Interpretierte Eisenzeiten. Die erfundenen Kelten: Mythologie eines Begriffes und seine Verwendung in Archäologie, Tourismus und Esoterik. Tagungsbeiträge der 4. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [4] 3854742576, 9783854742579

Im November 2010 wurden zum bereits vierten Mal die 'Interpretierten Eisenzeiten – Linzer Gespräche zur interpretat

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Interpretierte Eisenzeiten. Die erfundenen Kelten: Mythologie eines Begriffes und seine Verwendung in Archäologie, Tourismus und Esoterik. Tagungsbeiträge der 4. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [4]
 3854742576, 9783854742579

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  • Titelblatt fehlt

Table of contents :
Matthias Jung / Fürstenbegriff und Narrativität 11
Michela Vignoli / Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise der eisenzeitlichen Kelten 23
Sabine Rieckhoff / Wer hat Angst vor Hayden White? Archäologie zwischen Wissenschaft und Kunst 35
Helmut Birkhan / 'Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen?': Beobachtungen zum mysterischen Keltenbild besonders in Österreich 53
John Collis / Rethinking Celtic Studies 67
Clemens Eibner / Keltenstollen, Heidenlöcher und andere Konstrukte der Urgeschichte 75
Manuel A. Fernández-Götz, Gonzalo Ruiz Zapatero / Die 'Kelten' im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption 81
Raimund Karl / Essentiell 'keltisch'? Zum Sinn der Fragen was 'die Kelten' kennzeichnet und woher sie kommen 95
Jan Kiesslich / Kelten-DNA? Molekulararchäologische Betrachtungen zur ethnischen Zugehörigkeit im kulturhistorischen Kontext 123
Karin Wiltschke-Schrotta / Archäologische Interpretationen – Anthropologische Fakten 135
Jan Kysela / The ways to use the Boii 139
Marko Mele / Frühe Kelten in der Steiermark und Štarjerska? Die Erforschung und museale Rezeption des Übergangs von der Hallstatt- zur Latènezeit 147
Hrvoje Potrebica, Marko Dizdar / Celts and La Tène Culture – a view from the periphery 165
David González Álvarez, Carlos Marín Suárez / Celts, Collective Identity and Archaeological Responsibility: Asturias (Northern Spain) as case study 173
Ian Ralston / A Celtic Iron Age in Scotland? Where are we now? 185
Paul Gleirscher / Erfundene Kelten am Magdalensberg? 195
Karl Strobel / Das norische Königreich der Kelten – Zwischen Fiktion und Fakten 205
Stefanie Patzer / Die Verwendung des Druidenbegriffs im modernen Druidentum: Alleinpraktizierende vs. Ordensgemeinschaften 219
Bea Schweighöfer / Keltischer Neopaganismus im Spiegel zeitgenössischer Literatur 231
Jutta Leskovar / 'Keltische Religion' – Neuheidnische und wissenschaftliche Sichtweisen 239
Günter Kantilli / Die Kelten in der Landschafts-Mythologie und Geomantie 257
Johannes Alex. Haidn / Echt, die Kelten hatten schon Betten?! Erfahrungen aus dem Alltag einer Darstellungsgruppe für 'lebendige Geschichte der Keltenzeit' 261
Sabine Zinn-Thomas / 'Glaubi komm nachhause!' - Repräsentationen von 'Celticity' zwischen touristischer Vermarktung und regionaler Identitätsbildung 271
Verena Schwartz / Der Mythos vom kopfjagenden Kelten. Gegenüberstellung ausgewählter archäologischer Befunde mit inselkeltischen Erzählungen 281
David Stifter / Inscriptiones Pseudocelticae – Wrong and premature ascriptions of inscriptions as Celtic 293
Holger Müller / Herodot, die Kelten und statistische Begriffsanalysen – Überlegungen zu einem interdisziplinärem Datenbankprojekt 303
Felix Wiedemann / Die Kelten und die weisen Frauen. Zur Konvergenz zweier historischer Mythen 311
Reena Perschke / Die Venus im Dolmen. Zur Umwidmung von Megalithgräbern in gallo-römische Heiligtümer 323

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Titel

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Inhaltsverzeichnis

Matthias Jung Fürstenbegriff und Narrativität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   11  Michela Vignoli Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise der eisenzeitlichen Kelten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   23 Sabine Rieckhoff Wer hat Angst vor Hayden White? Archäologie zwischen Wissenschaft und Kunst  . . . . . . . . . . . . . . . . . .   35 Helmut Birkhan „Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen?“ Beobachtungen zum mysterischen Keltenbild besonders in Österreich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   53 John Collis Rethinking Celtic Studies  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   67 Clemens Eibner Keltenstollen, Heidenlöcher und andere Konstrukte der Urgeschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   75 Manuel A. Fernández-Götz, Gonzalo Ruiz Zapatero Die „Kelten“ im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption  . . . . . . . . . .   81 Raimund Karl Essentiell „keltisch“? Zum Sinn der Fragen was „die Kelten“ kennzeichnet und woher sie kommen  . . . . .   95 Jan Kiesslich Kelten-DNA? Molekulararchäologische Betrachtungen zur ethnischen Zugehörigkeit im kulturhistorischen Kontext  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   123 Karin Wiltschke-Schrotta Archäologische Interpretationen – Anthropologische Fakten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   135 Jan Kysela The ways to use the Boii  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   139 Marko Mele Frühe Kelten in der Steiermark und Štarjerska? Die Erforschung und museale Rezeption des Übergangs von der Hallstatt- zur Latènezeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   147

Hrvoje Potrebica, Marko Dizdar Celts and La Tène Culture – a view from the periphery  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   165 David González Álvarez, Carlos Marín Suárez Celts, Collective Identity and Archaeological Responsibility: Asturias (Northern Spain) as case study  . . .   173 Ian Ralston A Celtic Iron Age in Scotland? Where are we now?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   185 Paul Gleirscher Erfundene Kelten am Magdalensberg?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   195 Karl Strobel Das norische Königreich der Kelten – Zwischen Fiktion und Fakten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   205 Stefanie Patzer Die Verwendung des Druidenbegriffs im modernen Druidentum: Alleinpraktizierende vs. Ordensgemeinschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   219 Bea Schweighöfer Keltischer Neopaganismus im Spiegel zeitgenössischer Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   231 Jutta Leskovar „Keltische Religion“ – Neuheidnische und wissenschaftliche Sichtweisen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   239 Günter Kantilli Die Kelten in der Landschafts-Mythologie und Geomantie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   257 Johannes Alex. Haidn Echt, die Kelten hatten schon Betten?! Erfahrungen aus dem Alltag einer Darstellungsgruppe für „lebendige Geschichte der Keltenzeit“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   261 Sabine Zinn-Thomas „Glaubi komm nachhause!“ - Repräsentationen von „Celticity“ zwischen touristischer Vermarktung und regionaler Identitätsbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   271 Verena Schwartz Der Mythos vom kopfjagenden Kelten. Gegenüberstellung ausgewählter archäologischer Befunde mit inselkeltischen Erzählungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   281 David Stifter Inscriptiones Pseudocelticae – Wrong and premature ascriptions of inscriptions as Celtic  . . . . . . . . . . . .   293

Holger Müller Herodot, die Kelten und statistische Begriffsanalysen – Überlegungen zu einem interdisziplinärem Datenbankprojekt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   303 Felix Wiedemann Die Kelten und die weisen Frauen. Zur Konvergenz zweier historischer Mythen  . . . . . . . . . . . . . . . . . .   311 Reena Perschke Die Venus im Dolmen. Zur Umwidmung von Megalithgräbern in gallo-römische Heiligtümer  . . . . . . .   323

Geleit



Vorwort Raimund Karl, Jutta Leskovar

Im November 2010 wurden zum bereits vierten Mal die „Interpretierten Eisenzeiten – Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie“ abgehalten. Zwei wesentliche Änderungen prägten die Tagung: erstmals wurde sie (entgegen des Titels) nicht in Linz abgehalten, und man entschied sich diesmal für ein spezielles Thema. „Die erfundenen Kelten“ sollten das Phänomen einer Begriffsnutzung aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchten, was einen einschlägig vorbelasteten Ort für das Treffen nahelegte. Im „Keltenmuseum Hallein“ und seinem damaligen Direktor Stefan Moser einen diesbezüglichen Partner gefunden zu haben, erwies sich für das Organisationsteam von OÖ. Landesmuseum und Bangor University (UK) sowie die Teilnehmenden als Glücksfall. Drei Tage lang wurde im angenehmen Ambiente des Halleiner Kolpinghauses intensiv vorgetragen und diskutiert, das Keltenmuseum selbst als Ausgangspunkt zahlreicher Diskussionen genutzt. Mehr als 30 Vortragende aus acht Nationen und verschiedenen Fachrichtungen gestalteten das Programm. Insgesamt waren knapp 100 TeilnehmerInnen der Einladung nach Hallein gefolgt – Das Thema stieß sichtlich auf großes Interesse. Ziel der Tagung war ein Überblick über die verschiedenen aktuell genutzten Keltenbegriffe in wissenschaftlicher und populärer Kultur – dieses Ziel wurde angesichts der Vielfalt der Beiträge großteils erreicht, wenn auch von den drei Begriffen aus dem Tagungs­ titel (Archäologie,Tourismus und Esoterik) der Tourismus leider zu kurz gekommen war. Die oft langen und intensiven Diskussionen machten deutlich, wie groß die Anzahl und Ausrichtung der Keltenbegriffe ist, für welch unterschiedliche Zwecke sie genutzt werden. Keineswegs wurde die gesamte Bandbreite erschöpfend präsentiert, doch die grundsätzliche Tat­sache

wurde deutlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen mit dem Wort „Kelten“ das gleiche ­sagen oder schreiben, ist höchst gering. In diesem Sinne wünschen wir uns eine Fortsetzung der spannenden Diskussion um das Wort „Kelten“ – vielleicht eines Tages im Rahmen der „Interpretierten Eisenzeiten“. Nicht alle Vorträge der Tagung fanden ihren Weg in den vorliegenden Tagungsband: Auf Wolfgang David (Kelten in Bayern), Gonzalo Ruiz Zapatero (Celts for Kids: Images in Illustrated Children´s Books), Ines Balzer (Der „keltische Fürst“ in der Öffentlichkeit: Ein Buchprojekt zum „Fürstensitz“ Hohenasperg), Stefan Moser und Helga Pucher (Keltenstadt Hallein? Überlegungen zum Archäologietourismus), Albert Bock (Die Sprache der Vorväter? Identitätskonstrukte und Keltenbegriff in der kornischen Sprachbewegung) und Klaus Löcker (Steinkreis und Echowall. Zur Geschichte von 11 Steinen und ihrer Umgebung) musste leider aus unterschiedlichen Gründen verzichtet werden. Zum Ausgleich fand Felix Wiedemanns Beitrag zu „Kelten und Weisen Frauen“ ebenso Aufnahme wie Reena Perschkes zusammenfassende Darstellung ihres Tagungsposters über „Die Venus im Dolmen“. Während derVorbereitungen für diesen Tagungsband ergaben sich einige Änderungen der Organisationsstrukturen in Hallein, die auch auf die redaktionellen Tätigkeiten Einfluss nahmen. Nach dem überraschenden Ausscheiden von Stefan Moser wurden die Rahmenbedingungen einer Kooperation zwischen der Salzburg Museum GmbH und dem Keltenmuseum Hallein ausgearbeitet. Seit 1. Jänner 2012 wird das Keltenmuseum Hallein nun vom Salzburg Museum geführt, neben seinen Schwerpunkten des prähistorischen und historischen Salzabbaus soll in Zukunft



auch die Urgeschichte des Landes Salzburg in Hallein präsentiert werden. Aufgrund der knappen personellen Ressourcen konnte die Transkription der bei der Tagung aufgezeichneten Diskussionsbeiträge vom Redaktionsteam nicht mehr zeitgerecht bewerkstelligt werden. Es ist angedacht, diese zu einem späteren Zeitpunkt auf der Website der Tagungsreihe (www.landesmuseum.at/ eisenzeiten) zur Verfügung zu stellen. Unser Dank gilt den VerfasserInnen der Beiträge,



den TeilnehmerInnen der Tagung, Bernhard Prokisch und Peter Assmann für die Möglichkeit, in bewährter Manier in der Reihe des OÖ. Landesmuseums veröffentlichen zu können, sowie Alexandra Bruckböck, Graphik, für die wie immer höchst angenehme Zusammenarbeit. Für die finanzielle Unterstützung bei den Druckkosten des vorliegenden Tagungsbandes bedanken wir uns beim Keltenmuseum Hallein und beim Museumsverein Celtic Heritage.

Preface Raimund Karl, Jutta Leskovar

November 2010 saw the 4th installment of „Interpreted Iron Ages – Interpretative Iron Age Archaeology Colloquium Linz“. There were two major changes from the pattern established at the previous three conferences: for the first time, the conference (in difference to its name) was not held in Linz, and we decided to focus on a specific theme this time. „The Invented Celts“ aimed at examining the use of the term from many different perspectives, which brought us to a place for the conference with a history of using the term. That the „Keltenmuseum Hallein“ and its then director Stefan Moser offered us a partnership turned out to be a stroke of luck for the usual organising team of the Upper Austrian Museum and Bangor University (UK) and the participants in the conference. The pleasant Kolpinghaus in Hallein provided the excellent frame for three days of intesive presentations and debates, with the Keltenmuseum itself as an exemplary starting point for several discussions. More than 30 presenters from 8 different countries and several different disciplines presented papers, with about 100 participants attending the conference altogether and contributing to the many debates. Aim of the conference was to provide an overview of the different current and historic uses of the term „Celts“ in both academic and popular discourses – an aim that was mostly achived, as shown by the multitude of contributions, even though the last fields mentioned in the subtitle of the conference (archaeology, esoterics, tourism) was somewhat underrepresented. Discussions were frequently long and very intensive, demonstrating how many different uses the term “Celts” has, how different the respective meanings associated with it can be, and for how many different uses it has been employed. While nowhere near the

whole range of this could be explored, one fundamental fact became very clear: the probability that any two persons use the term to express the very same concept is very small. Thus, we are looking forward to continue the very interesting debates about the term “Celts” – perhaps even within the frame of another “Interpreted Iron Ages”. Not all papers presented at the conference could be included in this proceedings: the presentations by Wolfgang David (Celts in Bavaria), Gonzalo Ruiz Zapatero (Celts for Kids: Images in Illustrated Children´s Books), Ines Balzer (The „Celtic Prince“ in public perception: A book project on the ‘princely sear’ Hohenasperg), Stefan Moser and Helga Pucher (Celtic city Hallein? Thoughts on archaeological tourism), Albert Bock (The language of the forefathers? Identity constructs and the term ‘Celts’ in the Cornish language movement) and Klaus Löcker (Stone circla and echo wall. On the history of 11 stones and their surroundings) could not be included for various different reasons. Not presented at the conference, but included in this volume, are Felix Wiedemann’s contribution on „Celts and Wise Women “, and Reena Perschkes summary of her conference poster on „The Venus in the Dolmen“. During the preparations of the conference proceedings, some changes were made to the organisational structures at Hallein, which had a direct influence on the editorial work for this volume. Following the surprising departure of Stefan Moser a framework of a collaboration between Salzburg Museum GmbH and Keltenmuseum Hallein was developed. Since 1 January 2012 the Keltenmuseum Hallein has become an enterprise directed by the Salzburg Museum, and be-



sides its already existing foci on prehistoric and historic salt mining, it will become the main venue for presenting the prehistory collections of the Salzburg Museum in the future. Due to the limited personnel available to the editorial team, the transcription of the discussions, which were recorded during the conference, turned out to be impossible. We hope we will be able to make these available on the website of the conference (www. landesmuseum.at/eisenzeiten) at a later date.

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To conclude, we would like to thank the authors of the contributions to as well as the participants in the conference, Bernhard Prokisch and Peter Assmann for the opportunity to publish the proceedings in the series of the Upper Austrian Museum, and the graphic artist Alexandra Bruckböck for the very pleasant and efficient collaboration. For the financial contributions to the publication costs, we thank the Keltenmuseum Hallein and the Museumsverein Celtic Heritage.

Fürstenbegriff und Narrativität Matthias Jung

Zusammenfassung Exemplarisch werden die Konsequenzen einer – unausgesprochenen – Orientierung archäologischer Darstellungen an dem geschichtswissenschaftlichen Modell der Narration dargelegt, aber nicht anhand der offensichtlichen „Meistererzählungen“, sondern in für sich genommen unscheinbaren Details. Fallbeispiel ist das späthallstattzeitliche Wagengrab von Offenbach-Rumpenheim, dessen in der Sukzession der Publikationen zu diesem Befund etappenweise sich vollziehende Transformation in ein „Fürstengrab“ nachvollzogen werden soll. Die aufzuzeigenden narrativen Elemente dienen der Suggestion von Kontinuität und Zusammenhang und münden schließlich in den Entwurf anschaulicher Lebensbilder des vermeintlichen „Fürsten“. Abstract The aim of this paper is to demonstrate the consequences of an (unexpressed) orientation of archaeologists’ presentations towards the narrative paradigm of historical science. In order to detect those narrative elements, it will not be referred to so called “master narratives”, but to inconspicuous details in the archaeological argumentation. The late Hallstatt wagon burial of Offenbach-Rumpenheim and its gradual transformation in the wake of the publications following the finding into a “Fürstengrab” (“princely burial”) serve as a case study. The narrative elements to be pointed out in this transformation aim at suggesting consistency and coherence and peak in the construction of vivid pictures of the alleged “Fürst”.

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Gegenwärtig kommt mit einer in sich erklärungsbedürftigen Verzögerung von Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, in den archäologischen Fächern eine Rezeption der geschichtswissenschaftlichen Erzähltheorien allmählich in Gang, und man kann sich von ihr einigen Aufschluss nicht zuletzt zu Eigentümlichkeiten der Eisenzeitforschung erwarten.1 Im Folgenden wird nicht eine Art Überblick zur Narrativitätsproblematik gegeben, sondern im Detail exemplarisch die Wirkmächtigkeit der Orientierung an dem Ideal einer narrativen Darstellung nachgezeichnet, die in dem Bestreben gründet, eine bloße Chronologie und Faktensammlung zu transzendieren und in den Bereich des historischen Erzählens vorzustoßen. Eine solche narrative Orientierung der Archäologie ist meines Erachtens grundlegend verfehlt, denn das Bemühen, durch sinnimputierende Erzählungen die, in einer anschaulichen Formulierung von Moritz Hoernes, „Lichtschwäche und Lückenhaftigkeit“ (Hoernes 1923: 344) der von den archäologischen Quellen gewährten Lebensbilder zu kompensieren, führt letztlich zur Produktion von Artefakten, weil die Quellen eine Erzählung nicht tragen. Schon Droysen hat angemerkt, dass der Historiker keine Geschichte über einen Vorgang erzählen kann, über welchen das historische Material „verworren, dürftig, unzuverlässig ist“ (Droysen 1977: 223), und als Beispiel nennt er die Unmöglichkeit, „die attische Verfassungsgeschichte bis Solon erzählend darzustellen“. Die Frage, ob gegenstandsadäquate Narrationen im Bereich der Geschichtswissenschaften überhaupt möglich sind, ob, anders formuliert, das Scheitern narrativer Versuche ein grundsätzliches und notwendiges ist oder aber ein empirisches Scheitern an der Verwirklichung eines sehr anspruchsvollen Modells, das selbst davon unberührt bleibt, wird in diesem Beitrag nicht erörtert. Die Bedeutung der Verwendung kohärenz- und sinnstiftender narrativer Elemente soll nicht anhand weit ausgreifender sogenannter „Meistererzählungen“ dargelegt werden – bezogen auf die Hallstattzeit wären etwa die Entwürfe von W. Kimmig (1969; 1983) und L. Pauli (1980; 1997) als solche Meistererzählungen anzusprechen2 –, sondern diese Elemente sind exemplarisch im Kleinen aufzuzeigen anhand der Transformation eines Grabbefundes in ein Fürstengrab. Als Fallbeispiel zu diskutieren ist das späthallstattzeit-

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liche Wagengrab von Offenbach-Rumpenheim, seine Rekonstruktion und seine Präsentation in der Aschaffenburger Keltenausstellung „Keltenland am Fluss“ im Jahr 2010. Die Thematisierung der Präsentation der Grabrekonstruktion im Rahmen dieser Sonderausstellung (und nicht der Dauerausstellung des Offenbacher Hauses für Stadtgeschichte, wo sie ansonsten zu sehen ist), hat ihren Grund darin, dass die nachfolgenden Ausführungen das Nebenprodukt einer Besucherbefragung in Aschaffenburg sind, die sich um diese Rekonstruktion zentrierte. Die Besucher sollten nicht wie bei herkömmlichen Befragungen mit standardisierten Fragen traktiert werden, sondern der Ansatz der Untersuchung bestand darin, abzuwarten, bis ein Besucher sich von sich aus für die Rekonstruktion interessiert und sich mit dieser und den ihr zugeordneten Erläuterungen beschäftigt. Im Anschluss daran war er daraufhin zu befragen, welches Bild er von den Exponaten und darüber hinaus von der Epoche, aus der sie stammen, gewonnen hat. Ein solches Vorgehen, das sich in der Rezeptionsforschung im Bereich bildender Kunst sehr bewährte (vgl. Loer 1996), hat zu seiner Voraussetzung eine vorgängige Analyse der Bedeutung des Rezipierten, auf die hin die Angemessenheit der Rezeption überhaupt erst beurteilt werden kann. Das Wagengrab (Abb. 1) selbst wurde 1972 ausgegraben, man entdeckte es beim Anlegen eines Suchschnittes, der eigentlich einer spätlatènezeitlichen Nekropole galt. Gelegen war es am Rand der Nieder­ terrasse eines Mainaltarms, Spuren einer Über­hügelung waren nicht auszumachen. Unter einer Steinpackung von 4,40 m Länge und 2,80 m Breite waren noch Holzspuren festzustellen, die vermutlich von einer höl­ zernen Stützkonstruktion stammten, von dem Toten, einem ca. 50-jährigen Mann, hatten sich der Schädel sowie Teile der Arm- und Beinknochen erhalten. Er lag zwischen eisernen Beschlägen der Lauffläche und Naben von vier Wagenrädern. An Beigaben erhalten waren eine eiserne Lanzenspitze mit tauschierter Tülle, ein Kegelhalsgefäß und ein Schälchen, ein Eisenmesser sowie Reste von einem Schaf oder einer Ziege. Datiert wird das Grab anhand des Kegelhalsgefäßes und der Lanzenspitze mit ausgeprägtem Mittelgrat an den Übergang von HaD1 nach D2 (Weber 2001: 109). In einem nüchternen, eineinhalb Textseiten umfassenden Bericht von Klaus Ulrich, seinerzeit Boden-

Abb. 1: Wagengrab von Offenbach-Rumpenheim. Grabplan, ohne M. (nach Ulrich 1973: 314 Abb. 1).

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denkmalpfleger des Landkreises Offenbach, wurde der Befund im Archäologischen Korrespondenzblatt 1973 vorgestellt (Ulrich 1973). Als „Fürstengrab“ bezeichnete erstmals Johann Geiß das Rumpenheimer Wagengrab. Ein Kapitel seines Rückblicks auf seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger der Stadt Offenbach trägt den Titel: „Ein Fürstengrab der Hallstattzeit auf Offenbacher Boden“ (Geiß 1982: 75–87). Da „Fürst“ nicht in Anführungszeichen geschrieben ist, hat man von einem Gebrauch in einem buchstäblichen Sinne auszugehen. Worin könnte dieser in dem vorliegenden Fall bestehen? Oder anders gefragt: Was macht den Toten aus dem Wagengrab zu einem Fürsten? Zunächst einmal hat „Fürst“ bekanntlich zwei Bedeutungen, eine relative, auf die Etymologie („der Erste“, „der Vorderste“) verweisende und eine davon abgeleitete absolute, einen hohen aristokratischen Würdenträger bezeichnende, der eben nicht nur relativ zu einer räumlich und zeitlich enggefassten Vergleichsgruppe, sondern auch im Epochen- und Kulturvergleich herausgehoben ist. Da umgangssprachlich die erste Bedeutung nicht mehr repräsentiert ist,3 hat man zunächst einmal davon auszugehen, dass ohne nähere Spezifizierung die zweite gemeint ist. Der Gebrauch des Begriffes in der Hallstattforschung lässt sich bekanntlich auf Eduard Paulus (d.J.) und Oscar Fraas zurückführen.4 Paulus bezeichnete die Grabhügel der Gießübel-Gruppe nahe der Heuneburg als die eines „Fürstengeschlechts“ (Paulus 1877: 8),5 Fraas sprach mit Bezug auf den Römerhügel bei Ludwigsburg und das Kleinaspergle bei Asperg aufgrund von Ähnlichkeiten zu den von Schliemann in Kleinasien untersuchten Grabhügeln von „Fürstengräbern“.6 Paulus und Fraas rekurrieren damit augenscheinlich auf Fürsten in der zweiten Bedeutung, nicht auf die bloß relationale erste, nach der auch ein spärlich ausgestattetes Grab unter noch ärmlicheren als „Fürstengrab“ bezeichnet werden könnte. Das Grab eines „Fürsten“ ist demnach auch in einer epochen- und kulturvergleichenden Perspektive eine Besonderheit, und als eine solche kann das Rumpenheimer Grab sicher nicht angesprochen werden. Entsprechend hoch ist die Begründungslast für eine Bezeichnung desselben als „Fürstengrab“. In Erwartung latènezeitlicher Befunde vermuteten die Ausgräber eigentlich einen zweirädrigen Wagen und waren erstaunt, als noch zwei

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weitere Räder zum Vorschein kamen – das, so Geiß, „widersprach unserer Arbeitshypothese, denn die vierrädrigen Wagen finden sich ausnahmslos in Gräbern der Edlen und Fürsten der Hallstattzeit, der Zeit vor den Kelten“ (Geiß 1982: 81). „Edle und Fürsten“ ist eine typische Pseudodifferenzierung, die prätendiert, man könne diese beiden Gruppen im Fundmaterial tatsächlich unterscheiden. „Edle“ ist wohl etwas weiter gefasst als „Fürsten“, aber wenn bereits Anlage und Ausstattung des Rumpenheimer Grabes für die Identifizierung eines Fürsten hinreichend sind – dass ein solcher in ihm bestattet wurde, behauptet ja bereits die Kapitelüberschrift –, wie sollen dann noch die Bestattungen der „Edlen“ im Unterschied zu den anderen Bevölkerungsgruppen abzugrenzen sein? Zwar konzediert Geiß, „daß nicht jeder Sterbliche der Hallstattzeit sich einen solchen Wagen erlauben konnte“ (Geiß 1982: 85), aber zwischen einem Fürsten und „nicht jedem Sterblichen“ liegt eben ein Spektrum, das überhaupt erst einmal auszuloten wäre.7 Im weiteren Fortgang des Textes werden Sachverhalte, welche die „Fürsten“-Hypothese in Frage stellen könnten, durch ad hoc gebildete Zusatzhypothesen unverzüglich „entschärft“. Dem möglichen Einwand etwa, das Grab insgesamt sei für ein „Fürstengrab“ recht dürftig ausgestattet und auch der Wagen zeige keine Anzeichen einer herausgehobenen Gestaltung, beispielsweise durch Metallbeschläge, wird mit der Annahme einer Beraubung begegnet, für die es im Befund selbst wohlgemerkt keine Anzeichen gibt. Geiß vermutet, „daß das Verschwinden des Wagens auf Grabräuber zurückzuführen ist“ (Geiß 1982: 82), die dann gleichwohl die Räder und deren Beschläge verschmäht hätten. In einer Beraubung sei auch der Grund dafür zu suchen, dass „wir keinerlei Schmuck oder besondere Gegenstände, wie etwa Bronzegefäße, gefunden haben“ (Geiß 1982: 82), die man bei einem „Fürstengrab“ eigentlich voraussetzen könne. Auch hier wäre das Desinteresse der Räuber an der Lanzenspitze erstaunlich, von der es zugleich heißt, sie sei „mit einer Länge von 56 cm die größte bisher gefundene Lanzenspitze aus dem gesamten Hallstattbereich“ (Geiß 1982: 85). Alternativ zu der Beraubungslesart schlägt Geiß die Annahme vor, „daß der Fürst (…) besonderen Wert auf eine spartanische Lebensweise legte und dies auch bei seiner Bestattung zum Ausdruck gebracht haben woll-

te“ (Geiß 1982: 82); die eigentlich unstandesgemäße Ausstattung des Fürstengrabes wird so mit einer Idiosynkrasie des Verstorbenen erklärt. Man sieht, welche argumentativen Salti geschlagen werden müssen, damit die „Fürsten“-Hypothese aufrechterhalten werden kann. Interessant für unser Thema ist nun die narrative Dynamisierung von Versatzstücken, die sich zu einem Lebensbild des „Fürsten“ konfigurieren sollen. „Unwillkürlich taucht die Frage auf, was wohl einen Hallstattfürsten oder Edling bewogen hat, hier im Offenbacher Raum sein Domizil aufzuschlagen?“ (Geiß 1982: 85). Demnach gab es nicht etwa ein ­autochthones „Fürstengeschlecht“ im Umkreis des Bestattungsplatzes, der „Fürst“ wurde vielmehr durch irgendwelche glücklichen oder unglücklichen Umstände nach Offenbach verschlagen. „Meine Beobachtungen und Überlegungen gehen dahin, daß gerade das Eisen es war, das den vermutlichen Fürsten veranlaßte, hier im Raume Offenbach seinen gewiß befestigten, burgähnlichen Wohnsitz zu errichten“ (Geiß 1982: 85). Hier nun beginnt sich die Kategorie „Fürst“ zu verselbständigen – es wird vorausgesetzt und als Gewissheit postuliert, dass der „Fürst“ auch auf einem „Fürstensitz“ Kimmigscher Prägung residiert haben muss.8 An verschiedenen Stellen im Offenbacher Stadtgebiet angetroffene Eisenschlackenfunde werden als Indizien für Produktionsstätten gewertet, „die diesem ‚Schlotbaron‘ der Vorzeit ein angenehmes Leben erlaubten“ (Geiß 1982: 86). Damit ist das Lebensbild vollendet, und aus dem Toten, der in einem Grab mit einem hölzernen Wagen, einer Lanze, einem Messer, zwei Gefäßen sowie etwas Fleisch beigesetzt wurde, ist ein Fürst geworden, der dank einer quasi-industriell betriebenen Eisenverhüttung zu Wohlstand gekommen war und in einer Burg residierte. Dass die Ergebnisse dieser kühnen Generalisierungen untereinander nicht kompatibel sind, dass das Bild des zum saturierten Industriekapitän mutierten Parvenüs – das meint „Schlotbaron“ als Kampfbegriff des 19. Jahrhunderts – nicht zu dem des auf „spartanische Lebensführung“ (oder zumindest deren Anschein) bedachten Puritaners passt, spielt keine Rolle mehr. Freilich war Geiß kein Wissenschaftler, und fern liegt es mir, mich an Stilblüten delektieren zu wollen – worauf es ankommt, ist die Argumentation, und die ist ein Reflex des Fürstendiskurses der traditionellen Hallstattforschung. Man

könnte im Detail aufzeigen, wie bestimmte Denkfiguren und auch rhetorische Figuren der Hallstattforschung in dem Text von Geiß ihren Niederschlag gefunden haben, wie sich zum Beispiel in dem affirmativ-apodiktischen Duktus zeigt, der Brüche und Unklarheiten in der Darstellung verdecken soll (vgl. hierzu Jung i.Vorb.). Anlässlich einer Neugestaltung der archäologischen Abteilung des Offenbacher Stadtmuseums 2000 wurde der gesamte Fundkomplex ausgestellt, ergänzt um eine Rekonstruktion des Wagens (Abb. 2), über die ­Gesine Weber, Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises Offenbach, in der Festschrift für Fritz-Rudolf Herrmann 2001 berichtet hat (Weber 2001). Dieser Bericht vermeidet mit einer (allerdings in Anführungszeichen geschriebenen) Ausnahme9 konsequent die Vokabel „Fürst“ und deren Komposita. Diese Rekonstruktion sei kurz daraufhin betrachtet, wie sie über das dem Grabbefund zu Entnehmende hinaus ergänzt wurde. Erstens ist eingedenk der von Geiß geäußerten Zweifel daran, ob neben den Rädern überhaupt auch ein Wagen beigegeben wurde, zunächst einmal der Umstand zu nennen, dass überhaupt ein Wagen rekonstruiert wurde, denn „Holzspuren vom Wagenkasten wurden trotz genauester Untersuchung nicht ermittelt“ (Ulrich 1973: 313).

Abb. 2: Rekonstruktion des Wagens (nach Weber 2006: 15).

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Zweitens liegt der Tote auf dem Wagenkasten, nicht unter dem Wagen. Auch das geht aus dem Befund nicht hervor, es entspricht den Darstellungsgepflogenheiten, die aber nicht unproblematisch sind, wie etwa ein Blick auf Grab VI des unweit der Heuneburg gelegenen Hohmichele zeigt: Auch wenn dies in Beschreibungen oft behauptet und in Rekonstruktionszeichnungen so wiedergegeben wird, lag in diesem Wagengrab mit einer weiblichen und einem männlichen Toten die Frau eben nicht auf dem Wagenkasten, sondern, wie Grabplan und Fundkatalog erhellen, neben dem Mann auf dem Grabkammerboden, denn beim Zusammenbruch des Wagens wurden Glasperlen der Kette der Frau von einer Achse zerdrückt (Riek 1962: 95; vgl. auch Jung 2006: 98f.). Was sich als Indiz für eine Positionierung des Rumpenheimer Toten auf dem Wagen anführen ließe, wäre die Tatsache, dass sich gemäß dem Grabplan (Abb. 1) die Lanzenspitze eindeutig auf einer Wagennabe befand. Auffällig ist außerdem, dass Ulrich und Geiß, die bei der Ausgrabung zugegen waren und es daher also wissen müssten, die Frage nach der Positionierung des Toten offenlassen und gerade nicht auf die Lage der Lanzenspitze verweisen.10 Das einzige mir zugängliche Bild von der Befundsituation11 stammt aus einem Zeitungsbericht der „Offenbach Post“ (16./17.09.1972) über die Ausgrabungstätigkeiten. Diesem Bild zufolge ist die Überlagerung mitnichten so klar, wie es die Rekonstruktionszeichnung suggeriert. Die Lanzenspitze selbst war bei der Auffindung zerbrochen, ihre Teile bildeten einen stumpfen Winkel, was auf dem Grabplan getilgt ist, der sich somit als Kompromissbildung zwischen Dokumentation und Rekonstruktion erweist, was bei der Klärung von Fragen, für welche die Auffindungssituation entscheidend ist, eine erhebliche Einschränkung bedeutet. Die Rekonstruktion des Wagens jedenfalls entscheidet sich für einen auf dem Wagenkasten liegenden Toten und folgt damit einer Logik der Aufbahrung und Exponierung des Leichnams. Drittens fällt die Verhüllung des Toten mit polychromen Textilien auf, wofür es im Befund keine Hinweise gibt. Obgleich dies nicht erwähnt wird, haben wohl die Textilienfunde aus dem Hochdorfer Grab Pate gestanden (vgl. Banck-Burgess 1999), aber es ist fraglich, ob sich die Elemente dieses exzeptionellen Befundes ohne Weiteres übertragen lassen. Eine Ver-

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wendung der Textilien bei der Rekonstruktion suggeriert eine ostentative Prachtentfaltung im Zuge der Bestattungshandlungen. Viertens schließlich weist die Wagenrekonstruktion eine lenkbare Vorderachse auf, was einen erheblichen technischen Aufwand bedeutet, der mit der Grablegung der Weiterverwendung entzogen wurde. Überblickt man die vier genannten Aspekte – Rekonstruktion eines vollständigen Wagens, Positionierung des Toten auf dem Wagenkasten, Verhüllung mit polychromen Textilien, lenkbare Vorderachse –, so konvergieren sie sämtlich in Richtung einer Bedeutungssteigerung des Rumpenheimer Wagengrabes. Das leitet über zu der Präsentation der Rekonstruktion in der Aschaffenburger Keltenausstellung und zu der ihm zugeordneten Erläuterungstafel, die nachfolgend in Gänze diskutiert werden soll.12 Auf dieser heißt es: „Der Fürst von Rumpenheim“ Ohne dass dies deutlich markiert wäre, soll hier möglicherweise eine leise Ironie durch die Verbindung von „Fürst“ und dem etwas provinziellen Ortsnamen Rumpenheim zu Ausdruck gebracht werden. Wie in dem Titel des Kapitels von Geiß – „Ein Fürstengrab der Hallstattzeit auf Offenbacher Boden“ – finden sich hier keine einschränkenden oder modifizierenden Anführungszeichen. Vergleicht man die Titel, so ist eine Akzentverschiebung festzustellen: Während Geiß einen Befund zeitlich und räumlich bestimmt, verheißt „Der Fürst von Rumpenheim“ eine umfassende Darstellung der Lebensumstände des Bestatteten, unter diesen Titel könnte auch die Schilderung eines mittelalterliche Feudalherrschers gefasst sein. Auf diese Weise wird Rumpenheim unter der Hand von einem bloßen Fundort zur Residenz oder zum Herrschaftsgebiet des „Fürsten“. Ausgeschlossen ist damit eine Verwendung des Begriffes im Sinne der auf die Etymologie Bezug nehmenden relativen Bedeutung. Es folgt in etwas kleinerer Schriftgröße: „Ein Kleinkönig am Mainufer“ „Kleinkönig“ wird offenbar als Synonym für „Fürst“ gebraucht, und damit bestätigt sich die Vermutung, dass „Fürst“ nicht relational bestimmt wird, sondern das Grab eine Qualität haben muss, die es nicht nur im Vergleich mit anderen dieser Kultur und Zeitstellung, sondern bereits für sich als „fürstlich“ bzw. „(klein-)königlich“ ausweist. Offen bleibt zunächst,

ob „Kleinkönig“ sich auf ein vergleichsweise kleines Herrschaftsgebiet bezieht oder auf den Umstand, dass noch ein „Groß­könig“ in der Hierarchie über ihm stand. „Am Mainufer“ bedeutet eine Lokalisierung, die, verglichen mit der Formulierung „Ein Kleinkönig am Main“, eine unmittelbare Nähe zum Fluss betont. In derselben Schriftgröße wie der Haupttext der Er­läuterungstafel, aber durch Fettdruck hervorgehoben, schließt sich nach Titel und Untertitel eine Überschrift an: „Das Grab“ Diese Überschrift macht deutlich, dass es um einen Grabbefund geht, denn würde auch die „fürstliche“ Residenz thematisiert werden, wäre im Normalfall eine Darstellung zu erwarten, die, der Sequenz des Lebens folgend, diese Residenz vor dem Grab behandelt. „1972 wurde bei Ausgrabungen bei OffenbachRumpenheim ein großes Wagengrab entdeckt.“ Die Rede von einer „Entdeckung“ des Grabes impliziert, dass die Ausgrabungen nicht ihm galten, sondern es im Zuge von Ausgrabungstätigkeiten mehr oder weniger zufällig entdeckt wurde, was ja auch der Fall war. Wird in der Überschrift nur Rumpenheim erwähnt, so wird es hier als Stadtteil von Offenbach vorgestellt, was die Lesart einer zaghaft ironischen Andeutung stützen könnte, die auch die Funktion hat, Neugier zu erzeugen. „Wagengrab“ ist ein Terminus, der ein Grab bezeichnet, in dem sich als dominierende Beigabe ein Wagen befindet; einem Laien, so eine Erkenntnis der Besucherbefragung, ist diese Bedeutung nicht unmittelbar einsichtig, denkbar wäre eine solche Bezeichnung beispielsweise auch für ein Grab in Gestalt eines Wagens. Von diesem Grab wird außerdem ausgesagt, es sei ein „großes“ Wagengrab, also auch für ein Wagengrab groß, während es bei einem Blick auf den Grabplan (Abb. 1) eher den Anschein hat, dass der Wagen den zur Verfügung stehenden Raum weitgehend in Anspruch nahm. Auch hier im Kleinen zeigt sich damit ganz analog zu der Rekonstruktion ein Bemühen um eine Bedeutungssteigerung. „In einer Steinkammer von 4,3 x 2,8 m war eine vergangene Kammer aus Holzbalken eingestellt.“ Wörtlich genommen sagt dieser Satz aus, eine steinerne Kammer sei zunächst errichtet worden, in die man anschließend eine hölzerne Kammer einbrachte. Zu fragen ist hier, ob man die beiden Kammern tatsächlich in der beschriebenen Weise als getrennte

Konstruktionen ansehen kann oder ob nicht vielmehr die Holzkonstruktion eine Stütz- und Stabilisierungsfunktion für die Steinkonstruktion hatte. In dem Ausgrabungsbericht jedenfalls wird von „dem organischen Stützmaterial“ gesprochen, von dem „nur noch schwache Holzspuren ermittelt werden“ (Ulrich 1973: 313) konnten. Etwas irritierend ist außerdem die Rede von der „vergangenen Holzkammer“, denn zum Zeitpunkt der Einstellung war sie eben noch nicht vergangen. Dies weist auf ein Oszillieren der Darstellung zwischen der Beschreibung des Befundes einerseits und seiner Rekonstruktion andererseits hin, wie sie auch schon für den Grabplan festgestellt worden ist. „Darin fand sich die Bestattung eines etwa 50jährigen Mannes, der mit seinen Beigaben auf dem ­Kasten eines vierrädrigen Wagens beigesetzt worden war. Der Wagen hatte eisenbeschlagene Holzräder, an ­Waffen besaß er eine große Eisenlanze, mit Bronzeeinlagen verziert, und ein eisernes Hiebmesser.“ Die Vorbehalte gegenüber der Lesart eines auf dem Wagenkasten liegenden Toten sind oben bereits ausgeführt worden. Das soeben konstatierte Changieren des Textes zwischen Befund und Rekonstruktion zeigt sich auch in der Formulierung „eine große Eisenlanze“, denn die Lanze war nicht als solche erhalten, sondern nur die Lanzenspitze, und das „groß“ ist daher auf sie zu beziehen. „Dazu waren in der Grabkammer noch handgetöpferte Keramik und Speisebeigaben abgestellt.“ Demnach befanden sich diese Beigaben auf dem Boden der Grabkammer, nicht auf dem Wagenkasten. Interessant ist das „dazu“, denn es kann zum einen im Sinne bloßer Addition, zum anderen aber auch im Sinne der Komplettierung eines zusammengehörigen Ganzen verstanden werden. Letzteres wäre eine – freilich unscheinbare – Imputation von Sinn nicht durch Argumentation, sondern allein durch sprachliche Darstellung und damit ein mikrologisches Exempel für Narrativität. „Das Grab des ‚Fürsten‘ von Offenbach-Rumpenheim und das seines ‚Nachbarn‘ aus Frankfurt-Stadtwald sind die am nördlichsten gelegenen Wagengräber dieser Art.“ Nun wird „Fürst“ in Anführungszeichen geschrieben, was eine Distanzierung von der wörtlichen Bedeutung bedeutet, die aber nicht semantisch gefüllt

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wird. Auch der „Nachbar“ aus dem Frankfurter Stadtwald steht in Anführungszeichen, angespielt wird hier, wie man sich nur durch Hinzuziehung von Kontextwissen erschließen kann, auf das Zentralgrab aus Grabhügel 1 der Eichlehen-Nekropole in dem an Offenbach angrenzenden Frankfurter Stadtteil Oberrad. Dieser Grabhügel musste dem Autobahnbau weichen und wurde in den Jahren 1966/67 ausgegraben. Zur Ausstattung des Zentralgrabes gehörten unter anderem eine Situla und eine Rippenschale, ein großes Griffzungenschwert mit Ortband und ein aufwändig mit Bronzezwecken geschmücktes Joch. Zum „Fürstengrab“ hochgemendelt wurde es erst im Jahre 2002, als zeitgleich mit der hessischen Landesausstellung „Das Rätsel der Kelten vom Glauberg“ in der Frankfurter Ausstellungshalle Schirn das in der Nähe gelegene Archäologische Museum die Grabausstattung in einer Sonderausstellung präsentierte, die den Titel „Der Keltenfürst aus Frankfurt“ trug. Die Transformation in der Darstellung des Grabes von Ulrich Fischers sachhaltig-nüchterner Grabungspublikation (Fischer 1979) zu dem von der „Fürstlichkeit“ des Toten durchdrungenen Begleitband der Sonderausstellung (Willms 2002) wäre ein eigenes Thema, es sei nur kurz die in Letzterem vorgenommene Rechtfertigung des Fürstenbegriffs diskutiert. Dort heißt es (Willms 2002: 6): „Das Wort „Fürst“ wird im allgemeinen mit mittel­ alterlichen bzw. frühneuzeitlichen Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen Europas assoziiert.“ Eine regelkonstituierte sprachliche Bedeutung wird auf bloße Assoziationen reduziert und damit weitgehend der Beliebigkeit anheimgegeben. Während genau die Regelhaftigkeit sprachlicher Bedeutung die Folie bildet, vor deren Hintergrund Strittigkeiten geklärt werden können, sind Assoziationen von vornherein nicht kritisierbar – man kann ein Gegenüber auffordern, Begriffe und Argumente zu präzisieren, nicht aber, genauer zu assoziieren. Daher lassen sich Assoziationen auch niemals zur Grundlage einer Methode der Bedeutungsrekonstruktion machen.13 „Im Zusammenhang mit der früheisenzeitlichen keltischen Gesellschaft sollte man es nur verwenden, wenn man sich der Übertragungsproblematik bewusst ist.“ Die angesprochene, aber nicht weiter ausge­führte „Übertragungsproblematik“ liegt darin, dass Phäno-

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menen ein unpassender Begriff übergestülpt wird, aber diese Malaise wird nicht durch Bewusstseinsinhalte des Übertragenden getilgt oder abgemildert. Vielmehr müsste sich der Rezipient derartiger Verwendungen darüber im Klaren sein, dass hier mit unsauberen Begrifflichkeiten hantiert wird, aber dafür gibt es eben keine Gewähr. „Dann gibt es gute Gründe, diese alteingeführte Bezeichnung auch auf die frühkeltische Führungsschicht anzuwenden.“ Worin diese „guten Gründe“ bestehen, wird so wenig erläutert wie die „Übertragungsproblematik“, aus deren Bewusstsein die angeführte Folgerung resultieren soll, und dies verleiht der ganzen Passage den Charakter einer argumentationslogischen Luftbuchung. Aber zurück zu dem Rumpenheimer Befund: Da dieser Stadtteil östlich der Stadtmitte Offenbachs gelegen ist, das Grab des Frankfurter „Nachbarn“ aber westlich von dieser, liegt keine unmittelbare Nachbarschaft vor, die beiden Gräbern sind ca. fünf Kilometer voneinander entfernt. Ganz abgesehen davon, datiert das Eichlehen-Grab nach HaC und ist somit wesentlich älter als das Rumpenheimer. Eine Kategorisierung als „Nachbarn“, und das ist mit Blick auf die Narrativitätsthematik von Interesse, suggeriert eine Nähe und eine Zusammengehörigkeit, die nicht gegeben ist und auch gar nicht gegeben sein kann. Zu dieser Suggestion eines Zusammenhangs passt auch die Bezeichnung des Eichlehen-Grabes als „Wagengrab“, obwohl es keine Hinweise auf einen Wagen als Teil der Grab­ ausstattung gibt. „Nur etwa 240 solcher Gräber sind bis heute aus den Kerngebieten der frühen Kelten bekannt.“ 240 erscheint zunächst einmal als eine recht stattliche Anzahl, und ganz in diesem Sinne wird das Rumpenheimer Grab in dem Katalog zur Ausstellung „als eines von über 240 (…) bekannten späthallstattzeitlichen Wagengräbern“ (Marquart 2010: 110) vorgestellt. In dem Katalog wird folglich die Größe der Zahl, auf der Erläuterungstafel dagegen ihre Kleinheit akzentuiert, und auch in dieser auf der Tafel gewählten Formulierung artikuliert sich das Bemühen um die Betonung der Exklusivität und Herausgehobenheit des Befundes. „Das besondere Grab von Rumpenheim wurde ganz nah am Main auf einer Niederterrasse, nahe an einer

Mainfurt angelegt. Sicher hat sein Reichtum auch mit dem nahen Verkehrsweg auf und über den Main zu tun.“ Die aus der Lokalisierung „am Mainufer“ zu erschließende unmittelbare Flussnähe bestätigt sich. Mit dieser Nähe ist sein Reichtum zu erklären, nicht wie bei Geiß mit der Kontrolle über die Eisenproduktion. Anders als Geiß vermeidet dieser Text Konkretisierungen, wie der Zusammenhang von Verkehrsweg und Reichtum beschaffen war, am ehesten könnte man wohl an eine Art Zoll denken, die man bei dem Toten zu entrichten hatte, wenn man den Main überqueren oder sich auf ihm fortbewegen wollte. Er hätte somit sekundär von Handelstransaktionen profitiert. Über den Wagen und die Lanzenspitze hinaus erweckt das Grab freilich nicht den Eindruck, exzeptionell reich zu sein, und aufgrund seiner Dürftigkeit für ein „Fürstengrab“ wertete Geiß das Inventar ja auch als Ausdruck einer spartanischen Lebensführung. Offensichtlich ist die Rede von Reichtum hier relativ zu verstehen, das heißt im Vergleich mit anderen Gräbern dieser Epoche in der näheren oder weiteren Umgebung ist das Grab als reich zu klassifizieren. Das steht in gewissem Widerspruch dazu, dass „Fürst“ ganz offensichtlich im Rekurs auf die immanente Qualität des Grabes definiert wurde und gerade nicht relational. „Die Bestattung des Regionalfürsten ist noch traditionell angelegt: auf einem vierrädrigen Totenwagen. Doch seine Lanze zeigt in Form und Größe schon den Stil keltischer Waffenschmiede.“ Der Text schließt mit einer Kennzeichnung des Wagengrabes als eine Art Übergangsphänomen, das zwischen Traditionalität und Neuerung vermittelt. Einerseits liegt der Tote ganz im Sinne der Tradition noch auf einem vierrädrigen Wagen – dessen Bezeichnung als „Totenwagen“ im Übrigen durchaus voraussetzungsvoll ist –, andererseits weisen „Form und Größe“ der Lanzenspitze bereits in die Zukunft. Damit wird eine Dynamisierung erreicht, eine sinnhafte Einbettung in einen größeren Zusammenhang, in welchem der Befund als Mittler zwischen Tradition und Avantgarde erscheint. Das ist mehr als eine bloß chronologische Einordnung, es ist die narrative Aufladung mit Sinn, wie sich an den für sich unscheinbaren Partikeln „noch“ und „doch“ zeigt: Das „noch“ verweist über das bloß zeitliche Verhältnis hinaus auf ein

traditionalistisches Beharrungsvermögen, das bereits tendenziell unter Rechtfertigungsdruck gerät, das adversative „doch“ dagegen markiert in Verbindung mit dem „schon“ ein eigentlich unzeitgemäßes Ausgreifen auf Zukünftiges. „Regionalfürst“ ist wieder eine Pseudodifferenzierung, ähnlich wie bei „Kleinkönig“ ist hier unklar, ob sich die Herrschaftsorganisation in einer Pluralität derartiger Herrscher erschöpfte oder ob es noch einen übergeordneten gab. Ergänzend seien noch kurz zwei ebenfalls auf den Rumpenheimer Toten bezogene Beispiele für das Schillern des Fürstenbegriffes zwischen der relativen und der absoluten Bedeutung angeführt. Ein Beitrag von Gesine Weber über das Wagengrab in einem Band über die Geschichte Rumpenheims trägt den Titel: „Das hallstattzeitliche Wagengrab: Offenbachs erster Fürst?“ (Weber 2006). Hier ist offensichtlich die emphatische, absolute Bedeutung gemeint, der „Fürst“ wird, wenn auch hypothetisch, als Vorläufer der mittelalterlichen Herren von Rumpenheim vorgestellt. Im Text selbst heißt es dann, man komme nicht umhin, in den Gräbern von Eichlehen und Rumpenheim „die Grablege einer höhergestellten Person, der eines Fürsten, zu sehen“ (Weber 2006: 14), und damit wird wieder auf den relationalen Fürstenbegriff zurückgegriffen. Zweites Beispiel: Im Begleittext zu der archäologischen Fundortkarte von Offenbach, die im Haus der Stadtgeschichte gleich neben den Funden und der Rekonstruktion des Wagengrabes hängt, heißt es: „Das keltische Wagengrab der Älteren Eisenzeit aus der Flur Am Klingenrain bei Rumpenheim steht hinsichtlich seiner Grabanlage und der Beigaben in der Tradition reich ausgestatteter süddeutscher Fürstengräber. Dort wurde der Angehörige einer Familie bestattet, die Macht und überregionale Bedeutung besaß“14. Die Formulierung, das Grab stehe „in der Tradition“ der süddeutschen Fürstengräber ist außerordentlich raffiniert, weil sie offenlässt, ob es damit selbst ein Fürstengrab ist oder aber eben nur in der Tradition der Fürstengräber steht und mit diesen gewisse Ähnlichkeiten hat. Damit wird aber auch deutlich, in welchem Ausmaß der Leser bzw. Ausstellungsbesucher gezwungen ist, zwischen den Zeilen zu lesen und Exegese zu betreiben, was sicher nicht im Sinne der Wissensvermittlung sein kann. Warum wird mit einer solchen Zähigkeit an dem

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Fürstenbegriff festgehalten, obgleich an terminologischen Alternativen kein Mangel herrscht? Ganz wesentlich scheint mir der Grund hierfür darin zu liegen, dass aus der Orientierung an dem geschichtswissenschaftlichen Ideal der Narrativität die Notwendigkeit folgt, Akteure und Handlungsinstanzen ausfindig zu machen – schon Droysen wies darauf hin, dass Vorgänge, die etwa dem Bereich der Strukturgeschichte zuzurechnen sind und bei denen derartige Handlungsinstanzen nicht identifiziert werden können, sich auch nicht erzählen lassen: „Ich wüßte nicht, wie

man die Geschichte einer Sprache, die Geschichte einer Rechtsinstitution oder zum Exempel der Dreifelderwirtschaft erzählen sollte“ (Droysen 1977: 234). Aus diesem Bemühen um narrative Anschaulichkeit heraus ist das Insistieren auf dem „Fürsten“ als herausragender Einzelpersönlichkeit und auf den „Kelten“ als kollektiver Handlungsinstanz zu erklären, und genau diese Konstrukte werden dann ihrerseits zum Ausgangpunkt populärer Darstellungen, die den Faden weiterspinnen.

Anmerkungen 1 Vgl. Leskovar 2005;Veit 2006; Rieckhoff 2007. 2 Vgl. hierzu ausführlich Rieckhoff 2007. 3 Wenn wir beispielsweise sagen, dass wir ein „fürstliches Abendessen“ genossen haben, beziehen wir uns auf die zweite, abgeleitete Bedeutung von „Fürst“ bzw. „fürstlich“. 4 Zur Geschichte der Verwendung des Begriffes „Fürst“ in der prähistorischen Archäologie vgl. ausführlich Schweizer 2006. 5 „Ohne Zweifel war diese ‚Heineburg‘ der feste Standplatz jenes Fürstengeschlechtes, das in einem der Hügel begraben liegt; denn dass hier ein Geschlecht höchsten Ranges bestattet wurde, beweisen jene Grabbeigaben, vor allem die für diese Zeit so sehr kostbaren und zahlreichen Goldschmucksachen“ (Paulus 1877: 8). 6 „Ich nenne die grossen Hügel Fürstengräber, oder nach dem Vorbilde der Hügel in Kleinasien, welche Schliemann untersucht hat, Heroenhügel und bedaure nur, dass der grosse Hügelforscher selbst, den alle hier erwartet haben, nicht unter uns ist, um seine Hügel mit unseren süddeutschen Hügeln zu vergleichen. Auf mich wenigstens haben die Hügel an der Besikabai und bei Hissarlik, die ich mit eigenen Augen von den Dardanellen aus gesehen habe, ganz denselben Eindruck gemacht, wie etwa unsere schwäbischen Fürstengräber“ (Fraas 1879: 108). 7 Geiß reserviert den Gebrauch des Terminus „Kelten“ in dem angeführten Zitat für die Latènezeit, er erliegt damit nicht der

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Versuchung, bezogen auf die Hallstattzeit von „frühen Kelten“ zu sprechen, was gleichfalls eine beliebte Pseudodifferenzierung ist. So schließt der Text denn auch mit den beschwörenden ­Worten: „Man hofft, daß irgendein Zufall eines Tages Spuren der Siedlung an das Tageslicht bringt, Reste einer hallstättischen Burgsiedlung, die dagewesen sein muß!“ (Geiß 1982: 87). „Eine aufwendige Rekonstruktion des Wagens mit dem darauf liegenden Toten und seinen Beigaben geben den Besuchern ein anschauliches Bild der ‚fürstlichen‘ Bestattungen der älteren Eisenzeit“ (Weber 2001: 107). Geiß spricht nur hypothetisch von dem Toten, „der bei der Bestattung wohl auf dem Wagenkasten gebettet wurde“ (Geiß 1982: 81); vgl. auch Driehaus 1975: 66. Gesine Weber M.A. danke ich für den Hinweis auf dieses Bild und für Einblicke in die Grabungsdokumentation, die in der Frage nach der Lage der Lanzenspitze keinen Aufschluss gibt. Ich danke Dr. Markus Marquart für die Erlaubnis, den Text der Tafel zitieren zu dürfen. Vgl. hierzu die Kritik Ulrich Oevermanns an der psychoanalytischen Methode der Tiefenhermeneutik (Oevermann 1993). Unter http://www.offenbach.de/stepone/data/pdf/5c/13/00/ fundortkarte.pdf ist die Fundortkarte im Internet einzusehen.

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Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise der eisenzeitlichen Kelten Michela Vignoli

Zusammenfassung* Die eisenzeitlichen Kelten sind ein gutes Beispiel für das Heranziehen von Quellen verschiedener Fachgebiete zur Konstruktion eines Ethnos bzw. einer Kultur bzw. einer Identität. Die Problematik dieser Begriffe ist in der Archäologie ebenso präsent wie in anderen Kulturwissenschaften. Verschiedene Disziplinen haben sich mit den unterschiedlichen Quellen befasst und dazu ihre eigenen Modelle und Perspektiven erarbeitet, nicht immer jedoch die von den Nachbarwissenschaften erarbeiteten Theorien reflektierend. Anhand der „eisenzeitlichen Kelten“ soll zusammengefasst werden, wie antike Begriffe und Konzepte zum Umgang mit frühgeschichtlichen Quellen in der modernen Keltenforschung diskutiert werden. Bei jeder Bezeichnung von kulturellen Prozessen und deren Zeugnissen handelt es sich im Grunde um konstruierte Begriffe, welche die komplexe Realität in ein reduziertes Ordnungsgebilde eingliedern. Auf diese wiederum stützen sich weitere wissenschaftliche Interpretationen. Es sind Versuche, sich so genau wie möglich an die überlieferte Realität zu halten. Doch die Forschungsarbeit wird aus einer bestimmten Perspektive anhand bestimmter Methoden betrieben, durch welche die Ergebnisse beeinflusst werden. Die Herausforderung für die Wissenschaft besteht darin, zwischen den die Realität vereinfachenden, wissenschaftlich konstruierten Kategorien und der historischen, sozialen Realität zu unterscheiden. „Kultur“ als Konzept und als Kategorie, auf die man weitere Interpretationen stützen will, kann nur funktionieren, wenn Komplexität und Dynamik der Lebenswirklichkeit mitberücksichtigt werden. Um der Komplexität und Vielseitigkeit der für uns fassbaren kulturellen Prozesse näher zu kommen, scheint mir eine starke interdisziplinäre Arbeitsweise, die verschiedene Zugangsweisen, Perspektiven und Konzepte thematisiert, der richtige Ansatz zu sein.

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Abstract The Celts of the Iron Age are a good example for the construction of an ethnos, a culture or an identity based on sources of different disciplines. The problematic nature of these terms is present in archaeology as in other cultural studies.Various disciplines have created their own models and perspectives based on the different sources, not always reflecting on the theories of their related disciplines. By the example of the “Iron Age Celts” I want to summarize how ancient terms and concepts are under discussion in the modern Celtic Studies. Each denomination of cultural processes and their testimonies are constructed terms that integrate the complex reality in a reductive ordinal model, on which the further interpretations are based on. The scientists attempt to conform to the traded reality, but their work is marked by their own point of view. The results are always under the influence of the taken perspective and methods. The challenge for the science is to differentiate between the scientistic constructed terms, that simplify the reality, and the historical, social reality itself. “Culture” as a concept and category as basis of further interpretations can only be fruitful if the dynamics and complexity of the everyday reality are taken count of. It seems to me, that to advance towards a complex and versatile comprehension of cultural processes of the past only an interdisciplinary method, that includes various approaches, perspectives and concepts, is appropriated.

1.  Einleitung Die „Kelten“ – Menschen aus der Vergangenheit. Über sie werden viele Geschichten erzählt. Sie sind uns ­namentlich aus der Alten Geschichte bekannt und die wenigen erhaltenen Nachrichten regen Phantasie und Entdeckergeist an. Die althistorischen Quellen verschaffen dem Keltenbegriff historische Hintergründe und bilden die Grundlage für konzeptuelle Begriffe, die sich im Laufe der Forschungsgeschichte herausbildeten und veränderten (vgl. Birkhan 1997: 38–43; Collis 2006 [2003]: 13–26). Über die Sprache, die materielle Kultur und andere kulturelle Eigenschaften der eisenzeitlichen Kelten bieten uns unterschiedliche Quellen Zugang. Diese ermöglichen uns die Rekonstruktion ihrer Lebensweise, ihrer Kultur; wir skizzieren ein bestimmtes Keltenbild. Doch inwieweit ist es möglich, in ihre Vergangenheit zurückzublicken? Wir können versuchen, „die Kelten“ zu beschreiben: Menschen mit einem Ethnos, mit Identität(en), Kultur(en), Sprache(n), materielle Kultur(en), … Die­se Kategorien sind allesamt Begriffe, dieVersuche darstellen, Lebenswirklichkeiten zu beschreiben (vgl. Brather 2004: 333; 338; v.a. 357; Eggert 2003: 455; Bühnen

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2003: 507; Habermas 1981: 182–228). Um ein besseres Verständnis der komplexen kulturellen und sozialen Prozesse der Vergangenheit zu ermöglichen, werden anhand der zur Verfügung stehenden Quellen Erklärungsmodelle entwickelt (vgl. beispielsweise die Debatte zur Ethnogenese der Kelten, z. B. Rieckhoff 2007: 24; Birkhan 1997: 38– 43; Urban 2007: 604–607; Kommentar von Karl 2008a: 39–43; Karl 2008b: 3 –15). Die Rezeption der Quellen und die wissenschaftliche Arbeit tragen zur Konstruktion von Keltenbildern bei, die von den jeweiligen Forschungsperspektiven und Prämissen abhängen. In der wissenschaftlichen Arbeit wird versucht, die komplexe Realität bzw. die Quellen zu ordnen und zu analysieren, um ein besseres Verständnis der Vorgänge und Entwicklungen zu gewinnen (vgl. zur archäologischen Heuristik Eggert 2005 [2000]: 122–143; Hansen 2005: 295–296). Anhand der unterschiedlichen Quellen, die nur zu vereinzelten Teilen der keltischen Lebenswirklichkeit Einblick gewähren und zudem in den geteilten Disziplinen oft separat behandelt werden, entstehen Teilrekonstruktionen von kulturellen und sozialen Prozessen vergangener Gesellschaften, die aber teilweise als ganzheitliche Modelle behandelt werden. (Vgl. Eggerts [2003: 453] Kritik zu archäologischen Deutungen aufgrund von „uni-

linearem Denken“, die beabsichtigen, „vielschichtige archäologische Phänomene einer einheitlichen Deutung zuzuführen“. Zum Problem der Verknüpfung interdisziplinärer Quellen vgl. Brather 2004: 31–32; 165–166; Birkhan 1997: 17–18.) Die Quellen, die Aufschluss über die eisenzeitlichen Kelten geben, lassen sich wie folgt unterteilen (vgl. Birkhan 1997: 32–51; Birkhan 2005: 65–147; 151– 213; 217–227; Collis 2006 [2003]: 13–26; 45–56; 161– 194; Rieckhoff 2007: 26–33): – archäologisch: diese Quellen lassen sich anhand der Überreste von materiellen Kulturen der Eisenzeit kategorisieren und beschreiben; wobei in Frage steht, in welcher Beziehung diese zu den Gesellschaften, die als „keltisch“ bezeichnet werden können, stehen – althistorisch: in diesen Zeugnissen haben wir es mit Fremdbildern der griechischen und römischen Antike zu tun, sowie mit antiken Begriffen, die in spezifischem Kontext verwendet wurden; somit beinhalten diese Quellen Implikationen und müssen kritisch analysiert werden – sprachwissenschaftlich: für die Eisenzeit sind nur wenige keltischsprachige Zeugnisse überliefert; anhand der Linguistik lassen sich Sprachfamilien rekonstruieren, welche nach wie vor auf die Kultur-Begriffe ­Einfluss nehmen. Anhand dieser Quellen kann ein Kelten-Begriff erarbeitet werden, der wiederum als Richtlinie dient, um weitere Quellen aus diesen Fachgebieten der keltischen Kultur zuzuordnen. In diesem Beitrag möchte ich zusammenfassen, wie antike Begriffe und Konzepte zum Umgang mit urgeschichtlichen Quellen in der modernen Keltenforschung diskutiert werden. Dabei wird der Fokus auf den eisenzeitlichen Festlandkelten und der archäologischen Perspektive liegen. Abschließend sollen zentrale Aspekte zur Begriffskonzeption der „Kelten“ zusammengefasst werden. Dieser Beitrag basiert auf Auszügen aus meiner Diplomarbeit an der Universität Wien. 2.  Keltenbegriffe Der Begriff „Kelten“ stammt aus der antiken Literatur. Es wurden sechs verschiedene Bezeichnungen für die sogenannten „Kelten“ gebraucht: aus den griechischen

Quellen keltoi, keltai, galatai und aus den ­Römischen celti, celtae, galli (Collis 2006 [2003]: 98–100). Die ­Verwendung dieser Bezeichnungen war jedoch absolut nicht einheitlich.Von den Römern und Griechen wurden sie laut Birkhan (1997: 32) als „eine Völkergruppe mit einer gewissen kulturellen Einheitlichkeit wahrgenommen“, oder zumindest als solche dargestellt (Collis 2006 [2003]: 98–102; Chapman 1992: 33– 34; Brather 2004: 167; Birkhan 1997: 32). Durch die ­Verbindung der Informationen aus den antiken Quellen mit denen aus anderen Gattungen, haupt­sächlich den archäologischen und sprachwissenschaftlichen, hat sich im Laufe der Wissenschaftsgeschichte der kulturhistorische Keltenbegriff herausgebildet, der „die Kelten“ als Volk, als Ethnie oder als „Wir-Gruppe“, gekennzeichnet durch eine Kultur, versteht (Rieckhoff 2007: 24). Dieses Keltenverständnis geht hauptsächlich auf Déchelette zurück, der 1914 sprachliche, archäologische und althistorische Quellen miteinander kombinierte (Collis 2006 [2003]: 87–92; Rieckhoff 2007: 30–31). Die Konzeption des Keltenbegriffes war geprägt durch linguistische und archäologische Perspektiven. Sabine Rieckhoff (2007: 25) reduziert das gängige Interpretationsmuster zugespitzt auf zwei Komponenten: wer keltisch spricht ist Kelte; die Träger der Latènekultur sind keltisch. Die Keltenforschung wurde als „Geschichte der Kelten“ verstanden, die es zu rekonstruieren galt. Das archäologische Material wurde anhand der in den antiken Quellen überlieferten Informationen ethnisch gedeutet und mit nationalistischen Inhalten aufgeladen. Die Suche nach dem Ursprung, die zur Konstruktion von Vergangenheitsmythen beitragen sollte, verhalf der Kontinuität als „Schlüsselbegriff der Nationalgeschichte“ (Rieckhoff 2007: 25) aufgefasst zu werden. In diesem Geiste entstand auch der bis heute gültige Begriff der „archäologischen Kultur“, geprägt v. a. durch Gustaf Kossinna und Vere Gordon Childe (Rieckhoff 2007: 25; Karl 2004: 9 –11). Von diesem Standpunkt ausgehend entwickelte sich die Definition der Kelten; vereinfacht gesagt ein keltisch sprechendes Volk oder ein Ethnos, das oder der durch eine Kultur gekennzeichnet ist, die sich durch bestimmte Formensprachen manifestiert (vgl. Karl 2004: 9–13; Rieckhoff 2007: 24–25).

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2.1.  Quellen der Keltizität: Sprache, antike historische Nachrichten und Latènekultur Über das eisenzeitliche Europa sind uns kulturelle und historische Informationen allein aus archäologischen Quellen und, in den späten Phasen, aus antiken Schriftquellen überliefert. Die „keltische Kultur“ der Eisenzeit wird laut Chapman (1992: 94) hauptsächlich durch die materielle Kultur der Latène-Zeit und die wenigen Informationen zur geistigen Kultur, die uns durch antike Autoren überliefert wurden, definiert. Nach wie vor gilt die „keltische Sprache“ als ein wichtiges Merkmal von Keltizität (Birkhan 1997: 55; Rieckhoff 2007: 29). Wie John Collis (2006 [2003]: 45–56) überzeugend aufgezeigt hat, ist der sprachwissenschaftliche Begriff der „keltischen Sprachen“ jedoch ein modernes Konstrukt, das wenig mit einer Einheit der keltischsprachigen Menschen zu tun hat (Collis 2006 [2003]: 45–56; zusammenfassend Rieckhoff 2007: 29–30; vgl. Birkhan 1997: 55; 46–50; Chapman 1992: 14–23; 24; 70–75). In der Antike gab es wohl keine konkreten Versuche, Sprachen und ihre Zusammenhänge zu klassifizieren bzw. zu erklären. Das Sprechen einer keltischen Sprache nach unserem heutigen, sprachwissenschaftlichen Verständnis war demnach nicht zwingend Teil von antiken Keltenbegriffen. Sprache war auch in der Antike ein wichtiges Element, um Völker zu bestimmen, jedoch nicht so zentral, wie es einige Positionen heute vertreten (Collis 2006 [2003]: 16; 45; Chapman 1992: 70; siehe aber Birkhan 1997: 55). Die moderne Benennung der keltischen Sprachfamilie beruht auf dem hergestellten Zusammenhang von antiken Nachrichten über die Sprachen der „Kelten“ und den sprachwissenschaftlich erschlossenen keltischen Sprachen (Collis 2006 [2003]: 48–54; Rieckhoff 2007: 29; Birkhan 1997: 10; 55; Sims-Williams 1986: 72). Die Hauptquellen für die altkeltischen Sprachen sind Orts- und andere Namensbezeichnungen in griechischen und lateinischen Texten und Inschriften. Die erste keltische Sprache, die formell besser bezeugt ist, ist das Gallische. Sie ist auch die einzige der direkt bezeugten altkeltischen Sprachen, die umfangreicher erhalten ist. „Sprachverwandtschaften“ und „Sprachräume“ werden anhand der überlieferten Sprachzeugnisse rekonstruiert, wobei die verwendeten Bezeichnungen alle aus der antiken

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Ethnographie stammen (Chapman 1992: 7–8; Brather 2004: 165). Häufig werden die antiken historischen Quellen als Richtlinien für Keltizität herangezogen (Chapman 1992: 165; vgl. Brather 2004: 117–135; Birkhan 1997: 22–31; für eine zusammenfassende Liste der wichtigsten Kelten-Nennungen antiker Autoren siehe Collis 2006 [2003]: 16–25; vgl. Brather 2004: 166–168; Birkhan 2005: 151–160). Es gilt jedoch zu beachten, dass diese überlieferten Informationen, wie Chapman (1992: 165) es ausdrückt, in den Kontext einer Begegnung zweier Kulturen eingebettet sind. Die Texte sind in einer Zeit entstanden, in der die eisenzeitlichen „Kelten“ am „Rande einer mächtigeren kulturellen Welt“ lebten (Chapman 1992: 95, meine Übersetzung). Die antiken Quellen liefern uns in erster ­Linie stereotypisierte Informationen aus der Perspektive von „außen“. Zudem wurden die antiken Keltenbegriffe nicht einheitlich und eindeutig gebraucht. Collis (2006 [2003]: 100–103) fasst zusammen, dass die Keltenbegriffe von den antiken Autoren auf vier verschiedene Weisen gebraucht wurden: entweder als spezifische Stammesbezeichnung oder als Bezeichnung einer sozialen oder politischen Einheit; des weiteren als generalisierte Bezeichnung von mehreren sozialen Gruppen, die entweder den Namen eines bestimmten, mit ihnen verwandten Stammes übernommen oder die vordergründig gar nichts miteinander zu tun hatten, aber von äußeren Betrachtern mit einem Terminus zusammengefasst wurden. In jedem Fall muss beachtet werden, dass die Bezeichnungen und Beschreibungen rein von der „Perspektive von Außen“ aus niedergeschrieben wurden und somit nicht die indigenen Ansichten der beschriebenen Gemeinschaften reflektieren. Auch Brather (2004: 130 –131) unterstreicht, dass Begriffe wie civitas, populus, gens und natio nicht systematisch verwendet wurden. Die Bedeutung kann nur je nach historischem Kontext ermittelt werden. „Ethnien“ wie die „Kelten“ waren „Oberbegriffe der antiken Ethnographie“ und dienten der „klassifikatorischen Ordnung der Barbarenwelt“ (Brather 2004: 131). Diese waren „idealtypisch“ ausgerichtet und reflektierten keine tatsächlichen sozialen bzw. politischen Gegebenheiten, sondern primär eine geographische Einteilung der unzivilisierten Barbarenwelt. Die Barbaren wurden von Römern und Griechen als „die anderen“

portraitiert, das Gegenstück zu ihrer eigenen Kultur, ihrer „‚zivilisierten‘ sozialen Normalität“ (Chapman 1992; 165). Dieser Standpunkt wurde in allen antiken Quellen über „die Kelten“ reproduziert. Die „Barbaren“ insgesamt wurden einseitig und nach römischgriechischer Moral bewertet. Des Weitern wurden die einzelnen „Ethnien“ kaum voneinander unterschieden. Die antiken Quellen informieren uns also in erster Linie über die Perspektive und die klassifikatorischen Systeme der Römer und Griechen, und nicht über „die Kelten“ selbst (Brather 2004: 33; 117–120; 130–135; 165–168; 217–218; Birkhan 1997: 22–25; 46–50; 55–56; Collis 2006 [2003]: 13–14; 45–52; 61; 98–103; 105–106; 195–196; Rieckhoff 2007: 26–27; James 1999: 52; Chapman 1992: 1–4; 30–38; 95–97; 111; 165–182; Sims-Williams 1986: 77; Díaz-Andreu 1996: 49–50). Seit dem 19. Jh. werden „die Kelten“ archäologisch häufig der Latènekultur zugeordnet. (Ein rezentes Beispiel ist Gebhards Ausstellungskatalog „Das keltische Jahrtausend“ aus dem Jahre 2003: „Die archäologische Erforschung ihrer eigentümlichen Zivilisation, nach einem schweizerischen Fundort Latènekultur (ca. 480–15 v. Chr.) genannt, […]“ zitiert aus Karl 2004: 9–10.) Freilich ist es problematisch, archäologischen Fundprovinzen „ethnische Einheitlichkeit“ zu unterstellen. Die von den Archäologen erfassbare materielle Kultur kann als Indiz für eine gewisse „Selbstzuordnung“ der Kelten aufgefasst werden, muss es aber nicht. Oft wird angenommen, dass mit der Ausbreitung der Latène-Kultur auch die Verbreitung von Sprache, bzw. keltischen Ortsnamen einhergeht (Chapman 1992: 41; vgl. Birkhan 1997: 34–37; Karl 2004: 12). Nicht zuletzt wird versucht, anhand der archäologischen und onomastischen Quellen die in den antikhistorischen Quellen überlieferten Migrationen von keltischen Stämmen nachzuweisen. Das Thema Migration ist in den antiken historischen Quellen stark vertreten und wurde in der modernen Forschung häufig als Erklärungsmodell für die beobachtbaren Veränderungen verwendet (siehe Brather 2004: 239–249; Collis 2006 [2003]: 107–114; Chapman 1992: 41–48). Die überlieferten Fakten aus der antiken Literatur wurden in der zeitlich und räumlich gleichen Abgrenzung gesucht und gefunden. Archäologische Kulturen werden in diesen Ansätzen als homogen aufgefasst und komplexe,

dynamische Vorgänge vereinfacht interpretiert (Chapman 1992: 6 –7; 41– 48; Birkhan 1997: 8; 34–35; Collis 2006 [2003]: 107; Brather 2004: 169; 239–249). Es gibt auch Versuche, die „Kelten“ auf noch ältere materielle Hinterlassenschaften zurückzuführen (vgl. z. B. Brather 2004: 208–209). Wie jedoch Birkhan (1997: 33–34) betont, können solche Ansätze nur „aus der methodisch fragwürdigen unreflektierten Gleichsetzung sprachlicher und archäologischer Indizien heraus“ begründet werden. 2.2. Problematische Kelten-Definition „Die Kelten“ zu definieren ist, wie sich in den letzten 10 Jahren Keltenforschung deutlich herauskristallisiert hat, bei weitem nicht unproblematisch. Die uns zur Verfügung stehenden Quellen zu den „Kelten der Eisenzeit“ erlauben uns, wenn überhaupt, nur indirekte Einblicke in ihre Kultur und Identität.Wir sind für ein Keltenbild, das die gesamte Lebensweise erfassen soll, auf die Verknüpfung von den unterschiedlichen Quellen angewiesen (vgl. Birkhan 1997: 17–18; siehe aber Urban 2007: 595–596 und Kommentar Karl 2008a: 33–36; 38–39). Jedoch bietet das von Vorstellungen des 19. und beginnenden 20. Jh. geprägte „kulturhistorische, normative Kulturkonzept“ keinen geeigneten Lösungsansatz (Karl 2004: 9–10; vgl. für eine ausführliche Entwicklungsgeschichte des Kulturbegriffes in der Archäologie Díaz-Andreu 1996: 48–58; Brather 2004: 52–76; Trigger 2008 [1996]: 232–235). Dennoch wird die „keltische Kultur“ in der Forschung tendenziell noch immer als spezifisch für „die Kelten“ dargestellt und erhält dadurch eine implizierte Homogenität und Kontinuität (vgl. Karl 2008b: 2–3; 15; James 1999: 43–44). Dies wird beispielsweise von der aktuellen Ausstellung „Die Kelten. Druiden. Fürsten. Krieger.“ in der Völklinger Hütte (Völklingen im Saarland, Deutschland) suggeriert (vgl. Der Standard 22.11.2010; Völklinger Hütte 2010). Die „keltische Kultur“ wird als klar begrenzte und definierbare Kategorie behandelt, die, sobald nachweisbar, ein Indiz für die Anwesenheit „der Kelten“ darstellt. „Keltische“ und „nicht-keltische“ Kulturelemente werden laut Chapman (1992: 94–95) einander gegenübergestellt und Veränderungen als Einflüsse fremder Kulturen interpretiert. Das dieser Deutungsarbeit zu-

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grunde liegende Modell ist das von klar definierbaren, eigentümlichen Kulturen, die zugleich charakteristisch sind für ihre Kulturträger (Chapman 1992: 94– 95; Karl 2004: 9; 12–19; Brather 2004: 29–31). Dieser Ansatz ist direkt auf den Kultur- und Ethnosbegriff des 19. Jahrhunderts zurückzuführen (vgl. dazu Brather 2004: 32–52; Jones 1997: 106–110; Trigger 2008 [1996]: 211–313; Reckwitz 2000: 65–79; Eagleton 2001 [2000]: 8; 12–14; 17–26). Wie können wir also „die Kelten“ definieren? Jeder Definitionsversuch ist geprägt von den gewählten Theorien und Methoden und den dadurch gesetzten Schwerpunkten. In „archäologisch-methodischer Hinsicht“ z. B. können die Aufteilungen in chronologische Stufen und die Darstellung der Verbreitung bestimmter Formen durchaus sinnvoll sein (Brather 2004: 208; vgl. Eggert 2005 [2000]: 270–307). Doch wie Brather (2004: 208) betont, stellen sie eine rein „künstliche Abgrenzung in einem kulturellen und historischen Kontinuum“ dar. Ein zusätzliches Problem ist die Zusammenführung der so gewonnenen Informationen mit denen weiterer Quellen aus anderen Fachgebieten (Brather 2004: 165–166). Als Beispiel hierfür möchte ich die archäologische Perspektive auf die Identifizierung der Latènekultur mit den eisenzeitlichen Kelten grob zusammenfassen. 3.  Die archäologische Perspektive: Kelten und Latène-Kultur Für die Eisenzeit- und Keltenforschung waren hauptsächlich die beiden Fundorte Hallstatt in Österreich und La Tène in der Schweiz bezeichnend, nach denen große Fundgruppen benannt wurden (vgl. Collis 2006 [2003]: 74–75). Durch die steigende Fundanzahl wurde es möglich, immer detailliertere Artefakt-Typologien zu erkennen. Dass Hallstatt- und La Tène-Funde zwei verschiedenen Kategorien angehörten war auf Anhieb klar. In weiten Teilen Europas traten Funde ähnlichen Stils zutage, was Désor dazu brachte, die Eisenzeit in zwei Perioden einzuteilen: eine frühere Hallstattzeit und eine spätere Latènezeit (siehe Collis 2006 [2003]: 75). Diese Unterteilung war zunächst „rein chronologisch“ und nicht als „rassische oder ethnische Interpretation des Fundmaterials“ aufgefasst (Collis 2006 [2003]: 75, meine Übersetzung). Die

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„keltische Kunst“ wurde auch schon in der zweiten Hälfte des 19. Jh. definiert. Aufgrund der Ähnlichkeit der Verzierungen auf Funden in Großbritannien und dem Westen des europäischen Kontinents, sowie der durch die Linguistik gestützten Annahme, dass die Ureinwohner Britanniens und Irlands Kelten seien, wurde dieser Kunststil den „Kelten“ zugeschrieben (Collis 2006 [2003]: 80–84). Es können mehrere Gründe für die Identifizierung der Latène-Kultur als „keltisch“ gefunden werden. Die sogenannten „Fürstengräber“, die im 6. – 5. Jh. v. Chr. erscheinen, werden als „tiefgreifende soziale Wandlungen“ interpretiert und in Zusammenhang mit der antik überlieferten Ethnogenese der „Kelten“ gebracht (Brather 2004: 209; vgl. Collis 2006 [2003]: 157. Zu den „Fürstengräbern“ bzw. „Fürstensitzen“ siehe Eggert 1989). Die „Fürstengräber“ treten in der Übergangsphase von der späten Hallstattzeit bis zur frühen Latènezeit auf, kennzeichnen also quasi den Übergang zwischen diesen „archäologischen Kulturen“. Obwohl es keine direkten Hinweise auf Sprachen oder Identitäten der „Kulturträger“ im Fundmaterial gibt, wird wegen den griechischen Fremdbeschreibungen der „Kelten“, die zu dieser Zeit einsetzen, die direkte Verbindung von den antik beschriebenen „Kelten“ zur materiellen Latène-Kultur gezogen (Collis 2006 [2003]: 93–98; 157; 193–194; Brather 2004: 166–174; 208–210; 220–223; Birkhan 1997: 38–40). Die der „keltischen Ethnogenese“ zugrunde liegende Annahme einer nachweisbaren „keltischen Ethnie“ geht auch auf antike historische Quellen zurück. Die ersten „Kelten“-Nennungen gehen auf Hekataios von Milet (um 540– 475 v. Chr.) und Herodot von Halikarnassos (um 490/480 – 424 v. Chr.), die letzten ins 5.Jh.n.Chr zurück (z. B. Stephanos von Byzanz um 480 –500 n.Chr. Für eine zusammenfassende Liste der wichtigsten Kelten-Nennungen antiker Autoren in Collis 2006 [2003]: 16–25; vgl. Brather 2004: 166–168; Birkhan 1997: 36–43; Birkhan 2005: 151– 160). Jedoch sind die antiken Klassifizierungen, z. B. laut Brather (2004: 172; 225–226), in erster Linie als geographische Einteilungen zu verstehen, und nicht als ethnologische im heutigen Sinne. Ein paar Autoren (in erster Linie Caesar und Strabo) liefern uns recht präzise Angaben über Gemeinschaften und deren genauen Lokalisierung und Bewegungen (Collis

2006 [2003]: 105–106). Jedoch muss auch hier die Perspektive der Autoren beachtet werden und nicht zuletzt ihr Kontext und Wissen um die geographischen Verhältnisse (Brather 2004: 172; 217–218; 225–226; Chapman 1992: 24–40; 165–166; Collis 2006 [2003]: 105–106; 195–196). Das Konzept der „archäologischen Kultur“ geht auf die veraltete Vorstellung zurück, dass die Kulturträger durch Sprache, Kultur und Identität eindeutig charakterisiert seien. Die Suche nach Kohärenzen bestimmt die Kategorisierung archäologischer Kulturen und vereinfacht die komplexen Prozesse. Die Gefahr besteht darin zu glauben, diese „deskriptiven Ordnungsbegriffe“ seien die Realität abbildende, realistische Größen, und nicht von der Perspektive und den Grundannahmen beeinflusste Konstrukte. „Typisierungen“ und „räumliche Gruppierungen“ stellen nicht Abbildungen vergangener Realität dar, sondern dienen allein als beschreibende Ordnungsbegriffe. Die aus den antiken Quellen übernommenen „Ethnien“, die in der materiellen Kultur wieder gefunden werden wollen, stellen ebenso wenig reelle Gruppierungen aus der Vergangenheit dar. Die Quellen erlauben uns nur Einsicht in Fremdbeschreibungen und erhellen so gut wie nie die ethnische Selbst-Identifikation bestimmter Gruppen. Die „kulturellen Merkmale“, die als Symbole für die Abgrenzung zu anderen Gruppen dienten, bleiben ebenso unbekannt. Somit sind Archäologische Kulturen als „wissenschaftliche Konstrukte“ anzusehen (vgl. Brather 2004: 30–31; 162–163; 208; Wotzka 1993: 34–36; 40–41; Eggert 2005 [2000]: 283–296; Veit 2003a: 465–466; 474–476; Bühnen 2003: 511; Karl 2004: 24; Brather, Wotzka 2006: 197–219). Durch Identifizierung der „Kelten“ in der Latènekultur scheint sich das Keltenbild der antiken Historie in der materiellen Kultur widerzuspiegeln. Allerdings werden auf diese Weise die Homogenität und Kontinuität von ethnischen Fremdbeschreibungen und archäologischen Kulturen vorausgesetzt, d. h. die Annahme, dass die von den antiken Römern und Griechen beschriebenen Gemeinschaften eindeutig zu identifizieren seien und sich diese Identität auch eindeutig durch eine materielle Kultur äußere. In dieser stark vereinfachenden Deutungsweise wird die Kongruenz von materieller Kultur, Sprache und Ethnos gesucht und regionale Variabilität in den Hintergrund gestellt. Die

durchaus beobachtbaren Diskontinuitäten werden zugunsten dieser Prämissen außer Acht gelassen, sowie die Komplexität der sozialen Phänomene und deren verzerrter Niederschlag in historischen und archäologischen Quellen (Brather 2004: 166–174; 206–210; 217–218; 220–223; Collis 2006 [2003]: 155–160; 161– 194; Veit 2003a: 486; vgl. Jones 1997: 106 –110; Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 18–20). Die Deutung von frühgeschichtlichen kulturellen und sozialen Vorgängen hat sich als viel komplexer ­herausgestellt als bisher angenommen. Heute wird der dichotomische Ansatz von „in sich homogenen, durch einen ‚Stil’ klar abgrenzbaren Gruppen“ (Hahn 2005: 152) auch in der Archäologie problematisiert. Die Annahme, dass es für eine „Kultur“ einen bestimmten materiellen Bestand gäbe, der zugleich auf die „Identität“ einer „ethnischen Gruppe“ verweist, wird heute meist abgelehnt (vgl. dazu die Beiträge von Jones, Graves-Brown 1996: v. a. 6 –9; 17–20; Hides 1996: 25–43; Pohl 2004: 23–35; Davidovic 2006: v. a. 47–56; Müller 2006: 103–116; Brosseder 2006: 119–136; Brather, Wotzka 2006: v. a. 201–219; Kommentar von Siegmund 2006: 225–230; Karl 2006: v. a. 251–252). Die „ethnische Identität“ ist nur eine mögliche Ebene von Objektbedeutung. Sie ist eine plausible Bedeutungszuweisung durch die Gesellschaft. Doch wichtiger ist die Möglichkeit, Gegenstände übergreifend in mehrere Kontexte stellen zu können, wie z. B. der sozialen Gruppe, Geschlechterrollen usw. (Hahn 2005: 152– 157; vgl. Mante 2007: 68–70). 3.1. Kultur- und sozialwissenschaftliche Aspekte Die Vorstellungen über kulturelle und soziale Prozesse haben sich seit den 1960er Jahren grundlegend verändert (vgl. Gerndt 2002: 191–194; Kaschuba 1995: 28–30; Brather 2004: 46–48; Díaz-Andreu 1996: 54; Hannerz 1992: 10–11; 16–17; Reckwitz 2000: 64–90; 91–147; 180–186; 546–556). In modernen Ansätzen wird versucht, den traditionellen Vorstellungen von nach innen homogenen und nach außen klar abgrenzbaren Kulturen entgegenzuwirken, indem der Fokus auf die soziologische Dynamik von Gruppen gelegt wird. Es werden Erklärungsmodelle entworfen, die das menschliche Handeln in den Vordergrund stellen (vgl. zu handlungstheoretischen Ansätzen Hahn 2005:

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51–52; 54–55; 59–65; Boesch 1983: 124–126; Habermas 1999: 185–187; Bourdieu 1987 [1979]: 277–286; Reckwitz 2000: 91–147; 180–184). Ebenso wird versucht, die geistigen und materiellen „Dinge“ in einen semiotischen und kommunikationstheoretischen Zusammenhang zu stellen (vgl. zu bedeutungs- und strukturalistisch orientierten Ansätzen Hahn 2005: 115 –120; 122–128; Habermas 1999: 178–181; 192–197; Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 21–24; Boesch 1983: 40–45; 52; Scholte 1973: 637–664; 683–687; Hudson 1973: 120–121; Reckwitz 2000: 180–184; 187; 581– 587). Die Annahme, dass eine Gesellschaft geprägt ist von den materiellen und geistigen Dingen, in denen sie existiert, ist hierbei zentral. Auch in der Archäologie haben die postprozessuellen Ansätze zu einem neuen Verständnis vergangener Kulturen geführt (vgl. dazu Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 18–19; Eggert 2008: 368–371;Thomas 2005: 143–145; vgl. Trigger 2008 [1996]: 393–410; 414– 418; 450–456; 464–466; 480–483).Veränderungen im archäologischen Material werden beispielsweise nicht mehr als Veränderung oder Verschiebung von sozialen Gruppen (den Kulturträgern) verstanden. Migration und Akkulturation gelten nicht mehr als die einzigen Erklärungsmodelle für die beobachtbaren Veränderungen in der materiellen Kultur. Archäologische Kulturen werden als Teil eines Kontinuums materieller Kultur mit lokalen Entwicklungen und überregionalen Einflüssen angesehen (vgl. James 1999: 65–66; Collis 2006 [2003]: 214; Karl 2004: 30–32). Dennoch lassen sich die für die anthropologischen Fragestellungen zentralen Aspekte kaum direkt auf die Altertumswissenschaften übertragen. Am Beispiel der materiellen Kultur ist das Dilemma erkennbar: Die Bedeutungen der Objekte können aus den Objekten allein nicht erörtert werden. Dazu braucht es Vergleichsdaten, die in urgeschichtlichen Quellen schlicht Mangelware sind (Eggert, Samida 2009: 278–281; Brather 2004: 54–56; vgl. Müller-Beck 2003: 130 –131). Moderne Konzepte von „Kultur“ und soziologischen Prozessen, wie der Identitätsbildung, versuchen auf Dynamik und Konstrukthaftigkeit derselben einzugehen (vgl. Hannerz 1992: 7–10; Hahn 2005: 11–14; Kaschuba 1995: 28–36; Gerndt 2002: 194–206; ­Eagleton 2001 [2000]: 38; 48–55; 63-64; Reckwitz 2000: 66– 67; 72–78; 79–82; 84–87). Da sich die Theorien und

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Methoden von Ethnologie und Volkskunde von denen der archäologischen Fächer im Laufe der Forschungsgeschichten stark auseinander entwickelt haben, sind die Konzepte nicht ohne weiteres austauschbar (vgl. Hudson 1973: 111–141). Durch die sich unterscheidenden Quellenlagen werden in der Altertumsforschung andere bzw. angepasste Methoden und Konzepte als in der Gegenwartsforschung benötigt. Im Vergleich zu den gegenwartsbezogenen Kulturwissenschaften ist die Informationsbeschaffung in den Altertumswissenschaften eingeschränkter. Da es sich um vergangene Kulturen bzw. Gesellschaften handelt, sind wir auf die wenigen erhaltenen Informationen aus antiken Quellen angewiesen, durch die wichtige Sphären der kulturellen Bedeutung zwangsweise verschlossen bleiben (Veit 2003a: 470; 483; 485–486; Brather 2004: 330–332; vgl. Mante 2007: 48–49). Die Konsequenzen aus den Erkenntnissen der kulturwissenschaftlichen Anthropologie sollten dennoch gezogen werden (vgl. Bühnen 2003: 491– 510; Veit 2003a: 465–468; 471– 477; 481– 485; Eggert 2003: 432; 453–459; Brather 2004: 625–631). Mit der Einbeziehung des forschungsgeschichtlichen Hintergrundes und den damit verbundenen Erkenntnissen können wir versuchen, geeignete Konzepte bzw. Modelle zur Erfassung vergangener Lebenswirklichkeit zu erarbeiten. (Vgl. Eggert 2003: 455; Brather 2004: 333; 338; 357. Laut Bühnen (2003: 491) ist das Ziel der Geschichtswissenschaften „die Erklärung menschlichen Seins aus seinem Werden“.) Doch wir brauchen Alternativen zu veralteten Kultur-Konzepten, die „Kultur“ als statische, homogene und normative Kategorie behandeln. Das angestrebte Ziel sollte sein, die Informationen aus antiken Quellen in ein Modell einzubauen, das sinnvolle und an den Forschungsstandard angepasste Hypothesen ermöglicht. Dazu kann die Auseinandersetzung mit anthropologischen Fragestellungen mit altertumswissenschaftlichem Kontext eine wichtige Rolle spielen (Eggert 2005 [2000]: 14–15; Veit 2003b: 24). Zum Beispiel:Welche kulturellen und sozialen Informationen lassen sich anhand der materiellen Kultur beziehen? Was sagt Verbreitung und Chronologie über soziale und kulturelle Prozesse aus? Oder, wie Müller-Scheeßel und Burmeister (2006: 17) es ausdrücken: was ist die „gesellschaftliche […] Funktion kultureller Äußerungen“?

4. „Kelten“ als Forschungsfeld Im Rahmen der „eisenzeitlichen Kelten“ bewegen wir uns in einem altertumswissenschaftlichen Umfeld. Es sind also nur wenige Quellen vorhanden, die zudem für kulturtheoretische Fragestellungen einen eingeschränkten informativen Wert haben (vgl. Brather 2004: 330-332). Das gilt sowohl für archäologische, althistorische als auch für sprachwissenschaftliche Quellen: Die materielle Kultur der Latènezeit ist kein genügender Hinweis für die Identifizierung ihrer Kulturträger mit den Kelten (vgl. Brather 2004: 166– 174; 206–210; 217–218; 220–223; Collis 2006 [2003]: 155–160; 161–194). Die Beschreibungen von „außen“ der römischen und griechischen Geschichtsschreiber können uns zwar Details zu den „eisenzeitlichen Kelten“ liefern, jedoch lassen sich diese Informationen nicht zu einem eindeutigen Keltenbild zusammenfügen (Chapman 1992: 1–4; 95–97; 111; 165–182; Brather 2004: 117–135; 165; vgl. Collis 2006 [2003]: 195–196; Birkhan 2005: 151–157). Auch die überlieferten keltischen Sprachen ermöglichen keinen Rückschluss auf die Identität ihrer Sprecher (vgl. Collis 2006 [2003]: 45–56; Rieckhoff 2007: 29–30; Birkhan 1997: 55; 46–50; Chapman 1992: 14–23, 24; 70–75). Die Quellen erlauben uns also keine eindeutigen Einblicke in die einstige Lebenswirklichkeit der Menschen, die uns diese hinterließen. Zusätzlich wird die Analyse bzw. Definition dieser Gesellschaften durch die Probleme, die mit der Verknüpfung der Informationen aus den einzelnen Bereichen einhergehen, noch erschwert. Einerseits stehen wir in der kulturwissenschaftlichen Keltologie vor dem Problem der Interdisziplinarität. Wie Brather (2004: 165–166) formuliert, ist „[d]ie Zusammenarbeit der drei Disziplinen Historiographie, Linguistik und Archäologie […] nicht nur [eine] Chance für die Gewinnung eines umfassenden Bildes der Vergangenheit, sondern auch [ein] methodisches Problem.“ Andererseits ist auch die Konzipierung eines solchen „Kelten“-Begriffes, der die Verknüpfungen der Informationen in einem Lebenswirklichkeitsmodell einstiger Gesellschaften ermöglichen soll, problematisch. Trotz der methodischen Schwierigkeiten, die Informationen aus den unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen, ist dies für den Versuch einstige

Lebensweisen zu rekonstruieren unerlässlich (vgl. Brather 2004: 31–32; Birkhan 1997: 18). Wenn wir uns einer kulturwissenschaftlichen Konzeption von einstiger Lebenswirklichkeit nähern wollen, muss die Trennung der Quellen, die durch die Behandlung in unterschiedlichen Disziplinen aber auch der unterschiedlichen Zugänglichkeit der Quellen gegeben scheint, problematisiert werden. In einstiger Lebenswirklichkeit standen alle Sphären (Sprache, materielle Kultur, Identität, usw.) im Kontext und in ständiger Wechselwirkung (vgl. Hannerz 1992: 7). Die getrennte Behandlung in Fachdisziplinen ist für die Forschungsarbeit und die geeignete Auseinandersetzung mit den Quellen zwar notwendig, stellt jedoch eine willkürliche Isolierung bzw. Abgrenzung im Raum/Zeit-Kontinuum und innerhalb des sozial-kulturellen Kontinuums damaliger Gesellschaften dar (vgl. Brather 2004: 208; Karl 2004: 21). Es ist legitim, sich mit einem ausgewählten Ausschnitt der damaligen Realität auseinander zu setzen. Doch gerade was kulturtheoretische Fragestellungen angeht, wird man gezwungen, auf mehrere Bereiche einzugehen und dadurch interdisziplinär, bzw. mit interdisziplinären Quellen, zu arbeiten (vgl. Birkhan 1997: v. a. 17–82; Chapman 1992: v. a. 1–119; James 1999: v. a. 16–85; Collis 2006 [2003]: v. a. 205–231; Karl 2004: 29–32). Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt ist, was wir unter „Keltizität“ verstehen möchten, bzw. wie der „Kelten“-Begriff ausgerichtet sein soll. „Kelte“ im Sinne von „keltische Identität“ ist eher eine ungeeignete Ausrichtung des Begriffes, da wir nicht genügend bzw. nicht die richtigen Informationen haben, um auf ihre einstige Identität zu schließen (das zeigt z. B. die Problematik der keltischen Ethnogenese, vgl. Karl 2008b: v. a. 1–3; 15; siehe auch Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 17–20; 24–34). Wir operieren anhand der „Kelten“ mit einem ­modern rekonstruierten Begriff, der ein vielseitiges Konstrukt, bzw. mehrere Konstrukte aus der Antike, aufgreift. (Vgl. Birkhan 1997: 22–25; 46–50; 55–56; Collis 2006 [2003]: 13–14; 45–52; 61; 98–103; 105– 106; 195–196; Chapman 1992: 1–4; 30–38; 95–97; 111; 165–182. Vgl. zur Konstrukthaftigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis Ginzburg aus „Die Wahrheit der Geschichte“ 2001: „Die Analyse der jeweiligen Verzerrung jeder Quelle impliziert bereits ein kons-

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truierendes Element.“ zitiert aus Veit 2003a: 486.) Die antiken Keltenbegriffe umfassen verschiedene Begriffe und Bezeichnungen, die über eine lange Zeit hinweg von unterschiedlichen Autoren verschiedener Herkunft in unterschiedlichen Kontexten verwendet wurden (Collis 2006 [2003]: 102). Durch die einseitige, nach Kongruenzen suchende Rekonstruktion in der Moderne vermittelt der Keltenbegriff die Idee, dass es „die Kelten“ gegeben hat: Menschen mit einer Sprache, einer Kultur und einer Identität (vgl. Karl 2004: 9–13; Rieckhoff 2007: 24–25; Brather 2004: 29–32). Von dieser kulturhistorischen Vorstellung geprägt wurde der Keltenbegriff zum Ziel einer holistischen Kulturrekonstruktion eingesetzt (vgl. Díaz-Andreu 1996: 48–58; Brather 2004: 52–76; 169; Trigger 2008 [1996]: 232–248; Reckwitz 2000: 77–88; Collis 2006 [2003]: 150–151; Chapman 1992: 6–7). Die Kombination von Sprache, materieller und geistiger Kultur in ein kongruentes Ganzes geht auf die veralteten Vorstellungen von einheitlich und homogen existierenden Völkern bzw. Ethnien zurück, die durch bestimmte kulturelle Ausformungen charakterisiert sind und sich dadurch erkennen und definieren lassen (vgl. Brather 2004: 32–52; 205–206; Jones 1997: 106–110; Jones, Graves-Brown 1996: 4; Hudson 1973: 111–113; 115– 116; Collis 2006 [2003]: 10; 147; 150). Das „kulturhistorische, normative Kulturkonzept“ (Karl 2004: 9) wurde in den letzten zwei Jahrzehnten auch in der Keltenforschung hinterfragt und als mangelhaft erklärt (vgl. Chapman 1992: 1–13; James 1999: 26–85; Collis 2006 [2003]: 205–232; Karl 2004: 9; 14– 15; Karl 2006: 234–252; Karl 2008b: 1–3; 15; Brather 2004: 159–249; 601–603). Aktuell vertretene Positionen distanzieren sich explizit von einem Keltenbegriff, der „die Kelten“ als Volk bzw. Ethnos versteht. Raimund Karl (2008b: 3) definiert „keltische Kultur“ als „die Summe alles Wissens und aller Fertigkeiten sowie daraus resultierender Erzeugnisse, die als keltisch betrachtet werden“ können. Zu diesem weiten Kelten-Kulturbegriff können viele Einzelkulturen gezählt

werden. Es wird eingeräumt, dass der Keltenbegriff ein rein modernes Konstrukt ist, durch das wir die Vergangenheit beobachten und klassifizieren, um daraus Erkenntnisse gewinnen zu können. Die Unterscheidung zwischen ethnischer Zugehörigkeit und dem „Kulturschaffen“ von Personen soll dabei berücksichtigt werden (siehe Karl 2008b: 15). Ebenso wird betont, dass die als keltisch bezeichneten Gesellschaften nicht als statische Einheiten behandelt werden sollten, da sie sich ständig veränderten und anpassten (James 1999: 43–44; 65– 68; 136–143; Karl 2008b: 2–3; 15; Collis 2006 [2003]: 211–214; 223–224; 226; 230–231; vgl. Rieckhoff 2007: 35; Chapman 1992: 70–119; Brather 2004: 220–223). Es besteht also die Notwendigkeit, einen oder mehrere Keltenbegriffe zu formulieren, welche die Komplexität und Prozesshaftigkeit der als keltisch bezeichneten Gesellschaften berücksichtigen (vgl. Karl 2004: 27–32; Karl 2008b: 15;Veit 2003a: 485–486; Eggert 2003: 454–459; siehe auch Hannerz 1992: 7–17; Reckwitz 2000: 182–186; 546–556; 581–587). Ein vielseitiger, interdisziplinärer Zugang, der verschiedene Ansätze und Positionen mit einbezieht, scheint mir die einzige Möglichkeit, die Dynamik und komplexe Wechselwirkung der verschiedenen Lebenswirklichkeitsaspekte modellhaft zu erfassen (vgl. Birkhan 1997: 17–18). Der Mensch, der hinter den kulturellen Zeugnissen vergangener Zeiten steckt, war von Einflüssen der gesamten Lebenswelt geprägt. Selbst wenn wir zu dieser in ihrer Fülle keinen Zugang haben können, sollten wir bedenken, dass die kleinen Ausschnitte, die uns durch die Quellen erhalten sind, darin eingebunden waren. Auch wenn aktuelle Kultur- oder andere Erklärungsmodelle nicht direkt am frühgeschichtlichen Material applizierbar sind, so sollten doch die daraus resultierenden Konsequenzen für die Konzeption geeigneter Begriffe und Erklärungsmodelle vergangener Gesellschaften reflektiert werden.

*  Dieser Beitrag basiert auf der Diplomarbeit Grundsätzliches zur Kulturtheorie der latènezeitlichen Kelten (Vignoli 2010).

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Wer hat Angst vor Hayden White? Archäologie zwischen Wissenschaft und Kunst Sabine Rieckhoff

Für Wolfgang Kimmig (28.8.1910 –24.5.2001), einen großen Erzähler

Zusammenfassung Kulturen sind immer auch Erzählgemeinschaften, und Erzählungen berichten von handelnden Menschen. Insofern haben es archäologische Wissenschaften, die die Überreste von Handlungen erforschen, immer auch mit narrativen Medien zu tun, offenen oder verdeckten. Offen narrativ ist im weitesten Sinne alles, was symbolische Bedeutung hatte und geschaffen wurde, um das kulturelle Gedächtnis zu stützen. Die narrativen archäologischen Formen, die bestimmte Erzählungen voraussetzen, die wir nicht kennen, bilden eine erste Ebene. Die Deutungen dieser Erzählformen lassen verschiedene Erzählmuster erkennen, um die es in diesem Beitrag gehen soll. Sie bilden die zweite Ebene und sind ihrerseits in kleine und große Meistererzählungen der dritten und vierten Ebene eingebunden. Am Beispiel einer scheinbar gut erforschten narrativen Kategorie, der so genannten ‚keltischen Kunst‘, die wie kaum eine andere dazu beigetragen hat, die Kelten als homogene ‚Kultur‘, als ‚Volk‘ im historischen Diskurs zu etablieren, möchte ich zeigen, wie Erzählmuster entstehen und funktionieren, wie sie den Diskurs beeinflussen und kollektives Wissen konstituieren. Abstract Cultures always also are narrative communities, and narratives report the actions of human beings. Thus, archaeological scholarship, in examining the remains of human actions, is dealing in narrative media, whether these are explicitly so, or whether their narrative character is hidden. Explicitly narrative is everything which had symbolic meaning and was created to prop up cultural memory. A first level of narrative is archaeological forms which, as a prerequisite, depended on a narrative which is unknown today. The interpretations of these forms fall into several narrative patterns, which shall be considered in this paper. They are a second level of narration and themselves are embedded in small and grand masternarratives, third and forth level narratives. Using an apparently well-studied category, so-called ‘Celtic Art’, a topic second to none in its contribution to the creation of the Celts as a homogenous ‘culture’, a ‘people’, in historical discourse, I intend to demonstrate how narrative patterns emerge and function, how they influence scholarly discourse and constitute collective knowledge.

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1.  Narratologie – eine Theorie des Narrativen Während die Narrationsdebatte in den Geschichtswissenschaften schon in den 1960er Jahren eingesetzt und in den 1980er Jahren ihren Höhepunkt erlebt hat, scheint sie in den historischen Kulturwissenschaften noch nicht angekommen zu sein. Neuere Einführungswerke wie die von Aleida Assmann und Doris Bachmann-Medick, beide 2006 erschienen, schenken einer Theorie des Narrativen, der Narratologie, keine Aufmerksamkeit. Das ist insofern überraschend, weil von den vielen cultural turns der letzten Jahrzehnte zwei der wichtigsten, nämlich der linguistic turn und der iconic turn, die Voraussetzungen geschaffen haben für die Erkenntnis, dass erstens zum Grundbestand jeder ­Kultur auch Erzählformen gehören, und dass zweitens die vielen Erzählungen dieser Welt durch bestimmte Erzählmuster generiert werden. Der linguistic turn, der neue analytische Blick auf das Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit, ist mit zwei Namen und zwei Begriffen verbunden: erstens mit der Diskursanalyse des französischen Wissenschaftshistorikers und -soziologen Michel Foucault (1926– 1984) (Foucault 1966; 1969) sowie zweitens mit der Meta-Historiographie, also mit der Geschichte der Geschichtsschreibung des amerikanischen Historikers und Literaturwissenschaftlers Hayden White (*1928) (White 1973; 1978). Foucault und White verbindet die Überzeugung, dass die Sprache unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit bestimmt, dass eine Wirklichkeit jenseits von Sprache nicht existiert; beide zeigen, dass und wie Sprache Realitäten nicht nur abbildet, sondern erzeugt. Die Deutungen der ‚keltischen Kunst‘,1 um die es im Folgenden gehen wird, böten Stoff genug für eine Analyse der darüber geführten Diskurse, aber ich möchte mich in diesem Beitrag dem Versuch widmen, die für diese Deutungen eingesetzten Erzählstrategien zu analysieren. Im Unterschied zum Diskurs handelt es sich bei der Erzählung – mit unterschiedlicher Intention auch als die (den Prozess betreffende) Narration oder als das (das Ergebnis betreffende) Narrativ bezeichnet (Müller-Funk 2008: 15) – um eine symbolische Textform, die aus einer zeitlich geordneten, durch Anfang, Höhepunkt und Ende definierten Abfolge von Handlungen besteht. Das Narrativ ist keineswegs auf die Belletristik beschränkt, ganz im Ge-

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genteil. Ich gehe von Hayden White’s zentraler These aus, dass auch ein historiografischer Text ein Narrativ und insofern einen literarischen Text darstellt, der (im Unterschied zur reinen Fiktion) dazu dient, einen historischen Sachverhalt zu erklären. Aber nicht nur subjektseitig, aus der Sicht des Fachwissenschaftlers, haben wir es in einer historischen Kulturwissenschaft wie der Archäologie mit Narrativen zu tun, sondern auch das Objekt, das den Ausgangspunkt meiner Überlegungen bildet, die ‚keltische Kunst‘, ist ein klassisches narratives Medium. Seine narratologische Verortung führt uns in das Forschungsfeld des iconic turn. Der pictorial turn beziehungsweise iconic turn (Bachmann-Medick 2006: 329ff.) entwickelte sich zu Beginn der 1990er Jahre in den Kulturwissenschaften als Gegenbewegung zum linguistic turn. Die Wendung hin zum Bild folgte der Einsicht, dass sich Kommunikation nicht nur über Sprache vollzieht, sondern auch über visuelle Phänomene aller Art. Um diesem erweiterten Bildbegriff gerecht zu werden, hat der iconic turn an die Stelle der klassischen Kunstgeschichte die „Bildwissenschaft(en)“ entstehen lassen (derzeit noch eine Schnittmenge aus differenzierten Theorien). Obwohl der iconic turn das Monopol der Sprache zum Teil ziemlich radikal in Frage gestellt hat, erweitert er den linguistic turn gewissermaßen nur methodisch, da auch für eine Bildwissenschaft das Bild kein reines Abbild einer so genannten Wirklichkeit mehr ist. Bildwissenschaftliche Theorien gehen vielmehr davon aus, dass erst durch den Umgang mit dem Bild, d. h. erst durch dessen kulturell unterschiedliche Wahrnehmung, Bildlichkeit zu einer der „symbolischen Formen“ wird, mit denen sich der Mensch die Welt aneignet (Cassirer 2002). Die Bildwissenschaft fragt deshalb danach, welche Fähigkeit Bilder haben, Wissen zu formen, Erinnerungen zu prägen oder Mythen zu erzeugen, d. h. also genauso wie Sprache Realitäten zu schaffen. Aufgrund dieser transzendierenden Macht sind Bilder – wie Schrift – zentrale Medien des kulturellen Gedächtnisses (Assmann 1992). Damit schließt sich der Kreis, denn Gedächtnis ist an Erinnerung und Erinnerung an das Erzählen gebunden, in welcher Form auch immer dies erfolgt, ob durch Text oder Bild. Bereits Roland Barthes hatte deshalb das Erzählen als universelles Phänomen bezeichnet, das menschliche Kultur in Form unterschiedlichster Medien und Ma-

Abb. 1: Gürtelhaken von Weiskirchen, Kr. Merzig-Wadern (Saarland). Bronze mit Koralleneinlagen; B. 7,5 cm; frühes 4. Jh. v. Chr. Nach Binding 1993.

terialien prägt, das zeitlich und räumlich allgegenwärtig ist und das jeden Menschen betrifft (Barthes 1985). Denn so wie jeder Mensch in Sprache und Bilder seiner Kultur hineingeboren wird, so findet er auch eine symbolisch-narrativ geformte Welt vor. Eine narratologische Kulturtheorie betrachtet Kulturen daher als Erzählgemeinschaften und auch deren materielle Hinterlassenschaften als Erzählungen, wie es die niederländische Narrationstheoretikerin Mieke Bal formuliert hat: „Narratologie ist dieTheorie von Erzählungen und erzählenden Texten, aber auch von Bildern, Schauspielen, Ereignissen und kulturellen Artefakten, die ‚eine Geschichte erzählen‘.“ (Bal 1997: 4). Für die Archäologie ist eine narratologische Kulturtheorie ein Segen (Müller-Funk 2008). Da Kulturen Erzählgemeinschaften sind, Erzählungen von handelnden Menschen berichten und wir als Archäologen die Überreste von Handlungen erforschen, haben wir es immer auch mit narrativen Medien zu tun, also mit Objekten, die „eine Geschichte erzählen“. Prinzipiell ist jeder archäologische Fund narrativ, wenn er irgend­ etwas auf irgendeine Weise erzählt beziehungsweise wir über ihn. Aber um diese verdeckten narrativen Strukturen soll es nicht gehen. Offen narrativ dagegen sind zum Beispiel Grabmäler, Ritualobjekte und Kunstwerke, aber im weitesten Sinne auch alles andere, was symbolische Bedeutung hatte und in dieser Funktion das kulturelle Gedächtnis verkörperte. Diese ma-

teriellen Erzählformen – wie z. B. die ‚keltische Kunst‘ – bilden eine erste narrative Ebene; für ihre Interpretation benötigen wir Modelle und Theorien, da wir die Erzählungen selbst nicht oder nur unvollständig kennen. Die zweite Ebene bilden die ­ Erzählmuster, mit deren Hilfe wir Archäologen uns über diese primären Erzählformen verständigen. Die dritte und vierte narrative Ebene sind die kleinen und großen Meistererzählungen, die unseren Mustern zugrunde liegen. Diese diversen Ebenen benötigen ebenfalls eine narratologische Theorie, um zu verstehen, wie Erzählmuster entstehen, funktionieren, den Diskurs beeinflussen und kollektives Wissen konstituieren. 2.  ‚Keltische Kunst‘ – eine archäologische Erzählform Als Ausgangspunkt, als archäologische Erzählform, habe ich die so genannte ‚keltische Kunst‘ gewählt. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch zu zwei kontroversen Thesen, auf die ich kurz eingehen muss. Die erste stammt von Otto-Herman Frey, der betont hat, dass die Kelten „in ihren Bildern nicht erzählen wollten“ (Frey 2002a: 193), weil es weder „Bildfolgen, noch Lebensbilder oder Schilderungen alltäglichen Handelns“ gebe (Frey 2007b: 24). Frey unterscheidet „einzelne Gestalten“ oder „wappenartige Gegenüberstellungen zweier Wesen“ der Kleinkunst einerseits (Abb. 1), die

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Abb. 2: Situla von Kuffarn (Österreich), Ausschnitt. Nach Situlenkunst 1962.

er den fortlaufenden, dicht mit Personen bevölkerten Friesen der so genannten Situlenkunst andererseits gegenüber stellt (Abb. 2). Während er beispielsweise die Fabelwesen der bekannten Schnabelkannen – BasseYutz, Glauberg, Borsch, Dürrnberg (Baitinger, Pinsker 2002: 200, 243, 201, 184) – als „statische Darstellungen“ von „religiösen Symbolen“ deutet, erkennt er auf den Situlen „erzählende Darstellungen“. Frey geht also von einer völlig anderen Definition des ‚Erzählens‘ aus, als sie der oben erläuterten semiotischen Theorie des Narrativen zugrunde liegt.Wie bereits für Paul Jacobsthal liegt der Unterschied für Frey zwischen Darstellungen ohne beziehungsweise mit Menschen.2 Die Forschung ist Freys Definition fast ausnahmslos gefolgt. Üblicherweise werden die Situlenfriese als Wiedergabe eines mythischen oder historischen Ereignisses, eines sakralen oder profanen Festes gedeutet und gelten deshalb als Narrationen (zusammenfassend Körner 2009a; 2009b). Christoph Huth spricht sogar von der Situlenkunst als der „ersten und einzigen wirklich szenischen Bilderzählung“ außerhalb der antiken Hochkulturen (Huth 2010: 145). Huths enge Definition ist aber mitnichten empirisch gewonnen, sondern vielmehr die Prämisse seiner religionsphänomenologisch konzipierten Deutung: Weil sich das „Numinose“ (Huths Lieblingswort!) in allen Dingen der profanen Welt offenbaren kann, lassen sich auch alle Akteure, Handlungen und Gegenstände des Situlenfestes zu einem gemeinsamen großen kosmo-

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logischen Akt (Tod und Apotheose eines Herrschers) zusammenfassen. Wie zuletzt Paul Gleirscher befand, sei dieser „nicht nachvollziehbare Schluss“ jedoch nur das Ergebnis einer Übertragung von „Bildinhalten aus den mediterranen Stadtkulturen“ auf „chiffrenartig zu verstehende Bilder“ (Gleirscher 2009: 219f.). Die zweite These stammt von Leonie C. Koch, die eine ganz andere Lesart der heterogenen Szenerie der Friese anbietet. Ihr zufolge handelt es sich eben gerade nicht um die Illustration von Ereignissen, die sich einst im Ostalpenraum abgespielt haben, sondern nur um bestimmte, aus italischen Vorlagen ausgewählte und „standardisierte Motive“, die „unterschiedlich kombiniert“, „abwechselnd wiederholt“ oder gleichmäßig „gereiht“ werden, so dass aus „Symmetrie und Rhythmisierung“ eine „ornamentale Wirkung“ entsteht (Koch 2003: 361f.; 2006: 504ff.). Koch möchte daher selbst im Falle der Situlenkunst nicht von Narrativen, sondern nur von einer „Verzierung im narrativen Stil“ sprechen. Obwohl Koch ebenso wie Gleirscher die unipolare Interpretation von Huth ablehnt, kann sie also doch nicht gänzlich auf den Begriff des Narrativen verzichten. Andererseits sind immer wieder die „für die keltische Kunst charakteristischen fließenden Übergänge zwischen Ornament und figürlicher Darstellung“ betont worden (Müller 2009: 184). Klassische frühlatènezeitliche Beispiele sind die Attasche der Schnabelkanne vom Kleinaspergle und der Goldfingerring von Ro-

Abb. 3 : Attasche einer Schnabelkanne vom Kleinaspergle, Kr. Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Bronze; H. 7 cm; 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr. Umzeichnung nach Müller 2009.

Abb. 4 : Fingerring aus Rodenbach, Kr. Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz). Gold; 5. Jh. v. Chr. Umzeichnung nach Müller 2009.

denbach (Abb. 3–4). Ihre Ikonografie wird bestimmt von Symmetrie und der rhythmisierenden Addition von „Segmenten“ (Frey 2007b: 14), die nicht nur die frühlatènezeitliche Pflanzenornamentik beherrscht haben, sondern auch zu den fundamentalen Gestaltungsprinzipien der figürlichen, vor allem plastischen ‚keltischen Kunst‘ gehören (von der Großplastik einmal abgesehen). Sollte man angesichts dieser Ambivalenz von Ornament und Narrativ, statt wie Koch nach deren Gegensatz, nicht besser nach den Gemeinsamkeiten fragen? Sowohl die Kleinkunst wie die Situlenkunst lassen sich als ornamental konzipierte Narrative verstehen. In beiden Fällen handelt es sich um Einzelgestalten beziehungsweise um Einzelszenen, die aus dem ursprünglichen narrativen Kontext der italischen Vorbilder herausgelöst und neu verfasst worden sind. Wir wissen nicht, welche inhaltlichen Transformationen sie dabei erlitten haben. Am Ende stehen

abgekürzte ‚Texte‘, die aber den Besitzern oder Benutzern genau so bekannt gewesen sein dürften „wie uns die Darstellung des schlafenden Kindes zwischen Ochs und Esel“ (Kruta 1979: 45). So wie diese Verkürzung die komplette Weihnachtsgeschichte ‚erzählt‘, verkürzen auch griechische Vasenbilder, zum Beispiel den 9. Gesang der Odyssee auf die Figur eines Mannes unter dem Bauch eines Schafes.3 Der ikonologische Unterschied zwischen figürlicher Kleinkunst und Situlenfriesen besteht daher an erster Stelle darin, dass die Kleinkunst individualisiert, während die Situlenkunst stattdessen verallgemeinert, indem sie typische Handlungen einer bestimmten sozialen Klasse abbildet. Diesen Unterschied finden wir auch zwischen Porträt und Genremalerei in der neuzeitlichen Malerei. Aber so wie jedes Porträt mit einer bestimmten Absicht verbunden war, verbarg sich auch hinter dem Genrebild immer eine allegorische, moralische oder

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soziale Aussage; beide Kategorien implizierten symbolische Bedeutungen. Ob Porträt oder Genrebild, ob Kannengriff oder Situlenfries – Bilder kommunizieren symbolische Bedeutungen, d. h. sie ‚erzählen‘, unabhängig davon, ob und wie die Symbole verstanden werden. Die Situlenkunst macht es uns nur scheinbar leichter, weil wir einzelne Handlungen und Objekte wiedererkennen. Den Sinnzusammenhang, also die ‚Erzählung‘ selbst, verstehen wir ebenso wenig wie die fantastischen Wesen auf Schmuck und Gerät. 3.  ‚Keltische Kunst‘ und Keltenbegriff Ausschlaggebend für die Wahl der ‚keltischen Kunst‘ als Beispiel einer archäologischen Erzählform war die Tatsache, dass – abgesehen von der ‚keltischen Sprache‘ – kein anderes Medium in einem solchen ­Ausmaß dazu beigetragen hat, die Kelten als homogene ‚Kultur‘, als ‚Volk‘ im historischen Diskurs zu etablieren. Das war nicht immer so. Latène-‚Kunst‘ ist ein Phänomen, das lange Zeit wenig Beachtung fand und erst seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre auf dem Vormarsch ist. Ludwig Lindenschmit (1850–1922) hatte latènezeitliche Kunstwerke noch für etruskische Werke gehalten; Otto Tischler (1843–1891) interessierte sich nur für Chronologie; erst Moriz Hoernes (1852– 1917) sprach 1892 von der „keltischen Latène-Ornamentik“, um die Latènekultur zu charakterisieren. Paul Reinecke, der sich 1902 erstmals systematisch mit der Kunst der Latènekultur auseinandersetzte, ­verdankt die Forschung, wie so oft, apodiktische Behauptungen, die sich im Laufe der Forschungsgeschichte verselbständigten. Reinecke hatte in der Latène­kunst nur mehr oder weniger gelungene „barbarische“ Imitationen gesehen, die in den meisten Fällen nicht über eine „Verballhornung archaisch-griechischer Vorbilder“ hinaus gekommen seien; die „Hauptaufgabe der prähistorischen Archäologie“ sei daher eine feinere Chronologie, um die „Abhängigkeit … der vorgeschichtlichen Altsachen“ von den „überlegenen Kulturgebieten des Südens“ zu verstehen (Reinecke 1902: 53; 72ff.). Auch wenn dieses ­ einseitig-abwertende ­ Urteil spätestens nach Erscheinen der groß­ artigen Studie von Jacobsthal revidiert werden musste ­(Jacobsthal 1944), ist die Abhängigkeit von der klassischen Antike ein Definitionsmerkmal der kontinen-

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talen Latènekunst geblieben. Dieses Merkmal ­haftet bis heute jedem Objekt an wie eine zweite Haut; es dominiert nicht nur typologische und stilistische, sondern auch jede sozialhistorische oder religionswissenschaftliche Interpretation. Dazu hatte ­ Jacobsthal, der über das griechische Ornament forschte (Jacobsthal 1927) und vor allem an dessen keltischem Gegenstück interessiert war, ­allerdings auch selbst beigetragen, weil für ihn die Suche nach den griechisch-etruskischen Vorbildern und die Frage imVordergrund standen, wie sich die Kelten diese fremden Motive aneigneten. Erst die moderne Forschung öffnete, auf der Basis des immensen Fundzuwachses, den Blick für späthallstattzeitliche Traditionen in der Großplastik (Frey 2002b; 2006: 21), für oberitalienisch-estische (Frey 2007a) und ostfranzösische Einflüsse (Verger 1987), sowie nicht zuletzt für eine regional differenzierte Eigenständigkeit der figürlichen Kunst (Frey 2002a: 198; 2006), die zusammengenommen den „keltischen Künstler“ von seiner allzu „passiven Rolle“ erlösten (Bagley, Kost 2010: 185) – auch wenn gerade in der Frage der Einflüsse die Meinungen bis heute weit auseinandergehen.4� Reinecke hatte von „La Tène-Denkmälern“ gesprochen. Die konstitutive Rolle der Kunst für die Konstruktion des Keltenbegriffes geht auf Joseph Déchelette zurück. John Collis hat diese forschungsgeschichtlich wichtige Etappe ausführlich dargestellt (Collis 2003: 87ff.; 2007; 2010). Es soll daher genügen, daran zu erinnern, dass Joseph Déchelette als erster historische, sprachliche und archäologische Quellen miteinander kombiniert und damit die Grundlagen für das archäologisch-linguistische Keltenkonzept geschaffen hat, das im Prinzip bis heute weithin ­unangefochten gilt (Déchelette 1914; Rieckhoff 2007a; 2010b). Déchelette hatte zunächst die Ausdehnung der Westhallstattkultur vor allem anhand von Bestattungssitten definiert. Auf diese Weise konstruierte er eine scheinbar „scharf begrenzte archäologische Kulturprovinz“ (vgl. Kossinna 1911: 2), die er – unter Berufung auf Herodot – den Kelten zuwies. Auf diese Hallstattkultur projizierte er die Verbreitung der Frühlatènekunst ­zwischen Champagne und Böhmen, die er, da sie sich mit jener teilweise deckte, ebenfalls als keltisch bezeichnete. Halten wir daher fest: Die Grenzen der Westhallstattkultur waren ein Konstrukt; die Ethnizität der Hallstattkultur war eine These; für das

keltische Ethnos der Frühlatènekultur – in einem Gebiet, in dem nach den Worten Caesars keine Celtae, sondern nur Belgae oder Germani lebten – gab es keine historischen Beweise. Bestätigt sah sich Déchelette dennoch – und jetzt kommt endlich die Kunst ins Spiel – durch die typologische Ähnlichkeit des auffälligen früh­latènezeitlichen Kunststils mit spätlatènezeitlichen Artefakten aus Großbritannien, die schon seit Mitte des 19. Jh. als Late Celtic Art bekannt waren – aber dies nur deshalb, weil die Sprachwissenschaft bereits 200 Jahre zuvor die Ureinwohner der britischen Inseln zu Kelten deklariert hatte. Wie Collis weiterhin gezeigt hat, wurde Déchelette’s Konzeption zur Grundlage aller modernen Verbreitungskarten, die die Ausbreitung der Kelten visualisieren. Seit Déchelette galt nicht nur, wer keltisch spricht, ist Kelte, sondern auch Latènekultur, vor allem aber die Latènekunst sind eo ipso keltisch (Rieckhoff 2006; 2007a; 2009). Dieses Konstrukt wäre freilich nicht international so erfolgreich geworden, wenn es nicht durch Jacobsthal zum Paradigma erhoben worden wäre, weil dieser davon überzeugt war, dass „the whole of Celtic art is a unit“ und deshalb die Kunst „the creation of one race, the Celts“ gewesen sein müsse (Jacobsthal 1944: 160). 4.  Erzählmuster und Meistererzählungen zur ‚keltischen Kunst‘ Damit kommen wir endlich zu den narrativen Strategien der zweiten und dritten Ebene, den archäologischen Erzählungen über die ‚keltische Kunst‘. Als Beispiele lasse ich hier kurz zwei große archäologische Erzähler Revue passieren: Wolfgang Kimmig (1910–2001) und Ludwig Pauli (1944–1994). Beide haben, etwa zur selben Zeit, anhand derselben Fakten und mit ähnlicher Zielsetzung, nämlich für ein breiteres Publikum, dieselbe Geschichte erzählt vom Übergang der Späthallstatt- zur Frühlatènekultur um 500 v. Chr. beziehungsweise die ‚Geschichte der frühen Kelten‘. In beiden Narrativen spielt die ‚keltische Kunst‘ eine zentrale Rolle, ja sie bildet den eigentlichen Dreh- und Angelpunkt, an dem die historischen Ereignisse aufgehängt werden. Es sind zwei scheinbar völlig unterschiedliche Erzählungen, die völlig unterschiedlichen Erzählmustern folgen, die aber dennoch Teil ein und derselben Großerzählung gewesen sind,

Abb. 5 Statue von Hirschlanden, Kr. Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Sandstein; H. noch 1,50 m; um 550/500 v. Chr. Nach Spindler 1983.

die ich nach dem Vorbild der modernen Nationalismusforschung als Meistererzählung bezeichnet habe (Jarausch, Sabrow 2002; Rieckhoff 2007b: 21f.). Die Meistererzählung, um die es sowohl Kimmig als auch Pauli ging, ist so alt wie unser Fach: es ist die Geschichte vom Fortschritt. Wolfgang Kimmig 1983: Romanze und Ethn­o­zentrismus In Kimmigs Erzählung liegt der Fortschritt in der Entwicklung der späten Hallstattkultur von einer barbarischen Randkultur der mediterranen Welt zu einem höheren Zivilisationsniveau durch die segensreichen Einflüsse, die sie aus dem mediterranen Raum empfängt: Der „hochkulturelle Süden“ wirft der sogenannten „Barbariké“ nicht nur einen „Ball zu“, sondern er „wirbt“ um sie, ja er „bedrängt“ sie sogar wie ein ungestümer Liebhaber; er schickt ihr luxuriöse Geschenke in Form hochwertiger Gaben; er entsendet Handwerker und Künstler, um die Lehmziegelmau-

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Abb. 6: Erklärungsmodelle einer Theorie des Narrativen. Nach White 1973; 1978.

er bauen und die Statue von Hirschlanden schaffen zu lassen (Abb. 5). Obwohl es Rückschläge gibt wie im Fall der Statue, weil der Künstler leider vorzeitig wieder verschwindet und die „missglückte Ausarbeitung des Brustkorbs“ seinem einheimischen Schüler überlassen muss, glückt schließlich die zivilisatorische Eroberung der Barbariké aufgrund deren natürlichem „Imitationstrieb“ und „erstaunlicher Anpassungsbereitschaft“. Die Ergebnisse sind „Glanzstücke“ der Latènekunst, die das etruskische Vorbild endlich an „handwerklicher Meisterschaft“ und „ureigenster Phantasie“ „bei weitem übertreffen“. Kimmig erzählt die säkulare Heilsgeschichte der „vor“-geschichtlichen Hallstattkultur, die in der Latènekunst- und kultur gipfelt, die – weil sie identisch mit den historisch überlieferten Kelten sei – Mitteleuropa endlich in „einen geschichtlichen Zustand überführt“ und damit auf eine „höhere Kulturstufe“ hebt (Kimmig 1983: 5; 19; 22; 61; 65ff.; 72f.). Man kann in Kimmigs Narrativ unterschiedliche Erzählmuster identifizieren. Beginnen wir mit dem „neuen, erfrischend unkonventionellen“ Interpretationsmodus (Müller-Funk 2008: 133ff.), den die „Metahistory“ von Hayden White bereit stellte (Abb. 6). Ganz so neu ist dieser Modus inzwischen nicht mehr, da White seine Theorie des Narrativen, die im Folgenden nur ganz knapp zusammengefasst werden kann, schon zu Beginn der 1970er Jahre an historiografischen und geschichtsphilosophischen Werken

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des 19. Jh. entwickelt hat. Sie ist allerdings bis heute in der europäischen Geschichtswissenschaft kaum rezipiert worden, geschweige denn in der archäologischen Historiografie (Rieckhoff 2007b: 19f.). Die Ablehnung der Historiker und Archäologen richtete sich sowohl gegen das allgemeine Postulat des linguistic turn, dass es die Sprache sei, die eine so genannte historische Wirklichkeit herstelle, als auch gegen White’s These vom „historischen Text als literarischem Kunstwerk“ im Besonderen (White 1994). White ging, wie eingangs bereits erwähnt, davon aus, dass historiografische Texte ebenso Narrative seien wie literarische Texte und dass demzufolge auch für den Historiker gelte, dass narrative Strategien und rhetorische Strukturen einen konstituierenden Einfluss auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung und die Sinnstiftung ausüben. Jeder Historiker versuche – so White – seinen Darstellungen den „Anschein von Erklärungen“ zu geben beziehungsweise der Geschichte Sinn zu verleihen mit Hilfe von drei Modellen, die in jeweils vier Formen auftauchen können (Landwehr 2008: 43ff; Jordan 2009: 192): Das erste Erklärungsmodell ist die „narrative Modellierung“, d. h. die Erzählung dessen, was geschehen ist, in Form einer Romanze, Tragödie, Komödie oder Satire; das zweite Erklärungsmodell, die „formale Schlussfolgerung“, deutet den Fortgang der Geschichte durch argumentative (formativistische, organizistische, mechanistische oder kontextualistische)

Konzepte; das dritte Erklärungsmodell, die „ideologische Implikation“, betrifft die weltanschaulichen, nicht wissenschaftlich begründeten (anarchistischen, radikalen, konservativen oder liberalen) Vorannahmen über gesellschaftliches Handeln, die der historischen Deutung zugrunde gelegt werden. Grundlage dieser Erzählmuster, die den jeweiligen „Plot“ einer Geschichte bestimmen, ist Whites „Theorie der Tropen“ (Redewendungen). Dieser Theorie zufolge bestimmt die Sprache nicht nur den Stil der Darstellung, sondern indirekt auch deren historische Deutung. White unterscheidet auch bei den Tropen wiederum vier rhetorische Grundtypen (Metapher, Metonymie, Synekdoche, Ironie). Obwohl White mehrfach darauf hingewiesen hat, dass alle diese Textformen prinzipiell frei kombinierbar seien und dass es durchaus auch weitere Figuren geben könne, suggeriert er doch bestimmte Affinitäten zwischen narrativer Modellierung, Argumentation, Ideologie und Trope. Diese formalistische Sicht auf eine „Welt im Viererpack“ (Kohlhammer 1998) hat entscheidend zur Ablehnung von White’s Thesen beigetragen und übersehen lassen, dass die Geschichtswissenschaft ihm etwas sehr Wichtiges verdankt: die Grundlagen einer Theorie des Narrativen in der Geschichtsschreibung. Kehren wir mit diesem Instrumentarium wieder zu Kimmigs Text zurück. Es ist keine Frage, dass sich Kimmigs narrative Modellierung als klassische Romanze denotieren lässt. Die Romanze steht für den Glauben an den ewigen Fortschritt der Gesellschaft hin zum Besseren; sie repräsentiert schlechthin den Sieg des Guten über das Böse. Im Zentrum der Romanze steht das Drama der Selbstfindung des Helden (im vorliegenden Fall der rückständigen ‚HallstattKelten‘), das aber schließlich im Triumph endet (hier also im Durchbruch der Latènekunst). Der Romanze ordnet White das formativistische Argumentationsmodell zu, für das Kimmigs Erzählung ebenfalls ein treffendes Beispiel ist. Dieses Modell zielt auf Erklärung durch vollständige Identifizierung aller Gegenstände ab (d. h. in diesem Fall durch Überprüfung der prähistorischen Objekte hinsichtlich Typologie, Chorologie und Chronologie), es fokussiert die Einzigartigkeit von Personen und Ereignissen, es ist lebendig und detailreich, aber auf Grund seiner großräumigen Perspektive mangelt es ihm an Stringenz und Schärfe

(Müller-Funk 2008: 133ff.). Die dritte narrative Kategorie, die ideologische Implikation, hat White jeweils am Beispiel des sozialen Wandels exemplifiziert. Kimmigs Ideologie trägt insofern anarchistische Züge, weil das Happy-End in einer „raschen Veränderung“ der Gesellschaft liegt. Die Übereinstimmungen zwischen Kimmigs Text und White’s Erklärungsmodellen sollten einen indessen nicht davon abhalten, auch nach anderen narrativen Mustern Ausschau zu halten. Wie ich bereits vor einiger Zeit gezeigt habe (Rieckhoff 2007b: 26f.), entstammen signifikante Begriffe5 und Tropen des Textes, Metaphern und Stereotype, einem „Dritte Welt-Diskurs“, der in der Zeit, als der Vortrag entstand, noch stark von einer eurozentrischen Alltagssprache geprägt war. Kimmigs Text war kein Einzelfall. Erzählmuster, die im Postkolonialismus und Ethnozentrismus wurzelten, waren in der Nachkriegszeit in der Gegenüberstellung von Kelten und antiken Hochkulturen noch lange wirksam, bis sich das Bewusstsein dafür durchsetzte, dass fremde Verhaltensweisen und Leistungen nicht nur an den eigenen Wertmaßstäben gemessen werden sollten. Die Doppelung des Erzählmusters – Romanze und Ethnozentrismus – ist kein Widerspruch. Im Gegenteil, White’s starres Schema ist in seiner Ausschließlichkeit gar nicht praktikabel. Insofern überrascht es nicht, wenn sich auch die Meistererzählung Geschichte als Fortschritt mit einer zweiten konkurrierenden Meistererzählung überschneidet, in der es um das kollektive Gedächtnis der Nachkriegsgeneration geht, nämlich um Geschichte als Identitätskonstruktion. Den Dreh- und Angelpunkt dieser zweiten Meistererzählung bildet ebenfalls wieder die Latènekunst. Mit deren Durchbruch im 5. Jh. v. Chr. hatte die Zone nördlich der Alpen endlich die „naiv-urzeitlichen“ und „provinziell-unselbständigen“ Züge der „Hallstattkunst“ verloren (Angeli 1980: 19); mit den erwähnten Glanzstücken der ‚keltischen Kunst‘, die nun endlich mit ihren etruskischen Vorbildern konkurrieren konnten, ließen sich Leistungen einer vorschriftlichen Vergangenheit vorführen, deren sich eine moderne Gesellschaft nicht schämen musste. Kelten und Kunst wurden daher quasi zum Synonym. Diese positive Konnotation fiel mit einer allgemein zu beobachtenden Aufwertung der ‚keltischen Vergangen-

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heit‘ in Süddeutschland zusammen. Begonnen hatte dieser Prozess schon bald nach Kriegsende, als die Lücke, die das Ende der Germanenforschung 1945 gerissen hatte, rasch mit Keltenforschungen gefüllt wurde. Aber obwohl die deutschsprachige akademische Keltenforschung in Europa bald spaten- und federführend wurde, dauerte es noch etwa drei Jahrzehnte, bis auch die deutsche Öffentlichkeit die Kelten für sich entdeckte. Die Erscheinung des ersten deutschen Keltenhandbuches 1981 war kein Zufall (Bittel 1981): Kurz zuvor, 1978, war das Jahrhundertgrab von Hochdorf entdeckt worden, und 1980 wurden die ersten beiden großen mitteleuropäischen Keltenausstellungen eröffnet.6 Der Beitrag des ‚keltischen Volkes‘ zur Identität auch der Deutschen ist seitdem in vielen Veröffentlichungen, Fernsehsendungen und Ausstellungen verfestigt worden. Ludwig Pauli 1980: Tragödie und Historischer Materialismus Wie bereits erwähnt, hat Pauli etwa gleichzeitig mit Kimmig den Übergang von der Späthallstatt- zur Frühlatènekultur erzählt. Paulis Tropen klingen nicht so beschaulich wie diejenige Kimmigs, sondern ver­ glichen mit jenen geradezu schrill. Zwar wird auch hier wieder der Süden zum Motor der Geschichte, aber der paradigmatische Unterschied zu Kimmig besteht darin, dass in Paulis Modell das Zivilisations­ niveau der Hallstattkultur durch den Kontakt mit dem Süden nicht angehoben, sondern zerstört wird. Wachsender Reichtum führte zur „Machtkonzentration in den Händen weniger Familien“, die sich nicht durch friedlichen Handel oder dynastische Heiraten, sondern mit Hilfe von Sklavenhandel und Raubzügen in den Süden in den Besitz fremder Luxusgüter brachten, sich damit hinter ihre Burgmauern zurückzogen und ihre Toten mit glanzvollen Begräbnissen ehrten – „glanzvoll allerdings nur für die Herrschenden“ und „auf Kosten der Bauern, Hirten und Handwerker“. Die Spannungen „zwischen den Mächtigen und dem Volk … und den Mächtigen untereinander“ führten im 5. Jh. in „eine tiefe Krise“, die „die Menschen in … Unsicherheit stürzte und gründliche, wenn nicht gewaltsame Änderungen des Bestehenden erforderte.“ Eine der Folgen war der Zulauf, den eine „neue Religion“ erhielt, die sich in der radikal neuen Latènekunst niederschlug, die ihre Anregungen eben-

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falls dem Süden verdankte. Trotzdem wurde sie von der „konservativen“ Hallstattkultur „bewusst abgelehnt“, so dass die Anhänger zur Auswanderung in die Randzonen der Hallstattkultur gezwungen waren, in denen nun die Latènekultur aufblühte – von der Champagne über das Mittelrheingebiet bis Böhmen. Pauli hat mehrfach betont, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass hinter der Frühlatènekunst „neue Götter, neue Kulte, vielleicht neue Jenseitsvorstellungen, kurz: ein ‚neues Verhältnis zu Gott und Welt‘ (Jacobsthal 1934)“ stecken müssten (Pauli 1980: 28-30; 32; 35). Deshalb kommt auch Pauli zufolge der Latènekunst – als ­religionssoziologischem Phänomen – eine hohe Integrationskraft zu bei der Ausbreitung keltischer Kultur und Ethnizität, die ihrerseits wiederum identitätsstiftend geworden seien für die modernen Gesellschaften Europas. Auch Pauli erzählt also eine Geschichte des Fortschritts, aber eine völlig andere. In seiner Version, die er einmal als „two centuries of wealth and turmoil“ charakterisiert hat (Pauli 1985), entwickelt sich der Fortschritt nicht linear, sondern dialektisch, bestimmt durch ökonomische und soziale Widersprüche, die zu gesellschaftlichenVeränderungen führen. Pauli war weder ideologisch, geschweige denn parteipolitisch Marxist, und seine narrativen Strukturen haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem politisch indoktrinierten Wissenschaftsjargon der DDR. Sein Erzählmuster bedient sich einfach nur vorurteilslos unterschiedlicher Gesellschaftstheorien, u. a. auch solcher, die dem Historischen Materialismus entstammen. Da Pauli zu den wenigen Erzählern gehört hat, die ihren politisch-gesellschaftlichen Standpunkt deutlich werden lassen, ist es nicht schwierig, eine klassische Kombination aus White’s Typologie in Paulis Text wiederzufinden. Dies gilt sowohl für die radikale ideologische Implikation, als auch für das mechanistische Argumentationsmodell sowie die narrative Modellierung der Tragödie. Das Thema der Tragödie ist der (vergebliche) Kampf des Helden, dem Guten zum Sieg zu verhelfen; sie beschreibt das Scheitern des Menschen an den Gesetzen dieser Welt. Der Kampf bedeutet für den Protagonisten (d. h. für die Hallstattfürsten) den Untergang, aber selbst den Überlebenden (d. h. den frühlatènezeitlichen Eliten) ist nur ein kurzfristiger Triumph gegönnt, bevor der Konflikt erneut

ausbricht und – im vorliegenden Falle – in den keltischen Wanderungen kulminiert. Die mechanistische Erklärung liegt im Blick auf die „außergeschichtlichen Triebkräfte“, denen Akteure und Handlungen unterworfen sind; Geschichte und Gesellschaft werden von „Kausalgesetzen“ determiniert. Der mechanistisch argumentierende Historiker präferiert die rasche und radikale Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und nimmt dafür auch „heftige Erschütterungen in Kauf“ (Müller-Funk 2008: 135f.). Martin Guggisberg 2004: Komödie und Teleologie Die Texte von Kimmig und Pauli wandten sich an ein breiteres Publikum. Man könnte daher einwenden, die Autoren seien gezwungen gewesen zu ‚erzählen‘, also Anfang, Mitte und Ende zusammenzufügen, ­ Lücken zu ergänzen, Sinn zu verleihen und Vermutungen als Aussagen erscheinen zu lassen – also all das zu tun, was sie in einem Text für die scientific community vielleicht unterdrückt, offen gelassen oder im Konjunktiv formuliert hätten. Dieser Einwand ließe sich zwar anhand der Literatur widerlegen,7 aber es erschien mir sinnvoller, als tertium comparationis noch einen Kolloquiumsbeitrag von Martin Guggisberg hinzuzuziehen, der über jeden Verdacht der ­Popularisierung erhaben ist. Guggisberg näherte sich dem Thema, der Rolle der Kunst am Übergang von der Späthallstatt- zur Frühlatènekultur, von einer ganz anderen Seite. Ausgangspunkt sind die Südimporte in früheisenzeitlichen Prunkgräbern, die auffällig älter zu sein ­ scheinen als der Zeitpunkt der Bestattung. Franz ­Fischer hatte diese Keimelia (ein altgriechisches Wort für Kostbarkeiten) unter Verweis auf Homer als politische Geschenke gedeutet, die aufgrund ihres Erinnerungswertes thesauriert worden seien, so dass sie erst mehrere Generationen später ins Grab gelangten. Der Kern der Idee war nicht so neu wie Fischer glauben ließ. Er übernahm den Begriff Keimelia von Stuart Piggott (Fischer 1973: 438; 442; Piggott 1965), der ihn jedoch seinerseits dem Althistoriker Moses I. Finley (1912–1986) verdankte. Finley unterschied zwischen sakralen und profanen Schatzkammern; die Funktion der letzteren, der dort (wörtlich) „lagernden“ Kostbarkeiten, sah er im politischen Geschenkeaustausch (Finley 1956). Finley nahm nicht nur wesentliche Gedanken Fischers bereits vorweg, sondern ging methodisch über diesen

hinaus, weil er Homer mit dem Modell des Gabentausches von Marcel Mauss (1872-1950) verknüpfte, dessen strukturalistische Studie von 1923/24 über „Die Gabe“ in den 1950er Jahren unter den Pariser Soziologen, Ethnologen und Altertumswissenschaftlern ein revival erlebt hatte (Mauss 1990). Guggisberg nimmt dieses traditionsreiche Modell der Keimelia als Ausgangspunkt, erweitert es aber um eine neue Dimension. Das Paradebeispiel für „Altstücke“, wie Guggisberg sich ausdrückt, ist seit jeher das Prunkgrab Grafenbühl, dessen etruskische Importe 100 –150 Jahre älter datiert werden als die um 500 v. Chr. angelegte Bestattung (Fischer 1990; Jung 2007). Guggisberg zählt noch ein halbes Dutzend weiterer späthallstatt- und frühlatènezeitlicher Grabkomplexe auf, die Altstücke enthalten, die zumeist zwei Generationen älter seien als die übrigen Beigaben. Aus dieser chronologischen Diskrepanz entwickelt er eine über den Gabentausch hinausgehende Interpretation. Er zeigt auf, dass in der Eisenzeit die Beigabe von Altstücken von Griechenland bis Oberitalien fester Bestandteil aristokratischer Bestattungssitten gewesen ist. Er sieht in dieser Sitte einen Verweis auf Ahnenkult und Heroisierung des Toten. Dieses Modell möchte er nun auch auf die nordwestalpine Späthallstatt- und Frühlatènekultur übertragen und verbindet es mit der Entstehung der Latènekunst. Die „neuen Machthaber“ des 5. Jahrhunderts hätten den „Frühlatènestil ins Leben gerufen“, der sich „unverkennbar und sicher bewusst an mediterranen Vorbildern der Vergangenheit“ orientiert habe, genauer gesagt, an den „altehrwürdigen Keimelia“, die in den aristokratischen Schatzkammern schlummerten. Sinn dieses „Rückgriffs auf die Vergangenheit“ sei es gewesen, die Keimelia in den „Dienst einer konservativen Herrschaftsideologie“ zu stellen und dadurch den „Führungsanspruch“ einer „durch Abkunft, kriegerische Tüchtigkeit und persönliches Charisma“ qualifizierten Elite zu begründen und zu legitimieren (Guggisberg 2004: 175; 188f.). An der Meistererzählung hat sich nichts geändert. Auch Guggisberg erzählt eine Geschichte des Fortschritts, wenn auch nur am Beispiel des politischen Machtwechsels innerhalb einer kleinen Elite. Doch der Plot, der zur Entstehung der Latènekunst führt, ist neu und originell: Weder schickt er etruskische Händler und Gesandte nach Norden wie Kimmig, noch schickt er

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umgekehrt wie Pauli die Hallstatt-Elite auf Raubzüge nach Süden. Stattdessen bleiben die Fürsten zu Hause und kramen in ihren Schatztruhen nach Vorlagen für den neuen Stil ihrer Rangabzeichen und Statussymbole. Während Kimmig die rückständigen „HallstattKelten“ durch die „völlig neue“ Latènekunst quasi zu zivilisierten Europäern werden lässt, während Pauli die „radikal neue“ Kunst quasi zum Sinnbild des Aufruhrs gegen die Hallstattfürsten hochstilisiert, deutet Guggisberg dieselben Werke als Ausdruck eines kontinuierlich gesteigerten Traditionsbewusstseins einer konservativen Elite, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre neue Identität aus dem Rückgriff auf Bilder einer längst vergangenen Zeit bezieht. Gegensätzlicher könnten die drei Erzählmuster – die doch immer um dieselben ausgewählten Funde kreisen! – nicht ausfallen. Guggisberg vertritt eine konservative Ideologie.Während Jacobsthal immer wieder den kulturellen Bruch zwischen Hallstatt- und Frühlatènekunst betont hat (Jacobsthal 1944: 158: „Early Celtic art has no genesis“), geht Guggisberg von der „Verwurzelung des frühlatènezeitlichen Ideengutes in hallstättischen Traditionen“ und einer „bewussten Forttradierung“ aus (Guggisberg 2000: 262). Er konstruiert einen sozialen Wandel, der konfliktfrei verläuft, weil er eingebunden bleibt in den natürlichen Rhythmus des Entstehens und Vergehens kultureller Phänomene. Im Unterschied zu Kimmig und Pauli betrifft dieser Wandel jedoch nicht die Gesellschaft als Ganzes, sondern nur bestimmte Aspekte der aristokratischen Repräsentationskultur. Kennzeichen dieser organizistischen Erzählstruktur ist die Vereinfachung. Sie dient der Einbindung einzelner Ereignisse in ein großes synthetisches Geschehen, dessen Bedeutung diejenige des Einzelphänomens verdrängt. Nicht das individuelle Element, sondern dessen Integration in den ­historischen Prozess steht im Mittelpunkt des Interesses. Dieser Prozess verläuft teleologisch, aber nicht im Sinne von Gesetzmäßigkeiten, sondern von Prinzipien und Ideen, in diesem Fall z. B. von der Idee der „konservativen Herrschaftsideologie“. Die konservative Implikation und die organizistische Argumentation ordnet White dem „emplotment“ der Komödie zu, die zwischen Romanze und Tragödie angesiedelt ist. Mit der Tragödie teilt sie ein partielles

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Scheitern des Helden, das jedoch ein versöhnliches Ende nimmt und ihn, wie in der Romanze, letztlich in eine bessere Welt führt. ‚Versöhnlich‘ ist Guggisbergs Plot auch insofern, als er versucht, damit den chronologischen Widerspruch zu lösen, der die Eisenzeitforschung bis heute vor eine Aporie stellt: Die italisch-etruskischen Vorbilder der Frühlatènekunst sind zum Teil nicht nur in Italien wesentlich älter, sondern nach konventioneller Datierung auch schon zwei Generationen früher über die Alpen gekommen, als hier „noch die Hallstattkultur blühte“, deren Ende um die Mitte des 5. Jh. v. Chr. angesetzt wird (Frey 2005). Doch so einleuchtend es ist, dass die fremden Kostbarkeiten zunächst in die Schatzkammern gewandert sind, so dunkel bleibt, warum die Schätze just zu diesem Zeitpunkt wieder hervorgeholt worden sein sollen, um zu Symbolen einer „an Vergangenheit und Tradition orientierten“ Aristokratie zu werden. Guggisberg spricht nur vage von einem Machtwechsel. Die einfachste Lösung des Problems scheint die komplizierteste zu sein – eine Korrektur der absoluten Chronologie, wie sie Martin Trachsel vorgeschlagen hat (Trachsel 2004: 318ff.). Ihm zufolge würde Lt A schon wesentlich früher (520/500 v. Chr.) ­beginnen, so dass die zeitlichen Lücken zwischen etruskischem Import und ‚keltischen Imitationen‘ nahezu entfallen würden. Bisher ist das freilich nur eine ver­lockende ­Alternative, weil sie ohne das Konstrukt einer altmodisch gesinnten Elite auskäme, deren künstlerische Inspiration sich ohne erkennbaren Anlass an ­Antiquitäten entzündete. 4.  Fazit: Die Frage ist nicht, was erzählt die ‚keltische Kunst‘, sondern wie wird über sie erzählt? Die ‚keltische Kunst‘8 ist kulturwissenschaftlich gesehen eine dinghafte Erzählform par excellence. Der Beweis für diese These liegt paradoxerweise in der Tatsache, dass wir nicht wissen, was diese Kunst erzählt. Selbst die Bedeutung der figürlichen Werke, sowohl der Großplastik als auch der Kleinkunst, insbesondere der frühlatènezeitlichen „Masken“ (Jacobsthal 1944), „Fabelwesen“ (Pauli 1980) oder „Mischwesen“ (Frey 2002a: 197f.; Jung 2009), ist nach wie vor unbekannt - und wird es bleiben. Im Unterschied zur Architek-

Abb. 7: Schaubild zur Narratologie der ‚keltischen Kunst‘ anhand ausgewählter Texte von Kimmig 1983 (Ki), Pauli 1980 (P) und Guggisberg 2004 (G). Zu Kruta 1979 (Kr) vgl. Anm. 10.

tur, deren Elemente ihren Sinn durch ihre Funktion offenbaren können (Rieckhoff 2010: 287ff.), enthüllt die latènezeitliche Bilderwelt ihr Geheimnis auch dann nicht, wenn wir beispielsweise maskengeschmückte Ringe als Frauenschmuck identifizieren können (Bagley, Kost 2010). Es geht daher nicht um Wissenslücken, die eines Tages durch glückliche Fundumstände gefüllt werden, sondern wir wissen nicht, was diese Kunst erzählt, weil wir es nicht wissen können, ebenso wenig, wie es uns möglich ist, zwei Kelten beim Erzählen zu belauschen. Wir können die Erzählungen der figürlichen Artefakte nur (re)konstruieren. Dies geschieht üblicherweise durch – in aufsteigender Reihenfolge – reine Spekulationen, subjektives Wissen, theoretisch begründete Deutungen, erklärende Analogie oder empirisch überprüfbare Wahrscheinlichkeiten (beziehungsweise häufig durch eine Mischung aus all dem). Das bedeutet, dass jede (Re)konstruktion, d. h. jeder wissenschaftliche Text – beziehungsweise nach der Theorie von White jede Erzählung – über die ‚keltische Kunst‘ abhängig ist von der Vorstrukturierung durch Sprache und Begriffe sowie durch unterschied-

liche Sichtweisen, Modelle,Theorien, Paradigmen oder wie immer man es nennen möchte, die hier unter dem Begriff der Erzähltraditionen zusammengefasst werden. Diese Traditionen bilden eine Hierarchie, so dass ich vier Erzählebenen unterscheide (Abb. 7).9 Ebene IV: Metaerzählung. Die so genannte Metaerzählung bildet den Gesamtrahmen, innerhalb dessen sich alle Diskurse bewegen. Mit einer „Sinngebung durch Ordnung“ werden epistemologische Fragen der Geschichtswissenschaft berührt, die hier zu weit führen würden. Ebene III: Meisterzählungen. Diese Ebene bezeichnet eine oder mehrere konkurrierende Meistererzählungen, die sich durchaus in ein und demselben Narrativ treffen können. Ich habe in diesem Beitrag zwei Stränge identifiziert: die Geschichte vom Fortschritt („Entwicklung und Fortschritt“) sowie die Geschichte der Identitätskonstruktion („Erinnerung und Identität“), aber das soll nicht heißen, dass damit das Angebot erschöpft sei. So hat Ulrich Veit zum Beispiel zwei Erzählmuster benannt, die „Selbstschöpfung des Menschen“ (nach Childe 1936) im Gegensatz zum

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„externen Kulturbringer“, bekannt unter dem Schlagwort „ex oriente lux“ (Veit 2006: 207), die ich unter der Meistererzählung Geschichte von Mensch und Umwelt subsumiert habe (Rieckhoff 2007b: 23). Die Rolle der Meistererzählungen im wissenschaftstheoretischen Diskurs der prähistorischen Archäologie ist gerade erst entdeckt worden (Veit 2006; Rieckhoff 2007b); sie bedarf unbedingt noch der Präzisierung durch eine Methodendiskussion. Ebene II: Erzählmuster. Die Erzählmuster standen im Mittelpunkt meiner Erörterung. Als konkrete Beispiele dienten drei Autoren (Kimmig, Pauli, Guggisberg), die jeweils denselben Zeitabschnitt (Späthallstatt- und Frühlatènekultur) unter derselben Fragestellung (Kontinuität oder Diskontinuität?) anhand desselben Mediums, nämlich der ‚keltischen Kunst‘ erzählen.Die Texte ließen sich unschwer anhand von White’s Theorie des Narrativen typologisieren; gleichzeitig ließen sich aber auch unterschiedliche Geschichtstheorien identifizieren: „Romanze und Ethnozentrismus“ (Kimmig), „Tragödie und Historischer Materialismus“ (Pauli) sowie „Komödie und Teleologie“ (Guggisberg).10 Das frappierende Ergebnis – trotz der übereinstimmenden Fakten sind die Erzählmuster so unterschiedlich ausgefallen, wie sie unterschiedlicher kaum denkbar sind – muss hier nicht noch einmal ­zusammengefasst werden; stattdessen möchte ich mit einigen allgemeinen Bemerkungen schließen. Die erste betrifft die grundsätzliche Frage nach Sinn und Zweck der Anwendung von White’s Theorie des Narrativen. Lässt sich mit dieser auch die Frage beantworten, wie in der Archäologie erzählt wird? Am konkreten Einzelfall ist das, soweit ich sehe, in dieser Form bisher noch nicht getestet worden.11 Veit ist in seinen Überlegungen über den „Archäologen als Erzähler“ zwar ebenfalls von White’s Prämissen ausgegangen (Veit 2006: 203f.), orientiert sich aber dann doch an der Erzähltypologie von Jörn Rüsen (1982; 1989), die aus meiner Sicht aus epistemologischen Gründen unbrauchbar ist für eine kritische historiografische ­Analyse (Rieckhoff 2007b: 20f.). Bei einer solchen Analyse geht es, wie White immer wieder betont hat, nicht darum, wer die Vergangenheit besser erklärt, sondern mit welchen Mitteln der Autor den historischen Fakten Sinn verleiht.Wie ich im vorliegenden Fall anhand der Rolle der Kunst gezeigt habe,

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stellt White’s Typologie tatsächlich ein ausgezeichnetes Arbeitsinstrument dar, um das herauszufinden – um Erzählstrukturen zu klassifizieren und zu interpretieren, um kontingente von signifikanten Unterschieden zu trennen, um die so genannten Plots herauszuarbeiten, die „teleologischen Konstrukte“ der jeweiligen Narrationen (Müller-Funk 2008: 134). Es wurde aber auch deutlich, dass neben White’s Typen durchaus noch andere Muster wirksam werden können. Eine weitere Bemerkung betrifft Sprache und Tropen, die hier weitgehend außer Acht gelassen wurden, in White’s System jedoch eine wichtige Rolle spielen. Schon Jacobsthal hatte sich einer narrativen Rhetorik bedient, indem er die Akteure personalisierte: „The Celts … did not decide for Greek humanity, for gay and friendly imagery: instead they chose the weird magical symbols of the East.“ (Jacobsthal 1944: 162). Auch in den hier analysierten Texten treten ‚die Kelten‘ durch metaphorische Verben als geschlossene Wir-Gruppe auf: Sie „schließen sich willig auf“ (Kimmig 1983: 72), sie „bahnen sich den Weg“ (Pauli 1980: 33) oder „rufen (die Latènekunst – Anm. S. R.) ins Leben“ (Guggisberg 2004: 189). Es spielt keine Rolle, ob der jeweilige Autor eine ethnische Entität, eine durch Sprache und/oder eine gemeinsame Ideologie verbundene Wir-Gruppe im Kopf hatte; das Ergebnis ist dasselbe. Die keltische Kunst ist durch solche Texte zu einem festen Bestandteil des wissenschaftlichen Kelten-Diskurses geworden; durch den Rückkoppelungseffekt wird die Kunst nun ihrerseits permanent ‚die Kelten‘ als Wir-Gruppe im öffentlichen Diskurs etablieren.12 Hier überschneiden sich Narrativ und Diskurs; hier liegt eine Erklärung für die ungebrochene Wirksamkeit längst überholter Kulturkonzepte, die im Kern auf Déchelette und Kossinna zurückgehen (Rieckhoff 2007a; 2007b). Die letzte Bemerkung gilt der zentralen wissenschaftlichen Fragestellung aller drei Texte. Jeder Historiograf sieht als seine Aufgabe die Aufdeckung, Beschreibung und Erklärung von Veränderungen an, die den historischen Prozess strukturieren. Im Mittelpunkt der historiografischen Analyse muss daher die Frage stehen, welche Vorstellungen von sozialer und kultureller Kontinuität oder Diskontinuität sich in den jeweiligen Narrativen verbergen. Das Ergebnis ist nicht überraschend, aber in sich stimmig. Da sich in Kimmigs Ro-

manze „die viel gesuchte Genesis des Latènestiles“ im „Schoß der Hallstattzeit“ vollzieht, ist der soziale Wandel zweitrangig gegenüber dem kulturellen Bruch, den der zivilisatorische Höhenflug der Frühlatènekunst verursacht (Kimmig 1988: 279). In Paulis tragischem Plot hingegen müssen die Eliten ausgetauscht werden, damit sich die „radikal neue“ Kunst durchsetzen kann, so dass es zum totalen Bruch kommt.Wiederum im Gegenteil dazu hält Guggisberg an seiner Leitidee, der Tradition fest, sowohl in sozialer wie in kultureller Hinsicht. Eine Analyse von drei Texten ist statistisch nicht re-

präsentativ. Aber die Tatsache, dass sie so aussagekräftig ist, lässt vermuten, dass eine größere Stichprobe eindeutige Ergebnisse liefern würde. Eindeutig heißt in diesem Fall, dass sich genügend narrative Modellierungen, Argumentationsstränge, ideologische Implikationen und andere Theorien finden lassen würden, um Forschungstraditionen herauszuschälen, offene Fragen aufzudecken und zu neuen Erklärungen anzuregen. Für die Latènekunst, die vor allem im Stil der klassischen Kunstgeschichte betrachtet wird (Guggisberg 2000; Megaw, Megaw 2001; Echt 2004; Frey 2007b), wäre das sicher ein fruchtbarer Ansatz.

Anmerkungen 1 Die Anführungszeichen werden im Folgenden beibehalten um zu verdeutlichen, dass es die keltische Kunst ebenso wenig gibt wie die keltische Religion, weil der Singular eine ethnisch homogene Bevölkerung suggeriert (vgl. Rieckhoff 2007a). 2 „Early Celtic art is an art of ornament, masks, and beasts, without the image of Man. The only narrative, the figure frieze on the Hallstatt sword, was made by a foreigner…” (Jacobsthal 1944: 161). 3 Attisch-schwarzfiguriger Lekythos, H. 14, 5 cm (Privatbes. S. R.), Szene aus Odyssee 9, 425-470. Der 9. Gesang beschreibt die Gefangenschaft des Odysseus und seiner Begleiter bei dem einäugigen Zyklopen Polyphem, einem Menschenfresser. Den Griechen gelingt es, den Riesen betrunken zu machen und zu blenden. Als Polyphem seine Schafe aus der Höhle zur Weide hinauslassen muss, tastet er sie ab, aber die Griechen entkommen trotzdem, weil sie sich unter den Tieren in deren Bauchwolle festklammern und hinaustragen lassen. Vgl. Koch 2003: 355f. 4 Bereits Jacobsthal hatte einen vorderorientalisch-skythischen Beitrag zur Herausbildung des frühlatènezeitlichen „Tierund Maskenstils“ postuliert, obwohl ihm unklar war, auf welche Art und Weise dieser geleistet worden sei (Jacobsthal 1944: 156). Jacobsthal’s These schlossen sich frühzeitig Frey (Frey 1980) und später Martin Guggisberg (1998) an, der sogar einen direkten skythisch-keltischen „Kulturaustausch“ entlang der Donau postulierte. Bestritten wurden solche Kulturkontakte u.a. mehrfach von Ruth und Vincent Megaw, die stilistische Übereinstimmungen mit zufälligen Parallelerscheinungen oder umgekehrt mit keltischen Einflüssen auf den Osten erklärten (Megaw 2005). 5 „Begriffe sind niemals bloß deskriptiv. Sie sind programmatisch und normativ. Daher hat der Gebrauch von Begriffen bestimmte Wirkungen.“ (Bal 2006: 13). 6 „Die Hallstattkultur. Frühform europäischer Einheit.“ Landes­ ausstellung Oberösterreich, Steyr 1980 (Angeli 1980). – „Die Kelten in Mitteleuropa.“ Salzburger Landesausstellung, Hal-

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lein 1980 (Pauli 1980). – „Der Keltenfürst von Hochdorf.“ Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 1985 Planck 1985). Vgl. Kimmig 1988: 281ff. und Pauli 1978: 413ff. Paulis explizit narrativ konzipierter „Versuch einer historischen Auswertung“ der früheisenzeitlichen Grabfunde vom Dürrnberg war im deutschen Sprachraum insofern etwas völlig Neues, weil er sein Modell am Zeitalter der Reformation entwickelte. Der Einfachheit halber habe ich hier die Begriffe „Kunst“ und „Künstler“ beibehalten, die in der aktuellen Literatur recht bedenkenlos verwendet werden. Die Frage, inwieweit es berechtigt ist, aus historischer, ethnologischer oder moderner Sicht in prähistorischer Zeit im Allgemeinen und in der Latènekultur im Besonderen von Kunst und Künstlern zu sprechen, ist noch nicht ernsthaft gestellt worden, kann aber auch von der Archäologie alleine nicht beantwortet werden. Diese Ebenen überschneiden sich im Mittelfeld terminologisch mit den von Allan Megill (1995) definierten Ebenen. Megill unterschied: 1) die Erzählung selbst (narrative proper); 2) die Meistererzählung (master narrative), die maßgebliche Synthese eines Geschichtsausschnittes, wie z. B. die Darstellung der Westhallstattkultur (hier als „II Erzählmuster“ bezeichnet); 3) die Großerzählung (grand narrative), die maßgebliche Sicht auf die Geschichte als Ganzes (hier als „III Meistererzählung“ bezeichnet); sowie 4) die Metaerzählung (metanarrative), die den geistesgeschichtlichen Rahmen für jede Art von Historiografie bildet wie z. B. die abendländische Weltanschauung (vgl. Rieckhoff 2007b: 22). In Abb. 7 habe ich der Vollständigkeit halber als viertes Erzählmuster White’s Satire hinzugefügt, für die Venceslas Krutas Darstellung der Kelten ein treffendes Beispiel bietet (Kruta 1979), das aber in diesem Beitrag außer Betracht bleiben musste, weil es konzeptionell nicht mit den hier ausgewählten Texten vergleichbar ist. Eine Vorstufe stellen meine Überlegungen zur „figurativen Sprache“ (White 1994) in den Texten von Kimmig und Pauli

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dar (Rieckhoff 2007b: 26f.).– Für Jutta Leskovar (2005) waren White’s Thesen der Anlass, eine neue archäologische Interpretationsmethode zu entwickeln; insofern ist sie einen ganz anderen Weg gegangen (vgl. Rieckhoff 2007b: 20). 12 Dieser öffentliche Diskurs wirkt inzwischen auch auf wissenschaftlich ambitionierte Ausstellungskonzepte zurück: „Kunst der Kelten 700 v. Chr. – 700 n. Chr.“ Historisches Museum Bern, Bern 2009 (Müller 2009). – „Die Welt der Kelten. Zentren der Macht – Kostbarkeiten der Kunst.“ Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg und Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2012.

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„Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen?“ Beobachtungen zum mysterischen Keltenbild besonders in Österreich Helmut Birkhan

Abstract “Who hears in our hectic, technocratic, capitalistic period still the trees’ voices, who knows our forefathers’ wisdom?” Observations concerning the mysteric idea of the Celts, especially in Austria There are at least six common stereotypes of the Celts: 1) Celts are nonconformist. 2) Celts were in accordance with nature, had deep insights and acted with some regard for the environment. 3) Celts lived in a matriarchal perhaps even in a society without any violence. 4) Celts are outstanding in craftwork. 5) Celts are extremely imaginative. 6) Celts come out of the dark, we don’t know much about them; they are simply the mysterious people. Besides these items there is one common notion which could be termed “the fascination of big stones”. The paper gives examples for some of these items from the viewpoint of Austrian Celtic esoterics. There is the underlying question “where do we come from?” which leads to some self-identification which I call “idiogenetic”.There is also a strong tendency to regard places even without any outstanding features as places of druids or/and of some supernatural power which can be transferred to the believing. For sure, some of these places like Roseldorf and Frög are famous for their archaeological finds but the choice of most of them is quite arbitrary. I call this attitude towards nature, places and plants with a new word “mysteric” as a term including the ideas of esoteric, mysterious und mystic. Besides some objects of landscape like natural rocks (often called standing stones) there are also quite frequent man-made mysteric features e.g. the tree circles with their bogus interpretations. I discuss a few places in more detail, especially the Gaisberg near Vienna, a place of former goats keeping but in mysteric interpretation ‘a holy mountain’ (connected by false etymology to Oir. geiss ‘taboo’) and the so called druidic way at Hafnerberg, south of Vienna where a whole druidic landscape has been built up on some very scant evidence of solitary rocks and a dubious calendar point. I discuss also a place obviously not yet discovered by celtomania (Hintersdorf,West of Vienna) and a place which had been interpreted as a Celtic mystery but is now only a playground of radioesthetics (Steinpyramide near Zwettl). One of the reasons of modern keltomania is that the Celts came to fill up the vacuum which arose after World War II when the Old-Germanic peoples fell in disgrace. But among the mysteric authors lately Wodan

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comes in now and then, albeit in the Wagnerized name-form Wotan. Besides these mysteric atitudes there is a more playful approach via Asterix in a Styrian skiing area at Galstiland not far from the Dachstein. There the Gaulish village of Asterix has been built up, mainly for children who ski into und through the very houses of Majestix, Panoramix etc. and are invited to drive away Roman soldiers with snow balls.The rest of my paper deals with one of the outstanding arguments of mysteric keltomania namely etymology which usually comes in as King’s evidence, of course in a completely random association of Gaulish or more often and without methodological distinction of Insular Celtic words. Thus new roots and words like SEBA or GAIS ‘holy’ are invented. The whole etymological reasoning takes place without any knowledge of language development or grammar but plays an extremely important role in mysteric evidence. I close with the pessimist statement that elucidation is hopeless and not accepted as it would undermine the whole mysteric construction. Sechs Stereotypen sind mir im Laufe meiner rezeptionsgeschichtlichen Arbeiten über die Kelten untergekommen. Ich fasse sie hier eingangs zusammen: 1. Die Kelten sind nonkonformistisch. 2. Die Kelten waren im Einvernehmen mit der Natur, hatten tiefe Einsichten in sie, kannten an ihr keinen Raubbau und keine Umweltzerstörung. 3. Die Kelten lebten in einer matriarchalischen, vielleicht sogar gewaltfreien Gesellschaft. 4. Die Kelten sind besondere Meister des Kunsthandwerkes. 5. Die Kelten sind besonders phantasievoll. 6. Die Kelten kommen aus dem Dunkel, man weiß von ihnen so gut wie nichts: Sie sind das rätselhafte Volk schlechthin. Dazu kommt noch eine Grundeinstellung, die auch für andere Kulturen gilt, aber gerade in der Keltenrezeption besonders wichtig ist: Das „fascinans des großen Steins“.

Ich habe schon mehrfach zum Wahrheitsgehalt der ­Kelten-Topoi Stellung genommen (Birkhan 2001; Birkhan 2005; Birkhan 2006 und zuletzt Birkhan 2009: 31–36) und brauche das in gerade diesem Kreis, der meine Arbeiten ja kennen wird, nicht zu wiederholen. Sie und das „fascinans des großen Steins“ bilden auch die Voraussetzungen der Fragen und Unter­suchungen von Eva-Maria Winkler (2006) und Stephanie Patzer (2010). Dieses „Keltenfascinosum“ hat einen mentalen Hintergrund, den ich „idiogenetisch“ nennen möchte, insoferne es auf die Frage „Wo kommen wir her?“ antwortet. Dazu bedient es sich gern der Scheinetymologien, so wenn etwa der Name des Kalenderberges

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bei Mödling anscheinend völlig aus dem Stegreif auf ein keltisches Wort †kal für „Mutterbauch; Geborgenheit“ zurückgeführt wird (Steiner 2006: 114). Ich habe diese Argumentationsweise 2009 als „fiktionale Wissenschaft“ oder „Fiktionaldidaktik“ bezeichnet (Birkhan 2009: 26f., 566, 571f. Anm. 4, 577, 714, 737, 768). Es wird von ihr noch mehrfach die Rede sein. Das „Keltenfascinosum“ ist das Ergebnis einer sentimentalisch-neoromantischen Weltkonstruktion, die auf einem quasi-religiösen, auf Unvermitteltheit zielenden Naturverständnis ruht. Dazu ein Beispiel: Die Verlängerung des Parapluibergs im Südwesten Wiens bildet der Gaisberg (auch Geißberg; aber die amtliche Schreibung hat bekannt-

Abb. 1: Die Waldfelsen des Gaisbergs bei Kaltenleutgeben. Foto: Birkhan

lich wenig Aussagekraft), mit 602 m eine nicht weiter bemerkenswerte Anhöhe, aus deren Waldboden einige bescheidene Kalkfelsen ragen (Abb. 1). Der Name [dialektal 'g a¯ßbeak], der offensichtlich von einer Ziegenweide kommt (so wie es im parallelen Liesingtal in Kalksburg eine Kuhheide ['kuah a¯t] gibt), wird fiktionaldidaktisch von Gabriele Lukacs (Bouchal, Lukacs 2009: 24), mit einem (natürlich) nicht-existenten „keltisch gais“ „‚geheiligter Platz, Tabuzone‘“ verbunden. Quelle war die Bibel und Hauspostille der deutschsprachigen Keltenesoteriker, vornehmlich in Österreich, das Buch „Unser keltisches Erbe“ von der Wirtschafts­wissen­schaftlerin Inge Resch-Rauter. Dort liest man: „GEIS/GES kelt. Schicksal, Bestimmung; Tabu“. Das Namenselement soll sich in den neuzeitlichen „Geis-, Gais-, Geß-, Gös-, Göß-, Goess-, Gois-, Gols-, Goss-, Gäns-, Gens-, und Gans-Namen“ finden (Resch-Rauter 1992: 87–93, 475). Die Verfasserin zitiert die altirische Sage „Die Zerstörung der Halle von Da-Derga“ (Togail bruidne Da-Derga), in der mehrfach von einem dem König Conaire Mór auferlegten Tabu (geiss) – etwa: keine Vögel zu jagen – die Rede ist (IHK 621-652). Wer wie Resch-Rauter keine Ahnung von der altirischen historischen Grammatik hat, könnte

nun glauben, air. geiss ‚Tabu‘ gehe auf ein urkelt. †geis(oder wie Lukacs schreibt gais-) zurück. Der Keltologe indessen weiß, dass air. geiss zu guidiu ‚ich bitte‘ gehört, das auf ein akelt. *gued- (< idg. *guhedh-) ‚begehren; bitten‘ (IEW 488) zurückweist und mit dem angenommenen diphthongischen †geis/gais- völlig unvereinbar ist. Der „Waldläufer“ Hans Steiner aus Liesing hat die Kalkfelsen schon um 2003 zu Druidensteinen erklärt und in seinem Wanderführer als mystischen Ort gepriesen. Auf die Frage, woher die Vermutung komme, dass der Gaisberg ein „Heiliger Ort“ der Kelten gewesen sei, erfahren wir (Keltenklischee Nr. 2): „Bei den Druiden, den ‚Priestern‘ der Kelten, geschah ­alles im Einklang mit der Natur; denn in freier Natur war es für sie am ehesten möglich, mit Überirdischen in Verbindung zu treten. Also sammelten sich die Kelten auf einem Hügel oder einer Bergspitze, auf einer Waldlichtung oder an einer Quelle, denn Wasser bedeutete Lebenskraft“ (Steiner 2006: 27–30). Über das Volk, „das aus dem Dunkeln kam“ (Keltenklischee Nr. 6), belehrt uns der „Waldläufer“: „Die Kelten wanderten vor 3000 Jahren aus Asien und dem heutigen Russland, wo ihre kulturellen Wurzeln liegen, in un-

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Abb. 2: Steiners Transkription des Gaisberg-Gipfelbuchs. Foto: Birkhan

sere Gegend ... Um 500 vor Christus kamen sie bis Britannien und Irland“ (Steiner 2006: 31). Es ist kurios, wie hier vage Kenntnisse über die vermutete Heimat der Indogermanen, vielleicht mit einer Ahnung von den Skythen, ganz anachronistisch auf die Kelten übertragen werden. Man hat fast den Eindruck, dass sogar mittelalterliche und frühneuzeitliche Theorien über die Abstammung der Kelten von dem nach Asien ausgewanderten Noah-Sohn Japhet überleben (vgl. Birkhan 2011). Doch wäre das gewiss Überinterpretation, weil man Steiner wohl nicht diese Kenntnisse zutrauen darf. In einem „Gipfelbuch“ kann man auf dem Gaisberg seine Erlebnisse festhalten. Im Frühjahr 2009 hat Steiner das vollgeschriebene Buch durch ein neues ersetzt, in das er jedoch die relevanten Eintragungen aus dem früheren fein säuberlich transkribiert einklebte (Abb. 2). Danach hat am 17. 5. 2007 am „Keltenplatz“ der „Druidensteine“ eine „Vorhochzeit“ – honi soit qui mal y pense! – stattgefunden, als eine Silvia ihren Robert heiratete, während Günter und Hannelore als Trauzeugen wirkten. Vielleicht tauschten sie keltische Ringe aus Chirurgenstahl, wie sie 2004 in Leipzig zu kaufen waren (Abb. 3). Während eine gewisse Margit den „Waldläufer“ nicht sehr keltisch mit

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Abb. 3: „Keltische“ Schmuckringe in Leipzig angeboten. Foto: Birkhan

Om Mani Padme Hum grüßte, und Gerhard der Gedanke an seine Liebste und „eine mystische Macht“ an jenen „himmelsgleich“ schönen Ort geleitet hatte, führte den verirrten Christian ein „Bussard Pärchen“ zu diesem „Kleinod der Natur“. Den Wanderer leitende Tiere kennen wir aus Märchen, Sage und Legende. Der Ort hat eine im strengen Sinn des Wortes „esoterische“, weil die von den Bussarden nicht Geleiteten ausschließende Qualität. Ein pantheistisches Naturgefühl verbindet sich hier speziell mit den Kelten, die man nach Keltenklischee Nr. 2 für besonders naturnah hält und gelegentlich mit ihrem geheimnisvollen Exponenten Merlin, dessen Waldleben als der wahnsinnig gewordene Myrddin Wyllt man in durchaus krauser Weise uminterpretierte, wenn eine empfängliche Seele im Museum von Roseldorf (NÖ) folgende Botschaft hinterließ: Wie Merlin möchte’ ich durch die Wälder ziehen; Was die Stürme wehen, Was die Donner rollen, Und die Blitze wollen, Was die Bäume sprechen, Wenn sie brechen, Möcht’ ich wie Merlin verstehen.

In das Gaisberggipfelbuch schrieb jemand: „Danke für das Verständnis für unser keltisches Erbe! Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen?“ (Steiner 2006: 29). Ich nenne ­diese Keltensicht mit einem neuen, mehrere mögliche Assoziationen offenlassenden und doch recht exakten Terminus „mysterisch“. Wer bei dieser Wortprägung die Brauen runzelt, mag den Begriff „inspirational“ bevorzugen, wie er sich in einer Eintragung von Wolfi und Gabi am „Kraftort“ Michelberg (im Weinviertel) vom 23. 10. 2010 findet und dort offenbar das naturhafte Anregende an diesem „Kraftort“. In dem kleinen Dorf Geyersberg im Dunkel­steiner Wald hat Wilhelm Cerveny, ehemaliger Gymnasiallehrer für künstlerisches Gestalten, als seine Frau in den frühen 80er-Jahren an einem seltenen Krebs erkrankte und die Schulmedizin nicht helfen konnte, sich an den 2010 verstorbenen Druiden „Raborne“ (Anton Urszovics) gewandt, der in Sooß bei Loosdorf in einem „Lebkuchenhaus“ residierte (Birkhan 2009: 442, 443 m. Anm. 1, 793; Patzer 2010: Abb. 2). Dieser empfahl ihm die Errichtung eines astronomisch georteten „keltischen“ Steinkreises samt Dolmen, die der Druide am 25. 5. 1989 im Namen des Artemisia nemeton – daher das Zeichen des Beifuß- oder Wermutblattes auf der Bronzeplakette – einweihte. Später setzte Cerveny Aluminium-Profilstangen, in die er in Ogamschrift die Namen heiliger Bäume eingravierte, die er einem Kelten-Tarot entnommen hatte. Hier heißt etwa die Hasel Coll und die Eiche – für den Keltologen überraschend – Duir (statt richtig Dair oder Daur). Erfreulicherweise stabilisierte sich der Zustand von Cervenys ­Gemahlin tatsächlich, so dass sie noch 16 Jahre am ­Leben blieb. Die Inkonzinnität der Verbindung vorkeltischer Steinsetzungen mit uririscher Ogamschrift, nicht immer korrekten Baumnamen und das gallische Artemisiablatt des nemeton hat weder den Druiden noch Cerveny als Stifter des Ensembles gestört, verbanden sie doch das nemeton für gewöhnlich mit einer megalithischen Steinsetzung, ganz wie etwa im ersten Akt der Oper „Norma“ (1831) – und es stört auch nur Keltologen. Für den Laien ist allein durch den Begriff „Kelte“ und den „großen Stein“ eine magische, mysterische Potenz vorhanden, die Gegenstände orendistisch auflädt und wie im Falle von Anne

Liese Cerveny anscheinend eine die Krankheit verlangsamende Wirkung hat. Bei der neuen Keltenesoterik ist allerdings zu unterscheiden, ob sie sich eines Lokals bemächtigt, das nachweislich den Lebensraum der alten Kelten bildete, oder ob die mysterische Tätigkeit an einem Platz moderner Wahl wie am Kaltenleutgebener Gaisberg stattfindet. Die zuvor zitierte Druidenphantasie vom naturverstehenden Merlin habe ich in Roseldorf (NÖ), also einem tatsächlichen und noch dazu bedeutenden Keltenort gefunden. Auch in Frög bei Rosegg an der Drau (Ktn), wo es ja wichtige archäologische Funde gibt, lässt es sich verstehen, dass die kleine, jedoch blühende Gemeinde aus ihrer „Keltenwelt“ kräftig Kapital schlägt. Hier finden Treffen moderner Kelten statt, es gab aber auch zufällig während meines Besuchs ein „Ritschertfest“. Dabei ist es bezeichnend, dass das von Fritz Eckhart Barth (1992) rekonstruierte hallstattzeitliche Ritscher(t) den Veranstaltern als Rezept durchaus bekannt ist, man aber keinen Versuch macht, es original nachzukochen – man stellte sogar die falschen Bohnen, nämlich die aus Amerika stammenden Wachtel- und Nierenbohnen (Phaseolus vulgaris) statt der den Kelten einzig bekannten Puffbohnen (Vicia faba) aus und gab sich mit der üblichen Rollgerstensuppe zufrieden. Ich wende mich wieder der „Keltenmysterik“ zu, die nicht als archäologisches Erbe, sondern aus der freien Phantasie oder aus merkantilen Überlegungen ­heraus ihre Lokalitäten sucht. Da sind zunächst „Druidensteine“, gelochte und ­ungelochte, samt der „Visur“ wie etwa auf dem Druidenweg beim Wallfahrtsort Hafnerberg (NÖ), dessen Name von Bouchal – Lukacs (2009: 38) zu einem kelt. †offerende gestellt wird,einem nach Resch-Rauter (1992: 85, 478) „keltischen (ins latein übernommenen) Wort OFFERENDE, das ‚Opfer darbringen‘ heißt und in der ganzen keltischen Sprachgruppe sich ­vorfindet ...“. Der Literaturfreund denkt hier an das „Motiv von der verkehrten Welt“, denn natürlich stammen die inselsprachlichen keltischen Wörter aus lat. offerre und nicht umgekehrt! Tatsächlich ist der Ortsname Hafnerberg, den es erst seit 1785 mit der Entstehung der Siedlung gibt, nicht gedeutet (Schuster II 1990: 196). Aber die Annahme, dass er einen Ort bezeichnet, wo Hafner siedelten (vgl. die Orte Hafing und Hafnerbach im

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Abb. 4: Informationstafel am Druidenweg in Hafnerberg (NÖ). Foto: Birkhan

Raum St. Pölten), liegt etwas ­näher als die Vermutung, dass dort Mitte des 18. Jh. ein heidnisches Kultrelikt vorhanden gewesen sei und von einem Wort bezeichnet wurde, das es sonst im dt. Wortschatz nicht gibt! Sieht man beim Fuchshof vom ­„Visurpunkt“ zwischen den beiden kleinen Hügeln, die eine Art „Kimme“ bilden (Abb. 4), durch, so erblickt man das Kletterparadies des Peilsteins. Die Neodruiden und Magier, welche Wegweiser der „Dorfgemeinschaft“ aufstellen und wie Bouchal – Lukacs (2009: 40f.) Wanderrouten beschreiben, sind sich allerdings über die Bedeutung von „Kimme und Korn“ als Zieleinrichtung nicht immer im Klaren. Der Name Peilstein, den Lukacs nach Resch-Rauter (1992: 430) aus dem niederdeutschen anpeilen, einem Terminus der Seemannssprache, ableiten will, gehört in Wirklichkeit wohl zu ahd. p¯ıl ‚kleiner Pfahl; Pflock‘ (vgl. Schuster 1989: I, 232). Er bezieht sich somit auf die Felsnadeln der Kletterwand. Ein dem „Visurpunkt“ naheliegender auffälliger Felsen im steilen Wald, der angeblich dialektal Seebm-Stein heißt und seinen Namen wohl dem in der Gegend nicht gerade häufigen Sebenbaum (Juniperus sabina) verdankt, wird von der phantasievollen Lukacs im Sinne „fiktionaler Didaktik“ (Birkhan 2009: 26 und öfter) zu einem – nicht existenten – „keltisch seba ‚heilig‘“ (vgl. Resch-Rauter 1992: 480) gestellt. Das „Kalendarium“ besteht darin, dass zu Mariae Lichtmeß (2. Februar und

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– natürlich auch am 6. November) die Sonne im Visurpunkt aufgeht. Der dort wohnende Bauer wusste bei wolkenlosem Himmel also immer, wann diese beiden Tage waren und musste danach seinen Kalender einrichten! Letztlich handelt es sich wohl um Spekulationen, die auf den um 1880 dort wirkenden Naturheiler Franz Edelbacher zurückgehen sollen. Käme Kurt Derungs (2000) des Wegs, der es mit „Frauenkörper und Landschaft“ hat, so würden ihm zu diesem Bild vielleicht die „Paps of Anu“ in Co. Kerry und einiges mehr einfallen. Beliebter und eindrucksvoller noch als „Visuren“ und Lochsteine sind Baumkreise und Horoskope. Ich bin (Birkhan 2009: 567, 585–588) der Entstehung des Baumkreisgedankens nachgegangen und muß dies hier nicht wiederholen. Er hat jedenfalls in der altkeltischen Religion keinerlei Hintergrund, sondern ist letztlich das Konstrukt der französischen Frauenzeitschrift „Marie Claire“ anfangs der 1970er-Jahre. Es gibt heutzutage eine große Anzahl solcher Anlagen, etwa bei Eberstein im Görtschitztal (Ktn), wo sie sich in unmittelbarer Nähe eines alten Galgens befin-

Abb. 5: „Nervenschwächende“ Keltenstrahlen bei der Araburg (NÖ)? Foto: Birkhan

Abb. 6: Die Baumkreisanlage der Gemeinde Wien in Sievering. Foto: Birkhan

det, dessen Säulen noch erhalten sind. Ein sich dahinter erhebender natürlicher Felsbogen erhöht die Funktion als radiästhetischer „Kraftort“, ein modischer Ausdruck, der einem nun ständig begegnet. Überhaupt werden die Kelten gerne mit „Ley-Linien“ und radiästhetischen Phänomenen mit ihren ­Bovis- oder Ängströmeinheiten, Hartmanngittern und ähnlichen Mutungsergebnissen zusammengebracht, wie etwa auf dem „Heil- und Energieweg Kaumberg“ unweit der Araburg (Abb. 5),1 wo die Kelten­präsenz nun auch einmal negative Vorzeichen erhält. Mit „Ley-Linien“ bezeichnen die Mysteriker bestimmte in ihrem Sinn auffällige Punkte in der Landschaft, die etwa aus Megalithen, auffälligen Naturgebilden (Felsen) oder vorchristlichen und christlichen Kultstätten bestehen. Der Name stammt vom Zweitglied englischer Ortsnamen (wie etwa Wensley), wobei -ley (< ags. leah, ahd. l o¯ h) das germanische Wort für ‚heiliger Hain; Heiligtum‘ fortsetzt. Der AmateurArchäologe Alfred Watkins nahm an, dass diese Orte auf geheimnisvollen Linien liegen. Aber nicht selten entstehen keltische Baumkreise gewissermaßen aus dem Nichts, aus einer Beschäftigungstherapie der ländlichen Jugend etwa in ­ Pyhra

(NÖ), wie die Kronen-Zeitung am 8. 9. 2009 (S. 19) berichtete, oder – der mündlichen Überlieferung nach – aus der esoterischen Marotte der Ehegattin eines Wiener Finanzstadtrates. Dieser ließ – angeblich um 40 Mio. Schilling – in Sievering ein Areal in bester Lage und mit herrlicher Aussicht bis zu den Kleinen Karpathen erwerben (Abb. 6) und darauf nach den von Michael Vescoli 1995 verbreiteten Angaben einen keltischen Baumkreis von 20 Bäumen errichten. Eine Gruppe von Botanikern der Universität Wien bat mich um eine keltologische Führung durch den Baumkreis und war nicht wenig enttäuscht, als ich ihnen die völlige Haltlosigkeit der Baumkreis- und Baumhoroskop­phan­tasien erklären musste. Ein von der Kronen-Zeitung unterstütztes Büchlein „Im Lebenskreis der Bäume. Der Baumkalender der Kelten“, 1997 bei Ueberreuter erschienen, beruft sich zwar auf meine Keltenstudien (Birkhan: 1997), wobei aus einem Sichelwagen ein Stichelwagen geworden ist (S. 13), behauptet aber – Gott sei Dank – nicht, bei mir etwas über den Baumkreis gelesen zu haben. Im Übrigen waren die Botaniker höchst erstaunt, dass die alten Kelten mit Bäumen zusammengebracht werden, die sie kaum kennen konnten (wie Feige, Zypresse, Zeder, Kastanie

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Abb. 7: Botanisch zweifelhafte Information der Gemeinde Wien. Foto: Birkhan

und Ölbaum), noch erstaunter aber, dass die Gemeinde Wien die Rosskastanie mit der Edelkastanie und die Tanne mit der Fichte verwechselt hatte, was keinem Christbaumhändler passiert wäre. Dagegen ist die Verwechslung von Speierling und Eberesche mit immerhin ähnlichen Blättern eine lässliche Sünde. Kundige dürften dann reklamiert haben, jedenfalls stehen jetzt bei den Bäumen Tafeln, welche die Proteste wegerklären. Neben der dahinkümmernden und zerzausten Fichte liest man, dass man erst seit dem 19. Jh. die Rottanne als Fichte bezeichne (Abb. 7). Ein Blick in das Grimmsche Wörterbuch zeigt freilich, dass dies so nicht stimmt. Der falsche Text auf der Informationstafel kam die Gemeinde billiger, als die Fichte auszugraben und durch eine Tanne zu ersetzen. Vielleicht erklärt es sich als Ergebnis einer Art wissenschaftlichen Unbehagens, dass auf der aktuellen Baumkreistafel das Attribut „keltisch“ nicht mehr vorkommt, sondern der Baumkreis wie bei Bouchal – Beck (2007: 30–32)

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lediglich als Ort der Kraft und Kontemplation angepriesen wird. Die Keltenbotanik ist überhaupt ein unausgeschöpftes großes Kapitel. Seit dem Mittelalter haben die wenigen Angaben über die Zauberpflanzen der Kelten die Gemüter bewegt, am meisten die Nachrichten über Eiche und Mistel. So entstand schon in der ­ersten Hälfte oder Mitte des 14. Jh. der sogenannte „Eichenmisteltraktat“, der immerhin in 21 Handschriften überliefert und, was sehr ungewöhnlich ist, auch ins Altfranzösische übersetzt wurde (Keil 1978/79). Er handelt von der Riemenblume (Loranthus europaeus), nicht von der ganz selten auf Eichen wachsenden Nordischen Mistel (Viscum album). Heute wimmelt es von Büchern (auch Pflanzentarotkarten usw.), die sich des altkeltischen angeblichen Kräuterwissens annehmen, obwohl die vielleicht letztlich dahinterstehenden Sagen von den 365 Heilkräutern des Diancécht und den Kräutern der elfischen „Ärzte“ von Myddfai (Birkhan 1997: 627f., 631, Anm.3) meist nicht zitiert werden. Um genügend „magische“ Kräuter zu gewinnen, begnügte man sich nicht mit den vertrauten und z. T. sehr unsicheren bardana ‚Klette‘, bellinuncium ‚Bilsenkraut‘, bellocandium ‚Schafgarbe‘, briginus ‚Beifuss‘, verbenaca ‚Verbene‘, selago ‚?‘ und samolus ‚?‘, sondern behauptete einfach von einer Pflanze wie dem Salbei (Salvia officinalis) in einem sonst botanisch zuverlässigen Wikipedia-Artikel, dass die Druiden der Pflanze so große Kraft zuschrieben, dass sie meinten, man könne mit ihr Tote erwecken. Salbei solle nur in den Gärten von Weisen gedeihen und – als kleiner Schnörkel der Matriarchatsphantasien (Birkhan 2009: 589–614) – dort, wo die Frau den Haushalt be­herrsche (http://de.wikipedia.org/ wiki/Echter_Salbei [3. 11. 2010]). Vom Gänseblümchen hieß es: „Wahrscheinlich keltischen Ursprungs ist der Glaube, dass der Genuss der kleinen Pflanze das Wachstum dämpfen kann. Eine irische Sage erzählt von der Fee Milka [!], die dem Kind des Königs heimlich ‚Gänseblümchenspeise‘ zu essen gibt, damit es nie erwachsen wird“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Gänseblümchen [12. 11. 2010]).2 Natürlich auch dies ohne Literaturhinweis auf die mysteriöse, so unirisch klingende Milka! Ich übergehe die große mysterische Bedeutung, die dem keltischen Kunsthandwerk zugeschrieben wird. Da ging schon im 19. Jh und geht bis heute vom Gun-

Abb. 8: Kopfplastik von Dimbach (OÖ). Foto: Birkhan

destrupkessel eine gewaltige Faszination aus. Cernunnos-Anhänger werden gerne als Touristenramsch verkauft, der Gott ist auch im Internet omnipräsent, zumal er mit dem „gehörnten Gott“ des Kabbalisten Eliphas Lévi (1810–1875) verbunden wird. In diesen Umkreis gehört auch der heftig umstrittene Chiemseekessel, eine Fälschung der Nazizeit unter Verwendung von ca. 11 kg sehr reinen Goldes, die eine krude Replik des Gundestrupkessels bietet, mit neuen Sinnangeboten, wie sie der „Mystik“ des Dritten Reiches entsprachen (Birkhan 2009: 751–761). Es gibt auch Gegenstände und Orte, die noch für die Kelten zu entdecken sind: Bei manchen Kopfplastiken wie jener (Abb. 8) in einer Stallmauer in Dimbach (OÖ) geschieht dies bereits (Milfait, 1994: 41). Andere Orte harren noch der mysterischen Erweckung. So das 1982 mit dem Beginn des Wassermannzeitalters bei Hintersdorf (Wienerwald) von Arnold Graf Keyserling (1922–2005) errichtete Erdmutter-Heiligtum,3 das u. a. aus einem zum Polarstern weisenden Pfahl besteht. Bei der letzten Erdmutterfeier im Juni wurde der Göttin eine kleine Devotionalie aus schar-

lachrotem Fimo geopfert, auf der die goldgelbe Mutter im Buddhasitz thront und auf ihre Fruchtbarkeitsfunktion etwa durch den Apfel verweist (Abb. 9). Nicht mehr mit den Kelten verbunden ist jetzt m.W. die vielumrätselte, sogenannte „Steinpyramide“ bei Neustift im Waldviertel (Bezirk Zwettl), die möglicherweise von Georg Ritter von Schönerer, dem das naheliegende Schloss Rosenau gehörte, erneuert wurde, mit dem sie durch eine Wald­straße verbunden ist. Die aus stufenförmig übereinander gesetzten Zylindersegmenten bestehende Konstruktion erinnert mich frappant an die germanischer Thing­stätten, wie sie heute noch in Tynwald zu sehen ist, wo das Parlament der Isle of Man tagt. Der antiklerikale Schönerer soll beabsichtigt haben, die christlichen Feste wie Ostern durch germanische Thingspiele, etwa ein „OstaraThing“, zu ersetzen. Im umliegenden Wald befinden sich zwei Runen­inschriften, die Otto von Bismarck grüßen. Sie sind in dem gleichen etwas unorthodoxen Runenalphabet geschrieben wie eine Urkunde des Floridsdorfer Turnvereins von 1896, die Schönerer zum Ehrenmitglied ernennt (abgebildet in dem vorzüglichen Wikipedia-Artikel http://de.wikipedia.­org/­ wiki/­Georg_von_Schönerer [3. 11. 2010]). Nachdem ich zu dieser Deutung des rätselhaften Gebildes gelangt war, erhielt ich eine mail-Zuschrift des Zwettler Stadtarchivars Friedel Rainer Moll, in der er mir mit-

Abb. 9: Erdmutter-Votivgabe aus Hintersdorf (NÖ). Foto: Birkhan

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Abb. 10: Das „Galstiland“ am Galsterberg bei Gröbming (Stm). Foto: Birkhan

teilte: „Ich vertrete die Meinung, dass die ‚Steinpyramide‘ ein Produkt der barocken Landschaftsgestaltung im Umfeld des Schlosses ist und glaube, dafür auch einige Indizien gefunden zu haben. Den endgültigen Beweis muss ich allerdings schuldig bleiben.“ Moll verweist dazu vor allem auf eine Grußkarte im Stadtarchiv von etwa 1900, welche in floraler Umrandung die verschneite „Pyramide“ zeigt und ihr in einer handschriftlichen Notiz auch einen Namen gibt: „Steinerner Turm, (Parnaß) im Neuwald bei Schloß Rosenau“. Ich danke Herrn Moll für den liebenswürdigen Hinweis und halte seine Deutung für sehr einleuchtend, jedoch schließt sie die – freilich nicht zwingende – Annahme einer Uminterpretation des „Parnaß“ als Thingstätte durch den germanomanischen Schönerer mit seiner Vorliebe für Runeninschriften und Thing-

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spiele nicht ganz aus. Während die „Steinpyramide“ noch vor einigen Jahren als Keltenplatz gefeiert wurde, hat jetzt die Keltenzuschreibung der üblicheren als „Kraftort“, gestützt auf angebliche radiästhetische Befunde, Platz gemacht. Am sympathischsten sind gewiss jene Celtica, die dem Spaß dienen bzw. einfach unterhalten wollen. Das ist vor allem die Welt des Asterix, die auch an Manfred Deix mit seiner liebenswerten Obelix-Karikatur nicht vorübergegangen ist. Besonders aber tut sich da die Schiregion Gröbming-Schladming im oberen Ennstal hervor. Gab es auf der Fageralm schon lange eine Wickie-Kinderabfahrt und einen Indianertrail, so wartet seit dem Winter 2009/10 der etwas abgelegene und daher von den Schitouristen nicht so frequentierte Galsterberg mit seinem Galstiland auf (Abb. 10). Hier ist auf mittlerer Höhe von etwa 1200m das gallische Dorf des Asterix so aufgebaut, dass die Kinder direkt mit den Schiern durch die Häuser des Miraculix und Obelix fahren können. Letzterer schwärmt sogar im Traum von einer Sandrine (wohl nur für Insider des Fremdenverkehrverbandes verständlich, da Obelix ja eingefleischter Junggeselle ist) und von Wildschweinbraten. Daneben sieht man seine abgelegte Garderobe und ein eben am Spieß brutzelndes Schwein. Der das Galstiland durchfahrende junge Abenteurer trifft auch auf Majestix und auf den am Baum hängenden gefesselten Singnix (für Troubadix).Will er den vor der Hundehütte liegenden Knochen entfernen, so erscheint mit bösem Knurren Idefix. Besonders liebevoll ist die Gruppe der Römer gestaltet, die mit Schneebällen zu treffen sind, worauf sie maulend aufschreien. Eine entsprechende Speisekarte mit „Gallischem Teller“ und „Hinkelstein“ rundet den Besuch im Galstiland ab. Ich behaupte nun, dass diese Keltenphantasien, vor allem die „mysterischen“ und „idiogenetischen“ in den Populärvorstellungen der Österreicher nicht eigentlich mit der Konzeption der „erfundenen Kelten“ zu tun haben. Erst indem in unsere vulgärkeltischen Vorstellungen inselkeltische einbezogen werden, wir uns bei den Inselkelten „ansippen“, wie im Falle der Steinsetzungen Cervenys, in der häufigen Bezeichnung natürlicher Felszacken als „Menhire“ oder der Neuerrichtung von quasi-megalithischen Steinkreisen, kommen die „erfundenen Kelten“ von John Collis ins Spiel.

Was das Interesse am Vorstellungskomplex der keltischen Vorfahren und des ererbten Traditionsgutes angeht, so werden die (antiken) Kelten vor allem deswegen herangezogen, weil die Germanen – die übrigens letztlich ebenso „erfunden“ wären wie die Kelten – uns nach 1945 abhanden gekommen sind und erst langsam wieder auftauchen. So etwa wenn in Bouchal – Lukacs (2009), der Michelberg im Weinviertel über den Erzengel Michael mit Wotan verbunden wird. Die Wagnersche – aber falsche Namensform – des Gottes, der ja in Wirklichkeit altsächs. W o¯ dan, ahd. Wuotan heißt, was einem nhd. †Wuten entsprechen würde, verrät allerdings keine tiefere Kenntnis der germanischen Religion. Letztlich werden wir auf die Mentalität von Autoren wie etwa Guido von List (1848–1919) oder Franz X. Kießling (1859–1940) zurückverwiesen, deren germanisch-deutsches Element eben durch ein keltisches ersetzt wird. Zum Abschluss: In Ermangelung deutlich keltischer Bezüge ist das liebste Vehikel mysterischer Keltenforschung die Schein­ etymologie. Nun hat es allerdings schon keltomanische „Etymologien“ viel früher gegeben. Berüchtigt ist hier als Höhepunkt Wilhelm Obermüllers „Deutsch-keltisches, geschichtlich geographisches Wörterbuch zur Erklärung der Fluss-, Berg-, Orts-, Gau-,Völker- und Personen-Namen Europas, Westasiens und Nordafrikas im allgemeinen wie insbesondere Deutschlands, nebst den daraus sich ergebenden Folgerungen für die Urgeschichte der Menschheit“ (Berlin 1872), das jetzt sogar digitalisiert im Internet zugänglich ist (http:// www.archive.org/details/wilhelmobermlle00obergoog [15. 12. 2010])! Es hat neuerdings in Gerhard Joachim Richters „Keltische Wurzeln in europäischen Sprachen. Sprache als Zugang zur Geschichte“ (Leipzig 2002: antonym) einen getreuen Nachfolger gefunden, wenn z. B. der Name der heilkräftigen Ringelblume (Calendula officinalis), der durch die geringelte Samenform motiviert ist, als keltisches Wort (< kymr. rhin ‚secret‘ + kymr. gwell ‚wound‘) und das erste Element in Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris) als kymr. hydd ‚stag‘ („also eigentlich ‚Hirsch‘-Tasche [Hirsch-Nahrung ??]“) erklärt werden (Richter 2002: 265). Das bei Resch-Rauter beschworene Namenselement „SEBA/ SEBONA kelt. Heiligtum“ (Resch-Rauter 1992: 480)

und andere Ansätze habe ich bei Richter, der von den konkreten Wortformen in den inselkeltischen Sprachen ausgeht und diese den deutschen Wörtern unreflektiert zugrundelegt, allerdings nicht gefunden. Die Defizite bei diesen mysterischen etymologischen „Absicherungen“ bestehen nicht nur darin, dass die Autoren von den keltischen Sprachen keine Ahnung haben, sondern dass ihnen das sprachgeschichtlich-etymologische Denken grundsätzlich völlig fremd ist, etwa dass oberflächliche, durch keine regelhafte Sprachveränderung begründete Ähnlichkeit eines Ortsnamens mit einem irgendwie anklingenden oder auch nur graphisch ähnlichem irischen, kymrischen, bretonischen oder gallischen Wortelement zunächst überhaupt keine Aussagekraft hat. Selbst wenn Resch-Rauter nicht erkennt, dass altir. geiss gar keinen echten Diphthong enthält, sondern das i nur die Palatalität des folgenden s bezeichnet und daher auch nicht als [gais] auszusprechen ist, was Beschäftigung mit der altirischen Grammatik voraus­setzt, so ist doch noch befremdlicher, wie sie glauben kann, dass das Altirische gleichsam „automatisch“ unverändert den Zustand des Festlandkeltischen bewahrt hat. Ob sie wohl ein beliebiges nhd. Wort z. B. Schiene ebenso unbedenklich als altgermanisch ansehen würde? Insgesamt ist der mysterischen Etymologie das sprachhistorische Denken und der Begriff des regelhaften Phonemwandels („Lautgesetz“) fremd. Für den Linguisten sind die sub canone befindlichen „Ethymologien“ (wie Richter schreibt) der Mysteriker leicht zu kritisieren und lächerlich zu machen. Da sie keineswegs lernwillig sind, wäre es auch verfehlt zu erwarten, dass sie von Zeilen wie den vorstehenden etwas annehmen, selbst wenn sie diesen Sammelband je in die Hand bekämen. Andererseits ist die „Ethymologie“ ein von den Mysterikern sehr ernst genommenes „Argumentations­instrument“, eben weil außer dem Namen oft nicht viel aufzuweisen ist, sie unter ihresgleichen keinen Widerspruch zu gewärtigen haben und die Trennwand gegenüber den Sprachwissenschaftlern von beiden Seiten nicht überstiegen wird. Von den einen nicht, weil ihnen das Wissen fehlt und sie vielleicht ahnen, dass dann das Beibringen „ethymologischer“ Stützen viel schwieriger oder gar unmöglich würde, von den andern nicht, weil sie es unter ihrer Würde und zwecklos finden, sich mit den krau-

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sen Konstruktionen der Mysteriker abzugeben. Damit haben sie gewiss nicht ganz unrecht, und auch ich bin nicht so naiv zu glauben, dass wir mit unserer Halleiner Tagung und Aufklärungskampagne über die Kelten – auch der archäologischen – eine Änderung des populären Keltenbegriffs und -bewusstseins bewirken können, und schon gar nicht auf etymologischem und

philologischem Feld, was ja auch die Ausführungen von Günter Kantilli im Verlauf der Halleiner Tagung bestätigten. Was die Etymologie angeht, so gilt für den Laien, was Mephistopheles über die Theologie sagt: „Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift, und von der Arzenei ist’s kaum zu unterscheiden.“

Anmerkungen

Literatur

1 Ich habe die Energieweg-Tafeln, deren Texte von Johann Renz, Landwirtschaftsmeister, Dipl.-Masseur, ganzheitlicher Radiästhet und Geistheiler in Innermanzing (NÖ), stammen, 2008 kennengelernt. Sie mußten 2009 abmontiert werden, weil die Zisterzienser von Lilienfeld, die das Waldgebiet und die Wegerechte besitzen, am Text Anstoß nahmen. Derzeit befinden sie sich im Marktamt Kaumberg, wo ich sie nochmals besehen durfte. Besonderen Dank schulde ich Herrn Michael Singraber, dem Bürgermeister von Kaumberg. 2 Durch puren Zufall lernte ich während der Korrekturarbeit an diesem Beitrag einen ambitionierten Wikipedia-Verfasser kennen, der am 22. November 2011 die unsinnigen Behauptungen über Salbei und Gänseblümchen zu meiner Freude sofort tilgte. 3 Arnold Keyserling erinnerte sich: „Am 7. Dezember 1982 wurde mit 64 Freunden die Einweihung vollzogen. 11:16 Uhr, als die Sonne genau auf 15º Schütze stand, wurde ein Meteorstein in die Mitte des Rades versenkt und ein Pfeil – der später aus Chromnickelstahl ersetzt wurde – auf den Polarstern gerichtet; damit wird die elektromagnetische Energie des Himmels mit der Schwerkraft der Erde verbunden. Der Aszendent des Augenblicks war in Hintersdorf 15º Wassermann, was zeigt, daß dieser Ort diese Bestimmung hatte. Nach einer kurzen Vertiefung in die Bedeutung der Gründung und einer Anrufung aller Wesen des Universums umschritten wir siebenmal nach altem Ritus den Kreis in Sonnenrichtung. Die Füße waren schwer von Lehm; leichter Nebel ließ die Wipfel der Buchen, die über dem Rad mit Reif bekleidet einen Dom bildeten, märchenhaft erscheinen. Allen Teilnehmern wurde eine tiefe Freude beschert, eine innere Heiterkeit, die sich den ganzen Tag fortsetzte.“ Vgl. http://www.schuledesrades.org/ palme/books/erdheil/?Q=1/1/15/0/0/1/2 (3. 11. 2010).

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Rethinking Celtic Studies John Collis

Abstract This conference witnessed another phase of the knockabout comedy that characterises the on-going debate between myself and Ray Karl about the Celts and how to study them. It is a bit like Prime Minster’s question time in the British Parliament which causes much amusement between the partisans of the Government and the Opposition, and occasionally throws some light on the matter under discussion. It also includes some deliberate distortions; at least Karl admits to these, though I would like to claim that I have no need to distort, though this may in itself be a distortion of the truth. However, as with many of Barry Cunliffe’s writings, I know I disagree with Karl, and it stimulates me to think why. If I can further upset Karl, I can also compare him with Cunliffe in suggesting that they both have a tendency to write faster than they think; as someone who tries to think before I write, it makes me a slow writer, so I tend to write articles rather than books which is not the way to fame and fortune! Certainly I found Karl’s contribution stimulating in clarifying ways of thought even though, in the case of his attack on me, it is fundamentally flawed as I hope to demonstrate, but it does also provide a useful introduction to what I wanted to say in my contribution. Zusammenfassung Es fehlen uns weiterhin allgemein akzeptierte theoretische und methodische Grundlagen für eine Keltologie, oder auch nur eine allgemein akzeptierte Definition der antiken Kelten. Ich argumentiere dass wir die antiken Kelten nicht einfach neu definieren können, sondern nur zu verstehen lernen, wie die antiken Autoren den Begriff benutzt haben. Wir müssen versuchen, die Verzerrungen in unserem Denken zu beseitigen, die von Wissenschaftern der Renaissance bis Gegenwart erzeugt wurden, die ihre eigenen Vorurteile zwischen uns und die antike Welt geschoben haben, durch Verwendung falscher Definitionen auf Basis von Kunst, Materialkultur und insbesondere Sprache statt der antiken Definitionen. Ich erachte die Verwendung eines linguistischen Stammbaums oder Baummodells mit seiner Betonung von „Kontinuität“ als großteils irrelebant für andere Aspekte der Kultur wie Sozialstrukturen und Glaubenssysteme, und nehme einige jüngere Publikationen als Beispiele wo solche Versuche fehlschlagen. Bis wir nicht unsere theoretische Basis geklärt haben sind wir nicht besser als die esoterischen Fantasten die pseudo-wissenschaftlichen Methoden und Nomenklaturen benutzen, die ich mit Melanesischen „Cargo Kulten“ vergleiche.

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Definitions of the Ancient Celts In his contribution, some of it first published in an English version in Celticity from the West (Cunliffe, Koch 2010), Karl’s main accusation against me is that I have defined the Ancient Celts as an ethnic group. He compares this to other definitions: 1: as a linguistic group, the definition of most linguists, most recently repeated by Graham Isaac (2010) and John Koch (2009, 2010) but also by some archaeo­ logists (Cunliffe 2010); 2: by their art as an indicator of a ‘Celtic’ vision of the world (R. and V. Megaw 1989); 3: as a La Tène Culture Group (however that may be defined – ceramics, metal objects, burial rite), a definition which has generally been assumed by traditional archaeologists. One could add other potential definitions, including supposed physical characteristics, as in some of the ancient texts, but also by skull shape (documented by Morse 1999, 2005), or more recently genetically. However, this attack on my position falls at the first hurdle as I never set out to define the Celts myself, but rather have tried to work out how the Celts were defined in the ancient world which is something very different. I could not agree with Karl more that the whole debate about how to define the Celts is a complete waste of time, and my attack has been on those who have tried to redefine the Celts and then to ­ impose this on the ancient world (Collis 2003). The different definitions will never coincide with one another. The distribution of the art style and the language obviously do not correspond though there is some relationship, and it is perfectly legitimate to compare the two to see what effect language may have had in supporting or hindering the spread of the art style. But to use the art as a proxy for the ancient Celts is obviously methodologically wrong and can confuse our discussion and concept of the ancient Celts and channel our way of thinking in an unacceptable way; the same is true for language or any supposed archaeological ‘culture’, and it is best to avoid giving these categories the name ‘Celtic’, another matter on which Karl and I disagree. But we should also accept that in the ancient world the definition of ‘Celt’ can vary from one author to another, and so Herodotus’

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concept would have been very different from that of Ephorus, or Posidonius, or Julius Caesar, or of Sidonius Apollinaris. Though the Modern Celts can be defined by their language, this cannot be done for the Ancient Celts; we can continue redefining what we mean by a Modern Celt or a Celtic language as these are living categories. The Ancient Celts as a category died in the 5th/6th century AD, and our only information about who were or were not Celts in the ancient world is entirely derived from the classical written sources.This is already a closed book, it is fossilised, it cannot be renegotiated. We cannot become Julius Caesar and change his mind, or Ephorus or Posidonius. As soon as we use other criteria we are talking about a different category – people who spoke a certain language, or wore a certain type of brooch, or who had certain genes or a combination of genes, and these can never be used in the place of the ancient category of Celt. It is perfectly legitimate for us to explore how an ancient Celt was defined and what criteria were used, and this can change as our knowledge of the ancient sources becomes greater, but this is not the same as re-writing the ancient criteria. So how were ancient Celts defined? I have made a preliminary study looking at the different usages of terms such as Keltoi, Galatai, Celtae and Galli (Collis 2003: 98–103), but what is needed is a study similar to that done by the Copenhagen Polis Centre looking at the concepts which lay behind the term polis in the ancient world (Hansen, Nielsen 2004). This has now started for the Celts (see Holger Müller, this volume) with the first stage of simply identifying occurrences of the relevant words in the ancient literature which will now need to be analysed for their precise meaning in their particular context. As I have suggested, I think we will find the primary usage is what we nowadays call an ‘ethnic group’, but in the ancient world was called an ethnos by the Greeks, or a gens by the Romans, but we have to be careful not to assume a one-to-one correlation between these words and modern terminology; our concept of ethnicity is certainly not quite the same as the meanings of the Greek and Latin terms which are perhaps closer to the 19thcentury concept of a ‘race’ or ‘people’. But in part the term is also geographical, signifying where people

lived. So when Ephorus talked about Keltoi they were the people who inhabited Keltike outside the area of the Mediterranean in the west, and so would have included, for instance, the ancestors of the modern Basques. Britanni are simply the people who lived on the island of Britannia, but who could be given other physical and cultural characteristics by authors such as Caesar and Tacitus, mainly to contrast and compare them with other people. Likewise Narbonitis is considered to be, or to be part of, Keltike by Strabo, and so its inhabitants were Keltoi, though ethnically it was a mix of Celts, Ligurians, Iberians and Greeks. Whatever the features were, as I keep repeating, it was certainly not language, though that may have been one element. I fail to understand why linguists are so obsessed with claiming this as it is so blatantly contradicted by the ancient sources themselves, and by the historiography of Celtic Studies when we consider how the term ‘Celtic’ came to be applied to the language group.This obsessive idée fixe of the philologists is based on 19th century racial theories which cannot be the basis for modern discourse about the ancient world. Anyone who has read the opening chapter of Caesar’s Gallic Wars should know the truth of this: Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hi omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt. All Gaul is divided into three parts, of which the Belgae occupy one part, another the Aquitani, and the third the people who in their own language are called Celtae but whom we call Galli. All these differ in their language, their institutions and their laws. In this case we can assume the primary basis for the divisions of Gaul is based on geography with rivers acting as boundaries, on which ethnicity is then imposed. We may argue about how Caesar’s use of the word lingua compares to our own categories of language and dialect, but in his own Roman terms he saw a distinction, whereas linguistically we would link the Celtae and the Belgae together as ‘Celtic’ speaking. But we also need to question whether the concept of ‘Celtic Languages’ is useful, or whether, like the concepts of Hallstatt and La Tène cultures groups, it has started to outlive its usefulness. As Karl re-states in his paper, the naming and definition of these cultures is

decided by the historical chance of discovery, and had other rich sites been discovered first then the names and the definitions of the cultures might have been different. In the same way Celtic languages have been defined by the ones on the northwest periphery of the zone in which a related group of languages was spoken; these languages were mainly those which were spoken in Brittany, Britain and Ireland in the 18th century when Edward Lhuyd (1707) first started a scientific analysis of the language group, though using some input of what little was known of the ancient languages of Gaul (e.g. Boxhorn 1654). But is this applicable to other areas where similar languages were spoken, for instance in central and western Spain (Wodtko 2010)? The Hispano-Celtic languages are tested against criteria used by modern linguists to decide whether this or that language has crossed the threshold of ‘Celticness’ and some may cross that threshold (e.g. Celtiberian) and others may not (e.g. Lusitanian), when in fact they may be a series of local languages or dialects which are all inter-related, sharing many characteristics and lacking others, but where no clear divisions or boundaries can be defined. This is a very different model from one which sees Celtic and Lusitanian as two distinct and conflicting entities which interact with one another in the same way as they were later to interact with Latin, with concepts such as ‘loan words’. The alternative model of many interacting small groups is a very different concept, and might see a large number of linguistic communities from southern Spain to the Shetlands and from Ireland to Moravia developing in parallel with one another and with multiple origins of their characteristics in the same way as, in his paper, Karl envisages the origin and adoption of cultural features in the archaeological record, characteristics which overlap but which do not share identical distributions; this corresponds to the linguistic ‘wave’ model rather than the ‘tree’ model. This, of course, has major implications for any linguistic definition of the Celts in the ancient world. As I stated in the introduction to my book my aim was to explore ideas which seemed generally accepted in archaeological circles about the Celts, but for which I could find no archaeological or historical basis, for instance the ‘arrival’ of the Celts in central France and Britain, or their ‘origin’ in southern Germany, or the

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hierarchical ‘Celtic’ social structure of the inhabitants of the hill-fort of Danebury. So my primary aims were not a new definition of the Celts, but: 1: to find out the origins of the preconceived ideas and to see if they were viable; 2: to verify that the ancient sources on which these ideas were based actually say what they are supposed to say; 3: to establish an acceptable epistemology and methodology as a basis of study of the Ancient Celts. When we view the Ancient Celts we are looking through a series of distorting lenses, firstly that of the classical writers (mainly Greek and Roman, but with some Celtic writers like Martial and Sidonius Apollinaris). Then we have the distorted views from the 16th century onwards with concepts like Celtic languages and Celtic culture, and finally our own distorting lens based on our own preconceptions, pre-occupations and paradigms. What I have been doing is to try to remove all the intermediary lenses and reduce it to two, so that we can look directly through our own distorting lens at the lens that the ancient writers hold up for us. This is why I prefer to remove the word Celtic when describing art, archaeological cultures, genes, perhaps even languages, just as at the moment I am trying to reduce the use of terms like Hallstatt and La Tène from describing cultures and chronological phases (Collis 2009a). However much we try, these terms inevitably distort the image that we see and limits the ways in which we view the past, acting like cataracts and blinding us to other possibilities. This then brings us to my main topic at Hallein which deals with how the linguistic lens or model of the Celts imposes itself on interpretations of the Celts, notably in the idea of continuity between the Ancient and Modern Celts, and also in geographical perspectives, the assumption that Celtic speaking people share in common certain features such as aspects of social structure and ways of thinking. The concept of continuity In his recent article ‘Random coincidences, or: the return of the Celtic to Iron Age Britain’ (2008) Karl wrote: “if it looks eastwards like a Celt, separates the household like a Celt, produces like a Celt, and even

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talks like a Celt, we may very well assume that it actually is a Celt”. In my view in this statement Karl is making all the classic mistakes of confusing different criteria as being characteristics of being a Celt, leading us back once again to the pointless debate of what actually defines a Celt. For me none of the criteria that he names is particularly ‘Celtic’ even the language, and it leads on to the fundamental failure in his methodology which has major consequences both in the way we interpret the past and to explain what is going on both to ourselves and to the wider public, and which can then lead on to nonsense ideas which can affect the way in which we operate, as I shall demonstrate later in this article. These statements follow on from his Habilitation (Karl 2006) looking at Iron Age society through the lens of later Celtic-speaking societies in the British Isles and Ireland, and derives from false concepts which underlie the way in which ‘Celtic Studies’ has defined itself and operated over the last century and a half. It is what I have labelled ‘linguistic determinism’ (Collis 2009b); it is something which needs to be challenged, and, I hope, removed from the unquestioned presumptions which underlie our studies of the ancient Celts, based as they are ultimately on unacceptable ideas such as racial stereotyping. Almost by definition Celtic Studies is based on ideas taken over from linguistics; it is the study of the language, literature, history, culture and material culture of peoples who spoke what linguists define as a ‘Celtic language’. It is therefore not surprising that its theoretical and methodological framework has largely been taken over from linguistics, indeed philologists studying Celtic languages were pioneers in the field. For ­ archaeology philology provided the dominant ­paradigm for the late 19th and much of the 20th century in the form of ‘culture history’, linking language with ethnicity (or ‘race’) and material culture in the form of ‘culture groups’, and looking for the ‘origins’ and spread of Celts, Germans and, in prehistory, unnamed groups like the ‘Beaker Folk’ or the ‘Urnfield Culture’. It still forms the basis of some recent research like the theories of Koch and Cunliffe about the ­origin of the Celts and Celtic languages in southwest Iberia. Behind these ideas lies August Schleicher’s ‘tree’ or Stammbaum theory of the origin and spread

of Indo-European and Celtic languages which emphasises a ­genetic ‘family’ relationship between them, and sees the modern Celtic languages as descendants of an earlier geographically localised ‘Proto-Celtic’ language (Schleicher 1863). It would thus resemble the origin and spread of the Romance languages derived from Latin, though recognising that the process of language formation was more complex than this simplistic model, for instance that the various Romance languages are not derived from some pure form of Latin as spoken by the aristocracy in Rome, but from regional versions of Latin spoken by the common people. This tree model extends to equating it with population migrations, and so the gradual pushing out of the language to the fringes of Europe is equated with Celtic people equally being pushed out, when in reality the descendants of Celtic-speaking peoples in Europe and Asia Minor form part of the modern population with their identities simply being ‘renegotiated’, e.g. the descendants of the Arverni are now French. The question I wish to discuss here is to what extent this linguistic model can be applied to other aspects of culture and population, not only through time but also geographically through space. Karl’s article quoted above contains both elements, in that he assumes links between pre-Roman central Europe (orientation of Viereckschanzen), Wessex hill-forts and round houses, and early Christian raths and social organisation in early Christian Ireland. He proposes, for instance, that the legal rights of the owner of a rath is not something which evolved rapidly in early Christian Ireland but is innate within Celtic-speaking societies, even though settlement enclosure, indeed any form of enclosure of any sort, is a rare phenomenon in Ireland for the thousand years of the Iron Age, being largely confined to ceremonial sites such as the Navan Fort and Tara. In my ­ riposte to this idea, I have suggested that Celtic-speaking societies in the pre-Roman Iron Age in Europe tended to resemble their nearest non-Celtic speaking, indeed even non-Indo-European speaking, neighbours such as the Iberians rather than one another (Collis 2011). That said, language does affect the way in which the world may be perceived, and institutions can be transferred from place to place with expansion by such groups as the Bantu speakers, but I would argue that this has to be demonstrated rather

than assumed, and similarities will clearly grow weaker with greater distance of time and space. Many of the characteristics claimed to be features of Celtic societies such as a cult of the head are in fact worldwide phenomena, and often studies of such ‘Celtic’ features are looked at through the wrong end of the telescope – they should be seen from a world context rather than looking out from the narrow confines of ­Celtic Studies. The concept of ‘continuity’ derived from this linguistic model has pervaded many of the books written about the Celts in the 20th century. Though many of the books dealing with the classical sources stop at or soon after the Roman conquest despite their titles (e.g. Filip’s Celtic Civilisation and its Heritage), many also take in Early Christian Ireland, and many again take it into the modern period with topics such as Irish independence (e.g. Cunliffe 1992; Haywood 2004); the later medieval period is often largely ignored on the grounds that much of it is ‘English’ or European (e.g. Gothic architecture), even though this was the period when the Irish and Welsh manuscripts on which our knowledge of the literature and evolution of Celtic languages is based were being written or copied. This tendency to create gaps and ignore large periods in history which do not fit the ‘Celtic paradigm’ extends, for instance, to the majority of the material culture of areas conquered by Rome even though in Iberia and Gaul some individuals such as the poet Martial or Sidonius Apollinaris recognised their Celtic roots and still considered themselves in some way to be Celtic as late as the 5th century AD. It also ignores that the criteria for being Celtic have changed radically (Karl 2010), and indeed may be total antithetical with one another. So the Celts in the ancient world are depicted as being ‘war mad’, while those of the 19th century were seen as mystical and other-worldly and a contrast with the more pragmatic and militaristic Germanic-speaking peoples such as the English. Many general books finish by quoting the poetry of W.B.Yeats or Dylan Thomas to depict this ‘Celtic spirit’ (e.g. Moreau 1958). This brings us to one of the major themes of the ­Hallein conference, the esoteric and fanciful use of a concept of the Celts used by what we often label as fringe groups or even the ‘lunatic fringe’, who use nonscientific or pseudo-scientific approaches on which to

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base their beliefs and understanding of the world. This includes various aspects of the natural world, of earth, sea and sky and life itself, but these are characteristics of societies worldwide. But this can have practical consequences. In Britain the Druids have recently been ­recognised as a religious group along with various forms of Christianity, Islam, Hinduism, etc. As an agnostic verging on atheism this causes me no great concern as I would consider all religions as based on ­irrational belief, and in this case it is a purely fiscal measure, allowing Druid groups to be exempt from various areas of taxation in areas like education. What is of greater concern to archaeologists is that one of these Druid groups is claiming continuity of its belief from pre-Roman pagan times, and so to speak on behalf of the people whose physical remains we prehistorians excavate. Our Ministry of Justice has decided that we are now obliged to re-bury human remains within two years of their excavation, and all human remains have to be screened off from the view of the public on archaeological excavations (Sayer, Pitts 2010). Yet when we look at the archaeological record it is clear that from at least the Neolithic ancient people were manipulating and reprocessing the remains of their ­ancestors, a practice which has continued to the modern day, for instance in the veneration by Christians and other religious groups of the relics of ‘saints’, or in more secular situations like the 19th century decorated skulls from Hallstatt. How do the ­activities of archaeologists differ in this respect? Our knowledge of the beliefs of the Ancient Druids is in fact very limited (Owen 1962), so what these groups are doing is inventing a series of beliefs drawn from other sources and then creating an idea of continuity of the past to the present day, a construction of a ‘past as wished for’.This continuity is something which cannot be demonstrated, but one must ask what is the difference between what they are doing and what Karl is doing in assuming that the Irish sources are somehow genetically linked with pre-Roman Wessex and southern Germany? As I have suggested elsewhere, we can use the Irish sources as we would any other anthropological sources to give us ideas about how to in-

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terpret the past. Though we might want to claimthat because of the closeness of language, environment and material culture analogies from Ireland may be closer than, say, African societies, this does not make them more correct, and the case has to be argued. Conclusions The esoteric uses to which the Celts are put are perhaps comparable to the ‘cargo cults’ of the western Pacific islands where, to encourage or perhaps to substitute for, success in trade models are made of trade goods or even the machines such as aeroplanes which transport them (Worsley 1957); they give the appearance of the real thing but without the substance. In the case of esoteric writings the use of archaeological terms and chronologies, and a recourse to reference to archaeological monuments and objects give a similar aurora of scientific rectitude. To combat this pseudo-science as archaeologists we need to be clear what is and what is not an acceptable methodology in dealing with the Celts. My problem is that I consider that reputable scholars such as Cunliffe, Karl and Koch have over-stepped the mark on what we can reasonably infer from our data, and once we do this we are little better that the esoteric writers. In some cases one can point out factual mistakes, such as Cunliffe, in his attempts to demonstrate an early Celtic presence on the Mediterranean coast, states that Hecat­aeus said that Narbo was a Celtic city – he did not (Gayraud 1981). Likewise one can demonstrate in the same book a misuse of sources such as Herodotus and a deliberate ignoring of other sources such as Avienus which contradict the thesis being put forward. But we are on more slippery ground when it comes to dealing with the relationship between ethnicity, language and material culture and how we define the Celts. This is even more problematic when we deal with things like belief systems and the ideology of the Celts; as I have suggested above, unless rectify our nomenclature confusions such as those of which I accuse Koch and Karl will continue.We need to get our ideas sorted out, and I hope this articlehashelped a bit in this clarification.

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Keltenstollen, Heidenlöcher und andere Konstrukte der Urgeschichte Clemens Eibner

Zusammenfassung: Die Benennungen von Landmarken und archäologischen Denkmalen mit der Zuschreibung an die Kelten wird auf der Basis des Wir-Gefühls, das allen Menschen immanent ist, diskutiert. Eine Bezeichnung als Heide in den Namen ist dabei schon mindestens ab dem 17. Jahrhundert überliefert und könnte die alten Riesen-Zuschreibungen (Heunen, Hunnen) abgelöst haben. Die Etikettierung solcher Namen als Kelten erfolgte erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Abstract The naming of landmarks and archaeological monuments assigned to ‘the Celts’ is discussed in the context of the creation of us-group-feelings, a process immanent to all humans.The naming of places as ‘heathen’ is attested in this context from at least the 17th century onwards and may have replaced old ‘giant’-assignations (Heunen, Hunnen). Labelling such places as ‘Celtic’ only started in the mid 19th century.

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Unter den archäologischen Denkmälern Österreichs ist sicher das prominenteste das so genannte Heidentor in Carnuntum1. Die Identifizierung von Carnuntum geht auf Wolfgang Lazius zurück. Eine vorbildliche Vorlage der neueren Forschung zum Heidentor durch W. Jobst (Jobst 2002) bringt nun auch das vorhandene Bildmaterial. Die erste bildliche Darstellung stammt aus 1655 von C. Beuttler, dessen Beschriftung eine eigenartige und neue Facette zur Forschungsgeschichte bringt. Bevor dieser Befund besprochen werden soll, darf darauf verwiesen werden, dass der Begriff „Heidentor“ im strengen Wortsinn sicher falsch ist! Wie die neuere Forschung auch anhand der archäologischen Zeugnisse darlegen konnte, stammt diese Quadrifrons (dt. etwa: Vier-Stirne) wohl von einem der Söhne von Constantin (dem Großen), somit von einem Christen, und so nimmt es nicht wunder, dass auch römische Altäre unter den Spolien im Baumaterial dieses Prunktores nachzuweisen sind. Das wäre ein unerhörter Vorgang bei einem intakten und aktiven Römischen Staatskult. Beuttler beschriftet nur seine Tuschezeichnung mit „Heidenloch Thor der alten Stadt Carnunta“. Es bleibt also zu fragen, was ein „Heidenloch“ eigentlich wäre. War der Schutt zu Beuttlers Zeiten schon soweit beseitigt, dass der Torcharakter der ­Ruine erkennbar wurde und nicht nur ein Loch sichtbar war? Bereits M. Much macht auf ein „Heidenloch“ bei Fieberbrunn in Tirol aufmerksam und verbindet dies mit einem bronzezeitlichen Kupfererzbergbau (Much 1878, 96–152; 1879, 18–36, bes. 35; Menghin 1912, 33 unter „?116. Fieberbrunn, Heidenschachte am Wildalpensee im Weißenbachtale“). Andererseits heißen zum Beispiel im salzburgischen Mühlbach am Hochkömig groteske Felsformationen – DolomitZacken mit großen torartigen Löchern – bis heute „Teufels­lucken“, die mit entsprechenden Sagen von frevelnden Sennern und Senninnen in ihrer Begründung untermauert werden. In der ebendort überlieferten Sage von der Übergossenen Alm schwingt wohl die ­Klimaverschlechterung seit der „Ötzi“-Zeit nach (Eibner 2003).Während die Verbindung von auffälligen Landmarken mit übermenschlichen Wesen gleichsam der Volks-Phantasie entspringt, sind die Verbindungen mit nicht mehr lebenden Völkern entsprechend zu hinterfragen. Man würde vermuten, dass der

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„Heiden“-Begriff mit der Reformation als Eindeutschung des lateinischen Wortes „paganus“ in Zusammenhang stünde2. Die Sache ist allerdings schwieriger. Das Neue Testament ist auf Griechisch überliefert und dort sind die „Heiden“ schlicht „ta ethne“, also „Völker“ oder auch lat. „gentes“, eben nicht so scharf abgesetzt, wie es uns scheint. Der Begriff paganus im Sinn von Heide scheint sich überhaupt erst im Lauf des Christentums bei den Kirchenvätern (4. Jh.) durchgesetzt zu haben. Offenbar, wie schon in der gotischen Bibel­übersetzung von Ulfila, wird im Althochdeutschen der Begriff „Heide“ im Heliand verwendet 3. Wir tappen also bei Wortzusammensetzungen im Dunkeln, ob dies eine alte Bezeichnung ist oder eher im Sinn ­ einer Verstärkung, wie bei „Heidenangst“ oder „Heidendurst“, verwendet wird 4. Andererseits ist späterhin auch die Bezeichnung für Fremdländisches mit im Spiel, wie bei dem von türkischen Händlern vermittelten „Heidensterz“, also dem Mus aus dem aus der Neuen Welt stammenden Mais. Nicht ganz so schwer zu rekonstruieren wie bei den „Heidenlöchern“ ist die Bezeichnung „Heidengebirge“. F. E. Barth konnte nachweisen, dass diese Benennung nicht älter als das 19. Jh. ist (Barth 1987; zu Haidberg, KG in Bischofs­hofen: Much 1893, 251 mit Fußnote 1). Der maßgebliche Geologe in Süddeutschland, K. C. v. Leonhard, ist in einer brieflichen Anfrage von J. v. Russegger involviert, und die Antwort gibt eigentlich der Salinenverwalter zu Hallstatt J. v. Helms. Benennung und Beschreibung wird dadurch der Fachwelt 1835 bekannt gemacht. K. C. v. Leonhard sollte in unserem Fach gut bekannt sein, stammt doch der weltweit verwendete Begriff „Löß“ von ihm – benannt nach dem losen Material, das im Neckartal unweit von Heidelberg am sog. Haarlass angetroffen wurde und dessen äolische Herkunft unzweifelhaft nachgewiesen werden konnte (Leonhard 1823). Es hat den Anschein, dass erst das „vaterländische Interesse“, das ja in der ersten Hälfte des 19. Jh. erstarkt, zu dieser neuen Eigenbezeichnung beiträgt, dann sicher im Sinn von „heidnisch“ also im Sinn von vorchristlich und natürlich auch im Gegensatz zu „antik“ also römerzeitlich. Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen durch die Zeit der „Keltomanie“, also etwa ab 1850, als sich neben „germanisch“ die Bezeichnung „keltisch“ für Vor­römisches durchsetzt. So schreibt Wilhelm Raabe

seine erstmals 1864 erscheinende Novelle „Keltische Knochen“ und diskutiert in seinem Tagebuch, ob die von G. Ramsauer in Hallstadt (sic!) ergrabenen Toten Germanen oder Kelten waren5. Das romantische Gefühl, die Altvorderen näher an uns heranzurücken, verdrängt vielleicht ältere Vorstellungen von Riesen „Heunen“, die Gräber und Burgen, wie z.B. die Heuneburg, gebaut haben. ­ Diese, selbst wieder verballhornt und gleichgesetzt mit „Hunnen“, lassen dann den dahinter stehenden Hünen gar nicht mehr erkennen. Auf gleicher Schiene wird ein Hünenstein – also ein Menhir großen Ausmaßes – missdeutet zu „Hühnerstein“, der dann durch den Soziolekt in „Hinkelstein“ umgedeutet wird 6. Als 1878 M. Much das bronzezeitliche Alter der Bergbauspuren auf der Mitterberger Lagerstätte in Mühlbach am Hochkönig bekannt gibt, wird auch das heute in der obersten Teufe wieder zugängliche „Keltenloch“7 in der örtlichen Bevölkerung seinen Namen bekommen haben. Zu dieser Zeit denkt die Betriebsleitung noch an eine Öffnung der urzeitlichen Strecke für den Tourismus. Ob eine Anfrage an das Kaiserhaus anlässlich eines zerstörerischen katastrophalen Unwetters je beantwortet wurde, ist unbekannt aber eher unwahrscheinlich (Pirchl 1968). Der Begriff „Keltenloch“ wird in diesem Zusammenhang von den Bergleuten nicht verwendet. Dies hängt damit zusammen, dass ganz generell alte Bergbauspuren als „Alter Mann“ betitelt werden, da sie entsprechende Sicherungsmaßnahmen erforderten und dabei ist es bis heute unerheblich, wie alt dieser angetroffene Abbau wirklich ist8. Auf sicherem Boden sind wir bei der Bezeichnung „Keltenstollen“ im so genannten Südrevier, einem Bereich, den die Mitterberger Kupferbergbau Gesellschaft unter dem Direktor Arthur Krupp nach finanziellen Schwierigkeiten unter gleichzeitiger Verlegung der Kupferhütte nach Außerfelden (heute Mitterberghütten) dazu erwirbt (Günther o. J.). Der von ihr übernommene Stollen in der KG. Einöden erhält in diesem Zusammenhang den Namen Arthurstollen. 1912 wird dabei ein altes Grubengebäude entdeckt, entwässert und kurz drauf von G. Kyrle (Kyrle 1920) vorgelegt. Die beiden Hohlräume links und rechts des modernen Stollens werden mit Holztafeln versehen, von denen eine die Aufschrift „4650 Keltenst.“ trägt und noch

erhalten ist. Vor der Übernahme durch den Verein Montandenkmal Arthurstollen ging die Tafel mit der Aufschrift „4635 Keltenst.“ verloren9. Gemeint ist mit den Ziffern die Entfernung in Metern vom Mundloch in Mühlbach am Hochkönig, eine Beschriftung, die also erst nach dem Durchschlag 1922 erfolgt sein kann. Da der Stollen mit 5032 m Länge auf der Salzachtalseite seine andere Mündung als Förderstollen besitzt, muss man von dort bis zum bronzezeitlichen Grubengebäude 382 m resp. 397 m gehen, um zu diesem „Alten Mann“ zu gelangen. Es entspricht der Zeit Vorrömisches als „keltisch“ anzusprechen, da erst 1936 von J. Pokorny und R. Pittioni Urnenfelderbewegung und Hallstattzeit als „illyrisch“ identifiziert wurden – abgeleitetet von der alteuropäischen Hydronymie, ­einer Vorstellung, die heute wieder obsolet ist 10. Offenbar schwingt bei der Benennung urzeitlicher Fundstätten das Bedürfnis der Bildungsbürger mit, der Sache einen Namen zu geben. „Heidnisch“ ist nun nicht mehr befriedigend und die nahe liegende Frage beim Blick zurück in historische Tiefen geht über „germanisch“ (ist gleich „deutsch“), „römisch“ (impliziert eigentlich „lateinisch“) eben zu irgend einer Sprache, die davor liegt, fast im Sinne G. Kossinnas, der ethnische Provinzen und Sprachprovinzen durch die Sachgüter gleichzusetzen versuchte. Dass dies nicht eins zu eins möglich ist, hat E. Wahle programmatisch dargelegt (Wahle 1952). Bleiben wir bei dem Thema. Wie haben sich denn Bevölkerungsgruppen im Altertum in neuer Umgebung selbst wahrgenommen? Ein beredtes Beispiel ist dabei die Ansiedlung von Sueben am Neckar durch die römische Reichspolitik. Die erste Generation verwendet durchgehend die Brandbestattung und ist mit germanischen Sachgütern (wie Waffen oder dem Rasiermesser) ausgestattet. Die zweite Generation behält zwar noch die Trinkhornbeschläge für Bier (größer) und Met (kleiner) bei, während die nächste Generation bereits soweit romanisiert ist, dass im Ausstattungsmuster keinerlei Unterschiede mehr zu erkennen sind; die „Germanen“ sind zu diesem Zeitpunkt voll assimiliert. Ob zu Hause noch germanisch gesprochen wurde, wird sich wohl nicht klären lassen, aber auf Grabsteinen taucht die Formel „Lopodunum, Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium“ auf 11. Ladenburg als damalige Hauptstadt der Ne­ckarsueben hat eigentlich einen keltischen Na-

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men (-dunum gleich Zaun oder Befestigung vgl. engl. town). Ein Grabstein des Kundschafters Respectus, der mit 23 Jahren starb, wird durch beigeschriebenes C·S· (also Civitas Sueborum) als Neckarsuebe gekennzeichnet. Sein Bruder, der den Grabstein mit einer Abbildung des Respectus als Berittenen setzen lässt, hat sicher auch das kleine N über dem S veranlasst – also die Kennzeichnung als Neckarsuebe, vielleicht gegenüber anderen Sueben, die nun integriert sind. Immerhin stammt dieser Grabstein aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts, die Neckarsueben spielten aber schon in der späten römischen Republik eine entscheidende Rolle. Der eben besprochene Grabstein ist übrigens als Deckplatte einer fränkischen Bestattung des 6. Jh. auf uns gekommen. Wir können aus der Innen- und Außenwahrnehmung von Gruppen ablesen, dass ein „Wir“-Gefühl

wohl bis heute der Motor zu solchen Benennungen ist. Neben überlieferten, vielleicht zunächst kaum reflektierten Benennungen (von Landmarken) kommt es zur bewussten Interpretation als Bildungsauftrag, wobei sowohl die Befindlichkeit des jeweiligen Forschungsstandes, als auch politisch intendierte Abgrenzungen einen nicht unerheblichen Einfluss nehmen. Es lässt sich festhalten: Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist nicht erst eine Erfindung des Historismus. Die Urängste, sich mit dem „Anderen“ nicht adäquat, also auf Augenhöhe, verständigen zu können, münden in dem Bedürfnis, einen Namen, ein Etikett zu besitzen, mit dem man den Anderen versehen kann. Dass dies neben anderen Zugehörigkeiten auch über die Sprache erfolgt, und dass das Sprachetikett als Abgrenzung als genügend angesehen wird, muss so nicht verwundern.

Anmerkungen 1 Entgegen K. Strobel (siehe Beitrag in diesem Band) sehe ich keine Veranlassung, an der Gleichsetzung von Carnuntum mit dem Lager von Petronell zu zweifeln. Dazu kommt, dass es ­ mehrere Vorgänger-Wehranlagen gibt, darunter den Braunsberg mit eisenzeitlicher Besiedlung seit der Hallstattzeit, zusätzlich ein römisches Kultzentrum auf dem Pfaffenkogel, einer Kuppe der Hundsheimer Berge, deren Archäologie seit dem Altpaläolithikum (Nashorn nach Hundsheim benannt!) der massiven Steinbruchtätigkeit seit dem Anfang des 18. Jh. zum Opfer gefallen ist und noch immer fällt. 2 Z. B. in dem Kirchenlied „Nun kommt der Heiden-Heiland“, das einem dazu spontan einfällt. 3 Grimm Wörterbuch, s.v. Heide, Bd. 10, Sp.799-802 (http:// woerterbuchnetz.de/DWB/) sprachgeschichtlich dazu skeptisch: Seebold E. (1999), s.v. Heide § 1 sprachgeschichlich. In: Reall. German. Altertumsk. Bd. 14: 142f. Auf die Sprachgeschichte geht überhaupt nicht ein Hödl L. (1999), s.v. Heide, -ntum, In: Lexikon d. Mittelalters Bd.4: Sp. 2011–2013. 4 Die Gebrüder Grimm meinen, dass das Wort „Heide“ erst durch die Goten in Italien und nicht schon durch Wulfila benutzt wurde, machen anderseits auf den Verstärkungscharakter in den composita aufmerksam. 5 Raabe W. (1864), Keltische Knochen.Vergleiche dazu: (http:// de.wikipedia.org/wiki/Keltische_Knochen eingesehen am 16.2.2012). 6 Die Hinkelsteinkultur – also eine lokale Gruppe der späten Linienbandkeramik hat tatsächlich nach einem solchen Menhir in Worms seinen Namen. Die Zuschreibung dieser Menhire an die Kelten in Frankreich lässt sich mit Asterix und Obelix

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nachvollziehen. Bezeichnender Weise sind ja Sternchen und Kreuz (eigentlich Bratspieß) bis heute bei Fußnoten geläufig, im Hellenismus unter den Namen asteriskos und obeliskos aufgekommen, zunächst zur Kennzeichnung von Schwierigkeiten oder Dubletten bei Homer-Versen. Auf einer Tafel des Erzwanderweges in Mühlbach am Hochkönig, Salzburg, so bezeichnet. Veith H. (1871), Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen, Ratibor (Reprint Wiesbaden 1968), s.v. alt: 15 f. Vgl. auch Fellner A. (1999), Bergmännisches Handwörterbuch für Fachausdrücke im Salzbergbau- und Sudhüttenwesen, Wien, s.v. Ater Mann: 39. Die detaillierte Erforschung des Begriffes Heidengebirge von F. E. Barth (1987) wurde in diesem Spezialwörterbuch leider nicht zur Kenntnis genommen! Da der Stollen fast sechzig Jahre als Wasserüberleitungsstollen für ein Elektrizitätskraftwerk bauhaft gehalten wurde, ist die endgültige Verschließung abgewendet und durch die Übernahme des Stollens vom Verein Montandenkmal Arthurstollen auch weiterhin archäologischen Untersuchungen zugänglich. Leider musste der Schaubetrieb eingestellt werden, da die Sicherheitsvorkehrungen erheblich verschärft wurden. Pittioni, R. (1940), Die Urnenfelderkultur und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte, Zschr. f. Celtische Philologie 21: 167–204 in Anschluss an die Ergebnisse von Pokorny, J. (1936), Zur Urgeschichte der Kelten und Illyrer, Zschr. f. Celt. Philol. 20: 314–352. Ebenda: 489–522. Ebenda (1940) 21: 55–166. Ablehnend bereits Krahe H. (1964), Vom Illyrischen zum Alteuropäischen, Indogerman. Forschungen 69: 201–212.



Noch immer in diesem Zusammenhang wichtig: Pauli L. (1980), Die Herkunft der Kelten. Sinn und Unsinn einer alten Frage, In: L. Pauli (Red.), Die Kelten in Mitteleuropa. Kunst. Kultur. Wirtschaft. Salzburger Landesausstellung 1. Mai – 30. Sept. 1980 im Keltenmuseum Hallein. Salzburg: 16–24.

11 Ludwig R. (1997), Kelten, Kastelle, Kurfürsten. Archäologie am Unteren Neckar. Katalog. Stuttgart: 36 mit Abbildung. Die Neckarsueben werden von Frau Ludwig als Neckarschwaben angesprochen, um dem modernen Sprachgebrauch Rechnung zu tragen.

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Die „Kelten“ im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption Manuel A. Fernández-Götz, Gonzalo Ruiz Zapatero

Zusammenfassung Es gibt nur wenige Begriffe, die so vielseitig und auch unterschiedlich angewendet werden wie „Kelten“, und dies sowohl in der Forschung als auch in der breiten Öffentlichkeit. Ausgehend von einigen allgemeinen, theoriegeleiteten Überlegungen, werden im Rahmen des vorliegenden Beitrages die Wechselbeziehungen zwischen wissenschaftlichem Diskurs und populärer Kultur anhand von zwei konkreten Fallbeispielen analysiert. Als erstes der Norden der Iberischen Halbinsel und insbesondere die Region Galizien, die in der Öffentlichkeit geradezu als Inbegriff des „Keltischen“ gilt. Und zweitens Baden-Württemberg, ein Bundesland, das aufgrund der berühmten Herodotstelle oft als „Kernland der Kelten“ dargestellt wird. In dieser Studie sollen Irrwege der Forschung aufgezeigt, Identitätsbildungsprozesse erklärt und Missbräuche denunziert werden. Abstract There are not many terms that are used in such a versatile and diverse manner as “Celts” by both researchers and the wider public. Based on some general, theory-based considerations, the present paper uses two specific case studies to analyse the correlation between scientific discourse and popular culture: first, the north of the Iberian Peninsula and in particular the region of Galicia which, for the general public, is almost the embodiment of everything “Celtic”, and second, Baden-Württemberg, a Bundesland that, due to the famous passage by Herodotus, is often regarded as the “Heartland of the Celts”. This paper aims to demonstrate research missteps, clarify identity-building processes, and denounce misuses.

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Von den Makrokategorien zu den ethnic communities. Oder: die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Eisenzeitarchäologie In den letzten zwei Jahrzehnten ist eine Fülle an ­Literatur erschienen, die sich kritisch mit dem Begriff „Kelten“ und seiner Benutzung befasst. Neben den grundlegenden und umfangreichen Werken von John Collis (vgl. beispielsweise 1997, 2003, 2009), wahrscheinlich derjenige Forscher, der am meisten zur Aufklärung dieser Thematik beigetragen hat, muss man auch Arbeiten wie die von Simon James (1999), ­Michael Dietler (1994), Raimund Karl (2004, 2010), Sabine Rieckhoff (2007a, 2010) oder Gonzalo Ruiz Zapatero (1993, 2001) zitieren. Trotz einiger Unterschiede zwischen ihnen sind sich alle genannten Autoren weitgehend einig, dass man nicht von den „Kelten“ im Sinne eines Ethnos sprechen kann, mindestens nicht aus einer emischen Perspektve (zur Problematik der ethnischen Interpretationen in der archäologischen Forschung siehe Brather 2004; Fernández-Götz 2008; Jones 1997). Eine ausführliche Darstellung der in diesen Arbeiten dargelegten Argumenten würde den Rahmen unseres Artikels natürlich überschreiten. Festzuhalten bleibt, dass es weder eine keltische „Ethno­genese“ noch ein keltisches „Kernland“ gab (Karl 2008a, 2010;Vitali 2010). Auf beide Punkte wird im Laufe des vorliegenden Beitrages noch zurückzukommen sein. Die Festellung, dass man unter „die Kelten“ nicht ein einheitliches Volk verstehen soll, bedeutet aber unseres Erachtens keineswegs, dass ethnische Identitäten für die Menschen der Eisenzeit keine Rolle gespielt haben (Fernández-Götz 2008, 2009a; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Karl 2008b; Ruiz Zapatero 2009). Wie schon Renfrew (1996: 131) vor über zehn Jahren zutreffend bemerkt hat, besteht kein Widerspruch darin, einerseits die Existenz einer keltischen Ethnizität zu verneinen, andererseits aber die Wichtigkeit der Ethnizität unter den Bevölkerungen, die wir normalerweise als „Kelten“ bezeichnen, anzuerkennen. Zweifellos stellten in vielen Fällen kleinere Gruppierungen wie Lokalgruppen, Dorfgemeinschaften oder Households sowie unterschiedliche soziale Identitäten wie Alter, Geschlecht, Beruf oder Klasse wesentlich wichtigere Elemente im Alltag der meisten Men-

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schen dar als ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (Brather 2004; Fernández-Götz 2011). Dennoch konnten ethnische Identitäten, vor allem in Momenten grösserer Spannung und Konkurrenz zwischen den Gruppen, eine ­tragende Rolle spielen (Fernández-Götz 2008; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Ruiz Zapatero 2009). So problematisch, fragmentarisch und tendenziös sie auch sein mögen, öffnen die schriftlichen Quellen für das erste vorchristliche Jahrtausend neue Möglichkeiten für eine Annäherung an diese Fragestellung (Woolf 2009). Die moderne Forschung sollte aber ­ihren Blickpunkt von Makro­kategorien wie „Kelten“, „Germanen“ oder „Iberer“ abwenden und sich dafür auf kleinere Gruppierungen wie etwa Vettonen, Edetaner, Haeduer oder Helvetier konzentrieren, die aufgrund ihrer Merkmale besser dem zu entsprechen scheinen, was aus einer modernen kulturanthropologischen Perspektive als ­ ethnische Gruppen im engeren Sinn verstanden werden kann (Derks, Roymans 2009; Fernández-Götz 2009a; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Roymans 2004). Die Erforschung von makrorregionalen Phänomenen wie die Entstehung und Verbreitung der Latènekultur (vgl. hierzu Milcent 2006 für eine anregende und wegweisende Annäherung) oder die wachsende Standardisierung in verschiedenen Bereichen der materiellen Kultur am Ende der Eisenzeit (Haselgrove 2006) ist zwar weiterhin unerlässlich, sollte aber nicht an die oben erwähnten ­Makrokategorien „Kelten“ oder „Germanen“ gekoppelt werden. Wie wir schon in der vergangenen Edition der Interpretierten ­ Eisenzeiten anhand verschiedener Fallbeispiele zu zeigen versucht haben, gab es nie die keltische Gesellschaft oder die Gesellschaft der Eisenzeit, sondern verschiedene ­eisenzeitliche Gesellschaften (Ruiz ­Zapatero, F­ernández-Götz 2009). Von grosser Wichtigkeit für ein besseres Verständnis eisenzeitlicher Identitäten und soziopolitischer Organisationsformen erscheint uns der rezente Aufsatz von Karl (2008b) „Feine Unterschiede. Zu ‚Keltengenese‘ und ethnogenetischen Prozessen in der Keltiké“. In dieser Arbeit wird eine klare Trennung vorgenommen zwischen der Keltengenese als Prozess der Kulturontogenese einerseits und den ethnogenetischen Prozessen innerhalb der sogenannten Keltiké andererseits. Die „Keltengenese“ ist nach dieser Definition keinesfalls

Abb. 1: Praktisches Beispiel von verschiedenen Ebenen identitärer Zuordnung (nach James 1999)

eine „Ethnogenese“, da mit ihr nicht die Entstehung eines Ethnos gemeint ist. Zur selben Zeit vollzogen sich aber während der Eisenzeit eine Vielzahl an ethnogenetischen Prozessen, die von einem stetigen ­Dynamismus geprägt waren. Ferner unterscheidet Karl zwischen Ethnien erster, zweiter und dritter Ordnung, ein Ergebnis, zu dem man etwa gleichzeitig auch im Rahmen einer gerade abgeschlossenen Dissertation gekommen ist (Fernández-Götz 2011). Um ein Beispiel aus dem spätlatènezeitlichen Gallien zu nennen (Collis 2007; Fichtl 2004), könnte man Ethnien erster Ordnung mit den verschiedenen pagi identifizieren, Ethnien zweiter Ordnung mit Gruppen wie Haeduer oder Helvetier und schliesslich Ethnien dritter Ordnung mit Kategorien wie Belger (Fernández-Götz 2011). Diese anhand der Schriftquellen vorgenommene Differenzierung stimmt durchaus mit den modernen Erkenntnissen der Kulturanthropologie und der Soziologie überein, nach denen es immer unterschiedliche Ebenen ethnischer oder identitärer ­Zuordnung gibt, die überlagert erscheinen und je nach situativem

Kontext im Vordergrund stehen (Díaz-Andreu et al. 2005; Fernández-Götz 2008) (Abb. 1). Aber auch ein weiteres Modell kann für die besprochene Problematik von Relevanz sein. Dieses basiert auf den neuesten Vorschlägen des britischen Soziologen Anthony Smith (2008) und wird hier von uns leicht modifiziert dargestellt und auf die Eisenzeitforschung übertragen (vgl. auch Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck). Demnach ist es möglich, zwischen zwei Benutzungen des Begriffes „Ethnizität“ zu unterscheiden: eine begrenztere, in der die Selbstbezeichnung, also die emische Perspektive, das zentrale Kriterium ist, und eine breitere Benutzung, in der auch etische Fremdbezeichnungen ins Spiel kommen. Für letztere, breitere Anwendung kann in Anlehnung an Smith eine dreifachige Klassifikation in ethnic categories, ethnic networks und ethnic communities vorgeschlagen werden. Bei den ethnic categories handelt es sich hauptsächlich um etische Konstrukte, die verschiedene Bevölkerungen gruppieren, die aus einer Außenperspektive einige ähnliche kulturelle Merkmale und

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Abb. 2: Anwendung auf die Eisenzeit der dreifachigen Klassifikation in ethnic categories, ethnic networks und ethnic communities (Autoren)

vielleicht auch ein geographisches Gebiet teilen, aus ­einer Innenperspektive aber weder ein Ethnonym, noch ­einen gemeinsamen Ursprungsmythos noch ein Solidaritätsgefühl besitzen. Sie sind also vorwiegend für die Identität des Aussenstehenden von Relevanz, als Ordnungsmittel und als Kontrast zur eigenen Identität, nicht aber für die so bezeichneten Bevölkerungen. Die ethnic networks besitzen zwar normalerweise keine politische Einheit, dafür aber einen höheren Grad an gemeinsamen Interaktionen und Solidarität, zumindest zwischen den Eliten, sowie meistens auch ein Ethnonym und einen Ursprungsmythos. Schliesslich wären die ethnic communities “named and self-defined human populations with myths of common origins, shared historical memories, elements of common culture, and a measure of ethnic solidarity” (Smith 2008: 30-31). Während ethnic categories somit überwiegend etische Konstrukte darstellen, benötigen ethnic communities ein klares „Wir-Gefühl“1. Die Unterscheidung zwischen ethnic networks und ethnic communities ist dagegen viel fliessender und besteht hauptsächlich in der Intensität der gemeinsamen Bindungen und meistens auch in der Grössenordnung. Eine Anwendung dieser dreifachigen Klassifizierung ermöglicht unserer

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Ansicht nach ein besseres Verständnis der zahlreichen Ethnonyme, die in den antiken Schriftquellen erscheinen, und die neben Selbst- auch zahlreiche Fremdbezeichungen sowie zum Teil sehr unterschiedliche Dimensionen beinhalten. Demnach könnten Makrokategorien wie „Kelten“ als ethnic categories bezeichnet werden, Belger als ethnic networks und Haeduer oder Helvetier als ethnic communities (Abb. 2). Die „Kelten“ in Öffentlichkeit und Forschung (1): das Fallbeispiel Galizien Nach diesen aus Platzgründen nur kurz dargestellten Ausführungen zum Keltenbegriff und zu den ­verschiedenen Ebenen ethnischer Identität während der Eisenzeit, kommen wir jetzt zum zweiten Teil unseres Beitrages, der den Wechselbeziehungen zwischen wissenschaftlichem Diskurs und populärer Kultur gewidmet ist. Dafür haben wir zwei konkrete Fallstudien ausgewählt, die nordspanische Region Galizien und das deutsche Bundesland Baden-Württemberg. Die Analyse unseres ersten Beispiels muss im Rahmen der allgemeinen Entwicklung betrachtet werden, die sich in Spanien während der letzten Jahrzehnte

vollzogen hat (Ruiz Zapatero 2006b). Die Reaktion auf das zentralistische Staatsmodell der Franco-Diktatur hat dort zu einer Wiederbelebung peripherer Nationalismen geführt, die ihre Identität durch den Rückgriff auf einen mehr oder weniger entfernten Ursprung zu verstärken versuchen (Ruiz Zapatero 1996).Vor allem in Nordspanien sehen viele Personen die Wurzeln ihrer heutigen Identität in vorrömischen Gruppen. Archäologische Debatten wie z. B. über den „keltischen“ oder „nicht keltischen“ Charakter dieser oder jener eisenzeitlicher Kulturgruppe überschreiten in vielen Fällen die akademischen Kreise, um in einer breiteren Öffentlichkeit Widerhall zu finden (DíazSantana 2002; Ruiz Zapatero 2006a; vgl. auch González Álvarez, Marín Suárez im vorliegenden Band). Besonders klar geschieht dies in Galizien, einer ­Region, die normalerweise für Laien geradezu als ­Inbegriff des „Keltischen“ gilt (Ruiz Zapatero 2006a). Diese vermeintliche „Keltizität“ sucht aber keinerlei Verbindungen zu den antiken keltischsprachigen Be-

völkerungen in Zentralspanien oder Mittel­europa, ­sondern konzentriert sich auf die Beziehungen mit dem atlantischen Raum, besonders mit den sogenannten modernen „keltischen Nationen“ wie ­Irland, Schottland,Wales oder die französische Bretagne, zwischen denen sich eine Art von „Solidarität“ entwickelt hat (James 1999). Mit Begriffen wie „Latènekultur“, „Gallier“ oder „Keltiberer“ kann man hier wenig anfangen, vielmehr besteht das Bild des „Keltischen“ in der ­ galizischen Öffentlichkeit aus einem willkürlich hergestellten Mischmasch, in dem sich Dudelsack, Druiden, Megalithen und grosse Musikfestivals wie das jährliche Festival do Mundo Celta in Ortigueira zu einem scheinbar harmonischen Eins vereinen (DíazSantana 2002; Ruiz Zapatero 2006a, 2006b) (Abb. 3). Aber vielleicht noch wichtiger für die Fragestellung, die uns hier beschäftigt, erscheint die Tatsache, dass der Rückgriff auf diese vermeintlich keltische Identität einer der wichtigsten Bausteine für die Konstruktion und Legitimierung des galizischen Nationalismus ist

Abb. 3: Plakat des grossen internationalen Musikfestivals Festival Internacional do Mundo Celta in Ortigueira (www.festivaldeortigueira.com) und Abbildung aus einem Internetforum von Anhängern des galizischen Fussballvereins Celta de Vigo (http://foro.delcelta.com)

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Abb. 4: „Sind wir Galizier Kelten?“ Artikel in der Zeitung La Voz de Galicia, 25-11-2001 (nach Ruiz Zapatero 2006a)

(Díaz-Santana 2002). Ob die benutzten Argumente und Symbole etwas mit der historischen Realität zu tun haben, erscheint im Rahmen dieser bewussten oder unbewussten Instrumentalisierung natürlich zweitrangig. Nur so kann man verstehen, dass Anhänger des Galizischen Nationalistischen Blocks (BNG) eine Rede vor einer Replik von Stonehenge halten, oder dass man die galizische Sprache mit dieser keltischen Identität assoziert, obwohl sie aus linguistischer Sicht eine romanische Sprache ist, die nichts mit der Gruppe der sogenannten keltischen Sprachen wie Gälisch oder Walisisch zu tun hat. Nicht nur für die heutigen Bewohner Galiziens selbst, auch für die meisten Spanier sind Galizien und die kantabrische Region insgesamt die „keltischen Regionen“ par excellence (Ruiz Zapatero 2006a). Andere Gebiete wie die zentralspanische Provinz Soria, wo sich das berühmte keltiberische Numantia befindet, werden im besten Fall erst an zweiter oder dritter Stelle genannt, obwohl dort die historischen und linguistischen Zeugnisse keineswegs geringer sind, eher im

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Gegenteil (Lorrio, Ruiz Zapatero 2005). Dies hat in Galizien zu einem regelrechten Boom an allerlei Tourismusartikeln und Angeboten geführt, in denen – in welcher Form auch immer – der Name „keltisch“ auftaucht: von T-Shirts mit der Überschrift Galicia Celta („keltisches Galizien“) bis Musik-Cds, Milchmarken, Tätowierungen, Golfrouten oder traditionelle Sommerfeste, die man in den letzten Jahren mit dem Titel „keltisch“ geschmückt hat; alles ist recht, um zugleich regionales Selbstbewusstsein und wirtschaftliche Profite zu erhöhen. Diese weitgehende Unanimität über die „Keltizität“ Galiziens in der Öffentlichkeit findet aber kein entsprechendes Gegenstück von Seiten der wissenschaftlichen Forschung (Ruiz Zapatero 2005). Hier sind die Lager in zwei entgegengesetzte Fronten geteilt: zum einen zahlreiche Archäologen, die jegliche Verbindung mit dem Begriff „Kelten“ ablehnen und dagegen den einheimischen Charakter der eisenzeitlichen „CastroKultur“ hervorheben; und andererseits verschiedene Archäologen und Althistoriker, die vor allem eine Art sozio-ideologischen Keltismus befürworten, oft unter Rückgriff auf Dumezils Arbeiten. „Keltophile“ und „Keltophobe“ karikaturisieren in vielen Fällen die Position des Gegners, und nur vereinzelt finden Annäherungsversuche oder Kompromisslösungen statt. Das Interesse an diesen Debatten und an der Problematik insgesamt spiegelt sich in ausführlichen Berichten in einigen der wichtigsten Zeitungen wider, so zum Beispiel in La Voz de Galicia unter dem Titel „Sind wir Galizier Kelten“? (Abb. 4). Die „Kelten“ in Öffentlichkeit und Forschung (2): das Fallbeispiel Baden-Württemberg Ganz anders sieht die Lage in Baden-Württemberg aus, und gerade dieser Kontrast macht den Vergleich zwischen beiden Regionen interessant. Vor allem die ­modellhaften und spektakulären Ausgrabungsergebnisse von der Heuneburg und Hochdorf verschaffen Baden-Württemberg einen festen Platz in fast jedem wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Buch, das sich, in welcher Form auch immer, mit „Kel­ ten“ beschäftigt. Durch Veranstaltungen wie die regelmässig stattfindenden Keltenfeste in Hochdorf (www. keltenmuseum.de), die zahlreichen Aktivitäten, die

vom Keltenmuseum Heuneburg (www.heuneburg. de) organisiert werden oder qualitätvolle Publikationen für das breite Publikum (z. B. Ade, Willmy 2007; Hajdu, Bofiner 2011; Krausse 2009), wird Fachwissen auf didaktische Art und Weise vermittelt. Darüber hinaus stammt die wahrscheinlich beste Kelten-Reenactmentgruppe Deutschlands, „Carnyx“, aus dem ­Tübinger Raum (www.keltentruppe.de) (Abb. 5). Dass ein Interesse der Öffentlichkeit durchaus vorhanden sein kann, zeigen die ca. 300.000 Besucher, die 1985 die Stuttgarter Ausstellung Der Keltenfürst von Hochdorf besucht haben (Biel 1985, 2007). Es bleibt zu erwarten, dass die grosse Landesaustellung „Die Kelten“, die ab September 2012 in Stuttgart zu sehen sein wird und unter anderem den hochinteressanten Ergebnissen aus dem DFG Schwerpunktprogramm Frühkeltische Fürstensitze gewidmet ist (Beilharz, Krausse 2010; Krausse 2004, 2008, 2010; siehe auch www.fuerstensitze.de), einen vergleichbaren oder sogar noch grösseren Erfolg feiern kann. Trotzdem spielen die „Kelten“ in der Öffentlichkeit Baden-Württembergs, ganz im Gegensatz zu Galizien, kaum eine Rolle und wenn, dann nur unter interessierten Laien2. Als Identitätsstifter stehen die Alamannen sehr weit vorne, „Kelten“ sind im öffentlichen Bewusstsein wenig verankert. Darüber hinaus gibt es praktisch keine wissenschaftliche Studien zum Keltenbild in der Bevölkerung, was an sich schon vielsagend ist und zugleich zeigt, dass in diesem Forschungsbereich noch Nachholbedarf besteht. Alles in allem scheinen aber auch hier die populären Vorstellungen stärker von Romanen und Filmen über die Artussage oder von irischer Musik geprägt zu sein als durch Grabungsergebnisse wie die von Heuneburg oder Hochdorf. Wie Jörg Biel in seinem Aufsatz von 2007 „Kelten in Süddeutschland?“ zutreffend bemerkt hat: „Die Kelten sind heute ein Volk, das zwar früher hier gewohnt hat, mit dem uns aber kaum etwas verbindet, abgesehen von esoterischen Verirrungen“ (Biel 2007: 153). Diese geringe Bedeutung der „Kelten“ in der baden-württembergischen Öffentlichkeit steht im Kontrast zum hohen Stellenwert, den Süddwestdeutschland für die Forschung der Eisenzeit und insbesondere der Späthallstattzeit besitzt.Vor allem im deutschsprachigen Raum – aber bei weitem nicht nur! – wird dieses Gebiet häufig als „Kernzone der Kelten“ bezeichnet

Abb. 5: Rekonstruktion der berühmten Lehmziegelmauer im Freilichtmuseum Heuneburg und Photo der Kelten-Reenactmentgruppe „Carnyx“ (nach Krausse 2009)

(Abb. 6). Diese Annahme beruht in erster Linie auf zwei Argumenten: die irrtümliche Gleich­setzung von „Kelten“ und „Latènekultur“ sowie die viel zitierte Herodotstelle (Historien, II, 33), nach der die Donau im Land der Kelten entspringt, nahe der Stadt Pyrene. Gerade dieser letzte Name hat gelegentlich Zweifel an der Identifizierung mit Süddwestdeutschland geweckt, da auch eine Verwechslung mit dem Gebirge der Pyrenäen in Betracht kommen könnte (Fischer 1972). Dennoch ist es gut möglich, dass Herodot die Donauquellen zumindest annähernd richtig lokalisiert hat (Tomaschitz 2002), und sogar die Identifizierung der Heuneburg mit Pyrene, ist als Hypothese durchaus vertretbar (Krausse 2006). Auch die Bezeichnung „Frühe Kelten“ kann man unter Umständen gelten lassen, vor allem, wenn es darum geht, die Attraktivität der Vergangenheit in der Öffentlichkeit zu steigern (Holtorf 2007). Was man aber unserer Ansicht nach keineswegs ­machen sollte ist, von der Information Herodots auf einen einseitigen „Ursprung der Kelten“ im südlichen Mitteleuropa zu schliessen (Collis 2003; Karl 2010;

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Abb. 6: Eine der am meisten verbreiteten und reproduzierten Karten über „Ursprung und Ausbreitung der Kelten“ (nach Megaw und Megaw 1989). Dieses traditionelle Modell ist wissenschaftlich nicht mehr akzeptabel und sollte bald nur noch als Teil der Forschungsgeschichte in Erinnerung bleiben

Vitali 2010). Es gibt eine Fülle an Argumenten, die die Irrtümlichkeit dieser These aufzeigen; aus Platzgründen seien hier nur vier genannt: 1) Erstens kann man Kultur nicht einfach mit Ethnos gleichsetzen (Fernández-Götz 2008; Jones 1997), man darf also die kulturelle Kontinuität zwischen Späthallstatt- und Frühlatènezeit nicht zwangsläufig auch als ethnische Kontinuität deuten. 2) Zweitens ist die simplistische Formel „Kelten“ = „Latènekultur“ schlichtweg inkorrekt, wie zahlreiche Studien der letzten Jahre ausreichend gezeigt haben: Elemente der Latènekultur wurden auch von „nicht keltischen“ Gruppen übernommen, und gleichzeitig gab es „keltische Bevölkerungen“, wie die Keltiberer, die nicht Teil der Latènekultur waren (vgl. z. B. Collis 2003; Lorrio, Ruiz Zapatero 2005;Vitali 2010). 3) Drittens ist das Konzept eines keltischen „Kernlandes“ schon an sich falsch, da es „die Kelten“ als ein-

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heitliches Volk nie gegeben hat und man nicht von einer keltischen Ethnogenese und Ausbreitung sprechen sollte3 (Collis 2003; Karl 2008a, 2010). 4) Und viertens widerspricht die Herodotstelle der oben genannten Konzeption eines ausschliesslich mitteleuropäischen „Ursprungslandes“ (Almagro-Gorbea 2004; Fernández-Götz 2007, 2009b). In der Tat wird das Zitat in vielen Fällen nicht vollständig wiedergegeben, was sich aber durchaus lohnt: „Der Istros (die Donau) entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene und fliesst mitten durch Europa. Die Kelten aber wohnen jenseits der Säulen des ­Herakles und sind Nachbarn der Kynesier, die von ­allen Völkern Europas am weitesten im Westen leben“ (Herodot, Historien, II, 33). Herodot lokalisiert also auch Bevölkerungen, die er als „Kelten“ bezeichnet, hinter den Säulen des Herakles, das heisst jenseits der Meerenge von Gibraltar.

Dies würde dem heutigen südwestlichen Andalusien und Süden Portugals entsprechen. Eine relativ genaue Kenntnis über „Kelten“ – was auch immer darunter verstanden wurde – in diesem Gebiet dürfte an sich nicht verwundern, da griechischen Seefahrern Tartessos gut bekannt war, genau wie die Informationen über den Ursprung der Donau aufgrund der Handelskontakte mit der Zone der späthallstättischen „Fürstensitze“ a priori gut erklärbar wären. Was aber noch interessanter ist: gerade aus dem Südwesten der Iberischen Halbinsel sind eine ganze Reihe von Inschriften bekannt, die hauptsächlich aus dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. stammen und in denen manche Forscher wie Correa (1989) oder Koch (2009) keltische Personennamen identifiziert haben. Ferner hat Almagro-Gorbea (2002, 2004) die Inschrift Niethos publiziert, die in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. ­datiert und im heutigen Huelva gefunden wurde. ­Seiner Ansicht nach handelt es sich um den Namen einer keltischen Gottheit und somit um eines der ältesten Zeugnisse in einer keltischen Sprache überhaupt. Zugegeben, diese Deutungen sind nicht unbestritten, und es ist auch nicht unser Anliegen, im vorliegenden Aufsatz für einen „iberischen“ bzw. „westlichen“ Ursprung der sogenannten „keltischen Sprachen“ zu plädieren, so wie es Cunliffe und Koch (2010) neulich gemacht haben. Wir wollen lediglich zeigen, dass es beim heutigen Kenntnisstand keine Argumente gibt, die dem südlichen Mitteleur-

opa gegenüber anderen Regionen wie dem Südwesten der Iberischen Halb­insel eine Vorrangstellung verschaffen. Der Hauptirrtum besteht aber in der eigenen Suche nach einem „Ursprungsgebiet“ für ein keltisches Volk, das es in Wirklichkeit nie gegeben hat (Karl 2004, 2010; Rieckhoff 2007a). Darüber hinaus sollte man nicht „keltische Ethnizität“ mit „keltischen Sprachen“ gleichsetzen, eine Tatsache, auf die u. a. Collis wiederholt hingewiesen hat: “genetics must not be confused with language groups, ethnic groups, social structures, or material culture; these are all separate categories which can be fruitfully compared, but they cannot be equated with one another” (Collis 2009: 42). Ein kurzer Vergleich zwischen den zwei genannten Fallbeispielen zeigt, dass, während in Galizien der Rückgriff auf eine vermeintlich „keltische“ Vergangenheit ein wesentlicher Bestandteil der regionalen (für viele Leute sogar nationalen!) Identitätsbildung ist, in Baden-Württemberg die „Kelten“ so gut wie keine identitätsstiftende Rolle in der breiten Öffentlichkeit spielen. Ganz anders sieht die Lage im akademischen Bereich aus, denn während im letzten Fall von „Frühen Kelten“ und manchmal sogar vom „Kernland“ die Rede ist, steht in Galizien ein Grossteil der Forscher der Keltenproblematik skeptisch gegenüber bzw. weist jegliche Verbindung mit derselben vehement ­zurück (Abb. 7).

Abb. 7: Die „Kelten“ im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption: Vergleich zwischen Galizien und Baden-Württemberg (Autoren)

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Rück- und Ausblick Zum Abschluss möchten wir die zwei wichtigsten Punkte unseres Beitrages nochmal kurz zusammenfassen. Der erste Punkt betrifft unser Verständnis über die Identitäten der Eisenzeit. Hier muss ein tiefgreifender Paradigmenwechsel stattfinden (FernándezGötz, Ruiz Zapatero im Druck). Die Vorstellung, dass es ein einheitliches keltisches Ethnos gab, das sich von Mitteleu­ropa aus während der Eisenzeit durch Europa verbreitet hat, ist eine Fiktion4 (Collis 2003; Rieckhoff 2007a; Ruiz ­ Zapatero 2001; ). Zur selben Zeit muss aber anerkannt werden, dass während des ersten vorchristlichen Jahrtausends eine Vielzahl an ethnischen Gruppierungen verschiedener Grössenordnung existierten, die für die Identität der damaligen Menschen von Belang ­ waren, und die einem ständigen Wandel unterworfen waren (Fernández-Götz 2009a; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Ruiz ­Zapatero 2009). Der zweite Punkt, auf den wir aufmerksam machen möchten, ist die Rolle der Archäologen bei der Vermittlung der Vergangenheit. Es ist unzweifelhaft, dass ethnische Interpretationen generell und die „Kelten“ konkret aus politischen Gründen manipuliert worden sind (Collis 2003; James 1999; Rieckhoff 2006, 2010; Rieckhoff, Sommer 2007), aber wenn Archäo-

logen sich nicht kritisch mit dieser Problematik auseinandersetzen, können wir sicher sein, dass andere Interessengruppen sie weiterhin mit ideologischen Zielen benutzen werden (Fernández-Götz 2008; Ruiz Zapatero 1996, 2006a). Ob es uns gefällt oder nicht, es wird weiterhin über „Kelten“ geschrieben werden und man wird die Vergangenheit weiterhin für vielseitige Zwecke instrumentalisieren. Das Beispiel Galizien zeigt, dass eine blosse Ablehnung des Keltenbegriffes durch die Archäologen keineswegs seinen Missbrauch mindert (Díaz-Santana 2002; Ruiz Zapatero 2006a). Gerade deswegen müssen wir uns als Fachleute engagieren, um kritischere Bilder der Vergangenheit zu entwerfen und diese auf verständliche Art und Weise an die Öffentlichkeit weiterzugeben (González Ruibal 2006; Holtorf 2007). Gewiss ist dies keine leichte Aufgabe und man muss sich natürlich immer im Klaren sein, dass unsere archäologischen Interpretationen nur Erzählungen bleiben, die heute anders als früher gestaltet werden und die auch in Zukunft anders aussehen werden (Rieckhoff 2007b). Es gibt aber Erzählungen, die wesentlich besser fundamentiert sind als andere, und gerade um diese und um deren Vermittlung sollten wir uns bemühen.

Anmerkungen 1 Es müssen allerdings immer die ständigen Wechselbeziehungen zwischen Innen- und Aussenansichten berücksichtigt werden: “ethnic identities can arise both from insider perceptions and from the views of outsiders subsequently internalised” (Morgan 2009: 12). 2 An dieser Stelle möchten wir sowohl Herrn Prof. Dr. Dirk L. Krausse (Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg) als auch den Mitgliedern der Kelten-Reenactmentgruppe Carnyx für zahlreiche und wertvolle Hinweise zum Keltenbild in der baden-württembergischen Öffentlichkeit herzlich danken.

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3 Exemplarisch für die traditionelle Sicht der keltischen Ethnogenese kann u. a. die Arbeit Fischers (1986) genannt werden, für den Paradigmenwechsel dagegen Karl 2010. 4 Selbstverständlich gab es zahlreiche Migrationsprozesse, deren Wichtigkeit nicht unterschätzt werden sollte (Fernández-Götz 2011; Kristiansen 1998; Tomaschitz 2002). Hier geht es uns ausschliesslich um die Kritik an den traditionellen Modellen der Ethnogenese eines vermeintlichen „keltischen Volkes“, das sich durch Wanderungen quer durch Europa verbreitet hätte.

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Essentiell „keltisch“? 1 Zum Sinn der Fragen was „die Kelten“ kennzeichnet und woher sie kommen Raimund Karl

Zusammenfassung Seit Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den „Kelten“ stellten wir, und stellen immer noch, die Fragen: Was ist es, das jemanden, das etwas wirklich „keltisch“ macht, und woher kommt das, was wir „keltisch“ nennen? Abhängig von der Antwort, die jeder einzelne Wissenschafter darauf gibt, behauptet er dann, dass „die Kelten” dies oder das, hier oder dort waren und spricht über sie als ob ihre Existenz selbstverständlich vorausgesetzt werden könnte oder – falls er zu einer negativen Antwort gelangt – dass es sie niemals gab und es daher sinnlos ist über sie zu sprechen. Die grundlegende Prämisse, von der alle diese Antworten abhängen, ist jedoch die, dass um sinnvoll über etwas sprechen zu können es auch existieren muss und um die Existenz eines Dinges annehmen zu können es durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften gekennzeichnet sein muss, die in allen seinen Teilen gegenwärtig sind. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass diese Prämisse grundsätzlich falsch ist und daher die auf ihr beruhende Frage samt allen möglichen Antworten darauf sinnlos sind: es handelt sich dabei um nicht mehr als einen sophistischen Streit um Worte. Denn diese Prämisse zwingt uns zu einer aristotelischen Definition; dazu „die Kelten“ durch eine Beschreibung ihres „wirklichen Wesens“, ihrer „Essenz“ zu definieren: „Wir können ein Ding nur kennen, indem wir sein Wesen kennen” (Aristotles, Metaphysik 1031b7). Das macht erforderlich, dass wir die Definition als Grundprämisse akzeptieren: eine unmittelbare Wahrheit, die sich nicht bezweifeln lässt (Aristotles, Zweite Analytik 1, 3), die wir intuitiv erkennen können und die nicht aus Erfahrungen oder Beobachtungen hergeleitet werden muss. Doch das ist offensichtlich unmöglich und daher ist es uns bis heute nicht gelungen zu einer allgemein anerkannten Definition zu gelangen, was essentiell „keltisch” ist, denn letztendlich handelt es sich dabei um eine Glaubensfrage, die außerhalb der Reichweite vernünftiger wissenschaftlicher Diskussionen liegt. Und von diesem Glauben hängt in weiterer Folge auch ab, wo wir die Herkunft der Kelten suchen. Die Antwort auf diese Fragen wird daher stets dogmatisch bleiben, die einander widersprechenden Meinungen inkommensurabel. Daher wird vorgeschlagen diese unsinnige Sophistik zu beenden, eine nominalistische Definition des Begriffs „keltisch” anzunehmen und statt zu fragen, woher „die Kelten“ kommen, zu fragen, wie das entsteht, was wir „keltisch“ nennen.Verstehen wir das Wort „keltisch“ als beliebiges Etikett, als Signifikand, vermeiden wir die Notwendigkeit darüber zu reden, was es bedeutet. Das erlaubt uns endlich das zu diskutieren, worüber wir eigentlich reden sollten, das, was sich auch zu vernünftiger wissenschaftlicher Diskussion eignet: das Signifizierte.

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Abstract Since the beginning of scholarly research into ‘the Celts’ we were, and still are asking: What is it that truly makes someone, or something, ‘Celtic’, and where does this ‘Celtic’ come from? Depending on the answer each scholar arrives at, he would argue for ‘the Celts’ being this or that, having been here or there and talk about them as if their existence was self-evident, or – if the answer was in the negative – that they never existed at all, making it meaningless to talk about them. The fundamental premise upon which all these answers are based, however, is that to be able to meaningfully talk about something, it must exist, and for something to exist, it must be characterised by unique characteristic features ubiquitous in all of its parts. In this paper it will be argued that this premise is fundamentally flawed and that, therefore, the question and any answer to it are meaningless: they are nothing but a sophistic game of words.The premise requires us to come up with an Aristotelian definition; to define ‘the Celts’ by describing their ‘true nature’, their ‘essence’: ‘there is knowledge of each thing only when we know its essence’ (Aristotle, Metaphysics 1031b7). This requires that we accept this definition as a primary premise: an immediate truth which cannot be questioned (Aristotle, Posterior Analytics Book 1, 3), which we thus must identify intuitively, not by means of demonstration.Yet, this is evidently impossible, and as such, we have not arrived at an agreed definition of what is, essentially, ‘Celtic’, because this ultimately is a matter of belief, beyond the limits of any reasoned scholarly debate.The answers to the two central questions we have been pursuing thus will always remain dogmatic, the opposed views incommensurable. I thus propose to stop this silly sophistry, adopt a nominalist definition of the ‘Celtic’, and ask how that which we call ‘Celtic’ emerged, rather than trying to find out where it originated. If we treat the word ‘Celtic’ as an arbitrary label, a signifier, the need to discuss what it means is removed. This will allow us to finally discuss what we ought to discuss, that which can actually be subjected to reasoned scholarly debate: the signified.

Schon 1980 schrieb Ludwig Pauli anlässlich der Austellung „Die Kelten in Mitteleuropa“ im Keltenmuseum Hallein im Ausstellungskatalog über Sinn und Unsinn der alten Frage nach der Herkunft der Kelten (Pauli 1980). Diese Frage stellt seit den Anfängen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Kelten, und damit verbunden auch der Auseinandersetzung mit der Archäologie der europäischen Eisenzeit, eine der, wenn nicht sogar die, zentrale Frage dar, der wir nachgehen, die wir zu beantworten versuchen. Klarerweise ist damit auch eng die Frage verbunden, wer oder was „die Kelten“ denn nun eigentlich sind, bzw. was jemanden zu einem „Kelten“ oder etwas zu etwas „Keltischem“ macht. Um sich diesem Fragenkreis anzunähern soll zuerst ein Überblick gegeben werden, welche Antworten bisher auf die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ vorgeschlagen wurden, ehe in einem grundlegenderen

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Teil der Frage nachgegangen werden soll, weshalb wir uns überhaupt mit der Frage nach der Herkunft „der Kelten“ und mit der Frage, was „die Kelten“ überhaupt zu „Kelten“ macht, beschäftigt haben und immer noch beschäftigen. Der Überblick ist vor allem deshalb notwendig, weil derzeit insbesondere im deutschen Sprachraum, aber auch generell in weiten Bereichen der ur- und frühgeschichtlichen Forschung, die Meinung vorherrscht „die Kelten“ seien ein Phänomen, das insbesondere oder sogar ausschließlich mit der (mittel- und west-) europäischen Eisenzeit in Verbindung zu bringen sei – obgleich bereits Ludwig Pauli (1980: 18–20) in seiner Kritik der Herkunftsfrage deutlich ausgeführt hat, dass die Herkunft „der Kelten“ keineswegs von allen Wissenschaftern, die sich zu dieser Frage geäußert haben, in eben dieser gesucht wurde. Zwar ist die Vorstellung einer eisenzeitlichen Herkunft „der Kelten“ zweifellos dominant,

aber andere Datierungsvorschläge existieren ebenso, von denen viele wenigstens ebenso seriös sind wie das „herkömmliche“ Modell der Herkunft „der Kelten“ aus der Eisenzeit. Alternative Theorien zur Herkunft „der Kelten“ Die Vorschläge, auf welche Zeit die Herkunft „der Kelten“ zu datieren sei, erstrecken sich derzeit über einen Zeitraum, der vom Spätpaläolithikum bis in die jüngere Eisenzeit reicht. Ludwig Pauli (1980: 18–20) und John Collis (2003: 27–160) haben bereits zahlreiche dieser Vorschläge zusammenfassend dargestellt, weshalb hier keine Gesamtdarstellung notwendig erscheint, sondern spezifisch einige von diesen noch nicht erwähnteVersuche die Herkunft „der Kelten“ zu bestimmen hervorgehoben und bereits bekannte Vorschläge nur soweit notwendig kurz zusammengefasst werden sollen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Argumentation zu legen, die diesen Vorschlägen zu Grunde liegt, die nämlich fast durchgehend dem gleichen Muster folgt – und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Vorschlägen um „wissenschaftliche“ oder (wenigstens heute) nicht (mehr als) „wissenschaftliche“ (betrachtete) Versuche handelt. Darüber hinaus sind selbstverständlich alle Vorschläge jeweils „Kinder ihrer Zeit“, also stark von allgemeinen Vorstellungen über die Geschichte geprägt. Von Babylon in die Bretagne – frühe Versuche Frühe Versuche die Herkunft „der Kelten“ oder von Teilen „der Kelten“ zu bestimmen zeigen diese Abhängigkeit von allgemeinen Vorstellungen der Zeit, in der sie geschaffen wurden, für den modernen Beobachter besonders deutlich: antike Erklärungen sind in pseudohistorischen Kontexten der Frühgeschichte der Welt angesiedelt, so z. B. bei Timaios die Abstammung der Galater von Galates, dem Sohn des Kyklopen Polyphem und der Nereide Galateia (Hofeneder 2005: 56–8), oder bei Parthenios die Abstammung der Kelten von Keltos, dem Sohn von Herakles und dem Mädchen Keltine, Tochter des Bretannos (Hofeneder 2005: 161–2). Mittelalterliche irische Texte hingegen sprechen z. B. von der Abstammung der Iren von Magog, Sohn

des Iafeth, Sohn des Noah (MacAlistair 1938: 21–3), postulieren also eine biblische Abstammung der Iren. Die Briten hingegen stammen laut Geoffrey of Monmouth von Brutus, Sohn des Silvius, Sohn des Ascianus, Sohn des aus Troja nach Italien geflohenen Aeneas ab (Thorpe 1966: 54–75), sind also von „klassischer“ Abstammung. All diese Beispiele entsprechen im Wesentlichen ­einer genealogischen Abstammungsidee, nach der diverse Bevölkerungsgruppen der jeweiligen Gegenwart des Autors durch eine Herkunftserklärung mit mythologischen oder pseudohistorischen Figuren der ­mythischen Vorgeschichte der Bevölkerung des Autors verbunden werden, wie sie in Antike, Mittelalter und auch früher Neuzeit charakteristisch waren. In diese Tradition reiht sich auch die „Gründungssage“ der modernen, „wissenschaftlichen“ Beschäftigung mit „den Kelten“ ein, die vom bretonischen Abbé Paul-Yyves Pezron (1703) veröffentlichte Abhandlung über die biblische Abstammung der Bretonen, die er als die Nachfahren der bei Caesar erwähnten antiken Kelten betrachtete. Pezron versuchte in diesem Werk zu zeigen, dass das „Keltische“ eine der Sprachen gewesen sei, die bei der babylonischen Sprachverwirrung entstanden sei und deren Sprecher anschließend in komplizierten Wanderungen von Babel bis letztendlich in die Bretagne gewandert seien. Derartige Erklärungen werden zwar heute abgelehnt, entsprachen aber jeweils den Chronologie- und Geschichtsvorstellungen ihrer jeweiligen Zeit, waren also damals ernst zu nehmende, „wissenschaftliche“ Erklärungen der Herkunft „der Kelten“. Die jeweils gewählte Argumentationsstruktur (soweit man, insbesondere bei den sehr kurzen antiken Erklärungen, von einer solchen Struktur sprechen kann) ist jene, dass von der Abstammung „der Kelten“ von einer bestimmten Person, also von einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit, ausgegangen wird, von dem eine quasi-biologische, stammbaumhafte Entwicklung ausgeht, die letztendlich dazu führt, dass eine mehr oder minder große Bevölkerung als „Kelten“ bezeichnet werden kann. Die Probleme mit solchen Erklärungsversuchen sind zwar bis zu einem gewissen Grad offensichtlich, sollen aber dennoch wenigstens in aller Kürze erwähnt werden. Das vielleicht größte Problem mit diesen Erklärungen ist, dass sie nicht durch unabhän-

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gige Evidenzen gestützt werden, sich also jedweder Überprüfbarkeit und damit auch Nachvollziehbarkeit entziehen. Man kann sie also entweder glauben oder nicht. Darüber hinaus sind sie auch nicht selten in sich inkohärent, vor allem aber mit moderneren Chonologien und aus diesen abgeleiteten „großen historischen Erzählungen“ nicht vereinbar. Deshalb lehnen wir sie heute als falsch ab. Das derzeitige „Standardmodell“ Das in den letzten Jahrzehnten dominante Modell der Erklärung der Herkunft „der Kelten“ kann als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden um hier nicht genauer dargestellt werden zu müssen. Auch wurde es bereits deutlich inhaltlich kritisiert (z. B. Collis 2003), es genügt an dieser Stelle also sich auf die Argumentationsstruktur zu konzentrieren, die zum „Standard­ modell“ geführt hat, sowie einige Probleme mit diesem kurz darzustellen. Das derzeitige „Standardmodell“ geht davon aus, dass „die Kelten“ in Mitteleuropa entstanden seien und, in der engsten Auslegung, die Herkunft „der Kelten“ mit der Entstehung der Latènekultur gleichzusetzen sei oder in dieser wenigstens ihren Ausdruck finde (z. B. Urban 2007: 607). In weniger engen Auslegungen werden diesen „Kelten im engeren Sinn“ noch „frühe Kelten“ vorangestellt, die im Wesentlichen mit der westlichen Hallstattkultur gleichzusetzen seien (z. B. Krausse 2006; Spindler 2007). Die Struktur der Argumentation ist bei diesem Modell (gleichgültig welcher Fassung) im Wesentlichen die, dass historische Nachrichten die Existenz von „Kelten“ etwa zu der Zeit und etwa in dem Raum belegen würden, in dem bestimmte archäologische Kulturen (eben die westliche Hallstatt- und/oder die Latènekultur) ebenfalls verbreitet wären und in dem auch keltische Sprachen nachgewiesen wären. Diese Daten werden anschließend in die alte KossinnaFormel „Für alle Zeiten t1-tn gilt: jeder beliebige Raum Rx (gekennzeichnet durch Eigenschaften a, b, c) entspricht dem Verbreitungsgebiet eines bestimmten Volkes Vx“ (Karl 2010a: 98) eingesetzt und zum „Ursprungspunkt“ der ältesten nachweisbaren Eigenschaft zurückverfolgt, der mit der „Ethnogenese“, also der „Herkunft“ des gesuchten „Volkes“, gleichgesetzt wird.

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Abgesehen davon, dass dieses Modell auch am Problem leidet, dass sich mit Ausnahme einer wenigstens als fraglich zu betrachtenden frühen Nennung „der Kelten“ in Mitteleuropa bei Herodot (Historien II, 33) alle frühen Belege für „die Kelten“ und für „Keltisches“ auf Regionen außerhalb Mitteleuropas ­ beziehen (Hekataios, die anderen Nennungen in ­ Herodot Historien II, 33 und IV, 49, die Nachweise für Lepontisch in Norditalien und neuerdings – wenn man der Interpretation von Koch 2009 folgen möchte – für Tartessisch im Südwesten der iberischen Halb­insel), leidet es auch an ganz grundsätzlichen ­Problemen. ­Diese sind in erster Linie, dass die von Kossinna (1920: 3) kodifizierte Gleichsetzung von Ethnizität und Materialkultur nicht notwendigerweise gegeben sein muss, dass daher natürlich auch die Rückverfolgung von Ethnizität auf ­ Basis der (materiellen) Kultur nicht zulässig ist, aber auch und ganz besonders daran, dass ihm ein viel zu simplistisches Verbreitungsmodell von ­Kultur zu Grunde liegt: Kultur verbreitet sich gemäß dieses ­Modells nur in einer Richtung, nämlich von den „Überlegenen“ zu den „Unterlegenen“. Schon allein aus diesen Gründen ist es heutzutage nicht mehr haltbar. Gleichzeitig illustriert dieses Modell auch ganz deutlich ein von Pauli (1980) andeutungsweise identifiziertes Problem: was bedeutet es eigentlich „keltische“ Geschichte zu schreiben? Das derzeitige „Standardmodell“ versteht „die Kelten“ als ein Ding, dessen Geschichte geschrieben wird (die konkrete Vorstellung ist wohl am ehesten als eine „Nation“, deren Ereignisgeschichte geschrieben werden soll), ähnlich als wenn man eine Biografie schreiben wollte, z. B. einer historischen Person oder aber eines Objekts wie eines Tisches oder eines Stuhls. Dies entspricht übrigens wenigstens grundsätzlich den Vorstellungen, die auch den frühen Erklärungsversuchen zu Grunde liegen, in denen der mythische Ahnherr der jeweiligen Erklärung letztendlich auch als Platzhalter für alle seine Nachfahren dienen kann. Das Palaeolithic Continuity Paradigm (PCP) Die frühen Versuche und das „Standardmodell“ sind aber keineswegs die einzigen Vorschläge, die in Bezug auf die Herkunft “der Kelten” gemacht wurden. Ein

weiteres Modell, das etwa seit den 1990ern von einigen Kollegen, insbesondere in Italien, vertreten wird, kommt zu ganz anderen Ergebnissen (Alinei 2010; Alinei & Benozzo 2008): das von seinen Proponenten als „paläolithisches Kontinuitätsparadigma“ bezeichnete Modell geht davon aus, dass keltische Sprachen bereits im Spätpaläolithikum im Bereich ihrer späteren Verbreitungsschwerpunkte gesprochen wurden und die Entstehung „der Kelten“ daher ebenfalls in dieser Zeit anzusetzen ist (Alinei & Benozzo 2008: 20 –5). Die Argumente, die hierfür ins Feld geführt werden, müssen hier nicht im Detail besprochen werden, denn diese habe ich erst zuletzt (Karl 2010b) anhand eines Beispiels dargestellt, aber die Grundstruktur ihres Arguments, das die Proponenten des PCP selbst in ihrer veröffentlichten Einleitung zu ihrem Paradigma darstellen, verdient eine genauere Betrachtung: “If the demonstration of continuity, as James Mallory has had to admit, is ‘the archaeologists’ easiest pursuit” (Mallory 1989, 81), then it follows: (1) that also for the question of European origin, the easiest working hypothesis is the continuity model, and no other alternative; (2) that consequently the burden of proof now lies on the (Chalcolithic or Neolithic) invasionist’s shoulders, and not on the anti-invasionist’s; (3) that as long as no alternative theory provides irrefutable counter-evidence, the Paleolithic Continuity can be considered as the winning theory.” (Alinei 2010) Auf den ersten Blick wirkt dieses Argument nicht unattraktiv – Kontinuität ist in der Archäologie am leichtesten nachzuweisen, daher kann sie vorausgesetzt werden. Muss sie aber tatsächlich immer dann vorausgesetzt werden, wenn kein unwiderlegbarer Gegenbeweis geführt werden kann? Wohl kaum, denn bekanntermaßen sollte die Absenz (vor allem eindeutiger) Evidenz niemals als Evidenz für Absenz bewertet werden. Und noch bedeutender, warum sollte archäologische Evidenz in irgendeiner Weise aussagekräftig sein, was Sprachkontinuität betrifft? Das PCP leidet also, noch stärker als viele andere Herkunftsmodelle, am Problem der Koppelung von Sprache und Archäologie, die in der dem Modell zu Grunde liegenden Art keinesfalls vorausgesetzt werden kann. Selbst wenn sich archäologisch tatsächlich eine Kontinuität vom Spätpaläolithikum bis ans Ende der

Eisenzeit nachweisen lassen sollte, sagt das nichts über die Kontinuität von Sprachen im gleichen Zeit-Raum aus – einmal davon abgesehen, dass sich archäologisch stets nicht nur Kontinuität, sondern ebenso stets auch dauernder Wandel nachweisen lässt – das Kontinuitätsmodell kann also überhaupt nur dann halten, wenn man Kontinuität (so wie das PCP tut) a priori größere Bedeutung zuschreibt als Wandel. Damit wird jedoch das Kontinuitätsmodell zur selbsterfüllenden Prophezeiung (Watzlawick 1999), der Schluss des PCP erweist sich als klassischer Zirkelschluss. Schließlich ist es noch wert zu bemerken, dass sich auch die dem Modell des PCP zu Grunde liegende Vorstellung letztendlich wenig von anderen bisher vorgeschlagenen Herkunftsmodellen unterscheidet: das PCP versteht „die Kelten“ ebenso sehr als ein „Ding“ bzw. als eine „Person“, deren Biografie geschrieben werden kann, quasi als „organische Einheit“, bei der jedes einzelne Element (jeder einzelne „Kelte“) als Platzhalter für das Ganze (alle „Kelten“) ­stehen kann, wie die frühen Erklärungsversuche und das „Standardmodell“. Die neolithische Variante – wandernde Bauern aus dem Osten In den späten 1980ern entwickelte Colin Renfrew (1989) ein neues Modell zur Herkunft „der Indogermanen“, die gemeinhin als (mehr oder minder ferne) „Vorfahren“ der „Kelten“ betrachtet werden. Dieses Modell kennzeichnet sich in erster Linie durch drei Kernaussagen: Erstens schlägt Renfrew eine weit frühere Ent­ stehungszeit des Indogermanischen vor als vom dominanten Modell der „Indogermanisierung“ angenommen. Das „Standardmodell“ der Herkunft „der Indogermanen“ geht von einer Entstehung der indogermanischen Sprachen und der damit herkömmlicherweise verbundenen kulturellen Eigenheiten im Zeitraum zwischen ca. 4500 –2500 v.Chr. aus (Mallory 1989: 127). Renfrew (1989: 266) hingegen geht von einer Entstehung der indogermanischen Sprachen spätestens im 7. Jahrtausend v.Chr. aus. Zweitens schlägt Refrew einen anderen als von „Standardmodell“ der Herkunft „der Indogermanen“ angenommenen Entstehungsort vor: geht das „Stan-

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dardmodell“ der „Indogermanisierung“ von einer Herkunft „der Indogermanen“ in der Region nördlich von schwarzem und kaspischem Meer aus (Mallory 1989: 186–221), schlägt Renfrew (1989: 266–73) eine Entstehung dieser Sprachfamilie im östlichen Anatolien vor. Drittens, und für uns am bedeutendsten, schlägt Renfrew einen anderen als den „herkömmlichen“ Verbreitungsmechanismus für die indogermanischen Sprachen vor: statt der vom „Standardmodell“ der „Indogermanisierung“ bevorzugten Modell der ­ frühen Ausbreitung durch „nomadisierende Kriegerverbände“, hauptsächlich während der Bronzezeit, will ­Renfrew (1989: 145–77) stattdessen dieVerbreitung der indogermanischen Sprachen mit der Neolithisierung ­Europas koppeln (etwas, das später zum universellen frühen Sprachverbreitungsprinzip erhoben werden sollte, vg. Bellwood & Renfrew 2002). Dies hat gemäß Renfrew (1989: 266) den Vorteil die Sprachverbreitung an einen wohldefinierten demographischen ­Prozess zu koppeln, der diese leichter zu erklären erlaubt als herkömmliche Modelle. Dem ­Modell ­Renfrews zufolge erreichen damit die indogermanischen Sprachen (mit der Neolithisierung) etwa im 5. Jahrtausend v.Chr. Westeuropa (Renfrew 1989: 159–65, 225–49), wo sich aus ihnen vor Ort (d. h. in ihrem ­später historisch ­belegten Verbreitungsgebiet) in weiterer Folge die keltischen ­Sprachen entwickeln. In seiner Struktur unterscheidet sich Renfrews Modell damit allerdings nur sehr wenig sowohl vom „Standardmodell“ der Herkunft „der Kelten“ als auch vom Herkunftsmodell des PCP: es werden nur andere Orte und Zeiten eingesetzt und ein anderes archäologisches Phänomen zum „maßgeblich“ die Sprachentstehung und -verbreitung anzeigenden Phänomen erklärt.Tatsächlich gesteht das sogar Renfrew (1989: 266) selbst bis zu einem gewissen Grad ein, sieht jedoch einen maßgeblichen Unterschied zu früheren Erklärungsversuchen in der besseren „demographischen“ Erklärung, die seinem Modell zu Grunde liegt – etwas, das sicherlich nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist (siehe dazu auch seine Ausführungen zu Sprachwandel in Renfrew 1989: 120–44). Wenngleich auch Renfrews Modell sicherlich eines der besten Modelle ist, die uns derzeit zur Verfügung stehen, leidet auch dieses Modell an zahlreichen Män-

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geln und Problemen, nicht zuletzt daran, dass es, dem PCP sehr stark vergleichbar, großteils auf einer ursprünglichen Einwanderung von Sprechern „vorkeltischer“ Sprachen beruht, die sich später lokal in keltische Sprachen verwandeln, und damit ein sehr statisches Modell ist. Wodurch sich Renfrews Modell allerdings wohl­ tuend von den anderen derzeit vorliegenden Vorschlägen für die Herkunft „der Kelten“ unterscheidet, ist sein Rückgriff auf eine Idee von Christopher Hawkes (1973), die der „kumulativen Keltizität“. Wie Hawkes sieht Renfrew (1989: 246) eine „Akkumulation“ keltischer Eigenschaften und schließt daraus, dass es nicht eine eindeutig lokalisierbare Herkuft „der Kelten“ geben muss, sondern das „Herkunftsland der Kelten“ der gesamte Bereich sei, in denen keltische Sprachen gesprochen wurden. Dies stellt meiner Meinung nach ­einen Schritt in die richtige Richtung dar, auch wenn die Modelle Hawkes‘ und Renfrews letztendlich ­ meiner Meinung nach nicht weit genug gehen, sondern weiterhin davon ausgehen, dass diese Akkumulation letztendlich zu einem „Ding“ führt, dass „keltisch“ ist. Dazu aber erst später. „Keltisch“ aus dem Westen – ein neuer Vorschlag? Das meines Wissens neueste Modell zur Herkunft der Kelten wurde hauptsächlich in den 2000ern von John T. Koch und Barry Cunliffe entwickelt und wird in den jüngsten Publikationen, in denen es vorgestellt wird, als radikal neues Paradigma dargestellt: das ­ „Keltische“ entstand im fernen Westen Europas (Koch 2010; Cunliffe 2010), nicht wie vom „Standard­ modell“ postuliert in Mitteleuropa. Damit unterscheidet es sich in seiner Herkunftsbestimmung allerdings ­eigentlich kaum, und schon gar nicht maßgeblich, von Renfrews (1989) Modell, das ja bereits ebenfalls die ­lokale Entstehung der keltischen Sprachen im Gebiet ihrer ­späteren Verbreitung postuliert hatte. Cunliffe hängt seine Überlegungen auch tatsächlich mehr oder minder explizit an Renfrews Modell an bzw. an genauere Ausformungen dieses Modells von Seiten der historischen Sprachwissenschaft (Cunliffe 2010: 34), beschäftigt sich jedoch genauer mit dem Ausbreitungsmechanismus, der keltische Sprachen in der Zeit zwischen ca. 5000 –1300 v.Chr. über

den Raum ihrer später historisch bezeugten Verbreitung verbreitet haben soll: er schlägt vor, dass eine sich eventuell bereits vor 3000 v.Chr. ausgeprägt habende „keltische“ Sprache als lingua franca in den prähistorischen Kontaktnetzwerken entlang der europäischen Atlantikküste gedient haben und sich somit verbreitet haben könnte (Cunliffe 2010: 34–5; aber siehe für Gegenargumente bereits Isaac 2004). Die „Hauptausbreitungsphase“ des „Keltischen“ vermutet Cunliffe in den altantischen Glockenbecherkulturen, in denen er archäologisch einen besonders hohen Grad an, ja nachgerade eine „Explosion“ von, Mobilität zu er­ kennen glaubt (Cunliffe 2010: 27–31). Koch (2010: 192) hingegen akzeptiert, dass aus linguistischen Gründen „östliche“ Elemente im „Keltischen“ vorkommen, die eine Nahebeziehung von wenigstens einer Vorform der keltischen Sprachen zu ostindogermanischen Sprachen wie Indo-Iranisch und Griechisch nahelegen (z. B. Isaac 2004), wenn auch wenigstens einige Jahrhunderte vor ca. 1650 v.Chr., ja vermutlich sogar im 3. Jahrtausend vor Christus.Wenn man Renfrews Modell der Verbreitung der indogermanischen Sprachen folgte, käme man eventuell sogar bis ins 5. Jahrtausend vor Christus zurück (Koch 2010: 193). Es wäre daher vorstellbar, dass eine Gruppe von (vergleichsweise frühen) Indogermanen als Seefahrer das Mittelmeer in westlicher Richtung überquerten, bis sie die europäische Atlantikküste erreichten, wo sich anschließend ihre Sprache zum „Keltischen“ entwickelte und sich mittels der von Cunliffe vorge­ schlagenen Mechanismen verbreitete. Das von Koch (2009; 2010) als „keltisch“ identifizierte, ab dem 8. Jahrhundert v.Chr inschriftlich belegte, Tartessisch im Süd­westen der iberischen Halbinsel lege ein solches Modell wenigstens insofern nahe, als die herkömmliche Identifikation der „Kelten“ mit der europäischen Eisenzeit auf Grund dieser frühen Datierung der nunmehr ältesten „keltischen Sprache“ nicht mehr haltbar sei (Koch 2010: 190–2). Cunliffe (2001) folgend argumentiert Koch daher für eine ­Verbreitung des „Keltischen“ als lingua franca der atlantischen Spätbronzezeit. Trotzdem Cunliffe und Kochs Vorschlag (bzw. vielleicht besser: Vorschläge) weit komplexer ist als manche frühere Modelle inklusive des „Standardmodells“ der Herkunft „der Kelten“, leidet ihr Modell an den

gleichen Problemen wie bisherigeVorschläge und stellt daher meiner Meinung nach, wie ich auch bereits andernorts ausgeführt habe (Karl 2010c), keineswegs ein neues Paradigma dar. Immer noch wird versucht die Sprachentstehung an einem bestimmten Ort in Raum und Zeit zu lokalisieren von dem sich diese Sprache und ihre Nachfolgesprachen dann verbreitet hätten (cf. Cunliffe & Koch 2010: 7), und diese Sprachverbreitung dann auch archäologisch zu zeigen versucht, indem man bestimmte archäologische ­ Phänomene mit angeblich mit ihnen verbundenen linguistischen Phänomenen zu koppeln versucht. Das grundlegende Argumentationsmuster bleibt also das Gleiche, es unterscheidet sich dieses Modell von anderen nur dadurch, mit welchen konkreten archäologischen Phänomenen die Verbreitung der betreffenden Sprachen zu koppeln versucht wird und die Herkunft „der Kelten“ anschließend mit der (postulierten) ­Herkuft der „keltischen Sprache“ gleichgesetzt wird. „Die Kelten“ – Das Volk das aus dem Dunkel kam? Neben diesen „wissenschaftlichen“ Erklärungen der Herkunft „der Kelten“ gibt es auch eine Reihe anderer, heutzutage nicht (mehr) als „wissenschaftlich“ betrachteter, Erklärungen, die aber dennoch – insbesondere in der Öffentlichkeit – einigermaßen weit verbreitet sind. Ohne genauer auf diese eingehen zu wollen kann man zusammenfassend sagen, dass ihnen gemein ist, dass „die Kelten“ jeweils als ein „Volk“ verstanden werden, das neuerlich als „Objekt“ bzw. „Person“ quasi-biografisch behandelt werden kann. Als Einheit verstanden gehen diese Erklärungen gewöhnlich davon aus, dass Sprache, immaterielle Kultur (Glaubens- und andere gemeinsame Vorstellungen, soziales Verhalten, politisches Verhalten und gemeinsames politisches Handeln) und seltener auch materielle ­Kultur und biologische Abstammung aneinander gekoppelt sind und somit eine Herkunft „der Kelten“ in bestimmten, mehr oder minder genau lokalisierbaren, historischen Kontexten zu bestimmen erlauben. Dabei sind diese „populären“ Vorstellungen gemeinhin mehr oder minder deutlich von (teilweise oder gänzlich veralteten) fachlichen Vorstellungen beeinflusst: es wird entweder das herkömmliche „Standardmodell“ übernommen oder „die Kelten“ mit

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den Erbauern der Megalithen gleichgesetzt, als erste (paläolithische) Einwohner Westeuropas betrachtet oder auch als bronzezeitliche Einwanderer aus den östlichen Steppengebieten Europas. Darüber hinaus spielen auch (teilweise wenigstens ebenso veraltete) politische und/oder religiöse Ideologien eine Rolle in „populären“ Antworten auf die Herkunftsfrage, so die Vorstellungen, dass „die Kelten“ die „echt rassenreinen“ Indogermanen (Arier) oder aber von ­biblischer Abstammung wären. Konsequenterweise entsprechen die Argumentationsmuster in derartigen „populären“ Theorien zur Herkunft „der Kelten“ den im Fach gängigen Argumentationsmustern, d. h. es wird teilweise über (pseudo-)sprachwissenschaftliche Spekulationen, teilweise über eine Interpretation historischer Quellen, teilweise durch Anbindung an archäologische Quellen ein Herkunftsort und eine Herkunftszeit „der Kelten“ zu zeigen versucht. Das Spektrum an Ergebnissen ist hier naturgemäß etwas breiter als in fachwissenschaftlichen Herkunftserklärungen (so wird z. B. auch die Herkunft der Kelten aus Atlantis oder Vergleichbares argumentiert), aber unterscheidet sich ansonsten nur unmaßgeblich von den „seriöseren“ fachwissenschaftlichen Erklärungen. Die Kelten vom Mars? Allgemeines zur Struktur von Herkunftserklärungen Wenngleich sich alle diese Erklärungen der Herkunft „der Kelten“ natürlich in vielen Aspekten unterscheiden, sind sie sich alle strukturell auch in gewisser Weise ähnlich. Sie kennzeichnen sich (nahezu) alle dadurch, dass ein bestimmter, konkret bestimmbarer Herkunftsort und eine ebenso konkrete Herkunftszeit zu bestimmen versucht wird, von dem „das Keltische“ seinen Ausgang genommen haben soll. Dieser wird entweder a priori postuliert oder aber von einem vorgeblich „unbestreitbaren“ Punkt in Raum und Zeit, an dem „das Keltische“ sicher existiert haben soll, auf die eine oder andere Methode bis zu seinem angeblichen „Anfängen“ zurückzuverfolgen versucht. Wodurch sich die verschiedenen Modelle unterscheiden, ist in erster Linie, welche „Verfolgungsmethode“ von den jeweiligen Autoren eines Modells als „akzeptabel“ oder sogar „notwendig“ erachtet wird.

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Um dies noch zusätzlich zu verdeutlichen, soll hier ein alternatives Modell entwickelt werden, das in seiner Argumentationsstruktur den bisher entwickelten Modellen gleicht, aber hoffentlich als ausreichend abstrus erkennbar ist, dass es nicht als ernst zu nehmendes Alternativmodell betrachtet werden wird: ich werde zu zeigen versuchen, dass „die Kelten“ in Wirklichkeit kleine grüne Männchen von Mars waren. Alles, was dafür notwendig ist, ist ein Ausgangspunkt, eine Annahme und ein paar mehr oder minder willkürlich gewählte Daten (archäologische Funde): • Der „unbestreitbare“ Ausgangspunkt, von dem ich ausgehe, ist, dass die Erzeuger der Latènekultur „sicherlich“ „die Kelten“ waren, die Gründe dafür (historische Nachrichten etc.) sind hinreichend bekannt und bedürfen keiner weiteren Ausführung. • Die Annahme, von der ich ausgehe, ist, dass sich niemand selbst in falscher Farbe und Größe darstellen würde. • Die Evidenzen, die ich heranziehen möchte, sind die figürlichen Kleinbronzen der Latènezeit, z. B. die ­figürliche Fibel von Dürrnberg bei Hallein Grab 134 (Moser 2010: 75) Daraus lässt sich logisch einwandfrei entwickeln, dass „die Kelten“ kleine grüne Männchen gewesen sein müssen (noch dazu mit sehr seltsamen Gesichtszügen, die ganz und gar nicht menschlich wirken). Und nachdem jeder weiß, dass kleine grüne Männchen vom Mars kommen, muss die Herkunft der Kelten folgerichtig am Mars gesucht werden. Daraus ließe sich dann in weiterer Folge auch eine Datierung entwickeln, nämlich wenigstens unmittelbar vor dem ersten Auftreten solcher Kleinplastiken. Dieses Modell ist natürlich offensichtlich absurd, zeigt aber deutlich die Argumentationsstruktur, die auch allen anderen bisherigen Modellen zur Herkunft „der Kelten“ zu Grunde liegt: wesentlich ist für alle verschiedenen Modelle einzig und allein die zentrale Annahme, was „die Kelten“ zu „Kelten“ macht, das heißt jene Eigenschaft(en), die als zur Bestimmung der Herkunft „der Kelten“ maßgeblich erachtet wird. Daraus, welche Eigenschaft das ist (bzw. welche ­Eigenschaft ein bestimmter Autor zur Herkunftsbestimmung wählt), ergibt sich dann, welche „Evidenz“ verfolgt werden muss um die Herkunft „der Kelten“ bestimmen zu können.

Das nächste Problem, dem wir uns widmen müssen, ist daher, wie man die Eigenschaft bzw. die Eigenschaften bestimmen kann, die maßgeblich sind um „die Kelten“ überhaupt erst als „Kelten“ bestimmen zu können. Dies ist tatsächlich auch die andere zentrale Frage, mit der sich unsere Wissenschaften seit ihrer Entstehung beschäftigen: Was sind „die Kelten“ überhaupt? Was sind „die Kelten“? Bevor wir uns der eigentlichen Frage zuwenden, auch hier ein kurzer historischer Überblick um wesentliche Gemeinsamkeiten bisheriger Vorschläge herauszuarbeiten. Die frühen Antiquare Als „frühe Antiquare“ bezeichne ich hier jene Personen, die sich (hauptsächlich zwischen dem späten 16. und Mitte des 19. Jahrhunderts n.Chr.) vor der Entwicklung der wissenschaftlichen Spezialdisziplinen, die sich heute mit „den Kelten“ beschäftigen, mit der „(Vor-) Geschichte der Kelten“ beschäftigt haben. Diese gingen, aufbauend auf den historischen Nachrichten aus der klassischen Antike, davon aus, dass ein „Volk“ bzw. eine „Rasse“ namens „Kelten“ existierte bzw. in der Antike existiert hat. Gemäß den in diesen Zeiten vorherrschenden wissenschaftlichen Praktiken, die letztendlich der aristotelischen Logik folgten (dazu später noch mehr), waren die frühen Antiquare in erster Linie daran interessiert die charakteristischen Eigenschaften, die diese „Kelten“ auszeichneten, zu beschreiben. Dass „Völker“ bzw. „Rassen“ (eine strenge Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen wurde zu dieser Zeit gemeinhin nicht vorgenommen) bzw. die Angehörigen solcher sich durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften auszeichneten, war – der Praxis der antiken Ethnographie folgend – weitgehend unbestritten, ebenso dass es sich dabei sowohl um charakteristische physische, mentale und spirituelle, aber auch um kulturelle und linguistische Eigenschaften handelte. Um zu Ergebnissen zu kommen verließen sich die frühen Antiquare dabei durch die Bank auf ein wenig ausgeformtes Verständnis induktiver Logik, gewöhnlich auf Basis von eigenen Beobachtungen und / oder

Beschreibungen verlässlicher Gewährsleute. Wurde eine Beobachtung eines einzelnen Elements oder Vertreters der angenommenen Gruppe (des „Volks“ bzw. der „Rasse“) „X ist gekennzeichnet durch Eigenschaft Y“ wiederholt gemacht, wurde daraus erschlossen, dass auch die allgemeine Aussage „alle X sind gekennzeichnet durch Eigenschaft Y“ wahr sei. Auf dieser Basis wurde der Begriff „keltisch“ bzw. die Bezeichnung „Kelten“ als eine generische ethnische bzw. rassische Bezeichnung für alle in der westeuropäischen Urgeschichte gelebt habenden Personen und deren Hinterlassenschaften verwendet. Die Verwendung basierte dabei in erster Linie auf biblischen Chronologien und Erklärungsmodellen (so z. B. die Wanderungen nach dem Fall des Turms zu Babel und der babylonischen Sprachverwirrung; cf. Collis 2003; Morse 2005). Erklärungen waren – wenigstens im Sinn der sich später abspaltenden Einzeldisziplinen – noch weitgehend „holistisch“, d. h. die Begriffe „keltisch“ und „Kelten“ wurden quer über die sich erst entwickelnden fachlichen Spezialisierungen hinweg verwendet. Die frühen Fachwissenschafter Als “frühe Fachwissenschafter” bezeichne ich hier jene Personen, die sich (hauptsächlich von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts n.Chr.) darum bemüht haben ihre sich (unter anderem auch) mit „Kelten“ befassenden jeweiligen wissenschaftlichen Spezialgebiete in eigenständige akademische Disziplinen zu verwandeln bzw. innerhalb der sich bereits entwickelt habenden akademischen Einzelfächer ihren jeweiligen Forschungsgegenstand präziser zu fassen. Diese haben, manchmal zum Zweck ihre eigene Spezialdisziplin von anderen „antiquarischen“ bzw. „historischen“ Disziplinen abzuheben, öfter aber wohl rein der inneren Logik ihrer im Entstehen begriffenen oder bereits entstandenen Disziplin folgend, zu bestimmen versucht, was bzw. welche Eigenschaften bestimmte klassifikatorische Gruppen innerhalb ihrer jeweiligen Disziplin charakterisierten. Dabei ist dieser „disziplinäre“ Ausformungsprozess natürlich nicht in allen Einzelfächern exakt gleichzeitig abgelaufen: die „Konkretisierung“ einer historischen Sprachwissenschaft begann zweifellos bereits im frühen 18. Jahr-

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hundert mit Arbeiten wie jener von Lhuyd, auch wenn sie wohl erst im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu einem Abschluss kam. Geschichte und physische Anthropologie folgten hauptsächlich im frühen bis mittleren 19. Jahrhundert, die („keltische“) Kunstgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Archäologie gegen Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert (cf. Collis 2003). Bereits mehr oder minder stark dem Positivismus verpflichtet, versuchte man nun in erster Linie mittels induktiver Logik die charakteristischen Eigenschaften des „eigenen Forschungsgegenstandes“ genauer zu definieren und entfernte sich damit natürlich bis zu einem gewissen Grad voneinander. Dennoch wurde, den antiken Zeugnissen und der antiquarischen Tradition folgend, die Existenz eines (antiken) „keltischen“ Volkes bzw. einer ebensolchen „Menschenrasse“ weiterhin vorausgesetzt. Und nachdem man – ebenfalls der antiquarischen Tradition folgend, aber auch um weiterhin wenigstens bis zu einem gewissen Grad auch miteinander über entstehende disziplinäre Grenzen hinweg sprechen zu können, von jeder einzelnen Fachwissenschaft versucht die eigenen „disziplinären“ Erklärungen und Klassifizierungen mit einer großen Metaerzählung der europäischen (Vor-) Geschichte zu verbinden. Dennoch entwickelte jede Einzeldisziplin nun ihre eigenen – wenigstens einen, manchmal mehrere – Keltenbegriffe und Keltendefinitionen. In der Sprachwissenschaft wurden nun Sprachen mit bestimmten, charakteristischen Eigenschaften als „keltisch“ klassifiziert, in der Kunstgeschichte ein bestimmter Stil, in der Archäologie bestimmte Materialkulturen, etc. Die jeweiligen Keltenbegriffe wurden also nun nur mehr bedingt (nämlich soweit das zur Einbindung in die Metaerzählung notwendig war) holistisch verstanden, sondern ihre innerdisziplinäre Bedeutung stand im Vordergrund. Dennoch hatte sich daran, was gesucht wurde, wenig geändert: das, was charakteristisch „keltisch“ war. Die traditionellen Keltologen Als „traditionelle Keltologen“ bezeichne ich, mehr oder minder der Diktion von John Collis (2010: 37) folgend, jene Wissenschafter, die sich (hauptsächlich zwi-

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schen spätem 19. und frühem 21. Jahrhundert n.Chr.) mit „den Kelten“ in interdisziplinärer Weise beschäftigt haben und die dabei wenigstens bis vor kurzem vor allem das oben als „Standardmodell“ bezeichnete Modell vertreten haben, vor allem aber ebenfalls davon ausgegangen sind, dass ein „Volk“ (moderner eventuell als „Ethnie“ bezeichnet) bzw. eine „Rasse“ namens „Kelten“ in der Antike existiert hat. Diese Annahme beruht natürlich in erster Linie neuerlich auf den historischen Berichten aus der klassischen Antike, zusätzlich verstärkt durch die antiquarischen und frühen fachwissenschaftlichen Traditionen „die Kelten“ als real existierendes Objekt zu betrachten. Als mehr oder minder interdisziplinär arbeitende Wissenschafter versuchten und versuchen diese „traditionellen Keltologen“ die einzelnen disziplinären Traditionen auf die eine oder andere Art zu synkretisieren und kamen dadurch zum oben genannten „Standardmodell“, das sozusagen als der „kleinste gemeinsame Nenner“ der einzelnen disziplinären Traditionen und Erklärungsmodelle angesehen werden kann. Ziel der Synthetisierung war und ist dabei die „gemeinkeltischen“ Eigenschaften zu identifizieren, die „die Kelten“ überhaupt erst zu „den Kelten“ machen. Die dem „Standardmodell“ zu Grunde liegende Snythetisierung hat sich dabei deshalb besonders angeboten, weil sie durch eine gewisse Korrespondenz bestimmter, in den einzelnen Fachwissenschaften maßgeblicher, Eigenschaften deutlich begünstigt wird: die wenigstens in der späten Eisenzeit tatsächlich gebenene, doch einigermaßen deutliche, wenn auch nicht exakte, Überschneidung der Verbreitungsgebiete von sprachwissenschaftlich bestimmten „keltischen Sprachen“, kunstgeschichtlich bestimmter „keltischer Kunst“, archäologisch bestimmter „keltischer Materialkultur (Archäologie)“ und historisch nachweisbarer „Keltenbelege“ in antiken Nachrichten. Dass diese Überschneidung besteht, beruht zwar wenigstens teilweise auch darauf, dass die sich entwickelnden Einzeldisziplinen ihre jeweiligen Fachbegriffe in antiquarischer Tradition in Hinblick auf eine „gemeinsame“ Metaerzählung entwickelt haben, ist aber auch bei „unvoreingenommener“ Betrachtung der ­Evidenz tatsächlich gegeben, wenigstens im späteisenzeitlichen Gallien. Das ermöglichte bzw. erleichterte die Anwendung (probabilistischer) induktiver Logik

auf „die Kelten“ als Gesamtheit: wenn sich die Beobachtung „Sprache X überschneidet sich mit Kunst X, Archäologie X und historischen Nennungen von X“ wenigstens einigermaßen oft wiederholen lässt, lässt sich daraus der wahrscheinlichkeitsinduktive Schluss „Sprache X überschneidet sich (so gut wie) immer mit Kunst X, Archäologie X und historischen Nennungen von X“ ziehen und lassen sich somit „charakteristische keltische Eigenschaften“ scheinbar identifizieren. Annahmen und Aufgaben Was alle diese Ansätze, seien sie die der frühen Antiquare, der Fachwissenschafter oder der traditionellen Keltologen, verbindet, sind einige grundsätzliche Annahmen und eine bestimmte Vorgehensweise. Die erste grundsätzliche Annahme, die alle diese ­Ansätze verbindet, ist der als Grundprämisse zu verstehende Glaube, dass „die Kelten“ als eine ontische Entität existiert haben (oder auch noch existieren), das heißt als ein „Ding“, das eo ipso, also unabhängig von Beobachtern oder unseren Denkprozessen, existiert hat oder noch existiert. In anderen Worten: etwas, das es wirklich gab (oder auch noch gibt), etwas, das völlig unabhängig davon, was wir uns denken, da war oder da ist, wie ein Tisch oder ein Sessel. Die zweite grundsätzliche Annahme, die alle diese Ansätze verbindet, ist die ebenfalls als Grundprämisse zu verstehende Vorstellung, dass „die Kelten“ als ontische Entität ebenso zu betrachten, zu verstehen, zu behandeln und natürlich auch zu untersuchen sind wie alle anderen (physischen, eo ipso existierenden) Dinge. Nachdem in klassischer westlicher Logik Aristoteles und Platon folgend davon ausgegangen wird, dass Dinge eine charakteristische (eindeutige) Form haben, also Eigenschaften haben, die eindeutig und ausschließlich nur für das eine „Ding“ charakteristisch sind, werden solche ontischen Entitäten als (intern) einheitlich und gleichförmig, also als uniform, betrachtet. Gleichzeitig wird damit auch angenommen, dass ihre Ontogenese (die Geschichte des strukturellen Wandels einer Einheit ohne Verlust ihrer Organisation) der anderer (physischer) „Dinge“ entspricht: dass sie an einem bestimmten Punkt in Zeit und Raum entstehen, dass sie dann eo ipso existieren, dass sie sich zwar ändern können, aber wenn sie sich

ändern, dennoch ihre Uniformität bewahren (so wie ein Mensch oder ein Gegenstand zwar altern und sich dadurch verändern kann, aber dennoch weiterhin der Mensch bzw. der Gegenstand bleibt, der er früher war und auch weiterhin, wenigstens zu jedem konkreten Zeitpunkt innerhalb seiner Ontogenese, intern einheitlich und gleichförmig bleibt), und dass sie gegebenenfalls auch aufhören können zu existieren, also z. B. sterben oder zerstört werden. Daraus leiten sich dann die Aufgaben ab, die man als in der oben ausgeführten Tradition „keltologisch“ ­forschender Wissenschafter erfüllen muss um „das Keltische“ auch korrekt identifizieren zu können: man muss die Eigenschaften finden, die wiederholt beobachtet werden können (also die einander ähnlich oder gar gleich sind) und die einzigartig für „die Kelten“ sind, die also „das Keltische“ eindeutig charakterisieren. Hat man diese „eindeutig charakteristischen“ Eigenschaften erst einmal gefunden, dann erweist sich alles, was diese Eigenschaften ebenfalls aufweist, als „keltisch“. Indem man diese Eigenschaften dann in die Vergangenheit zurückverfolgt, kann man sich zum „Ursprung“ des „Keltischen“ zurückhanteln und somit die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ beantworten. Die essentialistische Methode von Aristoteles (384–322 v.Chr.) Diese Vorgehensweise geht letztendlich auf einen jener Autoren zurück, dem wir auch einige antike Nachrichten zu „den Kelten“ verdanken, nämlich auf den bekannten griechischen Philosophen Aristoteles. Die Bestimmung dessen, was „die Kelten“ nun wirklich zu „den Kelten“ macht, beruht nämlich letztendlich auf Aristoteles Erklärung, wie man zu „wahrem Wissen“ über die Welt gelangen kann, also auf seiner Epistemologie. Aristoteles hat dazu eine Methode entwickelt, die auf sogenannten essentialistischen Definitionen beruht. Er unterscheidet nämlich zwischen zwei Arten von Wissen: demonstrativem und intuitivem Wissen. Demonstratives Wissen ist solches Wissen, das bewiesen werden kann, indem man auf Prämissen aufbauend logische (induktive, abduktive oder deduktive) Schlussfolgerungen zieht: sind die Prämissen richtig, ist, so kann man verkürzt sagen, auch die Schlussfolge-

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rung richtig. Nun besteht jedoch ein ernstes logisches Problem mit demonstrativem Wissen: nachdem demonstratives Wissen stets auf Prämissen aufbauen muss, können wir nicht alles Wissen beweisen, denn die Prämissen würden wiederum selbst bewiesen werden müssen, was jedoch weitere Prämissen voraussetzt, die ihrerseits wieder bewiesen werden müssten, ad infinitum. Der Versuch alles Wissen zu beweisen führt also in einen unendlichen Regress. Daher, sagt Aristoteles, müssen wir die Existenz von Grundprämissen annehmen. Grundprämissen sind solche Prämissen, deren Wahrheit nicht bezweifelt werden kann und die daher keines Beweises bedürfen (Popper 1980: 16). Nachdem ihre Wahrheit nicht gezeigt (demonstriert) werden muss, ja gar nicht demonstriert werden soll oder kann, kann ihre Wahrheit nur intuitiv erfasst werden. Aristoteles schreibt dazu: „das Wissen um ein Ding besteht in der Kenntnis seines Wesens“ (Aristoteles, Metaphysik 1031b20; zitiert bei Popper 1980: 16). Dieses Wesen, so nimmt Aristoteles an, kann man erkennen, indem man die ontische Wirklichkeit beobachtet. Was ist nun aber dieses nur intuitiv zu erfassende „Wesen“ eines Dinges? Es ist dies eine Beschreibung der wesentlichen, der essentiellen, einzigartigen Eigenschaften eines Dinges, seine Definition: „Eine Definition ist ein Satz, der das Wesen eines Dinges beschreibt“ (Aristoteles, Topica I 5, 101b36; zitiert bei Popper 1980: 359) und: „Die Grundprämissen von Beweisen sind Definitionen“ (Aristoteles, Post. Analytik II 3, 90b23; zitiert bei Popper 1980: 16, 359). Dabei ist es natürlich von eminenter Bedeutung, dass solche Definitionen tatsächlich die essentiellen, und nicht etwa nur akzidentielle, d. h. nicht wesentliche, Eigenschaften des intuitiv erkannten Dinges beschreiben: ein Satz wie „Ein Fohlen ist ein Tier mit vier Beinen“ ist zwar an sich „wahr“, aber es gibt auch zahlreiche andere Tiere mit vier Beinen, die Eigenschaft vier Beine zu haben ist also für die „Fohlenheit“ nicht wesentlich. Der Satz „Ein Fohlen ist ein junges Pferd“ hingegen beschreibt eine (die) wesentliche Eigenschaft der „Fohlenheit“, weil ein junges Pferd zu sein eben die einzigartige, charakteristische Eigenschaft ist, die ein Fohlen zu einem Fohlen macht (Popper 1980: 17). Daraus folgt, dass letztendlich alles Wissen in den Grundprämissen bereits enthalten ist (Popper 1980:

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16) und dass, wenn wir nur unsere Definitionen richtig wählen, die Antwort auf jede Frage, die Lösung eines jeden (wissenschaftlichen) Problems sich nahezu ganz von selbst ergibt: es muss nur mit stringenter Logik aus den Grundprämissen die Antwort bzw. Problemlösung abgeleitet werden. Darum ist der Bestimmung der Grundprämisse, was nun „die Kelten“ zu „den Kelten“ macht, was ihre essentiellen Eigenschaften sind, in den bisherigen Beschäftigung mit den Kelten derart maßgebliche Bedeutung zugemessen worden. Um nur ein Beispiel dafür zu bringen, dass den Definitionen bis heute solch eminente Bedeutung zugemessen wird, ein Zitat aus einer jüngeren Arbeit von Otto H. Urban zu einer Methode der keltischen Archäologie: „Am Anfang jeglicher Methode stehen – insbesondere in der Tradition deutschsprachiger Wissenschaften – Definitionen bzw. Wort­ erklärungen, welche den Rahmen abstecken sollen.“ (Urban 2007: 595). Die „neuen Keltologen“ Als „neue Keltologen“ bezeichne ich, wiederum mehr oder minder der Diktion von John Collis (2010: 34– 9) folgend, jene Personen, die sich (hauptsächlich im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert n.Chr.) kritisch gegen das „Standardmodell“ und generell den Ansatz der „traditionellen Keltologen“ geäußert haben. Diese wurden in der Vergangenheit (auch von mir selbst) oft, hauptsächlich einem Artikel von ­ Patrick SimsWilliams (1998) folgend, als „Keltoskeptiker“ bezeichnet, ein Begriff der jedoch inzwischen auch meiner Meinung nach eine Fehlbezeichnung ist (cf. Collis 2010: 34). Abgesehen von wissenschaftsgeschichtlichen und -poli­tischen Überlegungen,die aber hier von geringerer Bedeutung sind, kennzeichnet sich das ­Kernargument der „neuen Keltologen“ in erster Linie dadurch, dass diese (auf methodisch stringentere und auf wesentlich detaillierterer Beobachtung der Evidenz beruhender Weise) gezeigt haben, dass die von den „traditionellen Keltologen“ (angeblich oder tatsächlich) angenommene „Uniformität“ der „antiken Kelten“ keineswegs so „uniform“ ist, wie (angeblich oder tatsächlich) von den „traditionellen Keltologen“ behauptet. Um dies zu erreichen haben sich die „neuen Kelto-

logen“ in erster Linie darauf konzentriert darauf hinzuweisen, dass die angebliche Überschneidung der Verbreitung von „keltischen Sprachen“, „keltischer Kunst“, „keltischer Archäologie“ und von „Keltenbelegen“ in historischen Nachrichten nicht vollständig ist, sondern eben nur in gewissen Gebieten zu gewissen Zeiten besteht, in anderen Regionen der „traditionellen keltischen Welt“ hingegen nicht (cf. Collis 2003). Ein klassisches und nahezu mantraartig wiederholtes Argument ist dabei insbesondere in Bezug auf die (angeblichen) „Kelten“ der britischen Inseln, dass diese weder in irgendwelchen antiken Nachrichten als „Kelten“ bezeichnet wurden (zuletzt wieder Collis 2010: 33), aber dennoch von den „traditionellen Keltologen“, Edward Lhuyd folgend, stets als „Kelten“ bezeichnet und betrachtet werden. Für das „Standardmodell“ und die (angeblichen oder tatsächlichen) Argumente der „traditionellen Keltologen“ noch problematischer haben die „neuen Keltologen“ (wenigstens teilweise) auch gezeigt, dass sogar eine „keltische Sprache“ nicht gleich ­beliebige andere „keltische Sprachen“ ist, eine ­„keltische ­Archäologie“ nicht gleich beliebige andere „keltische Archäologien“, ja sogar „Keltenbelege“ in einer historischen Nachricht keineswegs mit „Keltenbelegen“ in anderen historischen Nachrichten ­übereinstimmen (cf. Collis 2003). Daraus haben die „neuen Keltologen“ dann abgeleitet, dass es die (angeblich notwendige) „Uniformität“ der „Kelten“ der „traditionellen Keltologen“ nicht gibt und daher die von diesen als „essentielle“ Eigenschaften „der Kelten“ bestimmten bzw. betrachteten Eigenschaften keine „essentiellen“ Eigenschaften „der Kelten“ sein könnten – und daraus gefolgert, dass es „die Kelten“ der „traditionellen Keltologen“ nicht gab bzw. gibt. Immer noch die gleiche essentialistische Denkweise Trotz dieses scheinbar maßgeblichen Unterschieds zwischen „traditionellen“ und „neuen Keltologen“ hat sich jedoch an der zu Grunde liegenden Denkweise kaum etwas geändert. Für die „traditionellen Keltologen“ war die ­logische Formel zur Bestimmung der „Keltizität“ einer be-

stimmten Region, Zeit oder eines bestimmten Untersuchungsgegenstandes die Folgende: „X (das Keltische) ist charakterisiert durch die Koinzidenz (das gemeinsame Auftreten) von Eigenschaften a (z. B. Sprache), b (z. B. Latènekunst), c (z. B. Latènekultur), etc.“. Nachdem sich die „traditionellen Keltologen“ tatsächlich traditionellerweise auf die Beobachtung von Ähnlichkeiten konzentriert haben, sind sie normalerweise zum gleichen Ergebnis gekommen, eben (großteils) zum oben beschriebenen „Standardmodell“ und der Vorstellung ­einer weitgehend einheitlichen „keltischen“ Kultur. Die „neuen Keltologen“ haben sich hingegen bei ihren Beobachtungen auf Unterschiede zwischen diesen Regionen, Zeiten etc. konzentriert und diese „Unterschiede“ in die gleiche Formel eingesetzt. Nachdem sie durch das Einsetzen von Unterschieden nicht zu einer Koinzidenz der als „essentiell“ postulierten Eigenschaften gelangen, schließen sie daraus, dass die „traditionelle Definitionsformel“ für „das Keltische“ eben nicht die essentiellen Eigenschaften „des Keltischen“ erfasst und daher „die Kelten“ nicht in der von den „traditionellen Keltologen“ postulierten Form existiert haben können. Die grundsätzliche Suche nach der „essentiellen“ Eigenschaft „der Kelten“ haben aber auch die „neuen Keltologen“ keineswegs aufgegeben, ganz im Gegenteil: es wird nur eine andere Eigenschaft gewählt und zur essentiellen Eigenschaft „der Kelten“ erklärt, nämlich ihre „Ethnizität“. Ist Koinzidenz das Kernproblem? Tatsächlich ist der Unterschied hier zwischen den ­„traditionellen“ und den „neuen Keltologen“ bestenfalls marginal: das „Problem“ der nicht gegebenen (bzw. bloß unvollständig gegebenen) Koinzidenz ist seit langem auch den „traditionellen Keltologen“ nicht nur bekannt, sie haben es auch (durch ihre Vorgehensweise gezwungener Maßen) schon seit langem dadurch zu lösen versucht, dass sie einfach eine bestimmte Eigenschaft als „primär essentiell“ hervorgehoben, die anderen (teilweise mit der als „primär essentiell“ überlappenden) Eigenschaften hingegen als von nur „sekundärer“ Essentialität, oder sogar als nur akzidentielle Eigenschaften, betrachtet haben. Ein aktuelles Beispiel dafür:

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„Of the various possible definitions of Celtic, a proven a­ ffiliation with the Celtic languages or (for non-linguistic evidence) a demonstrable close connection with them holds the advantages of detailed scientific ­precision and a remarkable theoretical stability since the Celtic ­linguistic f­amily was discovered by the Oxford Welshman Edward Lhuyd over 300 years ago.” (Cunliffe & Koch 2010: 1–2) Für Cunliffe und Koch ist also die “essentielle” ­Eigenschaft, die “die Kelten” erst zu “den Kelten” macht die Affiliation mit keltischen Sprachen, alle anderen Eigenschaften sind für sie akzidentiell, d. h. letztendlich nicht maßgeblich. Kurz zusammengefasst könnte man ihre Definition (d. h. ihre Grundprämisse) wie folgt ausdrücken: „Ein Kelte ist, wer keltisch spricht“. Die „neuen Keltologen“ folgen in dieser Beziehung aber dem exakt gleichen Prinzip, setzen bloß eine andere Eigenschaft als „primär essentielle“ Eigenschaft der „Keltizität“ ein. Sie gehen sogar, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen, so weit ganz explizit die Existenz von Kelten zu behaupten: “Despite constant repetition by the Megaws, especially ­verbally, we have never claimed that the Celts, either Ancient or Modern, did not exist. My own simple definition of ­ethnicity is that ‘people are what they believe they are’ and secondly can be ‘what other people think they are’” (Collis 2010: 34; cf. Collis 2003: 228) sowie “As we have seen, ‘Celtic’ is a genuine term in the context of ancient continental Europe, although its exact meaning, and the geographical extent of the Celts, are disputed.” (James 1999: 34–5) und “Currently, the concept of the ‘ethnic group’ has been adopted as an acceptable alternative to the more loaded terms used to describe human groupings: we have seen that words like ‘race’ or ‘culture’ are seriously compromised.The key change is that the definition of such groups now depends not on outsiders such as anthropologists, but on self-definition, by the group in question. It expresses the recognition that other people’s own views of their identity and affiliations should be given prominence. On this definition, true ethnic groups must have an ‘ethnonym’, a self-name: names imposed by outsiders do not count, unless they are taken up by those who are labelled.” (James 1999: 67). Wo also Cunliffe und Koch “keltische Sprachen” als Grundprämisse bzw. Definition einsetzen, setzen Collis und James “keltische Ethnizität“ ein. Kurz zusammengefasst könnte man diese Definition (d. h. die

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Grundprämisse der „neuen Keltologen“) so ausdrücken: „Ein Kelte ist, wer sich für einen Kelten hält oder von seinen Zeitgenossen für einen Kelten gehalten wird“. Das Problem ist also nicht die Koinzidenz von Eigenschaften, das Problem ist, welche Eigenschaften als wirklich „essentiell“ betrachtet werden. Das Problem mit intuitivem Wissen Das eigentliche Problem, das “traditionelle” und “neue Keltologen” sowohl trennt als auch vereint, ist, dass beide Lager ihre Argumente auf intuitivem Wissen im aristotelischen Sinn aufbauen. Weder die einen noch die anderen fragen sich, was denn „die Kelten“ ausmacht, sondern wissen es, ganz wie Platons Philosophen-König (cf. Watzlawick 2001: 102), bereits a priori, wissen es intuitiv – und werfen sich dann gegenseitig vor, dass die jeweils anderen „die Kelten“ falsch definieren. Für die „traditionellen Keltologen“ können das verschiedene Eigenschaften sein: so „weiß“ zum Beispiel John Koch (2007: 3; Cunliffe & Koch 2010: 1–2) intuitiv, dass „keltische Sprache“ essentiell für die Bestimmung „des Keltischen“ ist. Vincent und Ruth Megaw hingegen „wissen“ ebenso intuitiv, dass „keltische Kunst“ bzw. „keltische Archäologie“ (Megaw & Megaw 2001: 11–12) essentiell für die Bestimmung „des Keltischen“ ist. Ludwig Pauli (1980: 21–3) und Otto Urban (2007: 600, 607) „wissen“ hingegen intuitiv, Richard Pittioni (1959) folgend, dass es die „keltische Kunst“ in Verbindung mit „historischen Kelten­nennungen“ ist, die „die Kelten“ überhaupt erst zu „den Kelten“ macht. Für die “neuen Keltologen” ist es hingegen mehr oder minder exklusiv die „keltische Ethnizität“ bzw. die „Selbst- oder Fremdbezeichnung als Kelten“: so „weiß“ John Collis (2003; 2010), dass es die „Ethnizität“ ist, die „die Kelten“ überhaupt erst zu „den Kelten“ macht, und so „weiß“ auch Simon James (1999) intuitiv, dass nur diese Definition akzeptabel und jede andere inakzeptabel (James 1999: 81) ist. Ob „traditioneller“ oder „neuer Keltologe“, es wird also die gleiche Logik verwendet, es wird bloß von anderen (Grund-)Prämissen ausgegangen. Unter dieser Voraussetzung ist es nicht nur wenig überraschend, dass man bei unterschiedlichen Ergebnissen anlangt, es

zeigt auch das grundsätzliche Problem, dass der ganzen Diskussion zu Grunde liegt: ganz offensichtlich ist das Problem, dass intuitives Wissen nicht besonders verlässlich ist (oder eigentlich, um es etwas deutlicher zu formulieren, dass intuitives Wissen komplett unverlässlich und nicht Wissen, sondern reiner Glaube ist). Einige Gedanken von Karl R. Popper (1902–1994) zum Thema Definitionen Karl R. Popper hat sich bereits vor geraumer Zeit recht ausführlich zu dem Problem – wenn auch nicht im Zusammenhang mit der Keltendiskussion, sondern ganz allgemein – geäußert: „Die Entwicklung des Denkens seit Aristoteles läßt sich, wie mir scheint, so zusammenfassen: Jede Disziplin, die die aristotelische Methode des Definierens verwendet hat, blieb in einem Stadium leerer Wort­macherei und in einem unfruchtbaren Scholastizismus stecken, und das Ausmaß, in dem die verschiedenen Wissenschaften fähig waren, Fortschritte zu machen, hing ab von dem Ausmaß, in dem sie fähig waren, sich von dieser essentialistischen Methode zu befreien. (Das ist der Grund, warum ein so großer Teil unserer ‚Sozialwissenschaften‘ noch immer im Mittelalter steckt.)“ (Popper 1980: 15). Genau das machen wir seit Jahrhunderten für die Bestimmung der Frage, was „die Kelten“ denn nun wirklich seien: wir versuchen die „richtige“ aristotelische Definition zu finden, die die essentiellen ­Eigenschaften „der Kelten“ intuitiv richtig erfasst – und scheitern damit kläglich. Dennoch beharren wir darauf, dass es unsere Definitionen sind, die wir besser, schärfer fassen müssen, damit wir endlich weiter kommen: so argumentiert John Collis, dass die Unschärfe und Ungenauigkeit, die Mehrdeutigkeit der von uns verwendeten Definitionen eines der hauptsächlichen Probleme ist, mit denen wir zu kämpfen haben (cf. Collis 2003: besonders 223–9), dass diese schon in der Antike zu vieldeutig sind, und dass ­ klarere, schärfer gefasste Definitionen notwendig wären. In die gleiche Kerbe schlägt das Argument von Barry Cunliffe und John T. Koch (2010: 1–2): die Definition über die Sprache hat angeblich den Vorteil der wissenschaftlichen Genauigkeit. Dabei bringen uns aber genauere, eindeutigere, ­weniger vieldeutige Definitionen keinesfalls weiter: wie ebenfalls Popper (1980: 24–9) schon vor geraumer

Zeit gezeigt hat, führen genauere Definitionen ebenfalls bloß in einen unendlichen Regress. Denn letztendlich besteht auch eine noch so genau bestimmte Definition nur aus Begriffen, die – um den definierten Begriff genau erfassen zu können – ihrerseits wieder definiert werden müssen, was aber neuerlich nur durch weitere Worte geschehen kann, die ihrerseits wieder definiert werden müssen, neuerlich ad infinitum. Daraus hat Popper den folgenden zwingenden logischen Schluss gezogen: „Daraus folgt, daß in der Wissenschaft alle wirklich notwendigen Begriffe undefinierte Begriffe sein müssen.“ (Popper 1980: 26). Epistemologischer Keltoskeptizismus Das angebliche Fehlen einer „facheigenen“ Epistemologie oder die Notwendigkeit die Wissenschaftstheorie zu bemühen um besser zu verstehen, wie wir den Keltenbegriff schaffen, ist etwas, das zuletzt bereits von mehreren an der Debatte beteiligten Kolleginnen und Kollegen angemerkt wurde (z. B. Collis im Abstract zu seinem Tagungsbeitrag in Hallein; Rieckhoff 2007: 35). Ich bin jedoch der Ansicht, dass wir einen solchen erkenntnistheoretischen Ansatz – eben einen essentialistischen Ansatz – seit Anbeginn unserer wissenschaftlichen Beschäftigung mit „den Kelten“ verfolgen und die Debatte in erster Linie deshalb in leeren Wortgefechten stecken geblieben ist, weil wir uns eben nicht mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen dessen, was wir tun, beschäftigt haben, oder wenigstens nicht ausreichend beschäftigt haben – ein Problem, das ­übrigens insbesondere auch die deutschsprachige ­Archäologie betrifft (cf. Karl 2010). Ernsthafte Versuche die Debatte in dieser Richtung voranzutreiben sind allerdings bisher ausgeblieben (aber cf. Karl 2004). Nominalistische statt essentialistische Definitionen Ein möglicher Weg zur Lösung unseres „Keltenproblems“ ist meiner Meinung nach der unseren (bisher weitgehend unerkannten und vor allem nicht diskutierten) erkenntnistheoretischen Ansatz zu ändern und von einem Keltoessentialismus weg zu einem echten, epistemologischen Keltoskeptizismus zu wechseln. Der erste Schritt dazu ist die aristotelische Methode des

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essentialistischen Definierens endlich aufzugeben und stattdessen nominalistische Definitionen zu verwenden (Popper 1980: 21–2). Nominalistische Definitionen unterscheiden sich insofern von essentialistischen Definitionen, dass Letztere eine Antwort auf die Frage „Was ist X?“ geben sollen, während Erstere nur die Frage „Wie sollen wir X nennen?“ beantworten. In einer nominalistischen Definition ist das Definiendum (z. B. das Wort „keltisch“) ein beliebiger Signifikand, also ein Code, der nicht notwendigerweise auf irgendetwas Bezug nimmt, das tatsächlich eo ipso existiert. Im Gegensatz zu einer essentialistischen Definition, die die ontische Existenz des Definiendums als ein unabhängig vom Beobachter tatsächlich existierendes Objekt, als etwas, das einem physischen ­ Gegenstand entspricht, voraussetzt, können mittels einer nominalistischen Definition auch Abstrakta beschrieben werden, also auch Konzepte, die ausschließlich in unserer Vorstellung existieren, die wir sozusagen „erfunden“, nicht „gefunden“ haben. Das Definiendum in einer nominalistischen Definition ist nicht mehr als ein Etikett, ein kurzes Wort, das wir benutzen um nicht jedesmal, wenn wir über das, worüber wir sprechen, sprechen wollen, eine lange Definitionsformel sagen zu müssen, die das Definiens ausmacht, also das, was das Signifikat ist, die Beschreibung dessen, was wir mit diesem kurzen Wort bezeichnen. Es ist das Definiens, das Signifizierte, nicht das Definiendum, worüber wir eigentlich reden wollen und das Definiendum dient ausschließlich dem Zweck ein lange Rede kürzer zu machen. Das Definiendum ist letztendlich nicht mehr als eine Beschreibung dessen, worüber wir tatsächlich reden wollen, z. B. eine klassifikatorische Zusammenfassung bestimmter Daten, eine einschließende (nicht ausschließende) Liste von Eigenschaften, die etwas miteinander zu tun haben können, aber nicht notwendigerweise etwas miteinander zu tun haben müssen. So zum Beispiel benutzt man im Englischen das Wort „chair“ als bezeichnendes Etikett, als Definiendum, für eine Art von Sitzmöbel (den „Stuhl“), aber auch als Bezeichnung für eine Universitätsprofessur (den „Lehrstuhl“) und die leitende Position z. B. in Sitzungen („the chair of a meeting“). Das gleiche Beispiel funktioniert, wenn auch etwas anders, in der deutschen Sprache, in der das Wort Stuhl sowohl für das

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schon genannte Sitzmöbel als auch für bestimmte Ausscheidungen des Menschen verwendet werden kann. Zwar lässt sich in beiden Fällen die Polysemie dieser Begriffe historisch erklären (so zum Beispiel bei der Bedeutung „Universitäts­professor“ dadurch, dass Universitätsprofessoren – wenigstens bis vor einiger Zeit – sich dadurch ausgezeichnet haben, dass sie einen Sitz – und damit natürlich auch einen Stuhl – in den Leitungsgremien ihrer jeweiligen Universität hatten), ein direkter Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bedeutungen besteht jedoch (wenigstens heute) nicht (mehr) und schon gar nicht ist das eine das Gleiche wie das andere (ich persönlich würde mich zum Beispiel normalerweise dagegen wehren, wenn mich jemand als Sitzmöbel benutzen wollen würde). In ähnlicher Weise kann auch der Begriff „Kelten“ nominalistisch definiert werden z. B. als: „Das Wort keltisch benutze ich für eine bestimmte Sprachfamilie oder einen bestimmten Kunststil oder bestimmte archäologische Materialkulturen oder für ethnische Identität(en) in der Antike oder (eine) andere ethnische Identität(en) in der Gegenwart etc.“ (cf. Karl 2010: 47). Wichtig ist dabei auch zu akzeptieren, dass dies als nominalistische Definition eine einschließende, keine ausschließende Definition ist: sie nennt nicht die einzigartigen, charakteristischen, das Definiendum von allen anderen Definienda eindeutig unterscheidenden, Eigenschaften, sondern nennt die Eigenschaften oder Dinge, die wir – aus welchen Gründen auch immer – (auch) mit dem von uns verwendeten Begriff bezeichnen (wollen). Wenn Collis (2010: 37–8) also argumentiert, dass die „Bausteine“, die meiner Meinung nach viele (wenngleich nicht unbedingt alle) „keltische“ Gesellschaften (von Antike bis Mittelalter) im Aufbau ihrer sozialen Organisation benutzen (Karl 2006), wie z. B. ein „Königtum“ (auch wenn ich dieses eher als Produkt der sozialen Prozesse betrachte, die ich als die eigentlichen „Bausteine“ der „keltischen“ sozialen Systeme ansehe), nicht „einzigartig für ‚keltische Gesellschaften‘“ seien, sondern „weltweit auftreten“ würden (Collis 2010: 38), so hat er nicht verstanden, dass ich nicht behauptet habe, noch behaupten möchte, dass das „Königtum“ eine einzigartige, wesentliche, d. h. essentielle Eigenschaft „keltischer“ Sozialstrukturen sei (was auch absurd wäre), durch die sich diese von allen anderen Sozialsystemen dieser Welt unter-

scheiden würden, sondern vielmehr sage, dass „Königtümer“ auch in vielen keltischen Sozialsystemen auftreten würden. Eine Unterscheidung zwischen „keltischen“ und nicht „keltischen“ „Königstümern“ erfolgt nicht etwa dadurch, dass „Königtümer“ einzigartig „keltisch“ sind und daher nur bei „Kelten“ auftreten, sondern dadurch, dass manche „Königtümer“ (z. B. zum Beispiel solche, die zur Bezeichnung der Funktion „König“ Worte aus „keltischen Sprachen“ benutzen) aus bestimmten Gründen als „keltisch“ bezeichnet werden können, andere hingegen nicht (z. B. weil diese für die Bezeichnung der Funktion „König“ Worte aus nicht „keltischen“ Sprachen benutzen). Unter einem nominalistischen Verständnis von Definitionen ist dies auch überhaupt kein Problem, nur wenn man Definitionen essentialistisch versteht, spielt es eine (dann allerdings entscheidende) Rolle, dass Königtümer nicht nur bei „Kelten“ auftreten, sondern auch im Rest der Welt. Ebenso ist es bei derartigen nominalistischen Definitionen zwar vielleicht von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse, aber keinesfalls in Bezug auf die Sache, das eigentlich zu Diskutierende, wichtig, wie und warum wir den Begriff „Kelten“ für dies oder das, für diese oder jene Eigenschaft benutzen (im Gegensatz zur Meinung von Sabine Rieckhoff 2007: 34–5). Zwar ist es sicherlich richtig und wichtig sich sowohl der Abhängigkeit der eigenen Vorstellungen von bestehenden Traditionen bewusst zu sein als auch die Methoden und Begriffe, die man verwendet, ständig (auch wissenschaftsgeschichtlich und -theoretisch) zu hinterfragen und zu reflektieren (cf. Karl 2010), sowie sich bewusst zu sein, dass unser akademisches Wissen stets (auch) vom Zeitgeist abhängig ist. Aber in der Sache ist es unmaßgeblich, wie und warum wir unsere „Keltenbegriffe“, wie und warum wir dieses oder jenes Etikett erfunden haben, wichtig ist nur, dass wir uns klar sind, dass es sich bei allen diesen Begriffen eben um nicht mehr als Etiketten, um arbiträre Signifikanden handelt, die nicht eo ipso irgendein Wissen oder auch nur eine Meinung beinhalten, sondern bloß „eine lange Geschichte auf abgekürzte Weise“ darstellen (Popper 1980: 22). Im Zweifelsfall muss man eben diese „lange Geschichte“ ausschreiben, sagen, worüber man spricht, die langwierige und komplizierte Definitionsformel explizieren, statt nur

den verkürzenden Begriff zu benutzen. Die Diskussion über die Herkunft unserer Begriffe, so interessant und wichtig sie auch in mancher Hinsicht sein mag, ist, nicht anders als die Diskussion dieser Begriffe selbst, eine Diskussion über unsere Worte, nicht über unseren Untersuchungsgegenstand. Die „Kelten“ gab es nie! Der zweite und ebenso bedeutende Schritt ist endlich die Idee, die Vorstellung, aufzugeben, dass unser Untersuchungsgegenstand, „die Kelten“, tatsächlich genau so existiert haben oder existieren wie ein physisches Objekt. Denn bei dieser Vorstellung handelt es sich um einen klassischen Kategorienfehler: ein Abstraktum wird als etwas Reales, als ein ontisch existierendes Ding betrachtet, eine Klasse als Sache. Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher ist unter anderem für einen vielkritisierten Einzeiler berühmt, der gewöhnlich aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird, eine Sünde, die ich hier ebenfalls begehe. Thatcher sagte in einem Interview für das Magazin Women’s Own, veröffentlicht am 31.10.1987: „And you know, there is no such thing as ­society.There are individual men and women ...”. Obgleich ich die darin verklausuliert enthaltene politische Einstellung zutiefst verabscheue, ist die Aussage ­wenigstens in einem Punkt nicht von der Hand zu weisen: Gesellschaft ist nicht ein Ding, das eo ipso existiert, sondern vielmehr der Begriff, den wir dazu verwenden die vielfältigen, flüchtigen, großteils immateriellen und oft sogar unausgesprochenenen Beziehungen (Assoziationen im Sinne von Bruno Latour 2005) zwischen einzelnen Individuen (sozialen Akteuren) zu bezeichnen, Beziehungen, die im stetigen Wandel sind und ihren Ausdruck in erster Linie in den emergenten Mustern individuellen und kommunalen Verhaltens finden (die dann wiederum materielle Spuren hinterlassen können, aber keineswegs müssen). Das Gleiche gilt meiner Meinung nach für „die Kelten“ und „das Keltische“: „die Kelten“ gab es nie, weder in der Antike noch gibt es sie heute, noch gab oder gibt es etwas wie „das Keltische“. „Die Kelten“ und „das Keltische“ sind ein Konstrukt (cf. Karl 2004; Rieckhoff 2007), sind nicht mehr als ­Etiketten, die wir als abgekürzten Begriff für (tatsäch-

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lich oder angeblich signifikante) Assoziationen in der Evidenz, die wir untersuchen, verwenden. Eine dieser Assoziationen ist zum Beispiel die der zwar nicht exakten, aber doch signifikant erscheinenden, teilweisen Überschneidung (Koinzidenz) der Verbreitungsgebiete einer bestimmten Sprachfamilie, bestimmter Kunststile, bestimmter archäologischer Evidenz, historischer Nennungen von „Kelten“ und (vielleicht auch) einiger antiker Ethnizitäten. Eine andere derartige Assoziation ist die ebenso nicht exakte, aber dennoch signifikant erscheinende, teilweise Überschneidung der Verbreitungsgebiete einer ­bestimmten Sprachfamilie, gewisser Kunststile und einiger ethnischer Selbstidentifikationen, die als zu einer „größeren“ ethnischen Selbstidentifikation gehörend betrachtet werden, in der Gegenwart. Diese Assoziationen sind allerdings nicht etwa des­ halb signifikant, weil sie eine „Uniformität“ aller, oder auch nur einiger weniger, kulturellen Eigenschaften ­implizieren würden – denn das tun sie keineswegs – sondern vielmehr deshalb,weil kulturelle Eigenschaften miteinander wenigstens bedingt zusammenhängen und sich daher wenigstens teilweise gegenseitig beeinflussen. Nachdem diese gegenseitige Beeinflussung häufig für das Verständnis einzelner kultureller Eigenschaften relevant ist, ist die Assoziation signifikant: zum Beispiel bedarf eine Erklärung irischer Volksmusik wenigstens teilweise eines gewissen Verständnisses irischer Sprache, weil die irische Sprache eines (wenngleich keineswegs das einzige) der Elemente ist, die irische Volksmusik von anderen Arten von Volksmusik unterscheiden. Ebenso kann die Assoziation alleine dadurch signifikant sein, dass ein Aspekt von Kultur ein Medium ist um andere Aspekte von Kultur zu transportieren: ein Fernsehapparat in Wales, auf dem Programme in walisischer Sprache gesehen werden (können), ist signifikant für den Transport walisischer Kultur, selbst wenn das Gerät zur Gänze „made in Taiwan“ ist. Und die Assoziation kann auch deshalb signifikant sein, weil ein Aspekt in einem Bereich der Kultur zu Entwicklungen in anderen Bereichen von Kultur führen kann: wird zum Beispiel eine neue Technologie im Bereich der Materialkultur eingeführt und verwendet, dann kann dies zu lokalen Veränderungen in sozialer ­Praxis, Sprache oder anderen Bereichen kultureller Produktion führen.

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Sicheres Wissen gibt es nicht, alles Wissen ist konstruiert Als dritten Schritt müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass es sicheres Wissen gibt oder auch nur geben könnte, vor allem sicheres Wissen über die Vergangenheit. Wir müssen nicht nur – wie das in letzter Zeit ohnehin häufig geschieht – sagen, sondern tatsächlich akzeptieren und verinnerlichen, dass die Forderung von Rankes (1824: vi), die Aufgabe der Geschichtswissenschaften sei es herauszufinden, „wie es eigentlich gewesen ist“, nicht erfüllbar ist. Alles, was wir tun können, ist mehr oder minder gute Vermutungen anzustellen, wie es eventuell gewesen sein könnte, und diese Vermutungen sind niemals mehr als unsere ­ Konstruktionen der Vergangenheit, niemals eine ­tatsächliche Entsprechung dessen, was in der Vergangenheit war (oder nicht war). Das bedeutet einerseits zu akzeptieren, dass Wissen niemals auf „wahren“ Grundprämissen (wie z. B. auf „exakten“ Beobachtungen oder „Definitionen“), sondern stets auf (mehr oder minder willkürlich gewählten, gesetzten) Annahmen bzw. Hypothesen2 aufbaut. Die „Wahrheit“, oder, um es richtiger zu sagen, die „Brauchbarkeit“ (von Glasersfeld 1998: 14–31, insbesondere 30) dieser Annahmen bzw. Hypothesen kann niemals a priori oder intuitiv bestimmt werden, sondern ausschließlich dadurch, dass man die Ergebnisse, die sich aus den Annahmen ableiten lassen, an der Evidenz überprüft: „there is no need for these hypotheses to be true, or even to be at all like the truth; rather, one thing is sufficient for them – that they should yield calculations which agree with the observations“ (Andreas Osiander,Vorwort zu Kopernikus‘ De revolutionibus, zitiert bei von Glaserfeld 1998: 15). Es gibt keinen logisch haltbaren Weg, mittels dessen von Beobachtungen – gleichgültig wie „genau“, „wissenschaftlich präzise“ oder angeblich „korrekt“ diese definiert sind – auf die Wirklichkeit geschlossen werden kann, logisch haltbar ist nur der Schluss aus Annahmen auf Beobachtungen (cf. Karl 2010). Daraus folgt, dass wir unser Verständnis von Wahrheit, Richtigkeit und wissenschaftlicher Vertretbarkeit maßgeblich umstellen müssen: ein Thema, das bei Diskussionen bei der Tagung in Hallein angeschnitten wurde, war das der „Richtigkeit“ bzw. „Vertretbarkeit“ von Rekonstruktionen, z. B. von „keltischen“

Häusern, und ob es z. B. akzeptabel ist nicht belegtes Mobiliar in die architektonischen Rekonstruktionen zu stellen. Aus erkenntnislogischer Perspektive gibt es hier nur zwei Möglichkeiten: wenn wir annehmen wollen, dass z. B. eisenzeitliche Häuser am Dürrnberg gänzlich unmöbliert gewesen sind, dann dürfen wir keine Möbel in diese Rekonstruktionen stellen.Wenn wir hingegen annehmen, dass es am eisenzeitlichen Dürrnberg auch nur irgendein Mobiliar gegeben hat, dann müssen wir unbedingt Möbel in die Rekonstruktionen stellen, weil leere Häuser unter dieser Annahme sicherlich falsch sind, möblierte Häuser jedoch – und zwar gleichgültig wie sie jetzt genau möbliert sind, wenn es nicht gerade moderne IKEA-Möbel sind – möglicherweise nicht. Die direkte Evidenz aus den Grabungsbefunden gestattet übrigens beide Annahmen, die wissenschaftlich vertretbarste Rekonstruktionsvariante wäre also, das gleiche Haus wenigstens zweimal zu rekonstruieren und einmal mit Mobiliar auszustatten, einmal hingegen nicht – und Besucher der Rekonstruktionen deutlich darauf aufmerksam zu machen, dass wir bei unserer derzeitigen Quellen­lage zwischen den beiden Varianten nicht unterscheiden können (cf. Karl 1999; 2010d). Andererseits bedeutet es zu akzeptieren, dass Wissen immer notwendigerweise das ist, was wir heute denken, was wir aus den uns zu Verfügung stehenden Daten und Beobachtungen machen, dass alles ­Wissen stets im Beobachter verortet ist und niemals das „widerspiegelt“, was „wirklich ist“, geschweige denn „ikonisch“ mit der (beobachteten) Wirklichkeit übereinstimmt. Das Wissen, selbst das Wissen, das wir über Dinge haben, die wir selbst mit unseren eigenen Sinnen wahrnehmen können, ist nicht identisch mit dem beobachteten, dem wahrgenommenen Ding eo ipso, mit der ontischen Wirklichkeit, sondern ist immer ein Konstrukt, meistens sogar ein klassifikatorisches Konstrukt oder erklärendes bzw. prognostizierendes Modell unseres Denkens (von Glasersfeld 1998).Wissen ist daher immer ausschließlich demonstrativ, niemals intuitiv – zweiteres ist nämlich Glaube, nicht Wissen. Es gibt daher kein „wahres“ Wissen und auch kein „richtiges“ Wissen, ja man könnte sogar sagen, dass es nicht einmal „falsches“ Wissen gibt, sondern nur brauchbares und unbrauchbares Wissen, nützliche und nutzlose Argumente. Brauchbares bzw. nützliches Wis-

sen ist dabei solches, das unsere Evidenz, unsere Beobachtungen erfolgreich zu erklären vermag bzw. mit diesen Evidenzen bzw. Beobachtungen nicht im Widerspruch steht, das die Überprüfung an der Evidenz überlebt, weil es durch unsere Beobachtungen nicht widerlegt wird (von Glasersfeld 1998: 29–31; Popper 1994). Unbrauchbare bzw. nutzlose Argumente sind hingegen jene, die an den „Hindernissen“, die unsere Beobachtungen, die unsere Evidenz Erklärungsversuchen in den Weg legen, scheitern – und somit als mögliche Erklärungen dessen, was wir zu erklären versuchen, ausscheiden. Warum ein epistemologischer Keltoskeptizismus notwendig ist Ein typisches Beispiel, weshalb eine solche Änderung unseres Ansatzes notwendig ist, findet sich im Text ­eines der Poster, das John Collis bei der Tagung in Hallein präsentiert hat. Ich zitiere daraus die meiner Meinung nach relevante Stelle im englischen Originaltext3: “From the time of Pezron, the modern ‘Celts’ have been ­defined as speakers or descendants of speakers of Celtic ­languages.This cannot be applied to the ancient world.Though all people called Celtae or Keltoi in the ancient world seem to have spoken Celtic languages, there were also other Celtic speakers who were not called Celts: the ­Leponti of northern Italy, the Ligues (Ligures) of Provence, the ­Vettones of Spain, the Belgae of northern Gaul and southern Britain, the Britanni of the British Isles, and some Germani like the Treveri.” Zentral ist hier meiner Meinung nach die Behauptung von Collis, der Begriff „Kelten“ im Sinn „Sprecher einer keltischen Sprache“ könne nicht auf die antike Welt angewendet werden, in Verbindung mit seiner bereits vielfach (Collis 2003; 2010) getätigten Feststellung, dass dies für die „modernen Kelten“ sehr wohl zulässig sei. Dabei stellt sich die Frage, weshalb die Anwendung für die antike Welt nicht zulässig sei, für die Neuzeit hingegen schon? Immerhin verstanden sich die Sprecher moderner „keltischer“ Sprachen wenigstens bis zur Zeit Lhuyds und sogar noch geraume Zeit danach selbst ebenfalls nicht als „Kelten“; noch verstehen sich viele Bretonen, Kornen, Iren, Schotten oder Waliser heutzutage als solche; noch haben die Galizier in Spanien, von denen sich heute viele

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als „Kelten“ identifizieren, wenigstens seit der Antike irgendeine (sprachwissenschaftlich als solche definierte) „keltische“ Sprache gesprochen. Macht also die Tatsache, dass nicht alle selbst- oder fremdbestimmten Gemeinschaften, die in der Antike „keltische“ Sprachen sprachen, in der Antike auch als Kelten bezeichnet wurden oder sich selbst als solche verstanden haben, die Anwendung des Begriffs „keltisch“ auf die antike Welt unzulässig, dann ist die Anwendung dieses Begriffs auch in der Neuzeit aus exakt den gleichen Gründen ebenfalls unzulässig. Ist hingegen die Anwendung des Begriffs „Kelten“ in der Neuzeit trotz dieser Tatsachen zulässig, dann ist seine Anwendung wohl auch für die antike Welt zulässig. Hinzu kommt die Frage, warum diese Anwendung des „Keltenbegriffs“ auf die antike Welt unzulässig sei, wenn so offensichtlich viele Menschen diesen Begriff auf die antike Welt anwenden, nicht zuletzt so gut wie alle unsere Kollegen in der historischen Sprachwissenschaft, aber auch die Mehrheit der Öffentlichkeit? Weshalb sollte eine Fremdbezeichnung durch irgendwelche antiken Autoren, von denen viele „Kelten“ bestenfalls aus zweiter oder dritter Hand kannten und von denen sicherlich keiner eine vollständige Umfrage unter allen möglichen „antiken Kelten“ durchgeführt hat, ob sich diese sich selbst als „Kelten“ identifizieren würden, oder auch die Privatmeinungen einiger weniger antiker, sich selbst wenigstens teilweise als „Kelten“ identifizierender Autoren irgendwie „richtiger“ oder auch nur maßgeblicher sein als Fremdbezeichnungen durch Wissenschafter oder Öffentlichkeit in der Neuzeit? Nur wenn man, ob bewusst oder unterbewusst, davon ausgeht, dass John Collis einen privilegierten, intuitiven Zugang zur Wahrheit hat, dass John Collis (aus welchem Grund auch immer) weiß, „wie es eigentlich gewesen ist“ (von Ranke 1824: vi), nur dann kann man diese Behauptung von John Collis als relevant, als „wahr“ oder „richtig“ betrachten. Aber warum sollten wir John Collis und nicht etwa Barry Cunliffe und John T. Koch (2010: 1–2) glauben? Der Kern des Problems ist der, dass die derzeitige „Keltizitätsdebatte“ notwendigerweise eine dogmatische Debatte ist: sie macht es erforderlich, dass wir die Prämissen (d. h. die Annahmen, Vorurteile, Unterstellungen) des einen oder des anderen Wissen­schafters

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als unanzweifelbare Wahrheit, als Grundprämisse im aristotelischen Sinn, akzeptieren; als Dogma unseres „Glaubens“. Wenn man dem „neuen keltologischen“ Glauben von John Collis anhängen will, muss man das Dogma akzeptieren, dass Ethnizität (so wie sie John Collis – großteils ad hoc – bestimmt) das essentielle Kriterium für „Keltizität“ ist. Will man hingegen dem „traditionell keltologischen“ Glauben Barry ­Cunliffes und John T. Kochs folgen, muss man das Dogma ­ akzeptieren, dass Sprache das essentielle Kriterium ist. Das logisch zwingende Resultat daraus sind jedoch ­ inkommensurable Ergebnisse (Kuhn 1976: 155–70, insbesondere 161, 209–16): keine vernünftige ­De­batte kann entscheiden, ob Ethnizität oder Sprache das ­essentielle Kriterium für „Keltizität“ ist. ­Daher kann diese Debatte auch kein nützliches Ergebnis ­produzieren: sie ist nicht mehr als unproduktiver Scholastizismus (Popper 1980: 15). Überwinden lässt sich dieser unproduktive Scholastizismus, diese leere Wortmacherei (Popper 1980: 15) nur, wenn man akzeptiert, dass alle Annahmen, von denen wir ausgehen, eben nicht mehr als Annahmen, nicht mehr als Unterstellungen, nicht mehr als Hypothesen, eben Prämissen sind, von denen keine mehr oder weniger akzeptabel ist als die andere, sondern die (gegebenenfalls) für die eine oder andere Frage, die wir haben, für das eine oder andere Problem, das wir lösen wollen, nützlich, für andere Fragen oder Probleme jedoch unbrauchbar sein können. Um dies zu erreichen müssen wir jedoch echte (und nicht nur fälschlich als solche benannte) Keltoskeptiker sein, eben epistemologische Skeptiker, die von der Annahme ausgehen, dass ihr Untersuchungsgegenstand nicht existiert und dass sie über diesen bestenfalls Aussagen machen können, die der Evidenz nicht widersprechen, aber ­niemals „richtige“, niemals „wahre“ Aussagen (cf. von Glasersfeld 1998; Popper 1994). Von Sinn und Unsinn der alten Frage Damit kehre ich wieder zur Frage nach der Herkunft „der Kelten“ zurück: warum suchen wir eigentlich nach dieser? Der bekannte französische Historiker Marc Bloch (1886 –1944) kritisierte bereits in seinem unvollendeten Werk Apologie pour l’histoire, ou Métier d’historien

(Bloch 2010) heftig „die Besessenheit“ der Historiker mit der Klärung von „Anfängen“ und „Herkunft“ (Bloch 2010: 24). Er stellte fest, dass es dabei einerseits um den „Beginn“ eines bestimmten ­historischen Phänomens gehen könne, bemerkte dazu jedoch unmittelbar, dass der „Anfang“ der meisten historischen Phänomene sich als ausnehmend schwer fassbar ­ erwiesen habe und fraglos davon abhinge, wie man seine Definitione wähle. Andererseits könne es sich bei den Fragen um „Anfänge“ bzw. „Herkunft“ ­historischer Phänomene um einen Versuch einer kausalen Erklärung bzw. Begründung eines historischen Phänomens handeln. Diese beiden Bedeutungen würden jedoch oft vermischt und die Klärung der Frage nach den „Anfängen“ oder der „Herkunft“ oft mit ­einer vollständigen Erklärung des untersuchten Phänomens gleichgesetzt (Bloch 2010: 25). In der Debatte um die Herkuft „der Kelten“ geht es meiner Meinung nach, wenigstens in der bisher gewählten Form, um das Letztere; die Klärung der Frage nach der Herkunft „der Kelten“ wird gemeinhin fälschlich als vollständige Erklärung „der Kelten“ verstanden. Und das ist ein gravierendes Problem. Die Vorstellung, dass die Klärung der Frage nach den „Anfängen“ bzw. der „Herkunft“ eines historischen Phänomens wie „der Kelten“ gleichzeitig eine Erklärung dieses Phänomens darstellt, beruht auf eben der „dinghaften“ Sichtweise von Geschichte, die aus der essentialistischen Obession mit intuitiv erfassten ­Definitionen erwächst. In dieser Sichtweise werden historische Phänomene eben, wie schon weiter oben angedeutet, wie „Dinge“ betrachtet, also als innerlich weitgehend einheitlich und nach außen hin klar abgegrenzt, und als ebenso „real“ existierend wie z. B. ein Tisch oder Stuhl. Und sie werden dann natürlich auch bei Erklärungsversuchen so behandelt, als ob es sich um „real“ existierende „Dinge“ handeln würde. So wie man, wenn man weiß, wann und wo der Tisch entstanden ist, (leicht) zu erkennen können glaubt, von wem er erzeugt wurde, wie er erzeugt wurde und wofür bzw. warum er erzeugt wurde – d. h. die Ursachen bzw. Gründe für seine Entstehung und damit auch für seine Existenz erkennen zu können – so glaubt man dies auch bei historischen Phänomenen (einigermaßen leicht) erkennen zu können, wenn man nur ihren „Anfang“ bzw. ihre „Herkunft“ kennt. Darum wird

auch der Frage nach der Herkunft „der Kelten“ eine so große Bedeutung zugemessen. Das Problem dabei ist, dass das für die meisten (prä)historischen Phänomene wie z. B. die Entstehung „der Kelten“ nicht funktionieren kann. Für reale „Dinge“ gilt im Wesentlichen, dass sie meistens (wie eben ein Tisch) relativ „uniform“ sind oder wenigstens eine kohärente Struktur bzw. Organisation aufweisen (wie z. B. ein Mensch, der zwar aus vielen verschiedenen Organen und anderen voneinander wenigstens in gewisser Weise verschiedenen Teilen besteht, aber als geschlossenes System kohärent ist, selbst wenn er sich z. B. durch Alterung verändert), meistens einen (relativ eng umgrenzten) Ursprungspunkt in Raum und Zeit haben („unigenetisch“ sind), gewöhnlich von einer (relativ eng begrenzten) Zahl von Personen geschaffen werden und dies zumeist aus konkreten Gründen und für bestimmte Zwecke. Für (prä)historische Phänomene (im Gegensatz zu Objekten) gilt hingegen all das nicht: sie sind gewöhnlich „polyform“, sind also vielfältig, oft intern stark variabel und weisen auch meistens keine kohärente Struktur oder Organisation auf, haben gewöhnlich auch keinen (eng umgrenzten) Ursprungspunkt in Raum und Zeit (sind „polygenetisch“), es sind normalerweise auch viele Menschen an ihrer Entstehung beteiligt und, vielleicht am wichtigsten, sie entstehen meist völlig unbeabsichtigt und oft auch ohne konkrete Zwecke. Das eine wie das ­andere zu behandeln stellt also einen klassischen Kategorienfehler dar. Hinzu kommen noch einige weitere Probleme, ­teilweise praktischer, teilweise ebenfalls grundsätzlicher Natur. Eines dieser Zusatzprobleme ist die ­starke Definitionsabhängigkeit jeder Herkunftsfrage, die wiederum mit der Definition des Untersuchungsgegenstandes zusammenhängt, wenigstens solange man mit essentialistischen Definitionen arbeitet, wie ja ­bereits oben im Detail ausgeführt wurde. Ein ebenso bedeutendes Zusatzproblem ist allerdings auch die Quellenlage, soweit die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ betroffen ist: nahezu gleichgültig, welchem der bisherigen Ansätze man folgt, ist sich die Wissenschaft einig, dass die Herkunft „der Kelten“ in der Urgeschichte, also in Zeiten vor schriftlichen Aufzeichnungen zu suchen ist. Wir reden also, wenigstens in Bezug auf die „Anfänge“, über ein prähistorisches

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Phänomen. Die bisher vorgeschlagenen Definitionen dafür, was „die Kelten“ nun überhaupt erst zu „den Kelten“ macht, beruhen aber großteils und maßgeblich auf Sprache oder Ethnizität. Nun ist es jedoch so, dass sich die Existenz, geschweige denn die „Herkunft“, einer bestimmten Sprache oder auch nur Sprachfamilie vor dem Beginn von schriftlichen Aufzeichnungen (also in jenen Zeiten, die ob des Fehlens solcher schriftlichen Sprachzeugnisse überhaupt erst als prähistorisch zu klassifizieren sind) nicht wirklich datieren oder lokalisieren lässt, weil jegliche Evidenz, mittels der diese Frage beantwortet oder ein Argument überprüft werden könnte, per definitionem fehlt. Das bedeutet nichts anderes, als dass jede mögliche Antwort auf die Frage notwendigerweise im Bereich der reinen Spekulation (im Sinne Kants) verbleiben muss, was die Suche nach einer Antwort auf die gestellte Frage müßig macht – ob Ost oder West, Süd oder Nord, Mitte oder doch ganz woanders, ob 1000, 3000, 5000 oder doch 10.000 v.Chr., es lässt sich immer mit der gleichen Qualität auch das Gegenteil dessen behaupten, was als Antwort auf die Frage vorgeschlagen wird, oder auch etwas beliebiges anderes. Nicht anders verhält es sich mit der „Ethnizität“: wird diese als selbstbestimmte Zuordnung zu einem bestimmten „Volk“ verstanden, dann lässt sich die Frage nach der Herkunft „des Keltischen“ in Bezug auf Tote, die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, die die Frage nach ihrer Selbstidentifikation möglicherweise zu beantworten erlauben, niemals beantworten. Wird hingegen Fremdbestimmung durch Zeitgenossen als relevantes Kriterium betrachtet, dann lässt sich die Frage ohne schriftliche Aufzeichnungen ebenfalls nicht beantworten. Genau aus diesem Grund versuchen auch alle wissenschaftlichen Theorien, die eine Antwort auf die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ zu geben versuchen, sich auf die eine oder andere Weise an die einzige Art von Quellen anzuhängen, die wir für prähistorische Zeiten tatsächlich zur Verfügung haben, nämlich archäologische Quellen. Sei es Sprache oder Ethnizität, alle bisherigen „wissenschaftlichen“ Versuche die Herkunft „der Kelten“ zu bestimmen ­haben sich entweder ein archäologisches Phänomen (sei es eine „Kultur“ oder ein anderes Phänomen wie die

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„Neolithisierung“ oder „Güteraustauschnetzwerke“) gesucht, mit dem sie das Element, das sie als essentielles Charakteristikum „des Keltischen“ betrachten, zu verbinden versucht haben (bzw. eine solche Verbindung zwischen archäologischem und „essentiell keltischem“ Phänomen postuliert haben), oder sich einfach auf die Position zurückgezogen zu sagen, dass wir über „Kelten“ erst reden können, wenn wenigstens ein antiker Autor diesen Namen verschriftlicht hat (so z. B. Pauli 1980: 23). Und genau aus diesem Grund scheitern letztendlich auch alle: ein Versuch der Bestimmung der Herkunft „der Kelten“ auf diesen Wegen ist aussichtslos und daher auch sinnlos. Hinzu kommt schließlich noch das schon von Marc Bloch (2010: 25) angesprochene und von Ludwig Pauli (1980: 16) am Vergleichsbeispiel der Herkunft „der Preußen“ illustrierte Grundsatzproblem: was wird durch die Bestimmung der „Herkunft“ eines Phänomens überhaupt erklärt? Nehmen wir als alternatives Vergleichbeispiel die „keltische“ Sprache Walisisch. Diese wird bis heute aus verschiedenen guten Gründen als „keltische“ Sprache klassifiziert, aber: sie enthält heute zahllose englische, lateinische und Lehnworte aus anderen Sprachen, die im „ursprünglichen Walisisch“, als der Sprache zur Zeit der Herkunft „des Walisischen“, noch nicht vorhanden waren. Aber macht das diese Lehnworte irgendwie weniger wichtig für ein Verständnis des heutigen Walisisch als die Worte, die schon am Zeitpunkt der „Entstehung“ der walisischen Sprache in dieser vorhanden waren? Macht es diese Worte (und auch ganz allgemein das „Walisische“) weniger „walisisch“ als das „ursprüngliche Walisisch“? Könnte man das heutige „Walisisch“ ohne sie erklären? Wohl kaum! Das Gleiche gilt auch für die Herkunft „der Kelten“ und natürlich auch für alle anderen nicht räumlich und zeitlich eng begrenzten historischen Phänomene: die Beantwortung der Frage nach ihrer „Herkunft“ erklärt wenig bis gar nichts. Auch das präventive Argument Barry Cunliffes und John T. Kochs in ihrer Einleitung zu Celtic from the West greift hier nicht: “We accept the basic linguistic principal that all languages, as attributes of specific human communities, have locations in space and time” und “In our view, […] the proposition that Celtic emerged somewhere and at some time can only be denied by also denying all such propositions as

‘Latin originated in central Italy in the 1st millennium BC’” (Cunliffe & Koch 2010: 7). Natürlich sind Sprachen als spezifische Kulturerscheinungen räumlich wie zeitlich konkret lokalisiert.Aber das bedeutet nicht, dass sie eine konkret bestimmbare „Herkunft“, einen „Ursprung“ haben: natürlich wird wahrscheinlich etwa das, was wir heute als „Keltisch“ bezeichnen, irgendwann und irgendwo gesprochen worden sein. Aber seine „Entstehung“, sein „Ursprung“, seine „Anfänge“ sind in der Gegenwart gesetzt, dadurch, dass wir eine bestimmte, kontinuierlich erfolgende und sich langsam weiterräumig durchsetzende Änderung im Sprachverhalten vergangener Menschen in der Gegenwart zum entscheidenden Element für die Bestimmung der nunmehr veränderten Sprache als „keltisch“ erklärt haben. Die „ersten“ Sprecher der Sprache, die wir heute als „keltisch“ bezeichnen, haben einfach gesprochen und vermutlich nicht im Mindesten bemerkt, dass sie jetzt plötzlich eine „neue“ Sprache gesprochen hätten. Gut, zugegeben, vielleicht haben sich ein paar Leute darüber beschwert, dass „die Jungen“ oder „die über dem nächsten Hügel“ nicht „ordentlich“ reden, sondern die schöne althergebrachte Sprache dieser sich aufregenden Leute verschandeln. Aber das ist völlig unwesentlich; wesentlich ist, dass die Grenze zwischen „vorkeltischer“ und „keltischer“ Sprache von uns, und das weitgehend willkürlich, gezogen wird. Wir könnten diese Grenze auch an nahezu beliebigen anderen Punkten ziehen, oder auch gar nicht, denn Sprache ändert sich ständig, sowohl räumlich als auch zeitlich. Die Bestimmung, wann und wo in der Vergangenheit die Grenze, die wir in der Gegenwart gezogen haben, zu lokalisieren ist, sagt uns nichts weiter als wann und wo in der Vergangenheit wir willkürlich eine Grenze ziehen wollen (cf. Karl 2010c). Die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ ist also, wenigstens so wie sie bisher gestellt wurde, falsch gestellt und daher sinnlos (cf. Pauli 1980: 21). Das bedeutet aber natürlich nicht, dass sie gänzlich sinnlos sein muss: sie muss nur, um sinnvoll zu werden, auf andere Art gestellt werden; auf eine Art, die nicht auf die „Anfänge“ als „Ereignis“ abzielt, die (prä)historische Phänomene nicht „dinghaft“ versteht, die nicht schon in ihrer Form die Uniformität und Unigenesis des Untersuchungsgegenstandes voraussetzt. Stattdessen sollte sie in einer Weise gestellt

werden, die auf die dauernd fortgesetzten, ununterbrochen ablaufenden Entstehungsprozesse abzielt, die unseren Untersuchungsgegenstand zu dem machen, über das wir sprechen wollen (also die Frage „wie entsteht ein (prä)historisches Phänomen“ zu beantworten versuchen), die auf ein Verständnis dieser Prozesse abzielt („warum entsteht etwas“) und die wenigstens die Möglichkeit die Polyformität und polygenetische Natur dieser Entstehungsprozesse zu berücksichtigen erlaubt. Die Entstehung „der Kelten“, die es nie gab Wie könnte also eine bessere Lösung für das Problem der „Herkunft“, oder genauer des Entstehungsprozesses, „der Kelten“ aussehen? Zuerst einmal sollten wir jedenfalls (egal was wir bezüglich der Frage, ob es „die Kelten“ nun tatsächlich gab oder nicht, jetzt glauben mögen) von der Annahme, d. h. der Prämisse, ausgehen, dass es „die Kelten“ nie gab, dass sie daher auch kein „Ding“ sind, das einen „Anfang“ haben könnte oder uniform und unigenetisch sein müsste. Wir sollten das übrigens schon allein deshalb als Prämisse (und nicht etwa als Grundprämisse), als Hypothese annehmen um nicht ein mögliches Ergebnis allfälliger Untersuchungen, die schließlich auch zum Resultat führen können sollten, dass es „die Kelten“ doch gab, vorwegzunehmen. Es soll sich dabei eben nicht um ein Vorurteil handeln, sondern um ein Postulat, dessen Richtigkeit wir aus argumentativen Gründen (vorerst) voraussetzen. Nachdem wir (trotzdem) über sie reden (wollen), nehmen wir also als Ausgangspunkt unserer Überlegungen an, dass wir die Kelten erfinden. Um auch zu wissen, worüber wir reden (wollen), gehen wir des Weiteren (als weitere Prämisse) davon aus, dass die Begriffe „Kelten“ und alle Ableitungen davon (wie „keltisch“) frei erfundene Etiketten sind, die zur abgekürzten Bezeichnung verschiedener, teilweise miteinander assoziierter (prä)historischer Phänomene benutzen wollen. Phänomene, die wir mit diesem Etikett bezeichnen wollen, sind z. B. bestimmte, aus Antike und Gegenwart überlieferte, Sprachen (wie z. B. Gallisch, Keltiberisch, Irisch, Walisisch, Bretonisch etc.), bestimmte materielle Kulturerscheinungen (z. B. die sogenannten Hallstattkulturen; aber auch

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moderne irische, walisische etc. Materialkultur), bestimmte ethnische Fremd- und Selbstbestimmungen (z.B. Celtae, ãtai, Waliser, Iren, Kornen, Bretonen etc.), bestimmte immaterielle bzw. ideelle Kulturerscheinungen (z. B. die religiösen Vorstellungen der ­„Druiden“, irische Volksmusik etc.), und so weiter. Dabei ist wichtig, gleich von Beginn weg festzuhalten, dass ­ diese teilweise miteinander assoziierten Phänomene niemals deckungsgleiche raum-zeitliche Verbreitungen aufweisen, ja sogar teilweise ­überhaupt nicht unmittelbar miteinander assoziiert sind (so sind z. B. die Materialkulturen der europäischen „keltischen“ Eisenzeit mit moderner irischer Volksmusik überhaupt nicht direkt miteinander assoziiert, sondern nur darüber, dass beide wenigstens teilweise mit „keltischen“ Sprachen assoziiert sind). Das Etikett „Kelten“ wird allerdings nicht völlig beliebig verwendet, sondern die Verwendung dieses Etiketts beruht auf einer Assoziation, die ich hier als Primärassoziation bezeichnen möchte – die Assoziation, auf der letztendlich die Benennung der zu untersuchenden Phänomene beruht. Diese Primärassoziation findet sich im eisenzeitlichen „Gallien“, denn dort überlappen sich verschiedene historische Phänomene, die uns überhaupt erst auf die Idee gebracht haben irgendetwas als „Kelten“ zu bezeichnen. Die dort miteinander assoziierten Phänomene sind z. B. die (jeweils nachweisliche) Präsenz von Sprachen einer bestimmten (der „keltischen“) Sprachfamilie, die Präsenz bestimmter Materialkultur(en) (der „keltischen“ Latènekulturen), die Präsenz gewisser immaterieller kultureller Erscheinungen (z. B. der „keltischen“ Druiden), bestimmter Fremd- (z. B. Kelto, Celtae) und möglicherweise ähnlich lautender Selbstbestimmungen (z. B. Celtillus), sowie möglicherweise einiger weiterer kultureller Phänomene (z. B. eventuell bestimmter Arten der Organisation von Familienverbänden, bestimmte Vorstellungen zu sexuellen Beziehungen, Vertragsformen etc.; cf. Karl 2006). Diese Überlappung bzw. Assoziation im eisenzeitlichen ­ Gallien ist aus dem schon oben genannten Grund signifikant: diese kulturelle Erscheinungen hängen ob ihrer gleichzeitigen Präsenz in diesem Zeit-Raum wenigstens bedingt miteinander zusammen und beeinflussen einander ­daher ­wenigstens teilweise. Die einzelnen, Teil der Primärassoziation bildenden,

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Phänomene bilden dann die Basis für weitere Assoziationen und Assoziationsketten, z. B. die ­Assoziation von antiken mit modernen „keltischen“ Sprachen, und in weiterer Folge die Assoziation moderner irischer Volksmusik mit einer modernen „keltischen“ Sprache. Die Tatsache, dass zwei historische Phänomene wie z. B. die Latènekulturen und irische Volksmusik durch eine „keltische“ Assoziationskette miteinander verbunden werden können, bedeutet dabei natürlich keineswegs, dass diese mittels einer Assoziationskette verbundenen Phänomene miteinander direkt zu tun haben oder Informationen vom einen Ende der Assoziationskette (z. B. der irischen Volksmusik) ans andere Ende der Assoziationskette (z. B. in die Latenezéit) übertragen werden können: bloß weil zwei Dinge über Umwege miteinander assoziiert sind, müssen sie noch lange nichts miteinander zu tun haben. Ein allfällig postulierter Zusammenhang zwischen nur durch Assoziationsketten verbundenen Phänomenen in unserem Untersuchungsgegenstand hat also stets ­unabhängig von der bestehenden Assoziation gezeigt zu werden (cf. Karl 2006; 2007). Schon die Primärassoziation ist jedoch polygenetisch (und alle späteren Assoziationen wenigstens ebenso), wenigstens so weit wir das auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Quellen sagen können. Nehmen wir zum Beispiel grob vereinfachend an, dass die „keltischen“ Sprachen tatsächlich wie von Barry Cunliffe (2010) und John T. Koch (2010) postuliert an der Atlantikküste entstehen: Die ebenfalls „keltischen“ Latènekulturen entstehen sicherlich nicht „nur“ an der Atlantikküste, sondern (wenigstens wenn wir einen neuerlich polylokalen und polygenetischen Prozess stark vereinfachen) hauptsächlich in Mitteleuropa, und das noch dazu erst viel später als die „keltischen“ Sprachen nach Cunliffes und Kochs Modell. Und wenn wir uns entscheiden die Meinung der Gewährsleute für Caesars Bericht in dieser Beziehung für verlässlich zu halten – und es gibt keinen besonderen Grund, warum wir das in diesem Fall nicht tun sollten – entstand das Druidentum in Britannien (b.g. 6,13.10–12), wohl neuerlich zu einer anderen Zeit. Und dabei vernachlässigen wir bereits, dass jedes einzelne der hier genannten assoziierten Phänomene ganz für sich wiederum eine mindestens ebenso polylokale und polygenetische Entstehungsgeschichte hat wie die Primärassoziation

selbst, d. h. in Wirklichkeit die Poly­lokalität und Polygenese der Primär­assoziation noch viel komplexer, d. h. die Herkunft jedes der zur Primärassoziation beitragenden Phänomene noch viel weniger klar fassbar ist als die Herkunft der ­Primärassoziation selbst. Dieses „keltisch etikettierte“ Assoziationsprinzip kann und sollte selbstverständlich auch verall­gemeinert werden: als „keltisch“ etikettieren wir jede beliebige ­Assoziation zwischen zwei oder mehreren Phänomenen, von denen wir bereits eines auf Grund seiner Beteiligung an der Primärassoziation als „keltisch“ etikettiert haben (das hält allfällige Assoziationsketten auch einigemaßen kurz – wenngleich nicht unbedingt die chronologische Distanz, die durch die Assoziationskette überbrückt wird) und die wir (aus welchen Gründen auch immer) als (wissenschaftlich) signifikant erachten. Die bereits mehrfach genannte Assoziationskette, die vom eisenzeitlichen „keltischen“ Gallien über die „keltischen“ Sprachen zur „keltischen“ irischen Volksmusik führt, ist ein Beispiel dafür. Ob und inwieweit man diese Assoziationsketten noch weiter verlängern kann und möchte, kann man dann selbstverständlich noch disktutieren, ich würde allerdings grundsätzlich eher dazu neigen das nicht zu tun. Die Herkunft bzw. Entstehung von uns als „keltisch“ bezeichneter Phänomene kann man sich dann kurz zusammengefasst etwa wie folgt vorstellen: diese Phänomene entstehen großteils unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten (bis heute) und an verschiedenen Orten (heute über die halbe Welt verstreut, nachdem Sprecher „keltischer“ Sprachen heute nicht nur in Europa, sondern wenigstens auch in den Amerikas und in Australien leben und sich dort selbstverständlich auch kulturell weiter verändern, also neue „keltische“ Kulturerscheinungen schaffen). Diese Kulturerscheinungen entstehen dabei, wie ich bereits andernorts genauer ausgeführt habe (Karl 2008: 207–12), auf drei hauptsächliche Arten, nämlich erstens durch kreative Neuschöpfung von kulturellem

Wissen durch Personen, das von Anfang an (also schon zum Zeitpunkt seiner Neuschöpfung) mit anderem, von uns bereits als „keltisch“ bezeichnetem kulturellen Wissen, assoziiert ist, zweitens durch Diversifikation (Abwandlung) und Rekombination bereits „keltisch“ assoziierten, internalisierten kulturellen Wissens, also kulturellen Wissens, das wir schon vor seiner Abwandlung oder Rekombination als „keltisch“ bezeichnet hätten (ein Beispiel dafür sind Veränderungsprozesse innerhalb von Sprachen, Kunststilen oder anderen materiellen oder ideellen Kulturerscheinungen), und drittens durch Adoption und Adaption zuvor noch nicht „keltisch“ assoziierten (externen) kulturellen Wissens in „keltische“ Assoziationen (ein Beispiel dafür sind z. B. beliebige Importstücke, die in einem „keltischen“ Assoziationsbereich Verwendung finden). Diese Entstehung ist daher ein stetig fortlaufender Prozess, ein Prozess, der bis heute nicht geendet hat und der auch nicht an einem Ort zu einer Zeit begonnen hat – „die Kelten“ kommen daher von überall und nirgendwo (cf. Karl 2008; 2010c). Die Keltiké – der Zeit-Raum, den wir (auch) als „keltisch“ bezeichnen können (Abb. 1) – ist hingegen erst nachträglich, durch uns, als Beobachter „von außen“ konstruiert, die wir diese dauernd entstehenden und sich auch dauernd verändernden Assoziationen, die uns als signifikant erscheinen, mit dem Begriff „Kelten“ bezeichnen. Natürlich wird es trotzdem einen Punkt in Zeit und Raum gegeben haben, an dem „zum ersten Mal“ zwei kulturelle Erscheinungen miteinander assoziiert wurden (denn die Wahrscheinlichkeit, dass dies genau gleichzeitig an zwei oder mehreren verschiedenen Orten geschehen ist, ist verschwindend gering), die wir nachträglich betrachtet heute als „keltisch“ bezeichnen würden. Aber dieser Punkt ist nicht bedeutender als beliebige andere Punkte in Raum und Zeit, an ­ denen ebenfalls solche Assoziationen entstanden sind. Daher ist es auch völlig unnütz und daher sinnlos ­diesen Punkt zu suchen.

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Abb. 1: Modell der „Keltengenese“, der Ontogenese der historischen Phänomene, die wir mit dem Begriff „keltisch“ bezeichnen (Karl 2008: 211)

Anmerkungen 1 Dieser Beitrag stellt eine Verbindung aus meinen beiden Vorträgen (Tagungsvortrag und öffentlicher Abendvortrag) bei den Interpretierten Eisenzeiten 4 in Hallein dar. 2 Hypothese ist hier nicht wie oft im umgangsprachlichen Gebrauch vorkommend mit Theorie gleichzusetzen, sondern im Sinne des ursprünglichen griechischen U  ` pÒYesiw als „Unterstellung“, „Voraussetzung“, „Grundlage“ zu verstehen bzw. im Sinne der Logik als Prämisse eines Arguments, deren Wahrheit

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(wenigstens vorläufig) unterstellt bzw. vorausgesetzt wird um das Argument zuerst einmal ausführen und seine Ergebnisse anschließend gegebenenfalls überprüfen zu können. 3 Diesen Text hat mir John Collis freundlicherweise zur Übersetzung ins Deutsche für das auf der Tagung präsentierte Poster zur Verfügung gestellt. Ich zitiere hier den englischen Originaltext um mögliche sinnverzerrende Übersetzungen meinerseits auszuschließen.

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Kelten-DNA? Molekulararchäologische Betrachtungen zur ethnischen Zugehörigkeit im kulturhistorischen Kontext Jan Cemper-Kiesslich1,4, Karin Wiltschke-Schrotta3,4, Franz Neuhuber1, Edith Tutsch-Bauer1,4, Jutta Leskovar2,4 & Stefan Moser4

1  Universität Salzburg, Interfakultärer Fachbereich Gerichtsmedizin 2  Oberösterreichische Landesmuseen, Abteilung für Ur- und Frühgeschichte 3  Naturhistorisches Museum Wien 4  CAMAS – Center of Archaeometry and Applied Molecular Archaeology, c/o Universität Salzburg, Interfakultärer Fachbereich Gerichtsmedizin

Zusammenfassung Der Begriff „Kelten“ als Bezeichnung für eine ethnische, soziale und kulturelle Entität hat sich in der jüngeren einschlägigen Forschung zunehmend als unzulänglich bzw. inadäquat erwiesen („Keltoskeptizismus“). In diesem Artikel wird versucht anhand dreier Fallbeispiele mittels einer alternativen Methode, basierend auf historischer genetischer Information („ancient DNA“, aDNA), die Hypothese von den Kelten als homogene ethnisch-kulturelle Gruppe der europäischen Eisenzeit zu prüfen. Neben anthropologischen Grunddaten wird die Methode der aDNA-Analyse im Kontext erörtert und die Ergebnisse sowie deren Interpretation diskutiert. Abstract The label ‘Celts’ as a term for an ethnic, social and cultural entity has increasingly been shown to be inadequate (‘celtoscepticism’) in the course of recent research. In applying the alternative method of ancient DNA analysis (aDNA) to three distinct case studies, this paper tries to test the hypothesis of ‘The Celts’ seen as a homogenous ethno-cultural group in the European Iron Age. Besides basic anthropological data, the methodology of aDNAanalysis is exemplified and the results are discussed within their (pre)historic context.

123

Einleitung

Materialien und Methoden

Die molekulare Archäologie bzw. Anthropologie, verstanden als alternative Methode der historischarchäo­logischen Quellenkritik, erlaubt einen, vom konventionellen Kanon unabhängigen Zugang zu über­liefertem Quellenmaterial in Form menschlicher Überreste. Unter der Voraussetzung, dass sich im Unter­ suchungsmaterial analysierbare Erbsubstanz erhalten hat, erlauben modifizierte und verfeinerte Verfahren der forensischen Molekularbiologie (DNA-Spuren­ analytik) eine sichere Identifizierung des biologischen Geschlechts, die Rekonstruktion der biologischen Verwandtschaft sowie den Nachweis von Erb- und Infektionskrankheiten. Überdies kann ein Abgleich molekular-archäologischer Daten mit rezenten Datenbanken Hinweise auf die populationsdynamische- und geographische Zugehörigkeit und Migrationsbe­ wegungen eines Individuums bzw. von Individuengruppen geben. Anhand dreier Fallstudien vom Dürrnberg bei Hallein (Salzburg) und aus Mitterkirchen (Ober­ österreich) wird ein kleiner Ausschnitt aus fast 13 Jahren Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Forschungszentrum Dürrnberg, den Oberösterreichischen Landesmuseen (Abteilung für Ur- und Frühgeschichte), der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien und des IFFB Gerichtsmedizin der Universität Salzburg präsentiert. Der Begriff „Kelten“ stellt sich – bezugnehmend auf archäologische, (prä)historische bzw. historiographische Quellen – als problematisch dar (Collis 2003: 223–232). Nach wie vor besteht keine eindeutige ­ethnische, linguistische oder objektgebundene (kultur­ historische) Definition bzw. hängt diese stark von den einschlägig arbeitenden Fachdisziplinen ab. Die fehlende Schriftlichkeit der als „Kelten“ subsumierten prähistorischen Bevölkerungsgruppen erschwert die Situation zusätzlich. In diesem Artikel wird die Möglichkeit einer „Kelten-Definition“ anhand genetischer Information dis­ kutiert und in Aussicht gestellt. Das zu Grunde ­liegende Untersuchungsmaterial (Knochen und Zähne) stammt von archäologisch/kulturhistorisch als „keltisch“ angesprochenen Individuen.

Sämtliche Laborarbeiten wurden nach allgemein an­ erkannten Regeln (Hummel 2003) zur Bearbeitung alter DNA im forensisch-molekularbiologischen ­Labor des IFFB Gerichtsmedizin der Universität Salzburg (akkreditiert nach EN/DIN ISO 17025) durchgeführt. Das Untersuchungsmaterial (Knochen und ­Zähne) wurde vor der DNA-Isolierung und Reinigung getrocknet, oberflächlich mechanisch dekontaminiert; die physikalische Aufarbeitung der Hartgewebe erfolgte mittels einer Handfräse bzw. mit einer Retsch MM200 Kugelmühle. Zur Darstellung des Roh­ extraktes ­ wurden 60 mg Knochen bzw. Zahnpulver in 625 µl 0,5 M EDTA (pH=8,0) ca. 48 Stunden bei 56°C decalzifiziert und anschließend mittels Schwimm­filterdialyse (Kiesslich et al. 2002) aufgereinigt. ­Alternativ erfolgte die DNA-Reinigung nach einem modifizierten Protokoll (Schilz et al. 2006) auf einer Qiagen M48 Plattform (Cemper-Kiesslich et al. 2011), ca. 240 mg Probenpulver, ansonsten wie oben. Derart gereinigte DNA wurde für die Darstellung eines autosomalen genetischen Fingerabdrucks (Kiesslich et al. 2002) mittels AmpFlSTR Identifiler (Applied Biosystems) bzw. eines gonosomalen,Y-chromosomalen Fingerabdrucks (Kiesslich et al. 2006) mittels PowerplexY System (Promega) bei 34 Zyklen vermehrt und gemäß den Angaben des Herstellers auf einem Applied Biosystems 310 Genetic Analyzer kapillar­elektrophoretisch analysiert und mit der Geno­ typer 2.5 Software ausgewertet. In keiner der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Analysen konnte eine Kontamination durch eine andere Probe oder durch Dritte (Gelegenheitspersonen) nachgewiesen werden. Die für die hier präsentierten Y-chromosomalen Analysen verwendete Referenzdatenbank (Willuweit, Roewer 2007) www.yhrd.org stand zum Zeitpunkt der Datenabfrage in der Version (Release) 33 vom 11. März 2010 zur Verfügung. Mittels www.yhrd.org kann eine Y-chromosomale Merkmalskombination auf ihre Häufigkeit bezogen auf die in der Datenbank gespeicherten Vergleichsdaten abgefragt werden und es kann eine ethnisch/geographische Abschätzung (Zuordnung einer Y-chromosamlen Merkmalskombinati-

124

on zu einer Metapopulation) getroffen werden. Eine ähnliche, aber gröbere ethnisch geographische Abschätzung erlaubt die Internetplattform PopAffiliator (Pereira et al. 2011) (http://cracs.fc.up.pt/~nf/popaffiliator2/ Release 2, 2011): Über die autosomale Merkmalskombination ist hier eine Zuordnung zu einer Großpopulation (Asien, Eurasien, Sahara-Afrika, Nord Afrika und Naher Osten) möglich. Die menschlichen Überreste der 1999 und 2003 am Putzenkopf bei Hallein Dürrnberg geborgenen ­Gräber 344 und 376 wurden zur wissenschaftlichen Untersuchung in die Anthropologische Abteilung des ­ Naturhistorischen Museums gebracht. Die Skelette von Grab 344 wurden erstmals von Höger (2002) vorgestellt und für die vorliegende Publikation überarbeitet und ergänzt. Die Skelette wurden im Museum gereinigt und identifiziert. Wie bei den meisten prähistorischen Gräbern vom Dürrnberg ist auch das Grab 344 mit mehreren Individuen belegt worden, die bei der archäologischen Bergung zwar bestmöglich identifiziert wurden, sich aber bei der detaillierten anthropologischen Untersuchung als sehr vermischt darstellten. So erfolgten nach der Reini-

gung zunächst eine Feststellung der Mindestindividuenzahl und danach eine mögliche Zusammenführung der Skelettelemente eines Individuums. Erst danach wurde eine anthropologische Bestimmung nach den gängigen Methoden durchgeführt (Ferembach et al. 1979; Bruzek 2002; Kósa 1989; Höger 2002; Schultz 1988; Szilvássy 1988; Sjøvold 1990). Eine detaillierte Zusammenführung der anthropologischen und molekularbio­logischen Daten mit den archäologischen Befunden steht jedoch für beide Gräber noch aus. Ergebnisse Kasuistik #1 – „Der Fall 344“ Im Rahmen einer Nachgrabung im Jahr 1999 unter der Leitung von Dir. Mag. Kurt W. Zeller konnte unter der Umfassungsmauer (Abb. 1) des Grabkomplexes 10 (Putzenkopf Nord, Dürrnberg bei Hallein) eine Mehrfachbestattung (Grab 344) aus augenscheinlich drei Individuen (Abb. 2) festgestellt werden. Eine zeitliche Einordnung des Fundes in das LaTène B2 (ca. 330 v. Chr.) war typologisch über eine Fibel vom Typ

Abb. 2:  Übersichtsaufnahme Grab 344 nach Entfernen des Steinhaufens und Freilegung der Gebeine. Cemper-Kiesslich, 2000

Abb. 3:  Detailaufnahme Grab 344: Lokalisation des Armreifens (links oben), der Fibel vom Münzger Typ (oben Mitte) und des Fußringes (unten), Cemper-Kiesslich, 2000

Abb. 1:  Übersichtsaufnahme der Umfassungsmauer des Grabes 10 mit auffälliger Anhäufung von Steinen. Cemper-Kiesslich, 2000

125

Abb. 4:  Detailaufnahme der Fibel vom Typ Münsingen, Cemper-Kiesslich, 2000

Münsingen (Abb. 4) aus dem Unterarmbereich des Individuums 344–II gegeben. Abgesehen von der speziellen Lage des Grabes (unter/ in der Umfassungsmauer eines größeren Komplexes) ist die Bestattung von mindestens drei Individuen in einer Kammer von ca. 1,9 mal 1,3 Meter (erkennbar an dunklen, sich vom umgebenden Lehmboden abhebenden Begrenzungen der Kammer) sowie die spärliche Beigabensituation (einer Fibel, vgl. oben, ein Fußring sowie die Bruchstücke zweier Keramikgefäße, Abb. 3 und 4) besonders auffällig: Verglichen mit anderen Bestattungen aus dem Grabkomplex 10, wäre in einer solchen Kammer lediglich mit einem Individuum bei wesentlich reicherer Ausstattung zu rechnen. Folglich darf davon ausgegangen werden, dass dramatische Umstände innerhalb kürzester Zeit (geschätzt ein bis zwei Wochen) zur Mehrfachbelegung dieses Grabes geführt haben. Aus Sicht der physischen Anthropologie konnten an den Skeletten keine offensichtlichen Traumaspuren festgestellt werden – dennoch kann eine Gewalteinwirkung (z. B. durch scharfe Gewalt) an den Weichteilen als Todesursache ebenso wenig ausgeschlossen werden wie eine Seuche oder eine Vergiftung. Primärfragestellung für die DNA-Analytik war die Feststellung des biologischen Geschlechts und der Verwandtschaft (‚Familiengrab’?). Grab 344 Individuum 1 stammt von einem Mann der zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr verstorben ist. Der Schädel ist fragmentiert, das postkraniale Skelett ist robust und relativ vollständig erhalten. Es kann eine Körperhöhe von 162 cm errechnet werden. Die Sterbealtersbestimmung lässt anhand der fortgeschrittenen Zahnabrasion, der intravitalen Zahnverluste, der verschlossenen Schädelnähte, der zahlreichen degenerativen Veränderungen sowie der osteoporotischen Knochen auf ein seniles Individuum schließen. Alle Merkmale des Beckens und des Schädel sind eindeu-

126

tig männlich ausgeprägt. Die Zuordnung der Skelettreste zur archäologisch Grabungsdokumentation, die anthropologische und genetische Identifikation sind eindeutig. Grab 344 Individuum 2 stammt von einer Frau, die im 20.-25. Lebensjahr verstorben ist. Es sind zahlreiche Schädelfragmente, Rippen, linker Oberarmschaft, Fragmente der Schultern und proximale Ulnaschaftstücke einer eher grazilen Person erhalten. Das Sterbealter wurde anhand der offenen Schädelnähte und der geringen Abrasion der Zähne bestimmt. Die Merkmale des Schädels sind weiblich ausgeprägt, die Knochen der oberen Extremität sind nicht sehr robust ausge­bildet. Nach der Grabungsdokumentation liegt von Skelett 2 nur der Schädel und Teile des Oberkörpers in situ. Alle übrigen Knochen dürften vom ­Archäologen interpretativ diesem Skelett zugeordnet worden sein, zumal die Knochen des postkranialen Skelettes teilweise über oder unter denen von Skelett 3 gelegen waren. Deshalb lag Skelett 2 als Fundkomplex stark vermengter Knochenreste vor. Es fanden sich darunter u. a. Beckenteile, ein Schlüsselbein und Langknochenteile von Skelett 3 und Reste von Beckenschaufeln von mindestens drei anderen Individuen. Grab 344 Individuum 3 stammt von einem jungen Mann, der im 20.–25. Lebensjahr verstorben ist. Es sind ein massives Unterkiefer, Teile des Ober­kiefers, eine linke Beckenschaufel, Arm und Beinknochen, und die kleinen Knochen der Hände und Füße vorhanden. Der geringe Abrasionsgrad der Zähne, die ­Facies symphysealis eines jungen Individuums, die ­offene sternale Epiphysenfuge der Clavicula sprechen für ein frühadultes Individuum, die obliterierten Epiphysenfugen des Beckens, der Oberarm- und Beinknochen sowie die ausmineralisierten Weisheitszähne deuten auf ein adultes Individuum. Der sehr maskuline Unterkiefer und das Beckenfragment deuten eindeutig auf ein männliches Individuum, die Langknochen und Fußknochen sind dagegen nicht sehr robust ausgebildet, allerdings robuster als die von Individuum 2 und 4. Die Knochen wurden aufgrund der maskulinen Merkmale dem Fundkomplex Individuum 3 zugeordnet. Die Wirbel aus dem Fundkomplex Skelett 2 könnten aufgrund der maskulinen Merkmale ebenfalls zu Individuum 3 gehören. Die vermengten Knochen einer älteren Frau wurden aus dem Fund-

komplex Individuum 3 herausgelöst und als Individuum 4 beschrieben. Grab 344 Individuum 4 ist das Skelett einer Frau, die im 50.–70. Lebensjahr verstorben ist. Es liegen zahlreiche verdickte Schädelknochen mit obliterierten Schädelnahtabschnitten vor. Die Zähne und Kieferreste deuten ebenso wie die arthrotisch veränderten Wirbel und Femurköpfe auf ein höheres Alter hin. Das Sterbealter wurde durch die fortgeschrittene Zahnabrasion, den intravitalen Zahnverlust, die obliterierten Schädelnähte und die degenerativen Veränderungen an den Wirbeln und den Gelenken auf eine maturesseniles Alter bestimmt. Die Merkmale des Schädels deuten auf ein weibliches Individuum. Alle Skelettelemente aus dem Fundkomplex Individuum 3 und teilweise aus Fundkomplex Individuum 2, die Hinweise auf ein älteres grazileres Individuum zeigten, wurden zu Individuum 4 zusammengestellt. Archäologisch ist dieses Individuum nicht dokumentiert worden. Zahlreiche Knochen aus dem Fundkomplex Individuum 2 konnten nicht eindeutig einem der oben beschriebenen Individuen zugeordnet werden. So gehören die Wirbelknochen mit einem eher männlich ausgeprägtem Kreuzbeinfragment eines jüngeren Individuums möglicher Weise zu Individuum 3. Die Zugehörigkeit weitere Beckenfragmente ist fraglich und zu welchem Individuum der rechte grün verfärbte distale Unterschenkel sowie die dazugehörenden Fußknochen gehören, kann vielleicht noch anhand der Beigaben archäologisch geklärt werden. Ein ­wesentlich robusteres und anatomisch anders geformtes linkes Tibiaschaftstück, ein mäßig robustes mittleres Femurschaftstück, sowie zwei unterschiedlich robuste rechte Patellae sind ebenfalls nicht einem Individuum direkt zuzuordnen. Zusammenfassung Grab 344: Aus Grab 344 konnten anthropologisch die menschlichen Überreste von mindestens 4 erwachsenen Personen festgestellt werden. Individuum 1, das Skelett eines alten (60 – 80 Jahre) Mannes, Individuum 2, die unvollständigen Skelettreste einer jüngeren, 20–25 jährigen Frau, Individuum 3, das Skelett stammt von einem jungen (20 –25 Jahre) Mann, Individuum 4 das Skelett einer älteren, 50–70 jährigen Frau. Durch die komplizierte Grab­ situation sind die Proben für die DNA Untersuchung nur für Individuum 1 und 3 eindeutig nachvollzieh-

bar gewesen. Da die anthropologische Zuordnung mit Berücksichtigung der Kontaminationsgefahr erst nach der Probenentnahme erfolgte, war die Identifizierung der Individuen noch gar nicht geklärt. Der anthropologische Erstbefund (mindestens 4 Individuen, vermutlich mehr) konnte über die Erstellung der autosomalen genetischen Fingerabdrücke bestätigt und erweitert werden: Insgesamt konnten 5 verschiedene Individuen anhand ihrer individuellen DNA-Merkmalskombinationen festgestellt werden (siehe Tabelle 1), die morphologische (so weit möglich) und molekulare Identifizierung des biologischen Geschlechts war konsistent: Es konnten zumindest 3 Frauen und 2 Männer (Tabelle 1, Merkmal AMEL) festgestellt werden. Aufgrund der 5 individuellen auto­somalen Merkmalskombinationen kann eine bio­ logische Verwandtschaft im Sinne einer Elternschaft zu 100 % ausgeschlossen werden (siehe Tabelle 2). Über alternative Verwandtschaftsverhältnisse kann an dieser Stelle keine Aussage getroffen werden, da nur von einem Individuum ein Y-chromosomales Teilprofil (paternale Linie) erstellt werden konnte und keine mitochondrialen Daten (maternale Linie) vorliegen. Aufgrund der vergleichsweise schlechten DNAQualität konnte nur für das Individuum 344-I ein Ychromosomaler Teilbefund erstellt werden (Tabelle 3). Eine Abfrage auf www.yhrd.org ergab 62 Treffer in 86568 vergleichbaren Einträgen (dies entspricht einer Frequenz von f=0,0007162 oder 1 aus 1396). Die 62 Übereinstimmungen verteilen sich wie folgt auf: Y-chromosomale Loci

Individuum 344-I

DYS 19 DYS389 DYS 390 DYS 319 DYS392 DYS 393

14

13

24

11

14

12

Tabelle 3: Y-chromosomaler Befund für das Individuum 344-I

Eurasische Metapopulation davon Europäische Metapopulation: davon Westeuropäische Metapopulation: und Osteuropäische Metapopulation: und Südosteuropäische Metapopulation: sowie Altaische Metapopulation: und Kaukasische Metapopulation: und Indo-Iransiche Metapopulation: Ostasiatische Metapopulationen: davon Japanische Metapopuation: und Sino-Tobetische Metapopulation:

47 28 12 5 8 11 4 4 8 1 7

127

Afro-Amerikanische Metapopulation: Amerind Metapopulation: Semitische Metapopulation: gemischte Metapopulation: Australische und Ost-Asiatische Metapopulationen

1 1 2 3 0

Die ethnisch/geographische Abfrage ergab Überein­ stimmungen in Südostdeutschland, Ungarn/Rumä­nien,

Nordost-Spanien, Mittelitalien, Sizilien, Zen­traltürkei und östliches Schwarzmeergebiet, wobei in den beiden letztgenannten die höchste Übereinstimmung gefunden wurde. Ethnisch-geographische Abschätzung der Individuen aus Grab 344, basierend auf den autosomalen Daten wie in Tabelle 1 mittels PopAffiliator2 (höchste Übereinstimmung fett hervorgehoben):

Eurasien

Naher Osten

Afrika-Nord

Afrika-Sub-Sahara

Asien

Individuum 344-I

12,9%

46,8%

34,9%

4,3%

1,2%

Individuum 344-II

45%

keine Angabe

keine Angabe

53,3%

1,7%

Individuum 344-III

39,4%

12,9%

23,8%

0,4%

23,4%

Individuum 344-IV

46,7%

27,2%

25,2%

0%

0,9%

Individuum 344-V

keine Angabe möglich, zu wenig Merkmale typisierbar!

Autosomale Loci

Individuum Individuum Individuum Individuum Individuum

344-I 344-II 344-III 344-IV 344-V

D8S1179

D21S11

D7S820

CSF1PO

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

D19S43

13 11 13 14 10

29 20 29 28

31 32.2 29 28

9 10 10 10

10 11 11 10

10 11 10 12

10 13 10 12

15 13 17 15

16 17 18 17

13 11 8 11

14 13 11 12

11 11 11 12

13 12 13 13

17 16 19 17

19 23 25 17

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

6 6 6 8 6

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

14 12 13 12 10

15 15 13 15 14

8 7 9 9 7

14 13 14 15 12

vWA

17 16 14 15 15

17 19 18 18 17

TPOX

D18S51

8 8 8 8

11 8 11 8

12 15 16 14

13 19 16 17

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

AMEL

X X X X X

D5S818

Y X Y X X

11 11 11 11 11

12 12 12 12 12

FGA

20 22 20 20

25 24 23 21

o.B.

o.B.

Tabelle 1:  Individuelle autosomale DNA-Profile der Individuen aus dem Grab 344. Jede Zeile entspricht einer hochindividualisierten, gleichsam einzigartigen Merkmalskombination. Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-I Individuum 344-II

13 11

Autosomale Loci

D8S1179

D21S11

D7S820

CSF1PO

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

D19S43

Individuum 344-I Individuum 344-III

13 13

29 29

9 10

10 10

15 17

6 6

13 8

11 11

17 19

14 13

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-I Individuum 344-IV

13 14

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-I Individuum 344-V

13 10

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-II Individuum 344-III

11 13

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-II Individuum 344-IV

11 14

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-II Individuum 344-V

11 10

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-III Individuum 344-IV

13 14

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-III Individuum 344-V

13 10

Autosomale Loci

D8S1179

Individuum 344-IV Individuum 344-V

14 10

15 15 15 13 15 15 15 14 15 13 15 15 15 14 13 15 13 14 15 14

D21S11

29 31 20 32.2 31 29

D21S11

29 28

31 28

D21S11

D7S820

CSF1PO

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

9 10

10 11

15 13

6 6

13 11

11 11

17 16

10 11 10 11

D7S820

9 10

10 10

10 10

CSF1PO

10 12

10 12

16 18

8 7 8 9

14 13 14 11

13 12 13 13

19 23 19 25

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

15 15

6 8

13 11

11 12

17 17

16 17

8 9

14 12

13 13

D3S1358

TH01 1

D13S317

31

9

10

10

10

15

16

14

11

13

17

19

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

6 6

13

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

D21S11

20 32.2 28 28 D21S11

D7S820

10 10

11 11

D7S820

10 10

11 10

13 10

CSF1PO

11 12

13 12

14 13 14 14

D19S43

14 12

14 15

D19S43

14 10

14 12

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

D19S43

13 17

6 6

11 8

11 11

16 19

12 13

17 18

7 9

13 11

12 13

23 25

13 14

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

D19S43

13 15

6 8

11 11

11 12

16 17

12 12

17 17

7 9

13 12

12 13

13 15

D3S1358

TH01 1

D13S317

D2S1338

D19S43

32.2

10

11

11

13

13

17

13

11

12

16

23

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

6 6

11

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

12 10

29 28

D21S11

D7S820

10 10

11 10

10 12

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

17 15

6 8

8 11

11 12

19 17

18 17

9 9

11 12

13 13

D3S1358

TH01 1

D13S317

29

10

11

10

10

17

18

11

11

13

19

25

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

6 6

8

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

CSF1PO

9 7

D16S539

25 17

29

D7S820

CSF1PO

D3S1358

o.B.

D21S11

D7S820

CSF1PO

10 12

7 7

D16S539

23 17

20

D21S11

CSF1PO

D2S1338

D19S43

14 12

o.B.

29 28

D7S820

CSF1PO

11 10

8 7

D16S539

19 17

29

D21S11

CSF1PO

16 17

o.B.

20 32.2 29 29

D7S820

10 13

D19S43

13 12

14 15

D19S43

13 10

14 12

D3S1358

TH01 1

D13S317

D2S1338

D19S43

28

28

10

10

12

12

15

17

12

12

13

17

17

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

8 6

11

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

12 10

9 7

D16S539

D2S1338

13 12

15 12

vWA

17 16

17 19

vWA

17 14

17 18

vWA

17 15

17 18

vWA

17 15

17 17

vWA

16 14

19 18

vWA

16 15

19 18

vWA

16 15

19 17

vWA

14 15

18 18

vWA

14 15

18 17

vWA

15 15

18 17

TPOX

8 8

11 8

TPOX

8 8

11 11

TPOX

8 8

11 8

TPOX

D18S51

12 15

13 19

D18S51

12 16

13 16

D18S51

12 14

13 17

D18S51

8

11

12

13

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

TPOX

8 8

8 11

TPOX

8 8

8 8

TPOX

D18S51

15 16

19 16

D18S51

15 14

19 17

D18S51

8

8

15

19

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

TPOX

8 8

11 8

TPOX

D18S51

16 14

16 17

D18S51

8

11

16

16

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

TPOX

D18S51

8

8

14

17

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

AMEL

X X

Y X

AMEL

X X

Y Y

AMEL

X X

Y X

AMEL

X X

Y X

AMEL

X X

X Y

AMEL

X X

X X

AMEL

X X

X X

AMEL

X X

Y X

AMEL

X X

Y X

AMEL

X X

X X

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

D5S818

11 11

12 12

FGA

20 22

25 24

FGA

20 20

25 23

FGA

20 20

25 21

FGA

20

25

o.B.

o.B.

FGA

22 20

24 23

FGA

22 20

24 21

FGA

22

24

o.B.

o.B.

FGA

20 20

23 21

FGA

20

23

o.B.

o.B.

FGA

20

21

o.B.

o.B.

Tabelle 2:  Paarweiser Vergleich der autosomalen Merkmalskombinationen der Individuen aus dem Grab 344; Im Falle einer möglichen elterlichen Verwandtschaft muss in jedem der Merkmale (z. B. D8S1179, D21S11, etc.) zumindest einer der beiden aufgeführten Allel-Werte übereinstimmen. Auch wenn einzelne Allelwerte übereinstimmen ist Falle einer Nicht-Übereinstimmung schon bei einem einzigen Merkmal eine elterliche Verwandtschaft zu 100 % auszuschließen. Nicht-Übereinstimmungen (sog. Ausschlüsse) sind fett unterstrichen dargestellt, ‚o.B.’ steht für „ohne Befund“ – die DNA-Qualität beim Individuum 344-V erlaubte lediglich die Erstellung eines Teilprofils.

128

Kasuistik #2: „Das Grab 376“ Die Bestattung 376 (Putzenfeld am Dürrnberg, Hallein) wurde im Jahr 2003 archäologisch erschlossen (siehe Abb. 5 und 6). Neben den menschlichen Überresten konnte eine Reihe von Keramikbruchstücken sowie einige Schmuckgegenstände festgestellt werden. Grab 376 Individuum 1 stammt von einem Mann, der zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr verstorben ist. Er war vermutlich um die 173 cm groß. Das relativ vollständi-

ge aber sehr stark zerbrochene Skelett hat einen robusten Knochenbau. Die Knochenoberfläche ist teilweise erodiert. An den Oberschenkelköpfen sind so genannte Reiterfacetten ausgebildet. Das Sterbealter ist durch die offenen Schädelnähte, die geringe Zahn­abrasion aber auch durch die bereits verschlossenen Wachstumsfugen als junges adultes Individuum zu definieren. Alle Merkmale des Beckens und die meisten Merkmale des Schädels sind eindeutig männlich ausgeprägt. Das Unterkiefer und das Os zygomatikum sind dagegen eher grazil. Auffallend an dieser Bestattung war die inkohärente Geschlechtsidentifizierung: Aus archäologischer Sicht (bewertet anhand der Beigaben) ist die Bestattung als weiblich anzusprechen. Morpho­metrisch und molekularbiologisch (Tabelle 4, Merkmal AMEL, Tabelle 5, Y-chromosomale Merkmalskombination) ist hier aber eindeutig von einem biologisch männlichen Individuum auszugehen. Dies ist insofern bemerkenswert, zumal hier zwischen sozialem und biologischem Geschlecht differenziert worden sein dürfte! Eine Abfrage auf www.yhrd.org ergab 33 Treffer in 84771 vergleichbaren Einträgen (dies entspricht einer Frequenz von f=0,00038928 oder 1 aus 2569). Die 33 Übereinstimmungen verteilen sich wie folgt auf:

Abb. 5:  Übersichtsaufnahme Grab 376, Putzenfeld, Dürrnberg bei Hallein, Moser, 2007

Eurasische Metapopulation davon Europäische Metapopulation: davon Westeuropäische Metapopulation: und Osteuropäische Metapopulation: und Südosteuropäische Metapopulation: sowie Altaische Metapopulation: Afro-Amerikanische Metapopulation: Amerind Metapopulation: Semitische Metapopulation: gemischte Metapopulation: Australische, Ost-Asiatische und pazifische Metapopulationen

27 25 12 5 4 2 1 1 1 3 0

Abb. 6:  Umzeichnung Grab 376, Putzenfeld, Dürrnberg bei Hallein, Moser, 2007 Autosomale Loci

D8S1179

D21S11

D7S820

Individuum 376

13

29

11

14

29

12

CSF1PO

(12)

?

D3S1358

TH01 1

D13S317

D16S539

D2S1338

D19S43

15

8

12

11

o.B.

13

17

9.3

13

12

o.B.

13

vWA

18

18

TPOX

8

?

D18S51

(17)

?

AMEL

X

Y

D5S818

11

12

FGA

21

?

Tabelle 4:  Autosomale Merkmalskombination, Individuum 376 Y-chromosomale Loci

Individuum 376

DYS391 DYS389I DYS439 DYS389II DYS438

11

13

12

29

12

DYS437

DYS19

DYS392

DYS393

DYS390

DYS385

15

15

o.B.

12

o.B.

11/14

Tabelle 5: Y-chromosomale Merkmalskombination, Individuum 376

129

Die ethnisch/geographische Abfrage ergab Übereinstimmungen in Mittel- bis Nordosteuropa, Iberische Halbinsel (Süd-Westen), Sizilien und Zentraltürkei, wobei in Sizilien die höchste Übereinstimmung gefunden wurde.

Individuum 376

Ethnisch-geographische Abschätzung des Individuums aus Grab 376, basierend auf den autosomalen ­Daten wie in Tabelle 4 mittels PopAffiliator2 (höchste Übereinstimmung fett hervorgehoben):

Eurasien

Naher Osten

Afrika-Nord

Afrika-Sub-Sahara Asien

97%

0,5%

0%

0%

Kasuistik #3 – „Der Mitterkirchner Papi“ „...Das Gräberfeld von Mitterkirchen (Leskovar 1998) wurde in den Jahren von 1981 bis 1990 unter der Leitung von Manfred Pertlwieser und Vlasta Tovornik unter reger Beteiligung von Mitarbeitern des Oberösterreichischen Landesmuseums archäologisch erschlossen. Für eine DNAAnalyse wurden, ausgehend vom archäologischen Befund, 5 Individuen ausgewählt und beprobt um anhand einer DNAAnalyse das biologische Geschlecht und die Verwandtschaftsverhältnisse zu bestimmen. Die ovale Grabkammer (HU-X) enthielt eine Doppelbestattung (HÜ-X/2-A und HÜ-X/2B) sowie ein Wagengrab einer (höchstwahrscheinlich) weiblichen Person (HÜ-X/1). Neben diesen bemerkenswert reichhaltig ausgestatteten Bestattungen fand sich ein beigabenloses Hockergrab (HÜ-X/H). Weiters wurden Proben von der ebenfalls reich ausgestatteten benachbarten Zentralbestattung (HÜ-I/8 – siehe Abb. 7 und 8) genommen. ...“ – aus: Sonius #07, 2010 (Kiesslich 2004; CemperKiesslich et al. 2010). Von den 5 untersuchten Individuen konnte für ein – Individuum HÜ/I-8, männlich, siehe Tabelle 6 und 7 – ein komplettes und für ein weiteres – Individuum HÜ/X/1, weiblich, siehe Tabelle 6 – ein partielles DNA-Profil erstellt werden. Der interindividuelle Abgleich der Allelwerte der typisierbaren Marker er­

Autosomale Loci

Individuum HÜ-I/8 Individuum HÜ-X/1

D8S1179

10 12

12 15

D21S11

31 27

32.2 32.2

D7S820

CSF1PO

D3S1358

8 8

11

15 16

9 10

11 o.B.

16 17

gab, dass mit 99,2232 % Wahrscheinlichkeit zwischen diesen beiden Individuen eine Elternschaft bestand (Alternativhypothesen: 0,7287 % Geschwister und weniger als 0,0481 % für eine zufällige Übereinstimmung / Nicht-Verwandtschaft).Weiters konnte für das Individuum HÜ/I-8 ein kompletter Y-chromosomaler ­Fingerabdruck erstellt werden. Eine Abfrage auf www.yhrd.org ergab 107 Treffer in 84771 vergleichbaren Einträgen (dies entspricht einer Frequenz von f=0,00126222 oder 1 aus 792). Die 107 Übereinstimmungen verteilen sich wie folgt auf: Eurasische Metapopulation davon Europäische Metapopulation: davon Westeuropäische Metapopulation: und Osteuropäische Metapopulation: und Südosteuropäische Metapopulation: sowie Kaukasische Metapopulation: und Indo-Iranische Metapopulation: Afrikanische Metapopulation: Amerind Metapopulation: gemischte Metapopulation: Australische, Ost-Asiatische und pazifische Metapopulationen

TH01 1

D13S317

D16S539

6

11 11

12 10

9 o.B.

2,5%

14 13

12 12

D2S1338

23

24 o.B.

D19S43

14 14.2

vWA

14.2 15

14 14

15 19

TPOX

8

9 o.B.

D18S51

13

13 o.B.

AMEL

X X

Y X

92 88 59 8 4 3 1 3 1 11 0

D5S818

11 11

11 12

FGA

21 21

21 23

Tabelle 6:  Autosomale Merkmalskombinationen, Individuen HÜ-I/8 und HÜ-X/1; übereinstimmende Allelwerte sind je Merkmal fett und unterstrichen hervorgehoben.

Y-chromosomale Loci

Individuum HÜ-I/8

DYS391 DYS389I DYS439 DYS389II DYS438

10

12

11

29

10

DYS437

DYS19

DYS392

DYS393

DYS390

DYS385

16

15

11

14

22

14/14

Tabelle 7: Y-chromosomale Merkmalskombination, Individuum HÜ-I/8

130

Abbildung 7:  Übersichtsaufnahme Grab HÜ-I/8, Mitterkirchen, Oberösterreich, Leskovar, 1998

Die ethnisch/geographische Abfrage ergab Übereinstimmungen in Zentraleuropa, Osteuropa, im nördlichen Italien, auf den Balearen und im östlichen Schwarzmeergebiet, wobei die höchste Übereinstimmung auf den Balearen und im ungarisch-rumänischen Grenzgebiet und im der östlichen Schwarzmeerregion gefunden werden konnte.

Abbildung 8:  Umzeichnung Grab HÜ-I/8, Mitterkirchen, Oberösterreich, Leskovar, 1998

Ethnisch-geographische Abschätzung der Individuen HÜ-I/8 und HÜ-X/1, basierend auf den autosomalen Daten wie in Tabelle 6 mittels PopAffiliator2 (höchste Übereinstimmung fett hervorgehoben):

Eurasien

Naher Osten

Afrika-Nord

Afrika-Sub-Sahara

Asien

Individuum HÜ-I/8

58,2%

15,5%

18,3%

0,2%

7,7%

Individuum HÜ-X/1

84,4%

4,8%

2,1%

6,3%

2,4%

Diskussion Das Potential autosomaler und gonosomaler genetischer Marker als Indikator für die ethnische Zugehörigkeit darf für rezente Populationen mittlerweile als hinlänglich demonstriert angesehen werden (z. B. Bulayeva et al. 2003; Fosella et al. 2004; Willuweit, Roewer 2007). Ein bestimmter Genotyp (autosomale Merkmalskombination) oder Haplotyp (Y-chromosomale oder mitochondriale Merkmalskombination) wird in einer Datenbank auf Häufigkeit und Verortung abgefragt, wobei sich das Ergebnis auf rezente, ca. 10–15 Jahre zurückreichende Analysen bezieht. Die Anwendung dieses Prinzips auf historische Individuen bzw. deren genetische Konstitution hat in manchen Einzelfällen (z. B. Ricaut et al. 2004; Vernesi et al. 2004; Williams 2005; Cemper-Kiesslich, Zink 2009)

den Gesamtbefund essentiell bereichert – darf aber keinesfalls unhinterfragt bleiben! Findet sich für ein (prä)historisches Individuum ein ethnisch-geographisches Korrelat in einer dieser (rezenten) Datenbanken, sind aus Sicht der Autoren in diesem Kontext einige prinzipielle Unwägbarkeiten zu bedenken: – Haben sich die Nachfahren des historischen Individuums dort, wo heute die höchste Übereinstimmung gefunden wurde, niedergelassen und vermehrt? Oder entstammt die betreffende Person einer ­ Population, die seit „grauer Vorzeit“, also Jahrhunderte bis Jahrtausende vor ihrer Lebenszeit, in dem betreffenden Raum gelebt hat und deren genetische Besonderheiten bis heute nachzuweisen sind? – Welche Rolle spielen individuelle und massenhafte Migrationsereignisse (wie z.B. die Völkerwanderung im frühen Mittelalter)?

131

– Zufällige Übereinstimmungen (prä)historischer In­ di­viduen mit heutigen Populationen. – Die untersuchten Individuen sind nicht für die Bezugspopulation bzw. Ethnie repräsentativ (Zu­wanderer?). – Welche Rolle spielen molekularbiologisch-evolutionäre Faktoren wie Gendrift oder sog. ‚bottlerneck’-Effekte (Seuchen, Hungersnöte, Kriege etc.) – Die verwendeten Daten sind keineswegs vollständig und bilden die tatsächlichen Verteilungsmuster nur teilweise wirklichkeitsgetreu ab. Manche Gegenden sind bis dato überhaupt noch nicht erfasst. Folglich kann eine DNA-basierte Abschätzung des ethnisch-geographischen Hintergrundes einer Person (‚ethnic estimation’ – Fosella et al. 2004; Pereira et al. 2011; Williams 2005; Willuweit, Roewer 2007) bestenfalls eine Ergänzung zu anderen Daten wie Tracht, Schmuck-, Waffen- oder Keramik-Typologien, die herkömmlicherweise für die Beschreibung einer ethnisch-kulturellen Entität herangezogen werden, liefern. In dieser Studie wurde versucht, anhand von einigen wenigen Individuen aus zwei verschiedenen, in der allgemeinen Diskussion und Rezeption auch als „keltisch“ bezeichneten Fundzusammenhängen, ein exemplarisches Muster herauszuarbeiten. Ausgehend von den Daten, welche sich auf die heutige Verteilung Y-chromosmaler Muster beziehen, konnte für das Individuum 344-I der zentraltürkische Raum und das östliche Schwarzmeergebiet; für das ­Individuum 376 Sizilien; und für das Individuum HÜI/8 die Balearen, Norditalien und – bemerkenswerterweise wie bei 344-I – die östliche Schwarzmeerregien als „Herkunftsgebiet“ eingeschätzt werden. Die Ergebnisse der autosomalen Datenabfrage bei http://cracs.fc.up.pt/~nf/popaffiliator2/ zeigte für 344-II, 344-III und 344-IV, für 376 (97%!) sowie für

132

HÜ-I/8 und HÜ-X/1 jeweils die höchste Übereinstimmung in der Eurasischen Population. Lediglich 344-I fällt mit einer höchsten Übereinstimmung von 46,8% im Nahen Osten gefolgt von Nord-Afrika mit 34,9% aus diesem groben Schema deutlich heraus – was bemerkenswerterweise mit dem Y-chromosomalen Befund (Zentraltürkei und Schwarzmeergebiet) auffällig korreliert. Schlussbemerkung Die in dieser Arbeit präsentierten Daten und daraus abgeleiteten ethnisch geographischen Korrelate dürfen keinesfalls als repräsentativ angesehen werden, ins­besondere weil sich die Verortungen auf rezente Referenzdatensätze beziehen. Eine valide(re) Verortung würde zu den beiden geographischen Dimensionen noch eine dritte, die Zeit, erfordern: Aufgrund einer biostatistischen Abschätzung anhand rezenter menschlicher Populationen (Butler 2005: 474–480) sind ca. 200 (mindestens 100) nicht verwandte Individuen für die Erstellung einer aussagekräftigen Populationsstatistik erforderlich. Außerdem ist nach wie vor ungeklärt (Collis 2003: 218–222) ob es sich bei den von der heutigen prähistorischen Forschung als ‚keltisch’ bezeichneten Populationen und Gesellschaften wirklich um eine ethnische, und damit auch genetisch fassbare Einheit gehandelt hat bzw. ob der Terminus „Kelten“ überhaupt noch verwendet werden sollte. Danksagung Die Laborarbeiten am IFFB Gerichtsmedizin der Universität Salzburg für diese Studie wurden aus Mitteln der TuBa-Privatstiftung finanziert. Dieser Artikel ist Dir. Mag. Kurt W. Zeller† gewidmet.

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Archäologische Interpretationen – Anthropologische Fakten Karin Wiltschke-Schrotta

Zusammenfassung Das Bild der Kelten als heroische Krieger, reiche Salzherren und Fürsten soll mit den anthropologischen Ergebnissen der latènezeitlichen Bevölkerung vom Dürrnberg hinterfragt werden. Mit anthropologischen Untersuchungen an den menschlichen Überresten dieser Bevölkerung versuchen wir vorerst ein vom Mythos unabhängiges Bild zu schaffen. Unser Ziel ist es mit verschiedenen Analysen Fragen zur Demographie,Verwandtschaft, Arbeitsbelastung und zum Gesundheitszustand zu beantworten. Erst das Zusammenspiel dieser Daten mit den Ergebnissen anderer Disziplinen ermöglicht es neue, komplexere Fragen zu stellen und das überlieferte Bild der „Kelten“ zu testen. So manch gängiges Klischee mag vielleicht für die „Kelten“ vom Dürrnberg zutreffen. Umso spannender ist es, wenn aufgrund der interdisziplinären Befunde revidierte oder neue Bilder der damaligen latenézeitlichen Bevölkerung entstehen. Abstract The perception of the Celts as heroic warriors, rich salt miners or dukes form Hallein Dürrnberg is to be proofed with the means of physical anthropology.The anthropological investigations of the human remains give us a scientific approach to this population primarily independent from the cultural aspects. Our aim is to give insight in demographical changes, familiar relationships, epidemiological aspects and workload of this population. As a base, the derived anthropological data have to be connected with the results of other disciplines, especially the archaeological data.This is the premise to answer more complex questions and to review the public perception of the Celts from Dürrnberg.

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Einleitung Die Aufarbeitung der menschlichen Überreste der Gräber des Dürrnberges stellt eine anthropologische Herausforderung dar. Die meisten Toten der früh­ latènezeitlichen Bevölkerung vom Dürrnberg wurden in Grabkammern aus Holz mit Bodenbrettern und zahlreichen mehr oder weniger wertvollen Grab­beigaben bestattet. Neben Waffen- und Nah­rungs­gaben wurden den Toten auch wertvolle Schmuck­stücke mitgegeben, die oft im Zuge des weit verbreiteten antiken Grab­ raubes gestohlen wurden. In manchen Fällen lassen gezielt angelegte Beraubungstrichter auf eine Beraubung kurz nach der Grablegung schließen. Auch die unnatürliche anatomische Position mancher ­Toten deutet auf eine noch im Sehnenverband erfolgte Dislokation hin. Neben dieser Art der Grabstörung kam es auch durch Nachbestattungen zu Veränderungen der ursprünglichen Grabsituationen. So wurden bei einer weiteren Belegung einer Grabkammer oftmals die menschlichen Überreste einer älteren Bestattung an den Rand der Kammer gelegt. Bei manchen Gräbern konnte die Errichtung einer neuen Grabkammer, über der alten, vermutlich zerfallenen, beobachtet werden. Im Laufe der Zeit verfiel auch diese und durch den Bodendruck wurde alles verdichtet. Weitere Störungen in Form von späteren Beraubungen oder rezenten Bautätigkeiten führten zu stark vermengten und komplexen Grabsituationen. So war es oftmals während der Ausgrabung unmöglich die Anzahl der Bestatteten in einem Grab festzustellen, da manchmal verschiedene Horizonte durch die Verwitterung nur schwer auseinanderzutrennen waren. ­Störungen und Beraubungen, aber auch bewusst auf die Seite gelegte Skelettreste, betrafen meist mehrere Individuen. Erst durch die anthropologische Analyse eines gesamten Grabkomplexes konnte auf eine Mindestindividuenzahl geschlossen werden. Diese Daten sind notwendig um das Ausmaß der Vermengung festzustellen, und hilfreich bei der Interpretation der Grabsituation. So kann es vorkommen, dass ein ­Knochenpaket – archäologisch interpretiert als von ­einem pietätvoll beiseite geräumten Individuum (Grab 343, Moser 2010) – Reste von drei unterschiedlichen Individuen repräsentierten. Auch die anthropologische Geschlechtsbestimmung ist vor allem bei atypisch bestatteten Individuen von

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I­ nteresse. Die vermutete Frauenbestattung aus dem Grab 376 (Moser 2007), wurde als anthropologisch eindeutig männlich bestimmt. Eine unabhängige DNAAnalyse (s. Cemper-Kiesslich Beitrag in diesem Band) bestätigte, dass es sich um die Überreste eines Mannes handelte. Diese zwei exemplarischen Beispiele zeigen wie wichtig es ist, speziell bei den komplexen Grabbefunden vom Dürrnberg, eine interdisziplinäre Auswertung durchzuführen und gemeinsam den Befund zu interpretieren. Aktuelle Ansätze Am Beispiel der 1981 gegrabenen Gräbergruppen Kammelhöhe und Sonneben (Zeller 1981) wird aufgezeigt, wie eine Aufarbeitung von Altmaterialien funktionieren kann und wie wichtig es ist die Daten der Archäologie mit der Anthropologie zusammenzuspielen. Jede Disziplin erhebt zunächst ihre eigenen Daten zu den jeweils vorliegenden Befunden. Danach wurden die anthropologisch und die archäologisch definierten Individuen anhand der Grabungsdokumentation zusammengeführt und erhielten ihre neue Individualnummer. Weiters erfolgte eine Korrelation der anthropologischen Geschlechts- und Sterbealtersbestimmungen mit den im Grab vorhandenen Grabbeigaben. Daraus ergab sich eine grobe zeitliche Abfolge und der Grabbefund konnte neu interpretiert werden. Erst die Kombination der Daten ermöglicht sinnvolle Aussagen. Dieser Vorgang soll am willkürlich herausgegriffenen Beispiel des Grabes Kammelhöhe 216 kurz veranschaulicht werden. Nach der anthropologischen Untersuchung konnten aus Grab 216 Reste von zumindest drei Individuen festgestellt werden. Von Individuum 1 waren nur die durch Metalloxyde grün verfärbten Skelettreste der Unterarmknochen und der Beinknochen eines 25– 40-jährigen Individuums erhalten, bei dem das Geschlecht anhand der vorhandenen Knochen nur als indifferent beschrieben werden konnte.Von Individuum 4 waren zwei lose grün verfärbte Zähne, ein linker oberer erster Schneidezahn und der linke obere Eckzahn, ein eher robustes ebenfalls grün verfärbtes Knochenfragment und ein graziles Schienbeinfragment eines 25–35-jährigen Individuums vorhanden.

Diese Knochenreste oder Teile davon könnten theoretisch auch von Individuum 2 oder 5 stammen, wurden aber als ein Individuum geborgen und abgepackt. Weiters war aus diesem Grab 369 Gramm Leichenbrand erhalten, der als Individuum 3 bezeichnet wurde. Dieser stammte von einer 20–40-jährigen Person, deren Geschlecht unbestimmbar war. Unter den Schädel- und Langknochenresten waren auch einige verbrannte Tierknochensplitter zu finden. Die archäologische Grabungsdokumentation spricht von einem Grab mit mindestens zwei Bestattungshorizonten. In der gemeinsamen Auswertung sind Stefan Moser, Georg Tiefengraber und die Autorin für dieses Grab zu folgendem Befund gekommen: Der Leichenbrand (Individuum 3) ist vermutlich die älteste Bestattung dieser Grabkammer. Er datiert nach den Beigaben in die Hallstattzeit. Archäologisch ist weiters eine Waffenausstattung (Schwert, Helm, Pfeile) eines Latène A-zeitlichen Mannes vorhanden (Individuum 2) von dem aber keine menschlichen Überreste erhalten sind. Ebenfalls nach Latène A datiert ein Frauenarmreif, zu dem die Knochenreste von Individuum 4 gehören könnten. Die zwei Latène A Bestattungen dürften für die Nachbestattung eines weiteren Mannes (Individuum 5) aus der Latène B Zeit auf die Seite geräumt worden sein. Diese Bestattung wurde jedoch antik stark beraubt und ist bis auf wenige archäologische Reste einer Schwertscheide und ev. eines Lanzenschuhs komplett zerstört; es sind keine Skelettreste erhalten. Der mit Steinen verfüllte Beraubungstrichter in der Kammermitte war gut zu erkennen und ist archäologisch dokumentiert worden. In der Latène C Zeit ist eine neue, etwas kleinere und versetzte über der alten Grabkammer liegende Grabkammer angelegt worden. In dieser lagen fast ungestört die Reste einer durch Arm- und Fußringe definierten weiblichen Bestattung (Individuum 1). Durch das Zusammenspiel der Daten erweiterte sich die Mindestanzahl der in diesem Grab beigesetzten ­Individuen von den drei anthropologisch greifbaren auf fünf anthropologisch/archäologisch nachweisbare Individuen. Durch die Chronologie der Grabbeigaben kann auf eine Nutzung der ursprünglichen Grabkammer für mindestens vier Individuen zu mindestens drei unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen werden. Die in Latène C neu angelegte Grabkammer oberhalb

der alten wurde dagegen nur einmal genutzt. Leider sind die menschlichen Überreste zu schlecht erhalten um Aussagen über etwaige Verwandtschaft machen zu können. In ähnlicher Weise wurde jedes einzelne Grab der Gräbergruppen Kammelhöhe/Sonneben ausgewertet. Bei den insgesamt 23 Gräbern ließen sich 50 Individuen anthropologisch auswerten, und es konnten anthropologisch und/oder archäologisch 66 bestattete Individuen nachgewiesen werden. Schlussfolgerung Dieser kleine Beitrag soll die Komplexität der Dürrnberger Gräber aufzeigen und stellt einen Ansatz zur ­interdisziplinären Aufarbeitung der Befunde vor. Es ist ein Plädoyer für die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen bezüglich der Auswertung und Präsentation der dokumentierten Nekropolen der hallstatt- und latènezeitlichen Bevölkerung vom Dürrnberg. Danksagungen Größter Dank ergeht für die Zusammenarbeit mit den Archäologen an K. Zeller †, St. Moser und G. Tiefengraber und für die Hilfe bei der Aufarbeitung der menschlichen Überreste an A.M. Höger, M. Berner, M. Daghighi.

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Gräbergruppe Kammelhöhe/Sonneben Gesamtgeschlecht Altersgruppe

Frau

Mann

indiff.

Infans I

unbest.

Keine Angaben möglich

2

Gesamt­ ergebnis 2

Infans II

2

2

4

Infans II-Juvenis

1

1

2

Juvenis

1

1

2

1

1

2

20

2

7

Juvenis-adult Adult

6

10

Adult-matur

2

3

Matur

1

3

Juvenis-senil

1

3

2

4 5

Infans

2

1

keine Angaben möglich

2

7

Gesamtergebnis

16/ 24%

26/ 39%

2/ 3%

17/ 26%

11 1

3

12

5/ 6%

66/100%

(Infans I – 0-6 Jahre, Infans II – 7-13 Jahre, Juvenis 14-20 Jahre, Adult 21-40 Jahre, Matur 41-60 Jahre, Senil > 60 Jahre, Infans 0-13 Jahre) Tab.: Demographischer Überblick der aus den Gräbern Kammelhöhe/Sonneben bestatteten Menschen (Daten zum Gesamtgeschlecht bestehen aus den anthropologischen und archäologischen Bestimmungen).

Literatur Moser, St. (2007), Dürrnberg Grab 376 – Der archäologische Befund. Karl, R., Leskovar, J. [Hrsg.], Tagungsbeiträge der 2. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich Folge 19. Linz: 77– 80. – (2010), Die Kelten am Dürrnberg – Eisenzeit am Nordrand der Alpen. Schriften aus dem Keltenmuseum Hallein, Band 1. Hallein. Moser, St., Tiefengraber G., Wiltschke-Schrotta K. (2011) Der Dürrnberg bei Hallein. Die Gräbergruppen Kammelhöhe und Sonneben. Dürrnberg Forschungen Bd. 5. Leidorf – Rhaden/Westf. Zeller, K. (1981), Die Grabungen auf der Kammelhöhe. FÖ 20. Wien: 458–461.

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The ways to use the Boii Jan Kysela

Abstract* The present paper tries to resume – necessarily in a quite cursory manner – the ways in which the Celts were perceived as an element of Bohemian history.The attitudes studied will be prevalently those of scholars – historians and archaeologists – rather than laypeople. The quick survey of the changing opinions illustrates very variable attitudes throughout history. I would argue, that they often reflect specific historical, social or intellectual atmosphere. Despite that we can never talk about conscious manipulation but rather different ways of perception and employment of data.

Zusammenfassung In diesem Artikel wird – gezungenermaßen eher kursorisch – versucht die Wahrnehmung der Kelten als Element der böhmischen Geschichte zusammenfassend darzustellen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Ansichten von Wissenschaftern – Historikern und Archäologen – und nicht der breiteren öffentlichen Wahrnehmung. Ein rascher Überblick der sich wandelnden Meinungen zeigt sehr unterschiedliche Vorstellungen in der wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung. Ich argumentiere, dass diese Veränderungen oft die spezifische historische, soziale oder intellektuelle Atmosphäre ihrer jeweiligen Entstehungszeit wiederspiegeln. Dennoch kann man nicht über eine bewusste Manipulation der Geschichte sprechen, sondern eher über verschiedene Arten die historischen Daten wahrzunehmen und zu verwenden.

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1.  Introduction I would like to present here several insights into the history of Czech research on the Iron Age. In all cases I chose examples, in which the historical or archaeological data gave rise to particular interpretations of the early history of Bohemia reflecting in one way or another the authors‘ mental schemes, their specific positions and dispositions for the understanding of the past. With the terms “positions and dispositions” I make a deliberate reference to the terminology of P. Bourdieu (for the notion of scientific field see e.g. Bourdieu 2002/2004) for whom scientific (or any) practice reflects unconsciously the “habitus” of the social agent in question. Their agence is therefore a product of the given historical or social conditions. Bourdieu applies his notions always to agency, never to the products of this agency (modus operandi instead of opus operatum) therefore in the case of scientists or scholars he is interested in “the way they make science” instead of the scientific discourse they thus produce. I would argue, on the other hand that the agency and the discourse are mutually interconnected and that despite the radical claims of Bourdieu on the one hand, Foucault on the other, their visions of how science or knowledge functions, are complementary rather than strictly opposed (at the worst they each address a different sector of the production of knowledge). In this contribution I will not go so far as to attempt a discourse analysis of any kind: I will only present a (too) brief historiography of several concepts.Thought from our present point of view, these may seem biased, I absolutely do not intend to accuse the authors of manipulations of evidence.On the contrary I would like to insist that these acts are unconcious and that only careful future analysis may fully clarify them. 1.1 The Czechs and the Boii The Czechs never had any doubt about their Slav origin. The Celts – Boii, taken into account (on the grounds of paneuropean exegesis of ancient written sources) as one of the pre-Slav peoples living in the Bohemian terrirory were never explicitly considered as an element, with which the Czechs would identify themselves genetically.When in 1886 the poet J. Zeyer

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introduced the Celts into his mythological poem on arrival of the Czechs in Bohemia his effort was welcomed very coldly by critics as anti-patriotic (Fránek 2009: 94–100). Even so, the Celts were available as an element which could and had to be wielded. 1.2 The sources The departure point of the studies we are going to encounter in the following pages is a rather limited number of ancient written sources which enable most ambivalent exegeseis.The sources mentioning the tribe of Boii (or directly or indirectly the territory of Boiohaemum) in Central Europe, listed in a chronological order of their creation include Caesar (BG I, 5, 41), Strabo (V, 1. 62, VII, 1, 33), Velleius Paterculus (2,108– 1094),Tacitus (Germania 285 a 426), Pliny the Elder (III, 1467), Agrippa (preserved only in the Late Dimensuratio provinciarum 188).With less certainty, Boii were recognised in the mention of Klaudios Ptoleimaios (II, 11, 11)of a “mighty people of Baimoi“. Besides a graffitto from Manching and the stem boi- in the ancient name of Passau – Boiodurum, the Boic presence in central Europe is mainly attested by a lapidary inscription from Györ dated to the Imperial period9. In the middle ages, the word Boiohaemum may be identified in Einhard’s report on the campaign against the Avars in 791 AD led by Charlemagne’s sons per Behaimos10. These scarce, not contemporary, ineloquent and even contradictory statements allow only very approximative collocation of the tribe in a very widely defined zone of the Danubian Central Europe (which may include also Bohemia: for a very apt solution of the question see most recently Rieckohoff 2009: 371–372). Another tribe placed by certain scholars in the territory of Bohemia (see e.g. Kruta in Kruta et al. [Hrsg.] 2006; Waldhauser 2001; Bouzek 2007) are the Volcae Tectosages. The single Caesar‘s (B.G.VI, 24, 1–311) mention on which they base themselves is extremely vague and hardly allows any certainty. 2. The historiography 2.1 “The Germans” Unlike the Polish and Hungarians, the Czech medieaval historians never abuse the names of ancient peoples

to link them with the early history of their nation. It is only in the 16th century that the Czech Humanists come to know the Boii and they are little hospitable to them: the only merit they allow for them is their eponymic role (Kuthen 1539/1929; Hájek 1541/ 1981: 36–43;Veleslavín 1585/1817: 62–65). For the rest, the Boii are for the 16th century Czechs (following mainly the Bavarian interpretation of the sources; e.g. Aventinus) an annoying German tribe fighting (unsuccessfully) the real hero of these writers: Marobuduus – a kind of an ideal ruler, personification of Romanity and classical ideals.The ethnic status plays no part for these early writers: it is the country they glorify and it is not the Boii they need for it (Beneš 1993: 120–131). Intermezzo 1 Twenty years later in the work of J. Dubravius Boii become Gauls instead of Germans. One hundred years later Boii are recorded to have come down into Czech folk-lore (when Balbinus mentions them as founders of the hillfort of Závist). 250 years later (Pelcl 1791) Boii the Gauls constitute a firm component of Bohemian protohistory. 300 years later they are warmly embraced as pets of the “Father of Czech history” František Palacký (1833; 1848). For the first time he describes them as “our Celts“, a title that re-emerges until today (e.g. Bouzek 2007 passim). In his vision, the roles have reverted: Marobud is still a prominent figure, mainly thanks to his Roman education. It is on this and on the abilities of the subdued Boii that his “empire” is constructed. The Marcomans receive little of Palacký’s attention. 2.2 The age of eminently national science: 1890-1911/1918 In the period around 1900, Bohemian archaeology is made relatively famous by the personality of J. L. Pí ˇc (1847–1911) and his publication (and very peculiar interpretation) of the site of Stradonice. In Pí cˇ’s opinion (contested by Déchlette (e.g. 1906) and all the rest of the scientific world) Stradonice was to be considered the very capital of Marobudus. The work where these opinions were most explicitly published (Pí cˇ 1903) made part of a large synthesis of Bohemian prehistory: a synthesis whose form and style was an object

of a very serious dispute between Pí cˇ and scientists of a younger generation epitomized mainly by L. Niderle (1865-1944). It is interesting to note, that despite the fierceness of the arguments, despite the fact, that Niderle’s colleague Buchtela is capable of dating LT B1 burials to the 1st century BC- 1st century AD (simply to contradict Pí ˇc’s opinion?), the issue of Marobud’s capital is common to both schools. When we survey the opinions on the ethnicity of Stradonice inhabitants pronounced between the 1880’s and roughly WWI, we observe a neat division of opinions “along ethnic lines”: scholars from the whole of Europe (Almgren 1913; Bretholz 1912; Déchelette 1901/1904; 1906; Dragendorf 1919; von Hochstetter 1878; Hoernes 1892; Menghin 1926; Reinecke 1928; Schuchhardt 1913; Schmidt 1913; Undset 1882;Voss 1878) side for the Boii while all the Czechs (Pí ˇc 1893; 1903; Nieˇ derle 1900, Buchtela 1910, Cervinka 1902; Novotný 1910; Matiegka 1917; Dubský 1918 quoted by Lutovská - Lutovský 2009: 268; Axamit 1919), no matter of their “membership” in this or that school stand for the Marcomans (the only exception is made by the amateurs Sn eˇ tina and Lipka). To understand, why it was so, we have to look in more detail into the doctrines of both schools. For Pí cˇ (e.g. Pí cˇ 1893), Bohemia is invaded in the 4th century by Celts – Boii, who are around the middle of the 1st century BC expelled by the new-coming Slavs identical with the crematory Lusatian culture of NE Bohemia. Stradonice founded (by Marobuduus) around the turn of the era is for him the only site of this kind in Bohemia: a “cultural island” isolated in space and extremely short lived in time. After its decline, the Slavs continue their peaceful existence until the present. Niederle (1900) following the theses of Bertrand and Reinach (1894) or Niese (1898) identifies the Boii with the tumuli culture of southern Bohemia and promotes them thus to the role of one of the autochthonous peoples of Bohemia. Besides this, however, he agrees at this period with Pí cˇ in identifying the NE cremators with Slavs as well as with all the points of his interpretation of Stradonice. For neither of the scholars it is that much the Celts, who matter but 1) the proto-Slavs in the north and 2) the negligible importance of the Marcoman/Germanic period of the Czech protohistory. The point is most

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eloquently expressed by the words of one of Niederle’s colleagues, the anthropologist J. Matiegka (1917: 110 and 114): “Those, who occupy themselves with the Gallic problem admit, that the remains of the Boii survived in Bohemia and were absorbed into the later populace. It is probably less valid for the Marcomans whose reign was, apparently rather of a political nature…” and further “We cannot expect a priori much evidence for the Marcomanic period in Bohemia“.The role of the Celts in this game varies: while for Pí cˇ, the Boii (like the Marcomans) remain invaders, aliens, Niederle restituting the notion of “our Celts” remains basically positive about them, adopting them in a way to the pedigree of the country’s population. We can illustrate this period also with an insight into the research of Czech Germans: the question of interpretation of the Marobud’s period merits mainly a quotation of Bretholz’s Geschichte Böhmnes und Mährens where Marobud is seriously entitled “der erste Böhmenkönig, von dem uns die Geschichte meldet” (Bretholz 1912: 22–23). It has also to be stressed that the attitudes of Pí cˇ and (mainly) Niderle were still extremely sober in comparison with those of other contemporary Czech scholars who claimed slavinity (e.g. Jire cˇek 1892; Papá cˇek 1892) or respectively “marcomanity” (von Weinzierl 1899) for basically all the inhabitants of Bohemia since the earliest times. These positions remained alive until relatively late times: for the novelist E. Štorch (1932) even Marobuduus is a Slav. K. Sklená rˇ (2003) even mentions his early poems exalting Slav kings Mirobud and Jarovid (i.e. Marobuduus and Ariovistus). Intermezzo 2: The years around the WWI bring many changes in the structure, subjects and objects of the research: After the death of Pí cˇ in 1911 and with the graduation of J. Eisner in the same year, a new scientific generation ascends. In the works written after the war mainly by E. Šimek (e.g 1923; 1934) and J. Schránil (1928; 1929), basically all the extravagant positions (slavinity of the Urnfields and their continuity up to the early middle ages, marcomanic Stradonice, the wrong date of flat LT graves) of the previous generation are abandoned. Though the period of the first historical peoples remains in the focus of their interest, the post-war generation takes up an extremely cautious, materi-

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al-oriented position, methodological prudery, critical stance to the Kossina’s school – although their own theoretical position is basically not far form the Kossina’s. The last sentence is in no way depreciatory: the “ethnical paradigm” constituted the chief intepretative framework of the period and the Czechoslovak archaeology fared well within it. It is only in the last years of the free republic that the old interpretation schemes reappear: L. Franz, the professor at the German university in Prague reintroduces Pí cˇ’s high dating of oppida, mainly to demonstrate, that the Celts and Germans “eine Zeitlang in Böhmen nebeneinander oder durcheinander gelebt haben, etwa so wie Deutsche und Tschechen heute”. This eirenic vision, however, goes on: “… die Kelten in der Tschechoslowakei […] konnten sich auf die Dauer nicht mehr halten. Ihre Kultur ging unter, wie wir ja auch heute noch den an Ende doch vergeblichen Kampfen sehen, den Inseln der einen Be­völkerung im Meere einer anderen führen. Ob das im Zusammenhang mit politischen Vorgängen geschehen ist bezüglich der Tschechislowakei unbekannt. Die Germanen drangen ja zwar sichtlich immer kraftvoller vor[. …D]ie Kulturelle Erschlaffung, völkische Zersetzung und politische Ohnmacht Hand in Hand gehen und das Ende einer vorher glanzvollen Kultur- und Volkserscheinung besiegeln.” Still in the 1930’s, the problems concerning the continuity of the Urnfield cultures are re-staged by J. Filip. In 1932 he distinguishes a small group of cremation burials found in Chocn eˇ jovice in Northern Bohemia (Filip’s birthplace!) from the “Germanic” Kobyly group considering them a small group of the preCeltic population surviving until the Celtic period. Later (Filip 1936–1937) he broadens the idea of the survival of the Hallstatt period population (this time proto-Celts) under the invading Celts also to central Bohemia. His complete research on Lusatian culture is published only after the war (Filip 1946) under an extremely telling title “The Beginnings of the Slav presence in Czechoslovakia”. 2.3 The Third Reich and the Fourth Gaul The pronouncements of the official (German) archaeology in the Protektorat Böhmen und Mähren are not

surprising (see e.g. Zotz 1941) and need not be treated here. The (ethnically) Czech scholars had few occasions to express themselves. The more remarkable is the Kronika objeveného v eˇ ku [The Chronicle of a Discovered Age] published by J. Böhm in 1941. This excelent synthesis of Czech prehistory was intended for the general public (principally the higher middle classes and intelligentsia) whose patriotic feelings it strives to reinforce by insisting on the link between the country (including its pre- and protohistory) and the people. The work offers after a long time an interesting evaluation of the role of Celts (though n.b. that Böhm prefers speaking about the La Tène culture) for the (proto)history of Bohemia and Europe. Böhm, juggling wittily with the caesarian Gallia divisa in partes tres, describes the transrhenan zone of La Tène culture as “the Fourth Gaul” (Böhm 1941: 401): where written sources are missing, it is the archaeology which more than entitles the territory to this noble label. What’s more, the La Tène culture “described in the modest dimensions of our homeland” constitutes a third, “so far not appreciated” cultural tradition on which “– besides antiquity and christianism – reposes the present culture and civilisation” (ibidem: 445–449). This affirmation repeats the conception of “the meaning of the Czech history”, developed by the historian J. Peka rˇ: Bohemia is rarely the focus of European history, it is however through its constant participation on the paneuropean cultural currents that it is inseparable from the European history. Böhm thus transposes the “historical role of the Czechs” to the La Tène period Bohemia. Intermezzo 3: In the post-war period, the Iron Age research in Bohemia undergoes radical changes as far as methods, means and objectives of the research are concerned. The attempts at propping up the system of Czech archaeology within a marxist ideological framework are extremely rare (Böhm 1958). In comparison with the previous period, studies in the Iron Age and early history do not flourish on the interpretation level. Despite much (much more useful) work done in fieldwork, classification, studies on economy etc., the historical or ethnological aspects receive relatively little attention of the new generations of archaeologists. An-

swers to these questions (obviously still considered inevitable to mention though not necessary to study) are codified by two books (Filip 1956; Dobiáš 1964) and further hallowed in the voluminous synthesis of Czech prehistory (Filip in: Pleiner [Hrsg] 1978) whose conclusions were destined to remain alive for the following 40 or 50 years. It is therefore not precise to speak about “Jan Filip’s school” (Rieckhoff 2009: 366–367) since ethnical problem have only a marginal importance for Filip’s direct pupils while the scholars who most (and most heteroclitically) occupied themselves with this set of problems (mainly V. Kruta and J. Waldhauser) come from the school of Brno. 2.4  Back to Europe It is in the 1980’s and mainly after the fall of the communist regime that a new interest arises in the Celts. Most obviously a short-lived celtomanic vogue passes through the general public: the usual bunch of attributes is present including reenactment, celebration of “Celtic feasts” in the carcass of the Závist Acropolis, and for the first time also pronouncements of descending of the Czechs from the Celts, even filling in “Celtic” into the cell “nationality” in census-forms. We can link this phenomenon simply with the mood of the time, coupling accute search for roots connected with a general aversion towards everything Slav and oriental: the very motto of the time – “return to Europe” – implies that the Soviet-imposed regime was considered as something extremely alien, oriental, asiatic… (Holy 1996: 29–33). It is however interesting to note that in one way or another the supposed Celtic share is (hopefully ironically rather than seriously) reflected even by prominent represenatives of the Czech intelligentsia, such as the theologist and philosopher T. Halík (quoted by Sala cˇ 1998: 467). The archaeologists keep pace in their own way: The notion of “a drop of Celtic blood in Czech veins” is more or less timidly expressed in books intended for the general public (Drda – Rybová 1998: 187; Waldhauser 1999: 235; Bouzek 2007: 195–196). When in 1995 a new synthesis of La Tène archaelogy in Bohemia is published in Paris (to be translated in Czech three years later) “intended for readers well aquainted with the history of the Gaul but only exceptionally in-

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formed about the no less classical celtic country in the heart of Europe” (Drda – Rybová 1998: 7), the chief preoccupation of the first two chapters is to demonstrate that “aussi étonnant que cela puisse paraître […] les Celtes habitèrent le Bohême[. … Leur] manière de vivre, la culture et l’art ne différairent guère de ceux des habitants de la Gaule” (Drda – Rybová 1995: 5). Rather than this very fact, it is this statement that is “étonnant”: as if it wanted to re-create a forgotten link, as if insisting on the fact, that our celtic history proves the from-ever-western orientation of Bohemia. 3.  Conclusions In synthesis we may trace several ways in which the Celts were perceived and “used” by the Czechs throughout history. The unconcious nature of this ­perception defies, however, their clear separation or systematic classification. The various roles which the Celts were made to stage range from that of 1) opponents: either of the authors’ real hero (the Marobuduus of the humanists) or of the authochthonos population, as for Pí cˇ. The point of invading Celts only gradually finding their modus (con)vivendi with the previous

population is, however, also strongly present by Böhm and Filip. Through 2) (“politically“) neutral element: being neither Germans nor Slavs, but culturally superior and chronologically antecedant to the former they could have been readily employed by Czech scholars to nobilitate the country or simply as an ethnical buffer. An example of this use may be the claim of Celtic origin of the name of Marobuduus particularly well represented in the second half of the 20th century (see e.g. Dobiáš 1964). Up to 3) an element, with which the scholars may or wish to identify themselves. Here it is interesting to point out that the possibility of evoking a genetic link was always available since the times of Niederle if not Palacký but only wielded in the 1990’s. It is what we may call symbolical identification that is much more present throughout history.We encountered this symbolical identification, often mediated through the country, most evidently in Böhm’s “Chronicle”. * This Paper was supported by the GAUK project N° 104109 “The Bohemian oppida and the Mediterranean”.

Notes 1 [Helvetii p]ersuadent Rauracis et Tulingis et Latobrigis finitimis […] una cum iis proficiscantur, Boiosque, qui trans Rhenum incoluerant et in agrum Noricum transierant Noreiamque oppugnabant, receptos ad se socios sibi adsciscunt. ˜ érxa˜ion, Àsper ¶fhn, ÍpÚ Kelt ˜vn periƒke˜ito 2 tÚ m¢n o Èn ˜ t ˜vn t ˜vn ple¤stvn ı potamÒw (id est Padus) m°gista d' ±n - nh BÒioi ka‹ ÖInsoubroi ka‹ o tØn ÑRvma¤vn Kelt ˜vn ¶O pot¢ §j §fÒdou katalabÒntew S°nonew metå Gaisat ˜vn. ˜ §j°fO - eiran Ïsteron tel°vw ÑRvma˜i˜oi, toÊtouw m¢n o Èn toÁw d¢ Bo˝ouw §jÆlasan §k t ˜vn tÒpvn. metastãntew dÉ ew toÁw per‹ tÚn ÖIstron tÒpouw metå Taur¤skvn ’koun - ne¤: t±n d¢ polemo ˜untew prÚw DakoÊw, ßvw ép≈lonto paneO ˜ t h˜ w ÉIllur¤dow mhlÒboton to˜iw perioiko ˜usi x≈ran o Èsan kat°lipon. 3 §j h˜ rtai går ≤ x≈ra prÚw nÒton ka‹ sunex h˜ ta˜iw ÖAlpesi ˜ poie˜i =ãxin tinå prÚw ßv tetam°nhn, …w ín m°row o Èsan

t ˜vn ÖAlpevn: ka‹ dØ ka‹ épefÆnantÒ tinew oÏtvw diã te - e˜isan O - °sin ka‹ diå tÚ tØn aÈtØn Ïlhn §kf°rein: tØn lexO -a oÈ mØn §p‹ toso utÒ ˜ ge Ïcow én¤sxei tå taÊt˙ ˆrh. §nta u˜ O - nh, dÉ §st‹n ı ÑErkÊniow drumÚw ka‹ tå t ˜vn SoÆbvn ¶O [399] tå m¢n oko unta ˜ §ntÚw to u˜ drumo u, ˜ §n o˜w §sti ka‹ tÚ Bou¤aimon tÚ to u˜ MarobÒdou bas¤leion, ew ˘n §ke˜inow

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tÒpon êllouw te metan°sthse ple¤ouw ka‹ dØ ka‹ toÁw - ne˜iw •aut ˜ƒ Markommãnouw. [...] plØn tã ge t ˜vn ımoeO - nh tå m¢n §ntÚw oke˜i, tå d¢ §ktÚw SoÆbvn, …w ¶fhn, ¶O ˜ tÚ t ˜vn ˜ ˜mora to˜iw G°taiw. m°giston m¢n o Èn to u˜ drumo u, SoÆbvn ¶O now: diÆkei går épÚ to u˜ ÑRÆnou m°xri to u˜ ÖAlbiow: m°row d° ti aÁt ˜vn ka‹ p°ran to u˜ ÖAlbiow n°metai, - ãper ÑErmÒndoroi ka‹ LagkÒbardoi: nun‹ d¢ ka‹ kaO ˜ tel°vw ew tØn pera¤an o Èto¤ ge §kpept≈kasi feÊgontew. 4 [108] Nihil erat iam in Germania, quod vinci posset, praeter gentem Marcomannorum, quae Maroboduo duce excita sedibus suis atque in interiora refugiens incinctos Hercynia silva campos incolebat. […[109]… 3] eratque etiam eo timendus, quod cum Germaniam ad laevam et in fronte, Pannoniam ad dextram, a tergo sedium suarum haberet Noricos, tamquam in omnes semper venturus ab omnibus timebatur. 4 Nec securam incrementi sui patiebatur esse Italiam, quippe cum a summis Alpium iugis, quae finem Italiae terminant, initium eiusfinium haud multo plus ducentis milibus passuum abesset. 5 Hunc virum et hanc regionem proximo anno diversis e partibus Ti. Caesar adgredi statuit. Sentio Saturnino mandatum, ut per Cattos excisis continentibus Hercyniae silvis legiones Boiohaemum (id regioni, quam incolebat Maroboduus, nomen est)

duceret,ipse a Carnunto, qui locus Norici regni proximus ab hac parte erat, exercitum, qui in Illyrico merebat, ducere in Marcomannos orsus est. 5 [28] Validiores olim Gallorum res fuisse summus auctorum divus Iulius tradit; eoque credibile est etiam Gallos in Germaniam transgressos: quantulum enim amnis obstabat quo minus, ut quaeque gens evaluerat, occuparet permutaretque sedes promiscuas adhuc et nulla regnorum potentia divisas? Igitur inter Hercyniam silvam Rhenumque et Moenum amnes Helvetii, ulteriora Boii, Gallica utraque gens, tenuere. Manet adhuc Boihaemi nomen significatque loci veterem memoriam quamvis mutatis cultoribus. 6 [42] Iuxta Hermunduros Naristi ac deinde Marcomani et Quadi agunt. Praecipua Marcomanorum gloria viresque, atque ipsa etiam sedes pulsis olim Boiis virtute parta. Nec Naristi Quadive degenerant. Eaque Germaniae velut frons est, quatenus Danuvio peragitur. 7 A tergo Carnorum et Iapudum, qua se fert magnus Hister, Raetis iunguntur Norici. oppida eorum Virunum, Celeia, Teurnia, Aguntum, Iuvanum, omnia Claudia, Flavium Solvense. Noricis iunguntur lacus Pelso, deserta Boiorum; iam tamen

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colonia Divi Claudi Savaria et oppido Scarabantia Iulia habitantur. Illyricum et Pannonia ab oriente flumine Drino ab occidete dessertis in quibus habitant Boi et Carni, a septentrione flumine Danubio. L.VOLCATIO Q. F.VEL. PRIMO PRAEF. COH. I. NORICOR. IN PANN. PRAEF. RIPAE DANVVI ET CIVITATIVM DVARVM BOIOR. ET AZALIOR (CIL IX 5363) Alias vero copias, quibus Theodoricum et Magnifridum praefaecerat, per Beehaimos via, qua venerant, reverti praecipit […] Saxones auten et Frisiones cum Theodorico et Magnifrido per Beehaimos, ut iussum erat, domum regressi sunt. Ac fuit antea tempus, cum Germanos Galli virtute superarent, ultro bella inferrent, propter hominum multitudinem agrique inopiam trans Rhenum colonias mitterent. Itaque ea quae fertilissima Germaniae sunt loca circum Hercyniam silvam, quam Eratostheni et quibusdam Graecis fama notam esse video, quam illi Orcyniam appellant, Volcae Tectosages occupaverunt atque ibi consederunt; quae gens ad hoc tempus his sedibus sese continet summamque habet iustitiae et bellicae laudis opinionem.

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Frühe Kelten in der Steiermark und Štajerska? – Die Erforschung und museale Rezeption des Übergangs von der Hallstatt- zur Latènezeit Marko Mele

Zusammenfassung Im Beitrag wird der Übergang von der Hallstatt- zur Latènezeit in der Steiermark (Österreich) und Štajerska (Slowenien) aus zwei Blickwinkeln beleuchtet. Einerseits aus der Sicht der archäologischen Quellen, andererseits von seiner Darstellung im Museum ausgehend, um auf diese Weise der Frage nach den sog. frühen Kelten in der Region nachzugehen. Im Rahmen dieser Fragestellung werden zwei der wichtigsten Fundstellen in der Region, Kleinklein und Ormož, angesprochen. Die beiden hallstattzeitlichen Zentren scheinen nach dem heutigen Forschungsstand in Ha D1 einen Besiedlungsbruch erlebt zu haben, was auch an anderen Fundstellen des Osthallstattkreises festgestellt wurde. Dieser Besiedlungsbruch und die spärlichen archäologischen Quellen zur Späthallstatt- und Frühlatènezeit verhindern deutliche Aussagen zu Siedlungsprozessen und Kulturwandel in dieser Periode und damit eine Definition der „frühen Kelten“. Im zweiten Teil des Beitrags werden die wichtigsten Publikationen zu den Ausstellungen, die in der Region über die Kelten durchgeführt wurden, auf das in ihnen vermittelte Bild der Kelten und ihrer Beziehungen zur einheimischen hallstattzeitlichen Bevölkerung untersucht, um einen Einblick in die musealen Vorstellungen über die „frühen Kelten“ zu gewinnen und diese den archäologischen Quellen gegenüber zu stellen. Abstract In this paper the transition from Hallstatt- to Latène period in Steiermark (Austria) and Štajerska (Slovenia) is addressed from two angles, on the one hand, from the perspective of the archaeological sources from this period, on the other from the museums point of view.The major focus is set on the question of the so-called early Celts in the region. In the frame of this question two of the most important sites in the region, Kleinklein and Ormož, are addressed. According to the present state of research it seems that these two Hallstatt period centers have experienced a settlement brake in Ha D1, that has also been recorded in other sites of the Eastern Hallstatt Circle. This settlement brake and the sparse archaeological sources on the Late Hallstatt and Early Latène period prevent clear statements on settlement processes and cultural change in this period and a definition of the “early Celts”. In the second part of the article, the most important publications of exhibitions concerning Celts in the region were investigated, to gain an insight into the museum’s ideas about the definition of the “early Celts” and their relationship with the local population from the Hallstatt period. These ideas were confronted with archaeological sources in the region.

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Einführung Unter dem Begriff „Kelten“ werden heute verschiedene Inhalte zusammengefasst, die vom Standort und dem gesellschaftlichen Kontext des Betrachters abhängig sind und so die Sichtweisen der Wissenschaft, des Volksglaubens, der Esoterik und auch der Museen widerspiegeln. In diesem Artikel sollen die ­archäologischen Quellen und der museale Zugang zur Frage der Kelten in der Steiermark (Österreich) und Štajerska (Slowenien) angeschnitten werden, da ich meine, dass gerade die Museen als das Bindeglied zwischen der wissenschaftlichen Forschung und der interessierten breiten Öffentlichkeit eine wesentliche Rolle bei der Prägung des „Kelten“-Bildes übernehmen. Den Schwerpunkt meiner Überlegungen habe ich wegen der guten Vergleichsmöglichkeiten auf die Südsteiermark und die Region Podravje (zwischen Maribor und Ormož) gelegt. Der Ausgangspunkt für diesen Artikel sind Kataloge zu archäologischen Ausstellungen über die ­ Kelten (u. a. Dannheimer, Gebhard 1993; Grewenig 2010; ­andere Darstellung bei Schönfelder 2010a), die fast immer auch zahlreiche Objekte und Fundstellen der ­Hallstattzeit oder noch früherer ­historischer Epochen beinhalten, und verschiedene populärwissenschaftliche Publikationen (Keltenmuseum Heuneburg [Hrsg.] 2007; Bofinger, Drauschke, Kleingärtner 2006; Gleirscher 2009), die die Hallstattzeit und die Kelten miteinander in Beziehung setzen. In diesen Ausstellungskatalogen und Büchern finden wir auch bekannte Objekte aus der Steiermark und Slowenien, wie die Maske und die Hände aus Kleinklein bei Groß­klein, den Wagen aus Strettweg, die Situla aus Vaˇce, die manchmal als Prunkstücke der „frühen Kelten“ behandelt werden (zu den frühen Kelten siehe Kimmig 1969: 95–113; 1983: 5–78; Jung 2005: 181–190; Schönfelder 2009: 59–78). Obwohl in den meisten Fällen der Unterschied zwischen der Hallstatt- und Latènekultur erklärt wird, entsteht beim schnellen Durchblät-

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tern der Eindruck, dass es sich um ein und dieselbe Sache handelt – die „Kelten“. Zwei hallstattzeitliche „Fürstensitze“ in der Steiermark und Štajerska Um das Bild der „Kelten“ in der Steiermark und Štajerska darzustellen, soll zuerst auf bekannte hallstattzeitliche Fundstellen in der Region eingegangen werden (die ausführliche Forschungsgeschichte, Forschungsstand und Datierung bei Dobiat 1980; Gabrovec 1999; Kramer 1981a: 57–70; Pahiˇc 1966a; Teržan 1990; 1992: 66–89; 1998: 511–560; Gleirscher 2005: 99–112; Tiefengraber 2005: 7–12; Torbrügge; 1991/92: 425– 614; Parzinger 1988; Pare 1999: 326–384; Rychner 1995: 455–487). Im Weiteren sollen einige archäologische Thesen zum Wandel von der Hallstatt- zur Latènezeit vorgestellt und deren Einfluss auf das heutige Bild der Kelten in der Region bewertet werden. Kleinklein bei Großklein Eine der prominentesten Fundstellen der älteren Eisenzeit in der Steiermark sind die Siedlung und das Gräberfeld von Kleinklein (Gem. Großklein)1. Die

Abb.1: Wegen seiner Größe wurde der Pommerkogel schon bei der Josephinischen Landesaufnahme berücksichtigt (Karte nach GIS Steiermark).

Abb.2: Die Hände und die Maske aus dem Kröllkogel. Die „frühen Kelten“ der Steiermark? (Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner).

prähistorische Siedlung und das umliegende Hügelgräberfeld, die Sulmtalnekropole, liegen auf einem niedrigen Bergrücken am Zusammenfluss von Sulm und Saggau in der Südsteiermark. Diese Fundstelle hat bereits in die Josephinische Landesaufnahme aus dem Jahr 1787 Eingang gefunden, die für die Umgebung von Kleinklein sehr wahrscheinlich einen noch heute sichtbaren Grabhügel, den sog. Pommerkogel, verzeichnet (Abb. 1). Seit dem Anfang des 19. Jh. wurden den Berichten zufolge die Grabhügel in Burgstall, Goldes und Kleinklein ergraben (Dobiat 1980: 21–23). Bei diesen Grabungen kamen einige prominente Funde, wie z. B. die Bronzezisten und die Bronzehände, 1905 auch die Maske, ans Tageslicht, die heute ein wichtiger Teil der archäologischen Sammlung des Universalmuseums Joanneum sind (Abb. 2). Die wissenschaftliche Erforschung dieser Nekropole von Kleinklein bei Großklein wurde seit den 1880er-Jahren, als der Bergdirektor V. Radimsky und der Kustos des Naturhistorischen Museums Wien J. Szombathy damit begonnen haben, immer wieder in Angriff genommen (Dobiat 1980: 21–28; Tiefengraber 2005: 7–9). Die erste umfangreichere Publikation der Prunkstücke aus dem Gräberfeld wurde von

W. Schmid vorgelegt (Schmid 1933: 219–282). Die Altfunde aus der Nekropole, ausgenommen die Funde aus den vier reichen „Fürstengrabhügeln“ 2, wurden fast 50 Jahre später von C. Dobiat (1978/79: 57– 66; 1980; 1981: 185–204) ausführlich bearbeitet und publiziert. Die Nekropole kann also als ziemlich gut untersucht angesehen werden und sollte eigentlich einen guten Einblick in die Späthallstattzeit der Steiermark ermöglichen, was aber nicht der Fall ist. Das Hügelgräberfeld von Kleinklein bei Groß­ klein besteht aus mehreren Grabhügelgruppen und ­einer separaten Nekropole mit vier reich ausgestatteten Grabhügeln, den Hartnermichelkogeln 1 und 2, dem Pommerkogel und dem Kröllkogel (Schmid 1933: 219–282; Dobiat 1980; Smolnik 1996: 445– 454;Teržan 1987: 413–433; 1990: 121–140; Egg 2004: 93–126; Egg, Kramer 2005). Nach den bis jetzt publizierten Beobachtungen liegen drei von vier Fürstengrabhügeln in einer chronologischen Abfolge. Am Ende des 8. Jh. v. Chr. wurde der Hartnermichelkogel 1 angelegt, gefolgt vom Pommerkogel im 7. Jh. v. Chr. und dem Kröllkogel, der in die erste Hälfte des 6. Jh. v. Chr. datiert wird (Egg 2009; 40–41; Teržan 1990: 132–134). Mit dem Anlegen des letzten, wahrscheinlich auch des reichsten Fürstengrabes, des Kröll­

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nik (1994: 105–106; auch bei Dobiat 1990: 30, 41, 61– 69, Abb. 10/2) auch das Fragment einer bandförmigen Fibel mit Kopfscheibe. Auch die Untersuchungen der Siedlung am Burgstallkogel liefern nur wenige Hinweise auf die Besiedlung in der späten Hallstattzeit. Ormož und Hajndl

Abb.3: Die hallstattzeitlichen Zentren in Podravje zwischen Maribor und Ormož (nach Teržan 1990) bilden ein Siedlungsnetz (Bild nach: Mele 2009: Karte 7).

kogels, am Anfang der Späthallstattzeit, scheinen auch die Hügelbestattungen in den anderen Grabhügelgruppen um Kleinklein zu enden (Dobiat 1980: 159– 172; Teržan 1990: 137–140). In der zum Hügelgräberfeld gehörigen Siedlung auf dem Burgstallkogel hat im Jahr 1927 W. Schmid zum ersten Mal gegraben. Seine nur 5 Tage dauernde Grabung lieferte kaum aussagekräftige Funde (Dobiat 1990: 12–18). Erst in den Jahren 1982 und 1984 wurde eine wissenschaftliche Erforschung der Siedlung von C. Dobiat unternommen. Bei diesem Forschungsunterfangen wurden Schnitte an der Kuppe und am Nordhang des Burgstallkogels angelegt (Dobiat 1990: 19–69). Das Siedlungsmaterial aus den Grabungen Dobiats hat R. Smolnik (1994; 1996: 445–454) ausführlich untersucht und in vier Phasen gegliedert. Die jüngste Besiedlungsphase 4 nach Smolnik (1994: 119–120) ist die fundärmste und wird mit der Stufe III der ­Nekropole nach Dobiat verglichen, also in den Beginn des 6. Jh. v. Chr. gelegt. Nach dieser Phase wurde die Besiedlung im großen Teil des Nordhangs aufgegeben und ein Grabensystem angelegt. In den Grabeneinfüllungen wurden wenige Funde der späten Hallstattzeit gefunden, wie die rosettenförmigen Henkel und die Noppen-Schichtaugenperle. In Ha D2 datiert Smol-

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Südlich von Kleinklein in der Štajerska (Slowenien) wurden in der Hallstattzeit eine Reihe von Höhensiedlungen errichtet, die ein regelrechtes Siedlungsnetz im Draufeld (Podravje) zwischen Maribor und Ormož bilden (Teržan 1990: 25–118; Gleirscher 2005: 99–112; Mele 2009: 240–245) (Abb. 3). Als Vergleich zur steirischen hallstattzeitlichen Siedlung am Burgstallkogel bei Kleinklein kann die gut untersuchte Siedlung in Ormož herangezogen werden. Diese Siedlung, die sich unter der heutigen Stadt Ormož befindet, liegt an einer Terrasse über der Drau, an einem strategisch wichtigen Punkt am südöstlich­ sten Rand des Drau-Ptuj-Feldes, das sich von Maribor bis nach Ormož erstreckt. Bald nach der Entdeckung in den 1950er-Jahren haben mehrjährige Grabungskampagnen die Siedlung weitgehend freigelegt, den Großteil leisteten die Grabungen von M. Tomaniˇc Jevremov zwischen 1974 und 1981 (Dular,Tomaniˇc Jevremov 2010: 9–14; Lamut 1987: 46–57; 1988/89: 235–276; 2001: 207– 242; 2005: 59–71). Anders als auf dem Burgstallkogel bei Kleinklein war die prähistorische Siedlung in Ormož mit einem Wall umgeben, der ein Areal von 380 × 400 m umfasste. Der Wall wurde in zwei Phasen gebaut. Die erste Phase wurde wahrscheinlich bei der Errichtung der Siedlung angelegt und die zweite vielleicht im 8. Jh. v. Chr. (Perc 1962/63: 375–381; Dular, Tomaniˇc Jevremov 2010: 84–85). Die systematischen Ausgrabungen von größeren Flächen innerhalb und außerhalb des Walls der prähistorischen Siedlung ergaben eine dichte Besiedlung in der Spätbronze- und der älteren Eisenzeit. Neben ein-, zwei- und dreischiffigen Gebäuden, von denen Pfostenlöcher und Lehmverputz entdeckt wurden, wurden auch Straßen aus Kies und mehrere Feuerstellen,Vorratsgruben und Brunnen freigelegt (Dular, Tomaniˇc Jevremov 2010: 15–71, 83–97). Die meisten Funde

in der Siedlung waren keramische Scherben und einige Bronzeobjekte, die eine Datierung in die Zeit von Ha B1/2 bis Ha D1 ermöglichen (Lamut 1987: 46– 57; 1988/89: 235–276; 2001: 207–242; 2005: 59–71; Mele 2009: 192–229; Dular, Tomaniˇc Jevremov 2010: 79–82). Ähnlich wie für die Nekropole um Klein­klein wurde auch für Ormož festgestellt, dass die Siedlung wahrscheinlich im 6. Jh. v. Chr. endete. Östlich der prähistorischen Siedlung in Ormož wurden im Jahr 1974 ein spätbronzezeitliches Flachgräberfeld mit rund 20 Brandbestattungen und einigen wahrscheinlich hallstattzeitlichen Grabhügeln entdeckt, von denen ein großer Grabhügel noch heute unter einem Haus teilweise erhalten ist (östliche Nekropole nach Teržan 1990: 344–346). Die westliche Nekropole von Ormož (nach Teržan 1990: 344–346) bestand aus mehreren Grabhügeln, die schon im 19. Jh. ergraben und 1997 nachuntersucht wurden. Die Objekte aus den Altgrabungen sind verschollen (Tomaniˇc Jevremov 1988/89: 277–304; Teržan 1990: 344–346; Lamut, Mele 2006: 13–17; Žižek 1997). Wichtige neue Erkenntnisse zur eisenzeitlichen Besiedlung von Ormož brachte eine umfangreiche Ret-

tungsgrabung in den Jahren 1999 und 2000 neben dem Dorf Hajndl, nur ungefähr 1 km von Ormož entfernt (Žižek 2003a: 14–18; 2003b: 148–150; Mele 2003; 2005a: 127–143; 2005b: 21; 2009; Mele, Mušiˇc 2007: 341–356; Kovaˇc 2004; Magdiˇc 2006). In der hallstattzeitlichen Besiedlungsphase in Hajndl wurden Häuser entdeckt, deren Fundamente sich in Form von Wandgräbchen erhalten haben (Abb. 4). Besonders imposant war das große dreiphasige Haus im nördlichen Bereich der Ausgrabungsfläche mit einer maximalen Länge von 17,2 m und einer maximalen Breite von 10,9 m. Bei der Analyse der Befunde zeigte sich, dass es sich hierbei um eine für das hallstattzeitliche Ormož neue Konstruktionsmethode mit horizontalen Balken auf dem Boden und vertikalen hölzernen Pfosten handelt. Die­se Bauart hat auch C. Dobiat (1990: 34–38, Abb. 15) im Schnitt II seiner Grabung in der Siedlung auf dem Burgstallkogel bei Kleinklein festgestellt. Diese Konstruktionsweise ist auf dem gesamten Gebiet der Siedlung in Hajndl zu finden, wobei sich einzelne Teile von Hajndl in der Art der Anordnung der Gebäude unterscheiden. Im mittleren Teil der Siedlung in Hajndl fanden wir eine Besiedlung rund um

Abb. 4: Die Hausgrundrisse aus dem Bereich 3 in Hajndl (Bild nach: Mele 2009: Abb. 52).

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einen zentralen Platz, im südlichen Teil vermuten wir eine Besiedlung in Reihen und im Norden zwei getrennte Bauernhöfe/Wirtschaftseinheiten (Mele 2009: 28–76, 192–216). Der direkte Vergleich der Ausgrabungsdaten und der Funde hat gezeigt, dass es sich bei der Siedlung in Ormož um ein älteres, protourbanes Zentrum aus der späten Bronzezeit handelt, das auch in der Hallstattzeit weiter besiedelt wurde. Die Siedlung in Hajndl, die später beim Übergang von der Spätbronze- in die ältere Eisenzeit entstand, hatte den Charakter ­ einer wirtschaftlich-bäuerlichen Flachlandsiedlung. Einen chronologischen Eckpunkt für die Besiedlung Hajndls bietet auch das C14-Datum von 720–520 kalibriertes BC aus dem Holzkasten des eisenzeitlichen Brunnens (Žižek 2003a: 15, 16; Mele 2009: 79–228). Beide Siedlungen scheinen in Ha D1 zu enden (Mele 2009: 230–239). In der Keramik aus Hajndl konnten einige Parallelen zur neu entdeckten Siedlung in Zbelava bei Varaždin (Kroatien) gezogen werden. Diese Fundstelle liegt auf einer leichten natürlichen Erhebung in der Nähe der Drau nur 20 km Luftlinie von Ormož entfernt. Die Siedlungsreste waren, ähnlich wie in Hajndl, einge-

Abb. 5: Drei frühlatènezeitliche Objekte aus der Steiermark in der Sammlung des Universalmuseums Joanneum (Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner).

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tiefte und oberirdische Objekte, Abfallgruben und Feuerstellen (Kovaˇcevi´c 2007: 89–94). Die Funde aus Zbelava, wie die Fibel vom Typ Velem und die südostalpine Tierfibel, ermöglichen eine Datierung in Ha D2–D3; es gehört also die Mehrzahl der Funde in die zweite Hälfte des 5. Jh. und den Anfang des 4. Jh. v. Chr. (Kovaˇcevi´c 2007: 89–112; 2008: 45–78; 2009: 45–78). Die ähnliche Keramik der Siedlungen in Hajndl und Zbelava weist vielleicht auf eine Kontinuität von Ha D1, mit dem Ende der Siedlung in Ormož und Hajndl, in die Stufe Ha D2–3, in der die Siedlung in Zbelava bestand. Der Forschungsstand lässt vermuten, dass, nachdem das alte hallstattzeitliche Zentrum in Ormož mit seinem besiedelten Umland in Hajndl aufgelassen worden war, eine neue Art von Siedlungen in der Ebene entstanden ist. Interessanterweise befindet sich in der unmittelbaren Nähe das bekannte Pferdegrab von Jalžabet (Šimek 1998: 439–510; 2003: 57–78), das von Teržan (1998: 520) als eine mögliche Bestattung eines skythisierten oder skythischen Fürsten gedeutet wird.

Die Frühlatènezeit in der Steiermark und Štajerska Ähnlich spärlich wie die archäologischen Quellen zur Späthallstattzeit sind auch die bekannten archäologischen Funde und Befunde zur frühen Latènezeit in der Steiermark (Zeilinger 1953: 63–80; D. Kramer 1981a: 71– 80; M. Kramer 1994: 9–11). Die meisten latènezeitlichen Fundstellen werden in die Mittel- und Spätlatènezeit datiert (Modrijan 1958: 7–19; 1962: 57–64; M. Kramer 1994: 41–42; Tiefengraber 2009: 259–281; Hebert 2009b: 305–313). Es gibt nur wenige Fundstellen und Objekte aus der Steiermark, die der Frühlatènezeit zugeordnet werden können (Abb. 5). Die wichtigsten steirischen Fundstellen dieser Periode sind die Siedlungen von Königsberg, Dietenberg und Kulm, die mit den Fibeln und der Keramik in die entwickelte Frühlatènezeit datiert werden können, das Gräberfeld in Frohnleiten, das wahrscheinlich bereits in Lt B2 belegt war, und das vermutlich aus einem Grab stammende Schwert aus der Laubgasse in Graz (M. Kramer 1994: 12–42; Frey 1978/79: 67–73).

Früh- oder mittellatènezeitliche Funde sind aus der näheren Umgebung des Burgstallkogels bei Klein­klein nicht bekannt. M. Kramer (1994: 51) erwähnt eine einzige latènezeitliche Scherbe aus der Siedlung am Burgstallkogel. Ein neues wichtiges Zentrum scheint ungefähr 10 km vom Burgstallkogel entfernt auf dem Frauenberg bei Leibnitz entstanden zu sein (Artner 1998/99: 221–341). Die Entstehung der latènezeitlichen Siedlung auf dem Frauenberg wird in die Zeit des ausgehenden 4. Jh. v. Chr. angesetzt. Die Blüte erlebt die Siedlung im 1. Jh. v. Chr. und lebte bis in die Römerzeit weiter. In die Blütezeit gehört auch das latènezeitliche Heiligtum auf den Perl/Stadläckern, von dem ein Graben freigelegt wurde, der mit Tier- und sogar Menschenknochen, Keramik und einigen Münzen und Waffen aus Eisen verfüllt war. Das Heiligtum wurde wahrscheinlich an der Stelle eines hallstattzeitlichen Grabhügels errichtet (Steinklauber 2002: 33; Artner 1998: 27–33; Tiefengraber 1998a: 23–25; 1998b: 43–54; 2008: 90-103; Tiefengraber, Grill 2007: 155-164). Ähnlich wie in der Steiermark ist die frühlatènezeitliche Besiedlung auch in der Štajerska schlecht belegt (Božiˇc 1987: 855–897; 1993: 189–204; 1999: 189–213; Gabrovec 1966, 169–242; Guštin 1977: 67 ff; 1984: 305–363; Bolta 1966: 375–389; Pahiˇc 1966: 271– 336). Die frühlatènezeitliche Stufe Mokronog I (Lt B2) wird in unserem Forschungsgebiet von Gräbern aus Pobrežje bei Maribor und Srednica bei Zgornja Hajdina vertreten. In der Stufe Mokronog II (Lt C) wurden dann auch die Gräberfelder in Formin und Slatina angelegt (Lubšina Tušek, Kavur 2009: 125–142; Pahiˇc 1966: 312; Božiˇc 1999: 194–195). Noch weniger bekannt sind die latènezeitlichen Siedlungen in der Štajerska. Aus der Stufe Mokronog I sind keine bekannt. Erst ab der Stufe Mokronog II zeigt die Lage der Gräberfelder indirekt auf mögliche Flachlandsiedlungen, wie z. B. Formin, Skorba oder Dobova. In der Spätlatènestufe Mokronog III kommt es zu einer erneuten Besiedlung der hallstattzeitlichen Höhensiedlungen, wie z.B. Poštela (Božiˇc 1999: 200–201). Spuren latènezeitlicher Besiedlung wurden auch in Ormož nachgewiesen. Neben graphitierter Keramik und einer Fibel des Typs Nauheim aus der Siedlung wurden in der nordöstlichen Ecke der prähistorischen Siedlung zehn Öfen gefunden, die in den hallstattzeit-

lichen Wall eingegraben waren und wahrscheinlich für das Backen genutzt wurden. Die Funde ermöglichen eine Datierung in die Spätlatènezeit (Lt D1b). Spuren einer früh- oder mittellatènezeitlichen Besiedlung sind aus Ormož nicht bekannt (Dular, Tomaniˇc Jevremov 2009: 159–193). Vom Hallstattfürsten zum Keltenkönig – Zur Besiedlung der Steiermark und Štajerska am Übergang von der Späthallstatt- in die Frühlatènezeit Die ältere Eisenzeit in der Štajerska wurde von B. Teržan (1990) ausführlich aufgearbeitet und publiziert. Anhand der Funde aus den hallstattzeitlichen Siedlungen und Hügelgräberfeldern konnte sie zeigen, dass es in der Štajerska mit dem Ende ihrer Phase III (Ha D1) zu einem Bruch in der Besiedlung und in der Totenbestattung, zum sog. Ende der „Kultur der hallstattzeitlichen Hügelgräber“, gekommen ist. Mit einem überregionalen Vergleich konnte Teržan (1990: 121– 233) diesen Besiedlungsbruch in der Mitte des 6. Jh. v. Chr. auch bei den hallstattzeitlichen Zentren in der Steiermark, Kärnten, der Raba-Region, im Burgenland, der Slowakei und Südpannonien fassen. Auch das Ende der Siedlungen in Ormož und Hajndl in Ha D1 scheint ihre Feststellungen zu belegen. Nach diesem Bruch ist die Besiedlung der Štajerska nur mit wenigen Körperbestattungen aus Rifnik und Einzelfunden aus der Umgebung von Celje belegt. Auch die letzte Phase V der Štajerska, definiert durch ostalpine Tierfibeln, ist ähnlich schlecht mit Fundstellen und Objekten dokumentiert (Teržan 1990: 21–121). Die Ereignisse im 6. Jh. v. Chr. versuchte B. Teržan (1998: 511– 560) mit den Funden des skythisch geprägten Kulturkreises, der im Karpatenbecken ab dem 7. Jh. v. Chr. als die Vekerzug-Kultur zu fassen ist, zu erklären. Diesen Zusammenbruch eines Großteils der Osthallstattkultur verbindet Teržan mit den Überfällen und Plünderungen aus der Richtung der skythisch geprägten Gruppen östlich der Donau-Vah-Vertikale, was sie auch mit den Funden von dreiflügeligen oder dreikantigen Pfeilspitzen bekräftigt (siehe auch Helmut 2006: 137–153). Neben den Plünderungen sieht sie auch die Ausbreitung von Seuchen als eine weitere Ursache für diesen Zusammenbruch (Teržan 1983: 70;

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1998: 518–526; zu Vergil siehe: Šašel A., Šašel J. 1992: 516; Porod, B., Porod R. 2010: 206–216). Zu ähnlichen Schlüssen ist auch A. Lippert (2006: 191–204) gekommen, der die Höhensiedlungen in Kärnten und in der Steiermark verglichen hat. Er konnte für die hallstattzeitlichen Höhensiedlungen in der Steiermark zwei Brüche in der Besiedlung feststellen. Einen um 700 v. Chr. und den zweiten zwischen 650 und 580 v. Chr. Diese Besiedlungsbrüche wurden in den Höhensiedlungen der Südsteiermark verzeichnet, aber nicht in der Obersteiermark oder Kärnten (für Kärnten siehe auch Gleirscher 1996: 255–266). Er verbindet diese Brüche mit den Einfällen der Reiternomaden aus dem Osten und dem Zusammenbruch des Handelsnetzes. In der Südsteiermark gibt es also auch nach Lippert keine Kontinuität der hallstattzeitlichen Höhensiedlungen bis in die Latènezeit, vielmehr setzen sie erst ab dem Ende des 4. Jh. v. Chr. wieder ein. Bei den Überlegungen zum Zusammenbruch der Eliten der Hallstattzeit in Kleinklein und in anderen Teilen des Osthallstattkreises sind auch die Ausführungen zur Sozialstruktur der hallstattzeitlichen Gesellschaft in Kleinklein von M. Egg (Egg, Kramer 2005: 39; Egg 2009: 48–50) zu beachten. Neben externen Faktoren wie den skythischen Einfällen könnten auch innere Gründe zum Zusammenbruch der hallstattzeitlichen Gesellschaft geführt haben. Unabhängig davon, ob äußere Einflüsse, eine innere Instabilität der Gesellschaft, oder eines bedingt durch das andere, den Zerfall der hallstattzeitlichen Zentren in unserem Raum verursacht haben, können wir zumindest nach dem heutigen Forschungsstand in der Südsteiermark und der Štajerska diesen Bruch in der Besiedlung der Höhensiedlungen im 6. Jh. v. Chr. und damit auch das Ende der reichen Grabhügelbestattungen archäologisch fassen. Die Besiedlung der Region in den nächsten fast zwei Jahrhunderten kann momentan nur durch den Vergleich mit den Fundstellen wie Zbelava oder Sopron Krautacker (Jerem 1985: 3– 24; Jerem 1986: 107–118) vage vermutet werden. Der Forschungsstand lässt momentan nur wenige klare Aussagen zum Aussehen der Kulturlandschaft (Besiedlung, Landnutzung …) vom Ende des 6. bis zum Ende des 4. Jh. v. Chr. zu. Es scheint, dass nach dem Zusammenbruch des sog. Osthallstattkreises im 6. Jh. v.

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Chr. die Region nur sehr dünn besiedelt war. Auch die Einflüsse des Mittelmeerraumes, die sich auf den verzierten Zisten aus dem Kröllkogel in Klein­klein klar zeigen (Schmid 1933: 248–271; Dobiat 1980: 371–381, Taf. A1–A9; Egg 2007: 47–51; Egg, Kramer 2005: 21– 31; Frey 1969; Lucke, Frey 1962; Turk 2005; Wamers [Hrsg.] 2010), sind ab dem 6. Jh. v. Chr. in der Region nicht mehr zu spüren. Diese Forschungslücke ab der ausgehenden Hallstattzeit verhindert auch klare Aussagen zur Bevölkerung in der Frühlatènezeit in der Steiermark und Štajerska. Besonders die Kontakte zwischen dem Kerngebiet der frühen Latènekultur und unserer Region können zur Zeit kaum nachgewiesen werden. So bleiben auch die Fragestellungen zu den sog. „frühen Kelten“ und der „Keltisierung“ in dieser Region für zukünftige Kulturlandschaftsstudien offen. Die „Kelten“ in der Steiermark und Štajerska – Museen und Publikationen Die eigentlich sehr lückenhaften archäologischen Quellen zum Übergang von der Hallstatt- zur Latène­zeit und zu den ersten archäologisch nachweisbaren Trägern der Latènekultur in der Steiermark und Štajerska bilden die schmale Basis für die „archäologischen Wahrheiten“ über die „Kelten“, die durch Ausstellungen und Ausstellungskataloge, Publikationen, Freilichtanlagen und Vermittlungsarbeit der Öffentlichkeit vermittelt werden und damit zur Gestaltung des modernen „Keltenbildes“ maßgeblich beitragen. In den Mittelpunkt des zweiten Teiles des Artikels möchte ich die Besucherinnen und Besucher von Museen stellen, die bei ihrem Museumsbesuch auch die Fragen nach der ethnischen Zugehörigkeit der damaligen Menschen, die diese herausragenden archäologischen Objekte geschaffen haben, aufgreifen. Leider ist die Besucherforschung in unserem Arbeitsgebiet noch in den Anfängen, weshalb ich nur aus der eigenen Erfahrung meiner Museumsarbeit sprechen kann. Im Jahr 1983 wurde von M. Guštin, D. Božiˇc und S. Gabrovec die große Wanderausstellung „Die Kelten und ihre Zeitgenossen auf dem Gebiet Jugoslawiens“ konzipiert (Božiˇc [Hrsg.] 1983a). An diesem Ausstellungsprojekt wirkten fast alle Museen im damaligen Jugoslawien mit und schufen auf diese Weise ein dau-

erhaftes Bild über die sog. Kelten. Am Anfang des Katalogs stehen die bekannten Funde der Späthallstattzeit wie die Helme aus Negau (Gabrovec 1983b: 26–28), Funde aus Trebenište, Novi Pazar und Pe´cka Banja ˇ (Popovi´c 1983: 29–30) und die Objekte aus Curug (Božiˇc 1983b: 31–32). Diese wurden als Highlights der ausgehenden Hallstattzeit präsentiert und von den keltischen Funden getrennt betrachtet. Das Gebiet Jugoslawiens war in der jüngeren Eisenzeit sehr heterogen. Während in Nordjugoslawien die Latènekultur mit den mitteleuropäischen Kelten gleichgesetzt wurde, halten sich im Zentralbalkan und in südlichen Bereichen noch in der Hallstattzeit entstandene Gruppen unter einem starken Einfluss Griechenlands und Italiens. Die Abgrenzung der Kelten zu anderen eisenzeitlichen zeitgenössischen Kulturgruppen am Balkan (illyrische Glasinac-Gruppe, Japoden, Liburnen …), die nur einzelne Objekte aus der Latènekultur übernehmen, ist in der Publikation klar dargestellt. Im Einführungskapitel wird die Epoche der jüngeren Eisenzeit definiert und mit dem Einbeziehen der Forschungsgeschichte die Verwendung der Begriffe „Latènekultur“ und „Kelten“ behandelt. Es wird auch darauf hingewiesen, dass anhand der archäologischen Quellen nur „Kulturprovinzen“ ermittelt werden können und nicht von ethnischen Gruppen gesprochen werden darf (Gabrovec 1983a: 18–25). Die Kelten werden im Katalog zu dieser Ausstellung folgendermaßen definiert: „Wenn in der europäischen Archäologie von der jüngeren Eisenzeit die Rede ist, werden damit die Latènekultur und die Kelten gemeint.“ (Gabrovec 1983c: 96). Also werden die Kelten mit der Latènekultur, die durch typische archäologische Funde charakterisiert ist (Guštin 1983: 33–40; Jovanoviˇc 1983: 41–48; Božiˇc 1983c: 77–82; 1983d: 87–91), gleichgesetzt. Es wird von einer „keltischen Kunst, Religion, Bewaffnung, Tracht, Befestigungssystemen und Städten“ (Gabrovec 1983c: 96) gesprochen. Es wird das Bild von der großen Wanderung der Kelten im ausgehenden 4. Jh. v. Chr. herangezogen und es werden die Kelten zu Neuankömmlingen in den nördlichen Raum Jugoslawiens in der jüngeren Eisenzeit gemacht (siehe auch Schönfelder 2010b: 2–5; 2010c: 46–48) (Abb. 6). Anhand der antiken Quellen wurde

Abb. 6: Der Katalog zur Ausstellung „Die Kelten und ihre Zeitgenossen auf dem Gebiet Jugoslawiens“ und die Karten der keltischen Wanderung und Besiedlung des Balkans (nach Božiˇc [Hrsg.] 1983a: 13, 21).

auch ein Bild der keltischen Stämme auf der Balkanhalbinsel entworfen (Gabrovec 1983c: 96). Den Trägern der Latènekultur werden ethnische Bezeichnungen aus den antiken Quellen zugeordnet; so leben im westlichen Teil die Taurisker (Guštin 1983: 33–40) und südöstlich von ihnen im Donauraum die Skordisker (Jovanoviˇc 1983: 41–48). Die hallstattzeitliche Bevölkerung von Dolenjsko wird als „namenloser Vorgänger der Taurisker“ angesprochen (Šašel 1983: 12). Kurz wird auch die keltische Besiedlung in Slowenien/Štajerska angesprochen: „Mit der Ankunft der Kelten endete die reiche, vier Jahrhunderte andauernde, ältere Eisenzeit. Eingewanderte keltische Stämme haben die fruchtbaren Ebenen an der Drau und Save, aber auch die hügeligen Gebiete an der Savinja, Mirna und Krka, besetzt. Den Einheimischen haben sie die modernere Technologie der Eisenverarbeitung, wirksamere Waffenausrüstung und eine neue Religion, die sich am besten in ganz anderen Bestattungsweisen zeigt, aufgezwungen. Die Einheimischen, einst mäch-

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tige ­illyrische Stämme, sind ziemlich schnell mit den wenigen keltischen Neuankömmlingen verschmolzen und haben ihre Identität völlig verloren.“ (Guštin 1983: 33; übers. vom Verfasser). Die reichen Funde aus dem latènzeitlichen Gräberfeld aus Slatina in Rožna dolina bei Celje waren ausschlaggebend für die Entstehung der Ausstellung „Kelten in Celje“ im Jahr 1991 (Pirkmajer 1991) (Abb. 7 links). In den Grundzügen folgt diese Schau der schon erwähnten Ausstellung über die Kelten in Jugoslawien, stellt aber die Funde aus dem Gräberfeld in Slatina in den Vordergrund. In der Publikation werden auch die Teilung der latènezeitlichen Fundstellen in Slowenien in Gruppen durch S. Gabrovec (1966: 169–242) behandelt und die chronologische Teilung der keltischen Mokronog-Gruppe, der auch das Gräberfeld zugeordnet wird, nach M. Guštin (1984: 305– 363) und D. Božiˇc (1987: 866–881), wiedergegeben. Die Objekte aus dem Gräberfeld in Slatina in Rožna Dolina werden am Schluss in einem Katalogteil übersichtlich dargestellt. Die Kelten werden im ersten Kapitel mit dem Titel „Die Kelten – Das Volk, das aus dem Dunkeln kam“ wie folgt definiert: „Reiche Spuren des kulturellen Schaffens zeugen davon, dass die Kelten ein mittel­ europäisches Volk waren, das ursprünglich im breiten Gebiet nördlich der Alpen ansässig war.“ (Pirkmajer 1991: 44). Es wird von einem „… bedeutenden „Barbarenvolk Europas …“ gesprochen und gleichzeitig wird die Latènekultur als eine „Keltenkultur“ angesprochen (Pirkmajer 1991: 44). Damit scheint eine Verbindung zwischen der materiellen Kultur und ­einer ethnischen Bezeichnung, sogar einer Volksidentität, gegeben zu sein. Interessant ist auch die Darstellung der Beziehung der Kelten zu den Trägern der Hallstattkultur: „Ihr Einfluss auf das hallstättische Volk war groß, denn die Kelten zerstörten sein Gesellschaftssystem.“ (Pirkmajer 1991: 43). In diesem Katalog wurde eine besondere Aufmerksamkeit den Tauriskern geschenkt, die zuerst bei der Besiedlung Sloweniens als Nachbarn des Regnum Noricum dargestellt werden und später als ein Teil des norischen Königreichs. Die Taurisker sind also ein mit einer spezifischen materiellen Kultur identifizierbarer Stamm oder Ethnie.

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Abb. 7: Der Katalog zur Ausstellung „Kelten in Celje“ und „Die Zeit der Kelten“ (nach Pirkmajer 1991; Landesmuseum Joanneum Graz [Hrsg.] 1998).

Die Ausstellung in Celje war auch eine Anregung für die Gestaltung einer Ausstellung über die Kelten in der Steiermark, die im Jahr 1998 in Bärnbach gezeigt wurde (Landesmuseum Joanneum Graz [Hrsg.] 1998). Unter der Projektleitung von E. Lasnik und der wissenschaftlichen Leitung von D. und M. Kramer (1998: 8–21) wurde die Ausstellung aus Celje durch Objekte aus der Steiermark und dem ungarischen Komitat Zala erweitert. Die Ausstellung wurde von einem Beiheft der Zeitschrift Schild von Steier begleitet, in dem aktuelle Forschungen aus der Steiermark vorgestellt wurden (Abb. 7 rechts). In der Einführung wird klar die Beziehung zwischen den Funden aus La Tène und den Kelten unter Einbeziehung der schriftlichen Quellen dargestellt: „… Die­ se Aussage (Herodots [Anm. des Verfassers]) und die Grabungsergebnisse in Oberitalien veranlassten die Archäologen, die wenigstens einen Teil des Fundmaterials in das 5. vorchristliche Jahrhundert datieren konnten, die Funde aus dem Neuenburger See als keltisch zu identifizieren und ab 1872 von der keltischen La Tène Kultur zu sprechen.“ (Kramer, D., Kramer, M. 1998: 8). Die Kelten werden auch in dieser Publikation sprachlich und ethnisch als ein Volk seit der Wende vom 2. zum 1. Jt. v. Chr. dargestellt, aber es wird klar betont, dass die Kelten niemals ein gemeinsames Reich gegründet haben oder als gemeinsam handelndes Ganzes

aufgetreten sind (Kramer D., Kramer M. 1998: 8–9). Die Beziehung der hallstattzeitlichen Bevölkerung mit den Kelten wird in der Publikation nur kurz angesprochen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass sich anhand der Quellenlage der Vorgang der „Keltisierung der Steiermark“ nicht ganz eindeutig nachweisen lässt. Trotzdem wird einer Kontinuität der Bevölkerung, aber nicht der Kultur, gegenüber des Ansatzes einer Zerstörung durch Eroberung bevorzugt. In allen drei Ausstellungen wurden die Kelten als die Träger der Latènekultur dargestellt und als Neuankömmlinge behandelt, die im Gebiet der Steiermark und Štajerska um 300 v. Chr. angesiedelt sind. Der Unterschied zwischen der ersten Ausstellung im Jahr 1983 und der folgenden Ausstellung in Celje ist das Verschwinden des Bewusstseins, dass die Verknüpfung der materiellen und schriftlichen Quellen mit den ethnischen Vorstellungen nicht unproblematisch geschehen kann. Die Ausstellung in Bärnbach im Jahr 1998 weist mit dem Einbeziehen der Forschungsgeschichte auf die Forschungslücke in der Späthallstatt- und Frühlatènezeit und versucht die heutige Verwendung des Begriffs „Kelten“ genauer zu fassen.

Ein weiterer Aspekt der musealen Präsentation sind die Freilichtanlagen. Ein derartiger Bau befindet sich am Burgstallkogel bei Kleinklein, wo am Hang der hallstattzeitlichen Siedlung ein Gehöft errichtet wurde (Lobisser 2007: 107–133; Großklein 2011). Das Gehöft wurde in den Jahren 2003 und 2004 von der Marktgemeinde Großklein in Zusammenarbeit mit dem Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS) aufgebaut. Es wurden ein eingerichtetes Wohnhaus, eine Webhütte mit einem Webstuhl, ein Pfostenspeicherbau und eine Brotbackhütte auf einem hohen Qualitätsniveau errichtet (Abb. 8). Das sog. „Keltengehöft“ wird vom Hallstattzeitlichen Museum Großklein betreut. Es finden dort verschiedene Veranstaltungen statt, wie zum Beispiel Lamawanderungen (!), Festivals und Musikabende. Ein weiteres Keltendorf finden wir in der Oststeiermark am Kulm bei Weiz (Kritik bei Ahrens 1990: 94, 189; Kulm 2011), wo auch frühlatènezeitliche Objekte gefunden wurden. Obwohl die Besiedlung dieser Fund­stelle in der Latènezeit durch Grabungen von D. Kramer, G. Fuchs und O. Urban bestätigt wurde

Abb. 8: Das „Keltengehöft“ auf dem Burgstallkogel bei Großklein (Universalmuseum Joanneum / M. Mele).

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Abb. 9: Experimenteller Nachbau eines keltischen Ofens in Ormož (Foto: Pokrajinski muzej Ptuj-Ormož / M. Mele).

(Kramer, Fuchs 1980: 213–223; Urban, Kramer 1987: 101–120), wurde diesen wissenschaftlichen Ergebnissen bei der Rekonstruktion eher wenig Beachtung geschenkt. Aus dieser Fundstelle stammt auch eine der seltenen frühlatènezeitlichen Fibeln in der Steiermark. Das ­ eiserne Repertoire der Freilichtmuseen mit Brotbacken und Festivalaktivitäten wird auch in dieser Freilichtanlage angeboten (auch Winkler 2006: 109–111). Auf ein weiteres keltisches Haus und einen keltischen Wanderweg in Dietenberg bei Ligist soll im Rahmen dieses Artikels nicht genauer eingegangen werden (Ahrens 1990: 98–100, 187; Ligist 2011). Die archäologischen Quellen zu den beiden Siedlungen in Großklein und auf dem Kulm bei Weiz reichen nur bedingt für eine Rekonstruktion der Siedlung aus.Wie viele andere Freilichtanlagen nutzen auch die­ se das allgemeine Wissen über den urgeschichtlichen Hausbau für die Rekonstruktion der Gebäude. Beide verwenden die Kelten als den Anziehungspunkt für die Besucherinnen und Besucher. Die Kelten, gemeint als die Träger der Latènekultur, wurden aber nur auf dem Kulm nachgewiesen. Wenn wir die museale Vermittlung ansprechen, die manchmal auch mit den Kelten verbunden wird, sei auf die Experimentalwoche mit dem Titel „Expe-

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rimentelle Rekonstruktion eines keltischen Töpferofens und das Brennen von Keramik“ im Museum Ormož im Jahr 2006 hingewiesen (Abb. 9).Wir haben den Versuch unternommen, mit jungen Museumsbesuchern einen der in Ormož gefundenen latènezeitlichen Öfen nachzubauen (Mele 2006: 11–20). Dabei waren nicht nur pädagogische Aspekte maßgeblich – das Experiment entwickelte sich vielmehr zu einem kleinen Forschungsunternehmen, das genau dokumentiert und durch Messungen der Temperatur im Ofen unterstützt wurde. Die Veranstaltung wäre sicherlich auch dann erfolgreich gewesen, wenn der Begriff „keltisch“ nicht im Titel vorgekommen wäre. Schlussgedanken Die Frage „Wer/Was sind die frühen Kelten?“ (übersichtlich bei Rieckhoff 2007: 41–55) kann aus der Sicht der Archäologie in der Steiermark und Štajerska kaum beantwortet werden. Die spärlichen archäologischen Quellen der Späthallstatt- und Frühlatènezeit in diesem Gebiet lassen momentan für fast 200 Jahre unserer Vorzeit noch zu viele Fragen offen. Die Kelten werden in der Forschung und der ­populä

rwissenschaftlichen Literatur als die Träger der Latènekultur gesehen, die am Ende des 4. Jh. v. Chr. die Steiermark und Štajerska besiedelten. Ein fremdes Volk, das die in der Hallstattzeit lebenden namenlosen Vorgänger (Šašel 1983: 12) unterworfen hat.Welchen Einfluss diese Neuankömmlinge auf die hallstattzeitliche Bevölkerung hatten, kann eigentlich anhand der spärlichen archäologischen Quellen kaum eingeschätzt werden. Der Forschungsstand zeigt, dass die Träger der Latènekultur in der Späthallstattzeit, nachdem die großen Zentren mit den Grabhügelnekropolen verlassen worden waren und das Leben wahrscheinlich in den kleinen Flachlandsiedlungen weiter gegangen war, eine dünn besiedelte Landschaft antrafen. Das von den antiken Quellen geschaffene Bild der Eroberer, die Rom und Delphi plünderten, bleibt trotzdem weiterhin im Hintergrund einiger Studien und populärwissenschaftlicher Bücher. Die Kelten standen nicht oft im Mittelpunkt archäologischer Ausstellungen in den Museen der Steiermark und Štajerska. Wie wir darzulegen versuchten, wird die Verwendung der Bezeichnung „Kelten“ für ein Volk der Urgeschichte nur manchmal in den Ausstellungen kritisch betrachtet, aber immer mit den materiellen Objekten aus der Latènezeit verbunden. Wie schwierig es ist, materielle Kultur und schriftliche Quellen mit einem Stamm oder Volk in einen Zusammenhang zu bringen, wurde anhand der Beispiele von Preußen durch L. Pauli (1980: 16) und von Slowenien durch M. Guštin (1996: 439) deutlich veranschaulicht.

Weiterhin bilden die Kelten im Ausstellungswesen ein attraktives Thema (Grewenig [Hrsg.] 2010), das auf Grund des Zwangs, die Besucherzahlen zu steigern, von den Museen aufgegriffen wird (diesen Weg hat das neue Archäologiemuseum des Universalmuseums Joanneum nicht beschritten; vgl. Hebert 2008: 7– 19; 2009a: 322–323; Braunersreuther 2011: 56–65). Dabei entstehen die „Kelten“ so, wie wir sie selbst, nach besten Wissen und Gewissen, erschaffen und der Öffentlichkeit vermitteln. In dieser musealen Sichtweise werden die „Kelten“ in unserem Gebiet weiterhin als Träger der Latènekultur oder manchmal als „Nutzer der Latènetracht“ verstanden. In der breiten Öffentlichkeit kommt es dagegen in Übertragung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie sie für das Kerngebiet der Kelten Geltung haben, zur Ausweitung des Begriffs auf den Großteil der Hallstattzeit. Viel zu selten wird aber die Frage gestellt, ob der Museumsbesucher überhaupt die „Kelten“ braucht, um die faszinierenden Objekte aus der Eisenzeit besser zu verstehen und Neues aus ihnen zu lernen. Den Kelten wird im 20. Jh. in der Steiermark nicht eine wichtige identitätsstiftende Rolle zugedacht wie zum Beispiel in Kärnten (Müller Karpe 1951: 594– 677; Hales 2010: 244–245), jedoch eine soziokulturelle, wie das Beispiel der geomantischen Erforschung der Grimming-Region zeigt (Brunner, Cerwinka, Hasitschka 1998: 14–15; Kramer 1999a: 11–14; Kramer 1999b: 39–47). Auf diese interessante Thematik soll aber im Rahmen dieses Artikels nicht näher eingegangen werden.

Anmerkungen

Literatur

1 Ausführliche Forschungsgeschichte bei Dobiat 1980: 7–22; 1990: 16–38; Egg 2004: 93–97; 2007: 23–30; Egg, D. Kramer 2005: 3–10; D. Kramer 2000: 160–180; 2004: 73–102; Smolnik 1994: 13-17; Teržan 1990: 124–140. 2 Die vier „Fürstengrabhügel“ werden von M. Egg und D. Kramer neu vorgelegt (Egg 1994: 53–86; 2004: 93–126; 2007: 23–64; 2009: 31–58; Egg, Kramer 2005).

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Celts and La Tène Culture – a view from the periphery Hrvoje Potrebica – Marko Dizdar

Zusammenfassung Während sich die Vorstellung von „den Kelten“ sich aus der Interpretation des Westhallstattkreises als ein, mehr oder minder, kulturevolutionären Prozess entwickelte, steht man im südöstlichen Pannonien nicht vor einer Frage bezüglich eines chronologischen, sondern eher der eines kontextuellen Wechsels. Der Mechanismus des Transfers und der Annahme früher Latène-Elemente in lokalen Kulturen unterschied sich signifikant von den Prozessen, die in späteren Abschnitten der späteren Eisenzeit zu beobachten sind, in denen diese Region von kompakten neuen Latène-Gemeinschaften besiedelt wurde, die aus einem Amalgamierungsprozess zwischen lokalen Gemeinschaften und einwandernden Gruppen, die als „Kelten“ betrachtet wurden, entstanden. Wir müssen daher zwischen den Prozessen der „Keltisierung“ und der „Latènisierung“ unterscheiden. Es scheint als ob die „keltische Welt“ eine Art von Flickwerk war, das aus verschiedenen Gemeinschaften oder Kulturen bestand. In dieser Welt, in der eine markant als solche erkennbare Peripherie und eine Kernzone durch ein dynamisches Kommunikationsnetzwerk zwischen verschiedenen Gemeinschaften ersetzt wurde, ist es schwer, irgendeine Gemeinschaft zu finden, die sich selbst als „Kelten“ definiert hätte. Abstract While the concept of the “Celts” emerged from the interpretation of the West Hallstatt circle, seen more or less as a result of cultural evolution, in south­eastern Pannonia it was not a question of a chronological shift, as much as of a contextual one.The mechanism of transfer and acceptance of Early La Tène elements into local cultures was significantly different from the process that took place in later periods of the Late Iron Age, when this area was occupied by compact new La Tène communities that developed as some sort of amalgam consisting of local communities and incoming groups of people that were recognized as “Celts”. Therefore we have to differentiate between the processes of “Celtization” and “Latènization”. It would appear that the “Celtic world” was a kind of a patchwork, composed of different communities or cultures. In such a world, in which the distinctive periphery and the core area are replaced by a dynamic communication network between different communities, it is hard to find any community that would define itself as “Celts”

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In the 19th and early 20th century, Croatian archaeo­ logy was already developed as a separate discipline, but with very little systematic research, especially of the prehistoric periods. At this early stage, La Tène finds from this region were already recognized as such, and they were incorporated in museum collections and archaeological publications (Majnari´c-Pandži´c 2005: 67). From the point of view of La Tène or “Celtic” archaeology, northern Croatia has always been interesting as a liminal area for various reasons. This is the region in which the geographical division between the Alpine and the Central European areas on the one hand, and the Danubian and the Pannonian areas on the other hand, was reflected in two specific cultural groups, both marked by the distinctive La Tène material culture. The first, “western”, Alpine group were Taurisci, while the second, “eastern”, Danubian group were Scordisci. Interestingly, both groups were perceived as a mixture of a “Celtic” component which came from the “central Celtic area” and local tribes, which quickly replaced specific features of their autochthonous culture and in respect of their material culture, became an integral part of the La Tène world. The excavations of several important cemeteries in the late 19th and the early 20th centuries, such as those in Mokronog and Mihovo in Slovenia, or in Kupinovo, Boljevci and Surˇcin in Syrmia, only contributed to this idea. That is why the “Celtic” component has often been defined as that of invaders, who positioned themselves within the society as a thin ruling class which stood above the local group, and imposed as well as advertised the La Tène features as important parts of the identity of those communities. The small size of the invading group should account for the lack of archaeological evidence which would enable us to make a clear distinction between the incomers and the residents at the moment of their encounter. Although in some cases the two groups can be identified at the formative stage of their cultural entities (e.g. at the Early La Tène cemeteries in Pe´cine near Kostolac (Jovanovi´c 1985) and Karaburma (Todorovi´c 1972), the insufficient and poorly published material prevents us from understanding the true nature of their relation. However, the presence of both groups at the same necropolis (though, in separate clusters at the necropolis of Pe´cine) indicates that this relation was different or

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at least far more complex than the one suggested by the standard concept of foreign leaders and the conquered population. The spatial position of Taurisci and Scordisci in an area recognized as “Celtic” emphasizes yet another aspect of liminality of this area. Archaeology, history and linguistics prompted a number of attempts to divide Europe of the Late Iron Age into different ethnic domains. From that point of view, these two groups were at the south-eastern periphery of the Central ­European “core Celtic area”, at the border with the Illyrian-dominated Balkan region. The key concept of this paper is that the knowledge of the world determines our understanding of cultural concepts. Therefore, it is important to understand that the situation in Croatia at the time of introduction of the concept of La Tène Culture was rather different from the situation in Western Europe. In Croatia, the La Tène Culture was perceived as the material-culture content of the concept of “Celts”, but at the same time, there was no predetermined idea of Celts nor any political or national agenda which could be projected to the archaeological concepts. In the 19th century Croatia, the concept of „Illyrianism“ was pivotal for the Croatian national movement. At that time, this idea gained momentum and popularity, but it was not new. Its role in the development of national ideology may be traced back to the 17th century, when similar ideas were quite popular at the European level. However, due to the specific historical position of Croatia at the time, it never became an exclusive national myth nor a part of a national „grand narrative“. The role of Illyrianism in defining the national identity remained at the level of some distinctive criteria which made „us“ different from the „others“, although in some situations „panillyrianism“ was also used as a cohesive factor in the development of Southern Slavic national ideas. To sum up, the Celts have never been a part of the national identity and political mythology in Croatia. Even at the level of popular culture, there has been no romantic vision of Celts. Bearing in mind the way in which popular culture was created and modified at this period of history, it actually meant that there was no popular literature involving the “Celtic themes”. The lack of such literature could be explained by the fact that there was no direct linguistic link to the

“Celts,” which means that generally there was virtually no interest in the subject. At the time when the notion of the La Tène Culture appeared in the Croatian archaeology, there was no general understanding of the Celtic identity, which means that there was more or less no continuity or direct links with the interpretative present. Therefore, in Croatia, the Celts were a historical category. This means that they belong to the world of the past, to the old world, and that the Celtic “reality” is perceived almost exclusively through references in historical sources (Roman and Greek). These are some of the aspects of the “knowledge of the world” in the early 20th century Croatia, relating to the concept of the Celts. Now we can see how it affected the interpretation of the La Tène context in the Croatian archaeology. In the early stages of Croatian prehistoric archaeology, the “Celts” were perceived as a more or less defined ethnic group whose migration to this region brought about a significant and deep change in the material culture of the Late Iron Age. Since Croatia is located on the periphery of the “Celtic world”, the material culture and some features of the social organisation recognized as “Celtic”, were always perceived as foreign elements coming from the outside and fundamentally changing the inner structure and cultural identity of the local population. This perception of incoming Celts is based on historical sources, and therefore the archaeology of the La Tène period was trying to document the expected impact on the cultural dynamics of indigenous populations, as well as final result of those changes, which should comply with the classical ideas about the Celts. Through the years, the development of archaeology and modern historiography often established that the historical sources were to a certain extent corrupt. One part of the problem lies in the fact that they are by definition subjective, which means that they are biased because of the cultural and/or political background of their authors, especially in the case of ­Roman historians who described the situation at the time of ­conquests and described all enemy communities as savages, ­barbarians etc. Another component that makes historical sources questionable or unreliable is their chronological and/or spatial distance from the described events or areas – they are mostly second-,

and sometimes even third-hand sources. However, the Celts were still perceived as a compact cultural entity. A new solution required an understanding of the relation between the terms “Celtic” and “La Tène”. At the time, the concept of the La Tène Culture was widely accepted and used to mark the difference between the material culture and the actual ethnic groups, although the “Celts” were always perceived as a population indigenous to this cultural phenomenon. In reality, nothing changed: “Celtic” became equal to “La Tène”. Even some archaeological literature and major syntheses (Majnari´c-Pandži´c 1970) used the term “Celtic-La Tène Culture” (and to a certain extent, this term is still used!). The day was saved! The world was back in order. But not for long … Soon it became obvious that some elements of the “Celtic” material culture reached local Iron Age communities through exchange and trade networks before they became a part of the La Tène cultural complex. As if that was not enough, a closer examination of local cultural groups revealed that the fundamental structural change of Hallstatt communities in this region took place before any of the La Tène features reached this part of the world. In the late 6th century BC, rich graves and tumuli disappeared from the Eastern Hallstatt Circle and many centres of local elites that had been active for centuries apparently ceased to function as focal points of communication and/or economic networks. However, it would appear that some of these centres continued to operate at some level, and that local communities were not wiped out, but rather went through a significant transformation, which was a far more complex process than we are able to perceive at this point. Another problem was that the earliest La Tène material in this area consisted almost exclusively of personal ornaments coming from female graves (Majnari´c-Pandži´c 1996; Popovi´c 1996) and that male items from the same period were completely unknown. So, what happened to our perception of Celts and how does this correspond to classical (Roman and Greek) description of Celts? To answer these questions we have to look closer at the historical sources. There are three major categories of historical sources related to the study of the Celts in our area. The first one is general and provides fundamental information on

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Fig. 1: Ethnic communities in the southern Pannonia in the La Tène period

historical Celts. The best example is probably Caesar, whose works are perceived almost as an anthropological handbook on the Celts (Caesar, De Bello Gallico). The second category comprises early historical (or “second hand”) sources which describe the relation between Celtic groups from this area and ­other historical groups and/or events. These sources, such as the note in Ptolemy’s History of Alexander the Great on a delegation of Celts from Adria to Alexander the Great in 335 BC during his campaign against the ­Illyrian tribe of Tribali in the Central Balkans (Strabo, Geography 7.3.8; Arrianus Flavius, Anabasis of Alexander 1.4.6–5.2), are very important for Classical History. If historians who claim that “Adria” refers to the area around the Adriatic Sea are right (Zaninovi´c thinks that they probably came from northern Italy: Zaninovi´c 2001), then this reference establishes the link between our area and the Hellenistic world in the Early La Tène period. Similar is the note about the conflict between the incoming Celts and the indigenous Ardiei. Other sources describe the “great” Celtic invasion on Greece, defeat at Delphi in 279 BC, and their subsequent withdrawal to the area around the Danube where, according to Justin, the tribal group of Scordisci originated from (32.3.8) Strabo (7.5.2) and Appian (Ill. 6) described

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them as amalgam of different ethnic groups dominated by Celts (Šašel-Kos 2005). The third category consists of the “first hand” or late historical sources, which are results of the direct interaction of Romans with Celtic or Pannonian communities in this area, mostly during the Roman conquest of the southern Alpine area, southern Pannonia and western Balkans at the end of 1st century BC and during the Pannonian-Dalmatian rebellion between 6–9 AD (Šašel-Kos 2005).The most important geographic reference for northern Croatia from that period is Pliny’s definition of Mons Claudius as the demarcation line between Taurisci and Scordisci in southern Pannonia, and notes about the geographical position of autochtonous communities in the Sava and Drava valleys from the west to the east (Pliny, Naturalis Historia 3.25.147–148). By this time, both of these large tribal groups were perceived and described as “Celtic” groups, having a distinctively Celtic culture. Recent research carried out in northern Croatia has provided solid evidence that Mons Claudius probably corresponds to the mountain range of PapukPsunj, located in central Slavonia (Dizdar, Potrebica 2005: 64) (Fig. 1). The situation becomes even more complex if we take into consideration the fact that the border between the areas under influence of these

two “Celtic” groups lies in a region primarily dominated by autochthonous cultural groups, the strongest among which would in later periods be recognized as the Pannonian community of Breuci. Although the local material culture is dominant at sites in the central Sava Valley and in the central and lower Drava Valley, attributed to autochthonous Pannonian communities, especially those from the 1st century BC, La Tène items that could be attributed to Taurisci or Scordisci are also present in significant numbers. Those were probably imports of prestigious (ornaments) or necessary (arms and tools) items, obtained by local communities to satisfy some specific needs. At the time of Tiberius’ Pannonian war, in which Scordisci acted as Roman allies, Cassius Dio reports on similar armament of “Celtic” Scordisci and Pannonians (Šašel-Kos 2005: 506). On the other hand, Scordici and Taurisci acquired some features of indigenous communities and transformed them in line with their own taste, thus turning them into ­elements of their own cultural profile. This process was particularly notable in the periphery of their dominions. For Scordisci, such an area was southern Serbia, where, in addition to the predominant Illirian cultural features, a strong Hellenistic heritage is still present (Popovi´c 2006; 2009). In the case of Taurisci, the peripheral area was Dolenjska (Lower Carniola), which was inhabited during the Early Iron Age by a prosperous cultural group which based its economic strength and power on the iron ore deposits and on its crucial position within the long-distance communication network of that period (Križ 2005). Although similar examples are rare, they bear witness to the complex nature of the relationship between the “Celtic immigrants” and the indigenous population, which evolved with variable intensity throughout the Late Iron Age, up to the Roman conquest. After that, although all these groups recognized the rule of the Roman Empire, they developed along different paths. This was a result of the process that began with the contacts between the “Celtic” and indigenous communities, and which, centuries later, resulted in the emergence of new communities of Scordisci and Taurisci, which now as compact groups developed relations with the neighbouring Pannonian and Illyrian communities. A study of poorly researched archaeological sites or rare historical sources is insufficient for

understanding this highly complex processes.We need to develop some theoretical models which can only be tested by systematic interdisciplinary research. The strong criticism of historical sources as ­corrupt and subjective expressed in archaeological circles is sometimes based on a false assumption that all ancient historians described more or less the same compact ethnic and cultural category. But we believe that it is unlikely that they were ignorant of the basic facts or keen on extreme twisting of reality because of a political or any other agenda. They were probably simply describing “Celts” as actual communities that existed in their individual historical and geographic contexts. The misunderstanding comes from the fact that the inclusive or exclusive value of the term “Celts” directly depended on their “knowledge of the world,” which – although to a certain extent determined by one’s ­social, political and cultural background – is inevitably individual. A good example of that may be the Japodi, who lived in the region of Lika and in the upper Una Valley. Strabo describes them as a mixture of Illyrians and Celts (Strabo 4.6,10; 7.5,2). However, analysis of their material culture shows that rare objects with prototypes in the La Tène Culture are mostly transformed in new, specific forms, while the predominant part of their material culture belonged to local forms common in the broad area stretching from Caput Adriae, across the south-eastern Alps, to the western Balkans. The Japodi obviously did not belong to either of these ethnic groups, but they were rather a strong, indigenous community which developed continually from the Late Bronze Age, as evidenced by archaeological research. At this point, the Celts seem to be everywhere and nowhere, and it is a small wonder that the “archaeology of Celts” has become a bit paranoid in its constant desperate search of some universal, objective inclusion/ exclusion criteria for the Celts.This has become ­nearly some sort of a quest for the Holy Grail of the Celtic archaeology – the prize which will probably forever elude its seekers, at least in our “distant provinces” of the Celtic world. Many researcher have been and will continue to be lost in that quest without an answer, simply because they have been asking wrong questions. Perhaps it is time we try something else. One step back takes us to the purely archaeological

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arena of exploring the relationship between the indigenous and the so-called “Celtic” communities. However, even in this case there is no universal answer, and one of the crucial questions is: “When?” It seems that the interpretative models, which should explain this relationship vary, not only in relation to the territory in question, but they are also largely dependent on the historical moment. The obvious ambiguity of the category of Celts has caused a shift, which has, in the Croatian archaeology, remained mostly superficial, penetrating only the level of terminology. The concept of the “arrival of Celts” was in many cases simply replaced by the “introduction of the La Tène Culture”, but this has not solved this complex problem. While the concept of “Celts” emerged from the ­Western Hallstatt circle more or less as a result of the cultural evolution, in south-eastern Pannonia the ­situation was rather different. There, this was not a question of the chronological shift, as much as of the contextual one. Early La Tène finds are also present in this area, but the context and the semantic value of these finds are different from those in the central “Celtic” area. Another important point is that the mechanism of transfer and acceptance of the Early La Tène elements into local cultures was significantly different from the process that took place in later periods of the Late Iron Age, when this area was occupied by compact new La Tène communities that developed as some sort of amalgam consisting of local communities and incoming groups of people that were recognized as “Celts”. The situation becomes even more complicated if we take into consideration the fact that both those groups, the “local” as well as the incoming “Celts”, were exposed to the La Tène Culture to a certain extent before they merged into one compact and recognisable cultural entity. It is rather obvious that we have to differentiate ­between the processes of “Celtization” and “Latènization”, but due to the specific cultural dynamics of local communities in this area, those are primarily processual categories, each of them comprising several models at least. To put it briefly, the question is how the indigenous population, already “latènized” to some extent, perceived the incoming group that was fully deter-

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mined by their “Celtic” features, in terms of the La Tène ­material culture? Did they see them as Celts or as something else that was somehow related to their idea of Celts? And what was THEIR idea of Celts – if such an idea ever existed? Later on, the identity issues became even more ­complex. Several generations later, in the Middle La Tène period, autochthonous communities of the ­Early La Tène had been merged with the newcomers, they became “Celts” themselves, or at least that is how they were perceived and described by others, especially by Roman historians. This was especially obvious in the beginning of the Late La Tène period, in the mid 2nd century BC, with the appearance of the warrior elite. Their grave goods include imports of ­Roman bronze vessels, which, through the network of trade and exchange, usually came from northern Italy (Dizdar, Radman-Livaja 2004). A similar warrior elite was present in the neighbouring Padea-Pangyuruski Group, which presumably consisted of different “Celtic” and indigenous components (Rustoiu 2002; Egri, Rustoiu 2008). Those components merged under the identity of warrior aristocracy, which was a ruling class and a cohesive force in such communities.This was the structural model of communities which faced the Roman conquest in Pannonia at the end of the 1st century BC. In these historical events, the choice of allegiance of the warrior elite determined the destiny of the ­entire community. If victorious, the elite would continue to hold their position within the social structure even under a new political and administrative order. This concept of a complex structure of late prehistoric communities in southern Pannonia and south-eastern Alps has been supported by onomastic analyses of Roman monuments (Katiˇci´c 1965; 1966). What is the perception of these communities of their self-identity and how it shifted from indigenous to “Celtic”? Of course, this question is valid only in as much as this is the correct interpretation of that shift … The simplest and the most appealing solution to this mess of shifting identities and ambiguous terminology would be: “If it looks like a Celt, speaks like a Celt, and acts like a Celt – than we may as well call it a Celt.” But the problem is the extent to which this principle can be self-applied? In other words, if we take the point of view of any archaeological community, especially in

the so-called “periphery”, this principle can be very well applied to the definition of “others” as “Celts”, but when do we define “us” as “Celts”, if ever? The whole picture of the Celtic world rests on the presumption that the Celts were at some level a compact ethnic category defined by the Celtic art, Celtic language, and/or La Tène Culture (or any combination of those).This would imply the existence of some kind of a core area, which has chronological priority over the “periphery”. However, all attempts of ­establishing a relation between the core area and the periphery, ­ using the before mentioned criteria, have failed. It would appear that the “Celtic world” was a kind of a patchwork, composed of different communities or cultures, and that their common trait was that they demonstrated some or all of those characteristics. In such a world, in which the distinctive periphery and the core area are replaced by a dynamic communication network between different communities, it is hard to find any community that would define itself as “Celts”. Somehow it seems that the Celts were ­always “the others”! Nowadays, when we hear numerous calls to abandon “Celts” as a useless and misleading term, we have to be very careful. If we perceive it as a label, we may not discard it easily, because such a powerful label may be “recycled” and used to mark some other content which could cause even more trouble and confusion at the level of general knowledge. Therefore, we believe that we have to engage in recycling ourselves, by coming to an agreement on a purely prescriptive definition

of the term “Celts” (which will necessarily be an artificial one), at least at the level of the pseudo-language of scientific research.Whatever one may think, “Celts” are a powerful conceptual vessel and if we strip it of its semantic content, it does not mean that it will lose its power. Metaphorically speaking, if you toss an empty bottle, that does not mean you cannot eventually get hit on the head with it. The need for caution with these matters is visible even in our country. Several years ago, when I started to teach the course An Introduction to the Iron Age for the first generation of Bologna students, I was almost crucified when I used terms “invented”, “construction” and “Celts” in the same sentence. At that point I was very much surprised by the emotional ­response to what I perceived to be a historical or ­archaeological dispute. But we realised that while we were busy doing the “real archaeology”, the world has changed and with it, the understanding of the term “Celtic” has also changed. The global communication networks, instant and virtually limitless access to all kinds of information rapidly changes the “knowledge of the world”, which has a huge impact on the understanding of almost all cultural concepts, including that of the Celts. Under the influence of global circulation of grand narratives and the new spirituality, what was HISTORICAL in our part of the world, became very PERSONAL, shifting the general understanding of cultural concepts, which are starting to influence ­archaeology, too. Beware! The Celts are striking back!

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Celts, Collective Identity and Archaeological Responsibility: Asturias (Northern Spain) as case study David González Álvarez, Carlos Marín Suárez

Abstract Celtism was introduced in Asturias (Northern Spain) as a source of identity in the 19th century by the bourgeois and intellectual elite which developed the Asturianism and a regionalist political agenda. The archaeological Celts did not appear until Franco dictatorship, when they were linked to the Iron Age hillforts. Since the beginning of Spanish democracy, in 1978, most of the archaeologists who have been working on Asturian Iron Age have omitted ethnic studies. Today, almost nobody speaks about Celts in Academia. But, in the last years the Celtism has widespread on Asturian society. Celts are a very important political reference point in the new frame of Autonomous regions in Spain. In this context, archaeologists must to assume our responsibility in order of clarifying the uses and abuses of Celtism as a historiographical myth. We have to transmit the deconstruction of Celtism to society and we should be able to present alternatives to these archaeological old discourses in which Celtism entail the assumption of an ethnocentric, hierarchical and androcentric view of the past. Zusammenfassung Der Keltizismus wurde in Asturien (Nordspanien) als identitätsstiftende Ressource im 19. Jahrhundert durch bürgerliche und intellektuelle Eliten entwickelt, die Asturianismus und regionalistische politische Ziele propagierte. Die archäologischen Kelten erschienen allerdings erst während der Franco-Diktatur, während der sie mit den eisenzeitlichen befestigten Höhensiedlungen verknüpft wurden. Seit der Einführung der Demokratie in Spanien im Jahr 1978 haben die meisten Archäologen, die über die asturische Eisenzeit arbeiten, ethnische Studien vernachlässigt. In der modernen asturischen Wissenschaft spricht so gut wie niemand mehr über die Kelten. Allerdings ist in den letzten Jahren der Keltizismus in der asturischen Gesellschaft ein populäres Thema geworden. Die Kelten sind heute ein bedeutendes politisches Schlagwort im neuen Rahmen der autonomen Regionen in Spanien. In diesem Kontext müssen sich Archäologen ihrer Verpflichtung besinnen, die Nutzung und den Misbrauch des Keltizismus als historiographischen Mythos zu erklären. Wir müssen die Dekonstruktion des Keltizismus öffentlich vermitteln und sollten dazu im Stande sein, Alternativen zu den alten archäologischen Erzählungen anzubieten, in denen der Keltizismus auf ethnizentrischen, hierarchischen und androzentrischen Vorstellungen über die Vergangenheit beruht.

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1.  Introduction Asturias is a small region in Northern Spain facing the Cantabrian Sea. It is bordered on the south by the Cantabrian Mountains, a barrier of high peaks that separates Asturias from Central Iberia. In the Middle Ages, the former Kingdom of Asturias was one of the few areas that remained outside the Muslim conquest of 8th century. Later, it served as a starting point of the Christian advance further south. Therefore, this medieval kingdom was instrumental in the idea of Spain and Spanishness. It was understood, and it still is, as its alma mater. The History of Asturias, like Kosovo to Serbs, has been used both for the vindication of the idea of Spain as for the Asturias. Since the Age of Enlightenment, political identity of some Asturian – from the bourgeoisie and the aristocracy – moved progressively from the Spanish to regional sphere. The historical significance of the Kingdom of Asturias was gradually redefined, with a new regionalist perspective. If the Kingdom of Asturias had provided the institutional and legal bases for political and cultural demands of Asturias, from Enlightenment the reference to ethnicity, race and culture for pre-Roman times became increasingly important.The pre-Roman period will be seen as the birth of the Asturian nation, with the astures as their legendary references (Marín 2005a). Here, we will look at the role that Archaeology has played in the creation of these representations of the Iron Age in Asturias. We will pay attention on Celts as a historical construction, and finally, we will offer our perspective on the representation of the past into the present, and the relationship between archaeologists and the social context where we work. 2. The Celts appear In the 16th century, some Asturian authors began to mention the Celts. They reviewed the names of ancient peoples in order to find their ancestors, as it was typical in Europe since the Renaissance historiography (Barreiro, 1993: 183). Greek and Roman sources were considered as indisputable authorities, which displaced biblical or hagiographical sources. History served as honorary instruments for the Asturian aris-

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tocracy, which sought to legitimize their sociopolitical position.The pre-Roman past progressively became an instrument of vindication (Bermejo 1989: 81; DíazAndreu, Mora, 1995: 28). Jovellanos stands out among these authors. He was a very influential politician in the Court of Madrid in the late 18th century. In Asturias, he was known as the father of a cultural and political movement called Asturianism (San Martín 1998: 25). He developed popular historiographical topics that have been repeated insistently until now: • the similarity between pre-Roman peoples and the contemporary Asturian society. • the essentialist idea that Asturias was born during the Iron Age and reached its golden age with the Kingdom of Asturias. • the characteristic features of the Asturians are the struggle, ferocity, and resistance against the invaders. Asturianism was set up as a political enlightened project. It was similar to other European countries where, before Nationalism, a cultural identity was being built by reinterpreting some elements of ethnic identity – language, traditions and history – (Fernández González 2000: 77). 3.  Celts and Archaeo-Historical narratives In the late 19th century, there was a great development of studies on Asturian history, ethnography, folklore, literature… encouraged by regional political interests.The Celtic theses emerged with force (Champion 1996: 66; Cunliffe 2003: 111), but Spanish archaeologists still remained outside the major European paradigm about Celts and Iron Age. Here, Celts were associated with megalithic monuments, but never with Iron Age elements. The Asturian, Galician and Cantabrian pre-Roman peoples mentioned by classical authors such as Strabo were seen as Celts.The distinctiveness of Northern regions, such as Asturias, was highlighted. Homophony of the terms was a key factor in this essentialist identification (Fig.1). After ensuring that the Celts were settled in Asturias, they described some features that characterize the

Fig.1: The pre-Roman peoples mentioned by classical authors serve as references to contemporary national identities (Ruiz Zapatero 2006).

contemporary Asturian people as of Celtic descent. The dances and songs of traditional music derive from the Celtic warriors who sang it when they went into battle. The Celtic essence also remains in the Asturians’ courage and their love of freedom, since they were the only people that were conquered neither by the Muslims or by Napoleon.These stories of the late 19th and early 20th centuries used to mix data from classical historians, linguistics, ethnography and mythology.The result was a mythical reconstruction of the past (Marín 2004; 2005a; 2005b). When they sought the archaeological Celticity of their pre-Roman ancestors, they still talked about megaliths and Palaeolithic cave paintings, although in those years some Iron Age hillforts were known ­already (i.e. Flórez 1878). The first regionalist party with parliamentary representation in the Spanish Parliament was Junta ­Regionalista Asturiana in 1916. His regionalism was not nationalistic. They only wanted to recover the originality and historical personality of Asturias, to strengthen its political clout within the Spanish state (San Martín 1998; 2006; Fernández González 2000). In the political texts of the party, the History of Asturias was mythologized, with the Celts in its origin.

4.  Celts and Franco’s dictatorship in Asturias During the Franco dictatorship, archaeologists linked the Asturian hillforts of the Iron Age to the Celts for the first time. They would monopolize the Celtic discourse (Díaz-Andreu 1993: 75; Ruiz Zapatero 2003: 224). The cultural and political elites continued promoting the study of local issues. The previous historiographical topics (Acevedo 1893; Canella, Bellmunt 1895–1900) were used, but from a clearly Spanish point of view. This was possible thanks to the ambiguity of essentialist discourses of Asturian regionalism, because that way of thinking could effectively support both the Spanishness and the Asturianism (Fernández González 2000: 82; San Martín 2006). In 1946 the Instituto de Estudios Asturianos was created within the scheme of the Consejo Superior de Investigaciones Científicas (Scientific Research Council), which was an institution run by the Catholic sect Opus Dei, where all scientific and cultural institutions were centralized after the insurgency of 1936 (Uría 1984: 57; Mora 2003). The role played by these archaeologists within the fascist dictatorship was the discovery of the racial bases of Spanishness – the Celts – to legitimize the imposed political system (Díaz-Andreu 2003: 57; Ruiz

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Fig.2: Reconstruction view of Coaña hillfort drawn by Antonio García y Bellido (1942).

Zapatero 2003: 228–9). They tried to prove the Celtic character of Iron Age in many areas of Spain, including the Castro culture of the Northwest (Pereira 2000; González Ruibal 2006–2007: 41–8).They combined linguistic and ethnographic data uncritically, and they made forced analogies in space and time – for example, with medieval Irish mythology or with the Central-European Iron Age – (Collis 2003). The excavations of some Asturian hillforts helped to build a Spanish ­racial unity raised by archaeologists related to the Franco ­ regime as Julio Martínez Santa-Olalla (1946) and Martín Almagro Basch (1952). The reference to the Celts was the easiest option, refusing in some cases the Iberian culture of the Mediterranean region (Ruiz Zapatero 2003: 226). It is not a coincidence that the Culture-historical paradigm was consolidated in Spain at this time, clearly related to the nationalist ideology and ethnocentric vision of the past. Cultural change was only explained by conquests or peoples’ migrations. Archaeological data were used to relate archaeological cultures with current languages, peoples and races (López Jiménez 2001). Since 1940, Antonio García y Bellido and Juan Uria Ríu excavated several sites in Asturias (García y Bellido

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1941; 1942; García y Bellido, Uría 1940) with the aim of determining if their inhabitants were or were not the Celts of classical sources (Fig.2). Ancient historians did not mention the Celticity of pre-Roman peoples from actual Asturias or Cantabria, although this was not a problem for them. Archaeologists who worked in Asturias at the time started to use the concept of “Castro culture”, in ­ relation to other Celtic Spanish areas. In Galicia, the Celtic explanation had been used in Archaeology since the 1920s (González Ruibal 2006–2007: 48–60). ­Ethnic studies became the main focus of attention for archaeologists, above chronological, geographical and typological studies. They appealed to strongly racial conceptions of archaeological cultures, and archaeological data were self-serving interpreted (Marín 2011). For example, they argued that the mortars were actually urns for the ashes of the dead, so the Celtic ritual of incineration would be documented (Uría 1945). The Celtic label became extremely blurred and it was unclear if it was used in an ethnic, linguistic, racial or material sense. Sometimes, a hillfort was considered Celtic because a single piece of one kind of decorated pottery appeared (Uría 1941). Even the authors who developed this model stated they were not able to check the Celticity of Asturian hillforts. There was a clear lack of definition of what was meant by Celtic in the archaeological record. In any case, all hillforts studied in Asturias will be labelled as Celtic, using sources as uncertain as Avienus’ work (González 1976). Further archaeological research will be marked by the blind acceptance of Celtic factoid, as Simon James meant (1999: 136): a theoretical construction hided as a fact. The Celtic paradigm in Spanish Iron Age ­Archaeology contributed to theoretical and methodological stagnation during the Franco period. 5.  Celts disappeared from Academia… Since the late 1970s, Celtic-based interpretations were roughly forgotten in Asturias. Since then, academic discussion has focused on chronological aspects, in material typologies, descriptions of ramparts, etc. and looking for a more “scientific” discourse in the Archaeology of Asturian Iron Age (Marín 2004: 86–92).

Fig.3: Poster of the Asturian nationalist party Conceyu Nacionalista Astur: “Celtic nations fighting for freedom”.

Many technical innovations will be adopted in the Spanish Archaeology from the 1980s. With a Culturehistorical theoretical background, new methods helped the new archaeologists to distinguish themselves conceptually from previous generations (Hernando 1992: 19). In this way they will able to accumulate scientific capital very quickly (sensu Bourdieu 1999a: 81). The Celtic paradigm was abandoned. These authors preferred a sterile scientism they find in the New ­Archaeology, omitting the social interpretation of the archaeological record (i.e. Villa 2002; 2007). 6.  …but Celts were widespread at popular level While Celts were eliminated from the archaeological scientific discourse, there was a real explosion of Celtism at a popular level with the coming of democracy (Marín 2005a: 151–82). In the late 1960s and especially in the 1970s some nationalist political currents in Asturias began to grow. Their ideology recovered the constructions of Asturian regionalism from early 20th century, returning to the vindication of the idea of Asturias over time. The 1978 Spanish Constitution created a model of territorial organization midway between the cen-

tral and federal state. The Autonomous Communities gained a great power within the Spanish State, and they began to arm themselves with an ideological ­ device in order to defend the national historic rights in their region. At the same time, there was development of nationalist political parties (González Morales 1994; Ruiz Zapatero 2006: 200–3). In 1977, the first Asturian nationalist party – the Conceyu Nacionalista Astur – was founded with a leftist revolutionary project to fight for the self-determination of Asturias (San Martín 2006).They interpreted the country’s situation as a colonial reality. It was the first in a series of parties, unions and political groups that began to make use of the alleged Celtic past of ­Asturias. They compared the struggle between Asturias and Spain with the rest of Celtic countries in the Atlantic region with the fights of Celts against Rome in the antiquity (Fig.3). In general, the Asturian nationalism is a leftist movement aiming to achieve a nation-state based on Celtic ethnicity and Socialism (Girón 2000: 106). The Asturian uniqueness was usually marked by establishing a ­direct continuity with the past in an essentialist way. This is common to all nationalist ideologies. The Asturian ­nationalism established continuities from the Iron Age

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Fig.4: The celtic pig: a vernacular variety of Asturian pig (from Álvarez Sevilla 2004).

and the Kingdom of Asturias until the present (Iglesias 1999). These discourses were often disguised as scientific and unsurprisingly resorted to Archaeology, since Celtic explanations had prevailed in Academia for decades (Collis 2006: 200–1). Nationalist parties still have little electoral clout in Asturias, but we must not confuse their small representation in parliament with the importance of this ­social movement. They have a great mobilizing force in Asturias. Some of their proposals, such as the officialdom of the Asturian language, are as the focus of attention in the public debate. Even recently, the leftist nationalist party Bloque por Asturies was part of the government coalition in Asturias during 2003–2007 and 2008–2010. 7.  Cultural Celtism… and marketing!

Fig.5: Poster of the “1998 Interceltic Music Festival of Nava”, in Asturias.

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In addition to political parties, certain cultural elites have supported Celtism in recent years.The creation in 1981 of the Lliga Celta d’Asturies was particularly important. In their magazine Ástor they made clear how almost everything in Asturias was Celtic.They even said the Asturian language could be understood as Celtic, despite being a Romance language, because it was in danger of disappearing as did the Celtic languages of the British Isles. They also were worried about ­historical and archaeological issues.They ­criticized archaeologists for having abandoned the Celtic paradigm (Lliga Celta d’Asturies 1983; Lombardía 1990). The relay is taken by Conceyu d’Estudios Etnográficos Belenos, with the magazine Asturies, memoria encesa d’un país. Since 1996, they have defended the Asturian heritage. At the same time, they have come to ­endorse the theory that everything in Asturias is Celtic (Álvarez Sevilla 2001; Álvarez Peña 2002; Llope 2010) (Fig.4). Music is one of the most important ways in the spread of Celtism. With the resurgence of Folk music since the 1970s, the term Celtic music has been accepted at a popular level.This new label comprises a vague array of types of traditional music.At the same time, it has generated new musical styles such as Celtic Rock (Elipe 1996). Celtic Nights and Interceltic festivals began to be frequent in Asturias, consolidating gradually the supposed cultural brotherhood with other Celtic countries (Fernández McClintock 2002) (Fig.5).

Fig.6: Sleeve of the cassette “The Celtic Night”.

Fig.7: Poster of the “2006 Cantabrian Wars”.

The Festival Interceltique de Lorient (Brittany, France), which began in 1971, has accepted the inclusion of ­Asturias as new Celtic country since 1987, thanks to the pressure of the Conceyu d’Estudios ­Etnográficos Belenos. One of their components, Lisardo Lombardía, has recently become director of this festival (Llope 2010). Actually, the use of the label celtic in Asturian folk music is mainly associated with marketing. It is a way in which a traditional music could be sold worldwide under a universal category. One of the most important features of celtic label nowadays is its economic profitability. This is one of the factors that have made

the celtic label has quickly been incorporated to economic sectors such as leisure and tourism (Fernández ­McClintock 2002: 43–8) (Fig.6). In Spain, the proliferation of historical festivals and recreations in recent years is an example of the interest of the public in the pre-Roman past (Ruiz Zapatero 2006: 207–12). We do not like enough the discourses which are underlying on these historical recreations, neither those with archaeological advice (such as Keltiberoi in Numancia, Soria), nor those that do not (such as Cantabrian Wars in Los Corrales de Buelna, Cantabria, or Asturian Wars, in Carabanzo, Asturias) (Fig.7). They develop and perpetuate some historiographical

Fig.8: Battle between Romans and astures in the “Asturian Wars” recreation festival.

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commonplace ideas: past-present essentialism, androcentrism or naturalization of social conflicts, because their discourse assumes the characteristic ­ features of Culture-historical archaeology. They understand the peoples of the Iron Age as ethnic references to presentday regions or nations and they show that the most outstanding of these peoples is their heroic struggle against the conqueror (Fig.8).They only look at the final moment of these societies, like homogeneous entities. The Iron Age is shown as a uniform and happy whole, without social conflicts before the conquest.

ties of scientific knowledge (Barnes 1980: 276). As a result, people begin to tolerate science, replacing the traditional way of thinking. But along with formal science is born a “popular science” that does not accept the limits of academic science and meets the needs of the people, being accommodated to traditional way of thinking (Handlin 1980: 259–60). The Celts are the main characters of this historical popular science in Asturias. The social sciences are in a paradigmatic situation, because they share their object of study –society– with other symbolic production professionals such as politicians or journalists. As a result, recognition of the monopoly of legitimate discourse about their objects of study is not so easily obtained in the social sciences (Bourdieu 1999a: 79; 1999b: 114–5). Therefore, there are frequent intrusions by non-specialists in generating archaeological popular narratives, which often resemble fringe archaeology. Currently, we see a complete disengagement of archaeologists and society, which are supposed to be the final audience of our work. Since the Celtic paradigm was abandoned in Iron Age, very few archaeologists have dealt that subject in Asturias. The prevailing opinion among them is that new techniques and new excavations in hillforts will replace the mythical explanations, like Celtism, of the Iron Age in Asturias. Today, many non-specialists try to defend “scientifically” the existence of Celts in Asturian Prehistory (i.e. Lombardía 1990; 2006; Fernández Gutiérrez 2001; Álvarez Peña 2002; Llope 2010) (Fig.9). These popular Celts are constructed using same arguments than archaeological Celts of Franco’s historiographical ­period: the ancient texts as authority sources, uncritical analogies in space and time, the naturalization of social inequalities or a positivist objectivism in the study of the Past.This generates a strongly essentialist discourse that exclusively uses the past to justify present realities and contemporary political agendas.

8. Archaeologists, Celts and Society

9. Alternatives

In many cases citizens can not participate in the scientific discourse because it is unintelligible for them. People tend to accept scientific beliefs from an institutionalized source of knowledge, from the authori-

By the first time, the Celtism was used in Asturias by people outside the Archaeology and totally disconnected with the archaeological remains of the Iron Age. But, from excavations in Coaña 1940, archaeologists

Fig.9: Cover of the book “Asturias: Celtic Memory”, from Belenos Fundation.

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Fig.10: Singular combat between two warriors in the “Asturian Wars” recreation festival.

were the main instigators of the Celtic explanation of the Iron Age. Thus, archaeologists are fully responsible for carrying out the theoretical deconstruction of Celtism for society (Marín 2005a: 183–200). Historiographical analysis should make us understand how archaeological knowledge about the past has been built, because it is our beginning. If we want our scientific field to become increasingly autonomous and less dependent on politics, we must know which concepts have been central to our science in order to discuss its validity, as John Collis (2003) and Gonzalo Ruiz Zapatero (1993) have pointed out. Celtism is a clear example of a concept that was been created with nationalism and has been applied uncritically in the social sciences until a couple of decades. Following J.D. Hill (1989), Celtism involves maintaining an essentialist thinking that rests on 19th century conceptions, racists and nationalists.We oppose that because it is pernicious at an Epistemological level. Asturian Celtism demonstrates a curious contradiction. Continually there are attempts to demonstrate the specificity of Asturian culture from prehistory. But, the Celtic Asturian Iron Age is inserted into an amalgam, with other Atlantic countries (Álvarez Peña 2002). In order to distinguish Asturianess of Spanishness, Astu-

rian past is confused with Irish or Scottish history. Inserting the Asturian Iron Age into a confused Celtic European culture means not being able to correctly analyze the specificities of its cultural characteristics (Marín 2005b: 327). Celtism naturalizes hierarchies and perpetuates racialized and androcentric interpretations. For example, society is often defined by the features that are then related to the activities of men, such as war and herding activities. There is also a tendency to overestimate the study of weapons or jewelry, interpreted as symbols of range and masculinity (Fig.10). The traditional views of Celtic archaeology are not compatible with a comprehensive assessment of gender relations or the application of anthropological egalitarian models of societies. In addition, Celts are mostly recreations made by urban-dwellers who reject ­other explanations of the archaeological remains made by subordinate groups, such as peasants, which are reflected in the traditional folklore (Gazin-Schwartz, Holtorf 1999; González Álvarez 2011). Therefore if our aim is to produce knowledge as objective as possible through the theoretical and methodological autonomy of our scientific field, Celts do not work. However we aim to be sensitive to the problems of

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society which we belong to and ensure that our scientific knowledge reverts to its advancement. People who currently use Celtism in the self-construction of their cultural identity could be understood as the authentic Celts. According to Simon James (1999: 76), ethnicity is a cultural construct that has little to do with real history, but rather with what people ­believe. Some current Asturian people consider themselves and their culture as Celtic. The ethnogenesis of these modern Celts did not start two thousand years ago. It is a process that must be understood in its contemporary sociological context. Therefore, if we want to bring the Archaeology to Society we cannot ignore the Celts, since it is the main historical concept which is handled at popular level. Our first objective must to be communicating to society the origin and reactionary political connotations in the use of the Celts throughout modernity. Archaeologists have a debt to society. We must strive for Archaeology to also be critical social science. If we care about the archaeological heritage of a region we should care about people who live there and their ­cultural values. People explore for themselves the meanings of the archaeological remains and we must be sensitive to this fact. We do not believe in unlimited multivocality, but we think we should at least talk with the other stakeholders of the past. Multivocality in itself does not fight the power and authority structures, as Hamilakis (1999) has noted. We must provide to the rest of society with the materials necessary to modify its relationship with the past, as Hodder (1992) has proposed. In this sense, exhibitions, publications, conferences, the musealization of archaeological sites or historical recreations must help us in the dialogue with society. There, we can share some key issues to rethink the past in a critical way through our doubts and questions, not through closed speeches. They can be a good resource to promote reflection of society on many social issues of current interest. That may help others to think historically many historical problems, which have existed in the past and continue to exist today.The Iron Age is

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the birth of a rural landscape of small villages that still remains alive in Asturias with few changes, even today. These studies are essential if we want to understand the subsequent peasant societies which have lived in this place until almost our time. On the other side, the Iron Age in Northern Spain was neither a social haven nor a scene of constant warfare, like most of the historical recreations show. The hillforts were hillforts 800 years before the ­ Roman conquest. These Iron Age communities did not have such hierarchical social forms than their southern neighbours of the oppida in Central Iberia. But, there were other interesting social conflicts to reflect on the present-day society. Patriarchy was consolidated in the Iron Age, with a new male ideology materialized in the ramparts of the hillforts and the warrior assemblage. Men were occupied on the herding activities which moved them away from the dwellings and women ­remained there carrying on the maintenance activities which absorbed all of their time inside the ­ramparts of the hillforts. The previous complementarity of functions between men and women began to disappear in the Iron Age. The Iron Age also shows us how family and community identities may be more important than other identities such as ethnicity. In spite of this, historical recreations and many archaeologists tend to focus on ethnic or national concepts, like Astures, Cantabri or Celtic, more related to an urban and contemporary vision of the pre-Roman past.This also omits the archaeological record and ethnoarchaeological references. Therefore, the deconstruction of Celtism is not a fashionable archaeological trend. It has to be the foundation of a critical archaeology in order to overcome the Culture-historical archaeology. We have to assume the political character of any interpretation of the past and the present (Falquina, Marín, Rolland 2006). ­Archaeologists can hope to dialogue with society to provide it with ways of thinking that allow them to think about themselves in a more critical way, through the denaturing of the traditional ideas about the past and the present functioning of society.

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A Celtic Iron Age in Scotland? Where are we now? Ian Ralston

Abstract This paper sets out to examine the impact of the newish archaeological orthodoxy concerning the assumed absence of Celts in later prehistoric Britain with specific regard to contemporary political and cultural circumstances within Scotland. A major distinction from its southern neighbour is the way that ideas of Celticity widely pervade modern concepts of Scottishness: a brief analysis intimates that ‘Celtic’ elements still appear to be a pervasive element of ‘Scotland the brand’ in 2010. An informal survey of the membership of the principal specialist group devoted to the first millennium BC/AD archaeology of the country demonstrated that most members who responded considered that Celtic languages were spoken in Scotland c. 300 BC/AD 200, and about half were of the view that it was fair to describe the Iron Age of Scotland during that span as Celtic. Although a small and unscientific sample, these responses suggest that what is frequently now presented as the dominant archaeological paradigm in southern Britain has made less headway in the North. Zusammenfassung Dieser Beitrag untersucht den Einfluss der „neuen“ archäologischen Orthodoxie der angenommenen Absenz von Kelten im spätprähistorischen Britannien, mit besonderer Beachtung kontemporärer politischer und kultureller Bedingungen innerhalb Schottlands. Ein bedeutender Unterschied zu seinem südlichen Nachbarn ist die Tatsache, dass Ideen zur Keltizität immer noch moderne Vorstellungen des „Schottischseins“ durchdringen: eine kurze Analyse zeigt, dass „keltische“ Elemente im Jahr 2010 immer noch einen wichtigen Aspekts des „Markenartikels Schottland“ darstellen. Eine informelle Umfrage unter den Mitglieder des hauptsächlichen Verbands von schottischen Experten zur Archäologie des ersten Jahrtausends vor und nach Christus zeigt, dass die Mehrheit der Antwortenden annehmen, dass keltische Sprachen zwischen ca. 300 vor und 200 nach Christus in Schottland gesprochen wurden; und etwa die Hälfte der Ansicht ist, dass die schottische Eisenzeit während dieser Zeit berechtigter Weise als keltisch angesprochen werden kann. Obwohl es sich dabei nur um ein kleines und nicht representatives Sample handelt, legen diese Antworten dennoch nahe, dass das derzeit in Südbritannien als dominant betrachtete archäologische Paradigma sich im Norden der Insel bislang weit weniger durchsetzen konnte.

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Introduction In recent years the question of the identity of the ­later prehistoric population of Britain, including Scotland, has become contentious, perhaps particularly in archaeological circles, but also as a result of new genetic insights; and these issues have generated a substantial literature (e.g. James 1999; Collis 2003, 2010; Morse 2005; Harding, Gillies 2005; Oppenheimer 2006). ­Although periodically the topic has erupted in the Scottish media (e.g. Collier 1998; Saturday debate {between Peter Berresford Ellis and Simon James} in The Scotsman, 27 March 1999), as it has elsewhere in the UK and in Ireland (e.g. Clarke, Woods 1999; Gillespie 2006), and more extremely on the net (see below), this debate is perhaps still only dimly perceptible on the wider stage, not least because a string of books and ­atlases continues to appear in which the cultural legacy, labelled as ‘Celtic’, of the country is rehearsed as established fact. In these, this Celtic inheritance is normally traced back unbroken to later prehistory, at least to the pre-Roman Iron Age, if not farther into the first ­millennium BC or indeed beyond. Recent critiques have however stressed that the application of the term ‘Celtic’ to the populations of pre-Roman Britain is apparently an essentially modern phenomenon, which first occurs in the sixteenth century. Alongside this major reassessment apparent in archaeological writing over the last two decades, new formulations have also recently emerged, most notably major studies in which different perspectives, based partly on archaeological evidence, but also drawing on language and genetics, have set out to challenge the conventional view: that of Celtic language and culture as a cumulative later prehistoric (but not narrowly Iron Age) arrival in Britain from the nearer continent (compare e.g. Cunliffe, Koch 2010 with Cunliffe 2003). It would be no understatement to describe the evaluation of the ‘Celtic’ contribution to the cultural make-up of Britain to be currently in a state of flux. The purpose of this paper is neither to evaluate nor to critique these contrasting views in detail, for that would be a task too great within the confines of this contribution. Rather, the author will seek to examine in outline but specifically in the Scottish context – in a country which has as many University departments

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of Celtic as of non-Classical Archaeology and a rather different public attitude to the concept of Celts than its southern neighbour – what the current views of practicing archaeologists are as regards issues of Celticity with regard to the later prehistory of Scotland. In essence, I am interested to know to what extent prevailing views have been altered by the emergence of the critical literature of the last twenty or so years mentioned in outline above. If Michael Morse (2005, 11) is correct in his assertion that ‘Ironically, having developed in tandem with the modern understanding of the Celts, British archaeology is now moving toward a rejection of the term in relation to the nation’s prehistory’, does this statement hold true across Britain’s varied archaeological and cognate communities and specifically in those within Scotland, where political and cultural circumstances are in some measure different? Although it is difficult adequately to categorise these differences in a few words, the following paragraphs will attempt to rehearse some aspects of these matters. It is fair in this context to remark that use of the term ‘Celtic’ has appeared until recently perhaps less contentious in the description of culture within Scotland than has been the case in England, not least for example because of the cultural continuities widely ­ accepted to have been maintained from later prehistory through the partial if influential Roman occupation of the country and into the cultures present in Scotland during the first millennium AD. Thus a decade ago, for example, the term survived unproblematised in the entry for ‘culture’ in The Oxford Companion to Scottish History (Lynch 2003), although Ian Armit’s contribution on prehistoric times to the near-contemporary New Penguin History of Scotland (2001, esp. 13–14) offers a much more circumspect reading of the evidence. Linguistically, the Gaelic language, despite having relatively few speakers (SGRÙD Research n.d.) as a proportion of the total population, retains a considerable significance within Scotland, and would be seen by many in the wider population as the most obvious indicator of the country’s Celtic heritage. In some ways at least, the apparent decline of the language has been arrested in that it has attained a higher profile – at least in terms of recognition if not so much of actual use, over recent decades. For example, the Gaelic

­ ollege, Sabhal Mor Ostaig, the only institution to C deliver tertiary education wholly in that language, at Sleat on the Isle of Skye and now part of the University of the Highlands and Islands, was founded as recently as 1973 and complements Gaelic-medium teaching in a number of schools, both primary and secondary; and road signs in Gaelic as well as English, championed by Sir Iain Noble, merchant banker and distillery owner (1935–2010: Davison 2010) are another innovation of recent years which has visibly spread across Highland Scotland. Broadcasting in Gaelic continues to attract substantial government support from the devolved administration in Edinburgh, to the extent that I think the time most Scots (men at least!) are now likely to hear the language is as the accompaniment to televised games of football on BBC Alba. Beyond such uses, if Gaelic as a member of the Celtic language family is the most obvious academically-acceptable witness of Scottish participation in the Celtic phenomenon, ‘Celtic’ is a word frequently deployed in common parlance and in a wide range of contexts as a descriptor of numerous traits and characteristics, including a bewildering variety of types of music and art, as well as in football. Aberdeen University Celtic Studies’ website is surely right to note that in the local context the popular usage of ‘Celtic’ as a descriptor ‘has travelled in all manner of extraordinary and improbable directions’ (Aberdeen University 2010), one or two of which have proved to be short-lived (e.g. use of ‘Celtic tiger’ in the Scottish press to describe the Irish economy). The term continues to permeate too discussions of Scottish culture and history (e.g. Herman 2002, ­passim; cf. Arnold, Gibson 1995, esp. back cover). Beyond this, at one extreme, the web presence of ultranationalist groups such as Siol nan Gaidheal demonstrates the use of ‘Celtic’ as a rallying call (e.g. 2005). At the other end of the range, Celtic Studies may be considered well-established in the Scottish universities. The oldest established Chair of the discipline, that at Edinburgh, was set up in 1882 (MacKinnon 1883) and funded by public subscription; although its remit extended to ‘history and antiquities’ in keeping with late nineteenth century perspectives, in fact successive incumbents have focused primarily on language and literature. At Edinburgh, it was not until 1927 that the Chair of Prehistoric Archaeology, endowed by Lord

Abercromby, was established, and initially occupied by Gordon Childe; and setting to one side the BurnettFletcher Chair of History and Archaeology at Aberdeen (in practice always filled by a historian since its inception in 1903), the same order giving precedence to Celtic Studies prevails at both Glasgow and Aberdeen. It may be argued that this pattern in terms both of numbers of departments and of their relative seniority is very different from that prevailing in England, with Oxford being the exception. Overall, from tartan to a football team, and from language to historical description, the idea of ‘Celtic’ persistently and variably permeates ‘Scotland the brand’ (cf. McCrone et al 1999) to an extent reasonably enough not demonstrable south of the border in England. Even wholly setting aside its appearance in the vocabulary of fringe groups from the politically ultranationalist to the most resolutely New Age, it may be suggested that the average citizen of Scotland hears the word ‘Celtic’ in one of its myriad uses with far more frequency than do our southern neighbours. A survey The aim of the exercise conducted for this paper was to establish whether what has been termed the ‘New Celticist’ (Collis 2010) perspective is now dominant amongst the specialist archaeological, historical and linguistic community concerned with such matters in Scotland. As manifested in relation to the British record, a current rendition of this viewpoint is that authored by Simon James (2010) on the BBC Peoples of Britain website. Beside a textbox which maintains that “Calling the British Iron Age ‘Celtic’ is so misleading that it is best abandoned”, it is asserted that “there is one thing that the Romans, modern archaeologists and the Iron Age islanders themselves would all agree on: they were not Celts”. It would thus seem from their own statements that the ‘New Celticists’ consider their perspective now to be generally accepted and thus the conventional wisdom of the dominant group (cf.Waddington 1977, 16), in this particular discourse. Rather than attempting to assess this by surveying the arguments presented in the recent literature, the quantities of literature adopting one or other viewpoint, or the numbers of citations in selected journals, the writer

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decided, with the help of Rod McCullagh of Historic Scotland, the state conservation agency, to try to obtain an insight, a few days before this conference took place, into the views held by specialists – ‘informed opinion’ as it then stood within Scotland. Rod McCullagh acts as secretary of the First Millennia Studies Group, and accordingly a brief questionnaire was circulated to the approximately 250 members of that group by email. Responses were to be sent to me electronically, such that, depending on individuals’ e-mail addresses I could identify some, but not all, of the respondents. The survey is thus not anonymous; but an undertaking was given that any use made of the data generated would be anonymised. The First Millennia Studies Group is a wholly informal learned society based in central Scotland (it has traditionally met in Edinburgh or in Glasgow), but membership, which is free, is open to all parties interested in the period 1000 BC–AD 1000 across the UK from Shetland south to the Isle of Wight. Its membership thus includes later prehistoric and early historic archaeologists, Romanists, early medieval ­historians, and linguists. Its membership also spans both professionals and amateurs: they include research students, academics in a range of subject areas, curatorial archaeologists in local and central government, museum staff, employees and directors of applied archaeological companies, and interested amateurs. While membership is not restricted to individuals resident in Scotland, those living outside Scotland tend to be academics or museum curators, who maintain an interest in the Scottish record for portions or all of this extended chronological period. The age range of members extends from postgraduate students through to the retired. Thus, although skewed in a variety of ways – in favour of material culture rather than language studies for instance – the group’s membership, who are essentially self-selecting, has an excellent claim to be the best readily-accessible cohort to test with regard to the inroads made by New Celticist perspectives in Scotland. Members knew their responses went directly to me and were informed in advance that I was to speak “at the ‘Interpretierte Eisenzeiten’ conference in Austria next week-end and am keen to have a snapshot of current informed opinion in Scotland as represented by the FMSG with regard to the ‘Celtic dimension’ of the

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Scottish Iron Age.” Some 50 responses were received, representing approximately 20% of the membership, which must be considered an acceptable rate; everyone did not necessarily answer all the questions. Replies were received from FMSG members both in and outwith Scotland, and the only cohort recognizably under-represented amongst those who responded relative to their presence at and participation in FMSG meetings were postgraduate students and early career members; no responses were received from those aged under 30. The age-cohorts represented were 30–49: 28 and 50 and over: 21; the numbers of males and females were 33 and 17 respectively. The results considered below can thus make no claim to be based on impeccable social science; but as a ‘straw poll’ taken at a given moment in time they are not, I submit, without interest. The first question asked was deliberately phrased in the way it might have been by a journalist. Given the prevailing variations in practice in the subdivision of the Scottish Iron Age (in the north and west of the country for example a ‘long’ Iron Age from c. 800 BC until the arrival of the Vikings is currently favoured: Armit, Ralston 2003), some chronological precision was added, essentially to focus attention on the centuries before the Roman incursions northward and the high point of that intervention under the Flavian and Antonine dynasties: 1.  Is it fair to describe the Iron Age of Scotland between say 300 BC and 200 AD as Celtic? This provided responses as follows (Fig. 1):Yes 18; No 20; Don’t know 12.

Fig. 1

It is worth rehearsing (anonymously) some of the feedback that accompanied these responses, as it demonstrates numerous issues of real concern to practitioners faced with what may be considered a possible paradigm shift in the ways Iron Age archaeology has been constructed. A first response picked up on my vocabulary:“I think the term fair is peculiar in this question: accurate or helpful might have been better terms”. This is true, but I used ‘fair’ because ideas of ‘fairness’ were much to the fore in political discourse (notably

in relation to cutting central government budgets) at the time the questionnaire was composed. More concern was, predictably, raised by my lackadaisical, nonspecific use of the word ‘Celtic’ and comments here touch on a variety of the issues discussed among others by Raymond Karl in his contribution to this conference. Representative comments (Table 1) home in on the attribution of ‘Celtic’ and, recurrently, on issues of proportionality and regional difference within Scotland.

{You} can’t use ‘Celtic’ in such a vague manner. It’s an unhelpful term as it comes with so much baggage. {You} can say that people in Scotland used a style of design that can be described as ‘Celtic’ and they may well have spoken a form of ‘Celtic’, but no ethnic identity – and no ethnic link/ direct affiliation with Continental people who used similar material culture or spoke Celtic should be inferred from the material culture evidence and linguistics (sparse though the linguistic clues are). What do you mean by Celtic? Is it even a valid term? If so does it apply to the whole of Scotland or really just the south. But the time you get into broch territory {i.e. the Atlantic seaboard and far north of the country} I’m not sure that it has any significance – less the further north you go! The question may be asking for what constitutes the “critical mass”. It seems difficult to generalise for the whole of Scotland because of its regionality; not all people living in Scotland in this period were using objects that belong to the Celtic Art tradition. Archaeologically - no, linguistically - sometimes possibly, artistically- yes with provisos! Not sure about the ... question. If I believe the people spoke a Celtic language, and there was a scatter of objects exhibiting ‘Celtic Art’, is it necessarily a contradiction not to believe it was a Celtic Iron Age? I would have to ponder that {for longer}. Celtic identity is not dependant on speaking a Celtic language and vice versa (problem of common use of term Celt for cultural grouping and a set of languages) There is a bit of a baby and bathwater situation with the term ‘Celtic’. As long as we understand what is meant by the term, then it is still useful. There is too much of a tendency at the moment towards making the Iron Age more alien than it needs to be.

Table 1 Comments raised by respondents highlighting many of the core issues in the deployment of the term ‘Celtic’ for the Iron Age in Scotland

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2.  Do you agree that some of the inhabitants of Iron Age Scotland between say 300 BC and 200 AD spoke a language or languages in the Celtic family? This provided responses as follows (Fig. 2):Yes 40; No 1; Don’t know 9

Fig. 2

The linguistic question clearly commanded a much higher degree of positive support than was shown by the responses to question 1; and this seems to the writer unsurprising for a number of reasons. Recent years have seen a number of new viewpoints which have tended to strengthen and extend established perspectives on this issue, such as for example that many of the tribal names contained in Ptolemy’s map of the country are linguistically Celtic. These include the demonstration that the toponyms and personal names in

near-contemporary documents and the short inscriptions on some Pictish sculpture and artefacts of first millennium AD date and once used to suggest that their language was a non-Indo-European survival can in fact be assimilated to the Celtic language family, as had previously been considered the case until the late nineteenth century (Forsyth 1997). Another factor potentially of significance has been the hypothesis developed by Ewan Campbell (2001) in relation to the Gaelic-speaking Goídil / Scotti, also of the first millennium AD. In place of the conventional account, in which they are presented as invaders arriving from northern Ireland c. AD 500 and introducing a different Celtic tongue (Goidelic rather than Brittonic), Campbell has proposed Goidelic speakers were already present west of Drumalban, the north-south mountainous spine of Scotland north of the Central Belt (Campbell 2001, Fig 1), with the traditional account in effect being an origin myth introduced subsequently to bolster the status of the local elite. In essence, by eliminating the apparently plausible instance of the survival of a non-Celtic Pictish language, and by suggesting the earlier presence of Gaelic as well as Brittonic in the country, linguistic and archaeological studies within Scotland over the last generation have augmented the arguments in favour of the presence of one or more Celtic languages in the country during the timespan proposed in this question. In Table 2, some significant issues offered by respondents in relation to this question are presented.

There is unimpeachable evidence that Celtic was spoken throughout Scotland in the Iron Age so it really annoys me when archaeologists tie themselves in knots to deny Celticity! Ditto that recognisably ‘Celtic’ religious phenomena (nemeton, cult of Lugos, etc.etc.) clearly attested in Scotland don’t seem to get a mention. Archaeologists mumble on about shamans (for which the evidence is very weak) and don’t mention druids (which we can posit with reasonable confidence). How refreshing to deal with Continental material where people don’t seem to have such hang-ups! I have problems defining an incoming Iron Age ‘Celtic’ material culture, as the area in which I work (the West) has very clear material continuity and local development from the Late Bronze Age (at the latest) onwards to c. AD 800. There’s also no evidence of a pre-Norse non-Celtic language, and it would seem likely that the pre-Norse language was Gaelic. But of course, there are difficulties in directly associating material culture and language …

Table 2 Two contrasting views on the issue of language

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The final question took a different tack; and was altogether more hypothetical in kind. Again, in an effort to pose a straightforward question with a restricted number of possible responses, it may rather have distorted key matters.

3.  Had there been a census of Scotland in say 600 BC and again in 1 BC, do you think the latter would have shown... (and then five options were presented)? The options offered, along with the responses, are detailed in Table 3.

• A population wholly descended from those present in 600 BC? 1 • A population very largely descended from those present in 600 BC, but with a scattering of new arrivals? 31 • A population largely descended from those present in 600 BC, but with a recognizable proportion of new arrivals? 16 • More substantial evidence of inward migration? 1 • Don’t know 1

Table 3  Responses to question 3

The intention of this question was to allow respondents to reflect on the possible scale of immigration into Scotland during the last centuries BC, without considering whether or not any influx was in any sense ‘Celtic’, nor from where it might have originated, nor indeed whether social, technological, political or economic changes might be attributed to the impacts of new arrivals. Another intention of the format of the question was equally to permit responses without the need directly to address the vexed question of what size the Iron Age population – sometimes suggested as c. 200,000 – of the country may have attained (Edwards, Ralston 2003a, 5–6; Kirk 1983, 113 & fn 23). An unintended consequence of the wording of the possible responses was inadvertently to suggest the existence through time of two distinct, unmixed popu-

lations in the country – one indigenous and the other made up of migrants. The question was also not intended to suggest that new arrivals would, or would not have been, beneficial to the cultural or economic make-up of the country, but certain of the responses (Table 4) suggested that the significance of the ‘invasion hypothesis’ (Clark 1966) as a motor for explicating change still casts a long shadow in British archaeology. It is also of interest that, as above, issues of regionality within Scotland were also voiced in reply to this question, again maintaining a well-established half-century tradition of describing and comparing different regional sequences (particularly of settlement types) as a key means of approaching the Scottish Iron Age (e.g. and most notably the four provinces of Piggott 1966; cf Armit, Ralston 2003).

… this question seemed the most problematic – was it driving at ‘Celtic arrival’ or at internal dynamism and population exchange within ‘Celtic Europe’ – or both? I am not sure that its ‘separatist’ underpinnings really reflect my understanding. I imagine that most of the inhabitants of Scotland in 1 BC would be descended from both pre-600 natives and post-600 incomers in varying proportions which might reflect regionality or social hierarchy or a number of other things – foreign slave girls as well as conquering warriors might impact on this. The important point is that developments and regional community identities within Iron Age Scotland have an important internal dynamic. It should not be assumed that stylistic, cultural and

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technological change must always have been externally sourced or driven by incomers. However, equally, these communities need not be assumed to be isolated / remote from travellers, incoming people or long-distance communications and exchanges. I find it hard to consider (migration in) the Iron Age without being influenced by my knowledge of migrations in the historic past and present; and by my own conscious rejection of the previously held belief that all “progress” has been imported to the north of Britain by more “advanced” cultures from outside.

Table 4 Views raised by the issue of the scale of immigration

Tentative conclusions A number of criticisms can be levelled at this very preliminary attempt to survey current opinions in the wider academic community concerned with the records, archaeological, linguistic and historical, of the far north-west of Europe some two thousand years ago, with regard to the impacts of the ‘New Celticists’ on the preceding paradigm.Aside from certain reservations noted and considered above, pertinent criticism would include the fact that the questions, by focussing exclusively on matters of blood and language to the exclusion of rather more mutable attributes such as identity and culture, lack subtlety. That said, it may be contended that their bluntness reflects the kinds of questions posed by the public and media and to which archaeologists and others are asked to respond. The first indications produced by this snapshot of views acquired in November 2010 is that the perspectives of the New Celticists have certainly made

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­ eadway into the First Millennia Studies Group, but h that – aside from the issue of languages – none of the questions revealed anything approaching a consensus position. Nor did the overall pattern of answers seem to mask particular trends within FMSG by either age cohort or by gender; any consideration of what ‘new entrants’ might have made of these issues can of course only be entirely speculative. Indeed, in so far as particular groups could be identified within the respondents, the only cohort unanimous in the belief that use of the term ‘Celtic’ in the context of the Iron Age of Scotland is not acceptable are professional archaeologists employed outside the country. The strong impression is of a house divided, such that on the basis of the opinions surveyed above, in Scotland at least the idea that there is general agreement amongst archaeologists on these issues does not seem meantime sustainable.

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Erfundene Kelten am Magdalensberg? Paul Gleirscher

Zusammenfassung Seit Beginn der systematischen Ausgrabungen im Jahre 1948 wurde am frührömischen Fundplatz Magdalensberg auch immer wieder die Existenz eines keltischen Oppidums behauptet oder vermutet. Diese Anschauung fand in Schulbücher ebenso wie in die Tourismuswerbung Eingang. Die These von der Existenz einer bedeutenden spätkeltischen Siedlung schien in den zwischen 2006 und 2008 durchgeführten und von Heimo Dolenz geleiteten modernen Ausgrabungen einmal mehr ihre Bestätigung gefunden zu haben: ein keltischer Kultbau und die Wehrmauer eines 17 ha großen Oppidums schienen gefunden, beides von französischem Typ. Dem war mit Blick auf Funde und Befunde umgehend zu widersprechen. Während auch der Ausgräber von der Existenz des keltischen Kultbaus Abstand genommen hat – und zuletzt versucht hat, mir in diesem Zusammenhang „Diebstahl geistigen Eigentums“ vorzuwerfen! –, hält er weiterhin an der Existenz der keltenzeitlichen Wehrmauer fest. Beide Befunde lassen sich dem Mittelalter zuweisen, das keltische Haus außerhalb der Wehrmauer existiert nicht. Abstract Since the beginning of the systematic excavations at the early roman locality Magdalensberg (Carinthia) in 1948 the existence of a Celtic oppidum was postulated or supposed again and again. This valuation is to be found in school books as well as in touristic advertisement. The thesis of the existence of an important late Celtic settlement finally seemed to be proved by the modern excavations guided by Heimo Dolenz between 2006 and 2008: a Celtic cultic building as well as a defence wall of a 17 ha large oppidum seemed to be found, both of French type. That was to reject immediately on the base of the finds and structures. While the excavator in the meantime gave up the idea of the existence of a Celtic cultic building – trying to accuse me of mental burglary! –, he still believes on the existence of a Celtic defence wall. Both of these constructions are to allocate to the medieval, the Celtic house outside of the fortification doesn’t exist.

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Vorbemerkung Dass der Magdalensberg in Kärnten zu den auch überregional bedeutenden archäologischen Fundstätten Österreichs zählt, steht für die Periode der frühen Römischen Kaiserzeit außer Zweifel, als sich dort jedenfalls von tiberischer bis in claudische Zeit der Verwaltungsmittelpunkt der neu geschaffenen Provinz Noricum befand. Dass damit seit Beginn der systematischen Ausgrabungen vor mehr als sechzig Jahren auch regelhaft eine analoge Bedeutung des Berges in (spät)keltischer Zeit und damit die Existenz eines bedeutenden Oppidums verbunden wurden, hat sich bis dato allerdings als Fiktion erwiesen. Auch weil dieses Thema für das Bild der keltischen Archäologie in Noricum bzw. im Südostalpenraum von erheblicher Bedeutung ist, war den jüngsten diesbezüglichen „Forschungsergebnissen“ von Heimo Dolenz, wonach es – gewissermaßen endlich – geglückt wäre, am Gipfel des Magdalensberges einen keltischen Kultbau und an dessen Nordabhang eine spätkeltische Wehrmauer nachzuweisen, umgehend und in aller Deutlichkeit entgegen zu treten (Gleirscher 2008a; 2009a: 121–9; 2010a). Das führte zu einer überaus heftigen Reaktion des Ausgräbers (Dolenz 2009b: bes. 11 mit Anm. 53): Zum einen bezichtigte er mich – gewissermaßen nach dem Schema der Umkehr von Opfer und Täter – mit Bezug auf die Korrektur des vermeintlichen Befundes zum keltischen Kultbau am Magdalensberg der „Verletzung geistigen Eigentums in Bezug auf von anderen [i. e. von Dolenz, Anm. des Autors] stammende wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse“. Zum anderen wies Dolenz darauf hin, dass ich „weder eine Konsultation der Ausgräber für notwendig erachtet, noch um Einsicht in die Fundbestände und Befunddokumentation der Wallgrabungen ersucht“ hätte, und meine Einschätzung zu den kürzlich vorgelegten, vermeintlich spätkeltischen Bauresten im Gipfelbereich des Magdalensbergs deshalb „nicht … auf einer sachlich korrekten Auseinandersetzung mit der Fund- und Befundsituation … basieren“ könne. Einmal mehr läge eine Einschätzung zum Magdalensberg vor, die „nicht mit der gebotenen wissenschaftlichen Sorgfalt recherchiert“ worden wäre (Dolenz 2009b, 1 mit Anm. 8. – So bereits Flügel 2003: 205 u. Dolenz 2004: 119).Träfe

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das zu, würde das nicht nur den Sinn und Nutzen von Veröffentlichungen über archäologische Ausgrabungen im allgemeinen ad absurdum führen, sondern auch die Arbeitsweise von Heimo Dolenz selbst, beispielsweise hinsichtlich seiner, im selben Aufsatz geäußerten Beurteilung der Ausgrabungen auf der Gracarca am Klopeiner See (Dolenz 2009b: 9. – Offenbar als Fiktion bewertet bzw. mit einer Art damnatio memoriae versehen bei Sedlmayer 2009: Abb. 122); bei dieser handelt es sich um eine weitläufige Großsiedlung und nicht um mehrere, nebeneinander gelegene bäuerliche und handwerkliche Gehöfte, wie Heimo Dolenz und Karl Strobel zu wissen meinen (Dolenz, Strobel 2009: 175). Doch gehören derlei Apropos-Beiträge (Piccottini 2001 versus Glaser 2001; unentschlossen in der Ablehnung Dolenz 2007b: 109f.; im Sinne von Glaser u. a. Fischer 2002: 74; Gassner, Jilek 2002: 69; Strobel 2003: 29 Anm. 31. – Piccottini 2005 versus Glaser 2004; im Sinne Piccottinis auch Strobel 2003: 33. – Dolenz et al. 2007; dies. 2008a und dies. 2008b versus Gamper 2007a; 2007b bzw. Gleirscher 2009c) leider längst zum Diskussionsbild um den Magdalensberg. Mit bemerkenswerter Resistenz meint Dolenz derlei Über­ legungen immerhin zubilligen zu dürfen, dass sie „dem wissenschaftlichen Disput dienlich waren und zu neuen Forschungsinitiativen und in Folge auch zu neuen Erkenntnissen führten“ (Dolenz 2009b: 1; Dolenz et al. 2008b: 235). Ein vermeintlicher spätkeltischer Kultbau Kehren wir also zunächst noch einmal kurz zu den vermeintlichen neuen spätkeltischen Befunden zurück. Der Zufall – ein Straßenbau – hätte im Jahre 2006 geholfen, dass im Vorfeld der Helenenkirche am Gipfel des Magdalensbergs der Nachweis von drei Tempelbauten geglückt wäre (Dolenz 2007a: 67. – Berichtigt bei Gleirscher 2008a: 23; 2009a: 128f.; 2010a: 114–6; 2009c: 318–21 [Tagung Aquileia, Juni 2008]): ein spätkeltischer „Holzsteherbau mit Felsgruben“, ein „spätrepublikanischer Tempel mit Tuffsäulen“ und ein „kaiserzeitlicher Podiumstempel“, dessen Existenz bereits seit den 1970er Jahren (Piccottini 1973) ansatzweise bekannt war (Dolenz 2007a: 68–77). Dabei erstaunte, wie es möglich sein konnte, dass einige der für den keltischen Kultbau herangezogenen Pfosten-

löcher einen „Mörtelboden“ durchschlagen, wie der Ausgräber angibt. Diese Pfostenlöcher konnten also keinesfalls vorrömisch bzw. keltisch sein! Dolenz verglich das vermeintliche keltische Heiligtum mit einem bis heute nicht schlüssig interpretierbaren Befund vom Frauenberg bei Leibnitz und den – streng genommen im übrigen erheblich älteren – Heiligtümern vom Typ Gournay. Es wäre „mit aller Sorgfalt aufgegeben bzw. profaniert“ worden, so dass man selbst die vermeintlichen Opfergruben derart penibel geleert hätte, dass keinerlei Opferüberreste mehr zu finden waren! Nachdem dieser vermeintliche keltische Kultbau im Jahre 2007 in der Sonderausstellung des Landesmuseum Kärnten über „Götterwelten. Tempel – Riten – Religionen in Noricum“ gezeigt wurde, der Ausgräber den Befund also tatsächlich völlig verkannte, war eine umgehende Klarstellung geboten. Diese Ausstellung war mit Abänderungen, aber unter Beibehaltung des Textes zum keltischen Kultbau am Magdalensberg bis 2009 im Pokrajinski muzej in Celje zu sehen, obwohl man nur eine Texttafel hätte entfernen müssen. Die Richtigstellung des Befundes erfolgte – abgesehen von mündlichen Äußerungen – zunächst in einem Vortrag am 24. Oktober 2007 in Udine sowie im Rahmen einer Vorlesung über „Grundzüge alpiner Urgeschichte“ an der Universität Klagenfurt im Wintersemester 2007/08. Die Drucklegung zweier entsprechender Aufsätze in der „Archäologie Österreichs“ und – ausführlicher – in den „Bonner Jahrbüchern“ folgte selbstredend mit Verzögerung (Gleirscher 2008a; 2010a. – Vgl. auch 2009a). Die Behauptung von Dolenz (2009b: 11), dass er seine völlig falsche Interpretation der Pfostenlöcher im Vorfeld der Helenenkirche bereits auf einer Tagung am 22./23. Mai 2007 in Udine richtig gestellt hätte, erweist sich zum einen mit Blick auf die dem entsprechenden Referat in der Druckversion beigefügte Bebilderung unschwer als falsch (Dolenz 2008a: Abb. 1–2. – Ähnlich im Nachhinein geändert der Bonner Vortrag vom Juli 2007 bei Dolenz, Strobel 2009: 172 mit Abb. 1–3 sowie mit nachträglich eingefügter Lit. und Anm.); diese beruht nämlich auf den Ausgrabungen des Jahres 2007, die erst am 6. Juni, also 14 Tage nach der Tagung, begonnen haben. Zum anderen erläutert Dolenz in den Grabungsberichten zum Jahr 2007 (Dolenz 2008c; 2009a: 95 u. 98), dass der Be-

fund ex 2006 nunmehr in mehrerlei Hinsicht zu spezifizieren war. Es waren nämlich zu den Pfostenlöchern und Gruben vergleichbare Befunde an der Nordost­ ecke der Kirche zum Vorschein gekommen, von denen vier den gemörtelten Bauhorizont durchschlagen; die Pfostenlöcher und Gruben wären also einer nach­ antiken Baumaßnahme zuzurechnen. Doch war das – entgegen Dolenz – schon 2006 klar zu erkennen, gilt doch der ebenso einfache wie klare Sachverhalt: Löcher, die einen Boden durchschlagen, können nur jünger sein als der von ihnen durchschlagene Boden. Noch heute meint Dolenz nichtsdestotrotz (Dolenz 2009b: 11), dass die Erstdeutung aus dem Jahre 2006 „bautypologisch schlüssig argumentiert“ wäre. Zudem haften an der tatsächlichen Anzahl der Pfostenlöcher und an deren Verbindung mit den Gruben nach wie vor Unklarheiten. Ähnlich dem vermeintlichen spätkeltischen Kultbau hat es auch den „spätrepublikanischen Tempel mit Tuffsäulen“ nie gegeben (Dolenz 2007a: 69–72. – Richtig gestellt bei Gleirscher 2008a: 23; 2010a: 114), der von Dolenz zugleich entdeckt und zum „ältesten bekannten Vertreter römisch-italischer Sakralarchitektur außerhalb Italiens“ hochstilisiert worden war (Dolenz 2007a: 71). Er ist mittlerweile aus der Diskussion verschwunden (Dolenz et al. 2008b: 238f.; Dolenz, Strobel 2009: 172). Bei den diesem vermeintlichen Tempel zugerechneten Säulenfragmenten handelt es sich nämlich um die – bezeichnenderweise zunächst scheinbar fehlenden – Säulenreste des seit den 1970er Jahren im Bereich der Helenenkirche bekannten kaiserzeitlichen Podiumstempels (Piccottini 1973; zur Datierung Glaser 2001). Unter Bezug auf die beiden fiktiven vorokkupationszeitlichen Kultbauten wurden zudem weitreichende historische Schlüsse gezogen: Ein einheimisch-norischer Holzständerbau mit Opfergruben wäre nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zeitgleich neben einem italischen Tempel errichtet worden. Die beiden Kultbauten wurden im Sinne einer Neugründung der Siedlung am Magdalensberg unter dem Namen Virunum als Zentralort der Noriker interpretiert, und das natürlich auch mit Blick auf die vermeintlich spätkeltische Wallanlage um den Magdalensberg (Dolenz 2007a: 71f.).

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Eine vermeintlich spätkeltische Wehranlage Dass insbesondere am nördlichen Abhang des Magdalensbergs noch heute eine Reihe von Terrassierungen sowie Spuren mächtiger Verwallungen zu sehen sind, war Franz X. Kohla bereits 1927 aufgefallen (Kohla 1950; 1973: 197 mit Abb.), waren also nicht mehr zu „entdecken“. Diese Geländemerkmale wurden nunmehr auf Basis von Laserscandaten dokumentiert (zuletzt Dolenz 2009b: 8 Abb. 6; Dolenz et al. 2008a: 235–8) und im Jahre 2006 erstmals sondiert (Artner et al. 2008; Dolenz et al. 2008b: 235; Dolenz, Strobel 2009: 171f.). Der letztlich strukturlose Aufbau des Walles – von „Steinen und Geröll in einem Holzbalkenwerk“ (Strobel 2008: 996) oder gar einer „zweischaligen Trockenmauer“ (Dolenz 2010: 15. – Vgl. zu diesem Typus von spätkeltischen Wehrmauern im Südostalpenraum u. a. Dular, Tecco Hvala 2007: 84–101; Gleirscher 2010c) kann keine Rede sein – ist als Ergebnis einer, auch mit Siedlungsschutt erfolgten Wallschüttung zu verstehen (Gleirscher 2008a: 22f.; 2009a: 126; 2010a: 108–12; 2009c, 315–8 [Tagung Aquileia, Juni 2008]). So fanden sich auch in der Grabungskampagne des Jahres 2008 keinerlei „tiefer in den Wallkörper reichende Baustrukturen wie etwa Holzbalken oder Steinsetzungen“ (Dolenz et al. 2008a: 235; Dolenz 2009b: 3. – Dass F. Glaser den im Jahre 2010 ergrabenen Wallbereich mit den Ausgräbern als murus gallicus interpretiert, wie K. Strobel in der Diskussion der Halleiner Tagung behauptet hat, ist falsch!). Zu den singulären Bauelementen der vermeintlich zweiphasigen spätkeltischen Wehrmauer zählen nach der Interpretation der Ausgräber unter anderem Feuerstellen und Steinpackungen, die zur Austrocknung und Stabilisierung der Wallschüttungen beigetragen hätten (Artner 2006; Artner et al. 2008: 74)! Die Ausgräber sprechen von einem gut erkennbaren Wallbefund, der schwierig zu deuten und im Südostalpenraum ohne zeitgleiche Parallelen wäre (Artner et al. 2008: 74). Anstatt sich hinsichtlich der Einordnung des Erd- bzw. Schuttwalles mit dem Forschungsstand im Südostalpenraum ­näher zu befassen, der sich dabei – wenn auch für das Frühmittelalter – nicht als vergleichslos erwiesen hätte (Gleirscher 2008a: 22; 2009a: 126; 2010a: 111f.; ausführlich 2010c. – Die Sachlage nach wie vor ignoriert bei Dolenz 2009b: 1f. oder Dolenz, Strobel 2009: 171

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mit Anm. 3b), ziehen sie – wie schon beim vermeintlichen keltischen Kultbau – auch Parallelen zum keltischen Raum nördlich der Alpen, sprechen von einem Erdwall vom Typ Fécamp. Dass sich in derlei Wallschüttungen auch parallel zum Wallverlauf liegende Reste verkohlter Holzbalken finden, die nicht wie am Cvinger von Dolenjske Toplice zur Wallstruktur gehören (Dular,Tecco Hvala 2007: 82–4 Abb. 35), ist nichts Außergewöhnliches. Mit dem Hausrat sind neben den in den Siedlungsschichten vorhandenen Steinen offenbar auch verkohlte Hölzer in die Wallschüttung gelangt; sie wurden selbstredend hangparallel verlegt. Für einen der beiden im Jahre 2008 ergrabenen verkohlten Balken aus dem Wall am Magdalensberg liegt ein kalibriertes 14C-Datum vor (Dolenz et al. 2008: 235 Anm. 5; Dolenz 2009b: 4 Abb. 3, a; zur Lage im Profil ebd. Abb. 2; Artner, Dolenz 2009: 123 Anm. 1). Dieses streut allerdings deutlich weiter, als Dolenz es interpretieren möchte, nämlich zwischen 360 und 50 v. Chr., erweist sich – abgesehen von den eigentlich als bekannt vorauszusetzenden Problemen um die ­Kalibrierungskurve der jüngeren Latènezeit – also als einigermaßen unscharf. Zudem wäre für Balkenproben anzugeben bzw. abzusichern, ob die Probe aus dem Bereich der Waldkante oder aus dem Kernbereich des Baumes stammt, was bei einer derart engen Fragestellung eine nennenswerte Zeitkorrektur nach oben erfordern könnte. Dennoch sprach Dolenz zuletzt von „naturwissenschaftlich widerlegten Neuigkeiten zum Vorwall“ (Dolenz 2009b: 11). Der Holzbalken fügt sich – erwartungsgemäß – in den Datierungsrahmen der Kleinfunde aus der Wallschüttung, die typologisch gesehen auch La Tène D2-zeitliche Elemente umfassen (Artner et al. 2008: 75f.; Dolenz et al. 2008b: 236f. Abb. 2). Zu beachten bleibt, dass das Fragment eines Tellers unbestimmter Form vom Fabrikat der Eastern Sigillata A direkt auf dem anstehenden Felsen auflag. Der Siedlungsschutt, der in der Wallschüttung reichlich enthalten ist, erweist sich für die Errichtung des Walles als terminus post quem. Dieser ist demnach sowohl nach-keltisch wie auch nach-frührömisch, wahrscheinlich spätmittelalterlich und dann türkenzeitlich. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich die vom Historiker Hermann Wiesflecker für die Befestigungsmauern am Lavanter Kirchbichl vorgeschlagene Datierung in die Türkenzeit schlussendlich

bestätigen sollte, obwohl sie von den Archäologen zunächst vehement abgelehnt worden war (Wiesflecker 1976: 176f.). Dennoch schätzen die Ausgräber den Erdwall als spätlatènezeitlich/frühaugusteisches und damit als vorokkupationszeitliches Befestigungswerk ein (Dolenz et al. 2008b: 235; Dolenz, Strobel 2009: 171f.; Sedlmayer 2009: 212). Zugleich ist neuerdings von einem „derzeit nicht zweifelsfrei als La-Tènezeitlich oder römisch zu typologisierenden Befund“ die Rede (Dolenz et al. 2008b: 236), wobei Dolenz et al. eine Deutung der Wallanlage um den Magdalensberg als La-Tènezeitlich/norisches Oppidum – wenngleich erst zu verifizieren – als naheliegend erachten und jedenfalls von einer südostalpinen Höhenbefestigung mit einer Innenfläche von 17 Hektar sprechen (Dolenz et al. 2008b: 238 u. 260). Ein vermeintlicher spätkeltischer Hausgrundriss Im Jahre 2008 wurde zudem außerhalb der Wallanlage in Bereich einer terrassenartigen Verebnung eine Sondage angelegt. Dolenz meint, in dem kleinen Schnitt just den „Westteil eines Holzständerbaues spätlatènezeitlicher bzw. spätrepublikanischer Zeitstellung“ angetroffen zu haben (Artner, Dolenz 2009: bes. 125–7 mit Abb. 2–5; Dolenz 2009b: 6). Zu dessen nördlicher Begrenzung, die zugleich die talseitige Terrassierungskante gebildet hätte, wird eine nicht verifizierbare Trockenmauer erklärt, die sogar von Piloten getragen gewesen wäre. Die Westmauer des vermeintlichen Gebäudes würde von zwei steinverkeilten Pfostenlöchern eckiger Form angezeigt; anhand einiger kleinerer, im tatsächlichen Nachweis im einzelnen auch fragwürdiger Pfostenlöcher – ähnlich einigen ­Pfostenlöchern im Vorfeld der Helenenkirche – wird im weiteren eine rechteckige Innenraumgliederung postuliert. Zwei Pfostenlöcher greifen in eine Struktur ein, die vom Ausgräber als mit Siedlungsschutt verfüllte „Grube“ beschrieben wird. Die locker gestreuten, kleinen Steine aus der Verfüllung der „Grube“ sind keinesfalls als Bruchsteinpflaster zu interpretieren. Eine verziegelte „Lehmtenne“ von unregelmäßiger Form im westlichen Vorfeld des vermeintlichen Gebäudes wird als zugehörige, dem Bau vorgelagerte Feuerstelle eingeschätzt, doch dürfte es sich – wie bereits im Bereich der Gracarca beobachtet (Gleirscher 1999: 14 Abb.

2, 3–4) – um eine Verdichtung von Hüttenlehm in der aus Schutt bestehenden Terrassenschüttung handeln. Für das zunächst als „Mischbau von Pfostenund Ständerbau“ und später als „Kombination von Ständer- und Schwellbalkenbau“ beschriebene vermeintliche Gebäude fänden sich – wie schon für den vermeintlichen keltischen Kultbau und die vermeintliche keltische Wehrmauer – wiederum „weder direkte Analogien aus den systematischen Magdalensberggrabungen noch aus dem übrigen Südostalpenraum“ (Dolenz 2009b: 6 Anm. 29). Das ist insofern richtig, als es das behauptete Gebäude in dieser Form nie gegeben hat (Vgl. zum eisenzeitlichen Hausbau im Südostalpenraum bes. Dular, Tecco Hvala 2007: 104 –19). Was nun die Datierung dieser, zweifelsfrei mit zum Teil steinumstellten Pfostenlöchern verbundenen und sich überlagernden Strukturen anbelangt, so liegen reichlich Kleinfunde (Dolenz 2009b: 7; Artner, ­Dolenz 2009: 127–30 mit Abb. 6–8) vor, die von den Ausgräbern der Stufe La Tène D2 zugerechnet werden. Dabei irritieren die Ausgräber weder die Marmormagerung in spätkeltischer Zeit, die wohl entsprechenden Marmorabfall voraussetzen würde, noch die Tatsache, dass die angetroffene Grobware jedenfalls auch in nach­okkupationszeitlichen Fundkomplexen belegt ist. Wie beim Schutt aus dem Wallschnitt liegen erneut auch italisches Importgeschirr – darunter Terra Sigillata, Amphoren, Krüge und Tiegellampen – und dessen grautonige Imitationen vor. Der Zeit zwischen 50/40 und 30 v. Chr. weisen die Ausgräber denn auch sämtliche Bauperioden der angetroffenen Struktur zu. Dabei deuten eiserne Nägel auf römerzeitliches Bauhandwerk, wie auch Artner und Dolenz festhalten (Artner, Dolenz 2009: 126f.)! Ein kalibriertes 14C-Datum aus Holzkohleresten aus einem der Pfostenlöcher (Dolenz 2009b: 7 Abb. 3, b) ergab einen Datierungsrahmen zwischen 100 v. Chr. bis 70 n. Chr. und trägt so nicht zur erwünschten Einengung der Datierung bei. Die wesentliche Bedeutung dieser partiell erhalten gebliebenen und vorerst nicht näher interpretierbaren Siedlungsreste  a u ß e r h a l b   der vermeintlich spätkeltischen – von Dolenz als zeitgleich eingeschätzten – Wallanlage liegt darin, dass sie frührömische Siedlungstätigkeit am Nordabhang des Magdalensbergs anzeigen und damit erhellen, woher das zur Schüttung des mittelalterlichen Erdwalles verwendete ­ Material

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gekommen ist. Auf frührömisches Alter weisen nicht zuletzt jene Überreste einer Mörtelmauer hin, die im Winter 2009/2010 im Zuge von Rodungsarbeiten ans Licht gekommen und von mir publik gemacht worden ist (Vortrag im Landesmuseum Kärnten am 25. März 2010). Kelten am Magdalensberg: Zwischen Befund und Interpretation Weder die modernen Ausgrabungen noch die Alt­ grabungen konnten – in mehr als sechzig Jahren – zweifelsfreie keltische Siedlungsbelege erbringen, geschweige denn die Existenz eines keltischen Oppidums nachweisen. Das hatte zuerst Camillo Praschniker versucht, der meinte, im Jahre 1948 einen murus gallicus um den engeren Gipfelbereich des Magdalensberges ergraben zu haben, der auf einem älteren Wall aufläge (Praschniker 1949. – So noch Urban 1989: 236; abgelehnt bei ­Gleirscher 2000: 165). Es folgte der Versuch der Ausgräber (Zuletzt u. a. Piccottini,Vetters [(†)] 1999: 17 u. 25–30; 2003, 17 u. 25–30), das Gipfelplateau von einem pompös gestalteten, dreifachen Befestigungswerk bewehrt zu sehen, das von einem römischen Architekten um 20 v. Chr. – also fünf Jahre vor der Okkupation! – als Festung des Stammesfürsten der Noriker bzw. als zeitweiliger Sitz des Norikerkönigs im Sinne eines propagandistischen Aktes gegenüber den Römern erbaut worden wäre (Bezweifelt bereits bei Ulbert 1983; ausführlich erläutert bei Glaser 2001; vgl. auch Gleirscher 2010a: 113f.; 2009c: 318– 21). Über den Magdalensberg-Führer – und über die vielen Magdalensberg-Führungen – wie auch über die Rezeption dieser These in den Übersichten zur Urgeschichte Österreichs von Otto H. Urban (Urban 1989: 236f.; 2000: 364 u. 370f.), fand diese Einschätzung weite Verbreitung. So erscheint der Magdalensberg beispielsweise im Rahmen der großen Kelten-Ausstellungen in Hallein (1980; Rieckhoff-Pauli 1980: 38 Abb. 1) und Venedig (1991; Maier 1991: 418 mit Abb. S. 408f. [Karte]. – Vgl. auch den Beitrag von Piccottini 1991 in diesem Band) ebenso als keltisches Oppidum wie im jüngsten Noricum-Buch von Thomas Fischer (Fischer 2002: 8 u. 71 mit Übersichtsplan Abb. 95 [„Kelt. Oppidum“]. – Umgehend abgelehnt bei Flügel 2003: 205).

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Und diese Einschätzung findet sich in verschiedensten wissenschaftlichen Arbeiten wieder, was gerade dort deutlich wird, wo es nur randlich oder nur in Hinblick auf Fundobjekte um den Magdalensberg geht. So findet sich bei Irene Lazar die Einschätzung (Lazar 2002: 71): „… kingdom of Noricum … which probably had its main centre at the Magdalensberg (Virunum) in central Carinthia.” Und Andrej Szpunar und Przemysław Dul e˛ba meinen im Rahmen der Diskussion frührömischer Spiegel (Szpunar, Dul e˛ba 2007/08: 136): „Eine große Menge von Spiegeln und Spiegelgriffen ist aus dem Oppidum Magdalensberg in Kärnten, dem alten Noreia – der Hauptstadt des ­Königreiches der keltischen Noriker – bekannt.“ ­Claudio Zaccaria hielt in seiner Festansprache zum 60-jährigen ­Grabungsjubiläum im Sommer 2008 einerseits fest, dass es „für die Existenz einer Siedlung der Noriker auf dem Magdalensberg noch keine ge­sicherte Bestätigung zu geben scheint“ (Zaccaria 2009: 115), sprach aber andererseits davon (Zaccaria 2009: 114f.), dass „von den Forschungen von Heimo Dolenz zu den Baulichkeiten im Gipfelbereich wichtige Ergebnisse zum Thema des älteren keltisch-römischen oppidums zu erwarten sind“ und die „Auffindung einer Wallanlage, die die Charakteristik eines murus gallicus aufweist und die den Berggipfel mit seinen Bauten umgab … in die Jahre zwischen 40 und 30 v. Chr. datiert.“ So wundert es nicht, wenn die Einschätzung, wonach sich in spätkeltischer Zeit am Magdalensberg ein großes Oppidum bzw. der Stammesvorort der Noriker – das antike Noreia – befunden hätte, längst bis in die österreichischen Schulbücher sowie in die Kärntner Tourismuswerbung (Vgl. Wappis 2008: 48f. oder Mathis-Haider, Pöschl 2010: 112f. Nr. 44) vorgedrungen ist. Im AHS-Lehrbuch „Zeitbilder 5&6“ heißt es (Scheucher et al. 2006: 11. – In diesem Sinn vermittelt im Rahmen einer Sonderausstellung im Landesmuseum Kärnten, 2010; Seger 2010: 58): „Ein Beispiel für eine keltische Wehrsiedlung auf einer Anhöhe ist das Oppidum auf dem Magdalensberg in Kärnten, das vermutlich das Zentrum des Königreiches Noricum war.“ Selbst in der Straßenbeschilderung hat die vermeintliche Tatsache, dass am Magdalensberg auch bemerkenswerte keltenzeitliche Strukturen vorlägen, längst Eingang gefunden. Insofern ist die Einschätzung des „Nicht-Archäolo-

gen“ Helmut Birkhan bemerkenswert, der in seinem Kelten-Buch indirekt erhebliche Zweifel am keltischen Fundbestand am Magdalensberg angemeldet hat (Birkhan 1999: 348): „Im österreichischen Raum nahm der Kärntner Magdalensberg, das alte Virunum, dadurch eine Sonderstellung ein, dass er eine in das Keltenland und die Hauptproduktionsstätte des norischen Eisens vorgeschobene alte römische Handelsniederlassung bildete, in der sich natürlich ein gewisser keltischer Bevölkerungsteil aufgehalten hat, der aber so römisch überlagert war, dass er so gut wie keine Latènespuren hinterließ, weshalb die Stadt nur sehr bedingt als Keltenoppidum anzusprechen ist.“ Zugleich schätzte er den im Spätmittelalter begründeten Brauch zur Ablasserlangung, den sog. Kärntner Vierbergelauf, der auch den Magdalensberg passiert, als vorchristlichen Fruchtbarkeitskult ein, für den es naheliegend wäre, dass er in keltische Zeit zurückreicht (Birkhan 1999: 485f. – Zu den Fakten bereits Gerndt 1973; unbeirrt u. a. Haid 1990: 117–21). Franz Glaser hat im Zusammenhang mit der überzogenen „Kelteninterpretation“ am Magdalensberg längst darauf hingewiesen, dass im Dritten Reich auch in Kärnten der Wunsch groß war, Bezüge zu Germanen oder Kelten herzustellen (Glaser 1997: 122. – Vgl. allg. auch Jernej 2007). So interpretierte Hans Dolenz 1939 in Baldersdorf bei Spittal/Drau beim Autobahnbau angeschnittene römische Grabdenkmäler als keltische Umgangstempel. Rudolf Egger deutete im Jahre 1949 den Umkleideraum einerTherme am Magdalensberg mit 13 Nischen in Analogie zu den 13 ­norischen póleis bei Cl. Ptolemaios als Versammlungsraum bzw. Archivraum des norischen Landtages (So letztlich noch immer Piccottini/Vetters [†] 2003: 113). Auf Grundlage eines speziellen freundschaftlichen Verhältnisses zwischen den Norikern und den Römern im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. wurde auch auf eine „friedliche Landnahme“ in Form einer freiwilligen Unterstellung unter römische Herrschaft geschlossen, was Rom ­dadurch vergolten hätte, dass es den ­Norikern ihre Tradition, ihre innere Stammesstruktur, ja ihre Identität belassen hätte (Piccottini 1989: 8). In diesem Sinn erkennt Peter Scherrer nunmehr in der Göttin Noreia eine Personifikation der römischen Provinz (Scherrer 2007: 225f. u. 228f.; so auch Seger 2010: 58). In Noricum wäre es in römischer Zeit zu einem sin-

gulären „Akt der offiziellen Einführung des Kultes einer Provinzgottheit“, einer „römischen Kunstgottheit im Sinne einer Integrationsfigur der Provinz Noricum“ gekommen, als Zeichen des „Respekts und der Verbundenheit“ Roms mit Noricum. Der Name der untergegangenen keltischen Stadt Noreia – nicht der „keltischen“ Göttin (!) – lebte demnach im Götternamen als Symbol für die „uralte“ römisch-norische Waffenbrüderschaft weiter. In Wirklichkeit kann nach den Erfahrungen in Istrien 16 v. Chr. allenfalls von Zweckopportunismus die Rede, stellt die Vorstellung einer „friedlichen Landnahme“ Roms wohl eine contradictio per se dar (Glaser 1997: 123). Doch halten sich festgefügte „Lehrmeinungen“ auch in Fachkreisen oft erstaunlich lange, wie mit Blick auf die Urgeschichte Kärntens etwa die Einschätzung der hallstattzeitlichen Bewohner als Illyrer erhellt (Vgl. Seger 2010: 58f. versus Glaser 2006; Gleirscher 2008b. – Vgl. weiters Kaus 2009). Fazit Bis dato liegen vom Magdalensberg weder Befunde noch Funde vor, die mit einer größeren keltischen Siedlung (3.–1. Jh. v. Chr.) oder gar mit einem spätkeltischen Oppidum zu verbinden wären. Es ist nach wie vor gut denkbar, dass es im Gipfelbereich auch ein vorrömisches Heiligtum gegeben hat (Gleirscher 2009a: 39f., 54 –66 u. 129; 2010a: 117), dann vielleicht sogar der Noreia, auf das zudem die Ansiedlung der ­römischen Händler wegen des dort zu erwartenden Asylrechts Bezug genommen haben könnte (Glaser 2004: 93f. – Zur Diskussion mit Lit. Gleirscher 2010a: 117). Funde keltischen Typs der Stufen Latène D1b/2 sind am Magdalensberg aus methodischen Gründen ebenso zu erwarten (vgl. u. a. Moosleitner 1975; v. Schnurbein 1993; Zanier 2004 oder Gamper 2007a: bes. 432–6; 2007b) wie zu belegen (Zur Anfangsdatierung der Händlersiedlung zuletzt Gamper 2007a; 2007b versus Boži cˇ 2008: 123–9 [Stufe Latène D1b bzw. zwischen 100 und 70 v. Chr.]; Gleirscher 2009a: 122f. – Entgegen Boži cˇ [2008: 129] hatte zuletzt auch Piccottini [2008: 35] den Siedlungsbeginn erst in den 30er-Jahren v. Chr. angesetzt.). Auf sie allein gestützt lässt sich der Siedlungsbeginn aber nicht ausreichend klären, zumal die stratigraphischen Verhältnisse ebenso

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komplex wie schlecht erfasst sind, und sich in chronologischen Fragen am Caput Adriae längst entsprechende Zirkelschlüsse breit gemacht haben, wie Eleny Schindler-Kaudelka betont (Schindler-Kaudelka 2003: 163; 2004; Gleirscher 2009c: 309–12. – Vgl. zur historischen Datierung der pompejanischen Wandmalerei durch Kenner Graßl 1991: 3–5). So wüsste ich abschließend nicht, welche Erkenntnis von Heimo Dolenz zum Magdalensberg in keltischer Zeit derweil stehlenswert wäre, und gebe seinen Rat zum Nachdenken über „die zu Gebote stehende wissenschaftliche Sorgfalt“ zurück. Dies umso mehr, als von ihm bzw. der Ausgräbergemeinschaft Magdalensberg im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion zum Verhältnis Gurina-Magdalensberg als im Druck befindlich angekündigte Aufsätze sowohl bei den „Bayerischen Vorgeschichtsblättern“ (Bereits angekündigt auf Hinweis von E. Schindler-Kaudelka bei Bandelli 2009: 126) als auch beim „Archäologischen Korrespondenzblatt“ (Bereits angekündigt bei Strobel 2008: 995 Anm. 153) zurückgewiesen wurden und

andernorts erscheinen mussten (Dolenz et al. 2007; 2008a; 2008b, letzteres mit der seitens der Redaktion distanzierenden Anm. 2). Zudem gelangte eine von Heimo Dolenz bereits angekündigte Rezension von Karl Strobel über „Noreia – Atlantis der Berge“ – aus ähnlichen Gründen? – weder, wie angekündigt (Dolenz 2009b: 11 Anm. 50) in Carinthia I 199 (2009) – noch in Carinthia I 200 (2010) – zum Druck (Zur völlig falschen Bewertung des Ottilienkogels bei Glantschach durch Strobel in diesem Zusammenhang vgl. Gleirscher 2009b). In dieses Bild fügt sich im übrigen auch die sowohl aus archäologischer wie aus historischer Sicht falsche Datierung der frühmittelalterlichen Karnburg im Kärntner Zollfeld (Gleirscher 2010c; 2011), einem weiteren aktuellen Gemeinschaftsprojekt der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie und Feldforschung am Landesmuseum Kärnten und der Abteilung für Alte Geschichte, Altertumskunde und Archäologie am Institut für Geschichte an der Universität Klagenfurt.

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Das norische Königreich der Kelten – Zwischen Fiktion und Fakten Karl Strobel

Zusammenfassung Die hypothetische Rekonstruktion eines keltischen Königreichs der Noriker in Kärtnen beruht ausschließlich auf zweifelhaften Interpretationen einer kleinen Zahl von Passagen in schriftlichen Quellen. Die traditionelle Datierung der sogenannten norischen Münzprägung is ebenfalls nicht korrekt. Es gibt keine Evidenz für das Bestehen eines norischen Königreichs zwischen Tauern, karnischen Alpen, Karawanken und der Koralpe bis zu der Zeit um 100/70 v. Chr., als die erste norische Siedlung am Magdalensberg gegründet wurde. Die urspünglichen Noriker waren ein Teil der keltischen Krieger und Siedler, die im 3. Jahrhundert v. Chr. nach Kärnten einwanderten und dort ethnogenetische Prozesse initiierten, gemeinsam mit einer Latènisierung der Region beruhend auf der Mokronog-Kultur. Abstract The hypothetical reconstruction of a Celtic kingdom of the Norici in Carinthia was only based on the questionable interpretation of a small number of passages in literary sources.The traditional dating and attribution of the so called Norican Coinage is incorrect too. There is no evidence for the existence of a Norican Kingdom between the Tauern and the Carnic Alps, Karawanken and Koralpe until the period of 100/70 BC when, for the first time, a central Norican settlement was installed on the Magdalensberg. The original Noricans themselves were part of the Celtic warriors and settlers who came into Carinthia in the 3rd c. BC and initiated ethnogenetic processes there, together with the Latènization of the region, based on the Mokronog-Culture.

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„Eine wechselseitige vertragliche Regelung für Gastfreundschaft mit dem König des gegenüber anderen Stämmen der Region bereits eine hegemoniale Stellung einnehmenden Verbandes der Norici wurde im Jahre 170 v. Chr. abgeschlossen. Dieses hospitium publicum bildete die Grundlage zur weiteren Intensivierung der Verbindungen mit dem Mittelmeerraum“.1 Dieses von G. Dobesch in aller Breite vertretene Bild basiert auf dem Axiom, dass die Angaben bei Livius über die Galli Transalpini konkret auf Kärnten und die Noriker zu beziehen seien, d. h. auf das Gebiet nördlich der Karawanken und dass hier mit einer frühen Form staatlicher Organisation mit Königen und Principes sowie der Ausbildung eines ‚Stammesreiches‘ der Noriker zu rechnen sei. Das Regnum Noricum wird als keltisches Stammesreich gezeichnet, wobei 186/183 v. Chr. das Fehlen eines „Alpenkönigtums“ und eine Führung durch seniores zu erkennen seien, dann jedoch eine monarchische Führung. Von einer geographischen Vorzugslage Kärnten kann aber entgegen Dobesch nicht gesprochen werden; eine solche war vielmehr für die Gebiete entlang der sogenannten Bernsteinstraße und der Save gegeben. Kärnten war hingegen nur über Hochgebirgspässe zu erreichen und nach Norden durch den Alpenhauptkamm der Tauern abgeriegelt. Es öffnet sich nach Südosten im Raum von Bleiburg und entlang der Drau mit Mislinja und Paka, d. h. in den zentralen Raum der latènezeitlichen Mokronog-Kulturgruppe. Dem folgten später zwei wichtige Römerstraßen nach Celeia und Poetovio. I.  Ein frühes Regnum Noricum? – von Münzen und literarischen Quellen Trotz der auf eine entsprechende Tradition insbesondere der österreichischen Forschung zurückblickenden Ausführungen von Dobesch werden derartige Rekonstruktionen einer frühen ‚norischen‘ Geschichte von den Quellen nicht getragen. Dafür finden sich auch archäologisch im 3. und 2. Jh. v. Chr. keinerlei Anhaltpunkte. Charakteristisch ist bereits das Fehlen der nach 170 v. Chr. nicht mehr geprägten und mit der Reform von 141 v. Chr. aus dem Währungssystem genommenen Victoriaten in Kärnten im Gegensatz zu dem Raum südlich der Karawanken, wo sie entlang des Frigidus (Vipava) und vom Raum der Adels-

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berger Pforte bis Poetovio-Rogoznica vertreten sind (Miškec 2003; zur Höhensiedlung von Žerovnišˇcek, deren Blüte in Lt. D1 und D2 liegt, Laharnar 2009). Ohne Grundlage bleiben die Hypothesen über eine keltische Adelsrepublik, gelenkt von einem Adelsrat, oder eines norischen „Stammesreiches“, das als ein bis zur Donau ausgedehntes hegemoniales System unter der Führung des Stammes der Noriker gesehen wird, was beides P. Gleirscher in letzter Zeit sogar mit der These verbinden will, dass zu dessen abhängigen socii zeitweise selbst die Taurisker gehört hätten (Gleirscher 2001; 2009a2). Die in einem Zirkelschluss aus dem oben genannten Axiom hervorgegangenen Annahmen hinsichtlich einer Münzprägung als Dokument früher norischer Staatlichkeit sind ebenfalls nicht mehr haltbar (zusammenfassend Strobel 2012). Es ist grundsätzlich zu betonen, dass wir hinsichtlich der tatsächlichen Prägeorte3 und Prägeherren4 der verschiedenen Emissionen noch immer im Dunkeln tappen; die Typenbezeichnung Karlstein5 oder Eis sagt an sich nichts über den Prägeort aus. Nur das um bzw. bald nach 80 v. Chr. errichtete Noriker-Oppidum auf dem Magdalensberg kann heute als eine Prägestätte für spätes Kleinsilber kaum in Frage gestellt werden (Obolen des Typs Magdalensberg Krmnicek 2010 Nr. 56-559, des Typs Magdalensberg/Eis Nr. 560-575). Die von R. Göbl oder G. Dembski vorgeschlagene Chronologie der Prägungen basierte auf hypothetischen Kombinationen mit historisch überlieferten Ereignissen (Göbl 1973; 1994, 40; Dembski 1998a, 37; 1998b, 200; Urban 2000, 340), wobei die ‚Voccio-Prägung‘ Göbl zu seinen sehr späten Ansätzen (Beginn um 65/60 v. Chr.)6 führte und sein ganzes Hypothesengebäude für die keltische Numismatik des norisch-tauriskischen, boischen und pannonischen Raumes darauf aufbaute. Die Studie von P. Kos (2004) hat Göbls Lesung und damit die ‚Voccio-Münze‘ als ein Phantom der Forschung erwiesen; die in venetischer Schrift ausgeführte Legende ist .n.no.u. zu lesen (vgl. Stifter 2009), offenbar ein nicht näher zu bestimmenden keltischer Name N(?)No(?)V(?). G. Gorini (2001; 2005; 2008; auch Callagher, Passera, Saccocci 2007, bes. 252) vermutet in seinen grund­ legenden Studien zur Frage der konventionell als norisch bezeichneten Münzprägung und ihrer Chronologie (Kugelreiter Periode A: 180–160, Periode B:

160–130, Periode C: 130–100/90 v. Chr.)7 zu Recht, dass Gruppen der keltischen Karner an diesen Prägungen wesentlichen Anteil hatten. Gorini betont, dass die traditionelle Trennung der Kugelreiterprägungen in west- und ostnorisch aufzugeben ist und die Prägungen der drei Stufen als Einheiten zu sehen sind (1. Stufe: Warasdin A und B, Kugelreitertypen ohne Legende, Kugelreiter mit nordetruskischen Legenden VES8, T, BOIO, CAVA 180–130 v. Chr.; 2. Stufe: TINCO und COPPO(V)/COPO 130–100/90 v. Chr.); sodann ab ca. 80 v. Chr. Tetradrachmen mit den Rv.-Legenden in lateinischen Buchstaben (CONGES(TLUS); ADNAMATI; NEMET; ATTA; SUICCA; E(I)CCAIO). Da die letztgenannte Gruppe im Rv.-Bild des Lanzenreiters den Denar des Münzmeisters P. Crepusius, popularer Münzmeister des Jahres 82, zum Vorbild hat (Dembski 1998b, 201), ist ein Terminus post quem von 82/80 v. Chr. gegeben. Die Denare dieses Münzmeisters strömten im Jahre 82 mit dem gegen Q. Caecilius Metellus Pius und Pompeius operierenden Heer des Consuls Cn. Papirius Carbo in großer Menge nach Oberitalien und dienten dort wahrscheinlich auch für Truppenanwerbungen. Die massive Präsenz ‚norischer‘ Prägungen ab ca. 80 v. Chr. in Nordwestslowenien (Miškec 2007) und im Friaul/Veneto (Callagher 2001; www-Arslan) kann sehr wohl teilweise aus örtlicher Prägetätigkeit stammen. Das Kleinsilber der ­Typen Magdalensberg/Karlstein/ Eis ist im Übrigen, wie Gorini und Callagher aufzeigen, in erheblichem Umfang im karnischen Gebiet sowie im östlichen Norditalien bis auf Höhe des Gardasees verbreitet. Für den Beginn der ‚tauriskischen‘ Prägungen des Raumes südlich der Karawanken untermauert der Barschaftsfund aus der Ljubljanica einen frühen Zeitpunkt; der Hort datiert um 140 v. Chr. (Kos, Šremov 2003; Kos 2007; Šremov1998, 246f.) und belegt zugleich den Beginn der Kleinsilberprägung des tauriskischen Raumes ab Mitte des 2. Jh. v. Chr. Die stratigraphisch zuordenbaren Kleinsilbermünzen des Augentyp-Stamms aus dem Heiligtum am Frauenberg (Schachinger 1998; 2006; 2008) weisen dieser Gruppe nun ebenfalls einen frühen Beginn zu.Wie Kos (2007; 2009; 2010) zu Recht betont, sind Göbls späte Ansätze (1994) für die Prägungen des pannonischen Raumes ebenfalls hinfällig. Der Velem-Typ ist in das mittlere 2. Jh. v. Chr., der ältere Kroisbach-Typ in die 1. Hälf-

te des 2. Jh. v. Chr. zu setzen, der Mászlonypuszta-Typ wohl ebenfalls in das mittlere 2. Jh. v. Chr. Die Münzprägung dürfte im Ostalpenraum relativ gleichzeitig im frühen 2. Jh. v. Chr. eingesetzt haben, wobei die im Gewicht noch höher liegenden Prägungen des Typs Warasdin A zeitlich vor Warasdin B und dem Kugelreiter-Typ A1 sowie dem folgenden Typ B1, alle drei mit etwa gleichem Standard, anzusetzen sind9. Die Typen Kugelreiter C2 der Tetradrachmen des Enemonzo-Hortes folgen dieser Stufe nach. Es ist bezeichnend, dass in Kärnten mit Ausnahme der Schatzfunde von Thalenstein/Haimburg nördlich von Völkermarkt und von Malta10 der ältere sogenannte ‚(west-)norische‘ Prägehorizont im Gegensatz zu den Prägeserien nach 82/80 v. Chr. (ADNAMATI, NEMET, ATTA) nur wenig präsent ist. Der früheste Prägehorizont ist nur durch die Tetradrachmen Warasdin-VES im Haimburger Hort vertreten; der Kugelreiter A erscheint primär in Ostkärnten (Hort von Haimburg) und nicht im Friaul; Kugelreiter C2 ist dagegen vorrangig nur im Friaul und im Isonzo-Gebiet präsent, was Gorini zu der berechtigten Folgerung veranlasst, hierin eine Prägung der Karner zu sehen. Auffallend ist die geringe Stempelzahl für die Ausprägung der Münzserien in den Horten von Haimburg, Ljubljanica, Most na Soˇci (Kos 1978, 122–125) und Enemonzo. Auch die Serien Warasdin-VES, SC 13 und 16 können jeweils nur eine sehr kurze Zeit ausgemünzt worden sein, so auch P. Kos (2007, 62f.), dessen weiterführende Gesamtanalyse der Kugelreiterprägungen (Kos 2009; 2010) die Typen A1 und AA1 sowie B1a und B1b (5 Vorderseiten- und 21 Rückseitenstempel) in die spätere 1. Hälfte bis Mitte 2. Jh. v. Chr. setzt. Sie gelangten kurz nach der Prägung in den Haimburger Hort (97% des bekannten Gesamtbestandes; auch die anderen Stücke sind durch Stempelkombinationen mit dem Hort verbunden). Alle Kugelreiteremissionen wurden nur sporadisch in kleiner Stückzahl geprägt und gelangten bald in Horte. Entgegen Gorinis Annahme besteht hingegen keine Verbindung zwischen diesen Prägungen und den ­Kugelreiter-Typen des Enemonzo-Hortes, die Kos in die frühe 2. Hälfte des 2. Jh. v. Chr. setzt. Die Typen dieser Stufe (B1c, C1/C1a, C2a) erscheinen, wie zu betonen ist, nur im karnischen Alpenrand, in Ostfriaul und am Isonzo, ferner zwei Münzen jeweils in Aqui-

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leia und in Višnja gora. Ihre Prägung ist somit eindeutig dem karnischen Gebiet zuzuweisen. Typ C2b (ohne venetische Legende) ist mit fünf Exemplaren in Enemonzo vertreten, ein Exemplar (stempelgleich mit Enemonzo) kommt vom Zollfeld, was bei den Handelswegen aus dem Karnergebiet nach Kärnten nicht überrascht. Der nur bruchstückhaft erfassbare Hort aus dem Raum Villach (Dembski 2001a) enthielt wahrscheinlich primär Münzen der TINCO-COPPO(V)/ COPO – Gruppe. Die Prägung der ersten Kugelreiter-Stufe, die der Haimburg-Hort zusammen mit Warasdin-VES dokumentiert, ist offenbar mit einem Machtzentrum im nördlichen Teil des Mokronog-Horizontes zu verbinden, das nördlich und südlich der Karawanken aktiv war. Wir sollten grundsätzlich nicht von ‚norischen‘ Prägungen sprechen, sondern von ‚nordtauriskischen‘, wenn wir die konventionelle Bezeichnung einer südostalpin-westpannonischen ‚tauriskischen‘ Prägezone beibehalten. Es zeigt sich, dass die Keltisierung südlich des Tauernhauptkammes durch die Zuwanderung von Verbänden der Mokronog-Kulturgruppe mit ihren Kriegereliten aus Südosten erfolgt ist (Vgl. Božiˇc 1999; 2008 (119ff., 144ff. gegen die unhaltbaren Thesen von P. Gamper); Buora, Seidel 2008; Sedlmayer 2009, bes. 178ff.; K. Dolenz 2004 zu Kading; zu Grabelsdorf Gleirscher 2009b). Ein Machtzentrum der Stufe Mokronog II dürfte im Großraum Savetal – Celeia – Poetovio zu suchen sein (Božiˇc 1999, 192–200). In der Stufe Mokronog IIIa (Latène D1) fehlen dann bisher Gräber im Raum von Celeia wie an der Drau und sind auch zwischen Drau und Save nur mehr in geringer Zahl bekannt; es scheint sich eine stärkere Abwanderung sehr wahrscheinlich in den Kärntner Raum abzuzeichnen, wo es in Lt D1a/b, jedenfalls vor 70 v. Chr., mit einer neuen politischen Entwicklung zur Errichtung eines zentralen Oppidums in Kärnten auf dem Magdalensberg (zum D1-Fibelspektrum Sedl­ mayer 2009; Božiˇc, Workshop Klagenfurt 2010; gegen Gampers Thesen Dolenz et al. 2008) kommt. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf den bekannten Namenssatz bei Strabon (4, 6, 12) „im Lande der Taurisker, (und zwar) der norischen11“ sowie bei Plinius n. h. 3, 133 iuxtaque Carnos quondam Taurisci appellati, nunc Norici („direkt neben den Karnern die Völkerschaften, die einst Taurisker, jetzt Noriker

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genannt werden“) hinzuweisen; entsprechend gelten Strabon dann die Taurisker sogar als Teil der Noriker, offenbar soweit sie die vernichtende Niederlage gegen Burebista überlebt hatten oder nahe der oberen Adria wohnten (Strab. 4, 6, 9; 7, 3, 11; 7, 5, 2). Angesprochen sind hier die durch keltische Überlagerung latènisierten westlichen Gruppen des Mokronog-Horizontes als Nachbarn der Karner unter ihrer jüngeren Bezeichnung als Noriker, aber mit dem Hinweis auf den früher für sie gebräuchlichen Taurisker-Namen (Strobel 2011). Auch die Identität und Namen vermittelnde Kerngruppe der Noriker, eine Krieger­ elite, wie sie sich in den Grabfunden von Kading spiegelt, dürfte erst mit dieser Überschichtung in Lt B 2/C 1 nach Kärnten gekommen sein. Bezeichnend ist, dass in dem karnisch-tauriskisch/südnorischen Grenzgebiet die venetische Göttin Veica mit der Benennung Noriceia, die Norische, erscheint (ILS 4889; 3. Viertel 1. Jh. v. Chr.). Der frühe Prägehorizont der südostalpin-westpannonischen ‚tauriskischen‘ Prägezone (Warasdin A/Warasdin VES) bzw. seine jüngere Stufe Warasdin B waren offensichtlich das Vorbild für die Prägung Kugelreitermünzen ohne Legende der Haimburg-Stufe (Kugelreiter A). Darauf folgt ein das Karnergebiet und Kärnten umspannender Silberhorizont, wobei nicht nur der Kugelreiter C2, sondern auch die Tetradrachmen mit venetischen Legenden mit gutem Grund den Karnern zuzuweisen sind, deren Umlauf mit den Handelsströmen den West- und Mittel­kärntner Raum erreichte, wie insbesondere der Hort von Malta zeigt. Während der durch Caesar um 60 v. Chr. bezeugte Voccio, König der Noriker, unter den Namen der Großsilber-Münzlegenden ab 82/80 v. Chr. nicht erscheint, sind diese Prägeserien nun in Kärnten teilweise gut präsent(CONGES(TLUS); ADNAMATI; NEMET; ATTA; SUICCA; E(I)CCAIO).Vom Magdalensberg kennen wir relativ zahlreiche ADNAMATI-Tetradrachmen, ferner NEMET, ATTA und ECCAIO. Es fehlen CONGES(TLUS)- und SUICCA-Prägungen; ECCAIO und SUICCA erscheinen im Münzspektrum der Gurina, Teurnia hat ADNAMATI, NEMET, ATTA und den einzigen Beleg für ESCINGOMA (Krmnicek 2010; Jablonka 2001, 182; FMRÖ II 3, 5/13 (2), p. 209ff.). ADNAMATI und NEMET-Münzen gelangten bis in den südostbayerischen Raum. Die Verbreitungsgebiete deuten an, dass

hinter diesen ­Namen durchaus auch Prägeautoritäten des karnischen wie südnorischen Raumes (südlich der Karawanken) bis hin zum Raum um Celeia, stehen können. Dass bestimmte Prägestätten mit mehr als einem Prägeherrn erscheinen und Stempel oft Überarbeitungen und massive Abnutzung aufweisen, braucht nun nicht mehr wie bei Göbls kurze Chronologie als gleichzeitiges Auftretens dieser Prägeautoritäten etc. gesehen werden. Betrachten wir nunmehr die wenigen literarischen Quellen. Nach Liv. 38, 22, 6–7 durchquerten 186 v. Chr. Galli Transalpini das Gebirge in das Land der Veneter und nahmen ohne kriegerisches Verhalten nahe dem Ort, an dem später Aquileia gegründet wurde, ­einen Platz in Besitz, um ein oppidum zu gründen.Wegen dieser Angelegenheit wurden römische Gesandte über die Alpen geschickt, wo sie die Antwort erhielten, diese Aktion sei ohne Autorisierung ihres Volkes erfolgt und man wisse auch nicht, was sie in Italien täten. Erst im Jahre 183 ging Rom gegen diese Ansiedlung vor (Liv. 39, 45, 5-7); demnach waren die Galli Transalpini auf einem bisher unbekannten Weg nach Italien gelangt. Ein Prätor sollte die Errichtung des Oppidums verhindern; wenn dies nicht auf friedlichen Wege möglich wäre, sollte einer der Konsuln die Legionen gegen die Gallier führen. Nach einer anderen, von Livius in 39, 54, 1 – 55,4 verwendeten annalistischen Quelle sollen es 12.000 Bewaffnete gewesen sein, die ihre Waffen und andere Beute aus dem Land der Veneter geraubt hätten, ein klarer Widerspruch zu Liv. 38, 22, 6; auch die Zahl ist keineswegs als zuverlässig zu betrachten. Die Kelten ergaben sich dem Konsul, der sie aufforderte, ihre Stadt und ihr Land zu verlassen, wozu sie bereit waren; dann ließ ihnen der Konsul aber die Waffen und allen Besitz wegnehmen. Dagegen erhoben die Kelten beim Senat Beschwerde. Als Grund für ihren Wanderzug hätten sie angegeben, sie seien durch Mangel an Ackerland und Armut auf Grund der in Gallien herrschenden Überbevölkerung gezwungen gewesen, die Alpen auf der Suche nach einem Wohnsitz zu überschreiten. Der Senat erwiderte, sie hätten nicht ohne römische Erlaubnis nach Italien einwandern dürfen. Der Konsul solle ihnen aber das, was ihnen gehöre, zurückgeben, wenn sie dorthin zurückkehrten, woher sie gekommen seien. Die Gesandten, die dies dem Konsul mitzuteilen hat-

ten, sollten anschließend die Alpen überqueren und den „gallischen Völkern“ mitteilen, dass sie die Menge ihrer Bevölkerung zuhause halten sollten; die Alpen seien als eine unüberschreitbare Grenze für die Gallier zu sehen, und allen würde es gleich wie den ersten ergehen, wenn sie diese zu überschreiten suchten. Die Gallier zogen ab und erhielten ihren Besitz zurück. Die Transalpini populi hätten die römischen Gesandten zuvorkommend aufgenommen und ihnen freundlich geantwortet; ihre seniores, ihre Stammesältesten, hätten das römische Volk sogar ob seiner Nachsicht mit den Auswanderern getadelt, da diese doch ohne Auftrag ihres Volkes römisches Gebiet besetzt hätten. Liv. 54, 5 – 55, 4 ist zweifellos in hohem Maße ein literarisches Konstrukt, das auf der Basis weniger dürrer Fakten beruht; der Wortlaut ist deshalb nicht als historische Quelle zu benutzen. Dies gilt besonders, wenn plötzlich, im Widerspruch zum Gesamtkontext, von einer gens zu Gallici bzw. Transalpini populi gewechselt wird. Historisch ist wohl, dass die zweite Gesandtschaft nach der wenig verbindlichen Antwort des Jahres 186 jener nicht näher benannten, direkt jenseits des Alpenkammes lebenden Völkerschaft einzuschärfen hatte, dass Rom ein Überschreiten der Alpen durch landnehmende Gruppen jetzt und in Zukunft nicht dulden werde. Die angesprochenen Stammesführer haben ihrerseits eine Deeskalation gesucht und ihre eigene Schuldlosigkeit nochmals bekräftigt. An keiner Stelle kann trotz der breiten Ausführungen bei Dobesch (1980, 14–80) darauf geschlossen werden, dass die Auswanderer aus dem Kärntner Raum gekommen seien oder mit ihrem Heimatvolk die Noriker gemeint seien, auch nicht darauf, dass die Gruppe von Nord nach Süd durch die Alpen gezogen wäre und die Karnischen Alpen überschritten hätte. Zu weit geht Dobesch’s These, der „Adelsrat“ sei nicht mächtig genug gewesen, die Auswanderung zu verhindern, hätte diese aber „aufs erbittertste“ gehasst. Die Verantwortlichen jenseits der Alpen blieben 186 und 183 bei ihrer Strategie, sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Der nach Livius damals erstmals benutzte Übergang kann sich auf den Birnbauer Wald oder den Übergang Isonzo/Natisone beziehen. Die im Anschluss begonnene Gründung der Kolonie Aquileia (Liv. 39, 55, 5–6) weist eindeutig auf die Südostalpen als Gegenüber. In deutlichem Zusammenhang mit diesen Vorgän-

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gen steht die nächste Episode (Liv. 40, 53, 5–6). Eine Gruppe von Galli Transalpini, 3000 Köpfe stark, zog im Jahre 179 friedlich nach Italien hinüber und schickte diesmal Gesandte nach Rom und zu den Konsuln mit der Bitte um Land, um friedlich unter römischer Herrschaft zu leben. Der Senat befahl ihnen Italien zu verlassen; verschärfend sollte einer der Konsuln bei dieser Gruppe eine Untersuchung durchführen, um die Führer und Urheber dieses Alpenüberganges auszuforschen und zu bestrafen. Auch hier kann kein Bezug auf Kärnten oder die Noriker konstruiert werden. Liv. 43, 1, 4–12; 5, 1–10 bezieht sich auf den Überfall des Konsuls C. Cassius Longinus auf die Karner, Histrier und Iapoden im Jahre 171 und auf die Klage gegen das rechtswidrige Handeln des Konsuls, die im Jahre 170 v. Chr. von einer Gesandtschaft des Cincibilus, eines rex Gallorum, unter der Führung seines Bruders im Senat vorgebracht wurde. Gleichzeitig kamen Gesandte der betroffenen drei Völkerschaften. Cincibilus ließ, von diesen Gesandten unabhängig, für die populi Alpini Klage erheben, dass man die Gebiete seiner Bundesgenossen verwüstet und viele Menschen in die Sklaverei verschleppt habe. Der Senat behandelte die Gesandtschaft des Cincibilus besonders ehrenvoll und beschloss, zwei hoch angesehene Senatoren als Gesandte zu dem König „über die Alpen hinüber“ zu schicken; zu den drei Völkerschaften sandte man drei weitere Gesandte. Der Bruder des Cincibilus und seine ganze Begleitung wurden reich beschenkt und erhielten sogar die Erlaubnis Pferde zu kaufen und aus Italien auszuführen. Hieraus wird deutlich, dass Cincibilus für Rom eine durchaus bedeutsame Größe darstellte. Man hat immer wieder versucht, in ihm einen König der Noriker zu sehen und daraus weitreichende Schlüsse für die innerstaatlichen Strukturen Norikums (Postulierung eines Doppelkönigtums) und für sein Verhältnis zu Rom (Begründung eines hospitium publicum) zu ziehen12. Dies ist jedoch nur von dem Axiom getragen, dass es sich um einen Herrscher der Noriker nördlich der Alpen gehandelt haben müsse. Auch die Angabe, man habe zu ihm Gesandte über die Alpen hinüber geschickt, ist hierfür kein Argument. Die Alpen als das Norditalien abschließende Gebirge reichen nach antikem Verständnis im Osten bis zu den Iapoden und der Adria (Strab. 4, 6, 9–10; 5, 2–3); als Bewohner der Alpen nach den Rätern nennt Strabon

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„bei der Gegend von Aquileia“ und „nahe am Winkel der Adria“ einen Teil der Noriker und die Karner, zu den Norikern gehörten auch die dortigen Taurisker (4, 6, 9), anschließend daran die Iapoden (4, 6, 10). Cincibilus ist als bedeutender keltischer Herrscher jenseits der Iulischen Alpen zu verstehen, und zwar als König des tauriskischen Herrschaftsverbandes (Strobel 2012). Sein Machtzentrum dürfte im Großraum Savetal – Celeia – Poetovio zu suchen sein (Stufe Mokronog II). Seine betroffenen Bundesgenossen waren offensichtlich die westlichen Gruppen des Mokronog-Horizontes (Region um die Ljubljanica, Oberkrain und Laibacher Becken), die bei Plin. n. h. 3, 133 als Nachbarn der Karner unter ihrer jüngeren Bezeichnung als Noriker, aber mit dem Hinweis auf den früher für sie gebräuchlichen Taurisker-Namen erscheinen (quondam Taurisci appellati, nunc Norici). Im Istrer-Krieg kämpfte 178 v. Chr. der keltische Fürst Catmelus auf römischer Seite, der in Vertretung seines Königs ein Aufgebot von 3000 „Galliern“, also keltischen Kriegern, kommandierte (Liv. 41, 1, 8; pro regulo praeerat läßt keine andere Interpretation zu). Mit den führenden monarchischen Autoritäten des tauriskischen Großverbandes bestand offensichtlich ein amicitia-Verhältnis, das nach dem Verständnis des keltischen Partners auch militärische Hilfestellung beinhaltete. Während des Perseus-Krieges kamen 169 v. Chr. legati Transalpini von einem regulus Gallorum, dessen Name Balanos, wie Livius sagt, überliefert war, allerdings ohne Angaben zu seinemVolk, nach Rom und versprachen die Stellung von Hilfstruppen; der Senat bedankte sich mit wertvollen Geschenken für den König (Liv. 44, 14, 1– 2). Dobesch (1980, 158–164) glaubt, Balanos wäre der Herrscher eines Nachbarstammes, der „aus verständlichem Neid auf die neuen, ausgezeichneten Beziehungen der Noriker zu Rom“ mit seinem Angebot nach ebenso guten Beziehungen gestrebt habe. Die Zuordnung des Balanos bleibt offen und war schon für Livius unklar. Scheinbar eindeutig ist Appians Version der Schlacht von Noreia (Kelt. 13): Cn. Papirius Carbo rückt gegen die „in das Gebiet der Noriker“ eingedrungenen Teutonen vor und begründete dies damit, dass sie proxenoi, offizielle Gastfreunde der Römer überfallen hätten. „Die Römer erklärten nämlich diejenigen zu Staatsgastfreunden, denen sie zwar Freundschaft ge-

währt hatten, denen sie aber bei einem feindlichen Angriff nicht unbedingt wie wirklichen Freunden [= Bundesgenossen] militärische Unterstützung leisten mussten“. In dem Zusammenhang dieser viel diskutierten Stelle ist aber darauf hinzuweisen, dass die Passage Ocra – Adelsberger Pforte, der zentrale und einfachste Durchgang durch die Südostalpen, bereits seit dem späten 2. Jh. v. Chr. unter direkter römischer Kontrolle stand. Seitdem lag bei Rzdrto am westlichen Ausgang des Defilees ein befestigter römischer Handelsposten. Die zu amici Roms erklärten Noriker, oder besser die früher als Taurisker, dann als Noriker benannten Gruppen, sind mit Sicherheit südlich der Karawanken zu lokalisieren und damit im Kontext der römisch-‚tauriskischen‘ Beziehungen entlang der wichtigen Handelswege der Bernsteinstrasse sowie der Save zu sehen. Es waren wohl gerade die Skordisker, welche den Wanderverband der Germanen die Save aufwärts und damit gegen den konkurrierenden Großverband der Taurisker gelenkt hatten (vgl. Strab. 7, 2, 2 nach Poseidonios).Trotz verschiedener Einwände ist die Angabe, dass Carbo einen Einfall der „Teutonen“ nach Italien an der Stelle der Alpen erwartete, wo der Durchgang durch das Gebirge am schmalsten war (App. Kelt. 13, 1), also auf der kürzesten Gebirgsstrecke zu bewältigen war, sinnvoll nur auf den traditionellen Übergang durch die Südostalpen für die Bernsteinstraße bzw. den sogenannten Argonautenwegs zur Donau zu beziehen (Strab. 4, 6, 10; 7, 5, 2; Plin. n. h. 3, 127–128; Strobel 2003, 55; Božiˇc1998). Nach dem antiken Verständnis erstrecken sich die Alpen von Raetien bis zu den Iapoden und haben über den Ocra ihren niedrigsten (und schmalsten) Übergang (Strab. 4, 6, 10; 7, 5, 2). Bei Appian, der einer optimatischen, gegen Carbo polemisierenden Quelle sullanischer (!) Zeit folgt, die zudem die Kimbern, die tatsächlichen Gegner, durch die Teutonen ersetzte, erscheint der Raum von oberer Save und Ljubljanica dem Norikernamen zugeordnet. Ein Schlüsseltext zur Noreia-Frage (Seitschek 2008; Strobel 2003, bes. 45–55; 2012) ist die viel diskutierte Strabon-Stelle 5, 1, 8, C 214.Ausgangspunkt ist die Beschreibung der Lage Aquileias außerhalb des Territoriums der Veneter und die Angabe, dass der Grenzfluss zwischen beiden aus den Alpen komme. Gegenüber der bisherigen Deutung der Stelle hat R. Porod

(2010) zu Recht betont, dass die Emendation des eindeutig überlieferten ka¤ abzulehnen ist, woraus sich nicht eine Entfernungsangabe von 1200 Stadien (nach attischem Maß 213 km, nach römischem 222 km), sondern zwei, einmal 200 und dann 1000 Stadien, ergäben. Fehl geht Porods Folgerung, der Grenzfluss sei deshalb die Piave und es seien 1000 Stadien bis Noreia, der Fluss sei darüber hinaus noch 200 Stadien schiffbar und der Ort der Schlacht im Raum von Belluno zu lokalisieren. Die 220 km lange Piave war natürlich nicht bis zu ihrer Quelle schiffbar und nie die Grenze zwischen Aquileia und den Venetern. Zudem widerlegt H. Grassl13 Porods philologische Interpretation; die für Strabon auch an anderer Stelle zu belegende Ausdrucksweise (chiastisch gestellte Partizipien und attributiver Genetivus qualitatis) gibt eine Distanzangabe von 1200 Stadien. Der Text bietet fünf Angaben: 1) Aquileia liegt außerhalb des Gebietes der Veneter. 2) Die Grenze wird durch einen Fluss gebildet, der aus den Alpen kommt; dies kann nur der Tagliamento (Plin. n. h. 3, 126 –127) sein. 3) Für diesen Grenzfluss werden zwei nähere Angaben gemacht: er ist schiffbar (énãploun ¶xonti), und (ka¤) die Entfernung bis zur Polis Noreia beträgt 1200 Stadien (zusammengesetzte Kardinalzahl mit §p¤); letzteres ist eine Distanzangabe und nicht auf den Lauf des Flusses bezogen. 4) Dieses Noreia ist der Ort der Niederlage des Cn. Papirius Carbo (ähnlich Strab. 6, 1, 11). 5) Diese Gegend hat ergiebige Goldwäschereien und Eisenverhüttung. Strabon, der Teile Oberitaliens und Aquileia offenkundig selbst kannte, stellte die Informationen über den Grenzfluss zwischen den Venetern und Aquileia selbst zusammen, wobei zu beachten ist, dass er seine Geographie als Ergänzung seines verlorenen Geschichtswerkes geschrieben hat, aus dem die sicher gerundete Distanzangabe von 1200 Stadien als Marschentfernung des Konsuls nach dem Überschreiten der Grenze des Venetergebietes und damit seiner eigentlichen provincia bis zum Ort der Schlacht stammen dürfte. Die Verbindung dieses Noreia mit einer Region von Goldwäscherei und Eisenverhüttung ist Strabons aktueller Zusatz aus seinem Wissen über die Bodenschätze der Noriker; letztere fand er offensichtlich in seiner sullanischen Vorlage schon vor. Einige Zeit nach dem Illyrienkrieg 35/34 v. Chr. wurde das Territorium der Kolonie Aquileia über den

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bisher nordwestlichsten Teil der Provinz Illyricum bis östlich von Nauportus ausgedehnt. Das südnorische Gebiet südlich der Karawanken mit Laibacher Becken und Oberlauf der Save, wahrscheinlich aber ohne das Gebiet von Celeia, kam 35/34 wie das Tauriskergebiet und der Lauf der Save bis Segest(ic)a/Siscia, wo eine erste römische Garnison eingerichtet wurde, zur Provinz Illyricum (Strobel 2008; 2010; 2011). Auf die­ se Regionen bezieht sich, wie mit gutem Grund anzunehmen ist, die von Vergil im 3. Buch der Georgica (v. 478–566) angesprochene norische Viehseuche; hier ist von den Viehweiden in den Alpen, den auf niederen Hügeln gelegenen norischen castella, den Fluren des Timavus und der Iapoden die Rede. Das Buch wurde zwischen 37 und 29 v. Chr. geschrieben. In dem später zur Regio X Italiens gehörenden Raum des Territoriums der 14 v. Chr. gegründeten Veteranenkolonie Emona ist jenes Noreia zu suchen, das Plin. n. h. 3, 130–13114 als eine stadtähnliche, jedoch untergegangene Siedlung der Taurisker nennt. Es ist auf keinen Fall möglich, diese Aussage auf den Raum nördlich der Alpen oder in der römischen Provinz Regnum Noricum zu beziehen. Und eben bei diesem Noreia südlich der Karawanken hat sich bei einer unvoreingenommenen Analyse aller Informationen die Niederlage gegen die Kimbern abgespielt. Es ist bezeichnend, dass in dem karnisch-tauriskisch/südnorischen Grenzgebiet die venetische Göttin Veica mit der Benennung Noriceia, die Norische, erscheint (ILS 4889; 3.Viertel 1. Jh. v. Chr.). Die Bewohner der Südostalpen „bei der Gegend von Aquileia“ und „nahe dem inneren Winkel der Adria“ sind für Strabon (4, 6, 9; 7, 1, 5) die Karner und ein Teil der Noriker. II. Vorkeltische Noriker? Die Machtbildung mit dem politisch-wirtschaftlichen Zentrum des Magdalensberges im 1. Jh. v. Chr. hat nie den Tauernhauptkamm bzw. Pack- und Koralpe überschritten (Strobel 2008; 2010; 2011). Diese Ausdehnung erfuhr erst die provincia Regnum Noricum in der römischen Neuordnung 15/14 v. Chr. Entgegen den im Kern schon von H. Kenner (1989, 889) vorgetragenen Thesen von P. Gleirscher (mit großer Vehemenz nun 2009a), in der Göttin Noreia („Anrufenamen einer Fruchtbarkeitsgottheit“) eine norische

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Muttergottheit zu sehen und gar den hallstattzeitlichen Kultwagen von Strettweg für eine norisch-keltische Noreia-Religion in Anspruch zu nehmen (dazu Scherrer 2007, bes. 216ff.), sind dieser ethnische Name und der mit ihm verbundene Stammeskult sehr wohl mit den in Lt B2/C1 über Drau und obere Save aus Südosten einwandernden Kriegereliten zu verbinden. In den damit verbundenen Prozessen von Ethnogenese und Akkulturation etablierte sich im Zentralkärntner Raum eine neue keltische Oberschicht, die sich zu einem festen Traditionskern mit dem Identität tragenden Namen *Nor-ikoes/-ikos/-ic ı- bekannte und die Ausbildung der historischen Noriker nördlich der Karawanken trug. P. de Bernardo Stempel führt den Namen überzeugend auf „the vigorous, strong or courageous one“ zurück (2005, bes. 15–18; auch 2004; 2008); Noreia war demnach eine Schutzgottheit mit kriegerischem ­Aspekt. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den Namen der beiden anderen Verbände im Kärntner Raum, Ambilini und Ambidravi, nicht um echte ethnische Namen, sondern um sekundäre Attribuierungen, basierend auf den in Besitz genommenen Landschaften und den zugehörenden Flussnamen. Hier bildeten sich im Zug der keltischen Überschichtung territorial basierte Verbände ohne einen entsprechenden dominierenden Traditionskern aus. Weder das Theo- und Toponym Noreia noch der Norikername sind als vorkeltisch zu erweisen. Die Beweislast trifft hier die Vertreter einer gegenteiligen Ansicht; sie wird auch von Gleirscher nicht erbracht, der sich vielmehr darauf beschränkt, axiomatisch von norischen Königen der Hallstattzeit und einer Existenz des Stammes der Noriker im Mittelkärnten bereits in der 1. Hälfte des 1. Jt. v. Chr. zu sprechen.15 Hingegen sind der Ortsname Noreia und damit sicher auch die Präsenz der Gottheit im Bereich der oberen Save kaum zu leugnen. Entgegen Gleirscher (2009a) war Noreia auch nicht „die am häufigsten verehrte Gottheit“ in Noricum; außerhalb des Heiligtums von Hohenstein als Zentrum der Noreia-Verehrung gibt es nur vier Weihungen aus dem Territorium von Celeia (Scherrer 2007).16 Weder auf dem Magdalensberg noch auf dem Frauenberg (Groh, Sedlmayer 2005) befanden sich Noreia-Heiligtümer; auch kann die archäologische Forschung kein Noreia-Ritual aufzeigen. Mit der römischen Eroberung wird Noreia zur

Schutzgottheit (Noreia, Noreia Augusta und Isis-Noreia) mit Bezug auf die Provinz umgedeutet (Scherrer 2007; weiterführend Hainzmann 2006): Ihre Dedikanten zeigen sie primär als Schutzherrin einer Personengruppe im Kontext der Reichsadministration; als Provinzpersonifikation tritt hingegen der Genius Noricorum auf. Die Jünglingsstatue vom Magdalensberg ist mit Scherrer (2007) als Weihung des aquileiensischen Stadtgottes Belenus im augusteischen (Roma?-)Tempel der Gipfelanlage zu interpretieren, auch wenn Gleirscher (2009a, 45ff.) sie erneut in einer freischwebenden Hypothesenkette mit Noreia, dem Kesselwagen von Strettweg und einer weiteren ‚erschlossenen‘ Figur (Reiterkrieger) als Kultgruppe zu verbinden sucht. III.  Gold der Salasser im Lavanttal? W.Vetters (2010) konnte den bei Strabon (4, 6, 12) nach Polybios gegebenen Bericht über ein reiches Goldvorkommen bei den „norischen Tauriskern“ nunmehr auf die sekundären Lagerstätten im Lavanttal beziehen. Strabon baut den Polybios-Text mit einem geographischen Hinweis katå ékulh˝an „bei der Gegend bei Aquileia“ respektive „über Aquileia hinaus gelegen“ offensichtlich verkürzt in seine Beschreibung der Alpen ein. Nach Polybios war bei den Tauriskern, den norischen – dies offensichtlich Strabons eigene Präzisierung –, eine überaus reiche Bonanza gefunden worden, welche die „Barbaren“ und Italiker offenkundig aus Aquileia über zwei Monate gemeinsam ausbeuteten. Angesichts des hoch entwickelten Standes von keltischem Bergbau und Goldgewinnung (L’or 2001), waren dazu kaum Spezialisten aus Italien notwendig; die Rolle der Italiker in dieser Partnerschaft dürfte vielmehr im Absatz des Goldes nach Italien zu sehen sein. Nach Polybios warfen die Taurisker die Italiker nach den zwei Monaten hinaus, als sie erfuhren, dass der Goldpreis in ganz (!) Italien um ein Drittel gefallen sei, und verkauften künftig ihr Gold als Monopolisten allein. Entgegen der geläufigen Interpretation bietet der Text keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Ausbeutung des Goldfundes und dem Fallen des Goldpreises; hingewiesen wird nur auf einen zeitlichen Zusammenhang. Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Goldpreis in Italien wegen der gewaltigen,

im Jahre 146 v. Chr. nach Rom strömenden Kriegsbeute gefallen ist und die italische Händler den Tauriskern nur mehr einen erheblich niedrigeren Anteil an dem Preis boten. Die Einfügung dieses zweifellos bearbeiteten Polybios-Fragments 34, 10, 10–14 (hierzu Walbank 1979, 563ff.) in dessen 34. Buch und die Beschreibung Italiens ist keineswegs sicher. Das Fragment 34, 10, 15–21 übernimmt Strabon ebenfalls in einer von ihm überarbeiteten Form aus Polybios’ Beschreibung Norditaliens. Das Fragment 34, 10, 8–9 (= Strab. 4, 6, 10) gehört zur Beschreibung der Besonderheiten der Alpen und folgte ursprünglich wohl direkt auf 34, 10, 15–21. Ein Bezug von 34, 10, 8–9 zu Polybios’ geographischer Darstellung ist nicht erkennbar, eine Einordnung in die historische Darstellung der Ereignisse 146/5 bzw. 145 v. aber ohne weiteres möglich (Strobel 2012). Strabon fügt aktualisierend hinzu, dass jetzt alle Goldminen unter römischer Verwaltung seien und neben dem Berggold wie in Spanien aus den Flüssen Goldsand gewonnen werde. Gescheitert ist Gleirschers Versuch zusammen mit A. Pichler (2011) die Ausführungen von Vetters zu widerlegen; Gleirschers historische und archäologische Gegenargumentation bleibt ohne Grundlage (Strobel 2012). Gänzlich verfehlt ist seine These, Strabon habe den Polybios-Text verballhornt und dabei die „westalpinen“17 und „ostalpinen“ Taurisker verwechselt und so einen „Goldrausch“ im Salasser-Gebiet den norischen Tauriskern zugeschrieben. Strabon kannte Norditalien und Aquileia, ebenso den Goldbergbau bei den Salassern (4, 6, 7), der in augusteischer Zeit noch keineswegs eingestellt war, und hatte noch den vollständigen Polybios vorliegen, an den er mit seinem Geschichtswerk ab dem Jahre 145/4 v. Chr. anschloss. Peinlich wirkt Gleirschers Versuch, eine zentrale Administration und Barrengießerei (sicher keine Back­ öfen!) auf dem Magdalensberg und die bergmännische Ausbeutung der Metallressourcen im Bereich des Hohen Tauern und des Rauris, aber auch eine Nutzung der Kärntner Goldseifen in keltischer wie römischer Zeit zu leugnen (noch ganz anders Gleirscher 2009a, 81ff.). Pichler wiederum kann die antike Bedeutung der Vorkommens im oberen Lavanttal nicht wider­ legen, da mit einer fortschreitenden Ausbeutung der reichen sekundären Lagerstätten bereits in der Antike zu rechnen ist.

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IV. Keltomanie am Magdalensberg? In jüngster Zeit hat Gleirscher mehrfach in der Presse den Vorwurf erhoben, H. Dolenz sei als für den Magdalensberg zuständiger Ausgräber „wissenschaftlich überfordert“ und fröne einem „Keltenwahn“.18 Dabei ist gerade Gleirscher, der als wissenschaftlich Verantwortlicher für die „Keltenwelt“ des frühhallstattzeitlichen Frög19 („vor rund 3000 Jahren begruben Kelten in Frög ihre Toten mit kostbarem Schmuck und Waffen unter riesigen Grabhügeln“, „Feuerzeremonie am rekonstruierten heiligen Hain der Noreia“) auftritt, geschichtsverfälschende Keltomanie und Esoterik vorzuwerfen.20 In Frög findet sich ein extremes Beispiel von erfundenem Keltentum. Bereits Gleirscher 2001 geht mit seinen hallstattzeitlichen Norikern und ihren Königen über die Grenzen des Wissenschaftlichen hinaus. Seine These, die Wallbefunde am Magdalensberg seien eine „türkenzeitliche Befestigung“ (Gleirscher 2007; 2010) und nicht eine endlatènezeitliche Wallanlage, ist durch die Grabung 2009–2010 (Dolenz 2011) endgültig ad absurdum geführt, ebenso seine vorgetragene Detailkritik. Der Vorwall wurde auf der Innenseite von einer befestigten Straße mit Straßenbelag begleitet, die in einer Serpentine zum Hauptwall hinaufführte; Vorwall und Straße wurden durch die bald nach der römischen Okkupation zum Gipfel geführte Straßenrampe mit ihrer massiven hangseitigen Terrassierungsmauer geschnitten bzw. überbaut. Über diese Straßenrampe wurde offensichtlich das Baumaterial aus den Steinbrüchen zur Gipfelbebauung herangeschafft. Das Steinmaterial der Trockenmauern der Vorwallbekrönung dürfte in der Straßenrampe verbaut sein. Gleirscher, „Mythen-

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knacker“ und „Österreichs größter Spielverderber“ (Interview Kleine Zeitung 20.6.2010), ist nun auch nicht mehr gezwungen, eigene Grabungsbefunde und jene von erfahrenen Kollegen umzuinterpretieren, um spätmittelalterliche/türkenzeitliche Wallanlagen zu ‚gewinnen‘ (Gleirscher 2010).Was Gleirschers Versuch betrifft, die spärlichen Befunde (Gleirscher 1996, 233) aus seinen langjährigen Grabungen (1993–1995) wie jenen F. X. Kohlas (1950–1966) eine latènezeitliche Zentralsiedlung zu machen, diese noch dazu in die Nachfolge des hallstattzeitlichen Herrschaftssitzes des Lamprechtskogels zu stellen und als Noreia zu identifizieren21, so ist schon die Zuweisung der Eberstatuette (Typ Gerend; 2. Jh. v. Chr.)22 unbekannter Herkunft mehr als fraglich. Sie wurde im Jahre 1985 von ihrem Besitzer an F. Glaser (1989) übergeben, und zwar als vom Großvater aus der Gemeinde St. Kanzian ererbt. Beziehungen der älteren Familienmitglieder zum slowenischen und westungarischen Raum machen einen Fundort im Save-Drau-Gebiet durchaus möglich (Parallelen in Ungarn, Rumänien und der Slowakei).Auf der Gracarca sind eine spätlatènezeitliche Streusiedlung mit handwerklichen Aktivitäten bis in die frühe Phase der römischen Provinz zu erkennen, jedoch keine Befestigungsanlagen, vielmehr hochmittelalterliche bis frühneuzeitliche Terrassen. Erhaltene Baubefunde datieren mit einer Ausnahme in die Hallstattzeit. Hingegen stammen die von Gleirscher mit der Gracarca verbundenen hochwertigen Metallfunde nicht aus Grabungen, sondern über einen Sammler mit Verbindungen zum illegalen süddeutschen Markt aus dem Antikenhandel mit den bekannten verschleiernden Herkunftsangaben. Bisher ist weder eine Vor­lage dieses Materials noch des ergrabenen Fundmaterials erfolgt.

Anmerkungen 1 Dobesch 1980, 165–236, 280–315; 2001, bes. 823–857; 859– 874; noch ders. 1996; 2001, 823–857; 2004; 2008.Seine Hypothesen hinsichtlich einer „Raubexistenz“ der Kelten (1995; 2004) beruhen auf einem längst überholten anthropologischen Schematismus; auch die Verteidigung in Dobesch 1999 geht ins Leere. 2 Zu den zahlreichen sachlichen Fehlern in Gleirscher 2009a (so die Widmungsinschriften für Augustus und seine Familie als Beleg eines jahrhundertealten Stammesbundes gleich Stammesreiches oder die Übersetzung von Galli Transalpini als Kelten „die jenseits der Karawanken wohnten“) mehr an anderer Stelle. 3 Selbst der bronzene Prägestempel aus den Altgrabungen der Gurina, allerdings aus einem nicht mehr zu klärenden Zusammenhang, ist kein sicheres Indiz für eine dortige Prägung von Kleinsilber, da der völlig abgenutzte Stempel möglicherweise als Altmetall dorthin gelangt ist (Jablonka 2001, 182f.). Andererseits kann eine Prägung von Kleinsilber (Typ Magdalensberg) zur Kleingeldversorgung römischer Auxiliareinheiten noch unmittelbar nach der Besetzung erfolgt sein. Ein Grundproblem ist die ungenügende Kenntnis der Talsiedlung, des ­ eigentlichen Verkehrsknotenpunktes von und zum Plöckenpaß wie zum Findenig-Thörl. 4 Marcer 2005 greift Göbls These über Gemeinschaftsprägungen von je zwei norischen reguli erneut auf. Dabei handelt es sich viel eher um Namen plus Patronymikon bzw. Stempel plus Nachschnitt, was gegenüber dem sonst singulären Phänomen zweier Prägeherren auf einer Münze eindeutig den Vorzug verdient. Andererseits ist bei verschiedenen Stempeln zu sehen, dass ein zweiter Name erst nachträglich eingeschnitten wurde, so bei dem Stück Marcer Nr. 1 die zweite Namenslegende CAVA (auch bei Dembski 1998a, Nr. 790). Bei Marcer Nr. 3 ist eine CAVA-Münze überprägt. Marcer Nr. 2 gehört dagegen nicht zur CAVA-Gruppe (siehe Vergrößerung bei Marcer 2005 Abb. 2b; auf die lateinischen Buchstaben C und A folgt eine Haste, I oder fragmentiertes L, also ein neuer Rv.-Typ der COPO-TINCO-Stufe). 5 Aus den frühen, allerdings nie vollständig vorgelegten Forschungen in Karlstein, dem vorrömischen Zentrum der Alauni, stammen Schrötlingsfragmente und Bruchstücke von Tüpfelplatten für Kleinsilberprägung sowie ein Hort von 56 Kleinsilbermünzen des gleichen Typs (Ziegaus 2009; Kellner 1990, 180–185, Nr. 2002–2067; Nr. 2056–2057 Kleinsilber Typ Magdalensberg). Diese Münzen sind in Bayern (Kleinsilberhorizont Typen Manching) eher selten. Es ist notwendig, die Kleinsilbertypen wie Karlstein und ihre Untergruppen neu zu ordnen (Dembski 2001b), die mit unterschiedlichen Prägeautoritäten und -orten, so etwa Stöffling oder den nach Süden benachbarten Ambisonten, verbunden sein können. Karlstein war auch Prägeort für Regenbogenschüsselchen-Statere der spätesten Phase (Typ II D), als Manching nicht mehr Zentrum der keltischen Goldprägung im südbayerischen Raum gewesen ist (Ziegaus 2009). 6 So noch bei Urban 2000, 340, der entsprechend die ADNA-

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MATI-, NEMET- oder ATTA-Prägung erst nachcaesarisch ansetzen möchte; Ubl 2002, 326 (noch ohne Gliederung der Namenslegenden nach Prägekreisen und -phasen). Kos 2004; 2007 untermauert die Datierung der Prägungen mit venetischen Legenden in die Mitte des 2. Jh. v. Chr., wobei die Typen Kugelreiter A1, B2 und C2 (ohne Legende) vorausgehen. Legenden mit venetischem Alphabet sind offenbar teilweise in C2-Stempel nachträglich eingeschnitten. Die spätere Stellung der Tinco-Stufe gegenüber den venetischen Legenden ist durch Überprägung gelegt; vgl. Ruske 2007, 4–14, bes. 9 (Nr. 13 mit Nr. 11) Der frühe Ansatz des Beginns der Münzprägung ist nun auch für den südbayrischen Raum erwiesen (Ziegaus 2010). Die venetische Rv-Legende wurde bisher falsch als FES gelesen (Kos 2004). Hort von Haimburg (Göbl1989): 30 Tetradrachmen des Typs Warasdin-VES sowie 207 Tetradrachmen Kugelreiter A1 und B1. Die Typen B1 kommen zusammen mit A1 und C2 vor, A1 jedoch nie zusammen mit C2; die Typen SC 13 und 14 schließen mit vermindertem Gewichtsstandard an den Typ Warasdin B an und datieren vor Kugelreiter C2 (Kos 2007, 60–62). J. Marcer (2005; Diss. Wien 2005) ergänzt die bisherige Vorlage des Hortes von Malta (Göbl 1998), der ursprünglich ca. 500 ‚norische‘ und ‚tauriskische‘ Prägungen enthielt, auf insgesamt 369 Stück, wobei die Zugehörigkeit nicht aller Stücke eindeutig ist. Marcer Nr. 1 trägt die retrograden RV.-Legenden CAVA und BO[IO] (vergleichbar Dembski 1998a, Nr. 790; ähnlicher Reverstyp auf der Münze aus dem Egerloch bei Villach). Es handelt sich also aber nicht um die gleichzeitige Verwendung von lateinischer und venetischer Schrift als Zeichen eines bereits gewachsenen römischen Einflusses auf die keltische Welt. Die Präzisierung ist eine Aktualisierung Strabons für die zugrunde liegende Polybios-Stelle (34, 10, 10). So Dobesch 1980, 108–157, 177–182, 182–236; 2001, 833– 839 (spricht p. 831 wie selbstverständlich von „Kärntner Kelten“); zuletzt Tausend 2005, 315f. (insgesamt problematisch und überholt). Ich danke Koll. Graßl für die Einsicht in sein Manuskript (Römisches Österreich; im Druck), dessen Deutung nur darin abweicht, dass er die Distanzangabe von 1200 Stadien als Weg entlang des Flusses bis Noreia annimmt. Der Text setzt sich aus fünf Teilen zusammen: Zuerst Aufzählung der Städte im südlichen Teil der Regio X, dann ein Einschub aus Catos Origines zu Venetern und Cenomanen, weiter die Städte im nördlichen Teil, ehe Plinius zum östlichen Teil ab Tarvisium und Iulium Carnicum übergeht, allerdings auch die Städte Liburniens mit italischem Recht einbezieht (im Widerspruch zu 3, 139). Im letzten Abschnitt zählt Plinius die im gesamten umrissenen Gebiet (einschließlich der liburnischen Küste) untergegangenen Orte auf. Charakteristisch seine Ausstellung „Zu Gast bei den norischen Königen“ zu den ins 5. Jh. v. Chr. datierten Großgrabhügeln am Waisenberg (Rudolfinum 2008, 35–58). Gleirscher 2010,

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41 spricht die Hallstattkulturen der Unterkrain und Kärntens als Taurisker bzw. Noriker an. Der Stamm der Noriker sei bei der keltischen Landnahme nicht zerschlagen worden (2009a, 19). 16 Einen abgeleiteten Personennamen bringt nur die Weiheinschrift CIL III 8163 an Iupiter Optimus Maximus aus der Umgebung von Köln, die von M. Ulpius Noreiianus, einem Veteranen, gesetzt wurde. 17 Die Bezeichnungen Taurini, Taurinates und Tauriskoi wurden bei Cato und Polybios für Völkerschaften im westlichsten Teil der Poebene und ihres Alpensaums gebraucht (Cato orig. frg. 2, 7 = Plin. n. h. 3, 134; Beck, Walter 2001, p. 178; Polyb. 2, 15, 8; 3, 60, 8; 34, 10, 18). Sie sind entgegen Gleirscher nicht von einem angeblichen *dur „Wasser“ abgeleitet, sondern von der indogermanischen Bezeichnung des zentraleuropäischen Hochgebirges (IEW 278. 1080-1085; Walde-Pokorny³ I, 711; II, 609; Anreiter 2001, 136f., 141 Anm. 523; Sitzmann 2005; Pohl 2009, 17–20). Alpes ist eine vorindoeuropäische Bezeichnung für Gebirge (H. Graßl, DNP 1, 1996, 534f.). Unhaltbar Gleirschers Vermutung, der keltische Taurisker-Name sei auf den älterhallstattzeitlichen Stierkult zurückzuführen (‚Großtaurisker‘ von Slowenien bis ins Weinviertel und in Nordwest­ italien; auch 2009a, 14f.). 18 Krone 19.10.2011, 14f. (In Deutschland werde der Magdalensberg bereits wieder aus den Büchern genommen, weil keine oben waren …). Dass Gleirscher neben Polemik auch das

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Plagiat zur Methode erhoben hat, zeigt sein aus den Vorträgen und Berichten von H. Dolenz und C. Baur (nun Dolenz, Baur 2011) ‚schöpfender‘ Beitrag zur Karnburg (2011a), wobei er an deren Ergebnissen noch vor kurzem scharfe Kritik ­äußerte. Endet ca. 550 v. Chr. Gegenüber Gleirscher 2011b weiterhin maßgeblich Tomedi 2002 (trotz Gleirschers Polemik in Germania 83, 2005, 418–422, wo er übrigens selbst das Fehlen von reguli in Frög feststellt). Zeige mit Fürstenhalle, Kultstätte, Heiligem Hain, Orten der Kraft „Lebensweise, Kult, Weltbild und Gesellschaftsstruktur unserer Vorfahren“; www.Keltenwelt.at; Götter, Gräber und Geschichte (Prospekt Landesmuseum Kärnten). Dazu Schweighöfer 2011. Auf der Esoterikwelle vielfach auch Gleirscher 2006, bis hin zur Deutung der Schalensteine anhand der prädynastischen Statue des ägyptischen Schöpfergottes Min. Gleirscher 2009a; Erklärung gegenüber dem Österreich Journal (www.ou-journal.at/Aktuelles/Presse/gracarca 140703), er sei endgültig zu dem Schluss gekommen, dass sich die viel gesuchte Stadt Noreia hier befunden haben müsse. Gleirscher 2009a, 136 „stammt die wohl qualitätvollste Eberstatuette aus der gesamten keltischen Welt [die berühmteren Beispiele aus Gallien werden unterdrückt] mit größter Wahrscheinlichkeit von der Gracarca“.

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Die Verwendung des Druidenbegriffs im modernen Druidentum: Alleinpraktizierende vs. Ordensgemeinschaften Stefanie Patzer

Zusammenfassung Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Vielfalt des modernen Druidentums. Nicht jeder Neodruide ist, glaubt, lebt und praktiziert Neodruidentum in gleicher Weise. Manche Druiden stehen in Beziehung zueinander, andere bevorzugen es, alleine als sogenannte „hedge“ Druiden zu praktizieren. Neodruidentum stellt für manche eine neuheidnische Religion dar, eine Lebenseinstellung, oder es wird verwendet als Begriff für eine bestimmte Bildung und Philosophie. Nicht alle Druiden oder Mitglieder eines druidischen Ordens fühlen sich mit den antiken Kelten verbunden – einige jedoch tun dies. Ein moderner Druide zu sein, kann vieles heißen, wobei in einer Sache Einigkeit herrscht: Tu was du willst, solange du niemandem schadest. Respektiere die Natur, sei tolerant, friedfertig und kümmere dich um deine Ausbildung. Heutzutage existieren viele verschiedene Modelle des Neodruidentums. Es handelt sich um ein weltweites Phänomen mit einer gewachsenen Tradition. Im folgenden soll das Phänomen kurz beschrieben werden, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgestrichen werden.Was bedeutet es im täglichen Leben, ein Druide zu sein? Abstract This article deals with the plurality of modern druidism. Not every neo druid is, believes, lives and practises neodruidism in the same way. Some druids are related to an order, others prefer to act in privacy as so-called “hedge” druids. Neodruidism represents for some a neopagan religion, an entire way of life or is used as a descriptive term for education and philosophy. It isn’t even so, that all druids or members of a druid order feel related with the archaic Celts. But there are some who do. Being a modern druid could mean a lot of things, but they all basically agree in: do whatever you want, but don’t hurt anybody. Respect nature, be tolerant, peaceful and look after your education. Today exist many different models of neodruidism. It is a worldwide phenomenon with a grown tradition in its own right. This paper will give a brief description of them and highlight some differences and common grounds.What does it really mean to be a druid in every day’s life?

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1.  Kurzeinführung Der moderne Druidenbegriff verkörpert eine Ökofigur, er ist weise und naturverbunden. Das heute so populäre esoterische Bild basiert zum größten Teil auf der kritiklosen und wörtlichen Übernahme antiker Quellen, wie es bereits seit der Romantik der Fall war und nachhaltig das Bild prägte. Dass die vorhandenen Quellen eher spärlich ausfallen, nicht selten aus zweiter Hand stammen und zum Zeitpunkt ihres Entstehens einen bestimmten Zweck – wie z. B. Propaganda – verfolgten, hatte damals und heute im verklärt-märchenhaften Begriffsverständnis keinen Platz. Die Druiden wurden dank Caesar (Caes.dbg 6,13) zu weisen und verehrten Gestalten, welche die gallische Gesellschaft politisch und geistlich leiteten. Diogenes Laertios (Diog.Laert.viatae philosophorum 5,26–53) vertrat die Vermutung, die Philosophie hätte ihren Ursprung bei den Barbaren, die unter den Kelten wohl die Druiden sein müssten. So entstand das Bild des Druiden als Philosoph. Dank Plinius dem Älteren (Plin.nat.hist. 16,249–251) wurde der Druide zur heutigen Ökofigur und zum Magier (magus) unserer Zeit. Durch ihn entstand das optische Bild von Männern, die in weißen Gewändern und mit goldenen Sicheln rituell bei Mondschein Misteln von geheiligten Bäumen (Eiche) schnitten, um daraus heilende und Potenz fördernde Tränke zu brauen. Auf Grund von geringem Quellenmaterial und dessen kritikloser Rezeption resultiert ein weiteres Problem im modernen Druidentum: Wenn selbst die Wissenschaft nicht weiß, was genau Druiden zu lehren pflegten – da die Lehrinhalte ausschließlich mündlich weitergegebenen wurden – woher nehmen dann moderne Druiden ihre Lehren? Als Lösung bietet sich an, das notwendige Lehrprogramm antiken und mittelalterlichen Überlieferungen – wie Birkhan (Birkhan 2009: 778 –781) schreibt – zu entnehmen, auf archäologische Funde zurück zu greifen – wobei nicht alleine die Fachmeinung sondern ebenso die Meinung inspirierter Interessierter Eingang findet – und sich auf das eigene geheime Insiderwissen zu berufen. Hier wird das Motiv des Geheimnisses zum schützenden Selbstzweck (Patzer 2010: 93f.). Der Glaube, man könne ein authentisches Bild der ursprünglichen Religion mit Hilfe antiker und mit-

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telalterlicher Quellen nachzeichnen, herrscht in allen Bereichen des Neodruidentums vor. Die Annahme geht sogar so weit, man könne authentisches Gedankengut und Praktiken aus ihnen rekonstruieren (Talboys 2005: 122f.). Seit Ende des 18. Jh. gehören Neodruiden in Folge von Ordensgründungen zum Bestandteil der westeuropäischen Kultur-, Religion-, Umwelt- und Wohltätigkeitsszene. Druiden finden sich derzeit fast in jedem Land, ob nun als Alleinpraktizierende oder Anhänger einer Ordensgemeinschaft. Die gesamte Erde scheint an einer Art „Druidenfieber“ zu leiden, das sich noch lange nicht im Abklingen befindet. Manch ein Druidenorden besteht bereits seit mehr als 200 Jahren und hat demnach eine eigenständige Geschichte bzw. Tradition aufgebaut (Patzer 2010: 93). In Großbritannien wurde das Neodruidentum Anfang Oktober dieses Jahres erstmals, nach vierjähriger Untersuchung einer Wohltätigkeitkommission, als gemeinnützige Organisationen eingestuft und dessen Aktivitäten als religiös umschrieben. Das Druidentum gilt somit als ernsthafte Glaubensrichtung, die sich auf eine über tausendjährige heidnische Tradition stützen soll und Natur, Lebewesen und Geister verehrt.1 2.  Druidenverständnis innerhalb moderner Ordensgemeinschaften Nach Helmut Birkhan können moderne druidische Ordensgemeinschaften in drei Hauptzweige gegliedert werden: kulturell engagierte Orden, Masonismus und Neopaganismus (Birkhan 2009: 778 –795). Auf Grund von Überlappungen bzw. Grauzonen kann eine absolute Grenzziehung unter den einzelnen Zweigen kaum erfolgen. Der Grundtenor eines Druidenordens ist hingegen eindeutig bestimmbar. 2.1  Kulturförderung Der Orden „Gorsedd“ zählt zu den kulturell engagierten Druidenorganisationen. Er wurde, wie allgemein bekannt ist, vom Steinmetz Edward Williams (1747– 1826) bzw. Iolo Morgannwg (Iolo = walis. Abkürzung von William) 1792 gegründet. Williams/Morgannwg betrachtete sich selbst als Nachkomme eines archaischen Druidengeschlechts und verband in seinem

Orden seine Phantasien mit dem historischen Bardentreffen „Eisteddfodau“, welches bereits seit dem Jahr 1176 überliefert ist (Birkhan 2009: 781). Er vertrat die Ansicht, dass der walisische Barde der einzig legitime Erbe des keltischen Druiden sei (Maier 2003: 236). Er erfand rituelle Sitzungen, bei denen die Barden Inspiration finden sollten, welche in den drei großen Preis-Zeremonien gipfeln. Bei ihnen werden die besten walisischen Barden gekürt. Wie H. Birkhan so anschaulich darstellt, bedeutet „Gorsedd“ nichts anderes als „darauf sitzen“, wobei zuerst an das Sitzen auf Hügeln und Gräbern gedacht wurde. Man denke an den ersten Zweig des „Mabinogi“, wo der Fürst „Pwyll“ erstmals die elfenhafte Gestalt „Rhiannon“ – seine spätere Gemahlin – vorbeireiten sah, als er auf einem Hügel saß. Die „Gorsedd“-Sitzungen sollten inspirieren, wobei Steinsetzungen als Überbleibsel solcher Treffen interpretiert wurden, weswegen auch heute noch Steinkulissen zum Veranstaltungsort gebracht werden (Birkhan 2009: 783). Heute stellt der „Gorsedd“ einen Druidenorden dar, der seit 1819 beim alljährlich in Wales stattfindenden „Eisteddfod-Festival“ die Preiszeremonien (Krönung, Inthronisierung und Prosamedaillenübergabe) der Künstler durchführt. Zur offiziellen Zeremonie zählen spezielles Equipment (Schwert des Friedens, HirlasHorn der Fülle, Getreide-, Blumen- und Erdgaben), Gebete und rituell durchgeführte Elfentänze von jungen unverheirateten walisische Mädchen.2 Die Ordensmitglieder sind je nach ihrem Rang in verschiedenfarbige lange Roben gekleidet (weiß = Druide, blau = Barde, grün = Seher) und mit bronzezeitlich wirkendem Schmuck behängt. Mitglied kann jeder werden, der vom Orden nominiert wurde, eine walisische Sprachprüfung absolviert und die walisische Kultur und deren gefährdete Sprache propagiert. Neben offiziellen Aufnahmeprüfungen werden auch bekannte Persönlichkeiten in den Orden initiiert, wie z. B. 1946 die spätere Königin Elizabeth II., die auch ohne absolvierte Prüfung zur Ehrendruidin ernannt wurde. In den Rang eines Druiden können nur Mitglieder erhoben werden, die beim „Eisteddfod“ einen der drei Preise gewonnen haben (Patzer 2010: 112– 117). Morgannwgs „Gorsedd“, das Hand in Hand mit dem nationalem „Eisteddfod-Festival“ einhergeht, hat bereits großen Einfuß auf Nationalstolz und Kultur

der Waliser genommen. In Buchstabentabellen von Sonntagsschulen steht B für Barde, D für Druide und H tatsächlich für das zeremonielle Hirlas Trinkhorn (Birkhan 2009: 785; 1999: Abb.765 –767). 2.2 Wohltätigkeitsgemeinschaften und Masonismus Hierzu zählen vor allem der „Ancient Order of Druids“ (AOD) und der davon abgespaltene „United Ancient Order of Druids“ (UAOD). Es handelt sich hierbei um Herrengesellschaften (Society of Gentlemen), die sich, gleich dem Freimaurertum, der Humanität verschrieben haben. Schlagworte – wie Freiheit, Gleichheit,Toleranz und das Streben nach Bildung – und nicht eine Verbindung zum Keltentum umschreiben die Grundhaltung der zwei Ordensgemeinschaften. Sie waren für Henry Hurle ebenso ausschlaggebende Faktoren der Namenswahl. Er gründete den AOD am 28.11.1781 in einem Londoner Pub namens „Old King’s Arms“ in der Poland Street und verlieh ihm den Namen „Druiden.“ Im Dezember 1833 spaltete sich der UAOD vom AOD ab, da sich der AOD, trotz Wohltätigkeitsarbeit, mehr der Esoterik anzunähern begann, als manchem Mitglied lieb war. Der UAOD agierte weiterhin als der vernunftorientierte Orden, der sich als „Friendly Society“ der sozialen Hilfsbereitschaft verschrieben hat. Der UAOD ist auch heute noch eine Wohltätigkeitsorganisation, die ihren Mitgliedern in Notzeiten (z. B. Witwenschaft, Arbeitslosigkeit usw.) als eine Art zusätzliche „Sozial-Versicherung“ beisteht. In Deutschland nennt sich diese ehrenamtliche Sozialeinrichtung „Druiden-Hilfe e.V.“, bei der jeder Mensch – auch „nicht Druide“ – herzlich zu spenden eingeladen ist. Da die meisten Gründungsmitglieder bereits dem Freimaurertum angehörten, verwundert es nicht, dass sie sich an deren Organisationssystem anlehnten, das bis heute noch eine freimaurerähnliche Struktur aufweist. Beide Orden sind in Form eines siebenstufigen Grund- und Hochgradsystems strukturiert. Zu den Grundgraden zählen der „Ovates-“, „Barden-“ und „Druiden-“ Grad, zu den Hochgraden der „Kapitel-“, „Ring-“, „Alterz-“ und „Ritter-“ Grad. Der Aufstieg zum nächst höheren Grad wird demokratisch durch Geheimabstimmungen der Brüder bestimmt. Die Berechtigung zur Wahl ist durch Grad, Engagement und

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Mitgliedschaft festgesetzt (Patzer 2010: 117–122). Ein interessantes Detail stellt hier die durch Fehllesung entstandene Bezeichnung des 1. Grundgrades Ovates dar. Hier geschah folgendes: Das lat. Wort vates für einen „inspirierten Dichter“ wurde durch die missinterpretierte griechische Schreibweise als ovates gelesen. Der „inspirierte Dichter“ wurde folglich zu einer Vorstufe des Druiden, zu einer Art Geselle (Birkhan 2009: 787). Die Verwendung der Fehllesung findet sich wiederum im ersten Grundgrad des VAOD, UAOD und anderer Orden wieder. Die Vereinstreffen finden in einem Zweikreissystem statt. Sitzungsinhalte des äußeren Kreises sind auch für Familienmitglieder, Besucher und „Außenwelt“ zugänglich, wohingegen der innere Kreis nur aus Eingeweihten besteht und die Inhalte geheim gehalten werden. Die einzelnen Logen werden unter nationalen Großlogen und diese seit 1908 unter einem Überverband der „International Grand Lodge of Druidism“ zusammengefasst. Dieser überwacht die Verbreitung der Organisationen und die Regeleinhaltung der nationalen Großlogen und vertritt im internationalen Rahmen deren Interessen. Orden und Logen sind in öffentlichen Vereinsregistern eingetragen, Beschreibungen und Basishintergründe ihrer Organisation sind via Internet öffentlich gemacht. Hinter dem ersten Schein der Transparenz, halten aber auch diese „vernünftigen“ Orden Inhalte zurück, wie beispielsweise fixe Ritualinhalte, Sitzungsinhalte des inneren Kreises, Initiationsriten, Symbole und Kodizes. Schweigen gilt als Tugend und jedes Mitglied muss bei seinem Eintritt Stillschweigen geloben. Mitglied kann jeder Mann werden, der das Mindestalter von 24 Jahren erreicht hat, finanziell unabhängig ist und als fleißiger Arbeiter im Leben steht. Frauen sind im freimaurerähnlichen System unerwünscht, da sie die Brüder durch ihr Geschlecht vom Lernen und Lehren ablenken könnten. Erst seit 2004 existiert eine streng getrennte Frauenloge (Birgitta-Loge). Trotz ihres Strebens nach Bildung und dem Drang selbst zu bilden – wie es die alten Druiden ja auch getan hatten – verrichtet der auf Vernunft bedachte masonistische Orden neuheidnisch anmutende Riten in neolithischen Stätten Großbritanniens. Selbst der damalige Handelsminister Winston Churchill (1874–

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1965) nahm am 15.08.1908 an einem Initiationsritus in Stonehenge teil. Es existieren Fotos seines Beitritts inmitten von Männern in wallenden, weißen Gewändern und angeklebten Bärten. Neben suspekten Ritualen richten sich beide Orden nach Merlins sieben Gesetzen, welche sich ebenso im Symbol der Orden, dem siebenzackigen Stern, wiederfinden. Jede Zacke steht für eines von Merlins fiktiven Gesetzen. Der Inhalt der Gesetze ruft zur Vernunft, (Vaterlands-) Treue, Toleranz, Frieden und gegen untugendhafte Laster auf. Warum als Gesetzespatron gerade Merlin gewählt wurde, ist unklar und ist mit der proklamierten Rationalität wenig zu vereinbaren. Trotzdem grenzen sich der AOD und VAOD deutlich vom neuheidnischen Druidentum ab. Der Unterschied zum neopaganen Zweig moderner Druidenorganisationen besteht darin, dass sich die Mitglieder des AOD und VAOD nicht als Neuheiden und ihre druidischen Rituale nicht als religiös betrachten, sondern ihr Tun lediglich als humorvollen Zeitvertreib verstehen (Patzer 2010: 117–126).3 2.3  Neopaganismus Die weltweit größten neopaganen Druidenorden sind der „Order of Bards Ovates and Druids“ (OBOD), die „Reformed Druids of North America“ und deren Absplitterung der „Ár nDraíocht Féin“ (ADF). Allen drei Orden ist die Auslebung des Druidismus als neopagane Religion gleich, die sich gegen die doktrinreichen Weltreligionen aussprechen. Der OBOD spaltete sich 1964 unter dem späteren Erzdruiden Ross Nichols vom masonistischen Zweig des AOD/UAOD ab. Nicht uninteressant ist, dass ein guter Freund von Ross Nichols der Wicca-Gründer Gerald Gardner war. Nichols schuf einen naturverbundenen Alternativglauben, dessen Tradition er auf eine ungebrochene Linie von Druiden zurückführte, die bereits vor 800 Jahren in der Universität Oxford als ­Alchemisten ihre Geheimlehren verbreiteten. Dass Oxford erst im 13. Jh. aus einer Klosterschule hervorging und nicht wie der Mythos besagt im 9. Jh. von Alfred dem Großen gegründet wurde, zeigt Nichols Bereitschaft, an Mythen zu glauben. Laut Nichols zählten auch der Altertumsforscher John Aubrey (1626 –1697), der Freidenker John Toland (1670 –1722) und der Arzt

und Geistliche William Stukeley (1687–1765) zu den Druiden des späteren OBOD. Die Entstehungsgeschichte des AOD und UAOD sei laut Nichols nichts als eine Fälschung für Gutgläubige. Der OBOD wurde von seinem bevorzugten Schüler Philip Carr-Gomm einige Jahre nach seinem Ableben neuorganisiert. Es kursiert der Mythos, dass der verstorbene Ross Nichols Carr-Gomm im Traum erschienen sei und diesen bat, seinen verkommenen ­Orden neu zu kreieren. Ziel war es, die von der Natur entfremdete, desorientierte Menschheit zurück in den Schoß von Mutter Natur zu treiben. Der Orden selbst betätigt sich im Umweltschutz und führt Kampagnen zur Pflanzung von heiligen Bäumen durch. Das Druidentum des OBOD gilt als eigene Spiritualität mit eigenen Glaubensgrundsätzen, deren Lehren in Schul- und Fernkursen unterrichtet werden. Zu ihren Lehrinhalten zählen das Studium ­ antiker und mittelalterlicher Quellen, Naturkunde, die Entstehungsgeschichte der Druidenorden, die eigene ­Ordensgeschichte, das Leben des jeweiligen Erz­druiden (hier Carr-Gomm), die OBOD Glaubenslehren und der Wicca-Kult. Wie im masonistischen System werden hier die Mitglieder in drei Grundgrade eingeteilt. Sie repräsentieren Status und Ausbildungsstand der Mitglieder. Im Gegensatz zum AOD und UAOD steht hier nicht der „Ovaten“-, sondern der „Barden“-Grad an erster Stelle. Er wird vom „Ovates“- und schließlich vom „Druiden“-Grad gefolgt. Wie man sofort erkennt, übernimmt auch der OBOD die Fehllesung des lat. vates. Einschränkungen der möglichen Mitglieder gibt es nicht, was den OBOD folglich zum größten Druidenorden werden ließ, wobei die offiziellen Mitgliedszahlen in ihrer Höhe zwischen 4000 und 8000 schwanken. Auch der OBOD ist, wie der AOD und UAOD, in Europa, Amerika, Japan, Australien und Afrika vorzufinden (Patzer 2010: 126 –133). Zur Frage, ob sich der OBOD als Nachfahre des archaischen Druidentums verstehe bzw. ob er seine Lehren als authentisch druidisch bezeichnen würde, antwortet er: „Many people believe … that we couldn’t possibly be tea­ ching authentic Druid wisdom. We, however believe that we are.“ 4 Als konträres Exempel wird hier der amerikanische

Druidenorden „The Reformed Druids of North America“ vorgestellt, der 1964 von den Studenten David Fisher, Howard Cherniack und Norman Nelson im Carleton College (Minnesota) als Streich gegründet worden war. Im Gegensatz zu den ehrenwerten Gründungsmotiven der masonistischen und kulturfördernden Orden oder den religiösen Hintergründen eines OBOD entstand der RDNA als rebellischer Akt. Die vier genannten Studenten wollten einem wöchentlich verpflichtenden Gottesdienst, welcher als Edikt vom College-Präsidium festgelegt worden war, entgehen. Die einzige Möglichkeit, dem veralteten Regelsystem des College zu entfliehen, war es, eine eigene Religion mit eigenem Gottesdienst zu erschaffen. Sie gründeten einen Druidenorden, dessen Name auf Grund geringer historischer Quellenlage mit einem gewissen Touch des Mystischen gewählt wurde. Durch die Namenswahl erhofften sie sich zusätzlich eine ­gewisse Legitimität. Die Gründer bezogen sich ursprünglich weder auf das Keltentum noch deren Druidenklasse. Man erfand bewusst und amüsierte sich darüber. ­Jeder durfte an das glauben, was er wollte, solange keinem damit Schaden zugefügt wurde. Niemals aber sollte man verlernen, über sich selbst und sein Tun zu lachen. Fisher verfasste zwei Grundwerke – „The Druid Chronicles“ und das „Green Book of Meditation“. Ersteres verkörpert die Grundliturgie des Ordens, die in Stil und Sprache sehr der biblischen Liturgie ähnelt. Das ist wiederum nicht verwunderlich, da die Gründer aus christlichen und jüdischen Haushalten stammten. Das zweite Grundwerk stellt einen praktischen Leit­faden des RDNA dar. Fisher übernahm sowohl ­liberal-christliches als auch fernöstliches Gedankengut und Ideen der Freimaurerei, fügte ein paar keltisch ­anmutende Elemente hinzu (z. B. uisce-beatha „Lebenswasser“) und formte daraus etwas komplett Neues. Auch im RDNA gibt es ein Drei-Gradsystem, wobei der dritte Grad den inneren Kreis des Ordens, d. h. die eingeweihten und höchsten Mitglieder des RDNA, darstellt. Nur sie dürfen Opferungen (Nahrung und Pflanzen) vornehmen und andere Mitglieder in ­höhere Ränge erheben. Bereits nach einem Jahr wurde das Edikt des Präsidiums aufgehoben und für den Orden bestand kein Grund weiter zu existieren. Gegen die Vermutung der

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Gründer hatte sich der Orden vom Amüsement zur ernsthaften Glaubensrichtung etabliert und bestand über viele Jahre weiter. Mitglieder wie Robert Larson und Isaac Bonewits formten den Orden immer mehr zu einer neopaganen Religion mit strengeren Regeln und fixen Riten. Beispielsweise sollte jedes Mitglied die acht Feste des keltischen Jahreskreises in festgelegten Zeremonien zelebrieren. Im Laufe seiner Existenz breitete sich der RDNA über ganz Nordamerika aus und war nicht mehr allein innerhalb der CollegeGrenzen anzutreffen. Wie auch im AOD zerstritten sich die radikal-heidnischen Mitglieder mit den eher konservativen Mitgliedern und es kam auch hier zu diversen Abspaltungen. Beispielsweise wurde der neu reformierte Orden „New Reformed Druids of North America“ und der „Ár nDraíocht Féin“ gegründet. Im Jahr 1981 löste sich der RDNA auf und wurde erst 1992 von Michael Scharding in seinem ursprünglichen Sinn neu gegründet. Heute hat der RDNA seinen Humor wieder gefunden und empfindet sich mehr als philosophischer Verband, in dem auch Neuheiden willkommen sind, und weniger als neopagane Glaubensrichtung (Patzer 2010: 133–141). Der aus Fishers reformiertem Druidenorden abgesplitterte „Ár nDraíocht Féin“ (ADF) wurde von dem späteren Erzdruiden Isaac Bonewits gegründet. Der Name bedeutet so viel wie „A Druid Fellowship.“ Bonewits Person gilt nicht nur unter den ehemaligen Mitbrüdern bzw. -Schwestern des RDNA als fanatisch, diktatorisch und machtbesessen. Das Ziel, einen Mutter-Orden zu gründen, dem alle anderen Haine und Verbände hierarchisch unterlagen, war ­bereits im RDNA ein großer Streitpunkt unter ­dessen Mit­gliedern. Im ADF setzte Bonewits seine Vorstellung um, gleichzeitig schrieb er dem Erzdruiden mehr Aufgaben und Rechte zu. Bonewits und sein ADF stehen nicht nur bei amerikanischen Druiden unter ständigem Beschuss. Seine strengen Strukturen und starren Vorschriften sprechen gegen das Grundprinzip des Neodruidismus. Individualismus und Regellosigkeit, die Seele des modernen Druidenwesens, finden bei Bonewits nur begrenzt Platz. Trotz laufender Kritik bleibt Bonewits seinen Grundsätzen treu und meint: „… I get a lot of feedback, but I make the final decision. These are the rules of this game.You can criticize them, but

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the rules of the game are the rules of the game. If you don’t want to play by them, you should probably start your own Druid group, and I hope you succeed. Some people will think that makes me autocratic and they’re probably right.” (Adler 1997: 327) Bonewits wollte ein komplett neues Druidentum erschaffen, indem die Natur und vorrangig keltische Gottheiten verehrt werden. Neben dem Keltentum bezog er auch das Römer-, Griechen- und Slawentum und Elemente der Nordmänner in sein neues Glaubenssystem mit ein. Seine Religion, so meint er, würde heute wie damals verstanden werden, da sie auf korrekter Rekonstruktion basiere. Seine Ergebnisse stammen aus Wissenschaft und historischen Quellen. Auf welche Quellen oder Wissenschafter er sich bezieht, gibt er nicht preis. Zum Druiden wird man im ADF schnell. Einschränkungen gibt es nicht. Man braucht nur ein Formular auszufüllen und Geld einzuzahlen und darf den ­Titel tragen. Um das nötige Wissen zu erlangen, werden ­jedem Mitglied Lernunterlagen geschickt. Es sollten Kurse, Fortbildungen und bestehende Interessensgruppen (Gilden) besucht und jahreszeitlich stattfindenden Festen und Zeremonien (Taufen, Hochzeiten, …) beigewohnt werden. Eine leitende Position kann jedoch nur derjenige erlangen, der das ADF-Neodruidentum als Hauptkonfession annimmt. Der ADF bildet auch seinen eigenen Klerus mit Vollzeitbeschäftigung aus. Nach Bonewits Wunsch sollte sich der Orden zum Vorbild aller neopaganen Strömungen etablieren. ­Humor und Witz hätten in einer ernsthaften Religion keinen Platz. Der ADF muss aktiv gelebt werden, wobei jedem Mitglied freisteht, seinen Druidenweg als Alleinpraktizierender auszuleben. Halbe Sachen und Hobbydruiden duldet man im ADF jedoch nicht. Der ADF ist in den USA bereits seit Jahren als „Nonprofit Religious Association“ gemeldet und versteht sich gegenüber den anderen Druidenorden am radikalsten als Religion. In seiner Zukunftsvision sieht Bonewits, der seit Ende der 1990er Jahren seinen Platz als Erzdruide auf Grund von Krankheit aufgeben musste, den ADF als eine der großen Weltreligionen. ADF-Haine und Tempel­anlagen sollten in ganz Amerika und Europa vorzufinden sein. Der Klerus sollte einen Sitz in der internationalen Religionskonferenz erhalten. Ganz im

amerikanischen Stil sollten täglich Messen über das Fernsehen übertragen werden, am besten weltweit. Die acht keltischen Jahresfeste sollten ausnahmslos von Stonehenge aus übertragen werden (Patzer 2010: 141–150).5 3.  Druidenverständnis unter Alleinpraktizierenden Neben in Ordensgemeinschaften praktizierenden Druiden gibt es eine weit höhere Anzahl von alleinpraktizierenden Druiden, die – im privaten Rahmen – ihren ganz eigenen und persönlichen Druidenbegriff auszuleben suchen (Talboys 2005: 186). Dabei kann ihre Selbstbezeichnung entweder als Beruf oder als ­unverrückbare Lebensbestimmung betrachtet werden. Auch als Einzelperson kann man sich im privaten Rahmen einen Lehrer suchen, auf Inspiration und ­Eingebung warten oder sich über Internet und Fernkurse diverser Orden zum Druiden ausbilden lassen. Prinzipiell jedoch ist all dieser Aufwand gar nicht ­nötig, denn jeder, der mag, kann nach Eigendefinition zum Druiden werden (Birkhan 2009: 792f.). Da es für die Kategorie des modernen Druidentums einfach zu viele Beispiele gibt, beschränkt sich dieser Artikel auf zwei Exempel: den österreichischen Druiden „Raborne“ und die Homepage des deutschen Druiden Rainer Jenderny. 3.1  Fallbeispiel: „Raborne“ Der in der Gemeinde Sooß (Österreich) beheimatete Druide Anton „Raborne“ Urszovics war überzeugt, ein wiedergeborener Druide zu sein. Er wohnte in einem bemalten Lebkuchenhaus, dem Märchen ­„Hänsel und Gretel“ nachempfunden, wo er seiner Berufung als alleinpraktizierender Druide nachging. „Rabornes“ selbstgewählte Isolation hinderte ihn nicht daran, Sommerkurse6 und Erlebnisurlaube – wie „Tour der Kultur“ (29.07–12.08.2007)7 und „druidische Sternwanderung“ (2004)8 – zu veranstalten und Schüler zu unterrichten. Er gründete, aus dem Drang zu unterrichten heraus, einen eigenen Verein namens „Artemisia Nemeton“, dessen Ziel die Verbreitung druidischer Weisheiten war.9 Im Zuge seiner Veranstaltungen wurden Photoworkshops, Begehungen „keltischer“ Kult- und Kraftplätze, druidische Über-

lieferungen vom Loosdorfer Sternenhimmel, Einführungen in die Kunst des Hellsehens, philosophische Diskussionen, Ballonfahrten und Treffen mit echten Druiden wie „Raborne“ und dessen Schülern ­angeboten (Patzer 2010: 103). Quellenangaben und historische Hintergründe dieser Kulturangebote ließen sich trotz Bemühungen nicht ausfindig machen. Sie zählen zu „Rabornes“ geheimem Insiderwissen und sind für Außenstehende nicht zugänglich. Nicht selten wird er als fanatisch und gefährlich ­beschrieben.10 Wilhelm Cerveny, der Erbauer des neo­ lithisch-keltischen Steinkreises im Dunkelsteinerwald (NÖ), beschrieb „Raborne“ in einem Interview als ­einen strengen und nicht unbedingt angenehmen Lehrmeister. Er soll mit seinen Schülern menschlich nicht korrekt umgegangen sein. Er war unangefochtener Führer desVereins, und seine Schüler, so Cerveny, taten widerspruchslos, was er von ihnen verlangte.11 Der Presse fiel „Raborne“ 1992 negativ auf, als einer seiner Schüler (22 Jahre) versuchte, den eigenen acht Monate alten Sohn zu erstechen. Die versuchte Tötung sollte diesem seine abhanden gekommene Lebensenergie zurückgeben, die ihm durch die Geburt seines Sohnes entzogen worden war. In Bezug auf Caesar (dbg 6/16) behauptete er, das Recht zu haben, über Leben und Tod zu entscheiden. Immerhin sei er Druide (Birkhan o.J.: 33). Leider konnte das für den Artikel geplante Interview mit „Raborne“ nicht mehr durchgeführt werden, da er am 16.07.2010 in Melk verstarb. Die Information seines Ablebens stammt vom örtlichen Gemeindeamt Hürm und wurde widerwillig und erst nach offiziellem Informationsantrag samt Begründung gegeben. Der österreichische Verein „Artemisia Nemeton“ stellte einen Konkursantrag, der am 20.05.2010 abgewiesen wurde.12 Am 20.11.2010 war es mir möglich, ein Interview mit „Rabornes“ Lebensgefährtin, Gabriele Steinhuber, und einem weiteren Mitglied des Vereins „Artemisia Nemeton“, der Tante des Opfers, durchzuführen. Laut ihnen war „Raborne“ ein gütiger, humorvoller und geistreicher Mensch, der sich als „Mitspieler“ und nicht als hierarchischer Lehrer empfand. Der Verein befindet sich derzeit in Stilllegung und wird vielleicht in Zukunft wieder in „Rabornes“ Sinne aufleben. Der Verlust von „Raborne“ als Freund und „Mitspieler“ wird

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betrauert. Frau Steinhuber wohnt bis heute im bemalten Lebkuchenhaus, dessen Bemalung, ihrer Aussage nach, in einer scherzhaften Laune entstanden ist. Die versuchte Tötung des Kindes soll nicht aufgrund von „Rabornes“ Lehren, sondern in geistiger Umnachtung erfolgt sein, die sich beim Betroffenen schon vorher gezeigt hatte. „Raborne“ hatte angeblich versucht, die Polizei zu warnen, wurde aber nicht ernst genommen. Der Täter stellte sich, laut Interviewpartnern, selbst und führte die Beamten zum Tatort. Das Kind konnte gerettet werden. Der Täter soll sich angeblich brieflich bei „Raborne“ der Verleumdung wegen entschuldigt haben. Er nahm sich vor einigen Jahren das Leben.13 3.2 Vertreter im Web Als Vertreter im Web ist die Homepage „Druidenwelt“ vorzustellen. Der Webmaster, Rainer Jenderny (Deutschland), wusste durch eine plötzliche Eingebung, dass er Druide sei.14 Die Idee, seine privaten Erfahrungen und das eigene Wissen über Druiden, Anderswelten, Magie und Spiritualität mit anderen Gleichgesinnten zu teilen, hatte er im Jahr 2000. Nur wenige Zeit später erschienen seine ersten Erfahrungsberichte im Internet. Der Inhalt seiner Berichte ist weitgefächert und relativ oberflächlicher Natur. Sie handeln von persönlichen Begegnungen bzw. Erfahrungen mit Götterwesen, Baumfreunden, der Anderswelt, Arthur und einer nichtbenannten grünen Insel – bei der es sich vielleicht um Irland handeln könnte.15 Historische Hintergründe, mythologische Zusammenhänge, Namen und Ortsbeschreibungen werden dem Leser nicht gegeben – immerhin handelt es sich dabei um private Erlebnisse! Solch eine Handhabung macht die Überprüfbarkeit und den Nachvollzug unmöglich. Beim Öffnen der Homepage wird der Besucher mit einem als keltisch bezeichneten Segen begrüßt. Auch hierzu fehlen wiederum jegliche Quellennachweise. Der Leser muss dem Webmaster und seiner Kompetenz gewissermaßen vertrauen. „Mögest Du arm an Unglück sein, und reich an Segen, langsam darin, Dir Feinde zu machen, und schnell bei der Freundschaft. Doch ob reich oder arm, schnell oder langsam, mögest Du von diesem Tag an nichts als Glück kennen.“ 16

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Die Wurzeln des Druidentums – wobei in diesem Zusammenhang interessanterweise nicht zwischen archaischen und neuzeitlichen Wurzeln unterschieden wird – könnten laut Ersteller älter sein als das Keltentum selbst. Wobei er auch diesmal seine Behauptung auf keinerlei wissenschaftlichen, literarischen oder esoterischen Beleg stützt. Der Leser bleibt nicht lange seinem Grübeln überlassen, denn man wird wenige Zeilen darunter bereits aufgeklärt. Nach den Angaben „einiger Menschen“17 – wie er tatsächlich schreibt – könnte der Ursprung des Druidentums vor imposanten 25.000 Jahren datieren und sogar bis nach ­Atlantis zurückreichen. Das Neodruidentum sei nach dem Webmaster kein Rekonstruktionsversuch des archaischen Druidenwesens, wobei er zugesteht, dass man in diesem die ­geistigen Ahnen sehe. Dogmen und festgelegte religiöse Praxen existieren nicht. Das moderne Druidentum ist ein offenes Glaubenssystem, in dem prinzipiell alles erlaubt und nichts verboten ist, was sich mit den Grundprinzipien vereinbaren lässt.Allein die Liebe zur Natur, der Drang, diese zu schützen, und das Bedürfnis, nicht länger blind für deren geistige Beseelung zu sein, sind ausschlaggebende Gründe, sich dem Druidenpfad zuzuwenden. Demnach stellen alleine der Kontakt zur Natur und deren Geister für den Webmaster und Alleinpraktizierenden die Haupt- bzw. Lebensaufgabe eines Druiden dar. Für ihn heißt Druide zu sein, wie ein Druide zu leben, zu glauben und zu handeln. Wobei er auch Personen als Druiden anerkennt, die sich nicht dem neuheidnischen Weg angeschlossen haben und das Druidentum als Philosophie und Lebenseinstellung betrachten.18 Der absolute Höhepunkt dieser Privatseite ist jedoch die Anleitung, wie man einen Baumfreund findet und am besten mit diesem zu sprechen pflegt. Spontaneität, Offenheit und Höflichkeit sind Voraussetzung für eine heilsame Zusammenarbeit mit einem Baum. Hierzu ein Textbeispiel, das für sich selbst spricht: „Auch wenn Bäume einer bestimmten Art gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, so ist doch jeder Baum ein Individuum. Sieh Dich nach einem Baumfreund in Deiner Nähe um, mit dem Du bei regelmäßigen Besuchen innere Zwiesprache halten kannst. Oder gehe einfach in den Wald und öffne Dich spontan für eine heilsame Baumbegegnung. Bäume sind in der Regel gerne zur Zusammenarbeit bereit. Du

solltest Deinen Freund vorher jedoch danach fragen. Oft ist ein Körperkontakt für beide Seiten angenehm. Berühre dabei Deinen Baum mit den Händen oder lehne Dich (stehend oder sitzend) mit dem Rücken an ihn. Schließe Deine Augen und achte auf die Energien, die zwischen Dir und Deinem Freund fließen. Frage ihn nach einem heruntergefallen Stück Holz, einem Ast oder Blättern. Bitte ihn immer um Erlaubnis, bevor Du etwas von ihm mit Dir nach Hause nimmst.“ 19 4.  Zusammenfassung: Druidenbegriff unter modernen Praktizierenden Abschließend kann gesagt werden, dass unter alleinpraktizierenden Druiden und Druidenorden der Name „Druide“ selbst die größte Gemeinsamkeit darstellt. Die Gründe der Hinwendung, ja selbst die ­ Motive der Ordensgründungen variieren. Einige ­ wurden im ­ angeheiterten Zustand innoviert, im Zuge von ­studentischer Rebellion, mit philosophischen Hintergedanken oder als erhoffte neue und bessere Religion bzw. Lebensweise gegründet. Mancher Orden strebt sogar ­danach, den Platz an der Spitze der Weltreligionen mit Christentum und Islam zu teilen. Druiden empfinden sich als Natur- und Denkmalschützer. Nicht wenige Druidenorden wollen Stone­ henge vor Kommerzialisierung bewahren20 und treten für die Wiederbestattung keltischer Knochen ein. Wer, wenn nicht sie, sollte die keltischen Ahnen vor gaffenden Museumsbesuchern schützen (Blain, Wallis 2007: 189–208).21 Schlagworte wie Natur und deren Schutz, Toleranz, Bildung, ein allumfassender Friedenswunsch und der implizierte Widerwille gegen Gewalt – wozu auch Blutopferungen zählen – definieren das Neodruidentum beider Varianten und bilden die dominantesten Grundprinzipien (Greer 2007: 139; 165–67; Harvey 1997: 17). Auslebung und -legung bleibt jedem selbst überlassen. Individualismus, Regellosigkeit und Eigenverantwortung bestimmen das Handeln (Talboys 2005: 180; 186). Alles, was nicht mit Fakten bewiesen werden kann, wird in den Schleier des Geheimnisses gehüllt. Meist zum Schutze der gesamten Welt, denn Wissen bedeutet Macht und Macht kann in falschen Händen mit Zerstörung gleichgesetzt werden. Was unterscheidet die Stellung des alleinpraktizie-

renden Druidenbegriffs vom in Orden verwendeten Druidenbegriff? Ist ein Einzelgänger oder Ordens­ bruder im neuheidnisch- esoterischen Rahmen echter oder gar mehr wert als der andere? Nach Graeme K. Talboys, alleinpraktizierender ­Druide und Ordensmitglied, ist ein alleinpraktizierender Druide keinesfalls weniger oder ein geringerer Druide als ein Ordensmitglied. Er schränkt seine Aussage jedoch dadurch ein, dass komplette Isolation – selbst zu den keltischen Jahresfesten – wider die druidische Natur sei. Kann man Talboys Worten Glauben schenken, so würde jedoch jeder Alleinpraktizierende über kurz oder lang einem Orden beitreten, um mit Gleichgesinnten lehren und lernen zu können (Talboys 2005: 186). Ein Grundprinzip des Druidenwesens ist, andere zu bilden. Ganz so regellos und tolerant scheint auch Mr.Talboys nicht zu sein, der lediglich ein Exempel unter vielen darstellt. Talboys Verständnis nach bedeutet der moderne Druidenbegriff folgendes: „Being a Druid is not just about ceremonial and ritual practice. It is an entire way of life.“ (Talboys 2005: 216). „… it is important to recognise that this is no game, no hobby, no weekend pastime, and no mere academic interest. The Druid Way is a living tradition …The Druid Way, then and now, is a constant celebration of life …“ (Talboys 2005: 216). An diesem Zitat lässt sich erneut ablesen, dass Druide zu sein bedeutet, ein Druide zu SEIN, es nicht zu spielen oder sich allein hobbymäßig zu verkleiden. Das rein akademische Interesse an den keltischen Druiden steht im Schatten der wirklichen Lebensart und reicht nicht aus, das Druidentum von damals und heute zu verstehen. Im Neodruidentum werden direkte Beziehungen zum archaischen Druidenwesen entweder abgestritten oder zugelassen, wie im obigen Zitat behauptet. Man geht davon aus, dass weder die römische Invasion noch die spätere Christianisierung dazu imstande waren, das Druidentum vollständig zu eliminieren. Grundprinzipien der druidischen Glaubenslehre hätten folglich sowohl auf den britischen Inseln als auch am Kontinent bis in die Gegenwart überdauert (Hughes, Evans 1995: 28). Wissenschaftlich beweisen oder überprüfen kann man, auf Grund mangelnder Fakten und Insiderwissen,

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solch eine Aussage nicht. Dass es eine kontinuierliche Tradition von der Antike bis heute geben soll, welche die gesellschaftlichen Veränderungen und Christianisierung unbeschadet überdauert hat, erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich. Als Abschluss ist folgender Satz angeführt, der den modernen druidischen Standpunkt der wissenschaftlichen Meinung gegenüber deutlich aufzeigt: „… only arrogance would suggest that nothing of their faiths, beliefs or science survives today.“ (Hughes, Evans 1995: 29).

Zusammenfassend könnte der moderne Terminus des Druiden als offene Glaubenseinstellung und Lebensweise betrachtet werden, die gleichberechtigt von Einzelpersonen wie auch von zusammengeschlossenen Personengruppen praktiziert werden kann. Hinter den Praxen stehen keine fixen Dogmen. Man tut und glaubt an das, woran man glauben will. Es muss auch nicht zwangsläufig mit dem Keltentum in Verbindung stehen, wobei es meist in irgendeiner Form in Bezug zu jenem steht (Patzer 2010: 94).

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

1 Vgl. http://derstandard.at/1285199840345/GrossbritannienDruidentum-als-Religion-anerkannt (5.10.2010) und http:// bbc.co.uk/news/uk-11457795?print=true (5.10.2010). 2 Vgl. http://www.eisteddfod.org.uk/english/ (7.08.2010). 3 Vgl. http://www.druiden-orden.de (7.08.2010). 4 http://www.druidry.org/modules.php?op=modload&name= PagEd&file=index&topic_id=2&page_id=79 (1.11.2010). 5 Vgl. http://www.adf.org/ (7.8.2010). 6 Vgl.http://www.kersti.de/V0078.HTM (15.10.2010). 7 Vgl. http://druide-raborne.de/seminare.pdf (26.02.2009). 8 Vgl. http://herrenberg.de/fileadmin/website/aktuelles/ amtsblatt/2004/2004_33.pdf (26.02.2009). 9 Vgl. http://druide-raborne.de/seminare.pdf (26.02.2009). 10 Vgl. http://elk-wue.de/fileadmin/mediapool/elkwue/ handbuch_fuer_224.pdf (26.02.2009). 11 Vgl. pers. Interview mit W. Cerveny: 31.10.2010 um 11 Uhr in Geyersberg 2, A-3122 Gansbach. 12 http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID= 3915&Alias=amtsblatt&abClass=Konkurse&abKategorie= Abgewiesene+Konkursantr%E4ge&abId=243559 (28.10.2010). 13 Vgl. pers. Interview mit G. Steinhuber und Freundin: 20.11.2010 um 17 Uhr in Sooß 5, A-3382 Loosdorf. 14 Vgl. http://www.druidenwelt.de/index5.html (27.10.2010). 15 Vgl. http://www.druidenwelt.de/index5.html (27.10.2010). 16 http://www.druidenwelt.de/index5.html (27.10.2010). 17 Vgl. Ebd. (27.10.2010). 18 Vgl. Ebd. (27.10.2010). 19 http://www.druidenwelt.de/index5.html (27.10.2010). 20 Vgl. http://bbc.co.uk/news/10348702?print=true (18.10.2010). 21 Vgl. http://newsvote.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/1/hi/england/ wiltshire/8606323.stm (20.10.2010).

a.  Bücher Adler M. (1997), Drawing down the moon. Witches, druids, goddess-worshippers, and other pagans in America today. New York: Penguin. Birkhan H. (1999), Kelten. Bilder ihrer Kultur. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Birkhan H. (2009), Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien:Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Birkhan H. (o.J.), Charakteristische Merkmale des altkeltischen Kulturlebens. In: http://homepage.univie.ac.at/ilja.steffelbauer/Birkhan.pdf (1.11.2010). Blain J., Wallis R. (2007), Sacred Sites Contested Rites/Rights. Pagan Engagements with Archaeological Monuments. Eastbourne: Sussex Academic Press. Greer J. M. (2007), The new encyclopedia of the occult, Minnesota: Llewellyn Publications. Harvey G. (1997), Listening people, speaking earth. Contemporary Paganism. London: Hurst. Hughes M., Evans W. (1995), Rumours and Oddities from North Wales. A selection of Folklore, Myths and Ghost Stories. Gwynedd: Carreg Gwalch. Maier B. (2003), Die Kelten. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: C.H. Beck. Patzer S. (2010), Druiden. Ihr Imagewandel von der frühen Neuzeit bis in die Moderne. Wien: Praesens Verlag. Talboys G. K. (2005), Way of the Druid. The renaissance of a celtic religion and its relevance for today. Winchester/New York: O Books.

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b.  Quellen aus dem Internet http://www.adf.org/ (7.8.2010) http://www.eisteddfod.org.uk/english/ (7.08.2010)

http://www.druiden-orden.de (7.08.2010) http://www.druidenwelt.de/index5.html (27.10.2010) http://druide-raborne.de/seminare.pdf (26.02.2009) http://www.sdo.ch (1.11.2010) http://www.kersti.de/V0078.HTM (15.10.2010) http://elk-wue.de/fileadmin/mediapool/elkwue/handbuch_ fuer_224.pdf (26.02.2009) http://herrenberg.de/fileadmin/website/aktuelles/amtsblatt/ 2004/2004_33.pdf (26.02.2009) http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=391 5&Alias=amtsblatt&abClass=Konkurse&abKategorie= Abgewiesene+Konkursantr%E4ge&abId=243559 (28.10.2010) http://www.druidry.org/modules.php?op=modload&name=Pag Ed&file=index&topic_id=2&page_id=79 (1.11.2010) http://bbc.co.uk/news/uk-11457795?print=true (5.10.2010) http://bbc.co.uk/news/10348702?print=true (18.10.2010)

http://newsvote.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/1/hi/england/wiltshire/ 8606323.stm (20.10.2010) http://derstandard.at/1285199840345/Grossbritannien Druidentum-als-Religion-anerkannt (5.10.2010) c.  Kontaktadressen Artemisia Nemeton, Schule der Druiden, Sooß 5, A-3382 Loosdorf, Tel: 0043/275420748 Druiden-Hilfe e.V., Wallensteinstraße 52, D-72770 Reutlingen Gabriele Steinhuber, Sooß 5, A-3382 Loosdorf, Tel: 0043/ 275420748 Gemeindeamt Hürm, Hürm 13, A-3383, Tel: 0043/2754/ 8239-15 Rainer Jenderny, Heiligenstock 1,D-51465 Bergisch Gladbach Wilhelm Cerveny, Geyersberg 2, A-3122 Gansbach, Tel: 0043/2753335

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Keltischer Neopaganismus im Spiegel zeitgenössischer Literatur Bea Schweighöfer

Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag fasst die Ergebnisse meiner im Sommer 2009 abgeschlossenen und kürzlich publizierten Magisterarbeit im Fachgebiet Keltologie der Philipps-Universität Marburg zusammen. Ziel der Arbeit war es, das keltische Neuheidentum als moderne Rezeptionsform der von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen als „keltisch“ bezeichneten Phänomene als neues Forschungsfeld zu erschließen. Im Spiegel der Literatur stellt sich das keltische Neuheidentum zunächst als heterogenes Phänomen dar. Dennoch lassen sich durchaus Aspekte herausarbeiten, die fast allen einschlägigen Publikationen gemeinsam sind. Hierbei handelt es sich neben inhaltlichen Parallelen vor allem um weltanschauliche Grundpositionen, die zumeist anderen esoterischen Strömungen entlehnt sind. Weiterhin wird das gespannte Verhältnis des keltischen Neuheidentums zur Wissenschaft beleuchtet und der Frage nachgegangen, inwieweit der Bewegung möglicherweise rechtsradikale Tendenzen innewohnen. Abstract The current paper summarizes the results of my M.A. thesis at the department for Celtic studies at Philipps-University Marburg finished in summer 2009 and published recently. The purpose of my study was to make Celtic neopaganism as a contemporary form of reception of the phenomena referred to as “celtic” by several scientific disciplines accessible as a new research field. Celtic neopaganism as reflected in the literature at first glance appears to be a heterogeneous phenomenon. However, it is perfectly feasible to present a detailed account of aspects that are common to almost all relevant publications.These, apart from parallels in content, above all include basic ideological positions, which for the most part are borrowed from other esoteric currents. Furthermore it illuminates the tense relationship between Celtic neopaganism and science and approaches the question of potential right-wing extremist tendencies inherent in the movement.

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Neopaganismus in Nordamerika und Westeuropa Das Phänomen des keltischen Neopaganismus ist eine junge und bisher wenig beachtete Rezeptionsform dessen, was Archäologie, Althistorik und Sprachwissenschaft als „keltisch“ bezeichnen. Dabei finden die so genannten neuen religiösen Bewegungen wie Okkultismus, Spiritismus, Satanismus oder auch Neo-Schamanismus eine immer größere Anhängerschaft und treten in Konkurrenz zu den etablierten Glaubensangeboten der Weltreligionen. In Westeuropa und Nord­ amerika stellt der Neo-Paganismus, das Neuheidentum, eine der beliebtesten Strömungen dar. Seit Mitte der 1990er Jahre verzeichnen Religionswissenschaftler einen Trend zum stetigen Anstieg der Zahl bekennender Neuheiden. Weltweit wird ihre Zahl auf mehrere Millionen geschätzt (Bischofberger et al. 1996: 7; Bischofberger 1996: 11; Freund 1998: 157). Alle neuheidnischen Bewegungen weisen einige charakteristische Merkmale auf. Sie zeichnen sich zunächst durch eine starke Ablehnung der herrschenden Gesellschaftsstruktur, ihrer Werte und ihres Weltbildes aus. Somit sind sie als eine Form der gegenkulturellen Bewegung einzustufen (Bellmund, Siniveer 1997: 17f.; Bischofberger et al. 1996: 7; Bischofberger 1996, 11; Freund 1998: 157; Weißmann 1991: 174; Winkler 2006: 58ff.). Ein weiterer Kernaspekt des Neuheidentums ist die Ablehnung der jüdisch-christlichen Tradition, insbesondere in ihrer institutionalisierten Form. Der Kirche wird vor allem zum Vorwurf gemacht, kein Lösungs- oder Erlösungsangebot für die in der Krise befindliche Menschheit anzubieten (Bischofberger 1996: 11f.; 30; 35ff.). Die aus christlicher Sicht zunächst nur abgrenzende, im späteren historischen Kontext aber stark negativ geprägte Fremdbezeichnung als „Heiden“ wird zu einer positiven Eigenbezeichnung umgedeutet. Es findet also eine erneute Abgrenzung statt, diesmal aber nicht der Christen gegen die Heiden, sondern umgekehrt. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der „Hexe“ (Bischofberger 1996: 12ff.; 24; Ohanecian 2005: 73). Die Abwendung vom monotheistischen Weltbild der abrahamitischen Religionen führt zu einer Hinwendung zu einem ­polytheistischen Weltbild, das von den Neuheiden als toleranter, lebens- und naturnaher angesehen wird. Dazu werden vorgeschichtliche, meist als matriarchal

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verstandene Traditionen herangezogen (Bischof­berger 1996: 30). Im nächsten Schritt wird die Übernahme von heidnischen Festen, Riten und Symbolfiguren durch die christliche Kirche rückgängig gemacht. Die entsprechenden Elemente werden „re-paganisiert“. An wiederentdeckten heidnischen Kultplätzen werden heidnische Feste gefeiert und heidnische Bräuche wiederbelebt (Bischofberger 1996: 16f.; 30; 36). Dabei muss diese spirituelle Erneuerung aber stets aus der Tradition des eigenen Volkes erfolgen, da nur diese die gewünschte Naturnähe und starke Verwurzelung mit dem eigenen Land, dem eigenen Volk oder der eigenen Rasse aufweise. Die enge Verknüpfung von Spiritualität mit Weiblichkeit, Erde und Natur oder auch einer bestimmten geographischen Region erinnert hier durchaus ein wenig an die nationalsozialistische Ideologie von Blut und Boden (Schnurbein 1996a: 45; 1996b: 80). Keltisches Neuheidentum im deutschsprachigen Raum Im deutschsprachigen Raum wird auf der Suche nach den eigenen Wurzeln zumeist auf die vor- und frühgeschichtlichen Kulturen der Kelten und Germanen zurückgegriffen und so bilden germanisches und ­keltisches Neuheidentum hier die beiden größten neopaganistischen Strömungen. Dem germanischen Neuheidentum wurde aufgrund des ideologischen Missbrauchs germanischer Mythologie während des Dritten Reiches und darüber hinaus große wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil. Das keltische Neuheidentum dagegen gewann erst in den 1980er Jahren an Popularität und wurde daher auch in der Fachwelt bislang eher als Randphänomen betrachtet (Schweighöfer 2011: 11f.). Beide Strömungen haben ihre Wurzeln bereits im 19. Jahrhundert. Sowohl in der Theosophie als auch in der Anthroposophie und im völkischen Okkultismus spielten die Kelten allerdings, sofern sie überhaupt von den Germanen unterschieden wurden, nur eine randständige Rolle im neuheidnischen Gedankengebäude (Barth 2006, 29ff.;Weißmann 1991: 116f.; Winkler 2006, 56ff.). Erst im Zuge der Neugründung und Regruppierung neuheidnischer Organisationen nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine zunehmende

Differenzierung statt. Von da an begann – zunächst in regionalistischen Bewegungen, dann aber schnell aufgegriffen von der New Age Welle – der Siegeszug keltisch-neuheidnischer Konzepte und erreichte in den 1990er Jahren schließlich die Populärkultur (Hölzle 1996: 116; Weißmann 1991: 70f.: 74ff.; 80ff.; Winkler 2006: 59f.; 87f.). Keltisch-neopaganistische Literatur Heute finden sich im Online-Buchhandel, in gut sortierten Buchhandlungen und esoterischen Buchhandlungen zahlreiche Publikationen, die dem keltischen Neuheidentum zugerechnet werden können. Dieses breite Spektrum keltisch-neuheidnischer Literatur diente mir als Grundlage für meine im Sommer 2009 abgeschlossene Magisterarbeit im Fachgebiet Kelto­logie der Philipps-Universität Marburg. Da meine Arbeit nicht viel mehr als einen ersten Beitrag zur Erschließung des keltischen Neuheidentums als ­Forschungsfeld darstellt, sollte der Bereich der Glaubenspraktiken und Artefakte zunächst nicht Teil der Betrachtungen sein. Ausgewertet wurden ausgewählte Werke deutschsprachiger Autoren des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, so genannte „esoterische Sachbücher“, deren Titel durch die Nennung der Kelten selbst, Druiden oder ähnlicher einschlägiger Begriffe auf entsprechende Inhalte ­ verweisen (Böckl 2003; Böckl 2004; Böckl 2005; Böckl 2006; Edel,Wallrath 2005; Kalweit 2002; Krämer 2004; Ludwig 2007; Matzl 2005; Storl 2005; Wallrath 2007). Im Buchhandel werden die ­Publikationen meist nicht eindeutig in die Sparten Esoterik oder Wissenschaft eingeordnet und so kann gerade der Laie auf den ersten Blick nicht zwischen wissenschaftlicher, populärwissenschaftlicher und esoterischer Literatur unterscheiden. Rein äußerlich wirken die ausgewerteten Werke – im Gegensatz zum Großteil der allgemein als wissenschaftlich anerkannten Publikationen – ausnahmslos sehr attraktiv. Die Titel sind allgemein gehalten und wirken daher auch für Einsteiger ansprechend. Die in leuchtenden Farben gehaltenen Einbände zeigen bekannte und optisch eindrucksvolle Funde wie den Gundestrup-Kessel oder mystisch anmutende Szenen und Landschaften. Die Klappentexte versprechen die Aufdeckung uralter Geheimnisse oder die Lösung wissenschaftlicher Rätsel. Der Schreibstil der Autoren wirkt leicht verständ-

lich, gut nachvollziehbar und teilweise sogar schon anekdotenhaft (Schweighöfer 2011: 18). Auf den ersten Blick stellt sich das keltische Neuheidentum im Spiegel dieser Literatur als sehr heterogenes Phänomen dar. Die meisten Autoren versuchen sich an einem Gesamtüberblick über die von ihnen als keltisch bezeichnete Geschichte und Kultur, einige aber beschäftigen sich auch mit einem Spezial­ thema wie beispielsweise der Naturheilkunde, mit dem sie bereits in anderem Kontext vertraut sind. Neben inhaltlichen Parallelen lassen sich allerdings bei genauerer Betrachtung des Materials durchaus noch weitere Aspekte herausarbeiten, die fast alle einschlägigen ­Publikationen gemein haben. Hierbei handelt es sich um weltanschauliche Grundpositionen, die anderen ­populären esoterischen Strömungen wie dem New Age, der Matriarchatsforschung oder dem ­Wicca-Kult entlehnt und nun lediglich mit konkreten historischen und kulturellen Bezügen versehen werden. So offenbart sich schließlich der stark synkretistische Charakter der Bewegung. Mit der Nutzung der Radiästhesie zur Auffindung von Kraftorten, einer keltischen Naturheilkunde und einem keltischen Baumhoroskop knüpft sie weiterhin an die weit verbreitete so genannte Gebrauchsesoterik an (Schweighöfer 2011: 61). Weltbild Das Weltbild des keltischen Neuheidentums ist ein ­holistisches. Es wird davon ausgegangen, dass die Erde einem beseelten oder gar mit Bewusstsein versehenen Organismus gleicht (Böckl 2005: 33; Storl 2005: 15; 61). Die Weltseele oder das Weltbewusstsein könne wiederum durch bewusstes Einspeisen von Informationen mittels Gedankenkraft manipuliert werden. Die Gestalt der Welt und der Fortgang der Ereignisse könnten somit beeinflusst werden (Barth 2006: 124ff.; 182f.). Auch das in der Esoterik weit verbreitete Analogieprinzip (wie oben, so unten – wie innen, so außen etc.) findet in diesem Weltbild Anwendung – sowohl in der ebenfalls den Kelten zugeschriebenen Homöopathie als auch in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft (Krämer 2007: 133; 231f.; Storl 2005: 61f.; 97; 111; 137; 252; 263; 269). Fast alle Autoren legen einen Schwerpunkt auf die Verehrung der so genannten Großen Göttin, beto-

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nen aber dennoch wie selbstverständlich den poly­ theistischen Charakter des keltischen Glaubens (Böckl 2003: 57; 2004: 40; 68; 79; 133; 180f.; 182; 2005: 163ff.; Krämer 2007: 62; Storl 2005: 140ff.). Das neo-keltische Pantheon besteht sowohl aus den keltischen Göttern der antiken Überlieferungen römischer und griechischer Autoren wie auch irischen und walisischen Sagengestalten des Mittelalters. In einigen Fällen werden diese jedoch lediglich als Kinder, Geschwister, Partner oder besondere Emanationen der Großen Göttin angesehen (Böckl 2003: 57; 61f.; 2004: 39). Viele Autoren stellen der Großen Göttin den so genannten Gehörnten Gott als Gefährten zur Seite, jedoch nimmt dieser ihr gegenüber eindeutig eine untergeordnete Rolle ein (Böckl 2003: 102; 136; 179; 2004: 45; 2006: 16; Edel, Wallrath 2005: 45; Krämer 2007: 126; 165; 212ff.; Storl 2005: 31; 39; 58; 67f.; 76ff.; 84; 106; 135; 300; 349f.). Dieser Dualismus von Großer Göttin und Gehörntem Gott ist allerdings keine auf das keltische Neuheidentum beschränkte Vorstellung, sondern weist vielmehr beispielhaft auf die enge Verbindung des Neuheidentums mit dem Wicca-Kult hin (Bischofberger 1996: 28). Eine weitere Parallele ist das Feiern der so genannten keltischen Jahresfeste (Barth 2006: 171; Ohanecian 2005: 108ff.; Weißmann 1991: 109; Winkler 2006: 81; 83f.). Der keltische Jahreskreis beinhaltet acht hohe Fest­ tage. Diese werden zum einen durch die Sonnen­ wenden und Tagundnachtgleichen markiert, zum anderen durch die so genannten cross-quarter-days, die ­jeweils genau zwischen einer Sonnenwende und einer Tagundnachtgleiche liegen und uns aus Irland als Samain, Imbolc, Beltaine und Lugnasad bekannt sind. Die Bezeichnungen der Feiern an Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen dagegen sind frei erfunden und gehen auf den selbsternannten walisischen Barden Edward Williams alias Iolo Morganwg (1747–1826) zurück (Winkler 2006: 68). Die einzelnen Feste werden verschiedenen Emanationen von Großer ­Göttin und Gehörntem Gott, aber auch den Himmelsrichtungen, Elementen und Himmelskörpern ­zugeordnet (Storl 2005: 168ff.). Geschichtsbild Das Geschichtsbild des keltischen Neuheidentums unterscheidet sich vom gesellschaftlich und wissenschaft-

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lich anerkannten Geschichtsbild der Gegenwart in einigen maßgeblichen Punkten. So gehen seine Anhänger davon aus, dass sich mit der neolithischen Revolution neben einer neuen Lebens- und Wirtschaftsweise als neue Gesellschaftsstruktur auch das Matriarchat etabliert habe und die ganze Epoche aufgrund dessen von Frieden und Harmonie geprägt gewesen sei. Die Menschen hätten keine Kriegswaffen gekannt und ihre Siedlungen nicht befestigen müssen (Böckl 2003: 24; 75f.; 2004: 16f.; Storl 2005: 32f.). Auch suchen einige Autoren den Ursprung der Kelten bereits im Neolithikum – es ist von Einwanderungen aus dem fernen oder mittleren Osten im vierten oder dritten Jahrtausend vor Christus die Rede (Krämer 2007: 25f.; Ludwig 2007: 18ff.; Matzl 2005, 104). Spätestens die Bronzezeit aber wird von den meisten Autoren als keltisch, zumindest aber als „protokeltisch“ angesehen. In diesem Zusammenhang ist meist von einer Vermischung östlicher, patriarchalischer Reiternomaden mit mitteleuropäischen, matriarchalischen Bauern die Rede (Böckl 2004: 15ff.; 2006: 10f.; Edel, Wallrath 2005: 181; Storl 2005: 14; 32ff.; 38ff.). Die Eisenzeit wird entsprechend „lediglich“ als Blütezeit der keltischen Kultur angesprochen (Kalweit 2002: 34; Krämer 2007: 26; Ludwig 2007: 21; Matzl 2005: 104; Storl 2005: 36; 40; Wallrath 2007: 19). Die Autoren zeichnen das Bild einer friedlichen Expansion der Kelten über ganz Europa, einem föderalistischen, freien und dezentral organisierten Stammesbund, in dem alle Hierarchien demokratisch legitimiert und Mann und Frau völlig gleichgestellt waren (Böckl 2003: 43f.; 50f.; 154; 2004: 20ff.; 41; 80; 110f.; 133; 2005: 18f.; 138; 165; Edel, Wallrath 2005: 13f.; 22; 77; Krämer 2007: 118; Ludwig 2007: 18f.; Storl 2005: 45f.). Die Menschen selbst werden als „edle Wilde“ portraitiert und mit allerlei positiven Attributen versehen: Kindlich, unschuldig, körperbewusst, mitteilsam, wissbegierig, mutig, kreativ, emotional, leidenschaftlich und sexuell freizügig seien die Kelten gewesen (Edel, Wallrath 2005: 13; 17ff.; Ludwig 2007: 21). Als Feindbild gegenübergestellt wird ihnen die dekadente und pervertierte Zivilisation Roms. Die Romanisierung der keltischen Gebiete wird mit Mord, Plünderung, Ver­gewaltigung, ja sogar Genozid gleichgesetzt (Böckl 2003: 54; 108f.; 2004: 7f.; 29; 81; 2005: 18; 21; 118). Die wenigen Überlebenden, vor allem die Druiden, hätten sich auf die britischen Inseln retten

können (Ludwig 2007: 22). Für den Rest Europas aber habe mit dem Untergang der Kelten eine „zweitausendjährige Ära der Finsternis“ begonnen (Böckl 2004: 7). Als nächstes habe dann die Christianisierung fast auch die letzten Spuren der keltischen Kultur getilgt, doch einige wenige hätten das Wissen im Verborgenen bewahrt und weitergegeben. Im Mittelalter sei die keltische Tradition also von Hexen, den Erben der Druiden, weiter gepflegt worden. Die Hexenverfolgung wird ebenfalls entsprechend dramatisiert. Von mehreren Millionen Opfern wird gesprochen, auch der Vergleich mit dem Holocaust ist nicht fern (Böckl 2003: 55; 119f.; 126; 133; 137; 144; 2004: 7f.; 30; 87; 122; 127ff.; 132ff.; 2005: 23; 103; 129; 145; 161f.; Krämer 2007: 12ff.; 225f.; Wallrath 2007: 20). Auch hier hätten allerdings die wenigen Überlebenden die Tradition bewahrt und bis in die Moderne gerettet. So fänden sich in Brauchtum, Volksglauben, Sagen, Märchen, Liedern, Tänzen und Sprache keltische Elemente, die trotz christlicher Überprägung für jeden, der sich intensiv genug mit dem Keltentum beschäftigt habe, mühelos zu identifizieren seien (Böckl 2003: 49; 56; 126; 133; 138f.; 183f,; 2004: 8ff.; 11f.; 77; 84; 90; 99; 113f.; 2005: 171; 2006: 7ff.; 14; 19; Edel, Wallrath 2005: 95ff.; Krämer 2007: 12f.; 37; 133; Matzl 2005: 107; Storl 2005: 19; 46ff.; 358; Wallrath 2007: 15; 20). Aber nicht nur für die Vergangenheit, nein, auch für die Zukunft hat das keltische Neuheidentum eine ganz eigene Perspektive zu bieten. Der Beginn des so genannten Wassermann-Zeitalters – ein Konzept der New Age Bewegung – bringe gravierende Veränderungen der herrschenden Verhältnisse mit sich. So wird der „Weltenwinter“ prophezeit, allerlei Natur- und Umweltkatastrophen heraufbeschworen, ein Polsprung des Erdmagnetfeldes vorhergesagt … und schuld daran sind die Gentechnologie, der Papst und natürlich die Amerikaner, die in sich die Eigenschaften der historischen Feindbilder vereinen. Die Zerstörung der Welt aber könne abgewendet werden, indem sich die Europäer wieder zum Heidentum bekennen und sich der Amerikanisierung widersetzen. Der Weltenfrühling bräche an, Merlin kehrte als keltischer Messias in Reinkarnation auf die Erde zurück und würde ein neues keltisches goldenes Zeitalter einläuten (Böckl 2003: 7f.; 55; 74f.; 90; 109; 139; 206-212; 2004: 8; 31f.; 71f.; 103ff.; 118; 135; 137f.; 152; 167ff.; 173-176; 184f.;

2005: 23ff.; 88; 91; 97f.; 100; 111-119; 148; 167ff.; Edel, Wallrath 2005: 9; 20; 99ff.; 154; Krämer 2007: 180; Storl 2005, 13). Wissenschaft vs. „Celtic Spirit“ Wie alle esoterischen Bewegungen steht auch das ­keltische Neuheidentum in einem zwiespältigen Verhältnis zur Wissenschaft. Zunächst wird pauschal die Gesamtheit wissenschaftlicher Methodik strikt abgelehnt und eine „rein faktenorientierte Geschichtsschreibung“ (Krämer 2004:71) verurteilt. Akademikern werden Voreingenommenheit und Verblendung unterstellt. Ihre wenigen Erkenntnisse über die Kelten, ihre Geschichte und Kultur seien nicht aussagekräftig. Dennoch werden wissenschaftliche Erkenntnisse bereitwillig aufgenommen – allerdings nur sofern sie in das angestrebte, möglichst lückenlose, widerspruchsfreie und zudem aus heutiger Sicht moralisch einwandfreie Wunschbild der keltischen Kultur integriert werden können. Funde, Befunde und Interpretationen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden schlicht geleugnet, phantasievoll umgedeutet oder stark vereinfacht. Um das Bild zu vervollständigen, werden freimütig moderne Konzepte und Begrifflichkeiten in die Vorgeschichte übertragen und gewagte Rekonstruktionen keltischen Lebens präsentiert, die keinerlei Bezug zu archäologischen oder historischen Quellen aufweisen (Schweighöfer 2011: 56f.). Nicht nur wird den Lesern somit bewusst ein falsches Bild einer vorgeschichtlichen Kultur vermittelt. Sie werden überdies auch dazu animiert, sich selbst als „Freizeitarchäologen“ (Böckl 2005: 126) zu betätigen und archäologische Bodendenkmäler auf eigene Faust und mit äußerst fragwürdigen Methoden zu untersuchen. Denn wahre Erkenntnis, so die Autoren, ermögliche nur die Wiederentdeckung der „sanften Wissenschaft“ (Edel, Wallrath 2005: 9) und ihrer intuitiven Methoden. Keltisches Denken, keltisches Bewusstsein, „Celtic Spirit“ gelte es zu erlangen (Böckl 2004: 63; 109; 169; Edel, Wallrath 2005: 16; 19; Storl 2005: 24). Dem persönlichen Erleben und Erfahren – und sei es in Form einer Vision oder eines Traumes – wird erheblich mehr Bedeutung beigemessen als einer strukturierten, dokumentierbaren und somit nachvollziehbaren wissenschaftlichen Arbeitsweise. ­ Diese

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hochgradig subjektive Erkenntnis wiederum ist in den Augen der Neuheiden über jeden Zweifel erhaben (Schweighöfer 2011: 57ff.). Die Kelten – eine „harmlose“ Alternative? Oftmals werden die Kelten als „harmlose“ Alternative zu den ideologisch vorbelasteten Germanen angesehen. Dies macht sie nicht nur als Wahlvorfahren für viele Neuheiden ungleich attraktiver (Krämer 2007: 20), sondern ist auch einer der Gründe, warum das ­keltische Neuheidentum von der Fachwelt als unbedenklicher als das germanische Neuheidentum eingestuft wird. Es zeigt sich aber, dass die Möglichkeiten einer ideologischen Färbung in seinem Fall genauso gegeben sind, und es lassen sich zumindest Ansätze davon bereits in der keltisch-neuheidnischen Literatur erkennen (Schweighöfer 2011: 59ff.). Von den Begriffen der Rasse und des Volkes können sich die Autoren ebenso wenig lösen wie vom Konzept einer spirituellen, kulturellen oder gar genetischen ­ Abstammung von den Kelten. Edel und Wallrath (2005: 17; 105) sehen im Keltentum unser „vorchristliches Heimaterbe“ und kommen zu dem Schluss, dass alle nordischen Völker Kelten gewesen seien. An anderer Stelle aber wird von ihnen (Edel, Wallrath 2005; 10f.) wie auch von Böckl (2004: 19) erklärt, dass es sich im Falle der Kelten weder um eine Rasse noch um ein Volk handle. Storl (2005: 16) differenziert klar zwischen beiden Begriffen, lehnt sie allerdings nicht ab, sondern stellt, sich auf Goethe berufend, vielmehr fest, dass neben dem Boden, den ein Volk sein Eigen nenne, die Rasse den Charakter eines Volkes maßgeblich beeinflusse.

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Kalweit (2002: 143) spricht die Kelten klar als unsere Vorfahren an und sieht in „Volksseele“ und „Volks­ bewusstsein“ die Schlüssel zu wahrer Erkenntnis. Weiterhin stellt er fest „dass angefangen bei Darwin nichts an der europäischen Wissenschaft stimmt“ und „[d]ie modernen Evolutionsthesen […] nichts als intellektuelle Schemen einer narzisstischen humanen Psychose“ seien (Kalweit 2002: 269). Sein Gegenentwurf beruht dagegen auf der These, dass die „menschlichen Rassen“ von anderweltlichen Wesen erschaffen wurden und diese unsere Geschicke lenkten (Kalweit 2002: 73; 75; 176; 184; 309; 378; 393f.) Auch vermischten sich diese anderweltlichen Wesen mit uns, es gäbe also „Menschen und Menschen mit höherer genetischer Ausstattung“ (Kalweit 2002: 73), „Menschen mit mehr oder weniger Gengut von Überirdischen“ (Kalweit 2002: 80). Mit dieser gewagten und auch durchaus bedenklichen Theorie steht er allerdings offenbar allein da. Böckl ist offenbar die Brisanz des Themas besonders bewusst, denn er spricht sich in dreien der vier untersuchten Publikationen deutlich gegen jede Form von Faschismus oder Nationalismus aus und verurteile das Dritte Reich aufs Schärfste (Böckl 2003: 208; 2004: 31; 135; 152; 2005: 23). Dennoch vergleicht er indirekt die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen ­Hexenverfolgungen mit dem Holocaust (Böckl 2003: 55; 126; 137; 2004: 132; 2005: 23) und spricht im Zusammenhang mit der keltischen Anderswelt vom „’Ultima Thule’ der menschlichen Erkenntnisfähigkeit“ (Böckl 2004: 55). Es bleibt fraglich, ob es sich dabei lediglich um eine unglückliche Wortwahl handelt oder sich mehr dahinter verbirgt.

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„Keltische Religion“ – Neuheidnische und wissenschaftliche Sichtweisen Jutta Leskovar

Zusammenfassung „Keltische“ Religion ist nicht nur ein Gegenstand für wissenschaftliche Beschäftigung, sondern auch ein wichtiges Standbein bei der Entwicklung keltisch ausgerichteter neuheidnischer Konzepte. Bestimmte Gruppen dieser Szene orientieren sich an einer „keltischen“ Vergangenheit, um heutzutage eine Religion neu entstehen zu lassen. Dem eigenen Selbstverständnis nach handelt es sich jedoch nicht um eine Neuentwicklung, sondern um eine Wiederbelebung. Archäologischen Quellen kommt hier eine große Bedeutung zu, denn sie gelten offensichtlich als höchst geeignet, Meinungen zu prähistorischen religiösen Sitten zu belegen – vor allem wenn man vor gewagten Interpretationen nicht zurückschreckt. NeuheidInnen benötigen Fachliteratur, um an Wissen über archäologische Quellen zu gelangen. Deren Verwendung lässt sich anhand der Literaturverzeichnisse in neuheidnischen Büchern belegen. Beliebt sind vor allem Publikationen zur Gesamtheit „Keltischer Kultur“, die zumeist auch ein Kapitel zum Thema Religion beinhalten. Der Beitrag geht der Frage nach, was Fachleute in diesen Kapiteln schreiben, und in wieweit dies geeignet ist, die Vorannahmen des nach fachlicher Untermauerung suchenden Neuheiden zu bestätigen und damit archäologische Argumente für neuheidnische Weltbilder zu schaffen. Abstract ‘Celtic’ religion is not just a subject of scholarly research, but also a significant aspect in the development of Celticoriented neo-pagan ideas and concepts. Some sub-sections of the neo-pagan scene look back to a ‘Celtic’ past to create a new religion today.Yet, in their own perception, this is not a new creation, but a resurrection of ancient beliefs. Archaeological sources play a very significant role in this process, since they seem to be considered as highly suited to confirm opinions about prehistoric religious beliefs and practices – especially for those who are not afraid of risky interpretations. Neo-pagans require scholarly literature to gather knowledge about archaeological sources. That such literature is being used is evident from the bibliographies provided in neo-pagan literature. Particularly popular are publications covering ‘Celtic culture’ in its totality, most of which also contain at least one chapter on the subject of religion.This paper considers what scholars write in such chapters, and to what extent their writings supplies neo-pagans looking for academic support confirming their preconceptions with archaeological arguments for their constructions of neopagan world-views.

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„Der Kelte suchte und fand das göttliche Walten in Quellen und heiligen Hainen, im Rauschen der Bäume, im Orakelspruch und in geheimnisvollen Kulten, die vermutlich in eben diesen nemeta zelebriert wurden. In ihnen müssen vor allem Baumkulte eine bestimmte Rolle gespielt haben.“  (Kimmig 1993, 172).

Ohne die Literaturangabe, zumindest meiner persönlichen Empfindung nach, könnte man die zitierten Zeilen auch einem Buch aus der neuheidnisch/esoterischen Szene zuschreiben. Es stellt sich unter anderem die Frage, ob es sich hierbei um einen Einzelfall, oder um eine wiederkehrende Weise handelt, wie „keltische Religion“ in der Fachliteratur beschrieben wird. Doch vorerst soll der Gedankengang nachvollzogen werden, wie es zu dieser Frage überhaupt kommt. Unbestrittenerweise existiert eine ständig an Personen und Publikationen wachsende Szene des sogenannten Neuheidentums (zu Begriff, Geschichte und Inhalt von Wicca und Neodruidentum siehe Hutton 2001; 2003; 2007; 2009; zum Neogermanentum siehe Dusse 2006; Gründer, Schetzsche, Schmied-Knittel 2009; Gründer 2010; Mölders/Hoppadietz 2007; Pöhlmann 2006; Schnurbein 1992a; 1992b; 1996a; 1996b; 1996c; 2001; 2004; 2006; Siewert 2006; zu Wicca außerdem Neger 2009; Ohanecian 2005; Rensing 2007; allgemein zum Thema siehe Leskovar 2009; in Vorb.). Ein wesentlicher Bestandteil davon ist die Schaffung von Traditionslinien zur Bestätigung des hohen Alters der eigenen (neu geschaffenen) Religion (auch) mithilfe der Archäologie bzw. von archäologischen Fundorten, Befunden und Funden. Neben archäologischen werden außerdem sprach- und literaturwissenschaftliche Quellen (antike Texte, Sagentexte) genutzt. So gehen sowohl Wicca (Neue Hexen) und Neogermanen als auch Neodruiden argumentativ vor. Für Wicca ist besonders die Zeit der Hexenverfolgungen wichtig, für Neogermanen „die Germanen“ und dementsprechend für Neodruiden „die Kelten“. Letztere, bzw. ihre Literatur, waren Gegenstand meiner Dissertation (Leskovar in Vorb.) mit dem Ziel, den Gehalt und die Art der Benutzung von archäologischen Quellen und Fachliteratur zu erheben (Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring 2003 von zehn ausgewählten Büchern der neuheidnisch/neodruidischen Szene). Es konnte

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gezeigt werden, dass AutorInnen neuheidnischer Bücher zwar weitaus häufiger auf Bücher aus der eigenen Szene als auf solche aus dem Bereich der Wissenschaft zurückgreifen, wenn sie ihre Religion und ihr Weltbild beschreiben wollen, dass aber regelhaft auf Archäologie zurückgegriffen wird. Außerdem wird den archäo­ logischen Quellen (und auch ihren Interpreten) ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zugeschrieben – wenn ein Element der neodruidischen Glaubenswelt durch einen archäologischen Fundort (scheinbar) belegt ist, gilt dies, zumindest lassen sich die Texte so lesen, als fast unumstößlich bestätigte Wahrheit (Leskovar in Vorb.). Im Grunde geht es darum, durch archäologische (und andere) Quellen der (antiken) „keltischen Religion“ auf die Spur zu kommen, um sie dann umso besser in der Gegenwart wiederbeleben zu können. Häufig findet sich auch der Glaube, die „alte“ keltische Religion wäre gar nicht irgendwann ausgestorben, sondern hätte im Untergrund, quasi am Christentum vorbei, überlebt. Es würde sich dementsprechend heutzutage dann auch nicht nur um ein Wiederbeleben, sondern vor allem auch um ein Herausholen aus dem Untergrund handeln (Leskovar in Vorb.). Genannte Arbeit beschäftigte sich außerdem mit dem Keltenbegriff in der Fachliteratur, im speziellen in jener Fachliteratur, die von den AutorInnen neuheidnischer Bücher laut ihrem jeweiligen Literaturverzeichnis verwendet wurde, um Belege für ihre eigenen „Keltendefinitions-Kapitel“ zu finden. Auch innerhalb der Fachwelt werden in methodisch nicht gänzlich korrekter Weise zahlreiche Quellengattungen, die noch dazu über große Perioden und Räume verstreut sind, herangezogen, um „Keltisches“ zu beschreiben. Außerdem gibt es selten einen konsequent ­ definierten und verwendeten Keltenbegriff in den von Neu­heidInnen verwendeten Fachbüchern. Lesende NeuheidInnen können somit aus dem Vollen schöpfen, um wiederum ihre Sicht des Keltischen zu beschreiben (Leskovar in Vorb.). Zur Diskussion des Keltenbegriffs in der von NeuheidInnen benutzten Fachliteratur wurden jeweils die einleitenden Kapitel analysiert (Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring 2003). Ein Desiderat dieser Arbeit blieb die Analyse der „Religionskapitel“ in den Fachbüchern. Dem soll dieser Beitrag gewidmet sein. Ausgangspunkt ist folgende Überlegung: Eine Per-

son, die selbst soweit neuheidnisch orientiert ist, um das Thema „keltisches Neuheidentum“ zu einem Buchprojekt zu machen, selbst aber nicht archäologisch ausgebildet ist, wird sich vermutlich im Laufe der eigenen schriftstellerischen Tätigkeit auf die Suche nach ­Büchern aus dem Fachbereich machen. Fast alle von mir analysierten neuheidnischen Bücher verfügen über ein einleitendes Kapitel, in dem man auch Gedanken zum Keltenbegriff (Schlagwort „Wer waren die Kelten“) findet, sowie über ein Literaturverzeichnis, das mutmaßlich benutzte (durchblätterte, quergelesene, gelesene) Fachliteratur enthält. Potentiell ist also davon auszugehen, dass auch jene Kapitel aus dieser Fachliteratur, die sich der „Religion der Kelten“ widmen, gelesen wurden und in die neuheidnischen Bücher inhaltlich in der einen oder anderen Form eingeflossen sind. Wie der genaue Weg von Inhalten von der Fachliteratur in die neuheidnische ­ Literatur vonstatten ging, lässt sich auch aufgrund des höchst mangelhaften Zitierverhaltens in letzterer nicht nachvollziehen. Insofern ist die Benutzung der Fachliteratur an sich schon nicht wirklich belegbar. Eine Analyse der Religionskapitel der Fachliteratur kann also zweierlei Fragen zumindest teilweise beantworten: Wenn es Ähnlichkeiten gibt (Frage 1), liegt dadurch auch die Benutzung der Fachliteratur durch die AutorInnen der neuheidnischen Bücher nahe (Frage 2). Eine positive Beantwortung der Frage 1, also ob es überhaupt Ähnlichkeiten gibt, ist natürlich die wesentliche Frage. Wissenschaft stellt sich gerne als (alleinig) sachlich dar. Wenn sich aber Vergleichbares mit der neuheidnischen Literatur ergäbe, wäre es mit der propagierten strengen Wissenschaftlichkeit auf der einen und der ebenso strengen Nicht-Wissenschaftlichkeit auf der anderen Seite (aus Sicht der Wissenschaft) womöglich gar nicht mehr so weit her. Was verstehe ich nun unter „Ähnlichkeiten“? Dazu ist vorerst zu beschreiben, wie sich „keltische Religion“ aus neuheidnischer Sicht darstellt. Für NeuheidInnen ist die Zeit „der Kelten“ eine sehnsüchtig erinnerte Periode der Naturverbundenheit, in der Technik und Umweltverschmutzung noch nicht zur Entfremdung des Menschen von seiner Umgebung beigetragen haben. Die Kelten ehrten ihre Götter in heiligen Hainen, die Druiden waren sanfte aber starke Philosophen, die Natur wurde geheiligt,

die Gesellschaft feierte in den Jahreslauf eingebettete Feste und Rituale. All dies war schon in der Eisenzeit nicht mehr neu, ganz im Gegenteil gab es diesen Naturglauben bereits seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, und nicht selten richtet sich der Blick dabei auf Stonehenge et al., um die keltische Religion auch noch mit dem Können, das zweifellos für die Errichtung megalithischer Bauwerke notwendig war, in Verbindung bringen zu können (Carr-Gomm spricht von Proto-Druiden; Carr-Gomm 2004: 30f.). Zur großen zeitlichen Tiefe kommt noch der enorme geographische Raum: Kelten gab es, geht es nach den NeuheidInnen, schließlich von Irland bis Anatolien – dementsprechend lebten die Menschen in diesem Gebiet auch alle nach der keltischen Religion. Das ist in aller Knappheit das Bild, das NeuheidInnen von keltischer Religion zeichnen, und zwar von der antiken Version, als deren Erbinnen und Erben sie sich sehen. Findet irgendetwas davon nun Entsprechungen in der Fachliteratur? Zeigen die Texte ­ latent vorhandene Vorstellungen der Wissenschaftler zur ­Naturverbundenheit „der Kelten“, bzw. lässt sich eine romantische, verklärte Haltung vermuten? Oder sind die Texte gekennzeichnet von kühler und sachlicher Sprache, die sich wenig an Interpretationen und Aussagen von allgemeinem Charakter wagt? Wie deutlich werden die methodischen Probleme gemacht, die sich bei der Übertragung von Inhalten auf ganz unterschiedliche Zeiten und Räume ergeben? Werden die LeserInnen im Glauben gelassen, die (archäologischen) Quellen würden für alle Zeiten und Räume gelten, bzw. wird das überhaupt thematisiert? Werden Traditionslinien gezogen, die nicht unbedingt sachlich fundiert aufgrund archäologischer Quellen zustande gekommen sind, sondern die sehr wackelige Hinweise als scheinbar ausreichendes Fundament nutzen? Gibt es Textstellen, die Themen und Fundorte behandeln, die auch für NeuheidInnenen regelmäßig wichtig sind, wie Hinweise auf Jahreszeitenfeste, den Gundestrupkessel als Abbild keltischer Götterwelt, usw., also notorische Fundgruben für ohnehin schon vorbe­lastet suchende neuheidnische LeserInnen? Denn es gilt: nicht unbedingt die Meinung des ­schreibenden Wissenschaftlers zählt, sondern ob sein Text aufgrund der Formulierungen von NeuheidInnen

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für ihre Zwecke (Beschreibung „ihrer“ ­Religion und „Beweis“ des hohen Alters) genutzt werden kann. Können die Religionskapitel der wissenschaftlichen Publikationen als Texte gelesen werden, die geeignet sind, das eigene Weltbild zu bestätigen? In der folgenden Diskussion setze ich die Begriffe „Religion“ und „Kult“ wenn auch nicht gleich, so doch der gleichen inhaltlichen Sphäre zugeordnet. Im Fachjargon wird einfach häufiger von „Kult“ als von „Religion“ gesprochen, aus welchen Gründen auch immer. Beides bezeichnet aber für die vorliegende Untersuchung den Gegenstand, um den es mir, und wohl auch den NeuheidInnen, geht. Bevor die Religionskapitel nun einer Analyse und damit Bewertung unterzogen werden können, sind ­einige grundsätzliche Überlegungen notwendig. Was ist Wissenschaft bzw. Nicht-Wissenschaft? Wo verlaufen die Trennlinien und wie breit sind die Überschneidungszonen? Kann es eine wissenschaftliche „Wahrheit“ geben oder können wir diese ­ ohnehin immer nur vermuten? Diese Fragen können hier nicht umfassend diskutiert, schon gar nicht beantwortet, sondern nur durch ein Bündel an thematischen Fragmenten umrissen werden. Es gibt keine in der modernen Kultur von allen Personen anerkannten ­definitorischen Kriterien von Wissenschaft(lichkeit) (Balzer 1997: 11; Chalmers 1999: 166), sowie, im Fall der Prähistorischen Archäologie, keinen all­ anerkannten und unbestrittenen Kanon von Methoden. Wenn ich also weiter unten behaupte, gewisse Aussagen seien unwissenschaftlich, methodisch nicht korrekt usw., bewege ich mich damit eigentlich auf dünnem Eis. Für mich bleibt jedoch, trotz des fehlenden Methoden­kanons, zumindest ein wesentliches Kriterium, um einen Text tendenziell eher wissenschaftlich (vs. tendenziell eher unwissenschaftlich) zu beurteilen: die Nachvollziehbarkeit (Begründung). Texte, deren Behauptungen sich für mich als Leserin nicht in ihre argumentativen Bestandteile zerlegen lassen, durch die ich die Meinung, Intention und vor allem Argumentationslinie des Autors/der Autorin ablesen kann, beurteile ich als unwissenschaftlich. Es stellt heutzutage keine nachvollziehbare Behauptung dar, wenn „keltische“ Kulturelemente von Irland bis Anatolien als Belege für eine einheitliche Kultur dargestellt werden, und das noch dazu ohne Konjunk-

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tiv. Denn nachvollziehbar kann auch Zweifel sein, der sich eben beispielsweise durch einen Konjunktiv ausdrückt. Eine Vermutung auszusprechen, ist per se ­natürlich keineswegs unwissenschaftlich. Im Gegenteil ziehe ich wohlbegründete Vermutungen, die mit einer gewissen sprachlichen Vorsicht ausgesprochen sind, Pseudolehrsätzen, denen eine Begründung fehlt, und die nur durch eine gewisse Autorität der AutorInnen scheinbares Gewicht erhalten, bei weitem vor. Die Beurteilung der archäologischen Texte zu „keltischer Religion“ wurde also unter diesem Gesichtspunkt durchgeführt. Ich maße mir diese Beurteilung auch aufgrund der Vorannahme an, dass die Autoren dieser Texte im Sinn hatten, wissenschaftliche, also ­ begründete Texte zu formulieren. Einige Texte entstammen Ausstellungskatalogen bzw. sind von Aufmachung und Titel her eher für ein allgemeines Publikum und nicht in erster Linie für die Fachwelt geschrieben. Trotzdem glaube ich nicht an ein Herunterschrauben des eigenen Anspruchs der Autoren, was die Qualität ihrer Text angeht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass beim Schreiben der eventuell eher populären Texte grundsätzliche und für sie übliche methodische Vorgehensweisen hier außer acht gelassen wurden bzw. andere eingeführt wurden. Ein Professor Kimmig hatte wohl immer vor, Wissenschaftliches und Sinnvolles zu schreiben, ganz egal, wofür er schrieb. Naturgemäß lässt sich diese Vorannahme schlecht be- oder widerlegen; sie auszusprechen, ist aber notwendig, was die Nachvollziehbarkeit meines eigenen Textes angeht. Es wurden die Religionskapitel in folgenden Büchern analysiert: – Kurt Bittel, Siegwalt Schiek, Dieter Müller, Die keltischen Viereckschanzen [Atlas archäologischer Geländedenkmäler in Baden-Württemberg 1, Stuttgart 1990.] (Bittel: Deutscher Prähistoriker, ehem. Präsident d. Deutschen Archäologischen Instituts; Schiek: Deutscher Prähistoriker, ehem. Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes; Müller: Hochschule für Technik Stuttgart (Vermessung) und Landesamt für Denkmalpflege) – Barry Cunliffe, Die Kelten und ihre Geschichte. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach, 1980. (Emeritierter Professor an der School of Archaeolo-

gy der University of Oxford) – Hermann Dannheimer, Rupert Gebhard (Hrsg.), Das keltische Jahrtausend. Mainz 1993. (Dannheimer: Deutscher Prähistoriker, Mitglied des DAI; Gebhard: Deutscher Prähistoriker, Mitglied des DAI) – Venceslas Kruta, Miklós Szabó: Die Kelten. Entwicklung und Geschichte einer europäischen Kultur in Bildern von Erich Lessing. Freiburg i. Br. 1979. (Kruta: Hochschullehrer in Paris) – Ludwig Pauli, Keltischer Volksglaube. Amulette und Sonderbestattungen am Dürrnberg bei Hallein und im eisenzeitlichen Mitteleuropa. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 28, 1975. (Deutscher Prähistoriker) – Stuart Piggott, The Druids. London 1993. (First published 1968). (Britischer Archäologe) – Barry Raftery, Pagan Celtic Ireland. London 1994. (Emeritierter Professor am UCD (Ireland) (Celtic Archaeology)) Kurt Bittel, Siegwalt Schiek, Dieter Müller, Die keltischen Viereckschanzen [Atlas archäologischer Geländedenkmäler in Baden-Württemberg 1, Stuttgart 1990.] Analysiert wurde das Kapitel „E. Zeitstellung und Zweck“ (61-72). Der Text ist deutlich wissenschaftlich, es kommen ­zurückhaltende Formulierungen bezüglich der Nutzung von Viereckschanzen vor wie „…wenn uns der Zweck dieser Einrichtungen mit absoluter Sicherheit bekannt wäre.“ (62). Es wird die Frage gestellt „Was hat sich in diesen Bezirken, großen wie kleinen, abgespielt, welcher Bestimmung sind sie gewesen?“ (63). Aufgrund der geringen Zahl ergrabener Anlagen kommen die Autoren (bzw. Kurt Bittel, von dem dieser Text offensichtlich stammt) zu folgender vorsichtiger Erkenntnis: „Daraus geht ein durchaus ungenügender Forschungsstand hervor, der nur sehr beschränkte Schlüsse zuläßt und uns nötigt, sich bei ganz wesentlichen Fragen nach wie vor in Vermutungen zu ergehen.“ (63). Der Satz „Jedenfalls fehlt mit Ausnahme der Holzplastiken aus Fellbach-Schmiden im Fundstoff alles,

was einen unmißverständlichen Bezug zu kultischer Verwendung erkennen ließe wie Votivgaben oder Gefäße eindeutiger ritueller Bestimmung.“ (65) macht deutlich, dass zumindest jene Holzplastiken als solch „unmißverständlicher“ Bezug gewertet werden. „Schächte, die bei ihrer ersten Beobachtung und Ausgrabung in Holzhausen eine so wesentliche Rolle bei der Deutung der Viereckschanzen als für den Kult bestimmte Vorrichtungen gespielt haben, …“ (66) und weitere Textstellen zeigen diese präferierte Deutung der Autoren. In diesem Zusammenhang erfahren auch die Holzstatuen von Fellbach-Schmiden eine kurze, aber prägnante Würdigung: „An der Deutung der mit dem Hirsch verbundenen Gestalt als Cernunnos kann man nicht ernstlich zweifeln, während ich von dem Maponos-Apollo als zu den Böcken gehöriger Gottheit und den darüber hinausgehenden Vermutungen und Schlüssen Pittionis nicht in gleicher Weise überzeugt bin.“ (66). Kurz darauf wird die Frage formuliert, ob man „generell von nemeta sprechen“ dürfe (67). An die Diskussion der Problematik der eigenen Verbreitungskarte, die eine Gleichzeitigkeit suggeriert, die aufgrund des Forschungsstandes nicht nachgewiesen ist, schließt sich ein Satz, der die grundsätzliche Deutung vorwegnimmt: „Die Karte (Abb. 9) vermittelt daher nur einen Überblick über die räumliche Verbreitung dieses Typus keltischer Kultstätten an sich, aber nicht in gleicher Weise über ihre tatsächliche Funktion im gleichen Zeitraum, was, wie leicht einzusehen ist, für ihre Einordnung in das Bild spätkeltischer Geschichte Mitteleuropas von erheblicher Bedeutung wäre.“ (68). Einer Diskussion französischer Fundorte, vor allem Gournays, folgt die Bemerkung „… ausschlaggebend ist vielmehr, daß ­diese Anlage nach unserer Überzeugung mindestens in den Gang einer Entwicklungsreihe keltischer nemeta gehört, der auch die sog. Viereckschanzen zuzurechnen sind.“ (69). Und weiter: „Die Genesis dieser nemeta, ihre Anfänge sind uns nämlich noch bei weitem nicht genügend bekannt, denn zum mindesten muß damit gerechnet werden, daß manche von ihnen – gewiß bei weitem nicht alle – in der alten Form, nämlich als Pfahlwerke, bis ungefähr in die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. zurückreichen.“ (71). Die oft festgestellte Nähe von Viereckschanzen zu hallstattzeitlichen Grabhügeln führt zur Annahme „daß man zur Zeit der

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Errichtung der mit Wall und Graben versehenen nemeta, also im 2. oder 1. Jahrhundert v. Chr., noch eine mehr als nur oberflächliche Vorstellung von Inhalt und Bedeutung der Hügelgräber hatte. Das legt den Gedanken an einen Ahnenkult, wie er auch für andere Kulturkreise bezeugt ist, durchaus nahe.“ (71). Am Ende dieses Kapitels werden die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst. Unter Punkt 8 steht „Mit Ausnahme der Holzplastik aus Fellbach-Schmiden (Nr. 22) fehlen direkte Hinweise auf die kultische Verwendung der Viereckschanzen. Von Konstruktionen im Innern besitzt jedoch das Bauwerk in ­ EsslingenOberesslingen (Nr. 21) Merkmale, die für einen gallischen Umgangstempel sprechen. Die in mehreren Fällen nachgewiesenen Schächte sind mit großer Wahrscheinlichkeit als für kultische Zwecke bestimmt zu verstehen.“ (71). Unter Punkt 10 wird die oben zitierte Verbindung von Grabhügeln und Viereckschanzen noch einmal wiederholt: „Der heilige Bezirk könnte in seiner Anfangsform weit zurückreichen oder später im Zeichen des Ahnenkults bewußt bei den Grabhügeln errichten worden sein.“ (71f.). Nicht zuletzt die abschließenden Punkte 11 und 12 machen die im Auge des Autors gesicherte Deutung als Kultstätten manifest: „11. Die Normalform erforderte zu ihrer Errichtung einen so erheblichen manuellen Aufwand, daß sie eine größere Kultgemeinde voraussetzt, die sich zu gemeinsamem Handeln zusammenfand. Über die Kulthandlungen, die sich hier im einzelnen vollzogen haben, geben die Funde aus den Schanzen in Baden-Württemberg bisher nichts aus. 12. Der Innenraum, der im Durchschnitt eine erhebliche Fläche besitzt, war vermutlich für Zeremonien bestimmt, an denen eine nicht geringe Zahl von Bewohnern des näheren und weiteren Umlandes teilnahmen. Kleinere Kultstätten für bestimmte Handlungen dürfte es außer ihnen gegeben haben. Anzeichen dafür liegen bereits vor, sind aber noch nicht veröffentlicht.“ (72). Damit schließt dieses Kapitel. Dieser letzte Satz ist ­natürlich fast bösartig gegenüber interessierten Lesenden: Er stellt etwas in Aussicht, macht Hoffnung auf etwas, das vielleicht nie kommt bzw. sich in kleinen Berichten verstecken wird, die schwer zugänglich sein werden. Doch wenn die Autorität Kurt Bittel dieses Bild von großen Kultanlagen (den Viereckschanzen), die noch dazu eine Stufe in der nemeta-Entwicklung

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darstellen und vermutlich sogar, wenigstens was ihre „kultischen Wurzeln“ (Ahnenkult) angeht, bis in die jüngere Hallstattzeit reichen, zeichnet, und es ergänzt durch „kleinere Kultstätten für bestimmte Handlungen“, dann bildet dies ein wunderbares und gar nicht so wackeliges Gerüst, das sich hervorragend mit eigenen Detailvorstellungen zur keltischen Religion füllen lässt.1 Der versierte Archäologe versorgt sein Publikum also mit harten Fakten und fest vorgetragenen Interpretationen, die es erlauben,Viereckschanzen als Kultanlagen zu betrachten, die eingebettet sind in „die spätkeltische Geschichte Mitteleuropas“. Dass die Sache so einfach nicht ist und meiner Ansicht nach auch wiederlegt ist (Wieland 1999) muss das lesende Publikum nicht mehr erkannt bzw. akzeptiert haben. Barry Cunliffe, Die Kelten und ihre Geschichte. Bergisch Gladbach, 1980. Kapitel „Religion und Mysterium“, 68–95. Die einleitenden Worte zu Cunliffes Kapitel „Religion und Mysterium“ lesen sich wie ein neuheidnischer Bestseller: „Die Kelten waren ein abergläubisches Volk. Das Übernatürliche durchdrang jeden Aspekt ihres Lebens – die Geister wohnten überall: in alten Bäumen, in geheimnisumwitterten Felsen, in Flüssen und Sümpfen. Auch die geringste alltägliche Verrichtung unterlag dem Einfluß der Götter. Sie beherrschten die Welt der Natur, von der der Mensch ein Teil war: Darum mußten sie durch Vermittler – die Druiden – günstig gestimmt werden. Als Bewahrer uralter Weisheit hatten diese dafür zu sorgen, daß im Umgang mit den Göttern stets die richtigen Prozeduren befolgt wurden.“ (69). Das geht in diesem Stil weiter zum Thema Menschenopfer, die „bei den Kelten ausschließlich religiöse Bedeutung“ hatten. Nun kommt der erlösende Satz: „Wir besitzen eine Fülle von Zeugnissen über die keltische Religion“. Cunliffe nennt die klassischen ­Autoren, archäologische Informationen, ikonographische Hinterlassenschaften und: „Schließlich enthalten die Sagen der heidnischen Iren mannigfaltige – oft schwer zu deutende – Details, die der ­Zensur der christ-

lichen Schreiber bei der Niederschrift entgingen.“ Der Autor lässt also keinen Zweifel daran, dass die Eingangspassage korrekt ist und sich durch die ­Analyse der vier genannten Quellengattungen belegen lässt. Dazu bedient er sich der Mischung dieser Quellengattungen, die unterschiedliche Zeiten und Räume abdecken, mit dem Zweck, etwas Einheitliches zu ­beschreiben – eine wissenschaftlich stark zu hinterfragende Vorgehensweise. Das Kapitel gliedert sich in die Unterbereiche „Eine heidnische Dreifaltigkeit“, „Erdmutter und Stammesvater“, „Die Hauptgötter“, „Heilige Tiere“, „Der Kult des Menschenopfers“ und „Die heiligen Stätten“ (wiederum untergliedert in „Heilige Quellen“, „Votivgaben“ und „Ritualschächte und Kultbezirke“). Entsprechend der Einleitung werden denn auch die Táin Bó Cuailnge, Reliefe, Dreierwirbel in der ­„keltischen Kunst“ und gallorömischen TrizephalosDarstellungen herangezogen, um die Bedeutung der Zahl Drei für „die Kelten“ herauszustreichen (70). Wiederum direkt angesprochen werden irische ­Literatur und römisch-keltische Ikonographie bei der Beschreibung von „Erdmutter und Stammesvater“ – die meisten weiblichen Gottheiten würden Erdmutter-Züge tragen, die meisten männlichen würden Eigenschaften des Stammesgottes aufweisen (72). „Im keltischen Irland wurde die Vereinigung dieser beiden Elemente mit dem am 1. November begangenen Fest Samain gefeiert.“ In den folgenden Sätzen wird der (angebliche) mythologische Inhalt dieses Festes beschrieben. Wenn man die große Bedeutung der Jahreszeitenfeste im allgemeinen, und Samhains im besonderen kennt, wird deutlich, wie wichtig diese Beschreibung eines Archäologen für die neuheidnische Szene sein kann. Im Kapitel über die „Hauptgötter“ weist Cunliffe auf die große Zahl von Götternamen im „keltischen Europa“ hin. Dies sei ein Beleg für die „regional unterschiedliche[n] Versionen der pankeltischen Stammes- und Naturgötter“. (74). Mit dem Begriff „pankeltisch“ wird aber trotz aller „Regionalität“ ein gemeinsamer „europäisch-keltischer Glaube“ impliziert – ähnlich einem christlichen Europa mit ­regional unterschiedlichen Heiligen. Beim Versuch, ein ­wenig Klarheit in das Wirrwarr der keltischen Götter­namen und ihrer möglichen hierarchischen Ordnung zu be-

kommen, bemüht der Autor antike Autoren und irische Sagentexte, epigraphische Nennungen und die gallorömische Ikonographie. „Aus der Fülle geringerer Gottheiten trotzt ein Gott hervor, der besonders weit verbreitet ist – der Gott Lug. Im keltischen Irland zählte der ihm geweihte Tag Lugnasad (der 1. August) zu den vier großen Festtagen des irischen Kalenders, während im gallischen Lugdunum (Lyon) unter römischer Herrschaft am selben Tag das Fest des göttlichen Kaisers Augustus gefeiert wurde – ein interessantes Beispiel dafür, wie geschickt die Römer einheimische Institutionen den eigenen offiziellen Zwecken anpaßten. Der Name des Gottes lebt als Element von Ortsnamen in ganz Europa fort, während dem Gott geweihte Inschriften in der Schweiz ebenso gefunden wurden wie im entfernten Spanien.“ (74). Lugnasad ist zwar weniger bekannt als ­Samhain, aber für die meisten praktizierenden Neuheiden ebenso bedeutsam. Cunliffe weist auf Cernunnos, den Gott mit dem Hirschgeweih, hin, sowie auf den Gundestrupkessel, auf dem er abgebildet sei (75). Er überlegt sogar, ob es sich bei Cernunnos nicht um einen „Jagdgott der vorbäuerlichen Zeit“ handeln könnte, denn immerhin trügen die „Schamanen der späteren Hirtengemeinschaften Rußlands und der Polarkreiszone Hirschgeweihe“. Der Gundestrupkessel ist ein wesentlicher argumentativer Bestandteil in den neuheidnischen Traditionslinien (Leskovar 2009; in Vorb.). Ihn so wie hier auch noch mit paläolithischen Perioden zu verbinden, bedeutet in gleicher Weise wie viele neuheidnische AutorInnen zu argumentieren. Dieser Kapitelabschnitt wird ergänzt durch Ab­ bildungen von gallorömischen Figuren und ein ­Farbfoto des Wagens von Strettweg. In gleicher Art und Weise ist der Abschnitt über „Heilige Tiere“ abgefasst. Hervorzuheben ist nur ­folgender Abschnitt: „Auch Vögel spielten in der keltischen Mythologie eine große Rolle und wurden entsprechend häufig abgebildet. Besonders der Schwan ist ein wiederkehrendes Motiv in der Bronzekunst der Urnenfelder- und Hallstattperiode.Vogelsymbolismus findet sich auch in der irischen Literatur. So konnte die Kriegsgöttin die Gestalt des unheilverkündenden Raben annehmen, während der Reiher als durch und durch böse galt. In der Vielfalt der europä-

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ischen Folklore, die sich um Vögel rankt, spiegelt sich noch ­heute die Fülle der Glaubensvorstellungen, die sie einst umgaben.“ Hier zeigt sich auf geradezu klassische Weise die Vermischung von verschiedenen Quellen (Archäologie und Sagen) sowie die Schaffung einer Traditionslinie von Urnenfelderzeit bis in die (vor-)moderne Folklore. Im Kapitel über den Kopfkult werden zuerst die antiken Beschreibungen besprochen, sowie die Befunde von Roquepertuse und Entremont. Dem fügt Cunliffe aber hinzu: „Die scheinbare Einzigartigkeit dieser Stätten sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es in der gesamten keltischen Welt vermutlich entsprechende Heiligtümer gab, die ähnlich geschmückt, aber aus Holz gebaut waren und außer ein paar Pfosten­ löchern im Boden kaum Spuren hinterlassen haben.“ Dem lässt er aber keine archäologischen Beleg folgen, sondern wendet sich dem „Kult des abgeschlagenen Kopfes“ in der irischen Literatur (84), dann auch in der walisischen Literatur zu (86). Kopfdarstellungen aller Art (beispielsweise auch auf Münzen) runden das Bild der „einheitlichen Vorstellungen“ ab. Wichtig scheint Cunliffe auch die Würdigung „der Kelten“ zu sein: „Zwar war die Kopfjägerei in der keltischen Welt weit verbreitet, doch sollten die abstoßenden Aspekte des Kults nicht den Blick für die philosophischen und künstlerischen Zusammenhänge trüben. Als Sitz der Seele besaß der Kopf eine besondere Würde und göttliche Macht.“ (87). Im Kapitel „Die Heiligen Stätten“ wird ebenfalls ­Archäologisches mit irischen Sagen und antiken ­Texten in einer bunten Mixtur dargereicht. Auch hier zeigt sich der Versuch, die Inhalte mit jüngeren Perioden in Verbindung zu bringen: Die Tradition von Quellheiligtümern habe sich bis Mittelalter und Neuzeit fortgesetzt, wie man etwa bei Lourdes sehen könne (89). „Die Coventina-Quelle am Hadrianswall wurde in vorrömischer Zeit – mit einer rohen Mauer umgeben – in einen kleinen Teich verwandelt, in den man ­ Opfergaben, beispielsweise Münzen, warf. Diese schlichte Gestaltung scheint in der gesamten keltischen Welt üblich gewesen zu sein.“ – wiederum ohne weiterführende Belege. Unter „Ritualschächte und Kultbezirke“ vertritt Cunliffe die Ansicht, ein um 1000 v. Chr. datierter

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Schacht von Swanwick (Hampshire) sei der „Vorläufer einer Tradition, die später in Europa weite Verbreitung fand: Es ist sogar denkbar, daß der Aberglaube, der zum Graben dieser Schächte antrieb, seinen Ursprung in Britannien hatte und sich von dort aus verbreiterte.“ (93f.). Genannt werden auch die Viereckschanzen, die „höchstwahrscheinlich“ ­ rituellen Zwecken gedient hätten (94). Cunliffe beschreibt eine Anlage von Aulnay-aux-Planches in der Marne aus der späten Bronzezeit und die „Kultstätte“ von Libenice in Böhmen, die ins 3. Jh. v. Chr. datiert, klassifiziert sie beide als „Ritualbezirke“ und schließt: „Die siebenhundert Jahre, die sie zeitlich voneinander trennen, sprechen für die Stärke und die Kontinuität religiöser Traditionen“. (94). Meiner Ansicht nach können sich in Einfriedungen, die Gruben, Pfostenlöcher und Knochen in Gräbern oder außerhalb davon enthalten, höchst unterschiedliche (auch religiöse) Handlungen abspielen – deckungsgleiche Ähnlichkeit und dadurch Kontinuitäten anzunehmen, erscheint sehr riskant. Den Abschluss dieses Kapitels bildet eine Europakarte, auf der die (vermeintlichen) „wichtigsten keltischen Heilig­tümer“ eingezeichnet sind, wobei Cunliffe sich laut Bild­ unterschrift auf ­ archäologische Befunde und literarische Quellen gestützt hat (95). Insgesamt liefert dieses Kapitel zur „Keltischen ­Religion“, verfasst von einem renommierten Prä­ historiker, eine wahre Fundgrube für Lesende, die auf der Suche nach wissenschaftlicher Unterfütterung ­ihrer schon vorhandenen (oder erst neu zu bildenden) Vorstellungen zu diesem Thema sind. Funde von Irland bis Mitteleuropa und zum Mittelmeer, irische Texte, Aussagen antiker Autoren, epigraphische und ikonographische Quellen – alles wird herangezogen, um das Bild der Einheitlichkeit über große Räume und lange Zeiträume zu zeichnen. Insofern muss mein Urteil vernichtend ausfallen: Dieses Kapitel würde in einem Buch der neuheidnischen Szene nicht als Fremdkörper auffallen. Hermann Dannheimer, Rupert Gebhard (Hrsg.), Das keltische Jahrtausend. Mainz 1993. Unter dem Überbegriff „Kult“ finden sich drei Artikel im Katalog:

„Menschen, Götter und Dämonen – Zeugnisse keltischer Religionsausübung“ von Wolfgang Kimmig (170–176), „Kultplätze und Opferbräuche“ von ­Felix Müller (177–188) und „Symbolgut“ von Hans Peter Uenze (189–192). Kimmig: Gleich zu Beginn warnt Kimmig vor der unhinterfragten Vermischung von „archäologischem Befund mit der schriftlichen Überlieferung“ sowie vor der Übertragung von (antiken) Informationen über „keltische“ Religion auf das „süddeutsche Keltengebiet“, in dem die Ausstellung, für deren Katalog er schreibt, stattfindet (170). Kurz darauf ist er allerdings durchaus der Meinung, die Forschung sei „naturgemäß in erster Linie auf die Aussagen der schlichten Volksreligion angewiesen mit ihren meist zählebigen und sich über lange Zeit fast unverändert haltenden Riten und Gebräuchen“ (172) – ein Hochhalten der Traditionslinie also. Kimmig beschreibt Denkmäler aus der „keltischen Frühzeit“ (6.–4.Jh.), nämlich Schacht- und Spalthöhlen in Oberfranken, aus denen Menschenknochen mit Schnitt- und Brandspuren bekannt sind. Darin fanden sich auch Knochenscheiben aus Menschenschädeln: „Vor allem letztere erinnern daran, daß der menschliche Kopf in der religiösenVorstellungswelt der ­Kelten eine bedeutsame Rolle spielte.“ (172). Viereckschanzen interpretiert er „mit großer Wahrscheinlichkeit als keltische Heiligtümer“ (172) und setzt sie in Beziehung zum Begriff „nemeta“. „Der Kelte suchte und fand das göttliche Walten in Quellen und heiligen Hainen, im Rauschen der Bäume, im Orakelspruch und in geheimnisvollen Kulten, die vermutlich in eben diesen nemeta zelebriert wurden. In ihnen müssen vor allem Baumkulte eine bestimmte Rolle gespielt haben.“ Er nennt sog. „Kultbäume“, die in Schächte gesetzt waren, als Hinweis auf ­ diese Baumkulte in Süddeutschland und setzt die Sache in Beziehung zur berühmten „Eintauch“-Szene auf dem Gundestrupkessel, die er als Opferungsszene deutet. Auch das „Kultbäumchen“ von Manching nennt er in diesem Zusammenhang (173). Menschenopfer sind für Kimmig durch die genannte Szene am Gundestrupkessel und Caesars Schriften „ausdrücklich bezeugt“ (173).

Kimmig diskutiert dann steinerne Stelen als mögliche Belege für einen Ahnen- oder Götterkult und die Figuren von Fellbach-Schmiden, die er als mehrteiliges Kultbild deutet (175). Den Abschluss bildet die Diskussion diverser Tierfiguren. Hier fügt Kimmig wieder einen Hinweis auf eine Traditionslinie zwischen dem latènezeitlichen Süddeutschland und dem frühmittelalterlichen Irland ein: „Aber nicht übersehen werden sollte auch die Möglichkeit eines starken erzählerischen Moments, ein bildhaftes Anknüpfen an Mythen und Sagen, wie sie sich etwa im keltischen, nie von den Römern ­betretenen Irland noch nach Jahrhunderten in den Mabinogion-Erzählungen und im Sagenkreis um den Helden Cuchulainn erhalten haben.“ (176). Insgesamt tut dieser Beitrag, wovor er eingangs ­warnte: Er vermischt zeitlich und räumlich, und er lässt in manchen Stilblüten mythischen keltischen Geist ­geradezu typisch hauchen. Müller: Müller wird gleich am Beginn sehr deutlich: „Angesichts der Vielschichtigkeit des Kelten-Begriffes ist es verständlich, daß dabei in den meisten Fällen auf die irischen Heldenepen oder auf die walisischen und bretonischen Sagenkreise des Mittelalters zurückgegriffen wird. Eine Gleichsetzung mit keltischem Gedankengut auf dem Kontinent und in den vorchristlichen Jahrhunderten wird dabei als selbstverständlich angenommen, eine historische oder gar archäologische ­Absicherung (im wissenschaftlichen Sinne) gar nicht erst angestrebt. Gerade der in letzter Zeit besonders im englischen Sprachgebiet schier unüberschaubare Ausstoß an esoterischen Büchern keltischen Inhalts zeigt aber, daß deren Zielsetzungen grundsätzlich anderer Art sind: Es geht nicht in erster Linie um den Versuch, historische Realitäten zu rekonstruieren, sondern im Mittelpunkt steht sowohl die Suche nach der eigenen Identität wie auch die Legitimierung einer „neuen“, „ganzheitlichen“ Weltanschauung oder „naturnahen“ Lebensweise.“ (177). Müller meint meiner Ansicht nach zurecht, dass man beim Thema „Religion und Kult“ vor einem erkenntnistheoretischen Problem steht: „Wie läßt sich die Spur von etwas auffinden, das man selber gar nicht kennt?“ (177).

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Dem entsprechend folgen einige theoretische Überlegungen zur Möglichkeit, „Sakrales“ im Befund zu erkennen, die von großer Vorsicht des Autors sprechen. Allerdings hüllt er teilweise Altbekanntes (Traditions­ linie) in methodisch modernere Worte: „Da einerseits in der Religion die Tradition und andererseits in der Kultausübung das Ritual geradezu Grundvoraussetzungen für ihre Rechtmäßigkeit und ihr Wirkungsvermögen darstellen, ist ganz allgemein – und auch in vorgeschichtlichen Kulturen – mit einer ­ starken Kontinuität in allen Bereichen, die den Glauben ­berühren, zu rechnen. Mindestens sollte man gleichbleibende archäologische Phänomene in sich ablösenden Zeitepochen auf identische Verhaltensmuster bzw. Motivationsauslöser zurückführen dürfen.“ (178). Im Unterkapitel „Das Problem der „Viereckschanzen“ beschreibt der Autor kurz das als sicheres Heiligtum angesprochene Gournay-sur-Aronde (Picardie), um dann kritisch das Phänomen der „Viereckschanzen“ zu beleuchten (178–180). Er steht der singulär kultischen Deutung kritisch gegenüber, erwägt eine Deutung als „Bewirtungsplatz“ (mein Begriff) für größere festliche Handlungen, sowie auch eine rein profane Deutung. In einem weiteren Unterkapitel kommentiert er sprachlich ausgesprochen vorsichtig die Möglichkeiten, einige Befunde in Manching kultisch zu deuten (180–182). Eindeutig kultisch interpretiert er die Brandopferplätze, die sehr oft „Scherben aus der Bronze-, Hallstatt- und Frühlatènezeit“ erbracht hätten (184). Doch mit detailgenauen Schilderungen und Mutmaßungen zu dem, was sich dort abgespielt hat, hält er sich zurück. Ähnlich beim Unterkapitel „Felsentürme und Felsenschächte“: „In der Regel handelt es sich um senkrecht in die Tiefe stürzende Schächte, die ihre Entstehung der natürlichen Wassererosion im Kalkgebirge verdanken. Bisweilen wurden die Opfergaben in den schwarzen Schlund geworfen, ohne daß dessen Grund überhaupt betreten werden konnte oder mußte. Was sich im einzelnen jeweils tatsächlich vor dem Höhleneingang alles abgespielt hat, läßt sich nur erahnen, da wir lediglich über diejenigen Überbleibsel verfügen, die entweder mit Absicht oder eher zufällig in das Höhleninnere gelangt sind und sich auf diese Weise erhalten haben.“ (184). Allerdings beschreibt er auch Fundstellen, wie beispielsweise den „Klee-

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bergschacht“, dessen Keramik „in die späte Urnenfelderzeit und in die Hallstattzeit“ gehöre (185), und stellt damit eine typische Verbindung zwischen „Keltischem“ und Urnenfelder- und Hallstattzeit her. Des weiteren werden Gewässerfunde beschrieben, sowohl latènezeitliche, also auch, in einem kurzen Satz, urnenfelderzeitliche (186). Den Abschluss bilden „Aus dem Zusammenhang gerissene Weihegaben“ – das „Kultbäumchen“ von Manching wird beschrieben, der ­Waffenkomplex vom Förker Laas Riegel in Kärnten als aus einem keltischen Heiligtum stammend interpretiert, und Münzen als Opfergaben mit normiertem Wert genannt (187f.). Auch hier, wie im Großteil des Artikels, herrschen sprachliche Vorsicht und neutrale Beschreibungen vor. Uenze: Uenzes kurzer Beitrag beschreibt zahlreiche Motive (Sonnensymbol, Wasservogel/Schwan, Pferd, Kultwagen, Schlange, Rind/Stier, Hirsch, Schwein, Eule, Widder/Bock, Menschliche Figuren, Augen, „Sanduhrmuster“, Dreieck mit Winkelhaken, Quadrat) und Objekte, auf denen sie vorkommen. Die Objekte datieren in Urnenfelder-, Hallstatt- und Latènezeit. Uenze geht es darum, jedes Motiv zeitlich zu verorten, ab wann es vorkommt, wie lange seine Laufzeit ist. Die kultische Bedeutung steht im Vordergrund, profane Zusammenhänge werden extra herausgestrichen. Mit diesem Beitrag werden sämtliche genannten Motive und Objekte durch die implizierte Kontinuität über alle drei Perioden hinweg mehr oder weniger deutlich „keltisch“. Venceslas Kruta, Miklós Szabó: Die Kelten. Entwicklung und Geschichte einer europäischen Kultur in Bildern von Erich Lessing. Freiburg i. Br. 1979. Der Band enthält kein Kapitel, das in typischer Weise „Die Religion“ oder „Mythische Welt“ oder ähnlich bezeichnet wäre. Erst gegen Ende des Textteils kommt der Autor in den Abschnitten über „Die Prägebilder der Münzen“ (96f.) und „Der Kessel von Gundestrup“ (97f.) auf das Thema zu sprechen. Kruta vergleicht beispielsweise Widderköpfe auf Münzen mit ähnlichen Darstellungen auf Wein-

krügen von Waldalgesheim und Reinheim und folgert: „Übereinstimmungen dieser Art, die aufgrund der Vielschichtigkeit und Ursprünglichkeit des Gegenstands mehr oder weniger überzeugen, können zu Dutzenden aufgeführt werden. Man kann sie nur mit Hilfe eines gemeinsamen mythologischen Hintergrunds erklären, der sich seit dem 5. Jahrhundert ­vollständig herausgebildet hatte und in der Gesamtheit der keltischen Länder ohne große Veränderungen oder regionale Unterschiede bis zum Ende der latènischen Periode fortbestand. Unglücklicherweise ist uns keine jener Mythen, die mit den Darstellungen von Göttern oder Monstern verknüpft waren und wahrscheinlich die wesentlichen Aspekte der keltischen Lehre von Mensch und Universum zusammenfaßte, überliefert worden. Sicher kann man Übereinstimmungen zwischen dem Darstellungsreichtum der La-Tène-Kunst und den Legenden aufdecken, welche die Mönche des irischen Mittelalters aufzeichneten. Der mythologische Hintergrund eines Teils dieser Erzählungen kann ja nur schwer angezweifelt werden. Es ist jedoch weniger einfach, zu bestätigen, daß sie das treue Abbild der Mythologie der kontinentalen Kelten darstellen. Neben of überzeugenden Übereinstimmungen, welche zahlreiche Fachleute aufgezeigt haben, gibt es sogar in noch größerer Zahl auch beträchtliche Unterschiede, die wenigstens dem Anschein nach, nicht zu verringern sind.“ (97). Vor allem im Hinblick auf den frühen Erscheinungszeitpunkt dieses Buches ist Krutas kritische Sicht der Sachlage ausgesprochen erfrischend. Den letzten Abschnitt seines Buches widmet er einer kurzen Besprechung des Gundestrupkessels. Er meint, anhand „einer Art Figurensammlung der keltisch-kontinentalen Mythologie“ sei „die Rekonstruktion der keltischen Götter- und Mythenwelt versucht“ worden (97). Er selbst hält sich aber mit sicheren Interpretationen zurück: „Man darf also die Zugehörigkeit aller Platten zu einem keltischen mythologischen Zusammenhang nicht als gesichert betrachten.“ (98). Es ist sichtlich nicht Krutas Anliegen, sich über ­„Keltische Religion“ zu verbreiten. Die wenigen Hinweise auf das Thema sind höchst kritisch, die ­Problematik der Verknüpfung von verschiedenen Quellen wird deutlich – insgesamt also methodisch weitaus sauberer als weitaus jüngere Texte.

Ludwig Pauli, Keltischer Volksglaube. Amulette und Sonderbestattungen am Dürrnberg bei Hallein und im eisenzeitlichen Mitteleuropa. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 28, 1975. Paulis Buch ist im ersten Teil eine Beschreibung von europäischen Befunden und Funden der Hallstatt- und Latènezeit. Auf deren Grundlage fasst er zuerst Amulettkategorien („Geräusch verursachend“, „Äußere, sinnfällige Form“, „Äußere Beschaffenheit“, „Auffälligkeiten und Curiosa“, „Stoffwert“), Besonderheiten des Bestattungsbrauches („Lage der Amulette im Grab“, „Schnecken und Muscheln“, „Scherbenstreuung“), Abweichende Skelettlagen („Hockergräber“, „Bauchlage“, „Andere Abweichungen“) sowie Postmortale Veränderungen am Skelett („Fehlende oder verlagerte Gliedmaßen“, „Teilverbrennung“) zusammen. Im Anschluss versucht er Interpretationen. Nach Pauli sind Amulette nicht nur für die Welt der Lebenden bestimmt, sondern erfüllen auch im Grab eine ganz bestimmte Funktion. Das Schlagwort der „Gefährlichen Toten“ kehrt immer wieder. Vor allem unverheiratete bzw. kinderlose Frauen seien in dieser Hinsicht besonders auffällig (181–183). Gewaltsamer Tod, Tod im Kindbett usw., also Auffälligkeiten in der Todesart, seien durch Amulette für uns sichtbar gekennzeichnet, bzw. könnten gekennzeichnet sein. Somit besteht immer die Möglichkeit, dass ein Amulett sowohl schützen als auch bannen könne (165–180). Pauli vergleicht all dies mit angrenzenden Räumen und Perioden, setzt es in Beziehung zu ethnographischen und historischen Quellen. Der „Keltische Volksglaube“ liefert wenig für Interessierte, die auf der Suche nach Erkenntnis über Götter, Mythologien, Organisationsstruktur der religiösen Praxis, Druiden etc. sind. Dazu ist der behandelte (archäologische und inhaltliche) Ausschnitt zu klein. Insofern ist eine Beurteilung des Textes im Sinne meiner Fragestellung auch schwierig. Pauli geht es nicht um die „keltische“ Religion in ihrer Gesamtheit (Er schreibt sogar: „Für eine Beurteilung des religiösen Aspekts der Amuletthäufigkeit fehlen uns vollends festere Anhaltspunkte, weil wir über die Religion der damaligen Zeit […] so gut wie nichts wissen.“ (202)),2 auch wenn der Buchtitel dies suggerieren könnte3.

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Trotzdem lassen sich natürlich viele Detailinformationen ableiten, übernehmen, und mit „Keltischem“ in Beziehung setzen. Schon durch den Titel wird alles, worüber er schreibt, für jene, die sich mit „Keltischem“ identifizieren wollen, nutzbar4. Insgesamt ist Paulis Buch wissenschaftlicher und ­methodisch vorsichtiger als andere hier analysierte Werke. Seine Beschränkung auf einen kleinen archäologisch sichtbaren Bereich macht es trotz des (für lesende Suchende) vielversprechenden Titels nicht gerade zu einer Fundgrube, was ich naturgemäß, im Sinne meiner eingangs formulierten Fragestellung, positiv werte. Stuart Piggott, The Druids. London 1993. (First published 1968). Naturgemäß beschäftigt sich das gesamte Buch mit „keltischer Religion“ in irgendeiner Form, wenn „die Druiden“ als Priester derselben betrachtet werden. Spezifisch, vor allem auch archäologisch ausgerichtet, ist das Kapitel „The Archaeology of Celtic Religion“ („Shrines and Temples“, „Sacred Enclosures“, „Ritual Shafts“, „Votive Deposits“, „Cauldrons“, „Images“ und „Funerary Ritual“) (48–90). Schon beim Überblättern der Seiten trifft man auf alte Bekannte in Form von Fotos: Roquepertuse, Entremont, verschiedene „ditched enclosures“ aus Großbritannien und Frankreich, Libenice, Viereckschanzen, Längsschnittzeichnungen von mitteleuropäischen Schächten, Funde von Llyn Cerrig Bach, den Gundestrupkessel, die Holzstatuen aus der Seinequelle, diverseste Kopfdarstellungen. Piggot weist am Beginn des Abschnitts auf die schwierige Vergleichbarkeit von antiken Quellen und archäologischen Befunden hin. Er meint, es könnte unmöglich sein „to bring Diogenes and his tub ­together“ (48). Er möchte diese Problematik im Hinterkopf behalten wissen. Vor allem der erste Teil der folgenden Ausführungen, über Bodendenkmale wie Enclosures etc., ist strikt ­archäologisch-beschreibend, es finden sich keine im Sinne der an die Texte gestellten Fragen relevanten Stellen. Viereckschanzen werden, wie üblich, kultisch interpretiert (70), ebenso wie die „Ritualschächte“, die mit griechischen und römischen Kulten ver­glichen werden (74). Unter „Votive Deposits“ stellt Piggot eine klassische

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„keltische“ Traditionslinie her: „These ritual shafts […] link the Celtic cult of the underworld with that of springs and water. Here we have a deep-rooted set of beliefs still surviving vigorously into modern Celtic folk-lore and attested in antiquity by numerous finds reasonably explicable as votive in charakter, and deposited in pools, springs, or natural wells.“ (76). Unter „Cauldrons“ wird die Vermutung aufgestellt, bei der Eintauch-Szene würde es sich um eine Entsprechung zu Lucans Beschreibung der Opfer an ­Teutates handeln – „may be“ schreibt Piggot (79). Den Abschluss des Kapitels bilden Betrachtungen über einen allgemeinen indoeuropäischen Hintergrund der Sozialordnung und dadurch auch der religiösen/kultischen Vorstellungen. „The Celtic tradition in Ireland conserved untouched archaisms in language, ideas and even prosody which have their counterparts in Sanskrit or Hittite, and we must be seeing fragments of a common heritage that goes back to the second millennium B.C.“ (88) – diese Traditionslinie zieht sich in beide Richtungen. Und weiter: „It is against such a cultural background as that sketched in this chapter that we must set Celtic religion, and with it the bards, the seers, and the Druids.“ (89). Der Begriff „Druide“ und sein möglicher Inhalt wird im nächsten Abschnitt (91–121) ausgehend von den antiken Quellen ausführlich diskutiert. Hier findet die übliche Mischung auch mit irischen Quellen statt, doch entspricht dies der gängigen Praxis in Piggots Buch, wie sich auch schon bei der Analyse seines Keltenbegriffs ganz allgemein gezeigt hat (Leskovar 2009, 130f.). Der restliche Teil des Buches ist der Entwicklung des Druidenmythos seit der Renaissance gewidmet und endet naturgemäß mit der Diskussion moderner Druidenorden. Interessant für meine Fragestellung wird es dann erst wieder im abschließenden Kapitel. Für Piggot baut „Celtic religion“ nämlich auf einer „ancient tradition“ auf (184), was er im Detail anführt, indem er Europa seit der späten Eiszeit beschreibt. Das Schlagwort ist hier der Schamanismus, und Mircea Eliade wird diesbezüglich als Autorität angeführt (185). Pigott denkt nicht unbedingt an ein vollständiges religiöses System, das aus dem Paläolithikum und Mesolithikum überlebt hätte, aber es „could form a substrate in the ancient European tradition“ (185). Auch im fol-

genden verwendet Piggot konsequent den Konjunktiv, wenn er mutmaßt, dass gewisse Teile der neolithischen Religion in die spätere „keltische“ Religion Eingang gefunden haben könnten (185), oder wenn er die Vermutung aufstellt, die Verbreitung der Indo-Europäischen Sprachen sei Auslöser für die gesellschaftlichen Veränderungen im Spätneolithikum, und eine ­dieser Sprachen wäre womöglich das Keltische gewesen (186). Immerhin gäbe es keine archäologischen oder linguistischen Hinweise auf größere kulturelle Brüche bis zum 8. Jh. („when Celcic is first recorded“). Dies alles wird noch einmal zusammengefasst: „By the time of the historically documented Druids the background of possible religious tradition would then be roughly as follows. Taking as a starting-point the forms of Celtic religion as inferred from archaeology, epigraphy and the classical and vernacular texts, there are three main antecedent phases.The first would be the traditions, predominantly Indo-European, going back to the second millenium BC and perhaps to its beginnings. Behind this again would be the wholly obscure religions of the Neolithic agriculturists with, in Gaul and especially Britain, eastern and western components mixed from the end of the fourth millennium BC. And finally, underlying all, there would be the beliefs and rites of the hunting peoples of pre-agricultural Europe which might well have contained elements surviving in shamanism. It is a pedigree which could be a good 20,000 years in length.“ (186). Das Druidentum sei eine Indo-europäische Institution, die mit der Brahmanen-Kaste vergleichbar sei, aber die feststellbaren speziellen Elemente könnten durchaus mit den beschriebenen Traditionen, die auf das Druidentum eingewirkt hätten, erklärt werden (186). Auf sprachlich sehr verdrehte Weise will Piggot wohl sagen, dass es keine wirklich gute Verbindung zwischen den frühesten Bauernkulturen Europas und dem Druidentum bzw. „den Kelten“ gibt, aber er stellt „a distinct Gaulish „interest“ in megalithic tombs“ fest – dadurch lässt er offen, ob hier nicht doch eine Art „Kultkontinuität“ besteht (188). Er schließt den Abschnitt mit den Worten „The ­factual Druids were, then, the members of an IndoEuropean social order, practising a religion which may have contained many elements already ancient in their day.“ (188).

In der Zusammenfassung der modernen Entwicklung des Druidenmythos übt er deutlich und fast ein wenig herablassend („because it avoids the necessity of thought“; 191) Kritik an der Verbindung von Druiden mit Stonehenge (190f.), was etwas deplaziert wirkt angesichts des kurz davor auf höchst pseudovorsichtige Weise verkündeten Interesses der Gallier an megalithischen Gräbern. Piggot macht sich gemäß meiner Fragestellung vor allem der durchgängigen Schaffung einer Traditions­ linie schuldig. Er tut dies teilweise deutlich, teilweise sehr hintergründig, aber er tut es. Beispiele für übermäßiges Zeichnen des Druidentums bzw. der keltischen Religion als besonders „mythisch“ kommen meiner Ansicht nach in seinem Buch allerdings nicht vor. Barry Raftery, Pagan Celtic Ireland. London 1994. Analysiert wurde Kapitel 8 “Cult, Ritual and Death” (178 –199). Gleich am Beginn hält Raftery Ähnlichkeiten zwischen gallischen und irischen „religious affairs“ in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten für wahrscheinlich. Irische Literatur und Texte antiker Autoren hätten „much in common“ bezüglich „Celtic beliefs and ritual practices“. Er stellt beide Quellengattungen gleichberechtigt und gleichzeitig auswertbar nebeneinander. Aus beidem würde sich ein Bild von den Kelten als ein Volk ergeben, welches fast besessen von seinem Glauben und seinen durch Opfer milde zu stimmenden Göttern war. Es wird gemutmaßt, bei den zahlreichen nur einzeln vorkommenden Götternamen würde es sich nur um lokale Ausprägungen von „common panCeltic deities“ handeln (178). Zum Abschluss der Einleitung meint Raftery, aus ­archäologischen Befunden lasse sich nur schwer ein Einblick auf die religiöse/kultische Praxis gewinnen, doch der Archäologe müsse es wenigstens versuchen. Als Beispiele von Befunden und Fundkatergorien, die mit großer Wahrscheinlichkeit kultischen Charakter hätten, beschreibt er „Ritual sites“, „Standing stones“, „Wet sites: rivers, lakes and bogs“, „Human and animal forms“, „Bog bodies“ und „Burials“. Auch hier werden laufend britische archäologische

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Befunde mit kontinentaleuropäischen Befunden und vor allem antiken Texten in Verbindung gebracht und dadurch erklärt. Bei weitem überwiegen hier aber die konkreten Beschreibungen archäologischer „Tatsachen“. Abgesehen von der genannten Mischung von Quellengattungen fallen in diesem Kapitel nur zwei Stellen auf: Die Versenkung von Kesseln nimmt Raftery zum Anlass, auf die große kultische Bedeutung des Kessels in der „keltischen Mythologie“ hinzuweisen, was auch der Kessel von Gundestrup deutlich zeigen würde (184) – hier droht schon die Gefahr des Zirkelschlusses. Die steinernen Köpfe sind dem Autor Belege für den „Celtic charakter“ der irischen Gesellschaft, „for the cult of the head was widespread in all areas of ­Celtic Europe“ (185), was nur eine Bestätigung für den Buchtitel darstellt. An einer früheren Stelle im Buch, unter „King and Tribe – Places of assembly“ kommt Raftery auf die Jahreszeitenfeste „Samhain“ und „Beltaine“ zu sprechen (82f.). Samhain bezeichnet er als „significant festival in the pre-Christian calendar celebrated at the end of October“ (82), und Beltaine als „one of the great feasts, held at the beginning of May“ (83), ohne sich bei einem der beiden auf eine Diskussion zur möglichen kontinentalen Existenz dieser Feste einzulassen. Allerdings mutmaßt er an dieser Stelle, der „bile or inauguration tree“, wie er von einigen irischen Fundorten bekannt ist, wäre ein Brauch „of pagan Celtic origin for there are clear indications that it existed in Gaul in the pre-Roman Iron Age.“ (83). Insgesamt hält Raftery sich einerseits weitgehend zurück, was Interpretationen von einzelnen Phänomenen oder Befunden (Befundgruppen) angeht.Durch die Einleitung, seine Hinweise auf das ­„keltische Volk“ an sich und die Verbindung zu anderen (schriftlichen) Quellen macht er jedoch die archäologischen Details für die Re-Konstruktion einer „keltischen Religion“ nutzbar. Zusammenfassung und Wertung Ich habe entgegen bereits aufgestellter Behauptungen kein ­wirkliches Problem mit der Nutzung archäologischer ­Inhalte in neuheidnischen Kontexten. Funde und Fundorte gehören niemandem bzw. allen, und

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i­nsofern dürfen auch alle, die daran Interesse haben, argumentativ damit tun, was sie möchten. (Die Betonung liegt auf „argumentativ“, denn natürlich liegt mir am Schutz von Fundstellen um fast jeden Preis). Ich stelle durch zwei Fakten eine davon abweichende Meinung innerhalb der Prähistorischen Archäologie fest: erstens durch die sehr seltene Beschäftigung mit der Thematik, die nahe an Leugnung heranreicht, und zweitens durch verbale Äußerungen auf Tagungen und bei sonstigen Gelegenheiten, wo die Fachwelt sich trifft. Beispielsweise wurde meine Beschäftigung mit der Thematik begrüßt, denn die Wissenschaft müsse dieser „Landplage“ etwas entgegensetzen. Diese Äußerung ist symptomatisch. Natürlich sind nicht alle PrähistorikerInnen dieser Meinung, natürlich sind ­Verallgemeinerungen hier problematisch. Doch ich wage die Behauptung, der Großteil der wissenschaftlichen Community sieht die Nutzung archäologischer Inhalte speziell durch das Neuheidentum nicht gerne und, was wohl der für mich wesentlichste Punkt ist, kritisiert die konkrete Art der Nutzung, denn diese sei unwissenschaftlich. Themen würden vermischt, Begründungen nicht geliefert, abenteuerliche Geschichten über die Vergangenheit erzählt. Dem stimme ich zu. NeuheidInnen schreiben nicht wissenschaftlich, oder tun diese nur sehr selten, vor allem auch, wenn das einzelne Kriterium von Wissenschaftlichkeit, das ich oben angesprochen habe, berücksichtigt wird, nämlich die Nachvollziehbarkeit, die Begründung.Vielleicht geht es mir einfach nur um Gerechtigkeit, wenn ich zu zeigen versuche, woran (auch! nicht ausschließlich) diese unwissenschaftliche Vorgehensweise liegen kann. (Das „auch“ bezieht sich vor allem auf meine Vermutung, NeuheidInnen hätten gar kein Interesse daran, wirklich und ständig wissenschaftlich zu schreiben.). ArchäologInnen schreiben, wie ich unten noch einmal zusammenfassen werde, ebenfalls viel Unbegründetes und Abenteuerliches über „Kelten“ und deren Religion. Nachdem ich ihnen einen wissenschaftlichen Anspruch unterstelle, ist ihre „Sünde“ noch weitaus größer wie jene der NeuheidInnen, die sich hie und da wissenschaftlicher Themen bedienen, im Grunde aber bewusst außerhalb des Systems Wissenschaft stehen. Indem ArchäologInnen archäologische Inhalte in einen meiner Ansicht nach methodisch bedenklichen Kontext stellen, versehen sie

diese Inhalte mit einer Art Schmiermittel, das diese Inhalte umso leichter in den neuheidnischen, ebenfalls (aus wissenschaftlicher Sicht) abenteuerlichen Kontext gleiten lässt. Archäologische Inhalte werden umso leichter auch außerhalb der Wissenschaft nutzbar, je methodisch unsauberer sie durch die Wissenschaft selbst in schlecht begründete geradezu klassische Geschichten verpackt werden. Für Bittel sind Viereckschanzen kultisch, zeigen oft eine Nähe zum Ahnenkult und stehen in einer langen Entwicklungsreihe, die zumindest bis in die späte Hallstattzeit zurückreicht. Er zeichnet ein Bild der großen Kultanlagen, neben denen es „Anzeichen“ auf kleinere Anlagen für „bestimmte Handlungen“ gäbe. Cunliffes Buch ist, wie ausführlich dargelegt, eine enorme Fundgrube für NeuheidInnen und würde in einem Buch dieser Szene keinesfalls als fremdartig (weil wissenschaftlich) auffallen. Kimmig zieht Traditionslinien von derVergangenheit in die Gegenwart, indem er die „zählebigen Gebräuche der schlichten Volksreligion“ anspricht. Kopfkult, Viereckschanzen, Baumkult, der Gundestrupkessel mit der als Menschenopfer gedeuteten „Eintauch-Szene“, das Kultbäumchen von Manching, steinerne Stelen für Götter- bzw. Ahnenkult (als Möglichkeit) und die interpretative Verbindung mit irischen Sagen – Kimmigs Text verrät durchaus eine etwas romantische Vorstellung zur keltischen Religion und ist, auch wenn nicht mit Cunliffes Text zu vergleichen, so durchaus von Interesse für den suchenden Neuheiden. Im selben Band ist Müller viel kritischer, vor allem was die Quellenvermischung, noch dazu aus unterschiedlichen Zonen und Zeiten, angeht. Er hinterfragt auch die uniform kultische Deutung derViereckschanzen. Brandopferplätze und „Kultschächte“ beschreibt er, interpretiert sie aber nur zaghaft, wie es seinem Anspruch entspricht. Allerdings verbindet er „Keltisches“ auch mit Urnenfelder- und Hallstattzeit und bildet dadurch eine Traditionslinie. Uenzes Beitrag analysiert zahlreiche Motive (vor allem Tiere), deren erstes Auftreten (teilweise in der Urnenfelderzeit) er zu belegen sucht, wodurch er ebenfalls eine „keltische“ Traditionslinie aufbaut. Kruta geht zwar von einem „gemeinsamen mythologischen Hintergrund“ „der keltischen Länder“ aus, warnt jedoch vor der Verwendung irischer Sagen

als Erklärungslieferant. Er ist sogar vorsichtig, was die Deutung des Gundestrupkessels als Träger eines keltischen mythologischen Hintergrunds angeht. Diese Vorsicht überrascht angesichts des vergleichsweise ­hohen Alters von Krutas Text (1979). Paulis Buch über Amulette ist für neuheidnische ­Suchende nicht in dem Maße geeignet, wie beispielsweise Cunliffe’s oder Kimmigs Text. Einzelne Elemente werden schon aufgrund des Titels sicher verwendbar sein, doch grundsätzlich handelt es sich um eine „klassische“ archäologische Arbeit. Piggot schafft in seinem Buch über „Druids“ immer wieder Traditionslinien.Vor allem bei der Gesamtschau des Phänomens „Celtic Religion“ greift er bis tief ins (schamanische) Paläolithikum zurück, um Wurzeln zu finden. Er verwendet durchaus Konjunktive, aber sein Glaube an eine lange Tradition ist evident. Raftery verwendet archäologische und andere Quellen gleichberechtigt nebeneinander, was Piggot beispielsweise kritisiert. Auch dadurch wird eine keltische Einheit suggeriert, und, schon aufgrund des Titels, vieles im Buch für „keltische Erklärungen“ heranziehbar. Es geht nicht darum, eine Art „Schuldfrage“ zu ­klären, wer denn nun mehr methodische Ungenauigkeiten produziert, wo sich mehr mythische Verklärungen finden. Trotzdem kann offensichtlich ein gewisses Maß an Mitverantwortung für die in der neuheidnischen Literatur vorhandenen Inhalte der Fachwelt (Literatur) nicht ganz abgesprochen werden. Ich denke, es konnte einigermaßen eindrücklich gezeigt werden, dass es durchaus Ähnlichkeiten im am Beginn formulierten Sinne zwischen Texten der neuheidnischen Szene und der Wissenschaft gibt. Bis auf wenige Ausnahmen (Cunliffe, Kimmig) mögen es ­keine dramatischen Ähnlichkeiten im Sinne sehr bedenklicher Textstellen sein. Doch das intensive Vorkommen von oft weit zurückreichenden und in die Gegenwart reichenden Traditionslinien, die Vermischung von Zonen und Zeiten, auch von Quellen, zeigt sich meiner Ansicht nach deutlich – alles Dinge, die man, so nehme ich an, bei „den Anderen“, also allen NichtWissenschaftlern, kritisieren würde. Die Fachliteratur hat sich als sehr gut nutzbar für die Zwecke der neuheidnischen AutorInnen herausgestellt. Es kommt in den Religionskapiteln schon einiges zu­sammen, wenn

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man (als NeuheidIn) die Fachliteratur nur genau liest. Dieser Beitrag zielt nicht darauf an, die große ­Lösung für dieses Problem zu finden, so es überhaupt ein Problem ist. Es ging mir darum, einen Sachverhalt darzustellen, der sich aus meiner Sicht durch die Analyse der Texte zweifelsfrei ergibt, auch im Sinne der oben bereits angesprochenen Gerechtigkeit. Denn immerhin werden außerhalb der Wissenschaft stehende Menschen für etwas kritisiert, was meiner Ansicht nach auch die schreibenden Wissenschaftler selbst tun. Ob dies etwas mit Schuld zu tun hat, bzw. inwieweit

die Thematik überhaupt einen Problemfaktor aufweist, muss jeder/jede LeserIn selbst entscheiden. Was die Prähistorische Archäologie angeht, erlaube ich mir abschließend einen einfachen aber wirkungsvollen Lösungsansatz: mehr Mut zu gleichzeitig formulierten, voneinander abweichenden Interpretationen/ Geschichten und damit ein Verdeutlichen der lückenhaften Quellenlage, die keine Schande ist, einerseits (siehe auch Leskovar 2005) und weniger schlecht begründete, einseitige, dogmenhaft verkündete und ewig gleiche Geschichten andererseits.

Anmerkungen 1 Zumindest in meinem Kopf entstehen Bilder von einer prähistorischen Version eines „zentralen Doms“, zu dem die Pilger zu besonderen Anlässen kommen, während sie Alltags und an „normalen Sonntagen“ ihre „Pfarrkirche“ aufsuchen.) 2 „Ein größerer Gegensatz als zwischen der bilderfeindlichen Hallstattkunst im Westen und der am Nordrande dieses ­Gebietes aufkommenden Latènekunst mit ihrer Vorliebe für plastische Ausgestaltung der Gebrauchsgegenstände, für die Verwendung von Tier- und Menschenköpfen, für die Umsetzung pflanzlicher Motive aus dem mediterranen Kulturkreis, wie etwa die Palmetten, ist nicht denkbar. Nach dem, was wir über die Rolle des hallstättischen Symbolgutes wissen und über die magischen Aspekte der Frühlatènekunst gleich noch ausführen werden, wird man wohl annehmen dürfen, daß sich in diesem Gegensatz auch eine Änderung wesentlicher religiöser Vorstellungen manifestiert. So können wir zwar die Tatsache einer Veränderung wahrscheinlich machen, aber über deren konkreten Inhalt nach wie vor nur sehr wenig aussagen.“ (203f.).

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3 „Wenn wir im Titel dieser Arbeit den Begriff des „Volksglaubens“ verwendet haben, so tragen wir damit dem Umstand Rechnung, daß die beschriebenen Erscheinungen nur lose mit dem verbunden sind, was man als „keltische Religion“ bezeichnet, also den vielfältigen und verworrenen Götterhimmel mit den damit verknüpften Kulten.“ (210). 4 Wichtig für Lesende ist sicherlich auch folgende Aussage: „Interpretieren wir also den gesteigerten Gebrauch von Amuletten in der Frühlatènezeit überwiegend als einen Ausdruck neuer geistig-religiöser Strömungen im weitesten Sinne, ­ergibt sich die Frage von selbst, ob nicht auch wesentliche ­Eigenheiten der frühkeltischen Kunst in diesem Zusammenhang zu sehen sind. In erster Linie könnte diese für die fast schon manische Beliebtheit von Masken, Fratzen und Tierköpfen im keltischen Kunsthandwerk zutreffen.“ (205; Pauli zitiert im folgenden (206) zahlreiche andere Arbeiten, die in ähnlichem Sinne argumentieren).

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Die Kelten in der Landschafts-Mythologie und Geomantie Günter Kantilli

Zusammenfassung Die junge Wissenschaft der Landschafts-Mythologie und der Geomantie ermöglicht uns heute die alten Kulturplätze vom Mesolithikum bis zur Antike aufzufinden und zu erforschen. Dadurch kann ohne großen finanziellen Aufwand ein gesamtheitliches Bild einer Region oder Gemeinde gezeichnet werden. Ein wesentlicher Akzent der von mir initiierten Integralen Heimatforschung ist die Vermittlung der Forschungsergebnisse an interessierte Gemeindebürger durch Vorträge und Wanderungen zu den Kulturplätzen. Ebenso ist es mir wichtig, mit anderen Disziplinen, wie Religionswissenschaft, Archäologie,Volkskunde usw. Erfahrungen auszutauschen. Abstract The new science of landscape - mythology and geomancy enables us today to find and explore old cultural places from the Mesolithic until Antiquity. As a result a holistic picture of a region or community can be developed without great cost. A major emphasis of the integral research into local history which was initiated by me is to transmit the results of this research to an interested public through community lectures and excursions to cultural sites. It is also important to me to exchange experiences with other specialised fields, such as religious studies, archaeology, folklore etc.

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Ziele meiner Forschung Neben der oben erwähnten allgemeinen ForschungsVermittlung möchte ich den achtsamen Umgang mit der Natur fördern. Die stark materialistisch geprägte Sichtweise vieler Disziplinen, wie z. B. Kunstgeschichte, Archäologie usw. möchte ich durch Spiritualität ­erweitern. Weiters möchte ich bewusst machen, dass die Ortsqualität einen großen Stellenwert in allen Forschungsbereichen darstellt. Landschafts-Mythologie Sie gehört zur Human-, Religions- und Wahrnehmungs-Geographie. Dieses interdisziplinäre, systemi­ sche Fachgebiet ist erkenntnis- und praxisorientiert. Die Landschafts-Mythologie beschäftigt sich mit Ortsund Flurnamen, die die ältesten Dokumente unserer Heimat sind. Ebenso verwendet sie die Sagen, die immer ortsbezogen sind, um die alten Kulturplätze, z. B. von den Kelten aufzufinden. Flurnamen und Sagen gehören zu unserem immateriellen Kulturerbe – siehe Nationalagentur für das Immaterielle Kulturerbe der UNESCO. Geomantie Frei übersetzt bedeutet Geomantie das „Lesen und Interpretieren“ der Weisheit der Erde. Und unter Geomantie verstehe ich eine geistige, religiöse und energetische Archäologie. Geomantie erfasst die Gesamtqualität eines Ortes und damit auch die Wechselbeziehung zwischen Ort und Mensch. Dadurch unterstützt sie die Auffindung und Erforschung von Kulturplätzen. Eine Methode der Geomantie ist die biokybernetische Archäologie. Sie entspricht einer energetischen Stratigraphie, bei der geistige und religiöse Schichten unterschiedlicher Zeiten erfasst werden können. Beispielsweise können Handlungen und Kulte einer autochthonen Kultur, darüber liegend die der Kelten und später der Christen festgestellt werden. Der Hintergrund dieser Methode ist, dass Gedanken, Emotionen, Riten usw. Energien sind, die immer vorhanden bleiben. Diese Energien sind einerseits raumund zeitfrei, aber bleiben auch am Ort des Geschehens vorhanden (Peat, Sheldrake und Weber). Objektiviert

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wird das subjektive Geomantie-Ergebnis einerseits durch die Erforschung von mehreren Geomanten und durch den Flurnamen. Integrative Heimatforschung In der von mir initiierten besonderen Art von Heimatforschung wird versucht, alle Natur-, Geistes- und Erfahrungswissenschaften, wie Archäologie, Religionsgeschichte, Mythen- und Symbolforschung usw. einzusetzen,um von einem Ort ein Gesamtbild zu bekommen. Dadurch ist es heute möglich, keltische Siedlungen und keltische Naturheiligtümer zu finden und zu analysieren. Wesentliches Ziel dieser Heimatforschung ist die Vermittlung der örtlichen Forschungsergebnisse. Naturheiligtümer An besonderen Orten mit Energie-Anomalien haben die frühen Kulturen ihre Heiligtümer errichtet. Unter Naturheiligtümer verstehen wir Heilige Quellen, Heilige Bäume, Heilige Berge, Heilige Steine usw. Die vorantiken Völker feierten im Freien bei diesen Heiligtümern ihre verschiedenen Kulte, wie z. B. für Fruchtbarkeit, Opfer, Versammlung, Feuer, für die ­Ahnen usw. Religionsgeschichtlich sind Naturheiligtümer Hierophanien (Erscheinung des Heiligen), Orte des Übergangs zwischen Himmel und Erde sowie Orte der Begegnung mit dem Göttlichen. Die Tradition der Naturheiligtümer können wir uns so vorstellen: Zuerst waren hier Kulte der autochthonen Religion, dann kamen Kelten oder Germanen und übernahmen nur jene Plätze, die für Ihren Kult geeignet waren. Dann übernahmen die Christen ebenfalls nur jene Naturheiligtümer die für ihre Religion geeignet waren und verteufelten die anderen. Etwa 70 % der heutigen christlichen Wallfahrtsorte wurden auf oder neben den alten Naturheiligtümern errichtet. Meistens finden wir dort eine Heilige Quelle mit einem Heiligen Baum und einem Heiligen Stein, die in den Wallfahrtskirchen liegen bzw. dargestellt werden. Wirkung von Naturheiligtümern Auf Naturheiligtümern finden wir stets hohe kosmische und terrestrische Energien. Dazu kommen

noch die Energien der Menschen, die hier ihre Feste feierten. Diese Kräfte wirken intensiv auf Körper, Seele und Geist. Damit diese Energien für uns bekömmlich werden, soll man auf der Heiligen Straße, die jedes Kultzentrum hat, zum Heiligtum gehen. Diese Straße wirkt reinigend für Körper und Seele. Auch jede alte Kirche besitzt so einen energetischen Weg. Damit wir in Resonanz mit dem Naturheiligtum kommen, empfehle ich, um das Betreten des Heiligtums zu bitten. Ebenso ist es wichtig mit all unseren Sinnen im Hier und Jetzt zu verweilen, d. h. sehen, hören, riechen

und spüren. Weiters empfehle ich, jenen Ort im Naturheiligtum aufzusuchen, der uns intuitiv anspricht. Meistens ist dies der Platz, der uns im Augenblick am Besten fördert. Je nach geistiger und religiöser Einstellung können wir hier der Natur oder der Gottheit danken oder um etwas bitten. Genauere Darstellung über Landschafts-Mythologie und Naturheiligtümer finden Sie in meinem Buch: Kantilli, G. (2010), Naturheiligtümer in Europa. 4211 Alberndorf.

Literatur Peat, D. F. (21989), Synchronizität, die verborgene Ordnung. Bern, München. Sheldrake, R. (61996), Das Gedächtnis der Natur. Bern, München. Weber, G. [Hrg.] (31994), Zweierlei Glück, die systemische Psychotherapie Bert Hellingers. Heidelberg.

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Echt, die Kelten hatten schon Betten?! Erfahrungen aus dem Alltag einer Darstellungsgruppe für „lebendige Geschichte der Keltenzeit“ Johannes Alex. Haidn

Abstract Really, the Celts already got beds?! Experiences of a Celtic living history performance group Public knowledge about the Celts, like the term itself, is still characterized by stereotypes. Clichés, which were originated already in ancient times, are still popular.Today’s public image of a typical Celt is: tall, blond, white skinned, talkative, boastful, pugnacious, frightening, venturous, having the passion to grandeur etc. In addition to that perception there are some modern Celtic clichés from well known comics like Asterix and Obelix as well as TV and movies. The public wants to see this iconography of the Celts and is asking for it, if one presented with different imagery more closely based on the results of modern scholarly research. Similarly, the organisers of living history events (medieval, Celtic and Roman festivals), try to match the popular beliefs about and image of the Celts. In German-speaking countries living history has become important during the last 15 or 15 years – much later than in other European countries. It was particularly made popular by historian Markus Junkelmann and his group of Roman legionaries.The two major areas where living history is being performed are museum events and commercial historical festivals. Museum managers increasingly request that call for reenactors to make their events attractive for the visitors.The fundamental principle for a high-quality living history performance is: it must be realistic in order to seem authentic and credible.This particularly applies for all clothing, accessories, and all other equipment. The group “Alauni” – “Living History of Celtic times” was founded in 2004.The group, based in Austria, has members from all over Austria and also from Bavaria (Germany).The group’s primary interest is the Celts who lived on the Dürrnberg bei Hallein/Salzburg. Every year the Alauni are presenting Celtic life in the Celtic village on the Dürrnberg for hundreds of visitors. Some members also travel abroad to participate in Celtic events, for example in France, Germany, Great Britain and Italy. Problematic Images? Many common ideas about and images of the Celts are created and invented by the so called esoteric movement. One esoteric humbug is the Celtic tree calendar, that the Celtic spirit and religion is represented by the druids and that the year is regulated by the Celtic festival calendar – though no evidence of this exists from the whole Alpine and most of the other formerly Celtic territories in Europe. On the other hand, there are many known Celtic cult

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sites, especially throughout the Alpine region.We only know them through the archaeological record, while there are no references to them in ancient historical literature. Therefore some archaeologists and historians are sceptical about performing Celtic rituals for an audience. But it is these very rituals which are most appealing to all attendees. The Alauni group has performed some nonverbal rituals for TV productions and also at public events. Historical Sites and Living History The Alauni has the great opportunity to do re-enactment at a historical site – the Dürrnberg. The buildings of the Celtic village are based on original finds. Equally, the furniture of the houses is based on furniture shown on situlae (e.g. beds, chairs, sofas, etc.). Sometimes tourists doubt that the “wild and barbarian Celts” had such nice furniture. Many also ask about which materials they used for tools and weapons.Yet, a large section of the Dürrnberg visitors is only interested in taking some exceptional photos of the Celts. Living history is becoming more and more professional. It thus is necessary to develop better connections with museums and scientific institutions, as these provide the scholarship that underpins all presentations by re-enactors, whether it is clothing or equipment. It seems, however, that there is still a conflict between scholars and re-enactors. There seems to be a binary opposition between ‘serious’ scholarship and ‘entertaining’ reenactment. And perhaps, there also is some jealousy, or fear of potential competition? For the future, it would be desirable if all those involved would work in closer cooperation with museums and scholarly institutions in order to make living history more professional.

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Das Beste, was wir von der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erregt.  Johann Wolfgang von Goethe In der griechisch-römischen Ethnographie ist „Kelten“ die zu keiner Zeit eindeutig festgelegte Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Stammesgemeinschaften Mittel- und Westeuropas. [...] Die wichtigste Quelle zu den antiken Kelten sind gewiss die archäologischen Funde. Aber trotz der enormen Fülle archäologischen Materials erzählen auch diese nur Teilaspekte [...]. So hart die Einsicht auch ist, aber die Definition des Keltenbegriffes ist bei allen Kenntnissen über Einzelaspekte über weite Teile ein wissenschaftliches Konstrukt. Allein deshalb vermögen „Living History“ oder „Historische Geschichtsdarstellung“ nie, ein wirklich authentisches Bild der Kelten zu zeichnen ...  Jörg Bofinger und Thomas Hoppe  (Keefer 2006, 83)

Die beiden vorangestellten Zitate umschreiben in etwa das Spannungsfeld, in dem sich die „lebendige Geschichtsdarstellung“ der „Keltenzeit“ befindet (zur Definition von Living History bzw. Reenactment vgl. u. a. Keefer 2006, 85 und Artikel in Wikipedia). Das landläufige Wissen über die Kelten, wie auch der Begriff selbst, sind nach wie vor stark von Stereotypen geprägt. Man fühlt sich an die Klischees erinnert, die griechische und römische Historiographen bereits in der Antike geschaffen und verbreitet haben: „groß, blond, weiße Haut, redselig und prahlerisch, kampflustig, dabei aber schnell entmutigt, furchterregend, kühn, prunksüchtig, der Wirkung von Bier und Wein, das/den der Kelte gern genießt, nur schlecht gewachsen“, etc. Dies wird angereichert und ergänzt durch die in den Köpfen fest verhafteten Bilder aus „Asterix und Obelix“ sowie die vielfach über die Medien in Dokumentationen mit Reenactment-Spielszenen vermittelten Keltenbilder, die im Grunde das Altbekannte im neuen Gewand wiederholen. An dieser „aktuellen“ Kelten-Ikonographie wird derjenige gemessen, der heute Living History/Reenactment im Segment „Kelten“ betreibt. Sobald von populären Bildern und Publikumserwartungen abgewichen wird, entsteht ein nicht unerheblicher Erklärungs- und mithin sogar Rechtfertigungsdruck. Oft gehörte Fragen sind dann

beispielsweise: „Warum tragen Sie keine Fellumhänge und karierte und gestreifte Hosen?“, oder: „Die Kelten waren doch furchterregende, bis an die Zähne bewaffnete Kämpfer mit Kriegsbemalung, Tätowierungen und gekalktem Haar – warum sehen Sie nicht so aus?“ und schließlich: „Gibt’s hier keinen Wildschweinbraten wie bei Asterix und Obelix?!“ Daraus wird deutlich: bei einem Teil des – oftmals sehr interessierten – Publikums existieren bereits relativ konkrete Vorstellungen, wie Kelten sein müssen, wie sie auszusehen haben. Von Seiten der Organisatoren von historischen Veranstaltungen (Stichworte: Mittelalterspektakel, Kelten und Römer Feste) – sofern es sich nicht um pädagogisch bzw. wissenschaftlich arbeitende Institutionen wie Museen etc. handelt – wird gemeinhin erwartet, dass solche Klischees erfüllt werden. Bestes Beispiel hierfür sind die Ritterspiele in Kaltenberg (bei Geltendorf/Landsberg, Bayern) oder die immer häufigeren Zeitreise-Veranstaltungen, wie etwa auf der Burg ­ Ehrenberg bei Reutte (Tirol), die unbedingt „Kelten“ in ihrem Programm haben wollen. Doch auch die fachwissenschaftlichen und musealen Institutionen sind an der populären Verwertung „der Kelten“ und den damit assoziierten Bildern durchaus mit beteiligt, als es darum ging, einer neuen Freilichtschau in Kärnten einen griffigen Namen zu

Abb. 1: Pressebericht über das 1. Internationale Keltentreffen in der Keltenwelt Frög, mit den bekannten Kelten-Stereotypen; Bildvorlage: Keltenwelt Frög/Kärntner Zeitung Juli 2008

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Abb. 2: Kelten im Schlachtengetümmel: Klischee erfüllt – das Publikum ist begeistert. Zu sehen sind hier Mitglieder der italienischen Gruppen „Tuota Taurini“ und „Aes Cranna“ während des Keltentreffens in Frög; Foto: J. Kuffner 2009

geben, wählte man nicht zuletzt aus Marketinggründen den Namen „Keltenwelt“ – der wissenschaftliche Berater war nicht nur damit einverstanden, sondern riet selbst dringend dazu. Eine verständliche – und wie sich inzwischen gezeigt hat richtige, da erfolgreiche – Entscheidung, denn „Urgeschichtszentrum der ­Archäologischen Gesellschaft Frög“ oder „Freilichtschau hallstatt(bzw. früheisen)zeitliches Gräberfeld“ hätte sich einfach wenig attraktiv und spannend angehört. Living History – Erzeugung von populären Bildern und Lebenswelten Die lebendige Geschichtsdarstellung verzeichnet im deutschsprachigen Raum in den letzten 15 bis 20 Jahren einen stetigen Aufschwung und erfreut sich bei allen Beteiligten immer größerer Beliebtheit. Die Initialzündung für diese Entwicklung lieferte Mitte der 1980er Jahre der Neuzeit- bzw. Militär-Historiker Markus Junkelmann – zumindest für den Bereich der Römerdarstellung, der dann konsequenterweise flankierend und ergänzend die Kelten- und Germanendarstellung folgte. Nicht zuletzt waren es die

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beeindruckenden, bis dahin ungesehenen Bilder von diesem seinerzeit „unerhörten und verrückten“ Unternehmen (von Verona nach Augsburg zu marschieren), die von den Medien verbreitet worden sind, und die einen großen Teil der geschichtsinteressierten Öffentlichkeit positiv ansprachen und auch viele spätere Aktivisten beeinflussten. Für Living History lassen sich zwei Präsentationsbereiche unterscheiden: Zum einen die Darstellung im Rahmen von musealen Veranstaltungen und zum anderen solche, die auf historischen, zumeist kommerziell orientierten, Veranstaltungen ohne Verbindung zu pädagogischen oder wissenschaftlichen Institutionen, stattfinden. Für publikumswirksame Museumsveranstaltungen, insbesondere anlässlich von Ausstellungseröffnungen, Präsentationen oder Familientagen, wird inzwischen regelmäßig auf historische Darstellungsgruppen zurückgegriffen. Das reizvolle daran ist für die Veranstalter die Lebendigkeit und Anschaulichkeit und dass sich die „lebenden Exponate“ gleich selbst erklären und fast immer auch interessante handwerkliche Tätigkeiten vorführen. Neben der Darstellung mittelalterlicher bzw. frühneuzeitlicher Lebenswelten erfreuen sich vor allem Kelten und Römer größter Beliebtheit. Bei der Römerdarstellung kann heutzutage quasi nichts mehr falsch gemacht werden – Junkelmann (mit seinem Standardwerk „Die Legionen des Augustus“) und Deepeeka (moderne „römische fabrica“ in Indien, die weltweit Römerausrüstung vertreibt) sei Dank! Und bei den „wilden Kelten“ drückt man gerne einmal ein Auge zu, wenn die Aufmachung und Ausrüstung nicht ganz so stimmt, denn Vieles ist eben nach wie vor ohnehin ungeklärt und daher interpretierbar … Grundsätzlich sollte folgendes Postulat gelten: Ernsthaft betriebene „lebendige Geschichte“ muss plausibel und wahrhaftig sein, um authentisch und glaubhaft zu wirken. Diese Forderung erstreckt sich auf die persönliche Kleidung und die dazugehörigen Accessoires (Tracht) sowie auf alle sonstigen verwendeten Sachen (Repliken). Analog anzuwenden ist dies auch auf Nachbauten von Einrichtungsgegenständen, (Teil-) Rekonstruktionen von Gebäuden in Museen oder ganzen Gebäude- und Anlagenkomplexen von Freilichtschauen. Die Gruppe „Alauni“ betätigt sich seit dem Jahr 2004

im Bereich der „lebendigen Geschichtsdarstellung“. Da zum Zeitpunkt der Entstehung der überwiegende Teil der Mitglieder im Raum Salzburg/Hallein lebte und der Dürrnberg bei Hallein als der „Keltenort“ schlechthin bekannt ist und auch das Museum Carolino Augusteum in Salzburg sowie das Kelten-Museum Hallein mit dem damaligen Direktor Kurt Zeller entsprechende Ratschläge gaben, fixierte sich die Gruppe auf den Dürrnberg mit seiner reichen Fundsituation. Schon nach kurzer Zeit kam es zu einem Kontakt mit den Salzwelten Bad Dürrnberg, Hallein. Es war äußerst attraktiv, in einem „echten Keltendorf “ aktiv sein zu können und für die Salzwelten war es natürlich die Attraktion schlechthin, den Touristen „echte Kelten“ präsentieren zu können.Wie von selbst waren damals auch gleich viele Klischees erfüllt: Kelten tragen bunte Kleidung mit üppigen Karos, die Hosen sind gestreift, die Frauen sind mit prächtigem Schmuck behängt und die Männer führen Waffen aller Art mit sich. Auch ein Druide fand sich ein, der dann zu Beltane und Lughnasad (den heute bei zahlreichen, einschlägig interessierten Menschen bekannten „Feiertagen“ – neben Imbolc und Samhain/Halloween – aus dem sogenannten „keltischen Jahreskreis“) viel beachtete Rituale zelebrierte. Bereitet mangels detaillierter Erkenntnisse die Darstellung von Alltagssituationen schon Schwierigkeiten, wie beispielsweise das Kochen (der berühmte „keltische Kessel“ war wohl in erster Linie besonderen Zeremonien vorbehalten und diente nicht primär zum Kochen des täglichen Eintopfes) oder die Ausübung von Handwerk, von dem zwar zahlreiche archäologische Funde zeugen, doch entscheidende, längst vergangene Details, wie Werkstatteinrichtung, Spannund Klemmvorrichtungen etc. fehlen, so begibt man sich beim Nachstellen von kultisch-religiösen Handlungen (Stichwort: „keltische Rituale“) auf gänzlich unsicheres Terrain.

Abb. 3: Nicole Lang am Backofen und Ronja Preininger beim Lebensmittel-Schautisch; Keltendorf auf dem Dürrnberg, Foto: J. Kuffner 2009

Problematische Kult-Bilder? Der „Keltische Baumkalender“ ist eine Erfindung aus dem Bereich der Esoterik, das ist bekannt, ebenso, dass für den Alpenraum die Evidenz von Druiden und auch eines „keltischen Festkalenders“ fehlt. Hingegen sind Kultplätze und Heiligtümer mit teils

Abb. 4: Stefan Jaroschinski und Johannes Haidn bei der Herstellung von hallstattzeitlichen Henkelschalen aus Bronzeblech während der Veranstaltung „Iron Age Days“ im Scottish Cranogg Centre am Loch Tay, Kenmoore (GB). Das Bild wird getrübt durch den modernen Kugelhammer für die Treibarbeit; Foto: J. Kuffner 2009

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Abb. 6: Verbrennungsplatz in der Keltenwelt Frög; Nachstellen einer Leichenverbrennung; Foto: P. Gleirscher 2008

Abb. 5: Nach der Feldschlacht: ein Siegesmal (Tropeion) wurde errichtet und drei Gefallene niedergelegt, die anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden; Foto: J. Kuffner 2009

jahrhundertelanger Nutzung und auch kultisch-rituelle Niederlegungen von Opfergaben sowie sonstige Kultobjekte zahlreich dokumentiert. Zu postulieren ist folglich, dass in allen von Kelten bevölkerten Regionen Europas wie auch immer geartete religiöse Handlungen ausgeübt worden sind. Kult und Religion der Kelten ist gerade im Zusammenhang mit Archäologie ein heikles, wenn nicht das heikelste Thema überhaupt – und wohl deshalb wird es von Vertretern der Archäologie immer wieder gerne der ReenactorsSzene negativ angekreidet, dass Rituale zelebriert werden. Durchaus verständlich, denn Funde und Befunde präsentieren sich als stumme Relikte der Historie, sie lassen keinen Rückschluss auf die genaue Handlungsintention, eine etwaige Liturgie und die dabei eventuell gesprochenen Worte zu. Auch die überlieferte antike Literatur schweigt dazu. Andererseits ist es genau das, was das Publikum am meisten fasziniert und was von diesem und von den

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Televisions-Medien am stärksten und vorrangig nachgefragt wird, weil hier tief beeindruckende Bilder kreiert werden können. Mitglieder der Gruppe Alauni waren an Produktionen des ORF Landesstudio Kärnten (W. Freudenberger und Team) für die Dokumentation „Atlantis der Berge – Auf der Suche nach Noreia“ und „Götter der Berge“ beteiligt. Im „Noreia-Hain“ der Keltenwelt Frög sowie auf der Gurina und dem Dobratsch bei Villach wurden in nonverbaler Form mit Hilfe von geeigneten Gesten und Gegenständen Kulthand-

Abb. 7: Ritual im Noreia-Hain. Filmaufnahmen für die ORFProduktion „Atlantis der Berge – Auf der Suche nach Noreia“; Foto: P. Gleirscher 2009

lungen hypothetisch nachgestellt. Die Ergebnisse waren durchaus beeindruckend. Historischer Ort und lebendige Geschichts­ darstellung Die Einrichtung und Ausstattung der Gebäude des Keltendorfes auf dem Dürrnberg erfolgte teilweise anhand von bildlichen Darstellungen von dafür einschlägigen Situlen. Allzu oft brachten und bringen diese Objekte den im Rahmen von Führungen durch die Dorfanlage geleiteten Besucher in seinen Vorstellungen von den „barbarischen“ und entsprechend „wüst hausenden“ Kelten ins Wanken und es kommt zu emotional-spontanen, manchmal beinahe vorwurfsvollen, Aussagen wie: „echt, die Kelten hatten schon solche Betten!? Und es gab schon richtige Sitzbänke, Stühle und Tische?!“ Daran schließt sich dann meist die auch öfter gestellte Frage: „aus welchem Material waren eigentlich die Werkzeuge der Kelten?“ Wenn man dann antwortet „aus Eisen“ und, dass seit der Hallstatt-, also der frühen Eisenzeit, bereits ein großer Teil der bis heute geläufigen Werkzeugtypen des Schmiede- und Zimmermannsbereichs existieren, sieht man in ungläubig-faszinierte Gesichter. Genau an solchen Situationen ist bestens erkennbar, wie stark bestimmte Keltenbilder verankert sind und wirken und wie spärlich das Wissen über die keltische Kultur in breiten Bevölkerungsschichten heute immer noch ist. Allerdings muss man konstatieren, dass es einen gravierenden Unterschied macht, wo bzw. in welchem Rahmen man Living History ausübt. Bei musealen Veranstaltungen oder auch speziellen Themenfesten (wie „Römer, Kelten und Germanen“) ist deutlich feststellbar, dass das Publikum einen teils erstaunlich guten, sachbezogenen Kenntnisstand hat, überdurchschnittlich interessiert ist und mitunter sehr konkrete und detailbezogene Fragen stellt. Insofern ist das Keltendorf Dürrnberg mit seinen jährlich ca. 70.000 Besuchern schon per se eine Ausnahmeerscheinung. Und die Freilichtschau hat neben der Informations- auch eine wichtige Besuchersteuerungs- und -managementfunktion, die aus Sicht der lebendigen historischen Darstellung nicht nur günstige Wirkungen entfaltet: in der Hochsaison ergeben sich unvermeidbar größere Wartezeiten für die Füh-

Abb. 8 Pressebericht über die Aktion „belebtes Keltendorf auf dem Dürrnberg“; Bild: Gruppe Alauni/Tennengauer Nachrichten, August 2008

rungen im Salzwelten Schaubergwerk und um diese Zeit möglichst kurzweilig zu gestalten, werden die Touristen zunächst ins Keltendorf geschickt. An „guten Tagen“ können das 1.500 Personen oder mehr sein, die einen schnellen Rundgang durch die Schauanlage unternehmen. Diese Klientel nimmt naturgemäß nur wenig von den gebotenen Informationen mit, ist aufgrund der Durchlaufgeschwindigkeit auf einige eindrucksvolle Motive beschränkt und für LivingHistory-Angebote bestenfalls für ein tolles Foto mit einem „echten Kelten“ zu begeistern. Dazu kommt, dass es sich um ein interessensmäßig äußerst heterogenes Besucherpublikum handelt, von dem Teile zusätzlich noch auf sprachliche Barrieren stoßen, da es ausländische Touristen sind. Nachdem die ersten Keltengruppen im mittel­ europäischen Raum entstanden und eine Zeit lang öffentlichkeitswirksame Aktionen in Museen oder auf sonstigen Veranstaltungen absolviert waren, stellte sich heraus, dass es teils erhebliche Unterschiede in der Qualität der Darstellung und auch sonstige unerfreuliche Begleiterscheinungen gab. Dies bewog unter anderem die Keltengruppe „Carnyx“ dazu, einen Qualitätsstandard für Keltendarstellung zu formulieren und in einem freiwilligen Zusammenschluss, genannt Pax Celtica, zu etablieren (s. E. Keefer 2006, 87). Doch letztlich scheiterte dieser im Prinzip gut ge-

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meinte und richtige Vorstoß. Die Forderung nach Professionalisierung von Living History (vgl. u. a. Keefer, passim u.Tagungsbericht Living History) steht weiterhin – und wohl auch bis auf weiteres – unerfüllt (und auch unerfüllbar?) im Raum. Die Problematik liegt darin, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Träger der lebendigen Geschichtsdarstellung weder aus dem Bereich Museumspädagogik, noch von universitär-wissenschaftlichen Institutionen kommen, sondern es sich letztlich um – wenn auch überdurchschnittlich interessierte und teils hochspezialisierte – Laien (der Begriff ist hier dezidiert nicht abwertend zu verstehen!) handelt, die inzwischen eine zahlenmäßig in die Tausende gehende Szene der Hobbyisten bzw. Reenactors bildet. Auf dieses Angebot greifen die Organisatoren entsprechender Veranstaltungen zu und historische Darsteller(gruppen) nehmen die Einladungen im Normalfall auch gerne an, weil sie sich zum einen in ihrer Arbeit bestätigt und wertgeschätzt fühlen und sie dadurch die Chance haben, sich und ihre Tätigkeiten einem größeren, interessierten Publikum zu präsentieren. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit kommt der Reenactor oder zutreffender auf Deutsch der Darsteller zwangsläufig mit den Altertumswissenschaften (Alte Geschichte und Archäologie/Vor- und Frühgeschichte), also mit traditionsreichen akademischen Disziplinen sowie mit der (noch relativ jungen) Museumspädagogik in Berührung – und unter Umständen in Konflikt. Gerade zwischen der „Archäologenzunft“

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und den Darstellern lebendiger Geschichte bzw. ­ rchäologie gibt es immer noch Reibungsflächen. Da A steht zunächst einmal das Gegensatzpaar „wissenschaftliche Ernsthaftigkeit“ versus „spielerisches Nachvollziehen“ im Raum oder auch – meines Erachtens völlig zu Unrecht – ein gewisses Konkurrenzdenken oder die Empfindung „die stehlen uns die Schau“. Living History bzw. Reenactment basiert auf den Ergebnissen (und das sind oft auch Interpretationen!) der genannten historischen Wissenschaften und setzt diese unter Maßgabe des oben genannten Postulats um. Damit ist eindeutig festgelegt, wer der Urheber des verwendeten Wissens ist und in welche Richtung der Informationsfluss stattfindet. Der Darsteller lebendiger Geschichte fungiert in einem nächsten Schritt als populärwissenschaftlich-suggestiver Informationsvermittler an ein einschlägig interessiertes Publikum. Dass hierbei „Bilder und Lebenswelten formuliert werden, die als (historische) Wirklichkeit wahrgenommen werden“ (vgl. Keefer 2006, 15), liegt in der Natur der Sache. Der historische Darsteller ist allerdings im höchsten Maß gefordert, das, was er darstellt und vorführt auch in allgemein verständlicher Weise mit der Kenntnis des wissenschaftlichen Hintergrunds erklären zu können. Hierin liegt meist ein größeres Problem. Schon aus diesem Grund ist eine verstärkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Archäologen, Museen und Living-History-Darstellern im Sinne der Optimierung und Professionalisierung lebendiger Geschichte und Archäologie wünschenswert, ja nötig.

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„Glaubi komm nachhause!“ – Repräsentationen von „Celticity“ zwischen touristischer Vermarktung und regionaler Identitätsbildung Sabine Zinn-Thomas

Zusammenfassung Im Juni 1996 wurde am Fuße des Glaubergs (Hessen) in der Nähe der gleichnamigen Gemeinde ein „sensationeller“ Fund gemacht: die vollplastische steinerne Statue eines keltischen Fürsten (5. Jahrhundert v. Chr.). Ein Fund, der zu den bedeutendsten archäologischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte in Europa zu zählen ist. „Glaubi“, wie er im Volksmund genannt wird, sollte, nachdem er in Ausstellungen in Frankfurt, Bonn und Berlin gezeigt worden war, im Hessischen Landesmuseum Darmstadt einen prominenten Platz in der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte erhalten. In Glauberg selber sollte eine Kopie des Keltenfürsten gezeigt werden. Sehr bald schon regte sich hierzu jedoch Protest aus der Bevölkerung, der organisiert und angeführt vom Heimat- und Geschichtsverein den Neubau eines Museums am Fundort forderte. Der Kampf um den „Glauberg-Schatz“ zog immer weitere Kreise und führte schließlich zum Erfolg, nämlich zum Bau eines Keltenmuseums vor Ort mit dem Original der Statue. Der Beitrag untersucht am Beispiel Glaubergs die verschiedenen Formen der Produktion regionaler und lokaler Identität. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Rolle und dem Stellenwert des Keltenfürsten, der nicht nur zu einem Keltenboom vor Ort führte, sondern auch als Projektionsfläche der Einheimischen fungiert. Die Analyse auf Basis teilnehmender Beobachtung und Interviews vor Ort ergab, dass mit dem Fund des Keltenfürsten auf dem Glauberg ein Wandel in der Region verbunden ist. Die östliche Wetterau wird zur Kelten-Region gemacht, in der der Statue je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden. Dabei hängt die Begeisterung vor Ort weniger mit einer wie auch immer konstruierten Kultur der Kelten zusammen, als vielmehr mit deren Instrumentalisierung für politisch-wirtschaftliche Zwecke. Dies führte auch zu einem neuen, regionalen Selbstverständnis als Glauberger. Mit Blick auf eine weiterführende Analyse dürfte in Zukunft ein Faktor eine größere Rolle spielen – nämlich der Stellenwert der Region in einem vereinten Europa.Vor dem Hintergrund eines „Europa der Regionen“ und dessen proklamierter „Einheit in der Vielfalt“ könnte den Kelten als einer „Europäischen Kultur der Vergangenheit“, die über Nationalgrenzen hinweg existiert hatte, und der (Re-)Konstruktion von Keltenregionen eine besondere Bedeutung zukommen. Es erscheint daher lohnenswert, sich dem Thema Kelten auch aus Perspektive der Europäischen Ethnologie zu nähern und dabei die kulturvergleichenden Aspekte eines Umgangs mit den Kelten in den verschiedenen europäischen Regionen näher zu untersuchen.

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Abstract In June 1996, a sensational discovery was made at the foot of “Glauberg” hill next to the village of the same name (state of Hesse, Germany): a complete stone sculpture of a celtic prince dating from the 5th century BC, one of the most important archaeological discoveries in Europe in recent decades. “Glaubi”, as the sculpture is locally called, was supposed to be sent on a tour of exhibitions in Frankfurt, Bonn and Berlin before getting his final place in a prominent archaeological exhibition in the State Museum of Hesse in Darmstadt. In the village of Glauberg, the place of the discovery, officials planned to display only a copy of the celtic prince. Soon after these plans became public however, the local people began to protest against this: the protests have been organized by the local history society, demanding a new museum close to the site of the discovery. The fight for the “Glauberg Treasure” escalated, finally leading to success – the construction of a local museum displaying the original sculpture. With reference to the example of the celtic prince of Glauberg, the paper will analyse different forms of construction of regional and local identity. At the centre of the analysis is the role of the sculpture of the celtic prince, which not only ignited a “Celtic Boom” in the region but also serves as a projection screen for the local people. The analysis – based on methods such as participant observation and interviews – shows that the discovery of the sculpture had some major implications for the region.The region has been transformed into a “Celtic Region”, and many local people have been inspired with new imaginations with regard to the past, the present and also their visions of the future.The analysis shows that the enthusiasm is less related to a “constructed culture” of the Celts than to the political and economic benefits related to the discovery, leading also to a new self-image of many local people. In future research, one aspect could play a larger role – namely the importance of regions in a united Europe. On this background, the Celts as a “European culture of the past” and the (re-) construction of “Celtic Regions” could become a worthwhile subject of research.

Dieser Beitrag präsentiert erste Überlegungen zu ­Faszination und Begeisterung für „die Kelten“ am ­Beispiel des Keltenfürsten vom Glauberg aus Perspektive der Europäischen Ethnologie – eine Faszination und Begeisterung, die seit der Zeit des Humanismus anhält und fast genauso lange einhergeht mit unterschiedlichen Projektionen. Gerade in den Projektionen offenbart sich heute die Charakterisierung der Kelten und die damit verbundenen Zuschreibungen, so dass sie quasi als ein „Label“ wahrgenommen werden. Dies gilt besonders für „den Keltenfürsten“ vom Glauberg in Hessen. Denn der Fund dieser vollplastischen Statue wurde nicht nur von der wissenschaftlichen Gemeinschaft, sondern auch gerade vor Ort mit großer Aufmerksamkeit und Begeisterung aufge-

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nommen. Die Statue wurde in der Region schnell als „Glaubi“ bezeichnet und vereinnahmt. Die Gegend, die bis zu diesem Fund eher mit der Römerzeit in Verbindung gebracht wurde (der Limes und die Saalburg sind nicht weit entfernt), mutierte dabei immer mehr zur „Keltenregion“. Vor diesem Hintergrund stellen sich hier Fragen wie etwa die nach dem Stellenwert vergangener Kulturen für die Gegenwart und damit einhergehender Projektionen, aber auch nach „Repräsentationen des Regionalen“ (Fischer 2010: 6 –20) in einer Landschaft, die bis dato keine Besonderheiten aufwies außer die einer strukturschwachen Region. Im Folgenden gehe ich zunächst auf die „Keltenbegeisterung“ vor Ort ein, um dann die theoretischen Implikationen im Zusammenhang von Region, Re-

Abb. 1: Sondermarke „Keltenfürst vom Glauberg“ (Quelle: Sondermarke der Deutschen Post 2005)

gionalbewusstsein und „Celticity“ zu diskutieren. Dabei wird auch der Stellenwert der Statue als musealisiertes Objekt hinterfragt. Abschließend geht es um die Bedeutung einer Bezugnahme auf den Glauberg und die Kelten bzw. der Statue des Keltenfürsten vor Ort und es wird danach gefragt, inwiefern dies zu einem neuen Regionalbewusstsein beigetragen hat oder beitragen kann. „Keltenbegeisterung“ vor Ort Der Fund der Statue des Keltenfürsten, die als bedeutendstes Objekt keltischer Kultur in Hessen gilt, führte u. a. dazu, dass der Glauberg heute als ein „Kulturdenkmal von europäischem Rang“ gesehen wird. So wurde der Statue 2005 auch ein Sonderpostwertzeichen gewidmet in der Serie „Archäologie in Deutschland“. Dies unterstreicht nicht nur die Bedeutung des Fundes, sondern dürfte vor Ort auch Anlass dafür sein, Stolz zu empfinden. Bei diesem Stolz könnte auch eine Rolle spielen, dass es Heimatforscher, also Laien waren, die sich hartnäckig dafür eingesetzt haben, am Glauberg Grabungen zu veranstalten, weniger vielleicht in der Erwartung spektakulärer Funde, als vielmehr um Klarheit darüber zu gewinnen, was es mit dem Glauberg auf sich hat. Bereits seit den 1930er Jahren wurden hier immer wieder Grabungen vorgenommen. Deren Umstände und vor allem das, was über den früheren Grabungsleiter, Heinrich Richter, vor Ort im Umlauf war, gehörten mit entsprechendem Lokalkolorit angereichert lange zu dem, was es bis zum Fund der Keltenstatue über den Glauberg vor Ort zu erzählen gab. Nach dem Fund des Keltenfürsten im Juni 1996 ge-

Abb. 2: Postkarte „Der Keltenfürst will zurück nach Glauberg“ (Quelle: Heimat- und Geschichtsverein Glauburg e.V. 2008)

langte die Statue zunächst in das Hessische Landesmuseum Darmstadt. Im Zuge der Restaurierungen des Sprudelhofs in Bad Nauheim und im Kontext von Überlegungen zu dessen Nutzung, kam Bad Nauheim auch als möglicher Ausstellungsort des Keltenfürsten ins Gespräch. Dagegen regte sich bald Widerstand vor allem aus Glauberg. Es wurde eine Unterschriftensammlung initiiert, in „Keltenkleidung“ nach Wiesbaden zum Landtag gefahren und mit so genannten „Montagsdemonstrationen“ – bei denen jeden Montag mit Fackeln vom Dorf zum Glauberg marschiert wurde – versucht, Druck auf die regionale Politik auszuüben, um die Statue an ihrem Fundort auszustellen. Daher auch der Titel meines Beitrags, der auf ein selbstgemaltes Schild am Ortseingang von Glauberg zurückgeht. Was hier scheinbar als „Bewegung von unten“ entstand, zog immer weitere Kreise und erwies sich zum Schluss als sehr wirkmächtig und erfolgreich. 2009 erfolgte der erste Spatenstich und 2010 stand bereits der Neubau des neuen Archäologischen Landesmuseums auf dem Glauberg. Zudem sind ein archäologischer Lehrpfad, ein archäobotanischer Garten sowie eine Keltenstraße geplant, welche verschiedene Fundorte keltischer Ausgrabungsorte miteinander verbinden soll. Damit wird das Konzept einer dezentralen Landesarchäologie verfolgt, welches die Präsentation einzelner historischer Epochen an unterschiedlichen Orten vorsieht.

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Eine beispielslose Erfolgsgeschichte, die jedoch einige Fragen aufwirft, besonders im Hinblick auf das Engagement der Bürger. Gilt es doch mittlerweile als äußerst schwierig, Freiwillige für ein wie auch immer geartetes bürgerschaftliches Engagement zu begeistern. Dies schien jedoch in Glauberg mühelos gelungen zu sein. Handelt es sich hier also um eine neue Form der Keltenbegeisterung, ausgelöst durch den Fund der Statue des Keltenfürsten? Was bedeutet dieser Fund für die Bewohner vor Ort im Hinblick auf ihre Ortsbezogenheit und ihr Regionalbewusstsein, aber auch vor dem Hintergrund von Deutungsmustern im Spannungsfeld von „lokal“ und „global“? Glauburg und der Glauberg Die Dörfer Glauberg und Stockheim, 40 km nordöstlich von Frankfurt/M. gelegen, bilden zusammen die Gemeinde Glauburg (insg. 3.300 Einwohner). Sie befindet sich am Fuße eines Hochplateaus, dem Glauberg, dessen Besiedlung durch Funde von der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter belegt ist. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts gehörte der Glauberg zur Herrschaft Gedern der Fürsten zu Stolberg-Wernigerode, die ihn forstwirtschaftlich nutzten und 1933 an das Land Hessen-Darmstadt abgetreten haben. Die erste wissenschaftliche Darstellung 1842 findet sich im Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde von dem Friedberger Rektor und Altertumsforscher Johann Philipp Dieffenbach (1786–1860). In den Jahren 1933 bis 1939 wurden erste Grabungen von Heinrich Richter (1895–1970) – Dozent und später Professor für Geologie und Urgeschichte an der Universität Gießen – durchgeführt, wovon jedoch sämtliche Unterlagen am 2.4.1945 durch „amerikanischen Beschuss des Berges“ – wie es u. a. in der Chronik des Nachbarortes Düdelsheim heißt – verlorengingen.1 Nach dem Fund des Keltenfürsten ­ entstanden Pläne, die den Aufbau eines archäologischen Parks in Glauberg projektierten und die einher ­gingen mit einer Rekonstruktion des keltischen Fürstengrabhügels und eines keltischen Kalenderbauwerks. Zudem kam die Idee auf, u.  a. getragen vom dortigen Heimat- und Geschichtsverein, am Glauberg ein ­ Museum zu bauen, um die Original-Statue des ­Keltenfürsten auszustellen.

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Besonders dem Vorsitzenden dieses Vereins, Werner Erk, einem Berufsschullehrer und Hobbyarchäologen, der seit Gründung des Vereins 1975 die Grabungen auf dem Glauberg engagiert verfolgt hat, sei es zu verdanken, dass die Statue überhaupt gefunden wurde. Er habe beim Überfliegen des Glaubergs 1987 auf einem Feld am Fuße des Hügels den großen Kreis­graben des Fürstenhügels entdeckt, ihn fotografiert und diese Bilder dem Landesamt für Denkmalpflege zukommen lassen. Dieses sei dann von ihm solange „genervt“ worden, bis Nachforschungen, also Grabungen durch das Landesamt u. a. von Fritz Rudolf Herrmann, durchgeführt wurden (1985–1998). 1994 wurde dann das erste Grab eines Keltenfürsten entdeckt, 1995 das Brandgrab eines zweiten Keltenfürsten und 1996 dann die fast vollständig erhaltene berühmte Steinfigur.2 Welche Folgen hat nun dieser Fund und die damit zusammenhängenden Veränderungen vor Ort auf die Region und ihre Bewohner? Ausgehend von Über­ legungen von Region als Konstrukt geht es dabei vor allem um Zuschreibungen, d. h. um die Frage:Wer bezieht sich wann, warum und auf welche Art und Weise auf Region? (Matter 1998: 34). Dem gilt es nachzuge-

Abb. 3: Der Glauberg am Ostrand der Wetterau (Quelle: Archäologische Denkmäler in Hessen 51, Landesamt für Denkmalpflege Hessen 1985)

hen, denn es provoziert weitere Fragen wie die nach einem möglicherweise neuen Regionalismus oder die nach Interessen und Konzepten, die mit Regionenbildung und -konstruktion verbunden sind. Wenn die Gemeinde Glauberg sich also seit neuestem als ein „Keltendorf“ versteht und damit auch wirbt, und sich zudem in der Region immer mehr Verweise auf die Kelten finden lassen, wie etwa durch Keltensymbole im Zentrum zahlreicher neu geschaffener Kreisverkehrsinseln, dann ist offensichtlich, dass sich hier ein Wandel vollzieht. Theoretische Implikationen Region ist ein Konstrukt. „Wer Räume als Regionen beschreibt, erzählt Geschichten neuer Versionen von Identität (…). Diese Raumgeschichten bieten uns ­offenbar an, darüber nachzudenken, ja zu rekonstruieren, wo wir herkommen und geben vor, vermitteln zu können, wer wir sind“ (Köstlin 2005:119). Denn „erst durch das erfahrende und wahrnehmende Subjekt wird die Region zur Region. Die Region an sich gibt es aus der Perspektive unserer Disziplin also nicht, sie machte keinen Sinn. Selbst die alte Volkskunde hat Räume immer mit Materie, mit Objekten gefüllt und sprach von Haus- und Trachtenlandschaften, die man ethnisch und/oder naturräumlich begründete“ (Köstlin 2005: 120). Das heißt, „Orte und Regionen sind nicht nur einfach Orte und Regionen. Sie sind bewohnt von der Vergangenheit und der Zukunft; beide lassen sich beschwören“ (Köstlin 2005: 121). Raumerfahrungen sind also nicht voraussetzungslos, sondern von Deutungen geleitet. Geht es also hier um die Frage nach dem Geworden-Sein, nach den Wurzeln, um eine Metapher von Eduard Spranger aus dem Heimatdiskurs der 1920er/30er Jahre zu bemühen? In den 1970er Jahren kam in Hessen die Diskussion auf, ob diese auf die Chatten zurückzuführen seien. Ingeborg Weber-Kellermann, damals Professorin am Marburger Institut für Europäische Ethnologie, erteilte diesen Fragen nach dem Ursprung, der gerade unser Fach noch in der Nachkriegszeit anhaltend zu beschäftigen schien, eine Absage. Sie plädierte dafür, etwa bei Bräuchen weniger nach deren Herkunft, als nach ­deren „Sitz im Leben“, nach deren Alltagsbezogenheit zu ­fragen und sich an der Gegenwart zu orientieren.

Im Bezug auf den Glauberg geht es hier also eher um die Bedeutung des konkreten Ortes als identitätsstiftender Raum und um die Frage, wie Orte als identitätsstiftende Räume hergestellt werden. Wie vollziehen sich die lokale Verankerung von Erinnerungsbeständen, wie die imaginative oder auratische Aufladung von Orten, wie die Verbesonderung von Orten in Form von Ab- und Ausgrenzung? Wie konstituieren sich Gruppen in der Bezugnahme auf Orte und wie sind solche Prozesse des „place making“ in Machtverhältnisse und politische Interessenkonstellationen eingebunden? Welche Konflikte entstehen um die Bedeutungskonstitution, Aneignung und Besetzung von Orten?“ (Binder 2005: 158). Die Entdeckung der Statue des Keltenfürsten hatte zur Folge, dass ein Prozess in Gang gesetzt wurde, der unterschiedlichen Interessen Rechnung zu tragen schien. Hier müssen an erster Stelle die politisch-ökonomischen Interessen genannt werden, bei denen im Mittelpunkt die Vermarktung des Fundes steht. In der Literatur wird aus unterschiedlicher Per­ spektive – angefangen mit der Studie von Jeggle und Korff aus den 1970er Jahren über den Zillertaler ­Regionalcharakter (Jeggle, Korff 1974: 39–57) bis hin zur „Heidisierung“ (Gyr 2001:187–199) – diese Form der Vermarktung beschrieben, bei der die Besonderheit einer Region herausgestellt wird und als Verkaufs­ argument dient. Übrigens: in Marktl am Inn (dem

Abb. 4: Faltblatt „Urlaub bei den Kelten“ (Quelle: Ferienhaus Haus Krüger Glauberg 2008)

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Abb. 5: Pikkoloflasche und Pralinenschachtel mit Motiv Keltenfürst (Quelle: Supermarkt REWE Stockheim)

Geburtsort des Papstes) passiert Vergleichbares. Dort wurde auch flugs nach der Wahl von Kardinal Ratzinger zum Papst „Vatikan-Brot“, „Papstbier“, „Ratzinger-Schnitten“ oder eine „Papst Benedikt Torte“ angeboten. Eine „Region ohne Besonderheit“ und zudem strukturschwach – wie die Gegend um den Glauberg – erfährt durch einen solchen Fund eine Aufwertung und erhält touristische Attraktivität. Die örtliche Wirtschaft wird angekurbelt und die Keltenfolklore in Form von „Keltenwurst“, „Keltenbrot“, „Keltenappartments“ nimmt ihren Lauf. Dass dazu auch noch das eine oder andere Keltenfest auf dem Glauberg oder gar eine Keltenhochzeit

dazukommen, oftmals initiiert und durchgeführt von Auswärtigen, passt ins Bild. Denn – wie erwähnt – die Keltenbegeisterung gibt es schon lange und der Esoterikboom der letzten zwanzig Jahre trug dazu bei, dass Kultplätze und sogenannte „Orte der Kraft“ (Winkler 2006: 96) zum Ziel esoterischer Pilgerreisen, ­zeremonieller Verehrung und in deren Gefolge auch zu Objekten touristischer Vermarktung wurden und werden. Was begeistert an den Kelten? Helmut Birkhan hat dies bereits mehrfach ausgeführt, so etwa in seinem Aufsatz über „das Weiterleben der alten Kelten und was sie uns heute bedeuten“. Als besondere Merkmale werden immer wieder genannt:

Abb. 6: Fotos „Keltenbegeisterung vor Ort“ (Quelle: Sabine Zinn-Thomas)

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– die Kelten seien nonkonformistisch und alternativ gewesen, – die Kelten hätten im Einvernehmen mit der Natur gelebt, tiefe Einsichten in sie gehabt und an ihr keinen Raubbau und keine Umweltzerstörung betrieben, – die Kelten hätten in einer matriarchalischen, vielleicht sogar gewaltfreien Gesellschaft gelebt, – die Kelten seien besondere Meister des Kunsthandwerkes und besonders fantasievoll gewesen (Birkhan 2002: 94–104). Was in diesem Kontext jedoch interessiert ist die Frage, inwiefern sich Besonderheiten „alter Kulturen“ gerade heute für Sehnsüchte und Bedürfnisse von Menschen aktivieren und deuten lassen, und welchen Stellenwert dabei Orte der Vergangenheit für die Menschen der Gegenwart haben? Hier wird neben den politischökonomischen Interessen ein weiterer Aspekt angesprochen, nämlich das Bedürfnis des Einzelnen nach Zuordnung und Identifikation. Für den Historiker Harm Klueting ist zudem die „Rückwärtigkeit des Örtlichen“ entscheidend: „Die Menschen früherer Zeiten interessieren an sich nur soweit, als ihre Beziehungen zum gegebenen Raum nachweisbar sind. (…) Gefragt wird immer nach dem Zuständlichen: ‚wie sah es dann und dann an diesem Ort aus?’“ (Klueting 1991: 76). Von daher war ­ Heimatgeschichtsschreibung „eben nicht nur induktives ­ Fortschreiten von der Erkenntnis des lokalen Einzelfalls zum allgemeinen Phänomen (…) sondern auch ­ Individualisierung des Allgemeinen“ (Klueting 1991: 8). Damit lässt sich vielleicht die Kelten-Begeisterung der Heimatforscher in Glauberg erklären. Es bleibt aber offen, worin der Stellenwert der Kelten und des Fundes für den Einzelnen bestehen könnte. Besteht er möglicherweise in der durch den Fund initiierten Aufwertung der Region, die auch eine Aufwertung der Bewohner impliziert? Ist diese im Kontext einer allgemeinen Begeisterung für archäologische Objekte und Fundorte zu sehen? Immerhin erweckten archäologische Funde wie die Himmelsscheibe von Nebra oder die Venus-Figur von der Schwäbischen Alb, die als „älteste bekannte Menschenfigur der Welt“ präsentiert wurde, mehr als überregionales Interesse. Es

scheint eine Faszination von diesen Objekten auszugehen, die in den letzten Jahren zu Massenaufläufen vor Museen und Ausstellungen führten. Ein entscheidender Aspekt scheint dabei in jedem Fall mit der Echtheit und Originalität der Dinge zusammen zu hängen. Deren Authentizität und Aura – die Kombination von sinnlicher Nähe und mentaler Fremdheit – machen diese zu Dingen, „die über ihren Dokumentationswert hinaus eben noch einen Reizwert, einen Sexappeal, besitzen, der sie für historische Erfahrungen in besonderer Weise eignet“ (Korff 1995: 15). Für Gottfried Korff, mittlerweile emeritierter Tübinger Kultur- und Museumswissenschaftler, ist klar, dass es gerade die Authentizität ist, die die Karriere des Museums in der Gegenwart bewirkt. „Die Zuwendung zu den Dingen lässt Authentizitätseffekte in einer Zeit zu, in der Erfahrungen aus zweiter Hand, vermittelte Abbild- und Deutungseindrücke, die ­ Regel geworden sind. Die Dingbilder und das sie aufbewahrende und ausstellende Museum hingegen leben von der Konträrfaszination des Authentischen; vom historisch Fremden, das uns räumlich nah ist“ (Korff 1995: 20). Materialauswertung Für meine Gesprächspartner vor Ort machte die Identifikation mit der keltischen Kultur – versinnbildlicht durch die Figur des Keltenfürsten – einen großen Teil ihrer Kelten-Faszination aus 3: „Sie ist abstrakt, so ein bisschen fremd, auch so ein bisschen durch diese Plattkrone, eine Identifizierung mit Mickey Mouse. Sie ist die detailreichste in der ganzen keltischen Welt, hat was Geheimnisvolles an sich. (…) Man sucht eine Kultur, mit der man sich identifizieren kann. Nicht die Römer, auch keine Griechen – es sind Menschen, die hier vor Ort vor zweieinhalbtausend Jahren gelebt haben. Und da sucht man auch irgendwo Wurzeln.“ 4 Hervorgehoben wurde in den Gesprächen aber auch, dass sich „Menschen aus ganz Europa“ nun (nach dem Fund) für den Glauberg interessieren. In diesem Zusammenhang geht es auch um Heimatbewusstsein: „Man ist viel heimatbewusster geworden. Ich bin auch unheimlich stolz drauf. (…) Ich find das einfach genial, dass man hier direkt am Heimatort, da

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Abb. 7: Brottüte der Bäckerei Zinn (Quelle: Bäckerei Zinn, Glauberg)

wo man herkommt, so was gefunden hat. (…)“ „Die Schönheit der eigenen Landschaft wird einem aufs Neue bewusst (…), wenn ich mit den Besuchern auf dem Grab­hügel stehe und die sagen: ‚Mann, ist das aber eine tolle Gegend hier!‘. Dann ist man auch ein bisschen selber stolz, dass man hier in dieser Landschaft lebt. (…) Ich höre auch sehr viele Leute (Einheimische), die im Urlaub gewesen sind und dann auch stolz von ihrem Glauberg erzählt haben.“ 5 Auch der Bürgermeister von Glauburg betont in diesem Zusammenhang: „Der normale Glauberger ist da schon stolz drauf. Er ist stolz, dass hier in seinem Ortsgebiet so eine Riesensache entsteht.“ 6 Daneben wird jedoch immer wieder auch angeführt, dass der Fund für die Gemeinde einen „Sechser im Lotto“ bedeuten, dass es sich um einen „Aufbruch zu neuen Ufern“ handeln und „eine Chance nicht nur für Glauburg, sondern für die ganze Region“ bedeuten würde. Die Kleinstädte Büdingen, Gedern, Schotten und Nidda beteiligen sich am Ausbau rund um das Museum und verweisen mit Schildern auf die Keltenattraktion in der Nachbarschaft. „Es entsteht hier ein Leuchtturm, der Ausstrahlung in die ganze Region hat. Das ist auch ein Fortschritt, da zeigt also die Region, dass sie zusammensteht, dass sie da gemeinsam partizipiert.“ 7 Zudem wird auch die Lage von Glauberg thema-

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tisiert: „Ein Glücksfall: Wir sind hier am Rande des Rhein-Main Gebiets mit über 6 Millionen Einwohnern und der Glauberg ist nicht nur das Ding für ­Archäologie, sondern auch ein Naherholungsgebiet. Ich glaube, mit dem Glauberg kann man Natur und Archäologie sehr gut miteinander verbinden. Man ist an der frischen Luft und lernt noch was dabei.“ 8 In den Gesprächen stellte sich aber auch heraus, dass der Glauberg für viele Einheimische schon immer eine große Bedeutung hatte. „Das ist unser Berg, jeder Glauberger geht am Sonntag über den Berg. Und da war die Sorge groß, wenn die jetzt kommen mit den Ausgrabungen, machen die einen Zaun da rundherum. Wir haben als Jugendliche da oben gezeltet und das schönste Vergnügen war, die Weidepfähle des Pächters, der den Glauberg als Viehweide nutzte, zu verheizen. Da hat der sich immer wieder beschwert. Also der Glauberg war ständig im Mittelpunkt.“ 9 In den Gesprächen wurde deutlich, dass mit dem Fund des Keltenfürsten auf dem Glauberg ein Wandel in der Region verbunden ist. Die östliche Wetterau wird zur Kelten-Region gemacht. Mit der Statue sind vor allem folgende Funktionen verbunden, die sich inhaltlich zum Teil überschneiden. – „Glaubi“ als ökonomischer Faktor und als Machtfaktor – ein Pfund, mit dem gerade Lokalpolitiker oft wuchern, vor allem um den wirtschaftlichen Ausbau der Region zu forcieren, auch in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden. – „Glaubi“ als ein Faktor, der zur Aufwertung der ­Region beiträgt, insbesondere durch die hohe Öffentlichkeitswirkung und als Sitz einer vergangenen „Hochkultur“, was auch dazu beiträgt, die ökonomische Rückständigkeit teilweise zu kompensieren. – „Glaubi“ als Identitätsfaktor, wodurch für viele Einheimische der Ortsbezug verstärkt sowie Stolz und Heimatbewusstsein evoziert werden, gerade auch zur Profilierung gegenüber anderen Regionen. – „Glaubi“ als Teil der Alltagskultur/des Alltagshandelns, bei der auch mit Dingen und Situationen des Alltags eine Verbindung zu den Kelten hergestellt wird wie etwa beim Brotkauf, wo auf der Brottüte die Statue des Keltenfürsten abgebildet ist und damit geworben wird. Es zeigt sich, dass eine Bezugnahme auf die Region vor allem von denjenigen vorgenommen wird, die

hiervon am stärksten profitieren. Oder, wie es ein Heimatforscher formuliert hat: „Letztendlich geht’s hier darum, mit dieser vergangenen Kultur Arbeitsplätze zu sichern. Ganz schlicht. Hier kommt Gastronomie, Fremdenverkehr zum Zuge, hier wird dies und jenes gekauft, die Gemeinde macht Reklame und das Baugebiet verkauft sich gut.“ 10 Dagegen spielt für das Alltagshandeln der Menschen die wissenschaftliche Erkenntnis oder gar „Wahrheit“ darüber, „wie es früher einmal war“, nur eine untergeordnete Rolle. Die Begeisterung vor Ort hängt also weniger mit ­einer wie auch immer konstruierten Kultur der Kelten zusammen, als vielmehr mit deren Instrumentalisierung für politisch-wirtschaftliche Zwecke. Dies führte auch zu einem neuen, regionalen Selbstverständnis als Glauberger. Ein Faktor findet bislang noch keine Berücksichtigung im öffentlichen Diskurs, der in Zukunft jedoch eine größere Rolle spielen dürfte – nämlich der Stellenwert der Region in einem vereinten Europa. Welche Chancen sich hier für regionale Identitäten als kulturelle Ressource in Europa bieten, dazu hat sich ­Wolfgang Kaschuba, Professor für Europäische Ethnologie in Berlin, vor einiger Zeit Gedanken gemacht. Er beschreibt die zwei Seiten von Regionalem: als kreative kulturelle Ressource und als ideologisierbares Konstrukt. Zu fragen sei, so Kaschuba „nach der Gültigkeit und Reichweite heutiger regionaler Selbst-

bilder. Wird regionale Identität zu einer Generationsfrage? Wie steht es damit unter den Bedingungen verstärkter Mobilität und Migration? Wirkt Region nicht oft als ein territoriales Prinzip, das ausschließt?“ (Kaschuba 2006: 109). Vor dem Hintergrund eines „Europa der Regionen“ und dessen proklamierter „Einheit in der ­Vielfalt“ könnte den Kelten als einer „Europäischen Kultur der Vergangenheit“, die über Nationalgrenzen hinweg existiert hatte, und der (Re-)Konstruktion von Keltenregionen eine besondere Bedeutung zu kommen. Denn, „das Regionale verkörpert eine bewährte europäische Währung, eine gängige Münze, die längst vor der Nationalen im Umlauf war. Damit erscheint sie als eine ‚natürliche‘ historische Identität, als ein gewachsener Raum von Geschichte und Sprache, der dadurch extreme hohe Integrations- und Identifikationskraft ausstrahlt. Aber es bleibt damit auch ein Raum, der unscharf ist, amorph und schwer abgrenzbar. Dadurch erweist er sich auf der einen Seite als offen, spielerisch, vielfältig nutzbar (…) er wird dadurch andererseits aber auch inszenierbar im Sinne problematischer Traditionen und Mythen“ (Kaschuba 2006: 110). Es erscheint daher lohnenswert, sich dem Thema Kelten auch aus Perspektive der Europäischen Ethnologie zu nähern und dabei die kulturvergleichenden Aspekte eines Umgangs mit den Kelten in den verschiedenen europäischen Regionen näher zu untersuchen.

Anmerkungen 1 Siehe hierzu: „75 Jahren Ausgrabungen auf dem Glauberg und ihr zeitgeschichtlicher Kontext“. Internationales Kolloquium 16.–17. Oktober 2008 Nidda-Bad Salzhausen. Veranstaltet vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen – Archäologie und Paläontologie, Archäologisches Landemuseum Hessen – Keltenwelt am Glauberg. 2 Gespräch mit Ek. 3 Erste (Experten-)Gespräche wurden im Herbst 2008 und Früh­ jahr 2009 vor Ort mit insgesamt 5 Personen aus Glauberg geführt, wie etwa mit dem Bürgermeister sowie ehrenamtlich engagierten Bürgern.

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Gespräch mit Ki. Gespräch mit Ki. Gespräch mit Mr. Gespräch mit Mr. Gespräch mit Ki. Gespräch mit Ek. Gespräch mit Ek. Für das Baugebiet wird geworben mit dem Slogan: „Wohnen bei den Kelten“.

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Literatur Binder, B. (2005), Einführung. In: Binder, B. u. a. [Hrsg.], Ort. ­ Arbeit. Körper. Ethnografie europäischer Modernen. 34. ­Kon­gress der deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Berlin vom 3. bis 5. Oktober 2003. Münster und New York: 157–159. Birkhan, H. (2002), Das Weiterleben der alten Kelten und was sie uns heute bedeuten. In: praesent, 94–104. Fischer, N. (2010), Repräsentationen des Regionalen. Kulturen 4, Heft 1. 6–20. Gyr, U. (2001), Herzfigur und Markenzeichen. Zur Heidisierung im Schweizer Tourismus der Gegenwart. In: Halter, E. [Hrsg.], Heidi – Karrieren einer Figur. Zürich: 187–199. Jeggle, U., Korff, G. (1974), Zur Entwicklung des Zillertaler Regionalcharakters. Zeitschrift für Volkskunde 70, 39–57. Kaschuba, W. (2006), Mythos Europa: Regionale Identitäten als kulturelle Ressource. In: Kufeld, K. [Hrsg.], Europa – Mythos und Heimat. Identität aus Kultur und Geschichte(n). Freiburg/München: 100 –111.

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Der Mythos vom kopfjagenden Kelten. Gegenüberstellung ausgewählter archäologischer Befunde mit inselkeltischen Erzählungen Verena Schwartz

Zusammenfassung Die Kopfjagd bzw. der Kopfkult ist eine weitverbreitete Stereotype der Kelten und in allgemein gehaltenen Nachschlagewerken zur keltischen Geschichte, Kultur und Religion so präsent, dass dieser kaum hinterfragt wird. Oft werden antike Quellen und/oder mittelalterliche inselkeltische Erzählungen als Belege herangezogen und mit archäologischen Funden und Befunden gleichgesetzt, solange sie auf irgendeine Weise mit menschlichen Schädeln oder figürlichen Kopfdarstellung in Verbindung gebracht werden können (bspw. Haffner 1995; Green 1995; Birkhan 1997; Demandt 1998; Rieckhoff, Biel 2001; Fries-Knoblach 2002; Kuckenburg 2004). Eine Differenzie­ rung der Quellen findet jedoch – vor allem in den verkaufsträchtigen, reich bebilderten Überblickswerken zu den Kelten – selten statt. Doch dadurch wird ein künstliches, homogenes Bild von Kelten resp. keltischer Kultur erzeugt. Bei Überlegungen zum keltischen Kopfkult werden im Allgemeinen Belege aus der Klassischen Philologie, der prähistorischen Archäologie und den mediävistischen Literaturen aus Wales und Irland verwendet. Auch wenn diese verschiedenen Quellengattungen vielversprechend scheinen, wird der interdisziplinäre Ansatz leider allzu häufig unkritisch angewandt und dient im Wesentlichen dazu, bestimmte Aspekte auf bequeme Weise zu untermauern. Die Kontextualität hingegen wird oft außen vor gelassen. Eine kurze Definition zu Kopfkult und -jagd, sowie zur Problematik des Keltenbegriffs soll den ausgewählten Aspekten der jeweiligen Quellengattung daher vorangestellt werden.

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Summary The myth of the head-hunting Celt is an omnipresent feature of Celtic Culture which stretches from Early Iron Age down to the Medieval time. Archaeological finds can emphasize historical and literary sources and vice versa. Despite the fact that the term Celts is used with very different meanings in the fields of archaeology, ancient history and celtic literature the topos of the head-hunting Celt itself has never been questioned.This paper has the target to show how the myth of the head-hunting Celt has been established and how it has been traditionalized on various levels. For this task the transdisciplinary method is used, i.e. the sources have been evaluated separately. The Classical sources mention the taking of the head in contexts of war only and without religious motivation.The same can be considered for the insular celtic literature. The archaeological evidence is – in my opinion – too small for such an (assumed) prominent feature. There are some enclaves, that may have some discussable features, but it is far too little compared to the spread of the Laténeculture. Each source dealing with aspects of the so-called Celts has to be evaluated in its own scientific context first. Therefore it is wrong to assume, that the Táin and other Irish stories represent Iron Age societies from the continent, just because there is convinient proof of the headcult through historical and – to lesser extent archaeological sources.

Definition Kopfkult und Kopfjagd Anthropologische Beobachtungen bei rezenten Kopfjagdkulturen wie beispielsweise aus Südostasien kön­nen einen Einblick in die Motivation sowie die Vor- und Nachbereitung einer Kopfjagd geben. Die Essenz dieser ­ Praxis liegt in dem Glauben, dass im Kopf die Lebenskraft sitzt und das ebenjene nach erfolgreicher Kopfjagd auf den neuen Eigentümer des Kopfes – sei es ein Individuum oder eine Gruppe – übergeht. An dieser Stelle sollte noch einmal betont werden, dass uns kulturanthropologische Vergleiche nur eine Idee von dieser Praxis vermitteln und auf gar keinen Fall auf prähistorische oder mittelalterliche Gesellschaften übertragen werden können. Auch ist hinzuzufügen, dass sich die Glaubensgrundlage Kopfjagd-praktizierender Stämme zwar ähnelt, die Motivation dahinter jedoch so mannigfaltig ist, wie die Stämme, die sie durchführen. Es werden u. a. folgende Beweggründe angegeben: Schutz vor Hunger, Krankheit und vorzeitigem Tod, Qualifikation zur Stammesführerschaft, Vorraussetzung zur Brautwerbung, rituelles Ende einer Trauerzeit, Buße für Fehlverhal-

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ten, Therapie für kranke Stammesführer, Förderung der Fruchtbarkeit (sowohl im agraischen als auch im reproduktiven Sinn), Zeichen der Mannbarkeit, Prestigegründe u. v. m. (Anima 1985: 3; de Raedt 1996: 170– 71; Hoskins 1996: 8). Der Tötungsakt an sich, das Heimtragen des Kopfes und dessen Aufbewahrung sind weitere wichtige Faktoren einer gelungenen Kopfjagd. So wird der Kopf beispielsweise aufwändig geschmückt und liebkost, ihm wird Essen vorgesetzt, um ihn anschließend in einem festlichen Akt in die Gemeinschaft einzuführen. Aufbewahrt werden die abgeschlagenen Köpfe meist in einem besonderen Gebäude, zu dem nur bestimmte Personen Zutritt haben. Der erfolgreiche Kopfjäger ist zudem in vielen Gemeinschaften für eine gewisse Zeit mit Tabus belegt. Die Einhaltung dieser Tabus und Abläufe ist äußerst wichtig, denn nur dann wird sich die Lebenskraft des Kopfes in den Dienst der neuen Gruppe stellen wollen. Unter dem Begriff Kopfjagd ist daher ein ritueller Vorgang mit intentioneller Tötung eines Stammesfremden oder Feindes zu verstehen (Anima 1985: 27).

Innerhalb einer kulturellen Gruppe verläuft dieser Akt sowie dessen Vor- und Nachbereitung nach festgelegten Regeln. Für Kulturen, die nur archäologisch fassbar sind, sich aber dennoch durch eine besondere Behandlung des menschlichen Kopfes auszeichnen, wird der neutralere Begriff Kopf- bzw. Schädelkult gewählt (Orschiedt 2004: 580). Die Motivationsgründe bei prähistorischen Kulturen sind spekulativer Natur, auch lässt sich ein spezifisches Tötungsritual mit entsprechenden Vor- und Nachbereitungen archäologisch kaum nachweisen. Ferner können mit archäologischen Methoden ­keine Aussagen getroffen werden, in welcher Beziehung der alte und der neue Besitzer des Kopfes zueinander standen. Per Definition sollte daher im Kontext der (archäo­logischen) Kelten vom Kopfkult gesprochen werden – zumindest bis sich eine differenzierte Quellenlage ergibt. Problematik des Keltenbegriffs Der Keltenbegriff selbst wird wiederum von einer Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen verwendet, wie z. B. Geschichtswissenschaften, Archäologie, Linguistik, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte etc. All diese Wissenschaften entwickelten im Laufe ihrer wissenschaftlichen Diskussion einen eigenen Keltenbegriff, welcher gemäß der jeweiligen Methodik des Faches und den entsprechenden Quellen definiert wurde. In der prähistorischen Archäologie werden im Allgemeinen die späte Hallstattphase und die nachfolgende Latènezeit mit keltischen Stämmen in Verbindung gebracht. Diese Beurteilung ist forschungsgeschichtlich begründet und basiert vor allem auf der Auswertung der überlieferten schriftlichen Quellen und deren ­Verbindung mit archäologischen Befunden und Funden. In der Linguistik wiederum wird eine Sprache als ­keltisch klassifiziert, wenn mehrere bestimmte ­Lautwandel ausnahmslos nachweisbar sind (z. B. Eska 2010: 23; Sims-Williams 1998a: 347). Laut dieser Definition werden heute noch in den nordwestlichen Randzonen Europas keltische Sprachen gesprochen. Auf das sich daraus ergebene Kontinuitätsproblem kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Die Verwendung des Terminus keltisch für diese Sprach­

familie ist jedoch ebenfalls forschungsgeschichtlich bedingt (z. B. Collis 1999: 91–92; 105; Sims-Williams 1998b: 15 –16). Der „keltische“ Kopfkult in historischen Quellen Im Allgemeinen werden historische Quellen als besonders glaubwürdige Belege für den Brauch des Kopfabschlagens herangezogen, da ihnen quasi ein Zeit- und dementsprechend ein Augenzeugencharakter zugesprochen wird. In Gesamtdarstellungen zur keltischen Lebensart werden sie häufig als erstes angeführt wie beispielsweise nachfolgendes Zitat von Diodor: „Den gefallenen Feinden schneiden sie die Köpfe ab und hängen sie ihren ­ Pferden um den Hals. [...] Diese Erstlingsopfer der Schlacht nageln sie dann an ihre Häuser, als hätten sie auf der Jagd wilde Tiere erlegt. Die Köpfe der vornehmsten Feinde konservieren sie und bewahren sie sorgfältig in einer Truhe auf...“ (Diodor 5,29, 3–5; Übersetzung Hofender 2005: 143). Mit Testimonen wie diesem wurde im wesentlichen Maß das Keltenbild in der Antike geprägt. Zweifelsohne hatten diese Beschreibungen bereits zu jenem Zeitpunkt einen unterhaltsamen Charakter (Herrmann 1988: 47; 480; siehe auch Chapman 1992: 35– 37; Collis 1997: 17–18). Weitere Überlieferungen stammen von Poseidonius, Polybios und Julius Caesar. Polybios beschreibt an ­einer Stelle, wie der Kopf eines römischen Feldherrn an keltische Könige übergeben wird, und an anderer Stelle, wie keltische Krieger des Nachts ­ Römer ermordeten und ihre Köpfe abschnitten (Hofeneder 2005: 87; 94–95). Caesars achtbändiges Werk commentarii de bello Gallico gehört zwar zu den wichtigsten ausführlichen Quellen über die keltische Lebensart, der kopfabschlagende Kelte wird jedoch nicht erwähnt. Nur an einer Stelle wird von einem aufständischen ­Trevererfürsten berichtet, dessen Kopf gegen Belohnung von benachbarten gallischen Stämmen an einen römischen Lagerkommandanten übergeben wurde (Hofeneder 2005: 186). Quellenkritisch betrachtet, liefern die antiken Quellen keine klare Abgrenzung, wer mit Kelten gemeint ist. Nicht nur die fehlende Neutralität, auch tradierte Antipathien, fehlendes Verständnis anderen Weltvor-

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stellungen gegenüber aber auch mögliche Kommunikationsschwierigkeiten liefern ein Bild, welches unvollständig oder absichtlich entstellt ist (Hofeneder 2005: 14; ausführlicher in Kremer 1994). Auch fanden völkerkundliche Aspekte erst im ­Laufe der Jahrhunderte in der antiken Geschichtsschreibung verstärkte Berücksichtigung. So wurden Völker nördlich der Alpen um 500 v. Chr. noch gemeinhin als Hyperboräer bezeichnet (Collis 1997: 17–18; Bridgman 205, 101–115; 158). Im 3. Jh. v. Chr. scheint sich diese Bezeichnung dahingehend aufgespalten zu haben, dass antike Autoren wie Eratosthenes oder Ephoros die westliche Bevölkerung Europas als Kelten und die östliche als Skythen ansahen. Die Bewohner ­Irlands und Britanniens zählten sie jedoch nicht zu den Kelten. Die­se äußerst schwach ausgeprägte Differenzierung der Völker ist zweifelsohne eine weitere Fehlerquelle der antiken Überlieferungen. So scheinen die verwendeten Barbarentopoi bei den Keltenbeschreibungen beliebig gewählt zu sein und treffen daher auf viele Völker jenseits der römisch-griechischen Welt zu (Kremer 1994: 43; Tristram 2005: 211–212). Zusammenfassend kann über die überlieferten Testi­ mone der klassischen Autoren gesagt werden, dass das Abschlagen des Kopfes meist nur im kriegerischen Kontext Erwähnung findet (Ausnahme: Livius 23, 24, 11–12; vgl. Hofeneder 2008: 176). Weder wird über die Beweggründe berichtet noch ein Glaube angenommen, bei dem der Kopf Sitz der Lebenskraft sei. Über eine besondere Behandlung des abgeschlagenen Kopfes – außer der Konservierung als Trophäe – wird ebenfalls nichts gesagt. Die historischen Überlieferungen scheinen daher keinen ­religiös ­ motivierten Kopfkult zu belegen, sondern ­einen Trophäenbrauch in Kriegszeiten. Der Kopfkult in inselkeltischen Quellen Per Definition werden bis heute an den westlichen Rändern Europas keltische Sprachen gesprochen. ­Dieser Sprachfamilienbegriff ist zwar forschungsgeschichtlich bedingt, dennoch gibt die Sprachverwandtschaft mit Kontinentalkeltisch und dessen Schnittmenge mit laténezeitlicher Besiedlung bzw. dem Lebensraum der historisch überlieferten Kelten den meisten Überblickswerken genug Legitimation,

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um auch mittelalterliche Schriftquellen heranzuziehen und archäologische bzw. historische Spezifika zu untermauern. Nachfolgend werden daher inselkeltische Sagen auf Anhaltspunkte für eine mögliche Kopfkult-Praxis überprüft. Da die unterschiedliche historische Entwicklung von Britannien und Irland auch Spuren in der Entwicklung der Erzähltradition hinterließ, soll das Mabinogion für die walisische sowie die Táin Bó Cuailgne und deren Remscéla stellvertretend für die irische Sagenwelt stehen. Das Mabinogion (ein Kunstplural des walischen Wortes mabinogi – Jugenderzählung) besteht aus den vier Zweigen des Mabinogi, den vier Burlesquen und den drei Romanzen. Diese elf Erzählungen sind vollständig im Llyfr Gwyn Rhydderch und dem Llyfr Coch ­Hergest überliefert, welche um 1325 bzw. 1400 verfasst wurden. Einzelne Fragmente dieser Geschichten datieren mitunter noch wesentlich früher (Davies 2007: ix; Jones 1992: 190; Roberts 1992: 209). Die vier Zweige des ­Mabinogi Pedair cainc y Mabinogi sind im aristokratischen Milieu angesiedelt. Zwar entsprechen die beschriebene Etikette und ­Kleidung der höfischen Kultur, jedoch scheinen viele der Handlungsträger aus einem bislang unbekannten Stratum entlehnt zu sein. Ihre Parallelen finden sich häufig in den frühirischen Sagen (Jones 1992: 193). Der Entstehungszeitraum der Geschichten selbst ist anhand orthographischer, linguistischer sowie literaturwissenschaftlicher Aspekte, wie beispielsweise der Erzählstruktur, zwischen 1050 und 1120 zu datieren (Jones 1992: 191). Die vier Burlesken, welche den zweiten Teil des Mabinogions bilden, sind Erzählungen, die ohne Bezug zueinander stehen und auch in den Sammelhandschriften nicht unter einem Titel zusammengefasst werden. In der Forschung wird daher für diese vier Geschichten üblicherweise auch der Überbegriff The four independent native tales verwendet (Breeze 1997: 63) Inhaltlich variieren sie von pseudohistorischen Themen (Breuddwyd Macsen) über abenteuerliche Brautwerbung (Culhwch ac Olwen) bis hin zu politisch-zeitgenössischer Satire (Breuddwyd Rhonabwy). Der letzte Teil des Mabinogion besteht aus den drei Romanzen (Tair Rhamant), welche zur Kategorie der Arthus-Romane gehören und in ihrer materiellen und

geistigen Kultur dem höfischen Ideal des Hochmittelalters entsprechen (Breeze 1997: 63). Die drei Romanzen nehmen innerhalb der Mabinogion-Forschung eine gewisse Sonderstellung ein. Im Gegensatz zu den Pedair cainc y Mabinogi und den vier Burlesken, welche sich durch eine eigenständige walisische Erzähltradition auszeichnen, scheinen die Tair Rhamant – trotzdem sie von altbritannischen Sagengestalten handeln – eine Adaption französischer Texte zu sein. Diese wurden jedoch entsprechend den walisischen literarischen Gepflogenheiten modifiziert (Birkhan 1989: 37; 41; Roberts 1992: 222). Zur Untermauerung der besonderen Bedeutung des Kopfes wird vor allem eine Episode aus dem zweiten Zweig des Mabinogi herangezogen: Der von einem vergifteten Pfeil tödlich getroffene Riese Bendigeidfran bittet seine Kameraden, ihm den Kopf abzuschlagen: „Then Bendigeidfran ordered his head to be cut off. „And take my head“, he said, „and carry it to the Gwynfryn in London, and bury it with its face towards France. And it will take you a long time […] And you will find the head to be as good company as it ever was when it was on me. […] and the head will not decay.“ (Davies 2007: 32). Das Motiv des abgeschlagenen und dennoch weitersprechenden Kopfes ist auch in der nordischen Mythologie zu finden: Nachdem die Asen die Wanen erfolgreich bekämpften, wurden Geiseln getauscht um den Friedenspakt zu untermauern. Der Riese Mimir fühlte sich den Asen jedoch auch nach dem Tausch verpflichtet. Als sich die Wanen daraufhin um eine Geisel betrogen fühlen, schneiden sie ihm den Kopf ab und senden ihn nach Asgard: „Odin bewahrte ihn sorgfältig, betupfte ihn mit Wässern aus Kräutern, so daß er nicht faulte und die Lippen ihre Farbe behielten, strich Zauberrunen auf seine Stirn und besprach den Kopf. Das erhielt seine Weisheit, verlieh ihm Bestand und solche Macht, daß er Odin auf Fragen antwortete und Verborgenes enthüllte.“ (Tetzner 1997: 46). Doch nicht nur die nordische, auch die griechische Mythologie kennt eine ähnliche Geschichte: Nachdem Orpheus von den Thrakerinnen in Stücke zerrissen wurde, nagelten sie seinen Kopf auf seine Lyra und schleuderten beides hinaus aufs Meer, „[...] in dem er singend schwamm und die Leier weitertönte.“ (Kerényi 1983: 224–225). Die Strömung trieb die Leier auf die Insel Lesbos, wo der Kopf des Orpheus im Heilig-

tum des Dionysos und die Leier im Tempel des Apollon aufbewahrt wurden. „Man erzählte viel später auch von seinem Orakel auf Lesbos [und] daß Jünglinge Offenbarungen vom Haupt des Sängers erhielten, bis Apollon selbst ihm Schweigen gebot.“ (Kerényi 1983: 225). In der Märchenforschung haben diese Motive Eingang in die von dem Folkloristen und Völkerkundler Stith Thompson erarbeitete Märchentypologie gefunden. Sie sind als Motiv D 1610.5 Speaking head und als E 783 Vital head. Retains life after being cut off aufgelistet (Thompson 1933: 245; 434). Die Episode um Bendigeidfran und die besonderen Fähigkeiten seines abgetrennten Kopfes ist daher nicht als typisch keltisch anzusehen. Das Motiv vom abgeschlagenen Kopf ist ungleich häufiger in irischen Erzählungen zu finden. Als Herzstück der irischen Heldensage gilt im Allgemeinen die Táin Bó Cuailnge aus dem Ulster-Zyklus. Überliefert ist sie in Sammelhandschriften wie dem Lebor na hUidre und dem Lebor Laignech. Sie wurden um 1100 bzw. 1160 verfasst (Ní Bhrolcháin 2009: 23). Anhand narrativer und linguistischer Elemente ist „[...] offenbar ein spätaltirisch-frühmittelirischer Text [nachweisbar], der ein nicht weit zurückliegendes Altirisch verarbeitete, das auf weite Strecken noch offen zutage liegt bzw. da, wo es mittelirisch überdeckt ist, meist noch durch interne Rekonstruktionen zurückgewonnen werden kann“ so Meid (1993: 28). Insofern kann ein Entstehungszeitraum der Táin – unabhängig von einer postulierten längeren mündlichen Tradierung – sprachgeschichtlich zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert angenommen werden. Die besondere Behandlung des menschlichen Ko­ pfes wird im Ulster-Zyklus vor allem im kriegerischen Kontext erwähnt. Das Abschlagen des Kopfes zeigt sich hier als Überlegenheitsgeste und der abgeschlagene Kopf kann daher durchaus als Trophäe angesprochen werden. Unterstrichen wird diese Interpretation dadurch, dass das Abschlagen des Kopfes auch postmortem geschieht (z.B. Thurneysen 1921: 375; 553– 4; 569; 651). Das Enthaupten ist jedoch vor allem eine effektive Tötungsmethode und wird in dieser Funktion entsprechend häufig erwähnt bzw. angedroht (z. B. Carson 2007: 95;Thurneysen 1921: 237; 302; 333; 347; 410; 470; 529; 552; 592). Da an den oben angeführten Textstellen keine weitere Bemerkung zum Umgang mit dem abgeschlagenen Kopf zu finden ist, stellt sich

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die Frage, ob Das Kopfabschlagen synonym für Das Erschlagen steht? Trotzdem die Táin und deren Remscéla voll von Erwähnungen abgeschlagener Köpfe sind, können an dieser Stelle nur einige ausgewählte Episoden vorgestellt werden: König Conchobar will seinen Feinden zeigen, dass er aus dem ces1 erwacht ist. Er zieht zusammen mit Celtchair weiter und bringt 160 abgeschlagene Köpfe und 160 Frauen als Beute zurück (Thurneysen 1921: 202). Hier scheinen die abgeschlagenen Köpfe als Zeichen für die Mannhaftigkeit ­ Conchobars und damit möglicherweise für seine Regierungsbefähigung zu stehen. Wenn der abgeschlagene Kopf zur Schau gestellt wird, ist das hingegen ein deutliches Warnzeichen. So fällt Cú Chúlainn gleich zu Beginn der Táin einen vierfach gegabelten Baumstamm und steckt ihn als Barriere in die Mitte eines Baches. Als ihn dabei vier feindlich gesinnte Connachter einholen, schlägt er ihnen die Köpfe ab und steckt sie auf die vier Äste des Baumes (Thurneysen 1921: 128; Carson 2007: 29). Dass Cú Chulainn den abgeschlagenen Kopf oft gegen seine Feinde schüttelt, ist meines Erachtens ebenfalls als deutliche Drohgebärde zu interpretieren (Thurneysen 1921: 141–2; 182; Carson 2007: 55; 112). Eine Stelle aus der Fled Bricrenn lässt vermuten, dass abgeschlagene Köpfe zur Präsentation von Mut ­ offensichtlich eine höhere Bedeutung denn als ­abschreckendes Warnzeichen hatten: Auf dem Weg nach Cruachain, dem Königssitz von Aillil und Medb, erschlägt Cú Chulainn im Wald die Anführer von drei Räuberbanden. Er lässt deren abgeschlagene ­Köpfe von einem Boten auf die Burg bringen. Aillil erkennt sie als drei Räuber und möchte daher deren Köpfe als abschreckende Maßnahme auf die Palisaden stecken lassen. Als Cú Chulainn kurz darauf zur Burg kommt, droht er jedoch die Palisade einzureißen, wenn er die Köpfe, d. h. seine Trophäen und damit die Belege für seinen Mut, nicht zurückbekommt (Thurneysen 1921: 469). Auch Conall Cernach, ein weiterer Held der Ulstersage, prahlt damit, dass, seit er den Speer in die Hand nahm, kein Tag vergangen sei, ohne dass er ­einen Connachter erschlagen habe, keine Nacht ohne Plünderung, und nie habe er ohne den Kopf eines Connachters unter dem Knie geschlafen (Thurneysen 1987: 14–15).

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Besonders interessant ist, dass das Geschlecht des ­ bschlagenden oder des Abgeschlagenen für den Wert A des Kopfes bzw. den Mut, diesen abzuschlagen, keine Rolle zu spielen scheint. So fordert beispielsweise Nochta, die Tochter von Fer Derg, jeden zum Wettlauf auf und dem Unterlegenden schlägt sie den Kopf ab. Um diesem Treiben ein Ende zu setzen, bittet Königin Medb Lugaid mac ConRoi, sich dem Wettlauf zu stellen. Als Sieger bringt er der Königin das abgeschlagene Haupt von Nochta und wird von ihr dafür hoch gelobt (Thurneysen 1921: 345). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in den mittelalterlichen irischen Quellen der abgeschlagene Kopf als Trophäe und Beleg für heldenhaften Mut dient. Unterstrichen wird dies in der Fled Bricrenn, da die Frauen der Ulsterhelden den Mut ihrer Männer anhand der Anzahl der aus dem Kampf heimgebrachten Köpfe beschreiben (Thurneysen 1987: 39). Und sicherlich ist es ein Zeichen von Prahlerei, wenn die Ulsterhelden einen abgeschlagenen Kopf am Gürtel tragen (Thurneysen 1987: 14 –15; Thurneysen 1921: 510). Als zusätzliche Demütigung werden die Köpfe der Feinde manchmal auch zum Ballspielen benutzt (Thurneysen 1921: 132; 565; Carson 2007: 40). An keiner Stelle in den irischen Heldensagen steht jedoch, dass der abgeschlagene Kopf in kultische ­Handlungen eingebettet oder überhaupt in religiösem Kontext steht. Es wird noch nicht einmal genau erwähnt, was nach erfolgreichem Kampf mit den mitgenommenen ­Köpfen geschieht. An einer Stelle wird gesagt, dass aus den abgeschlagenen Köpfen ein Haufen gebildet wird (Thurneysen 1921: 459), jedoch nur in der Beschreibung von Emain Macha, dem Sitz des Ulsterkönigs, steht genaueres: In Emain Macha gibt es drei Häuser: in Craebruad versammeln sich die Oberen um zu feiern, in Craebderg werden die abgeschlagenen Köpfe der Feinde und die Kriegsbeute aufbewahrt und in Téte Brecc die kostbaren Speere, Schilde, Schwerter sowie das Trinkgeschirr (Thurneysen 1921: 526). Dass die Köpfe am gleichen Ort wie die Kriegsbeute lagern, lässt einmal den Rückschluss zu, dass die Köpfe nur als Trophäe dienten und ihnen kein weiterer ­kultischer Aspekt anhaftete.

Der Kopfkult in archäologischen Quellen Für archäologische Belege werden vor allem ausgewählte Funde und Befunde des latènezeitlichen Horizontes Mittel- und Westeuropas vorgestellt, da es sich hierbei um den Hauptverbreitungszeitraum der Kelten handelt, welcher durch die antiken Quellen vorgegeben wird. An dieser Stelle wird jedoch nur auf Funde und Befunde Bezug genommen, die in der Literatur eine weit verbreitete Rezeption bezüglich eines angenommenen keltischen Kopfkultes erfahren haben. Schmuck bzw. Plastiken mit Kopfdarstellungen können unter Umständen zwar ebenfalls den besonderen Stellenwert des Kopfes unterstreichen, sie sind meines Erachtens als Symbol jedoch nicht zwingend als typisch laténezeitlich anzusehen. Auch ist zu berücksichtigen, dass ­ archäologische Quellen in einem besonderen Maße der Quellen­kritik unterliegen, denn deren Interpretation ist von verschiedenen Faktoren wie z. B. dem Forschungsstand, den Untersuchungsmöglichkeiten und – nicht zu unterschätzen – dem jeweiligen Zeitgeist abhängig. Eine der in rituellen Belangen aussagekräftigsten Quellengattungen der Archäologie fehlt jedoch ­größtenteils im Laténehorizont: nämlich Gräberfelder. Eine besondere Handhabung des Kopfes im Rahmen der Totensorge ist daher kaum nachweisbar. Im Zusammenhang mit einem postulierten Kopfkult der Kelten werden fast immer die gleichen archäo­logischen Befunde und Funde zitiert. In Überblickswerken und Keltenlexika sind das meist die Fundplätze von Roquepertuse und Entremont in Südfrankreich, und Gournay und Ribemont, welche sich in Nordfrankreich befinden. Gern werden diese auch in den Kontext von Menschenopfern gerückt. (z. B. Green 1992: 116–118 Stichwort head-huntig; Maier 1994: 195–196 Stichwort Kopf; Haffner 1995; Rind 1996: 149–161; Birkhan 1997: 817–8262; Kuhnen 2000; Green 2003; Kuckenberg 2004 etc.). Seltsamerweise findet der am Osttor von Manching geborgene Schädel eines älteren Mannes, der vermutlich eine Schutzfunktion inne hatte und in den Ahnenkontext zu setzen ist (van Endert 1987: 57), oder die geborgenen durchlochten bzw. mit Nagel durchbohrten Schädel von Kobern-Gondorf, einer Siedlung der Hunsrück-Eifel-Kultur, welche während der

ä­ lteren Siedlungsphase als Ahnenkult, in der jüngeren als Trophäen gedeutet werden (von Berg 2011: 79), kaum Erwähnung in den entsprechenden Überblicken zur keltischen Religion und (Sach-)Kultur. Da oben genannte Fundplätze schon erschöpfend publiziert wurden, wird an dieser Stelle auf eine detaillierte Beschreibung der Befundsituation verzichtet und nur die für den postulierten Kopfkult relevanten Befunde vorgestellt. Bei Roquepertuse ist der rekonstruierte Portikus von besonderer Bedeutung für einen möglichen Kopfkult, da sich in den Säulen Nischen für Schädel befinden – so zumindest die Interpretation; es gab keine in-situ-Funde. Jüngere Untersuchungen datieren den Bau in das 5. oder 6. Jh. Es ist daher meines Erachtens etwas vage, eine Verbindung zu den sogenannten archäologischen Kelten der Laténekultur zu suchen (z. B. Lescure 1995: 75–84). Der Fundplatz wird mittlerweile auch nicht mehr als Heiligtum angesprochen (Vigié 2011: 83). Unweit von Roquepertuse befindet sich das Oppi­ dum Entremont. Hier werden als Belege für den ­Kopfkult vor allem die Rekonstruktion einer Säule mit zwölf eingeritzen Köpfen und übermenschengroßer Steinstatuen herangezogen, welche têtes coupées auf ihren Schößen haben. Das Fragment eines Frieses zeigt ein Pferd, welches ein Objekt um den Hals gebunden hat, das wiederum als Kopf interpretiert wird. Ähnlich wie in Roquepertuse weisen auch hier ­einige Säulenfragmente Nischen auf. Des Weiteren wurden 15 Schädel geborgen, von denen drei mit einem ­Nagel durchbohrt waren (z. B. Benoît 1957). Die Belege von Entremont und Roquepertuse – und ihr regionaler Bezug – lassen daher vermuten, dass es sich möglicherweise um einen lokalen Brauch im Umgang mit dem menschlichen Kopf handelt. Gournay ist ein Heiligtum in Nordfrankreich. Die Funde lassen den Rückschluss zu, dass mindestens sechs Menschenköpfe an den Säulen des Portikus befestigt waren. Postkraniale Skelettfragmente von 12 Individuen wurden innerhalb des Areals gefunden, jedoch kann keine Aussage getätigt werden, ob sie zu den am Portikus befestigten Schädeln gehören (z. B. Bruneaux 1995: 56– 66; ders. 2000: 41– 44). Verglichen mit der langen Nutzungsdauer des Heiligtums vom 4. –1. Jh. v. Chr. sind sechs Schädelfunde

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meines Erachtens jedoch unproportional wenig, um von einem Kult zu sprechen. Am häufigsten wird das Heiligtum von Ribemont ­zitiert. Der Fundplatz ist – im wahrsten Sinne des Wor­ tes – einzigartig und genau daran liegt das Problem. Im Mittelpunkt steht das sogenannte Große Leichenfeld, welches mehr als 20.000 menschliche Knochen zutage brachte, jedoch keinen einzigen Schädel aufwies. Anthropologische Untersuchungen ergaben, dass die Knochenfunde zu etwa 120 männlichen Individuen mit einem Alter zwischen 16 und Mitte 40 gehörten. Es wird davon ausgegangen, dass hier kopflose Bewaffnete auf einer nach allen Seiten offenen, ­erhöhten Plattform präsentiert wurden. Der Holz­ boden verging im Laufe der Zeit und die mumifizierten Leichen fielen mit ihren Waffen hinunter. Das, so Brunaux, erkläre die unnatürlichen Krümmungen und die strukturlose Anordnung der Skelette im Befund (Bruneaux 2008: 339). Im Allgemeinen wird dieser Befund als Tropaion gedeutet – ein Schlachtdenkmal der Sieger (z. B. Bruneaux 1995: 66–74; ders. 2000: 44–46; Haffner 2008: 21–23). Meines Erachtens können jedoch keine weiterführenden Aus­sagen getroffen werden, da mit archäologischen oder anthropologischen Methoden nicht mehr ermittelbar ist, ob es sich bei den Kriegern ohne Kopf um Kameraden oder Feinde handelt. Die Köpfe könnten zu Trophäenzwecken abgeschlagen worden sein, sie könnten aber genauso gut als pars-pro-toto der gefallenen Kameraden in den Kontext von Ahnenkult bzw. Bestattungsritus gesetzt worden sein. Neben diesen Fundplätzen finden folgende drei Einzelfunde immer wieder Eingang in die Literatur. Am häufigsten wird der aus einem Fluss bei Chalon-surSaône stammende Schädel mit Eisennagel herangezogen (z. B. Unruh 2000: 27; Haffner 2008: 13; 21). In der Literatur wird dieser Fund in das 1. Jh. v. Chr. ­datiert. Eine 14C-Analyse wurde zwar durchgeführt, die Ergebnisse sind jedoch noch nicht publiziert.3 Als Einzelfund, d. h. ohne kontextuellen Bezug, ist diese Kalotte meines Erachtens jedoch nur bedingt geeignet, um den Brauch zu untermauern, dass die Kelten die Köpfe ihrer Feinde an ihre Häuser nagelten. Ein weiterer Fund, welcher häufig als Beleg herangezogen wird, ist ein Bronzeblech mit Ritzzeichnung

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aus Grab 3 des Gräberfeldes von Mülheim-Kärlich in Rheinland-Pfalz. Das Blech ist 4,8 cm lang und wird ins 5. Jh. v. Chr. datiert (z. B. Rieckhoff, Biel 2001: 264). Mehrere Durchlochungen deuten darauf hin, dass das Blech vermutlich an einem Lederriemen o. ä. befestigt wurde. Deutlich zu erkennen ist ein länglicher Gegenstand, welcher schräg von der linken Taille des Reiters hinabhängt. Dieses Objekt kann als Schwert angesprochen werden, was demzufolge den Reiter als bewaffnete Person oder Krieger auszeichnet. Die dargestellte Person wird im Allgemeinen als Kopfjäger bezeichnet, da an dem Pferdehals bzw. am linken Handgelenk ein ovaler Gegenstand hängt. Zur Untermauerung der Keltendarstellung in den antiken Quellen wird dieses Objekt als abgeschlagener Kopf gedeutet. Bei dem ovalen Objekt könnte es sich meines Erachtens auch um eine Art Beutel handeln. Ein stilistisches Argument wäre, dass der ovale Gegenstand im Gegensatz zum Kopf des Reiters kaum charakteristische Züge aufweist. Die Ansprache dieses Objektes geht somit mit der Intention des Betrachters einher. Dessen ungeachtet muss es sich jedoch nicht um eine eigene Arbeit handeln. Es kann sich dabei – wie Hermann Frey argumentiert – auch um eine Nachahmung nach skythischem Vorbild handeln, denn ein kultureller Austausch zwischen Kelten und Skythen könnte sich auch in der Übernahme gewisser Vorstellungen widerspiegeln (Frey 1991: 136). Der letzte, oft zitierte Fund ist eine Münze welche den Hädurerfürsten Dubnorix abbildet (z. B. Haffner 2008: 13). Die Hädurer waren ein gallischer Stamm, dessen Hauptsitz in Bibracte war. Der Herrscher ­Dubnorix lebte im letzten vorchristlichen Jahrhundert und seine Biografie ist durch den Gallischen Krieg von Caesar überliefert. Auf dem Revers des Silberdenars ist ein Krieger zu sehen, welcher mit seiner linken Hand einen abgeschlagenen Kopf trägt. Rechtsseitig vom Körper sind Kriegerattribute wie ein Schwert, ein Eber und eine Carnyx abgebildet. Diese Münze scheint daher eines der wenigen Selbstzeugnisse zu sein. Da die sogenannte Keltische Kunst charakteristischerweise nicht narrativer Natur ist, kann ­diese Abbildung – genauso wie das Münzwesen selbst – an römische Vorbilder angelehnt worden sein. Als Vergleichsfund sei hier der römische Denar des Magistrat

M.Sergius Silus erwähnt, der um 116/115 v. Chr. geprägt wurde. Auf der Rückseite der Münze ist ebenfalls ein (diesmal berittener) Krieger zu sehen, der in der linken Hand einen abgeschlagenen Kopf trägt (Overbeck 1993: 229). Zusammenfassung Anhand der aufgezeigten Aspekte lässt sich folgende Aussage machen. Ein religiös verankerter Kopfkult der Kelten ist im archäologischen Kontext kaum und in den mittelalterlichen Erzählungen noch weniger nachweisbar. Die archäologische Beweislage ist meines Erachtens zu klein für solch einen – postulierten – typischen Brauch der Kelten. Trophäenschädel und Schädelpräsentationen als Warnzeichen fallen meines Erachtens nicht unter eine Kopfkult-Praxis. Es gibt einige Beispiele, die lokal eine besondere, möglicherweise auch religiös motivierte Behandlung des menschlichen Kopfes zeigen. Alles in allem sind das meines Erachtens jedoch zu wenige, wenn ­ die­se ins Verhältnis zur Verbreitung der Laténekultur gesetzt werden. Doch auch hier sollte das Konzept der Kelten als Träger der Laténekultur überdacht werden. Die Ähnlichkeiten zwischen den antiken Überlieferungen und den mittelirischen Sagen sind meines Erachtens ebenfalls zufälliger Natur bzw. ergeben sich möglicherweise durch die lese- und schreibekundigen Autoren. Wie bereits erwähnt, hat die antike Welt die Bevölkerung von Irland und Britannien nicht mit den Kelten assoziiert, jedoch die Ähnlichkeiten zwischen Galliern und den Bewohnern von Kent registriert (z. B. Cäsar, Der gallische Krieg,V.1). Auch ist festzuhalten, dass für die antiken Autoren die Jagd nach Kopftrophäen nicht typisch keltisch war, sondern allgemein als Barbarentopos verstanden

wurde, welcher auch für die Skythen, Germanen und selbst Römer galt. Abgeschlagene Köpfe werden jedenfalls – mit der Ausnahme bei Livius – nur in militärischem Kontext erwähnt. Des Weiteren muss beachtet werden, dass archäologische bzw. sprachwissenschaftliche Nachweise der Kelten nicht zwangsweise deckungsgleich sind, sondern insgesamt ein Gebiet umfassen, welches sich von Kleinasien über die iberische Halbinsel bis nach Irland und Nordeuropa erstreckt. Bei solchen geografischen Dimensionen können homogene kulturelle Erscheinungen nur Utopie sein und die verschiedenen antiken Zeugnisse weichen dementsprechend zwangsläufig von einander ab (Tristram 2005: 209–210). Wir müssen daher akzeptieren, dass manchmal nicht alles rekonstruierbar ist und Wissenslücken Teil der Quellenlage sind – v. a. wenn es um religiöseVorstellungen geht und Selbstzeugnisse fehlen. Noch ­wichtiger ist jedoch, dass es nicht immer eine gute Wahl ist, alle vorhandenen Quellen in interdisziplinärer Methode ohne kritische Analyse zu nutzen. Jede Quellengattung sollte daher zuerst kontextualisiert werden. Das Kopfabschlagen war ein überregionaler Brauch, der in den Kontext von Trophäen bzw. Machtdemonstration zu stellen ist und unter diesem Gesichtspunkt in weiten Teilen der Welt und über einen sehr ­langen Zeitraum verbreitet war. Der Kopf übernimmt in ­diesem Zusammenhang eine Zeichenfunktion (Mergenthaler 1997: 10). Er zeigt, dass der Gegner besiegt oder – beim Kopfabschlagen als Todesstrafe – die gesellschaftliche Ordnung wieder hergestellt wurde. Um das zu verdeutlichen geht das Abschlagen des Kopfes meist mit dessen Präsentation einher. Das hebt die Überlegenheit hervor bzw. bezeugt das vollstreckte Urteil und kennzeichnet beides als unwiderruflich. (Mergenthaler 1997: 16 –18). Diese Praxis hat jedoch nichts mit kultischen Vorstellungen gemeinsam.

Anmerkungen 1 Ces: Schwächezustand der Ulster. Alle Männer von Ulster sind auf neun Generationen hin verflucht, im Zustand der größten Not für fünf Tage und vier Nächte nur die Kraft einer Wöchnerin zu haben (Thurneysen 1921: 361–363). 2 Interessanterweise findet Ribemont nicht in dem Kapitel

­Kopfjagd und Schädelkult, sondern im Kapitel Der heilige Ort Erwähnung. Birkhan 1997: 766–768. 3 Für diesen Hinweis danke ich Dr. Martin Schönfelder, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz.

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Inscriptiones Pseudocelticae. Wrong and premature ascriptions of inscriptions as Celtic* David Stifter

Abstract This article continues, i.e. expands and corrects, my contribution to the proceedings of the 3rd Linzer Eisenzeitgespräche (Stifter 2009). In the paper from two years ago I discussed several inscriptions, found at sites across Austria, that had sometimes or frequently been claimed to con­tain Celtic ‘linguistic’ material.The conclusion of my study was that only one of the texts, the tile from Grafenstein in Carinthia (L-95), was authentically Celtic in language; another one, a fragment of a beaker from the Frauenberg near Leibnitz in Styria, belonged to the late La Tène period, but the two Venetic letters on it were not sufficient to support a Celtic charac­ter of the inscription (for the Frauenberg beaker, see also Stifter 2010: 237–239).The remain­ing two texts, the so-called ‘writing tablet’ from the Dürrnberg and the plate inscribed in the so-called Noric script from the Magdalensberg, will be subjected to a more detailed study in the present paper. This article will present additions and new insights concerning the texts, as well as ne­ cessary cor­rections to my previous study. In addition to this, the focus will shift slightly from the plain analysis of the texts to the elucidation of the interpretative backgrounds or en­vi­ron­ments which led previous scholars to believe that some of those texts were Celtic. In this context, ‘Celtic’ does not re­fer to their linguistically substantiated interpretation, but ra­ther to the loose assign­ment of the inscriptions and of the objects on which they are en­graved to a Celtic cultural context. Neverthe­less, despite the prevalent vagueness of these ascriptions, sub­sequently more consequential conclusion were drawn from them than were warranted.

* The work on this paper was undertaken as part of the project P20755-G03 ‘Old Celtic language remains in Austria’ (http://www. univie.ac.at/austria-celtica/), funded by the FWF (Austrian Science Fund). My thanks for assistance and suggestions go to Alicona Imaging, Elena Cristea, Heimo Dolenz, Clemens Eibner, Heiner Eich­ner, Hannes Geidl-Strallhofer, Christian Janko, Raimund Kastler, Wilfried Kovacsovics, Bernard Mees, Matthias Mehofer, Fritz Mitthof, Stefan Moser, Robert Nedoma, Bruno Reiterer, Corinna Salomon, Salzburg Museum, Eleni Schindler-Kaudelka, Stefan Schumacher, Roland Szmudits, Hans Taeuber, Ingrid Weber-Hiden, and the late Kurt Zeller, to whose memory I dedicate this paper.

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Zusammenfassung Dieser Beitrag ergänzt und erweitert denjenigen zu den Akten der 3. Linzer Eisenzeitgespräche (Stifter 2009). Damals behandelte ich mehrere Inschriften von unterschiedlichen Fundorten in Österreich, die manchmal oder öfters als Zeugnisse keltischer Sprache in Anspruch genommen wurden. Zwei dieser Texte, das sogenannte „Schreibtäfelchen“ vom Dürrnberg und der im sogenannten norischen Alphabet beschriftete Teller vom Magdalensberg werden im vorliegenden Aufsatz einer eingehenderen Untersuchung unterzogen. Zusätzlich zu neuen Erkenntnissen über diese Texte werden auch einige Korrekturen der Vorgängerstudie vorgenommen. Zudem wird sich der Blickwinkel von einer reinen Analyse der Texte auf den Versuch der Erhellung des Forschungsumfelds ausweiten, in dem frühere Forscher diese Texte dem „Keltischen“ zuweisen konnten. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Begriff „keltisch“ nicht auf die linguistisch abgesicherte Deutung der Texte, sondern auf die recht lockere Zuweisung der Inschriften und Inschriftenträger an eine keltische Kultur. Trotz der vorherrschenden Vagheit dieser Zuweisungen konnten jedoch in Einzelfällen folgenreichere Schlüsse daraus gezogen werden.

1. The ‘writing tablet’ from the Dürrnberg The so-called ‘writing tablet’ from the Dürrnberg (ill. 1) was discovered in spring 1982 on the site of prehistoric workshops in the Ram­sau­tal at the Dürrn­berg above Hallein, Salzburg dur­ing em­ergency excavations. Because of the humidity of the location, the upper layers of the soil had to be pushed aside by a caterpillar. It was inside this heap of earth, and therefore in a disturbed archaeological context, that the object was found (Moosleitner & Zeller 1982: 30; Zeller 1984: 62–63, 77; Zeller 1988: 11). While a good copy of the object is on display at the Kelten­­museum Hallein, the original is kept in the archives of the Salzburg Museum in the town of Salzburg. The object is remarkable in several respects. Apart from a few similar uninscribed pieces found in its company, its light, ochre clay has no parallel among the usual dark-gray La-Tène pottery on the Dürrnberg.The excavators Fritz Moosleitner and Kurt Zeller interpreted the object as the fragment of a writing tablet, that is, an object covered on one side by a thin layer of wax into which letters could be inscribed with a pointed stylus. A clay object of this kind, however, has no known parallel (Krämer 1984); the closest ‘parallel’ – if one may use the word parallel in this context at all

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Ill. 1:The ‘writing tablet’ from the Dürrnberg (copyright Salzburg Museum)

– is the early Etruscan writing tablet from Marsiliana made of ivory (pers. comm. Bruno Reiterer). Consequently, the function of the object still remains to be determined.

On one side, the object bears fine scratches and marks that are hard to recognise with the naked eye. Studied under the microscope, it emerges beyond doubt that these scratches are de­liberate and were meant to be writing. Clemens Eibner (pers. comm.) was the first at the ex­ca­vations to sug­gest that the letters be read as Greek. In fact, some of the letters do bear a super­ficial resemblance to Greek writ­ing. This suggestion has been repeated several times in the liter­ature (Moosleitner & Zeller 1982: 30; Zeller 1984: 62–63, 77; Zeller 1988: 11; Zeidler 2003: 96. Meid 1996: 319 mentions the pos­si­bility that the writing is in Latin cursive), although none of these authors was able to come up with a reading. In my own contribution (Stifter 2009: 363), I spoke with unwarranted con­fidence about a possible late imperial Greek reading (Stifter 2009: 363), but, as will emerge below, this suggestion was premature and must be withdrawn. The accompanying finds provided the basis for dating the object to the La Tène period: Moos­leitner & Zeller (1982: 30) speak of the 3rd –2nd centuries, Pauli (1986: 272) of the 4th –2nd cen­turies, Zeller (1988: 11) of the 4th –3rd centuries b.c. The explanation on the showcase in the Keltenmuseum in Hallein, presumably written by Kurt Zeller, is more precise. It dates the find to the end of the 3rd century b.c. If this dating were correct, the inscription would contain the earliest text in the Greek alphabet north of the Alps. However, the presence of crosses at the be­gin­ning and the end of the text were the cause of much thought and headache already for the excavators (pers. comm. Clemens Eibner), and at­ten­tion was also drawn to the crosses by Wolfgang Krämer (1984: 294) who remarked that the cha­racteristics of the script evoked the Middle Ages rather than antiquity. Krämer cited a letter by the renowned palaeographer Bern­hard Bischoff who, working only with an imperfect drawing of the inscription, thought that the writing style could be as late as the 10th –12th centuries. Guided by the assumption (wrong as it turned out) that the writing was late imperial Greek cursive script, I proposed a date in late antiquity (Stifter 2009: 363). Kurt Zeller’s state­ment (in 1984: 62–63) summarises conveniently the archaeologists’ view of the cultural context of the object, a view expressed, with varying wording, also in other pub­lic­ations:

“Die Fundstelle im Bereich von Gewerbebauten ist sicher nicht zufällig, denn für Warenlisten und Handelsverträge etc.hatte die Schrift sicher die größte Bedeutung. Über die Verwendung von Schrifttafeln bei den späten Kelten Galliens sind wir gut durch Cäsar (Bell. gall.I 29 ) unterrichtet, [...]. Für eine Ausstrahlung des griechischen Schriftgebrauches über Gallien und den helvetischen Raum hinaus weiter mehr nach Osten gab es bisher keine Zeugnisse, sodaß unsere Inschrift zweifellos das bisher älteste Schriftdokument aus dem Gebiet nördlich der Alpen darstellt.” The readers are left with the task to fill in the interpretative gaps, where the authors remained inexplicit or non-committal, with their own inter­pre­tations. The impression is created that the inscription on the Dürrnberg tablet contains the business notes of a local trader, written in Greek letters and thereby being the earliest piece of evidence for use of the Greek alphabet north of the Alps. The readers are induced to believe that the art of writing had been imported to the Al­pine region in connection with long-distance trade, and that Greek literacy had been embraced by the ­local popu­lation for commercial purposes. However, a written tradition a priori requires that the knowledge of writing be distributed among a con­ siderable number of persons using it – a dis­tri­bution that would normally be ex­pected to have left its traces elsewhere in the archaeological record. Even though the archaeo­logists nowhere say explicitly that the inscription contains a Celtic-language text, it is natural to interpret their words in this manner. At any rate, this is what Wolfgang Meid does. He mentions the Dürrn­ berg tablet twice, every time briefly and sceptically. In a volume devoted mainly to archaeology (1996: 308– 309), he speaks about a “mögliche kelti­sche In­schrift”. Since he was not able to read it, he classes it as “nicht aussagekräftig” for his search for written remains of ­Alpine Celtic. He nevertheless accepts the object as proof for the know­ledge of writing in the northern Alps during the La Tène period. In the appendix to the article (1996: 319), published together with the main text of the article, but apparently written two or three years after it and after he had had the oppor­tu­nity to study the object, Meid voices even graver doubts about

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the Celtic character of the text, but refrains from dismissing it from the discourse altogether.Two years later, he mentions the inscrip­tion again in a linguistic journal (1998: 23). He confines himself to the general formulation: “Eine andere als kel­tisch ver­mute­te In­schrift auf einem Tonfragment vom Dürrn­berg ist dubios.” Unfortunately, he does not specify the basis of his doubts. It can be surmised that the only thing that will linger in the memory of the occas­io­nal reader will be the vague notional connection between the Dürrn­berg tablet and the label ‘Celtic’. Jürgen Zeidler mentions the Dürrnberg tablet in the context of other – reliable – early evi­dence for writing in the Alpine region (2003: 96). Following Zeller, he dates the difficult piece to the 4th or 3rd centuries b.c., but in parenthesis he adds Heiner Eichner’s unpublished opinion that the in­scription is Christian in character. However, the broader context of Zeid­ler’s article doubt­lessly reinforces the impression that the inscription belongs to the La Tène period and there­ fore is Celtic. Even though the inscription was studied by many scholars over the first 25 years after its dis­covery, noone succeeded in presenting a reading of the text, not even of isolated letters. In Stifter (2009: 363), I published a partially deciphered Greek reading. Yet since this proposal fell short of a full understanding of the inscription, I felt the need to start a new attempt at it in June 2010. The curators at the Salzburg Museum kindly put the tablet at my disposal for an indepth investigation. With the combined expertise of the epigraphers Fritz Mitthof and Hans Taeuber, both from the Department of Ancient History, Papyrology and Epigraphics of the University of Vienna, it was soon realised that the previous interpretation of the text as ortho­graphically Greek had been er­roneous. In­stead, after a long and exhausting session we con­ cluded that the script was not late Greek cursive, but late Roman cursive script (‘younger Roman cursive’). Nevertheless, sever­al ques­tions re­mained which could not be resolved with a standard microscope, let alone by sta­ring at the scratches with the naked eyes. Therefore I contacted Alicona Imaging in Gram­bach near Graz (http://www.ali­co­na.com).This company, which specialises in industrial ap­plic­a­tions, pos­ses­ses powerful 3D-microscopes that permit surface measurement in

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the range of nano­metres. I had the most pro­blem­atic sections of the inscription scanned under such a micro­ scope.The ex­amination did indeed help to clarify most of the issues raised by the inscription and confirmed the new analysis of the writing style as belonging to the younger Roman cursive script. The palaeo­graphic ana­lysis will be explained in much greater depth in a forthcoming book (Stifter forthc.); here it shall suffice to pre­sent the main findings. Comparison with the cursive writing style on a range of other Roman inscriptions from various centuries leads to a quite clear-cut re­sult: those letters on the Dürrnberg tablet which exhibit chronologically sig­ni­fic­ant palaeographic variation find no pa­rallels before the 2nd century a.d., with the best par­allels appearing only in the 4th cen­tury (I refer to the specimens especially of the letters e, i and n in Thomp­son 1912: 335–337). This chronology finds support in the crosses which, used as tex­tual markers for the beginning and end of texts, start appearing in the late 4th century in Latin texts (pers. comm. Fritz Mitt­hof and Hans Taeuber). Although they are derived from Christian symbolism, they bear no religious significance as such, but rather function much like modern punctuation. Never­the­ less, the pro­posed date is far from de­fini­tive. It rather serves to point in the general chronological direction, in particular with the thermoluminescence study still pending. It is particularly striking that the writing style is not that of or­di­nary graffiti, engraved with a stylus or a similar object into soft clay or hard-burned pottery, but that it instead imitates the style typ­i­cal of writing in ink, executed on papyrus with pen or brush. This is particularly clear in the case of the e’s, the liga­tured i’s, and the n. Ligature strokes make sense for the fluid transition from one letter to the next when writing with ink. When scratching into burned clay, they, like all curves and bends, re­quire an unreasonable as well as unnecessary ef­fort. This means that the scribe of the Dürrnberg tablet, who – to judge by the regularity of the incisions – seems to have had experience in scratching graffiti on­to pottery, used the letter shapes of late antique book writing, not those typically encountered on ordinary instrumenta domes­tica. I cannot say what the palaeo­graphic significance of this observation is.

Ill. 2: The inscription on the Dürrnberg tablet

I do not claim that the following reading and interpretation represent the final word on this in­scrip­tion, but what follows is an internally coherent analysis and the most probable one under the current circumstances. The inscription can be read †esiu­gieni† (see ill. 2). The fourth sign is some­what uncertain; the­oretically, it could also be l, i.e. †eslugieni†. No palaeo­graphic sup­port could be found for other readings, however. Both readings are linguistically isolated in the epigraphy and philo­logy of antiquity. The analytic approach must therefore be deductive: a priori, the lan­guage of a text written in the Roman alphabet in the late-antique western part of the Roman Empire should be assumed to be Latin. Since neither reading is even faintly re­miniscent of a known Latin word, however, the next best assump­tion is that the text contains a Latinised personal name from another langu­age. Under this assumption, the final -i finds a na­tural interpretation as genitive singular of a male name. In a late-antique in­scription, influence from Vulgar Latin or Early Romance phonology may also be expected. All these con­side­ra­tions taken together lead to forms which can be best explained with recourse to Celtic anthro­po­nomy. In the case of esiugieni, which is the more likely reading, the name is reminiscent of the Gaul­ish personal name Esugeno (dat.). The name can be translated as ‘conceived by (the god) (A)Esus’ (once attested in Tullum, prov. Belgica, modern Toul; CIL 13, 4674). This analysis implies that the short e of the third syllable was accented (contrary to the rules of Latin ac­ centuation) and had been subjected to the Vulgar Latin diphthongisation rule e > ie (Lausberg 1969: 156 – 157). This change oc­cur­red in the 3rd or 4th centuries a.d., the period from which the Dürrnberg inscription probably dates. I have no explanation for the sequence iu in the second syllable where simple u would be ex­pected, however. Personal names containing the

element (a)esu-, probably identical with the Celtic theonym (A)esus (for the evidence for this ancient Celtic god see Hofeneder 2008, in particular pp. 321–323), are attested in great num­ber from Britain over the Bel­gian, Gaulish and Germanic provinces to Noricum.The use of the theo­phoric personal name (A)Esugenos* in a late-antique Christian context is surprising, but the meaning of the name may have been forgotten or dimly remembered at this time (it should be noted that the synchronic, pragmatic meaning of a name is prac­ti­cally always inde­pendent of the diachronic and etymological meanings of its constituent parts). If the text is to be read as eslugieni, the initial vowel could be the prothetic vowel i-/e- which appears in Vulgar Latin by the 2nd century a.d. before word-initial clusters of s + consonant (Lausberg 1967: 26–28). The - could be the Late Gaulish descendant of the u = /u/ Proto-Celtic diphthong *ou. In that manner, the Proto-Celtic construct *slougiios can be extracted as the derivational core of the name, to which the Latin onomastic suffix -enus has been added. *Slougiios can be analysed as a derived adjective of Proto-Celtic *slougos ‘re­ti­nue, army, troop’ (cp. Gaul. Catuslougi ‘battle-hosts’, OIr. slúag ‘host’, MW llu ‘host’).While being morphologically acceptable, there is a semantic catch to this explanation: *slougos ‘retinue, army, troop’ is not other­ wise attested in Celtic anthrop­ono­my. Whichever solution one prefers, the Celtic character of the name comes as a surprise. Celtic personal names, mostly those of women, disappear and reappear cyclically at the interval of a few generations in the epigraphic record of Noricum. This fashion seems to have persisted until the end of the Severan period (235 a.d.). After that, local names become very rare (pers. comm. Ingrid Weber-Hiden). This situation is different from that which obtained in neigh­bouring Pannonia where the ver­nac­ular naming tradition dies out in the 2nd century (thus Ingrid Weber-Hiden; slightly dif­fer­ent­ly Meid 2005: 327–330). How­ever, the lack of evidence could also be the result of the sharp decline in the pro­duc­tion of in­scriptions from the middle of the 3rd cen­tury onwards, itself a consequence of the eco­nomic decline of that period. The small overall number of inscrip­tions from after that date there­fore does not really allow one to make reliable inferences about the relative dis­tribution of Roman vs. vernac-

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ular names (pers. comm. Ingrid Weber-Hiden). It is quite pos­sible that in remote or unaccessible areas, as the Dürrnberg may have been, ver­nacular naming traditions sur­vived longer than in regions that were better connected with Ro­manised centres. However, the sur­vival of Celtic naming tra­di­tions into the 4th century does not say anything about the sur­vival of Celtic lan­guages at the same time. Naming fashions are not intrinsically connected with the fates of lan­guages. Fur­thermore, it must be remembered that both suggested inter­pre­tations of the Dürrn­berg tablet suggest Celtic names that have undergone Vulgar Latin sound changes. When the excavators and previous commentators put the tablet into a Celtic context (however vaguely de­fined), this ascription was a construct based on the archaeological context and on the place of discovery, Dürrnberg. It ignored the crosses framing the text and the fact that the colour of the object differs significantly from the ordinary La Tène pottery found on the Dürrn­berg. The possibility had not been considered that an object from a younger phase had slipped into a La Tène stratum by accident (cp. Krämer 1984: 294). This was actually the case with other medi­eval and early modern objects at the same excavation (pers. comm. Bruno Reiterer). But while it seems that obviously ana­ chronis­tic objects were immediately sorted out from the complex and were later forgotten, this was not the case with the ochre tablet whose chronological foreignness was not immediately recog­nised. This matter demonstrates that no conclu­sions, let alone far-ranging ones, should be drawn from inscriptions until a plausible palaeographic analysis (which admittedly was very difficult for this text), a co­her­ent reading and a linguistic analysis have been made. It was a far-rang­ing conclusion to place the tablet in the context of longdistance cultural contacts of the an­ci­ent Dürrnbergers and to argue for the use of writing in the early salt trade. Literacy has various im­plications, e.g. that its use in trade rela­tionships makes sense only when several participants in the trade rely on written documen­ta­ tion. However, if it were as old as alleged, the Dürrn­berg tablet would be com­plet­ely isolated in time and space – contrary to the im­pli­ca­tional expec­tations. The Dürrn­berg tablet is not evidence for writing by Celts in the northern Alpine region in the La Tène

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period. Never­theless, a Celtic interpretation of the inscription has come in through the back door.The new tentative as­crip­tion of the text of the tablet to a Celtic cultural back­ground is derived from a thorough textual analysis, not from external, circum­stantial evidence as with the previous interpretations. At the same time, this interpretation throws up new questions and creates new problems. First, I would not have expected a vernacular non-Latin name to show up as late as the 4th century A.D. in this region. Second, unless my inter­pre­ta­tion is invalidated by another study, the usual his­tor­ical and linguistic picture of the early and thorough romanisation of the pro­vince of Noricum may need revision. And finally, the local history of the Dürrnberg and Hall­ein will need revision because it has been a doctrine so far that the prehistoric settlement on the Dürrnberg and the local mining for salt ended with the annexation of the kingdom of Nori­cum to the Roman Empire under the Emperor Augus­tus. The present object may indicate that the occupation of the site continued on at least into late antiquity, and previous datings of other objects may require revision in this light. 2.  Rudolf Eggers’s so-called ‘Noric’ inscriptions on a plate from the Magdalensberg In my contribution to the 3rd Linzer Eisenzeitgespräche, I argued that a series of short graffiti found in or near the Magdalensberg in Carinthia which were regarded by Rudolf Egger as forming part of a corpus of texts written in a spec­i­fically ‘Noric’ alphabet must actually be regarded as a figment of the excavator’s imagination (Stifter 2009: 363–367). Instead, these short texts that usually consist of not more than a single character are either part of the Roman li­ter­ate culture or should be regarded as para-literate, i.e. the attempt of non-literate people to imi­t­ate writing. This judgement still holds true in its original formulation. Regarding the only long text in the collection (‘long’ in a very relative meaning of the word), i.e. the fragment of a terra-sigillata plate with two graffiti of four and seven characters (Egger 1959: 135–139; 1968), I poin­ ted out that the letters do not belong to a recognised family of alphabets, that they are clumsily exe­cu­ted, and that the inscription is isolated – all matters which

Ill. 3: A section of the plate from the Magdalensberg

Ill. 4: Detail of a notch Ill. 5: Detail of a notch

count against the inscription’s ­authenticity. While the epigraphic and palaeo­graphic evidence was clearly indicative of a fake, I lacked a material proof then that was less based on subjective interpretation and evaluation. I have this now. During a vi­sit to the Mag­dalensberg in August 2010, Eleni Schindler-Kaudelka drew my attention to two sections on the broken plate where hastae of the letters had been drawn beyond the mar­gin of the surface. If the graffiti were old and original, the scratches would be expected to thin out where the sur­ face of the terra sigillata had broken away, but for a tiny length the grooves con­tinue deep into the rough surface of the breakline, ending in distinct notches (see ills. 3–5). This is only possible if the graffiti had been scratched into the plate after it had been broken. Given that it would seem rather pointless to writ­e possessor marks on a broken plate, com­bined with all the other, previously-noted oddities concerning the inscrip­tion, it must be concluded that the graffiti were scratched into the plate not in anti­quity, but in modern times. It remains therefore my conviction that Rudolf Egger’s ‘Noric’ inscription on the frag­ment of a terra-sigillata plate from the Magda­lens­berg is a fake, perhaps part of a practical joke played on him by some members of his excavation team in 1957.

This is not the first time that such a thing had happened to Egger. More than thirty years previously, one of the lay workers excavating a Celtic hill-top settlement on the Maria Saa­ler­berg in Carinthia, a man called Herwig Merzinger, the member of an ­Alpine ranger regiment that had been dispatched to assist in the excavations, had plant­ed a faked bone awl into which a sequence of random runic letters had been incised. Egger took the authen­ticity of the piece for granted and understood the text, which he read as xsetoš, as the name of the al­leged pre­historic proprietor of the awl (Egger 1927: 1–2).The inscription received a lot of attention from runologists over the following years, for if authentic, the Maria Saalerberg inscription would have been the earliest known runic text (see Mees 2000). Ultimately, the affair was not resolved be­cause of any scholarly doubts concerning the authenticity of the nonsensical in­scrip­tion, but because pangs of con­science started to tor­ment the falsifier and even­tually made him confess his deed at the Landes­archiv (provincial archive) of Carin­thia (Pittioni 1937 and Gangl 1937; the story is presented in a slightly more favourable light in Egger 1936: 88–89; 91). In any case, Egger was part of a tradition in which faked inscriptions were a means of playing prac­tical jokes on

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archaeologists. This – and not an autochthonous ancient writing tradition – is the cultural context of the Magdalensberg plate. It was a well-known trait of his character that Rudolf Egger wanted to discover unusual inscriptions, so some of his students evidently did him the favour. He was too ready to discover a local Celtic writing system of his own to be restrained by a sober assessment of the facts. Mutatis mutandis, everybody working in historical philology or adjacent fields may run the risk of stepping into comparable pitfalls. When working with texts like inscriptions, which by their very nature are difficult and problematic, it is imperative to approach the material with the utmost caution and reservation lest one fall victim to one’s subconscious desires for ex­cit­ing and sellable research results. Until a plausible

and consistent palaeographic analysis, a co­herent reading and a consistent linguistic analysis have been made, conclusions, let alone far-reaching ones, should not be drawn from single inscriptions. The facts must be assessed care­fully, and the results must be presented cautiously. As soon as opinions have entered the dis­course – or even opinion-free phrases and expressions which may have been thrown onto the aca­de­mic stage only to inflate an other­wise thin material report –, they can develop lives of their own, lives that draw their substance from the uncritical acceptance of received histo­ rio­graphy, when instead the challenge is always to form opinions of their own, based on the in­spection and reevaluation of the facts. These established opinions or false canons are the interpretative brambles in which we may find ourselves entangled.

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Herodot, die Kelten und statistische Begriffsanalysen – Überlegungen zu einem interdisziplinärem Datenbankprojekt1 Holger Müller

Zusammenfassung Forschungsgebiete müssen definiert werden. Dies gilt auch für die Keltologie, in deren Bereich es aufgrund ihrer Interdisziplinarität eine große Zahl einander teilweise widersprechender Definitionen gibt. Die Geschichtswissenschaften können eine historisch-geographische Definition zur Diskussion beisteuern, die auf antiken historischen Nachrichten beruht. Diese Definition zu verifizieren erfordert eine konzeptuell-analytische Untersuchung der Quellen. Es scheint jedoch so als ob die verfügbaren Werkzeuge für eine derartige Bestimmung unzureichend sind, weil es keine interdisziplinären und epochenabdeckenden Datenbanken gibt. Dieser Beitrag fasst daher die Probleme mit den bestehenden Volltextdatenbanken zusammen und macht Vorschläge für eine keltologische Metadatenbank. Abstract Fields of research must be defined.This is also valid for Celtic Studies and there is a huge number of partly conflicting definitions because of the interdisciplinarity of this field. The science of history can contribute a geographic-historical definition to the discussion based on the antique sources.To verify this definition it requires a concept-analytic investigation of these sources. However, it has appeared that the available tools are insufficient for such work, because there are no interdisciplinary and epoch-covering databases. Hence, this paper summarises the basic problems of the existing full text databases. Furthermore possible attempts for a celtic-studies-metadatabase will be indicated.

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Keltologie im 21. Jahrhundert Dass die Keltologie ein relativ altes Forschungsfeld ist, braucht an dieser Stelle kaum betont werden. Die Grundlage der Disziplin lieferte bekanntermaßen George Buchanan (1506–1582) durch sein Werk Rerum Scoticarum Historia (dazu Collis 2006: 34–44), wobei sich das eigentliche Fach seit dem 18. Jahrhundert bildete (siehe Heinz 2005; zur Forschungsgeschichte siehe u.a. Bittel 1981: 21–44). Und wie jeder Wissenschaftler muss auch der Keltologe sein Forschungsfeld definieren. Erschwerend hinzu kommt die Interdisziplinarität des Faches, welches für den Außenstehenden wie ein Tummelplatz von Sprachwissenschaftlern und Archäologen aussieht. Diese Wissenschaften bemühen sich darum, die Grenzen des Faches zu definieren. Durch gesteigerten Erkenntnisgewinn verschieben sich die Grenzen der unterschiedlichen Definitionen immer weiter und die Schnittflächen der Definitionsbereiche werden anscheinend immer geringer. Mit dieser Problematik setzten sich mehrere Vorträge der Tagung auseinander, so dass hier nur auf die entsprechenden Beiträge verwiesen werden soll (siehe Beiträge von John Collis und Raimund Karl in diesem Band). Es stellt sich somit die Frage inwieweit man noch mit gutem Gewissen von „den Kelten“ sprechen kann, unterscheidet sich doch die sprachwissenschaftliche Definition gravierend von der archäologischen. Neben linguistischen und archäologischen Definitionen finden sich noch ethnologische, anthropologische und kunsthistorische Definitionsversuche. Durch diese Definitionen und die Versuche der einzelnen Fachwissenschaften und Fachwissenschaftler, die Alleinstellungsmerkmale der einzelnen Disziplinen hervorzuheben, wird das Forschungsgebiet „Keltologie“ immer nebulöser und läuft Gefahr, vollends in esoterische Hände zu fallen. Dabei erscheint es nicht notwendig, dass alle mit keltologischen Themen befassten Fächer eine allgemein akzeptierte Definition finden, solange sich eine gemeinsame, wie auch immer geartete Schnittmenge finden lässt. Eine historisch-geographische Definition, oder: Was Herodot über die Kelten wusste. ÖIstrow te går potamÚw érjãmenow §k Keltvn ˜ ka‹ PurÆnhw pÒliow =°ei m°shn sx¤zvn tØn EÈr≈phn.

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o d¢ Kelto¤ esi ¶jv ÑHrakl°vn Sthl°vn, ımour°ousi d¢ Kunhs€oisi, o„ ¶sxatoi prÚw dusm°vn ˜ §n t˙˜ EÈr≈p˙ katoikhm°nvn): ok°ousi tvn - ãlassan r°vn Ñ teleut&˜ d¢ ı ÖIstrow §w 0 tØn tou˜ EÈje¤nou pÒntou diå pãshw EÈr≈phw, t˙˜ ÉIstr¤hn o Milhs¤vn ok°ousi ¶poikoi. (Hdt. 2, 33) Denn der Fluss Istros beginnt bei den Kelten und der Stadt Pyrene und fließt mitten durch Europa. Aber die Kelten wohnen außerhalb der Säulen des Herakles und sind benachbart mit den Kynesiern, die am weitesten im Westen von allen Europäern wohnen. Dieses Herodotzitat stellt neben einigen Stellen bei Hekataios von Milet die früheste Erwähnung keltischer Völker in den antiken Quellen dar (Hekat., FGrHist 1, F 18a; F 54; F 55; F 56. Dazu Botheroyd, Botheroyd 2001: 14; Fischer 1981: 46.)2. Doch leider wird sie für einige meines Erachtens nicht haltbare Schlussfolgerungen herangezogen. So wird anhand dieser Quellenstelle versucht, die Stadt Pyrene zu lokalisieren oder, da dies nicht möglich ist, werden die geographischen Kenntnisse Herodots bestritten und in diesem Zusammenhang das Wissen des Autoren über die Kelten hinterfragt. Doch liefert diese Quelle in keiner Weise Informationen zu einem „keltischen“ Volk. Denn in ihr benutzt der Autor die Bezeichnung Keltoi einzig als geographische Lokalisierung der Donauquelle – meinetwegen auch der Stadt Pyrene, aber auf diese geht Herodot nicht weiter ein –, aber um „Kelten“ geht es hier nicht. Die Donauquellen liegen, und das will uns der Autor mitteilen, irgendwo im Nordwesten (siehe auch Hdt. 4, 49, 3; Strab 11, 6, 1; dazu Malitz 1983: 201). Gestützt wird diese These durch die rekonstruierte Weltkarte des Eratosthenes (FGrHist 70 F3. Zu Eratosthenes siehe Geus 2002; zu seiner Gevgrafikã speziell 260–288) und des Hekataios (rekonstruierte Weltkarten finden sich bei Olshausen, Szydlak, Wittke 2007: 4. 1, Karte A; zur Karte des Eratosthenes siehe dies., 5, Karte C). Hier erkennt man, dass der zu dieser Zeit weitgehend unbekannte Norden eingeteilt wird in ein Gebiet, wo im Westen Kelten und im Osten Skythen leben. Diese historischgeographische Definition Herodots erleichtert es dem Historiker an sich, sich mit „Kelten“ zu beschäftigen, werden sie doch in den antiken Quellen als Keltoi

oder Celti erwähnt. Erst Caesar präzisiert die geographische Definition, indem er die Germanen ins Spiel bringt, den Rhein als Grenze zwischen Kelten und Germanen definiert und die von ihm als Gallii bezeichneten Kelten weiter differenziert (Caes. Gall. 1, 1, 3. Dazu Dobesch 2001: 455). Historisch gesehen kann man also festhalten, dass man mit gutem Gewissen von „Kelten“ sprechen kann – die antiken Quellen tun dies schließlich auch. Was in der Antike allerdings unter Keltoi bzw. Celti verstanden wurde, muss eingehender untersucht werden. Analyse antiker Bezeichnungen, oder: Möglichkeiten und Grenzen existierender Text-/Quellendatenbanken Die historisch-keltologische Forschung steht bekanntermaßen vor dem Problem, dass die meisten Informationen zu den in der Moderne gemeinhin als Kelten bezeichneten Völkerschaften zumeist aus der Feder griechisch-lateinischer Autoren stammen. Als offensichtliche Sammelbezeichnung werden hier Begriffe wie Keltoi, Galãthw, Celti oder Galli genannt. Dass sich bereits die antiken Autoren Gedanken über die Begriffe gemacht haben, zeigt eine Stelle bei Pausanias, in der der Autor der Frage nachgeht, welche dieser Bezeichnung die ältere ist. So schreibt Pausanias: - ai Galãtaw §jen¤khsen˚ Ùc¢ d° pote aÈtoÁw kale i˜s0 ˜ tÚ érxa˜ion ka‹ parå to˜iw Kelto‹ går katã te sfaw êlloiw »nomãzonto.  (Paus. 1, 4, 1)

Später aber erst kam es dazu, dass man sie Galater nannte: denn sie nannten sich selbst in alter Zeit, und auch die anderen Völker nannten sie Kelten. Allein an dieser Textstelle lassen sich eine Vielzahl von Fragen zu den in der Antike als Kelto¤ oder Galãthw bezeichneten Völkern stellen: 1. Seit wann existiert eine neue Bezeichnung? 2. Wer hat diese neue Bezeichnung eingeführt? 3. Warum wurde die neue Bezeichnung eingeführt? Allgemeiner formuliert lauten die möglichen Fragen an die zu untersuchenden Begriffe:

1. Wie oft taucht welcher Begriff in den auswert­ baren Quellen auf? 2. Welcher Autor benutzt welchen Begriff? 3. Gibt es eine zeitliche Veränderung in der Begriffsbenutzung? 4. Gibt es eine räumliche Komponente in der Begriffsbenutzung? 5. Gibt es eine situative Komponente in der Begriffsbenutzung? 6. Welche „Entwicklung“ haben die Begriffe in den mittelalterlichen Quellen genommen? Grundlage für eine mögliche Beantwortung dieser Fragestellungen ist die Erstellung einer statistisch auswertbaren Materialgrundlage. Aus dieser lassen sich ­naturgemäß, zumindest bei entsprechender Aufarbeitung der Daten, weitere Fragestellungen generieren. Eine mögliche Fragestellung wäre zum Beispiel die Verwendung bestimmter Begriffe bei Autoren mit keltischer Herkunft. Haben diese bestimmte Bezeichnungen vielleicht weniger oft oder gar nicht benutzt? Letztendlich könnte auch die oft gestellte, meiner Meinung nach aber nicht zu beantwortende Frage aufgeworfen werden, wer die Kelten, zumindest als Bezeichnung, „erfunden“ hat und zu welcher Zeit dies geschehen ist. Obwohl viele dieser möglichen Fragen in den Jahrzehnten keltologischer Forschung bereits gestellt wurden, fehlt eine umfangreiche statistische Untersuchung des Materials. Erst durch die Onlinepublikation eines Großteils des antiken Quellenbestands in den letzten Jahren lässt sich diese Lücke zumindest teilweise schließen.Allerdings bringen diese neuen Recherchemöglichkeiten auch neue Probleme mit sich, wie im Folgenden gezeigt werden wird. Die Datengrundlage für eine solche Untersuchung scheinen die durchsuchbaren Online-Quelldatenbanken wie der Thesaurus Linguae Graecae (TLG; URL: http://www.tlg.uci.edu/; Stand: 06.01.2011) oder die Library of Latin Texts (LLT; URL: http://clt. brepolis.net.proxy.nationallizenzen.de/llta/Default. aspx; Stand: 06.01.2011)3 zu bieten.Weiterhin können diverse epigraphische Datenbanken abgefragt werde, wie zum Beispiel diejenigen in Eichstätt (URL: http:// oracle-vm.ku-eichstaett.de:8888/epigr/epigraphik_ de; Stand: 06.01.2011) und Heidelberg (URL: http:// www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/adw/edh/

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index.html.de; Stand: 06.01.2011), sowie die des Packard Humanities Institute (URL: http://epigraphy. packhum.org/inscriptions/; Stand: 06.01.2011).4 Allerdings sind mit der Abfrage der vorhandenen epigraphischen Datenbanken einige Probleme verbunden. So sind sie in keiner Weise so vollständig, wie zu wünschen wäre. Neufunde freuen zwar die Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen, sind allerdings für die Erstellung einer systematisch-thematischen Datenbank und daraus resultierenden statistischen Abfragen kontraproduktiv. Doch eine Diskussion über eine sinnvolle Vereinigung des antiken epigraphischen Materials in eine einheitliche Datenbank kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Dass das papyrologische Material ebenfalls in keiner für die Keltologie befriedigenden Weise in eine Onlinedatenbank überführt wurde, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.5 Andererseits ist dieses Material auch noch nicht ausreichend gesichtet. Auf Grund genau dieser Probleme mit den zur Verfügung stehenden Datenbanken erscheint es sinnvoll sich zuerst auf das literarische Quellenmaterial zu konzentrieren. Dass diese Untersuchung bislang aus verschiedenen Gründen zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hat, sei an dieser Stelle vorweggenommen, doch sollen in der Folge einige statistische Probleme aufgezeigt werden und ein Grundkonzept für eine sinnvolle keltologische Datenbank unterbreitet werden. Vor allem für die TLG- und LLT-Datenbank muss darauf hingewiesen werden, dass hiermit nicht nur genuin antikes Quellenmaterial durchsucht wird, sondern auch byzantinische bzw. mittelalterliche Autoren mit einbezogen sind. Eine begriffsanalytische Untersuchung hat, wie jede andere Untersuchung auch, einige methodische Probleme, auf die hingewiesen werden muss. Denn eine statistische Untersuchung ist nur so gut, wie das ihr zugrunde liegende Material. Das Hauptproblem beim antiken Quellenmaterial ist die Überlieferung. Eine Vielzahl von Texten römischer und griechischer Autoren ist verloren gegangen, andere sind nur in Exzerpten und Zitaten erhalten. Die­ se Zitate selbst sind aber mit Vorsicht zu beachten, existieren doch keinerlei Informationen darüber, wie wörtlich ein herangezogener Autor überhaupt ­zitiert wurde.Vor allem ein Wechsel der Überlieferungsspra-

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che birgt hierbei nicht zu kalkulierende Gefahren. Ebenfalls verfälschend für eine Statistik bzw. die ­damit zusammenhängenden Überlegungen sind Autoren, die ein und denselben Begriff mehrfach in einem Satz bzw. Sinnzusammenhang benutzen. Denn dass dies mit derselben Intention geschieht, kann vorausgesetzt werden, für eine statistische Überlegung bedeutet dies aber zugleich eine Vermehrung der statistisch relevanten Fundstellen. Daher dürfen Funde innerhalb zusammenhängender Texteinheiten (also Sätzen oder Kapiteln) nur einfach gezählt werden. Hierbei muss man sich allerdings bewusst sein, dass dies keine optimale, sondern allenfalls eine pragmatische Lösung darstellt. Optimal wäre eine Zählung nach Sinnzusammenhängen, doch lässt sich dies nur realisieren, wenn man alle Textstellen genau überprüft, was mithilfe der existierenden Datenbanken nicht möglich ist. Wie oft taucht welcher Begriff in den antiken Quellen auf? Anhand der Sammelbezeichnungen Keltoi, Galãthw, Celti und Galli werden nun allgemeine Probleme verdeutlicht. Dass die Materialfülle stark ansteigt, wenn man alle Einzelvolkbezeichnungen wie Stammesnamen oder Personennamen in eine solche Abfrage mit einbezieht, bedarf hierbei keiner ausführlichen Erklärung. Allein die Untersuchung der Sammelbezeichnun­ gen hat einige auffällige Ergebnisse gebracht. So wird die Bezeichnung Galãthw von insgesamt 227 Autoren 1907mal benutzt, wobei festzuhalten ist, dass ein Großteil dieser Stellen auf nachchristliche Autoren entfallen, so dass sich der Sinnzusammenhang zumeist auf die Galaterbriefe des Paulus bezieht und nicht auf keltologisch relevante Inhalte. Den Begriff Keltoi findet man 1398mal bei 152 griechischen Autoren. Eine stichpunktartige Betrachtung dieses Materials ergibt, dass vor allem die byzantinischen Kirchenhistoriker und -väter einer genaueren Betrachtung wert zu sein scheinen. Bei den lateinisch schreibenden Autoren sieht das Verhältnis wie folgt aus: Die Bezeichnung Celti, auch inVerbindung mit anderen ethnischen Bezeichnungen, kommt in den Quellen 308mal bei 61 Autoren vor. Demgegenüber stehen insgesamt 6026 Fundstellen für

die Bezeichnung Galli. Doch diese Zahlen – es sei erneut darauf hingewiesen, dass Namen und Stammesbezeichnungen in den ca. 9000 Belegstellen bislang nicht aufgeführt sind – zeigen eins deutlich: Das verfügbare Quellenmaterial zu den keltischen Völkern ist noch bei weitem nicht erschöpfend bearbeitet worden. Moderne Recherchehilfsmittel ermöglichen einen neuen umfangreicheren und – zumindest im Verhältnis zur Quantität – schnelleren Zugang zum Material. Aufgrund fehlender, speziell auf keltologische Fragestellungen zugeschnittener Quelldatenbanken, ist aber eine Bereinigung der Ergebnisse notwendig und zum Teil zeitaufwändig. Nicht viel anders sieht es mit dem epigraphischen Material aus. Doch beginnen hier die Probleme bereits bei den zur Verfügung stehenden Datenbanken. Sie sind alles andere als homogen. Zum einen ist die Zitation von Inschriften nicht eindeutig, sondern richtet sich nach verschiedenen Corpora, zum anderen ist keine der vorhandenen Datenbanken vollständig. Wenn man also Inschriften in verschiedenen Datenbanken gefunden hat, muss man erst einmal mittels einer Konkordanz herausfinden, welche Inschrift ggf. trotz unterschiedlicher Zitation gleich ist. Recherchiert man in der Datenbank des Packard Humanities Institute, so findet man in dem dort vorhandenen Inschriftenmaterial zum Suchbegriff Keltoi nur 17 Inschriften, von denen 8 im westlichen Mittelmeergebiet zu verorten sind. Die Bezeichnung Galãthw erscheint in immerhin 296 Inschriften, wobei die räumliche Verteilung keine großen Überraschungen in sich birgt. Hauptfundregion ist Klein­ asien mit 135 Treffern, gefolgt von Griechenland mit 76 Treffern. Bei den recherchierbaren lateinischen Inschriften der Eichstätter epigraphischen Datenbank (URL: http:// oracle-vm.ku-eichstaett.de:8888/epigr/epigraphik_ de; Stand: 06.01.2011) finden sich insgesamt 146 Inschriften für den Begriff Celti. Diese lassen sich zumindest nicht mittels der „Bordmittel“ der Datenbank bestimmten Regionen zuordnen. Auffällig beim ersten Überfliegen der Inschriften ist allerdings eine in Mauretanien gefundene Inschrift (AE 1926, 00023), für die es aber verschiedene Interpretationsmöglichkeiten gerade beim gesuchten Begriff gibt.Vermutlich handelt es sich hier um eine Fehllesung oder – was

wahrscheinlicher ist – um einen Namen, der wohl in keinem direkten Zusammenhang mit Kelten zu sehen ist. Inschriften mit dem Begriff Galli* finden sich 1019mal. Aber auch hier muss leider wieder auf die Schwächen der Datenbank hingewiesen werden. Denn die Suchmöglichkeiten sind nicht so komplex, dass man mehrere mögliche Fehler ausschließen kann. Daher tauchen bei diesen Ergebnissen noch eine Vielzahl von Eigennamen (Gallienus, Gallicanus) auf. Begriff

Datenbank

Fund­stellen

Anzahl der Autoren

Galãtaw

TLG

1907

227

Keltoi

TLG

1398

152

Celt(i)

LLT

308

61

Galli*

LLT

6026

nicht überprüft

Keltoi

PHI

17

-

Galãtaw

PHI

296

-

Celt(i)

EDBE

146

-

Galli*

EDBE

1019

-

Tabelle 1

Bei all diesen Untersuchungen fällt auf, dass das numismatische Material, welches für eine Beschäftigung mit keltischen Stämmen ebenfalls von großer Bedeutung ist, in keiner allen wissenschaftlichen Fragestellungen entsprechenden Form vorliegt. Zwar gibt es mit dem Oxford Celtic Coin Index (URL: http://finds.org. uk/CCI/; Stand: 06.01.2011) eine gute Datenbank zur keltischen Numismatik, die auch komplexe Suchen ermöglicht, doch auch bei dieser Datenbank sind schnell Schwächen, entweder beim aufgenommenen Material oder der Indizierung der Suchbegriffe, aufgefallen. So sind die Münzen, die gemeinhin Dumnorix und Vercingetorix zugesprochen werden, in dieser ­Datenbank nicht über die Namen zu finden. Allgemein ist auch hier die Suche bei den Avers- und Revers-Inschriften verbesserungswürdig, kann man hier doch nur indirekt mit Wildcards arbeiten, doch zeigt diese Datenbank den Weg auf, der eingeschlagen werden muss. Was kann man nun mit diesen Zahlen anfangen (siehe hierzu Tabelle 1)? Zuerst einmal fällt auf, dass die Bezeichnungen Celti bzw. Keltoi in den Quellen re-

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lativ selten vertreten ist, vor allem beim epigraphischen Material, welches naturgemäß als relativ authentisch angesehen wird. Grundlage für eine Erklärung bieten die Beiträge von John Collis und Raimund Karl (beide in diesem Band) in denen verschiedene Definitionsmöglichkeiten für „Kelten“ genannt wurden. Genannt werden linguistische, archäologische, ethnologische, anthropologische und kunsthistorische Definitionen. Wie bereits oben gezeigt, kann man für die Antike eine geographische Definition dieser ­Liste hinzufügen. In diesem Zusammenhang wird des öfteren von einem Lable besprochen. Diese Vorstellung passt hervorragend zur Begriffsbenutzung vor allem der antiken Griechen. Dies zeigt die oben aufgeführte ­Herodotstelle deutlich (Hdt. 2, 33). Man kann vermuten, dass sich dies auch bei den griechischen Inschriften widerspiegelt. Sobald diese an sich unbekannten „Kelten“ sich einer genaueren Betrachtung für würdig erwiesen haben, bekamen sie auch genauere Namen, wie zum Beispiel Galãthw. Zur Konzeption einer interdisziplinären Keltologie-Datenbank (AAMDB6) Grundlage einer wirklich effektiven Forschungsarbeit zu einem komplexen Thema, wie es die Beschäftigung mit den Kelten ist, muss eine umfassende Datenbank sein, die ein kategorisiertes Quellenmaterial enthält. Diese sollte neben üblichen thematischen Schlagworten auch eine Volltextsuche ermöglichen. Grund­lage hierfür könnten einerseits die bereits vorhandenen thematischen Quellensammlungen sein, zum andern die oben genannten Datenbanken, wenn sie mittels Schnittstellen mit der neuen Datenbank kombiniert werden. Dass dies im Grunde möglich ist, zeigt das Papyrologie-Projekt Trismegistos (URL: http://www. trismegistos.org/; Stand 06.01.2011).7 Grundlage dieser Datenbank ist eine File­maker­daten­bank. Diese Software hat mehrere Vorteile. Sie ist einerseits auch für Anfänger leicht zu bedienen, aber ansonsten – natürlich abhängig von der Hardware des Rechners – nahezu unbegrenzt erweiterbar.Weiterhin lassen sich diverse Schnittstellen zu anderen Datenbanken programmieren. Wenn man nun noch ein Geographisches Informationssystem und eines der diversen Text­analysetools mit einer solchen Datenbank koppelt, hätte man ein

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hervorragendes Arbeitshilfsmittel. Für eine übergreifende und effektive Untersuchung und Betrachtung eines wie auch immer gearteten „Begriffs“ ist ein solches Hilfsmittel unabdingbar. Grundlage für ein ähnliches, aber eben keltologisch orientiertes Projekt wären verschiedene thematische Einzeldatenbanken, die in einer Metadatenbank zusammengeführt werden. Durch diese könnte das nicht zusammenhängende Quellenmaterial gesammelt und kategorisiert werden. Fazit Auch im 21. Jahrhundert hat die Keltologie eine ­Daseinsberechtigung. Doch muss der Keltologe über den Rand seiner Spezialwissenschaft hinausblicken, da eindimensionale Fragestellungen zu einer Zersplitterung des Faches führen und damit die Keltologie in eine Abseitsposition manövrieren. Auch wenn es aus der Perspektive einiger Fachwissenschaften so scheint als ob „die Kelten“ als solche nicht (mehr) fassbar sind, muss man sich mit ihnen beschäftigen. Denn als Bezeichnung tauchen sie in den antiken Quellen auf, auch wenn sie hier nicht klar definiert werden. Doch hat die Tagung in Hallein gezeigt, dass diese Definitionsschwierigkeiten alle mit der Keltologie beschäftigten Fächer betreffen. Was aber wissenschaftlich als Definitionsschwierigkeit zu sehen ist, wird populärwissenschaftlich und esoterisch zu etwas Geheimnisvollem und damit Interessantem. Ein Rückzug der verschiedenen Wissenschaften aus der Keltologie – aus welchen Gründen auch immer – wird aber nicht bedeuten, dass keine „keltologischen“ Untersuchungen mehr durchgeführt werden, diese liegen dann aber in der Hand von fachlichen Laien. Dies kann aber nicht im Interesse der keltologischen Fachwissenschaftler sein, die ihre Ergebnisse weiterhin unter dem Lable „Keltologie“ verbreiten und vor allem auch der breiten Masse verständlich zugänglich machen müssen. Allerdings ist dies nur möglich, wenn auch das den Untersuchungen zu Grunde liegende Material öffentlich zugänglich ist, da hierdurch das Verständnis für die Grundlagen verbessert wird. Letztendlich ist dies nur durch Datenbanken möglich, wobei eine Einheitlichkeit der Materialaufarbeitung gewährleistet werden muss.

Anmerkungen

Literatur

1 Dieser Aufsatz basiert auf den Überlegungen zum Vortrag „Statistische Überlegungen zur Fremdbezeichnung keltischer Bevölkerungsgruppen in antiken Quellen“, den Erfahrungen der Tagung „Interpretierte Eisenzeiten 4“, sowie den entsprechenden Diskussionen. Den Herausgebern sei an dieser Stelle gedankt, dass sie diesen nur peripher mit dem eigentlichen Vortrag in Verbindung stehenden Aufsatz veröffentlichen. 2 Die betreffenden Textstellen sind einzig als Zitate bekannt. Fischer 1986: 212; Tomaschitz 2002: 15–16. Einen indirekten Nachweis für eine frühe Erwähnung sieht Schmid in der Ora Maritima des Festus Rufus Avienus (dazu Schmidt 1986: 15). Zu Avienus selbst siehe Hofeneder 2005: 16 –17 mit Anm. 24–33; Tomaschitz 2002: 21 mit Anm. 58. 3 Diese URL ist nur nach vorheriger Anmeldung erreichbar. 4 Einen Überblick zu epigraphischen Datenbanken findet man unter: URL: http://www.altertumswissenschaften.de/ altertumswissenschaften/links/epigraphik/index.php (Stand: 06.01.2011). 5 Ein Überblick über papyrologische Datenbanken findet man hier:URL:http://www.altertumswissenschaften.de/altertums­ wissenschaften/links/papyrologie/index.php (Stand 06.01.2011). 6 AAMDB = Archäologisch-althistorische Metadatenbank. Dies ist der Arbeitstitel für eine entsprechende Datenbank, die sich aktuell in der Planungsphase befindet. 7 Dieses Projekt wurde zuletzt ausführlich auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV vorgestellt, die im Jahr 2010 in Weiden in der Oberpfalz stattfand.

Bittel, K. (1981), Die Kelten und wir. In: Bittel, K., Kimmig, W., Schiek, S. [Hrsg.], Die Kelten in Baden-Württemberg. Stuttgart: Theiss: 15–44. Botheroyd, S., Botheroyd, P. F. (2001), Kelten. Kreuzlingen – München: Diederichs. Collis, J. (2006), The Celts. Origins, Myths, Inventions. Stroud: Tempus. Dobesch, G. (2001), Caesar als Ethnograph. In: Heftner, H., Tomaschitz, K. [Hrsg.], Gerhard Dobesch. Ausgewählte Schriften, Band 1, Griechen und Römer. Köln [u.a.]: Böhlau: 453–505. Fischer, F. (1981), Die Kelten und ihre Geschichte. In: Bittel, K. [Hrsg.], Die Kelten in Baden-Württemberg. Stuttgart: Theiss: 45–76. Fischer, F. (1986), Die Ethnogenese der Kelten aus der Sicht der Vor- und Frühgeschichte. In: Bernhard, W. [Hrsg.], Ethnogenese europäischer Völker aus der Sicht der Anthropologie und Vor- und Frühgeschichte. Stuttgart: Urban und Fischer: 209–224. Geus, K. (2002), Eratosthenes von Kyrene. Studien zur hellenistischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. München: C.H. Beck. Heinz, S. (2005), Aspekte der ideellen und politischen Wissenschaftsgeschichte, vor allem der deutschsprachigen Keltologie. In: Birkhan, H. [Hrsg.], Bausteine zum Studium der Keltologie. Wien: Praesens: 15–28. Hofeneder, A. (2005), Geschichte der Kelten im Altertum. In: Birkhan, H. [Hrsg.], Bausteine zum Studium der Keltologie. Wien: Praesens: 151–160. Malitz, J. (1983), Die Historien des Poseidonios. München: Beck. Olshausen, E., Szydlak, R., Wittke, A.-M. (2007), Historischer Atlas der antiken Welt. Stuttgart: Metzler. Schmidt, K. H. (1986), History and culture of the Celts. Draft plan of a comprehensive survey. In: Ködderitzsch, R., Schmidt, K. H. [Hrsg.], Geschichte und Kultur der Kelten. Heidelberg: Winter: 14–24. Tomaschitz, K. (2002), Die Wanderungen der Kelten in der antiken literarischen Überlieferung. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

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Die Kelten und die weisen Frauen Zur Konvergenz zweier historischer Mythen* Felix Wiedemann

Zusammenfassung Die Vorstellung, keltische „weise Frauen“ hätten einst eine besondere Verehrung genossen und die kollektive Erinnerung an diese sei erst im Zuge der europäischen Hexenverfolgung systematisch verdrängt worden, gehört zu den Allgemeinplätzen der populären und esoterischen Keltenliteratur der Gegenwart. In diesem Sinne nehmen die Kelten auch in Publikationen der neuheidnischen Hexenbewegung als vermeintliche Vorläuferinnen einen zentralen Platz ein. Diese Vorstellung kann freilich als erfundene Tradition und moderner historischer Mythos begriffen werden. Um die Genese und Geschichte dieses Mythos vor dem Hintergrund des kulturellen und politischen Kontextes im 19. und 20. Jahrhundert wird es im Folgenden gehen. Dabei zeigt sich, dass man es hier mit einer Verschmelzung zweier ursprünglich getrennt voneinander entstandener Mythen zu tun hat. So war der Hexenmythos zunächst Bestandteil des konkurrierenden Germanenmythos und hat erst relativ spät Eingang in die Keltenromantik gefunden. Ermöglichst wurde diese Verbindung durch weitgehend identische Zuschreibungen und Repräsentationen sowie durch die Einbettung in ein analoges System symbolischer Kontrastierungen. Abstract The idea that the “wise women” of the ancient Celts would have experienced a lasting estimation and veneration, and that they would have been part of the collective memory until the era of the European witch-hunts, is a commonplace of the popular and esoteric literature. Hence, in the neo-Pagan witch-cult, the Celtic woman plays a vital role and poses as direct ancestress. Perceived as invented traditions and integral parts of a modern historical mythology I want to delineate the genesis and the history of these ideas against the backdrop of the cultural and political contexts of the 19 th and 20 th centuries. In doing so, it becomes clear, that the idea of the Celtic wise women was a result of an amalgamation of two myths that had been invented separately.The wise women actually belonged to the Germanic myth and their connection with the Celts is a relatively new phenomenon. However, there are obvious reasons why the Celts meshed so well with the witches:They were assigned with the same attributes, and both became part of an analogue system of symbolic oppositions.

* Der Beitrag enstand während eines Fellowships der CSG-V („Space and Collective Identities“) des Berliner Exzellenzclusters TOPOI „The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilization“. Für wertvolle Hinweise und eine kritische Durchsicht des Textes danke ich Kerstin P. Hofmann.

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Kelten und Hexen scheinen eines gemein zu haben: Seit mindestens dreißig Jahren wird ihre Wiederkehr beschworen. Für so genannte Neue Hexen und neukeltische Heiden, die an eine vorchristliche religiöse Tradition der Kelten anzuknüpfen vermeinen, beschränken sich die Gemeinsamkeiten indes keineswegs auf ihre parallele Auferstehung am Ende des 20. Jahrhunderts; vielmehr macht man hier tiefergehende historische Überschneidungen und untergründige Verbindungen geltend. So werden die später als Hexen verfolgten „weisen Frauen“ in einer einschlägigen Publikation über die Botschaft der Druiden als „einer der letzten Anker“ der „hoch stehenden heidnischkeltischen Antike“ präsentiert (Böckel 2004: 135). Ein anderer Autor rühmt den „Celtic Fringe“ als Rückzugsgebiet vorchristlicher Priesterinnen; insbesondere Irland erscheint dabei als „Insel der Weisen Frauen“ – bis die Kirche „die Weisen Alten der Kelten“ auch hier weitgehend verdrängt habe (Terhard 1999: 79–107). Anlass zur Hoffnung gibt dem Autor jedoch die Wiederkehr der weisen Frauen im Wicca-Kult (Terhard 1999: 182–214), jener wohl erfolgreichsten neuheidnischen Strömung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich in direkter Tradition zu einem keltischen Hexenkult wähnt. Diese Sichtweise wird in der Regel auch von den Neuen Hexen geteilt; so heißt es in einer entsprechenden Selbstbeschreibung: „Wir sind eine alte Naturreligion, die auf die keltische Urreligion zurückgeht“ (Graichen 1999: 186). Indes genießen die weisen KeltInnen in Archäologie und Keltologie dieselbe zweifelhafte Berühmt­heit wie die weisen Frauen in der historischen Hexenforschung. Beide Topoi durchziehen nicht nur die esoterische, sondern nahezu die gesamte populäre Literatur und – wiewohl selbst ursprünglich aus wissenschaftlichen Kontexten hervorgegangen – scheinen gegen­über der akademischen Forschung weitgehend resistent. Wie zu zeigen sein wird, können sowohl die weisen KeltInnen als auch die weisen Frauen1 auf eine mindestens in das frühe 19. Jahrhundert zurückreichende Geschichte verweisen, die zunächst getrennt verlief, sich aber zunehmend berührte und schließlich im Topos der keltischen weisen Frau verschmolz.Verstanden als sich kreuzende „erfundene Traditionen“ (Hobsbawm 1992) hat man es also durchaus mit ­einer historischen Beziehung zwischen Kelten und Hexen zu tun.2 In

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diesem Sinne lässt sich auch von einer Verschränkung zweier moderner historischer Mythologien, eben des Kelten- und Hexenmythos, sprechen: Hierunter fallen für wahr gehaltene Erzählungen der Vergangenheit, denen eine überzeitliche, für die eigene Gegenwart und Identität konstitutive Bedeutung zugesprochen wird und die in historisch und ideologisch differenten Kontexten adaptiert und anverwandelt werden (Wulf et al. 1991: 1–17; Kipper 2002: 20ff.). Unabhängig von der Frage, ob man „Kelten“ und „weisen Frauen“ ein außer­diskursives, realhistorisches Dasein jenseits der Moderne zuzusprechen geneigt ist oder ob man ­bestimmte Elemente der hier vorgebrachten Interpretationen der Vergangenheit für ­adäquat hält oder nicht, sollte denn auch von ­„Rezeption“ nur in Bezug auf diese genuin modernen Vorstellungen und Texte die Rede sein: Der historisch-politische Ort der keltischen weisen Frau und aller Versuche, deren vermeintliche Tradition ­unter den Bedingungen der Moderne wiederzubeleben, ist immer das 19. und 20. Jahrhundert und weder das europäische Mittelalter, noch die Antike – ganz zu schweigen von jenen archaischen Tiefen, in denen Neuhexen und Neukelten sich selbst verorten.3 Für die Analyse und das Verständnis dieser Vorstellung ist die Frage ihres historischen Wahrheitsgehalts bzw. ­ ihrer Korrespondenz mit den Aussagen der neueren archäologisch-historischen Forschung mithin schlicht irrelevant (nicht jedoch für eine historische Aufklärung oder Mythenkritik4). In diesem Sinne sollen im Folgenden Genese und Geschichte des Topos der keltischen weisen Frau und dessen unterschiedlichen Konjunkturen im 19. und 20. Jahrhundert nachgezeichnet werden. Im Zentrum steht dabei die Frage, wann und warum sich Hexen- und Keltenmythos verschränkt ­ haben. Auf welche Deutungsmuster des Hexenglaubens und der ­ Hexenverfolgung wird dabei rekurriert und in welchen Kontexten sind diese entstanden? Welche ­Repräsentationen des Keltischen scheinen besonders attraktiv, mit Hexen in ­Beziehung gesetzt zu werden? Kleine Geschichte der weisen Frau5 Der Mythos der weisen Frauen und ihrer planmäßigen „Vernichtung“ (Steiger, Heinsohn 1985) scheint zunächst kaum Berührungspunkte mit Keltendarstellun-

gen gehabt zu haben. Da das Zentrum der europäischen Hexenprozesse im deutschsprachigen Raum gelegen und das Thema hier noch bis in das 18. Jahrhundert hinein erhebliche gesellschaftliche Relevanz besessen hatte, sind die zentralen Interpretationen zu Hexenwesen und Hexenverfolgung zunächst von deutschen Autoren entwickelt worden. Schon früh lässt sich dabei ein rationalistisches von einem romantischen Deutungsmuster unterscheiden (Monter 1972). Diese Differenz durchzieht dann die gesamte – wissenschaftliche wie populäre – Literatur zu Hexenglauben und Hexenverfolgung bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts (Behringer 2004).6 Das bereits auf die Gegner der Hexenprozesse in der Frühen Neuzeit zurückgehende rationalistische Deutungsmuster war weitgehend auf die Hexenverfolgung konzentriert, während dem vermeintlichen Hexenwesen selbst als einer Vernunft, Wissenschaft und Fortschritt widersprechenden Erscheinung keinerlei Realität beigemessen wurde. Je mehr sich diese Position durchzusetzen vermochte, die Hexenprozesse also als Irrsinn undVerbrechen erschienen, desto drängender wurde die Frage nach den Verantwortlichen. Die rationalistischen Interpreten hatten diesbezüglich eine eindeutige Antwort parat: Schuld war allein die (katholische) Kirche. Obwohl nur ein Bruchteil der Hexenprozesse von kirchlichen Gerichten durchgeführt worden waren (Decker 2003), gehört der Verweis auf die vermeintlich Millionen Opfer des „Hexenwahns“ seither zu den zentralen Topoi des populären Antiklerikalismus (Haustein 2003).7 Die weisen Frauen hingegen waren das Produkt des konkurrierenden romantischen Deutungsmusters: Autoren der Romantik zeigten sich fasziniert von den dunklen Geschichten über magische Frauen und nächtliche Versammlungen und waren überzeugt, der Hexenglaube gehe auf vorchristliche Glaubensvorstellungen zurück oder gar, es habe bis in die Frühe Neuzeit einen tatsächlichen Hexenkult gegeben. Zwei Momente waren dabei entscheidend. Erstens, die ­Romantik vollzog eine entscheidende Umwertung der traditionell angstbesetzten negativen Hexenvorstellung: Die gefürchtete böse Zauberin avancierte zur weisen Frau und somit zu einer positiven Identifikationsfigur. Zweitens, während rationalistische Autoren den Hexenglauben als (kirchlichen bzw. römischen) Fremdimport darzustellen versuchten, wechselten die

Hexen nun quasi die Seiten und erschienen als Teil einer „eigenen“ religiösen Tradition. Eine entscheidende Bedeutung bei der Genese des romantischen Hexenbildes spielte denn auch der ­ Nationalismus des frühen 19. Jahrhunderts. So stellte die Märchenhexe den Brüdern Grimm zufolge einen zentralen Bestandteil jenes „urdeutsche[n] Mythus“ dar, den sie mit ihren Kinder- und Hausmärchen zu rekonstruieren gedachten (W. Grimm 1992: 328). Schließlich kann Jacob Grimm als Namensgeber und eigentlicher Erfinder der weisen Frauen gelten. Eine entsprechende Interpretation, deren Bedeutung für die Genese des romantischen Hexenbildes kaum zu überschätzen ist, lieferte er in seiner 1835 erschienenen Deutschen Mythologie. In diesem wichtigsten Werk romantischer Mythenforschung spielte die Kontrastierung eines autochthonen „na­tur­cultus unserer vorfahren“8 (2003: 483) gegen ein „aus der fremde“ kommendes, „nicht volksmässig[es]“ und daher unnatürliches Christentum eine zentrale Rolle (ebd.: 3). Konstitutiv war hier die romantische Kontinuitätshypothese, wonach sich vorchristliche Traditionen in ländlichen und randständigen Regionen untergründig hätten erhalten können. Auf diese Weise bekam der volkstümliche Aber- und Hexenglauben eine ­historische Tiefe zugewiesen und erschien als Relikt archaischer Glaubensvorstellungen. So stellte Grimm die Hexe in ein Ensemble altgermanischer Glaubensvorstellungen und hielt es für zweifelsfrei erwiesen, dass „in dem ganzen hexenwesen noch offenbarer zusammenhang mit den opfern, und der geisterwelt der alten Deutschen zu erkennen“ sei (ebd. 873; 861– 924). Dreh- und Angelpunkt seiner Deutung war die Zurückführung der Hexen auf „weise Frauen“ (ebd.: 328–362), die als Heilkundige, Seherinnen und Priesterinnen in der heidnischen Gesellschaft eine zentrale Funktion erfüllt hätten. Als wegweisend sollte sich vor allem seine Adaption der berühmten Tacitus-Stelle über den „Heiligen“ und „Seherischen“ Charakter der germanischen Frauen erweisen (Tacitus, Germania 8). Grimm glaubte, hieraus auf eine spezifische „germanische frauenverehrung“ (2003: 329) schließen zu können und kontrastierte diese mit der vermeintlichen Abwertung der Frau im Christentum. Auf diese Weise erschien der Hexenwahn als Produkt einer Jahrhunderte langen christlichen Umwertung und Verun-

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glimpfung der weisen germanischen Frauen. Damit etablierte Grimm ein für den populären Hexen­diskurs bis heute konstitutives Narrativ. Entsprechend avancierte die Vorstellung einer „den Deutschen eigentümliche[n] höhere[n] Wertschätzung der Frauen“ (Simrock 1869: 500f) oder gar einer „germanische[n] Vergöttlichung des weiblichen Wesens“ (Weinhold 1882: 60) bei deutschen Mythologen und Germanisten des 19. Jahrhunderts ebenso zu einem festen Topos wie die Zurückführung der Hexen auf weise Frauen des germanischen Altertums. Zweifellos manifestierten sich hier zeitgenössische Auf­fassungen einer anthropologischen oder ontologischen Geschlechterdifferenz, die das Weibliche dem Bereich des Mysteriösen und Magischen zuordneten und Frauen aufgrund ihrer vermeintlich größeren imaginativen Kräfte und ihrer Nähe zu den Geheimnissen von ­ Leben und Tod als prädestinierte Mittlerinnen zum Numinosen präsentierten (Klinger 1992; Honegger 1996; Fehlmann 2011: 45–51). ­Dabei gilt für diese Spekulationen dasselbe wie für die etwa zur gleichen Zeit formulierte Mutterrechts­ theorie Johann Jakob Bachofens (1997): Sie waren ausgesprochene Männerphantasien (Spöttel 1998). Die Funktion dieser Theorien lässt sich anhand der in ­diesem Zusammenhang gerne gebrauchten Formel einer germanischen „Ebenbürtigkeit“ der Geschlechter aufzeigen. Dabei wurden Mann und Frau verschiedene, vermeintlich gleichwertige Rollen in der altheidnischen Gesellschaft zugewiesen; gerade Phantasien über eine spezifische religiöse Funktion der Frau wiesen allerdings zweifellos eine dezidiert antifeministische Stoßrichtung auf (Zernack 1997): Zum einen erschienen ­ Frauen hier lediglich als passive Medien und zum ­anderen wurde auf diese Weise eine weibliche Sonderrolle festgeschrieben, die Frauen aus dem Bereich des gesellschaftlichen Handelns ­ ausschloss – zugeschriebene transzendente Macht ­korrespondierte mit immanenter Ohnmacht. Indes sollte betont werden, dass Grimm und die romantischen Mythologen zwar eine Relikttheorie vertraten, also von einer untergründigen Kontinuität zwischen Heidentum und Hexenglauben in Form volkstümlicher Praktiken und Glaubensvorstellungen ausgingen, keineswegs jedoch einer fortbestehenden Existenz altheidnischer Kultgemeinschaften bis in

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die Frühe Neuzeit das Wort redeten. Entsprechende Theorien finden sich hingegen in der so genannten ­okkulten oder schwarzen Romantik (Praz 1994). Hier sind vor allem katholische Mystiker und Reaktionäre zu nennen, die noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts versuchten, die Hexenprozesse (wenn auch durchaus nicht die Hinrichtungen) mit Verweisen auf die Existenz heidnischer Teufelssekten im Spätmittelalter zu verteidigen. Der bekanntesteVertreter dieser Richtung war der Konvertit Joseph Görres, der sich in seiner Christlichen Mystik (1836 –1842) von der Realität zentraler „okkulter“ Elemente des Hexenglaubens (wie Hexenflug und Geschlechtsverkehr mit Teufel und Dämonen) überzeugt zeigte (Görres 1960 Bd. V: 41– 436). Derartige Spekulationen sollten sich schließlich für neureligiöse und esoterische Strömungen am Ende des 19. Jahrhunderts als äußerst attraktiv erweisen. Esoterik, verstanden als eine von Theologie und Wissenschaft gleichermaßen entfernte Denkform, zielt auf eine Überwindung der neuzeitlichen Trennung von religiöser und empirischer Erkenntnis, von Glauben und Wissen ab und lässt sich dabei von der Vorstellung leiten, allen Religionen sei ein wahrer Kern, eine innere erlösende Substanz, gemeinsam, die als verborgenes (d. h. okkultes) oder unterdrücktes (Heils)Wissen (im Sinne von Gnosis) durch bestimmte Strömungen und von bestimmten Trägergruppen bis in die Gegenwart tradiert worden sei (Faivre 2001; Iwersen 2003; Stuckrad 2004).9 In diesem Sinne avancierten auch die weisen Frauen zu Trägerinnen des verborgenen Wissens und man spekulierte über die Existenz entsprechender Kulte und Praktiken.10 Dabei hatten sich zentrale VertreterInnen der Esoterik im 19. Jahrhundert wie Eliphas Lévi (1997: 370) und ­ Elena Petrova Blavatski (1877: 248, 366) nur mäßig an den weisen Frauen interessiert gezeigt und sich stattdessen auf die so genannte gelehrte Magie fokussiert. Den ­Hexen widmeten sich vielmehr zunächst nur bestimmte Bereiche des esoterischen Spektrums wie der so ­genannte Satanismus (z. B. Przybyszewski 1994; Crowley 1999). Vor allem aber in der völkischen Esoterik stießen die Hexen auf Interesse. Am bekanntesten war hier die so genannte Ariosophie (Goodrick-Clarke 2004), eine auf den Wiener Okkultisten Guido List zurückgehende Melange aus völkischem Rassismus und Theo­sophie. List stellte die weisen Frauen des Mittel-

alters als Nachfahrinnen einer „weibliche[n] Priesterschaft“ (1926: 102) dar, die in der „ariogermanischen“ Urreligion eine zentrale Rolle gespielt hätten. Dabei interpretierte er den Hexenkult als Relikt eines okkulten „Se­xual­dienst[es]“, dessen „Endzweck“ die Züchtung einer „Edelrasse“ gewesen sei (1926: 104). Andere Strömungen des völkischen Neuheidentums hingegen grenzten sich vom Okkultismus ab, knüpften aber dennoch an den Topos der hohen Stellung und Verehrung der weisen Frauen bei den Germanen an. Deren vermeintliche Praktiken wurden nun jedoch streng vom Hexenglauben geschieden, und in Anknüpfung an das rationalistisch-antiklerikale Hexenbild bezichtigte man das Christentum, diesen fatalen Aberglauben planmäßig in der germanischen Welt verbreitet zu haben, um rassisch hochwertige „nordische“ Frauen dem Scheiterhaufen überantworten zu können (Kummer 1927: 193–206). Bezeichnenderweise wurden derartige Interpretationen vor allem im so genannten völkischen Feminismus propagiert (Ludendorff 1934), d. h. von Frauen, die völkischen Rassismus mit Forderungen nach Gleichstellung zwischen den Geschlechtern kombinierten (Streubel 2006). Konstitutives Element aller Hexenrekurse im völkischen Neuheidentum war zudem ein radikaler antichristlicher Antisemitismus, der sich gegen das Christentum als vermeintlich bloße Fortführung des Judentums richtete (Tal 1975: 223–289; Wiedemann 2010). Dabei konnte man durchaus an Teile der antiklerikalen Hexenliteratur des 19. Jahrhunderts anknüpfen, wurde doch bereits hier versucht, die Verfolgung der weisen Frauen auf das Alte Testament und damit auf jüdische Ursprünge zurückzuführen.Völkische Feministinnen radikalisierten diese Figur und stellten die Hexen­verfolgung als Teil eines jüdischen Kampfes gegen die matriarchale Priestermacht der Frau dar: „Nur das jüdische Gesetz nahm dem Weibe das Priestertum“ (Kurlbaum-Sieber 1933). Vor dem Hintergrund dieser Deutungsmuster muss auch die vielfach dokumentierte Beschäftigung mit dem Thema in der NS-Zeit gesehen werden, die schließlich in einem vom Sicherheitsdienst der SS (SD) durchgeführten umfangreichen Forschungsauftrag mündete.11 Die nationalsozialistischen Adaptionen des Germanenmythos führten bekanntlich zu dessen weitgehender Diskreditierung nach 1945. Auch den Priesterinnen

und Hexen schien die Assoziation des Germanischen mit Expansionismus und Rassenwahn keinen adäquaten Platz mehr zu bieten.Vor diesem Hintergrund boten sich die Kelten als alternatives Referenzkorsett der weisen Frauen geradezu an – zumal diese Verbindung von keltoromantischen AutorInnen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gezogen worden war. Die weise Keltin Auch bei der Konstruktion der Kelten als distinktive „Völkerfamilie“ spielten mythologische Relikttheorie und romantische Umwertung eine zentrale Rolle.12 Aufgrund ihrer Verortung an den peripheren Rändern des Kontinents avancierten die Kelten im 19. Jahrhundert zu Trägern einer Verbundenheit mit den Kräften der Natur, des Mythos und der Phantasie, die in den europäischen Zentren bereits unwiderruflich verloren schien. Zudem wurden sie mit den ­Attributen des Resistenten versehen und erschienen als Verkörperungen des Individuellen und Rebellischen (Chapman 1992). Da die Schöpfer und eifrigsten Verfechter der Keltenromantik – bis heute – selbst in der Regel den kulturellen Zentren entstammten, ist hier zu Recht von einer „Erfindung der Peripherie durch das Zentrum“ gesprochen worden (Burckhardt-Seebass 2002: 219). Die Keltenromantik war zunächst vornehmlich in britischen und französischen Kontexten beheimatet und in entsprechende kulturelle und nationale Identitäts­ debatten eingebunden. Vor dem Hintergrund der ­nationalistisch motivierten Ausspielung von Germanen und Kelten spielte Keltisches in ­ romantischen Interpretationen des Hexenglaubens aus dem deutschsprachigen Raum denn auch zunächst keine Rolle: Als deutsche Erfindung waren die weisen Frauen eindeutig Germaninnen. Im Zuge der Rezeption der deutschen Mythen­forschung in Frankreich und England begann sich jedoch die ethnische Zuordnung der weisen Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts zu wandeln. Der nach Grimm wichtigste Verbreiter des Mythos der weisen Frauen war der französische Historiker Jules Michelet. Wiewohl stark von Grimm beeinflusst setzte Michelet in seinem 1862 erschienenen und bis heute immer wieder aufgelegten Büchlein La Sorcière andere Schwerpunkte: Weniger an Fragen des Archaisch-Heidnischen interessiert, fokussierte er

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sich auf die Rolle der weisen Frau als Heilkundige, Hebamme und antiklerikale Rebellin. Michelet hatte zwar selbst eine gewichtige Rolle bei der Stilisierung der keltischen Gallier zu nationalen Ahnherren der Franzosen gespielt, verzichtete aber bewusst auf eine räumliche, zeitliche oder ethnische Situierung der Hexe. Mit einem zur Floskel geronnenen Ausspruch (Bovenschen u. a. 1977) verortete der antiklerikale Historiker die Hexe in einem von der Kirche dominierten „Zeitalter der Verzweiflung“ (Michelet 1988: 23), das Frauen von ihren angeblich natürlichen Bestimmungen und Aufgaben als Hüterinnen von Moral und ­Liebe entfremdet habe. Michelets Darstellung war für die Verbindung von Kelten- und Hexenmythos vor allem deshalb relevant, weil genau diese Ausspielung einer angeblich volkstümlichen Verehrung des Weiblichen gegen eine kirchlich oktroyierte Misogynie bereits früh in die Keltenromantik Eingang gefunden hatten. Mit Sympathie für die Emanzipation von Frauen in der Gegenwart hatte dies freilich ebenso wenig zu tun wie analoge Figuren in der deutschen romantischen Mythenforschung, die hier zweifellos Pate gestanden hatten. So scheint in Frankreich die Bestimmung der Kelten als einer „race essentiellement féminine“ durch den mit der deutschen Mythenforschung bestens vertrauten Religionshistoriker Ernest Renan verbreitet worden zu sein (1854: 478). Wenig später brachte der Oxforder Literaturprofessor Matthew Arnold in einer für die Keltenromantik maßgeblichen Abhandlung die Affinität von Keltentum und Weiblichkeit folgendermaßen zum Ausdruck: „[T]he Celt is thus peculiarly disposed to feel the spell of the feminine idiosyncrasy; he has an affinity to it; he is not far from its ­secret“ (Arnold 1867: 108). Spätestens seit der Wende zum 20. Jahrhundert jedenfalls gehören Spekulationen über die angebliche hohe Stellung der keltischen Frauen zu den zentralen Topoi der populärwissenschaftlichen Keltenliteratur (z. B. Markale 1984). Dabei sind die entsprechenden Zuschreibungen im Wesentlichen dieselben wie im Falle der Germaninnen: Auch die keltische Frau erscheint als dem Mann „ebenbürtig“, und je nach Ausrichtung und Kontext der jeweiligen AutorInnen wird auf ihre vermeintlich hohe religiöse, politische oder rechtliche Stellung verwiesen (Brandt 1995; ferner Winkler 2006: 77–87; Birkhan 2009: 589–614). In diesem

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Zusammenhang spielte schließlich die Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende Verräumlichung und Ethnisierung des Matriarchatsmythos (Wagner-Hasel 1992; Fehlmann 2011) eine zentrale Rolle: Demnach sei das Patriarchat erst durch aus dem Osten einwandernde Indogermanen in ein zuvor von mutterrechtlichen Völkern bewohntes Europa gelangt. Zwar galten Kelten – wie Germanen – als zweifelsfrei arisch und damit ­als Boten des Patriarchats, nicht jedoch die „vorarische (vorkeltische) Urbevölkerung Britanniens und Irlands“ (Zimmer 1894: 215). Der romantischen Stilisierung peripherer Räume zu Residuen des Archaischen folgend ging etwa der Greifswalder Keltologe Heinrich Zimmer davon aus, in Irland, Wales und Schottland hätten sich mutterrechtliche Traditionen vorkeltischer Pikten noch lange erhalten. Schließlich, so Zimmer, sei der „Strom arischen Blutes“ an der Peripherie weitaus schwächer geflossen als im britischen Kernland (1894: 228). Vor diesem Hintergrund verwundert es zudem nicht, dass derartige Spekulationen in völkischen Rassentheorien adaptiert wurden (Driesmans 1900: bes. 105 –121). Der vermeintlich matriarchale Einfluss auf die Insel­ kelten war vermutlich auch der Grund dafür, dass die ersten direkten Verbindungen zwischen Matriarchats-, Kelten- und Hexenmythos im angelsächsischen Raum gezogen wurden. Ihrer Zeit in vielerlei Hinsicht voraus war dabei die amerikanische Frauenrechtlerin und Theosophin Mathilda Joslyn-Gage mit ihrer antiklerikalen Abhandlung Woman Church and State, die zudem als erste feministische Indienstnahme des Themas überhaupt gelten kann. In ihrer an Michelet orientierten Darstellung der „wise women“ (1893: 238) erscheinen allerdings nicht nur die Kelten, sondern alle arischen Völker als ursprünglich matriarchal (1893: 23ff.). Maßgeblicher für eine genuin keltische Deutung der weisen Frauen waren schließlich die stark von der deutschen romantischen Mythologie beeinflussten Volkskundler aus dem Umfeld der britischen Folk-Lore-Society (Simpson 1994; Hutton 1999: 112– 132; Fehlmann 2011: 193–200). So glaubte deren erster Präsident, George L. Gomme, das Hexenwesen auf den Glauben und die rituelle Praxis einer europäischen Urrasse zurückführen zu können, deren Geheimnisse nach der indoeuropäisch-arischen Er­oberung vom keltischen Druidentum tradiert worden seien (1892).

Die wichtigste Publikation aus diesem Kreis war aber zweifellos die Abhandlung The Witch-Cult in Western Europe (1921) der umtriebigen Ägyptologin Margaret Murray: Deren berühmte (in der Hexenforschung vor allem berüchtigte) These lautet schlicht, es habe in Europa vom Neolithikum bis in die Neuzeit hinein einen real praktizierten Hexenkult gegeben. Als Anhängerin der religionshistorischen Theorien James Frazers beschrieb Murray einen sich um eine zweigeschlechtliche Gottheit rankenden Fruchtbarkeitskult, in dessen Zentrum der rituelle – gleichwohl real vollzogene – Geschlechtsverkehr zwischen Priesterinnen und Priestern gestanden habe, die später von der Kirche als Hexen und Hexenmeister verunglimpft worden seien (Murray 1921: bes. 24f., 178). Schließlich verortete sie den Hexenkult in bestimmten regionalen und ethnischen Kontexten, und in diesem Zusammenhang kam den Kelten eine herausragende Rolle zu: Ausgehend von den geschilderten Theorien über eine fortwirkende matriarchale Tradition bei der vorkeltischen britischen Bevölkerung behauptete sie, die Hexenreligion habe sich in den entlegenen ­Regionen Britanniens erhalten und ihre Träger wiesen zahlreiche Affinitäten zu jenem aus der keltischen Mythologie als „dwarf or fairy race“ bekannten Typus auf (Murray 1921: 14). Die Murray-Thesen – und in geringerem Maße Gommes Druiden-Spekulationen – sollten sich wiederum für das ausgeprägte okkulte Spektrum Groß­ britanniens als äußerst attraktiv erweisen, spielten in diesem doch Referenzen auf vermeintlich keltische Traditionen eine zunehmend wichtige Rolle (Hutton 2003). Während die Geschichte esoterischer Keltenbilder mindestens bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht, war der herkömmliche Keltenmythos im Grunde eher kulturell und nationalistisch ausgerichtet (Chapman 1992). So orientierten sich die im 18. Jahrhundert entstehenden Druiden-Orden zunächst am Freimaurertum und dem Deismus der Aufklärung. Für die okkulte Szene wurden die Druiden dann vor allem als vermeintliche Träger archaischen Wissens sowie als Erbauer prähistorischer Megalithbauten wie Stonehenge (Maier 2005: 68–98) wichtig (Jones 1998; Hutton 2008). In diesem Zusammenhang thematisierten maßgebliche Esoteriker des 19. Jahrhunderts wie Eliphas Lévi schon frühzeitig die Rol-

le weiser keltischer Jungfrauen als Eingebungsquellen der Druiden (1997: 241). Dass die Hexen den männerbündlerischen Druiden im okkulten Spektrum als keltische Referenzfiguren hingegen schon bald den Rang abliefen, geht im Wesentlichen auf die Verbreitung des in den 1950er Jahren entstandenen britischen Wicca-Kultes zurück. Initiator dieser Bewegung war der ­britische Hobby­archäologe Gerald B. Gardner, der bereits zahlreiche okkulte Strömungen durchlaufen hatte und durch seine gleichzeitige Aktivität in der Folk-Lore-Society gewissermaßen die zeitgenössische Konvergenz von Keltenromantik und Okkultismus repräsentiert (Hutton 1999: 205–240). Als wegweisend für die Genese des Wicca-Kults erwies sich dabei der persönliche Kontakt mit Margaret Murray. Entsprechend übernahm Gardner in seiner entscheidenden Abhandlung Witchcraft Today von 1954 deren Theorie eines aus dem Archaikum tradierten Hexenkults nahezu komplett:13 An den Topos des im Keltentum bewahrten matriarchalen Erbes anknüpfend, führte er das Hexenwesen auf einen neolithischen „Kult der großen Mutter“ mit geheimnisvollen „Priester-Druiden“ zurück (Gardner 1965: 26, 31f.). Von Murray übernahm er zudem die Auffassung, nach „Einbruch des Christentums“ sei das kultische Wissen durch das „kleine Volk“ der keltischen Mythologie bewahrt worden (Gardner 1965: 52ff.). Entsprechend richtete er den rituellen Jahreszyklus des Wicca-Kults an vermeintlich keltischen Vorgaben aus, und ebenso wie die Ägyptologin stellte er dabei die Verehrung einer zwei­ ge­schlechtlichen Gottheit ins Zentrum. Die Polarität von Göttin und Gott ist zwar bis heute ein zentrales Prinzip der Wicca-Theo­logie geblieben (Crowley 1998: 167–192; Fischer 2007: 69ff.), Gardners NachfolgerInnen haben den Kult jedoch zunehmend auf die Figur der „Großen Göttin“ fokussiert. Hervorgegangen aus dem – feministischen Ideen durchaus nicht zugeneigten – okkulten Milieu Großbritanniens, etablierte sich in den 1970er und 1980er Jahren schließlich ein dezidiert feministischer Zweig der neuheidnischen Hexenbewegung. Diese Entwicklung muss freilich vor dem Hintergrund der symbolischen Bedeutung der Hexe in der Neuen Frauenbewegung gesehen werden (Wiedemann 2007: 255–334). Hier basierte die Attraktivität der Hexenfigur gerade auf ihrer Doppelrolle als Opfer und Rebellin, also darauf,

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dass sie sich sowohl als Objekt patriarchaler Verfolgung als auch als widerständiges Subjekt thematisieren ließ. Zunächst handelte es sich um einen rein symbolischen Bezug ohne historische Referenzen. Im Zuge der Ausdifferenzierung des feministischen Spektrums Mitte der 1970er Jahre rückten jedoch die angeblichen Tätigkeiten der historischen Hexen zunehmend ins Zentrum des Interesses. Den Anfang machte die so genannte Frauengesundheitsbewegung: Unter Rückgriff auf Michelet verwies man hier auf die weisen Frauen des Mittelalters, um der Kritik an der männlich dominierten zeitgenössischen Medizin und Gynäkologie Ausdruck zu verleihen (Ehrenreich, English 1975). Im Kontext der Debatten um das in vielen Ländern bestehende Abtreibungsverbot etablierte sich dabei – auch bei AutorInnen außerhalb des feministischen Spektrums (Steiger, Heinsohn 1985) – zudem der Mythos von den weisen Frauen als für Geburtenkontrolle zuständige Hebammen (hierzu Voltmer 2005). Die zweite feministische Strömung, in der die ­Hexen als historische Referenzen zentrale Bedeutung erlangten, war der so genannte spirituelle Feminismus bzw. die feministische Matriarchatsforschung (Eller 1995, 2000; Schäfer 2001; Fehlmann 2011: 383– 420). In diesen Kontexten kamen dann auch wieder die Kelten ins Spiel. So nahmen Kelten und Hexen bereits in der ersten weithin rezipierten Version des Matriarchatsmythos aus den Reihen des Second Wave-Femi­nismus eine wichtige Rolle ein: Eingebettet in eine okkulte Rassentheorie rekurrierte die amerikanische Privatgelehrte Elisabeth Gould Davis 1971 in The First Sex auf ein aus weisen Frauen bestehendes keltisches Druidentum als „letzte[r] Widerhall der ursprünglichen Universalreligion des matriarchalen Zeitalters“ (Davis 1977: 48). Dem tradierten Erzählmuster folgend werden die keltischen Frauen als stark und weise präsentiert, während das Patriarchat mit den (germanischen) Ariern sowie – in eindeutig antisemitischer Stoßrichtung – mit den Semiten assoziiert wird (ebd. 1977: 212). In diesem Sinne, so heißt es, habe sich nach der Zeitenwende in Europa „das teutonisch-semitische Patriarchat“ durchgesetzt, während der „keltische Feminismus“ „von den patriarchalen Eroberern als Sünde verdammt“ und während der Hexenprozesse beinahe ausgerottet worden sei (ebd.: 9, 262ff., 289ff.). Stand in dieser Variante des Matriarchatsmythos ein ei-

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gentliches religiöses Interesse noch im Hintergrund, so begann sich dies im Zuge der so genannten Wende nach Innen in der Frauenbewegung zu ändern. Insbesondere dem kulturellen oder Differenz-Feminismus zuneigende Strömungen fokussierten sich auf vermeintlich genuin weibliche spirituelle Erfahrungen und religiöse Traditionen. Dabei lassen sich die Erzählmuster und Referenzepochen des spirituellen Feminismus wiederum mühelos auf die ­ romantischen Mythenkonstruktionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurückführen (Davis 1998; Fehlmann 2011), die nun jedoch zusätzlich durch archäologische Funde bewiesen zu sein schienen (Röder et al. 2001). Drehund Angelpunkt war hier die Vorstellung eines neolithischen Kultes der „Großen Göttin“, dessen letzte Reste mit dem Siegeszug des jüdisch-christlichen Monotheismus beseitigt worden seien. Einige Autorinnen reproduzierten in diesem Zusammenhang zudem den antijüdischen Topos vom Ursprung des Patriarchats in der hebräischen Bibel und entfalteten damit eine analoge Argumentationskette wie der völkische Feminismus der 1920er und 1930er Jahre (Korotin, Kohn-Ley 1994; Wiedemann 2010; Fehlmann 2011: 415–419). Auch in diesem ausgemachten historischen Drama nehmen die weisen Frauen der Kelten als Bindeglied zwischen ­Archaikum und Neuzeit eine entscheidende Rolle ein. So betont Starhawk (eigentlich Miriam Simos), eine Protagonistin der feministischen HexenBewegung, dass die Kelten durch das Zwergen- und Feenvolk der Pikten „viele Merkmale der Alten Religion“ übernommen und in „ihre Mysterien der Druiden“ eingebunden hätten (Starhawk 1992: 16). Die Diversifizierung und Internationalisierung nicht nur des spirituellen Feminismus, sondern des gesamten neureligiösen und esoterischen Spektrums am Ende des 20. Jahrhunderts hat indes zu einer zunehmenden Lösung der Hexen aus ihren zugeschriebenen historischen und ethnischen Kontexten geführt: Die weise Frau wird in der jüngeren esoterischen Literatur ganz unterschiedlichen erfundenen Traditionen zugewiesen und erscheint das eine Mal als indianische Schamanin, das andere Mal als altägyptische Priesterin. Im deutschsprachigen Raum hat dies offenkundig zu ­einer Rehabilitierung des Germanischen beigetragen. Als Beispiel sei auf die entsprechenden Ausführungen über „das weibliche Universum bei Kelten und Ger-

manen“ von Luisa Francia, einer Vorreiterin der Neuen Hexen in Deutschland, verwiesen, erscheinen hier doch keltische und germanische weise Frauen als enge Verwandte und Leidensgefährtinnen (Francia 2010). Konvergenz der Mythen Wenn der Topos der weisen Frau auch in einem anderen Kontext entstanden war und eine Assoziation mit den Kelten erst relativ spät erfolgte, scheint eine solche Verbindung aus verschiedenen Gründen durchaus ­naheliegend – freilich nicht aufgrund einer untergründigen historischen Verbindung zwischen Kelten und Hexen, sondern weil die entsprechenden Repräsentationen und Narrationen im 19. und 20. Jahrhundert zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen. Als genuine Produkte der Romantik beziehen ­Hexen- und Keltenmythos ihre zentralen Zuschreibungen aus einem analogen, in bestimmten Kontexten bis heute reproduzierten System symbolischer Gegenüberstellungen: Hexen wie Kelten werden mit dem Natürlichen, dem Mythischen und Archaischen, dem Peripheren, Marginalen und Rebellischen assoziiert und den Kräften der Kultur, der Vernunft, der bloßen Gegenwärtigkeit, des Zentrums und der Ordnung gegenübergestellt (Chapman 1992: 208–265; Wiede­ mann 2007: 335–382). Das zentrale symbolische Ausdrucksmittel dieser Kontrastierungen ist die Geschlechterdifferenz, wobei das Weibliche als Repräsentant der ersten Achse, das Männliche als Repräsentant

der zweiten fungiert; in Bezug auf den Hexen- und Keltenmythos erweist sich zudem die analoge Anordnung von Heidentum und Christentum als relevant. Dieses Schema kann nun durch unterschiedliche historische Akteure bespielt werden, wobei diese Besetzung nicht willkürlich, sondern aus spezifischen historischen und ideologischen Kontexten heraus erfolgt. Ebenso wie das Germanische im romantischen Nationalismus vor dem Hintergrund der Abgrenzung vom Französischen auf der Achse des Natürlichen und Randständigen (etc.) angesiedelt wurde, so auch das Keltische vor dem Hintergrund der Abgrenzung vom Angelsächsischen. Wegen der Rolle des Germanen­mythos im Nationalismus des 20. Jahrhunderts erwiesen sich die Germanen als Verkörperungen des Randständigen aber offenbar immer mehr als untauglich, so dass der Hexenmythos fortan vor allem im keltischen ­Gewand daher kam. Im Kontext neuheidnischer und esoterischer Strömungen ­ repräsentieren Hexen wie Kelten genuine Gegenpole zum Christentum bzw. zum Monotheismus und werden einer gleichlautenden historischen Narration folgend als Opfer eines analogen Marginalisierungsprozesses präsentiert. Die Identifikation erscheint dann jeweils als dissidenter Akt. Indes sind Hexen und Kelten heutzutage längst als positive ­Figuren im Mainstream verankert. Somit vollzieht sich ihre vermeintliche Wiederkehr nur noch im Gestus des Oppositionellen und Sensationellen. Angesichts der langen Geschichte ihrer Romantisierung und Mythologisierung gibt es hier letztlich nichts Neues.

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Anmerkungen 1 Begriffe wie „weise Frau“, „keltisch“ oder „germanisch“ etc. seien im Folgenden freilich lediglich als Figuren in der Litera­ tur des 19. und 20. Jahrhunderts verstanden; der Lesbarkeit wegen wird aber auf Anführungszeichen verzichtet. 2 In Anlehnung an den Ansatz der Histoire croisée (Werner, Zimmermann 2002) wird hier unter „kreuzen“ eine Beziehung verstanden, die einen wechselseitigen Adaptionsprozess zweier Entitäten beinhaltet, nicht jedoch zu deren totaler Verschmelzung führt. So gibt es zwar die hybride Figur der keltischen weisen Frau, dennoch kann grundsätzlich weiterhin zwischen Hexen- und Keltenmythos unterschieden werden. 3 In dieser Hinsicht höchst problematisch ist Birkhans (2009) Gesamtdarstellung der „nachantiken Keltenrezeption“, wird hier doch die Existenz eines kohärenten und eigentlichen Gegenstandes (der Kelten) seit der Antike vorausgesetzt. 4 Vgl. exemplarisch die kompetente Kritik des Hexenmythos bei Voltmer 2006. 5 Folgender Abschnitt basiert grundlegend auf meiner Dissertation (Wiedemann 2007, bes. 33 –184). 6 Auf die populäre Literatur trifft dies weiterhin zu; in der Hexenforschung hingegen gelten beide Positionen als überholt (Behringer 2004). 7 Die in der populären Literatur bis heute herumgeisternde Angabe von neun Millionen Opfern der Hexenprozesse geht auf eine Fehlberechnung aus dem 18. Jahrhundert zurück. Die historische Hexenforschung geht von ca. 50.000 Hexenverbrennungen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit aus; ca. 80% der Opfer waren Frauen (Behringer 1998).

8 Kleinschreibung im Original. 9 Das esoterische Wissenskonzept zielt mithin gerade nicht auf ein empirisches Wissen von den Dingen ab und erweist sich aus diesem Grund historisch-archäologischer Forschung gegenüber als resistent. Ein „Dialog“ der Wissensformen ist somit ausgeschlossen bzw. nur durch Preisgabe der Trennung von Religion und Wissenschaft möglich. 10 Die zentrale Problematik aller Spekulationen aus dem okkulten Milieu besteht freilich darin, dass hier die den Hexen von ihren Anklägern zugeschriebenen Praktiken für real gehalten werden und die Opfer der Hexenprozesse auf diese Weise auch noch nachträglich als schuldig im Sinne der Anklage erscheinen. 11 Motiviert wurde dieses Unterfangen aber wohl letztlich weniger von einem Interesse an der germanischen weisen Frau, als vielmehr vom antiklerikalen Furor des SS-Chefs Heinrich Himmler, der versuchte, Material für die anvisierte Abrechnung mit Kirche und Christentum zusammenzutragen (Lorenz et al. 1999; Leszczy´nska 2009). 12 Nicht von ungefähr ist das Erfinden von Traditionen zunächst für den keltischen Kontext aufgezeigt worden (Hobsbawm, Ranger 1992). Vgl. zur Keltenrezeption ferner u.a. Chapman 1992; Collis 2003; Karl 2004; Rieckhoff 2007; Leskovar 2010. 13 Hierüber zeigte sich wiederum Murray höchst erfreut: Sie nahm Gardners Beschreibung eines noch existierenden Hexenkults als Bestätigung ihrer Thesen und steuerte sogar ein Vorwort zu Witchcraft Today bei (Murray 1965).

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Die Venus im Dolmen. Zur Umwidmung von Megalithgräbern in gallo-römische Heiligtümer 1 Reena Perschke

Zusammenfassung Im 19. Jahrhundert erbrachten Ausgrabungen am Ganggrab Mané-Rutual bei Locmariaquer (Morbihan, Bretagne; Abb. 1– 2) statt der erwarteten neolithischen Funde gallo-römische Ziegel, Keramikscherben, Münzen und über einhundert „Venusfigurinen“-Fragmente (Abb. 3) (Closmadeuc 1885). Seitdem wurden in sechs ­weiteren Megalithgräbern der Umgebung Fragmente von ­Tonfigurinen gefunden, die zu einer Interpretation der gallo­-römischen Nachnutzung von neolithischen Steingräbern anregen. Abstract 19th century excavations in the passage tomb Mané-Rutual at Locmariaquer (Morbihan, Bretagne, figs. 1–2) discovered gallo-roman bricks, pottery, coins and over one hundred ‘venus figurine’-fragments (fig. 3) rather than the expected neolithic finds. Since then, fragments of clay figurines were found in six other megalithic tombs in the vicinity, which has to be interpretated as a pattern of gallo-roman reuse of neolithic tombs.

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Abb. 1:  Der Eingang des Ganggrabes Mané-Rutual (Locmariaquer, Morbihan, Bretagne). Der Tumulus wurde nach den Ausgrabungen nur partiell wieder aufgeschüttet, so dass Licht in das Innere fällt. Die Architektur beinhaltet einen langen Gang, eine vordere und eine hintere Kammer sowie sekundär verbaute, neolithische Menhirstelen, die teilweise mit Gravuren dekoriert sind (Perschke 2005)2.

Abb. 2:  Die vordere Kammer des Mané-Rutual mit rezenter Feuerstelle, aufgenommen aus der terminalen Kammer (hinten links im Bild die Mündung des Ganges zwischen zwei ein­ engenden Orthostaten). Auffällig ist der chthonische Aspekt der geschlossenen, megalithischen Kammer, in welcher die Figurinen deponiert worden waren. Die Lage der Tegulae bzw. der gallorömischen Einbauten ist undokumentiert (Perschke 2005).

Deponierung und Fundkontext

dicula mit kannelierten Säulen vor. Vor dem Eingang des Ganggrabes Petit-Mont (Lecornec 1994) wurde in gallo-römischer Zeit eine singuläre Portikus aus sekundär verwendeten eisenzeitlichen Menhiren (Lec´hs) erbaut (Abb. 4). Von diesem Fundort stammen auch ein römischer Votivaltar und über 400 Figurinenfragmente (Abb. 5– 6). Zumindest ein Figurinenfragment der Region kommt aus der ca. 650 km entfernten Werkstatt des Pistillus bei Autun (Saôneet-Loire) und weist auf weitreichende Beziehungen hin (Ars 1997). Bei den an den genannten Orten gefundenen Figurinen handelt es sich um ein begrenztes Repertoire der „Venus Anadyomene“ (stehend und nackt), der „Dea Nutrix“ (im Korbsessel ein bis zwei Kinder stillend), der umhüllten Venus („Vénus à gaine“, eine Lokalvariante mit astral interpretierten Kreisdekoren) und je einmal um eine Minerva, einen lachenden Knaben und eine Frauenbüste. Die europaweit gefundene Menge dieser Figurinentypen legt eine quasi-industri-

Aus ganz West- und Mitteleuropa sind Funde von ­gallo-römischen Tonfigurinen aus Siedlungen, Werkstätten, Heiligtümern (Fana), Militärlagern, Gräbern und dem in situ geborgenen Lararium von Rezé (Loire-Atlantique) bekannt (Schauerte 1985). Sie datieren vom Ende des 1. Jahrhunderts bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. Das Besondere der südwestlichen Bretagne ist die wiederholte Deponierung von Figurinen an Orten mit chthonischer Konnotierung: unter einem Felsen (Pénan), unter einem Abri (Lancul), in einer natürlichen Höhle (Pertu du Roffo) und in sieben Megalithgräbern (Petit-Mont, Toulvern, Le Net, Mané-Rutual, Lanester, Migourdie und Pontpiau). Regelmäßige Beifunde sind Keramikscherben (Amphoren,Terra ­Sigillata und Libationsgefäße), römische Münzen und Tegulae. Je einmal kommen Fragmente von Alabaster, grünem Marmor, Glas und einer Ae-

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Abb. 3:  Fragment einer Venus-Figurine aus dem Mané-Rutual (Collection Musée de Vannes, fonds SPM, © Cliché Christophe Le Pennec, Musée de Vannes, mit freundlicher Erlaubnis).

Abb. 4–6:  Die rekonstruierte Portikus aus den in situ gefundenen Menhirbruchstücken vor dem Ganggrab IIIA von PetitMont (Arzon).Vom gleichen Fundort stammen der Votivaltar und hunderte Figurinenfragmente (4. Perschke 2005; 5. Lecornec 1994, 76; 6. Lecornec 1994, 71–72 [Auswahl]).

elle Massenproduktion Dutzender Werkstätten nahe. Den Votivcharakter dieser Figurinen belegt die Inschrift „Et rogo te […]“ auf einem Figurinenfragment aus Trier (Binsfeld 1970). Trotz der Benennung als „Venus“ bzw. „Dea Nutrix“ bleiben die dargestellten Frauen namenlos. Ob

es sich um die Tradierung von keltischen Gottheiten aus vorrömischer Zeit handelt, kann mangels äquivalenter keltischer Abbildungen nicht geklärt werden. Die ­Attribute (Nacktheit, Säuglinge, Mantel, Sterne) lassen aber an eine Funktion als Fruchtbarkeits- und Schutzgöttinnen denken.

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Abb. 7:  Im Grabungsplan des Galeriegrabes Pontpiau ist die gallo-römische Intrusion durch den ge­ schlos­senen Tumulus in die Kammer gut zu erkennen. Dabei wurde kein Versuch unternommen, den Eingang des Megalithgrabes zu finden oder frei zu legen, sondern nur die Deponierung in die megalithische Kammer eingebracht (Gruet/Glotin 1972, 592).

Wohnstätte, Grab oder Fanum? Ungefähr 60 Megalithgräber des Großraumes Carnac beinhalteten gallo-römische Inventare aus Tegulae, Keramik, Webgewichten etc. (André 1961), die eine Wohnnutzung nahelegen. Das massive Vorkommen gleichartiger Figurinen schließt aber für die sieben Megalithgräber eine rein profane Funktion aus, ebenso die Aedicula-Fragmente und der Votivaltar. Gegen die Interpretation der Dolmen als Fana wurde angeführt, dass im gleichen Gebiet auch Ton­figurinen in regulären Fana vorhanden waren. Die Deponierungen in den Dolmen seien somit gallo-römische Nachbestattungen. Da die sauren Böden der Bretagne keine Knochenerhaltung erlauben, ist diese Möglichkeit nicht von vornherein auszuschließen. ­Allerdings

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wurden keine persönlichen Beigaben wie Fibeln oder Schmuck gefunden, so dass die Grabtheorie unwahrscheinlich ist. Das Galeriegrab von Pontpiau, in dem Terra Sigillata sowie Fragmente von acht Venus-Figurinen und vier sitzenden Göttinnen gefunden wurden (Gruet, Glotin 1972), weist hingegen eine gallo-römische Intrusion durch den geschlossenen Tumulus bis in die Grabkammer auf (Abb. 7). Hier scheint der chthonische Charakter der unterirdischen Steinkammer ausschlaggebend für die Wahl des Deponierungsortes gewesen zu sein. Als Orte der Götterverehrung werden den Kelten immer wieder Steine und Bäume in exponierter Lage zugeschrieben. Zeitgenössische und spätere Quellen erwähnen bzw. verbieten die Litholatrie (Lièvre 1889). Was also läge näher, als in der massiven Deponierung

von Göttinnenfigurinen an Steinmonumenten den Ausdruck von populären, gallo-römischen Praktiken auf der Grundlage einer fortgeführten indigenen Sitte zu sehen? Der geschlossene Formenkanon und die Auswahl von preiswerten kleinen Tonfigurinen, die

im Gegensatz zu den Bronzefiguren vornehmerer Haushalte eher dem persönlichen Weihegebrauch zu entsprechen scheinen, weisen auf eine konkrete Umwidmung dieser sieben Megalithgräber in provinzialrömische Fana hin.

Anmerkungen

Literatur

1 Es handelt sich hier um die Wiedergabe eines Kongressplakates, daher wurden nur begrenzt Literaturangaben eingearbeitet. Ich danke Sabine Peisker (LMU München), Dipl. Soz. Gwendolyn Buller (Berlin) und Dr. Bernd Leps (Berlin) für Diskussionen und Korrekturen sowie Dr. Peter Fasold (Archäologisches Museum Frankfurt/Main) für Literaturhinweise. M. Christophe Le Pennec (Musée de Vannes) und M. Joël Le Cornec (Société Polymathique du Morbihan,Vannes) bin ich sehr verbunden für die großzügige Überlassung von unpubliziertem Material, ohne welches dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre. 2 Perschke 2005: Fotodokumentation während der Material­ aufnahme für die Magisterarbeit im Großraum Carnac im September 2005.

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