsergebnisse innerhalb des ‚ráths‘ – auf der Hochfläche von ‚Cruachan‘ – drei wahrscheinliche Phasen von Holzpfostensetzungen unterscheidbar (Abb. 9),

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wobei Größe, Form und Aufbau der zwei Phasen (A & B) den eisenzeitlichen Strukturen von ‚Dún Ailinne‘ und ‚Emain Macha‘ ähneln, und Phase C eine spätere Überbauung widerspiegeln könnte. Das eingefriedete Zugangsareal (D), das bereits aus anderen ‚Königszentren‘ bekannt ist, stellt in Rathcroghan einen den Hügel hinauf führenden Aufgangsbereich dar. Mit den Erkenntnissen der archäologischen Ergebnisse soll nun die Aufmerksamkeit auf die literarische Beschreibung des Königssitzes von Connacht gerichtet werden, wobei einige Beispiele der relevanten Textpassagen aus der altirischen Erzählung ‚Tain Bó Fraich‘ der Ausgabe Meid 1974 (Abkürzung: M.1974) entnommen und die deutsche Übersetzung der näher zu diskutierenden Wörter (im Text unterstrichen dargestellt) mit der Ausgabe Thurneysen 1901 (Abkürzung: T.1901) und dem Glossar der Ausgabe Meid 1970 (Abkürzung: M.1970) verglichen wurden (Thurneysen 1901; Meid 1970; Meid 1974). Im Folgenden soll ein alternativer Übersetzungsvorschlag (Abkürzung: A.Ü.2012), der als Hilfestellung und Grundlage die neuesten Ergebnisse der archäologischen Interpretation berücksichtigt und die Textpassage behandelt, bei der Fráich mit seinem Gefolge

Abb. 9:  Interpretation der geophysikalischen Prospektionsergebnisse des Hügels von ‚Cruachan‘ (Interpretation Autorin, Datengrundlage: Waddell et al. 2009:143; 163; 165).

in ‚Cruachan‘ ankommt, vorgestellt und die jeweilige, beschriebene, räumliche Position der Akteure anhand ­einer virtuellen 3D-Darstellung anschaulich dargestellt werden. M.1974:  Dosndéccai in derccaid din dún in tan dodechatar i mMag Crúachan.Tairlengait i ndorus in dúine. T.1901 übersetzte den altirischen Text als: „Der Späher erblickte sie von der Burg herab, als sie das Feld von Cruachna betraten.“ und „Vor der Burg sprangen die Jünglinge ab,…“ , und auch M.1970 empfiehlt in seinem Glossar für ‚dún‘ und ‚mMag‘ die Übersetzung „Burg, befestigter Ort“ und „Ebene, Feld“. Um einer, der Vorstellungswelt unserer heutigen Zeit oft anhaftenden Suggestion einer mittelalterlichen Ritter-

burg, sowie der Vorstellung eines eventuell zu klein geratenen Gebietes oder Ackers zu entgehen, zumal es sich bei dieser großräumigen Landschaft noch dazu um ein tatsächlich flaches Gelände handelt, wäre wohl eher die Beibehaltung des altirischen Ausdruckes ‚dún‘, ähnlich der Verwendung des Begriffes ‚oppida‘ im archäologischen Sprachgebrauch, als kategorisierende Benennung, sowie die Übersetzung als ‚Ebene‘ empfehlenswert. Die Phrase ‚i ndorus in dúine‘ sollte nicht wie bei T.1901 verkürzt als „vor der Burg“ übersetzt werden, da archäologisch betrachtet mit einem Eingangsbereich oder Tor an dieser Stelle der Einfriedung zu rechnen ist, wie die geophysikalischen Untersuchungen von Rathcroghan und ‚Dún Ailinne‘ (Johnston et al. 2009: 397) deutlich aufzeigen.

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Abb. 10: Virtuelle 3D-Darstellung des ‚dúns‘ von ‚Cruachan‘ (Interpretation Autorin, Datengrundlage: Waddell et al. 2009:143; 163; 165).

A.Ü.2012:  Der Wächter beobachtet sie vom dún (aus), als sie in die Ebene von Crúachu kamen (Abb. 10 – räumliche Position Pfeil). Sie steigen ab beim Tor des dúns. (Abb. 10 – räumliche Position Stern) M.1974:  Dosennat na secht n-aige do Ráith Chrúachan, ocus secht sinnchu ocus secht míla maige ocus secht turcu alta, conda rubatar ind óic issind aurlaind in dúine. Dosbertatar dochum na ardda i ndorus inna prímrátha. Diese Stelle des altirischen Textes wurde von T.1901 als: „Die jagten die sieben Hirsche auf Cruachna zu und sieben Füchse und sieben Hasen und sieben Eber, so dass sie sie auf dem Vorplatz der Burg erlegen konnten.“ und „… und brachten sie auf die Höhe vor der Königsburg.“ übersetzt, wobei Begriffe wie ‚ráth‘ oder das bereits zuvor besprochene ‚i ndorus‘ dabei teilweise unübersetzt blieben und eine präzise Verortung der Geschehnisse dem Verständnis des ­Lesers vermutlich entgehen wird. Durch die geophysikalischen Ergebnisse, die eine versetzte Position des Grabens am Fuße des als ‘ráth‘ zu bezeichnenden ­Hügels aufzeigen, lässt sich an dieser Stelle jedoch ebenfalls ein Tor

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annehmen. M.1970 übersetzt in seinem Glossar die Begriffe ‚Ráith Chrúachan‘ und ‚prímrátha‘ als „Wall von Cruachan“ beziehungsweise „Hauptwall“, und obwohl ein oder mehrere Wälle zweifelsohne typologische Merkmale eines ‚ráth‘ darstellen, zeichnet die­ se Interpretation ein vermutlich zu vereinfachtes Bild solch einer Struktur. A.Ü.2012:  Sie jagen die sieben Hirsche zum ráth von Crúachu und sieben Füchse und sieben Hasen und sieben wilde Eber, sodass die Krieger sie im Vorhof des dúns töteten. (Abb. 11 – räumliche Position Pfeil) Sie brachten sie in Richtung der Anhöhe vor das Tor des Hauptráths. (Abb. 11 - räumliche Position Stern) M.1974:  ‚Táet issin less.’ Ähnlich der Übersetzung von T.1901: „ … er soll ins Gehöfte eintreten.“, schlägt M.1970 ebenfalls eine Übersetzung als „Raum innerhalb der Umwallung, Hof“ vor, und aufgrund der archäologischen Prospektion ist hier wohl die Hochfläche innerhalb des Hauptráths anzudenken. A.Ü.2012:  „Er soll in den Innen-Hof kommen.“ (Abb. 12 – räumliche Position Pfeil)

Abb. 11: Virtuelle 3D-Darstellung von Rathcroghan (Interpretation Autorin, Datengrundlage: Waddell et al. 2009:143; 163; 165).

Abb. 12: Virtuelle 3D-Darstellung des Hauptráths (Interpretation Autorin, Datengrundlage: Waddell et al. 2009:143; 163; 165).

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Abb. 13:  Idealisierte Darstellung der Innenstruktur des Hauses.

M.1974:  Ed a écosc in taige: sechtordd and, secht n-imdai ó thein co fraig isin taig imme cúaird. Airinech di chrédumu for cech imdai; aurscartad derggibair fo mrechtruncain uile. Als: „Das Haus war also angeordnet: es liefen sieben Reihen darin herum, je sieben Pritschen zwischen Feuerstelle und Wand.“ und „Jede Pritsche hatte eine Stirnseite von Bronze; das Gesims war ganz von roter Eibe, verschieden gehobelt;“ übersetzte T.1901 die altirische Textstelle. Um der Vorstellung einer sehr einfachen, schmalen Bretter-Liegestätte als Übersetzung des Wortes ‚n-imdai‘ zu entgehen, da die weiteren Ausführungen der Erzählung eine doch sehr aufwendige Architektur beschreiben, ist wohl, wie M.1970 empfiehlt, die Übersetzung als „Abteil, Gemach, Ruhestätte“ passender. Ebenso verhält es sich mit der Übersetzung von ‚aurscartad‘, für das T.1901 den Begriff „Gesims“ wählte – auch hier scheint die Übersetzung „Abgrenzung, Trennwand“ von M.1970 eine zutreffendere Möglichkeit darzustellen, da bei sieben Abteilen wahrscheinlich von trennenden Konstruktionen auszugehen ist. Der, dem Glossar von M.1970 entnommenen, Übersetzung des Begriffes ‚mrechtrun-

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cain‘ als „mit besonderen Mustern verzierte Leiste“ hingegen, wäre wohl die allgemeiner gehaltene Übersetzung als ‚vielfältige, verschiedenartige Dekoration‘ beziehungsweise ‚Schnitzerei‘, da es sich beim beschriebenen Material um Eibenholz handelt, vorzuziehen. A.Ü.2012:   Das Aussehen des Hauses ist: sieben Reihen (waren) dort, sieben Abteile (waren) im Haus von der Feuerstelle zur Wand im Kreis rundum. Eine Stirnseite aus Bronze (war) auf jedem Abteil; die Trennwand (war) von roter Eibe, alles mit vielfältiger Holzschnitzerei (Abb. 13). M.1974:  Trí stéill chrédumai i n-aulaith cecha imda, secht stíalla umai ón damdabaich co cléithe issin tig. Mit: „Drei bronzene Säulen auf der Vorderseite jeder Pritsche. Sieben kupferne Säulen vom Mittelschiff bis ans Dach des Hauses.“ übersetzte T.1901 diesen altirischen Text. Da archäologische Nachweise der als ‚stéill‘ bezeichneten Struktur bislang fehlen, muss es der Entscheidung des Übersetzers überlassen werden, sie als „Säule“, ‚Täfelung, Verkleidung‘ oder, wie M.1970 vorschlägt, als „Stange, Stab“ zu übersetzen. Im alternativen Übersetzungsvorschlag wurde ‚Tä-

felung, Verkleidung‘ gewählt, da sich diese Phrase auf den nächsten zu diskutierenden Begriff ‚n-aulaith‘ bezieht, der von T.1901 mit „Vorderseite“, von M.1970 mit „Sockel, Podest“, in der alternativen Übersetzung jedoch mit ‚Wand‘ übersetzt wurde. Die Übersetzung des Satzteiles ‚ón damdabaich co cléithe‘ wurde von T.1901 mit „vom Mittelschiff bis ans Dach“ angegeben – da es sich aufgrund archäologischer Erkenntnisse beim vorliegenden Befund jedoch um ein Rundhaus handelt, ist diese Bezeichnung wohl nicht als treffend anzusehen. Da sich die bauliche Struktur durch die Übersetzung von M.1970 mit „das große Faß des Hauses“ nur schwer erahnen lässt, soll im alternativen Übersetzungsvorschlag der Ort, an dem sich dieses große Behältnis vermutlich einst befand, ergänzt werden. A.Ü.2012:  Drei bronzene Täfelungen (waren) in der Wand jedes Abteils, sieben Täfelungen aus Kupfer von dem Platz, wo (normalerweise) der Kessel steht (bis) zum Firstkranz im Haus. M.1974:  De gíus dogníth a tech. Ba tuga slinned boí fair dianechtair. Bátar sé senistri déc issin tig, ocus comlae humae ar cech n-aí. Cuing umai darsa forlés.

Um die Vorstellung des Hauses in seiner Gänze zu ermöglichen, soll auch die folgende Beschreibung des Gebäudes, obwohl sich die Übersetzungen von T.1901, M.1970 und der alternative Übersetzungsvorschlag fast gänzlich decken, wiedergegeben werden. Einzig ist zur Übersetzung von T.1901: „Das Haus war aus Fichtenholz gebaut; aussen hatte es ein Dach von Schindeln. Sechzehn Fenster waren im Haus und an jedem ein Laden aus Kupfer; über dem Oberlicht ein kupfernes Joch.“ anzumerken, dass es sich bei den verwendeten Bauhölzern nicht um „Fichte/nholz“, wie auch M.1970 den Begriff ‚gíus‘ übersetzt, handeln kann, da die Gemeine Fichte (Picea abies) erst im 17. Jahrhundert n. Chr. nach Irland gebracht wurde (Hall 2011:134-135). Somit sollte die weitere Bedeutung dieses Begriffes, nämlich ‚Kiefer‘, als Übersetzung gewählt werden. A.Ü.2012:  Das Haus wurde aus Kiefernholz ge­macht. Die Bedachung (war) aus Schindeln, welche auf der Außenseite waren. Sechzehn Fenster waren in dem Haus und ein Laden aus Kupfer vor jedem von ihnen. Über dem Oberlicht (war) ein kupfernes Joch (Abb. 14).

Abb. 14:  Idealisierte Darstellung der Außenansicht des Hauses.

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Abb. 15:  Idealisierte 3D-Visualisierung von Rathcroghan.

Schlussfolgerungen Mit diesem kurzen Ausschnitt konnte hoffentlich dargestellt werden, dass die literarischen Beschreibungen des Königssitzes von ‚Cruachan‘ den archäologischen Hinterlassenschaften in Rathcroghan durchaus ähneln und archäologische und geophysikalische Befunde eine zusätzliche Hilfe bei bisher eventuell unscharfen oder schwierig zu übersetzenden Textstellen der alt­irischen Erzählungen bieten können. Darüber hinaus können durch die detaillierte literarische Beschreibung des herrschaftlichen Hauptgebäudes für die im archäologischen Befund zumeist nicht erhaltenen Gebäudeteile, wie etwa Bedachung, Fenster, Innenausstattung, etc., auch weitere Vorschläge oder neue Impulse und Lösungsansätze für zukünftige Gebäuderekonstruktionen gewonnen werden. Üblicherweise wird die Interpretation von archäologischen Ergebnissen durch Archäologen durchgeführt, deren Fachwissen über die Komplexität der altirischen Sprache für ein umfassendes Verständnis der Textinhalte in der Regel meist nicht hinreichend ausgeprägt ist, um mittelalterliche altirische Texte im Original zu lesen und diese zu übersetzen und die deswegen – sofern sie auf diese Quellen zurückgreifen möchten – großteils auf die Verwendung bereits übersetzter Texte angewiesen sind. Deren Studium und Übersetzung

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wiederum wird jedoch meistens durch Sprachwissenschaftler vollzogen, die normalerweise nur eingeschränkte Einsicht in archäologische Diskussionen haben und häufig über keine fachspezifische archäologische Ausbildung verfügen. Jedoch wäre eine fächerübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen für die Erforschung und ein tieferes Verständnis einer vergangenen Situation erstrebenswert, um eine zeitgemäße, integrierte Interpretation zu ermöglichen (Abb. 15). Nachdem die hier dargestellten Beschreibungen aus dem Mittelalter stammen – die früheste auf uns gekommene Version der Erzählung, aus der diese Beschreibungen entnommen wurden, stammt aus dem 12. Jahrhundert n. Chr. – sind die Texte dieser Zeit zweifelsfrei im Kontext eines christianisierten Irlands niedergeschrieben worden, wodurch mit einer christlichen Färbung dieser Literatur zu rechnen ist. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die Schreiber scheinbar auf detailliertes Wissen über das Aussehen des ‚königlichen‘ Zentrums in ‚Cruachan Aí‘ zurückgreifen konnten. Dieses Wissen kann entweder auf persönliche Beobachtung zurückzuführen sein, was ein Weiterleben der eisenzeitlichen Bautradition bis ins Mittelalter – ein Zeitraum von ca. 1000 Jah-

ren – implizieren würde, oder die Berichte der mittelalterlichen Schreiber konnten sich auf eine mündlich überlieferte Erzähltradition stützen – über den gleichen, sehr langen Zeitraum hinweg! Somit soll der Gedanke angeregt werden, dass, obwohl das 1964 von Kenneth Jackson postulierte ‚window on the iron age‘ eine zweifelsohne zu vereinfachte und romantisierte Sicht auf die irische Eisenzeit darstellt, die Möglichkeit der Existenz eines – zumindest im Falle von Rathcroghan – eventuell etwas opaken

Fensters in die Eisenzeit nicht völlig von der Hand gewiesen werden sollte, oder wie Waddell es ausdrückt, bedacht werden sollte, dass „the recognition of a noteworthy continuum on many levels implies that the narratives and themes of this written corpus are worth studying, not just for what they might reveal about a pre-literate past … but also for what they might tell us about the survival of pagan practices in Christian times“ (Waddell 2011: 192; 201; vgl. Birkhan 1999: 465–466).

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Die ‚deserta boiorum‘ – ein Zentrum der vorrömischen Eisenindustrie? Mario Wallner

Zusammenfassung In diesem Artikel soll die Möglichkeit diskutiert werden, ob die historisch belegten Begriffe ‚ferrum noricum‘ und ‚deserta boiorum‘ miteinander in Verbindung gebracht werden können, da sich durch die Ergebnisse der jüngsten Analysen zur spätlatènezeitlichen Eisenproduktion im Oberpullendorfer Becken das Bild eines verwüsteten und entwaldeten Gebietes ergibt, das kaum mehr für eine weitere Bewirtschaftung geeignet erschien. Diese Region wurde, möglicherweise auf Grund dessen, von den nach Norden vorstoßenden Römern ‚deserta boiorum‘, das ‚durch die Boier verwüstete Land‘ genannt. Abstract This article discusses whether the historic accounts on the ’ferrum noricum‘ and ‘deserta boiorum‘ can be related to each other.The results of the most recent analysis of the late La Tène iron production in the Oberpullendorfer basin show a picture of a wasted and deforested region, which was not longer suitable for further agri-economic exploitation. This might have been the reason why the Romans during their expansion to the north called it ’deserta boiorum‘, the ’wasteland of the boii‘.

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Die ‚deserta boiorum‘ ist in der österreichischen Urund Frühgeschichte ein wohlbekannter und gerne diskutierter Begriff. Ihre Verortung im westpannonischen Raum gilt in der Fachwelt weithin als un­umstritten, die Umstände ihrer Entstehung sollen auf den kommenden Seiten jedoch erneut hinterfragt werden. Denn durch neueste Forschungen über die prähistorische Eisenerzeugung im mittleren Burgenland kann nun eine mögliche Neuinterpretation ihres Ursprunges zur Diskussion gestellt werden. Der Zusammenhang mit der extensiven Waldverwüstung durch die enorme Menge an Brennholz, welche für die Verhüttung der geförderten Eisenerze benötigt wurde, konnte durch die neuesten Analysen nun erstmals annähernd erschlossen werden. Somit ist es möglich, dass die nach Norden vorstoßenden Römer ein durch die prähistorische Eisenindustrie verwüstetes und entwaldetes Gebiet vorfanden, welches sie ‚deserta boiorum‘ – das ‚Ödland der Boier‘ – nannten. Die historischen Quellen zur ‚deserta boiorum‘ Wie bereits angedeutet, scheint die historische Quellenlage zur ‚deserta boiorum‘ deren eindeutige Verortung zuzulassen. So schreibt Strabon (Geographica: 7, 5, 2), dass die Boier einst beidseits der Donau angesiedelten waren und von hier aus mit ihren verbündeten Nachbarn, den Tauriskern, Krieg gegen die Daker führten. In Folge dieser Auseinandersetzung wurde die Vormachtstellung der Boier und Taurisker in Westpannonien gebrochen und fortan von den siegreichen ­Dakern beansprucht. An dieser Stelle gibt Strabon einen kurzen Hinweis zur ehemaligen Grenze zwischen den beiden kriegsführenden Parteien, denn das eroberte Gebiet der Boier war durch den Fluss ‘Parisus‘ vom bisherigen Einflussgebiet der Daker getrennt (Dobesch 1999: 351). Dieser Grenzfluss wird üblicherweise mit der Theiß gleichgesetzt, welche in den Karpaten entspringt und sich nach Süden windend in die Donau ergießt (Forbiger 1857: 101). Des Weiteren berichtet Strabon (Geographica: 5,1,6), dass die Boier „als Volk untergegangen [waren] und … ihr Land, das zu Illyricum gehört, den Nachbarn als Schafweide“ hinterließen. Gerhard Dobesch folgert aus dieser Nachricht, dass die ‚deserta‘ nicht „leerstand, sondern von

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den angrenzenden Stämmen als Weideland“ genutzt wurde (Dobesch 1999: 351). Das von Strabon beschriebene Herrschaftsgebiet der Boier befand sich somit beidseits der Donau, allerdings nur westlich der Theiß und erstreckte sich von hier aus bis zum Stammesgebiet der Taurisker, welche am Fuße der Alpen – im Ursprungsgebiet der Save – lebten. Strabons Verortung des einstigen Stammesgebietes der Boier bezieht sich somit auf einen riesigen Bereich, der den gesamten westungarischen Raum umfasst und vermag somit nur bedingt einen fassbaren Ansatzpunkt zur Lokalisation der ‚deserta boiorum‘ zu geben. Der zweite historische Schriftsteller, welcher die ‚Boiereinöde‘ nennt, ist Plinius der Ältere. In seinem Beitrag über die Noriker (Naturalis historia: 3, 27) umschreibt er die östliche Grenze ihres Einflussgebietes mit dem ‚lacus pelso‘ und der ‚deserta boiorum‘. Der ‚lacus pelso‘ wird meist mit dem Neusiedlersee oder dem Plattensee in Verbindung gebracht (Dobesch 1999: 351). Der deutlichste Hinweis auf die ehemalige Lage der ‚deserta boiorum‘ vermag aus der nun nachfolgenden Ergänzung gefolgert werden, in welcher Plinius die ‚Wiederbesiedlung‘ der ‚Boiereinöde‘ durch die Gründung der römischen Städte Savaria – heute Szombathely – und Scarbantia – heute Sopron – konkretisiert (Kaus 2006b: 145f., Dobesch 1999: 351). Auffällig ist hier, dass weiter im Osten gelegene römische Niederlassungen nicht angeführt werden und somit scheinbar in keinem direkten Zusammenhang mit der ‚deserta boiorum‘ standen. Die Beschreibungen der antiken Autoren zusammenfassend lässt sich das als ‚Boiereinöde‘ bezeichnete Gebiet somit östlich des Stammesgebietes der Noriker, in der Nähe des Neusiedler- oder Plattensees und zwischen Sopron und Szombathely lokalisieren. Dadurch befindet sich das mittlere Burgenland mit seinen eisenzeitlichen Verhüttungsgebieten im Zentrum der als ‚deserta boiorum‘ bekannten prähistorischen Landschaft. Die historischen Quellen zum ‚ferrum noricum‘ Im Zusammenhang mit der späteisenzeitlichen Eisenverhüttung im Bezirk Oberpullendorf fällt gerne der Ausdruck ‚ferrum noricum’, das ‚Norische Eisen’

(Barb 1937: 153f., Kaus 1981: 74). Jenes von den Römern in höchsten Tönen gelobte und äußerst begehrte ‚Markenprodukt‘ scheint in der Antike eine gefragtes Handelsprodukt gewesen zu sein (Dolenz 1996: 165). Aufgrund literarischer Hinweise werden die antiken Verhüttungsgebiete meist im Kärntner Raum angesiedelt (Hofeneder [in Druck]: 21), in welchem eine intensive Eisenverarbeitung, vor allem rund um den Magdalensberg, archäologisch nachgewiesen werden konnte (Dolenz 1996: 122f., Sperl 2002: 62). Zwei antike Schriftsteller berichteten allerdings von einem ‚Stamm‘ in Pannonien, der in der Lage war, ­Eisen mit besonders hoher Qualität zu fertigen. So zitiert Stephanos von Byzanz eine ältere Quelle, in der es heißt: „… wird in Pannonien ein Eisen erzeugt, das geschärft einen besonderen Glanz hat.“ Von Titus Flavius Clemens erfahren wir, dass es sich bei den frühen ‚Rennmeistern‘ um die ‚Noroper‘ handelte, ein vormals pannonischer, jetzt aber norischer Stamm. Durch diese literarische Evidenz ist laut Andreas Hofeneder eine Lokalisierung der antiken Eisenproduktion auch in Pannonien zu rechtfertigen (zuletzt Hofeneder [in Druck]: 17; 20). Das ‚ferrum noricum‘ ist, durch seinen Namen bedingt, eng mit dem ‚regnum noricum‘, dem Norischen Königreich, verbunden. Dieses wird heutzutage gemeinhin mit den Stammesgebieten der Taurisker und der Noriker in Slowenien und Kärnten gleichgesetzt, später dehnte es sich auch auf die Steiermark, Teile Salzburgs und Oberösterreichs aus. Kurz vor der Zeitenwende scheint es sich bis an die ‚Porta Hungarica‘ erstreckt zu haben (Urban 2000: 363), denn Velleius Paterculus schrieb im Jahre 6 n. Chr. „ … von Carnuntum, einem Ort im norischen Königreich …“ (Kaus 2006a: 128). Hier scheint sich die antike Nachricht über die ‚Noroper‘ einzupassen und so dürfte auch das heutige Burgenland, möglicherweise nach den Boier-DakerAuseinandersetzungen, in den Einflussbereich des ‚regnum noricum‘ geraten sein. Wie hier aufgezeigt werden konnte beziehen sich die beiden historischen Begriffe ‚deserta boiorum‘ und ‚ferrum noricum‘ auf zwei eigenständige, annähernd zeitgleiche Gebiete, welche sich im heutigen Burgenland und Westungarn überschneiden und somit eine Neuinterpretation des Ursprunges der ‚Boiereinöde‘ nahelegen.

Die Verortung des Forschungsgebietes Das Oberpullendorfer Becken stellt durch seine geographisch geschlossene Lage ein ideales Forschungsgebiet dar. Im Norden wird es durch den Höhenzug des Brennberges (Ödenburger Gebirge), im Süden durch den Geschriebenstein (Günser Gebirge) und im ­Westen durch die östlichsten Ausläufer der Zentralalpen, die sogenannte ‚Bucklige Welt‘ begrenzt. Im Osten gehen die plattigen Bergrücken in die Kleine Ungarische Tiefebene über (Altenburger, Götzinger 2009: 32; Schmid 1977: 12), welche durch das Feuchtgebiet des Fertö (Neusiedlersee) mit seiner östlichen Erweiterung, dem Hanság, und der breiten, regelmäßig überfluteten Talaue des Flusses Raab (Rába) dominiert wurde (Draganits et al. 2008: 27). Durch dieses kesselförmige Relief dürfte es wohl auch in prähistorischer Zeit als ein zusammenhängender, jedoch nicht isolierter Siedlungsraum betrachtet worden sein (Abb. 1). Wie bereits von Karl Kaus beobachtet, befindet sich das Oberpullendorfer Becken im Zentrum eines prähistorischen Eisenverhüttungsgebietes, welches durch zwei zeitgleich bewohnte Höhensiedlungen flankiert wurde. Diese aufwendig befestigten Anlagen

Abb. 1: Vermutliche Lage der ‚deserta boiorum‘ (adaptiert aus Draganits et al. 2008: 31, Abb. 2).

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der ausgehenden Eisenzeit wurden von ihm – wohl aufgrund ihrer prominenten Lage – als ‚lokale Verwaltungszentren‘ bezeichnet und stellen für ihn die Vorgänger der römischen Städte Savaria und Scarbantia dar (Kaus 2006a: 131; Kaus 1981: 74; Kaus 1977: 69). Seither konnte diesen beiden Höhensiedlungen eine weitere hinzugefügt werden, und so zeigt sich das hier beschriebene prähistorische Eisenverarbeitungsgebiet von drei umwallten Höhensiedlungen umgeben: Burgstall (Várhely) von Sopron, Velem-Szentvid und ‚Burg‘ bei Schwarzenbach (siehe Abb. 1) (Wedekin 1994: 158). Der ‚Burgstall (Várhely) von Sopron‘ Die für die Hallstattzeit angenommene Stellung des Burgstalles (Várhely) von Sopron, als lokales Machtzentrum, wurde von Karl Kaus auf die spätlatènezeitliche Besiedlung übertragen, denn für ihn war sie das lokale Verwaltungszentrum, welches den Vorläufer der römischen Stadt Scarbantia, des heutigen Sopron (Ödenburg), bildete. In dieser Funktion vermutete er auch eine starke Affinität zu den benachbarten Erzeugungsstätten des ‚ferrum noricum‘ im Oberpullendorfer Becken (Kaus 1981: 74; Kaus 1977: 69). Die römische Stadt Scarbantia wurde bereits in tiberischer Zeit (um 20 oder 30 n. Chr.) gegründet und erstmals von Plinius d. Ä. als ‚Oppidum Scarbantia Julia‘ beschrieben. Bereits kurz nach ihrer Gründung erhielt sie um 90 n. Chr. das Stadtrecht und wurde zum ‚Municipium Flavium Scarbantiensium‘ ernannt (Kaus 2006a: 131). Als solches stellt sie eines der ersten historisch belegten Handelszentren entlang der römischen Bernsteinstraße dar. Die Höhensiedlung von ‘Velem-Szentvid‘ Die bedeutendste prähistorische Siedlung im Günser Gebirge ist die heute als Velem-Szentvid bekannte, befestigte Höhensiedlung westlich des kleinen ­ungarischen Dorfes Velem. Die Annahme, dass die prähistorische Besiedlung des Veitberges am Ende der Latènezeit aufgegeben wurde (Barral 1996: 430), scheint sich durch die frühe Gründung der nahegelegenen römischen Stadt Savaria (Szombathely) zu bestätigen. Die römische Stadt entstand aus einem militärischen Marschlager des Tiberius und erhielt bereits im Jahre 43 n. Chr. das Stadtrecht (Kaus 2006b: 146).

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Karl Kaus vermutet auch in der Höhensiedlung von Velem-Szentvid eines der vorrömischen Verwaltungszentren, die für die burgenländische Eisenverhüttung von überregionaler Bedeutung waren (Kaus 1981: 74; Kaus 1977: 69). Die ‚Burg‘ bei Schwarzenbach Auf einem das Tal des Schwarzenbaches überragenden Bergrücken befindet sich ein knapp 500 m langes und 300 m breites Hochplateau, welches im Osten, Süden und Westen steil abfällt, während es nach Norden hin flach ausläuft. Dieser flach auslaufende Bereich wurde in prähistorischer Zeit mit einem noch heute gut sichtbaren Wall mit vorgelagertem Graben befestigt (Wedekin 1994: 6f.). Durch geophysikalische Untersuchungen konnte mittlerweile der Nachweis erbracht werden, dass „die massive Wallbefestigung ursprünglich den gesamten Berg umschlossen“ hatte (Rachbauer 2005: 11). Wohl aufgrund dieser massiven Verwallung trägt der Hügel heute den bezeichnenden Flurnamen ‚Burg‘. Die späteisenzeitliche Besiedlung des Burgberges umfasste eine umwallte Gesamtfläche von ca. 15 ha (Neubauer 2008: 7; Wedekin 1994: 7) und erreichte somit eine mit den nahegelegenen Höhensiedlungen von Velem und Sopron vergleichbare Größe. Obwohl Karl Kaus die Existenz dieses spätlatènezeitlichen Zentrums bekannt war, nahm er dennoch an, dass die Verwaltung der burgenländischen Eisenverhüttung lediglich von den ebenfalls spätlatènezeitlich besiedelten Höhensiedlungen Velem-Szentvid und Burgstall (Várhely) von Sopron ausging (Kaus 1977: 69; Wedekin 1994: 162). Die neuen Erkenntnisse zur Höhensiedlung Schwarzenbach-Burg erforderten jedoch eine Neubewertung dieser Annahme. Durch die strategische Position auf einem das späteisenzeitliche Eisenverhüttungsgebiet überragenden Hügelrücken und die kontrollierende Lage an einer der wichtigsten Passverbindungen ins Wiener Becken darf man Schwarzenbach-Burg nun ebenfalls zu den lokalen Verwaltungszentren zählen (Neubauer 2008: 7). Die das Oberpullendorfer Becken umgebenden Höhensiedlungen haben scheinbar nicht nur, wie von Karl Kaus vermutet, die Produktion des Eisens verwaltet (Kaus 1981: 74), sondern dessen Handel kontrolliert und sind dadurch zu Wohlstand gelangt, welchen

Abb. 2:  Fundgebiete der Eisenverarbeitung nach Josef Polatschek (Wallner 2013: 97, Abb. 59).

sie durch den Ausbau der aufwendigen Befestigungsanlagen in der Spätlatènezeit zeigten. Die archäologischen Quellen im Forschungsgebiet Als Grundlage der angestrebten Analyse dienten vor allem die Feldbegehungsdaten von Josef Polatschek, einem Heimatforscher aus Oberpullendorf, der ab den 1960er Jahren große Anstrengungen unternahm, um die durch die verstärkte Mechanisierung in der Landwirtschaft gefährdeten archäologischen Bodendenkmale zu kartieren. Seine detaillierten Aufzeichnungen liegen in den sogenannten ‚Ortsakten‘ der Burgenlän-

dischen Landesmuseen/Eisenstadt auf und wurden für die vorgesehenen Berechnungen erneut quellenkritisch aufgearbeitet. Zusätzlich wurden die Skizzen und Karten von Josef Polatschek auf eine digitale Kartengrundlage (ÖK 1:25.000) des Burgenlandes übertragen, wobei die relevanten Informationen gegenseitig abgeglichen und daraus eine lage- und formgenaue Umzeichnung der Fundgebiete erstellt wurde. Die Feldbegehungen des Josef Polatschek Die Methodik der durch Josef Polatschek durchgeführten Feldbegehungen lässt sich am besten als ‚unsystematisch‘ beschreiben (vergleiche Doneus 2008: 162f.), da sie meist auf zufällig gemachten Beobach-

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Abb. 3: Vergleich der Fundgebiete nach Josef Polatschek und ‚500 m-Zone‘ (Wallner 2013: 41, Abb. 20).

tungen beruht, denen eine intensive Erforschung des kleinräumigen Fundgebietes folgte. Seine Informationen basierten nur selten auf direkten Beobachtungen der archäologischen Strukturen selbst (eine Ausnahme bilden hier die großen Pingenfelder oder Grabungsberichte), meist fanden sich nur ihre ‚aufgeackerten‘ Bestandteile wie etwa Keramikbruchstücke, Hüttenlehm, Reste von Verhüttungsöfen oder Schlacken. In den von Josef Polatschek erbrachten Fundmeldungen finden sich immer wieder Hinweise auf eine vor Ort erstellte Interpretation seiner Beobachtungen, so unterteilte er seine Fundgebiete in mehrere Kategorien: Siedlungen, Bestattungsplätze, Verhüttungsplätze von Eisenerzen, Schlackenplätze und Pingenfelder.

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Für die Verwaltung dieser enormen Datenmenge bietet ein Geographisches Informationssystem (GIS) ideale Möglichkeiten, da darin sämtliche Fundstellen georeferenziert dargestellt werden können und es möglich ist, diese rasch miteinander und mit ihrer umgebenden Landschaft in Beziehung zu setzen. Durch den Übertrag sämtlicher Fundgebiete entstand zugleich eine einfache Verteilungskarte (Abb. 2), aus der man die flächige Deckung der von Josef Polatschek untersuchten Areale ersehen kann. Auf den ersten Blick scheinen die hügeligen Bereiche im Zentrum und im Osten des Oberpullendorfer Beckens das Hauptuntersuchungsgebiet von Josef Polatschek gewesen zu sein, wohingegen die steileren

Bergrücken im Westen für ihn nur von geringerem Interesse waren. Dieses vorläufige Ergebnis ist möglicherweise trügerisch, da auch in den anscheinend „intensiv begangenen“ Arealen im östlichen Bereich des Bezirkes größere Bereiche ohne Fundgebiete verbleiben. Der Rückschluss, dass dort, wo durch den Hobbyforscher keine Fundgebiete eingetragen wurden, auch keine prähistorische Besiedlung oder Bewirtschaftung stattgefunden hatte, sollte daraus jedoch nicht gezogen werden. Vielmehr birgt diese Verteilung Hinweise auf das Begehungsschema von Josef Polatschek. So hat es den Anschein, dass es bestimmende Faktoren für die Auswahl seiner Begehungsgebiete gab. In manchen seiner Fundberichte erwähnt Josef Polatschek, dass er die Erforschung der Besiedlung eines Flusstales abgeschlossen hat. Diesem Hinweis über die Erforschung der Flusstäler folgend wurde den Analysen eine Umzeichnung der gegenwärtigen Fließgewässer hinzugefügt. Für eine räumliche Analyse des Auswahlfaktors ‚Fließgewässer‘ wurde im GIS ein sogenannter ‚buffer‘ definiert. Hierbei dienten die linearen Fließgewässer als Ausgangsobjekte für die Berechnungen, und sämtliche Fundgebiete innerhalb einer gewählten Entfernung zu dieser ‚Basislinie‘ wurden selektiert. Dadurch ergab sich ein stark verändertes Bild der Beurteilung der Feldbegehungen, so liegen nun 90% der von Josef Polatschek gemeldeten Fundgebiete weniger als 500 m von einem der Fließgewässer des Bezirkes entfernt. Selbst wenn man nur die größeren Bäche und Flüsse in die Berechnung miteinbezieht, verbleiben 73% aller Fundgebiete innerhalb dieser ‚500 MeterZone‘ (Abb. 3). Auffällig ist, dass lediglich Pingenfelder und Grabhügel in weiterer Entfernung der Fließgewässer liegen. Dies ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass die Aufmerksamkeit von Josef Polatschek durch die Rücksprache mit der lokalen Bevölkerung auf diese Denkmale gelenkt wurde und er gezielt nach diesen suchte und sie in seine Fundmeldungen aufnahm. Dieser Umstand würde auch das deutliche Abweichen von seinem üblichen Feldbegehungsschema erklären. Obwohl die Feldbegehung von vielen Archäologen als die wichtigste Prospektionsmethode angesehen wird, ist ihre Aussagekraft durch zahlreiche Unsicherheitsfaktoren beschränkt. Nicht alle Forschungsfragen

können durch sie zufriedenstellend beantwortet werden und daher ist es oft notwendig, weiterführende Prospektionsmethoden in die Erkundung eines Fundgebietes mit einzubeziehen (Doneus 2008: 228; 265). So wurden neben den großflächigen Feldbegehungen und intensiven Forschungsgrabungen der 1960-er und 1970er-Jahre einzelne Verhüttungsplätze auch mittels magnetischer Prospektion erkundet. ­ Weiters konnte auf die Fernerkundungsdaten von Luftbildern und flugzeuggetragenem Laserscanning (airborne laserscanning - ALS) zugegriffen werden, welche eine weitere Verfeinerung des archäologischen Gesamtbildes des Untersuchungsgebietes ermöglichten. Die späteisenzeitliche Verhüttungstechnologie Die Erkundung der latènezeitlichen Eisenverhüttung brachte drei unterschiedliche Rennofentypen zum Vorschein, wobei der eingetiefte ‚Rennofen vom Typ Burgenland‘ mit vorgelagerter Arbeitsgrube zum Leittypus der ausgehenden Eisenzeit wurde. Seine Datierung von ca. 120 v. Chr. bis in die letzten Jahrzehnte vor der Zeitenwende konnte sowohl durch Keramikund Münzfunde als auch durch 14C-Datierungen mehrfach bestätigt werden (Garner 2010: 76; Kaus 1977: 65–68). Obwohl bisher mehr als dreißig derartige Renn­ öfen durch Grabungen dokumentiert werden konnten, ist es dennoch nicht gelungen, die prähistorische Schmelztechnik durch experimentalarchäologische Versuche zufriedenstellend nachzuarbeiten. Dies begründet sich wohl auf den meist schlechten Erhaltungszuständen der aufgefundenen Öfen, welche im besten Fall bis zu einer Höhe von 0,6 m freigelegt werden konnten (Bielenin 1985: 187f.; Kaus 1981: 82). Aus diesem Grund ist der oberirdische Teil des meist als kuppelförmig beschriebenen Rennofens bisher nur durch ethnologische Vergleiche rekonstruierbar. Möglicherweise findet sich der entscheidende Hinweis zur spätlatènezeitlichen Verhüttungstechnik jedoch gerade in diesem Bereich. Durch die zahlreichen Forschungsgrabungen konnten bereits einige Details über die prähistorischen Verhüttungsplätze erschlossen werden. Jedoch sind die erkundeten Flächen meist nur wenige 100 m² groß und geben (selbst wie im Fall der zweijährigen Grabungen nahe Klostermarienberg) nur kleinräumige

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Abb. 4:  Mögliche Fundgebiete zur Eisenverarbeitung im Bezirk Oberpullendorf (Wallner 2013: 98, Abb.60).

Einblicke in die oft mehrere Hektar überspannenden Eisenverarbeitungskomplexe. Eine beispielhafte, großflächige Erkundung eines eisenzeitlichen Eisenverarbeitungsplatzes wurde erstmals 2001 in Pinkafeld-Lamplfeld durchgeführt, welche mehrere Areale mit einer Längsausdehnung von bis zu 60 m zeigte, die jeweils an die 60 –90 als Öfen ­interpretierte Strukturen aufwiesen. Aus den hochauflösenden Daten der magnetischen Prospektion konnten neben den zu Reihen angeordneten Öfen die ihnen vorgelagerten Arbeitsgruben erkannt werden, welche eine Interpretation als ‚Rennofen vom Typ Burgenland‘ nahe legten (Löcker, Neubauer 2001:

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14), und durch eine Forschungsgrabung 2002 bestätigt werden konnten (Herdits 2002: 626). Eine derart hohe Anzahl an Rennöfen wurde bis zu diesem Zeitpunkt von keinem an der Erforschung von Verhüttungsplätzen beteiligten Forscher angenommen (vergleiche Kaus 1981: 85) und unterstreicht die außergewöhnliche Aussagekraft von großflächigen, hochauflösenden, geophysikalischen Prospektionen, durch welche auf die Größe des Schlackenplatzes, die Anzahl und den Typus der prospektierten Öfen und den inneren Aufbau des Verhüttungsplatzes selbst geschlossen werden kann. Nach einer mehrere Jahrhunderte umfassenden Pau-

se wurde die intensive Eisenverhüttung im frühen Mittelalter (7. bis 11. Jh. n. Chr.) wieder aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die angewandte Technologie jedoch bereits stark verändert und so können die beiden Verhüttungsperioden meist deutlich voneinander unterschieden werden. Besonders die Verwendung von Tondüsen zur künstlichen Luftzufuhr im Mittelalter lässt eine rasche und eindeutige Datierung derartiger Verhüttungsplätze zu, da sich die gebrannten Bruchstücke in den Schlackenhaufen und Rennöfen bis zur heutigen Zeit gut erhalten haben (Gömöri 2000: 315; Gömöri et al 1999: 145; Bielenin 1977: 57). Die Feldbegehungen von Josef Polatschek lieferten viele, allerdings kaum zusammenhängende Verhüttungs- und Schlackenplätze im gesamten östlichen Teil des Untersuchungsgebietes. Aufgrund der Interpretation von markanten Bewuchsmerkmalen auf Luftbildern ist jedoch von einer deutlich dichteren Konzentration der Eisenverhüttungsgebiete auszugehen (vergleiche Abb. 2 mit Abb. 4) (Wallner 2013: 74–77). Durch die räumlichen Analysen der prähistorischen Fundgebiete wurden mögliche Lücken in den bisher zu Verfügung stehenden Daten erkannt, und so scheint eine Beurteilung der eisenzeitlichen Verhüttungsplätze alleine nicht geeignet zu sein, um das Ausmaß der einstigen Verhüttungstätigkeit im Untersuchungsgebiet zu rekonstruieren.

Die Pingenfelder des Oberpullendorfer Beckens Die ausgedehnten Trichterfelder in den Wäldern des Oberpullendorfer Bezirkes sind durch ihre tiefen Gruben ein auffälliges Geländemerkmal, welches schon früh die Aufmerksamkeit auf sich zog. Ihre einstige Funktion war in den ersten Jahren der Erforschung noch relativ unklar, jedoch stellte sich ihr Zusammenhang mit der Eisenproduktion durch das wiederholte Auffinden von Eisenerzen alsbald heraus. Die großflächigen Pingenfelder sind für die quantitative Beurteilung der prähistorischen Eisenproduktion von entscheidender Aussagekraft und stellen dadurch einen weiteren Hinweis für die einstigen Abbaumengen dar. Aufgrund ihrer unüberschaubaren Ausdehnung standen zuerst eine möglichst genaue Lokalisation und anschließende terrestrische Vermessung der einzelnen Pingengruppen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Auf diese Weise erhofften sich die beteiligten Wissenschaftler, das Ausmaß des prähistorischen Erzabbaus statistisch hochrechnen zu können. Allerdings wurde dieses Vorhaben bereits nach der detaillierten Vermessung der ersten kleineren Pingenfelder in den 1970-er Jahren wieder eingestellt (Meyer 1977: 25-45). Die meisten archäologischen Grabungen von Pingen mussten wegen des hohen Grundwasserspiegels bereits nach wenigen Metern abgebrochen werden, lediglich im Pingenfeld von Zerwald II konnte im Jahre 2000 eine Abbaugrube bis in eine Tiefe von 8 m erkundet

Abb. 5:  Litho-stratigraphisches Profil des Aufschlusses beim Sportplatz von Unterpullendorf (links) mit Detailfoto eines Querschnittes durch eine der ca. 13 cm großen Goethit-Konkretionen (rechts) (adaptiert aus Draganits et al. 2009: 111; 113f., Abb. 3 und 4).

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Abb. 6:  Schattiertes Bild der morphologischen Unterschiede der Pingenfelder Zerwald I und Zerwald II (Wallner 2013: 89).

werden. In ihrem litho-stratigraphischen Profil wurde eine 10 –20 cm mächtige Kongregation von Eisenerzen nachgewiesen, die wohl das Ziel der eisenzeitlichen Rohstoffgewinnung darstellte. Auch an einem nahegelegenen Aufschluss beim Sportplatz von Unterpullendorf konnte eine ähnliche Vererzung nachgewiesen werden, welche das bisher postulierte lagige Auftreten der Eisenerze bestätigte (Abb. 5) (Draganits et al. 2009: 111–114). Durch die Auswertung der schattierten Bilder, welche aus den gefilterten Daten eines im Winter 2010/11 beflogenen ALS-Scans errechnet wurden, war es nun erstmals möglich, die in den Wäldern verborgenen Pingenfelder form- und lagegenau zu kartieren. In den hochauflösenden Abbildungen konnten die morphologischen Unterschiede innerhalb einzelner Pingengruppen, welche bereits durch frühere Forscher beschrieben wurden, ein weiteres Mal beobachtet werden (Abb. 6) (Kaus 1981: 79; Meyer 1977: 25–45).

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Nach ersten Auswertungen der ALS-Scans zeigte sich, dass die großen runden bis zu 6 m tiefen Pingen im Zerwald I wohl als mittelalterlich zu datieren sind, da sie morphologisch den Abbauspuren im ungarischen Pingenfeld von ‚Kópháza‘ ähneln, dessen Datierung ins 10. bis 12. Jh. v. Chr. durch Grabungen als gesichert gilt (Gömöri 1999: 136). Auch im Zerwald III konnten in spätlatènezeitlich datierenden Pingen mittelalterliche Verhüttungsöfen vorgefunden werden (Wallner 2013: 86). Diese Beobachtungen erhärten die Vermutung, dass sämtliche bekannte Pingenfelder im Zentrum des Oberpullendorfer Beckens ursprünglich aus der Eisenzeit stammen und teilweise im Frühmittelalter wieder aufgesucht wurden. Durch eine detaillierte Auswertung der gut erkennbaren Pingenfelder kann nun an einer Berechnung des prähistorischen Abbauvolumens gearbeitet werden. Fügt man den Flächenanalysen eine Hochrechnung des möglichen Erzvorkommens vor dem

Abbau hinzu, scheint eine angenäherte Massenkalkulation des prähistorischen Eisenerzabbaus durchaus erfolgversprechend. Berechnungen zum Holzverbrauch der spätlatène­ zeitlichen Eisenverhüttung Bereits 1967 konnten in einem Aufschluss in Unterpullendorf kompakte Vererzungen von 200 bis 300 kg entdeckt werden (Schmid 1977: 14f.) und nach weiteren Beobachtungen sind in den Erzlagerstätten regelmäßig verschieden große Goethit-Konkretionen von 10 bis 90 cm Durchmesser aufgefunden worden (Kaus 1981: 78). Von diesen Prospektionsergebnissen ausgehend wurde eine Förderentnahme von rund 12.500 t Eisenerz für die spätlatènezeitlichen Pingen im sogenannten Djela-Wald angenommen (Schmid 1977: 22). Hochgerechnet auf die damals bekannten Pingenfelder ergab dies eine Fördermenge von rund 100.000 t, von denen allerdings nur zwei Drittel in die ausgehende Eisenzeit datiert wurden (Kaus 1981: 88). Diese Berechnungen entsprechen den jüngsten Kalkulationen, welche die seither gewonnenen Erkenntnisse über Abbaumethoden und Entstehung der Vererzungen im Oberpullendorfer Becken miteinbeziehen. So darf heute von einer späteisenzeitlichen Gesamtabbaumenge von 35.000 bis 60.000 t Eisenerz ausgegangen werden. Um die eingangs gestellte Frage, ob der Ursprung der ‚deserta boiorum‘ auf die Entwaldung/Verwüstung einer ganzen Landschaft aufgrund einer exzessiven Eisenerzeugung zurückzuführen ist, zu beantworten, scheint die bisherige Forschungslage bereits ausreichende Hinweise zu geben. Daher soll an dieser Stelle eine vorläufige Berechnung des eisenzeitlichen Holzverbrauches gewagt werden. Der Versuch von Karl Kaus, aus den hochgerechneten Erzmengen eine durchschnittliche jährliche Ausbeute an schmiedbarem Roheisen zu errechnen und diese mit den Berechnungen zur vermuteten Produktionsmenge derVerhüttungsplätze zu vergleichen, stellt einen äußerst erfolgversprechenden Ansatz dar. Seine Annahme ging von einer ca. einhundert Jahre andauernden intensiven Verhüttung aus, welche durch die Datierung des ‚Rennofens vom Typ Burgenland‘ weiterhin angenommen werden kann. Jedoch musste er

bei seinen Berechnungen eine große Diskrepanz zwischen den errechneten Mengen an Roheisen feststellen, so konnte er über die Verhüttungsplätze jährlich nur 12 bis 34 t nachweisen, wohingegen die Abbaumengen aus Pingen bis zu 100 t vermuten ließen (Kaus 1981: 88). Leider ging er bei seinen Kalkulationen nicht auf den zu erwartenden Holzverbrauch ein und so blieb dieser Aspekt der prähistorischen Eisenproduktion bisher unbeachtet. Durch experimentalarchäologische Verhüttungs­ versuche kann zurzeit von folgendem Verhältnis ­ausgegangen werden: 1 t Eisenerz wird mit 2,5 t Holzkohle zu 136 kg Roheisen (adaptiert aus Garner 2010: 58). Diesem Berechnungsmodell folgend würde sich für den Bezirk Oberpullendorf somit ein Minimum von – 35.000 t Erz mit 87.500 t Holz­kohle zu ca. 4.800 t Eisen – und ein Maximum von – 62.500 t Erz mit 156.250 t Holzkohle zu ca. 8.500 t Eisen – ergeben, welche einer, vorerst nur aliquot auf die angenommene Verhüttungsdauer von einhundert Jahren aufgeteilte, jährlichen Produktionsmenge von 48 bis 85 t Roheisen entspricht. Da die gegenwärtige Forschung für die späte ­Eisenzeit noch von keinem modernen Ressourcenmanagement ausgeht, wird eine damals unkontrollierte Entnahme der Hölzer angenommen. Auf diese Weise kommt es jedoch rasch zu einer vollständigen Entwaldung, welche mindestens zwei Generationen braucht, um erneut hiebfähige Dimensionen zu erlangen. Aus diesem Grunde wird für die prähistorischen Verhüttungsgebiete gerne von einer sogenannten ‚Niederwald‘Bewirtschaftung ausgegangen. Hierzu brauchen die Hölzer, da sie aus den geschlagenen Baumstöcken austreiben, nur 18 bis 20 Jahre um erneut geerntet werden zu können. Berechnungen der hierbei zu erwartenden Hiebsmengen haben ergeben, dass aus 1 ha Niederwald ca. 40 t Holz zu gewinnen sind, woraus beim Meilern bis zu 8 t Holzkohle erzeugt werden können (Garner 2010: 58). Aufgerechnet auf die vermutete Dauer der spätlatènezeitlichen Verhüttungstätigkeit ergäbe dies ca. 40 t Holzkohle je ha Niederwald. Angewandt auf die zuvor angenommene Menge an geförderten Eisenerzen kann für deren Verhüttung von einer abgeholzten Waldfläche von 2200 bis 3900 ha ausgegangen werden. Obwohl nicht davon auszugehen ist, dass das Ober-

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Abb. 7:  Verhältnismäßige Darstellung des errechneten Holzverbrauches der späteisenzeitlichen Eisenerzeugung im Oberpullendorfer Becken.

pullendorfer Becken vor Beginn der spätlatènezeitlichen Eisenerzeugung vollständig bewaldet war, wurde für die Darstellung der benötigten Waldfläche hier dennoch ein geschlossenes Waldgebiet abgebildet, da so das Verhältnis zwischen Verhüttungsarealen und Waldfläche besser ersichtlich wird (Abb. 7). Schlussfolgerungen Auch wenn die Vormachtstellung der Boier im pannonischen Raum durch die Niederlage gegen die Daker gebrochen wurde, ist aufgrund der archäologischen Hinterlassenschaften nicht von einem – durch diese Auseinandersetzung – ‚entvölkerten‘ Stammesgebiet auszugehen. Ebenso zeigt die historische Nachricht, dass ein Teil der ‚deserta boiorum‘ den benachbarten Stämmen als Schafweide diente, lediglich, dass die betroffene Landschaft nicht als Ackerland oder Rinder-

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weide genutzt werden konnte (Dobesch 1999: 351f.). Es darf somit von einer weitestgehend baumlosen, nur spärlich mit saftigem Gras bewachsenen Landschaft ausgegangen werden, ähnlich einem sich in Regeneration befindlichen Ödland. So zeigt sich vorerst das Bild einer vor-industriellen Landschaft, in welcher spezialisierte Handwerker über das gesamte letzte Jahrhundert vor der Zeitenwende – kontinuierlich – lokales Eisenerz abbauten und es auf großflächigen Verhüttungsplätzen zu hochwertigem Eisen verarbeiteten. Die jährliche Produktionsmenge von 48 bis 85 t Roheisen hat, wie bereits von Karl Kaus 1981 vermutet, den lokalen Bedarf bei Weitem übertroffen, und somit ist eine auf Export orientierte Gesellschaft anzunehmen. Die Verhandlung des als antikes Markenprodukt bekannten ‚ferrum noricum’ wurde wohl durch die, das Produktionsgebiet umgrenzenden und an den prähistorischen Hauptver-

kehrswegen gelegenen, befestigten Höhensiedlungen von Sopron,Velem und Schwarzenbach verwaltet (vergleiche Neubauer 2008: 7; Wedekin 1994: 158; Kaus 1981: 88). Der durch diese Lage erlangte Wohlstand drückt sich im spätlatènezeitlichen Ausbau der spätbronze-/hallstattzeitlichen Befestigungsanlagen aus, welcher nicht nur einen fortifikatorischen Zweck, sondern auch eine repräsentative Funktion erfüllte. Aufgrund des bisherigen Fehlens von größeren, späteisenzeitlich datierenden Ansiedlungen im Tiefland des Bezirkes Oberpullendorf dürften die eisenzeitlichen Rennmeister dem Rohstoff Holz gefolgt sein,

und so wurden die temporären Arbeitersiedlungen alsbald verlassen und im nächstgelegenen Wald wiederaufgebaut. Somit folgten die, heutzutage im gesamten östlichen Teil des Forschungsgebietes auffindbaren, Verhüttungsplätze der fortschreitenden Entwaldung, bis die Eisenverarbeitung kurz vor der Zeitenwende eingestellt wurde und ein weitgehend ‚verwüstetes Land‘ hinterließ. Die Waldverwüstung scheint hierbei ein – für die Römer – bisher unbekanntes Ausmaß erreicht zu haben, denn nur dadurch ist die Bezeichnung des Gebietes als ‚deserta boiorum‘ – einem ‘von den Boiern verwüsteten Land‘ – zu verstehen.

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Keltische Trance – Schamanismus in der eisenzeitlichen Keltiké? Diskurs und empirische Ergebnisse Alexandra Vonkilch

Zusammenfassung Dieser Artikel untersucht Aspekte der Forschungsarbeit der Kultur- und Sozialanthropologin Felicitas D. Goodman und ihre Anwendbarkeit für die Interpretation eisenzeitlicher „keltischer“ Kunst. Goodman kam zu dem Ergebnis, dass sich der menschliche Bewusstseinszustand in bemerkenswerter Weise verändert, wenn man bei rhythmischer Anregung sogenannte rituelle Körperhaltungen nachstellt. Die Körperhaltung selbst bildet hierbei das Tor zu einer anderen Dimension des menschlichen Bewusstseins. Bei den 79 von Goodman erforschten Körperhaltungen handelt es sich um eine Wiederentdeckung alter, zum Teil prähistorischer Tranceinduktionsmethoden und damit um einen Teilbereich des Schamanismus, der uns scheinbar in Form von Artefakten hinterlassen worden ist. In diesem Beitrag werden empirische Ergebnisse – es wurden über vierzig Versuche mithilfe freiwilliger Probanden durchgeführt – über jene rituellen Körperhaltungen vorgestellt, die laut Goodman der keltischen Materialkultur zuzuordnen sind. Ziel dieses Artikels ist es, neue Denkansätze und eventuelle Schlussfolgerungen liefern zu können, die möglicherweise einen erweiterten Zugang und damit neue Interpretationsansätze über Funde und Befunde aus der eisenzeitlichen Keltiké gestatten. Abstract This article assesses research by the anthropologist Felicitas D. Goodman and its applicability to the interpretation of Iron Age ‘Celtic’ art. Goodman realised that the human consciousness can be significantly altered by rhythmic ­stimulation and so-called ‘ritual’ body positions. The position itself serves as the gate to a different dimension of human consciousness. The 79 positions examined by Goodman constitute a rediscovery of old, partially prehistoric methods of trance induction. Such shamanistic practices seem to have been codified in artefactual evidence.This ­article examines the outcomes of 40 empirical experiments conducted with volunteers on such ‘trance positions’ which, ­according to Goodman, can be found in ‘Celtic’ material culture. It aims to present a new approach to and interpreta­ tions of finds and features from the Iron Age Celtic world.

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Einleitung

Das menschliche Bewusstsein

Die Interpretation von bildlichen Darstellungen in der keltischen1 Kunst und die daraus gewonnene Erkenntnis ist, nicht zuletzt aufgrund der Abwesenheit schriftlicher Quellen, von höchst spekulativer Natur. Grund dafür ist die Tatsache, dass antike Kunstobjekte und ihr archäologischer Befund einzig die materielle Ebene einer einstigen Handlung darstellen und uns die dahinterliegende Intention gänzlich unbekannt ist. Ein weiterer erschwerender Umstand für die Interpretation ist die Gegebenheit, dass bei der Deutung ikonographischer Quellen immer die persönliche Prägung eine wesentliche Rolle spielt, denn wir können in einer Darstellung nur das erkennen, was uns bereits bekannt beziehungsweise vertraut ist. Somit sind Interpretationen immer ein subjektiver Akt, auch weil der Kontext, in dem die prähistorische Schöpfung stattgefunden hat, für uns im Dunkeln liegt. Ziehen wir den sogenannten „Krieger“ vom Glauberg und den „Krieger“ von Hirschlanden als Beispiele heran, so fällt bei beiden Stelen die Ähnlichkeit der Gestaltung auf. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man, dass die Armhaltung ein wesentliches Detail darstellt, da sie gegengleich modelliert wurde. Zufall oder Absicht? Dies lässt sich im Grunde nicht seriös deuten, da uns der Sinngehalt dieser Geste – falls überhaupt vorhanden – gänzlich unbekannt ist. So lassen die beiden in einem Hügelgrab bestatteten Figuren zahlreiche Interpretationsversuche zu. Um einigermaßen seriöse Interpretationsansätze für archäologische Hinterlassenschaften zu finden, ist es notwendig über den Tellerrand der eigenen Fach­ disziplin hinaus zu blicken. So erscheint es sinnvoll bei antiken Autoren nachzulesen, in der Kultur- und Sozialanthropologie zu forschen, sich aber auch mit der mittelalterlichen inselkeltischen Literatur zu befassen, im Bewusstsein aller Probleme, die mit diesen Quellen einhergehen (siehe dazu auch Beilke-Vogt 2007: 15f.; Karl 2010: 164). Eine andere Methode sind empirische Versuche. Einige Ergebnisse solcher Versuche, im Kontext einer rituellen Deutung von Teilen keltischer Kunst, wird weiter unten vorgestellt.

Jeder Handlung im Außen gehen eine Geisteshaltung sowie ein Denkprozess im Inneren voraus. Diese sind jedoch, wie bereits angedeutet, in ihrer ganzen Weite und Tiefe auf materieller Ebene alleine nicht erfassbar. Kulturelle Strukturen sind Manifestationen des ­Geistes (Schwind 1951): Daher sollte bei der Interpretation archäologischer Funde und Befunde auch das menschliche Bewusstsein bedacht werden. ­ Natürlich ist dieser komplexe Bereich, der aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen beleuchtet werden kann, in keinster Weise vollständig zu erfassen, jedoch könnten uns die diversen Zugänge diesbezüglich wesentlich weiterhelfen. Renommierte Philosophen wie z. B. Aristoteles, Kant oder Wittgenstein gewähren uns Einblick, aber auch die naturwissenschaftlichen Fachbereiche wie Neurowissenschaften, Psychologie und Kognitionswissenschaften sowie die Medizin können uns helfen das Bewusstsein zu verstehen. Der Zugang über die großen Weltreligionen sowie deren mystische Strömungen, wie z. B. die jüdische Kabbalah oder der Sufismus, deren Ziel die evolutionäre Änderung des Bewusstseins ist, sollte in diesem Kontext ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden (siehe dazu Rubenstein 2010; Shah 1974). Seit den 1960er Jahren kennt die Psychotherapie die Methoden der Transpersonalen Psychologie2 (TTP)3, welche die klassische Psychologie um philosophische, religiöse und spirituelle Aspekte erweitern möchte (Grof 1986). Zweifelsfrei könnte die Vorstellung sich derartig esoterischer4 Zugänge zu bedienen, den naturwissenschaftlichen Archäologen (im besten Fall) befremden, dennoch gilt es zu bedenken, dass ein derartig spirituell wissenschaftlicher Zugang der antiken bzw. prähistorischen Gesellschaft weitaus näher liegen dürfte als unser heutiges, modernes westliches Paradigma. Bewusstseinszustände ändern sich mehrmals im Laufe eines Tages, je nach Bewusstseinslage, und die damit einhergehende Veränderung der Gehirnwellenfrequenzen können medizinisch mittels EEG5 gemessen werden. Im entspannten Wachzustand würde die Messung einen Frequenzbereich von 8 bis 13 Hertz ergeben – man spricht von Alpha-Wellen. Man empfindet Gelassenheit, es entstehen Einsichten, man ge-

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langt zu kreativen Problemlösungen und Ideen. In diesem Gehirnbereich arbeitet das Gehirn harmonisch und je tiefer man sich entspannt, wobei die Wellenfrequenz sinkt, desto mehr steigt die Empfänglichkeit für Suggestion (Guttmann 1973; 1991; Vaitl 2012). Ein Beispiel aus dem Alltag ist hierfür das Bewusstsein während dem Zuhören eines Vortrags auf einer Tagung. Wenn man das Publikum beobachtet, wird man irgendwann feststellen, wie im Verlauf des Tages der anfänglich motivierte Zuhörer früher oder später unweigerlich in ein Dösen oder sogar in Schlaf verfällt. Würde man nun die Gehirnströme mittels EEG messen, würde das Gerät aller Voraussicht nach Theta-Wellen im Frequenzbereich von 4 bis 8 Hertz aufzeichnen. Paradoxerweise setzen ab diesem Frequenzbereich auch die beiden hellwachen Bewusstseinszustände Meditation und Trance an (Guttmann 1973: 72ff.; 1991; Vaitl 2012: 43–66; vgl. dazu Goodman 1992; Guttmann 1992). Gerät man während eines solchen Vortrages dann in einen traumlosen Tiefschlaf, ist die Gehirntätigkeit im tiefsten Frequenzbereich von etwa 0,5 bis 4 Hertz angekommen. Diese Gehirnwellenmuster begleiten Vorgänge umfassender körperlicher Regeneration und der eingeschlafene Zuhörer kann nach dem Erwachen erholt den restlichen Tagungsvorträgen wieder aufmerksam folgen. Das Bewusstsein lässt sich durch verschiedenste Praktiken verlagern. Man spricht von sanften (z. B. Yoga) und violenten Methoden (z. B. Folter) (Keyserling 1990). Allgemein lässt sich sagen, dass eine Bewusstseinsveränderung entweder durch Reizentzug oder Reizüberlastung herbeigeführt wird (siehe dazu u. a. Keyserling 1990; Rätsch 1998: 22; Dittrich 1994; vgl. dazu Vaitl 2012). Zu freiwillig erzeugten, wachen, veränderten Bewusstseinszuständen zählen neben diversen Formen der Meditation, wie z. B. sama¯ dhi, auch die Trance. Unter dem Begriff Trance, lateinisch transire „sich verwandeln“, „überschreiten“, „hinübergehen“, wird ein halbwacher Bewusstseinszustand beziehungsweise eine Übergangsphase zwischen verschiedenen Bewusstseinszuständen verstanden (Matthiesen, Rosenzweig 2007: 242). Trance ist anhand von Körperfunktionen messbar.Wie in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen beobachtet werden konnte, finden während einer Trance äußerst paradoxe Abläufe im mensch-

lichen Körper statt. Zum Beispiel sinkt der Blutdruck, während sich die Pulsfrequenz erhöht (Goodman 1992: 12; Guttmann 1992: 263–307; Nauwald, Goodman 2010: 35). Die Trance ist in vielen Gesellschaften als soziale Institution zu sehen. So ist sie eine der wichtigsten Bestandteile einer ganzen Reihe von religiösen Feierlichkeiten (unter anderem auch Schirmbrand 1991: 58). Schamanismus Moderne „Neoschamanen“ behaupten in die Anderswelt reisen zu können, um dort in Kontakt mit Verstorbenen zu treten oder scheinbar „abhanden gekommene Seelenanteile“ ihres Klienten wieder zusammenzutragen, damit dieser wieder heil – im Sinne von ganz – und damit gesund werden kann. Schamanismus ist jedoch keineswegs nur eine psychologisch-esoterische Modeerscheinung des Westens, sondern einerseits auch heute noch ein sehr lebendiges nord- und zentralasiatisches Phänomen mit ­langer Tradition und Geschichte, und andererseits eine jahrtausendealte kulturelle Erscheinung, wie uns eindrucksvolle Belege wie die Höhlenmalereien von ­Lascaux zeigen (siehe dazu Eliade 1974; Goodman 2003; Weiss 1987). Der Religionswissenschaftler Mircea Eliade erklärt Schamanismus als „Technik der Ekstase“ (Eliade 1974: 14), „die einer gewissen Elite zur Verfügung steht und in gewisser Weise die Mystik der betreffenden Religion konstituiert“ (Eliade 1974: 17), wobei der Schamane, wörtlich übersetzt „der, der außer Fassung bzw. verrückt ist“, Meister von Ekstasetechniken und zudem Mittler zwischen dem Dies- und Jenseits ist (Weiss 1987: 189). Die Frage, die sich mir stellt ist, ob es erkennbare schamanistische Elemente bei Indogermanen respektive bei Kelten gibt. Spuren von Schamanismus lassen sich nahezu bei allen indogermanischen Völkern ­finden, jedoch reicht das alleinige Vorkommen schamanistischer Elemente wie Himmelsfahrt, Unterweltsfahrt oder die Anrufung der Geister in einer indogermanischen Religion nicht aus, um diese als schamanistisch strukturiert zu betrachten. Da wir nur sehr wenig Sicheres über die religiöse prähistorische und antike Geschichte der indogermanischen Kulturen wissen und es sich bei historisch be-

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Abb. 1:  Cernunnos Haltung: Nauwald, Goodman 2010, 92

Abb. 2:  Hirschlanden Haltung: Nauwald, Goodman 2010, 96

legten um bereits ausgearbeitete sowie systematisierte Religionen handelt, ist es notwendig, in deren ­Mythen, Riten und Ekstasetechniken etwaige schamanistische Elemente zu suchen. Und obwohl in nahezu allen indogermanischen Kulturen solche Mythen, Riten und Ekstasetechniken belegt sind, kann man nicht davon ausgehen, „dass man den Schamanismus zur Dominante des religiös-magischen Lebens der Indogermanen erklären kann. [...] Die Schamanen fanden ihren Platz neben anderen religiös-magischen Mächten und Würden, sie waren nicht mehr alleine in der Anwendung der Ekstasetechniken und in der ideologischen Herrschaft über die ganze Geisteswelt eines Stammes.“ (Eliade 1974: 358–361). Diesem Ansatz zufolge könnten wir uns überlegen, ob das keltische Druidentum eventuell eine Art Konglomerat aus Priestertum und Schamanismus gewesen sein könnte. Ein Umstand, der für die Hypothese „Schamanismus bei den Kelten“ sprechen könnte, ist die typische Schrift- und Staatenlosigkeit schamanistischer Gesellschaften. Jedoch gilt es hierbei zu beachten, dass man nicht automatisch davon ausgehen kann, dass Staatenlosigkeit eine schamanistische Gesellschaft impliziert. Jedenfalls scheinen Exstasetechniken, also Schama-

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Abb. 3:  Hirschlanden Haltung 2: Nauwald, Goodman 2010, 96

Abb. 4: Tschiltan Haltung: Nauwald, Goodman 2010, 190

nismus, bei den, den Kelten benachbarten, Germanen belegt zu sein und ein Kontakt mit den Gesellschaften der eisenzeitlichen Keltiké, in Lebensart, Sprache als auch Kunst, ist wohl nicht abzusprechen. Der berühmte germanische kosmische Baum Yggdrasil ist wohl eine der ersten Assoziationen, die erweckt werden, wenn man an Schamanismus bei den Germanen denkt. Er gehört zum Mythos Odins, des schrecklichen Herrschers und großen Zauberers, der so manche schamanische Züge aufweist. Wie Eliade berichtet, bleibt Odin neun Tage und neun Nächte an einem Baum Yggdrasil aufgehängt, um sich die Geheimweisheit der Runen anzueignen. Ein weiteres Indiz für Schamanismus stellt die Geschichte von Odins achtbeinigem Pferd dar, mit welchem er und andere Götter in die Unterwelt reisen. Das achtbeinige Pferd findet man vor allem in Sibirien und es steht immer in Beziehung zum ekstatischen Erlebnis. Es ermöglicht dem Schamanen die mystische Reise entweder in den Himmel oder zur Unterwelt (Eliade 1974: 362; 431). So wird bei buritätischen Schamanen ein Pferdekopfstock zu ekstatischen Tänzen verwendet (Eliade 1974: 362; 431). In Wales wird während der Zwölfnächte das Fest

„Mari Lwyd“, der „Bleichen Marie“ gefeiert, bei der ein aufgeputzter und mit weißen Tüchern drapierter Pferdeschädel umhergetragen wird. Ebenso lassen das irische Pendant dazu, das Fest „Láir bhan“, die „Weiße Mähre“, sowie Darstellungen und Erwähnungen der gallischen Pferdegöttin Epona oder der walisischen Rhiannon an diesen sibirischen Ritus denken. Natürlich muss bei derartigen Vergleichen bedacht werden, dass die inselkeltische Literatur erst im christianisierten Mittelalter niedergeschrieben wurde. Dennoch zeigen sich frappante Erzählmotive in den Geschichten, die es meines Erachtens nun ein wenig näher zu beleuchten gilt. So berichtet Birkhan, dass eine „enge fast schicksalshafte Verbindung“ zwischen den Helden der altirischen Sagen und ihren Pferden besteht (Birkhan 1997: 714). „Dass der König selbst zumindest metaphorisch zum Pferd wurde, können wir aus Namen wie Mongán [...], insbesondere aber aus Eochaid, resp. E(o)chu `Pferd` ersehen, wobei diese weniger Personen- als Würdenamen gewesen zu sein scheinen“ (Birkhan 1997: 541). Odin ist die Fähigkeit zu eigen, nach Belieben seine Gestalt zu wechseln, wie die Ynglinga saga 7 berichtet, und man erkennt dabei die typisch schamanische Technik der Verwandlung in Tiere. Kennt man nun die alt­irische Erzählung De chophur in dá Muccida („Über die Verwandlung der zwei Schweinehirten“), in der zwei gleichmächtige Hirten ihre Gestalt zuerst in Raub­vögel, weiter in Wassertiere, Hirsche, Krieger, Drachen und schließlich in Würmer wandeln (Birkhan 1997: 870), wird man stark an dieses schamanistische Indiz erinnert. Die Mantik, ein Teilbereich des Schamanismus, war sowohl bei den Germanen als auch den Kelten bekannt. So wird in der Völospá,Vers 46 die Wahrsagung mittels des mumifizierten Hauptes Mimirs berichtet (Eliade 1974: 364 zitiert nach Ellis 1940: 156ff.), was mit den keltischen Berichten über das sprechende Haupt des Bran aus dem Mabinogi (Maier 2004) zu vergleichen ist. Neben dem irischen Brauch tarb-fheis („Stierschlaf“), bei dem der fili („Dichter“) vom rohen Fleisch des Stieres aß, von seinem Blut trank und danach in seiner Haut eingewickelt schlief, um von „unsichtbaren Freunden“ die Antwort auf seine Fragen zu erhalten (Eliade 1974: 364 zitiert nach O’Rahilly 1946: 323ff.; vgl. dazu Birkhan 1997: 93), wurde auch

der imbass forosnae („das umfassende Wissen, das aufhellt“) als Wahrsagetechnik durchgeführt. Auch das schamanische Element, die Bereisung des Weltenbaums, inklusive der schamanischen Skelettierung, welches die geistige Neugeburt eines Schamanen nach der Initiation symbolisiert, ist beachtenswert und findet meiner Ansicht nach in einer Episode des walisischen Mabinogi seine Erwähnung (siehe dazu Eliade 1974: 44; Findeisen 1957: 34–49; Müller 1997: 61– 64 vgl. mit Maier 2004: 93–94). Auch die Nähe zum Schmiedehandwerk ist ein ­Indiz für schamanistische Gesellschaften. Die altirische Erzählung über König Núadu scheint uns eventuell davon zu berichten (Findeisen 1957: 95; vgl. dazu Birkhan 1997: 500 –501; 938–939). Magisches Gestein spielt in australisch schamanischen Initiationsriten eine übergeordnete Rolle. Ein Ritus der wahrscheinlich nahezu jeden an das ­weltberühmte Grimm-Märchen „Rotkäppchen“ erinnern dürfte, wird heute noch bei den Wiradjuris, einem Stamm der Aborigines, gelebt. So werden dort vom Initiationsmeister Felskristalle in den Körper des Novizen eingeführt (siehe dazu Eliade 1974: 139; Findeisen 1956: 48; 1957: 33). Auch bei thailändischen Völkern spielen Felskristalle eine gewichtige Rolle. Der Thron ihres höchsten Wesens besteht aus durchsichtigen Kristallstücken. Diese werden vom Schöpfer abgebrochen und auf die Erde geworfen, um widerspiegeln zu können, was sich auf der Erde zuträgt. So spiegeln bei manchen Völkern „Lichtsteine“ wider, was der Seele des Kranken widerfährt (siehe dazu Eliade 1974: 142 nach Pettazonni 1950: 362; Kalweit 1998: 183). Für Eliade stellen diese „Fels- bzw. Steinriten“ eine logische Erklärung dar, da Meteoriten ja vom Himmel gefallen sind und deswegen mit magischen Kräften durchtränkt sein müssen und durch ihren Fall die Heiligkeit des Himmels auf die Erde bringen (Eliade 1974: 142; vgl. dazu Kalweit 1998: 176 –181). In der altirischen Sage Tain bó Fraich begegnen wir ebenfalls edlen Steinen, die Ailill und Medb als Lichtspender dienen, während sie drei Tage und drei Nächte durchgehend fidchell spielten. Sie vergaßen aufgrund des hellen Scheins der Edelsteine die Zeit (Meid 1974: 4), ein Indiz, das für einen transzendentalen Zustand sprechen könnte, da eine „Zeitlosigkeit“ häufig in Zusammenhang mit veränderten Bewusstseinszuständen

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berichtet wird. Weiters wird in dieser Erzählung geschildert, dass während des Schachspiels drei Harfen spielende Brüder auftreten, die von Wesen der Oberund Unterwelt abstammen und durch ihr Musikspiel die als Verzierung dienenden, auf den Harfen angebrachten Tiergestalten lebendig werden ließen (Thurneysen 1991: 133). In wie weit uns archäologische Befunde, wie zum Beispiel die Höhle von Býˇcí skála (Parzinger 1995) und das im Sommer 2010 gefundene, bisher einzigartige Hallstätter Grab Nr. 99, der Leichnam wurde in einem Bärenfell bestattet6, Hinweise auf schamanistische Elemente in der eisenzeitlichen Kulturlandschaft der Keltiké liefern könnten, bedarf ebenfalls einer eingehenden Diskussion. Felicitas D. Goodman Bevor ich zur Darstellung des empirisch gewonnenen Datenmaterials übergehe, sei noch kurz jene Person vorgestellt, die die Forschung zu „rituellen Körperhaltungen“ begründet hat. Felicitas D. Goodman war eine renommierte deutsch-amerikanische Kulturanthropologin, die in einem Forschungsprojekt „altered states of conciousness“ (ASC), „veränderte Bewusstseinszustände“, untersuchte. In ihrer 17-jährigen Forschungsarbeit untersuchte sie ASC-Zustände, indem sie zum einen mit Hilfe von EEG-Messungen die Hirnströme von Menschen in Trance-Ekstasen beobachtete, Blut und Hirn nach Epinephrinen, Norepinephrinen und Beta-Endorphinen untersuchte und zum anderen die Tonmuster beim „Sprechen in Zungen“ (Glossolalie) analysierte (Goodman 1992; 2007; Guttmann 1992: 280; Nauwald, Goodman 2010; Schirmbrand 1991: 57). Bei der Glossolalie handelt es sich um eine Vokalisation, die gewöhnlich aus Silben besteht, die an und für sich keine Bedeutung haben. Dieses Sprachmuster tritt in Trance bei allen Dialekten aller Kulturen gleichermaßen auf (siehe dazu Goodman 1972; Schirmbrand 1991: 58). Im Herbst 1968 wurde Goodman an die Dension University in Ohio berufen und traf dort auf sehr interessierte StudentInnen. Sie gehörten zur ganz besonderen Generation der Sechziger und waren dementsprechend an außergewöhnlichen Bewusstseinserfahrungen interessiert und wollten die Trance selbst

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ausprobieren, allerdings ohne die Glossolalie lernen zu müssen (Goodman 2007: 32). Goodman begann daher darüber nachzudenken, ob es möglich wäre, das Gesamtverhalten in seine Teile zu zerlegen und nur die dem Erlebnis zugrunde liegenden körperlichen Veränderungen herbeizuführen (Goodman 2007: 32). Der Grundstein für die „Tranceinduktionsmethode der Felicitas D. Goodman“ (Schirmbrand 1991: 57) war damit gelegt. In den kommenden Jahren führte sie Versuche mit verschiedenen Studentengruppen durch, bis sie im Jahr 1977 im Zuge ihrer Forschungen über Sprache, Rhythmen und Trancezuständen entdeckte, dass bei jahrtausendalten ikonographischen Quellen auffällige und sehr besondere „rituelle Körperhaltungen“ dargestellt sind. Sie stellte schließlich fest, „dass eine rhythmische Anregung in einer rituellen Körperhaltung in der Folge sofort zu einem religiösen Erlebnis führt.“ (Goodman 1991). Aufgrund dieser Entdeckung wurde ihr ein großes Forschungsprojekt genehmigt. In zahlreichen weltweiten Versuchen stellte Goodman schließlich fest, dass sich der Bewusstseinszustand auf bemerkenswerte Weise verändert, wenn man eine der wiederentdeckten rituellen Körperhaltungen alter Kulturen nachstellt und eine rhythmische Anregung, z. B. Rassel oder Trommel hinzufügt. Dabei muss der Beat des Instruments einen gleichbleibenden Rhythmus von 210 beat pro Minute betragen (Nauwald, Goodman 2010: 17). Goodman fand insgesamt 79 rituelle Körperhaltungen, wobei sie unter anderem die „Venus von Willendorf“ sowie die „Fanny vom Galgenberg“ als Darstellungen solcher Körperhaltungen identifizierte. Die „Cernunnos-Darstellung“ am Kessel von Gundestrup sowie der „Mann von Hirschlanden“ sprach sie als ebensolche an, die sie dezidiert den Kelten als Darstellung von rituellen Körperhaltungen zuschrieb. Zwei weitere von ihr publizierte Haltungen erinnerten mich während meiner Quellenanalyse zum einen an die Stele des „Glaubberg-Fürsten“ und zum anderen an die Haltung der „Kriegerin“ am Wagen von Strettweg (Nauwald, Goodman 2010). Empirische Erhebung Im Zuge von Forschungsarbeiten werden rituelle Körperhaltungen nun seit mehr als dreißig Jahren im

Felicitas-Goodman-Institut7, welches Goodman 1979 in New Mexiko, USA errichtete, praktiziert und studiert. Diese sogenannten Trancehaltungen sind, wie in den Publikationen explizit betont wird, kein Schubladensystem und bergen, daraus resultierend, auch keine Erlebnisautomatik in sich (Nauwald, Goodman 2010: 26f.). So wörtlich: „Immer wieder offenbaren sich uns auch in lang vertrauten Haltungen die Bereiche der anderen Wirklichkeiten aus veränderten Blickwinkeln, mit veränderten Einsichten.“ (Nauwald, Goodman 2010: 26). Für meine empirischen Erhebungen entschied ich mich, drei von Goodman sehr gut analysierte und ­publizierte Haltungen zu überprüfen, nämlich die „Cernunnos-“,die „Hirschlanden-“ und die sogenann­ te „Tschiltan-Haltung“ (Nauwald, Goodman 2010), die der Haltung des Glauberg-Fürsten entspricht. Für die Versuche meldeten sich dreißig freiwillige Probanden beider Geschlechter, zwischen 19 und 48 Jahren. Die Probanden wussten zu keiner Zeit, welche Erlebnisse sich laut Goodman bei welcher Haltung einstellen sollten, d. h. es wurde weder vor noch nach einer Sitzung über die publizierten Ergebnisse gesprochen, noch wurden Abbildungen der Darstellungen gezeigt. Weiters kannte mit Ausnahme einer Probandin kein Teilnehmer Goodman oder ihre Forschungsarbeiten. Die Sitzungen wurden einzeln und in Gruppen an verschiedenen Orten abgehalten. Für die rhythmische Anregung wurde ein CD-Tonträger mit original rhythmischer Anregung nach Goodman verwendet (Nauwald 2004). Die Probanden nahmen die ausgewählten und explizit erklärten korrekten Körperhaltungen ein. Am Ende jeder Sitzung wurden die subjektiven Erlebnisschwerpunkte unabhängig und ohne gegenseitige Beeinflussung der Probanden auf einem Fragebogen, ohne jegliche Vorgaben, notiert. Die daraus erhaltenen Ergebnisse wurden mit den von Goodman publizierten Erlebnisschwerpunkten verglichen und ausgewertet. Da aufgrund des hohen finanziellen Aufwands auf EEG-Messungen und andere medizinische Untersuchungen wie Blutdruckmessen, Puls und Blutzusammensetzungen während der Versuche leider verzichtet werden musste, wurden die laienhaften Ergebnisse der Probanden durch zwei Trancesettings einer „professionellen Neo-Schamanin“ erweitert. Ihre Erfahrungen wurden zweifach doku-

mentiert, zum einen auf dem Fragebogen und zum anderen mittels Diktiergerät aufgenommen. Goodman berichtete bei der Durchführung der „Cernunnos-Haltung“ über folgende Erlebnisschwerpunkte: – Wachstum – Verwandlung in Tiere – Gefühle von Kraft/Macht – Bereisen der Welten/des Weltenbaums – Viele Tiere (Nauwald, Goodman 2010: 93) Die Erlebnisschwerpunkte bei der „HirschlandenHaltung“ lauten wie folgt: – Tod als Initiation – Übergang von einer Lebensphase in die nächste – Begleitung Sterbender und Verstorbener – Kontakt zu Verstorbenen (Nauwald, Goodman 2010: 96) Erlebnisschwerpunkte bei „Krieger-vom-GlaubergHaltung“ („Tschiltan-Haltung“): – eignet sich besonders gut für Aktivierung von Heilprozessen – Gefühl der Erneuerung – Bilder von Initiation (Nauwald, Goodman 2010: 190) Während die Schamanin ohne jegliche Vorkenntnisse, was Archäologie oder Kelten anbelangt, von der „Hirschlanden-Haltung“ unter anderem berichtete, dass sie das Gefühl hatte, ihr ganzer Unterkörper würde überdimensional breit und groß werden, „die gesamte Energie konzentriert sich ab Hüfte nach unten“ – und jedem dürften die viel diskutierten (z. B. Birkhan 1997: 368) unförmigen und zum Oberkörper über­dimensional wirkenden Beine der Stele bestens bekannt sein –, erzählte eine Keltologiestudentin, die nach eigenen Angaben zwar die Stele kannte, jedoch keinerlei Vorkenntnisse vom Befundkontext hatte, auszugsweise wie folgt: „Trauriges Umfeld, wie ein Begräbnis. Hatte das Gefühl ich werde begraben und man schüttet mich mit Erde zu. Alles um mich ist sehr eng. Es waren Leute, die haben geweint. Männer sind gekommen mit Schilden und Speeren …“ Goodmans Erlebnisschwerpunkte (Nauwald, Good-

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man 2010: 96) über Tod und Begleitung von Verstorbener wurden demnach eindrucksvoll bestätigt. Detailliert stellt sich das Datenmaterial zur Haltung „Mann von Hirschlanden“, die von 14 Personen experimentell eingenommen wurde, wie folgt dar: Tod als Initiation erlebten zwei Personen, Begleitung von Sterbenden/Verstorbenen vier Personen. Den Übergang von einer Lebensphase in die nächste sowie den Kontakt zu Verstorbenen erlebte niemand. Insgesamt erlebten vier Personen8 eine Wahrnehmung nach Goodman. Von 14 Teilnehmern erfuhren vier Erlebnisschwerpunkte nach Goodman (Nauwald, Goodman 2010: 96), neun Personen berichteten von veränderten Wahrnehmungen. Hierbei handelt es sich um sogenannte Vorstadien zur ekstatischen Trance, in denen veränderte Wahrnehmungen geistiger Natur wie z. B. Verlust der Orientierung, Raum und Zeit und/oder veränderte körperliche Wahrnehmungen, wie z. B. Wärme-/Kälte-Empfinden, Angst, veränderte Geräusche, aber auch Farben, geometrische Muster und Feuer empfunden werden9. Lediglich eine Testperson konnte keine Veränderung in ihrem Bewusstsein feststellen, wobei sich im Zuge der Tests herausstellte, dass Tranceinduktion eine Übungssache ist. Einige der Probanden stellten sich öfters für verschiedene Haltungen zur Verfügung und es war festzustellen, dass gleichzeitig mit der Routine ein Abfall von Skepsis und Nervosität bei den einzelnen Testpersonen zu bemerken war und es somit zu einem Anstieg von Entspannung und damit auch Tranceerlebnisfähigkeit kam. Eine Probandin in der „Cernunnos-Haltung“ berichtete auszugsweise wie folgt: „Die Hände an meinem Körper sind nicht mehr meine eigenen, es sind Tatzen wie von einem Bären. Ich habe ein tolles Körpergefühl. Fell hatte ich auch, habe dann meine Muskeln getestet und sehr viel Kraft verspürt und dann bin ich nur noch gelaufen. Weiß nicht mehr ob ich ein Bär oder ein Wolf war, dann saß ich auf einem Baum wie eine Katze. Ich war viel größer und viel stärker, als ich es als Mensch bisher gefühlt habe …“ Das Datenmaterial zur „Cernunnos-Haltung“, die von 23 Personen experimentell eingenommen wurde, stellt sich wie folgt dar:

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Wachstum wurde von sieben Personen genannt, Verwandlung in Tiere bzw. das Sehen von vielen Tieren, haben sechs Personen berichtet. Drei Probanden nahmen ein Gefühl von Kraft und Macht wahr und ein Proband berichtete vom Bereisen der Welten. Von 23 Teilnehmern konnten demnach neun Personen10 Erlebnisschwerpunkte nach Goodman erfahren und zumindest elf Personen von veränderten Wahrnehmungen berichten. Lediglich drei Teilnehmer konnten keine Veränderungen in ihrem Bewusstsein feststellen. Nachdem die Erlebnisschwerpunkte nach Goodman zum Teil sehr weitläufig gefasst sind und dadurch viel Raum für Interpretation besteht, war es bei der „Tschiltan-“ bzw. „Krieger-vom Glaubberg“ Haltung notwendig, die TeilnehmerInnen nach dem Schreiben des Berichts um eindeutige Zuweisung ihrer Erlebnisse zu bitten. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Publikation muss ich auf die detaillierte Darstellung der zum Teil sehr individuell unterschiedlichen Ergebnisse an dieser Stelle verzichten. Zusammenfassend stellt sich das gesamte Daten­ material aller empirischen Versuchsreihen wie folgt dar: Von insgesamt 45 Versuchen wurden von 18 Personen, das sind 40%, die von Goodman genannten Erlebnisschwerpunkte berichtet und bei 22 Versuchen, das sind 48,9 Prozent, erlebten die jeweiligen Probanden Erlebnisschwerpunkte, die Vorstadien einer Trance entsprechen. Nur bei fünf Versuchen, das sind 11,1%, konnte der jeweilige Proband keine veränderten Bewusstseinszustände erfahren. Durch die empirischen Versuche konnte erhoben werden, dass die drei untersuchten Körperhaltungen den Zustand der Trance erfahrbar machen. Somit lässt sich sagen, dass ein Teil der menschlichen Darstellungen auf keltischer Materialkultur sich offenbar als rituelle Körperhaltungen ausweisen lässt. Nach derzeitigem Forschungsstand scheinen diese rituellen Körperhaltungen primär in der Hallstattzeit bzw. frühen Latène-Zeit bekannt gewesen zu sein. Seit wann und ob sie tatsächlich in der Eisenzeit praktiziert wurden, lässt sich freilich nicht mit Sicherheit erschließen, aber gerade die Kunst der Latènezeit mit ihrem komplexen geometrischen und tierischen Design, könnte einen Hinweis dafür darstellen, dass die Künstler ihre Inspiration durch Trance-Erlebnisse fanden, wie Loughton

bereits 2005 vorgeschlagen hat (Loughton 2005: 156–170). Die Frage, ob die Körperhaltungen tatsächlich in die Eisenzeit datiert werden können, lässt sich allerdings nicht so einfach beantworten, da man weder mit Sicherheit überprüfen kann, ob jene rituellen Haltungen in der Eisenzeit auch tatsächlich praktiziert wurden, noch ob sie aus dieser Zeit stammen.Vorstellbar wäre beispielsweise, dass die von mir untersuchten Haltungen bereits in der Bronzezeit bekannt waren, über Generationen hinweg tradiert wurden und schlussendlich erst in der frühen Eisenzeit ihren Niederschlag im Kunsthandwerk gefunden haben. Nahe liegt allerdings der Schluss, dass die Menschen der frühen Eisenzeit zumindest einen indirekten, wenn nicht gar direkten Zugang zu rituellen Körperhaltungen und damit zu bewusstseinsverändernden Erfahrungen hatten.

Wer diese Rituale letztendlich praktizierte, zu welchen Zwecken, Festen oder Gelegenheiten, muss leider Spekulation bleiben, da nun mal eine rituelle Körperhaltung leider keine Zeitreise darstellt. Zwar ist die Kulisse, das Thema der Erfahrung in Trance, also z. B. Initiation, Ruf der Tiere, etc., durch die rituelle Körperstellung grob vorherbestimmt, die erlebte Handlung ist jedoch maßgeblich durch persönliche und kulturelle Prägungen gefärbt. So durchlebte zum Beispiel ein Keltologie-Student bei der „Kriegervom-Glauberg-Haltung“ eine Initiation im Zeitraum Eisenzeit und sah in der Trance keltischen Schmuck, Waffen, etc., während die professionelle Neoschamanin, als wissenschaftlicher Laie, eine buddhistisch anmutende Einweihung erlebte.

Anmerkungen 1 Im Kontext dieses Artikels verstehe ich unter dem Begriff „Kelten“ bzw. „keltisch“ die raumzeitliche Einschränkung der antiken Keltiké nach Karl (2012). Die darin hinterlassene Materialkultur, deren Hersteller und Nutzer bezeichne ich für diesen Artikel als Kelten. 2 < lat. trans „jenseits“, lat. persona „Maske, Rolle, Charakter, Persönlichkeit“. 3 In Österreich ist die TTP nicht als genuine Psychotherapie Richtung anerkannt, jedoch kann der klinische Psychotherapeut sie als Weiterbildung über den ÖATP (Österreichischer Arbeitskreis für Transpersonale Psychotherapie) beim Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie und somit beim Gesundheitsministerium unternehmen. 4 Esoterik < griechisch „innerlich“, „dem inneren Bereich zugehörig“. 5 EEG = Elektroenzephalogramm (Goodman 1992: 17).

6 http://derstandard.at/1280984187401/Archaeologie-Aufsehen-erregender-Fund-aus-der-Hallstattzeit, am 06.09.2011. 7 http://www.cuyamungue-institut.de; http://www.cuyamungueinstitute.com/ 8 In den Sitzungen kam es häufig vor, dass eine „sichtige“ Person nicht nur einen von Goodman genannten, sondern mehrere Erlebnisschwerpunkte erlebte. 9 Um die verschiedenen Ergebnisse sinnvoll auswerten zu können, wurde die Einteilung der drei Skalen des Fragebogens ABZ (Außergewöhnlicher Bewusstseinszustand) nach Dittrich (1990: 114, Tab. 6) angewandt (siehe auch Schirmbrand 1991: 105f.). 10 In den Sitzungen kam es häufig vor, dass eine „sichtige“ Person nicht nur einen von Goodman genannten, sondern mehrere Erlebnisschwerpunkte erlebte.

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Zwei Beispiele des Beharrungsvermögens in den Eisenzeitinterpretationen: Die Oppida und die Markomannen Vladimír Salaˇc1

Zusammenfassung In der Eisenzeitforschung genauso wie in der gesamten Archäologie erscheinen ganze Jahrzehnte lang Behauptungen, deren Wahrheit nicht bezweifelt wird und deren Inhalt deshalb in der Regel weiter nicht untersucht wird. Nicht selten wurde aber schon vergessen, wann, unter welchen Umständen und vor allem mit welchen Methoden diese Urteile entstanden. Dabei dienen sie oft als Ausgangspunkte für weitere Hypothesen und Untersuchungen. Bei der Forschung kommt so ein bestimmtes Beharrungsvermögen zum Vorschein, das aber in manchen Fällen paradoxerweise den Fortgang nicht fördert, sondern ganz umgekehrt bremst. Abstract In Iron Age research, as well as in the whole of archaeology, certain statements are repeated for decades without questioning their veracity and without further investigating their actual bases. It is often forgotten when, under what circumstances and mainly by what methodological means these statements came to be.This is so despite the fact that these statements often constitute the very foundations of further research. Research is thus characterised by a kind of inertia which does not help it advance but, quite to the contrary, only hampers its pace.

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Oppida In mehreren Arbeiten habe ich mich bemüht auf die Tatsache hinzuweisen, dass die Forschung zu keltischen Siedlungen Jahrzehnte lang ausschließlich auf die Oppida-Untersuchung konzentriert war, was zu deren nicht ganz genauer Interpretation als Städte beigetragen hatte. Ich vermutete, dass dem vor allem aus objektiven Gründen so war, nämlich, weil andere Siedlungstypen nicht bekannt waren (z. B. vgl. Abb. 1; Salaˇc 2005; 2009a; 2012). Die Wirklichkeit ist allerdings etwas anders – die Geschichte der Freilegungen der offenen Siedlungen ist nämlich praktisch gleich alt wie die Historie der Ausgrabungen in Oppida, es wurde ihnen nur lange Zeit nicht die entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet. Gleichzeitig hatte ich die Möglichkeit festzustellen, dass das Auffassen der Oppida als Städte wesentlich älter als gedacht ist. Beachten wir zuerst die Interpretationen, welche die Oppida als keltische Städte deuten. In der Archä-

ologie hat sich diese Ansicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich durchgesetzt und für beinahe das ganze 20. Jahrhundert von J. Déchelette (1914: 948) in seinem legendären Handbuch der Archäologie kodifiziert. Gehen wir dieser Interpretation weiter in die Vergangenheit nach, so stellen wir fest, dass die Annahme, dass die Kelten in Städten lebten, eigentlich älter ist als die Archäologie. Diese Behauptung ist z. B. mit der Zitation H. Schreibers (1839: 215) zu belegen: „Denn während der Germane am liebsten vereinzelt lebt und Mauern, als seine Freiheit beschränkend, haßt und flieht; freut sich der Kelte gerade des Zusammenwohnens in Städten und des daraus hervorgehenden Gewinnes für Sicherheit, Geselligkeit und Industrie“. Seine Vorstellung über eine keltische Stadt und deren Funktionieren liegt also von den Vorstellungen mancher heutiger Archäologen über Oppida nicht weit entfernt. Der Unterschied in der Art und Weise des Siedelns zwischen

Abb. 1:  Geschichte der Untersuchung der einzelnen keltischen Siedlungstypen (nach Salaˇc 2012, ergänzt).

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den Kelten und Germanen kann sogar auch ­unter dem Gesichtspunkt der heutigen Archäologie als richtig bezeichnet werden. Ähnlich hält der bedeutsamste tschechische Historiker des 19. Jahrhunderts, F. Palacký (1836: 27), in seiner Geschichte von Böhmen die Existenz der Städte bei Boiern für selbstverständlich. So sah er z. B. das Ende ihrer Herrschaft in Böhmen: „Sie unterlagen endlich, gleich ihren westlichen Nachbarn und Stammgenossen, dem Wechsel der Zeiten und der Übermacht ihrer Feinde, ihre Städte gingen zu Grunde und sie selbst nahmen wohl auch die Sitten und die Sprache der Eroberer …“. Auch K. Mannert schreibt überraschenderweise im dritten Teil seiner umfangreichen Arbeit Geographie der Griechen und Römer, der Mitteleuropa gewidmet ist, wenn er Tiberius’ Zug durch das Bodenseegebiet und das heutige Ostschwaben schildert: „Selbst die festen Städte der Boji hatten sich erhalten“ (Mannert 1820: 484). Leider geht aus dem Text nicht hervor, welche Städte/Plätze er konkret meinte. Genauso überraschend ist auch diese Ansicht: „Das Land zeigt sich durch diesen Anblick von seinem Volke (Kelten – V.S.) gänzlich verlassen, ob dies aber auch der Fall in den Städten war bleibt eine unentschiedene Sache. Vor deutschem Angriffe hatten befestigte Städte wenig zu fürchten, wenn sie also in Rücksicht der Lebensmittel sich hinlänglich zu versorgen wußten, so nöthigte nichts die Bürger zu der Auswanderung. Aber Bojer hörten sie denn doch auf zu seyn …“ (Mannert 1820: 424–425). Schon hier begegnet man also der Frage der Versorgung der Städte/Oppida und ihrem unklaren Ende. Es ist nicht nötig unter Zweifel zu stellen, dass die Ansichten dieser und weiterer Autoren ausschließlich von schriftlichen Quellen ausgehen. Die Wahrnehmung und Untersuchung vorgeschichtlicher Denkmäler waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in absoluten Anfängen. Dieser Tatsache kann man entnehmen, dass die Autoren einige Angaben aus antiken Texten vor allem aus Caesars Gallischem Krieg für den Nachweis der Existenz keltischer Städte hielten. Aus dem Kontext der zitierten Arbeiten geht auch hervor, dass es sich oft um die Auslegung des Wortes Oppidum handelt2, denn das Wort „urbs“ wurde für barbarische Gebiete nur ausnahmsweise verwendet. Wenn man die Interpretation der keltischen Oppida noch tiefer in die Vergangenheit verfolgt, stößt man auf ein grundlegendes Problem: ein großer Teil der histo-

rischen Werke wurde im 18. Jh. und in früheren Jahrhunderten in Latein geschrieben, und somit bleibt ein Oppidum also ein Oppidum, ohne dass in der Regel deutlich wird, wie der entsprechende Autor diesen Ausdruck verstanden hatte (z. B. Clüver 1616; Spener 1717; Schoepflin 1751). Von außerordentlicher Bedeutung war dabei das Werk von Ph. Clüver, Germania Antiqua (1616), der als Erster versuchte die Gebiete der einzelnen keltischen und germanischen Stämme, sowie wichtige historisch belegte Stätten (z. B. Oppida) im gesamteuropäischen Maßstab zu lokalisieren, die Verbreitung keltischer und germanischer Sprachen festzustellen usw. Diese Arbeit wurde zum Ausgangspunkt für die Forschung in vielen weiteren Jahrzehnten, dennoch kann aus seinem lateinischen Text nicht entschlüsselt werden, ob er die Oppida für Städte hielt. Aus dem oben Angeführten wird allerdings deutlich, dass die grundlegende Bedeutung für die Geschichte der Interpretation der Oppida die Frage ist, wie und unter welchen Umständen das Wort Oppidum das erste Mal in eine der Nationalsprachen übersetzt worden ist. Es zeigt sich z. B., dass es spätestens seit der Renaissancezeit als ville ins Französische übersetzt wurde, obwohl die konkreten Oppida schon damals mit bestimmten zeitgleichen Städten identifiziert waren, z. B. Bourges = Avaricum (Gaugin 1485). Ähnliches gilt auch fürs Englische. In der ersten vollständigen englischen Fassung Caesars ist das Oppidum als City übersetzt, und z. B. Bourges ist auch im englischen Text mit Avaricum gleichgesetzt (Goldinge 1565). Der Übersetzungsprozess wurde also deutlich davon geprägt, dass die immer noch lebendige Tradition einige keltische Oppida in Gallien mit den mittelalterlichen Städten identifiziert hat. Das Ergebnis der Übersetzungt des Wortes Oppidum (ville, City) spiegelt also direkt die spätmittelalterliche Realität wider, von welcher die Übersetzer umgeben waren. Bleiben wir in diesem Beitrag bei der deutschen Sprache, so geraten wir ins Jahr 1507, als die älteste deutsche Übersetzung Caesars Gallischen Krieges von Martin Ringmann unter dem Titel: Julius der erst Römisch Keiser von seinen kriege. erstmals oß dem Latin in Tütsch bracht und nüw getruckt herausgegeben wurde. Ringmann verwendet für die Oppida vorwiegend das Wort flecken3, allerdings weicht er der Bezeichnung

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Abb. 2:  Belagerung des Oppidums Avaricum von Caesar in Ringmanns Übersetzung des gallischen Krieges (nach Ringmann 1507).

statt nicht aus, besonders bei den wichtigeren Oppida (es geht aber nicht um ein Äquivalent des Wortes urbs; siehe auch Abb. 2). Ringmanns Text wurde noch weitere hundert Jahre herausgegeben und es wurde auch bei weiteren deutschen Übersetzungen davon ausgegangen. Erst im 18. Jh. begann das Oppidum auch in der deutschen Sprache fast ausschließlich als Stadt benannt zu werden (z. B. Wagner 1779). Es ist also festzustellen, dass es schon in dem Augenblick zur primären Interpretation der Oppida kam, als dieses lateinische Wort in eine der National­sprachen übersetzt wurde, also vor allem im 15. und 16. Jh. (Schweiger 1832), wobei die Übersetzer offensichtlich Analogien aus dem Alltag nutzten. Eine kleine Stadt in Elsass, wo M. Ringmann wirkte, wurde um das Jahr 1500 in den deutschen Texten als flecken bezeichnet und gleichzeitig als oppidum in den lateinischen Schriften. In Frankreich führte in ähnlicher Weise die uralte Tradition, die einstigen von Caesar angeführten

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Oppida mit den damaligen Städten gleichzustellen, natürlich zur Übersetzung von Oppida als Städte. Es hatte zur Folge, dass einige Elemente der heutigen archäologischen Deutungen keltischer Oppida von der spätmittelalterlichen Realität ausgehen. Dieser Elemente bedienen wir uns laufend, wir entwickeln sie sogar weiter, ohne eine entsprechende Analyse von deren Wurzeln durchgeführt zu haben, wenn auch andere spätmittelalterliche Vorstellungen über die keltischen Oppida mit nachsichtsvollem Lächeln zur Kenntnis genommen werden (Abb. 2). Die spätmittelalterliche Übersetzung des Wortes Oppidum beeinflusst seit Jahrhunderten stark die Denkweise der sich mit Kelten befassenden Forscher. Es kann also festgestellt werden, dass die Deutung der Oppida eigentlich weit vor Entstehung der Archäologie als selbstständiges Fach begann. Man kann wohl auch vermuten, dass seit dem 19. Jh. bis heutzutage die angehenden Archäologen noch als Gymnasialstu-

denten beim Latein- und sicher auch Geschichtsunterricht die Oppida als keltische Städte kennen lernten. Sicher ist dies die beste Vorbereitung dafür, nachher als Archäologen oder Althistoriker die Oppida auch so zu interpretieren. Der ursprünglich in der Renaissancezeit entstandene Inhalt des Wortes hinterlässt bis heute eine Spur, ohne dass wir uns dessen bewusst wären. Der andere Aspekt bei der Verfolgung der Interpretation der Oppida ist für unser Fach und die heutige Forschung wahrscheinlich bedeutender und noch mehr warnend. Es ist allgemein bekannt, dass die Anfänge der archäologischen Ausgrabungen in Oppida in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts fallen, als mit Unterstützung vom Kaiser Napoleon III. die Untersuchung von Oppida in Frankreich begann (vgl. z. B. Buchsenschutz 2008). Genauso ist bekannt, dass sich die Aufmerksamkeit der sich mit den Kelten befassenden Archäologen im Laufe der darauf folgenden hundert Jahre weiterhin fast ausschließlich auf Oppida konzentrierte (Kaenel 2006; Salaˇc 2012). Aber es entgeht praktisch fast unserer Aufmerksamkeit, dass die Anfänge der Erkennung der latènezeitlichen unbefestigten Siedlungen, die heute als Produktions- und Distribu-

tionszentren oder Zentren vom Typus Nˇemˇcice-Roseldorf bezeichnet werden, eigentlich gleich alt sind (z. B. Salaˇc 2005; 2012). Die ersten Funde aus der Siedlung in Bad Nauheim wurden von R. Ludwig schon im Jahre 1867 veröffentlicht (Ludwig 1867), wobei die ersten hiesigen Ausgrabungen und Funde sogar ins Jahr 1837 zu datieren sind (Kull 2003). Die Ausgrabungen oder nur Lesefunde wurden und werden seit dieser Zeit in Bad Nauheim durchgehend beim Stadtaufbau durchgeführt, wobei die wichtigen Funde einschließlich der Münzen schon im 19. Jahrhundert in verschiedene Museen kamen (Kull 2003 mit weiterführender Literatur). Auch die Ausgrabungen im weiteren wichtigen unbefestigten Zentrum Basel-Gasfabrik sind älteren Datums. Die grundlegenden Ausgrabungen beim Bau der Gasfabrik fanden nämlich schon im Jahre 1911 statt und dauerten mit unterschiedlicher Intensität bis zum Jahre 1936 an, wobei darüber bereits damals relativ viele Vorberichte publiziert wurden (z. B. Major 1919; Stähelin 1922; Stehlin 1934 usw.). Sogar schon im Jahre 1914 war diese Siedlung in einer zusammenfassenden Arbeit über die Gallier und Germanen am

Abb. 3:  Die Rekonstruktionszeichnung der Töpferwerkstätten in Sissach-Brühl aus dem Jahr 1938 (nach Wendling 2005).

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Abb. 4:  Plan der Ausgrabungen in den Jahren 1931-34 in Breisach-Hochstetten (nach Kraft 1935).

Rhein angeführt (Schumacher 1914: 240). Noch während des Ersten Weltkrieges erschien der erste Bericht über eine wichtige industrielle Siedlung am Rhein in Breisach-Hochstetten (Gutmann 1917), wo danach, in den Jahren 1931–34, relativ ausgedehnte Ausgrabungen verwirklicht wurden, über die gleich auch ein eingehender Bericht erschien (Abb. 4; Kraft 1935). Zur gleichen Zeit wurden Batterien von Töpferöfen in der Siedlung in Sissach-Brühl am Oberrhein freigelegt, die auch vorläufig publiziert wurden (Frey 1933– 35; Pümpin 1935; 1937; vgl. Müller-Vogel 1986). Im Jahre 1938 wurde auch eine relativ gelungene bildliche Rekonstruktion des hiesigen Produktionsgebietes zu Ausstellungszwecken geschaffen (Abb. 3; Wendling 2005). In allen diesen am Hoch- und Oberrhein entdeckten Siedlungen wurden intensive Produktionstätigkeiten und reiche Funde einschließlich Importe festgestellt. Gleichzeitig wurden in einigen Fällen größere Flä-

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chen freigelegt, die schon damals auch eine Vorstellung über ihre organisierte Verbauung vermitteln konnten (z. B. Abb. 4). Mindestens in einigen Bereichen konnten also Ergebnisse dieser Ausgrabungen mit jenen in Oppida konkurrieren. Deshalb verwundert, dass z. B. J. Werner (1939) in seiner Studie über das Städtewesen bei den Kelten diese Siedlungen überhaupt nicht erwähnt, obwohl deren Existenz ihm zweifelsohne bekannt war. Signifikant ist, dass er nur befestigte Oppida in Erwägung zog, ganz gleich, ob sie archäologisch schon untersucht, oder nur bei Caesar erwähnt sind (Abb. 5). Eine deutliche Befestigung wurde nämlich immer für eines der entscheidenden Kriterien für die Anerkennung einer Siedlung als Stadt gehalten. Werners Studie hat diesen Aspekt weiter hervorgehoben und trug dazu bei, dass die Oppida noch lange Jahrzehnte für die ältesten Städte nördlich der Alpen gehalten wurden. Den wichtigen Entdeckungen aus Basel-Gasfabrik

wurde sogar eine gut ausgestattete selbstständige Monografie vorwiegend aus den schon früher entstandenen Texten gewidmet (Major 1940). Dieses Buch erfuhr aber keinen großen Widerhall und ist wahrscheinlich bis heute nicht genügend geschätzt. In den Nachkriegsjahren wurden weitere Freilegungen in Bad Nauheim (vgl. Kull 2003) und auch in der Siedlung in Sissach (Vogel 1968) durchgeführt und publiziert. Sehr interessante Ergebnisse erbrachten in den 50er Jahren auch relativ große Freilegungen in der Siedlung Neubau bei Linz, die bald veröffentlicht wurden (Jandaurek 1956). Auch diese Entdeckungen verzeichneten jedoch kein großes Echo. Es ist nicht zu bestreiten, dass sowohl zufällige als auch gesätzmäßige Umstände eine frühere Erkennung der Bedeutung der unbefestigten Produktionsund Distributionszentren objektiv verhinderten. Es ist z. B. selbstverständlich, dass die ausgedehnte Siedlung in Bad Nauheim hinsichtlich ihrer Salzquellen und Salzverarbeitung für ganz außerordentlich gehalten wurde. Auch der unglückliche Umstand, dass die Veröffentlichungen der Funde aus Basel-Gasfabrik in den Zeitraum der beiden Weltkriege fiel, beeinflusste sicher deren allgemeine Bekanntheit negativ. Reiner Zufall ist auch, dass die Siedlung Neubau bei Linz zum Zeitpunkt der beginnenden großartigen Ausgrabungen in Manching veröffentlicht wurde, die sie deutlich in den Schatten gestellt hatten. Das alles sind sicher Umstände, welche die Erkennung der unbefestigten Zentralsiedlungen gebremst haben.Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die Hauptursache dieser Unterlassung die absolute Konzentration auf die Oppida war, also eine bestimmte Beharrung innerhalb unserer Eisenzeitforschung. Markomannen Das Ende der keltischen Zivilisation in Böhmen war Jahrzehnte lang mit dem Einzug der Markomannen unter Führung Marbods verbunden, die das Land auf Kosten der Boier besetzt, die keltischen Oppida er­ obert und die keltische Zivilisation vernichtet haben sollen. Diese Überzeugung ging von den schriftlichen Quellen vor allem von Tacitus (Germ 42) aus. Gleichzeitig wurde behauptet, dass sich die Markomannensitze vor ihrem Abzug nach Böhmen im Maingebiet

Abb. 5:  Die erwähnten Oppida in der Arbeit Die Bedeutung des Stadtwesens für die Kulturentwicklung des frühen Keltentums von J. Werner (1939).

befanden. Die Althistoriker waren sich dabei einig, dass die Umsiedlung der Markomannen zwischen den Jahren 9 –1 v. Chr. stattfand. Diese Ansicht wurde lange für gegeben gehalten und nicht zur Diskussion ­gestellt, sie war Bestandteil sämtlicher zusammenfassenden Publikationen und bildete den Ausgangspunkt für die weitere Forschung – z. B. für die Datierung des Endes der Latènezivilisation in Böhmen (zusammenfassend Salaˇc 2009b mit weiterführender Lit.). Erst seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die so späte Datierung des Endes der Latènezivilisation in Böhmen, die vom Einzug der Markomannen ausging, in Zweifel gezogen (z. B. Waldhauser 1983). Heute ist schon deutlich, dass es zum Untergang der Oppida, zum Zerfall der Latènekultur und auch zum Einzug der Germanen mit der Großromstedter Kultur schon einige Jahrzehnte vor dem Einzug der Markomannen kam, am häufigsten erwägt man heute die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. (cf. zusammenfassend Salaˇc 2009b). Dagegen überlebt die Ansicht, dass die Markomannen aus dem Maingebiet nach Böhmen kamen, weiter (z. B. Droberjar 1999; 2006a; 2006b; Wolters 2008). Es ist dabei interessant, dass diese Annahme sowohl archäologischen als auch schriftlichen Quellen widerspricht. Was die archäologische Situation angeht, ist schon seit einigen Jahrzehnten bekannt, dass das Maingebiet im 1. Jh. v. Chr. mit der Großromstedter Kul-

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Abb. 6: Verbreitung der Großromstedter Situlen im 1. Jahrhundert v. Chr. 1 – frühe Formen; 2 – späte Formen; 3 – frühe und späte Formen; 4 – Form nicht bestimmt (nach Völling 1995).

tur sehr sporadisch besiedelt war, nachweisbar sind nur einige Fundstellen, die sämtlich um die Zeitenwende enden. Dagegen war das böhmische Becken von dieser Kultur praktisch ganz bedeckt und die Zahl der Fundstellen erreicht mehrere Hunderte, wobei sich die germanische Besiedlung hier in weiteren etwa fünf Jahrhunderten fortsetzt (Abb. 6–7; Salaˇc 2009b). Unter dem archäologischen (aber auch demografischen) Aspekt ist es deshalb sehr unwahrscheinlich, sogar unmöglich, dass die germanische Besiedlung Böhmens durch die Zuwanderung aus dem Maingebiet zustande kam. Übrigens wies K. Motyková-Šneidrová (1965: 169) nach der Auswertung der älteren Römischen Kaiserzeit in Böhmen darauf hin, dass böhmische Funde, vor allem die Keramik, eine enge Beziehung zu Thüringen und zum unteren Elbeland aufweisen. Trotzdem gelangte sie zu folgender Ansicht: „... setzt man auf Grund historischer Berichte (!) den Beginn der Zuwan-

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derung der Markomannen vom Maingebiet nach Böhmen an …“ Hinsichtlich der von den Arbeiten der Althistoriker ausgehenden Überzeugung, dass die schriftlichen Quellen den Aufenthalt der Markomannen im Maingebiet tatsächlich nachweisen, handelte es sich um einen logischen Schluss. Dieser blieb sowohl in zusammenfassenden Arbeiten über die tschechische Vorgeschichte (z. B. Pleiner, Rybová et al. 1978: 683; Podborský et al. 1993: 426), als auch in Spezialstudien in Böhmen weiterhin vertreten (z. B. Droberjar 1999; 2006a; 2006b). Im Jahre 1978 wertete der Althistoriker D. Timpe (1978) alle antiken schriftlichen Quellen aus, die sich auf das Maingebiet in der Römischen Kaiserzeit beziehen, und gelangte zu einer überraschenden Schlussfolgerung, nämlich dass der Main in antiken Quellen erst später erscheint und zu Marbods Zeit noch nicht erwähnt ist4. In den schriftlichen Quellen der caesarischen, augusteischen und tiberischen Zeiten findet sich kein Wort von ihm! Natürlich versucht Timpe auch Nachrichten über das Markomannengebiet in den letzten Jahrzehnten vor Christus zu finden und zu interpretieren, und kommt dabei zu folgender Feststellung: „Über die Sitze der Markomannen sagt aber die Überlieferung zu den Feldzügen Drusus’ im Grunde nichts, und die Sicherheit, mit der in der modernen Literatur oft das Maintal für sie beansprucht wird, erscheint angesichts der dürftigen Quellenbasis als wenig gerechtfertigt.“ (Timpe 1978, 126). Nach einer gründlichen Analyse der schriftlichen sowie archäologischen Quellen stellte auch K. Peschel (1978: 121) eindeutig fest, dass die Sitze der Markomannen vor deren Ankunft in Böhmen nicht zu erkennen sind. Sicher könnten Meinungen vieler weiterer Autoren erwähnt werden. Aber auch ohne deren Analyse kann festgestellt werden, dass das als Ausgangspunkt für Marbods Markomannenzug nach Böhmen tradierte Maingebiet eine Stütze in den schriftlichen Quellen vermissen lässt. Dagegen korrespondiert Timpes (1978) Erklärung der absoluten Absenz von Nachrichten über das Maingebiet um die Zeitenwende, also die Vorstellung über eine marginale Bedeutung des hiesigen Germanischen, sehr gut mit der festgestellten archäologischen Situation (Abb. 6,7; Pescheck 1978; Peschel 1978;Völling 1995; 2005). Im Zusammenhang mit dem Thema Beharrungs-

Abb. 7:  Fundstellen der Großromstedter Kultur im Mittelgebirgsraum – Forschungsstand 70er Jahre (nach Peschel 1978).

vermögen ist von Bedeutung, dass die überzeugenden Forschungsergebnisse von D. Timpe (1978) sowie K. Peschel (1978) über die Markomannen und das Maingebiet in der tschechischen Forschung lange Jahre nicht akzeptiert waren, und einige Forscher ignorieren sie bis heute (z. B. Podborský et al. 1993: 426; Droberjar 2006a; 2006b; 2009). Die Meinung, dass die Markomannen aus dem Maingebiet nach Böhmen kamen, ist übrigens nicht nur in Böhmen lebendig – z. B. schreibt Althistoriker R.Wolters (2008: 59): „Dessen König Marobuduus hatte mit römischer Unterstützung die Markomannen noch vor der Zeitenwende vom Maingebiet nach Böhmen umgesiedelt …“ Lassen wir jetzt die Ursachen dieses Beharrungsvermögens beiseite, und stellen wir uns die grundlegende Frage, wie und wann die Vorstellung entstand, dass die Markomannen im Maingebiet lebten, wenn es keine schriftliche antike Nachricht darüber gibt. Warum entstand und lebt bis heute das allgemeine Bewusstsein, dass solche historischen Nachrichten existieren? Wenn wir mit der Untersuchung im böhmischen Milieu beginnen, können wir von der oben angeführten Ansicht von K. Motyková-Šneidrová (1965)

ausgehen, dass die frühgermanischen Funde aus Böhmen Thüringen sehr nahe stehen, aber die schriftlichen Berichte weisen nach, dass die Markomannen vom Main kamen. Die Autorin geht hier von einer umfangreichen Synthese des Althistorikers J. Dobiáš (1964) aus, welcher die Geschichte des tschechoslowakischen Gebiets vor der Ankunft der Slawen schildert, die die Ansicht kodifizierte, dass die Markomannen im Maingebiet siedelten. Im Haupttext von J. Dobiáš (1964: 75; 90) sind die Markomannensitze am Main als Tatsache geschildert, aus umfangreichen Fußnoten (Dobiáš 1964: z. B. 80-83; 110) geht jedoch hervor, dass es sich um eine Hypothese handelt, die auf mehr oder weniger logische Kombinationen von Angaben aus verschiedenen antiken Quellen, etymologischen Hypothesen und letztendlich archäologischen Quellen (!) zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass es unter den wenig übersichtlichen Fußnoten keine Zitation einer schriftlichen Quelle gibt, wo die Markomannen am Main erwähnt sind, entging völlig der Aufmerksamkeit. Es ist ja auch kein Wunder, denn die Informationen, dass die Markomannen aus dem Maingebiet nach Böhmen kamen, war längst schon akzeptiert und

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kam schon lange Jahrzehnte in den meisten zusammenfassenden archäologischen Arbeiten vor (z. B. Filip 1948: 287; Neustupný 1960: 345). Wir finden sie ganz überraschend sogar in der ersten Synthese der Vorgeschichte Böhmens (Wocel 1868: 156). Dadurch überspringen wir allerdings die ganzen Generationen der Archäologen und Althistoriker, einschließlich des berühmten Mommsen (1885: 26), der die Markomannen am oberen Main einfach konstatiert und sich mit diesem Problem nicht weiter befasst. J. E. Wocel (1868: 156) beruft sich bei der Suche nach den Markomannensitzen auf Florus (IV.12) und zitiert in diesem Zusammenhang K. Zeuss (1837). Gerade in der Dissertation dieses Historikers, Germanisten und Keltologen kommt explizit zum Ausdruck, dass die Markomannen vor dem Einzug nach Böhmen am Main siedelten. K. Zeuss (1837: 115) schreibt: „Ihre Sitze scheinen am mittleren und obern Main gewesen zu sein, von wo aus sie ihre Streifzüge leicht nach Ost, Süd und West richten konnten. Hier findet sie noch Drusus hinter den Chatten auf seinem Zuge vom Niederrhein her“. Er ging dabei auch vom Bericht von Florus (IV.12) über Drusus´ Feldzug im Jahre 11/10 vor Chr. aus: „Missus in eam prouinciam Drusus primos domuit Vsipetes, inde Tencteros percucurrit et Catthos. Nam Marcomannorum spoliis et insignibus quendam editum tumulum in tropaei modum excoluit“5. Zeuss’ Methode liegt auf der Hand: Er trug in die Karte Europas vom unteren Rhein in Richtung Osten imaginäre Gebiete der von Florus genannten germanischen Stämme ein und für die Markomannen blieb ihm das Maingebiet übrig. Dabei muss Zeuss nicht verdächtigt werden, dass bei dieser Interpretation die Tatsache eine Rolle spielen konnte, dass er in Vogtendorf in Mainfranken geboren wurde. Er war nämlich gar nicht der Erste, der diesen Gedanken veröffentlichte, obwohl er selbst in diesem Zusammenhang niemanden zitiert. Ähnlich äußerte sich mit Verweis auf dieselbe Stelle bei Florus schon viel früher Ch. E. Hanßelmann (1768: 109): „Von Druso lieset man zwar, daß, nachdeme derselbe die nordliche Theile Germanien, bis an die Elbe hin durchstreifet hatte, endlich auch einen Sieg über Markomannen, welche damals noch ihre alte Wohnplätze zwischen dem Mayn und der Donau, längst dem Rhein hinauf gehabt hatten, erfochten, und darauf von denen spoliis Marcomannorum ein trophaeum auf einem erhabenen Hügel

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aufgerichtet habe.“ Auch dieses Zitat bildet keinen Beginn der Vorstellung über die Sitze der Markomannen am Main. Hanßelmann (1768, 157) verweist ja weiter auf J. J. Mascov (1726: 65), der schreibt: „Drusus gieng also oberhalb der Insel Batavien über den Fluß, und überfiel zuerst die Usipeter: darauf passirte er die Lippe, und durchstreiffete das Land der Tenchterer. Wie wir bey Floro (IV, 12), und Orosio(VI, 479), die es ohne Zweiffel aus den ietzt verlohrnen Büchern LIVII haben, angemercket finden, sprach er sogar den Catten und Marcomannen zu, welche letzteren damahls noch ober dem Maine, in dem ietzigen Francken, und Schwaben, wohneten. Mascov zitiert sogar A. Bucherius (1656: 38), der vermutete, dass das von Florus erwähnte Tropeum oberhalb des Mains am Platz des heutigen Schlosses in Würzburg (!) erbaut war. Und wenn wir in Erwägung ziehen, dass auch Clüver (1616) die Markomannensitze zwischen Main, Rhein und der oberen Donau setzte, geraten wir auch mit diesem Gedanken mindestens in die Spätrenaissance. Allerdings lokalisiert Clüver (1616: III, 5–7) die Markomannensitze eher südlich vom Neckar und beruft sich mit seiner Begründung weder auf Florus noch auf Orosius, sondern deduziert ihre Lage aus den Angaben bei Caesar, Strabon und Velleius Paterculus. Den Gedanken, dass die Markomannen vor der Ankunft in Böhmen am Main siedelten, genauso wie die Methode – also die Aufnahme der Nachricht von Florus (IV, 12) über die von Drusus niedergeschlagenen Stämme in die Karte Europas – konnten wir (vorläufig?) schon im 17. Jh. feststellen. Obwohl die historischen und archäologischen Forschungen wahrscheinlich erst von Zeuss beeinflusst wurden, können wir sagen, dass sich schon seit der Barockzeit (!) diese Ansicht und Argumentation (falls sie überhaupt angeführt ist) nicht sehr verändert hat, und man kann ihr sowohl in den schon erwähnten Zusammenfassungen der böhmischen Vorgeschichte als auch in der gegenwärtigen europäischen Literatur zur römischen Kaiserzeit bis heute begegnen (z. B. Rosenstock – Wamser 1989; Völling 1995; Wolters 2006; 2008; Genser 2006; Moosbauer 2009). Der wirkliche Autor dieses Gedankens und seine Methode sind längst in Vergessenheit geraten. Diese Hypothese wurde allmählich zum historischen Faktum, welches angeblich in den schriftlichen Quellen verzeichnet war, welches ganze Generationen von

­ rchäologen bevorzugten und manche immer noch A vor der Aussagekraft der archäologischen Quellen bevorzugen. Verblüffend ist dabei die Kraft dieses Beharrungsvermögens, die auch modernen und seriösen

Analysen der historischen Quellen widersteht, die nachweisen, dass gar keine direkte historische Nachricht über die Markomannen im Maingebiet existiert (z. B. Peschel 1978; Timpe 1978; Kehne 2001).

Anmerkungen 1 Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes Reg. Nr. 405/11/0603, das von der Grantagentur der Tschechischen Republik unterstützt wurde. 2 Allerdings verwendete Mannert das Wort oppidum in seinem Text nur ein einziges Mal, im Falle Batavinum und Scarbantia. 3 Der Ausdruck flecken bezeichnete im Mittelhochdeutschen eine Siedlung, die größer und wichtiger war als ein Dorf, mehrere Zentralfunktionen erfüllte (z. B. Marktplätze), aber keine Stadtrechte besaß (Mitzka 1967). Das französische Äquivalent für flecken stellt die Bezeichnung bourg dar (z. B. Dictionnaire 2005, IV).

4 Timpes Ansicht, dass der Main von Plinius dem Älteren zum ersten Mal genannt ist, ist aber zu korrigieren, denn der Main ist schon ca. um zwei Jahrzehnte früher von Pomponius Mela (3, 3, 30) erwähnt worden. 5 Drusus wurde in diese Provinz entsandt und bezwang als erstes die Usipeter, dann überrannte er der Reihe nach die Tenkterer und Chatten. Aus den Beutestücken und Abzeichen der Markomannen errichtete er einen hohen Hügel in Art einer Trophäe (Übersetzung nach Goetz – Welwei 1995, II, 25).

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Vladimír Salaˇc ˇ Archeologický ústav AV CR Letenská 4 CZ 118 01 Praha [email protected] 

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„Masters of Horses“ in the West, „Horse Breeders“ in the East? On the Significance and Position of the Horse in the Early Iron Age Communities of the Pannonian Basin Petra Kmet’ová

Abstract This paper tries to evaluate the position of the horse in the life of communities of the Pannonian Basin in the Early Iron Age, based on the presence of horse remains in the burial rite. In the Hallstatt Period groups of the East-Alpine region (except the Dolenjska group), buried horses were always part of the burial of a person of high social rank. However, remains of small parts of horse bodies also occur in graves of members of elites as well as of those belonging to the “higher middle class”. As it seems, the sacrifice of a horse and its being placed into a human grave should have demonstrated the status and wealth of the deceased, or his/her survivals or successor. The Dolenjska group of Slovenia occupied a special place amongst the Hallstatt groups of the East-Alpine region. Burials of horses are recorded throughout the whole Hallstatt Period. Sporadic finds in the early period (HC) multiplied considerably from the turn between the 7th and 6th centuries BC. In the literature, this has frequently been connected with penetration of influences of “Scythian type” into the Pannonian Basin, which where one of the factors affecting the formation of the Vekerzug culture in the north-eastern part of the Pannonian Basin. However, the situation in the Dolenjska group differed considerably from that in the Vekerzug culture, since in the former one, horses remained part of burials of members of social elites. In this respect the group retained the character of the East-Alpine Hallstatt groups. The situation with the Vekerzug culture of the Late Hallstatt Period, on the contrary, was different. Especially the burials of horses in separate pits are quite numerous. Partial remains of horses placed into human graves or into separate pits are also frequent. Remains of horses were not restricted to the graves of elites, but were more numerous (mainly as partial remains) in graves of the “middle classes” or even the “lower classes”. Whilst horses in the Hallstatt groups were considered a prestigious concern and burials with horses were restricted to privileged classes, the attitude towards horses in the eastern part of the Basin reflected the economic focus of the whole society. Vast lowlands of the region with steppe or partly forest-steppe character were highly suitable for specialised horse breeding. Participation of wider strata of the population in the cult of horse could be attributed to greater importance of the animal throughout the wider social range, resulting from their engagement in intensive horse breeding. Similar separate horse burials occurred in the Late Hallstatt and Early La Tène Periods in the southern part of the Pannonian Basin and in the Sveta Lucija group. These probably reflect lively mutual contacts and also the vicinity to “horse breeders” from the East. These contacts could be linked further to the North-Italian Venetians (also horse

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breeders), mainly due to similar horse burials in separate pits. This corresponds well with the theory of horse trade between the people of the Vekerzug culture (or the population of the eastern part of the Pannonian Basin) and the Venetians that could have passed through the southern regions of the Pannonian Basin and the Dolenjska group. This trade could also have been accompanied by contacts on ideological level. Zusammenfassung In diesem Beitrag soll die Stellung des Pferds im Leben der Einwohner der pannonischen Tiefebene in der frühen Eisenzeit auf Basis des Vorkommens von Überresten von Pferden im Grabbrauch evaluiert werden. In den verschiedenen ostalpinen Gruppen der Hallstattzeit (mit Ausnahme der Dolenjska-Gruppe) waren Pferdebestattungen stets Teil von Bestattungen von Personen von hohem sozialen Rang. Kleinere Teile von Pferden treten allerdings auch in Gräbern von Elitemitgliedern und sogar von Mitgliedern der gehobenen Mittelklasse auf. Es scheint als ob die Opferung eines Pferdes und seine Deponierung in einem Grab den Status und Reichtum des Verstorbenen oder seiner Nachfolger darstellen sollte. Die Dolenjska-Gruppe in Slovenien nimmt eine Sonderstellung in der südostalpinen Hallstattkultur ein. Pferdebestattungen sind durch die gesamte Hallstattkultur hindurch bezeugt. Sporadischen Funden der frühen Phase (Ha C) folgt eine Vervielfachung vom Übergang zwischen 7. und 6. Jh. v. Chr. an. In der Literatur wurde dies oft mit einem Vordringen von Einflüssen „skythischen Typs” ins pannonische Becken verbunden, die einen Faktor in der Ausbildung der Vekerzug-Kultur im nordöstlichen Teil des pannonischen Beckens darstellen. Die Situation in der Dolenjska-Gruppe unterscheidet sich allerdings deutlich von jener in der Vekerzug-Kultur, denn in Ersterer bleiben Pferde auf den Kontext von Bestattungen von Mitgliedern der sozialen Eliten beschränkt. In dieser Hinsicht bewahrte diese Gruppe den Charakter der ostalpinen Hallstattgruppen. Die Vekerzug-Kultur der Späthallstattzeit unterscheidet sich davon. Insbesondere Pferdebestattungen in eigenen Grabgruben treten häufig auf. Teile von Pferden wurden oft auch menschlichen Bestattungen beigegeben oder in eigenen Gruben deponiert. Überreste von Pferden sind nicht auf Elitegräber beschränkt, sondern treten häufig (hauptsächlich in Form von Pferdeteilen) auch in Gräbern der „Mittel-“ oder sogar der „Unterschichten“ auf. Stellten Pferde in den Hallstattgruppen ein Prestigeobjekt dar, das daher nur in prestigeträchtigen Bestattungen auftritt, reflektiert die Einstellung gegenüber Pferden in den östlichen Teilen des pannonischen Beckens die ökonomischen Grundlagen der gesamten Gesellschaft. Die Tiefebenen, gekennzeichnet durch Steppe oder teilweise bewaldete Steppenlandschaften, eigneten sich hervorragend für spezialisierte Pferdezucht. Die Teilnahme breiterer Bevölkerungsschichten am Pferdekult kann der größeren Bedeutung dieses Tiers für alle sozialen Schichten zugeschrieben werden, als Folge ihrer Beteiligung an der intensiven Pferdezucht. Ähnliche separate Pferdebestattungen treten in der Späthallstatt- und Frühlatènezeit im Süden des pannonischen Beckens und der Sveta Lucija-Gruppe auf. Diese reflektieren vermutlich starke Kontakte mit und auch die Nähe zu den „Pferdezüchtern“ im Osten. Diese Kontakte können auch noch weiter zu den norditalischen Venetern (auch Pferdezüchter) gezogen werden, bei denen es ebenfalls vergleichbare Pferdebestattungen in separaten Gruben gibt. Dies würde gut zur Theorie passen, dass Pferdehandel zwischen den Angehörigen der Vekerzug-Kultur (bzw. den Bewohnern des Ostteils des pannonischen Beckens) und den Venetern durch die südlichen Teile des pannonischen Beckens und das Gebiet der Dolenjska-Gruppe führte. Diese Handel wiederum könnte durch Kontakte auf ideologischer Ebene begleitet worden sein.

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Introduction The Pannonian Basin was a place where two different lifestyles and cultural influences from several regions have interacted throughout many time periods, from the Aeneolithic to the Middle Ages. Namely, societies with sedentary economy were traditional in western parts of the Pannonian Basin and in the Eastern Alpine region, and were connected with traditions and influences typical of western parts of Central Europe. On the contrary, the eastern parts of the Pannonian Basin were often inhabited by populations with a nomadic or semi-nomadic way of life and were connected with influences from the east. These populations arrived here, as mostly believed, from the steppe regions of Eurasia, but some of them might also have been of local origin. Some of these nomadic or semi-nomadic populations could have represented a mixture of local and eastern elements, as well. The vast lowlands of the Pannonian Plain, especially in the eastern part, were very similar to Eurasian steppes and forest-steppes, in terms of natural environment, climate and vegetation. This was the reason why this piece of landscape was suitable for pastoralism and nomadic or semi-nomadic way of life. This cultural polarity of the Pannonian Basin was also significant in the Final Bronze Age and the Early Iron Age. However, the above two culturally different regions were rather closely linked, in terms of mutual interactions. Moreover, these interactions were ­associated with a transfer of influences between distant regions. Hence, as a result of these contacts and influences, a new type of objects emerged in wider area of Central Europe. These objects, namely those depicting a horse, or the components of horse harness, were ­ associated with horsemanship. They had their origins in the socially differentiated societies of the North Pontic and Caucasian region, but soon began to be produced also locally, in workshops situated in the Pannonian Basin (Metzner-Nebelsick 2002: 207–362, esp. 357–62, 475–93). The horse in Hallstatt society Objects associated with the horse entered the symbolic repertoire of the Hallstatt period in a “big style”, espe-

cially in various groups of the Hallstatt culture. On the one hand, the custom of placing horse harnesses into graves became very wide-spread (e.g. Pare 1992: 195– 202, fig. 135). Also the objects representing a horse were very popular among the privileged social classes. Horse imagery was applied on the so-called status symbols, namely on sceptres, miniature axes from the necropolis of Hallstatt as well as on articles of clothing and jewellery such as brooches, pendants, belts etc., on ceramic or bronze vessels, or on “ritual” objects, such as miniature wagons, figurines, etc.The horse became the most frequently depicted animal of the Hallstatt period (e.g. Kromer 1959: pl. 94:2; 127:4; 137:3; 147:15; Lucke, Frey 1962; Nebelsick 1992; Reichenberger 2000; Metzner-Nebelsick 2002: 454–5, 462–8; 2007). All these kinds of objects, either associated with horse riding or wagon driving, or bearing an image of the horse, can be regarded as indicators of high social rank of their holders or, more precisely, as emblems of a privileged social class. The horse as an important part of these emblems suggests that Hallstatt elites – above all the social elites of the Hallstatt culture – could have denominated themselves by the name derived from the word for the “horse” or “equestrian”. This hypothesis is based on similar denominations known from contemporary or chronologically close cultures of the ancient Italy. For example, equites was the denomination for members of privileged cavalry of the Roman army, based on the high social class from the Early Roman or Pre-Roman period. Furthermore, similar denomination was documented lately for the ancient Venetians of the NorthEast Italy.The word ekupetaris and its variants, that were found for example on gravestones from the 6th century BC and later periods, refer most probably to the high social class. This denomination can be explained most likely as a “Master of Horses” (Marinetti, Prosdocimi 2005: 33–6). Apparently, this name had been used for the whole social group that characterised itself by horse-riding or by chariot- or wagon-driving. Therefore it can be suggested that similar denomination may also have existed in the case of social elites of the Hallstatt culture. From this outline is evident that the importance of the horse increased sharply in the society of the Final Bronze Age and especially of the Hallstatt Period.This

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Fig. 1:  Distribution of sites with graves with horse remains from Hallstatt Period in the area of the Pannonian Basin. 1. A human grave with remains of an entire horse. 2. A human grave with partial remains of horse. 3. A separate grave (outside the human grave) with partial remains of horse; 4. Separate grave of an entire horse. ? Problematic find (uncertain age or horse identification, etc.). Numbers state amount of graves with horse remains in each site.

increase was also reflected in burial rite, since horses started to be slaughtered and buried with humans or in human cemeteries on a quite regular basis. Graves with horse remains From the area of the Pannonian Basin, along with the East-Alpine Hallstatt region (this region was included in the studied area in order to keep the cultural integrity of the western parts of the Basin), 167 graves with horse remains were collected (Fig. 1). This number includes a certain number of problematic findings, such as finds from the 19th or early 20th century with questionable identification of horses’ remains, those with lack of information on the identification of horses’ remains (by an archaeozoologist or only by an archaeologist), uncertain age determination in finds assemblages etc. The whole collection

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of these graves has been studied in great detail, in order to examine closely the role of the horse in burial rites (Kmet’ová 2011a). Although the phenomenon of horse burials from the Hallstatt Period was known since the end of the 19th century, with some exceptions aimed at certain regions (Párducz 1952: 159 –69; 1955: 11-2; Dular 2007), it has not yet been studied in such a complexity. Based on these analyses, the association between ­different burial customs involving the horse and the cultural orientation of local communities is examined. In graves with horse remains the polarity of two main cultural regions of the Pannonian Basin, or rather of two lifestyles, was reflected. It seems that the practice of burying horses or their body parts in human ­cemeteries was very different in both regions. Most likely it reflected a different attitude towards horses in these diverse societies.

Hallstatt culture In groups of the Hallstatt culture located in the EastAlpine region, remains of horses occur in burial contexts from the early and middle phase of the Hallstatt Period (Ha C – D1). The exceptions are the Southeast-Alpine Hallstatt groups of present-day Slovenia, namely the Dolenjska group and Sveta Lucija group, where the custom of burying horses and their body parts remained in use as well in later Hallstatt phases. Eventually, these groups will be mentioned lower down. In the remaining East-Alpine Hallstatt groups, a ­total of 26 graves with remains of horses were detected, ­including some uncertain finds. In general, two main types of horse burials occurred: inhumations, and ­cremations on a funeral pyre. Moreover, horses were inhumated or cremated as whole animals, or only their small body parts were buried/cremated. It is important to highlight that the remains of ­entire horse bodies occurred solely in graves of persons of high social rank. Horse remains, of a single or of ­several animals, were mostly buried after their cremation on the funeral pyre of a deceased noble (male). This was documented in the barrows of Kleinklein (Kröllkogel) in Styria, and Sütt˝o-Sáncföldek, Vaskeresztes-Diofásd˝ul˝o (Barrow 1) and FehérvárcsurgóEresztvény (Barrows 1 and 3) in Western Hungary (Egg, Kramer 2005: 8;Vadász 1983: 35; 1986, 253; see also Kmet’ová 2011b; Fekete 1985, 41; my thank for unpublished information on horse remains from the Fehérvárcsurgó-barrows goes to István Vörös from the Hungarian National Museum). Interestingly, it seems that in each of the three other barrows from Fehérvárcsurgó (4–6) only partial remains of cremated horses were buried (information from I. Vörös). Until now only a single find from this region confirms parallel existence of the custom of burying the whole uncremated body of a horse: a horse skeleton was discovered lying in a wooden dromos of the burial chamber in Barrow 1 in Gemeinlebarn, Lower Austria (Offenberger 1980: 438). On the other hand, remains of small body parts of horses (i.e. skull, skull parts, tooth, one bone or several bones) were present in graves of members of either social elites or the so-called “higher middle class”, including both males and females. This type

is represented by partial remains of presumably intentionally slaughtered horses (skull: probably Bratislava-Devín, Slovakia, pit 2/1969: Plachá, Furmánek 1975: 55; Kmet’ová, Stegmann-Rajtár, in press; skull parts: Bratˇcice, Moravia: Golec 2005: 93–140; Statzendorf, Lower Austria, Grave A9: Rebay 2006: catalogue, 12; several leg bones: Százhalombatta, Western Hungary, Barrow 109: Holport 1993: 26 sq.; Vörös 1993) as well as by remains that could possibly come from a previously perished animal (isolated leg bones: Halimba-Cseres, Western Hungary, Grave 6: Lengyel 1959: 159; Sütt˝o-Sáncföldek: Vadász 1983: 20, 23; Statzendorf, Grave C40 – pierced leg bone: Rebay 2006: 197; Schmitzberger 2006: 347; tooth and a single leg bone: Bad Fischau-Feichtenboden, Barrows 10 and 14: Klemm 1992: 393, 411–7). Generally it could be said that the practice of placing the horse body or its parts into a human grave in the East-Alpine Hallstatt groups in the early to middle phases of the Hallstatt period, i.e. in the era of the main development of the Hallstatt culture in this region before the collapse of the political and economical system in the 2nd half of the 7th and in the 1st half of the 6th century BC, was not very wide-spread. It must be underlined that this practice was restricted to the burials of deceased of relatively high social rank. This situation corresponds well with the practice of placing horse-related objects, namely horse gear and objects representing horses, into graves. They were ­typical components of grave goods for members of social ­elites, since they were most probably regarded as indicators of high social rank, or, as suggested above, as a symbol for denomination of the privileged social class. Therefore it seems that the ritual slaughter and ­burial of horses on the occasion of a human funeral in the East-Alpine Hallstatt region should also have demonstrated the elevated social rank and wealth of the ­deceased “Master of Horses”, or his survivals or successor. The horse in the Hallstatt-period society was a costly and prestigious animal and an important element of a nobleman’s life, and therefore the sacrifice of a horse or even of several horses increased considerably the opulence of a funeral ceremony. Furthermore, several indications from the region suggest to regard the buried horse as a companion on the last journey. Apparently, the ritual slaughter and burial of horses

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linked two important symbolic meanings: the horse as an emblem of high social status of the deceased person, and the horse as a means of transport to the Otherworld. This will allow us to suggest that only individuals of high social rank had the privilege to travel to the Otherworld on horseback or by wagon or chariot (Kmet’ová, Stegmann-Rajtár, in press). Small assemblages of horse bones in human graves could also have suggested the great importance of this animal amongst the privileged social groups, in the sense of its symbolic indication pars pro toto.The presence of a single horse bone in graves of members of the “higher middle class” could also indicate similar meaning. Dolenjska group The situation in the Dolenjska group of Eastern Slovenia offers a slightly different picture. This group had a special place amongst the Hallstatt groups of the East-Alpine region, since it existed continuously from the beginning of the Hallstatt period until the Early La Tène period, without any substantial turning point. Interestingly, burials of horses or their parts (59 graves, including uncertain finds) are recorded throughout the whole time of its existence (Dular 2007; see also Kmet’ová, Stegmann-Rajtár, in press: note 2). That is the reason why this group is so unique and crucial in the analyses of the custom of burying horses. In the early phases of its existence, corresponding to HC, and perhaps also in the beginning of the HD phase, the character of this custom was very similar to the other groups of the East-Alpine Hallstatt region. Finds of horse remains from burial contexts are sporadic and restricted exclusively to graves of socially privileged deceased. These finds are mostly characterised by remains of a horse skull associated with a human grave, but also a possible burial of entire body of a horse came to light (skull: Novo mesto-Kapiteljska njiva, Barrow 1 – central grave: Knez 1993: 17, 23, 35; and Grave 16/34: Dular 2007: 746, No. 27, and information from B. Križ, Dolenjski muzej, Novo mesto; Libna-Špiler, Grave 1/6: Dular 2007: No. 5; skeleton?: Novo mesto, Grave 2-3 from a barrow in Malenškova njiva: Dular 2007: No. 28, note 5). Interesting is that horses were slaughtered on occasion of burials of not only high-ranked males but also high-ranked females (as in Novo mesto-Kapiteljska njiva, Grave 16/34).

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The custom of burying horses increased considerably from the turn between the 7th and 6th centuries BC. From this time on, horses were buried quite regularly as whole unburned bodies (Dular 2007; Guštin 1974: 88, fig. 2). But the custom of burying small parts of horses still also remained in use (Dular 2007; Starè 1960: 326; Knez, Škaler 1968: 242, 251; Guštin 1976: 19–20, 40; Dular 2006: 180; Hencken 1978: 22 (?), 25; Wells 1981: 54). Horses were often buried next to human graves, but outside their interior. Based on this practice, it is widely accepted that these horse burials were very similar to horse burials of the Vekerzug culture of the north-eastern part of the Pannonian Basin. However, the situation in the Dolenjska group differed considerably from that in the Vekerzug culture, since all burials of horses in the Dolenjska group were most probably connected with some human graves, as suggested by their proximity to especially the sumptuous graves (e.g. Gabrovec et al. 2006: fig. 14, appendix 1; 3; Guštin 1974: fig. 2). On the contrary, the Vekerzug culture horse burials placed in separate pits appear not to relate to any particular human grave (see below). In the Dolenjska group, furthermore, horses remained part of burials of members of social elites as well as members of the warrior class, although a few uncertain exceptions exist. In this respect, the Dolenjska group retained the character of the East-Alpine Hallstatt groups. The presumed direct impact of the Vekerzug culture on the enhanced intensity of the custom of burying horses thus seems to be unlikely. Though, the influences from the East, namely from the North-Pontic and Caucasian region, are more probable, since a close ­relation of horse burials to the graves of socially priv˙ ileged classes is well documented there (e.g. Erlikh ˙ 2007: 47, 52, fig. 115–9; Galanina 1997; Leskov, Erlikh 1999: 30 –1, fig. 40–2;Terenozhkin 1976: 26–8, 99, fig. 3:2–4). As it seems, the social elites of the Dolenjska group tried to express their social rank by even more frequent slaughtering and burying the horses on the occasion of funeral of their members, being inspired by the social elites of the eastern nomadic or semi-nomadic cultures. Vekerzug culture The situation with the Vekerzug culture of the Late Hallstatt and Early La Tène Periods, on the contrary,

was different. This culture emerged in the 2nd half of the 7th century BC in the eastern and northern parts of the Pannonian Basin. It had a polygenetic character, since it was formed on the basis of several components consisting of local groups of the eastern and northern parts of the Pannonian Basin and of influences from the Hallstatt culture as well as from groups of the Balkans, and also of components of the North-Pontic and Caucasian origin (Kozubová 2008: 49; 2011: 71, 84, 89; cf. Chochorowski 1985; 1998).This culture had mostly a pastoral character, as some nomadic or rather seminomadic elements were present. In the Vekerzug culture, the custom of burying horses in human cemeteries was quite frequent (61 graves detected), although very varied from place to place, probably due to heterogeneity of the culture. Especially the burials of horses in separate pits are quite numerous (Bende 2003: 64; Csallány, Párducz 1944– 1945: 106–7; Dušek 1966: 13, 86, 93–4, pl. 65:5; see also Kozubová 2012: 96–7, 115, plan 1, 2; Galántha 1981: 50; Hellebrandt 1996–1997: 128, 141, fig. 31:8; Párducz 1952: 144–8; 1954: 26–7, 32–3; 1955: 8– 10; 1966: 51, 84, pl. 34:3). They were found only in a few cemeteries throughout the Vekerzug culture: they were most numerous in Szentes-Vekerzug, SE Hungary (11 pits with a single horse skeleton and 3 pits with skeletons of a horse pair, 2 of them with wagon remains: Csallány, Párducz 1944–1945: 106–7; Párducz 1952; 1954; 1055; Chochorowski 1985: 122–3), and in Chotín, SW Slovakia (Chotín IA: 8 pits with horse skeleton, and Chotín IB: 2 pits with possible horse skeletons: Dušek 1966; Kozubová 2012: catalogue). The remaining cemeteries provided only 1–2 horse burials in separate pits each (Csanytelek-Újhalastó, Muhi-Kocsmadomb, Algy˝o, Tápiószele (?) – for citations see above). This situation may obviously depend on the size of the excavated area of cemeteries. As mentioned above, the deep analysis of graves with horse remains from the area of the Vekerzug culture suggests that horse burials in separate pits were not associated with human burials, because they either formed separate groups within cemeteries or, as it seems, were usually surrounded by empty area without any human graves (Dušek 1966: plan 2; 3; see also Kozubová 2012: plan 1; 2; Párducz 1955: fig. 1; 1966: fig. 12). Moreover, in a relatively close proximity to

these horse graves (ca 2–8 m) only graves of females and children with various funerary assemblages (i.e. social rank?) were detected, from the poorest to relatively richly equipped graves, along with a few graves of adult (?) males almost exclusively with poor or no grave goods (Dušek 1966; see also Kozubová 2012; Hellebrandt 1996 –1997; Párducz 1952; 1954; 1955; 1966). And what is even more striking, the graves of males of elevated rank and/or warriors and/or equestrians were placed in a considerable distance from the above-mentioned horse burials, with an exception of Grave 142 from Szentes-Vekerzug (Párducz 1955: 8– 10, fig. 1). It seems likely that horse graves were located in the proximity to graves of “weaker” human individuals (women, children and men of inferior status). Or, alternatively, graves of “weaker” individuals were located in the proximity to horse graves. In some cemeteries a different rite was predominant, which has reflected in pits with only a few horse bones or teeth scattered throughout the cemetery (Tápiószele, NE Hungary: Párducz 1966). Possible connection to particular human graves could not be analysed due to incomplete excavation documents. Human graves with horse remains, on the other hand, are not very numerous. Especially those with entire horse skeletons are really scarce. These graves can be divided into 2 groups. In the first there are a few graves of individuals of high social rank, or belonging to the “higher middle class” (Chotín IA, Grave 40/1953 and Tiszavasvári-Csárdapart, Grave 2: Dušek 1966: 13, 75; Kozubová 2012: 14; Kemenczei 2009: 152, fig. 4: 2). Horse burial had here probably a meaning similar to that of sumptuous graves of the Hallstatt culture, i.e. an expression of elevated social rank of the deceased, possibly connected with journey to the Otherworld, as well. In the other group there are a few graves of people with very low social status (Chotín IA, Grave 121/1953, Tiszavasvári-Csárdapart, Grave 44, probably Szentes-Vekerzug, Grave 150: Dušek 1966: 52, fig. 7; see also Kozubová 2012: catalogue, 50; see also Kmet’ová, in press; Kemenczei 2009: 156, fig. 7: 44; Párducz 1955: 10, fig. 1). These burials could be interpreted as sacrifices of people with inferior social status, or servants (Kmet’ová, in press). As far as partial horse remains placed into human graves are concerned, they were relatively frequent

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only with a few cemeteries. They were numerous in the necropolis of Tápiószele, and scarce in a few other cemeteries (Alsótelekes-Dalinka (?), JászberényCser˝ohalom, Szabadszállás-Józan, Sándorfalva-Eperjes (?): Bökönyi 1974: 370, 400; Dušek 1966: 89; cf. Kozubová 2012: 103; Galántha 1985: 116-8; Patay, Kiss 2001–2002: 83, 138–9). These remains represented above all a skull, a tooth, but also a jaw, or a few bones (leg joints, leg bone).They were found in graves of wider social strata, however, a horse tooth or a single bone were usually present in graves with average or poor funerary assemblages. Whilst horses in the Hallstatt culture were considered to be prestigious animals and burials with horses were restricted to privileged classes, the situation in the eastern part of the Pannonian Basin reflected a different attitude towards the horses. Small parts of horses’ bodies placed into graves of wider social strata indicate the involvement of larger variety of social groups in rites concerning horses (in some cemeteries). Moreover, burials of horses placed into separate pits, sometimes with horse gear or even with wagon, that seem not to originate in the occasion of funeral of a particular human, suggest the existence of rites involving a larger group of people or even the whole local community. This stronger involvement in rites concerning horses could reflect an economic focus of the population of the Vekerzug culture, or at least of its several local communities.The natural environment of the Pannonian Basin was traditionally suitable for animal husbandry and especially for horse breeding. Economy focused on intensive horse breeding could be presumed there also in the Final Bronze Age. The development and production of local variants of horse gear indicates intensive local horse breeding (Metzner-Nebelsick 2002: 357–62, esp. 360–2). The Vekerzug culture also developed its own types of horse bits, and in this sense had a strong influence on the neighbouring cultural groups (e.g. Kozubová 2011: 73–85; Werner 1988). The production of local types of horse bits and their strong popularity, and also numerous burials of high-class horses (e.g. Bökönyi 1974: 250 sq.;Vörös 2010) could be attributed to intensive horse breeding. Such economic engagement of the population could have resulted in greater importance of the

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horse throughout the wider social range, and in participation of wider population strata in rites related to the animal. Late Hallstatt groups of the southern parts of the Pannonian Basin Surprisingly, a situation similar to the Vekerzug culture, in terms of horse burials, was recognised in contemporary Late Hallstatt and Early La Tène groups of the southern parts of the Pannonian Basin. Among at least 15 graves with horse remains, separate horse graves were highly predominant (Jerem 1968: 169-71; Majnari´c-Pandži´c 2003: 490–9; Trajkovi´c 1974: 64, pl. 66: 4; see also Metzner-Nebelsick 2002: 196, 205–6). These graves are not connected with any particular human grave, either. They were often surrounded by an empty area, and located rather far from sumptuous graves of males. Horses were interred entire, or only the compact front part of the body was buried. Quite a unique way of horse burial was documented as well, namely in Szentl˝orinc, SW Hungary: remains of entire bodies except the spine and the chest (Jerem 1968: 169–71, fig. 10–3). Occasionally also partial remains, namely a few bones and teeth, occurred in human graves with simple or poor grave goods (Jerem 1968: 168–74). Southern Pannonian groups were deeply rooted in the Urnfield tradition, and were related to the Hallstatt culture of the West (Metzner-Nebelsick 2002: 490–3). But, the custom of burying horses was more like of their eastern neighbours.This interesting duality of the Southern Pannonian Hallstatt groups reminds again of the general situation in the Final Bronze Age in the sense of hoards with horse gear similar to the Eastern Pannonian ones. C. Metzner-Nebelsick (2002: 362) explained this by a direct neighbouring contact with the world of horse breeders in the eastern regions of the lowland. In the Late Hallstatt and Early La Tène Periods, this vicinity was expressed by similar custom of burying horses into separate pits. Interregional contacts reflected in horse burials in the Late Hallstatt – Early La Tène Periods Close contacts between the Vekerzug culture and the Southern Pannonian Late Hallstatt and Early La Tène

groups could be linked further to the west and southwest, since similar separate horse graves, usually with harnessed horses, are also found in the Sveta Lucija group of South-West Slovenia (Marchesetti 1993: 189, 218, 268–9; Teržan, Lo Schiavo, Trampuž-Orel 1984– 1985: 120–1), and even in North-East Italy (Gambacurta 2003; Gambacurta,Tirelli 1996: 73; Farello 2006; Pincelli, Morigi Govi 1975: 452, 462, fig. 35; 37, pl. 46: bottom; 49: above; Facciolo, Tagliacozzo 2006: 149– 50). The existence of these contacts is also suggested by an unusual type of buried horse remains, namely the compact front parts of horse bodies including the head, neck, front legs and chest. Single graves with this type of horse remains were discovered in Vinkovci in Southern Pannonia, Szentes-Vekerzug within the Vekerzug culture, and Most na Soˇci within the Sveta Lucija group (Csallány, Párducz 1944-1945: 106; cf. Gallus, Horváth 1939: 111, pl. 69; Majnari´c-Pandži´c 2003: 490, 498; Marchesetti 1993: 189, 269). Furthermore, mutual contacts of these regions related to horse graves were underlined by analogous finds of horseharness components from these graves that link Southern Pannonia and southern regions of the Vekerzug culture with regions further to the west and southwest, namely with the Dolenjska group and Sveta Lucija group: decorated bronze phalerae (Majnari´c-Pandži´c 2003: fig. 8–10; Teržan, Lo Schiavo, Trampuž-Orel 1984–1985: pl. 51: 17–22; 52: 23–24), undecorated bronze phalerae (Párducz 1952: pl. 44: 1–4, 7–10; 45: 1–3, 5–7; 54: 1–3; 55: 1–3; 56: 3; 57: 3; 59: 2–3; 60: 1– 2; 62: 1–2; 63: 1–2; 1954: pl. 2: 9–12; 1955: pl. 6: 16– 18; Hencken 1978: fig. 144c; 148; Tecco Hvala, Dular, Kocuvan 2004: pl. 27: 39–43), or decorative fittings (Jerem 1968: fig. 28: 61; Hencken 1978: fig. 144a; or also 109d; 144b; Mlinar 2002: fig. 17). Local adoption of the Szentes-Vekerzug-type horse bits by the Dolenjska group (Guštin, Teržan 1975; Werner 1988; Kozubová 2011: esp. 83–5) is also a reflection of these contacts, after all. Also the chronological aspect of these graves is of consequence. Many of horse graves of the Vekerzug culture are difficult to date, but those with chronologically more sensitive grave goods (certain variants of horse bits, harness fittings, or wagon components) can be dated to the wide interval from the 2nd half of the 7th to the 1st half of the 5th century BC, and

to the interval from the end of the 6th to the beginning of the 4th century BC. Their main occurrence can be dated to the 6th and 5th centuries BC (especially Kozubová 2011: 73–85; Parzinger 1995: 73, 269; Werner 1988). Horse graves from Southern Pannonia are dated to the 5th and 4th centuries BC, which corresponds with dating of horse burials from Most na Soˇci (Jerem 1968; cf. Metzner-Nebelsick 2002: 318; Parzinger 1988: 107; Majnari`c-Pandži´c 2003: 491–5, fig. 8:1–2, 9; 9–10; Marchesetti 1993: pl. 30; cf. Trachsel 2004: 432, 477: KNO 16b, 546–7:TKN 13c;Teržan, Lo Schiavo,Trampuž-Orel 1984–1985: pl. 51:11–5; cf. Trachsel 2004: 452: FAL 16c, 546: TKN 13a; Mlinar 2002: 50; cf. Metzner-Nebelsick 2002: 335–6 – VIIIa). Interesting is that the number of separate horse burials in North-East Italy increased from seldom to more frequent just at the same time as they appeared in the Vekerzug culture (6th century BC, onwards: for citations see above). Further important evidence of these interregional contacts was provided by the find of a horse skeleton in a “ritual pit” in the La Tène settlement of Sopron-Krautacker in NW Hungary. Osteometric data show very close similarity to several horse skeletons from horse graves in North-East Italy, however, the suggested dating speaks for its later La Tène origin (Jerem 1998: 329–31). These contacts could be explained most likely in connection with horse trade. Several authors considered possible existence of horse trade between the populations of the Vekerzug culture, Southern Pannonian groups and Venetians, leading through the territory of the Dolenjska group (Jerem 1968: 192–3; 1998: 330– 2; Bökönyi 1983: 335–6;Tecco Hvala, Dular, Kocuvan 2004: 110; Dular 2007). Horse trade of the ancient Venetians, who were also well-known horse breeders, was mentioned by several antique authors (Strabo: V: 1: 4; for Alkmanos and Euripides see e.g. Harmatta 1968; Jerem 1968: 39). However, the hypothesis about a direct and one-way import of Vekerzug horses to Venetia seems to be problematic.Venetian horses were of mixed race showing some features of Vekerzug horses and some of Etruscan horses (e.g. Riedel 1984, 230–236; cf. Facciolo, Tagliacozzo 2006, 144). This fact, ­together with the character of natural environment of the Northeast-Italian lowland suitable for horse breeding, references by antique authors, and a

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long tradition of horse breeding (at least from Bronze Age) rather suggest a more probable existence of mutual exchange of high-class horses (Metzner-Nebelsick 2002: 362). The similar fashions of horse burials in these distant regions allow us to presume that these trade- or exchange-contacts could have been accompanied by the transfer of ideas and even of similar rituals related to horses and cemeteries. Conclusions The cultural polarity of the Pannonian Basin in the Early Iron Age was also reflected in burial rituals in-

volving horses. Horses in the East-Alpine region of the Hallstatt culture (or the western regions of the Pannonian Basin) were highly prestigious animals and in burial rite they symbolised high social status of the deceased person. In the population of the eastern part of the Pannonian Basin (Vekerzug culture), on the other hand, they were more wide-spread, which probably originated in the engagement of local communities in intensive horse breeding. This difference was reflected in different burial rituals associated with horses. Moreover, some specific types of horse burials in this Late Hallstatt culture might have been associated with interregional contacts leading through Southern Pannonia and Slovenia to Northern Italy.

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Reflection of Age or Social Status? Case study – Quattro Fontanili, Veii Katarína Hladíková

Abstract This paper deals with some results of research aimed at the perception of children in the Villanovan period in Southern Etruria, Italy. It offers a closer look at the burials of the Villanovan children from Quattro Fontanili cemetery at Veii (case study).The Quattro Fontanili is one of a few cemeteries in Southern Etruria in the Early Iron Age which was excavated in greater detail and subsequently published. For our research we have available a limited number of non-adult individuals identified by anthropological analysis. Other child graves were identified archaeologically, in limited extent. In this paper we analyse the artefact categories which are absent, or present only in limited extent in child graves. These evaluations were realized in relation to frequency of occurrence of these artefact categories in adult graves.The aim of the analysis is to discuss the question: What does the absence or low occurence of certain artefacts in child burials reflect? Do these artefacts indicate a certain age, or only social status? What does their absence reflect? These questions can be answered only to a limited extent because of nature of the archaeological sources and the lack of complete anthropological analysis. Zusammenfassung Dieser Beitrag befasst sich mit den Ergebnissen von Forschungen zur Wahrnehmung von Kindern in der VillanovaPeriode in Südetrurien, Italien. Als Fallstudie genauer betrachtet werden die Gräber von Kindern aus der Villanova-Periode aus dem Gräberfeld Quattro Fontanili in Veii. Quattro Fontanili ist eines von wenigen Gräberfeldern aus dem früheisenzeitlichen Süditalien, das detailliert ausgegraben und seitdem auch publiziert wurde. Für unsere Forschung steht eine begrenzte Anzahl von anthropologisch als vor-adult identifizierten Individuen zur Verfügung. Eine begrenzte Anzahl weiterer Kindergräber wurde archäologisch identifiziert. In diesem Artikel werden die Artefaktkategorien, die in Kindergräbern fehlen oder in nur geringer Anzahl vorkommen, analysiert. Diese Bewertung wird mit der Häufigkeit des Vorkommens dieser Artefaktkategorien in Gräbern von Erwachsenen verglichen. Ziel der Analyse ist die Beantwortung der folgenden Fragen: Was bedeutet die Abwesenheit oder das seltene Vorkommen bestimmter Artefakte in Kindergräbern? Zeigen diese Artefakte ein bestimmtes Alter an, oder nur einen bestimmten sozialen Stand? Was bedeutet ihre Absenz? Diese Fragen können aufgrund der Natur der archäologischen Quellen und dem Fehlen einer vollständigen anthropologischen Analyse nur bis zu einem gewissen Grad beantwortet werden.

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The Archaeology of Age „Child burials are a fascinating social category to explore because they make us look differently at familiar material. If we want to discuss “children” in prehistory we need to do that in relation to adults”  (Fahlander, Oestigaard 2008: 11). To begin with, we would like to refer to some thoughts that are related to the archaeology of children and childhood. The marginal interest in children not only in the archaeological context has been already pointed out in the 1990s by several authors, who started to deal more intensively with the research of different ­aspects concerning the status of children in prehistoric and historic societies, mainly from a theoretical and methodological perspectives (Lillehammer 1989; SofaerDerevenski 1996a; 1996b; 1997 etc.). G. Lillehammer (1989: 89) criticized the fact that children were completely excluded from archaeological research and e. g. J. Moore (1997: 255) has also noted that “dogs have been more studied than children in the archaeological record”. The issue of ignorance and marginalization especially relates to the so-called “invisibility of children” (Moore, Scott 1997) not only in archaeological sources, which might have been caused by different factors. When studying prehistoric societies, we often encounter either an absence or a shortage of child burials in cemeteries. This sharply contradicts the fact that we often expect a high child mortality within these communities (Neustupný 1983: 24). One of the reasons for this deficiency may be, for example, a difficulty in preserving the fine anthropological material of children’s remains (Beilke-Voigt 2004: 289; Bietti Sestieri 1992: 101; Grefen-Peters 1999: 123; Chamberlain 2000: 210; Kraus 2006: 8; Lucy 2005: 44). A possible explanation could also be provided by an assumption that the infants’ remains were disposed of at different sites. There are many more problems concerning the absence of children in the archaeological records, however there is no space to discuss them here (for more details see Hladíková 2013). Another issue represents the problem of definition of childhood and its phases. Childhood is culturally determined; therefore, it is not possible to find a general definition. Based on ancient written sources and eth-

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nological parallels, it is clear that the passage between individual phases of childhood involved certain transitional rites that could have left various forms of traces in the material culture in graves. Nevertheless these rites often differ considerably from one culture to the other. Chronological and Geographical Framework Veii is located in the vicinity of the modern centre of Isola Farnese (near Rome, Latium). The site is situated on a large tuff plateau and has been continuously occupied since the late Bronze Age. The more intense settlement however took place in the Early Iron Age (EIA) (at different locations).The majority of the cemeteries were discovered and partially excavated or even plundered in the 19thand early 20th century (Bartoloni, Delpino, 1979: 17; Giannini, 2003: 126; Putz, 2007, 14; Bartoloni 1997: 29; Berardinetti, De Santis, Drago 1997: 317). In this paper, we analyse the Quattro Fontanili cemetery which was being continuously used for more than 200 years. In terms of relative chronology, the graves are dated into the EIA I and mainly EIA II phases, but also to the “orientalizzante” period (Berardinetti, De Santis, Drago 1997: 330; Toms 1986: 47–72). Aim and Method Here, we are to analyse the artefact categories that were either absent in the child graves (archaeologically and anthropologically determined of age categories infans I and infans II) or their frequency of presence ­significantly reduced compared to the frequency of occurrence of the same artefact categories in the other graves (0 –6% – Fig. 2). The aim of the analysis is to discuss the question: what does the low number of certain artefacts in child graves reflect? It will also test the assumption whether a low frequency in the occurrence of certain artefact categories or their total absence in child graves reflects their relation to a specific age category. In the first step, a separate quantitative analysis of all the artefact categories present in child and other graves was performed. This provided a result about the ratio of the artefact categories presence between the exam-

Fig. 1:  Ratio of anthropologically analysed graves and length categories (to category of „Length to 2 m“ we count also the grave EE7-8B 2.02 m long).

ined child and other graves (of anthropologically analysed individuals of age category juvenilis to presenilis and also graves of length over 1.6 m). From these results the artefacts categories from child graves with a value less or equal to 6% were selected for further analysis (Fig. 2). To achieve the objective results the graves themselves were divided into four separate groups according to their length (1. up to 1.6 m, 2. up to 2 m, 3. up to 2.5 m and 4. over 2.5 m). Subsequently, we used another contingency table to evaluate the frequency of artefact categories occurrence in each of the selected groups. The analysis was then focused on the artefacts categories whose representation in these groups ranged from 0% to 5%.The quantitative evaluation based on the grave length was performed in order to determine the frequency of artefact categories occurrence in a particular group. This indicates to a certain extent the likely age, so a presence of a child or an older individual (juvenile or adult) (Fig. 3). ­According to the analysis of grave length in correlation with the results of the anthropological analysis, we expect children to be buried in graves with a length up to 1.6 m. There is still a relatively high percentage of children in graves up to 2 m long. In graves up to 2.5 m long, there is mainly evidence for the presence of older individuals, or for the presence of children in double

graves or multiple graves together with older individuals (Fig. 1). Based on these analyses, the low occurrence or absence in relation to the other graves was detected for olla, spindle whorls, spools, razors, bridles, and also swords, daggers and shields (Fig. 2).The analysis of correlation of the frequency of the occurrence of artefact categories and length of graves indicated (Fig. 3) that, in addition to the artefact categories mentioned above, the graves up to 1.6 m long rarely contained (up to 5%) or they totally lacked artefacts from the category olla and sostegno, as well as distaff, axes, knives and metal vessels. In our paper, we only analyse finds from inhumation graves since cremation graves pose the problem of identifying the presence of children without anthropological analysis. Anthropological Analysis and Identification of Child Graves At the Quattro Fontanili cemetery, approx. 2000 graves were identified, out of which 651 were excavated (32.55 %) (Fig. 4 – Veio 1963 – 1975).There were cremation as well as inhumation burials. Along with the dominant cremation burials dated from the late EIA I

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Fig. 2:  Ratio of frequency of artefact categories in child graves and in all inhumation graves.

phase inhumation burials appear. The inhumation became more frequent in the 2nd phase (Bartoloni 2003: 20–1, 44; Berardinetti, De Santis, Drago 1997: 324). Out of the excavated graves, a sample of 87 graves (13.36%) was subjected to anthropological analysis. Individuals from the age groups ranging from the infans I up to the age group presenilis were detected (Veio 1963–1967; Passarelo 1977: 175–9, scheme by A. Vallois). Unfortunately, only a limited number of children from Quattro Fontanili was identified by anthro-

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pological analysis (47 individuals in 41 graves). For the analysis, we used the age categories infans I and infans II, i.e. children up to 12 –13 years old. From this age on, the burials of juveniles are relatively hard to distinguish from adult burials without anthropological analysis, based only on archaeological analysis. Given that only 31 (36?) single child graves were identified by the anthropological analysis, we ­attempted to identify more of these graves using the archaeological criteria (Hladíková 2011; 2013). In this respect, dimen-

Fig. 3:  Ratio of frequency of artefact occurrence and grave length categories.

sions of inhumation graves, especially their length was considered to be key parameter indicating the presence of children (for more details see Hladíková, in print). In this respect the upper limit for the grave length was set for 1.6 m.The analysis of these graves, especially of anthropologically determined child graves, indicated that the grave length might have depended on the age of buried individual (greater physical height) as well as on the number of buried individuals and their social status, but also on some other factors unknown to us. In terms of the number of buried individuals some graves are problematic. As a result in the following

analysis these graves could not be taken into account (Hladíková 2013; Hladíková, in print). Olla At the Quattro Fontanili, a total of 31 vessels of the olla type (jar) were found in 21 inhumation graves.The occurrence of these in child graves, however, presents merely 5% (Fig. 2). Among the child graves, olla occurred only in Grave MMNN17-18 (infans II, 8–9 y). In inhumation graves with length up to 1.6 m, which may indicate the presence of a non-adult individual, absence of olla type vessels was recorded. Other ol-

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Fig. 4:  Distribution of child graves on Quattro Fontanili – Veii (plan digitalized after Veio NSc 1963– 1976 and adapted by author); black – assumed child graves, grey – anthrop. identified child graves.

las appear predominantly in inhumation graves with the length approx. of 1.95 m and above. Their highest presence, however, was documented in graves with the length exceeding 2.5 m (Fig. 3). This allows us to link their occurrence mainly with the graves of older

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individuals. Only two individuals from graves containing ollas in general were anthropologically identified: the above individual infans II, as well as an adult ­individual without age specification. In case of Grave MMNN17-18, the sex cannot be determined archaeo­

logically, considering the non-specific grave goods (presence of ceramic artefacts only). In other graves containing the ollas, male and female (probably older) individuals were buried. Weaving-related artefacts Artefacts associated with weaving were detected in ­ female graves, therefore they represent a gender ­ indicator (see e.g. Bartoloni 1997; Gleba 2008; Pacciarelli 2001). The spindle whorls come from 75 inhumation graves, out of which only 3% are represented by child graves (Fig. 2). Spindle whorls were found only in two child graves: of which grave MMNN19 (infans II, 6–8 y) was determined anthropologically while the grave M7b (1.52 m long) was pinpointed archaeologically. The age of the individuals buried in graves with the spindle whorls was of the categories ranging from the infans II to the presenilis, with the majority of individuals identified in the age group adultus. The majority of the spindle whorls were present in graves from the length of 1.69 m (except for child grave M7b). Their higher presence however was recorded from the length of 2 m and more (Fig. 3), which suggests that these artefacts could have belonged to older individuals. The “spools” were detected approx. in 29 inhumation graves. None of them has been found in the child graves (Fig. 2). The finds of “spools” in relation to anthropologically determined individuals were found in a grave of a juvenile individual and in three graves of adult individuals. Other age groups were not recorded in the sample for anthropological analysis. According to the analysis of the grave length (Fig. 3), the ”spools” were present in graves longer than 1.7 m. In terms of their frequency of occurrence within the mentioned individual grave groups, they appear to be dominant in graves with the length more than 2.5 m. Therefore, their presence only in the graves of older individuals can be presumed. Distaffs were found in a low number of all analysed graves (9) (Fig. 2).The only distaff coming from a child grave was found in grave GG6-7, with the remains of a 3-year old girl. The presence of the distaff together with some other grave goods indicates a higher social

status. Given the rare occurrence of the artefacts of this type, we may infer hereditary status for the girl. Razors Razors belong to a group of specific grave goods that can be regarded as a gender indicator – they indicate male graves (see e.g. Bartoloni 1997; Pacciarelli 2001). Here they occurred rarely, which probably suggests the “importance” of the individuals buried in these graves. The razors were found in 21 inhumation graves, and only one of them (5%) was detected in a child grave (Fig. 2). It came from an anthropologically determined double grave HH6-7 that contained remains of two children (infans I, 5 y;1 infans II, 9 –11 y). It can be assumed that the razor from the grave HH6-7 belonged to the older child. From the remaining inhumation graves with razors, five graves were anthropologically analysed, with the individuals determined as adults aged 20 –25 to 40 years. The razors were found in the graves with the length exceeding 2.17 m; hence, they were absent in graves up to 1.6 m and up to 2 m long. The length of graves with razors correlates to the absence of these artefacts in the child graves. Daggers, Swords and Shields At the cemetery of Quattro Fontanili, daggers, swords and shields were found rather sporadically. Only four specimens of daggers and two of swords as well as shields were found in graves with the length over 2 m (Fig. 3). These graves belonged to older individuals with a higher social status. None of these artefacts were found in child graves. However, human remains from these graves were not anthropologically analysed. Bridles From the components of a horse harness, the bridles were the most frequent. These came from 18 inhumation graves at the burial place.Two of them were found in the double child grave HH6-7 (infans I, 5 y; infans II, 9–11 y) (6%) (Fig. 2). Both bridles were probably given to the older child in this grave. However, no bridles were identified in the assumed child graves with the

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length up to 1.6 m long. Bridles were usually present in graves with the length of 2.7 m and more (except for grave HH6-7, 2.23 m long).This may indicate the correlation with the age of buried individuals (Fig. 3) and the social status of course. The gender of individuals was determined archaeologically as male and ­female, with the male gender predominant.2 Olletta and Sostegno The pottery vessels of the type sostegno (stands) were found in 19 inhumation graves and olletas (little jars) in 21. Based on the results of the factor analysis, these two artefact categories were studied as a combination (Hladíková 2013). In child graves, the combination of olletta and sostegno seems to be scarce. It was documented only in graves IIJJ13 (L1: infans I, 6 y, L2: infans II, 7-8 y) and GG13-14 (infans II, 6–7 y). The oletta appeared in three child graves. Besides graves IIJJ13 and GG13-14, it appears in grave CCDD10-11 (1.36 m long).The sostegno was also found in three child graves. Besides graves IIJJ13 and GG13-14 it was detected also in grave HH6-7 (infans I, 5 y; infans II, 9–11 y). Both artefact categories were most frequently found in graves over 2 m long (Fig. 3). In combination, olletta and sostegno were most frequently present in graves over 2 m long, which indicates the presence of older individuals. In the case of ollettas, female graves were represented in considerably higher number, with the sostegno the sex ratio was balanced. Knives A total of 17 inhumation graves contained knives. 3 (18%) specimens were found in graves anthropologically attributed to children (Fig. 2): graves JJ18-19B (infans II, 8 y), II13-14B (infans I, 3–4 y) and GG56 (infans II, 12 y; infans II, 10–11 y).The absence of knives in the smallest graves (up to the length of 1.6 m) and their rare presence in graves up to 2 m long (Fig. 3) indicate that these artefacts represent an attribute of older individuals. Except for the three child graves, a knife was present also in one grave with anthropologically analysed juvenile individual. Graves with knives belonged mostly to male individuals, except for grave G8-9.The sex of the individuals buried in other graves could not be identified.

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Metal Vessels The occurrence of metal vessels is connected mainly with “wealthy” graves, i.e. with a higher social status of the deceased. The metal vessels were detected in 25 inhumation graves (Fig. 2). They were found in three (12%) child graves: GG6-7 (infans I, 3 y – 2 specimens), GG5-6 (infans II, 12 y, infans II, 10 –11 y) and HH6-7 (infans I, 5 y, infans II, 9 –11 y). Other anthropologically analysed individuals (2 i.) belonged to the age category adultus. The sex of the individuals in child graves with metal vessels was ­determined archaeologically as male and female, based on specific grave goods. In terms of the grave length, the metal vessels were absent without exception in graves up to 1.6 m long. They were also rarely documented in graves up to 2 m long. A more numerous presence of metal vessels can be seen only in graves over 2.5 m long (Fig. 3). Axes Axes represent very frequent finds in Quattro Fontanili graves. They only come from six inhumation graves (Fig. 2). In all the cases they may have had a representative function as a status symbol. Two specimens were found in two graves anthropologically evaluated as the children’s: HH6-7 (infans I, 5 y; infans II, 9–11 y) and GG13-14 (infans II, 6–7 y).We assume that the axe in grave HH6-7 belonged to the older child. Out of the finds, three were found in archaeologically determined male graves, and three in assumed ­female graves. DISCUSSION AND INTERPRETATION The Quattro Fontanili cemetery is one of a few ­Early Iron Age burial places in Southern Etruria excavated in greater detail and subsequently published (Pacciarelli 2001: 271). The excavation and the comprehensive publication of the Quattro Fontanili cemetery allows us to monitor, albeit to a limited extent, the horizontal as well as the vertical structure of the society. However, based on burial rite, we are able to reconstruct only a certain ideal model of a social status of the buried individuals

within the society. As such this model may not reflect the actual status of a deceased within the social organisation of the society in its everyday life.Therefore, the expressed conclusions always remain only within the frame of the hypotheses (as an abstract model of real social relationships) (Krekoviˇc 1993: 8). At the Quattro Fontanili cemetery, a more distinct social differentiation was observed, which in a large extent became evident during the 2nd phase of ­Early Iron Age. Its beginnings however can be traced to the preceding periods as well. This phenomenon is well documented by an increase of the grave goods and their variability which indicates the emergence of new complex social structures (see e.g. Pacciarelli 2001: 261; Guidi 1993: 120; Bartoloni 2003: 30-1). The fast growth of wealth as well as changes in the ­political organisation and social structure is assumed to be caused, among others, by a prosperous trade and exchange (Gleba 2008: 71; Pacciarelli 2001: 283). Thus, what does the low presence of the above artefacts or their total absence in child graves indicate? The occurrence of the majority of the above artefacts in child graves reflected, firstly, the social status of a buried individual, or the status of his/her family. This suggests a different dimension in this late phase in the structure of social relationships than in the ­ previous EIA I phase. The differences in the organisation of the society in the EIA I and II phases respectively were pointed out by C. Iaia (1999: 9) and Pacciarelli (2001: 259): in the 1st phase a “wealthy” content of graves was related rather to the “public” roles than to the differences in wealth of individual families. The growth in wealth in the EIAII phase was interpreted in ­ relation to the emergence of proto-urban centres and the ­subsequent formation of new, more complex social structures. These changes were reflected e.g. in Quattro Fontanili’s burial rite. An essential change was, according to Pacciarelli (2001: 283), that the vertical structure (social status) related not only to gender but also to all age categories. It could indicate the ­possibility of gaining a higher social status by means of inheritance. The association with the hereditary status has also been assumed by J. F. Seubers (2008: 7), who considers “wealthy” child graves to be a certain phenome-

non which “shows that the society has advanced beyond stage wherein status is attributed through personal achievements, age or possessions”. In connection with a possible reflection of status inheritance, the categories of artefacts in question are especially: metal vessels, bridles, axes and distaffs. Burials with these artefacts indicate the process of the change in social structure and the formation of the ­hereditary status phenomenon. As we can see, the age (together with personal achievements or possessions) still played an important role in relation to a higher social status during the EIA II phase. This is well demonstrated by the presence of prestigious goods in the graves of older individuals or in graves of greater length, in which we assume older individuals. There is a wide range of possibilities how to interpret “wealthy” child graves. In addition to the attributed hereditary status, some may represent a sudden loss of a child in the age suitable for marriage (?). Death of a child in this age may have caused a loss to the family, even financial loss, which became reflected in the burials (Siklosi 2007: 187). However, it is questionable whether a specific age of a child could play a role in the inheritance of a ­status. Based on the analysis of anthropologically ­determined child graves with grave goods mainly indicating a higher social status, it is evident that these artefacts were present in graves of individuals identified as infans I as well as infans II. Only four graves of this type were identified: graves GG6-7 (infans I), HH6-7 (infans I, II), GG13-14 (infans II) and GG5-6 (infans I, infans II). Hence, it is not possible to interpret a relation between the occurrence of prestigious goods and a specific child age. Moreover, since the majority of these artefacts were found in longer graves, they cannot be attributed to the children without anthropological evaluation.With respect to the gender of individuals, a preference for a specific gender could not be observed. Other “wealthy” child burials could be identified following the detailed analyses of the content of some child graves. We can see that also graves EE7-8B (infans I, 3–4 y – rare glass brooches) and EE12 (infans II, 9 y (?) – belt buckle – cinturone a losanga) contained “luxurious” artefacts. However, the artefacts associated with a higher social rank in child graves are rather rare.

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Low frequency of artefact occurrence that is related to social status as well as to a certain age, is represented by the categories: olla, spindle whorls, “spools” and razors, knives, ollettas and sostegnos. In the case of the spindle whorls and knives, one may in this respect consider also the gender role of a buried individual. All of the above artefacts were found in the graves of children buried mainly in the age category infans II. This could indicate an existence of certain conditions, i.e. the lower age limit of the deceased that officially allowed the deposition of the artefacts in question into the grave.The assumption that a placement of selected categories of grave goods was determined by the age of the deceased, proved by an increased occurrence of these items in the graves of greater length, i.e. graves mainly of the older individuals (Fig. 3). Based on the above, we can assume that a certain change in the social status of the children was taking place sometimes within a child’s age roughly falling within the age category infans II or later, through a certain rite of passage. Therefore all of these artefacts could be considered as a symbol of the rite of passage accomplishment. However, this hypothesis may be confirmed only by the comprehensive anthropological analyses. A more precise estimation of the actual age required for the performance of the rite of passage cannot be

determined, given the low number of anthropologically analysed individuals.We may only assume that the transition period took place in a different age for the girls and for the boys, due to a different physiological development. On the other hand due to a different age of achieving the so-called “social maturity” ­related to future gender roles could contribute towards the time of performing the rite of passage too.The ­physiological maturity and the “social maturity” are essentially two different phenomena, which rarely overlap (van Gennep 1996: 68). The achievement of so-called “social maturity” may have been related, for example, to the period of the completion of a preparation for a certain gender-specific activity (teaching the gender roles), or with the achievement of a required age, from which this activity could have been performed, and also from the social status or other factors. The above analysis has shown the possible relation between the particular artefact groups and the age of the buried individuals and their social status. The ­presence of certain artefacts seems to correlate with the transition period from childhood to adulthood. The hypothetical value of these results is caused by the nature of the archaeological sources and the lack of complete anthropological analyses which determine the interpretation possibilities.

Notes 1 This child was buried in the s.c. loculo with a bead. 2 Gender could not be determined in all graves, given the absence of specific grave goods.

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Dr. Katarína Hladíková Comenius University Faculty of Arts, Department of Archaeology Gondova 2 814 99 Bratislava [email protected]

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R. Karl, J. Leskovar [Hrsg.] (2013), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 37, Linz, 271–282.

„Feuer – Opfer – Schädelkult“ Zur Interpretation eines ungewöhnlichen Baubefunds der Heuneburg-Außensiedlung Gerd Stegmaier

Zusammenfassung Siedlungsbestattungen und Skelettdeponierungen im Bereich von Behausungen sind für die ur- und frühgeschichtliche Zeit ein durchaus gängiges Phänomen. Dennoch stellt der hier zu besprechende, späthallstattzeitliche Befund eine Besonderheit dar. Bereits im Jahr 2000 konnte innerhalb der Außensiedlung der Heuneburg bei Hundersingen (Kr. Sigmaringen) ein mehrphasiger Schwellriegelbau untersucht werden, der nachfolgend im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1171 der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse“ ausgewertet wurde. Das Gebäude besaß, soweit erkennbar, eine Länge von mindestens 7,6 m und war ca. 4 m breit. Den Innenraum bedeckte ein Lehmfußboden, der mit einer ebenerdigen, mehrphasigen Herdstelle ausgestattet war. Die Kalkstein- und Geröllfundamentierung der untersten Lehmplatte dieses Ofens überlagerte eine kleine Grube. ­Innerhalb dieser Vertiefung fanden sich die Reste einer menschlichen Schädelkalotte, die gemäß einer anthropologischen Bestimmung einem 30 bis 40 Jahre alten Mann zugewiesen werden kann. Die Deponierung von Objekten oder menschlichen Überresten im Bereich von Ofenstellen ist für die Prähistorie nicht ungewöhnlich.Vor allem während der römischen Kaiserzeit kommen intentionelle Niederlegungen im Bereich des Herds nahezu regelhaft vor. Für die frühe Eisenzeit in Mitteleuropa bildet der Befund jedoch eine Besonderheit. Daher soll erörtert werden, welche Möglichkeiten der Interpretation sich im Rahmen einer ausführlichen Befund­analyse ergeben. Unter der Einbeziehung von Schriftquellen und einem diachronen Vergleich archäologischer Befunde aus unterschiedlichen geographischen Regionen werden Deutungsversuche wie der eines „Bauopfers“ bzw. eines „Schädel- oder Ahnenkults“ kritisch betrachtet und besprochen.

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Abstract Settlement burials and depositions of human remains in the context of houses are a relatively common phenomenon in prehistory. Still, the late Hallstatt features discussed in this article constitute an exceptional example. In the year 2000, a multi-phased timber framed building could be excavated in the outer settlement of the Heuneburg bei Hundersingen (Kr. Sigmaringen), which was later analysed as part of the Schwerpunktprogramms 1171 of the Deutsche Forschungsgemeinschaft „Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse“. The building of c. 7,6 by 4 m had a clay floor with a multiphase, level hearth.The chalk rubble foundation beneath the lowest clay surface of the hearth set atop a small pit, which contained the cap of a human skull of a 30 to 40 year old man. The deposition of objects or human remains in the context of hearths is not uncommon in prehistory. Particularly during the Roman imperial period, intentional depositions in the area of the hearth almost seem to be the rule. In the early Iron Age of Central Europe, however, this feature is exceptional. This article discusses possible interpretations based on a detail feature analysis. Drawing on literary sources and a diachronic comparison of archaeological features from different geographical regions, this article critically reflects and discusses possible interpretations like ‘foundation deposit’, ‘skull cult’ or ‘ancestor worship’.

Die Heuneburg bei Hundersingen liegt ca. 60 km nördlich des Bodensees, am westlichen Ufer der ­Donau. Vom Plateau der Höhensiedlung aus zeigt sich die Ebene des Flusslaufs weithin einsehbar, was wohl nicht unerheblich zur Entstehung und Bedeutung des früheisenzeitlichen Zentralorts mit beigetragen hat. Die Erforschung der Heuneburg ist eine Geschichte mit langer Tradition. So führte Eduard Paulus (der Jüngere) bereits 1877 Untersuchungen in den Grabhügeln der „Gießübel/Talhau“ Nekropole durch (vgl. Abb. 1,4). Erste Grabungsschnitte auf dem Burgberg selbst wurden dann 1905 im Auftrag von Peter Goessler angelegt. Diesen frühen Unternehmungen folgten zahlreiche weitere Prospektionen und großflächige Grabungen, die bis zum heutigen Tag andauern und nach wie vor erstaunliche und oftmals unerwartete Ergebnisse hervorbringen. So auch in den Jahren 2000 bis 2003, als diverse Baumaßnahmen für das neu entstehende Freilichtmuseum umfangreiche Ausgrabungen im unmittelbaren Vorfeld der Heuneburg notwendig machten (vgl. Abb. 1). Vor allem die großflächigen Grabungen des Jahres 2000, die durch die Anlage des Besucherparkplatzes nordwestlich der Heuneburg bedingt wurden, lieferten zahlreiche Erkenntnisse, die das Bild der Siedlungsverhältnisse im Vorfeld des späthallstattzeitlichen

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„Fürstensitzes“ grundlegend verändern sollten. Die Ergebnisse dieser Grabungen, die unter der Leitung von Hartmann Reim seitens der Tübinger Denkmalpflege durchgeführt wurden (zusammenfassend Reim 2001/02; Stegmaier 2010), flossen ab 2004 in das Schwerpunktprogramm „Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein und wurden dort im Rahmen des Teilprojekts „Heuneburg-Vorburg“ ausgewertet. Grabungsbefund Im Verlauf des Jahres 2000 konnte im Bereich des heutigen Parkplatzes der Heuneburg eine Fläche von rund 4000 m2 aufgedeckt und archäologisch untersucht werden (Abb. 1,A). Dabei kamen zahlreiche Befunde der Heuneburg-Außensiedlung zu Tage, die hier während Ha D1 bis nahe an den Fuß des eigentlichen Burgbergs reichte. Durchschnitten bzw. überdeckt wurden die Befunde der Außensiedlung von einer mächtigen Graben-Wall-Anlage, die der chronologisch jüngeren Heuneburg-Vorburg angehört (Abb. 2). Während der überwiegende Teil der Siedlungsreste bereits weitgehend durch Erosion und landwirtschaftliche Eingriffe zerstört war, zeigten sich die von der Schüttung des Vorburg-Walls überdeckten Bau-

Abb. 1:  Übersichtsplan der archäologischen Denkmäler im Vorfeld der Heuneburg mit den Grabungsflächen der Jahre 2000 bis 2003 (Schnitte A–F). 1 = Umfassungsgraben; 2 = zangenförmige Vorbefestigung; 3 = Graben und Wall der Vorburg; 4 = Nekropole „Gießübel/Talhau“; 5 = äußere Graben-Wall-Anlage; 6 = Grabhügel „Greutäcker“ (modifiziert nach Reim 2003: Abb. 31).

befunde noch recht gut erhalten. Dementsprechend konnten, neben vereinzelten Pfostengruben, auch zusammenhängende Gebäudestrukturen unter dem Wall dokumentiert werden (Abb. 2,1.2). Dabei handelt es sich unter anderem um die Reste eines mindestens 7,6 × 4 m großen Schwellriegelbaus mit Lehmfußboden (Abb. 2,1). Im Zentrum des Hauses

konnte eine ebenerdige, mehrphasige Ofenstelle mit Steinfundament nachgewiesen werden (Abb. 3). Die aus Flussgeröllen und Kalksteinen bestehende Rollierung des ersten Ofens überlagerte eine kleine, seichte Grube, in der das Fragment einer menschlichen Schädelkalotte deponiert war. Da eine genaue Darstellung des gesamten Hausbefunds sowie die Auswertung der

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Abb. 3:  Heuneburg-Außensiedlung, Grabungsfläche A (Parkplatz): Profilaufnahme des älteren Ofens aus Gebäude 1: 1 = verziegelte Ofenplatte; 2 = Reste der Ofenwandung; 3 = Steinfundamentierung.

Abb. 2:  Heuneburg-Außensiedlung, Grabungsfläche A (Parkplatz): Befunde der Außensiedlung, sowie Graben und Wall der darauf folgenden Heuneburg-Vorburg: 1 = Schwellriegelbau mit Herdstelle; 2 = Fundamentgräbchen (modifiziert nach Reim 2001/02: Abb. 8).

Bau- und Besiedlungsphasen unter dem Vorburgwall an anderer Stelle erfolgen wird (Stegmaier: in Vorb.), beschränken sich die Ausführungen des vorliegenden Artikels weitestgehend auf den Bereich der Ofenstelle und die damit verbundene Niederlegung des menschlichen Schädelfragments. Schädel- und Skelettreste im Siedlungskontext Ganz allgemein ist die Deponierung von Schädel- und Skelettresten innerhalb von Siedlungen während der vorrömischen Eisenzeit ein recht häufig zu beobachtendes Phänomen. So finden sich sowohl craniale wie auch postcraniale Teile menschlicher Skelette immer

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wieder im Kontext von Tor- oder Straßensituationen (van Endert 1987: 57), im Bereich von Mauern oder Palisaden (Herrmann 1973: 141) sowie in Siedlungsbzw.Vorratsgruben (Baitinger et al. 2010: 308–309 mit weiterer Literatur; Lange 1983: 6 –11). Ebenso ist auch die Niederlegung von menschlichen Knochen in Pfostenlöchern (Trebsche 2005: 219; 221 mit Abb. 5, 1.2) oder sonstigen Hausbereichen bekannt. Dar­über hinaus finden sich Skelettteile des Öfteren in der Verfüllung von Gräben oder Brunnenschächten (z. B. Neth 2000: 82). Auch vom Plateau der Heuneburg selbst und der zur Donau vorgelagerten Ostterrasse sind menschliche Skelettreste bekannt (Wahl 1995; Krausse et al. 2012). Dennoch stellt die im vorliegenden Fall zu diskutierende Deponierung eines menschlichen Schädeldachs unter einer Ofenstelle eine Besonderheit für die vorrömische Eisenzeit dar. Während gerade aus der nachfolgenden römischen Epoche Niederlegungen verschiedenster Art im Bereich von Herd- oder Feuerstellen in großer Zahl belegt sind, bleiben entsprechende Befunde während der vorrömischen Eisenzeit eher noch eine Ausnahme (vgl. dazu Beilke-Voigt 2007: 96 –97; 107–111). So sind, soweit zu erkennen, aus hallstattzeitlichen Siedlungen im west- und

mitteleuropäischen Raum bislang keine adäquaten Vergleiche zu dem Befund aus der Heuneburg-Außensiedlung bekannt geworden. Probleme der Begriffsdefinition Was die Ansprache der zuvor beschriebenen Befundsituation anbelangt, so zieht Hartmann Reim, in den von ihm verfassten Vorberichten, eine eventuelle Interpretation als „Bauopfer“ in Betracht (Reim 2000: 63; 2001/02: 21). Dass eine solche Deutung aber nicht ganz unproblematisch ist, unterstreicht eine knappe Zusammenschau verschiedener Aussagen und Definitionsansätze zum Phänomen des baubezogenen Opferns. So ist die Abgrenzung zu anderen rituellen und ­religiösen Handlungen oftmals schwierig. Nicht nur Hermann Hinz ist daher der Auffassung, dass sich der Übergang zwischen Bauopfern und anderen Kulthandlungen mehr oder weniger fließend vollzieht (Hinz 1976: 111). Letztere können dabei von der Verehrung diverser Hausgeister bis hin zum Totenkult reichen. In diesem Sinne betont auch Thorsten Capelle (1987: 182), dass weder die Volkskunde noch die Urund Frühgeschichtswissenschaft bislang eine verbindliche Definition des Begriffs „Bauopfer“ geliefert haben. Dennoch dürfen seiner Meinung nach gerade Funde unter Herdstellen aber als solche anzusprechen sein (Capelle 1987: 182). Dieser Interpretation hält Ines Beilke-Voigt entgegen, dass Niederlegungen im Herdbereich keinen unmittelbaren Bezug zur Dauerhaftigkeit und Konstruktion eines Gebäudes haben und demzufolge nicht unter dem Begriff „Bauopfer“ geführt werden sollten (Beilke-Voigt 2007: 49). Ihre Kritik beschränkt sich dabei jedoch nicht nur auf Deponierungen im Herdoder Feuerstellenbereich. Vielmehr spricht sie sich ganz allgemein gegen eine Verwendung des Terminus „Bauopfer“ aus und sucht stattdessen einen Ausweg über Begriffe wie „Beifund“ oder ganz konkret „Pfostenbeifund“, „Herdbeifund“ usw. (Beilke-Voigt 2007: 71). Auch Peter Trebsche plädiert, im Rahmen seiner Untersuchungen zu Deponierungen in Pfostenlöchern, für die Aufgabe des Begriffs „Bauopfer“ zugunsten einer eher „kontextuellen Analyse der sym-

bolischen Bedeutung und der räumlichen Bezüge“ (Trebsche 2005: 225). Quellen und Informationen zur Deutung des Befunds Es scheint daher mehr als notwendig, die möglichen Quellen, die zu einer weitergehenden Interpretation des Befunds führen können, systematisch zu analysieren und an entsprechender Stelle zu verknüpfen. Als Datenbasis stehen hierfür verschiedene Informationsstränge zur Verfügung. Dabei handelt es sich einerseits um Informationen zur Todesursache bzw. zum ­anthropologischen Befund, andererseits sind Beobachtungen zum Ort der Deponierung sowie zur Art und Weise der Niederlegung des menschlichen Schädelfragments von Bedeutung. Darüber hinaus können durch die Beibringung von Analogien und Vergleichen mit Befunden anderer Zeitstellung oder geo­graphischer Regionen weitere Informationen gewonnen werden. Hierzu zählen unter anderem antike und rezente Schriftquellen, die ab der römischen Zeit vermehrt auf uns kommen. Anthropologischer Befund Die anthropologische Bestimmung des hier zu besprechenden Funds wurde von Joachim Wahl (Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg) durchgeführt und ergab, dass es sich um das Schädelfragment eines 30 –40 jährigen (tendentiell eher älteren) Mannes handelt. Erhalten sind das vollständige Os frontale sowie die über die Koronalnaht anhängenden Teile des linken und rechten Os parietale (Abb. 4). Die Schädeldecke zeigt eine fleckige Schwarzfärbung, die auf eine Hitzeeinwirkung über 300° C zurückzuführen ist. Als Ursache kann hierfür die unmittelbare Nähe zu dem darüber liegenden Ofen geltend gemacht werden. Dies ist auch anhand der starken Verziegelung des umliegenden Bodens und ­Sediments, in das das Schädelfragment eingebettet war, zu erkennen. Da die zuvor genannten schwarzen Verfärbungen sowohl auf der Innen- als auch auf der Außenseite der Schädeldecke nachweisbar sind, dürfte die Hitzeeinwirkung erst nach der Fragmentierung des ehemals intakten Kalvariums stattgefunden haben. Eine Verbrennung oder Versengung des Knochens vor seiner

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Abb. 4:  Fotoaufnahmen des Schädelfragments aus der Heuneburg-Außensiedlung.

Deponierung unter der Ofenrollierung ist daher eher unwahrscheinlich. Was eine intentionelle Zurichtung des Schädelfragments anbelangt, so zeigen sich keine eindeutigen Hinweise auf eine Gewalteinwirkung oder physische Manipulation am frischen Knochen. Auch ließen sich keine, wie auch immer gearteten Gebrauchsspuren oder Belege für eine sekundäre Verwendung beobachten. Nicht auszuschließen ist aber, dass es sich hier um den Teil eines bereits seit längerer Zeit im Boden gelagerten Schädels handelt, der nach einer späteren Exhumierung noch einmal artifiziell überformt bzw. zerbrochen wurde. Zur Todesursache selbst lassen sich anhand des überlieferten Schädelfragments keine weiteren Aussagen treffen. So kommen sowohl ein natürliches Ableben, ein Tod durch kriegerische Aktivität als auch eine intentionelle Tötung, z. B. im Zuge einer Opferung, in Frage. Da zwischen dem Tod des Individuums und der Deponierung des Kalottenbruchstücks jedoch einige Zeit vergangen sein muss, ist fraglich, ob überhaupt ­ jemals ein Zusammenhang zwischen der Todesursache und der Niederlegung der Schädel­ decke bestand. Ort der Deponierung Was den Ort der Deponierung anbelangt, so müssen im vorliegenden Fall zwei verschiedene Komponenten berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich einerseits um den Ofen bzw. Ofenbau an sich, andererseits aber auch um das Feuer, das diesem innewohnt.

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Betrachtet man zunächst den Ofen auf einer dinglichen Ebene, so kommt ihm als primärem Ort der Nahrungszubereitung und als Wärmequelle eine entscheidende Bedeutung zu. Er bildet das Zentrum eines jeden Hauses oder Wohngebäudes und steht bereits aus diesem Grund im Mittelpunkt des familiären und sozialen Geschehens (vgl. dazu van den Boom 2009: 233 –244). Auf einer zweiten, transzendentalen Ebene spielen weitere Aspekte eine wichtige Rolle. So sind uns Öfen oder Herdstellen aus zahlreichen Kulturen als Sitz von Ahnengeistern, Hausgöttern und sonstigen spirituellen Mächten bekannt. Sowohl die verschiedenen Altertumswissenschaften, als auch die moderne Volkskunde liefern diesbezüglich zahlreiche Belege. Bereits in frührömischer Zeit wurden daher am Herd die sogenannten Laren und Penaten verehrt, die als Geister für den Schutz des Hauses und der Familie, aber auch für die Ernte- und Nahrungsvorräte zuständig waren (lat. penus = Vorrat). In aller Regel wurde für sie eine separate Mahlzeit an den Herd gestellt oder dem Feuer übergeben (vgl. dazu Beilke-Voigt 2007: 122 mit weiterer Literatur). Auch in moderner Zeit galt der Herd noch vielerorts als Sitz und Heimstatt von Dämonen, Ahnenund Hausgeistern, denen regelmäßig geopfert und mit ­rituellen Handlungen gehuldigt wurde. In diesem ­Zusammenhang ist unter anderem die Niederlegung von Tierskeletten und -knochen im Herdbereich bzw. unter Öfen mannigfach belegt (Geramb 1987). Zweifellos darf also angenommen werden, dass

­ eponierungen im Bereich von Herdstellen oder D Öfen zu allen Zeiten eine religiös-magische Komponente besaßen. Daher kann auch im vorliegenden Fall von einer Niederlegung mit kultischem Charakter ausgegangen werden. Zusätzlich unterstrichen wird dies durch die speziellen Eigenschaften des Feuers. Ihm kommt neben dem Aspekt des Ofens als Sitz und Wohnstätte numinoser Mächte wohl eine noch größere Bedeutung zu. So besitzt Feuer aufgrund seiner transformativen Eigenschaften die Fähigkeit zur Metamorphose von dinglichen Stoffen, was sich unter anderem bei der Zubereitung von Nahrung, bei der Herstellung von Keramik oder der Verarbeitung von Metall zeigt. Darüber hinaus erstreckt sich die transformative Wirkung des Feuers aber auch auf einen immateriellen Bereich. So tritt zum Beispiel im Rahmen von Brandbestattungen oder Brandopfern eine spirituelle Metamorphose hinzu. Insgesamt betrachtet kann festgehalten werden, dass Feuer mit seiner Fähigkeit, Dinge zu erschaffen und zu zerstören in vielen Bereichen des religiösen Denkens und Handelns nahezu omnipräsent ist. Ihm kommt dabei, neben seiner Funktion als Mittler zwischen Leben und Tod, auch eine reinigende Rolle zu. Eine umfassende Darstellung der spirituell-religiösen Eigenschaften des Feuers würde den Rahmen des vorliegenden Beitrags bei weitem übersteigen. ­Daher sollen die zuvor genannten Ausführungen an dieser Stelle genügen. Art der Niederlegung Bezüglich der Art und Weise der Deponierung fällt auf, dass die Schädeldecke mit ihrer konkaven Seite nach oben niedergelegt wurde. Zwar kann dies durchaus der Morphologie der seichten Grube, in der sie gefunden wurde, geschuldet sein, doch ist auch nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass das Schädelfragment ganz gezielt mit seiner „Öffnung“ nach oben unter der Ofenstelle plaziert wurde. Denkbar wäre ­ daher, dass das Kalottenfragment nicht für sich allein deponiert wurde, sondern vielmehr als Behältnis für eine wie auch immer geartete Substanz diente. Entsprechende Schalen und Becher, die aus menschlichen Schädelkalotten gefertigt wurden, sind aus verschiedenen Schriftquellen bekannt. So berichtet

beispielsweise Herodot über die Skythen (Historien IV, 65): „Aus den Schädeln selbst, aber nicht von allen Erschlagenen, sondern nur von den grimmigsten Feinden, machen sie Trinkschalen. Alles unterhalb der Augenbrauen wird abgesägt und der Schädel gereinigt. Ein Armer spannt dann außen nur Rindsleder herum und verwendet ihn so. Der Reiche aber lässt zum Rindslederüberzug das Innere des Schädels vergolden und trinkt daraus. Das tun sie sogar mit den Schädeln ihrer Angehörigen, wenn sie mit ihnen in Streit geraten sind und einer den anderen vor dem Gesicht des Königs besiegt hat. Wenn dann bedeutende Gastfreunde zu einem kommen, bringt er diese Schädel herbei, erzählt von dem feindseligen Verhalten der Verwandten und wie er ihrer Herr geworden ist. Das nennen sie heldenhaft und vornehm.“ Aber auch den Kelten wird die Herstellung und Benutzung von Schädelbechern nachgesagt. Dazu schreibt Livius (Röm. Geschichte 23, 11–13): „… nachdem die Bojer den Kopf ausgenommen hatten, legten sie den Schädel nach ihrer Sitte mit Gold aus. Der Schädelbecher diente ihnen dann als heiliges Gefäß, als Opferschale, aus der die Priester tranken“. Im archäologischen Befund lassen sich solche Becher oder Behältnisse oftmals nur schwer nachweisen. Sofern keine Verzierungen oder Applikationen angebracht wurden bzw. keine erkennbaren Manipulationen am frischen Knochen stattfanden, entziehen sie sich meist einer sicheren Ansprache und Interpretation. Zwar werden in der Literatur, auch für die Hallstattzeit, immer wieder solche Gefäße genannt, doch bleibt ihre Authenzität oftmals fraglich (Härtl 2005: 80 mit weiterer Literatur). Dennoch ist anzunehmen, dass es nicht nur in der vorrömischen Eisenzeit, sondern während fast der gesamten Prähistorie Schädelbecher und Schädelbehältnisse unterschiedlichster Art in durchaus beachtlicher Zahl gegeben hat (Schulz, Teegen 2004). Dies legen zahlreiche Schriftquellen und Funde aus vorhergehenden und nachfolgenden Epochen sowie aus außereuropäischen Regionen nahe (Boulestin 2012; Härtl 2005: 82–89; Wieczorek, Rosendahl 2011). So ist und war die Verwendung von Gefäßen aus menschlichen Schädelknochen in vielen Kulturkreisen und Religionen bis in moderne Zeit ein regelhaft zu beobach­ tendes Phänomen.

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Abb. 5:  Rekonstruktionsvorschlag zur Befestigung eisenzeitlicher Schädel und Schädelteile (nach von Berg 2011: Abb. 2).

Zum Schädelkult der vorrömischen Eisenzeit Beim Versuch einer genaueren Analyse des Befunds aus der Heuneburg-Außensiedlung muss weitergehend auch die Deponierung des Kalottenfragments im Rahmen eines ausgeprägten Schädelkults der vorrömischen Eisenzeit in Betracht gezogen ­ werden. Dieses Phänomen des Sammelns und Präsentierens menschlicher Schädel war während der jüngeren vor­ römischen Eisenzeit, vom Norden der iberischen Halbinsel über Frankreich und Großbrittanien bis in das östliche Mitteleuropa weit verbreitet (vgl. dazu u. a. Härtl 2005; Roure, Pernet 2011; Rousseau 2012 mit weiterer Literatur). In antiken Schriftquellen wird dieser Brauch der keltischen Stämme mehrfach bezeugt. So berichtet beispielweise Diodor von Sizilien (Bibliothek V, 29, 4): „Den gefallenen Feinden schlagen sie die Köpfe ab und hängen diese ihren Pferden an den Hals. Diese Kriegsbeute

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nageln sie dann an ihre Häuser, gerade so, als ob sie auf der Jagd Wild erlegt hätten. Die Köpfe der vornehmsten Krieger balsamieren sie ein und bewahren sie sorgfältig in einer Truhe auf. Wenn sie sie den Gastfreunden zeigen, brüsten sie sich, dass für diesen Kopf einem Vorfahren, ihrem Vater oder auch ihnen selbst viel Geld geboten worden sei, sie es aber nicht genommen hätten. Einige von ihnen sollen sogar damit prahlen, dass sie Gold im gleichen Gewicht für den Kopf nicht angenommen hätten, damit beweisen sie eine barbarische Art von edler Gesinnung …“ Aber auch von anderen antiken Autoren wird der eisenzeitliche Schädelkult sowie die damit verbundene Kopfjagd immer wieder erwähnt (Brunaux 2012). Archäologisch lassen sich Trophäenschädel unter anderem anhand von Durchlochungen nachweisen, in denen zum Teil noch eiserne Nägel stecken. Letztere dienten zur Befestigung der Schädel an Häusern, Toren, Pfos-

ten oder sonstigen baulichen Elementen (vgl. Abb. 5). Auch die von Diodor beschriebene ­ Dekoration der Pferde mit den Köpfen gefallener Gegner spiegelt sich wohl in Form einer kleinen Reiter­darstellung aus Bronzeblech im archäologischen Material wider (Abb. 6). Der Heuneburg am nächsten gelegen, stammen Funde von Trophäenschädeln aus dem Rhein-MoselGebiet (von Berg 2004; 2006; 2011) sowie aus dem Oppidum von Manching. An letztgenanntem Fundort konnten die Reste zweier Schädel geborgen werden, die wohl im Bereich des Osttores zur Schau gestellt waren und von denen zumindest einer eine intentionelle Perforation aufweist (Lange 1983: 26, 59, 86; van Endert 1987: 57). Die genannten Schädel datieren allesamt in die entwickelte Latènezeit und sind damit mehrere Jahrhunderte jünger als das hier zu besprechende Stück. Sowohl von der Heuneburg selbst, als auch von anderen späthallstatt- und frühlatènezeitlichen Fundorten gibt es jedoch kleinere, artifiziell zugerichtete Schädelfragmente, die eine Durchbohrung oder Durch­ lochung besitzen. Sie waren, im Gegensatz zu den Trophäenschädeln der spätkeltischen Zeit, aber wohl nicht zur Präsentation an Gebäuden oder sonstigen architektonischen Einrichtungen gedacht, sondern wurden sehr wahrscheinlich als Amulette am Körper getragen (vgl. dazu Wahl 1994: 133; 2007: 175). Im Fall der beiden durchlochten Stücke vom Plateau der Heuneburg handelt es sich um zwei rechteckige bis rautenförmige Fragmente, die aus dem frischen Knochen des linken Scheitelbeins herausgebrochen wurden (Abb. 7). Sie weisen eine zentrale bzw. randliche Durchbohrung auf und sind ca. 3,5 × 5 cm und 10 × 12 cm groß (Wahl 1995: 378–382 mit Abb. 6.7). Sehr gut vergleichbar sind die Funde von der Heuneburg mit verschiedenen durchlochten Schädelfragmenten der frühen Eisenzeit aus dem Hunsrück-Eifel-Gebiet (von Berg 2006; 2011). Auch Letztere wurden wohl als Anhänger oder Amulett getragen. Diesbezüglich scheint eine Nähe zu den perforierten Schädelrondellen, wie sie bereits in der Urnenfelderkultur auftreten (Röhrer-Ertl 1994), aber auch in der Hallstatt- und Latènezeit nachweisbar sind, durchaus erkennbar (Pauli 1975: 119 mit Anm. 122; 167). Ab

Abb. 6:  Mühlheim-Kärlich, Kr. Mayen-Koblenz. Reiterdarstellung aus Bronzeblech mit eventuellem Trophäenschädel am Hals des Pferdes (nach Joachim 1975: Abb. 1).

Abb. 7:  Durchbohrte Schädelfragmente vom Plateau der Heuneburg (nach Wahl 2007: Abb. 4.2).

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der frühen Eisenzeit treten zu diesen kleineren Schädelrondellen und -scheiben nun auch größere Fragmente mit Durchlochung hinzu. Aus chronologischer Sicht stimmt sowohl der hier zu diskutierende Befund der Heuneburg-Außensiedlung, als auch das vermehrte Auftreten verschiedenartiger, durchlochter Kranialfragmente im Verlauf der frühen Eisenzeit gut mit dem Nachweis menschlicher Schädelbruchstücke in Pfostenlöchern überein. So konnte Peter Trebsche im Rahmen seiner Untersuchungen zu entsprechenden Deponierungen der Urnenfelder-, Hallstatt- und Frühlatènezeit in Bayern, Böhmen und Österreich zeigen, dass erstmals ab der Späthallstatt-, und vermehrt ab der Frühlatènezeit, menschliche Schädelfragmente auch in Pfostengruben zu finden sind (Trebsche 2005: 221–223 mit Abb. 8). Zusammenfassung und Interpretation Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass die möglichen Gründe für die Niederlegung des hier zu besprechenden Schädelfragments unter einem Ofen recht breit gefächert sind. Sie reichen von einer Interpretation als Bauopfer, über die Deponierung einer Schädeltrophäe bis hin zu Handlungen, die im Rahmen eines Ahnen- oder Totenkults gedeutet werden können. Ebenso scheint es denkbar, dass mit der Platzierung des Skelettteils ein Entschädigungsopfer dargebracht wurde. In diesem Sinne könnte nicht nur das Schädelfragment selbst, sondern mit ihm ein gewisser Inhalt deponiert worden sein. Der Kalottenrest hätte in diesem Fall als Behältnis oder Schale für eine wie auch immer geartete Substanz gedient. Zu denken ist dabei an ein Libationsopfer oder Ähnliches, dessen Existenz sich heute nicht mehr nachweisen lässt. Nicht auszuschließen ist auch die Niederlegung des menschlichen Schädeldachs im Rahmen einer apotropäischen Handlung, die als Schutz oder Bann gegenüber „negativen Mächten“ durchgeführt wurde. Was die Platzwahl der Niederlegung anbelangt, so spricht vieles dafür, dass die Rolle des Ofens als architektonisches Element eher zweitrangig war. Dies legen zahlreiche Vergleiche mit ähnlichen Befunden anderer Zeitstellung nahe. Dementsprechend standen bei der

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Deponierung wohl in erster Linie die physischen und metaphysischen Eigenschaften des Feuers im Vordergrund. So wurde die zentrale Herd- und Feuerstelle eines Gebäudes vielerorts bis in moderne Zeit als Sitz der Ahnen- und Hausgeister bzw. sonstiger numinoser Mächte erachtet. Von einer Verwendung des Begriffs „Bauopfer“, der sich stark auf die dinglichen Aspekte des Ofens oder eines sonstigen Baus bezieht, sollte daher im vorliegenden Fall abgesehen werden. Ebenso scheinen Termini wie derjenige eines „Herdbeifunds“ nicht weiterführend zu sein. Als Alternative könnte hier die Umschreibung ­„rituelle Niederlegung mit sakralem oder kultischem Charakter“ verwendet werden. Eine entsprechend „neutrale“ Formulierung würde klar die Elemente einer transzendental-religiösen Handlung betonen, ohne die eigentlichen Gründe der Motivation bereits im Vorfeld interpretatorisch einzuengen. Möchte man dennoch eine weitergehende Interpretation des vorgestellten Befunds aus der Ha D1-zeitlichen Heuneburg-Außensiedlung wagen, so scheinen unter den zuvor genannten Punkten vor allem zwei Aspekte wichtig zu sein. Zum einen deutet die Art der Deponierung des Schädelfragments (mit seiner konkaven Seite nach oben) auf die Darbringung eines Speise- oder Trankopfers an Feuer-, Herd- oder Hausgeister bzw. sonstige spirituelle Mächte hin. Andererseits spricht der Ort der Niederlegung, unter dem Ofen, an einem verborgenen, nicht einsehbaren Platz, sehr viel mehr für einen Bezug zum Ahnenkult als für die Deponierung einer Schädeltrophäe. Diese Einschätzung deckt sich auch mit den Ergebnissen Axel von Bergs, der die Verwendung und Präsentation von Schädeln bzw. Schädelteilen während der älteren Eisenzeit ebenfalls eher als Ausdruck eines Ahnenkults versteht, während sich erst in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit ein Wandel hin zu echten Kopftrophäen, die bei Kampfhandlungen erbeutet wurden, anzudeuten scheint (von Berg 2011: 79). Auch wenn letztendlich noch eine ganze Reihe an Fragen offen bleibt, verwundert es dennoch wenig, dass der vorgestellte Befund, der im hier zu ­besprechenden Kontext bislang noch nach Vergleichen sucht, gerade an der Heuneburg bei Hundersingen dokumentiert werden konnte. Zweifellos darf

die Höhensiedlung am westlichen Ufer der Donau, während der späten Hallstattzeit, als bedeutendes Zentrum und innovativer Schmelztiegel mit weitreichenden Kontakten ange­sehen werden. Ein Ort also, an dem sich Einheimisches mit Fremdem vermischte, um auf diese Art und Weise Neues und bislang Unbekanntes hervorzubringen.

Danksagung Für konstruktive Hinweise, Anregungen und fachliche Informationen möchte ich mich bei Prof. Dr. Hartmann Reim, Prof. Dr. Joachim Wahl, Dr. Martin Hees, Dr. Manuel Fernández-Götz und Gadea Cabanillas de la Torre M.A. herzlich bedanken.

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R. Karl, J. Leskovar [Hrsg.] (2013), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 37, Linz, 283 –298.

Siedlungsbestattung? Raimund Karl Prifysgol Bangor University

Zusammenfassung Der menschliche Lebenszyklus in spätprähistorischen Gesellschaften ist gekennzeichnet durch diverse Riten; von Beginn des Lebens über zahlreiche Übergangs- und sonstige Riten im Lebenslauf bis schließlich zum letzten Übergangsritus, dem Begräbnis. Auf den britischen Inseln finden sich solche Begräbnisse nicht zuletzt auch häufig im Siedlungskontext und werden von uns daher oft (eigentlich fälschlich) als Siedlungsbestattungen angesprochen. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass der Lebenszyklus spätprähistorischer Siedlungen auf den britischen Inseln ebenso durchritualisiert war wie der von Menschen: Siedlungen wurden nicht nur rituell begründet und der mit ihnen verbundene „Hausfrieden“ durch die Lebenszeit der Siedlung hindurch durch wiederholte rituelle Handlungen erhalten, sondern scheinbar am Ende ihres Lebenszyklus auch begraben, d. h. rituell verschlossen. Abstract The human lifecycle in later prehistoric societies is thoroughly ritualised. From birth onwards, various passage and other rites span the lifetime of a person, until s/he finally is sent off with a burial rite. On the British Isles, burials are frequently found in settlement contexts and are thus often (somewhat erroneously) referred to as settlement burials. In this contribution, I argue that the lifecycle of late prehistoric settlements was equally thoroughly ritualised as that of any of its human inhabitants: settlements were not just ritually founded; the sanctity of the home had to be maintained through repeated ritual activities throughout the settlements lifetime; and perhaps most significantly, when they reached the end of their life, they also seem to have been buried.

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In den letzten Jahren wird rituellen Handlungen im mittel- und westeuropäischen, spätprähistorischen Sied­lungskontext (in der spätbronze- und eisenzeitlichen „Keltiké“, in Teilen Westeuropas bis ins Frühmittelalter weiterlaufend) zunehmend wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet (z. B. Karl 2008a; b; 2009; dort auch weiterführende Literatur). Dass sich solche ­r ituellen Handlungen im Siedlungskontext beobachten lassen, ist bei Berücksichtigung des für vormoderne Gesellschaften wahrscheinlichen „integrierten Denkens“ (Veit 2000: 551), bei dem die sekuläre und die religiös-rituell-magische Sphäre des Lebens nicht oder wenigstens nicht deutlich voneinander abgegrenzt sind, an sich auch keineswegs überraschend. Dabei hat sich die Forschung allerdings bisher hauptsächlich auf rituelle Handlungen im Kontext der Anlage oder des Betriebs der Besiedelung von Fundstellen konzentriert; weitgehend vernachlässigt ist bislang die Frage geblieben, ob ähnliche rituelle Handlungen auch bei der Aufgabe einer Siedlung durchgeführt wurden. In diesem Beitrag soll anhand eines konkreten Fallbeispiels – der spätbronze- und eisenzeitlichen Siedlung von Meillionydd in Nordwestwales – gezeigt werden, dass eventuell tatsächlich auch im Kontext der Aufgabe von Siedlungen mit ähnlichen und in Hinblick auf den eingesetzen Arbeitsaufwand nicht zu unterschätzenden „Siedlungsaufgaberiten“ zu rechnen ist. Home is, where the heart is Dass Menschen eine enge emotionale Bindung zu ­ihrem „Eigenheim“ haben, kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Diese enge emotionale Bindung zeigt sich deutlich bis in die Gegenwart: es gibt kaum ein erschreckenderes und traumatisierenderes Erlebnis als nach einer Phase der Abwesenheit (wie kurz oder lang auch immer diese angedauert hat) nach Hause zurückzukehren und feststellen zu müssen, dass ein Einbruch stattgefunden hat. Schon während der Abwesenheit – vor allem, wenn diese länger andauert – äußert sich dies oft als Angst davor, dass man das Opfer eines Einbruchsdiebstahls werden könnte. Und ist das gefürchtete Ereignis eingetreten, geht dies oft mit einem Verlust des mit dem Eigenheim normalerweise verbundenen Gefühls der Sicherheit und Geborgenheit einher: das, und nicht so sehr der Verlust an

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(an sich meist ersetzbaren) materiellen Gütern, ist es, was am Einbruchsopfer nagt und zu einem unmittelbaren, persönlichen Verletztheits- und Gefährdungssgefühl führt. Nicht selten fühlen sich Einbruchsopfer „vergewaltigt“, als ob sie selbst und nicht bloß ihre Sachen, das Opfer physischer Gewalt geworden wären. Gleiches gilt ganz generell in Bezug auf die Zerstörung oder Verletzung der „Unversehrtheit“ des Eigenheims während der Abwesenheit: während man weg ist, hat man Angst vor allem Möglichen, das dem Heim passieren könnte; und tritt ein solches Ereignis tatsächlich ein, ist man psychologisch betroffener, als man das eigentlich sein müsste. Heimwehgefühle können genauso in diesen Kontext gestellt werden, auch wenn diese nicht immer spezifisch auf das eigene Heim bezogen sind, sondern – vor allem bei weiterer Entfernung – etwas allgemeiner auf die eigene Herkunftsregion bezogen sein können. Dennoch sind sie ebenfalls nicht selten auch konkret mit Vorstellungen zum eigenen (gegebenenfalls ehemaligen) Zuhause gekoppelt. Diese enge Bindung ist an und für sich nichts Neues: wenigstens die Idee des „Hausfriedens“ (Karl 2008a; b) ist seit der Antike als wichtiges, ja in vielen Rechts­systemen, deren Ursprünge in West- und Mitteleuropa zu suchen sind, sogar ganz fundamentales Prinzip belegt. Damit verbunden sind ganz klar auch psychologische Vorstellungen, die der emotionalen Bindung ans Eigenheim, die wir in der Gegenwart beobachten können, wenigstens grundlegend durchaus entsprechen: nicht zuletzt geht es um ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, das mit dem „friedlichen“ Eigenheim verbunden wird und dessen Schutz von ganz besonderer Bedeutung ist, von solch herausragender Bedeutung, dass die Verletzung dieses Sicherheits- und Geborgenheitsgefühls selbst für staatliche Autoritäten nur im Ausnahmefall zulässig ist. Nicht nur in Mittel- und Westeuropa, sondern in vielen Weltregionen, ist die Vorstellung eines „besonderen Schutzes“ des Eigenheims und der mit diesen verbundenen Sicherheits- und Geborgenheitsgefühle belegt; nicht selten verbunden mit „spirituellen“ Vorstellungen und oft auch in Zusammenhang mit einer speziellen, „rituellen“, „richtigen“ Raumorganisation (ein prominentes Beispiel dafür ist Feng Shui als Methode zur Erzeugung der „richtigen“ Raumorganisation des Eigenheims).

Gerade die besondere, „rituelle“ Raumorganisation kann sich auch architektonisch und im Fundmaterial niederschlagen und damit wenigstens teilweise auch archäologisch fassbar sein. Zu archäologisch fassbaren Elementen einer solchen besonderen Raumorganisation können zum Beispiel „Einfriedungen“ gehören, die neben allfälligen „praktischen“ Zwecken eine klare Trennung zwischen dem „unsicheren“, ja eventuell sogar gefährlichen „Außen“ und dem Sicherheit und Geborgenheit vermittelnden „Innen“ des Eigenheims ermöglichen, indem sie dazwischen eine physische Barriere errichten (und damit einen liminalen Bereich erzeugen; siehe van Gennep 2005: 25–33). Gleichermaßen kann die nicht-zufällige Orientierung von Wohnanlagen und Siedlungsbauten, die nicht ­ selten im eigentlichen Wortsinn tatsächlich eine Ausrichtung des Eingangs nach Osten ist, Teil einer solchen besonderen, „rituell“ bedingten, architektonischen Gestaltung des Siedlungsplatzes oder -gebäudes sein. Auch strukturierte Deponierungen von „bedeutsamen“ Dingen, sowie andere „rituelle“ Handlungen wie Um- oder Abschreitungen des Siedlungsraumes oder der Siedlungsgrenzen bei der Errichtung und später wiederholt im Laufe des Lebenszyklus einer Siedlung oder eines Wohngebäudes, gehören in diesen Bereich. Nicht selten dient dabei die „rituelle“ Abgrenzung, nicht zuletzt auch die räumliche Abgrenzung, der ideologischen Begründung, der Schaffung und Erhaltung, einer communitas, einer menschlichen Gemeinschaft (Turner 2005: 94–158). Spätbronze- und eisenzeitliche Eigenheime Elemente einer solchen besonderen, nicht zuletzt wohl auch rituell bedingten, räumlichen Gestaltung von ­Eigenheimen und auch größeren Siedlungen sind auch aus weiten Bereichen der europäischen Spätbronzeund Eisenzeit bekannt.Wenngleich die archäologische Fassbarkeit solcher spezieller Raumorganisationen im Siedlungskontext nicht überall in der spätbronze- und eisenzeitlichen Keltiké gegeben ist und auch nicht überall gleichzeitig aufzutreten scheint, scheint die besondere Organisation des Siedlungsraums doch ein zeitlich wie räumlich weit verbreitetes Phänomen in der spätprähistorischen mittel- und westeuropäischen Siedlungsgestaltung darzustellen.

Die Einfriedung von manchen, wenngleich auch nicht allen, Siedlungen beispielsweise lässt sich weiträumig beobachten, beginnend bei spätbronzezeitlichen Siedlungen in Britannien, die oft zuerst mit Palisaden und dann in späteren, monumentaleren Bauphasen mit ­ umgebenden Wall-Graben-Systemen ausgestattet wurden (Parker Pearson 2005: 97–121), aber auch bei den hallstattzeitlichen Herrenhöfen in Mitteleuropa (Schefzik 2001: 143–5; Horacek 2009) und setzt sich in Britannien ebenso wie mit den latènezeitlichen Viereckschanzen Mitteleuropas (Bittel et al 1990; Wieland 1999) und den französischen enclos (von Nicolai 2006) fort. Vergleichbares lässt sich auch bei den ­befestigten Höhensiedlungen in weiten Teilen des „keltischen“ Europas beobachten. Diese Einfriedungen wiederum sind überdurchschnittlich – und damit nicht zufällig – häufig im eigentlichen Wortsinn orientiert, d. h. weisen einen (wenigstens ungefähr) nach Osten gerichteten Eingangsbereich auf (siehe Karl 2009: 146). Neuerlich gilt dies gleichermaßen für Einzelhöfe als auch für größere Siedlungen wie z. B. befestigte Höhensiedlungen. Tatsächlich lässt sich sogar auf den britischen Inseln – insbesondere in Irland – ein „Nachleben“ sowohl von besonderer Einfriedung als auch unzufällig häufiger Ostorientierung von Siedlungseingängen bis ins Frühmittelalter (der Zeit der indigenen Rechtstexte, auf die noch weiter unten genauer eingegangen werden wird) beobachten, was auf eine ungebrochene Traditionslinie von der Spätbronzezeit bis ins Frühmittel­ alter hindeutet. Auch rituelle strukturierte Deponierungspraktiken wurden im Kontext des spätbronze- und eisenzeitlichen Siedlungsbefund bereits durchaus nicht selten beobachtet: von Fundhäufungen in den Ecken von Viereckschanzen über die Deponierung von Hortfunden bis hin zur nicht seltenen Anlage von Bestattungen – oft Kinderbestattungen – und Deponierungen von menschlichen Skelettresten in den liminalen Bereichen von Siedlungsanlagen reicht hier das ­Spektrum (siehe Karl 2008a: 122–30). Die hier zusammengefasst dargestellten, ohnehin ­bereits weitgehend bekannten, Beobachtungen zur ­besonderen architektonischen Gestaltung und rituellen Nutzung des spätbronze- und eisenzeitlichen Siedlungsraumes scheinen jedenfalls darauf hinzudeuten,

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Abb. 1:  Lage von Meillionydd (und dem benachbarten Castell Odo) auf der Ll yˆ n-Halbinsel (Karte: K. Waddington).

dass die Schaffung und Erhaltung des „Hausfriedens“ in spätbronze- und eisenzeitlichen Gesellschaften Mittel- und Westeuropas von nicht zu unterschätzender Bedeutung war. Dabei sprechen diese Beobachtungen aber in erster Linie über rituelle Praktiken, die im Kontext der Anlage und in weiterer Folge während der Benutzung der jeweiligen Siedlungen durchgeführt wurden, also während jener Abschnitte im Lebenszyklus einer Siedlung, während derer die rituelle Unversehrtheit des Siedlungsraumes für die Bewohner der jeweiligen Siedlung offenbar von gehobener Bedeutung war. Nun ist es aber so, dass der Lebenszyklus von Siedlungen auch zu einem Ende kommt, d. h. die jeweilige Siedlung aufgegeben wird und die Siedlung, wenn man es so ausdrücken möchte, in gewissem Sinne „stirbt“. Geht man nun davon aus, dass die besondere architektonische Gestaltung und rituelle Nutzung des Siedlungsraums, ganz im Sinne Turners (2005: 94–

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158), der ideologischen Begründung und Erhaltung einer communitas diente, die durch die rituelle „Aufladung“ des Siedlungsraums nicht zuletzt auch räumlich „verortet“ wurde, liegt die Vermutung nicht fern, dass die Aufgabe einer Siedlung nicht zuletzt auch die Auflösung einer mit dieser konkreten Siedlungsanlage verbundenen communitas implizierte. Das macht es in weiterer Folge durchaus wahrscheinlich, dass, ebenso wie die Schaffung und rituelle Verortung der communitas an einem bestimmten Platz rituell begründet werden musste, auch die Auflösung der communitas oder wenigstens ihre Loslösung von einem bestimmten Platz rituell begründet werden musste; sozusagen eine rituelle „Entortung“ vorgenommen werden musste. Dass dies in spätbronze- und eisenzeitlichen Siedlungen tatsächlich der Fall gewesen sein dürfte, soll im Folgenden an einem Fallbeispiel, der spätbronze- und eisenzeitlichen Siedlung von Meillionydd in Nordwestwales, gezeigt werden.

Abb. 2:  Ergebnisse der geomagnetischen Prospektion von Meillionydd durch Gwynedd Archaeological Trust (Smith, Hopewell 2007: Abb. 10).

Die spätbronze- und eisenzeitliche Siedlung von Meillionydd, Nordwestwales Meillionydd, auf der Halbinsel Ll ˆyn in Nordwestwales gelegen (Abb. 1), stellt sich heute im noch oberflächlich erkennbaren Befund und in der Geomagnetik als sogenannte doppelte Ringwallanlage dar (Abb. 2). Seit Sommer 2010 führt die Prifysgol Bangor University unter Leitung von Dr. Kate Waddington und dem Autor dieses Beitrags eine jährliche Grabungskampagne in dieser Anlage durch. In den ersten drei Grabungsjahren konnten in mehreren Schnitten mit einer Gesamtfläche von ca. 400 m2 mehrere Rundhäuser ganz oder teilweise ausgegraben werden, sowie Ausschnitte des die Siedlung umgebenden doppelten Wall-Graben-Systems untersucht werden (Waddington 2010; Waddington, Karl 2010; Karl, Waddington 2011). Zusätzlich wurde im Frühjahr 2012 eine Bodenradar­

untersuchung der noch oberflächlich und im Luftbild erkennbaren Siedlungsfläche durchgeführt, die eine dichte Besiedelung im inneren der doppelten Ringwallanlage feststellen konnte, die sich an manchen Stellen sogar über den durch die Wall-Graben-An­lage abgegrenzten Bereich hinaus zu erstrecken scheint (Abb. 3). Die Besiedlung der Anlage zeichnet sich durch eine relativ hohe stratigraphische Komplexität aus: von den bisher teilweise oder vollständig ausgegrabenen Rundhäusern sind wenigstens zwei durch eine Abfolge von wenigstens 3 bis 4 Bauphasen am nahezu gleichen Ort gekennzeichnet (das dritte teilweise ausgegrabene Rundhaus ist noch nicht weit genug erforscht um über die Anzahl der Bauphasen an diesem Platz sichere Angaben machen zu können). Nicht untypisch für Wales scheinen dabei die frühen Bauphasen der Rundhäuser jeweils in Holzkonstruktion – entweder in Pfosten-

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Abb. 3:  Ergebnisse der Bodenradaruntersuchung (ca. 30 cm-Tiefenscheiben) von Meillionydd durch das Ludwig Boltzmann Institut for Archaeological Prospection and Virtual Archaeology 2012 (Bild: LBI ArchPro).

bauweise mit lehmverschmierten Flechtwerkwänden oder mit Wandgräbchen für Holzplankenwände – die späteren Bauphasen hingegen mit zweischaligen Trockensteinmauern mit dazwischenliegender Erdbzw. Erd-Stein-Verfüllung errichtet worden zu sein. Auch die Erbauung der doppelten Ringwallanlage, die das heutige Erscheinungsbild der Anlage kennzeichnet, erfolgte in wenigstens 2, wahrscheinlich aber sogar 3 oder 4 Phasen, die ihrerseits wenigstens auf eine erste uneingefriedete Phase, eventuell sogar mehrere ­ solche frühe uneingefriedete Phasen, der Besiedlung der Fundstelle folgten. Die hohe Platzkontinuität – teilweise wurden spätere in Trockensteintechnik errichtete Mauerphasen direkt über den Wandgräbchen früherer Holzbauphasen errichtet – deutet an, dass die wiederholte Wahl des gleichen Platzes für die Errichtung neuer Häuser intentionell war und die Bauphasen unmittelbar aufeinander folgten, d. h. die Errichtung der neuen Bauphase unmittelbar der Abtragung der früheren Bauphase folgte und die Reste der jeweils vorhergehenden Bauphase – wie eben die Ausriss-

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gräben der Wandkonstruktion der früheren Bauphase – bei der Errichtung der folgenden Bauphase noch deutlich sichtbar waren. Dies zeigt auch, dass die Anlage aller Wahrscheinlichkeit nach kontinuierlich, nicht etwa nur episodisch (wie für einige andere Anlagen in Wales angenommen wird; Davies, Lynch 2000: 151-5), besiedelt gewesen ist. Erste Radiocarbondaten aus stratigraphisch gesicherten Kontexten, die der ersten und letzten Bauphase des in Schnitt 3 ausgegrabenen Rundhauses entstammen, belegen eine Besiedlung der Anlage zwischen 753–410 cal. v. Chr. (2w; SUERC-38454; Abb. 4) bis ca. 384–203 cal. v. Chr. (2w; SUERC-38455; Abb. 4). In der britischen Chronologie bedeutet das, dass die nachgewiesene Besiedlung der Anlage vermutlich in der Übergangsphase zwischen Spätbronze- und Eisenzeit (750 –600 v. Chr., Llyn Fawr-Phase; Champion 1999: 96) bzw. frühen Eisenzeit beginnt und etwa zur Mitte der mittleren Eisenzeit (300 –100 v. Chr.; Haselgrove 1999: 114) zu einem Ende zu kommen scheint. Dies wird auch durch das weitgehende Fehlen von

Befunde zum Ende der Besiedlung von Meillionydd

Abb. 4:  Radicarbondaten für die vermutlich erste und vermutlich letzte Bauphase des Rundhauses in Schnitt 3 (SUERC38454 und SUERC-38455).

Kleinfunden in der Siedlung, das für die akeramische nordwalisische Spätbronze- und Eisenzeit (zwischen ca. 700–100 v. Chr.) charakteristisch ist, wenigstens grob bestätigt. Das bislang völlige Fehlen von spätbronzezeitlichem keramischem Fundmaterial, wie es z. B. im in Sichtweite von Meillionydd gelegenen, benachbarten Castell Odo gefunden wurde (Alcock 1960: 121–31; Abb. 1), sowie von mittel- bis späteisenzeitlicher Malvernian Ware (Davies, Lynch 2000: 201–2) und noch späterem römischen Keramikfundmaterial spricht dafür, dass sich die Besiedlung der Anlage tatsächlich nicht weit über die beiden Enden des durch die Radiocarbondaten ausgewiesenen Zeitraums erstreckt haben dürfte.

Von besonderem Interesse im Zusammenhang mit der in diesem Beitrag gestellten Frage ist dabei natürlich das Ende der Besiedlung, insbesondere die Befunde, die mit der mutmaßlichen Aufgabe der Siedlung in Zusammenhang gebracht werden können. Wie bereits erwähnt, kennzeichnet sich die letzte ­ergrabene Bauphase der Siedlung, deren Ende vermutlich auch tatsächlich das Ende der Besiedlung der Fundstelle anzeigt, durch in Trockensteintechnik ­errichtete, zweischalige, mit Erde bzw. Erd-Stein-Gemisch verfüllte Rundhäuser. Deren Mauern sind hauptsächlich aus großen, soliden Steinblöcken gefügt, die Dimensionen zwischen etwa 20 mal 20 mal 10 cm bis hin zu an die 60 mal 60 mal 40 cm aufweisen. Stellenweise – wenn auch, bedingt durch die ungleiche Erosion durch vermutlich über mehrere Jahrhunderte (wenn auch nicht die letzten Jahrzehnte) hindurch wiederholtes Pflügen auf dem Feld, auf dem die Fundstelle liegt, nur ungleichmäßig – sind diese Trockensteinmauern bis zu einer aufgehenden Höhe von ca. 80 cm erhalten (Abb. 5), während sie an anderen Stellen bereits zur Gänze abgetragen sind. In allen bisher beobachteten Rundhäusern, die dieser letzten Bauphase zugeordnet werden können, konnte nun eine dichte Verfüllung des durch diese ­Außenmauern begrenzten Innenraums der Rund­ häuser mit kleineren, aber immer noch durchaus substantiellen Steinen mit Dimensionen von etwa 10 – 15 cm im Durchmesser beobachtet werden, jeweils teilweise vermischt mit losem Erdmaterial (Abb. 5; 6). Bei den Verfüllsteinen handelt es sich um eine Mischung aus verschiedenen Steinen. Manche dieser Steine sind einfache Geröllsteine. Viele andere der angetroffenen Verfüllungssteine sind hingegen durch Hitzeeinwirkung verfärbt und zerbrochen bzw. weisen Abkühlungsbrüche auf, wie sie vorkommen, wenn erhitzte Steine in (kaltes) Wasser geworfen werden. Bei einem hohen Prozentsatz der zur Verfüllung des Innenraums der Rundhäuser verwendeten Steine, ­jedenfalls bei den zerbrochenen, potentiell aber auch bei den nicht zerbrochenen Geröllsteinen, handelt es sich also mutmaßlich um Kochsteine. Schon allein die Größe dieser Steine, aber auch die charakteristischen

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Abb. 6:  Rundhaus in Schnitt 1. Im Profil ist die innere Trockenstein-Blendmauer der letzten Steinbauphase und dichte Steinpackung erkennbar, mit der das Hausinnere verfüllt wurde.

Abb. 5:  Die innere Trockenstein-Blendmauer der Hauswand der letzten Phase des Rundhauses in Schnitt 3, stratigraphisch eine mit der ersten oder zweiten Bauphase des Hauses korrespondierende Feuerstelle überlagernd. Links im Profil sind die weit kleineren Verfüllsteine des Innenbereichs des Hauses erkennbar.

Brüche und Hitzeverfärbungen, die viele der Verfüllungssteine als mutmaßliche Kochsteine ausweisen, macht es deutlich, dass diese Steine nicht etwa von einem Kollaps der Trockensteinmauern der letzten Bauphase stammen. Auch die lockere, mit den Steinen vermischte, Erde scheint nicht etwa aus dem aus Erde- oder Erd-Stein-Gemisch bestehenden Mauerkörper zu stammen, sondern später zwischen die Verfüllsteine eingewaschen worden zu sein, was sich auch an zahlreichen, durchaus nicht unbedeutenden, nicht mit Erde verfüllten Hohlräumen zwischen Verfüllungssteinen in wenigstens zwei der bisher vollständig oder großteils erforschten Rundhäuser zeigt. Es lässt sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit

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fest­stellen, dass sich die Verfüllung der ­Reste der Rundhäuser nicht etwa durch einen Kollaps der Rundhauswände nach Aufgabe der Siedlungsanlage erklären lässt, ­ sondern vielmehr diese Verfüllung intentionell in die Reste der steinernen Rundhäuser eingebracht wurde. Auf Grund des Fehlens eingeschwemmter ­ Sedimentschichten am Boden der Rundhäuser lässt sich auch weitgehend ausschließen, dass die Rundhäuser als Ruinen längere Zeit offen auf der Fundstelle stehen blieben, ehe diese intentionelle Verfüllung vorgenommen wurde – etwa Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später – um das Feld zur besseren landwirtschaftlichen Nutzbarkeit wieder einzuebnen. Vielmehr deutet das Fehlen dieser Einschwemmschichten deutlich darauf hin, dass dieVerfüllung mehr oder minder unmittelbar nach der Aufgabe der Siedlung vorgenommen worden sein dürfte, am ehesten sogar unmittelbar im Zusammenhang mit der Aufgabe der Siedlung. Gleichermaßen wurde die begrenzende Wall-Graben-Anlage um die Siedlung scheinbar intentionell geschleift. Die letzte Bauphase der die Siedlung umgebenden Wall-Graben-Anlage bestand aus einem Außenwall, bestehend aus einem massiven, an der Basis etwa 3 m breiten, Erdschüttkern, der wenigstens an der Innenseite mit einer Trockenstein-Blendmauer verkleidet gewesen sein dürfte. Direkt innen an

diesen Wall anschließend folgt ein etwa 7 m breiter, etwas weniger als einen m tiefer, flacher Materialentnahmegraben, der einen einer früheren Bauphase zugehörenden, U-förmigen, schmalen, etwa 1,2–1,3 m tiefen Graben (eventuell ein Palisadengraben?) teilweise schneidet. Der innenseitig an diesen breiten Materialentnahmegraben angeschlossene Innenwall der Anlage – ursprünglich an der Basis wohl etwas über 4 m breit – ist schließlich bis auf das noch eine Steinlage enthaltende Fundamentgräbchen für die innere Wallverkleidung scheinbar vollkommen entfernt worden bzw. seit der Schleifung der Anlage gänzlich wegerodiert. Der breite Materialentnahmegraben seinerseits ist allerdings – ebenfalls wohl in Verbindung mit der Auflassung der Anlage – mit dichten Stein­lagen und Erde verfüllt worden. Diese Steinlagen liegen, wie die Steinverfüllungen der Rundhäuser, allerdings ebenfalls nicht in einer klaren Versturzlage und scheinen daher nicht Resultat eines Kollapses der Wallanlage zu sein, sondern ebenfalls intentionell eingebracht worden zu sein. Der Arbeitsaufwand, der in die Schleifung der WallGraben-Anlage und die Verfüllung der Rundhäuser gesteckt wurde, dürfte durchaus beachtlich gewesen sein: die Anlage hat einen Außendurchmesser von ca. 105 mal 85 m, der ca. 7 m breite Materialentnahmegraben zwischen Innen- und Außenwall scheint durchgehend gleichmäßig verfüllt worden zu sein, die Wälle großteils geschliffen worden zu sein und zusätzlich die auf Basis der Ergebnisse der Bodenradaruntersuchung einigermaßen dicht stehenden Rundhäuser mehr oder minder vollständig mit Kochsteinen aufgefüllt worden zu sein. Es wurden also zur „Versiegelung“ der Anlage bedeutende Materialmengen bewegt, jedenfalls weit mehr als notwendig gewesen wäre, wenn die Siedlung einfach aufgegeben und dem Verfall überlassen worden wäre. Selbst für eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutzbarkeit der Anlage nach ihrer Aufgabe erscheint die in den „Verschluss“ der Siedlung investierte Arbeitsleistung deutlich übertrieben; auch die Materialauswahl – eben die Kochsteine zur Verfüllung der Rundhäuser zu verwenden, statt einfach deren Wände einzureißen und mit dem Material der Wände die Rundhäuser zu verfüllen – zeigt recht deutlich, dass hier die Handlungsintention nicht bloß eine Erleichterung der landwirtschaftlichen Nutzbar-

Abb. 7: Verteilung der Kleinfunde im Verfüllmaterial der letzten Bauphase des Rundhauses in Schnitt 3 (Plan: M. Higgins, K. Waddington und R. Karl). FN 14 = Spinnwirtel; FN 20 = Spinnwirtelhalbfabrikat; FN 22 = sattelförmiger Mahlstein; FN 141 = Spinnwirtelhalbfabrikat. Grau punktiert: ungefährer Verlauf der inneren und äußeren Mauerschale des Rundhauses in Schnitt 3.

keit der Fundstelle gewesen sein dürfte, sondern andere Beweggründe vorgelegen haben dürften. Zusätzlich verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass im vollständig ausgegrabenen Rundhaus in Schnitt 3 im Verfüllmaterial die strukturierte Deponierung von Kleinfunden beobachtet werden konnte. Bei der Ausgrabung des Verfüllmaterials des Rundhausinneren wurden drei Spinnwirtel bzw. Spinnwirtelhalbfabrikate im Osten, Süden und Westen des Rundhauses, jeweils nahe an der Wand des Hauses aufgefunden (Abb. 7). Nachdem wenigstens zwei, eventuell sogar alle drei dieser Spinnwirtel Halbfabrikate mit unterschiedlichem Fertigstellungsgrad sind – einer nahezu fertig, allerdings mit sehr engem Durchmesser in der Mitte der Durchbohrung, einer mit gerade noch nicht durchbrochener Bohrung (Abb. 8) und einer ganz am Beginn des Bohrprozesses – kann es als unwahrscheinlich gelten, dass diese zufällig verloren

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Abb. 9:  Der sattelförmige Mahlstein in Befundlage in der steinverkleideten Grube im Boden der letzten Bauphase des Rundhauses in Schnitt 3. Abb. 8:  Spinnwirtel (FN 14) und –halbfabrikat (FN 20) aus der Verfüllung der letzten Bauphase des Rundhauses in Schnitt 3.

oder als „fehlerhafte Stücke“, quasi als Produktionsabfall, im Verfüllmaterial vorhanden waren und dadurch in die Verfüllung des Rundhauses kamen. Zusätzliche Bestätigung findet die Ansicht, dass diese Spinnwirtel bzw. Halbfabrikate intentionell deponiert wurden, durch den Fund eines – vermutlich nicht oder nur ­wenig genutzten – sattelförmigen Mahlsteins (Abb. 9) in der Verfüllung einer im Hausboden angelegten, steinausgekleideten Speichergrube (Abb. 7). Diese Grube war gänzlich mit dem gleichen Verfüllmaterial wie das restliche Rundhausinnere verfüllt, der sattelförmige Mahlstein hingegen lag praktisch auf Bodenniveau des Hauses auf der Grubenverfüllung, bildete also den oberen Abschluss dieser Verfüllung. Dass dieser Mahlstein zufälligerweise als oberer Abschluss der Grubenverfüllung zu liegen kam, weil auch er im sonst deutlich kleineren Verfüllmaterial enthalten war, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden: vielmehr liegt hier eindeutig eine intentionelle Deponierung des Mahlsteins vor. Die Personen, die an der Schleifung der doppelten Ringwallanlage von Meillionydd beteiligt waren, nahmen also nicht nur einen bedeutenden Arbeitsaufwand auf sich um die Siedlung „flachzulegen“ und sämtliche

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vorhandene Gruben und Gräben mehr oder minder vollständig aufzufüllen. Sie selektierten darüber hinaus auch noch intentionell das Material, mit dem sie die vorhandenen Gruben und Gräben verfüllten; und legten als Teil des Verfüllungsprozesses auch gezielt an bestimmten Stellen Gegenstände des alltäglichen ­Lebens in Form strukturierter Deponierungen nieder. Wir fassen also in der Siedlung von Meillionydd ­einen einigermaßen komplexen und auch aufwändigen Verschlussritus, mittels dessen die Siedlung von einer „Wohnstätte“ wieder in ein (weitgehend ebenes) Feld verwandelt wurde, auf dem kaum noch oberflächlich erkennbare Spuren menschlicher Besiedlung anzutreffen waren. Daraus ergibt sich in weiterer Folge die Frage: warum und wozu wurde ein solcher aufwändiger „Aufgaberitus“ durchgeführt? Dazu muss kurz noch etwas weiter ausgeholt werden. Eigentümererweiterung Zur Frage, was den Siedlungsraum so besonders macht, dass ein aufwändiger Verschlussritus am Ende der Nutzung einer Siedlung wie Meillionydd als ­nötig empfunden wurde, scheint es angebracht die frühmittelalterlichen irischen Rechtstexte zu konsultieren. Denn wie bereits bemerkt, gibt es in Irland eine

durchgehende Traditionslinie; eingefriedete Siedlungen wie Meillionydd – in Irland gewöhnlich als „ringforts“ bezeichnet (Edwards 1996: 6–33) – kommen nicht nur in der Spätbronze- und Eisenzeit Irlands vor (Raftery 1994: 38–63; Becker 2009), sondern ­leben bis ins Frühmittelalter, die Zeit der altirischen Rechtstexte, als dominanter Siedlungstyp weiter. Diese frühmittelalterlichen Rechtstexte (Kelly 1988; 1998) wiederum beschäftigen sich an vielen Stellen mit Siedlungen und ihrer sozialen, ideologischen und rechtlichen Bedeutung; die Beschreibung der Siedlungsarchitektur in den Rechtstexten entspricht auch tatsächlich den archäologischen Befunden zeitgleicher Siedlungen, was wahrscheinlich macht, dass die sozialen, ideologischen und rechtlichen Informationen zu Siedlungen in diesen Rechtstexten ebenfalls der gelebten frühmittelalterlichen irischen Realität weitgehend entsprachen. Die nordwestwalisische Eisenzeit wiederum weist nicht nur in der Siedlungsarchitektur von Anlagen wie Meillionydd, sondern auch in vielen anderen Belangen (wie auch in vielen anderen prähistorischen und frühgeschichtlichen Zeitabschnitten) größere Ähnlichkeiten mit der irischen Eisenzeit als mit anderen eisenzeitlichen Regional­traditionen auf (nicht zuletzt z. B. das vollständige Fehlen von Keramik): ähnliche kulturelle Vorstellungen existierten also wohl auf beiden Seiten der irischen See. Ein Vergleich zwischen frühmittelalterlichen irischen und hochmittelalterlichen walisischen Rechtstraditionen zeigt auch deutlich, dass gerade im Bereich des Siedlungswesens – auch wenn dieses im hochmittelalterlichen Wales nur mehr bedingt in eisenzeitlicher Tradition steht – ähnliche kulturelle Vorstellungen zur sozialen, ideologischen und rechtlichen Bedeutung von Siedlungen vorgeherrscht haben (manche dieser Ähnlichkeiten habe ich bereits an anderem Ort dargestellt; Karl 2008a; 2008b; 2009). Im Zusammenhang mit der in diesem Beitrag gestellten Frage scheint mir insbesondere das Konzept von Bedeutung, das in den kognaten Termini AIr. snádud, MCy. nawdd, Ausdruck findet: beide Begriffe lassen sich als „Schutz, Obhut“ übersetzen und beziehen sich dabei konkret auf den „Schutz durch das Rechtssystem“ zur Prävention von Sach- oder Personenschäden (Kelly 1988: 140–1). Wie in praktisch allen frühen Rechtsordnungen steht

dieser „Schutz durch das Rechtssystem“ a priori nicht unbedingt jedem Menschen zu, sondern erstreckt sich zuerst einmal ausschließlich auf Mitglieder der lokalen sozio-politischen Gemeinschaft (der jeweiligen „Rechtsgemeinschaft“) und innerhalb ­ dieser zuerst einmal ausschließlich auf jene Mitglieder der Gemeinschaft, die als „mündige Personen“ gelten. Im frühmittelalterlichen Irland wie auch im hochmittel­alterlichen Wales sind das in erster Linie (wenn auch mit manchen Ausnahmen) erwachsene Männer, die (normalerweise) im Gebiet der Rechtsgemeinschaft über Landeigentum verfügen und „mündige“ Verwandte haben. Der diesen Landeigentümern zukommende Schutz durch das Recht der Gemeinschaft dehnt sich, sozusagen „sekundär“, automatisch auch auf alle jene Personen aus, die „Abhängige“ solcher Landeigentümer sind: seine Frau(en), Kinder, gegebenenfalls andere Verwandte (Schwestern, Mutter, nicht erwachsene männliche Blutsverwandte deren Vater bereits verstorben ist, etc.); kein eigenes Land besitzende Pächter und Angestellte; und Sklaven. Der Landeigentümer gilt als das „Haupt“ dieser communitas, seine Abhängigen als ihre „Glieder“; damit sind mittelbar alle dauernden Einwohner des Gebiets der Rechtsgemeinschaft auch durch das Gemeinschaftsrecht geschützt. Normalerweise nicht geschützt sind hingegen Ausländer, die keine Blutsverwandten im Gebiet der Rechtsgemeinschaft haben. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihnen im frühmittelalterlichen Irland ein Land­ eigentümer snádud bzw. im hochmittelalterlichen Wales ein Adeliger (oder bestimmte Mitglieder des königlichen Hofstaates) nawdd im Bereich der Rechtsgemeinschaft gewährt, sind solche Ausländer rechtlich gesehen Freiwild; d. h. man darf bis dahin den Ausländer ungestraft bestehlen, berauben, verletzen oder sogar töten, weil er nicht Teil der Rechtsordnung der soziopolitischen Gemeinschaft ist. Die Gewährung dieses Schutzes durch eine dazu berechtigte Person macht den ehemaligen Ausländer zum Glied des Hauptes, das ihm den Schutz gewährt hat, d. h. der Ausländer wird rechtlich gesehen zum Abhängigen des Landeigen­ tümers, der den Schutz gewährt hat. Diese Abhängigkeitsverhältnisse haben natürlich Konsequenzen: nachdem Abhängige der (weitgehend uneingeschränkten) „Herrschaft“ ihres Hauptes unterstehen, werden im Recht die Handlungen von und

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gegen Abhängige als Handlungen ihres oder gegen ihren „Herrn“ verstanden. Als Glieder ihres Hauptes ­haben sie nicht mehr eigenen Willen als eine Hand, die vom Kopf gesteuert wird und nichts „selbstständig“ tut. Daher ist es, wenn ein Abhängiger unvorsichtig oder gar vorsätzlich Schaden anrichtet, nicht etwa der Abhängige, der rechtlich gestraft wird, sondern normalerweise sein Herr, der den Geschädigten entsprechend zu kompensieren hat – und ob der Herr dann den eigentlich „schuldigen“ Abhängigen intern bestraft und wie er ihn bestraft, ist Sache des Herrn, die nur ihn und seine communitas etwas angeht, aber nicht die weitere Gesellschaft. Umgekehrt gilt aber auch, dass wenn einem Abhängigen Schaden zugefügt wird, die Kompensation nicht etwa dem Abhängigen, sondern zuerst einmal seinem Herrn zukommt – und es interne, der Entscheidung des Herrn zustehende, communitas-Sache ist, ob der Herr die Kompensation an seinen eigentlich geschädigten Abhängigen weitergibt oder anders verwendet. Der Angriff auf einen Abhängigen, auf das Glied, gilt also rechtlich als Angriff auf seinen Herrn, sein Haupt. Ideologisch gesehen bedeutet das, dass die „Person“ des Herrn auf alle seine Abhängigen ausgedehnt wird; die Abhängigen sind keine eigenständigen (Rechts-) Personen, sondern sind Teil der „Person Herr“ (Kelly 1988; Jenkins 1990). Des Weiteren kennzeichnen sich Landeigentümer nicht zuletzt dadurch, dass sie eine „eingefriedete“ Siedlung haben, einen „Hof“, nicht nur eine Hütte irgendwo in der Landschaft. Im frühmittelalterlichen Irland ist dieser Hof des Landeigentümers sein „ringfort“, das durch wenigstens eine (nicht unbedingt besonders massiv sein müssende) Mauer bzw. einen Wall vom Umland getrennt ist und damit den Hofbereich, die les, eingrenzt (Kelly 1998). Auch im hochmittelalterlichen Wales ist der Hof des Landeigentümers (= Adeligen), die llys, durch wenigstens eine Mauer von Umland getrennt; im Gegensatz zu den Hütten seiner Pächter und Leibeigenen, die keine solche Eingrenzung aufweisen (White, Longley 1995; Longley 1997; Johnstone 1997: 63–7; Carr 2000: 71). Die les und die llys wiederum unterliegen einem dauernden Rechtsschutz (Kelly 1988: 141), der dem oben genannten snádud bzw. nawdd entspricht: jedes rechtliche Vergehen im Bereich des „geschützten“ Hofbereichs stellt in jedem Fall auch ein Vergehen

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gegen den Hausherrn dar, verletzt „seinen Rechtsschutz“, dem die Siedlung in ihrer Gesamtheit permanent unterliegt; und zwar völlig unabhängig davon, ob dieser Hausherr überhaupt anwesend ist oder nicht oder ob er eine bestimmte Handlung konkret verboten hat oder nicht. Die Person des Hausherrns wird also nicht nur auf seine Abhängigen (inklusive seiner Gäste), sondern auch ganz konkret auf den durch die Eingrenzung physisch definierten Hofbereich, also auf die eingefriedete Siedlung, erweitert. So wie also die Abhängigen des Hausherrn Teil des Hausherrn sind, so ist auch die Siedlung Teil des Hausherrn; sie ist ebenso Teil der communitas wie jeder ihrer Einwohner. Siedlungsbestattung? Wales im 1. Jahrtausend vor Christus kennzeichnet sich durch ein praktisch vollständiges Fehlen von Bestattungen: regelhaft angelegte Gräberfelder sind nicht bekannt, Einzelgräber sind extrem selten, Nachbestattungen in früheren Grabhügeln ebenfalls bestenfalls Einzelfälle und auch aus sonstigen Kontexten kennen wir praktisch keine Hinweise auf Bestattungen. Auch die in anderen Teilen Britanniens beliebte Praxis menschliche Skelettreste im Siedlungskontext zu deponieren, ist in Wales bislang praktisch unbekannt. Gerade Letzteres braucht aber, besonders im Nordwesten von Wales, nicht besonders zu verwundern: wie bereits erwähnt, ist die Region in dieser Zeit akeramisch und die sauren Böden, die Wales nahezu durchgehend kennzeichnen, führen zu einer völligen Zersetzung von Knochenmaterial. Meillionydd ist ein klassischer Beispielsfall dafür: bei bislang etwa 200m3 durchgrabener archäologischer Stratifikation, darunter drei nahezu vollständig mit zerbrochenen Kochsteinen verfüllte, bis zu 80 cm tief erhaltene, durchschnittlich 8 m Innendurchmesser aufweisende Rundhäuser, wurden in Meillionydd bisher bloß zwei kleine Knochenfragmente gefunden, die in einer teilweise gebrannten Lehmverschmierung einer Kochgrube eingeschlossen gewesen und daher vor vollständiger Zersetzung durch die Bodensäuren halbwegs geschützt waren. Es vermag also nicht wirklich zu überraschen, wenn man unter solchen Umständen Bestattungen im Siedlungskontext nicht findet: wenn sie vorhanden waren, haben sie keine bleibenden Spuren hinterlassen.

Abb. 10:  Struktur B in Emain Macha (Waddell 1998: 335; 341).

Geht man – ob der gegebenen Absenz von Evidenz wohl nicht völlig unvernünftigerweise – davon aus, dass in Wales ebenso wie in vielen anderen Bereichen Britanniens im 1. Jahrtausend v. Chr. die Bestattung im Siedlungskontext nicht unüblich war, bietet sich eine mögliche Erklärung für die in Meillionydd beobachtbaren, aufwändigen Verschlussriten an: es könnte sich bei diesen Verschlussriten im eigentlichen Wortsinn um eine Siedlungsbestattung handeln, also um das „Begräbnis“, das der Siedlung als physischer Manifestation am Ende ihrer Benutzung von ihrer communitas gegeben wird; nicht anders, als man einen lieben Angehörigen begraben hätte um seine „physische Trennung“ von der communitas rituell zu inszenieren. Zu einer solchen Interpretation passen gut die strukturierten „Verschlussdeponierungen“ von Objekten an signifikanten oder wenigstens markanten Punkten wie die Spinnwirtel bzw. Spinnwirtelhalbfabrikate am Ost-, Süd- und Westrand des Rundhauses in Schnitt 3 in Meillionydd, oder der als oberer Abschluss der Verfüllung der steinausgekleideten Grube im Boden dieses

Rundhauses deponierte sattelförmige Mahlstein. Diese könnte man quasi als „Grabbeigaben“ deuten, die im Rahmen des Siedlungsbegräbnisses dem Heim, von dem man scheiden musste (oder wollte), ins Jenseits mitgegeben wurden. Auch die intentionelle Verfüllung der Siedlungsbauten mit einem hohen Anteil von Kochsteinen passt gut in dieses Muster: diese können sowohl als Erinnerung an früher in den Häusern der Siedlung zubereitete Mahlzeiten oder gefeierte Feste im Sinne von Grabbeigaben eingebracht sein als auch ihrerseits wenigstens teilweise bei einer kommunalen „Begräbnisfeier“ im Rahmen des Aufgaberitus der Siedlung überhaupt erst entstanden sein. Und schließlich rechtfertigt die Vorstellung einer Bestattung der Siedlung auch gut den massiven Arbeitsaufwand, der betrieben wurde, ein Aufwand, der jedenfalls deutlich über den Aufwand hinausging, der zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutzbarkeit des ehemaligen Siedlungsraums nötig gewesen wäre. Natürlich lässt sich nicht sagen, warum die Trennung von communitas und ihrer physischen Manifestati-

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on ­erfolgte: das Ableben eines (als besonders signifikant empfundenen) Eigentümers der Siedlung könnte ebenso der Grund gewesen sein wie eine Übersiedlung der communitas an einen anderen Ort (aus welchen Gründen auch immer), genauso der Tod der Mehrheit oder gar aller Bewohner der Anlage, z. B. im Rahmen einer Hungersnot oder Seuche, die die Siedlung sowohl unbrauchbar als auch potentiell ­gefährlich machte und daher Verwandte der letzten Eigentümer dazu bewegte die Siedlung gesamtheitlich zu begraben. Klar scheint nur, dass der Siedlungsbestattung wohl ein einschneidendes Ereignis vorangegangen sein wird, das die Bevölkerung der Region dazu bewegte die Besiedlung an dieser Stelle aufzugeben; jedoch andererseits eines, das eben diese Lokalbevölkerung dazu bewegt hat ­ einen an sich unnötigen Arbeitsaufwand auf sich zu nehmen um die Siedlung nicht einfach langsam verfallen zu lassen, sondern um sie aktiv zur Ruhe zu legen.

Die Vorstellung nicht nur Menschen, sondern auch Siedlungen oder wenigstens Siedlungsbauten zu bestatten mag uns heute fremd sein, der mittleren und späten Eisenzeit der britischen Inseln hingegen scheint sie hingegen wenigstens einigermaßen vertraut gewesen zu sein. Um zum Abschluss nur ein anderes Beispiel zu nennen: das große, ca. 40 m Durchmesser aufweisende, Rundhaus in Emain Macha wurde unmittelbar nach dem Ende seiner Verwendung mit einem Steinhügel überbaut, also ebenfalls begraben (Abb. 10). Wir können also davon ausgehen, dass in vielen Fällen der gesamte Lebenszyklus spätbronze- und eisenzeitlicher Siedlungen, wenigstens in Irland und im Nordwesten von Wales, durch rituelle Handlungen begleitet wurde: bei der Gründung der Siedlung, im Lauf der Besiedelung der Anlage und schließlich auch bei der Bestattung der Siedlung nach ihrer Aufgabe als Siedlungsort.

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Wo sind die Häuser und wenn ja wie viele? Anmerkungen zur eisenzeitlichen Besiedlung in Nordwestdeutschland1 Jana Esther Fries

Zusammenfassung Der Westen Niedersachsens zeigte für die vorrömische Eisenzeit lange Zeit eine kurios erscheinende Fundverteilung: zahlreiche, auch ausgedehnte Gräberfelder, aber in weiten Gebieten so gut wie keine Siedlungen. Dagegen waren in den immer wieder vom Meer umgestalteten, fruchtbaren Marschen entlang der Nordseeküste schon lange Siedlungen bekannt, die teilweise sogar in der Bronzezeit begannen. Auch in den benachbarten Provinzen der Niederlande wurden seit Jahrzehnten immer wieder eisenzeitliche Siedlungen entdeckt. Hier ließ sich auch die Entwicklung von Haustypen und größeren Siedlungen nachvollziehen. Eine Durchsicht der Akten und der Literatur ergab nun, dass dieses Bild von den fehlenden Siedlungen nur zum Teil richtig ist. Zudem wurde es in den vergangenen etwa zehn Jahren durch größere flächige Ausgrabungen korrigiert, die mehrfach Siedlungen und auch Hausgrundrisse der vorrömischen Eisenzeit erbrachten. Zum Teil handelt es sich um einzelne Häuser oder Wohnhäuser mit mehreren Nebengebäuden, zum Teil aber auch um größere Siedlungen, die geraume Zeit bestanden. Es lassen sich verschiedene Hausformen belegen, die Übereinstimmungen mit der niederländischen Haustypologie zeigen, den dort beschriebenen Typen aber meist nicht ganz entsprechen. Erst mit dem Übergang zur Kaiserzeit scheinen auch auf der Geest die dreischiffigen Wohnstallhäuser übernommen zu werden, die an der Küste schon länger üblich waren. Einzelne Siedlungen deuten aufgrund größerer Häuserzahl oder des Fehlens der üblichen Wohnhäuser auf andere Funktionen oder Wirtschaftweisen hin. Abstract Western Lower Saxony had long been characterised by a curious site distribution in the pre-roman Iron Age: many cemeteries, including sizeable ones, but hardly any settlements in wide areas. In contrast, settlements have long been known from the fertile marshes along the North Sea coast, with occupation in some cases even beginning in the Bronze Age. Similarly, Iron Age settlements have been found in the neighbouring provinces in the Netherlands. There, the evolution of different types of houses and larger settlements could be reconstructed. A review of archival material and the literature demonstrates, that the picture of missing Iron Age settlement in western Lower Saxony is only partially correct. Also, in the past decade, new finds of settlements and houses of pre-roman Iron Age date during large scale excavations, help to correct this picture.

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In some cases, we witness short-lived individual houses or dwelling houses with several ancilliary buildings, in others larger settlement with longer terms of occupation. Different house types can be shown, which are similar to those known form the Dutch house typology, but not identical.Three-ailsed houses combining living quarters with stables seem to have been adopted on the Geest only at the beginning of the imperial period, while they had been in use much earlier along the coast. Due to larger numbers of houses or the absence of normal dwelling houses, some settlements may have had a different function than others, or may represent different types of economic use.

Das Arbeitsgebiet Der Westen Niedersachsens zwischen Bremerhaven, dem Dümmer, der Grenze zu Westfalen, den Niederlanden und der Nordseeküste ist in weiten Teilen ­wenig siedlungsgünstig. Eine der hier vorherrschenden Landschaftsformen ist die durch Sandböden geprägte Geest. Diese nur schwach reliefierte Landschaft entstand während des Saale-Glazials und wurde in der nachfolgende Weichseleiszeit durch Auswaschungen und Sandverwehungen überprägt, bei denen es sogar zu Dünenbildungen kam. Die nährstoffarmen Böden sind für Ackerbau nur mäßig geeignet, aber leicht zu bearbeiten. Seit dem hohen Mittelalter führte der Abtrag von Humus undVegetation, die als Einstreu für die Ställe verwandt und anschließend auf die Äcker aufgetragen wurden, die sogenannte Plaggenwirtschaft, auf der Geest (Behre 1976; 2000: 37–8) zu erneuten Sandverwehungen und gelegentlich wiederum zu Dünenbildungen. Große Teile der Region waren zudem in der Eisenzeit von Mooren bedeckt (Petzelsberger u. a. 1999; Behre 2008: 43–50, mit Abb. 32). Bis Ende des 18. Jahrhunderts sollen rund 30 % der Fläche Moor gewesen sein (Metzler 2004 mit Abb. 1), während heute infolge umfangreicher Entwässerungsmaßnahmen nur wenige (echte) Moorflächen übriggeblieben sind. Günstiger sind die Bodenverhältnisse im Süden der Region, in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta sowie rund um Wildeshausen (Lkr. Oldenburg), wo neben Sandböden auch Sandlöss anzutreffen ist, und in den Marschen an der Küste. Die durch junge Ablagerungen der Nordsee geprägten Marschen boten und bieten sehr gute Bedingungen für die Landwirtschaft, bedeuteten vor dem flächigen Deichbau

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im späten Mittelalter allerdings die ständige Gefahr von Überflutungen und immer wieder veränderte Küstenlinien. Trotz dieser eingeschränkten landwirtschaftlichen Nutzbarkeit zeigt die Region während der gesamten Vor- und Frühgeschichte eine beträchtliche Besiedlungsdichte; und es sind viele und sehr unterschiedliche Bodendenkmale erhalten. Herausragend sind die zahlreichen Megalithgräber der Trichterbecherkultur, große Gräberfelder der späten Bronze- und frühen Eisenzeit, Siedlungen der römischen Kaiserzeit mit weitreichenden Handelsverbindungen und verschiedene frühmittelalterliche Siedlungen (z. B. Wulf 1996; Schwarz, Stutzke 1998; Selent 1999; Wulf, Schlüter 2000; Denkmäler Weser-Ems 2000). Fehlende Siedlungen – Forschungsstand zur vor­ römischen Eisenzeit Auch die vorrömische Eisenzeit ist mit einer beachtlichen Anzahl von Fundstellen vertreten (z. B. Zoller 1965; Nortmann 1983; Wilbertz 1995; 2009; Laux 2000). Allerdings fällt bei den umfänglicher publizierten Fundplätzen ein Unterschied zwischen der Küstenregion (Ostfriesland und Landkreis Wesermarsch) und den südlich anschließenden reinen Geest­ gebieten (etwas die Kreise Ammerland, Oldenburg, Vechta, Cloppenburg, Emsland und Grafschaft Bent­ heim) hinsichtlich der Siedlungen auf: Während aus der ersten eine beachtliche Anzahl von Siedlungen umfangreicher untersucht und auch publiziert wurde (zuletzt Strahl 2010a mit weiterführender Literatur), fehlt Vergleichbares aus den südlich anschließenden

Regionen. Auch aus den benachbarten niederländischen Provinzen Groningen, Drenthe und Overijssel sind eisenzeitliche Siedlungen in einiger Zahl bekannt und auch gut untersucht (Vogt 1999, Kat. 1 und 2; Waterbolk 2009). Insbesondere Hausgrundrisse, die in den Küstengebieten ebenso belegt sind wie in den benachbarten Niederlanden, fehlen im größten Teil von Weser-Ems scheinbar fast vollständig. Dies wurde in der Literatur auch immer wieder ähnlich benannt und entwickelte sich fast zu einem Topos der niedersächsischen Archäologie (Nortmann 1983: 87; Häßler 1991a: 199; Wilbertz 1995; Laux 2000: 76). Die geringe Anzahl von (publizierten) eisenzeitlichen Siedlungen auf der Geest ist besonders über­raschend angesichts eines DFG-Projektes in den 1960er Jahren, das die Erforschung der archäologischen Siedlungslandschaft zum Ziel hatte. Zwischen 1960 und 1965 führte Dieter Zoller in diesem Rahmen zahlreiche Ausgrabungen auf dem Gristeder Esch im Landkreis Ammerland durch und dokumentierte dabei auch fünf Siedlungsplätze der vorrömischen Eisenzeit (Zoller 1983b mit weiterer Literatur). 1983 publizierte Hans Nortmann die Keramik aus diesen Siedlungen und der eisenzeitlichen Fundplätze in etwa der Region, die hier behandelt wird.2 Andere Arbeiten der vergangenen 30 Jahre, die sich explizit und umfassender den Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit in Nordwestdeutschland außerhalb der Marsch widmen und für die Grabungsdokumentationen ausgewertet wurden, liegen nicht vor. Ein zweiter Blick Das Missverhältnis zwischen den zahlreichen Gräberfeldern und den scheinbar fehlenden Siedlungen sowie einige Grabungen in den vergangenen sechs Jahren waren für mich Anlass, die Siedlungsfundplätze im Inland genauer zu betrachten. Eine Abfrage der Fundstellendatenbank ADABWeb des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) und eine kursorische Durchsicht der niedersächsischen Literatur, insbesondere der Fundchronik, ergaben rund 90 entsprechende Fundplätze in den genannten Landkreises, so dass die pauschalen Aussagen über die fehlenden Siedlungen im Süden der Region bereits deutlich revidiert werden müssen.

Abb. 1:  Bekannte eisenzeitliche Hausgrundrisse im Raum Weser-Ems bis 2000, M. Wesemann, NLD.

Allerdings handelt es sich überwiegend um kleinere Ausschnitte von Siedlungen, die durchaus interessante Befunde, aber keine erkennbaren Hausgrundrisse er­ gaben. Als Beispiel sei ein Fundplatz aus Golden­stedt im Kreis Vechta genannt, der u. a. eine Grube der ­älteren vorrömischen Eisenzeit mit sehr vielen Keramikfehlbränden erbrachte (Eckert 1999: 264f.). Bei einer der Grabungen Zollers in Gristede wurde ein Back­ofen geborgen, der leider bis heute nur kursorisch und ohne Abbildung publiziert wurde (Nortmann 1983: 159, Nr. 94). Auch größere Ausschnitte aus Siedlungen der Eisenzeit ergaben mehrfach trotz zahlreicher Befunde keine (sicheren) Hausgrundrisse wie etwa die mehrfachen Grabungen in einem Gewerbegebiet bei

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Abb. 2:  Bekannte eisenzeitliche Hausgrundrisse im Raum Weser-Ems 2012, M. Wesemann, NLD.

Emstek, Kr. Cloppenburg. Hier wurden seit 2003 immer wieder Siedlungen mit zahlreichen Pfosten, Gruben, einzelnen Brunnen und Öfen u. a. der Eisenzeit und der römischen Kaiserzeit dokumentiert, ohne dass bislang ein sicherer und vollständiger Hausgrundriss3 der Eisenzeit festgestellt werden konnte (Nordholz 2008; Fries 2008: 250 mit Abb. 9; 2009a: 228). Trotz der zahlreichen Siedlungen ohne Hausgrundrisse liegen von immerhin acht Fundstellen in den südlichen Landkreisen zusammen zehn dokumentierte Häuser vor, die bis zum Jahr 2000 untersucht wurden (Abb. 1 und Tab. 1, Nr. 4.6-8.10-12.14). Vier davon (Nr. 7.8.11.12) wurden in den 1980er Jahren

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beim Bau einer Autobahn und einer weiteren Straße im Landkreis Grafschaft Bentheim von der sehr regen ehrenamtlichen Beauftragten für die archäologische Denkmalpflege Irmgard Maschmeyer dokumentiert. Damit sind auch schon zwei wesentliche Faktoren für das Zustandekommen des hier diskutierten Verbreitungsbildes (wie der meisten übrigen) genannt: Bautätigkeit und die Möglichkeiten der Denkmalpflege, darauf zu reagieren. Einen weiteren stellt für ­Niedersachsen die Tätigkeit des Institutes für historische Küstenforschung dar, dem wir die meisten der Ausgrabungen von eisenzeitlichen Siedlungen in den Marschen verdanken. Noch deutlicher zeigt sich der Einfluss der genannten Faktoren, wenn nicht nur die umfangreicher ­publizierten, sondern auch die in den letzten Jahren ausgegrabenen Siedlungen der Eisenzeit einbezogen werden (Abb. 2). Seit dem Jahr 2000 haben die ­ archäologische Denkmalpflege des Niedersächsischen Landesamtes und der Ostfriesischen Landschaft im Vorfeld von Erschließungsmaßnahmen sechs ­größere Flächengrabungen an Siedlungsplätzen der vor­römischen Eisenzeit durchgeführt, die jeweils auch zu Hausgrundrissen führten (Nr. 2.3.5.9.15.16). Das Verbreitungsbild eisenzeitlicher Hausgrundrisse hat sich dadurch zwischen Küstenregion und Hinterland erkennbar ausgeglichen und wird dies nach aller ­Voraussicht durch zusätzliche Flächengrabungen in den kommenden Jahren weiter tun. Allerdings ist gut zu erkennen, dass ein Schwerpunkt der bodendenkmalpflegerischen Tätigkeit weiterhin im Südwesten des Arbeitsgebietes, im Kreis Grafschaft Bentheim liegt, wo sich die Fundplätze auffällig konzentrieren. Die Häuser – Überblick Aus der gesamten Region Weser-Ems sind aktuell 21 Fundplätze mit Hausgrundrissen der Eisenzeit bekannt.4 Die genaue Anzahl der Grundrisse ist kaum zu benennen, da einzelne Fundplätze an der Küste wie etwa Hatzum-Boomborg sehr zahlreiche und dadurch unsichere Grundrisse in jeweils mehreren Siedlungsphasen aufweisen. In anderen Fällen ist trotz Einphasigkeit ungewiss, wie viele der unvollständigen Grundrisse tatsächliche zu Häusern gehören. Die

Abb. 3: Weser-Ems, Datierung der eisenzeitlichen Hausgrundrisse, M. Wesemann, NLD.

Abb. 4:  Weser-Ems, Grundformen der eisenzeitlichen Häuser, M. Wesemann, NLD.

Mehrzahl aller Fundplätze erbrachte nur einen einzelnen Grundriss, andere drei bis sieben Häuser. Zusammen umfassen die 13 Fundplätze im Süden mindestens 24 Häuser. Bei der Anzahl der Fundplätze halten sich ältere und jüngere Eisenzeit für die Gesamtregion die Waage (Abb. 3 und Tab. 1). Im Küstenbereich setzt die nachweisbare Besiedlung bereits in der späten Bronzezeit ein (Strahl 2008) und zwei Fundplätze aus dem Kreis Wittmund sind in den Übergangshorizont Bronze-/ Eisenzeit zu setzen (Nr. 19.20). Dagegen laufen sieben Siedlungen, die vor allem in der Grafschaft Bentheim liegen, noch in die römische Kaiserzeit hinein.

Die Häuser lassen sich grundlegend in zwei- und dreischiffige unterteilen, wovon letztere deutlich häufiger sind. Im Norden des Untersuchungsgebietes kommen ausschließlich dreischiffige Häuser vor (Abb. 4). Weiter südlich sind an sechs Fundorten aber immerhin mindestens 13 zweischiffige Häuser belegt. Haustypen: dreischiffige Häuser Für die Typologie vorgeschichtlicher Wohnhäuser im Westen Niedersachsens ist die Arbeit von H.T.  Waterbolk (2009) zum vor allem niederländischen prähistorischen Hausbau maßgeblich. In sie sind auch

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Abb. 5:  Nordhorn, Ldkr. Grafschaft Bentheim, Eisenzeitlicher Hausgrundriss, publiziert unter „Frenswegen“, Bell 1942.

einige niedersächsische Häuser eingegangen, darunter die auch hier genannten aus Hatzum-Boomborg (Nr. 15), Meppen (Nr. 4) und Neerlage-Quendorf (Nr. 11). Daneben können die Haustypen Haps nach Verwers (1992) und die Typologie von Huijts (1992) herangezogen werden. Die bekanntesten dreischiffigen Häuser der Eisenzeit aus Niedersachsen stammen aus den Marschensiedlungen. Sie zeigen wie etwa in der ältereisenzeitlichen Siedlungsphase von Hatzum-Boomborg einen deutlichen Stallteil mit Viehboxen (Waterbolk 2009: Abb. 34 a; Strahl 2010a: Abb. 8). Ein breites Mittelschiff steht zwei schmalen Seitenschiffen gegenüber; der Eingang befindet sich an einer Schmalseite. Entsprechende Gebäude hat Waterbolk nach dem Fundplatz als Typ Hatzum, Subtyp Hatzum benannt (Waterbolk 2009: 55). Typisch für ihn sind Hauslängen von 11 bis 20 m bei Breiten zwischen 4 und 7 m. Etwas anders präsentiert sich ein Haus aus Nordhorn, dass bereits 1938 untersucht wurde und unter dem Ortsnamen Frenswegen in die Literatur eingegangen ist (Nr. 10). Das Gebäude wurde durch H. Bell mit Hilfe des Reichsarbeitsdienstes dokumentiert. Weitere Gebäude sind an dem Fundplatz nicht belegt. Das Haus misst 28 mal 6,50 m (Abb. 5). Dreischiffigkeit ist nur im Westen gegeben, bei einem Mittelschiff von gut 3 m Breite und ebenfalls schmaleren Seitenschiffen. Die Pfosten der Seitenschiffe erscheinen stär-

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ker als die der Außenwände. In der Osthälfte ist der Bau zweimal quer unterteilt, wobei der östlichste Teil leicht versetzt erscheint, als sei er später angefügt worden. Ein Eingang ist nicht zu erkennen, dafür drei Feuerstellen, davon eine überraschenderweise im Stallteil. Die Funde der Ausgrabung stammen aus der jüngeren Eisen- und älteren Kaiserzeit. Unter den von Waterbolk definierten Hausformen entspricht dieser Grundriss am besten dem Typ ­Hijken, Subtyp Hijken (Waterbolk 2009: 55), auch wenn nur wenige Außenpfosten zu erkennen sind und der Wohnteil im Osten liegt. Auch nach der Typologie von C. Huijts (1992) für Drenthe lässt es sich als Typ Hijken ansprechen. Deutlich anders einzuordnen ist ein Wohnhaus, das von der damaligen Bezirksarchäologie Weser-Ems 2002 am Rand der Stadt Cloppenburg untersucht wurde (Nr. 2). Hier wurden auf rund zwei Hektar ein Gehöft der älteren Eisenzeit (Abb. 6) und eine Siedlung des frühen Mittelalters dokumentiert. Neben dem Wohnhaus von rund 29 mal 7 m wurden auch vier kleine Speicher festgestellt. Das Fehlen von prähistorischen Befunden im Umfeld deutet darauf hin, dass es sich um ein Einzelgehöft handelte. Die Seitenschiffe des Hauses sind hier ausgesprochen schmal. Die längere Nordosthälfte hat einen gerundeten Abschluss, die Westhälfte dagegen eine geraden. Es wurden zwei recht breite (1,70 und 2 m), durch mehrere

Abb. 6:  Cloppenburg, Ldkr. Cloppenburg, Hausgrundriss der älteren Eisenzeit, D. Dödtmann, M. Wesemann, NLD.

Pfosten gebildete Eingänge an den Längsseiten festgestellt, die nicht ganz zentral einander gegenüber liegen. Die ­etwas engere Pfostenstellung in der Nordosthälfte führte zu der Annahme, dass sich hier ein Stallteil ­befunden habe. Eine Phosphatanalyse ergab allerdings die höchsten Werte außerhalb des Hauses, gefolgt von den Eingangsbereichen, so dass nicht von Viehhaltung innerhalb des Hauses ausgegangen werden kann. In der Typologie Waterbolks erinnert das Haus aus Cloppenburg an den Typ Elp (Waterbolk 2009: 49), der ebenfalls zwei Hälften mit verschiedener Pfostendichte aufweist. Parallelen bestehen aber auch zum Typ Emmerhout (Waterbolk 2009: 43–49), der vor allem in den östlichen Niederlanden vorkommt, aber überwiegend bronzezeitlich datiert wird. Auch das eindeutig spätbronzezeitliche Haus aus Rodenkirchen, ­ Lkr. Wesermarsch (Strahl 2008) hat Ähnlichkeit mit dem Cloppenburger Gebäude. Dieses lässt sich jedoch über Funde in die ältere Eisenzeit datieren, was durch ein C14-Datum von 2439 +/- 35 BP (Kn-5780), kalibriert 751-403 v. Chr.5, bestätigt wird, ist also jünger als die genannten Bauten.

2000: 55; Fries, Näth 2008), der vor allem in den südlichen Niederlanden verbreitet ist. Dieser Haustyp wurde nach einem Fundort in der Provinz NoordBrabant benannt, an dem eine größere Zahl zweischiffiger Häuser dokumentiert wurde (Verwers 1972). Allerdings zeigt ein genauerer Blick, dass die Grundrisse nur selten genau mit diesem Typ übereinstimmen und häufiger auch andere Haustypen in Frage kommen. Kennzeichen der Häuser in Haps und des gleichnamigen Typs sind: • langrechteckig bei 11 bis 17 m Länge • schwach gebauchte Langseite • gerade Schmalseiten • wenige Mittelpfosten in etwa gleichmäßigen Abständen, meist vier • Wand- und Außenpfosten, bei ähnlicher Stärke der beiden Pfostenreihen • zwei gegenüberliegende Eingänge in den Langseiten, bei denen mehrere Pfosten miteinander verschmolzen sind • ein Mittelpfosten in der Flucht mit den westlichen Türpfosten Drei Beispiele aus dem westlichen Niedersachsen sollen die Übereinstimmungen und Abweichungen der hiesigen Häuser mit dem Typ Haps veranschaulichen. Im Jahr 1984 dokumentierte die Kreis­archäologie ­Osnabrück in Holsten-Mündrup, Stadt Georgs­ marienhütte, ein nicht ganz vollständig erhaltenes,

Zweischiffige Häuser – Haps oder nicht Haps Für zweischiffige Häuser der Eisenzeit in Niedersachsen wurde mehrfach der Typ Haps genannt (Maschmeyer 1986; Vogt 1986; Häßler 1991b: 203; Friedrich

Abb. 7:  Georgesmarienhütte-Holsten-Mündrup, Ldkr. Osna­ brück, eisenzeitlicher Hausgrundriss,Vogt 1986.

305

Abb. 8:  Neerlage- Neerlage-Quendorf, Ldkr. Grafschaft Bentheim, Eisenzeitlicher Hausgrundriss, publiziert unter „Wengsel“, Maschmeyer 1986.

noch 16 m langes zweischiffiges Gebäude (Nr. 14, Abb. 7). Es war rund 8 m breit, hatte eine gerundete und vermutlich eine gerade Schmalseite und einen breiten, unregelmäßig zweiflügeligen Eingang im Süden. An Mittelpfosten waren nur zwei Paare erhalten; ein drittes kann einer jüngeren Grube zum Opfer gefallen sein. Die Wände bestanden aus recht kleinen, offenbar nicht tragenden Staketen, während die Dachlast von außerhalb stehenden Pfosten getragen wurde. Im Umfeld des Gebäudes wurden außerdem 13 kleinere Gebäude dokumentiert, darunter zehn ­ 4-Pfostenspeicher, die jedoch nicht alle zu dem Wohnhaus gehören müssen. Über Funde, darunter zwei ­Fibeln vom Frühlatèneschema, lässt sich der Fundplatz in die jüngere vorrömische Eisenzeit datieren. Trotz gewisser Übereinstimmung sind die Unterschiede zwischen dem Haus aus Holsten-Mündrup und dem Typ Haps (so Häßler 1991b: 203; Friedrich 2000: 55) deutlich: So haben die typischen Hapshäuser gerade Schmalseiten und zwei gegenüberliegende Eingänge, außerdem einzelne statt doppelte Mittelpfosten. Erheblich näher kommt dem Typus ein Grundriss aus Neerlage-Quendorf im Kreis Grafschaft Bentheim (Nr. 11, Abb. 8). Er wurde 1983 beim Autobahnbau entdeckt und konnte nur kursorisch dokumentiert werden. Das Gebäude maß ca. 19,50 mal 8 m, hatte

306

schwach gebogene Längsseiten und gerade Schmalseiten. Auch die vier erkennbaren Mittelpfosten und die zwei gegenüberliegenden Eingänge in den Längsseiten entsprechen gut dem Typ Haps. Die Dachlast wurde hier offenbar vor allem von Außenpfosten getragen, die eine deutlich größere Tiefe aufwiesen als die Mittelpfosten. Die Wände bestanden dagegen aus kleineren, weniger eingetieften Pfosten und im Südwesten des Hauses offenbar aus Spaltbohlen. An weiteren Befunden wurden zwölf kleine Nebengebäude dokumentiert. Die Funde sind überwiegend in die jüngere Eisenzeit einzuordnen, aber auch solche aus der römischen Kaiserzeit wurden entdeckt. Auch wenn dieses Gebäude den Häusern aus Haps recht nahe kommt, gibt es einige Unterschiede. So deutet die geringe Tiefe der Mittel- im Vergleich zu den Außenpfosten auf eine andere Konstruktionsweise hin. Ein Pfostenpaar in der Linie der östlichen Tor­wangen und die besonders breiten Eingänge entsprechen eher Waterbolks Typ Dalen, der weiter nördlich vorkommt als der Typ Haps, und entsprechend wird das Gebäude von ihm diesem Typus zugeordnet (Waterbolk 2009: 64), auch wenn Dalen-Häuser sonst etwas kleiner und vor allem schmaler sind. Das dritte Beispiel für zweischiffige Häuser, die den Haps-Häusern ähneln, ihnen aber doch nicht ganz

Abb. 9:  Lingen-Baccum, Ldkr. Emsland, Haus 13, E. Riemann, F. Näth, NLD.

entsprechen, stammt aus Lingen-Baccum im Kreis Emsland (Nr. 3). Hier konnte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege 2008/09 neben einem Gräberfeld der späten Bronze- und frühen Eisenzeit und einer mittelalterlichen Siedlung auch sechs oder sieben zweischiffige Häuser der Eisenzeit dokumentieren (Both, Fries, Näth, Wiethold 2010). Unter den durchaus unterschiedlichen Gebäuden kommt Haus 13 West dem Hapstypus am nächsten (Abb. 9). Es maß 19,50 mal 7,10 bis 8,10 m, hatte also nur leicht gebauchte Langseiten. Im Norden, Osten und zum Teil im Süden waren neben den Wand- zusätzlich Außenpfosten erkennbar. An Mittelpfosten waren nur zwei Paare erhalten, von denen eines in einer Flucht mit den westlichen Türpfosten saß. Abgesehen von der größeren Länge und den scheinbar fehlenden Mittelpfosten kommt dieses Gebäude den Hapshäusern sehr nahe. Die übrigen Häuser aus Baccum haben ebenfalls Elemente des Typs Haps, weisen daneben aber auch Kennzeichen der Typen Dalen und Colmschate auf. In der Summe lässt sich sagen, dass dreischiffige Häuser im Küstenbereich (auch außerhalb der Marsch) ­dominieren, südlich der Wesermarsch und Ostfrieslands dagegen überwiegend erst in der jüngeren ­Eisenzeit aufkommen. Die wenigsten Häuser lassen sich einem der von Waterbolk,Verwers oder Huijts be-

schriebenen Haustypen exakt zuordnen. Meist ­lassen sich Elemente verschiedener Typen erkennen. Für eine eigene Haustypologie gerade der zweischiffigen Gebäude ist deren Anzahl bislang noch zu gering. Nach der Verbreitung der Siedlungen und den Haustypen soll als dritter Aspekt noch die Frage der Siedlungsformen angerissen werden. Auch hierfür ist die Anzahl der vollständig untersuchten und ­publizierten Fundplätze eigentlich noch zu klein. Eine jüngst ausgegrabene Siedlung in PapenburgAschendorf macht aber (wie andere zuvor) deutlich, dass es nötig ist, über die gängige Vorstellung von rein a­grarischen Siedlungen hinauszudenken. Die meisten bislang genannten Siedlungen umfassen soweit wir wissen nur ein Gehöft, d. h. ein Wohnhaus und häufig Nebengebäude wie Speicher, Werkstätten oder Scheunen. Zum Teil kann dies wegen kleiner ­Grabungsflächen nicht sicher ausgesagt werden; mit Cloppenburg liegt aber zumindest ein Fundplatz vor, an dem weitere Häuser ausgeschlossen werden können. In Lingen-Baccum, wo sechs oder sieben Wohnhäuser und eine größere Anzahl Nebengebäude bestanden, erstreckt sich die Siedlung über mehrere Jahrhunderte, so dass möglicherweise jeweils nur ein Gehöft, sicher aber nicht mehr als zwei oder drei gleichzeitig bestanden. Anders verhielt es sich mit Sicherheit

307

Abb. 10:  Papenburg-Aschendorf, Ldkr. Emsland, Grundrisse kleiner eisenzeitlicher Gebäude, G. Stahn (NLD), A. Hummel (denkmal3D).

308

nur in Hatzum-Boomborg. Hier sind innerhalb von fünf Siedlungsphasen der Eisenzeit durchschnittlich 15 Häuser belegt. Mitgezählt wurden dabei allerdings auch Gebäude ohne Stallteil, die vielleicht als große Nebengebäude gewertet werden müssen. Die größere Zahl von BewohnerInnen deutet hier auf andere Wirtschaftsformen und eine andere soziale Organisation als in den Einzelgehöften hin. Das gilt auch für die Siedlung Aschendorf im nördlichen Emsland (Fries, Hummel, Stahn 2012). Hier dokumentierte das NLD im Jahr 2011 auf rund 3 Hektar eine Siedlung der älteren Eisenzeit, die aus einer eher lockeren Streuung von Befunden bestand (Abb. 10). Darin ließen sich 15 kleinere Gebäude erkennen, die zwischen 4 und 13 Pfosten aufwiesen. Nicht alle von ihnen wurden vollständig erfasst, doch selbst bei großzügiger Rekonstruktion erreicht keines die Ausmaße der Gebäude, die in den anderen Siedlungen als Wohnhäuser interpretiert werden. Vergleichbar sind dort nur die kleineren Bauten, die üblicherweise als Speicher, Werkstätten und Scheunen angesehen werden. Diese liegen jeweils in unmittelbarer Nähe eines der Wohnhäuser und können zum Teil ­ ihnen zugeordnet werden. Die Grenzen der Siedlung in ­Papenburg-Aschendorf wurden nur zum Teil erfasst. Dennoch erhebt sich hier die Frage, ob es ­neben den

kleineren Gebäuden zusätzliche Wohnhäuser überhaupt gab. Falls ja, handelte es sich um Schwellbalkenhäuser, von denen keine Spuren im Boden erhalten blieben? Ausreichend Platz dafür wäre zwischen den dokumentierten Befunden vorhanden gewesen; Parallelen hierfür fehlen allerdings in Niedersachsen. Oder liegen die „Nebengebäude“ konzentriert abseits der Wohnhäuser? Dienten sie dann anderen Zwecken als in den übrigen Siedlungen? Haben wir es womöglich mit einer nichtagrarischen Siedlung zu tun, in der kleinere Gebäude zum Wohnen und Arbeiten aus­ reichten? Und was wurde dann dort produziert oder gehandelt? Das Fundmaterial unterscheidet sich nach einer ersten Durchsicht nicht von dem an den ­anderen genannten Fundplätzen. Das ungleiche Vorkommen von Gräberfeldern und Siedlungen im Raum Weser-Ems lässt sich durch Bautätigkeit, Forschungsgrabungen und Aktivitäten der Denkmalpflege zum guten Teil erklären. Andere ­Aspekte wie die Übereinstimmung von Haustypen mit der niederländischen Fundlandschaft und unterschiedliche Siedlungsgrößen und Formen sind bislang erst in Ansätzen erkennbar. Hier hilft es nur, wie in ­vielen anderen Fällen, auf weitere großflächige ­ Grabungen zu setzen.

309

Gemeinde Wiesens

Gemarkung in der Literatur unter

Nr. Kreis Aurich

Zahl Haustyp der Häuser 2

Aurich

1

Datierung

Grabung

Literatur

Schwarz 2002a, 145

Eckert 2002, 2003, 239241, 2007 Fries/Näth 2008 Zoller 1977

1979/80, 1996 2002 2008/09 1975

Fries 2012, 223 f.

dreischiffig, Typ äVEZ Hijken dreischiffig, Borger A? äVEZ m-jVEZ jVEZ

2011

Zoller 1983a, 344

1

jVEZ

1982

Zoller 1984, 378 f.

Cloppenburg

Lingen Meppen

jVEZ

1983

Cloppenburg Cloppenburg

2 Emsland Emsland

jVRZ

1980

Fundchronik 1980, 340 Maschmeyer 1984, 237-247 Fries 2009b

6-7 3

3 4

zweischiffig

2009

Bell 1942

2

1

1938

Maschmeyer 1986

Frenswegen

1

1

zweischiffig, Dalen

zweischiffig zweischiffig, Haps laut Zoller 1977 dreischiffig, einmal Typ Hijken oder Fochteloo zweischiffig, Haps laut Zoller 1983a

1

dreischiffig mit jVEZ-RKZ Wandgräbchen eines mit Wandgräb- jVEZ-RKZ chen, zwei dreischiffig dreischiffige, Hijken jVEZ-RKZ

1983

Wengsel

1

4

jVEZ-RKZ

1983

Baccum Meppen und Esterfeld Emslage Meppen

Meppen Emlichheim und Kleinringe NeerlageIsterberg Neuenhaus

Emsland

Neuenhaus Hestrup

5

Nordhorn Nordhorn

Quendorf

äVEZ_jVEZ äVEZ

2000, 2003 Schwarz 2004 2000/01 Schwarz 2002b Haarnagel 1989

1975 1984

Bärenfänger 2008

mindesten teilweise dreischiffig dreischiffig zweischiffig

BZ-äVEZ BZ-äVEZ äVEZ-RKZ

Brandt/Behre 1976 Vogt 1986 dreischiffig dreischiffig dreischiffig

dreischiffig

dreischiffig mit Wandgraben unklar dreischiffig 1 2 viele 1 1 1 1

Haarnagel 1969; Strahl 2010a

jVEZ-RKZ

1

Nordhorn

Jemgumkloster Bentumersiel HatzumBoomburg

Einswarden

jVEZ-RKZ 1970 jVEZ-RKZ 1971-73, 2006-2008 äVEZ1963-67 RKZ mit Unerbrechung äVEZ 2007

Maschmeyer 1984, 259264; Fansa 1986 Brand 1972, 155 Brandt 1977; Strahl 2010b

Lamberg

Quendorf

NeerlageQuendorf NeerlageQuendorf Holtgaste Holtgaste

Emlichheim und Ringe

Jemgum Jemgum

Hatzum

Grafschaft Bentheim

7 Grafschaft Bentheim 8 Grafschaft Bentheim 9 Grafschaft Bentheim 10 Grafschaft Bentheim 11 Grafschaft Bentheim 12 Grafschaft Bentheim 13 Leer 14 Leer Jemgum

Loga

6

15 Leer Leer

Isterberg

16 Leer

Oldendorp HolstenMündrup Burhafe Westerholt Blexen

Grasdorf-Moss

17 Leer Jemgum 18 Osnabrück Georgs­ marienhütte 19 Wittmund Wittmund 20 Wittmund Westerholt 21 Wesermarsch Nordenham

310

Anmerkungen 1 Für Unterstützung durch Literaturrecherche, Hinweise zur C14-Kalibrierung und Korrekturlesen danke ich Angela Gerdau, Jürgen Schneider (beide Oldenburg) und Julian Wiethold (Metz). 2 Allerdings reichte Nortmanns Forschungsgebiet etwas weiter nach Osten (Nortmann 1983: Abb. 1) und umfasste auch den Kreis Diepholz. Hier werden dagegen auch die Kreise Grafschaft Bentheim und Osnabrück erfasst; und das Emsland, das Nortmann nur zum Teil einbezog, wird vollständig betrachtet. 3 Als Häuser werden hier langrechteckige Pfostenbauten mit über 10 m Länge und mehr als 25 Pfosten verstanden. Da-

durch wurden manche als Grundrisse publizierten Befunde wie eine weitere Siedlung bei Jemgum (Haarnagel 1957) wegen zu geringer Größe ausgeschlossen. 4 Ein weiterer, bei Vogt 1999: 40, Nr. 124 genannter Fundort bei Quendorf, Lkr. Grafschaft Bentheim hat sich bei der jüngeren Auswertung durch F. Both (Both, Fansa 2003) als kaiserzeitlich erwiesen. 5 Kalibrierung mit dem Programm Calib Rev. 6.1.0 (Fortentwicklung von Stuiver, Reimer 1993), basierend auf dem ­Datensatz Intcal.09 (Reimer u.a. 2009) bei einer 2-Sigma Wahrscheinlichkeit. Innerhalb der 2-Sigma Spanne liegt die größte Wahrscheinlichkeit zwischen 540 und 410 v. Chr.

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Dr. Jana Esther Fries Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege Stützpunkt Oldenburg Ofener Straße 15 26121 Oldenburg

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R. Karl, J. Leskovar [Hrsg.] (2013), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 37, Linz, 315–324.

Zwischen Sachhaltigkeit und Projektion Ergebnisse einer Besucherbefragung in der Ausstellung „Keltenland am Fluss“ im Schlossmuseum Aschaffenburg Matthias Jung

Zusammenfassung Vorgestellt werden exemplarisch Ergebnisse einer Besucherbefragung, die in der Sonderausstellung „Keltenland am Fluss“ im Schlossmuseum Aschaffenburg durchgeführt wurde. Dabei wurden keine Fragebogen an die Besucher verteilt, sondern kurze Gespräche mit Besuchern geführt und aufgezeichnet, deren Anknüpfungspunkt ein Exponat war, mit dem sie sich in der Ausstellung von sich aus länger befassten, was eine Beobachtung des Besucherverhaltens voraussetzt. Im Mittelpunkt des Beitrag steht die Rekonstruktion einer gelungenen, gegenstandsangemessenen Rezeption, die quantitativ eine Ausnahme darstellt und mit gegenstandsverzerrenden Rezeptionen kontrastiert wird. Abstract In my paper, exemplary findings of a survey of visitors of the special exhibition „Keltenland am Fluss“ are presented. In contrast to standard procedures, the investigation was not based on questionnaires, but on short interviews with visitors. An exhibit they showed interest in was taken as a point of departure, which requires previous observation of visitors behaviour. The paper focuses on reconstructing a succeeding and appropriate reception that has an exceptional character and is to be discussed in contrast with distorting receptions.

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Zugänge zum Rezeptionsverhalten von Museums- und Ausstellungsbesuchern Tenor der Forschung, die sich den Besuchern von Museen und Ausstellungen widmet,1 ist die Enttäuschung darüber, wie wenig die Anstrengungen der Ausstellungsmacher im Handeln der Besucher einen Niederschlag finden, wie wenig die unterbreiteten Angebote auf ein mehr als nur oberflächliches Interesse stoßen. Man könnte sagen, dass das Entsetzen über das Verhalten der Besucher in dem Maße steigt, in welchem ihre faktische Rezeption jenseits der stereotypen Wendungen, die sie in Bewertungsfragebogen einzutragen pflegen, in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt.2 Wenn die etablierten standardisierten Techniken der Befragung von Besuchern dafür ungeeignet sind, die Rezeptionsweisen selbst zu erschließen und sie gewissermaßen in actu zu verfolgen, wie könnten Alternativen der Datenerhebung und -auswertung beschaffen sein? Eine erste Annäherung ermöglichen bereits Beobachtungen des Besucherverhaltens und das Konstatieren der bloßen Verweildauer vor den Exponaten. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig rekurriert auf die von dem Psychologen D. E. Berlyne (1974) formulierte und von Rolf Klein (1989) für die Besucherforschung fruchtbar gemachte Unterscheidung von perzeptueller und epistemischer Neugier. Perzeptuelle Neugier richtet sich auf die kog­ nitive Einordnung aktueller Wahrnehmungsinformationen, etwas Unbekanntes ist zum Gegenstand der Wahrnehmung geworden und bedarf einer klassifizierenden Identifizierung. Die perzeptuelle Neugier ist verschwunden, wenn das Unbekannte dem schon Bekannten subsumiert ist, dieser Vorgang entspricht dem, was in der Entwicklungspsychologie Piagets unter Assimilation verstanden wird: die angleichende Einordnung des Neuen in das vorhandene Wahrnehmungsschema. Demgegenüber ist das Ziel epistemischer Neugier ein Erkenntnisgewinn, hier werden die vorhandenen Wahrnehmungsschemata auf der Grund­lage neuer Evidenzen modifiziert oder revidiert. Dieser Neugier korrespondiert bei Piaget die Akkomodation, deren Voraussetzung ist, dass das Neue als Neues auch tatsächlich erschlossen wird, was weitaus aufwendiger ist als eine bloße Subsumtion unter die bewährten Wissensbestände. Ihr gemäß ist ein müßiges,

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das heißt handlungsentlastetes, versenkendes Betrachten eines Objekts zur Maximierung der Chance, an ihm etwas Neues zu entdecken. Nimmt man die Verweildauer vor den Exponaten als Indikator, so dominiert in Museen und Ausstellungen bei weitem der Modus der perzeptuellen Neugier: „Die durchschnittliche Fixierungszeit von 8–9 Sekunden erweist sich (…) als eine überraschend konstante Größe, die nicht durch die Art der Museumsobjekte, nicht durch den Umfang der Sammlung, nicht durch das Geschlecht und nicht durch das Alter der Besucher beeinflußt wird. Sie repräsentiert somit eine ­ stabile Aneignungsgewohnheit gegenüber Sammlungen musealer Objekte“ (Klein 1989: 118f.). Dieser Befund provoziert die Frage, weshalb die Besucher überhaupt Ausstellungen aufsuchen, wenn sie nicht bereit oder nicht dazu in der Lage sind, sich im Modus der epistemischen Neugier den Objekten zu nähern. Diese ­Frage kann hier nicht beantwortet werden, festzuhalten ist aber, dass gerade auch das Dispositiv des Museums häufig dazu beiträgt, die unter Umständen beunruhigende und quälende epistemische Krise gar nicht erst aufkommen zu lassen.3 Krisen der perzeptuellen Neugier sind unproblematischer insofern, als sie durch ihre schnelle Lösung einen durchaus als angenehm empfundenen „Augenkitzel“4 bewirken können. Wie sich nun aber tatsächlich die Rezeption gestaltet, vermag eine bloße Besucherbeobachtung nicht zu ergründen. Fragebogen evozieren im Normalfall nur die Produktion von Artefakten seitens der befragten Besucher, während die Konsultation des Besucherbuches5 Äußerungen erfasst, welche sie von sich aus formulieren, das heißt ohne einen vorgegebenen Stimulus. Die generellen Vorteile, den derartige natürliche Praxisprotokolle gegenüber erhobenen Daten haben, nämlich die Vermeidung der mit artifiziellen Fragebogenerhebungen verbundenen Verfälschungen sowie die Spontaneität, mit denen die Einträge verfasst werden, wird jedoch dann konterkariert, wenn die sich Äußernden Idiosynkrasien in Gestalt sie umtreibender Anliegen und Probleme auf die Exponate projizieren. Man erfährt dann zwar ­etwas über diese Idiosynkrasien, die das Objekt der Rezeption aber von vornher-

Abb. 1:  Rekonstruktion des Wagengrabes von Offenbach-Rumpenheim (nach Weber 2006: 15).

ein entstellen. Insofern habe die Einträge eine gewisse Ähnlichkeit mit Leserbriefen und Einlassungen in Internetforen (vgl. Jung 2010: 258–292). Sehr fruchtbar erschien mir immer der von dem ­Soziologen Thomas Loer (1996) bei der Erforschung der Rezeption von Werken der bildenden Kunst verfolgte Ansatz, der darin besteht, kurze Interviews mit Besuchern zu führen, deren Anknüpfungspunkt ein Exponat bildet, mit dem sie sich aus eigenem Interesse in einer Ausstellung länger befasst haben. Dieses vergleichsweise einfache und untechnische Vorgehen hat zwei Voraussetzungen. Zum einen muss man den Gegenstand in seiner Bedeutungsstruktur bereits erschlossen haben, denn nur vor diesem Hintergrund lässt sich beurteilen, ob die Rezeption ihm angemessen oder aber verzerrend ist. Da solche Bedeutungsrekonstruktionen aufwendig sind, kann man sie nur jeweils für einige wenige Objekte oder Objekt­ensembles durchführen, und das hat zum anderen zur Folge, dass man unter Umständen längere Zeit warten muss, bis sich ein Besucher hinreichend ausführlich mit diesem beschäftigt und sich dann auch noch zu einem Gespräch bereiterklärt. Die Gelegenheit, das Vorgehen Loers an Besuchern einer archäologischen Ausstellung zu er-

proben, ergab sich 2010 im Rahmen der Sonderausstellung „Keltenland am Fluss“ im Schlossmuseum Aschaffenburg. Freilich stehen die Exponate einer solchen Ausstellung in einem anderen Zusammenhang als autonome Werke in Kunstmuseen, die Differenz der Rezeptionsweisen ist aber nur eine graduelle, denn nähert man sich archäologischen Objekten mit epistemischer Neugier, so muss man sie zwar nicht als, aber doch wie Kunstwerke betrachten.6 Nahe­liegend war die Wahl eines Ausstellungsstückes, das vergleichsweise komplex ist und beispielhaften Charakter hat. So empfiehlt auch Rolf Klein zur Stimulierung der epistemischen Neugier die herausgehobene Platzierung eines Exponates, „das wegen seiner gattungsmäßigen, historischen oder kulturellen Repräsentanz eine exemplarische Funktion erfüllen kann“ (Klein 1989: 121), außerdem sind dem Besucher Informationen in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Diese Kriterien erfüllt das letztlich ausgewählte Ausstellungsstück, das sich zu einer verweilenden Betrachtung geradezu aufdrängte, nämlich die Rekonstruktion der Ausstattung des späthallstattzeitlichen Wagengrabes von Offenbach-Rumpenheim, einer Leihgabe des Offenbacher Hauses für Stadtgeschichte

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(Abb. 1).7 Dieser eindrucksvolle, farbenprächtige und durch seine partielle Verhüllung potentiell neugierig machende Komplex beherrschte den Raum, in dem er nahe der Tür aufgestellt war, und man konnte vermuten, dass er als Blickfang die Aufmerksamkeit der Besucher erregen würde.8 Weder die Ergebnisse der Beobachtung des Bewegungsverhaltens der Besucher noch die ihrer Befragung9 können Repräsentativität beanspruchen, es zeichnen sich aber doch einige Tendenzen und wiederkehrende Muster ab. Erstaunlich an der Bewegung der Besucher durch die Ausstellungsräumlichkeiten, die über einen Zeitraum von fünf Stunden verfolgt wurde, war zunächst, dass sie sich nahezu ausnahmslos nach Betreten des Raumes nicht zu der ihn dominierenden Wagengrabrekonstruktion begaben, sondern das in den Vitrinen Ausgestellte anschauten und erst am Ende ihres Rundgangs durch den Raum zu dem Wagengrab gelangten. Trotz dieser systematisch und diszipliniert erscheinenden Vorgehensweise war die Verweildauer vor den Objekten und Beschreibungen im Regelfall gering und bemaß sich nach wenigen Sekunden. Seiner raumgreifenden sinnlichen Präsenz ungeachtet, warfen viele Besucher auch der Rekonstruktion des Rumpenheimer Befundes nur einen Blick im Vorübergehen zu. Im Ganzen hatte die Vollständigkeit, das heißt der Anspruch, alle Exponate gesehen zu haben (und sei es auch noch so kurz), eindeutig Vorrang vor der Intensität der Beschäftigung mit ihnen. Die von perzeptueller Neugier geleiteten Besucher ließen sich dabei nicht etwa „treiben“, indem sie sich in die Räume begaben und sich dann Objekten zuwandten, die sie spontan interessierten und ansprachen, die Oberflächlichkeit der Beschäftigung mit ihnen war vielmehr eingebettet in ein systematisches Abarbeiten des Ausgestellten. Wie sich bei den Befragungen herausstellte, war eine häufige Folge dieser nur flüchtigen Betrachtung, dass alle im Raum versammelten Objekte, auch beispielsweise die in die Spätlatènezeit zu datierenden, auf das Wagengrab bezogen wurden, die Besucher also davon ausgingen, auch sie wären Teil der Rumpenheimer Totenausstattung gewesen – ein Missverständnis, das von den Kommentierungen der Gegenstände, die deutlich auf die unterschiedlichen Fundorte und Datierungen hinwiesen, in keiner Weise nahegelegt wurde. Als Ergebnis der Befragung ist

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festzuhalten, dass kaum je der Ausstellungsbesuch Anlass zu einer substanziellen Veränderung des Wissens über die „Kelten“ war – diejenigen, die schon zuvor eine differenzierte Vorstellung von den eisenzeitlichen Kulturen hatten, konnten das Gesehene und Gelesene darin einordnen und ihm darüber hinaus neue Aspekte hinzufügen, diejenigen aber, deren Vorstellungen mystifizierend, klischeegeprägt oder einfach falsch waren, revidierten in der Ausstellung nicht ihre Vorstellungen, sondern assimilierten umgekehrt die für sie neuen Informationen an diese, obwohl die Ausstellung für sich genommen gut dazu geeignet gewesen wäre, eingefahrene Vorstellungen über die „Kelten“ aufzu­ brechen, weil sie einerseits die ästhetischen Qualitäten vieler Objekte zur Geltung brachte, andererseits aber der Sachhaltigkeit verpflichtet war und nicht einer Mystifizierung der eisenzeitlichen Kulturen das Wort redete. Das Fazit der Befragung mag ernüchternd klingen, liegt aber durchaus auf der Linie dessen, was nach Ausweis der Forschung ein typisches Rezeptionsmuster von Museums- und Ausstellungsbesuchern ist. Der von perzeptueller Neugier geleiteten subsumtiven Einstellung gegenüber den Objekten entspricht das Phänomen der Halbbildung im Sinne von Theodor W. Adornos „Theorie der Halbbildung“ (1972): Dem Halbgebildeten verstellen seine kognitiven Schemata den Gegenstand, anstatt ihn aufzuschließen, während im Unterschied hierzu der Gebildete, der sich die für die epistemische Neugier notwendige Muße10 einzurichten versteht, trotz der von ihm akkumulierten Wissensbestände zu einer lebendigen Erfahrung und damit zu epistemischer Neugier fähig ist.11 Es besteht daher keine Kontinuität von der Halbbildung zur Bildung, Halbbildung ist keine halbierte Bildung, sie ist Gegenteil von Bildung überhaupt. Der Halbgebildete kann den Phänomenen nicht unvoreingenommen gegenübertreten, er kann sie nur klassifizieren: „Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe der Bildung sondern ihr Todfeind“ (Adorno 1972: 111). Was lässt sich in Anbetracht dieser Befunde tun? Eine kulturkritische Dramatisierung wäre sicher ebenso verfehlt wie ein postmoderner Relativismus, der die in den unterschiedlichen Aneignungsweisen der jeweils ihre eigenen „Agenden“ mit- und einbringenden Besucher sich ausdrückende Kreativität und

Phantasie überhöhend feiert.Wenn überhaupt, vermögen meines Erachtens nur gute Führungen Abhilfe zu schaffen, das heißt Führungen, die sich nicht im standardisierten Referieren von Fakten erschöpfen, sondern die maieutisch an dem Vorwissen der Besucher ansetzen und es zum Ausgangspunkt der Darstellung machen. Damit soll aber durchaus nicht einer „Man muss die Leute da abholen, wo sie stehen“-Ideologie das Wort geredet werden, welche, um im Bild zu bleiben, die Selbstverantwortung der Individuen dafür, wo sie stehen, vollständig dementiert und damit die unter Umständen anstrengende Eigenleistung negiert, derer es bedarf, will man sich die Exponate aneignen. Empirische Befunde 1: Das Besucherbuch Das im Besucherbuch zur Ausstellung Vermerkte entspricht weitgehend dem oben zu dieser Textform Ausgeführten. Im Folgenden werden die auf die Ausstellung inhaltlich Bezug nehmenden Einträge kurz typisiert und an prägnanten Beispielen erläutert, wobei die Typologie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern heuristischen Zwecken dient.12 Die Einträge des ersten Typs thematisieren die Machart der Ausstellung, in ihnen spiegelt sich die Tatsache, dass man es grundsätzlich nicht allen Besuchern gleichermaßen recht machen kann: „Danke, dass man nicht ‚zu Boden gehen‘ muss, um die Beschriftung zu lesen“ vs. „Die Beschriftung der einzelnen Vitrinen ist sehr schlecht gelöst, da die Schilder zu hoch hängen“. Den zweiten Typ machen Äußerungen eines naiven Staunens über das Gesehene aus: „Unglaublich, dass hier Kelten gewesen sind! Sehr belehrend!“ oder: „Ich finde es interessant, dass die Kelten damals auch Schmuck, wie beispielsweise Ohrringe hatten. Ich dachte immer, es sind nur Leute, die sich nicht um das Aussehen kümmern. Man kann auch gut sehen, dass sie viel gekämpft haben, durch die Waffen. Sie waren auch schlau!!! Das habe ich hier entdeckt“. In Einträgen des dritten Typs werden Desiderata angemahnt: „Es gab auch KriegerInnen! Riga ‡ Brigitte ‡ Göttin der Dichtkunst, der Schmiede und Heilkunst.Auch des Kampfes! Boudicca – eine keltische Fürstin – die selbst den überlegenen Römern im Kampf entgegentrat, nachdem diese ihre Töchter vergewaltigt hatten. Bitte ergänzen und eigene zeitgeprägte Brille putzen. Danke“ oder

„Schade, dass nicht viel zur Religionsausübung und zur Stellung der Frau in der keltischen Gesellschaft gesagt wurde“. Der vierte Typ umfasst die Ausstellung in ihrer Gesamtheit bewertende Wortmeldungen: „Es ist eine sehr wertvolle ‚geschichtsträchtige‘ Ausstellung (es steckt viel Arbeit dahinter, viele Gespräche etc.)“, der fünfte Typ schließlich bezieht sich auf Einträge mit appellativem Charakter wie etwa: „Multikulti – die Kelten haben es vorgelebt.Verschließen wir uns nicht vor dem Fremden“.Wie wenig diese Kommentare vor allem des zweiten, dritten und fünften Typs mit einer sachhaltigen Rezeption des Ausgestellten zu tun haben, ist offensichtlich, bei ihnen wird besonders deutlich, wie die Voreinstellungen und Präokkupationen der Besucher einen unvoreingenommenen Blick auf die Objekte unmöglich machen. Empirische Befunde 2: Das Interview mit einer Besucherin Stets ist es vergleichsweise einfach, das Misslingen von Rezeptionen aufzuzeigen.Wie dagegen die Ausdruckgestalten gelungener, in ihrer Gelungenheit aber unauffälliger Rezeptionen beschaffen sein können, bedarf einer mikrologischen Rekonstruktion der Besucheräußerungen; eine solche kann hier aus Platzgründen nicht vorgelegt werden, daher beschränkt sich das Folgende auf eine sehr abgekürzte und kursorische Darstellung von Ergebnissen der Auswertung eines Interviews mit einer Besucherin.13 Die bei der Auswertung angewandte Methode war die der Objektiven Hermeneutik14, die, anders als die klassischen, „subjektiven“ Hermeneutiken, deren Ziel es ist, die Binnenperspektive handelnder Subjekte und ihren „subjektiv gemeinten Sinn“ nachzuvollziehen, die faktische, ­regelerzeugte Bedeutung von (Sprech-)Handlungen rekonstruiert und erst vor diesem Hintergrund Intentionen, Dispositionen, Präferenzen etc. der Handelnden erschließt. Geboten ist der Einsatz einer solchen mikrologisch prozedierenden Methode schon deshalb, weil sich die hinter den Bewertungen stehenden ­Motive der Besucher jenseits ihrer „offiziellen“ Selbstauskünfte häufig einer einfachen Abfragbarkeit entziehen, es sich um ein „schweigendes“, habitualisiertes Wissen handelt, das einer Rekonstruktion bedarf. Das Interview wird im Folgenden in Gänze wiedergegeben.15

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I: Also sie ham sich die Ausstellung sehr ausführlich angekuckt (B: ja mhm) „Ja mhm“ verweist darauf, dass diese Einschätzung des Interviewers auch dem Selbstbild der Besucherin entspricht. und gelesen was da steht Demnach hat sie sich nicht nur den sinnlichen Eindrücken hingegeben, sondern auch die bereitgestellten Kontextinformationen herangezogen. (.) äh ham sie (.) äh en plastischen Eindruck gewonnen von den Kelten oder Diese Frage zielt letztlich auf die von der Befragten ­erbrachten Syntheseleistung, sie ist einerseits relativ ­offen und lässt ein breites Spektrum an Antworten zu, andererseits könnte sie insinuieren, es sei die Auf­ gabe derartiger Ausstellungen, „plastische Eindrücke“ zu vermitteln. Diese Implikation ist aber unproblematisch insofern, als die Antwort als Reaktion auf diese Frage zu interpretieren ist. B: Ja schon, Die Antwort ist nicht affirmativ, sondern überlegend, sie macht zugleich einen gewissen Vorbehalt geltend. obwohl ich schon öfter was gesehen hab, ne Mit diesem Konzessivsatz gibt die Besucherin zu verstehen, dass sie auf Vorwissen aufgrund vorangegangener Ausstellungsbesuche zurückgreifen kann, die Plastizität ihres Eindrucks verdankt sich also nicht nur dem Besuch dieser Ausstellung. I: Ja (.) äh sind sie von Fach? Der Interviewer interveniert hier schnell, weil diese Fraglichkeit für den weiteren Verlauf des Interviews entscheidend ist. B: Nein, neinnein, einfach nur interessierter Laie, (I: ja) Das ist ein vergleichsweise energisches Dementi, sie betont einerseits ihren Laienstatus, ohne aber andererseits von sich aus die Hintergründe ihres Interesses zu benennen. und wenn etwas läuft über Kelten Germanen# also Frühgeschichte interessiert mich einfach sehr. Sie sagt zunächst nicht, ein Interesse an Archäologie zu haben und deshalb archäologische Ausstellungen zu frequentieren, sondern sie führt explizit Kelten und Germanen an, was auf etwas naive, vorwissenschaftliche Motive verweisen könnte, allerdings könnte dies auch ein Reflex der typischen Bezeichnungen derartiger Ausstellungen sein, in denen sich solch simplifizie-

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rende Zuspitzungen regelmäßig finden. „Etwas läuft“ meint das Okkasionelle von Ausstellungen, es deutet darauf hin, dass ihr Interesse wesentlich über Ausstellungsbesuche vermittelt ist, die immer auch einen gewissen Ausflugscharakter haben. Sie bricht diesen Satz ab, möglicherweise weil ihr das Unangemessene des Okkasionellen und „Event“-Vermittelten in ihrer Äußerung aufgefallen ist. Stattdessen resümiert sie nun, „Frühgeschichte“ interessiere sie „einfach“ sehr. (I: mhm) Wir waren damals in der ersten Ausstellung in ­diesem Keltenfürst in Hochdorf, „In diesem Keltenfürst in Hochdorf“ gleicht den Ausstellungsbesuch einem Kinobesuch an, es verrät zugleich auch Distanz zu den effektheischenden Ausstellungstiteln. Worauf das „wir“ referiert, ist aus dem Kontext nicht ersichtlich, da sie die Aschaffenburger Ausstellung offensichtlich allein besucht hat. Die sparsamste Lesart besteht darin, dass sie damit sich und ihren Partner und eventuell ihre Kinder meint. die war in Köln oder so (I: ja, ja) das war ja auch sehr# wirklich sehr impressive, Wieder nimmt sie eine sprachliche Korrektur vor, von „auch sehr“ zu „wirklich sehr“, sie ist um Genauigkeit bemüht. Der Besuch der Kölner Ausstellung war offenbar ein herausgehobenes, für die Verstetigung ihres Interesses wichtiges, vielleicht initiales Ereignis. und da ich hier nicht weit weg wohne, und dann hab ich mir halt die Zeit genommen. Das muss sich auf die Aschaffenburger Ausstellung beziehen, sie gibt damit zu verstehen, dass Zeit auch ein knappes Gut ist und ein derartiger Ausstellungsbesuch anderen Verpflichtungen abgerungen werden muss. I: Ja. In Köln, das ist schon lange her, das war 86 B: Genau, ja (.) Der Interviewer dokumentiert Bescheidwissen, und die Besucherin kann sich, wie ihre Bestätigung zeigt, nach fast 25 Jahren noch daran erinnern, in welchem Jahr die Ausstellung in Köln stattfand, was die Annahme eines für sie wichtigen Ereignisses bestätigt. ja, das war glaub ich das erste Mal, dass ich sowas gesehen habe, (I: ja) Keltenfürsten, mhm Hier benennt sie selbst ausdrücklich die Bedeutung dieses Ausstellungsbesuches. Nebenbei bemerkt, ist es eine Stärke der sequenziell prozedierenden objektiv-hermeneutischen Analyse, dass Hypothesen an unscheinbaren Stellen gebildet werden, und „schö-

ne“ Stellen wie diese, an denen Befragte sich explizit zu dem Gegenstand der Hypothesen äußern, dienen dann ihrer Erhärtung oder Falsifikation. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, Explikationen geradezu zu erzwingen und damit die Chance zu maximieren, ­etwas genuin Neues, von den Auswertenden nicht Antizipiertes zu entdecken. I: Und sind sie jetzt extra wegen der Keltenausstellung hierhergekommen oder B: Im Prinzip schon, ja, mhm Wieder macht die Besucherin einen kleinen Vorbehalt geltend, im Prinzip ist sie eigens wegen der Ausstellung gekommen, was ein Goutieren der beabsichtig­ten oder auch unbeabsichtigten Nebenfolgen einer solchen Unternehmung im Sinne des erwähnten Ausflugscharakters nicht ausschließt. I: Mhm, und sie ham sich auch zum Beispiel das Wagengrab angeschaut (B: mhm) und gelesen, ham sie da ne plastische Vorstellung gewonnen, also von dem Leben (.) zum Beispiel (.) des Toten oder Etwas bemüht versucht der Interviewer, zu dem ­Wagengrab überzugehen, wobei er seine Formel von der „plastischen Vorstellung“ erneut aufgreift. B: [überlegend] Ja ich denke halt, dass damit symbolisiert werden soll, dass er eben halt äh (..) wichtig war ne, (I: mhm) dass er wahrscheinlich die leitende Stellung hat, In dieser Äußerung dokumentiert sich ihr Bemühen um Differenzierung, sie reproduziert keine angelesenen Stereotype. ob er jetzt Fürst hieß oder wie auch immer ist ja egal, (I: mhm) das soll damit demonstriert werden. Damit geht sie auf Distanz zu der „Fürsten“-Terminologie und dem sich damit verbindenden Komplex. Ich weiß jetzt nich, was wirklich davon erhalten ist, das ist ja nur ne Nachbildung, (I: ja) aber ich denke schon, dass es (.) beeindruckend ist. Aber wie der jetzt letztendlich gelebt hat, kann ich mir natürlich jetzt nicht so vorstellen, da ist natürlich vieles denk ich mir spekulativ. Sie argumentiert differenziert und erliegt nicht der Suggestivität der Rekonstruktion des Wagengrabes. I: Mhm, mhm.Wie ist ihr Eindruck von der Ausstellung, das ist ja ne relativ kleine (B: ja gut) und viele ähm Der Interviewer agiert hier etwas ungeschickt, es gelingt ihm nicht, sachhaltig an das von der Befragten Geäußerte anzuschließen und sie zu weiteren Explikationen zu dem Wagengrab anzuhalten, deshalb wechselt

er das Thema und fragt nach ihrem Gesamteindruck von der Ausstellung. Wie ihre Intervention „ja gut“ zeigt, ist die angesprochene Kleinheit der Ausstellung kein Einwand für sie, es geht ihr nicht um das Spektakuläre, quantitativ Überwältigende als Selbstzweck. B: Es ist regional. (I: ja) Ich erwarte da jetzt nicht äh äh dass ich da den ganzen Tag mich mit beschäftige, (I: mhm) aber ich find, das ist eigentlich ok, weil ich finde, wenn’s zuviel wird, dann wird’s irgendwann (.) auch dann langweilig, ne, also ich finds ja gut, weil’s halt den Eindruck erweckt, was eben jetzt hier in der Region gefunden halt worden ist &(uv)& Diese Regionalität und der damit möglicherweise verbundene unspektakuläre Charakter der Exponate ist für sie nicht Anlass für eine Beanstandung, er macht im Gegenteil gerade die Interessantheit der Ausstellung aus. I: &Sind ja auch viele Einzelobjekte&, (B: genau, so kleine) und das ist auf die Dauer ermüdend, wenn das zuviel ist. Der Interviewer stößt mit dieser Bemerkung in dasselbe Horn wie die befragte Besucherin. B: Ich mein, es bringt nix, ich meine ich denke, wenn man zehn Fibeln sieht, reicht’s, (I: genau) man muss nicht 200 sehen (I: ja) also so seh ich’s. Diese Haltung entspricht exakt dem von Loer (1996: 250–276) rekonstruierten Rezeptionsmuster der „autonomen Selektivität“, einer gezielten Selbstbeschränkung auf die intensive Betrachtung einiger weniger Exponate, im Unterschied zum „Exhaustionsprogramm“, das durch das Bestreben gekennzeichnet ist, alle Exponate in Augenschein zu nehmen, auch wenn die damit verbundene Flüchtigkeit eine gegenstandsangemessene Rezeption von vornherein unmöglich macht. I: Mhm. Und ähm (.) ihr Interesse an den Kelten, wie äußert sich das, also durch Museumsbesuche und auch durch Lektüre und äh B: Jaja, jaja, doch schon, mhm, meistens nehm’ ich mir immer irgendwas mit und (I: mhm) les es denn oder ich hol mir auch ganz gern die Ausstellungskataloge, (I: mhm) dass man einfach zuhause noch mal so (I: mhm) durchschauen kann. Führend sind aber doch, wie oben bereits vermutet, die Ausstellungsbesuche, denn sie bilden den Anlass dafür, dass die Besucherin Publikationen wie die Ausstellungskataloge erwirbt, nicht erwacht umgekehrt ihr Interesse an Ausstellungen durch Lektüre. Die Formulierungen „nehm’ ich mir immer irgendwas mit“ und

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„noch mal so durchschauen“ indizieren eine gewisse Beiläufigkeit, ernsthaftes und gewissenhaftes Studium der Fachliteratur ist ihre Sache anscheinend nicht. I: Mhm, mhm, und sie kommen hier aus der Nähe B: Aus Würzburg I: Ach so, das ist ja B: Ja klar, nicht so weit Diese Frage ist redundant, die Besucherin hat ja bereits gesagt, in der Nähe des Ausstellungsortes Aschaffenburg ansässig zu sein. Dass der Interviewer sie hier trotzdem stellt, ist wohl einer gewissen Verlegenheit geschuldet, da er über keine Frage verfügt, die inhaltlich an das von ihr Geäußerte anknüpft. I: Mhm, und wissen Sie, woher das kommt, ihr Interesse an den Kelten (.) oder an der Frühgeschichte? Dies schließt nun tatsächlich an eine noch im Raum stehende Fraglichkeit an, nämlich aufgrund welcher Dispositionen sich ihr Interesse, das sie zuvor als für sie nicht weiter erklärungsbedürftig deklariert hat („also Frühgeschichte interessiert mich einfach sehr“), sich bei ihr lebensgeschichtlich konfigurierte. B:Weil ich mich überhaupt glaub ich für Geschichte interessiere, generell (I: ja) (..) &also wenn irgend#& I: &Nun ist die Archäologie& noch mal was Besonderes, (B: ja, ist was anderes) also ne besondere Sparte Die von ihr gegebene Antwort verschiebt die Fraglichkeit allerdings nur, deshalb interveniert der Interviewer recht schnell, indem er das Eigentümliche der Archäologie als historischer Disziplin akzentuiert. Die Besucherin stimmt ihm darin zu, sie ist sich über die Sonderstellung der Archäologie im Kanon der Geschichtswissenschaften im Klaren, und man kann nun eine Erläuterung ihrer speziellen Affinität zu dieser erwarten. Bemerkenswert ist ihre implizite Korrektur der Bemerkung des Interviewers: Während er von der Archäologie als „was Besonderes“ spricht, klassifiziert sie diese lediglich als „was anderes“, die in der Inter­viewerformulierung angelegte tendenzielle Veräußeralltäglichung der Archäologie nimmt sie damit zurück. B: Im Prinzip interessier ich mich da sehr für, wir sind zum Beispiel letztes Jahr# bin ich mit meinem Mann# hab ich meinen Mann# also meinen Mann schlepp ich durch solche Ausstellungen (I: mhm), und wir fahren auch ganz gern zu irgendwelchen Ausgrabungsstätten. (I: ja) also ich, und letztes Jahr waren wir halt in Halle, äh weil ich gerne die (I: ja, ja)

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Himmelsscheibe von Nebra anschauen wollte, und ich mach das ganz gern mit meinem Mann Die Erwartung bezüglich einer Erläuterung ihrer ­Motive für das Interesse an der Archäologie wird nicht erfüllt, sie betont zunächst ihr grundsätzliches Interesse, führt aber dessen Hintergründe nicht aus, sondern geht zu einem Beispiel über. Die Häufung von Passagen, in denen sie der Aufforderung des Interviewers zur Darlegung ihrer Motive nicht nachkommt bei einer prinzipiellen Bereitschaft, sich auf ein Gespräch mit diesem einzulassen, lässt darauf schließen, dass ihr ihre Motive nicht bewusst sind, sie keinen reflexiven Zugang zu ihnen hat. Ironisierend thematisiert sie die Tatsache, ihren Mann zu Ausstellungen und Ausgrabungsstätten „mitzuschleppen“, was man wohl so interpretieren darf, dass ihm weniger an der Sache selbst als dem Ausflugscharakter gelegen ist. Jedenfalls kultiviert sie ihr Interesse an der Archäologie nicht in strikter Abgrenzung von ihm, sondern lässt ihn Teil haben.16 I: Ja, ja, aber ihr Mann ist heute nicht mit Der Interviewer gibt auf, was die Abfragbarkeit ihrer Motive angeht, er kommt stattdessen auf den Mann der Besucherin zu sprechen und fragt indirekt, weshalb er sie nicht auch in die Aschaffenburger Ausstellung begleitet hat. B: Nein (I: nee), der interessiert sich jetzt nich so, na, sagen wir mal, er fährt mit, weil ich’s möchte (I: mhm, ok) [beide lachen] Vielleicht war der Ausflug aufgrund der Nähe des Wohnortes für den Mann nicht interessant genug, während umgekehrt seine Frau auch keinen gesteigerten Wert auf sein Mitkommen legte, so dass sie sich diesmal allein auf den Weg machte. I: Ja, wunderbar, vielen Dank B: Gern geschehen ne, schönen Tag noch. Der Interviewer beendet das Gespräch, sein „wunderbar“ wird sich nicht auf das unmittelbar zuvor über den Mann Gesagte beziehen, sondern auf das Interview insgesamt, womit er signalisiert, dass die Bereitschaft der Besucherin, sich befragen zu lassen, nicht vergeblich war. Ich belasse es hier bei dieser rohen Interpretationsskizze in der Hoffnung, wenigstens ansatzweise anschaulich gemacht zu haben, dass bei der Besucherin das vorhandene Vorwissen zum Komplex „Kelten“

nicht die Exponate der Ausstellung verstellt, indem es Kategorien bereithält, unter die das Gesehene einfach subsumiert werden kann, vielmehr ermöglicht es ihr das Vorwissen, sich das Neue aneignend zu erschließen. Gleichzeitig ist vielleicht deutlich geworden, wie mühsam es ist, dem faktischen Rezeptionsverhalten von Ausstellungsbesuchern auf die Spur zu kommen.

Ein solch mikrologischer Zugang ist aber nicht nur notwendige Bedingung dafür, etwas über in ihrer Gestaltrichtigkeit unauffällige Rezeptionen zu erfahren, mit ihm können auch gestaltverzerrende Rezeptionen in ­ ihrer jeweiligen Motivierung verstanden werden, ohne dass sie nur einfach kopfschüttelnd als Fehler abgetan werden.

Anmerkungen 1 Für einen Überblick vgl. Kirchberg 2010; Reussner 2010; Treinen 1988; Wegener 2010. 2 Exemplifiziert sei dieser Befund anhand einer naturkundlichen Ausstellung, dem Nationalparkzentrum Wilhelmshaven „Das Wattenmeerhaus“ (Paatsch 1998). In der mit großer Mühewaltung eingerichteten Abteilung „Vögel im Watt“ werden in zwölf Vitrinen zwölf Vögel vorgestellt, die von den Verantwortlichen formulierten Ziele bestehen in einem Informieren über die Bedeutung des Wattenmeeres für die Vogelwelt, der Vermittlung eines Eindruckes von deren Vielfalt sowie dem Anregen eigener Beobachtungen (Paatsch 1998: 163). Die an dem Besucherverhalten abzulesende Minimalbedingung für das Erreichen dieser Ziele war die folgende: „Nur die Besucher, die beim Gang durch die Ausstellung mindestens drei Vogelexponate länger angeschaut und mindestens einen Text gelesen haben, sind nach unserem Verständnis dabei, einen Zugang zum Gezeigten zu finden. Das heißt: Nur diejenigen, die dieses Kriterium erfüllen, haben sich wenigstens ein Stück weit auf die angebotene Entdeckungsreise durch die Vogelwelt des Wattenmeeres eingelassen“ (Paatsch 1998: 164). Das Ergebnis ist ernüchternd: „Legt man diese Kriterien zugrunde, so ergibt sich folgendes Bild vom Verhalten der beobachteten 181 Besucher: Nur eine Minderheit von 27 Personen hat die Vogel-Ausstellung tatsächlich in der von uns definierten Weise erkundet. Die große Mehrheit ist ohne längere Stops lediglich durch die Ausstellung geschlendert und/oder hat sich den anderen im Raum angebotenen Medien (…) zugewandt“ (Paatsch 1998: 164f.). Die Ursache hierfür liegt aber nicht in einer grundsätzlichen Ablehnung der Ausstellungen durch die Besucher, denn einer standardisierten Befragung zufolge gaben lediglich 1% von 900 Besuchern an, die Ausstellungen hätten ihnen nicht gefallen (Paatsch 1998: 161). Die Bestürzung über deren Verhalten artikuliert der Evaluator unmissverständlich: „Als ich diese Ergebnisse gesehen habe, war ich doch ziemlich erschrocken“ (Paatsch 1998: 165). 3 „Es liegt auf der Hand, daß in Museen in der Regel alles darangesetzt wurde und wird, diese krisenhafte Grundkonstellation zumindest nach außen zu verdecken:Von ihrer festungsartigen Architektur und ihrer Solidität ausstrahlenden Innengestaltung über das Ballet der Sicherheitsdienste, die permanente Besorgtheit der Konservatoren, die offen zur Schau getragene Arroganz der Kuratoren und das joviale Gehabe der Direktoren bis zur ausgefeilten pädagogisch-didaktischen Beweh-

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rung einzelner Exponate durch an ihnen angebrachte und durch entsprechend geschultes Personal vorgetragene oder in Audioguides festgeschriebene Erklärungen, bieten Museen, so gesehen, bisweilen geradezu hinreißende Szenarien und Inszenierungen von Routinen, mit der eine krisenhafte Struktur überspielt werden kann“ (Fehr 2001: 334). Der Begriff des „Augenkitzels“ stammt aus der Fernsehforschung, er meint einen nicht zu starken und nicht zu schwachen visuellen Reiz, der beim Rezipienten den Eindruck des Informiertwerdens hinterlässt, ohne dass dies tatsächlich der Fall wäre (vgl. hierzu ausführlich Wember 1976). Zur Auswertbarkeit der Einträge in Besucherbüchern vgl. Macdonald 2005. Zur Differenz von Kunstausstellungen und historischen Ausstellungen vgl. Grütter 1992. Zur Logik der Präsentation und Kommentierung der Wagengrabrekonstruktion vgl. Jung 2012. Zum „Eigenrecht und Eigengewicht der sinnlichen Erfahrung von Geschichte“ (Rüsen 1988: 11) und der Bedeutung der ästhetischen Qualitäten von Exponaten in historischen Museen vgl. Rüsen 1988. Es wurden elf Interviews mit einer Länge von zwei bis fünf Minuten geführt. Zur Bedeutung der Muße für ästhetische Erfahrung vgl. Oevermann 1996. Zu Adornos Begriff der Halbbildung vgl. auch Jung 2010: 219–224. Vgl. auch Sharon Macdonalds (2005) Systematisierung der „styles of comments“ im Besucherbuch des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände Nürnberg. Da die Studie exploratorischen Charakter hatte und im Mittelpunkt des Interesses die Frage stand, ob sich das von Loer erprobte Vorgehen überhaupt auf historische Ausstellungen im Allgemeinen und archäologische im Besonderen anwenden lässt, wurden keine weiteren biographischen Daten erhoben. Zur methodologischen Begründung und Anwendung der Objektiven Hermeneutik vgl. Oevermann et al. 1979; Oevermann 2000. Notationskonventionen: B = Besucherin, I = Interviewer. (.) kurze Pause (..) deutliche Pause # Abbruch

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&…& gleichzeitig gesprochene Äußerungen (uv) unverständlich […] in eckigen Klammern: Anmerkung Die Zeichensetzung folgt nicht den grammatischen Regeln, sondern zeichnet die Intonationskonturen der Äußerungen nach.

16 Bei Feldbegehungen unternehmenden Hobbyarchäologen stellt sich dies ganz anders dar, hier ist der Lebenspartner im Normalfall von dem Hobby ausgeschlossen (vgl. Jung 2010).

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PD Dr. Matthis Jung Institut für Archäologische Wissenschaften Abt. III Vor- und Frühgeschichte Goethe-Universität Grüneburgplatz 1 D-60629 Frankfurt am Main [email protected]

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