Gottes Gerechtigkeit bei Paulus 9783666531798, 9783525531792

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Gottes Gerechtigkeit bei Paulus
 9783666531798, 9783525531792

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Peter Stuhlmacher • Gerechtigkeit Gottes bei Paulus

PETER STUHLMACHER

Gerechtigkeit Gottes bei Paulus Zweite, berichtigte Auflage

GÖTTINGEN - VANDENHOECK & RUPRECHT . 1966

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testamentes Herausgegeben von Ernst Käsemann und Ernst Würthwein Der ganzen Reihe 87. Heft

Meinem Lehrer Professor D. Ernst Käsemann in aufrichtiger Dankbarkeit

Umschlag: Christel Steigemaim. - © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1965. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotooder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Druck: Oswald Schmidt, Leipzig 8242

VORWORT Die vorliegende Arbeit ist im Winter 1962 von der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen als Dissertation angenommen worden. Für den Druck wurde sie im Frühjahr 1964 noch einmal gründlich überarbeitet. Seither erschienene Literatur konnte nur noch gelegentlich berücksichtigt werden. Auf R. BULTMANNS Aufsatz: Δικαιοσύνη Βεοϋ, J B L 83 (1964) S. 12-16, ist E. K Ä S E M A N N jetzt selbst eingegangen (Ex. Vers. u. Bes. II, S. 181 ff.). Ich brauche daher nur noch darauf hinzuweisen, daß mir angesichts der Stellen aus der Qumranliteratur und der paulinischen Antithese von Zorn Gottes und Gerechtigkeit Gottes BULTMANNS Auffassung von δικαιοσύνη 3εοΰ historisch auch jetzt nicht zwingend erscheint. Daß meine Studie nur ein erster Schritt auf dem Wege zu neuer Klärung der paulinischen Rechtfertigungstheologie ist, ist mir bewußt. Ehe man eine neue Gesamtinterpretation vorlegen kann, muß erst noch die Tradition des Verbums δικαιοϋν/δικαιοϋσ9αι aufgearbeitet werden. Ferner gilt es, ganz neue Kategorien zu erarbeiten, welche das dogmatische Recht der herkömmlichen Unterscheidung zwischen imputativer und effektiver Rechtfertigung zwar festzuhalten erlauben, aber dennoch die Rechtfertigung als das freie, ganzheitliche Schöpfungsgeschehen aussagbar machen, welches Paulus in ihr sieht. Zu danken habe ich mannigfach. Zunächst herzlich und aufrichtig meinem Lehrer, Prof. D. Ernst Käsemann, dessen Assistent ich war. Er hat mir ein Übermaß von Geduld, Rat und Weggeleit angedeihen lassen, bis die Arbeit geschrieben war. Ihm soll das Buch daher gewidmet sein. Sodann gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. H. Gese, der mich in den alttestamentlichen Fragen der Arbeit sehr förderlich beraten hat, sowie Herrn Prof. D. E. Würthwein für seine kritischen Anfragen in der Zeit der Neubearbeitung. Ferner danke ich dem Württembergischen Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart für seine finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung. Gleichzeitig weiß ich mich dem Verlag verbunden dafür, daß er die Arbeit so freimütig zu drucken unternahm. Zuletzt gilt mein Dank all jenen, die mich mit Literaturhinweisen und freundlichem Rat begleitet haben. Unter ihnen ist Herr Privatdozent Dr. M. Elze, Tübingen, an erster Stelle zu nennen. Peter Stuhlmacher Tübingen, im Februar 1965

VORWORT ZUR ZWEITEN, B E R I C H T I G T E N

AUFLAGE

Die zweite Auflage unterscheidet sich von der ersten kaum. Die leidige Fülle der Druckfehler ist nunmehr (hoffentlich!) reduziert. Auf den Seiten 14 und 18 ist der Text jeweils im ersten Absatz etwas umgestellt und sonst ganz gelegentlich sprachlich präzisiert worden. Die Aristoteles-Zitate S. 104 sind neu durchgesehen. Den freundlichen Augen, die mir bei all dem vorgearbeitet haben, sei herzlich gedankt. Um den noch stehenden Satz verwertbar zu halten und gleichzeitig die These meiner Arbeit bis zu einer zukünftigen Diskussion unverändert vorzutragen, habe ich auf die Einarbeitung der neu erschienenen Literatur verzichtet. Peter Stuhlmacher Tübingen, den 14. Januar 1966

INHALT

Α. Auslegungsgeschichte I. Die Interpretation von δικαιοσύνη Ssoö vom zweiten Jahrhundert an bis zur Reformationszeit ι. 2. 3. 4.

Gerechtigkeit Gerechtigkeit Gerechtigkeit Gerechtigkeit

Gottes bei den apostolischen Vätern Gottes bei den griechischen Vätern bis zur Zeit Augustine . Gottes bei den lateinischen Vätern bis auf Augustin Gottes in der Auslegung von Augustin bis zur Reformationszeit

II. Gerechtigkeit Gottes bei den Reformatoren ι . Luther 2. Melanchthon 3. Calvin

ιι n Ii 13 14 χ6

19 19 23 24

III. Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes vom 17. Jahrhundert a n b i s a u f F . CHR. B A U R

25

IV. Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes von F. CHR. BAUR bis zur Wende des Jahrhunderts 29 V. Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes im 20. Jahrhundert. ι . Die Doppelbedeutung von δικαιοσύνη SeoO 2. Die religionsgeschichtliche Schule 3. Die Interpretation vom Alten Testament und vom Judentum her

40 40 42 46

4. D i e Interpretationen v o n A . SCHLATTER, R . BULTMANN u n d K . B A R T H . . .

51

5. 6. 7. 8.

Versuche einer Synthese Die römisch-katholische und die außerdeutsche Interpretation Die Interpretation in der Gegenwart Zusammenfassung

59 61 65 70

B. Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

74

I. 2. Kor. 5,21

74

II. Rom. 1,17

78

III. Rom. 3,4 f

84

IV. Rom. 3,21-26

86

V. Rom. 10,3 VI. Phil. 3,9

9I

99

Inhalt C. Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich I. Gerechtigkeit Gottes im griechischen Denken II. Gerechtigkeit Gottes im hellenistischen Judentum ι. Philo 2. Josephus 3, Septuaginta a) Gerechtigkeit Gottes als Übertragung von (n)j?TX b) Gerechtigkeit Gottes als Übertragung anderer Wurzeln c) Gerechtigkeit Gottes in den selbständigen Schriften der Septuaginta . III. Gerechtigkeit Gottes im Alten Testament ι. Die kultische Verwurzelung von Jahwes Gerechtigkeit 2. Jahwes Gerechtigkeit in der Verkündigung der Propheten 3· m i r n ¡ n x in Dt. 33,21 IV. Gerechtigkeit Gottes in der Apokalyptik 1. Die Jesajaapokalypse (Jes. 24-27) 2. Das Danielbuch 3. Die Qumrantexte a) Gerechtigkeit Gottes in der Regel von Qumran α) i QS 11,12 β) ι QS 10,25 f b) Gerechtigkeit Gottes in den Hodajoth von Qumran c) Gerechtigkeit Gottes in der Kriegsrolle von Qumran d) Gerechtigkeit Gottes im Habakukkommentar von Qumran e) Gerechtigkeit Gottes in der Damaskusschrift f) Zusammenfassung 4. Die Jubiläen 5. Das äthiopische Henochbuch 6. Slavischer Henoch und drittes Buch der Sibyllinen 7. Die Testamente der Zwölf Patriarchen 8. Der 4. Esra 9. Die syrische Baruchapokalypse 10. Zusammenfassung V. Gerechtigkeit Gottes in der Synagoge ι. Die Psalmen Salomos 2. Mischna Aboth I - I V 3. Die Targumim zu Dt. 33,21 4. Die spätrabbinische Literatur (Beispiele)

D. Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament I. Die hellenistische Gemeinde vor Paulus II. Das Matthäusevangelium

102 102 I06

106 107 108 108 110 in 113 117 132 142 145 146 146 148 154 154 155 159 163 164 165 166 166. 168 169 170 172 173 174 175 178 180 182 183

185 185 188

III. Der Jakobusbrief

191

I V . Lukas

194

Inhalt

V. Die johanneische Schule

196

VI. Die Johannesoffenbarung

200

E. Gerechtigkeit Gottes als Signatur und Abbreviatur der paulinischen Theologie I. Die paulinische Eschatologie

203 203

II. Die paulinische Christologie

207

III. Die paulinische Ekklesiologie

210

IV. Die paulinische Rechtfertigungslehre

217

ι. Rechtfertigung und Taufe 2. Die Lehre von der Rechtfertigung 3. Rechtfertigung und Endgericht

220 222 228

F. Ausblick I. Gottes befreiendes Recht II. Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes ι. Lk. 18,9-14 2. Mt. 18,23-35 3. Mt. 20,1-16 4. Lk. 15,11-32 5. Die Antithesen der Bergpredigt 6. Das Vaterunser

237 238 240 244 2 6 4 247 248 249 252

III. Die Berufung unter Gottes befreiendes Recht

257

Register

259

Α. A U S L E G U N G S G E S C H I C H T E Ein ausführlicher Überblick über die Auslegungsgeschichte unseres Begriffes soll uns zunächst dazu verhelfen, unseren eigenen exegetischen Standort zu fixieren. Wir wählen als Prüfstein für diese Ubersicht hauptsächlich Rom. io,3, weil an dieser Stelle die paulinische Sicht von δικαιοσύνη Seoö am unverwechselbarsten in all ihren Nuancen zum Ausdruck kommt. Thesenartig nehmen wir dabei zunächst das Ergebnis unserer eigenen Auslegung von Rom. 10,3 vorweg. Gerechtigkeit Gottes scheint uns hier „das dieÄone überspannende, schöpferische, im Anbrach befindliche, als Wort sich heute ereignende und im Christus personifizierte befreiende Recht des Schöpfers an und über seiner Schöpfung" zu sein. Ob und in welchem Maße die Gerechtigkeit so erfaßt worden ist, muß nun die Auslegungsgeschichte selbst ergeben. Das chronologische Schema, dessen wir uns zur Darstellung fast durchweg bedienen, hat den Nachteil, dem Leser ein ermüdendes Nachund Miteinander von exegetischen Versuchen vor Augen zu führen. Dieser Nachteil ist aber zugleich der Vorteil dieser Darstellungsweise, weil sie den Leser damit vertraut macht, wie vom 2. Jh. an bis zur Gegenwart die Auslegung der paulinischen Rechtfertigungslehre von einer zum Experimentieren nötigenden Unsicherheit beherrscht ist.

I. Die Interpretation von δικαιοσύνη Seoö vom 2. Jahrhundert an bis zur Reformationszeit ι. Gerechtigkeit Gottes bei den apostolischen Vätern Der Tatbestand ist höchst auffällig: Keiner der sog. apostolischen Väter verwendet mehr 'Gerechtigkeit Gottes' als Begriff. Anklänge an die paulinische Rechtfertigungslehre sind spärlich1. Erwähnenswert sind nur Ignatius, Polykarp von Smyrna und der Diognetbrief. Ignatius weiß sich auf Gottes Gericht zugehen und hofft, kraft des Kreuzes, des Todes und der Auferstehung Christi, kraft seines durch Christus geweckten Glaubens und kraft der Fürbitte der Gemeinde in diesem Gericht angenommen = gerechtfertigt zu werden (Philad. 8,2). Das sola fide des Paulus hält er also noch, futurisch bezogen, fest. 1 Vgl. R . BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 3. Aufl. 1958, S. 56of.

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Auslegungsgeschichte

Der Philipperbrief des Polykarp von Smyrna zeigt wohl Anklänge an die paulinische Rechtfertigungslehre, besonders wenn 8,1 Christus als ή έλττίς ημών καί ό άρραβών της δικαιοσύνης ήμων bezeichnet, wenn von der christlichen Verkündigung als dem λόγος της δικαιοσύνης (9,1 f.) gesprochen wird und wenn schließlich 1,3 deutlich auf die Taufliturgie aus Eph. 2 Bezug nimmt. Da aber sonst der Begriff der Gerechtigkeit von Polykarp durchweg ethisch verstanden1 und mit der Liebe parallelisiert wird2, wird man auch 8,1 so verstehen müssen, daß Polykarp in Christus den Anfänger unserer eigenen, durch unseren Gehorsam zu vervollständigenden Gerechtigkeit sieht, daß er also nicht mehr genuin paulinisch zu denken vermag. Der bereits zur apologetischen Literatur zählende Diognetbrief zitiert 9,1-6 zwar Rom. 3,21-26, aber in charakteristischer Abänderung! Statt von Gerechtigkeit Gottes spricht der Brief hellenisierend von Gottes χρηστότης καί δύναμις bzw. seiner ύπερβαλλούση φιλανθρωπία καί άγάπη ! Von der menschlichen Gerechtigkeit ist dementsprechend nur im Rahmen des hellenistischen Tugenddenkens die Rede. Bereits in unmittelbar nachneutestamentlicher Zeit war also der paulinische Begriff δικαιοσύνη 3εοϋ unverständlich und die Rechtfertigungslehre selbst kaum mehr nachvollziehbar. Weshalb? Zweierlei ist deutlich: Die Eschatologie der apostolischen Väter kennt nicht mehr die paulinische Überlagerung beider Äone in der Gegenwart, also auch nicht mehr die eschatologische Spannung von Gegenwart und Zukunft, sondern nur noch eine (mehr oder minder) prolongierte Zukunftserwartung. Was aber für das Neue Testament gilt, gilt auch hier: Wer unmittelbar vor dem Gericht zu stehen meint, kommt vom Blick auf die eigenen Werke nur schwer los. Er kommt davon überhaupt nicht los, wenn sich mit der Umschichtung der Eschatologie auch, unmerklich zuerst und im Diognetbrief dann ganz offensichtlich, eine Umschichtung des Denkens vollzogen hat. Der Lebensweg der jungen Christenheit führte diese unwiderstehlich aus der radikalen apokalyptischen Kosmologie und Anthropologie des Paulus heraus und immer stärker hinein in hellenistisches Denken. Fühlbar wird dies alsbald an der neuen Wertung des Gesetzes und der Ethik®. Trotz des noch anhaltenden Schicksalsglaubens geht zunächst die pessimistische Anthropologie verloren, und das Judenchristentum lieferte dafür bereitwillig das biblische Belegmaterial. Der paulinischen Rechtfertigungslehre wurden so die entscheidenden Stützen entzogen und das sie strukturierende spätjüdische Rechtsdenken wurde unverständlich. Bis das Zusammentreffen von Eschatologie und Ontologie ein erneutes Wirksamwerden der pauli1

Vgl. 3,1.3; 2,3; 4 , 1 ; 9,if. 3.3Der Barnabasbrief kennzeichnet diesen Wandel, wenn er vom Evangelium in 2,6 als vom καινό; νόμο; του κυρίου ήμων ΊησοΟ Χρίστου fivsu ζυγοϋ άνάγκηΐ ών spricht. 2 8

Δ ι κ α ι ο σ ύ ν η SeoO vom zweiten Jahrhundert an bis zur Reformationszeit

13

nischen Lehre erlaubt, bleibt nunmehr die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes ein exegetisches Relikt 1 .

2. Gerechtigkeit Gottes bei den griechischen Vätern bis zur Zeit Augustins Wir stellen in unserer Untersuchung die griechischen Väter voran, weil sie zunächst exegetisch das Feld beherrschen®. - An der Spitze aller griechischen Väter steht chronologisch und sachlich Orígenes. SCHELKLE rechnet ihn zu den Exegeten, welche Gottes Gerechtigkeit als Gottes Eigenschaft der aequitas auffassen3. Dies trifft für Rom. 1,17 und 3,24Í. zwar zu, bringt aber zu wenig zum Ausdruck, daß iustitia dei für Orígenes ein komplexer Begriff ist. Bei der Auslegung von Rom. 3,21 ff. stützt er sich auf 1. Kor. 1,30 und bezeichnet die Gottesgerechtigkeit als den Christus selbst, und wenige Zeilen darauf spricht er von der „iustitia Dei per fidem Jesu Christi" 4 . Damit ist Orígenes der erste Exeget, der in Rom. 3,21-26 Gerechtigkeit Gottes doppelsinnig interpretiert. Zu Rom. 10,3 spricht er wieder von der Gottesgerechtigkeit „quae ex fide est" und definiert dann nach i.Kor. 1,30: „iustitia Dei, id est, Christus, 'qui factus est nobis iustitia a Deo'" 6 . Orígenes vereinigt also unter dem Vorzeichen der aequitas Gottes die C r i s t o logie und den Glauben und kommt so zu eben der 'schillernden Doppelbedeutung' (LIETZMANN) von Gerechtigkeit Gottes, welche es nicht mehr erlaubt, den Begriff einheitlich zu verstehen. Deutlich aber ist, daß Orígenes Gerechtigkeit Gottes als ein Gott, Christus und den Menschen umgreifendes Ereignis zu erfassen sucht. - Akazius von Caesarea faßt - nach SCHELKLE Gerechtigkeit Gottes als Gottes Strafgericht auf®. Ephraem der Syrer jedoch, den wir der Einfachheit halber gleich hier mitbehandeln, versteht unter δικαιοσύνη Seoö die von Gott gewährte Tugend des menschlichen Wandels vor Gott 7 . - Theodor von Mopsvestia setzt zu Rom. 10,3 Gottes Gerechtigkeit zweimal mit der uns gewährten und verheißenen δικαίωσις gleich8, scheint also von der Gabe Gottes sprechen zu wollen und nimmt damit den 1 W. WKEDE, Paulus (RV I 5/6), Tübingen 2. Aufl. 1907 (ed. FR. M. SCHIELE), S.ggi. formuliert phänomenologisch ganz richtig: Die paulinische Rechtfertigungslehre „verschwindet darum, weil die Situation verschwand, für die sie geschaffen war". 2 Die wichtigste Vorarbeit für unsere Ubersicht hat Κ. H. SCHELKLE in seinem Buch : Paulus, Lehrer der Väter. Die altkirchliche Auslegung von Röm. 1 - 1 1 , Düsseldorf 1959, geliefert. Leider fragt SCHELKLE nur danach, wie die Väter δικαιοσύνη Seoü in Röm. 1,17; 3,25 aufgefaßt haben und übergeht Röm. 10,3 ganz. Wir werden also teilweise SCHELKLES Untersuchung durch eine Überprüfung des exegetischen Tatbestandes zu Röm. 10,3 ergänzen müssen. 3 A . a . O . S. 41.108. 4 M S G 14, 944I (Rufin). 5 A . a . O . i i ö o f . (Rufin). β A . a . O . S. 41. 7 Vgl. SCHELKLE, a.a.O. S. 42. 110. 8 S. 150f. (Staab).

Auslegungsgeschichte

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Kardinalfehler vor allem der nachreformatorischen Ausleger voraus1. Vor ihm exegesiert so schon Apollinaris von Laodicea2 ; Diodor von Tarsus8 bietet die bereits von Orígenes her bekannte christologische Auslegung zu Rom. 10,3 ; Gregor von Nyssa4 setzt Gerechtigkeit Gottes mit Christus gleich, läßt aber keinen Zweifel daran, daß es daneben auch noch eine vergeltende Gerechtigkeit Gottes gibt, der die Christologie untergeordnet wird6. - Nächst Orígenes ist der wichtigste Ausleger griechischer Zunge Johannes Chrysostomus. Chrysostomus kennt wohl eine Gott selbst eignende Gerechtigkeit, möchte aber unter δικαιοσύνη 3εου Rom. 1,17 und 3,24! diese Gerechtigkeit nicht selbst, sondern Gottes Gabe verstanden sehen. Zu Rom. 10,3 sagt er, Paulus spreche im Zusammenhang von ΘεοΟ δικαιοσύνην την Ικ πίστεως, δια τ ό όλόκληρον αυτής έκ της άνωθεν είναι χάριτος, και ούχί πόνοις άλλά ΘεοΟ δικαιουσδαι δωρεςί*. Als Gabe Gottes interpretiert δικαιοσύνη ·9εου auch Severian von Gabalawährend Theodoret wieder auf Gottes eigene Gerechtigkeit deutet, welche das Opfer Christi als Genugtuung entgegennimmt8. Es kommt also hier noch nirgends zu einer einheitlichen Interpretation. 3. Gerechtigkeit Gottes bei den lateinischen Vätern bis auf Augustin· Einzusetzen haben wir bei Tertullian. Dieser versteht im Gegenschlag gegen Marcion iustitia dei als Gottes richterliche Gerechtigkeit10, ebenso wie schon Irenaus von Lyon11. Mit dem Ambrosiaster, dessen wahren Verfasser 1 U. WICKERT zeigt in seinen „Studien zu den Pauluskommentaren Theodors von Mopsuestia" (BZNW 27), Berlin 1962, wie sich der Bischof von Mopsuestia um ein Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre müht, aber durch sein an diese Lehre herangetragenes Vorverständnis gehindert wird, Paulus zu verstehen: ,,Th(eodor)s 'Vorverständnis' ist von zwei Faktoren bestimmt, von der Vorfindlichkeit des als Schöpfung verstandenen Kosmos und von der (relativen) Eigenständigkeit des Menschen. Unter solchen Voraussetzungen darf man nicht erwarten, daß der Antiochener des Apostels Rechtfertigungslehre wirklich hätte verstehen können" (S. 144). Unsere These, daß die Ontologie und Eschatologie der Zeit ein wirkliches Paulusverständnis bis hin zur Reformation verhindern, wird von WICKERT auch in anderem Zusammenhang bestätigt (vgl. S. 43f. 195-198 seines Buches). 2

V g l . SCHELKLE, a . a . O . S. 43.

8

S. 101 ( S t a a b ) .

4

V g l . SCHELKLE, a . a . O . S . 4 i f .

Da SCHELKLE trotz des von ihm beigebrachten Zitats S. 41 f. Gregor von Nyssa den Vätern zurechnet, welche unter δικαιοσύνη SeoO Gottes Strafgerechtigkeit verstehen, ist hier auf einen Mangel der Darstellung hinzuweisen: SCHELKLE unterscheidet nicht scharf zwischen der Auslegung des paulinischen Begriffes und der Frage nach Gottes Gerechtigkeit im systematischen Sinne. So wird die präzise Auskunft über die Auslegung der Väter mit einem Unsicherheitsfaktor belastet, welcher den Leser oft zu erneuter Durchsicht der Quellen nötigt. 5

6 8

7 V g l . SCHELKLE, a . a . O . S . 109. M S G 60, 565. V g l . SCHELKLE, a . a . O . S . 4 1 .

9 Zu diesem Abschnitt können wir außer auf SCHELKLE auch bereits auf K . HOLLS Aufsatz : Die iustitia dei in der vorlutherischen Bibelauslegung des Abendlandes, Ges. Aufs. Bd. 3 S. 171-188, zurückgreifen. Auch HOLL hält sich allerdings weitgehend an die Exegesen von Rom. 1,17 und 3,24ff., erwähnt aber 10,3 gelegentlich mit. 10

V g l . SCHELKLE, a . a . O . S. 4 1 .

11

V g l . SCHELKLE, a . a . O . S . 108.

Δικαιοσύνη Seoö vom zweiten Jahrhundert an bis zur Refonnationszeit

15

wir noch immer nicht kennen, tritt uns zum ersten Male die Auslegung von iustitia dei mit Hilfe von Phil. 3,9 entgegen. Zu Rom. 1,17 interpretiert der Kommentar: „Justitiam Dei dicit, quia gratis justificat impium per fidem, sine operibus legis, sicut alibi dicit : 'Ut invernar in ilio non habens meam justitiam, quae ex lege est, sed illam, quae ex fide est'. Quae ex Deo est justitia in fide, ipsam justitiam dicit revelari in Evangelio, dum donat homini fidem per quam iustificetur" 1 . Neben diese Interpretation tritt jedoch sogleich eine zweite, denn der Kommentar fährt fort : „Ostenditur enim in eo (sc. evangelio) Veritas et justitia Dei, dum credit et profitetur: justitia est Dei, quia quod promisit, dedit. Ideo credens hoc esse se consecutum, quod promiserat Deus per prophetas suos, justum Deum probat, et testis est justitia eius." Gottes Gerechtigkeit ist also zugleich seine aus dem Alten Testament bekannte Verheißungstreue und die sich im Glauben des Einzelnen äußernde Gottesgabe. Der Ambrosiaster repräsentiert damit im lateinischen Sprachraum die Doppelauslegung, welche wir von Orígenes her kennen. Seine beiden Definitionen vereint der Ambrosiaster bei der Auslegung von Rom. 3,24 f. durch eine Anselms These präludierende Ausweitung des aequitas-Begriffes : Gott ist von einer solch umfassenden Gerechtigkeit, daß es seiner ebenso würdig ist, einmal gegebene Verheißungen einzulösen, wie es Gott angemessen ist, sich der Sünder anzunehmen, die sich zu ihm flüchten, „quia non suscipere confugientem iniquitas est" 8 . Zu Rom. 10,3 vereint der Kommentar seine beiden Deutungen mit Hilfe von i.Kor. 1,30: Die Juden ziehen dem Christus, „qui est Dei justitia in fide", „justitias suas, quas ex lege habebant", vor. „Justitia enim ipse est, quia quod promiserat Deus, in ipso implevit." 3 Auch für den Ambrosiaster ist also, wie für Orígenes, mit iustitia dei ein Gott, Mensch und Christus umgreifendes Heilsereignis gemeint. Der Ambrosiaster kommt Paulus jedoch näher als Orígenes, weil iustitia dei für ihn in erster Linie Gottes Verheißungstreue ist. - Pelagius kennt, wie S C H E L K L E 4 und H O L L 5 betonen, eine vergeltende Gerechtigkeit Gottes, doch interpretiert er iustitia dei so nur Rom. 1,17. Sonst deutet Pelagius iustitia dei auf Gottes Gabe, wie seine Auslegungen von Rom. 3,21.25 und vor allem von Rom. 10,3 erweisen. Hier heißt es : „Ignorantes enim dei iustitiam ... Ignorantes quod deus ex sola fide (!) iustificat, et iustos se ex legis operibus quam non custodierunt esse putantes, noluerunt se remissioni subicere peccatorum."* Diese Sätze schreibt derselbe Mann, der zu Rom. 3,21 sagen kann, die Gerechtigkeit Gottes sei durch die „exempla Christi evidentiora patefacta" 7 . Iustitia dei meint also, als Gabe verstanden, das Geschenk der Tugend, kann aber auch die Eigenschaft des gerechten Gottes sein. - Hat man einmal diese sich durch die Auslegung der Lateiner ziehende doppelte Interpretation festgestellt, so ist Augustins geschlossene Auslegung von vornherein höchst eindrucksvoll. An 1 5

MSL 17, 58. A.a.O. S. 175f.

2

3 A . a . O . 149. 4 A.a.O. S. 42. A . a . O . 83. 6 S. 81 (Souter). 7 S. 32 (Souter).

ι6

Auslegungsgeschichte

allen einschlägigen Stellen1 versteht er unter iustitia dei eine Gerechtigkeit, „non qua Deus iustus est, sed qua induit hominem, cum iustificat impium" 2 . Stets bezeichnet also iustitia dei für Augustin Gottes rechtfertigende Gabe. Seine einheitliche Auslegung erzielt Augustin dadurch, daß er den paulinischen Begriff entschlossen mit dem Gedanken des gnädigen Gottes zusammendenkt. Obwohl nun problematisch wird, warum Paulus nicht besser von Gottes gratia statt von iustitia dei gesprochen hat3, und sich Augustin von Paulus selbst mit dieser Gleichsetzung von Gnade und Gerechtigkeit entfernt, ist der Durchstoß auf eine einheitliche Interpretation mit Hilfe des Gottesbegriffes nicht zu unterschätzen. Es bestätigt sich hier, was wir bereits bei den apostolischen Vätern sahen, daß der paulinische Begriff nur in einer bestimmten Konstellation von Eschatologie und Ontologie sachgerecht interpretiert werden kann. Augustin nähert sich vom Gottesbegriff her dieser Konstellation. Was ihn zur Preisgabe aller paulinischen Aspekte außer dem der Gnade Gottes nötigt, ist sein neuplatonisches Denken und zudem die antipelagianische Frontstellung. Diese beiden Momente führen ebenso zu einer rein individualistischen Zuspitzung der Rechtfertigung, wie sie es Augustin erlauben, Rechtfertigung und gute Werke des Menschen zusammenzusehen4. 4. Gerechtigkeit Gottes in der Auslegung von Augustin bis zur Reformationszeit Beherrschend sind nunmehr allein die lateinischen Väter. Wir stellen sie daher voran. Atto von Vercelli denkt zwar bei iustitia dei in Rom. 1,17 an die Strafgerechtigkeit Gottes, setzt aber zu 3,21 ff. Gerechtigkeit und Gnade Gottes nach dem Vorgang von Augustin gleich5. Die gleiche Differenz findet sich auch bei Abälard, nur daß Gottes Strafgerechtigkeit und die Gnadengabe notdürftig durch den Gedanken verbunden werden, Gott ermögliche dem Menschen eine Vergebung erwirkende tätige Liebe. Petrus Lombardus exegesiert in den Spuren von Anselm6 und dem Ambrosiaster: Gottes Ge1

Rom. 1,17 (De spir. et lit. XI, 18 MSL 44,211); Röm.3,21 und 10,3 (De spir. et

lit. I X , 1 5 M S L 44,209; Enarr. i n P s . X X X 11,6 M S L 3 6 , 2 3 3 ) ; 2. Kor. 5 , 2 1 ( D e spir. e t lit. X V I I I , 31 M S L 44,220). 2 8 D e spir. e t lit. I X , 1 5 ( M S L 44,209). V g l . HOLL, a.A.O. S. 1 7 4 Í .

5 Vgl. HOLL, a.a.O. S. 175. Vgl. HOLL, a.a.O. S. 177. Wegen ihrer hohen theologiegeschichtlichen Bedeutung sei Anselm von Canterburys Satisfaktionstheorie wenigstens mit zwei Zitaten aus „Cur deus homo" belegt. Der Begriff der Gerechtigkeit Gottes, von dem Anselm ausgeht, wird von ihm exegetisch nicht belegt, sondern ohne Zweifel an seiner Berechtigung eingeführt : , , . . . Si deo nihil maius aut melius, nihil iustius quam honorem servat in rerum dispositione summa iustitia, quae non est aliud quam ipse deus . . . Nihil ergo servat deus iustius quam suae dignitatis honorem ... Videtur tibi quod eum integre servet, si sic auferri sibi permittit, ut nec solvatur nec ipse auferentem puniat? . . . Necesse est ergo, ut aut ablatus honor solvatur aut poena sequatur. Alioquin aut sibi deus ipsi iustus non erit aut ad utrumque impotens erit; quod nefas est vel cogitare" (I 23). Gerechtigkeit Gottes ist 1

β

Δικαιοσύνη Seoö v o m zweiten Jahrhundert an bis zur Reformationszeit

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rechtigkeit umschließt als aequitas höchsten Sinnes die Momente der Verheißungstreue und der Vergebungsbereitschaft, aber auch der Gerichtsaspekt bleibt bestehen. Wer sich nicht als Sünder erkennt und zu Gott flüchtet, erhält keine Vergebung zugesprochen! - In Thomas von Aquins Römerkommentar laufen die Fäden aller Traditionen zusammen. Die Folge ist, daß Thomas zu Rom. 1,17 drei Erklärungen anbietet: 1. „iustitia qua Deus iustus est, secundum illud Ps. X,8: Iustus Dominus et iustitias dilexit" 1 . Dies ist also die Strafgerechtigkeit Gottes im traditionell-aristotelischen Sinn von iustitia distributiva. Daß diese Sicht der Gottesgerechtigkeit das Denken des Aquinaten bestimmt, zeigen seine Exegesen von Rom. 3,21 ff. und 3,25. Wenn die Vergebung der Sünden Gottes Gerechtigkeit erweist, so ist nach Thomas damit gemeint: „ut sit ipse iustus, id est ut per remissionem peccatorum Deus appareat iustus in se ipso, tum quia remittit peccata sicut promiserat, tum quia ad iustitiam Dei pertinet quod peccata destruat, homines ad iustitiam Dei reducendo" 2 . Gottes Gerechtigkeit im Sinne dieser allumfassenden aequitas ist also der übergreifende Begriff und die zweite Erklärung von iustitia dei zu Rom. 1,17 ein Teilaspekt dieser aequitas: 2. „iustitia Dei, qua scilicet iustus est servando promissa"*, also Gottes Verheißungstreue (nach dem Ambrosiaster); ebenso aber auch die dritte Auslegungsmöglichkeit (nach dem Vorbild Augustins) : 3. „iustitia Dei, qua Deus homines iustificat" 4 . Als Gottes Gabe faßt Thomas iustitia dei auch in Rom. 10,3 auf: „Iustitiae enim Dei non sunt subiecti, id est, uolunt subiici Christo, per cuius fidem iustificantur homines a Deo" 5 . Exegetisch möchte Thomas gern Augustin folgen, kann jedoch mit seinem Gottesbegriff diese Deutung nicht vereinen und bietet deshalb zu Rom. 1,17; 3,2iff.25f.; 10,3 und 2. Kor. 5,21 stets mehrere Deutungsmöglichkeiten. Daß Thomas Paulus und seinen eigenen Gottesbegriff, welcher dazu zwingt, Gottes Gerechtigkeit als aequitas dei aufzufassen, nicht zusammenzwingt, spricht für das exegetische Format des Aquinaten. Daß er beides zusammenbiegen müßte, zeigt, daß weder seine rein futurische Eschatologie noch seine aristotelische Ontologie es zulassen, Gerechtigkeit Gottes im genuin paulinischen Sinne zu erfassen. für Anselm also wesenhaft Gottes dignitas, welche G o t t nur so zu bewahren vermag, daß er sich selbst gerecht ist. Gerechtigkeit Gottes ist Gottes eigenes Sich-selbst-¿erecht-Werden. In diese Gerechtigkeitskonzeption paßt Anselm Gottes misericordia ein: „Misericordiam vero d e i . . . tam magnam tamque concordem iustitiae invenimus, ut nec maior nec iustior cogitari possit. Nempe quid misericordius intelligi valet, quam cum peccatori tormentis aetemis damnato et unde se redimat non habenti deus pater dicit: accipe unigenitum meum et da pro te; et ipse filius: toile me et redime te? Quasi enim hoc dicunt, quando nos ad Christianam fidem vocant et trahunt. Quid etiam iustius, quam ut ille cui datur pretium malus omni debito, si debito datur affectu, dimittat omne debitum?" (II 20). 1 Ich zitiere nach der Ausgabe von R. CAI, Edilio V I I I revisa, Vol. I Turin/Rom 1953; das Zitat: S. 102. 2 A . a . O . S. 312. 4 A.a.O. 5 A . a . O . S. 818. » A . a . O . S. 102.

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8342 Stüh Imacher, Gerechtigkeit

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Auslegungsgeschichte

Unter den griechischen Vätern will Gennadius von Konstantinopel Gerechtigkeit Gottes als die Gottesgabe der Sündlosigkeit interpretieren 1 ; Photius versteht unter δικαιοσύνη Ssoö ebensowohl solche Tugendgabe wie die Philanthropie Gottes, welche den Sünder zum rechten T u n erhebt; Arethas von Cäsarea erkennt in dem Ausdruck die vergeltende Gottesgerechtigkeit 2 ; Oekumenius von Trikka schließlich versucht, all diese A s p e k t e von R o m . 3,26 her a b z u g l e i c h e n 3 . Fassen wir zusammen: In der Zeit von den apostolischen Vätern bis zur Reformation sind es zwei sich ständig wiederholende und verschlingende Auslegungsversuche, mit denen man Gerechtigkeit Gottes z u erklären sucht. Der erste, und für die lateinischen V ä t e r abgesehen von Augustin durchw e g beherrschende, denkt iustitia dei als Gottes richterliche iustitia distributiva bzw. Gottes aequitas. Meist erscheint dann Gerechtigkeit Gottes als Abbreviatur des v o m Richtertum Gottes her konzipierten Rechtfertigungsgeschehens. Insofern kann dann iustitia dei auch Gottes Gabe bezeichnen. V o n den griechischen Vätern vertreten diese Auslegung: Orígenes, A k a z i u s von Caesarea, Gregor von Nyssa, Theodoret, Arethas von Cäsarea und Photius. Mit Augustin stoßen wir auf den zweiten Auslegungstyp. Gerechtigkeit Gottes ist hier Gottes Gabe der Gerechtigkeit, des rechtfertigenden Glaubens oder auch Gottes Gnade selbst. A u ß e r bei Augustin findet sich diese Auslegung nur noch bei folgenden griechischen Vätern : Theodor von Mopsvestia, Apollinaris von Laodicea, Diodor von Tarsus, Johannes Chrysostomus, Severian von Gabala, Gennadius von Konstantinopel und Oekumenius v o n Trikka. W i e Chrysostomus zeigt, kennen diese E x e g e t e n ζ. T . auch eine strafende Gottesgerechtigkeit, aber exegetisch hat bei ihnen die Interpretation auf die Gabe Gottes hin den Vorrang. V o n allen E x e g e t e n vor der Reformation ist es allein Augustin gelungen, den paulinischen Begriff einheitlich zu interpretieren, jedoch nur so, daß Gottes Gnade und Gottes Gerechtigkeit zusammenfielen. Keiner der V ä t e r ist darauf aufmerksam geworden, daß Paulus selbst Rechtfertigung und Schöpfungsaussagen einander interpretierend zuordnet. Dies Miteinander zu gewahren und von daher iustitia dei als Gottes W e r k zu interpretieren, ist Luthers eigentliche exegetische Leistung 4 . 1

SCHELKLE, a . a . O . S . 42.

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SCHELKLE, a . a . O .

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SCHELKLE, a . a . O . S . 1 1 0 .

G e g e n ü b e r SCHELKLE, der a . a . O . S. 4öS. e r n e u t die T h e s e v e r t r i t t , L u t h e r h a b e , w e n n er g e w o l l t h ä t t e , w i e a u s A u g u s t i n , so a u c h a u s der p a t r i s t i s c h e n A u s l e g u n g d a s 1

V e r s t ä n d n i s v o n i u s t i t i a d e i a l s G a b e G o t t e s e n t n e h m e n k ö n n e n , i s t darauf h i n z u w e i sen, a) d a ß L u t h e r i n der V o r r e d e z u d e n l a t e i n i s c h e n W e r k e n v o r a l l e m seine s y s t e m a t i s c h e n L e h r e r i m A u g e h a t (vgl. HOLL, a . a . O . S . 1 7 1 f . u n d H . BORNKAMM, I u s t i t i a D e i i n der S c h o l a s t i k u n d b e i L u t h e r , A R G 39 [1942] S. i f f . ) , b) d a ß es a u ß e r A u g u s t i n n u r griechische V ä t e r sind, w e l c h e die g e s u c h t e E x e g e s e v e r t r e t e n . H i e r i s t es n u n in der T a t die F r a g e , „ w i e w e i t L u t h e r diese f r ü h e r e A u s l e g u n g g e k a n n t h a t u n d k e n n e n k o n n t e " (SCHELKLE, a . a . O . S . 43). K e i n e s w e g s b i l d e n d i e L u t h e r u n t e r s t ü t z e n d e n E x e g e t e n aber, w i e SCHELKLE a . a . O . S . 42 m e i n t , die M e h r z a h l , u n d v o r a l l e m i s t a u c h ihr D e n k e n n i c h t f r e i v o n der V o r s t e l l u n g der i u s t i t i a d i s t r i b u t i v a G o t t e s , w e l c h e L u t h e r g e r a d e r a d i k a l a u s g e s c h l o s s e n s e h e n m ö c h t e ! D a s z e i g t b e s o n d e r s der L u t h e r a u s l a t e i n i s c h e n Ü b e r s e t z u n g e n sicher b e k a n n t e J o h . C h r y s o s t o m u s .

Gerechtigkeit Gottes bei den Reformatoren

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I I . Gerechtigkeit G o t t e s bei den R e f o r m a t o r e n

1. Luther Wer Luthers Römerbrief Vorlesung auf Luthers Verständnis von 'Gerechtigkeit Gottes' durchsieht 1 , bemerkt, daß Luther an allen Stellen: Rom. 1,17 a ; 3,5 s ; 3,24f. 4 ; und 10,3 5 iustitia dei mit iustitia fidei gleichsetzt 6 , also von Gottes Gabe sprechen möchte. Rom. 10,3 findet neben Rom. 1,17 und 3,24f. keine besondere Beachtung. Dennoch wäre es voreilig, nun eben auch Luther nur eine Differenz zu Paulus vorzuhalten. In der Scholie zu Rom. 3,5 hieß es ja ausdrücklich, iustitia Dei sei diejenige iustitia, „qua iustus est et nos iustificat" 7 . D a ß es sich hier um eine höchst bewußte Interpretation handelt, zeigen Luthers Operationes in Psalmos. Hier heißt es zur VulgataUbersetzung von Ps. 23 (24) V. 5 : „ . . . non inepte transtulit : 'Hic accipiet benedictionem a domino et misericordiam a Deo salutari suo', cum pro 1 Ich zitiere nach J. FICKERS Ausgabe, und zwar die Glosse als I und die Scholien als IX. 2 Zu 1,17 heißt es II 14: „ E t hic . . . iustitia Dei non ea debet accipi, qua ipse iustus est in se ipso, sed qua nos ex ipso iustificamur, quod fit per fidem evangelii". 3 I I 55: „ N o n hic loquitur de iustitia, qua ipse iustus est, sed qua iustus est et nos iustificat et ipse respectai nostri solus iustus" ; ζ. St. vgl. P. ALTHAUS, Die christliche Wahrheit, Gütersloh 3. Aufl. 1952, S. 284Í. 4 I I 98: „ P a t e t similiter ex isto textu, quod Deus iustus dicitur apud Apostolum a Mistificando seu iustos faciendo, ut supra dictum est. E t sie evidenter etiam ipso Apostolo se exponente patet, quod iustitia Dei dicatur, qua ipse nos iustificat, sicut sapientia Dei, qua nos sapientes facit." 5 I 92 : „Ignorantes volenter et resistendo docentibus enirn iustitiam dei que est per fidem Christi et humilitatem obedientie verbi Dei et suam ... que est ex operibus quaerentes zelantes statuere, defendere iusticiae Dei per fidem Christi non sunt subiecti." Die Scholien geben keine weitere Erklärung zu Rom. 10,3, wohl aber die Operationes in Psalmos: ,, . . . Vocatur autem iustitia Dei et nostra, quod illius gratia nobis donata sit, sicut opus Dei, quod in nobis operatur, sicut verbum Dei, quod in nobis loquitur, sicut virtutes Dei, quas in nobis operatur, et multa alia. Sic Psalm. (30,2) : 'In iustitia tua libera me'. E t Rom. (10,3) : 'Ignorantes iustitiam Dei et suam volentes constituere iustitiae Dei non sunt subiecti'." (WA 5, 144, 8fl.). Auf diese Stelle machen aufmerksam E. BIZER, Fides ex auditu, Neukirchen 2. Aufl. 1961, S. 169 und das schönste mir zur Rechtfertigungslehre Luthers bekannte Buch: H. J. IWAND, Glaubensgerechtigkeit nach Luthers Lehre, München 3. Aufl. 1959, S. 58 ( = S. 90, Anm. 164). 6 Diese Gleichsetzung wird von Luther ausdrücklich vollzogen : Gott wird gerechtfertigt „quando impíos iustificat et gratiam infundit sive quando iustus esse in suis verbis creditur. Per tale enim credi iustificat i. e. iustos reputat. Unde hec dicitur iustitia fidei et Dei" (II 59). 7 II 55 ; Luther trennt auch sonst in der Römerbriefvorlesung nicht zwischen dem Verhalten des Gebers und seiner Gabe, versucht also iustitia dei als schöpferisches Verhalten Gottes und deshalb auch als Gabe Gottes zu fassen : „ . . . sie in iustitia, qua ipse me iustificat, solus ipse glorificatur, quia solus iustificatur (i.e. iustus esse agnoscitur)" I I 55f.; „per tale enim credere nos iustificat i. e. iustos reputat. Unde dicitur iustitia fidei et iustitia Dei effective" (II 60) ; „ Q u i a sicut solus Deus verax et iustus et potens in se ipso, vult etiam extra se i. e. in nobis esse talis, ut sic glorificetur . . . E t ita Deus per suum exire nos facit ad nos ipsos introire et per sui cognitionem infert nobis et nostri cognitionem" (II 67) ; „Deus per remissionem peccatorum, que fecimus in preterito, ostendit se iustificatorem esse omnium. E t ita remissio peccatorum arguit eum iustum et iustificare potentem" (II 97) usw.



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Auslegungsgeschichte

'misericordia' Hebraeus 'iustitiam' habet, quod benedictio Dei et iustitia Dei sunt idem, scilicet ipsa misericordia et gratia Dei nobis collata in Christo. Atque hic tropus loquendi de iustitia Dei, quia alius et ab usitato humanae locutionis modo, multa multis difficultates peperit, quanquam non sit penitus reiiciendum, iustitiam Dei etiam tropo iam dicto esse iustitiam, qua Deus iustus est, ut eadem iustitia Deus et nos iusti simus, et suum esse nostrum sit." 1 In der Scholie zu Rom. 3,4 heißt es ähnlich: „Ergo dum iustificatur, iustificat, et dum iustificat, iustificatur."2 Iustitia Dei bezeichnet für Luther also das schöpferisch-wirksame Ereignis der rechtfertigenden Gnade Gottes und nicht eine göttliche Eigenschaft. Luther hat mit dieser Fassung des paulinischen Begriffes tatsächlich die gesamte vor ihm liegende exegetische Tradition überwunden und das entscheidende paulinische Interesse an der Gerechtigkeit Gottes wieder aufgedeckt*. Dies neue Verständnis von iustitia Dei durchzieht nun Luthers Werke bis hin zur Vorrede zu den lateinischen Werken von 1545. Wir nennen nur einige wenige Belege. Zunächst die Vorrede zum Römerbrief im Septembertestament: „Gerechtigkeit ist nu solcher glaube, und heyst Gottis gerechtigkeit, odder die fur Got gilt, darumb, das es Gottis gäbe ist, und macht den menschen, das er yderman gibt, was er schuldig ist. Denn durch den glawben wirt der mensch on sund, und gewynnet lust zu Gottis gepotten, damit gibt er Got seyn ehre und betzalet yhn, was er yhm schuldig ist." 4 Wenn es unmittelbar vorher heißt, der Glaube sei Gottes uns wandelndes und neuschaffendes Werk in uns5, so zeigt dies, daß Luther an der Rechtfertigung als einem Schöpfungsvorgang festhält und daß so jede Möglichkeit verlegt wird, den Glauben als Leistung des Menschen und Damit die Rechtfertigung als Werk des Menschen aufzufassen. - 1526 setzt „De servo arbitrio" diese Interpretation fort. Die Kraft, welche Gottes neuschaffende Rechtfertigung durchführt, ist hier der heilige Geist: „ubi spiritu 2 II 65. W A 5,144, i3fi. Daß Rechtfertigung in der Römerbriefvorlesung in diesem Sinne als Gottes Werk aufgefaßt werden muß, hat K . HOLL in seinem (bereits 1910 in der Z T h K erschienenen) Aufsatz : Die Rechtfertigungslehre in Luthers Vorlesung über den Römerbrief mit besonderer Rücksicht auf die Frage der Heilsgewißheit, Ges. Aufs. I S. 111-154, bes. S. 119 dargelegt. Hätte A. SCHLATTER dies beachtet, so hätte seine Kritik an Luthers Römerbrief Vorlesung: Luthers Deutung des Römerbriefs (BFChrTh 21,4) 1917, bes. S. 48-72, anders formuliert werden müssen. E . ELLWEINS Antikritik an SCHLATTER: Schlatters Kritik an Luthers Römerbriefvorlesung, ZZ 5 (1927) S. 530-543, ist also berechtigt. 4 W A , D B 7, 10, 8fi. 1546 wird der Anfangssatz folgendermaßen erweitert: „Ge2 rechtigkeit ist nu solcher Glaube, Und heisset Gottes gerechtigkeit, oder die fur Gott gilt, darumb, das sie Gott gibt, und rechent fur gerechtigkeit, umb Christus willen unsers Mittlers, und macht den Menschen, das er jederman gibt was er schuldig ist" (a.a.O. I I , 28fi.). s „Aber glawb ist eyn gotlich werck ynn uns, das uns wandelt und new gepirt aus Gott, Johan. 1 und todtet den allten Adam, macht uns gantz ander menschen von hertz, mut, synn, und allen krefiten, und bringet den heyligen geyst mit sich . . . " (WA, D B 7, 10, 6ff.). 1

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Gerechtigkeit Gottes bei den. Reformatoren

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gratiae agit (sc. Deus) in illis, quos iustificavit, hoc est, in regno suo, similiter eos agit et movet, et illi, ut sunt nova creatura, sequuntur et cooperantur, vel potius, ut Paulus ait, aguntur" 1 . Wir merken zunächst nur an, daß als treibendes Motiv des Gotteshandelns hier gratia und nicht mehr iustitia genannt wird2. Zu iustitia dei heißt es, für das Verständnis Luthers besonders bemerkenswert, „ut fides Christi latine sonat, quam Christus habet, sed Ebraeis fides Christi intelligitur, quae in Christum habetur, sie iustitia Dei latine dicitur, quam Deus habet, sed Ebraeis intelligitur, quae ex Deo et coram Deo habetur" 8 . Aus diesem Zitat wird ersichtlich, daß Luther unter dem Eindruck seiner systematisch-exegetischen Tradition iustitia Dei nur dann im Sinne eines gen. subiectivus verstehen konnte, wenn er sie „latine" bzw. aristotelisch als Gottes strafrichterliche Eigenschaft interpretierte. Luther sieht, daß dies nicht paulinisch ist. Denn Gerechtigkeit Gottes ist für Paulus der heilvolle Machterweis Gottes (und so wollte Luther zunächst auch iustitia dei interpretieren). Um diese Neuentdeckung zu sichern, nimmt Luther die (historisch unzutreffende) Reflexion auf den hebräischen status constructus zu Hilfe; damit bringt er richtig jedenfalls dies eine zum Ausdruck, daß man im Rahmen der alttestamentlich-jüdischen Denkweise unter Gottes Gerechtigkeit keine ruhende Eigenschaft Gottes verstand. Wenn Luther nunmehr nur noch von der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt und die Gott gibt, gesprochen wissen will, dann will er damit die paulinische Intention im Gegenzug zu der vorlutherischen Auslegungstradition verfolgen. Er behält deshalb auch nicht seine ursprüngliche Neufassung von iustitia dei = Gottes eigene und zugleich rechtschaffende Gerechtigkeit bei, weil dies unvermeidbar dem aristotelischen Mißverständnis erneut Vorschub geleistet hätte. Um diesem Mißverständnis zu wehren, bezeichnet er nun Gottes gratia, misericordia, benignitas etc. als Grund der Rechtfertigung, ohne damit selbst iustitia dei und gratia dei auseinanderzureißen oder gar den Machtanspruch der Gnade Gottes leugnen zu wollen. Terminologisch entsteht mit der Zuwendung zu dem Verständnis von iustitia dei im Sinne eines gen. auctoris also ein Widersprach zu Paulus, welcher jedoch systematisch gerade dem richtigen Paulusverständnis aufhelfen soll. Dieser Tatbestand ist ein klassisches Beispiel dafür, daß exegetisches Verstehen abhängig ist von dem systematischen Eindringen in den Text. Luther Clem. I I I 253, 2 f i . (WA 18, 753). Ebenso nennen die meisten der von P. ALTHAUS in seiner „Theologie Martin L u thers", Gütersloh 1962, zum Rechtfertigungskomplex zitierten Belegstellen: W A 39 I, 98, 8 (S. 199 Anm. 22), W A 39 I, 225, 3 (S. 217 A n m . 114), W A 39 I, 492, 29 (S. 211 A m 86), W A 8, 96, 2 (ibd.) als Grund der Rechtfertigung Gottes misericordia oder benignitas, nicht aber iustitia dei ! - Merkwürdig ist, daß ALTHAUS in seinem Kapitel über die Rechtfertigung (S. 195-218) auf den Begriff iustitia dei überhaupt nicht eingeht. 1

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3 Clem. I I I 270, 330. ( W A 18, 768 f.) ; die Stelle ist für das Verständnis der Begrifle iustitia dei activa und passiva bei Luther entscheidend. Vgl. E . HIRSCH, Hilfsbuch z. Stud. d. Dogmatik, S. 130 : „ I n der Luther überkommenen und gern von ihm gebrauchten Terminologie nennt man den gen.subi. und poss. die aktive Bedeutung einer Genetiwerbindung, den gen.obi. und autoris die passive Bedeutung der Genetiwerbindung."

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Auslegungsgeschichte

hat den Widersprach, der bei ihm zwischen exegetischem Befund und systematischer Interpretation klafft, selbst nicht empfunden, weil er a) im Gegenschlag gegen die Exegese seiner Zeit arbeitete, b) von dieser seiner Tradition die individualistische Ausrichtung der Rechtfertigungslehre als gesichert übernahm und c) diese individuelle Zuspitzung von seinem theologischen Erfahrungsdenken her als systematisch legitim empfand. Man muß dies alles im Auge behalten, um die entscheidende Stelle aus der Vorrede zu den lateinischen Werken von 1 5 4 5 recht verstehen zu können. Die Stelle lautet: „Oderam enim vocabulum istud 'Iustitia Dei', quod usu et consuetudine omnium doctorum doctus eram philosophice intelligere de iustitia (ut vocant) formali seu activa, qua Deus est iustus, et peccatores iniustosque pun i t . . . Donee miserente Deo meditabundus dies et noctes connexionem verborum attenderem, nempe: Iustitia Dei revelatur in ilio, sicut scriptum est: Iustus ex fide vivit, ibi iustitiam Dei coepi intelligere earn, qua iustus dono Dei vivit, nempe ex fide, et esse hanc sententiam, revelari per evangelium iustitiam Dei, scilicet passivam, qua nos Deus misericors iustificat per fidem, sicut scriptum est : Iustus ex fide vivit. Hic me prorsus renatum esse sensi, et apertis portis in ipsam paradisum intrasse. Ibi continuo alia mihi facies totius scripturae apparaît. Discurrebam deinde per scripturas, ut habebat memoria, et colligebam etiam in aliis vocabulis analogiam, ut opus Dei, id est, quod operatur in nobis Deus, virtus Dei, qua nos potentes facit, sapientia Dei, qua nos sapientes facit, fortitudo Dei, salus Dei, gloria D e i " 1 . Diese Stelle zeigt, und zwar eindeutig, daß iustitia dei Gottes heilschaffendes, rechtfertigendes Handeln meint, denn iustitia dei ist ein opus Dei, quod operatur in nobis Deus 2 . Iustitia dei ist nicht die Strafgerechtigkeit eines unbestechlichen Gottes, sondern das im Evangelium zu den Menschen ziehende Angebot und Gebot des Heiles selbst*. Rechtfertigung ist der Umgang des Schöpfers mit seiner Kreatur. - Luther ist mit diesem Verständnis wieder zu Paulus selbst vorgedrungen. E r erzielt diesen Durchbruch dadurch, daß er wie Augustin iustitia dei von seinem Gottesbegriff her denkt, daß er wie Paulus Gegenwart und Zukunft eschatologisch bestimmt weiß und daß er schließlich wie der Apokalyptiker Paulus den Widerfahrnis- und Leidenscharakter alles Seins erkennt und nachvollzieht. Zweierlei ist aber auch deutlich geworden: Im Gegenzug gegen seine Tradition hat Luther terminologisch eindeutig nur den Gabecharakter der iustitia dei hervorgehoben. Daß iustitia dei Gottes eigenes, heilschaffendes Walten ist, wurde 1

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Clem. I V 4 2 7 ! . ( W A 5 4 , 1 8 5 ! ) .

Vgl. G. EBELING, Artikel: Luther, Theologie, R G G 8 I V 498.

Von seiner Frühzeit an hat Luther die Rechtfertigung als ein Wortgeschehen interpretiert, denn Gottes Wort ist für Luther die schöpferische Ankunft Gottes! Vgl. II 65 : „iustificat, vincit enim in verbo suo, dum nos tales facit, quale est verbum suum, hoc est iustum, verum, sapiens etc. Et ita nos in verbum suum, non autem verbum suum in nos mutât". SCHLATTER mißversteht Luther a.a.O. S. 50, wenn er meint, mit dem Worte Gottes werde „nicht ein göttliches Wirken, sondern ein göttlicher Gedanke ein λογισμός Gottes" zum Grunde der Rechtfertigung.

Gerechtigkeit Gottes bei den Reformatoren

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nur bei näherem Eindringen in Luthers Gedankengänge sichtbar und ist von Luther selbst nur in seiner Frühzeit terminologisch klar zum Ausdruck gebracht worden. Dieser Luther mit der heutigen historisch-kritischen Paulusforschung positiv verbindende Zug war aber für seine Zeitgenossen nur bei intimer Vertrautheit mit Luthers Werk erkennbar. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn diese Zeitgenossen nicht in der Lage sind, die volle Dimension der lutherischen Auslegung von iustitia dei auf die Dauer durchzuhalten. 2. Melanchthon Die Urteile über Melanchthons Rechtfertigungslehre sind diametral entgegengesetzt. K.HOLL urteilt: „Melanchthon hat die lutherische Rechtfertigungslehre verdorben" 1 . W. MAURER dagegen stellt fest: In der Rechtfertigungslehre „läßt Melanchthon die zentralen Anliegen der Reformation voll zur Geltung kommen" 2 . Was ergibt die Durchsicht des Materials?* In der Vorrede zu Melanchthons Römerbriefkommentar von 1556 findet sich ein Abschnitt „Summa doctrinae in scriptis propheticis et apostolicis traditae, de iustificatione coram Deo". Er beginnt mit der Schilderung von Adams Verzweiflung und Rechtfertigung propter Christum nach dem Sündenfall. Adam meint dabei, „iustitia Dei immutabilis est punire, et abiicere inobedientes" 4 . Christus bestätigt dies ausdrücklich, doch wird durch das stellvertretende Opfer des Gottessohnes der Gottesgerechtigkeit genuggetan. Das Facit: „Vera doctrina est et perpetuus Ecclesiae consensus per Prophetas et Apostolos traditus, etiam post conversionem statuendum esse, iustam esse personam, id est acceptam Deo ad vitam aeternam, propter mediatorem, sola fide, per misericordiam, non propriam dignitatem virtutum, qualitatum aut operum etc." 6 Wichtig ist das „per misericordiam", zeigt es doch, daß wir wiederum bei dem scholastischen Nebeneinander von iustitia und misericordia Dei stehen! Melanchthon betont zwar, daß das Evangelium vom Gerechten als von dem von Gott Angenommenen und nicht philosophisch von dem durch seine Tugend Gerechten spreche®, aber die forensische Situation, welche bei ihm den alleinigen Rahmen der Rechtfertigung abgibt, zwingt ihn gerade nicht dazu, das Nebeneinander von Gottes Gerechtigkeit und Erbarmen aufzugeben und iustitia Dei als Gottes heilschaffende Macht zu interpretieren. Im Kommentar muß Melanchthon daher iustitia dei wieder doppeldeutig fassen. Zu Rom. 1,17 heißt es noch formal lutherisch, iustitia dei sei hier nicht die Gerechtigkeit Gottes, „qua ipse iustus est, ut dicimus iustitia iudicis puniri latronem, sed qua Deus nos pronunciai esse iustos, et quam Deus donat nobis per fidem, cum propter A . a . O . S. 128. 2 Artikel: Melanchthon, R G G 3 I V 839. Wir halten uns an die reife Gestalt der Paulusexegese und Rechtfertigungslehre Melanchthons im Römerbriefkommentar von 1556 in C R 15. Danach die folgenden Seitenangaben. 4 S. 799. 5 S. 805. · S. 815. 1

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Auslegungsgeschichte

filium nos recepii" 1 . Zu 3,21 wird die gleiche Interpretation gegeben*. Bei Rom. 3,25 f. aber wird das Dilemma sichtbar, in das Melanchthon die Exegeten erneut stürzt. Angesichts des Verses 26 sagt er einfach : „In Evangelio declarator iustitia Dei, quod ipse sit iustus, non nos, et iuste damnet peccatum in omnibus, sicut inquit, ut totus mundus reus sit Deo ... Declarat ergo Deus sese esse iustum et damnantem peccata, deinde et (!) hoc declarat, quod ipse iustificat, nec ipsi nos iustificare possimus operibus legis. Iustificat autem hoc modo ipse, scilicet remissione peccatorum .. ." 3 Rom. 10,3 ist für Melanchthon nicht entscheidend. Bei der Auslegung gibt er jedoch das Startzeichen für die Orthodoxie, indem er ausführt, hier sei von iustitia Dei bzw. der doctrina de iustitia fidei die Rede4. Theologiegeschichtlich gesehen, bedeutet also Melanchthons Paulusexegese zur Gerechtigkeit Gottes einen großen Schritt rückwärts und zugleich den Beginn der orthodoxen scholastischen Verflachung der Gedanken Luthers. j.

Calvin

In der endgültigen Fassung der Institutio von 1559 ist Gottes Gerechtigkeit die majestätische Gerechtigkeit des Richtergottes 8 , der sich selbst Gesetz und deshalb menschlichen Gerechtigkeitsmaßstäben nicht zugänglich ist®. Aber dies ist nicht der ganze Sachverhalt ! Denn nach Inst. III 18,7 ist Gottes Gerechtigkeit ganz alttestamentlich Gottes barmherzige Verheißungs-, ja Bundestreue, und II 16,3 vereinigt beide Aspekte dergestalt, daß Gottes Gerechtigkeit als Gottes Schöpfermacht erscheint, welche aller Ungerechtigkeit (= Sünde) schlechthin abhold, dennoch an ihrem Werk festzuhalten entschlossen und auch fähig ist. Wir haben also den gleichen Tatbestand wie bei Luther: Gottes Gerechtigkeit ist die Macht des Schöpfers, nur daß bei Luther der Ton mehr auf Gottes Vaterschaft, bei Calvin mehr auf Gottes richterlicher maiestas liegt. Paulus selbst steht zwischen beiden. - Innerhalb seiner Paulusexegese interpretiert Calvin iustitia Dei in der von Luther her vertrauten, vornehmlich auf Gottes Gabe achtenden Weise. Er fällt zwar nirgends wie Melanchthon in ein Nebeneinander von iustitia und misericordia Dei hinein7, exegesiert aber auch nicht mit Luthers Eindeutigkeit. Rom. 1,17 schwankt Calvin zwischen zwei Interpretationsmöglichkeiten : „Iustitiam Dei accipio, quae apud Dei tribunal approbetur... Non tarnen dubito quin Paulus ad multa vaticinia alludat, ubi passim iustiS. 826. S. 856: Gerechtigkeit Gottes meint „iusticiam promissam propter mediatorem, qua nos Deus recipit, et iustos pronunciat propter filium". 3 S. 876. 1 S. 985; so auch schon im Kommentar von 1532, C R 15 S. 688! 5 Inst. I I I 25,5; 12,1.2; I I 8,i9f. (unter Bezugnahme auf Ez. 18!). 6 I I I 23,2.4. 7 Ich zitiere nach Calvins Römerbriefkommentar von 1556 in C R 77. Danach die folgenden Seitenangaben. 1

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Gerechtigkeit Gottes vom 17. Jahrhundert an bis auf F . Chr. Baur

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tiam Dei in futuro Christi regno spiritus célébrât" 1 ; Calvin ist sich nur nicht sicher, ob man iustitia Dei nicht auch als die iustitia verstehen könne, „quae a Deo nobis donatur. Et certe fateor hunc inesse verbis sensum; quia nos per evangelium iustificat Deus, ideo servai. Illa tarnen prior notatio videtur mihi magis convenire"*. Ahnlich fragt Calvin zu Rom. 3,21: „Dubium est, qua ratione Dei iustitiam appellet, quam per fidem obtinemus : ideone quia sola coram Deo consistit: an quod earn nobis Dominus sua misericordia largiate"®. Calvin geht dann naher auf die iustitia fidei ein und betont in sachlicher Antithese zu Melanchthon: „Quamquam, dum rursus nomen Dei inculcai, videtur iustitiae, de qua agitur, Deum facere autorem, non tantum approbatorem : ac si diceret ab eo solo manare, vel eius originem esse ex coelo, in Christo autem nobis patefieri."4 Die iustitia fidei ist also iustitia Christi: „Nunc vides ut iustitia fidei iustitia Christi sit. Ut ergo iustificemur, causa efficiens est misericordia Dei: Christus, materia: verbum cum fide, instrumentum. Quare fides iustificare dicitur: quia instrumentum est recipiendi Christi, in quo nobis communicatur iustitia" 5 . Zu Rom. 3,25 folgt dann die klassische Interpretation: „Quod potissimum voluit hic Paulus, certo ex eius verbis evincitur. Deum sine Christo semper iratum nobis esse ; reconciliari nos per eum, dum iustitia eius accepti sumus. Non enim detestato in nobis Deus opus suum, id est, quod conditi sumus homines: sed nostrani immunditiem, quae lucem imaginis suae extinguit. Eam ubi abstersit Christi ablutio, nos ut purum opus suum amat ille et osculatur."' Rom. 3,26 spricht nach Calvin von zwei Weisen der mit Christus offenbarten iustitia Dei: Von Gottes unermeßlicher Gerechtigkeit und ihrer Mitteilung an den Menschen7. Obwohl Calvin von hier aus durchaus Röm. 10,3 hätte sachgerecht auslegen können, meint er z. St. nur, es sei eindeutig von der uns geschenkten iustitia Dei die Rede8. Auch Calvin hat also den ganzen Paulus nicht in den Griff bekommen9.

III. Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes vom 17. Jahrhundert an bis auf F. Chr. Baur Melanchthon hat, wie schon das Konkordienbuch beweist, der lutherischen Orthodoxie den exegetischen Weg gewiesen. Wir illustrieren die orthodoxe und die neben ihr herlaufende anderweitige Paulusinterpretation nur an einigen markanten Beispielen. 2 S . 21. 3 S . 57. S . 20f. * S . 60. S. 60; auch für Calvin ist der Glaube Gottes Werk im Menschen, also keine menschliche Leistung! Vgl. O. WEBER, Artikel: Calvin, Theologie, R G G 3 I 1596. 6 S . 62. 8 S . 196. ' S . 64. • Dies zeigt sich bei der eigentlichen Behandlung der Rechtfertigung vor allem dann daran, daß Calvin zwischen Rechtfertigung und Heiligung unterschieden wissen möchte (Inst. I I I 11,1.14). 1

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Die Interpretation, welche JOHANN GERHARD in seinem Römerbriefkommentar dem paulinischen Begriff gibt1, hat den Vorzug größter Prägnanz und Geschlossenheit, obwohl iustitia dei von ihm durchweg mit iustitia fidei gleichgesetzt wird. Zu 1,17 beruft sich GERHARD auf Luther und Augustin. Für die Bezeichnung iustitia dei statt iustitia fidei gibt er fünf Gründe an: „Vocatur justitia Dei: 1. Quia Deus in aeterno suo concilio decrevit, non alia ratione, nisi per fidem in Christum homines justificare. 2. Quia in verbo Evangelii earn revelavit, sicut h. 1. Apostolus de ea testatur. 3. Quia Christus verus Deus sua passione et morte eam peperit : unde Syrus notanter eam vocat justitiam ... ipsius Dei [was J . GERHARD selbst also ausdrücklich ablehnt] 4. Quia Deus eam gratis homini donat, imputando justitiam Christi, unde in cap. 5 v. i5 vocatur donum Dei. 5. Quia in Dei judicio subsistit, ac Deus eam ratam habet, sicut Lutherus h. 1. reddit: die fur Gott gilt." 8 Zu 3,21-26 wird ebenso präzis die Rechtfertigungslehre vorgetragen8. Rom. 10,3 ist in diesem klassischen orthodoxen Lehrgebäude für die Interpretation nicht maßgeblich. Es heißt z. St. nur kurz: „δικαιοσύνη Ssoö vocatur justitia fidei, vel quia coram Deo valet, quomodo vertit Lutherus, vel quia a Deo imputatur."4 Auch bei HUGO GROTIUS 5 spielt Rom. 10,3 keine besondere Rolle. Zur Erklärung weist er hin auf Phil. 3,9e. Ebenso erklärt er Rom. 1,17. Gerechtigkeit Gottes ist hier „iustitia, quae non in solis factis exterioribus consistit, sed a Deo efficitur, et ut Dei opus Deo placet" 7 . Rom. 3,22.26 und 2. Kor. 5,21 werden ähnlich interpretiert. Interessant ist nun aber die Auslegung von Rom. 3,25. GROTIUS sieht, daß der Text von Gottes eigener Gerechtigkeit spricht und folgert: „Vocem autem δικαιοσύνηç malim hic de bonitate interpretari, quam de fide in promissis praestandis, quia, quae sequuntur, non ad Judaeos solos pertinent, sed etiam ad gentes, quibus promissio nulla erat facta." 8 Das Verständnis iustitia dei = bonitas dei sichert er durch 1 Ich zitiere nach der Jenenser Ausgabe von 1666. Danach die folgenden Seitenangaben. 2

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S. 118: „Exprimuntur hoc loco causae et objectum nostrae justificationis coram Deo. ι . Causa efficiens principalis est Dei gratia . . . 2. Causa meritoria est Christus in officio redemtionis . . . 3. Causa Instrumentalis est fides . . . 4. Causa formalis est πάρεσΐ$, remissio peccatorum, quae cum imputatione justitiae Christi indivulso nexu est conjuncta . . . 5. Causa finalis respectu Dei est Ινδειξις TT¡S δικαιοσύνης αύτοΟ. In justificatione sive peccatorum remissione manet Deus Justus, juste sc. puniens peccata nostra in Christo, qui ea in se receperat; et justificat credentes imputata ipsis Christi justitia. - Objectum justificationis est homo peccator, sed talis, qui est ex fide Christi, i. e. qui peccata sua ex lege agnoscit, serio de illis dolet, et fide promissionem de remissione peccatorum propter Christum sibi applicat." 4 S. 223. 5 Annotationes in N o v u m Testamentum, torn. II P a r s I ed. Chr. E . DE WINDHEIM Erlangen/Leipzig 1756. Danach die Seitenzahlen. 6 S. 304. 7 S. 194. 8 3. 234. 3

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folgende, leider ungehört verhallende Argumentation ab: „Frequenter enim Hebraei ρτχ et nostri δικαιοσύνην pro bonitate usurpant, ut I Sam X I I , 7 : ubi ΐγΐ,ΤΤϊ misericordiis vertit Latinus. Psal. X X X V I , 1 1 2. Cor. 1X9,10 et alibi saepe ... Graeci interpretes p-jx vel np"JX plerumque δικαιοσύνην vertunt: at Ιλεημοσύνην Deut VI,25. XXIV,13. Psal. XXIV,5. X X X I I I , 5 . CHI,6. Esa. 1,27. X X V I I I , 1 7 . L I X , 16. Dan IV,24. IX,16. Justinus, seu quisque est scriptor ad Diognetum, bene sensum hic exprimit : ήλ9ε δέ ό Kcctpòs ôv Ssôç προέ9ετο λοιπόν φανερώσαι την εαυτοΟ χ ρ η σ τ ό τ η τ α . " 1 Verwirrung herrscht in J. Α. B E N G E L S „Gnomon Novi Testamenti". Manchmal, führt B E N G E L zu Rom. 1,17 aus, sei im Neuen Testament iustitia dei Gottes richterliche Gerechtigkeit, so vielleicht Rom. 3,5 und 3,25. Rom. 3,21 f. sei dagegen die iustitia Jesu Christi damit gemeint, während man Rom. 10,3 unter iustitia dei, nach Phil. 3,9, iustitia fidei verstehen müsse. 2. Kor. 5,21 schließlich bezeichne der Begriff das „beneficium Dei in Jesu Christo ad salutem peccatoris". Daß BENGELS Unsicherheit keineswegs zufällig genannt werden kann, zeigt die Tatsache, daß von ihm an sich in der Exegese das griechische Rechtsdenken wieder offen zu Wort meldet. Wenn wir annehmen dürfen, daß dies in dem Wandel des Selbst- und Weltverständnisses der Zeit begründet ist, wird uns BENGELS Position ebenso verständlich wie die Selbstverständlichkeit, mit welcher die aristotelischen Rechtskategorien auf Paulus in allen Lagern übertragen werden - ein Vorgang, der bis in die jüngste Vergangenheit angedauert hat. B E N G E L scheint an der Wende eines alten und eines neuen Weltverständnisses zu stehen. Von daher erklärt sich jedenfalls seine Unsicherheit am einfachsten. J. J. WETTSTEIN 2 markiert deutlich diese Wende. Zu Rom. 3,25 heißt es bei ihm: „Justitia Rectoris est ea virtus, cuius exercitio demonstrat, se saluti subditorum optime consulere." Ebenso wie WETTSTEIN exegesiert die Römerbriefstellen JOH. SAL. SEMLER 3 . Zu Rom. 3,21 f. meint er: „Nempe haec est illa Dei iustitia atque aequitas, cuius beneficium ad omnes homines, quicunque fidei ordinem ingredi voluerint, aequaliter pertingit." 1 Ebenso versteht SEMLER Rom. 3,25 und 10,3. An 2. Kor. 5,21 zerbricht jedoch seine bisher geschlossene Auslegung. In der Anmerkung zu diesem Vers sagt er: ,,... hoc est unicum consilium universae historiae et doctrinae Christi, ut ipsiiam homines fiant δικαιοσύνη Θεου, i. δίκαιοι Θεου, υίοι Θεου, ut vivant novam vitam. Pauli praecipue est illa phrasis δικαιοσύνη Θεου, significatu vario ( !) ; aliter valet, manifestatur δικαιοσύνη Θεου, εις ένδειξιν της δικ. quibus phrasibus saepe Dei benignitas in homines significato, qui novum iam S. 2 3 4 . Ich benutze die in Amsterdam 1751/52 erschienene Ausgabe des „ N o v u m Testamentum Graecum" von J. J. WETTSTEIN. 3 Paraphrasis Epistolae ad Romanos, Halle 1769 und: Paraphrasis II. Epistolae ad Corinthios, Halle 1776; danach die Seitenzahlen. 1

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et omnibus communem ordinem salutis prospexit; aliter vero hommes fiunt δικαιοσύνη Θεου, partim logice, habentur a Deo pro iustis probisque, quia consentiunt in hunc ordinem; partim subiective, mutantur omnino, fiunt novi et longe meliores homines. Nec unum tollit alterum; coit potius utraque significatio, quia res ipsa in homine simul utraque locum habet." 1 Auch SEMLER muß sich also mit einer Doppelbedeutung des Begriffes zufriedengeben. Eine Doppelbedeutung des paulinischen Ausdrucks muß in seinen Kommentaren auch W. M. L. DE WETTE annehmen2, δικαιοσύνη Seoö bedeutet nach DE WETTE, Rom. 1,17 „den vollkommenen sittlichen Zustand des Menschen, Angemessenheit seines Handelns zum menschlichen und göttlichen Gesetze, Freiheit von Tadel und Schuld", also die sittliche Gerechtigkeit. Den Charakter dieser sittlichen Tugend als Gabe Gottes bringt DE WETTE ZU Rom. 10,3 so zum Ausdruck, daß er „die Gerechtigkeit Gott e s . . . als eine Anordnung, einen νόμος (vgl. 1,5 ; 3,27) betrachtet, dem man sich unterwerfen muß, um so mehr, da Demuth dazu gehört". Oder es heißt zu 2. Kor. 5,21: „Der Begriff der Gerechtigkeit wird nicht als eine persönliche subjective Eigenschaft gedacht, sondern als etwas Objectives von Gott Gegebenes, das wir uns bloß aneignen als das in seinem Reiche Herrschende." Nur Rom. 3,25 läßt sich nicht so idealistisch verstehen. Hier bleibt „nur die richterliche Gerechtigkeit ... übrig, welcher Begriff allein sich passend an den ebenfalls richterlichen des δικαιουν anschließt". - Wie wenig man fähig ist, die Polemik des Paulus gegen alle - auch die sittlichen ! - Leistungen zu verstehen, zeigt der Kommentar über „Des Apostels Paulus Lehrbriefe an die Galater und Römer-Christen", Heidelberg 1831, von H. E. G. PAULUS. Das Buch versucht, die „uranfängliche Harmonie der urchristlichen und der Vernunftreligion" nachzuweisen®. Dies ist nur möglich, wenn Paulus und Aristoteles dieselbe Konzeption von Gerechtigkeit vertreten. Folglich sieht H. E. G. PAULUS den versöhnenden Ausweg für die Interpretation von δικαιοσύνη Seoö in der Rückkehr zum umfassenden Begriff der δικαιοσύνη im Sinne tugendhafter Rechtschaffenheit und in der Abkehr von der Konzeption der Strafgerechtigkeit, welcher Aritoteles als δικαιοσύνη δικαστική nur untergeordneten Rang zuerkannt hat: „Immer ... wird der Dogmatiker zu der ... künstlichen Übertragung der juridischen Gerechtigkeit in den Lebenszusammenhang der moralischen Religion sich veranlaßt halten, so lange er nicht von dem Bibelerklärer die Erinnerung annimmt, daß das Hauptwort in der obersten Lehrsentenz Pauli die δικαιοσύνη Seoö ebenso wie Matth. 6,33... auch Rom. 1,17 und in allen damit verwandten S. 170 f. Kurze Erklärung des Briefes an die Römer (Kurzgef. exeget. Hd.buch z. N T , 2. Bd. ι . Teil), Leipzig 3. Aufl. 1841 und: Kurze Erklärung der Briefe an die Corinther (Kurzgef. exeget. Hd.buch z. NT, 2. Bd. 2. Teil), Leipzig 1845. 3 S. I. 1

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paulinischen Stellen1, nicht die specielle Bedeutung, entweder von Gerechtigkeit Gottes gegen die Menschen oder von einer dem Menschen von Gott zugerechneten Gerechtigkeit, sondern die viel umfassendere generische Bedeutung von Rechtschaffenheit überhaupt habe, wie sie in Gott ist und von Gott als das wahre Gute im Menschengeist, als die einzige gründliche Aussöhnung (καταλλαγή) zur Harmonie mit der Gottheit, gefordert wird." 2 Gebannt vom eigenen aufklärerischen Selbstverständnis vermag man die Wirklichkeit des Neuen Testaments nicht mehr zu sehen ! Aus diesem Bann vermag sich auch A. THOLUCK3 nicht zu lösen. Zu Rom. 10,3 verweist er auf Phil. 3,9. Rom. 1,17 bedeutet 'Gerechtigkeit Gottes' für ihn „den Zustand der Gerechtseyns" und 3,25 f. sprechen wieder von Gottes richterlicher Gerechtigkeit. Während in der Orthodoxie das ihr aufgenötigte Interesse an der reinen Lehre den Durchbruch zum historischen wahren Tatbestand ebenso verhinderte wie die Kontinuität zu Luthers Exegese abbrach, ist es nunmehr eindeutig das Selbst- und Weltverständnis, welches der historischen Erkenntnis, trotz des erwachten historischen Bewußtseins, entgegensteht. Dieser Zwiespalt der Exegeten im 19. Jh. wird an F. CHR. BAURS Paulusinterpretation exemplarisch deutlich.

IV. Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes von F. Chr. B a u r bis zur Wende des Jahrhunderts „Versuchen wir, Voraussetzungen und Prinzipien der BAURschen Geschichtsschreibung ... kurz zusammenzufassen, so steht an erster Stelle die Annahme, daß die Geschichte als Ganzes einen geschlossenen und kontinuierlichen Geschehenszusammenhang bildet. Dieser Geschehenszusammenhang ist der forschenden und kombinierenden Vernunft grundsätzlich zugänglich. Nur von dieser Voraussetzung her wird die historisch-kritische Methode möglich und sinnvoll. Sie ist nichts anderes als die methodische Entsprechung zu dieser Voraussetzung, nämlich der entschlossene Versuch, die innere Konzinnität der Geschichte aufzudecken." 4 Ist mit diesen Sätzen bereits umrissen, worin die methodische Bedeutung F. CHR. BAURS für die theologische Forschung besteht, müssen wir, ehe wir nach BAURS Interpretation unseres paulinischen Begriffes selbst fragen, klarstellen, welche Kategorien BAUR für seine Paulusexegese verwendet. Geschichte ist für 1 Nur Rom. 3 , 2 4 t bezeichnet nach H. E. G. PAULUS δικαιοσύνη Seoü Gottes eigene Rechtschaffenheit, vgl. Komm. z. St. 2 S. X X I I I . 3 Commentar zum Brief an die Römer, Halle 5. Aufl. 1856. 1 KL. SCHOLDER, Ferdinand Christian Baur als Historiker, EvXheol. 21 (1961) S. 447 f.

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der Prozeß der Vermittlung des 'Geistes' mit sich selber1. Alle Geschichte ist also im wahren Sinn des Wortes 'Geistes-Geschichte'. Der zweite entscheidende Begriff für BAURS Geschichtsdeutung ist der der 'Idee'. Unter einer im geschichtlichen Prozeß wirksamen Idee versteht BAUR die spezielle Weise, in welcher der Geist in einem Geschichtsabschnitt den Weg seiner Selbstvermittlung beschreitet, die also den verschiedenen einzelnen Daten dieses Geschichtsabschnittes zusammenhängende Bedeutung und damit einen Sinn verleiht2. Eben weil nun BAUR in allen seinen Werken Gerechtigkeit Gottes als „Idee" bezeichnet3, kann man sich nicht damit begnügen, auch BAUR in die Reihe der vielen einzureihen, welche Rom. 1,17; 3,21.22 ; 10,3 und 2. Kor. 5,21 von Gerechtigkeit vor Gott (oder der Gabe der Gerechtigkeit), Rom. 3,5.251 jedoch von Gottes Strafgerechtigkeit sprechen4. Man muß vielmehr näher zusehen. In seinem „Paulus" bestimmt BAUR Gottes Gerechtigkeit bei Paulus zunächst folgendermaßen: „Der Apostel bezeichnet mit dem Ausdruck δικαιοσύνη das adäquate Verhältnis, in welches den Menschen zu Gott zu setzen, die höchste Aufgabe der Religion überhaupt ist ... und da nun dieses Adäquate nur auf der Seite des Menschen sich realisieren kann, dadurch daß der Mensch das der Idee Gottes Entsprechende in sich hat, so erhält das Wort δικαιοσύνη selbst eine vorherrschende subjective Bedeutung, es bezeichnet den dem Willen Gottes angemessenen Zustand des Menschen, oder seine Rechtfertigung. Sofern aber dieses Subjective auf der Seite des Menschen seine Bedeutung nur darin hat, daß es einem Objectiven entspricht, erhält das Wort δικαιοσύνη selbst eine dieses objective Verhältnis ausdrükkende nähere Bestimmung: Die δικαιοσύνη wird zur δικαιοσύνη SeoO, Rom. 1,17. 3,21.22. 10,3. 2. Cor. 9,21 (sie!). Der Genetiv Ssou bezeichnet nicht den Urheber, so daß die δικαιοσύνη Seoü die von Gott verliehene δικαιοσύνη wäre, ... sondern das hinzugesetzte Seoö kann nur objectiv genommen werden, die δικαιοσύνη 3εο0 ist diejenige δικαιοσύνη, deren Gegenstand Gott ist, die also ihre Richtung auf Gott nehmen, und nur durch die Idee Gottes, durch das, was Gott an sich ist und als absolute Norm aufstellt, bestimmt werden kann. Insofern kann man auch sagen, die δικαιοσύνη Seoö sei die vor Gott geltende Gerechtigkeit... oder die integritas, quae Deo satisfacit, BAUR

1 „Der Prozeß der Geschichte läßt als dasNächste eine Fülle von Differenzen, Gegensätzen, Individualitäten erkennen. Aber durch alle Gegensätze und Individualisierungen hindurch — und nicht etwa jenseits, oberhalb ihrer - hält sich etwas Identisches, Kontinuierliches durch, das das Ganze bestimmt und erklärt. Dieses Eine, Identische ist das Subjekt der Geschichte. Baur nennt es ... im Anschluß an Hegel den 'Geist', und zwar den 'absoluten Geist' oder 'das Absolute'. Der Geist geht durch sein Gegenteil hindurch und vermittelt sich mit sich selbst". H. LIEBING, Historisch-kritische Theologie, Z T h K 75 (i960) S. 311. 2 Vgl. LIEBING, a.a.O. S. 314. 3 Z.B.: Paulus, der Apostel Jesu Christi, 2. Aufl. ed. E. ZELLER, Leipzig 1867, Bd. 2 S. 165. 1 A.a.O. S. 1 4 6 ! , Vorlesungen über Neutestamentliche Theologie, Leipzig 1864 ed. F. FR. BAUR, S. 134.

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sofern, was vor Gott gelten, von ihm als genügend erkannt werden soll, nichts anderes ist, als was im Wesen Gottes begründet ist, in ihm, dem Absoluten, seinen absoluten Grund selbst hat." 1 Gerechtigkeit Gottes ist also der höchste denkbare, das Verhältnis zu Gott beschreibende Begriff2. Daher bezeichnet B A U R δικαιοσύνη 3εοΰ sogleich als „das Allgemeine..., das sodann erst in seiner nähern Bestimmung entweder zur δικαιοσύνη εξ έργων νόμου, die ja auch eine an sich mögliche Form dieses Verhältnisses ist, oder zur δικαιοσύνη εκ πίστεως wird"3. In diesem Stadium der BAURschen Paulusinterpretation ist also Gerechtigkeit Gottes (außer in Rom. 3,5.25f.!) der Spezialbegriff für das unter δικαιοσύνη überhaupt zu subsumierende Gottesverhältnis und eben so auch eine „Idee", weil sich unter diesem Begriff Judentum und Christentum geschichtlich sinnvoll zusammenordnen lassen. Für die Rechtfertigungslehre selbst heißt das freilich, daß Judentum und Christentum nur zwei Spielarten ein und desselben ethischen Verhaltens gegenüber der gottgesetzten Norm sind (s.u.). 1857 hat B A U R sein Verständnis von δικαιοσύνη 3εοϋ unter dem Eindruck von C. HOLSTENS historischer Argumentation modifiziert. Er ist jetzt davon überzeugt, „daß es der Grundanschauung des Apostels besser entspricht die δικαιοσύνη 3εου als einen rein von der Thätigkeit Gottes ausgehenden Akt zu nehmen"4. So trägt er es auch in seinen Vorlesungen zur neutestamentlichen Theologie vor: „Den Genitiv Seoö könnte man als Genitiv des Objects nehmen, die δικαιοσύνη Seoü wäre so die im Wesen Gottes objectiv begründete δικαιοσύνη, oder die vor Gott geltende ... Das Richtige ist jedoch, Seoö als den Genitiv des Subjects zu nehmen. Da die δικαιοσύνη Ιξ êpycov als wirkliche δικαιοσύνη gar nicht existiert, bei der δικαιοσύνη έκ πίστεως aber das thätige Subject nicht der Mensch, sondern Gott ist, so fällt auf dem nach Rom. 1,17 von Gott geoffenbarten Wege alles Positive so sehr nur der absoluten Causalität Gottes zu, daß dieser Hauptbegriff am natürlichsten auch durch δικαιοσύνη 3εο0 ausgedrückt ist. Man kann daher die δικαιοσύνη 3εοϋ nicht als den Judenthum und Christenthum umfassendenGattungsbegriff nehmen5, so daß sich derselbe in die δικαιοσύνη εξ έργων und die έκ πίστεως theilt, sondern der Mensch verhält sich nur negativ zu Gott, und der δικαιοσύνη 3εο0, der Gerechtigkeit Gottes, steht nur die Ungerechtigkeit der Menschen gegenüber. Gerechtigkeit Gottes aber ist in diesem Zusammenhang die von Gott als der Ursache ausgehende oder durch Paulus II, S. 1 4 6 1 CHR. MÜLLER, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. Eine Untersuchung zu Römer 9 - 1 1 , F R L A N T 86, Göttingen 1964, urteilt vom modernen Begriff des Personalen her: „ . . . das .Verhältnis', das δικαιοσύνη ausdrückt, (meint) bei BAUR nicht eine Beziehung zwischen Personen, sondern das Verhältnis des Geistes zu sich selbst" (S. 6, Anm. 17). 3 Paulus II, S. I47Í. 4 Über Zweck und Gedankengang des Römerbriefs, nebst Erörterung einiger paulinischer Begriffe mit besonderer Rücksicht auf die Commentare von Tholuck und Philippi, Theol. Jahrbücher (Tübingen) 16 (1857) S. 65. 5 Wie BAUR, Paulus I I S. 146t. selbst! 1

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Gott bewirkte Gerechtigkeit, d.h. die Art und Weise, wie Gott den Menschen in das adäquate Verhältnis zu sich setzt, der hiezu von Gott eröffnete Weg, oder eigentlich die neue von Gott aufgestellte Rechtfertigungstheorie." 1 Gerechtigkeit Gottes als Chiffre für die Rechtfertigung ist nach BAUR für Paulus selbst der Schlüssel zum Römerbrief und vor allem auch das Prinzip der paulinischen Geschichtstheologie von Rom. 9-11 2 . Gerechtigkeit Gottes ist also ein geschichtsbezogener Verhältnisbegriff. Dies ist BAURS eigentliche exegetische Neuentdeckung, mit der er sich, trotz einzelner terminologischer Anklänge an H. E. G. PAULUS, weit über seine Zeitgenossen erhebt. Geschichtsbetrachtung hat nach BAUR auch und gerade als Geschichtskritik zu erfolgen3. In dieser Kritik, die BAUR an der paulinischen Rechtfertigungslehre übt, zahlt er nun aber seinen idealistischen Denkvoraussetzungen überreichen Tribut und begeht insbesondere den methodischen Fehler, δικαιοσύνη SeoO nicht als selbständigen term, techn., sondern vom Allgemeinbegriff δικαιοσύνη her zu bestimmen. Es ist BAUR ganz deutlich, daß Paulus sich mit seiner Rechtfertigungslehre spekulierend weit vom Boden der sittlichen Tatsachen entfernt 4 ! Glaube und Werke einander entgegenzusetzen, widerspricht jedem gesunden ethischen Empfinden! Paulus korrigiert sich nach BAUR glücklicherweise selbst, wenn er Röm. 2,6 den Werken vor Gott ihre rechte Bestimmung zuerkennt. Eben diese Stelle wird für BAUR - in eigentümlicher Parallele zu A. SCHLATTER - zum positiven Kern dessen, was Paulus mit der Rechtfertigungslehre eigentlich gemeint hat. Da Glaube und Werk gemeinsam dem Oberbegriff des Sittlichen unterzuordnen sind®, kann ihre Antithese in der Rechtfertigungslehre und damit die Rechtfertigungslehre selbst nur „auf den allgemeinen Kanon (führen), daß allein die Gesinnung oder, sofern auch die Gesinnung, wenn sie eine lebendige sein soll, sich durch Werke bethätigen muß, die Werke der Maßstab sind, nach welchem Gott das entscheidende Urteil fällt"·. Die historische Antithese von Judentum und Christentum löst BAUR dann so, daß an die Stelle der bloß quantitativen Gesetzeserfüllung im Judentum die neue qualitative des Christentums getreten ist oder treten soll7. Daß bei dieser kritischen Einebnung des historischen Tatbestandes auch der von BAUR zunächst aufgezeigte Unterschied von Jakobus und Paulus auf ein A . a . O . S. 134. In dem Gedanken der von Gott allein gesetzten Rechtfertigung „faßt der Apostel das, was er zum Inhalt seines Briefes machen wollte, in seiner höchsten Spitze, in der Idee der δικαιοσύνη 3εοϋ auf, um sein Thema dogmatisch auszuführen, und am Schlüsse den ihn leitenden Gedanken in dem lebhaften Bedauern des Schicksals seiner Nation auszusprechen, da in der neuen von Gott aufgestellten Heilsordnung den Juden mit allen ihren nationalen Vorzügen nicht geholfen werden kann", Zweck und Gedankengang des Röm., S. 90f. 3 Vgl. dazu LIEBING, a.a.O. S. 309f. u. 313ft. 4 Zweck u. Gedankengang des Röm., S. 195 u.ö. 5 A.a.O. S. 192. * A.a.O. S. 192, ebenso NT-Theol. S. 177-182. ' Paulus II, S. 176. 1

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Nichts zusammensinkt, ist BAUR nicht aufgefallen. Es war für ihn, den Idealisten, nur möglich, seinen eigenen Begriff von Religion mit Paulus zu vereinen, wenn er Paulus einer fundamentalen Kritik unterzog. Eines aber macht auch diese Kritik deutlich: Daß sich die paulinische Antithese von Judentum und Christentum und die Dialektik von Rechtfertigung des Gottlosen und Gericht nach den Werken nicht lösen läßt, solange man mit der These von der neuen qualitativen Gesetzeserfüllung durch die Christen gegenüber einer nur quantitativen jüdischen arbeitet. Dies aber ist bis heute gang und gäbe! An der ursprünglichen Deutung des Begriffes 'Gerechtigkeit Gottes' durch BAUR hat 1853 auch R. A. LIPSIUS Anstoß genommen1. Methodisch für die ganze Zeit bezeichnend und daher erwähnenswert ist es, daß er zu Beginn seiner Studie die alttestamentliche und neutestamentliche Bedeutung von Gerechtigkeit aus Plato und Aristoteles ableitet und erst dann auch auf Gerechtigkeit Gottes eingeht. Bei diesem Vorgehen weiß er sich ausdrücklich der Zustimmung aller seiner theologischen Zeitgenossen gewiß2. Er möchte, wie BAUR dann später selbst, Phil. 3,9 zum exegetischen Kanon für den Begriff erheben3. Rom. 3,5.25f. jedoch bezeichnet für ihn δικαιοσύνη Seoö zunächst die huldvolle Rechtbeschaffenheit Gottes 4 , später dann im Kommentar die göttliche Verheißungstreue. Theologiegeschichtlich ist, wenn man E. HIRSCH folgen darf, die epochemachende Bedeutung A. RITSCHLS darin zu sehen, daß historisch-kritische Exegese und systematische Theologie einander zugeordnet werden als Darstellung und Interpretation ein und desselben Sachverhaltes6. Dem entspricht es, daß RITSCHL angesichts der zwischen der genuin paulinischen Rechtfertigungslehre und deren reformatorischer und pietistischer Version klaffenden Widersprüche darauf drängt, es müßten „die reformatorische Anschauung von der Rechtfertigung und wiederum die pietistischen Formen derselben in die experimentierende Vergleichung der neutestamentlichen Gedankenkreise hineingezogen werden" 8 . Was dann RITSCHL selbst als Interpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre bietet, ist allerdings eine höchst gewaltsame Verifizierung seiner eigenen Systematik mit Hilfe des Stellenmaterials ! RITSCHL stößt sich an dem Nebeneinander von Aussagen über die Rechtfertigung aus Glauben allein und der hart daneben stehenden These über die Werke als den Maßstab des göttlichen Endgerichtes. Spricht 1 Die vorpaulinische Rechtfertigungslehre unter Berücksichtigung einiger verwandter Lehrstücke nach den vier Hauptbriefen des Apostels dargestellt, Leipzig 1853. Vgl. ferner den Kommentar von LIPSIUS: Briefe an die Galater, Römer, Philipper (Hd.Komm. z. N T , bearb. von H. J. HOLTZMANN u.a. Bd. 2, 2. Abtig.), Freiburg i. Br. 2. Aufl. 1892. 2 Rechtfertigungslehre, S. 3. 8 A . a . O . S. 14. * A . a . O . S. 147. 6 Geschichte der neueren Evangelischen Theologie, Bd. 5 S. 558. 6 Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung, Bd. 2, Bonn 3. Aufl. 1889, S. 25.

3 8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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die eine Linie der paulinischen Aussagen durchaus positiv von der sittlichen Gerechtigkeit, so löscht die zweite Linie die erste wieder aus! Aus diesem Widerspruch kann sich RITSCHL nur so heraushelfen, daß er die Rechtfertigungsaussagen scharf von den Thesen über den tätigen christlichen Gehorsam trennt und in ihnen eine gegenüber dem Pharisäismus der Zeit des Paulus entwickelte (theoretische) Kampfeslehre sieht1. RITSCHL muß die eine Aussagenreihe so negativ abwerten, weil sein Begriff des Reiches Gottes als eines im Werden befindlichen Prozesses2 mit der positiven sittlichen Betätigungsmöglichkeit des Glaubens steht und fällt. Gerechtigkeit Gottes ist für RITSCHL im Alten Testament „die Congruenz seines Handelns mit seiner innern Normalität und mit dem, was die Israeliten von der Leitung ihrer Geschicke durch Gott zu erwarten haben", also Gottes Treue zu sich selbst und seinen Verheißungen3. Diesen vom griechischen Normdenken bestimmten Begriff überträgt RITSCHL wie ins Alte, so auch ins Neue Testament. Hier erscheint „die Gerechtigkeit Gottes als der Maßstab der eigentümlichen Wirkungen ..., durch welche die Gemeinde Christi zustande gebracht und ihrer Vollendung entgegengeführt wird, kann also von der Gnade Gottes nicht unterschieden werden" 4 . Paulus selbst spricht nach RITSCHL von diesem göttlichen Maßstab nur Rom. 3,25f., während an allen anderen Stellen δικαιοσύνη 3εοϋ als die gottgeschenkte Glaubensgerechtigkeit aufzufassen ist6. Trotz der exegetischen Versehen im einzelnen ist an RITSCHLS Sicht der Dinge dreierlei epochemachend: 1. Die Rechtfertigung meint nicht mehr nur das religiöse Individuum, sondern die Gemeinde als Volk Gottes®. 2. Der neutestamentliche Begriff der Gerechtigkeit Gottes wird aus dem positiven Zusammenhang mit dem Alten Testament, besonders den Psalmen, bestimmt und deshalb mit Gnade Gottes zusammengedacht7. 3. Die Glaubensgerechtigkeit selbst wird nicht mehr vorwiegend als Norm-Entsprechung, sondern als Aufnahme in das Kindesverhältnis Gott gegenüber verstanden8. Wie weit RITSCHL mit diesen Thesen den Verstehenshorizont seiner Zeitgenossen überflügelt hat, zeigt das seinerzeit klassische „Lehrbuch der Biblischen Theologie des Neuen Testaments" von B. WEISS*. Rom. 3,5.25 f. sieht WEISS sich die „Urnorm" der göttlichen Gerechtigkeit offenbaren10 und kann Vgl. MÜLLER, Gerechtigkeit S. 9. Unterricht in der christlichen Religion, Bonn 5. Aufl. 1895, §§ 5.6.35. 3 Rechtf. u. Vers. II, S. 104. 4 Unterricht, § 16. 5 Rechtf. u. Vers. II S. 118, 304!, 322; Unterricht § 16.45. 6 Unterricht § 47. 7 Rechtf. u. Vers. II S. 104 u.ö. Es ist erstaunlich, wie diese Interpretation RITSCHLS mit der theologischen Intention übereinstimmt, welche sich bei M. NOTH (Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch, Ges.Studien z. A T , T h B 6, München 1957, S. 155-171) erstmalig zu Wort meldet und dann in G. v. RADS Theologie des Alten Testaments, Bd. 1 u. 2, München 1958/1960 eingegangen ist. 8 Unterricht § 46.51. 9 In ι. Aufl. 1868, in 7. Aufl. 1903 erschienen. Wir zitieren nach der 7. Aufl. Vgl. ferner B. WEISS, Der Brief an die Römer (Meyer Κ 4. Abtig.), 9. Aufl. 1899. 10 Theol. S. 306. 1

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von hier aus Gnade und Gerechtigkeit Gottes nur nach dem Vorbild Anselms miteinander verbinden1. Alle übrigen Stellen sprechen von Gottes Geschenk: „Alle Versuche, die δικ. SeoO in irgend einem Sinne als eine Eigenschaft Gottes zu fassen, scheitern Rom. 1,17 an der Schriftbegründung, welche zeigt, daß von einer δικ. des Menschen die Rede war, 3,21 f. daran, daß sie durch Glauben vermittelt erscheint, 10,3 an dem Gegensatz der Ιδία δικ., während sie 2. Kor. 5,21 durch das ήμεΐς γενώμεδα von vornherein ausgeschlossen ist." 2 F . C H R . B A U R hatte, um seinen Gottesbegriff und das ihm zugehörige Bild ethischer Religiosität behalten zu können, die paulinische Rechtfertigungslehre in ihr Gegenteil verkehren müssen. Wer sie jedoch festhalten wollte und dabei weiterhin vom griechischen Gerechtigkeitsbegriff ausging, mußte bei Rom. 3,24ff. auf einen kaum lösbaren Widerspruch von einem Gott der Gerechtigkeit, der diese seine Gerechtigkeit doch selbst wieder aufhebt, stoßen. Nur eine Anselmsche Gerechtigkeitsauffassung oder die neue Gotteslehre A. R I T S C H L S vermochte diesen Widerspruch zu bewältigen. H . L Ü D E M A N N hat, ohne daß seine 1872 erschienene „Anthropologie des Apostels Paulus" für das Verständnis von „Gerechtigkeit Gottes" exegetisch Neues erbracht hätte, die Lösung im Sinne B A U R S gesucht, diese aber nicht kritisch gegen Paulus, sondern scharfsinnig von Paulus her entfaltet®. L Ü D E MANN stößt bei Paulus, während der Untersuchung des σάρξ-Begriffes, auf eine doppelte Heilslehre. Die eine bezeichnet er „als eine religiöse oder subjectiv-ideelle", die zweite, eigentlich paulinische, „als eine ethische oder objectiv-reale"4. Die erste, subjektiv-ideelle Heilslehre führt von der durch Paulus nur als Konzession an das jüdische gesetzliche Denken zugestandenen Bejahung des mosaischen Gesetzes zu der rechtlichen Verurteilung Jesu (Rom. 3,24!), also zu einer juridisch gedachten Erlösung und einer notwendig bloß imputativen Rechtfertigungslehre. Diese nur im ethisch noch nicht voll gereiften jüdischen Bewußtsein verankerbare (und daher als „subjectiv-ideell" bezeichnete) juridische Erlösungslehre führt nun aber zu dem erwähnten Widerspruch im Gottesbild. „Kann eine derartige Selbstcorrectur Gottes der wirklichen Anschauung des Apostels entsprochen haben? Unmöglich!"5 Paulus selbst ist darum in der ethischen Rechtfertigungslehre anzutreffen, welche das Gesetz deshalb für grundsätzlich unerfüllbar erklärt, weil Gott der Menschen Heil von Anfang an beschlossen und in Christus realiter begründet hat, so daß es dem einzelnen in Taufe und Geistmitteilung objektiv-real mitteilbar wird. Während für die juridische Erlösungslehre Rom. 1-4 Belegkapitel waren, sind es nun Rom. 5-8, welche den wahren Paulus zeigen. Mit dieser ethischen Rechtfertigung läßt sich 2 Theol. S. 313 Anm. 1. Vgl. Komm, zu HOm. 3,25. Vgl. die Zusammenfassung, welche A. SCHWEITZER in seiner „Geschichte der paulinischen Forschung", Tübingen 1911, S. 22-24 V O A LÜDEMANNS Buch gibt. 1 A.a.O. S. 171. * A.a.O. S. 205. 1

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eine sittliche Religiosität unschwer verbinden: „Für den Versöhnten wird die schließliche wirkliche Rettung durch das Leben Christi eine unumstößliche Gewißheit (5,8-10), umsomehr, als bereits reale sittliche Kräfte in uns thätig sind (5,3-5) und wir schon jetzt (καυχώμε9α praesens) uns 'Gottes rühmen' (5,11), dh. der Gemeinschaft mit Gott, der Einheit mit ihm durch Christum, durch den wir jetzt zunächst die Versöhnung empfangen haben (5,11)." 1 Deshalb empfindet L Ü D E M A N N auch bei den Aussagen vom kommenden Gericht nach den Werken keinen Widerspruch und erklärt diese als paränetischen Ausdruck für die auch vom Glaubenden bejahte bleibende sittliche Verpflichtung des Christen2. L Ü D E M A N N sprach hier nur aus, was seine Zeitgenossen dachten. „Nur unter Wahrung der vollen mystisch-ethischen Tiefe des paulinischen Glaubensbegriffs wird auch die paulinische Rechtfertigungslehre richtig verstanden; es verschwindet dann der Schein der grundlosen und unwahren Urtheilssprechung Gottes über den Sünder und es erscheint dann vielmehr die Rechtfertigung als ein Akt der mit der Gerechtigkeit und Wahrheit in Einklang stehenden Gnade, weil die Freisprechung nur denen wirklich gilt, die in der Glaubenseinheit mit Christus prinzipiell (!) gestorben und neugeworden sind, die im Mitsterben mit Christus dessen sühnenden Tod, im Mitleben mit Christus dessen rechtfertigende Auferweckung zu ihrer persönlichen inneren Erfahrung und nachbildlichen Erlebnis gemacht haben", schreibt OTTO PFLEIDERER in seiner Darstellung des „Paulinismus" 3. Gerechtigkeit Gottes meint Rom. 3,25f. „den heiligen Liebeswillen Gottes" 4 , während an allen anderen Stellen nach Phil. 3,9 Gerechtigkeit Gottes mit Glaubensgerechtigkeit gleichgesetzt werden muß®. Auch in C. HOLSTENS „Evangelium des Paulus"® ist die Rechtfertigung die nicht endende Kreisbewegung der sittlichen Bemühung, deren Signatur „Gerechtigkeit Gottes" heißt 7 , δικαιοσύνη Seoö meint außer Rom. 3,5.25f., wo der Genitiv Ssoö gen. poss. ist8, stets einen „von Gott gewirkten objectiven lebenszustand des menschen" 9 . Wichtiger ist die Interpretation unseres Begriffes durch H. J. H O L T Z MANN. HOLTZMANN möchte die schwankende Begriffsinterpretation nicht A . a . O . S. 211 (LÜDEMANN bezieht sich auf Rom. 5). A . a . O . S. 208. 214 u.ö. 3 Leipzig, 2. Aufl. 1890, S. 185. 4 A . a . O . S. 145. s A . a . O . S. 182Í. 6 Teil I I : Paulinische Theologie, Leipzig 1898, ed. P. MEHLHORN. 7 „Was aber die messiasgläubigen subjecte durch den stellvertretenden tod des Messias ideell geworden sind, das haben sie nun an sich realiter zu setzen, abzusterben in Christo und in ein neues leben einzutreten. Das vollzieht sich durch den glauben und seine folge für das religiöse leben" (a.a.O. S. 67). D a aber die Menschen von sich aus nie ganz in der Lage sind, sittlich gerecht zu werden, muß ein Ausgleich erfolgen : „Die fortwährende ausgleichung zwischen der ideellen gerechtigkeit des gläubigen und seiner realen Ungerechtigkeit bildet dann eben die gnade Gottes im kreuzestode Christi (gal. 2,20)" a.a.O. S. 77. » A . a . O . S. 65. ' A . a . O . S. 65. 1

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mehr länger dulden 1 . Zu Rom. 3,21-26 sagt er deshalb: „Anstatt ... den Apostel im Zusammenhang einer und derselben Stelle doppelsinnig von Gottes Gerechtigkeit sprechen zu lassen, wird man Gottes Gerechtigkeit als ein Gerechtigkeit des Menschen erweckendes und erzielendes Verhalten zu verstehen und mit dem erreichten Resultate zusammenzufassen haben, so daß die paulinische 'Gottesgerechtigkeit' zur technischen Abbreviatur für einen ganzen, in einer wesentlichen Eigenschaft Gottes ursprünglich begründeten und zu einer überkommenen Eigenschaft des Menschen führenden Hergang wird (daher δικαιο0σ9αι Rom. 3,20.24 unmittelbar vor und nach dem locus classicus von der δικαιοσύνη SEOÖ)."2 Aber auch der Begriff 'Eigenschaft' Gottes erscheint HOLTZMANN unzureichend: mit Gottes Gerechtigkeit ist ja „ein Verhalten Gottes gemeint..., welches an die Stelle des Zornes tritt, wenn er statt mit Rebellen mit solchen zu tun hat, die Glaubensgehorsam leisten und sich unterwerfen" 8 . Innerhalb des Abbreviaturbegriffes δικαιοσύνη Seoö kann nun Rom. 1,17; 3,21.22; 10,3 und 2. Kor. 5,21 mehr Gottes Werk am Menschen, Rom. 3,5.25f. aber Gottes eigenes Verhalten betont sein, ohne daß der Begriff dabei noch auseinanderbräche. HOLTZMANNS exegetischer Vorstoß wird nur zum Schein dadurch abgeschwächt, daß er sich mit LÜDEMANN auf zwei nebeneinander herlaufende Linien der Gerechtigkeitslehre des Paulus einläßt und in deutlicher Antithese zu dem juridisch-forensischen Denken mit seiner bloß ideellen Gerechtigkeit des Menschen die ethischen, am Begriff der Sohnschaft orientierten Züge der Rechtfertigungslehre in den Vordergrund schiebt4. HOLTZMANN vermag noch nicht juridisches und schöpferisches Denken zu vereinigen, weil ihm die religionsgeschichtlichen Vorarbeiten dazu fehlen; er sieht aber, daß „Gerechtigkeit Gottes" ein schöpferisches Ganzes meint, und entscheidet sich instinktsicher für die Elemente der Rechtfertigungslehre, welche diesem schöpferischen Ganzen entsprechen. Die anderen Elemente scheidet er gerade deshalb aus, weil er Gerechtigkeit Gottes als den Hauptbegriff der paulinischen Rechtfertigungslehre und als schöpferisches Verhältnis Gottes zum Menschen sehen gelernt hat. Der Durchbruch zu einem neuen Verständnis von Gerechtigkeit Gottes ist HOLTZMANN also nur ansatzweise gelungen; er gelingt erst da, wo Gottes Gerechtigkeit im Rahmen der paulinischen Eschatologie gesehen und zugleich nach der religionsgeschichtlichen Verwurzelung des Begriffes gefragt wird, womit die 1

Lehrbuch der Neutestamentlichen Theologie, Bd. 2, Tübingen 2. Aufl. 1911 (edd.

A . JÜLICHER u n d W . B A U E R ) . 8 A . a . O . S. 138. A . a . O . S. 139. „ G o t t antizipiert ... im Rechtfertigungsurteil nur ein Resultat, zu welchem er den Menschen nach Rm. 8,29.36 selbst führen wird. Eben dahin weist überhaupt die letzte Konsequenz der ganzen ethischen Gedankenreihe, sofern sie auf einen Begriff der Sohnschaft führt, welche ebensosehr erfahrbaren Besitz und gegenwärtiges Glück der Gläubigen bildet, wie sie erst in der Zukunft sich verwirklicht. Dient doch der Begriff der Erbschaft so recht zum bildlichen Ausdruck dieses unlösbaren Ineinanders von gegenwärtigen und zukünftigen Beziehungen" a.a.O. S. 226. 2

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Vorherrschaft des griechischen Rechtsdenkens nun endlich gebrochen werden kann. Dies geschieht in dem kurzen, ungemein klaren Aufsatz von P. KOLBING zu Rom. ι , ι 7 1 . KOLBING möchte hier Gerechtigkeit Gottes als Gottes eigenes Verhalten deuten. Dies empfiehlt sich nach KOLBING schon deshalb, weil „die gesamte theologische Gedankenwelt des Apostels Paulus, einschließlich der Rechtfertigungslehre, aufs innigste mit der urchristlichen Eschatologie verwoben ist" 2 ; ferner deshalb, weil „die Gerechtigkeit eine im Alten Testament so häufig Gott zugesprochene Eigenschaft oder Verhaltensweise ist, daß zumal der judenchristlich denkende Leser bei dem Rom. 1,17 ohne nähere Erläuterung eingeführten δικαιοσύνη Seoü dieselbe unwillkürlich zuerst in diesem Sinne verstehen mußte. Solchen Lesern gegenüber würde Paulus, wenn er die von Gott dem Menschen beschaffte Gerechtigkeit gemeint hätte, doch vielleicht wie Phil. 3,9 gesagt haben, ή έκ Ssou δικαιοσύνη. Ferner spricht für diese Fassung das parallele όργή 3εο0, welches ebenfalls eine Gott eignende Verhaltungsweise bezeichnet" 8 . Weil aber Gottes Richterwalten im Alten Testament Gottes heilschaffendes Rechtswalten und nicht die sittliche Rechtschaffenheit Gottes meint, ebenso aber auch noch im Spätjudentum: Hen. 41,1 gesprochen wird, „steht so vielfest, daß δικαιοσύνη 3εου sehr wohl Attribut des göttlichen Richterwaltens sein kann, auch wenn sie, wie an unserer Stelle, ein göttliches Heilsthun bezeichnet" 4 . Nimmt man die Christologie hinzu, so ergibt sich als Definition von „Gerechtigkeit Gottes" : „ E s (handelt) sich um dasjenige heilspendende Richterwalten Gottes, welches das durch den Sohn Gottes d.h. den Messias beschaffte ewige Heil den Menschen verleiht und sie als im Vollsinn des Wortes Gerechte proklamiert. Diese rechtskräftige Verleihung des ewigen Heils vollzieht sich aber, wie nach der Lehre der jüdischen Apokalyptik, so nach übereinstimmenden Aussagen des Neuen Testaments 5 , bei dem in der messianischen Epoche abzuhaltenden himmlischen Weltgericht. Die im Evangelium enthüllte δικαιοσύνη Seoö wäre also die in Verleihung des ewigen Lebens beim himmlischen Weltgericht der messianischen Epoche sich bethätigende Richtergerechtigkeit Gottes."· Die Verbindung dieser eschatologisch-zukünftigen Richtergerechtigkeit Gottes zum gegenwärtigen Heilserweis von Rom. 1,17 sieht KOLBING in der apokalyptischen Anschauung gegeben, daß eschatologisch-zukünftige Kräfte im Himmel präexistent sind und also bereits in der Gegenwart wirksam werden können, um die eschatologische Offenbarung vorzubereiten. „Darum war es Paulus eine ganz nahe Hegende und leicht zu vollziehende Vorstellung, daß das himmlische Weltgericht Gottes, 1 Studien zur paulinischen Theologie I, δικαιοσύνη SeoO in Röm. 1,17, ThStKr 68 (1895) S. 7-17. ! A.a.O. S. 8. 1 A.a.O. S. 12. »A.a.O. S. 10. 5 KOLBING verweist auf: Mt. 25,31ft.; Mk. 8,38; i.Kor. 3 . 1 3 - 1 5 ; 4.5! ¿ K o r . 5,10; Gal. 6,8 und Jak. 1,12. • A.a.O. S. 14.

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dessen endgültiger Vollzug noch bevorstand, gleichwohl schon in der Gegenwart sich zu vollziehen b e g i n n t . " 1 Dieser exegetisch und hermeneutisch einwandfreien Beweisführung ist nicht viel hinzuzufügen. Man wünscht sich nur, daß die von KOLBING z u R o m . 1,17 gemachte E n t d e c k u n g auf alle paulinischen Stellen ausgedehnt wird. Zudem ist aufzuweisen, daß sich v o n hier aus auch die Einheit der juridischen und ethischen Rechtfertigung herstellen und damit deren traditionelle Antithese überwinden läßt. THEODOR HÄRING versucht im Anschluß an KOLBING wenigstens das erste 2 . Freilich unter einer charakteristischen Einschränkung: HÄRING möchte präziser als KOLBING zwischen Begriff und Vorstellungshorizont v o n δικαιοσύνη Seoü unterschieden wissen, weil keinesfalls der Eindruck entstehen dürfe, „als ob das Wort δικαιοσύνη irgendetwas anderes bedeuten könne, als einfach Richterwalten = rechtfertigende Thätigkeit, R e c h t fertigung" 3 . HÄRING möchte also δικαιοσύνη Seoö wieder auf den allgemeinen Begriff δικαιοσύνη zurückführen und blendet damit zurück zum griechischen Wortsinn. Nur innerhalb des so eingeengten Spielraumes kann er nach einer Übersicht über die Interpretationsgeschichte die paulinischen Stellen selbst durchgehen. Phil. 3,9 ist ή έκ Ssoö δικαιοσύνη deutlich Gottes Gabe. „ N u n ist aber n i c h t s . . . ungerechtfertigter als dies, ή έκ SeoO δικαιοσύνη in diesem klaren Gegensatz zu ή έμή δικαιοσύνη zur Erklärungsnorm von δικαιοσύνη Seoö zu machen ; schon ganz im allgemeinen liegt es näher zu sagen, wenn Paulus dasselbe meinte, würde er wohl auch denselben unzweideutigen Ausdruck gebraucht h a b e n ! " 4 Während HÄRING sich sicher ist, Rom. 1 , 1 7 ; 3 , 2 1 - 2 6 u n d 2 . K o r . 5,21 meine δικαιοσύνη Ssoü Gottes eigenes Verhalten, schwankt er bei R o m . 10,3. E r meint nur, der T e x t werde prägnanter, wenn man auch hier v o n Gottes Verhalten und nicht v o n seiner Gabe spreche 6 . Inhaltlich bezeichnet 'Gerechtigkeit Gottes' „die richterliche, und zwar die freisprechende Gerechtigkeit" 8 . Paulus möchte damit A . a . O . S. 15 ΔΙΚΑΙΟΣΥΝ Η ΘΕΟΥ bei Paulus, Tübingen 1896 und : Noch einmal δικαιοσύνη Seoü in Röm. 1,17, T h S t K r 69 (1896) S. 139-141. Den religionsgeschichtlichen Einsatz KÖLBINGS führt HÄRING sehr glücklich weiter : „NunbrauchtPaulus, wo er von der Rechtfertigung als gegenwärtiger redet, ausdrücklich das Wort, das in der apokalyptischen Sprache überhaupt wie für Paulus die Enthüllung der verborgenen himmlischen Welt und eben damit den Anbruch des zukünftigen Aon (sie!) bezeichnet, άττοκαλύτττεται 1,17 und, mit anderer Beziehung, πεφανέρωται 3,2i. Was die anderen erwarten, άιτοκάλυψίΐ δικαιοσύνη;, für die Gemeinde ist es da. Und wodurch, sagt 3,21 ff. mit wünschenswerter Deutlichkeit: durch die Erlösung in Christus, indem Gott ihn als Ιλαστήριον ττροέδετο, womit nach der Gesamtanschauung des Paulus (vgl. hier 4,25) die Auferstehung, diese große Thatapokalypse Gottes, der έπουράνισ, der ζωή, des πνεύμα, der δόξα unzertrennlich verbunden ist. So aber ist verständlich, warum, was Gegenwart ist, auch noch Zukunft bleibt. Christus ist offenbar und verborgen, künftitiger, vollkommener Offenbarung entgegengehend, also auch die δικαιοσύνη Seoü : nicht mehr und nicht weniger als bei demselben Paulus σωτηρία, βασιλεία, uloSeaía, ζ ω ή , ja recht verstanden selbst δόξα zukünftig und gegenwärtig ist" (Gerechtigkeit Gottes, S. 59f.). 1

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Röm. 1,17, S. 140 (Hervorhebung im Original). 5 A . a . O . S. 63. Gerechtigkeit Gottes S. 6.

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A . a . O . S. 38.

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„ganz wie das alttestamentliche npTX das Wirken und Walten des gerechten Gottes als das seine, als ganz und gar persönliche, nicht irgendwie dingliche, von ihm losgelöste, und zugleich als das ganz und gar lebendige, aktive, nicht irgendwie als eine 'ruhende Eigenschaft', die erst in Thätigkeit gesetzt werden muß" bezeichnen1. Aber dennoch bleibt das forensische Element beachtenswert. Deshalb möchte HÄRING den Ausdruck statt mit 'Gerechtigkeit Gottes' lieber mit „Rechtfertigung Gottes" wiedergeben2. „Diese Rechtfertigung ist die That des lebendigen Gottes, der inmitten der Geschichte eine Vollendung schafft, die in sich selbst Grund und Kraft eines sonst nach Tiefe und Weite unerreichbaren Strebens, eines siegreichen Kampfes im Dienst der erlösenden Liebe, einer in keine irdischen Grenzen eingeschlossenen schöpferischen Geschichte ist." 3 Der ethische Idealismus beherrscht noch unüberwindlich die Exegese.

V. Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes im 20. Jahrhundert ι. Die Doppelbedeutung von δικαιοσύνη SeoO Die bei TH. HÄRING offenkundige Diastase von religionsgeschichtlicher Einsicht und griechischem Rechtsbegriff bestimmt auch H. LIETZMANN. In der 4. Auflage seines Römerbriefkommentars wiederholt er die resignierte Feststellung aus den früheren Auflagen: „Wir müssen uns ... damit abfinden, daß Paulus neben dem allgemein üblichen Sprachgebrauch, der eine göttliche Eigenschaft bezeichnet, noch einen eigenen entwickelt hat, in dem SeoO als Genetiv, auctoris = έκ Ssoö = Seia = πνευματική zu interpretieren ist, und daß ihm oft die beiden Bedeutungen gleichzeitig gegenwärtig sind." 4 Von solch klarer Einsicht in die Probleme der Exegese sind LIETZMANNS Zeitgenossen freilich weit entfernt. - P. FEINE übergeht in seiner „Theologie des Neuen Testaments" 6 die Schwierigkeit und hält sich an Phil. 3,9: „Ob Paulus schreibt δικαιοσύνη έκ πίστεως Rom. 4,11.13 oder ή έκ πίστεως δικαιοσύνη Rom. 10,6 oder ή έκ5εο0 δικαιοσύνη έπί τ η πίστει Phil. 3,9» macht sachlich keinen Unterschied. Auch ή έκ 3εο0 δικαιοσύνη Phil. 3,9 ist gleichbedeutend mit dem sonst gebräuchlichen (ή) δικαιοσύνη (τοΟ) SeoO, da durch die Präposition έκ auch nur die Vorstellung zum Ausdruck kommt, die dem Genetivus auctoris zugrundeliegt, daß diese Ge2 A . a . O . S. 45. 3 A . a . O . S. 69Í. i A . a . O . S. 45. A n die R ö m e r ( H N X 8), T ü b i n g e n 4. A u f l . 1933, S . 9 5 ; an beide Bedeutungen gleichzeitig d e n k t Paulus nach LIETZMANN R o m . 1 , 1 7 ; 3,2IFI.; 2 . K o r . 5,21, während R o m . 3,5 klar G o t t e s E i g e n s c h a f t und R ö m . 10,3 nach Phil. 3,9 ebenso klar v o n Gottes G a b e die R e d e ist. Hervorzuheben ist ausdrücklich, daß die Stellung des Exkurses über δικαιοσύνη Seoö bei R ö m . 10,3 anzeigt, daß LIETZMANN die B e d e u t u n g dieser Stelle erkannt hat, ohne sie freilich f ü r den Begriff selbst exegetisch richtig auswerten zu können. 6 Leipzig, 5. A u f l . 1931. 4

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rechtigkeit in Gott ihren Ursprung h a t . " 1 - E. VISCHER macht in seinen beiden Artikeln in der R G G 1 und R G G 2 über „Rechtfertigung im Neuen Testament" 2 aus seiner Unsicherheit keinen Hehl. Beide Male heißt es : „Vor allem läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, was Paulus an den verschiedenen Stellen unter 'Gerechtigkeit Gottes* versteht." 3 Rom. 3,21t.; 10,3; 2.Kor. 5,21 und Phil. 3,9 ist δικαιοσύνη SfioO göttliches Geschenk, Rom. 1,17 Gottes eigenes Verhalten, „nahe verwandt mit Gnade und Güte", während Rom. 3,25t. darunter „vielleicht... lediglich die Eigenschaft Gottes zu verstehen (ist), vermöge deren er seinen Heilswillen durchführt und den Menschen in den ihm wohlgefälligen Zustand versetzt" 4 . - E. KÜHL setzt in seinem 1913 erschienenen Römerbriefkommentar Rechtfertigung mit Sündenvergebung gleich, bezieht diese aber nur auf die vor der Bekehrung begangenen Sünden. Gottes Gerechtigkeit wird von ihm (im Alleingang!) stets als Eigenschaft Gottes verstanden, welche den Menschen maß-geblich gegenübertritt. Sie trägt „den Charakter einer dem Menschen objektiv gegenüberstehenden Norm, von der das Evangelium Kunde gibt und die mit der Forderung des Glaubens an den Menschen herantritt"®. - A. JÜLICHER6 möchte dagegen lieber wieder nur Rom. 3,5.25f. Gottes Strafgerechtigkeit von Paulus betont sehen und sonst unter δικαιοσύνη Seoö die „religiöse Rechtbeschaffenheit" des Menschen verstehen. - TH. ZAHN erkennt, daß Paulus der Begriff „Gerechtigkeit Gottes" schon vorgegeben ist, versteht darunter aber „ein von Gott herrührendes, von ihm in die Welt gesandtes, in der Welt wirkendes Etwas (!), und andererseits ein den Menschen zugedachtes, zur Aneignung durch die Menschen bestimmtes G u t " 7 . i . K o r . 1,30 ist für ZAHN der sachliche Mittelpunkt der paulinischen Rechtfertigungslehre. - H. LIETZMANNS doppelte Bestimmung von δικαιοσύνη Seoö bei Paulus ist offensichtlich auch maßgeblich für P. ALTHAUS. Er versucht in seinem Römerbriefkommentar 8 , die historische These von der Doppelbedeutung des Begriffes mit Luthers theologischer Bestimmung von iustitia dei zu verbinden. Zu Rom. 1,17 gibt ALTHAUS folgende Definition: „Gottes Gerechtigkeit ist ... nicht eine ruhende 'Eigenschaft', sondern jenes Handeln Gottes, in welchem Gott und der Mensch beide gerecht sind. Gott ist gerecht, indem er des 1 A . a . O . S. 224 Anm. 1. Nur Röm. 3,25t. möchte FEINE unter „Gerechtigkeit Gottes" „das den göttlichen Verheißungen im A T entsprechende folgerichtige Verhalten Gottes" sehen, „welches freilich die Aufrichtung des blutigen Opfers Christi und die Anerkennung des darin liegenden göttlichen Gerichts in sich schließt" (a.a.O. S. 224). 2 R G G 1 I V 2070-2075; R G G 2 I V 1745-1748. 3 R G G 1 2072; R G G 2 1746. 4 R G G 2 1746f. ( R G G 1 sachüch gleich). 6 Der Brief des Paulus an die Römer, Leipzig 1913, S. 41. ' Der Brief an die Römer (Schriften des N T III, S. 223-335). ' Der Brief des Paulus an die Römer (Kommentar z. N T , ed. Th. ZAHN, Bd. VI) 3. Aufl. 1925 zu Röm. 1,17. 8 Der Brief an die Römer (NTD 6,) Göttingen 9. Aufl. 1959, vgl. besonders den Exkurs „Gerechtigkeit Gottes bei Paulus" S. i 2 f . Parallel zu ALTHAUS: LOHMEYER (s.u. S. 44).

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Menschen Gerechtigkeit waltet; der Mensch ist gerecht, indem er Gottes Gerechtigkeit erfährt und sich gefallen läßt. Gegenüber diesem einheitlichen Sinn der 'Gerechtigkeit Gottes' bedeutet die Frage: Eigenschaft Gottes oder des Menschen? ein unmögliches Entweder-Oder. Die Gerechtigkeit ist die Ordnung göttlichen Handelns, das Verhältnis, in das Gott zum Menschen tritt, in welchem Gott und der Mensch beide in Einem 'gerecht* sind." 1 Mit dieser Definition kommt ALTHAUS aber nur bis zu Rom. 3,26. Röm. 10,3 verweist auch er wieder auf Phil. 3,9. Das liegt nicht zuletzt daran, daß ALTHAUS Gerechtigkeit Gottes durchweg individualistischsoteriologisch und nicht kosmisch-schöpferisch auffaßt 2 .

2. Die religionsgeschichtliche Schule In W. WREDE findet die idealistische Gerechtigkeitsinterpretation zu Beginn unseres Jahrhunderts noch einmal einen F. CHR. BAUR ebenbürtigen Sprecher3. Für WREDE ist die paulinische Rechtfertigungslehre eine nur ganz am Rande der paulinischen Theologie stehende antijüdische Kampfeslehre, welche die Freiheit der urchristlichen Mission vom jüdischen Nationalbrauch und die Überlegenheit des christlichen Erlösungsglaubens über das Judentum verfechten soll. In künstlicher und vom rechten Ethiker keinesfalls nachvollziehbarer Weise bekämpft sie deshalb das jüdische Gesetz. Gleichzeitig will sie die Heilsbedeutung des Todes Jesu propagieren. Individualistisch darf sie deshalb nicht interpretiert werden. Höchst unglücklich zerlegt sie, gebannt von ihrem jüdischen Gegner, die Gabe des ewigen Lebens in eine gegenwärtige und eine zukünftige Hälfte. Der eigentliche Wert der Lehre besteht wie der einer guten pädagogischen Maxime deshalb darin, sich selbst im Laufe der urchristlichen Geschichte überflüssig zu machen; „und", setzt WREDE sarkastisch hinzu, „das war nicht wenig" 1 . Der Paulus bei seiner Rechtfertigungslehre leitende positive Gedanke, „daß der Mensch Gott gegenüber ganz der Empfangende, Gott allein der Gebende ist" 6 , hatte sich natürlichere Interpretamente gesucht. - Nachdem bereits E. v. DOBA . a . O . S. I2Í. Vgl. auch Chr.Wahrheit 3 S. 2821. 3 Vgl. Paulus 2 . 4 A . a . O . S. 100. 5 A . a . O . S. 76; bis in die Formulierung hinein gleich urteilt über die Rechtfertigungslehre das für die Vierte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Helsinki von diesem Weltbund herausgegebene Dokument 3 : Uber die Rechtfertigung, Pieksämäki (Finnland) o. J. Dort heißt es zusammenfassend S. 49: Die Rechtfertigungslehre „ist gewissermaßen eine Unterstreichung der zentralen Stoßlinie des Evangeliums, ein Hinweis auf die Begegnung mit dem barmherzigen Gott. Der aus Glauben Gerechte wird leben. Und er lebt, weil er in Gott ist und Gott in ihm. Wer Gott hat, bedarf nichts weiter, und in seinem Verhältnis zu Gott findet das Leben Ordnung und Sinn". Zu diesem Dokument vgl. W. DANTINE, Zum 'Rätsel von Helsinki', EvTheol 24 (1964) S. 45-48· 1

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SCHÜTZ WREDE entgegengehalten hatte, die Rechtfertigungslehre gehöre ins Zentrum der paulinischen Theologie, selbst aber in dieser Lehre nur den einen Gedanken: „Durch das Evangelium von Christus, das im Menschen Glauben weckt, erlangt der Mensch das Heil" z.T. höchst mißverständlich entfaltet fand 1 , versuchte W. MACHOLZ, unter Aufnahme dieser Kritik, WREDES exegetische Einsichten zur Rechtfertigungslehre positiv auszuwerten. In drei Grundthesen weiß er sich mit WREDE einig: „1. bei der Rechtfertigung darf man nicht 'an ein persönliches Erlebnis des Individuums' denken. 2. Sie ist vielmehr ganz ebenso gedacht wie jenes Sterben mit Christus, das von allen gilt, die zu Christus gehören. 3. Deshalb ist sie auch nur voll verständlich, wenn man als ihren Hintergrund die kosmische Erlösungslehre des Paulus in Betracht zieht." 2 Von diesen drei Sätzen her stößt MACHOLZ ZU einer neuen eigenen These vor: „Der Anbrach des neuen Äons die Deklaration der δικαιοσύνη - ob dies Verständnis nicht erst die anscheinenden Widersprüche des Rechtfertigungsgedankens löst?"* Damit stößt MACHOLZ vonWREDE her zur eschatologischen Interpretation der Rechtfertigungslehre vor. Mit dem Begriff 'Gerechtigkeit Gottes' weiß er allerdings nichts anzufangen. Er flüchtet sich in die vertraute Doppelbedeutung und nimmt damit seinem Vorstoß die entscheidende Kraft. A. DEISSMANN versucht mit seinen Schülern W. MICHAELIS und E. LOHMEYER einen anderen Ausweg zu finden. Die religionsgeschichtlich zutreffende Entdeckung mystischer Terminologie bei Paulus verwertet DEISSMANN zur Interpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre4. Seine These lautet: „Der Glaube ist nicht die Vorbedingung der Rechtfertigung, er ist das Erlebnis der Rechtfertigung." 6 Abgesehen von Rom. 3,5, ist für DEISSMANN δικαιοσύνη Seoö Bezeichnung für „den uns in Christus von Gott aus Gnade verliehenen normalen Zustand"; Phil. 3,9 und das „mystische" έν α ύ τ ω 2. Kor. ς ,21 sind die ausschlaggebenden Interpretamente für diese Begriffsbestimmung®. W. MICHAELIS hat diese Thesen seines Lehrers in einem Aufsatz über „Rechtfertigung aus Glauben bei Paulus" 7 ausdrücklich verteidigt und mit der alten Erkenntnis einer antirabbinischen Frontstellung des Paulus vereinigt: Der Glaube bleibt das „Erlebnis der Rechtfertigung", weil die paulinische Formel von der Rechtfertigung εκ bzw. διά πίστεως eine rein formale Gegensatzbildung zur rabbinischen Losung der Rechtfertigung έκ νόμου ist. Der Glaube ist also nicht die Vorbedingung der Rechtfertigung als ein vom Menschen zu leistendes Werk, wie die genannte 1 Die Rechtfertigung bei Paulus - eine Rechtfertigung des Paulus, T h S t K r 85 (1912) S. 60. 2 Zum Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre, T h S t K r 88 (1915) S. 39. 3 A . a . O . S. 53. 4 Paulus. Eine kultur- und religionsgeschichtliche Studie, Tübingen 2. Aufl. 1925 (Nachdruck 1959). 5 A . a . O . S. 132. 6 Vgl. a.a.O. S. 133. ' Festgabe für A. DEISSMANN, Tübingen 1927, S. 116-138.

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F o r m e l v e r m u t e n lassen k ö n n t e , s o n d e r n t a t s ä c h l i c h n u r die H a l t u n g , in w e l c h e r m a n die R e c h t f e r t i g u n g e r f ä h r t 1 . E . LOHMEYER g i b t in

seinen

„ G r u n d l a g e n paulinischer T h e o l o g i e " eine auf DEISSMANNS T h e s e n

be-

ruhende, b e w u ß t komplexe Definition v o n Gottes Gerechtigkeit, v o n der a u s er die a l t e F r a g e , o b „ G e r e c h t i g k e i t G o t t e s " G o t t e s eigene o d e r die d e m M e n s c h e n verliehene E i g e n s c h a f t (!) sei, als „ f a l s c h g e s t e l l t " z u r ü c k w e i s e n u n d die D o p p e l b e d e u t u n g v o n δ ι κ α ι ο σ ύ ν η S e o ü als „ d e n k l a r e n u n d n o t w e n d i g e n A u s d r u c k der sachlichen B e d i n g u n g e n , u n t e r d e n e n d e r B e g r i f f allein m ö g l i c h i s t " b e z e i c h n e n k a n n 2 . E s ist d a s V e r d i e n s t A . SCHWEITZERS, d a ß er endlich, w i e KOLBING v o r s c h l u g , die E s c h a t o l o g i e z u m L e i t f a d e n a u c h d e r p a u l i n i s c h e n R e c h t f e r t i g u n g s l e h r e u n d ihrer I n t e r p r e t a t i o n e r h e b t . SCHWEITZER v e r s t e h t u n t e r d e r „ M y s t i k d e s A p o s t e l s P a u l u s " 3 eine „ e s c h a t o l o g i s c h e M y s t i k " , d . h . ein in der jüdischen A p o k a l y p t i k wurzelndes „kollektives, kosmisch bedingtes E r 1 Historisch gesehen ist die These von M I C H A E L I S deshalb unglücklich, weil sie nicht beachtet, wie Paulus von seinem Glaubensbegrifi her auch die logische Antithese έκ νόμου - ίκ TTÍCTTECOS als eine durchaus sachliche durchhalten kann, ohne den Glauben als Werk des Menschen zu verstehen. Systematisch ist M I C H A E L I S gegenüber M U N D L E , der im Glauben „die Ursache oder wenigstens das Mittel (!), um deretwillen oder durch das Gott dem Menschen Gerechtigkeit verleiht", sehen will (Der Glaubensbegrifi des Paulus, Leipzigi932, S.136 Anm. 2) im Recht. Im Recht also auch gegenüber H. S C H L I E R , der M U N D L E nun auch in der Neuauflage seines Galaterbriefkommentars : Der Brief an die Galater (MeyerK 7. Abtlg.) Göttingen 12. Aufl. 1962, S. 89 Anm. 6 ausdrücklich sekundiert; und gegenüber H. J. S C H O E P S , der an vielen Stellen bei Paulus „geradezu von einem Leistungscharakter des Glaubens" gesprochen findet (Paulus. Die Theologie des Apostels im Lichte der jüdischen Religionsgeschichte, Tübingen 1959, S. 216). 2 A . a . O . S. 53 Anm. 1. L O H M E Y E R S Definition lautet: „Gerechtigkeit ist Gottes tiefstes Wesen, gerecht sein die Norm seines Handelns, an die er gebunden ist, weil er selber diese Norm ist. Gerechtigkeit aber ist ebenso der Sinn jedes einzelnen Daseins wie der aller Geschichte; ihr Lauf, der des Einzelnen von der Wiege bis zur Bahre, der der Welt von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende, ist vor Gott gültig allein, wenn er zu diesem Ziele drängt. Damit kennt der Begriff denn auch, um es vorsichtig zu formulieren, ein eigentümliches 'Anders'-Sein seiner göttlichen Bestimmtheit und weiß zugleich von der Notwendigkeit, dieses Anderssein aufzuheben. In ihm ist das Verhältnis Gottes zur Welt, zu den Menschen zum Problem geworden, das nach Lösung, d.h. nach unlöslicher Einheit und Verbundenheit der Menschen mit Gott und Gottes mit den Menschen drängt. Gottverbundenheit ist also der tiefste Sinn dieses Wortes, weil er selber der Sinn und die Norm aller Verbindung ist; deshalb enthält der Begriff nichts anderes als was Leibnizens (!) berühmte Worte sagen: Harmonía universalis id est Deus. In solchem religiösen Verständnis, das den Einzelnen wie die Gesamtheit zu unlöslicher Gemeinsamkeit mit Gott verbindet, trägt 'Gerechtigkeit' immer und notwendig eschatologischen Bezug" (wobei L O H M E Y E R unter Eschatologie allerdings nur „die notwendige Zeitform religiöser Geltung" verstehen möchteI) a.a.O. S. 5 2 I Auch L O H M E Y E R kommt also von dem griechischen Gerechtigkeitsbegriff noch keineswegs frei. W. B O U S S E T S Erkenntnis, daß es sich bei δικαιοσύνη 3εοϋ um einen „semitischen Genitiv" handele (Kyrios Christos [ F R L A N T 21] Göttingen 2. Aufl. 1921, S. 184 Anm. 4), bleibt also auch innerhalb der religionsgeschichtlichen Schule unausgewertet. B O U S S E T selbst hat die Bedeutung seiner Erkenntnis auch nicht gesehen, wenn er a.a.O. zwischen den Möglichkeiten hin- und herpendelt, δικαιοσύνη θεοΟ mit „Gerechtigkeit vor Gott" oder „als Eigenschaft Gottes" wiederzugeben. 8 Tübingen 1930 (Abdruck als 2. Aufl. 1954.)

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lebnis" 1 , das Christi Tod und Auferstehung und kraft der Sakramente auch die Auferstehung der Gläubigen zum Inhalt und Gegenstand hat. Diese Mystik war nur in der kurzen Zeitspanne zwischen Ostern und der (in Bälde erwarteten) Parusie historisch möglich, ist also ein unwiederholbares Phänomen. Sie bleibt aber dennoch der alleinige Schlüssel zum Verständnis der paulinischen Theologie. Da SCHWEITZER die traditionelle protestantische These von der individuellen Rechtfertigungslehre übernimmt, kann er diese Lehre nur als Nebenlinie in die apokalyptische (und d.h. für ihn 'mystische') Theologie des Paulus einfügen2. „Daß die Lehre von der Gerechtigkeit aus dem Glauben nur ein Fragment der Erlösungslehre ist, erhellt insbesondere ... daraus, daß Paulus die anderen Güter der Erlösung, den Geistbesitz und die Auferstehung, nicht mit ihr zusammenbringt ... Auch für die Begründung der Ethik und für die Lehre von Taufe und Herrenmahl greift er in keiner Weise auf sie zurück." 3 Mit diesem, die eucharistische Verwurzelung von Rom. 3,24 f. ebenso wie die Tauftraditionen von Rom. 8,29ff. und i.Kor. 6,11 verkennenden, historischen Fehlurteil verbindet SCHWEITZER eine verräterische Warnung: „Diejenigen aber, die in der Folge dann seine Lehre von der Gerechtigkeit aus dem Glauben zum Zentrum der christlichen Überzeugung machen, bekommen es in tragischer Weise zu fühlen, daß sie mit einem Begriffe der Erlösung umgehen, aus dem sich logischerweise keine Ethik ableiten läßt." 4 SCHWEITZER kritisiert Paulus also wie WREDE von idealistischen Prämissen her und gelangt folglich zu den gleichen Ergebnissen wie dieser. Er wird in seiner Kritik auch nicht durch die paulinische Eschatologie gehindert, die er zwar entdeckt und ernst nimmt, aber nur als historisches Problem betrachten kann, weil sie durch den Gang der Ereignisse selbst widerlegt worden ist. - SCHWEITZERS negativem Urteil über die Rechtfertigungslehre haben sich verständlicher Weise H. J. SCHOEPS6 und unverständiger Weise W. D. D AVIES® angeschlossen, während W. GRUNDMANN mit Recht dagegen eingewandt hat, die paulinische Gesetzeslehre erzwinge eine Verbindung von Mystik und Rechtfertigung und in Rom. 3,24f. sowie 2. Kor. 5,14-21 sei diese Verbindung christologisch tatsächlich bereits hergestellt7. A . a . O . S. 215. „ D i e Lehre v o n der Gerechtigkeit aus dem Glauben ist . . . ein Nebenkrater, der sich im Hauptkrater der Erlösungslehre der Mystik des Seins in Christo bildet. D a ß es sich um ein unnatürliches Gedankenerzeugnis handelt, tritt darin zutage, daß P a u lus bei der Vorstellung eines Glaubens anlangt, der die Werke des Gesetzes und damit die W e r k e überhaupt ablehnt. E r schneidet sich also den W e g zur E t h i k ab. Diesen Preis bezahlt er, um die Lehre von der Gesetzesfreiheit in d e i Lehre v o m Sühnetod Jesu gegeben finden zu können" (a.a.O. S. 220). 3 A . a . O . S. 216. 4 A . a . O . S. 220. 5 Paulus, S. 2o6f. SCHOEPS sieht jedoch gegenüber SCHWEITZER, daß Rechtfertigung und T a u f e bei Paulus verbunden sind (a.a.O. S. 2i8f.). • Paul and Rabbinic Judaism, London 2. Aufl. 1955, S. 221 f. 7 Gesetz, Rechtfertigung und Mystik bei Paulus, Z N W 32 (1933) S. 52-65. 1

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3. Die Interpretation vom Alten Testament und vom Judentum her In den Spuren von A. RITSCHL, zugleich aber in konsequenter Auseinandersetzung mit diesem, trägt H. CREMER noch vor W . WREDES „ P a u l u s " den entscheidenden Angriff gegen den ethischen Idealismus in der Interpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre vor. CREMERS Untersuchung trägt den Titel „Die paulinische Rechtfertigungslehre im Zusammenhange ihrer geschichtlichen Voraussetzungen" 1 . Zu diesen geschichtlichen Voraussetzungen gehört für CREMER in erster Linie das Alte Testament. CREMER hat als erster konsequent und historisch abgesichert den Begriff (n)pTI als gemeinschaftsbezogenen Begriff interpretiert. Gegen A. RITSCHL gewandt schreibt er: „Das Alte Testament giebt keinen Anhalt für die Meinung, daß die rein formale Erfüllung der 'Rechtspflicht' Anspruch auf den Namen eines Gerechten verleihe. Aber auch nicht die Gesinnung ist es, welche diesen Anspruch verleiht, sondern das bestimmte Verhalten innerhalb des Verhältnisses zu Gott und Menschen, welches den in diesem Verhältnis liegenden Ansprüchen gerecht wird, in Gegensatz zu denen, welche die Ansprüche mit Füßen treten. Gerecht ist der, welcher Gott und Menschen giebt, was das Verhältnis zu ihnen, die Gemeinschaft mit ihnen, erheischt." 2 Gerechtigkeit Gottes ist die in diesem Verhältnis heilstiftende und dennoch richterlich wirksame iustitia salutifera; eine strafende Gottesgerechtigkeit kennt das Alte Testament also nicht 3 ! Ehe wir auf C R E M E R S Folgerungen für die Interpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre näher eingehen, ist zunächst ein Blick auf die mit C R E M E R eigentlich erst einsetzende alttestamentliche Begriffsbestimmung von Gerechtigkeit Gottes zu werfen. C R E M E R S These von der Gemeinschaftsbezogenheit des (n)pTX-Begriffes polemisierte nicht nur gegen A. R I T S C H L , sondern auch gegen E R N S T K A U T Z S C H , der den Stamm p l S vom Normgedanken her verstanden sehen wollte, als er 1881 in den Tübinger Universitätsschriften eine Abhandlung „Uber die Derivate des Stammes im alttestamentlichen Sprachraum'* veröffentlichte. C R E M E R S Sicht der Gottesgerechtigkeit als iustitia salutifera hat aber auch N Ö T S C H E R S Behauptung von einer Strafgerechtigkeit Gottes in der Verkündigung der vorexilischen Propheten bereits überholt, noch ehe Gütersloh, 2. Aufl. 1900, danach die folgenden Angaben. A.a.O. S. 5 1 I ; vgl. ferner S. 23. 34 u.ö. 3 „ I m ganzen Alten Testament ist und bleibt die Gerechtigkeit Gottes justitia salutifera, weil sie ihrem Wesen nach justitia justificatoria ist, d.h. weil es ihr Wesen ist. Recht zu schaffen denen, die es bedürfen, oder das Recht zu Gunsten des Volkes Gottes auszuüben und ihm dadurch zu helfen" (a.a.O. S. 33). C R E M E R kann so definieren, weil er sieht, daß „das Königtum Gottes früher (ist) als die Forderung Gottes an sein Volk; die Bundesauflage, das Gesetz, ist nicht Begründung, sondern Ausfluß dieses Königtums" (a.a.O. S. Damit hat C R E M E R als erster die theologisch sachgerechte Einordnung des alttestamentlichen Gesetzes vollzogen, um die sich dann M. N O T H , ohne C R E M E R ZU nennen, also selbständig, in seiner berühmten Untersuchung über: Die Gesetze im Pentateuch (1940) bemüht hat (jetzt: Studien, S. 9-141). K L . K O C H irrt also, wenn er mit vielen anderen N O T H als den Entdecker des theologischen Nacheinander von Bund und Gesetz anspricht (Wesen und Ursprung der 'Gemeinschafts" treue' im Israel der Königszeit, Z E E 5 (1961) S. 80). 1

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diese ausgesprochen wurde1. Daß CREMER mit seiner Sicht tatsächlich Recht hatte, hat H . C A Z E L L E S 1951 herausgestellt2. C A Z E L L E S ist den von N Ö T S C H E R herangezogenen Stellen im einzelnen noch einmal nachgegangen und hat jedesmal nachweisen können, daß Gerechtigkeit ein aufbauender Begriff und kein strafrichterlicher Akt Gottes ist. Daß dieser Nachweis erst so lange Zeit nach C R E M E R erbracht wurde, hat seinen Grund darin, daß erst durch eine ganze Reihe von Untersuchungen auch im alttestamentlichen Forschungsbereich die Vorherrschaft des von K A U T Z S C H und N Ö T S C H E R untermauerten griechisch-römischen Rechtsdenkens gebrochen werden mußte. Dies geschah zunächst durch J . P E D E R S E N 3 . Daß der Israelit nur inmitten eines ihn umgebenden Ganzen, d.h. einer Gemeinschaft, denken und leben kann, hat P E D E R S E N unbezweifelbar gemacht. Seine Definition von Gerechtigkeit zeigt jedoch auch die entscheidende Schwäche seines Ansatzes. P E D E R S E N schreibt: „In order to develop in full harmony the soul must be healthy; this healthiness the Israelite calls righteousness."4 P E D E R S E N vermag sich die hebräische Wirklichkeitsauffassung also nur mit Hilfe der Psychologie zu erschließen und muß sie deshalb auf Beweggründe und Regungen einer 'Seele' zurückführen. Nach P E D E R S E N transzendiert die israelitische Seele dauernd ihr eigenes Selbst und kann deshalb nur im Rahmen einer Ganzheit existieren. Für diese psychologische Analyse P E D E R S E N S lassen sich nun aber keine genuin israelitischen Belege beibringen6. Es war deshalb gut, daß es nicht nur bei P E D E R S E N S Analysen blieb, sondern daß K. Hj. F A H L G R E N 1932 das Thema erneut in seiner Dissertation über „Sedaka nahestehende und entgegengesetzte Begriffe im Alten Testament" aufgriff. Auf dem Wege der vergleichenden Begrifisanalyse untermauerte er zunächst die These vom hebräischen Ganzheitsdenken und bezeichnete dieses als „synthetische Lebensauffassung"·. Für ( I D P T X erzielte F A H L G R E N folgende (formale) Definition: „Der Stamm sdk gibt das Gleichgewichts- und Gemeinschaftsverhältnis in der Welt an. Die Substantiva sedaka und saedaek drücken dessen Norm aus und was mit ihr übereinstimmt, das Adjektivum saddik bezeichnet den (oder das), welcher (oder was) die rechte Stellung im Verhältnis zu den Menschen wie zu Gott hinnimmt und das Verbum sadak bedeutet 'das rechte Maß nach dem Gesichtspunkt der Zusammengehörigkeit' halten." 7 Folgenreich war die Wiedereinführung des schon von C R E M E R zurückgewiesenen Norm-Begrifies. G. Q U E L L konnte nun in seinem Artikel über „Den Rechtsgedanken im AT" 8 erneut die alttestamentliche Gerechtigkeitsvorstellung methodisch von der Begrifflichkeit der Septuaginta her angehen und (ïl)j?Tt ausdrücklich „als Norm für den vollendeten ûftljjZustand" zwischen Gott und Volk und nur in diesem Sinne als Bundestreue bezeichnen*. F A H L G R E N gelang es also in der Konsequenz nicht, das griechische Rechtsdenken aus der alttestamentlichen Begriffsforschung zu verdrängen. Dies lag wesentlich auch daran, daß er in seiner Theorie von der Entwicklung der synthetischen Lebensauffassung in der Geschichte Israels P E D E R S E N verhaftet blieb10 : Nach F A H L G R E N wird nämlich die naive alte Ontologie der Ganzheitsvorstellungen durch eine persönliche Ver1 F . N Ö T S C H E R , Die Gerechtigkeit Gottes bei den vorexilischen Propheten, Atl.Abh. V I , i , Münster i. W. 1915. 2 A propos de quelques textes difficiles relatifs ä la justice de Dieu dans l'Ancien Testament, R B 58 (1951) S. 169-188. 3 Israel - its Life and Culture I-IV, London/Kopenhagen 1926-1940; das entscheidende Kapitel über „Righteousness and Truth" in Bd. I/II, S. 336-377. 4 A.a.O. S. 336 und dann oft wiederholt. 6 Vgl. K L . K O C H , Sdq im AT, S. 4 0 ! ; Gemeinschaftstreue, S. 74 Anm. 3 ; H. G E S E , Lehre und Wirklichkeit in der Alten Weisheit, Tübingen 1958, S. 43. * Des Israeliten „Lebensauffassung ist synthetisch, so daß all das, was für uns etwas Selbständiges ist, ihm nur ale verschiedene Seiten derselben Sache erscheint" (a.a.O. S.51). 8 ThWb II S. 176-180. ' A . a . O . S. 78. » A.a.O. S. 179,28. 10 Vgl. P E D E R S E N , a.a.O. S. 373!.

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geltungslehre ersetzt, als Israel in eine den Polytheismus ausschließende Beziehung zu Jahwe tritt. - Es ist das entscheidende Verdienst von KL. KOCH, in seiner Dissertation „Sdq im Alten Testament. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung"1 diese Sicht FahlGRENs widerlegt zu haben. Charakteristisch für KOCHS methodischen Ansatz ist ein vorbildliches Miteinander von gattungsgeschichtlicher und ontologischer Analyse. Auf gattungsgeschichtlichem Wege hat KOCH zunächst, im Gefolge seines Lehrers G. v. RAD2, den kultischen Sitz im Leben der beherrschenden Gerechtigkeitsaussagen deutlich gemacht. Die (n)¡?"7X-Vorstellung gehört für KOCH konstitutiv „zum Traditionskreis des israelitischen Herbstfestes"3, die Rede von Jahwes Gerechtigkeit wurzelt in der kultischen Theophanie4. Von diesem Zentrum her wirkt Jahwes (fl)pTl rechtsbegründend in die Welt hinein. KOCHS neue Übertragung von (H)p12t lautet: 'Gemeinschaftstreue'. KOCH ist es außerdem gelungen, die Auffassung von einer - wie er die synthetische Lebensauffassung nennt - „schicksalwirkenden Tatsphäre" bis in die jüngsten Teile des Alten Testaments hinein nachzuweisen und dadurch endgültig den Beweis dafür zu erbringen, daß von einer griechisch gedachten Vergeltungsordnung im Alten Testament nirgends die Rede sein kann. In diesem ontologischen Teil seiner Arbeit ist es KOCH entscheidend wichtig, daß Jahwe Schöpfer und Herr in Israel nur so ist, daß er über der schicksalwirkenden Tatsphäre wacht. Mit dieser These ist KOCH jedoch auf Widerspruch gestoßen. Und zwar ebenso bei seinem Lehrer G. v. RAD5, wie b e i H . J . K R A U S · , b e i F R . HORST 7 u n d H . GESE 8 . D e r W i d e r s p r u c h b e t r i f l t ü b e r a l l d i e

Frage, ob die von KOCH gegebene Charakteristik des alttestamentlichen Ganzheitsdenkens noch genügend Spielraum lasse für Jahwes souveräne Freiheit. KOCH selbst hat dies Problem sehr wohl gesehen9. Er wollte und will es aber nur im Rahmen der dem israelitischen Menschen selbstverständlichen Denkweise angegriffen wissen, und eben dieser Denkweise ist nach KOCH der juridisch gedachte Begriff der „Vergeltung" unangemessen10. FR. HORSTS Aufweis, daß Gottes Eingreifen den Menschen gegenüber vor allem in der deuteronomischen Theologie bewußt in Rechtsbegriffen geschildert wird, die „in der Hauptsache dem Bereich der privatrechtlichen Deliktsahndung und Sachverfolgung" entnommen sind11, macht zwar KOCHS These zweifelhaft, daß erst in der Septuaginta „die Religion in Rechtsbegriffe gefaßt" werde und „nicht schon im Alten Testament" 12 . Auch scheint der von HORST eingeführte Begriff der „Ahndung" dem Sachverhalt näher zu kommen als die Vergeltungsvorstellung. Weiter als HORST führt KOCH gegenüber aber noch der Einspruch von H. GESE. GESE hat in seiner Habilitationsschrift über „Lehre und Wirklichkeit in der Alten Weisheit. Studien zu den Sprüchen Salomos und zu dem Buche Hiob" (1958) gezeigt, daß die synthetische Le1 Diss, theol. Heidelberg 1953 (Masch.), dazu ausführlicher unten S. 88ff. Der die Ontologie betreffende Teil der Arbeit ist als Aufsatz unter dem Titel : Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament, ZThK 52 (1955) S. 1-42 erschienen. Seine Sicht von (Π)ρπΧ hat KOCH 1961 in ZEE 5 (1961) S. 72-90 unter der Überschrift „Wesen und Ursprung der 'Gemeinschaftstreue' im Israel der Königszeit" und in dem Artikel: Gerechtigkeit im Alten Testament, E K L I 1501-1502, zusammengefaßt. 2 Vgl. v. RADS zeitlich vor KOCHS Dissertation liegende Aufsätze über „Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit" und „Gerechtigkeit und Leben in der Kultsprache der Psalmen", beide jetzt in: Ges. Studien zum Alten Testament (ThB 8) München 1958, S. 130-135 und S. 225-247. 8 Sdq im AT, S. II u. passim. 4 A.a.O. S. 4ft. s Theol. I S. 264 Anm. 175. 6 Psalmen ( 2 Bde., B K 15, Neukirchen i960) Bd. 1, S. 6if. 7 Recht und Religion im Bereich des Alten Testaments, in: Gottes Recht. Ges. Studien zum Recht im Alten Testament, ThB 12, München 1962 S. 286ff. 8 A.a.O. S. 42ff. 9 Vgl. Sdq im AT, S. 89. 98 u.ö.; Vergeltungsdogma S. 21 f., 36. 10 Vgl. vor allem Vergeltungsdogma S. 22. 11 A.a.O. S. 289. 12 Vergeltungsdogma S. 39.

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bensauffassung und mit ihr die Vorstellung von einer 'schicksalwirkenden Tatsphäre' vorderorientalisches Allgemeingut gewesen ist. Sobald die betroffenen Völker geistig in der Lage waren, die Welt als ein Ordnungsgefüge zu begreifen, war für sie das von K O C H herausgestellte Phänomen einer immanenten Nemesis gegeben. In der ägyptischen Lehre von der Maat ist, so führt G E S E aus, die Welt bereits exemplarisch als Ordnungsgefüge erkannt. Von G E S E her ist also die entscheidende Frage an K O C H die, ob er nicht ein für die gesamte orientalische Welt charakteristisches Denken zu rasch als genuin israelitisch angesehen habe. Folgt man G E S E , so ist es für die israelitische Variante dieses Ordnungsdenkens charakteristisch, daß der immanenten Weltordnung gerade nicht das Feld überlassen wird, sondern daß man Jahwe eine die immanente Kausalität sprengende Freiheit des Waltens zuerkennt, „die das gesamte Weisheitsdenken [aus welchem K O C H S Hauptbelege stammen] fragwürdig werden läßt", vgl. nur Prov. 21,30. G E S E fragt dann: „Blicken wir auf das Ganze des uns in den Sprüchen überlieferten Materials, so müssen wir uns fragen, ob wir in der israelitischen Weisheitslehre nicht doch von einem Vergeltungsdogma sprechen dürfen." 1 Diese Frage gilt auch G. v. RAD gegenüber, in dessen Darstellung von „Jahwes und Israels Gerechtigkeit" K O C H S Ergebnisse weitgehend Eingang gefunden haben2. Sitz im Leben der Aussagen über Jahwes Gerechtigkeit ist auch für G. v. RAD der alttestamentliche Gottesdienst. Jahwes Bundestreue ist ein machtvoller Heilsbereich, welcher rechtsbestimmend erfahren wird. Das Recht ist dementsprechend die Regelung des dem Gemeinschaftsverhältnis Jahwes zu seinem Volk entsprechenden menschlichen Verhaltens. Wie die Bestimmung der alttestamentlichen Gottesgerechtigkeit auf Grund der seither geleisteten Vorarbeit aussehen muß, zeigt der Artikel von F R . H O R S T über „Gerechtigkeit Gottes im A T und Judentum" 3 . H O R S T definiert: „Gerechtigkeit Gottes ist ... ein tätiges Rechtheitswollen, das Natur und Gemeinschaft auf Segen (Ps. 24,5) und ungefährdeten Frieden (Ps. 85,10fi.) hin ordnet, heilt und belebt." 4 Das Bemühen, in vorsichtigem Gegenzug gegen C A Z E L L E S , K O C H und G. v. R A D mit u.a. den gerichtlichen, also streng juridischen Charakter der (Gottes-) Gerechtigkeit erneut herauszuarbeiten, bestimmt die Studie des Juristen A. D Ü N N E R : Die Gerechtigkeit nach dem Alten Testament6. D Ü N N E R hält sich nur an eine Auswahl von Stellen und diskutiert auch diese jeweils nur bis zu der Feststellung eines richterlichen Charakters der (Gottes-) Gerechtigkeit. Der eigentliche Seinsgehalt der Wortgruppe p1X/(n)p"t2£ bleibt unerörtert. Obwohl D Ü N N E R den Normbegriff zur Bestimmung von (n)j?"TJ£ nicht heranziehen möchte8, rücken Gesetz und Bundesgedanke faktisch wieder zu solchen Normen auf, wenn D Ü N N E R von seinem Material aus resümiert: „Die Gerechtigkeit Gottes betätigt sich vorwiegend im Gericht, in dem sie Hilfe dem Bedrängten gewährt und die Sünde als Gottlosigkeit ahndet. Sie wird daher mit Recht auch strafrichterliche Gerechtigkeit genannt." 7 Die von D Ü N N E R zunächst beachtete alttestamentliche Antithese von Zorn Gottes und Gottes Gerechtigkeit sowie die Nähe von Heilsaussagen und solchen über die (n)j?T£ werden von diesem Gesichtspunkt her schließlich doch entkräftet, so daß die Forschung an D Ü N N E R S vagen Formulierungen NÖTSCHER

1 A.a.O. S . 49; K O C H hat inzwischen G E S E S Frage an ihn als berechtigt anerkannt, m. E. aber mit Recht die erneute Einführung des Vergeltungsbegriffes zurückgewiesen: Gemeinschaftstreue S. 82 Anm. 24. 2 Theol. I, S. 368-380. 3 R G G 8 II 1403-1406. 4 A.a.O. 1404; vgl. ferner seine Definition in „Gottes Recht" S. 291: „Gerechtigkeit, diese heilvolle und hilfreiche Geordnetheit der Dinge im Himmel und auf Erden, ihre lebendige, Leben gebende Verbundenheit und Rechtheit, ist sowohl eine Wesensäußerung Gottes wie eine dem Menschen dargereichte Heilssphäre". 5 Schriften zur Rechtslehre und Politik Bd. 42, Bonn 1963. 6 A.a.O. S. 68ff. ' A.a.O. S. 130.

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8243 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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letztlich keinen festen neuen Anhalt gewinnt1. - Die skizzierte Bemühung um die Klärung des alttestamentlichen Begriffes der Gottesgerechtigkeit hat erst in jüngster Zeit EinfluO auf die neutestamentliche Begriffsforschung ausgeübt. Wichtiger als die alttestamentliche Begrifflichkeit schien ja zunächst die des Judentums zu sein, aus dem Paulus hervorgegangen ist.

Darum blieb CREMER zunächst isoliert, als er Paulus nach alttestamentlichem Vorbild verstehen und Gerechtigkeit auch bei Paulus als Verhältnisbegriff interpretieren wollte. Paulus prägt - nach CREMER - den Begriff δικαιοσύνη SeoO neu, um damit Rom. 1,17; 3,21.22; 10,3 und 2. Kor. 5,21 die „durch Gottes Urteil hergestellte Gerechtigkeit des Glaubenden"2, Rom. 3,25 f. aber Gottes eigenen heilstiftenden Rechtserweis zu bezeichnen8. Gottes und der Menschen Gerechtigkeit ist also nicht mehr wie eine griechische Tugend zu denken : „Gott ist gerecht als König und darum als Richter seines Volkes, der Recht schafft denen, die es bedürfen und begehren. Der Mensch ist gerecht, der das Urteil Gottes für sich hat. Der Gott, welcher als seines Reiches König gerecht richtet, schafft Recht." 4 Der Geist ist das schöpferische Medium der Rechtfertigung5. Das Problem des auf den Christen zukommenden Jüngsten Gerichtes löst auch CREMER mit dem von F. CHR. BAUR her bekannten Gedanken der qualitativ neuen Gesetzeserfüllung durch die Gläubigen6. CREMERS Buch ist, recht verstanden, der Grabgesang auf die idealistische Gerechtigkeitsinterpretation. CREMER selbst gibt dieser Ansicht dadurch recht, daß er ohne Änderung seiner exegetischen Grundansichten im „Biblisch Theologischen Wörterbuch des Neutestamentlichen Griechisch" zu einer geschlossenen Auffassung von Gerechtigkeit Gottes als dem einen großen Heilserweis Gottes übergehen konnte und übergegangen ist7. Die Interpretation des paulinischen Begriffes vom jüdischen Material her wird von P. BILLERBECK geleistet, nachdem A. SCHLATTER der Interpretation des Neuen Testaments mit Hilfe spätjüdischen Parallelenmaterials Bahn gebrochen hatte. (H. L, STRACKS und) P. BILLERBECKS dritter Kommentarband „Die Briefe des Neuen Testaments und die Offenbarung des Johannes erläutert aus Talmud und Midrasch" (1926) verlieh allen religionsgeschichtlich arbeitenden Exegeten bei der Interpretation von δικαιοσύνη Seoö nach Phil. 3,9 ein reines Gewissen. Zu Rom. 3,21 führt BILLERBECK aus: Unter δικαιοσύνη 3εοϋ „versteht der Apostel Paulus eine Gerechtigkeit, die Gott dem Menschen beilegt. Sie kommt dadurch zustande, 1 Vgl. z.B. die in das Résumé aufgenommene Zwischendefinition a.a.O. S. 45: „Im forensischen Bereich der sädäq/sedaqa zeigt sich ..., daß die Strafgerechtigkeit Gottes und seine Gnade und sein Heilswirken eng aufeinander bezogen sind. Zwar ist die Auffassung von der Gerechtigkeit Gottes als einer stets sich offenbarenden höchsten 'Wohltat* und 'Heilsgabe' unhaltbar, doch kann neben der Strafgerechtigkeit Gottes die Gnade nie ganz weggedacht werden". 2 4 A.a.O. S. 338f. ' A.a.O. S. 340. A.a.O. S. 347. 5 A.a.O. S. 424t. · A.a.O. S. 366. 7 Stuttgart/Gotha n . Aufl. 1923 ed. J . KÖGEL, S. 3 1 1 - 3 1 7 .

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daß Gottes richterliches Urteil sich für den Menschen entscheidet und diesen damit für gerecht erklärt, d.h. als einen ansieht, der Gottes Anspruch genügt. Sie ist also recht eigentlich eine δικαιοσύνη εκ 3εοϋ (Phil. 3,9), eine Gerechtigkeit, die allein von Gott kommt, von Gott hergestellt, von Gott verliehen wird" 1 . Erstaunlich aber war die Anmerkung: „Der Terminus 'Gottesgerechtigkeit' im Sinne von Rom. 3,21 war der alten Synagoge fremd." 2 Daß B I L L E R B E C K S Exegese also nur dann überzeugend war, wenn Gerechtigkeit Gottes bei Paulus kein traditioneller term, techn. ist, sah, wie es scheint, niemand. Daß man von B I L L E R B E C K S Deutung her mit der Frage nach dem Verhältnis von Rechtfertigung und Endgericht nicht genügend vorankam, zeigen die Arbeiten von H . B R A U N 3 und F. V . FILSON 4 . Nach einer Übersicht über den Forschungsstand zum Problem äußert sich B R A U N zum Entscheir denden nur in Frageform: „Sollten sich Rechtfertigung und Gericht bei Paulus etwa so einen, daß der in dem Rechtfertigungsglauben wirkende Gott das schafft, was im eschatologischen Gerichtsurteil verlangt und bestätigt wird?" 6 B R A U N betont zwar zunächst, der Gerichtsgedanke sei kein abzustoßender Rest innerhalb des paulinischen Denkens, meint dann aber doch, die bei Paulus zuweilen vorkommende Gerichtsparänese zeige „ein(en) gelegentlichen Rückfall in den Tenor jüdischer Paränese"·. - FILSON führt die Gerichtsanschauung des Paulus auf seine Vorstellung von Gottes Gerechtigkeit zurück: „This righteousness was not a mere passive quality in God. It was operative in his relations with men. It made it necessary that men be morally fit to associate with Him and it made it necessary that God deals justly with men. Paul could not conceive of God as one who would not manifest righteousness and insist on righteousness."7 Aber es bleibt eben bei einem Nebeneinander von Rechtfertigung und Gerichtserwartung, das FILSON nur durch den Satz erklären kann, Paulus als Jude habe eben Moral und Religion nicht trennen können8. Eben dieses Nebeneinander hat erst A. SCHLATTER überwunden, der B I L bei der Deutung von δικαιοσύνη Seoö nach Phil. 3,9 nicht gefolgt ist. SCHLATTERS Paulusinterpretation gehört zu den klassischen Auslegungen des Protestantismus in diesem Jahrhundert. LERBECK

4. Die Interpretationen von A.Schlatter, R. Bultmann und K. Barth A. SCHLATTER hat 1935 seinen Römerbriefkommentar unter dem Titel „Gottes Gerechtigkeit" erscheinen lassen. Gerechtigkeit Gottes ist also für SCHLATTER die theologische Überschrift des Römerbriefes und damit dessen 1 3 4 5



A.a.O. S. 162t. ' A.a.O. S. 163 Anm. 1. Gerichtsgedanke und Rechtfertigungslehre bei Paulus, UNT 19, Leipzig 1930. St. Paul's Conception of Recompense, UNT 21, Leipzig 1931. 7 A.a.O. S. 130t. 8 A.a.O. A.a.O. S. 82. »A.a.O. S. 96.

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eigentliches Thema. S C H L A T T E R S Begriffsinterpretation ist bestechend: „Die Gerechtigkeit ist genau so die Gott eignende, wie die Kraft die seine und der Zorn der seine ist", schreibt er zu Rom. 1,17 und setzt hinzu, „es ist offenkundig, daß sich die Aussage des Paulus über die Gerechtigkeit Gottes nicht auf die Eigenschaft einer ruhenden Substanz beziehen läßt. Paulus denkt in jeder Aussage über Gott an den Schöpfer, an den, der will und wirkt, sich offenbart und den Menschen in das von ihm gewollte Verhältnis zu sich bringt. Es ist aber in der Gottheit Gottes begründet, daß sein Wirken Recht schafft und das Verhältnis des Menschen zu ihm so ordnet, daß alles Böse in Kraft seines herrlichen Willens aus ihm ausgeschieden ist". Rom. 3,5 ist δικαιοσύνη Seoü in S C H L A T T E R S Interpretation Gottes eigene Gerechtigkeit, die „unserem Unrecht ein Ende macht" ; Rom. 3,21 Gottes Gerechtigkeit, die „ein Verhältnis setzt, in dem das Recht wirksam ist"; Rom. 3,25 „ganz die Gerechtigkeit Gottes, seine schöpferische Tat". Auch 2. Kor. 5,21 spricht Paulus, nach S C H L A T T E R , von dem Gott, der „seine Gerechtigkeit an uns offenbar (macht) ; sie formt uns innen und außen, gibt uns den Willen und das Schicksal, macht uns mit Gottes Willen eins und gibt uns Anteil an seinem Leben" 1 . Gottes Schöpferwerk, Gottes väterliche Zuwendung zu allen Verlorenen, umschließt also Gottes Gerechtigkeit ebenso wie sie die Macht des Richtergottes ist. Der Christus ist Träger und Repräsentant dieser Macht: „Gottes Gerechtigkeit ist dadurch offenbar geworden, daß Christus das Ende des Gesetzes ist, womit er auch das Ende jeder eigenen Gerechtigkeit des Menschen ist", sagt S C H L A T T E R zu Rom. 10,3 ff. Auffällig aber ist nun die Fortführung seiner Interpretation an dieser Stelle: „Gerade dadurch, daß Christus ohne das Gesetz handelt und an seine Stelle als der Herr des Menschen tritt, entsteht für jeden Glaubenden Gerechtigkeit ... Soweit die Herrschaft des Christus reicht, herrscht nicht mehr das Gesetz, und deshalb ist die Freiheit vom Gesetz nicht Gesetzlosigkeit, sondern Gerechtigkeit ... jenseits des Gesetzes steht einzig Christus, der sich sein Herrenrecht dadurch erworben hat, daß er das Urteil des Gesetzes erlitten hat". S C H L A T T E R geht es hier offensichtlich um die Kontinuität der Gerechtigkeit Gottes als einer Macht, die das gehorsame Werk des Menschen fordert; Paulus aber geht es im Text um die Unterwerfung der Menschen unter Gottes δικαιοσύνη und um die Homologie ! Daß S C H L A T TER hier einen Paulus fremden Gedanken eingeschoben hat, zeigt seine Reflexion über Christus und das Gesetz zu Rom. 3,21. S C H L A T T E R fragt: „Ist der Jude ausgeschlossen, weil der Christus sein Wirken vom Gesetz trennt? Wenn er das Gesetz verleugnen müßte, könnte kein Jude an ihn glauben. Wer aber an ihn glaubt, schaut in ihm die Gerechtigkeit Gottes, und diese erfüllt das Gesetz. Gerade dadurch, daß der Christus über dem Gesetz steht und ohne das Gesetz am Menschen handelt, ist auch dem Juden der Zu1 Paulus, der Bote Jesu. Eine Deutung seiner Briefe an die Korinther, Stuttgart 2. Aufl. 1956, z. St.

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gang zu ihm gewährt ; denn das Gesetz scheidet ihn von Gott und verschließt ihm sein Reich." Noch deutlicher spricht S C H L A T T E R ZU Rom. 2,13 : „Wenn Gott durch den Christus die Welt richtet... wird offenbar, daß der, der dem göttlichen Gebot die Tat versagt, gottlos ist und dem Zorn verfällt, und es wird ebenso offenbar, daß Gott Ruhm, Ehre und Frieden keinem (!) verweigert, der Gutes vollbringt." So wirkungsvoll S C H L A T T E R den Gedanken des uns zum Werke drängenden Gottes zu fassen vermag1, so klar er die Frage von Rechtfertigung und Endgericht nach den Werken dadurch löst, daß der Glaube Gottes Werk im Menschen sei und daß der Mensch deshalb beim Endgericht nach seiner Teilhabe am göttlichen Werk gefragt werde2, so wenig ist S C H L A T T E R willens, das Nein des Paulus zur ganzen alten Schöpfung und damit den apokalyptischen Tenor der Rechtfertigungslehre mitzuvollziehen. Daß Israels Rückkehr zu Gott nach Röm.n nur in der Bekehrung zum Christus und also nur in der Auferstehung von den Toten begründet sein kann, nicht aber im Wirken guter Werke, realisiert S C H L A T T E R ebensowenig, wie er die von Paulus mit aller Härte verfochtene These, das mosaische Gesetz sei der Todfeind des Christus und damit auch des Heilswillens Gottes (Gal. 3), nachvollziehen kann. S C H L A T TER spricht hier nur von einer Kehre der Ethik, nicht aber von der tötenden Macht Gottes. Weshalb? Weil eben auch er, an einer ihm selbst sicher unbemerkt gebliebenen Stelle, Erbe und Sprecher der idealistischen Geistigkeit seiner Anfangszeit geblieben ist. Wenn F. C H R . B A U R Rom. 2,6 zum Zentrum des 'eigentlichen' paulinischen Evangeliums erhoben hat und S C H L A T T E R nun zu Rom. 2,13 die natürliche Theologie der guten Werke verficht, ja, die ganze Behandlung des Glaubensbegriffes bei Paulus an der Frage nach dem Werk des Menschen orientiert8, von da aus schließlich auch zur Kritik an den Reformatoren ausholt, ist dies zutiefst der Ausdruck für eine gemeinsame Überzeugung: Daß der Mensch sein Wesen und seine Würde allein im Wirken und damit in der Ethik findet. R U D O L F B U L T M A N N kämpft mit K. B A R T H gegen einen idealistisch domestizierten Gottesbegriff. Nur die Eschatologie kann der sachgemäße Interpretationshorizont aller Rede von Gott sein. Als Historiker kann sich B U L T MANN mit dieser einen Front aber nicht begnügen. Gerade um der Kontinuität historisch-kritischer Arbeit willen muß er auf einen Zusammenhalt zwischen Systematik und historisch-kritischer Exegese drängen, um so dem Liberalismus auch exegetisch widerstehen zu können. Diese doppelte Anforderung an B U L T M A N N S theologisches Denken führt ihn folgerichtig zum hermeneutischen Problem, d.h. zu der Frage, wie das Neue Testament im 1 „Das Lieben des Glaubenden ist in derselben Weise die Liebe des Christus und Gottes, ά γ ά π η τ ο υ SeoO Röm. 5,5, τ ο υ Χρίστου 2. Kor. 5,14, wie seine Gerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit ist, weil das dem Menschen zugewandte göttliche Lieben das eigene Wollen und Handeln des Glaubenden erfaOt und erfüllt" (Der Glaube im Neuen Testament, Stuttgart 4. Aufl. 1927, S. 371). 2 Vgl. Römer zu Röm. 2,6. · Vgl. Glaube 4 S. 223-418.

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Vollzug einer nicht nur ihrer Intention, sondern auch ihrer Formulierung und ihrem Wirklichkeitsverständnis nach historisch und theologisch sachgerechten Interpretation zu verstehen ist. Er versucht allen diesen Bedingungen mit der These zu genügen : Sachgemäß könne von Gott nur innerhalb der von Gott gewirkten Relation von Gott und Mensch gesprochen werden. BÜLTMANN geht es um das Ereignis Gottes am Menschen und für den Menschen. Deshalb ist die sachgerechte Aussageweise seiner Theologie die Analyse der menschlichen Betroffenheit selbst, also eine anthropologische. Spräche man von Gott allein, so wäre sofort wieder der Rückfall in die gott-lose, weil Gott objektivierende, Gottesspekulation gegeben. Gott aber ist für BULTMANN nie als Gott ohne seine Kreatur, sondern nur und ausschließlich als der sich seiner Kreatur zuwendende Gott erfahrbar. Glaube und Verlorenheit sind die anthropologischen Spiegelungen dieser Zuwendung Gottes, und insofern ist es nicht nur hermeneutisch, sondern im strengen Sinne theologisch legitim, die Anthropologie zum eigentlichen 'Gegenstand' der Theologie zu erheben1. In der Zusammenarbeit mit dem frühen M. HEIDEGGER bestimmt BULTMANN den Menschen, um den sich diese Anthropologie bemüht, von seiner Geschichtlichkeit (d.h. von seiner Entscheidungsmöglichkeit in einer konkreten Situation der Geschichte) her. So verstanden ist der Mensch für BULTMANN „Existenz". Geschichte ist dann - folgerichtig (nur!) der dem Menschen zugewiesene Bereich seines Entscheidens und Handelns2. Von der neutestamentlichen, insbesondere der paulinischen Eschatologie mit ihrer apokalyptischen Zukunftserwartung kann für BULTMANN legitim nur im Bereich dieses Existenz- und Geschichtsverständnisses gesprochen werden. Aussagen, die diesen ontologischen Bereich transzendieren, sind kritisch zu interpretieren, bzw. zu entmythologisieren. Sein auf diesem Wege gewonnenes Paulusverständnis legt BULTMANN geschlossen erstmalig in dem Artikel „Paulus" 3 vor. Der hier vorgetragenen Sicht von Rechtfertigung und Gerechtigkeit Gottes ist BULTMANN bis in seine späten Schriften hinein treu geblieben4. Die knappen Sätze aus der RGG 2 hat er dann in seiner „Theologie des Neuen Testaments" weiter ausgeführt®. BULTMANN sieht, daß Gottes Gerechtigkeit und die Rechtfertigung streng eschatologisch bezogene Begriffe sind und daß sie von Paulus christologisch verifiziert werden®, daß die Rechtfertigungslehre alle paulinischen 1 Vgl. Bultmanns Aufsatz : Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden, Glauben und Verstehen Bd. i, S. 26-37. 2 Vgl. Geschichte und Eschatologie, Tübingen 1958, S. 164-184. 3 R G G 2 I V 1019-1045. 1 Vgl. Artikel tHcttis T h W b V I S . 2 2 0 ; Gesch. u. Esch. S . 4 8 ; und die Auseinandersetzung mit E . Käsemann in J B L 8 3 ( 1 9 6 4 ) S . 1 2 - 1 6 : Δ Ι Κ Α Ι Ο Σ Υ Ν Η Θ Ε Ο Υ . S §§ 28-31; ich zitiere nach der dritten ( = vierten) durchgesehenen und ergänzten Auflage, Tübingen 1958. 6 Theol. 3 S. 292ff. und „Die Christologie des Neuen Testaments", Glaub, u. Verst. I S. 262 : „Die Rechtfertigungslehre des Paulus ist, so könnte man sagen, seine eigentliche Christologie, denn 'hoc est Christum cognoscere, beneficia eius cognoscere.'"

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Schriften durchzieht und trotz ihres unleugbaren Kampfescharakters nicht als bloße Kampfeslehre abgetan werden darf 1 , und daß sie schließlich, ihrem jüdischen Mutterboden gemäß, ihren Ort nicht in der theoretischen Theologie, sondern in der erfahrbaren und erfahrenen Relation zu Gott hat. Ihren Ursprung hat die Gerechtigkeit in Gottes Charis, also im Ereignis der gnädigen Zuwendung Gottes zum Menschen. Nachdem sich BULTMANN historisch davon überzeugt hat, daß zwischen Judentum und Paulus „in dem formalen Sinne von δικαιοσύνη als einem forensisch-eschatologischen Begriff volle Übereinstimmung besteht" 2 , daß aber Paulus im Gegensatz zum Judentum der Meinung ist, „daß das, was für den Juden ein Hoffnungsgut ist, für Paulus gegenwärtige Wirklichkeit ist" 8 , interpretiert er δικαιοσύνη Seoü folgendermaßen: „Eben deshalb heißt die δικαιοσύνη weil sie einzig in Gottes χάρι$ ihren Grund hat, δικαιοσύνη 3eoü von Gott geschenkte, zugesprochene Gerechtigkeit (Rm. 1,17; 3,21 f. 26; 10,3). Der Sinn dieser Verbindung (d. h. der Gen. als Gen. auct.) wird eindeutig festgestellt durch Rm. 10,3 ... und Phil. 3,9.. .Wie die Ιδία bzw. έμή δικαιοσύνη die δικαιοσύνη ist, die sich der Mensch durch die Erfüllung der i p y a νόμου zu erwirken bemüht, so ist die δικαιοσύνη Seoö die δικαιοσύνη, die ihm allein durch Gottes freie Gnade geschenkt wird." 4 Rom. 3,5 freilich, meint nun auch BULTM A N N , sei δικαιοσύνη 3εο0 Gottes richterliche iustitia distributiva 5 . Auch zu Rom. 3,25 ist er gezwungen zuzugeben, daß δικαιοσύνη 3εο0 hier Gottes Sühne-heischende Gerechtigkeit sei; nur erklärt er die Stelle traditionsgeschichtlich als vorpaulinisch und meint, Paulus führe selbst in V. 26 seinen eigenen, anthropologisch orientierten Begriff von Gerechtigkeit Gottes = Gabe Gottes wieder ein®! Auch BULTMANN bietet also im Grunde nur die unbefriedigende traditionelle Zweiteilung unseres Begriffes in verschiedene Bedeutungen. Die Gegenwärtigkeit der Gabe der δικαιοσύνη 3eoö besteht für B U L T MANN darin, daß das in Christus gewirkte Heilsgeschehen in der Predigt als Wort durch die Welt zieht. Die Wirklichkeit dieser „Gerechtigkeit vor Gott" ist also die Wirklichkeit der offenbarenden Predigt. Von Seiten des Menschen entspricht diesem Anruf der Predigt allein die gehorsame Entscheidung des Glaubens, und auch sie hat an der Wirklichkeit des Wortes teil ! In dem Kommen der Predigt und im Vollzug des Glaubens geschieht die Rechtfertigung ereignishaft so, daß Gottes Urteil dem Menschen die „Geltung" vor Gott zuspricht, ohne daß der Mensch in seiner Substanz dadurch physisch verändert würde. Gerechtigkeit Gottes ist also für BULTMANN das reine Glaub, u. Verst. I, a.a.O. S. 261 f. Theol. 8 S. 274. Auch BULTMANN geht also von δικαιοσύνη methodisch zu δικαιοσύνη SeoO weiter und erkennt „Gerechtigkeit Gottes" nicht als selbständigen term, techn. bei Paulus und in der Tradition vor ihm; vgl. J B L 83 (1964) S. 15 f. 3 Theol. 8 S. 279 (275). BÜLTMANN möchte damit ausdrücklich nicht die in die Zukunft weisenden paulinischen Aussagen über die Rechtfertigung eliminieren! 4 A . a . O . S. 285. 5 A.a.O. S. 288; J B L 83, S. 13. » A . a . O . S. 49. 1

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Geschenk des Freispruches durch Gott, der allezeit nur „durch die Predigt... zur (im Glauben realisierten) Möglichkeit für den Hörer der Predigt wird" Ist zunächst positiv hervorzuheben, daß BULTMANN mit der Betonung der Wortwirklichkeit der δικαιοσύνη ·9εοΰ tatsächlich die Meinung des Paulus getroffen hat und daß man diese Wirklichkeit auch exegetisch nicht ungestraft vernachlässigen darf, so ist nun doch BULTMANNS Gesamtansatz gegenüber einschneidende Kritik erforderlich ! Einzusetzen ist bei dem von MÜLLER erbrachten Nachweis2, daß es BULTMANN nicht möglich ist, Rom. 9-11 mit der Rechtfertigung so nahtlos zu verbinden, wie für Paulus dies offensichtlich möglich und nötig war. Man könnte auch sagen : Die Tatsache, daß die Gerechtigkeit Gottes bei Paulus ein die Welt betreffender Rechts- und Schöpfungsvorgang ist, tritt bei BULTMANN gar nicht in Erscheinung. Obwohl BULTMANN sehr wohl sieht, daß im Stande der Rechtfertigung Gottes Forderung über dem Menschen neu aufgerichtet ist, meint er: „Fast möchte man sagen, daß in der Rede von der κ α τ α λ λ α γ ή die Intention des Paulus, den Menschen radikal von der Gnade Gottes abhängig sein zu lassen, noch deutlicher zum Ausdruck kommt, als in der Rede von der δικαιοσύνη 3εου." 3 Gnade und Gerechtigkeit Gottes sind also bei BULTMANN im Grunde doch noch divergente Begriffe. Weshalb? Weil ihnen die christologische Verklammerung fehlt ! BULTMANNS These von dem allein im Gegenwartsaspekt der Gerechtigkeitslehre liegenden Unterschied von jüdischer und paulinischer Auffassung ist nach dem Auftauchen der sog. Sektenregel und der Hodajoth von Qumran so keinesfalls mehr haltbar. Denn auch hier verbinden sich ja, ohne daß der christliche Glaube auch nur in Sicht gekommen wäre, in erstaunlicher Weise Gegenwart und Zukunft unter Gottes (eigener) Gerechtigkeit. Also ist die seither erst bei Paulus auftauchende zeitliche Struktur schon im Spätjudentum präformiert. Das aber bedeutet, daß die Christologie der eigentliche Unterscheidungspunkt der spät jüdisch-apokalyptischen und der urchristlich-paulinischen Rechtfertigungslehre ist und daß diese Christologie nicht mehr nur im Sinne BULTMANNS als Voraussetzung der Rechtfertigungslehre betrachtet werden darf, sondern im Rahmen der Rechtfertigungstheologie thematisch entfaltet werden muß! Aber nicht nur dies. BULTMANN vermag ja bei seinem dem reformatorischen Vorbild getreuen Einsatz bei der Anthropologie 4 auch nicht präzis auszusagen, wie sich Rechtfertigung und Schöpfung kosmisch zueinander verhalten. Gerade diese Verbindung von Kosmologie und Rechtfertigung aber ist für Gerechtigkeit Gottes, von den Theophanieschilderungen der alttestamentlichen Psalmen angefangen, bis zum Schlußpsalm der Regel von Qumran, konstitutiv! Wenn dies auch für den paulinischen Begriff der δικαιοσύνη SeoO gelten sollte, dann wäre BULT2 Gerechtigkeit S. 24ff. 104ff. 3 A . a . O . S. 287. A.a.O. S. 275. Gerade BULTMANNS Rechtfertigungslehre zeigt, daß er Melanchthon näher steht als Luther (vgl. das Zitat Anm. 6, S. 54). 1

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MANNS anthropologische Interpretation des Paulus, in der der apokalyptische Geschichtshorizont der Rechtfertigungslehre abgeblendet wird, offensichtlich unzureichend. Wer Paulus wirklich verstehen will, dürfte dann nur um den Preis der Rechtfertigungslehre selbst die Anthropologie zum ausschließlichen Interpretament der paulinischen Theologie erheben! D a ß wir damit die Meinung des Paulus selbst verfechten, zeigt ein Letztes: Zu der Frage des Endgerichtes nach den Werken sagt BULTMANN nur, Paulus weise mit i . K o r . 1,8; 3,12-1514,4Í. i.Thess. 3,13; 5,23 und besonders 2. Kor. 5,10 „auch den Christen, der nicht aus Gesetzeswerken, sondern aus Glauben die 'Gerechtigkeit' erlangt, in einer mißverständlich klingenden Weise auf das Gericht hin, in dem nach den Werken vergolten w i r d " 1 . Das Problem wird also als jüdischer Rest angesehen und beiseite gerückt. Verbindet man jedoch Schöpfungsglauben und Rechtfertigungslehre, wird es lösbar! BULTMANNS rein forensische und dazu anthropologische Begriffsbestimmung von δικαιοσύνη 3εο0 scheint also auch hier den Texten gegenüber nicht standzuhalten. Ist dann K . BARTH der vorbildliche Paulusinterpret des Protestantismus? KARL BARTHS von der zweiten Auflage seines „Römerbriefes" bis zur 1959 erschienenen „Kurzen Erklärung des Römerbriefes" unveränderte, geschlossene und in ihrer reifsten Form in der „Kirchlichen Dogmatik" vorgetragene Sicht der Gerechtigkeit Gottes ist wieder ein Musterbeispiel für das die Exegese stets entscheidend mitbestimmende systematische Denken. Dieses Denken BARTHS, das im Kairos nach dem ersten Weltkrieg aufbricht, hat ganz offensichtlich den Widerfahrnischarakter alles Seins zur Voraussetzung. Daher gehen bei BARTH erstmalig seit der Reformation wieder eschatologische Erkenntnis Gottes und 'apokalyptische' Wirklichkeitserfahrung eine Einheit ein, welche den Interpreten BARTH Paulus nahezu gleichzeitig werden läßt. BARTH versteht an allen paulinischen Stellen 'Gerechtigkeit Gottes' dynamisch im Sinne von Selbstrechtfertigung Gottes, welche die Rechtfertigung der Kreatur einschließt, weil Gott der Schöpfer ist. BARTH kann deshalb auch sagen, Gerechtigkeit Gottes meine das von Gott in Christus wahrgenommene Recht Gottes 2 . Dabei geht es BARTH SO sehr darum, den Gerichtsernst dieses Gottesrechtes herauszuarbeiten, daß er Anselm von Canterbury zu seinem Kronzeugen erhebt* und entsprechend im „Römerbrief" (2. Aufl.) zu Rom. 10,3 definiert: „Gerechtigkeit Gottes ist die Freiheit Gottes, sich selber Norm zu sein, seine Freiheit, selbst und 1 Theol. 8 S. 263. Ich kann mich leider nicht davon überzeugen, daß die von BULTMANN in der Auseinandersetzung mit MUNDLE entwickelte These, der Glaube sei nicht Leistung des Menschen vor Gott, sondern Tat mit Gottes Hilfe (Theol.8 S. 283!., Art TTÍCTTIS S. 221), sich hinreichend von BAURS Satz unterscheidet, im Christentum trete für die nur quantitative jüdische Gesetzeserfüllung die neue qualitative ein! 2

K D I V , I S . 5 9 1 fi., 6 1 3 . Z u B A R T H S R e c h t f e r t i g u n g s l e h r e v g l . H . D I E M , C h r i s t o l o g i e

und Rechtfertigung bei Karl Barth, EvTheol. 23 (1963) S. 197-213. 3 Vgl. den Catalogue testimoniorum in K D II 1 S. 426t.

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allein der Berufende zu sein, auf den es ankommt." Daher hat schon 1929 KÄTE OLTMANNS BARTH vorgeworfen, seine Gerechtigkeitslehre fuße nicht auf dem genuin paulinischen, sondern auf einem spekulativen Gottesbegriff 1 . In diese Richtung weist ebenfalls, daß BARTH Gottes Gerechtigkeit mitunter ausdrücklich als iustitia distributiva interpretiert2. BARTH kann sich trotz seines Protestes gegen aristotelische Kategorien bei der Gerechtigkeitsinterpretation8 vom griechischen Rechtsdenken selbst also nicht ganz lösen. Das würde dann heißen, daß seine Auffassung von der Gerechtigkeit Gottes mit der des Paulus nicht identisch, sondern nur aus einer Begegnung mit Paulus erwachsen und d.h. nicht wirklich auf exegetischem Wege erzielt wäre. Daß dem tatsächlich so ist, zeigt ein weiteres Moment. In „Rechtfertigung und Recht" (1938)4 hatte sich BARTH leidenschaftlich dafür eingesetzt, daß die theologische Rechtfertigung positive weltliche Rechtsfolgen zeitigen müsse. In K D II ι heißt es noch schärfer: „In der Tat folgt aus dem Glauben an die Gerechtigkeit Gottes schnurgerade ( !) eine sehr bestimmte politische Problematik und Aufgabe" 6 , und zwar derart, daß Gottes eigener Rechtshilfe für die Gottlosen ein positiver politischer Einsatz der Gerechtfertigten für das Recht von Unterdrückten zu entsprechen hat. BARTH setzt hier eine präsentische Gültigkeit der Gottesgerechtigkeit voraus, wie sie im Rahmen der paulinischen Eschatologie gerade noch nicht gegeben ist. Für Paulus ist Gott noch unterwegs, seiner Gerechtigkeit im Kampf gegen die Mächte des alten Äon Geltung zu verschaffen. Die ethische Verpflichtung der Christen besteht darin, in diesem Streit Zeugen und Kämpfer Gottes zu sein. Das von Gott selbst dargebrachte Opfer des Christus von Rom. 3,24f. ist auch noch nicht - wie BARTH gern möchte4 - Gottes Machtergreifung schlechthin, sondern nur der Anbrach der eschatologischen Manifestation des Gottesrechtes! Der von BARTH vorausgesetzte Gerechtigkeitsbegriff gehört, historisch gesprochen, nicht dem Paulus, sondern dem enthusiastischen Rechtsdenken zu, wie es sich z.B. liturgisch modifiziert in i . K o r . 1,30 und i.Tim. 3,16 niedergeschlagen hat. Dem entspricht auch, daß die paulinische Eschatologie, welche von einer auf ihr Ende zulaufenden Geschichte spricht, von BARTH vorwiegend ersetzt wird durch ein konträres Gegenüber von Gott und Welt. Auch hier denkt BARTH ähnlich wie die gnostische Gemeinde. An solchem Einsatz scheint es zu liegen, daß es BARTH trotz positiver Ansätze nicht gelingt, die Schöpfungslehre (und damit Rom. 10,3) für seine Gerechtigkeitslehre konstitutiv zum Zuge zu bringen. - Positiv erzielt BARTH jedoch folgende unaufgebbare Ergebnisse: 1. Gottes Gerechtigkeit ist ein streng gerichtsbezogener, eschatologischer Begriff, welcher Gottes Recht zu bezeichnen scheint. 2. Gottes Gerechtigkeit hat zu ihrem Gegenstand nicht 1 2 4 6

Das Verhältnis von Röm. 1,18-3,20 zu Röm. 3,2ifi., T h B l 8 (1929) S. 116. K D II ι, S. 430. 439. * A. a. O. S. 430 : „Aristoteles hat hier gar nichts zu suchen I" Theol. Studien H e f t x, Zollikon-Zürich 3. Aufl. 1948. S. 434. « A . a . O . S. 432.

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in erster Linie den Einzelnen, sondern die Welt des Bundes. 3. Gottes Gerechtigkeit kennt nur ein Maß : Gottes Gottheit. 4. Gottes Gerechtigkeit ist als Gottes Recht eine fordernde Macht. 5. Gottes Gerechtigkeit ist eine Manifestationsweise der Liebe Gottes und von dieser nicht ablösbar1. Daß es lange dauert, bis diese Einsichten sich durchsetzen, zeigt ein Bück auf BARTHS exegetische Zeitgenossen. BARTH, BULTMANN u n d SCHLATTER repräsentieren heute die drei ent-

scheidenden Typen protestantischer Paulusinterpretation. Alle drei aber differieren von Paulus an entscheidenden Stellen : BARTH in der Frage des Gottesbegriffes. BÜLTMANN in der Bewertung der Anthropologie für die Rechtfertigungslehre. SCHLATTER im Urteil über die Werke des Menschen bzw. in der Frage nach der Gültigkeit des Gesetzes. An diesen Fragen also wird sich in Sonderheit zeigen müssen, was Gerechtigkeit Gottes und damit der Zentralgedanke paulinischer Theologie ihrem Wesen nach ist. 5. Versuche einer Synthese Zunächst ist hier OTTO ZÄNKERS Aufsatz „Δικαιοσύνη 5εο0 bei Paulus" 2 zu nennen. ZÄNKER versucht an allen paulinischen Stellen, Gottes Gerechtigkeit als die Gott eignende Verhaltensweise seiner Gerechtigkeit zu verstehen. Mit diesem Verständnis stellt sich ZÄNKER bewußt an die Seite TH. HÄRINGS und versucht zugleich, K . BARTH u n d A . SCHLATTER gerecht

zu werden. Eine andere Übersetzung als „Gerechtigkeit Gottes" möchte ZÄNKER nicht wählen. Er kann dies auch nicht, weil für ihn der Grund des Rechtsverhaltens Gottes die richterlich vergeltende Gottesgerechtigkeit bleibt und damit auch der Normgedanke unentbehrlich ist. „Als göttliches Verhalten ist die Gerechtigkeit ein richterliches Tun mit Beziehung auf eine von Gott selbst gesetzte Norm (K. Barth : 'Die Gerechtigkeit Gottes ist die Freiheit Gottes, sich selber Norm zu sein')." 3 Diese Norm ist Gottes „eigene Heiligkeit und Vollkommenheit" 4 , welche durch Christi Sühntod mit Gottes gnädigem Wollen ausgesöhnt worden ist. So ergibt sich eine dialektische Begriffsbestimmung: „Nachdem Gott sich im Sühnetod Christi als gerecht kundgetan hat, kann er nunmehr rechtfertigen. Gottes Gerechtsein ist also ein dem Verhältnis zu den Menschen entsprechendes Verhalten. Solange die Menschen in Sünden verharren, ist sie fordernde, vergeltende Gerechtigkeit; suchen sie dagegen im Glauben an Jesu Erlösungstat Zuflucht 1 „Was Gott ist und tut: Die Rechtsentscheidung, die doch gerade als solche der Beweis seiner Liebe - der Beweis seiner Liebe, der doch gerade als solcher seine Rechtsentscheidung ist, das ist so groß, das spricht in seiner Größe so für sich selber, daß es nicht nur unzweifelhaft ist, sondern die Gewißheit nötig macht: 'Wir werden in seinem Blut vor dem uns drohenden Zorn Gottes durch ihn gerettet sein' (V. 9)" (Kurze Erkl. zu Röm. 5,9). 2 ZSTh 9 (1932) S. 398-420. 3 A . a . O . S. 420. 4 A.a.O. S. 411.

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bei Gott, so ist sie rechtfertigende, heilbringende Gerechtigkeit." 1 Von hier aus muß freilich die Exegese von 2. Kor. 5,21 für ZÄNKER zur crux werden. Unlösbar aber wird die Frage, wieso Paulus bei einem solchen Verständnis von δικαιοσύνη 3εο0 noch zwischen Zorn und Gerechtigkeit antithetisch unterscheiden kann, wie er es offensichtlich Rom. 1,17 f. tut. G. SCHRENKS Versuch, im Theologischen Wörterbuch Gerechtigkeit Gottes sachlich und terminologisch zu erfassen2, befriedigt den Exegeten nicht recht, weil SCHRENK wohl die einzelnen Strukturmomente der Gottesgerechtigkeit: den kosmischen Horizont, die christologische Verwurzelung, den forensischen Charakter, die gebietende Forderung, die Verbindung von Sakrament und Ethik nebeneinanderstellt, eine alle diese Momente zusammenhaltende Mitte in Gottes eschatologischem Schöpfertum aber nicht aufzuweisen vermag. Erkennt SCHRENK schon nicht die apokalyptische Verwurzelung unseres Begriffes®, so ist die juridische Fassung des Ausdrucks nach SCHRENK „nur ein Gleichnis für das rechte Sein vor Gott" und soll „einzig herausstellen, daß Gott keine wahllos-willkürliche, sondern vielmehr eine heilig-normmäßige und bundesgemäße Gnade übt, die mit seinem höchsten Recht in vollem Einklang steht" 4 . Methodisch faßt SCHRENK, von δικαιοσύνη allein ausgehend, δικαιοσύνη Seoö stets als Gottes eigene Gerechtigkeit auf, löst sich aber noch nicht von der idealistischen Definition : „δικαιοσύνη Seoö zeigt den handelnden Gott, sie ist nicht allein 'Eigenschaft Gottes' im Sinne hellenistischer Statik oder im Eigenschaftssinn altprotestantischer Dogmatik ... Sie ist ebenso effektiv wie das Zorneshandeln Gottes." 8 So sehr SCHRENKS Ausführungen zur Frage Rechtfertigung und Endgericht der einigenden Mitte erneut entbehren, so ausgezeichnet ist doch seine Auslegung von δικαιοσύνη Seoö Rom. 10,3. Hier ist sie „die waltende Gottesmacht, der man sich zu unterwerfen hat. Sie kann also nicht mit Berufung auf Phil. 3,9 als lediglich geschenkte Gerechtigkeit vereinseitigt werden. Es ist ein unmittelbar anrufendes und eingreifendes Gotteshandeln gemeint, das autoritativ verpflichtet und das gläubig aufnehmende Subjekt sofort in die Heilstat einbezieht, in die Gewalt der Gottesgerechtigkeit hineinstellt"«. Weiter noch als SCHRENK und tiefer als SCHLATTER k o m m t H. D . WEND-

LAND in seiner prägnanten Darstellung der paulinischen Rechtfertigungslehre7. Weiter als SCHRENK kommt er, weil er Gottesbegriff und Rechtfertigungslehre nicht erst zusammenbiegen muß ; tiefer als SCHLATTER, weil unter den historischen Wurzeln der Rechtfertigungslehre nun auch der jü dischen Apokalyptik ihr Recht zugestanden wird: Die Hoffnung auf den A . a . O . S. 408f. (zu Rom. 3,21-26) Bd. II, S. 180-229, bes. S. 203-214. * Obwohl er a.a.O. S. 204 Test. Dan. 6,10 als Parallelstelle zitiert. 1 A . a . O . S. 207. 5 A.a.O. S. 206 (Hervorhebung von mir). β A . a . O . S. 209. 7 Die Mitte der paulinischen Botschaft. Die Rechtfertigungslehre des Paulus im Zusammenhange seiner Theologie, Göttingen 1935. 1

2

Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes im 20. Jahrhundert

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neuen Äon, die pessimistische Sicht der Welt in der Gegenwart, die Verbundenheit von Welt und Menschheit im gemeinsamen Geschick und schließlich das paulinische Geschichtsdenken sind nur von dort her erklärbar 1 . Positiv läßt sich die gesamte Rechtfertigungstheologie des Paulus in zwei Thesen zusammenfassen: 1. Rechtfertigungslehre ist Eschatologie. 2. Rechtfertigungslehre ist Christologie (unter kritischer Stellungnahme gegen das Judentum) 2 . Die Tübinger Dissertation des Amerikaners FR. R. HELLEGERS3 und die 37 Thesen von H. HOFER4 fördern die Diskussion nicht. Auch die Ausführungen von E. STAUFFER in seiner „Theologie des Neuen Testaments" führen nicht weiter, weil er die Rechtfertigung nur als „individualgeschichtlichen Vorgang" wertet und zu Rom. 3,25 f. Anselm von Canterbury zum Kronzeugen dafür aufruft, daß in „spannungsreichem Doppelsinn" iustitia dei die geschenkte und vergeltende Gerechtigkeit zugleich bezeichne®.

6. Die römisch-katholische und die außerdeutsche Interpretation Auf katholischer Seite herrscht die gleiche exegetische Unsicherheit wie im protestantischen Lager. M. J. LAGRANGE hatte in seinem Römerbriefkommentar® die bekannte Zweiteilung vorgeschlagen: Rom. 1,17; 3,21 f.; 10,3 und 2. Kor. 5,21 sollten von Gottes Gabe, Rom. 3,5.25t. von Gottes Eigenschaft der Gerechtigkeit sprechen. Sehr couragiert hatte LAGRANGE zugleich aber darauf hingewiesen, daß das Tridentinische Konzil bei seiner Verurteilung der lutherischen Rechtfertigungslehre Paulus an manchen Stellen mitverurteilt habe. - 1947 versuchte S. LYONNET in einer ganzen A . a . O . S. 19Í. A . a . O . S. 17, 30. δικαιοσύνη 3εο0 scheint WENDLAND nach seinen Ausführungen a . a . O . S. 39f. wenigstens hauptsächlich als Gottes eigenes Verhalten fassen zu wollen; vgl. auch seine Exegese von 2. K o r . 5,21 im N T D z. St. 3 Die Gerechtigkeit Gottes im Römerbrief, Diss, theol. Tübingen 1939. δικαιοσύνη Ssoö meint nach HELLEGERS R o m . 1 , 1 7 ; 3,21 und 10,3 Gottes Geschenk, in 3,5 jedoch den „sittlichen Charakter G o t t e s " (a.a.O. S. 49t.) und 3,25 Gottes „moralische Nat u r " (a.a.O. S. 62). 4 D i e Rechtfertigungsverkündigung des Paulus nach neuerer Forschung. 37 Thesen, Gütersloh 1940. Charakteristisch sind folgende Sätze: „ D e r (rechtfertigende) Glaube ist jene Beschaffenheit des Menschen, welche im Menschen jener Beschaffenheit entspricht, welche "Gottes Gerechtigkeit' genannt wird. E b e n darum (!) stellt j a Paulus den Begriff 'Gottes Gerechtigkeit' in den Mittelpunkt des Römerbriefes bzw. (1) seiner Erörterung der Rechtfertigung, die 'im Evangelium' v o m Christus enthüllt und angeboten wird und die da k o m m t 'aus Glauben' ' z u m Glauben' . . . " (S. 64). 5 Stuttgart, 3. Aufl. 1947 S. 126. Ebensowenig hilfreich sind die beiden A u f s ä t z e von R . GYLLENBERG: Die paulinische Rechtfertigungslehre und das A l t e Testament, Studia Theologica I, I. Benzinger zum 70. Geburtstag, R i g a 1935, S. 35-52 und 1

2

A . SCHMITT, Δ Ι Κ Α Ι Ο Σ Υ Ν Η

ΘΕΟΥ

bei

Paulus,

Natalicium

für

JOH. GEFFCKEN

70. Geburtstag, Heidelberg 1931, S. 1 1 1 - 1 3 1 . ' St. Paul, Epître a u x Romains, Etudes Bibliques, Paris 6. Aufl. 1950.

zum

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Auslegungsgeschichte

Folge von Aufsätzen nachzuweisen1, daß Paulus im Römerbrief nirgends (wie besonders die patristischen Exegeten gemeint hätten) von einer Gerechtigkeit Gottes im Sinne einer iustitia distributiva spreche, sondern daß Paulus, getreu der von ihm zu Rom. 1 , 1 7 ; 3,5 und 10,3 (zu Rom. 3 , 2 1 ff. vgl. V. 2 1 b) zitierten alttestamentlichen Stellenreihe, immer von Gottes heilschaffender Bundestreue handele. So wird es für LYONNET möglich, die Kapitel 9 - 1 1 des Römerbriefes dem Thema der Gottesgerechtigkeit einund unterzuordnen. - LYONNETS Darstellung haben sich die maßgeblichen katholischen Exegeten nicht angeschlossen. M. MEINERTZ teilt in seiner 1955 erschienenen „Theologie des Neuen Testaments" wieder in der von LAGRANGE her bekannten Weise unter. Da er den Genetiv SeoO stets als gen. auct. faßt, kann er sagen, mit δικαιοσύνη SeoO sei „die Heilsgerechtigkeit gemeint, die Gott selbst eignet und die er dem Menschen eben durch den Akt der Rechtfertigung verleiht, wodurch er ihn gewissermaßen in den Bereich seiner Gerechtigkeit hineinnimmt. E s kann je nach dem Zusammenhang der Ton auf der einen oder der anderen Seite liegen 2 ." Κ . H. SCHELKLE ist derselben Meinung*. 0 . Kuss modifiziert diese Sicht in seinem seit 1957 erscheinenden „Römerbrief" nur leicht: „Zuerst und vornehmlich" denkt Paulus bei δικαιοσύνη SeoO daran, daß „in dem Heilsereignis Jesus Christus Gottes Güte, Gottes Gnade, Gottes Barmherzigkeit, Gottes Liebe offenbar geworden (ist)" 4 . Von diesem christologischen Gnadenerweis soll Rom. 1 , 1 7 ; 3,21 ff. ; 10,3 und auch 3,5 die Rede sein; 2. Kor. 5,21 aber allein von Gottes Gabe. Die einheitliche Interpretation zerbricht also auch hier. Bei der Verwendung des Begriffes folgt Paulus „offenbar einem wichtigen Gedanken alttestamentlicher Frömmigkeit", „obwohl damit die eigentlich bewegende Kraft in Gottes Heilshandeln auf eine - wenigstens nach unserem landläufigen Begriff von 'Gerechtigkeit' - äußerst unzulängliche, ja unzutreffende Weise bezeichnet ist und etwa die Begriffe 'Güte', 'Liebe*, 'Barmherzigkeit' das Gemeinte viel einfacher und klarer wiedergegeben hätten" 6 . - R. SCHNACKENBURGS als „Neutestamentliche Theologie" bezeichnete Problemskizze, die 1961 in französischer und 1963 in deutscher Sprache erschienen ist, läßt trotz ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu E . KÄSEMANNS unten zu charakterisierender Begriffsdefinition von Gottes Gerechtigkeit = Gottes Recht keinen eigenen Standpunkt in der Rechtfertigungsfrage erkennen. Auch im Ausland findet man sich mit dem Begriff δικαιοσύνη Seoö nicht zurecht. Das zeigt zunächst der Römerbriefkommentar von A . NYGREN·. „'Gottes Gerechtigkeit' ist eine von Gott herstammende, von Gott be1 De 'iustitia Dei' in Epistola ad Romanos .... V D 129-144, 193-203, 2 5 7 - 2 6 3 ; vgl. auch neuerdings V D 42 2 Bd. 2, S. 118. 3 Paulus S. 4of. ; Meditationen über den Römerbrief, 4 S. 1 1 7 . 5 A.a.O. S. 119. ® Deutsche Übersetzung: Der Römerbrief, Göttingen

25 (1947) S. 23-34. (1964) S. 1 2 1 - 1 5 2 .

118-121,

Zürich/Köln 1962, S. 36. 1954.

Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes im 20. Jahrhundert

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reitete, im Evangelium offenbarte und uns dargebotene Gerechtigkeit", schreibt N Y G R E N zu Rom. 1,17 unter Verweis auf Phil. 3,9. Zu Rom. 3,21 heißt es aber dann: δικαιοσύνη Seoö „ist ein Zustand, eine objektive Macht, unter die Gott den Menschen durch Christus stellen will", sie ist „die totale Signatur ... des neuen Zeitalters". Ähnlich legt N Y G R E N auch Rom. 10,3 aus, ohne sich von dem Gedanken an Gottes Gabe lösen zu können. - Historisch zutreffend setzt F R . J . L E E N H A R D T in seiner „Epitre aux Romains" (1957) ein: Der Begriff Gerechtigkeit ist bei Paulus hebräisch gedacht; Gottes Gerechtigkeit ist also Gottes Machthandeln für sein Volk und der Gerichtserweis den Untreuen gegenüber. Rechtfertigung ist ein Schöpfungshandeln des Gotteswortes. Wenn man das hebräische Denken in Anschlag bringt, einen sich personale und jüdische Kategorien hier überall zwanglos. Zu Rom. 3,25 weist L E E N H A R D T darauf hin, daß der Grund der Gerechtigkeit Gottes Gottes Erbarmen sei. Dann aber erlahmt seine Auslegung. Rom. 10,3 sieht er plötzlich Christus und die Gottesgerechtigkeit in eins und blendet die Weite des göttlichen Geschichtshandelns aus. Im englischsprachigen Bereich hat J. H. R O P E S bereits 1903 erkannt1, daß man Gottes Gerechtigkeit bei Paulus nicht griechisch, sondern alttestamentlich-jüdisch zu bestimmen habe.Um das forensische und das heilschaffende Moment an Gottes Gerechtigkeit in einen Begriff zu fassen, prägt R O P E S darum den terminus „vindicative righteousness". Entsprechend ist die Rechtfertigung eine „vindicational justification". Eine einheitliche Interpretation von δικαιοσύνη Seoö gelingt ihm jedoch nicht. Rom. 10,3 und Phil. 3,9 sprechen von Gottes Gabe, Rom. 1,17 und 3,21.25f. von einem Gott und Mensch umgreifenden Heilserweis. - Einheitlich interpretieren dagegen W. S A N D A Y und A. C. H E A D L A M 2 . δικαιοσύνη SsoO ist für sie Gottes eigene Gerechtigkeit; aber keine Eigenschaft „as inherent in the Divine Essence, but as going forth and embracing the personalities of men" 3 . In ihrem Exkurs zu Rom. 1,17 heben sie fünf Charakteristika dieser Gottesgerechtigkeit hervor: Sie ist göttliche Verheißungstreue (vgl. Rom. 3,4!); Strafgerechtigkeit Gottes (vgl. Rom. 2,5f.); Interpretament der Christologie nach Rom. 3,24t. und also auf die Gemeinde hin auszulegen. Die ethische Forderung an die Menschen ist in ihr mitbeschlossen. Dieser gute Ansatz zerbricht jedoch an Rom. 10,3. Hier ist δικαιοσύνη Seoö plötzlich wieder „the righteousness which came from God' , und damit ist der Rückfall in die Doppelbedeutung des Begriffes gegeben. - Im Gegenschlag zu S A N D A Y - H E A D L A M versuchte E. DE W. B U R T O N in seinem Galaterkommentar4 die bekannte These zum Zuge zu bringen, Rom. 1,17; 3,21 f. und 10,3 1 „Righteousness" and „the Righteousness oí God" in the Old Testament and in St. Paul, JBL 22 (1903) S. 211-227. 2 A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Romans, ICC VI, Edinburgh 5. Aufl. 1925. 3 A.a.O. zu Röm. 1,17. 4 ICC, Edinburgh 1921, S. 472.

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Auslegungsgeschichte

meine „Gerechtigkeit Gottes" die Gabe, Rom. 3,5.25f. aber Gottes Verhalten. - Für C. H. DODD1 ist der Begriff schwierig. Rom. 1,17 bestimmt er ihn im Anschluß an das Alte Testament als „a divine act or activity ... taking place manifestly within the field of human experience". Dann folgt plötzlich, obwohl DODD dies auf S. 51 seines Kommentars ausdrücklich für unangemessen erklärt, zu Rom. 3,5 die Übersetzung „justice". Die Stelle fällt für DODD also aus dem Rahmen. Rom. 3,21 f. weiß DODD nicht, ob er an Gottes Gabe oder Verhalten denken soll. Zu Rom. 3,25 f. stellt er, modern urteilend, fest: „the personal relations of God to men cannot be described in legal terms at all. The revelation of His righteousness is apart from law altogether". Als „the psychological value of Paul's doctrine of justification" bezeichnet er zur gleichen Stelle die Reue des Gewissens vor dem höchsten Gott. Rom. 10,3 aber geht DODD auf den paulinischen Begriff überhaupt nicht ein. - V. TAYLOR2 sieht in Gerechtigkeit Gottes „not so much a quality which He possesses, but His saving activity. His action in justifying men and so bringing them into right relationships with Himself". Wie SANDAY-HEADLAM zerbricht er aber diesen Begriff wieder durch seine Exegese von Rom. 10,3. - Ebenso meint C. K. BARRETT3, wenigstens Rom. 10,3 nach Phil. 3,9 interpretieren zu müssen. Er spricht aber von δικαιοσύνη Seoö nur noch eschatologisch; sieht, daß mit dem Begriff das theologische Thema des Römerbriefes genannt wird, und betont wie DODD die alttestamentliche Verwurzelung: „As a Jew, instructed in the Old Testament, Paul knows that salvation presupposes righteousness. On God's side, salvation means the operation of righteousness, which is not simply his property or attribute of being right or righteous, but also his activity of doing right, and (as we say) seeing right done; thus his righteousness issues in his vindicating those whom it is proper he should vindicate." 4 - Obwohl man die alttestamentliche Verwurzelung von vornherein erkennt, kommt man über die Doppelbedeutung von δικαιοσύνη Seoö im englischsprachigen Bereich bis auf eine Ausnahme nicht hinaus : 1954 hat J. A. BOLLIER, freilich ohne alle paulinischen Stellen durchzugehen, in einem kurzen Aufsatz „The Righteousness of God. A Word Study" 6 δικαιοσύνη Seoö ids stets „theocentric in meaning" bestimmt. Im Anschluß an das alttestamentliche Stellenmaterial und unter Verweis auf K. BARTH bestimmt BOLLIER Gottes Gerechtigkeit als Selbstrechtfertigung Gottes, welche unsere Rechtfertigung einschließt. BOLLIER trennt also ausdrücklich zwischen Glaubens- und Gottesgerechtigkeit und verbindet Gottes Gerechtigkeit und Gottes Schöpfertum da1 The Epistle of Paul to the Romans, Moffatt New Testament Comm. 6, London (1932) 1947. 2 The Epistle to the Romans, Epworth Preacher's Comm., London 1955, S. 16. 3 A Commentary on the Epistle to the Romans, Black's New Testament Comm. 6, London 1957. 1 A.a.O. zu Röm. 1,17. ® Interpretation 8 (1954) S. 404-413.

D i e Interpretation von Gerechtigkeit G o t t e s im 20. Jahrhundert

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durch, daß er den Bund, innerhalb dessen δικαιοσύνη 3εοϋ gilt, als „Covenant of Creation" anspricht. Gottes Zorn faßt er allerdings als Äußerung dieser Gerechtigkeit des Schöpfergottes auf 1 .

7. Die Interpretation in der Gegenwart In der Gegenwart hat E . GAUGLER wie einst TH. ZAHN Christologie und Rechtfertigungslehre identifiziert, nur daß diesmal nicht 1. Kor. 1,30, sondern - historisch präziser - 2. Kor. 5,21 die Hauptbelegstelle ist. Gerechtigkeit Gottes ist für GAUGLER stets Gottes heilschaffendes Wirken in Christus 2 . W . BAUER versteht in der fünften (abschließenden) Auflage seines Wörterbuches Phil. 3,9 als den genuinen Kommentar für den paulinischen Gebrauch von δικαιοσύνη SeoO in Rom. 1,17 ; 3,21 f.26 ; 10,3 und 2. Kor. 5,21. Aber auch er muß dafür - wie R. BULTMANN - zu Rom. 3,5.25f. von Eigenschaften Gottes, und zwar seiner Richtergerechtigkeit und Bundestreue sprechen. - Der Idealismus feiert Auferstehung in der 1957 unter dem kennzeichnenden Titel „Die sittliche Rechtfertigungslehre des Paulus" erschienenen Leipziger Dissertation von CHR. HAUFE. ES läßt sich vielleicht noch verstehen, wenn HAUFE in seinem Buch auf die Frage nach dem Begriff Gerechtigkeit Gottes ebensowenig eingeht, wie er Rom. 10,3 erwähnt; unverständlich aber ist es, wenn HAUFE die paulinische Rechtfertigungslehre heute noch umzuinterpretieren versucht zu einer von Gott pädagogisch sorgsam nuancierten Therapie des sittlichen Bewußtseins : So absolut nämlich Gottes Gnade „das Evangelium-Gesetz (!) in Geltung setzt, so sehr will sie doch auch die Fähigkeiten im Menschen anstacheln und wecken (R. 2,4; 6 , 1 5 ! : Tit. 2,11 f.). Darum ist sie eine Gnade, die nicht absolute Gnade ist, sondern als absolute Gnade (!) eine Vergeltungsordnung setzte, in der nun Lohn und Strafe ihr volles Recht haben; allerdings in dem Sinn, daß sie auf die verantwortlichen Handlungen und Entscheidungen der Menschen 1 „ F r o m the c o n t e x t of the Covenant in which sedheq is used in the Old Testament and in which δικαιοσύνη Seoö is used in the N e w Testament, it m a y be concluded t h a t t h e genitive Seou in the phrase δικαιοσύνη 3εο0 is a subjective genetive which indicates t h a t t h e righteousness in question is God's o w n inherent righteousness and it is not t h e righteousness in m a n of which G o d is t h e author or of which he approves. H o w e v e r , this righteousness of God has a transeunt as well as an immanent aspect, for m a n is directly afiected b y t h e manifestation of this righteousness. W h e n m a n chooses to win the D i v i n e approval through his own efforts b y obedience to t h e law, he experiences the righteousness of G o d only as wrath, b u t when m a n responds to t h e self-revelation of God through faith in Christ, he experiences the righteousness of G o d as acceptance with G o d " (S. 413). 2 Dear Römerbrief (Prophezei) Zürich 1945-1952. Zu R o m . 1 , 1 7 definiert GAUGLER: „ D a s ist die Gerechtigkeit Gottes, in Christus enthüllt, daß er gerecht ist und gerecht macht. E s ist also beides : eine R i c h t e r t a t Gottes, daß E r gerecht bleibt auch im schrecklichsten Gericht und ein dem Menschen zugesagter Freispruch, daß E r den Sünder in Christus r e t t e t . " Zu R ö m . 10,3 spricht GAUGLER v o n G o t t e s „heilschaffendem Wirken in Christus".

5

834a Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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Auslegungsgeschichte

gehen, also nur das dem einzelnen Mögliche betreffen." 1 HAUFE meint, die paulinische Gesetzespolemik sei nur gegen das jüdische Zeremonialgesetz gerichtet und diene damit der Einsetzung des sittlichen Gesetzes bzw. des Evangeliums 2 . „Der Christ ist also zwar nicht sündlos und bedarf folglich stets der vergebenden Gnade, er ist aber auch nicht von sittlichen Verpflichtungen frei, also keineswegs voll und ganz auf die vergebende Gnade gestellt. Dieses Stehen zwischen den beiden Positionen der Gerechtmachung und der reinen Rechtfertigung läßt sich inhaltlich nur als eine Würdigung all der sittlichen Kräfte fassen, die im Einzelmenschen aktualisierbar sind." * Sollte man nicht eine solche Würdigung mehr in der philosophischen Ethik suchen als bei Paulus? - J. JEREMIAS hält es für „eine gesicherte und grundlegende Erkenntnis der neutestamentlichen Forschung, daß der griechische Ausdruck 'Gerechtigkeit Gottes' bei Paulus mit 'das Heil Gottes' übersetzt werden muß. Paulus knüpft nämlich an den Sprachgebrauch der Psalmen und des zweiten Jesajabuches (Jes. 40-55) an, wo Gerechtigkeit immer wieder mit Gnade, Heil, Rettung wechselt." 4 D a ß hier doch noch tiefliegendere Probleme hegen, zeigt der an A. SCHLATTER anknüpfende Römerbriefkommentar von O. MICHEL8, „δικαιοσύνη Seoö ist bei Paulus beides, sowohl Gottes richterliches Urteil als auch seine eschatologische Heilsgabe", definiert MICHEL ZU Rom. 1,17. Der Genitiv SsoO ist deshalb als gen. auct. aufzufassen. Rom. 3,5.25f. (ebenso aber auch 1,17 und 10,3) interpretiert MICHEL aus der apokalyptischen Vorstellung von einem kosmischen Prozeßverfahren Gottes mit der Welt heraus und eröffnet damit ganz neue Verstehensmöglichkeiten. δικαιοσύνη $εο0 bezeichnet Rom. 3,5 und 3,25 f. nach MICHEL Gottes Rechtstreue. Rom. 3,21 ff. aber ist die im Glauben zu ergreifende Gottesgerechtigkeit gemeint. Kommentar zu Rom. 10,3 ist aufs neue Phil. 3,9. Freilich ist der eschatologische Rahmen der Stelle zu beachten : δικαιοσύνη θεου erscheint Rom. 10,3 als „ein eschatologisches Geschehen..., das schon jetzt enthüllt wird. Auch in der Rechtfertigung Hegt also eine Vorwegnahme des eigentlichen, eschatologischen Ergebnisses vor : sie ist beides zugleich, richterliches Urteil und heilschaffende T a t . " · MICHEL kommt durch dieses Verständnis los von der individualistischen Beschränkung, er sieht auch, daß in den Qumrantexten und in dem apokalyptischen Schrifttum ähnlich von Gerechtigkeit gesprochen wird wie bei Paulus, aber die einende Mitte, welche nicht mehr zur Scheidung „zwischen dem, was Paulus sagt A . a . O . S. 1 1 9 . Dieses „ b z w . " ist nach HAUFE sachgemäß : „ D u r c h den Begriff E v a n g e l i u m - G e s e t z , so a n s t ö ß i g er z u n ä c h s t erscheinen m a g , w i r d s o m i t der n i c h t h i n w e g z u i n t e r p r e t i e r e n d e S a c h v e r h a l t o f f e n z u m A u s d r u c k g e b r a c h t , d a ß P a u l u s t r o t z aller B e t o n u n g der G n a d e n i c h t v o n einer B e a c h t u n g des V e r g e l t u n g s p r i n z i p s A b s t a n d n a h m . E v a n g e l i u m s c h l i e ß t s o m i t k e i n e A b l e h n u n g , sondern nur eine b e s o n d e r e W i r k u n g s w e i s e d e s V e r g e l t u n g s p r i n z i p s e i n " ( a . a . O . S. 1 1 7 ) . 1

2

$ 4 5

A . a . O . S. 1 1 2 . D e r O p f e r t o d J e s u Christi, C a l w e r H e f t e 62, S t u t t g a r t 1963, S. 19. M e y e r K 4. A b t i g . , G ö t t i n g e n 12. A u f l . 1963. D a n a c h d i e Z i t a t e .

' A . a . O . S . 254.

Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes im 20. Jahrhundert

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u n d dem, w a s Paulus m e i n t " 1 nötigte, G o t t e s Schöpfertum, k o m m t bei i h m erst andeutungsweise zur Sprache 2 . - E . S C H W E I Z E R * bestimmt m i t M I C H E L den Horizont des paulinischen Begriffes als „ d e n Rechtsstreit G o t t e s m i t der W e l t " , findet z u R o m . 10,3 aber auch nur über Phil. 3,9. O b w o h l S C H W E I ZER sieht, d a ß der Glaube f ü r P a u l u s Geschenk G o t t e s ist, löst er das P r o b l e m des Endgerichtes nach den W e r k e n noch nicht, wenn er meint, „ a u c h f ü r den Glaubenden erfolgt G o t t e s Gericht n a c h d e m W e r k eines j e d e n ( i . K o r . 3 , 1 3 - 1 5 ; 2. K o r . 5 , 1 0 ; Gal. 6,4). A b e r Paulus setzt nicht mehr den Plural, als könnte m a n g u t e oder böse W e r k e summieren. ' W e r k ' ist nicht mehr Gesetzeswerk; es u m f a ß t die Ganzheit eines Menschenlebens." - O b w o h l G. K L E I N die B e d e u t u n g v o n R o m . 10,3 ff. f ü r die paulinische R e c h t fertigungslehre erkennt, versteht doch auch er G o t t e s Gerechtigkeit historisch mit A . O E P K E , der B I L L E R B E C K S A u s l e g u n g z u verfizieren versucht 4 , als G o t t e s G a b e u n d W e r k und theologisch m i t B U L T M A N N als die „ d e m Menschen zur E n t s c h e i d u n g " dargebotene „eschatologische M ö g l i c h k e i t " 8 . G. B O R N K A M M erkennt in seinem Paulusartikel in der R G G 3 sehr wohl, d a ß R e c h t f e r t i g u n g u n d Schöpfertum n a c h R o m . 4,17 zusammengehören. A b e r auch er meint mit B U L T M A N N , G o t t e s Gerechtigkeit sei nach Phil. 3,9 G e rechtigkeit v o n G o t t her und könne also v o n P a u l u s zugleich v o n G o t t u n d Mensch ausgesagt werden®. „ G o t t e s G e r e c h t i g k e i t " ist aber f ü r B O R N K A M M A.a.O. S. 113. A.a.O. S. 113: „Die δικαιοσύνη ist ein echtes Handeln, Schaffen Gottes im geschichtlichen Vollzug, obwohl der Begriff zunächst deklaratorisch und geltungshaft wirkt". - O. M I C H E L ist in der 12. Aufl. seines Kommentars auch auf die maschinenschriftliche Fassung meiner Dissertation eingegangen (vgl. a.a.O. S. 393ff.). Mit meiner religionsgeschichtlichen Herleitung des Begriffes δικαιοσύνη SeoO erklärt sich M I C H E L einverstanden. M I C H E L weist mich dann darauf hin, daß sich bei Paulus apokalyptischheilschaffende und rabbinisch-forensische Denkformen grundsätzlich nicht mehr scharf scheiden lassen, weil „P(au)l(u)s der Apokalyptiker und P(au)l(u)s der Rabbine nicht im Gegensatz zueinander stehen" (a.a.O. S. 393 Anm. 1). Ich lerne dankbar aus diesem Hinweis, bin aber der Meinung, daß man gegenwärtig auf die apokalyptischen Elemente im paulinischen Denken besonders zu achten hat, weil die Haltung des Paulus ja gerade nicht mit derjenigen identisch ist, die man heute üblicherweise als „rabbinisch" bezeichnet. Daß es sich bei δικαιοσύνη 3eoö um eine festgeprägte Formel handelt, die man nur einheitlich als Gottes befreiendes Recht interpretieren darf, erkennt M I C H E L , soweit ich sehe, nicht an (zur Auseinandersetzung mit B E C K E R , auf den sich M I C H E L dabei stützt, s.u. S. I52FF.J. Ich fürchte, daß sich M I C H E L bei dieser Ablehnung a) von der (auch bei B E C K E R maßgeblichen) protestantischen Auslegungstradition und b) von eben der religionsgeschichtlichen These der Überlagerung rabbinischer und apokalyptischer Elemente im Denken des Paulus methodisch dazu verleiten läßt, eindeutige paulinische Begriffe nur noch als Chiffren zu verstehen. Genau dies aber darf nicht geschehen. - Daß ich zu den im Jahad von Qumran aufgenommenen und bewußt wiederbelebten Traditionen den Heiligen Krieg nicht rechne (so M I C H E L a.a.O. S. 394 Anm. 2), ist ein Mißverständnis. Ich stimme an der von M I C H E L zitierten Stelle meiner Arbeit mit ihm überein (vgl. unten S. 125, 163!). 3 Artikel: Gerechtigkeit Gottes im NT, RGG S II 1406-1407. 4 O E P K E S Aufsatz : Δ Ι Κ Α Ι Ο Σ Υ Ν Η Θ Ε Ο Υ bei Paulus in neuer Beleuchtung (ThLZ 78 [1953] 257-264) kommt näher im Abschnitt über den rabbinischen Gerechtigkeitsbegriff zur Sprache (s.u. S. 182f.). 6 Artikel: Rechtfertigung im NT, RGG 1 V 825-828. « RGG S V 185. 1

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Zentralthema des ganzen Römerbriefes, was G. F R I E D R I C H mit dem Hinweis entkräften möchte : „Das Thema des Römerbriefes ist nicht die Rechtfertigung - dann hätte Paulus nur 1,1-5,11 zu schreiben brauchen - , sondern das Evangelium von Jesus Christus dem Herrn". Traditionsgeschichtlich versucht F R I E D R I C H die Frage nach der Gottesgerechtigkeit mit dem Satz zu lösen: „Paulus nimmt die von Judenchristen qumranischer Herkunft geprägte Verkündigung von der Rechtfertigung aus Gnaden durch Christus auf und gestaltet sie im Sinne seiner Theologie um." 1 - In E. J Ü N G E L S Dissertation „Paulus und Jesus" 2 kommen systematischer Ansatz und exegetische Begründung nicht zur Deckung. In engem Anschluß an B U L T M A N N bestimmt J Ü N G E L δικαιοσύνη ·9εοΰ vom Allgemeinbegriff δικαιοσύνη her und sieht in dem Genetiv Ssoö nach Phil. 3,9 einen gen. auct.3 Die sich damit aufdrängenden exegetischen Probleme löst er, indem er die Gottesgerechtigkeit systematisch durchweg als Gottes eigenes, worthaftes, schöpferisches Verhalten faßt und den Einsatz bei Phil. 3,9 nur formal geltend macht: „In der δικαιοσύνη Seου geht es um das Verhältnis Gottes zum Menschen."4 Nun braucht nicht mehr von einer schillernden Doppelbedeutung des Begriffes die Rede zu sein, wie bei L I E T Z M A N N , sondern nur von Nuancen im paulinischen Sprachgebrauch, welche das Verhältnis Gott-Mensch einmal mehr theologisch, das andere Mal mehr anthropologisch-soteriologisch akzentuieren. Unter ausdrücklichem Verweis auf L O H M E Y E R , der diese Doppelbedeutung von δικαιοσύνη Seoö als wesensnotwendig bezeichnet hatte, und unter terminologischer Anlehnung an 0. Z Ä N K E R meint J Ü N G E L , es sei „deutlich, daß Paulus den Begriff δικαιοσύνη Seoö nicht schillernd, sondern, bei aller dem jeweiligen Gebrauch entsprechenden Nuancierung, sehr präzis gebraucht, nämlich forensisch als 'ein dem Verhältnis zu den Menschen entsprechendes Verhalten' Gottes. Als deus coram homine spricht Gott am Kreuz Jesu Christi den Menschen extra se als homo coram deo gerecht" 5 . Mit diesem systematischen Geniestreich, der auch die neuesten exegetischen Warnungen überhört®, ist exegetisch freilich kaum etwas gewonnen. J Ü N G E L selbst bemerkt das deshalb nicht, weil für ihn die paulinische Rechtfertigungslehre - wiederum systematisch einleuchtend, aber exegetisch zu gewaltsam - ihren Ort (nur!) „in der Relation von Evangelium und Gesetz hat" 7 . Auch die Problematik von Endgericht nach den Werken und Rechtfertigung findet bei J Ü N G E L eine nur systematisch anregende Lösung: „Die Werke des Christen geschehen nicht um des Gerichtes willen, sondern das Gericht geschieht um der Werke willen. Die Lehre vom Gericht nach den Werken löst nicht die christliche Existenz des handelnden Menschen von 1 Artikel : Römerbrief, R G G S V 1139 f. FRIEDRICHS Auslegung von Phil. 3,9 im N X D z. St. macht deutlich, daß auch er Röm. 10,3 nach der Philipperstelle interpretieren möchte. 4 HUXh 2, Tübingen 1962. 8 A . a . O . S. 45. * A.a.O. S. 43. 6 A. a. O. S. 48 (das Zitat im Zitat von O. ZÄNKER, Δικαιοσύνη Ssoû bei Paulus, S. 408). * Vgl. die Kritik an E. KÄSEMANN a.a.O. S. 44 Anm. 1. ' A . a . O . S. 29.

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seinem eschatologischen Sein Iv πνεύματα διά δικαιοσύνην, sondern betont ihre Zusammengehörigkeit. Dann hat aber das 'Gericht nach den Werken' letztlich keinen anderen Sinn als den, die 'Gerechtigkeit aus Glauben' in der Existenz des. Glaubenden einzuüben, nicht πάλιν eîç φόβον (Rm. 8,15), sondern zur Freude an der Freiheit des Glaubens ... Denn in der Freude wirkt der Glaube als Liebe." 1 Von einer Einigung über den paulinischen Begriff und die Rechtfertigungslehre des Apostels ist man also auch heute noch weit entfernt. Ein neuer Weg zur Lösung der Probleme scheint sich freilich mit CHR. MÜLLERS Dissertation über „Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. Eine Untersuchung zu Rom. 9 - 1 1 " 2 und E. KÄSEMANNS Vortrag über „Gottesgerechtigkeit bei Paulus" 8 aufzutun. MÜLLERS Arbeit weist nach einer summarischen Übersicht über die Forschungsgeschichte seit F. CHR. BAUR nach, daß Rom. 9-11 von einer eschatologischen, rechtlich gedachten Schöpfungstradition getragen werden und daß diese Schöpfungstradition das eigentliche Wesen der paulinischen Rechtfertigungslehre ausmacht. Von einer so aufgefaßten Rechtfertigungslehre her erweist sich der Römerbrief von c. 1 an als Einheit, in welcher Rom. 9-11 nicht mehr nur Exkurs zum Israel-Thema, sondern (heils-)geschichtliche Konkretion sind4. Nach MÜLLER ist Paulus bei seinem Verständnis der Gottesgerechtigkeit abhängig von der alttestamentlichen, in der Apokalyptik weitergeführten, kosmischen Rechtsstreitvorstellung. Gottes Gerechtigkeit ist die Sieghaftigkeit, mit der Gott sich im Prozeß gegen die Welt durchsetzt. Die formale Struktur der δικαιοσύνη Seoö bei Paulus ist demnach die „eschatologische Verwirklichung des Rechtes Gottes an der Welt*'6. Erfahren wird dieses Recht „nicht als abstrakte Norm oder Rechtsidee, sondern als Rechtsverwirklichung"·. Seine eigentliche Prägung gewinnt dieses Recht durch die Christologie, d.h. durch die Art und Weise, wie Gott als freier Herr der Geschichte und Schöpfung seiner Schöpfung die Treue hält. Die eigentliche Frage an diesen Entwurf ist die, ob er es noch gestattet, οργή Seoö und δικαιοσύνη SEOÖ im Sinne von Rom. 1,17 f. zu antithetisieren und damit das Gottesrecht als erlösende Befreiungstat zu verstehen. Diese Frage führt weiter zu dem Entwurf E. KÄSEMANNS. KÄSEMANNS Ausführungen lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen: 1. Gerechtigkeit Gottes ist ein eigenständiger term, techn., der eine mit Dt. 33,21 einsetzende, selbständige Traditionsgeschichte innerhalb des Judentums hat und nun in den Qumrantexten wieder aufgetaucht ist. Methodisch ist δικαιοσύνη Seoö also nicht länger vom Allgemeinbegriff δικαιοσύνη her zu bestimmen. 2. δικαιοσύνη Seoö erscheint Rom. 1,17 und 10,3ff. als selbständige, sich 2 F R L A N T Göttingen 1964. A.a.O. S. 69. ZThK 58 (1961) S. 367-378· 4 Vgl. vor MÜLLER bereits G. EICHHOLZ: Jakobus und Paulus. Ein Beitrag zum Problem des Kanons, T h E x N. F. 39 (1953) S. 39 Anm. 14. 5 A.A.O. S. 72. 6 A.A.O. S. 74, Hervorhebung bei MÜLLER. 1

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jedoch nach Phil. 3,9 auch mitteilende Macht Gottes. Als ein solcher Macht und Gabe umgreifender Begriff hat δικαιοσύνη Seoö bei Paulus im Geist-Begriff, im Charis-Gedanken und in der Konzeption vom σώμια Χρίστου Parallelen. 3. In der christlichen vorpaulinischen Tradition hat man nach Rom. 3,24f. in δικαιοσύνη Seoö Gottes Bundestreue gesehen. Die Interpretationszusätze des Paulus zu diesem Text zeigen, daß Paulus nicht mehr nur von Gottes Bundestreue, sondern von „der göttlichen Gemeinschaftstreue ... der ganzen Schöpfung gegenüber" 1 sprechen möchte. 4. Charakteristisch für diese Schöpfertreue Gottes ist, daß sie ihre Adressaten in ihren Dienst zwingt. Daher spricht Paulus von einer Dienstbarkeit der Gerechtigkeit gegenüber: Rom. 6,1 ff. ; Rom. 12-14; 2. Kor. 3,9 u.ö. 5. Mit „Gerechtigkeit Gottes" ist das Thema „der gesamten Verkündigung und Theologie des Paulus" bezeichnet. Unter δικαιοσύνη Seoö versteht Paulus, wenn man alle genannten Aspekte zusammenfaßt : „Die sich eschatologisch in Christus offenbarende Herrschaft Gottes über der Welt... Bedenkt man den griechischen Wortstamm, mag man auch sagen : jenes Recht, mit welchem sich Gott in der von ihm gefallenen und als Schöpfung doch unverbrüchlich ihm gehörenden Welt durchsetzt."2 - Man wird KÄSEMANNS Thesen ergänzen müssen. Stärker ist vor allem auf die Verbindung von Geistbegriff und Gerechtigkeit zu achten. Damit verbindet sich ein Zweites: Man wird zu prüfen haben, ob KÄSEMANNS auf den griechischen Wortstamm achtende These von dem sich in der Welt durchsetzenden Gottesrecht dem paulinischen Begriff wirklich angemessen ist. Handelt es sich tatsächlich um einen apokalyptischen term, techn., dann ist der Verweis auf die griechische Rechtstradition und das von dieser her verstandene Weltforum erst dann legitim, wenn Paulus und mit ihm seine Hörer Anlaß dazu hatten, in δικαιοσύνη Seoö so etwas wie ein strafrichterlichesVerhaltenGottes zu sehen. Wohl läßt sich das Verständnis von δικαιοσύνη SEOÖ als dem sich selbst durchsetzenden Gottesrecht zurückverfolgen von Κ. BARTH bis hin zu Anselm von Canterbury und seinen Vorgängern. Neben diesen aber steht die große Schar derer, welche immer wieder versucht haben, in δικαιοσύνη Seoö den Erweis des nicht nur auf sein Recht, sondern, tiefer noch, auf das Heil der Seinen bedachten Schöpfers zu sehen. Ob hier wirklich eine Alternative besteht und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, wie beide Aspekte sich einen, haben wir auf dem von KÄSEMANN zusammen mit MÜLLER und MICHEL gewiesenen Wege nachzuprüfen. 8. Zusammenfassung

Überschauen wir, ehe wir unseren eigenen Interpretationsversuch beginnen, noch einmal das Ganze, um daraus die erforderlichen methodischen Konsequenzen zu ziehen. 1

A.a.O. S. 374f.

2

A.a.O. S. 377.

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In den fast zweitausend Jahren Interpretationsgeschichte ist das von Paulus mit δικαιοσύνη Seoö bezeichnete Phänomen und damit die paulinische Rechtfei tigungslehre nur selten scharf erkannt und theologisch präzis verstanden worden. Es sind immer nur Teilaspekte zur Geltung gekommen. Bei Augustin Gottes neu aufrichtende Gnade; bei Luther Gottes neuschaffendes Erbarmen ; bei Calvin Gottes majestätische Herablassung. Erst BARTH und SCHLATTER gewahren auf ihre Weise das Ganze, indem sie die Frage nach Gottes Recht in den Vordergrund stellen. Ihre Sicht läßt sich heute historisch verifizieren und damit auch dort modifizieren, wo dies erforderlich ist. Man könnte nun mit A. SCHWEITZER konstatieren: „Die paulinische Forschung stellt nicht eben eine Glanzleistung der Wissenschaft dar. Gelehrsamkeit wurde reichlich aufgewandt, aber es fehlte am Denken und Überlegen." 1 Doch wäre dies zu vordergründig. Es müssen ja tiefliegendere Gründe vorliegen, welche trotz der intensiven Bemühungen der Exegeten die Erkenntnis des Ganzen immer wieder verhindert haben. Wie SCHWEITZER dies bereits selbst vermutet hat 2 , liegen die Gründe in dem je verschiedenen Verhältnis, in welchem Glaube und Wirklichkeit im Verlauf der Kirchengeschichte zueinandertreten. Man könnte auch sagen: Die Gründe liegen in der jeweils verschiedenen Konstellation von Eschatologie und Ontologie. Unter Eschatologie verstehen wir dabei die Erfahrung und das Wissen von Gottes endzeitlichem Kommen und unter Ontologie die Erfahrung und das Wissen von einander schicksalhaft ablösenden Weisen des Selbst- und Weltverständnisses. Paulus hat, als er von δικαιοσύνη SeoO sprach, einen apokalyptischen term, techn. übernommen und diesen innerhalb einer ebenfalls noch apokalyptisch geprägten Eschatologie und in einem dieser entsprechenden Weltbild zum Zentralgedanken seiner Theologie erheben können. Die Interpretationsgeschichte dieses Begriffes scheint zu erweisen, daß das bei Paulus erkennbare Miteinander von Apokalyptik und δικαιοσύνη Seoö nicht wiederholbar ist. Doch ist dies ein Trugschluß. Sieht man näher zu, so zeigt sich nämlich, daß sich, wo immer im Laufe der Kirchengeschichte unser Begriff eine durchschlagende Rolle gespielt hat, eine der paulinischen Konstellation von Eschatologie und Weltverständnis wenigstens teilweise analoge Struktur nachweisen läßt. 3 Freilich muß man, um hier klarer sehen zu können, zunächst noch präziser bestimmen, was für Paulus die apokalyptische WeltPaul. Forschung, S. 185. A . a . O . S. 193. 3 K . BARTH bestätigt diese Sicht, wenn er K D I V 1 S. 582!. von den Kampfzeiten spricht, in denen die Rechtfertigungslehre allein wirklich verstanden worden sei. Als solche Kampfzeiten sieht BARTH, abgesehen von der Zeit des Paulus selbst, die Auseinandersetzung Augustine mit dem Pelagianismus, den reformatorischen Kampf Luthers, die Zeit der Erweckung zu Beginn des 19. Jh. und schließlich die Gegenwart seit dem Ende des I.Weltkrieges an. - I m gleichen Sinne E . KÄSEMANN, Paulus und der Frühkatholizismus, Z T h K 60 (1963) S. 79. 8 7 ! 1

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Auslegungsgeschichte

sieht ontologisch bedeutet hat. Man könnte etwa so sagen : Paulus sieht mit Hilfe der apokalyptischen Weltanschauung seiner Zeit, daß Mensch und Welt in einem gemeinsamen Schicksalsgefüge stehen, daß dieses Schicksalsgefüge als zeitlicher Erleidenszusammenhang, d. h. als Geschichte, begriffen werden muß und daß Gott in seiner WortgewaJt der Herr dieses Geschehens ist und bleibt. Wo dieser Erleidenszusammenhang in der Welt erfahren und über ihm Gott im Wort als der persönliche Herr dieses Geschehens erkannt wird, dort und nur dort läßt sich exakt begreifen (und zugleich erfahren), was Paulus mit Gerechtigkeit Gottes bezeichnet wissen will. Luther und Calvin haben dies ebenso gesehen wie auch BARTH. SCHLATTER teilt dieses Denken wenigstens ansatzweise, und in der Gegenwart sind wir mit Sicherheit davon bestimmt. Ist dies auch nur entfernt richtig gesehen, dann gibt es, jenseits ciller echten Geschichtlichkeit der Interpretation, gewisse Weisen eines Selbst- und Weltverständnisses, welche nicht frei wählbar und doch für das Verständnis des Kerygmas konstitutiv sind, die man, hat man sie einmal erkannt, also nur um den Preis der theologischen Substanz, in unserem Falle der Rechtfertigungslehre, preisgeben kann und darf 1 . Dafür ist die Interpretationsgeschichte der Gerechtigkeit Gottes ein klares Exempel. - Eine methodische Konsequenz aus diesem auslegungsgeschichtlichen Befund drängt sich geradezu auf: Es gibt ein historisches, vom Betrachter (jedenfalls im Prinzip) absehendes Denken ja erst in der Neuzeit. Aber auch in dieser Neuzeit ist es nur selten gelungen, Paulus selbst zu entdecken. Uberall sonst war der Blick der Historiker verstellt. Nicht nur darum, weil sie eben in Paulus hineingelesen haben (und teilweise haben hineinlesen müssen), was ihre Zeit dachte und empfand und sie mit ihr, sondern, methodisch gesehen, jedenfalls auch deshalb, weil man nie radikal genug gefragt hat, von welchen Verständnisbedingungen aus Paulus selbst theologisch dachte. Auch die religionsgeschichtliche Schule ist bisher auf halbem Wege stehengeblieben : Sie hat nur selten so weit zurückgefragt, daß sie auf die dem Denken der neutestamentlichen Schriftsteller zugrunde liegende Ontologie, in unserem Falle also die apokalyptische Welt- und Menschensicht des Paulus, gestoßen wäre und dies auch hermeneutisch ernst genommen hätte. Nicht, daß man auf diesem Wege der eigenen Geschichtlichkeit im Selbstengagement durch den 1 Damit ist derselbe Sachverhalt in den Blick gekommen, den EBELING meint, wenn er von der für das Verständnis des Kerygmas konstitutiven „Situation" des Glaubens spricht (vgl. Theologie und Verkündigung, H U T h i, Tübingen 1962, S. 49f., 75. 79). Freilich dürfte es, wenn wir recht haben, gerade nicht mehr möglich sein, mit EBELING a.a.O. zu sagen: „Das Entscheidende am Kerygma ist nicht, daß diese oder jene Wirklichkeitsauslegungen vorgegeben waren, die die Interpretamente lieferten, mit deren Hilfe zu sagen versucht wurde, was sich in Jesus ereignet hat. Das Entscheidende ist vielmehr das Eintreten einer die Situation qualifizierenden Herausforderung, die zu Kerygma ermächtigt" (S. 49). Das Erregende ist dann gerade dies, daß sich nicht jede Situation beliebig kerygmatisch qualifizieren läßt, sondern daß, theologisch gesprochen, das sola gratia auch geschichtlich nur sola gratia verstehbar wird !

Die Interpretation von Gerechtigkeit Gottes im 20. Jahrhundert

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Text hätte entrinnen können oder entrinnen sollte! Aber eine den historischen Gegenstand bis auf die Bedingungen der Möglichkeit von dessen eigenem Denken und Sprechen durchleuchtende und ihn so zu eigener historischer Individualität erweckende historische Arbeit mtißte in der Lage sein, dem historischen Gegenüber seine fremde Eigenart in klarerer Weise zu belassen, als dies bisher oft der Fall gewesen ist 1 . Wir kommen damit zu folgenden methodischen Folgerungen: ι . Der Analyse des Begriffes δικαιοσύνη SeoO muß eine Analyse der für diesen Begriff maßgeblichen antiken Ontologie und Eschatologie zur Seite treten. 2. Dabei ist auf die konstitutiven Strukturen besonders zu achten, jenseits derer δικαιοσύνη Seou unverständlich werden muß. 3. Griechische Rechtskategorien haben bisher in der Interpretationsgeschichte stets zu einer Doppeldeutigkeit des Begriffes geführt, welche in den Texten selbst nicht angelegt zu sein scheint. 4. Nur die alttestamentlich-jüdischen Rechtskategorien scheinen also dem Begriff δικαιοσύνη Seou und seiner Interpretation angemessen zu sein. 5. δικαιοσύνη Seoö ist ein selbständiger terminus technicus und darf daher nicht von dem Allgemeinbegriff δικαιοσύνη her interpretiert werden. 6. Der term, techn. δικαιοσύνη Seoö ist bisher nur einmal im Alten Testament, sonst aber ausschließlich im spätjüdisch-apokalyptischen Schrifttum nachgewiesen worden. Dem Alten Testament und den apokalyptischen Schriften hat also unsere besondere Aufmerksamkeit zu gelten. 1 Meines Erachtens ist dies die entscheidende Frage an die hermeneutischen Bemühungen von E. FUCHS, G. EBELING U. a. Sollte hier der T e x t des Neuen Testaments durch die Ontologie unserer Gegenwart, die keineswegs mit der zur Zeit des Neuen Testaments herrschenden identisch zu sein braucht!, überfremdet werden, dann wäre dies eine theologisch nicht tragbare Verkürzung des hermeneutischen Zirkels. Vgl. G. EICHHOLZ, Die Grenze der existentialen Interpretation. Fragen zu G. Ebelings Glaubensbegriff, EvTheol 22 (1962) S. 565-579 und J. MOLTMANN, Anfrage und Kritik. Zu G. Ebelings 'Theologie und Verkündigung', EvTheol 24 {1964) S. 26f.

Β. G E R E C H T I G K E I T G O T T E S IN D E N P A U L I N I S C H E N B E L E G S T E L L E N Angesichts der skizzierten Problemlage erscheint es methodisch zweckmäßig, mit einer Exegese der paulinischen Belegstellen einzusetzen und erst dann religionsgeschichtlich die Herkunft des Begriffes δικαιοσύνη Seoö zu erfragen. Wir behandeln die Paulusstellen in der vermutlichen historischen Reihenfolge, beginnen also bei 2. Kor. 5,21. Eine Exegese von Phil. 3,9 schließen wir zum Schluß an. Nach der ausführlichen Darstellung der Interpretationsgeschichte können wir die Diskussion auf ein Gespräch mit einigen Exegeten der Neuzeit beschränken. I. 2. Kor. 5,21 Innerhalb des Kontextes steht unser Vers in deutlicher Parallele zu V. 19 und begründet wie dieser indikativisch den Aufruf des Paulus zur Versöhnung mit Gott in V. 20 b. Als Gesandter und Sprecher des versöhnungswilligen Gottes (V. 20 a) ruft Paulus an Stelle (υπέρ) des Christus dazu auf, in den Friedensstand mit Gott zurückzukehren. Wie dieser Stand heraufgeführt worden und wie er beschaffen ist, sagt V. 21. Auffällig ist zunächst der partizipiale Stil von V. 21a; ebenso, daß V. 21a und 21 b in antithetischem Parallelismus stehen. Wie Rom. 4,25 zeigt, ist das νπτέρ ημών eine dem Paulus schon vorliegende Formel1. Augenscheinlich wird in V. 21 ferner das aus den Traditionsstücken Phil. 2,6-11 und 2. Kor. 8,9 bekannte Schema der Erniedrigung des Präexistenten (Christus) zur Beschreibung der καταλλαγή angewandt8. Auch das finale ίνα ist in Phil. 2,10 schon vorgebildet. Handelt es sich also 2. Kor. 5,21 ebenfalls um Tradition? Die sachliche Parallelität zu Rom. 3,25f. ist ja nicht zu übersehen ! Beide Male wird der Christus von Gott zum Opfer dargebracht. Von Christus ist dabei hier wie dort in befremdlicher Passivität die Rede! V. 21 spricht also, wie die genannten Stellen zeigen, bewußt die Sprache der Tradition. In seiner Begrifflichkeit und Vorstellungswelt ist der Vers aber, wie wir sehen werden, zugleich unverwechselbar paulinisch. 2. Kor. 5,21 stellt also, wenn man einmal so sagen darf, die paulinische Version von Rom. 3,24t. dar. - Inhaltlich spricht der Vers allein von Gottes Werk, υττέρ ήμών drückt 1 Vgl. G. BORNKAMM, Paulus 185 und F. HAHN, Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum, F R L A N T 83, Göttingen 1963. S. 55 ft. 2 Vgl. FR. NEUGEBAUER, In Christus, Göttingen 1961, S. 100.

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2. Kor. 5,21

den Stellvertretungsgedanken aus. Betont paulinisch spricht der Vers von Sünde im Singular. Bekanntlich gebraucht Paulus, im Gegensatz zu der christlichen Tradition vor ihm (vgl. z.B. i.Kor. 15,3f.), diesen Singular von αμαρτία, um den Machtcharakter der Sünde zum Ausdruck zu bringen. Dies ist auch hier der Fall1. Daß Christus der Sündenmacht nicht verfallen war, betont das erste Versglied2. Gott selbst hat den Sündlosen der Sünde preisgegeben und zum Erweis der Sünde schlechthin gemacht. Ebenso formuliert Paulus Gal. 3,13, Christus sei für uns zum Inbegriff und Gegenstand des vom Gesetz wider den Sünder ausgehenden Fluches geworden. Mythologisch formuliert : Das hier geschilderte Geschehen entmächtigt die Sünde derart, daß sie gezwungen wird, ihre Macht auf Christus zu konzentrieren. Es geht also um einen vor allem vom Gesetz und seinen Folgen befreienden Machtkampf Gottes. Auch dieser Gedanke ist unverwechselbar paulinisch. V. 21 b bringt die Peripetie: Als der Befreier von der Macht der αμαρτία wird Christus zum Inbegriff der Macht der neuen Welt. Nichts anderes besagt das έν αύτω. An die Stelle der Welt-beherrschenden Sünde ist Christus getreten als der, der eine neue von Gottes Recht bestimmte Welt in sich beschließt. Daß hier die bekannte Vorstellung vom weltumspannenden Christusleib vorliegt, ist deshalb evident3. Daß es sich nicht nur um die christlichen Individuen, sondern um den Kosmos als ganzen handelt, zeigt der parallele V. 19. Die von Paulus V. 17 zitierte Tauftradition (vgl. Gal. 6,15) bestätigt ebenfalls unsere Interpretation. Die Peripetie, von der unser Vers spricht, meint den Anbrach von Gottes neuer Schöpfung4. γενώμε3α ist also tatsächlich eine 'Seinsbestimmung' (SCHRENK5). Das neue Sein wird hier nun nicht mehr nur formal mit καινή κτίσις, sondern, als ein von einer Macht bestimmtes Sein, mit dem Namen der Macht bezeichnet, welche es bestimmt, δικαιοσύνη SeoO. Als Gegensatzbegriff zu dem singularischen αμαρτία bezeichnet auch δικαιοσύνη Seoü eine Macht. Bestätigt wird dies dadurch, daß, parallel zu der V. 18 genannten διακονία της καταλλαγής®, 1

Daß άμαρτία hier nicht das Sündopfer bezeichnet, haben mit Recht BACHMANN

und WINDISCH Z. St. betont.

2 Ähnlich drückt Paulus Rom. 8,3 mit Hilfe des vielschichtigen Begriffes όμοίωμα aus, daß Christus nicht selbst eine σάρξ αμαρτίας besaß, sondern nur auf Geheiß Gottes annehmen mußte (vgl. MICHEL Z. St.). Rom. 8,3 ist also Parallele zu 2.Kor. 5,21. " NEUGEBAUER hat a. a. O. diesen Sinn des âv αΟτω bestritten. Das έν Χριστφ soll nach NEUGEBAUER die Bedeutsamkeit des geschichtlichen Christusereignisses ansagen, ist also nicht mit „im Leibe Christi" o.a. gleichzusetzen. NEUGEBAUER interpretiert S. 100 das êv αύτφ 2. Kor. 5,21 als adverbiale Bestimmung: „in der Tat Gottes, in dem, der von keiner Sünde wußte ... ist die Ekklesia die Gerechtigkeit Gottes." Ich halte dies nur erst für eine Paraphrase des Textes, noch nicht aber für eine Interpretation, welche der paulinischen Vorstellungswelt folgt. - W . GRUNDMANN sieht : Gesetz, Rechtfertigung S. 65 gegenüber A. SCHWEITZER richtig, daß 2. Kor. 5,21 Mystik und Rechtfertigung bei Paulus zu einer Einheit verbunden sind (ebenso SCHRENK, Art. δικαιοσύνη

S . 2 1 2 und WENDLAND: Mitte S . 3 2 ) . 4

5 β

V g l . L I E T Z M A N N - K Ü M M E L u n d W E N D L A N D z.

St.

Art. δικαιοσύνη S. 212,19. καταλλαγή meint, wie V. 20b zeigt, das ganze in V. 21 geschilderte Ereignis.

76

Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

2. Kor. 3,9 von einer διακονία της δικαιοσύνης sprechen und Rom. 6,i8ff. gar von einer δουλεία της δικαιοσύνης = δουλεία τ ο υ θεοϋ (vgl. Rom. 6,ι8 mit 6,22 !) die Rede sein kann. Nur wenn man also δικαιοσύνη ·9εοϋ als Gottesmacht interpretiert, wird die Dimension der ersten Vershälfte auch in der zweiten gewahrt und die Seinsaussage γενώμε3α verständlich. Christus ist selbst, wie V. 19a betont, der Zeuge Gottes; er, der Auferweckte (Rom. 4,25!), ist aber präziser noch: Träger und Vollender der δικαιοσύνη SeoO. Alle, die seiner kosmischen Herrschaft Untertan sind, haben Teil an seiner Macht. Der Leib des Christus repräsentiert in allen seinen Gliedern die Schöpfermacht der δικαιοσύνη Seou. Die forensische Situation, die BULTMANN an unserer Stelle betont findet1, steht im Hintergrund des Geschehens. Betont aber ist die von Gott durch das Kreuz ermöglichte (sich in der Taufe für die Glaubenden realisierende) Einkehr in die Kirche als neue Schöpfung Gottes. Die forensische Situation ist der Weg, auf dem es zu dieser neuen, durch die Freiheit charakterisierten, Welt und Schöpfung kommt. Die neue Welt der Kirche ist für Paulus, wie jede Welt, ein Machtgefüge. Die Macht, welche diese Welt bestimmt, nennt Paulus δικαιοσύνη Seoö. Zweierlei ist noch zu betonen : Die ontologische Brücke, welche die paulinischen Aussagen ermöglicht, ist der πνεΟμα-Begriff. Nur weil πνεύμα für Paulus die mitteilbare Individuation der Gottesmacht ist und in der Taufe den Glaubenden mitgeteilt wird, läßt sich die kosmologische und zugleich seinshaft-soteriologische Interpretation unserer Stelle überhaupt vollziehen. Wie eng πνεύμα und δικαιοσύνη SeoO für Paulus zusammengehören, zeigt z.B. die wechselweise Rede von einer διακονία τ ο υ πνεύματος und einer διακονία της δικαιοσύνης 2. Kor. 3,8f. - Nun könnte man freilich mit WINDISCH z. St. vermuten, Paulus wolle von einem realen Austausch der sittlichen Qualitäten zwischen Christus und uns sprechen. Daß dem nicht so ist, zeigt der Zusammenhang mit V. 19f., welcher von der Sendung des Paulus in den Dienst derVerkündigung spricht. Der unserem Vers zugrunde liegende πνεΟμα-Begriff ist also nicht die anonyme Macht, die der Hellenismus im Geist sieht, sondern bezeichnet die bis ins Sein vordringende schöpferische Gewalt des Gotteswortes, dessen Sprecher Paulus ist. - Das Zweite, was es noch zu sehen gilt, ist dies: Unsere Stelle zeigt, daß Paulus den gesamten Kirchengedanken unter das Thema der δικαιοσύνη 3εοΰ stellt und daß Paulus diese Kirche nicht in erster Linie als neues Gottesvolk, sondern als neue Welt versteht. Diese neue Welt ist nicht eine in sich ruhende neue Schöpfung, sondern das Aufgebot derer, die zum Dienst und d.h. zur Repräsentation der δικαιοσύνη SsoO in der alten Welt berufen sind. Sie sind die ημείς, welche in dem Bekenntnis von V. 21 zur Sprache kommen. Die Ethik des Paulus will nichts anderes, als zu dem Dienst rufen, in welchem Gottes δικαιοσύνη der Welt bezeugt und andere für diese Welt dienend gewonnen werden sollen. 1

Theol. 3 S. 277Í.

2. Kor. 5,2i

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δικαιοσύνη Seoö ist nach unserem Verse die im Wort des Paulus erscheinende, in Dienst nehmende, das Gericht und die Neuschöpfung in sich beschließende kosmische Macht und Erscheinungsweise des Schöpfergottes. Wenn man δικαιοσύνη 3εο0 hier auf Gottes Gabe deutet 1 , zerbrechen V. 2i a und 21 b. Wenn jedoch von der Treue des Schöpfers zu seiner Kreatur die Rede ist und man in Christus den Zeugen und Statthalter dieser Schöpfertreue sieht, ergibt sich eine geschlossene Interpretation 2 . 1 So z.B. B U L T M A N N , a.a.O.; Α. O E P K E , Δικαιοσύνη 3εοϋ S. 259; O . Kuss, Römer S. 117. 125 u. viele andere. 2 An dem skizzierten Verständnis der Stelle halte ich fest, obwohl E. K Ä S E M A N N in seinen „Erwägungen zum Stichwort 'Versöhnungslehre im Neuen Testament'" (Zeit und Geschichte, Dankesgabe an R. Bultmann zum 80. Geburtstag, Tübingen, 1964, S. 47-59) die Vermutung ausgesprochen hat, daß in 2. Kor. 5,19-21 „ein vorpaulinisches Hymnenstück" vorliegt. Daß, wie K Ä S E M A N N schreibt, Paulus in 2. Kor. 5,(18)19-21 „Motive früherer Verkündigung aufgegriffen hat", bestreite ich nicht. Aber ich bestreite a) daß 2. Kor. 5,19-21 eine Einheit sind, und b) daß V. 21 in seiner heutigen Form vorpaulinischer Tradition entstammt. K Ä S E M A N N führt für das Vorliegen von Tradition zunächst in V. 19 und 20 folgende Gründe ins Feld : 1. „Daß die Boten des Evangeliums in der Stellvertretung des erhöhten Christus den Versöhnungsruf durch die Welt tragen, befremdet. Denn es setzt ja doch wohl die Anschauung vorau s, daß der Apostel das Werk des irdischen J esus fortsetzt, das der Erhöhte so nicht mehr ausrichten kann. Damit wird aber das Paulus sonst so stark bestimmende Motiv des 'in Christus' merkwürdig durch ein 'für Christus' ersetzt, wie denn auch Gott selbst als der durch den Apostel Handelnde gilt" (S. 49 f). In all diesen Aussagen sehe ich echt paulinische Motive und also nichts Befremdliches : Das in unseren Versen geäußerte Sendungsbewußtsein des Paulus ist genau das Rom. 10,15 vorausgesetzte, wo Paulus sich, durch die Einsetzung des Plurals εύαγγελιζόμενοι (entgegen der Septuaginta und dem Masoretischen Text!) markiert, nach rabbinischer Tradition als einen der prophetischen Evangelisten versteht, welche nach Beginn der Endzeit den Anbruch der Basileia aller Welt verkündigen (vgl. Midr. zu Ps. 147,1, zitiert bei F R I E D R I C H , ThWb II S. 713,8ft., und B I L L E R B E C K III S. 282!). Gott selbst handelt durch den Apostel ebenso eindeutig wie an unserer Stelle i.Thess. 2,13, gerade in der Verkündigung, welche auch 2. Kor. 5,18ff. thematisch ist. Der Ersatz des „in Christus" durch ein „für Christus" findet sich mitsamt den theologischen Konsequenzen ebenso Phil. 1,29. - 2. Zu bejahen sind K Ä S E M A N N S Hinweise darauf, daß a) cos δτι in V. 19 ein Zitat einzuleiten scheine (vgl. ebenso 2.Thess. 2,2, anders 2. Kor. 11,21), daß b) der Partizipialstil Kennzeichen liturgischer Tradition sei und daß c) „in V. 19 von Weltversöhnung statt wie in 18 von unserer Versöhnung gesprochen ... wird (S. 50)". Nicht zustimmen kann ich dagegen, wenn K Ä S E M A N N meint, die Rede von der Weltversöhnung werde von V. 19 an „bis in den Schluß von V. 20 festgehalten" (S. 50). Denn V. 19c lenkt zur Redeweise von V. 18 zurück, wie der Objektwechsel von αϋτοί; i g a b zu iv ήμίν 19c deutlich signalisiert. V. 20 spricht dann genau die Sprache von V. 18 und 19c und hat, da auch keine liturgischen Stilmerkmale vorliegen, nach den genannten Parallelen: Rom. 10,15; i.Thess. 2,13 und Phil. 1,29 nichts Unpaulinisches mehr an sich. Daß in V. 19 ab aber tatsächlich Tradition vorliegt, zeigt zu den genannten Merkmalen auch noch der für Paulus nicht charakteristische Plural παραπτώματα. - 3 . K Ä S E M A N N geht nun weiter zu V. 21 und sagt: „Auch V. 21 würde sich als Zitat leichter verstehen lassen: Wieder ist αμαρτία nicht Macht, sondern Schuld der Sünde. Uber die Sündlosigkeit Jesu hat Paulus nirgendwo sonst reflektiert. Ob er von seinem Begriff der Sünde als Macht sagen konnte, Jesus sei für uns zur Sünde, d.h. doch wohl dem Träger aller irdischen Schuld, gemacht worden, sollte ernsthaft überlegt werden (S. 50)". Wieder leuchtet diese Argumentation nicht voll ein. Daß zunächst Stil, Aufbauschema und die Nähe zu Röm. 3,24t. 2. Kor. 5,21 als traditionsgesättigt ausweisen, haben wir oben schon hervorgehoben. Doch widerrät die Transformation der Vorstellungsgehalte, in V. 21 ein Zitat zu sehen: άμαρτία könnte ja allenfalls in V. 2 i a a Sündenschuld meinen, schon in 21 aß nicht mehr, denn hier liegt dieselbe Vorstellung wie Gal. 3,13 zugrunde: daß an Jesus die Macht des Fluches/der Sünde zuschanden wird. Außerdem

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

II. Rom. 1,17 V. 16 und 17 gehören zusammen; wie allgemein anerkannt ist, geben sie das Thema des Römerbriefes an. Beide Verse stellen eine Satzperiode dar, wie die fortlaufende Interpretationsreihe : εύαγγέλιον — δύναμις y à p Seoö δικαιοσύνη γάρ 5εοΰ beweist. V. 18 ist streng parallel zu V. 17 formuliert, beginnt aber bewußt antithetisch einen neuen Gedankengang, ούκ έπαισχύνομαι entstammt der urchristlichen Bekenntnissprache 1 . Positiv könnte Paulus auch sagen: όμολογω τ ο εύαγγέλιον. Das Bekenntnis, welches sich wird die Redeweise vom γινώσκειν άμαρτίαν durch R o m . 7,7 als paulinisch ausgewiesen, ist demnach auch aufs höchste reflektiert und läßt auch den Singular αμαρτία (im Gegensatz zu π α ρ α π τ ώ μ α τ α V . i g b a !) als reflektiert paulinisch erscheinen. D a ß P a u lus „über die Sündlosigkeit Jesu . . . nirgendwo sonst reflektiert" habe, läßt sich bei einem Blick auf R o m . 8,3 nicht halten (s. Anm. 2 S. 75). R o m . 8,3 ist vielmehr gerade im Blick auf Jesu Sündlosigkeit und die Vernichtung der Sündenmacht in seiner σάρξ eindeutige Sachparallele zu 2. K o r . 5,21. D a m i t ist V . 21 a als paulinisch ausgewiesen. 4. „ G e n a u so verwunderlich bleibt es, wenn die Christen als 'Gerechtigkeit Gottes in ihm' bezeichnet werden, da solche Prädikation wie in i . K o r . 1,30 eigentlich nur christologisch sinnvoll ist. Anders stände es, würde hier eine judenchristliche Tradition laut, welche eine derartige Aussage auf das Bundesvolkbezieht" (S. 50). Dazu ist zu sagen : è ν α ύ τ ω bezieht sich dem Gedankengang unserer Stelle nach eindeutig auf Christus (vgl. R ö m . 3,24: ά π ο λ ύ τ ρ ω σ ί ΐ tv Χ ρ ι σ τ ώ ΊησοΟ, auch BÜLTMANN, Theol. 3 S. 275!.). V o n i . K o r . 1,30 unterscheidet sich unsere Stelle dadurch, daß sie wie R ö m . 3,24s. v o m Gedanken des Zu-seinem-Rechte-Kommens-Gottes bestimmt ist, während i . K o r . ι ,30 soteriologisch von der uns in Christus nahegebrachten Gabe der δικαιοσύνη spricht. Unsere Stelle dagegen ist theologisch orientiert und ordnet die Christologie diesem Gesichtspunkt ein: Die Christen werden nach V . 21 b dem Rechte Gottes unterstellt und zu seinen Zeugen, indem sie an der durch das Christusopfer heraufgeführten Freiheit als Glaubende partizipieren, G o t t in seinem Rechte anerkennen und daher von ihm zu Dienern berufen werden. I n dieser kühnen Weise zu sprechen, war selbst das Judenchristentum vor Paulus noch nicht imstande. A u c h i . K o r . 5 , 2 1 b t r ä g t also urpaulinisches Gepräge. - Unter Aufnahme der KÄSEMANNSchen Intention formulieren wir also folgende Gegenthese: 2 . K o r . 5,18-21 ist ein weitgehend traditionell gesättigter und liturgische Formulierungen spiegelnder Abschnitt. In V . i g a b liegt wahrscheinlich ein (hellenistisches) Z i t a t vor, welches durch die Einleitungsformel d>s δτι signalisiert, durch die Partizipien liturgisch stilisiert und durch die R e d e v o n der W e l t versöhnung und der Nichtzurechnung der einzelnen Vergehen als auch theologisch unpaulinisch v o m K o n t e x t abgehoben wird. Mit V . 19c schränkt Paulus, V . 18 entsprechend, dieses Zitat ein und führt es in V . 20 selbständig und seinem apostolischen Sendungsbewußtsein entsprechend weiter. V . 21 f u ß t auf judenchristlicher Tradition (Röm. 3,24s.), entspricht aber im Gedanken (vgl. Gal. 3,13 und R ö m . 8,3) und in seiner Formulierung (vgl. R ö m . 7,7) paulinischer Theologie, ist also von Paulus stilisiert. Die Rede v o n der (Welt-) Versöhnung wird in unserem nicht aus einheitlicher Quelle gespeisten Abschnitt also tatsächlich von der Rechtfertigungslehre zusammengehalten und kontrolliert. A u c h dies spricht dafür, in V . 21 einen paulinischen Zentralsatz zu vermuten. - Sollte sich KÄSEMANNS These v o n judenchristlicher Tradition in V . 21 jedoch in der weiteren Diskussion bewahrheiten, so wäre f ü r den v o n uns gezeichneten Werdegang des BegriSes δικαιοσύνη SeoO nichts Wesentliches zu ändern, da 2. Kor. 5,21 dann mit R ö m . 3,24s. die H e r k u n f t des Begriffes δικαιοσύνη θεοΰ aus der Theologie der vorpaulinischen, judenchristlichen Gemeinde nur noch unterstreichen würde, δικαιοσύνη Seoö würde dann in der vorpaulinischen Tradition als Bundestreue Gottes zu interpretieren sein. 1 Vgl. O. MICHEL, Zum Sprachgebrauch von έτταισχύνομαι in R ö m . 1,16, Glaube u. E t h o s (Festschrift für G. Wehrung). Stuttgart 1940, S. 36-53 und R ö m e r " z. St.

RÖM. 1 , 1 7

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nach Röm. 10,9 auf den Kyrios und Gottes Tat an ihm richtet, ist hier dem Evangelium gegenüber ausgesprochen. Das läßt darauf schließen, daß Paulus im Evangelium eine persönliche Erscheinungsweise Gottes, dessen worthafte Manifestation, gesehen hat. Evangelium und Gottes Erscheinen in der niederbrechenden Welt sind für Paulus deshalb identisch, weil er in Gottes Wort die Macht des Schöpfers erblickt (Röm. 4,17) und es als vorzüglichste Wirkung des schaffenden Gotteswortes betrachtet hat, Glaubende zu Gliedern der neuen Gotteswelt zu berufen, d. h. sie zu rechtfertigen. Daß wir richtig interpretieren, beweisen die Sachparallelen zum paulinischen Verständnis von εύαγγέλιον aus der Apokalyptik 1 und vor allem die paulinische Erläuterung: δύναμη y à p 3εο0 έστιν. Das Evangelium ist Gottes Macht 2 , und zwar seine rettende Macht (ets σωτηρίαν) für jeden beliebigen Menschen, der glaubt. 3 Ί ο υ δ α ί ω τε π ρ ώ τ ο ν καΐ Έ λ λ η ν ι entspricht der von Paulus auch im christlichen Glauben festgehaltenen Ordnung der Heilsgeschichte. Weshalb aber ist das Evangelium rettende Gottesmacht? Weil in ihm 4 δικαιοσύνη äeoO offenbart wird (Passivi). Daß hinter dieser passivischen Formulierung spätjüdische Redeweise steckt, daß Paulus also sagen will: weil im Evangelium Gott als der δίκαιος erscheint, läßt sich nur vermuten. Gottes δικαιοσύνη wäre dann freilich auch an unserer Stelle nicht Gottes Gabe, sondern Gottes eigenes mächtiges Verhalten. Daß δικαιοσύνη 1 Der Wortbegriff der Apokalyptik ist dadurch charakterisiert, daß das Wort, wenn es ergeht, Hinweis auf Gottes endgültiges Kommen bleibt, ohne selbst an Wirksamkeit zu verlieren. Das Wort ist die Vorwegnahme der eschatologischen Manifestation Gottes und trägt folglich selbst noch verheißenden Charakter. Gott erscheint im Alten Äon erst im Wort, um die Seinen kraft dieses Wortes, dem sie sich beugen und in das sie einziehen, auf die Ankunft des neuen Äons zu bereiten. So heißt es 4.Esra 9,5T. : „Denn wie alles, was in der Welt geschehen ist, einen verborgenen Anfang hat im Wort, aber ein offenkundiges Ende, so sind auch des Höchsten Zeiten: ihr Anfang in Wort und Vorzeichen, ihr Ende aber in Taten und Wundern" (Übersetzung nach GUNKEL bei KAUTZSCH, Apokryphen und Pseudepigraphen des ATs, II, S. 383). Oder: syr. Bar. 48,8 wird in einem Hymnus auf den Schöpfer gesagt: ,,... durch ein Wort rufst du ins Leben, was nicht da ist, und beherrschest das, was noch nicht eingetreten ist, mit großer K r a f t " (Übersetzung nach KAUTZSCH a.a.O. S. 428). Das Wort ist hier die vollmächtige, aber verborgene Art und Weise Gottes, in der alten Zeit/Welt die Zeichen der neuen aufzurichten (vgl. ferner syr. Bar. 14,17; 21,4; 54,iff.; 56,4; 4.Esra 6,38; 8,22; slav. Hen. 33; 24; äth. Hen. 61,4). - Wenn Paulus in Röm. 4,17 die Tradition von syr. Bar. 48,8 ausdrücklich aufgreift, liegt es nahe, ihm den gleichen Wortbegriff wie den apokalyptischen Texten zuzuschreiben und dies auch für sein Verständnis des Evangeliums auszuwerten. Evangelium meint bei Paulus die verborgene, aus dem Eschaton vor-laufende Epiphanie Gottes im Wort und ist deshalb eine Macht, der man sich, wie Röm. i , i 6 f . sagt, nur bekennend unterwerfen kann. Ich kann auf diese Zusammenhänge hier nicht weiter eingehen, hoffe aber, in einer neuen Arbeit meine These präzisieren zu können. 2 Daß Paulus hier, wie GRUNDMANN: Art. δύναμι; ThWb II S. 310 meint, einen ursprünglich auf die Tora gemünzten rabbinischen Fachausdruck: ΠΙΓΓ T157 auf das Evangelium übertrage, leuchtet nicht ein. GRUNDMANN muß diesen Fachausdruck ja a.a.O. S. 298. 309 erst selbst formulieren, ehe er für seine These brauchbar wird. * Trotz des Artikels hat παντί τ φ mcmOovn hier generischen Sinn. Vgl. BLASSDEBRUNNER, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 9. Aufl. 1954. § 413.2 (275.3-6). 1 έν αύτφ bezieht sich auf εύαγγέλιον.

Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

8o

Seoö aber tatsächlich so interpretiert werden muß, ergibt sich zwingend aus folgender Beobachtung: In Rom. 1,17 und 1,18 werden Gottes δικαιοσύνη und Gottes ό ρ γ ή in einander genau entsprechenden Sätzen gegenübergestellt. Diese Gegenüberstellung ist eindeutig ein antithetischer Parallelismus, weil ό ρ γ ή ·9εου (hebr. :

ebenso wie δικαιοσύνη θεού, ein apokalyp-

tischer terminus technicus ist 1 , ό ρ γ ή Seoö ist, wie die Tradition einhellig beweist 2 , die richtende Gottesmacht. Der Zorn Gottes wird dabei nie, wie es griechischem Rechtsempfinden entsprechen würde, mit Gottes Gerechtigkeit zusammengedacht. Beides wird vielmehr, alttestamentlich-jüdischem Rechtsdenken zufolge, stets getrennt, ό ρ γ ή Ssoö meint das Verhalten des ergrimmten, verurteilenden Gottes; δικαιοσύνη Seoö das rechtschaffende, heilbringende Verhalten desselben Gottes, das der Angeklagte im eschatologischen Prozeß erfahren darf. Erst wenn man dies beachtet, wird die Gegenüberstellung von V. 17 und 18 einleuchtend und prägnant, erklärt sich auch, daß Paulus stets den Gotteszorn und nicht die δικαιοσύνη Seoö als Gerichtsmacht nennt (vgl. Rom. 2,5; 3,5; 4,15; 5,9; 9,22; i.Thess. 1,10; 2,16; 5,9)> Vgl. nur χ Q S 2,15; 4,12; 1 QM 4,1; 6,3; CD 1,21; 3,8; 8,13; 10,9; 19,26; 20,26 usw. Für das Alte Testament ist dieser Sachverhalt bereits so eindeutig herausgearbeitet worden, daß zwei Hinweise genügen. J. FICHTNER schreibt (Art. όργή T h W b V S. 409!.) : Im Alten Testament „wird die Gerechtigkeit Jahves bezeichnenderweise niemals ausdrücklich mit seinem Zorn verbunden". „Vielmehr ist der Zorn Jahves im Blick auf Israel die Kehrseite seiner Liebe zu ihm, aufs engste mit ihr verbunden in der Vorstellung seines Eifers." Ebenso urteilt W . EICHRODT, Art. Zorn Gottes im A T , R G G S V I 1930-1931. - Das Spätjudentum folgt dieser alttestamentlichen Sicht (vgl. Joel 4; äth. Hen. 55,3; 91,7; 62,12; Jub. 24,28.30 und die in Anm. 1 genannten Stellen aus der Qumranliteratur). Rabbinisches Material bietet SJÖBERG, Art. ό ρ γ ή T h W b V S. 4 1 7 I und BILLERBECK I V 2 S. 1203ft. Im Rabbinat scheint die terminologische Redeweise vom Gotteszorn jedoch nicht so ausgeprägt zu sein wie in der Apokalyptik. Für die Apokalyptik ist es jedoch eindeutig, daß Gottes Zorn das Gericht heraufführt. *)X (Septuaginta übersetzt stets ό ρ γ ή κυρίου und zeigt damit an, daß die paulinische Redeweise von der όργή Seoü auf apokalyptischer Tradition fußt) und fi¡7"7X sind dabei stets zwei unterschiedene Verhaltensweisen Gottes, vgl. 1 Q S n , 2 f f . i2ff. ; ι Q H 7,26fi. ; 4.Esra 8,20-36. Beide Verhaltensweisen Gottes werden im Gericht wirksam. Dies zeigt einerseits äth. Hen. 62,2!, wo die Gerechtigkeit das lautere, den Seinen Recht schaffende Verhalten des Menschensohnes meint, und dies zeigt andererseits auch ι QM 4,1. Diese Stelle ist gedacht aus der Ideologie des Heiligen Krieges heraus, in welchem sich Gottes vernichtender Zorn und Gottes rechtschafiende Gerechtigkeit für die Gegner des Gottesvolkes ununterscheidbar als vernichtende Mächte ineinanderschieben und nur für Gottes Volk selbst unterscheidbar bleiben als die beiden Verhaltensweisen des seinem Volke verlobten Richtergottes. Deshalb können die Feldzeichen in ι QM 4 mit „Wütender Zorn Gottes gegen Belial" und mit „Gerechtigkeit Gottes" oder „Gericht Gottes" beschriftet werden (Ζ. 1 u. 6), ohne daß Gottes Zorn und Gerechtigkeit dadurch tatsächlich ununterscheidbar würden. - Von dieser alttestamentlich-jüdischen Denkweise her, die zwischen Gotteszorn und Gottesgerechtigkeit zu differenzieren weiß, wird die paulinische und neutestamentliche Redeweise vom Gotteszorn erst wirklich einleuchtend. Paulus erhebt danach den Begriff ό ρ γ ή SíoO begründet „zum Gegenbegriff der Gerechtigkeit Gottes" (CONZBLMANN, Art. Zorn Gottes im Judentum und NT, EGG® V I 1932), und die Johannesoffenbarung folgt diesem Vorgang, indem sie in c. 20 das Endgericht als Erlösung der Frommen, d.h. als Vernichtung Satans und des Todes erwartet und eben diese Erlösung als Erscheinung der δικαιώματα Gottes versteht (15,4 vgl. auch i i , i 7 f . ) . Zu dem in dieser Antithese ZornGerechtigkeit vorausgesetzten Rechtsdenken vgl. S. i i 3 f . 1

2

ROM.

1,17

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und erklärt sich schließlich, warum in Rom. 1,17 δικαιοσύνη Ssoö in der Antithese zu όργη Seoü nur Gottes des Richters eigenes heilschaffendes Verhalten meinen kann, άποκαλύπτεται ist eschatologischer term, techn. und meint die endgeschichtliche Offenbarung. Diese bricht mit dem Evangelium an. Entsprechend heißt es Rom. 3,21 : v w i δέ ... δικαιοσύνη 3εοϋ περανέρωται. Die δικαιοσύνη 3εο0 ist Gottes Erscheinungsweise im Wort des Evangeliums. Die eschatologische Epiphanie Gottes vor aller Welt erwartet Paulus noch von der Zukunft. Gott offenbart sich heute und hier nur erst dort, wo der Glaube wohnt. Den Bereich dieser verhüllten Epiphanie Gottes beschreibt Paulus mit Hilfe der rhetorischen Formel έκ πίστεως eiç πίστιν, deren sprachliches Schema bei ihm selbst Rom. 11,36; 1. Kor. 8,6 wiederkehrt, aber auch im hellenistischen Griechisch nachweisbar ist1. Die Formel hat den Exegeten vor allem deshalb große Schwierigkeiten bereitet, weil sie nicht immer genau genug beachtet haben, was Paulus mit ττίστις meint. Paulus übernimmt den Begriff trloTis aus der urchristlichen Tradition. Das beweisen von Paulus selbst angeführte Glaubensformeln (1. Kor. 15,3 s . ; Röm. 4,25 ; 10,g f.) und die Selbstverständlichkeit, mit der Paulus sich des Ausdrucks in seinen Briefen bedient. Für den Gebrauch vonττίστις bei Paulus ist sprachlich charakteristisch: Die Häufigkeit, mit der ττίστίζ und das Verbum πιστεύειν verwendet werden; der Anschluß an die Paulus vorgegebene christliche Sprechweise2. Ferner die meines Wissens bei Paulus zum ersten Male im urchristlichen Bereich auftretende Verwendung von ττίστις für den Glauben als ein überindividuelles Gesamtphänomen (Gal. 3,2.5.23.25.26)®. Hier stoßen wir also auf eine für Paulus selbst charakteristische Redeweise von Glauben. Ob diese uns hilft, die ebenfalls typisch paulinischen Formeln έκ πίστεως (Röm. 3,30 u. ö.) und διά πίστεως (Röm. 3,30 u.ö.) besser zu verstehen, muß sich erst zeigen. Diese Formeln jedenfalls gehören eindeutig in den Bereich der Rechtfertigungslehre. In diesen Zusammenhang sind aber auch die auffälligen Formulierungen aus Gal. 3 einzuordnen. Für die theologische Begrifflichkeit des Paulus ist es weithin charakteristisch, daß in ihr Macht und Gabe eine spannungsvolle Einheit bilden1. Es gilt zu sehen, daß hiervon auch der Glaubensbegriff nicht ausgenommen ist. Nach Phil. 1,29 ist die ττίστίΐ bzw. das πιστεύειν eindeutig Gottes Gabe. Nach Gal. 3,23ff. aber erscheint die ττίστίξ ebenso eindeutig als eine von Gott für die Menschen heilsgeschichtlich5 erschlossene und ihnen zugeordnete neue Wirklichkeit. Es ist die Wirklichkeit der seit Christus über die Welt ziehenden Glaubenspredigt. Der Ursprung des Glaubens ist für Paulus also, von Gott her gesehen, der Zug des Wortes Gottes zu den Menschen. Wir könnten nach den eben genannten apokalyptischen Sachparallelen zum Begriff Evangelium auch sagen: der Ruf des Schöpfers in den alten Äon hinein in der verhüllenden Gestalt des Wortes. Vom Menschen her gesehen, ist daher der Glaube Gabe Gottes, nämlich das demütige, befreiende Sich-Schicken in die verborgene Epiphanie des im Wort kom1 Vgl. LIETZMANN, SCHLATTER und Kuss z. St. Ferner A. FRIDRICHSEN, Aus Glaube zu Glauben, Röm. 1,17 (CN 12 [1948] S. 54). 2 πιστεύειν els bei Paulus z.B. Phil. 1,29; Gal. 2,16 u.ö. ττ(στι$ mit Gen. obj. z.B. Röm. 3,22.26 u.Ö. -πιστεύω δτι Röm. 10,9. πιστεύω mit Dativ Röm. 4,3. Von den Verwendungsarten πίστίΐ = Treue (Röm. 3,3; Gal. 5,22), πιστεύομαι pass. = betraut werden mit (Röm. 3,2; x.Kor. 9,17; Gal. 2,7; i.Thess. 2,4) können wir hier absehen. 3 Dieser paulinische Sprachgebrauch wird in Eph. 4,5; i.Tim. 4,6; Tit. 1,4.13 aufgenommen und findet sich außerdem Jud. 3 u. 20. 4 Vgl. dazu E. K Ä S E M A N N , Gottesgerechtigkeit S. 371 f. 5 Zu Ιρχομαι Gal. 3,23 vgl. J. SCHNEIDER, Art. Ερχομαι ThWb II S . 672.

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8242 Stubimacher, Gerechtigkeit

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

menden Kyrios. Auf dieses Sich-Schicken als auf etwas dem Menschen Eigenes, ihn vor Gott Rechtfertigendes, zu reflektieren, heißt, aus dem paulinischen Denken an der entscheidenden Stelle ausbrechen 1 . Der Glaube ist die Einkehr in die sich im Wort der Predigt öffnende Welt des Kyrios. Darum hat der Glaube für Paulus sein Wesen in der Verkündigung. Er hört auf die Predigt (i.Thess. 2,13; Rom. 10,14ft.) und wird selbst in der rechtsverbindlichen Homologie zum Bekenntnis (Rom. 10,9; i . K o r . 12,3). Paulus bezeichnet den Glauben selbst nie als inspiriert. Wohl aber wird die Homologie (vgl. i . K o r . 12,3) ebenso wie der Gehorsam des Glaubens (vgl. Gal. 5,6 mit Rom. 5,5) von Gottes eigener Kraft, dem Geist, getragen (Gal. 3,2). Der Glaube ist in seinem Vollzug also Gottes Gabe, weil er die von Gott machtvoll eröffnete Wirklichkeit ist. Der Glaube ist seit seinem Kommen heilsgeschichtlich und seit der Taufe für den Einzelnen auch in seiner soteriologischen Individuation allein Gottes Werk und Gabe. Deshalb rechtfertigt er allein. Denn Gott ist nur recht, was Gott selbst geschafien hat, weil es in der Rechtfertigung um die Anerkenntnis des Schöpfers und seiner Macht geht. Wenn der Glaube zugleich der Zug des schöpferischen Gotteswortes und die sich dem Einzelnen worthaft mitteilende Gabe der Einkehr ist, dann fügt sich die ττίστίζ ungezwungen in die paulinische Rechtfertigungslehre ein, ja läßt sie eine unüberbietbare Radikalität gewinnen. Gerechtfertigt werden 'aus Glauben' oder 'durch den Glauben' meint dann nämlich nicht : Gerechtfertigt werden auf Grund eigenen Gehorsams, sondern meint: Gerechtfertigt werden aus Gottes Werk allein. Gott wirkt auch den Glauben, welcher der Grund der Rechtfertigung ist. Das Glauben selbst ist Erlaubnis, in welche der Mensch sich zu seinem Heile gehorsam zu fügen hat. Im Glauben konkretisiert sich Rom. 11,32 und wird die Gnade Gottes in ihrer Radikalität sichtbar: ei δέ χάριτι, ούκέτι έξ έργων, έπεί ή χάρις οϋκέτι γίνεται χάρις (Röm. 11,6) 2 . - Weil 1 Exemplarisch geschieht dies in dem Exkurs zum Glaubensbegrifi von O. K u s s , Römer S. 131 ff.; oflen (vgl. die Auseinandersetzung BULTMANNS mit MUNDLE, Theol. 3 S.283f.,Art. π ί σ τ ί ΐ S. 221,17ft.) aber auch in protestantischen Darstellungen des Glaubensbegriffes. Erst jetzt schreibt O. KÜSTER in seinen Theologischen Essays: „glauben müssen?", Stuttgart 1963, S. 163: „Vor keiner Besinnung bestehen kann das bei uns landläufige protestantische Predigen, das ratlos lassend pendelt zwischen der Versicherung, für den Menschen hänge alles davon ab, daß er glaube, und der Beteuerung, er könne nichts dazu tun. Nein, der Glaube ist des Menschen Sache. In seiner deformierten Lehrgestalt läßt sich das freilich nicht im Ernst von ihm sagen. Aber in seiner wahren Gestalt ist er wirklich 'theologische Tugend'. Ich, ungedeutelt ich, soll glauben, woraus folgt, daß ich das Zugemutete auch kann und etwas dafür kann, wenn ich versage ... Erst im genus dicendi des Dankgebets darf der geschuldet gewesene Glaube ganz als Geschenk figurieren" (Hervorhebung bei K.). 2 Die besten Darstellungen des paulinischen Glaubensbegriffes, die wir besitzen, von A . SCHLATTER (Glaube 4 S. 323-418) und R . BULTMANN (Theol. 3 S. 315-351 und Art. π ί σ τ ί ΐ im T h W b S. 218-224) bringen gerade den für Paulus entscheidenden Gabecharakter des Glaubens m . E . nicht deutlich genug zum Ausdruck. Wenn SCHLATTER seine Darstellung an der Frage nach dem Werk des Glaubens, BULTMANN aber am Problem der Entscheidung orientiert, so sind beide noch einer idealistischen Ethik und Anthropologie verhaftet. Daß beide das von uns herausgestellte Moment sehen, zeigen folgende Zitate. SCHLATTER schreibt: „Mit dem Glauben erkennen und empfangen wir Gottes Werk und dieses überragt alles, was wir t u n " (a.a.O. S. 340), oder: „ . . . der Glaube ist Jesu Werk in uns" (S. 382). BULTMANN sagt: Paulus kann „sagen, daß der Glaube an Christus 'geschenkt wird' (Phl. 1,29). Ja, er kann geradezu prädestinatianisch reden (Rm. 8,29; 9,6-29). Nimmt man solche Sätze ... im Wortsinne, so eröffnet sich ein unlösbarer Widerspruch; denn ein Glaube, der von Gott außerhalb der Entscheidung des Menschen gewirkt ist, wäre offenbar kein echter Gehorsam. Gottgewirkt ist der Glaube insofern, als die zuvorkommende Gnade die menschliche Entscheidung erst ermöglicht hat, so daß sich diese selbst nur als Geschenk Gottes verstehen kann, ohne um deswillen ihren Entscheidungscharakter zu verlieren. Nur so hat ja auch der Imp. καταλλάγητε τ φ SeÇ> (2.Kr. 5,20 ...) Sinn. In den prädestinatianischen Sätzen

Röm. 1,17

83

aber der Glaube seine Wirklichkeit erst im Wort und noch nicht in der überwältigenden Konkretion des neuen schöpferischen Handelns Gottes hat, stellt Paulus neben den Glauben (trotz i . K o r . 13,13) die Hoffnung auf die Erfüllung von Gottes Ansage und das Schauen als das Ziel (2. Kor. 5,7). Auch der Glaube, und damit die Existenz in Gottes Wort, hat also etwas Vorläufiges. Die Freiheit des Glaubens, welche die Freiheit des Herrn selber und darum wieder von Gottes Geist getragen ist (2. Kor. 5,17), muß darum heute noch gegen die Mächte und Gewalten dieser Welt verteidigt werden. Erst wenn Gott alles in allem ist (i.Kor. 15,28b), hat auch dieser Kampf ein Ende und ist der Glaube am Ziel. Der Glaube ist also die Weise, in welcher sich der Schöpfer heute an den Seinen als Gott des Wortes wirksam erweist. Ist dem so, dann hat SCHLATTER recht, wenn er z. St. betont: „Bei Paulus entsteht Gottes Werk aus Gottes Werk" und dann ist έκ π ί σ τ ε ω ς είς π ί σ τ ι ν keine „Steigerungsformel" (so Kuss z. St.), sondern Bezeichnung für die Dimension der neuen Welt, die zu schaffen Gott begonnen hat. In ihrem Bereich tritt Gottes δικαιοσύνη rettend in Erscheinung. Paulus belegt dies mit einem Schriftzitat, Hab. 2,4b. Ob Paulus das von C* nachgetragene μου der L X X mit Bedacht ausgelassen hat oder nicht, läßt sich nicht genau ausmachen. Die Wendung des Paulus zum christlichen Glauben daran zu illustrieren, daß man ihn vor der Bekehrung ό 5έ δίκαιος - έκ πίστεως ζήσεται lesen und nach der Bekehrung ó δέ δίκαιος έκ πίστεως - ζήσεται verstehen lassen möchte 1 , ist nach dem Urtext nicht erforderlich8 und wird von SCHLATTER und MICHEL Z. St. mit guten Gründen bestritten ! Paulus hätte ein neues Verständnis der Stelle sehr wohl sprachlich zum Ausdruck bringen können. Wenn er den Glauben als Gottes Werk verstanden hat, war eine Änderung der Belegstelle überflüssig*. Röm. 1,17 besagt dann für unseren Begriff, daß δικαιοσύνη Seου Gottes eigene, im Evangelium durch die Welt ziehende Schöpfermacht ist, welche kommt aber die Tatsache zum Ausdruck, daß der Entschluß des Glaubens nicht wie andere Entschlüsse auf irgendwelche innerweltliche Motive zurückgeht, daß diese vielmehr angesichts der Begegnung des Kerygmas alle Motivationskraft verlieren; d.h. zugleich, daß sich der Glaube nicht auf sich selbst berufen kann" (Theol.3 S. 330f.). Der Artikel: Glaube im NT von H. BRAUN, R G G 3 II 1590-1597 stellt die Gabe-Dimension theologisch eindeutig heraus. Der Glaube, sagt BRAUN, „ist freilich nur von Gott her möglich. Er lebt so sehr von der Verkündigung des Christusgeschehens (Röm. 10,17; i.Thess. 2,13), daß als Gegensatz zu den Werken die Glauben fordernde und weckende Predigt (Gal. 3,2.5), als Gegensatz zum Ungehorsam der Empfang der Erbarmung Gottes (Röm. 11,30-32) genannt, daß das 'aus dem Glauben' mit 'gemäß der Gnade' kommentiert werden kann (Röm. 4,16)" (a.a.O. 1595). Ebenso deutlich E. JÜNGEL, Paulus und Jesus, S. 4 3 I : „ D a aber der Glaube kein Organ des Menschen ist, sondern vielmehr mit Jesus Christus zu den Menschen kommt (Gal. 3,23 u. 25), ist der Glaube als die den Menschen auf Jesus Christus einstellende Gabe der das rechtfertigende Verhältnis Gottes zum Menschen gewährende Grund der δικαιοσύνη Seoü. Der Glaube läßt die δικαιοσύνη Ssoö so sprechen, daß der Mensch ihr entspricht" (Hervorhebungen bei J.). Vgl. auch NEUGEBAUER, In Christus, S. 162 ff. 1

S o u . a . LIETZMANN Z. S t . u n d J . JEREMIAS, P a u l a n d J a m e s , E T 66 (1954/55) S. 369.

2

V g l . K . ELLIGER, A T D 25 z u H a b .

2,4.

A. STROBEL hat in seiner Habilitationsschrift „Untersuchungen zum eschatologischen Verzögerungsproblem auf Grund der spätjüdisch-urchristlichen Geschichte von Habakuk 2,2ff." (Suppl. to Nov. Test. II) Leiden/Köln 1961 zu erweisen versucht, daß auch Paulus hier in einem festen Überlieferungszusammenhang stehe, welcher ihn 3



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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

Glauben-stiftend die neue Welt Gottes heraufführt. Die Endereignisse sind im Gang. Gottes neuschaffende Rechtsmanifestation ist in die alte Welt eingebrochen und beginnt ihren Siegeszug. Die Frage der Christologie, welche für 2. Kor. 5,21 so konstitutiv war, tritt hier ganz zurück. Daß aber auch die forensische Vorstellungswelt zur Deutung unseres Verses nicht völlig ausreichend ist, beweist der einfache Tatbestand, daß Paulus zunächst von der schöpferischen Manifestation der Gerechtigkeit Gottes im Evangelium spricht und erst a. Hd. dieses Gedankenganges aufzeigt, daß sich an Gottes Gerechtigkeit auch das Gericht entzündet. Wieder ist also δικαιοσύνη 3εο0 wohl auf das Forum Gottes und der Welt bezogen, geht aber darin nicht auf : Wenn Paulus „die eschatologischen Termini όργή 3εο0 und άττοκαλύτττεσ3αι verwendet und i,i8 mit 1,17 so eng verbindet, so heißt das offensichtlich, daß erst im Zeichen des Evangeliums die verlorene Welt in das Licht des εσχατον gerückt ist" 1 . Nur am Einbruch der neuen Welt Gottes unter der Signatur der δικαιοσύνη SeoO wird also deutlich, in welcher Verfallenheit die Alte Welt steht und daß diese Verfallenheit Gericht Gottes bzw. όργή Seoö bedeutet. Es wäre griechisch gedacht, wollte man dieses Gericht auf Gottes Gerechtigkeit zurückführen, όργή Seoö ist aber, wie die Antithetik von V. 17 und 18 deutlich zeigt, Gegensatzbegriff zu Gottes δικαιοσύνη ; man könnte vielleicht sagen: deren Kehrseite. Es ist ein und derselbe Gott, welcher die Welten auseinandertreten läßt : den alten Äon unter dem Verhängnis seiner όργή und den neuen, erst im Wort erscheinenden Äon unter der Segensmacht seiner δικαιοσύνη. War δικαιοσύνη SeoQ nach 2. Kor. 5,21 Signatur der paulinischen Ekklesiologie, so wird man nach Rom. 1,17t sagen müssen, Gerechtigkeit Gottes sei der Oberbegriff auch der paulinischen Eschatologie. Diese These wird bestärkt durch III. Rom. 3,4f. Der Kontext ist beherrscht von folgenden Fragen : Wie steht es mit Israel angesichts der notae des geistlichen Israeliten (Rom. 2,28f.)? Wie verhält sich Gott seinem bundbrüchigen Bundespartner gegenüber? Ist bei der herrlichen Größe Gottes ein Gericht über die Menschen überhaupt gerechtfertigt? Der Text 3,1 ff. beantwortet diese miteinander verschlungenen Fragen nacheinander. bei Hab. 2,4 zugleich den alttestamentlichen Kontext der Stelle und damit das eschatologische Zeitproblem überhaupt ins Auge fassen lasse. Paulus hat nach STROBEL Röm. 1,17 also die Parusieverzögerung im Auge, meint mit den κατέχοντε; V . i8 Leute, welche die Parusie durch ihren verworfenen Wandel aufhalten, und versteht unter δικαιοσύνη SeoO messianisch Christus und sein Werk. S T R O B E L kann, wie er selbst S. 189 schreibt, diese Zusammenhänge bei Paulus nur „zwischen den Zeilen" aufweisen. Im Text finde ich sie nicht. 1 G. BORNKAMM, Die Offenbarung des Zornes Gottes. Röm. 1-3, Das Ende des Gesetzes (Ges. Aufs. I), B E v T h 16, München 2. Aufl. 1958, S. 3 1 .

Rom. 3,4 f.

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V. i fragt nach der heilsgeschichtlichen Besonderheit des beschnittenen, also zu Gottes Bundesvolk gehörigen Juden gegenüber dem Heiden. V. 2 antwortet: diese Besonderheit besteht darin, daß der Jude Gottes Vertrauter wurde, indem Gott ihm sein Bundesrecht auferlegte und kundtat. Der hellenistische und in die Septuaginta übergegangene Ausdruck: τα λόγια του SeoO scheint τά δικαιώματα του νόμου von 2,26 wiederaufzunehmen und also wie Dt. 33,9; Ps. 106,11 (LXX) und Ps. 18 (LXX passim, hier wechseln τά λόγιά σου, bzw. der Singular, ständig mit τά δικαιώματά σου etc.) das Bundesrecht in Gestalt der Gebote Gottes zu meinen. Paulus wählt den Ausdruck τά λόγια του Ssoö, um, ähnlich wie Rom. 9,4f., den Verheißungscharakter dieses Gottesrechtes mit zum Ausdruck zu bringen, ή ιτίστις του 3εο0 ist dann in V. 3 eindeutig die Bundestreue Gottes, ή οπτιστία die Untreue oder Bundbrüchigkeit der Juden. V. 3 fragt also, ob die Tatsache des Bundesbruches von seiten einiger Juden (die Bekehrung Israels ist nach Paulus noch nicht gänzlich gescheitert, insofern ist die Einschränkung: τίνες ein Vorausblick auf Rom. 11,25fï.) Gottes Bundestreue ihrerseits null und nichtig mache. V. 4 weist diesen Gedanken scharf ab : Gerade daran, daß Gott sich weiterhin an seinen Bund hält, wird deutlich, daß Gott allein verläßlich (άλη3ής), die Menschen aber durchweg unverläßlich (ψευσταί) sind. Dieser in der Sprache von Ps. 116,11 formulierte Sachverhalt wird erhärtet durch den Schriftbeweis aus Ps. 51,6. Ps. 51,6 gehört, wie MICHEL Z. St. zeigt, in die jüdische Bußsprache. Es schwebt hier eine Gerichtsszene vor, in welcher Gott zugleich als Ankläger und Richter auftritt, weil das von ihm souverän erlassene Bundesrecht gebrochen und er deshalb Richter und verletzte Rechtspartei in einer Gestalt ist. Das Psalmwort ist ein Ausschnitt aus einer Exhomologese, und der Horizont, in dem Paulus argumentiert, ist die bekannte Vorstellung vom Rechtsstreit Gottes mit der Welt, insonderheit mit seinem direkten Bundespartner Israel. In diesem Prozeß muß der Angeklagte Gott recht geben (όπως αν δικαιω3ης), undGott selbst trägt als die lautere Rechtspartei den Sieg davon. Daß Paulus tatsächlich an das eschatologische Gericht denkt, zeigen die Verse 5 ff. Dem alttestamentlich-jüdischen Prozeßdenken entsprechend, wird das Verhalten der bundbrüchigen Rechtspartei, also der Menschen, bezeichnet mit αδικία = Unrecht, im Sinne von offenbarer Rechtsbeugung. Das Verhalten der bundestreuen zweiten Partei, also der Partei Gottes, mit δικαιοσύνη (SsoO) = Recht, im Sinne von Einhaltung des Bundesrechtes. Gottes Vertragstreue wird im Gericht als makellos erwiesen (V. 5 a), ist dies nicht genug? Ist Gott dann nicht seinerseits rechtsbrüchig, wenn er nun noch den bundbrüchigen Partner gerichtlich straft (V. 5 b)? Das wäre allzu menschlich gedacht (κατά àvSpcoTTOV λέγω) ! Ehe wir zu V. 6 übergehen, möchten wir ausdrücklich betonen, daß in V. 5 (ebenso wie Rom. 1,17/1,18) οργή 3εου und δικαιοσύνη 5εου im Gegensatz zueinander stehen, όργη 3εοϋ ist die strafende Macht im Gericht, δικαιοσύνη Seoö das von Gott gewahrte Recht, an das sich Gott,

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

trotz des menschlichen Bundesbraches, bisher gehalten hat und noch halten wird, δικαιοσύνη Seoö ist an unserer Stelle also keineswegs, wie fast allgemein angenommen wird1, Gottes richterliche iustitia distributiva und auch nicht, wie CHR. MÜLLER meint, der οργή Seoö nahe benachbart*, sondern Gottes δικαιοσύνη ist seine bisher über Israel waltende und fortan Israels Hoffnung begründende Treue zu dem von ihm einmal verkündeten (und in Christus verifizierten) Bundesrecht und Bund. Dieses Verständnis von δικαιοσύνη 3εοϋ ist nur dann „kein typisch jüdischer Gedanke" (KÜSS z. St.), wenn man unter „Judentum" einseitig das späte Rabbinat versteht. Der Gedanke ist aber genau der, der von den Bußgebeten in Dan. g und Neh. 9 an das gesamte apokalyptische Judentum bis hin zu 4 QBt 3 durchzieht, und es ist offensichtlich, daß Paulus in dieser apokalyptischen Tradition steht. Daß wir richtig interpretieren, zeigen V. 6 ff. Wie es das höchste Prädikat des alttestamentlichen Richters ist, daß er nöXl pIX walten läßt, so nimmt Paulus den term, δικαιοσύνη Ssoö auf durch den gleichsinnigen Begriff άλήάίΐα τ ο υ 3εοϋ. Was ψευσμα ist, hat schon V. 4 gesagt : die Unverläßlichkeit in Rechtsdingen. Das ιτερισσεύειν εις την δόξαν αύτου entspricht einem δοξασ3ήναι und meint, wie δικαιοϋσβαι V. 4, die Verherrlichung des Richtergottes im Prozeß, auf dessen Treue absoluter Verlaß ist. Auch diese Parallelität von δοξασ3ήναι und δικαιοΟσθαι Gottes im eschatologischen Prozeß ist ein aus der jüdischen Exhomologese vertrauter Tatbestand 3 . Paulus weist den Gedanken von V. 5 b also zurück: Gott ist ein absolut vertragstreuer und zudem verläßlicher Richter. Das Walten seiner όργή tastet Gottes Recht nicht an, sondern zeigt nur, wie wenig der Weltenrichter mit sich spaßen läßt. - Wir können hier abbrechen, denn es ist deutlich geworden, was δικαιοσύνη Ssoö an unserer Stelle bedeutet, δικαιοσύνη 3εοϋ steht in Parallele zu ττίστις Seo¡3 und άλή3εια ·9εοϋ und meint Gottes eigenes, im Rechtsstreit bestätigtes, verläßliches Festhalten an seinem Recht.

I V . Rom. 3 , 2 1 - 2 6 Die Verse 21-26 zeigen die eschatologische Kehrseite von 1,18-3,20 auf. vuvi δέ bezeichnet diese Kehre. Iv τ ω vöv καιρώ V. 26 unterstreicht sie aufs neue. Während Rom. 1,17t. an der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes auch die Radikalität des Gotteszornes offenbar wurde (1,18ff.), verläuft die Antithetik nun genau umgekehrt: Der Verfallenheit aller Welt an die αμαρτία und damit unter Gottes οργή, steht das Aufdringen der rettenden Gerechtigkeit Gottes ohne das den Sünder verdammende Gesetz gegenüber. Das verdammende Gesetz und die heilschaffende Schöpfertreue haben nur insofern etwas gemeinsam, als dieses Gesetz dem Kommen des heilenden Got1

2

V g l . z . B . BULTMANN, T h e o l . 3 S . 2 8 8 u n d LIETZMANN Z. S t .

Gerechtigkeit S. 1 1 2 .

3

Vgl. S. 196I.

Rom. 3,21-26

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tes den Weg bereitet (vgl. Gal. 3,24), ihm also dienen muß. Daß Gottes eigentlicher Wille die sich mitteilende Treue des Schöpfers ist, bezeugt rechtskräftig 1 die ganze Schrift des Alten Testaments, oder wie Paulus hier jüdisch sagt, bezeugen Gesetz und Propheten. Paulus ist also, trotz seiner eschatologischen Kampfansage gegen die Mosestora, nicht willens, den Juden das Alte Testament zu überlassen, ja er meint sogar, daß auch die Tora für die paulinisch verstandene Gerechtigkeit Gottes zeugt (vgl. 3,31 ; Kap. 4 passim; 7,7ff. usw.). Die hier zutage tretende Gesetzesdialektik des Paulus ist für sein Gottes- und Gerechtigkeitsverständnis konstitutiv. Sie besagt, daß Gott zu allen Zeiten der heilschaffende Gott war, als der er sich heute (vuvi δέ) in Christus offenbart (s.u. zu Rom. 10,3). V. 22a nimmt den Hauptbegriff von V. 21 exegesierend2 wieder auf. διά πίστεως Ί η σ ο υ ΧριστοΟ bestimmt δικαιοσύνη SeoO näher. Gottes Gerechtigkeit teilt sich kraft des Glaubens an Jesus Christus allen zum Glauben berufenen und sich in diesen Ruf schickenden Menschen mit. V. 22 a zeigt also, wie 1,17 τταντί τ ω πιστεύοντι, den Universalismus der paulinischen Gerechtigkeitskonzeption. Gottes Gerechtigkeit ist auch hier, wie der Wechsel von V. 20 und V. 21 zeigt, wie 2. Kor. 5,21 bereits vermuten ließ und Rom. 1,17 und 3,5 nahelegen, die sich schenkende, weltumspannende Heilsmacht Gottes. Nur wenn man so interpretiert, δικαιοσύνη SeoO also bei Gott beläßt, aber zugleich als Heilsbereich auffaßt, bleiben V. 22b.23 verständlich. Im Rückgriff auf 3,9-20 wird hier die Straffälligkeit aller Welt betont. Die Menschheit ist von Gottes paradiesischer Welt ausgeschlossen - nichts anderes besagt ύστεροϋνται τ η ς δόξης TOÖ Saoö. Paulus bezieht sich hier auf jüdische Tradition, nach welcher mit dem Sündenfall den Menschen die als δόξα vorgestellte Gottebenbildlichkeit verloren gegangen ist 3 . Vit. Ad. 20f. zeigt, daß diese δόξα auch mit δικαιοσύνη gleichgesetzt werden konnte und daß die menschliche δόξα Gabe und Entsprechung der δόξα T O Ö S S O Ö ist4. Paulus verknüpft also keineswegs heterogene Theologumena miteinander, sondern bedient sich apokalyptischer Tradition, um Gottes δικαιοσύνη als Schöpfermacht Gottes herauszustellen. An der Manifestation der rettenden Schöpfermacht ( = δι1 MÜLLER versteht a.a.O. S. 67. das μαρτυρείυ als Zeugenaussage im eschatologischen Rechtsstreit. Deutlich ist jedenfalls das Moment des verbindlichen Zeugnisses (vgl. ι.Kor. 15,15; Gal. 5,3). 2 6é heißt hier nicht „aber" (Kuss), sondern „und zwar". 3 Vgl. H . KITTEL, Die Herrlichkeit Gottes, B Z N W 16, Berlin 1934, S. 192; J. JERVELL. Imago Dei. Gen. τ,26t. im Spätjudentum, in der Gnosis und in den paulinischen Briefen, F R L A N T 76, Göttingen i960, S. i8ofl., 330; LIETZMANN und MICHEL z. St. 4 E v a spricht (zur Schlange) : „und zur selbigen Stunde wurden mir die Augen aufgetan, und ich erkannte, daß ich entblößt war von der Gerechtigkeit, mit der ich bekleidet gewesen. Da weinte ich und sprach : Warum hast du mir das angetan, daß ich entfremdet ward von meiner Herrlichkeit, mit der ich bekleidet war?". Adam aber antwortet, nachdem ihn E v a zum Essen der Frucht überredet hat: „Du böses Weib, was hast du uns da angerichtet. Entfremdet hast du mich von der Herrlichkeit Gottes!" (Übersetzung nach C. FUCHS bei KAUTZSCH, Apokryphen II S. 522).

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καιοσύνη ·9εου) V. 22 wird offenbar, daß die Menschheit aus dem geschöpflichen Stande herausgefallen, der Sünde und dem Gotteszorn verfallen ist, also aus eigenem Vermögen nie wieder zu Gott gelangen kann. V. 24-26 proklamieren angesichts solcher Verlassenheit das neue Kommen Gottes zu seiner Kreatur und den Anbrach der neuen Gotteswelt im rettenden Opfer des Christus. Paulus legt seiner Aussage ein Stück vorpaulinischer, judenchristlicher Abendmahlstradition zugrunde, die er durch eigene Zusätze (um)interpretiert1. Paulinische Zusätze sind : δωρεάν τ η αύτοΟ χάριτι (V. 24), διά πίστεως (V. 25) und V. 26b von προς τήν ενδειξιν an2. Für das liturgische Zitat besteht die Rechtfertigung in der durch das Christusopfer gestifteten Erlösung (απολύτρωση ist Rechtsterminus!). V. 25 schildert den Sachverhalt dieser von Gott gestifteten α π ο λ ύ τ ρ ω σ η eingehender. προτί·9εσ3αι meint öffentlich hinstellen®, ίλαστήριον ist das Sühnemittel4. Gott selbst hat den Christus als das erlösende Sühnopfer dargebracht. Charakteristisch ist, daß die urchristliche Tradition (und ebenso auch Paulus!) auf den Adressaten dieses Opfers nicht reflektiert, sondern daß sie in dem sühnenden Opferakt nur den die Versöhnung stiftenden Gott auf die Gemeinde zukommen sieht. „Nicht das Problem der Theodizee wird hier berührt, es wird erst recht nicht darüber reflektiert, ob der zornige Gott des Sühnopfers Christi bedurfte, um wieder gnädig zu sein. Solche Erwägungen liegen ganz fern. Es wird hier vielmehr ausschließlich gesagt, was Gott getan hat. Er selbst ist es, der Christus öffentlich hinstellte als ίλαστήριον, das kraft des vergossenen Blutes wirksam ist." 5 Der Text reflektiert also gerade nicht, wie Anselm, auf die verletzte Rechtsfähigkeit des Bundesgottes 6 ! εν τ ω αύτου αϊματι bezeichnet das sühnende Medium. Daß hier urchrist1 Vgl. R . BULTMANN, Theol. 3 S. 49 und E . KÄSEMANN, Zum Verständnis von Rom. 3,24-26, Exeget. Versuche u. Besinnungen I, Göttingen i960, S. 96-100. 2 V . 2 ö b scheint im Rückgriff auf Traditionsgut von Paulus selbst mit einer von ihm geschätzten Infinitivkonstruktion (vgl. BLASS-DEBRUNNER, § 402,2) formuliert zu sein. * W. G. KÜMMEL, Πάρεσις und 5νδειξι;. Ein Beitrag zum Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre, Z T h K 49 (1952) S. 159. 4 KÜMMEL a . a . O . S. 160, KÄSEMANN a . a . O . S. 99, E . LOHSE, Märtyrer und Gottesknecht. Untersuchungen zur urchristlichen Verkündigung vom Sühntod Jesu Christi, F R L A N T 64, Göttingen 1955, S. 150g. 6 LOHSE a . a . O . S. 150. Ursprünglich steht hinter dem Opfer der Gedanke, daß der durch die menschliche Übertretung aus den Fugen geratenen Welt neue, heilende K r a f t zugeführt werden müsse (vgl. v . RAD, Theol. I S. 26ifí.), aber bereits auf dieser alttestamentlichen Stufe „ist nicht Jahwe der Empfänger der Sühne, sondern Israel; vielmehr (ist) Jahwe der Handelnde, indem er den Unheilsbann von der belasteten Gemeinschaft abwendet" (v. RAD a . a . O . S. 269, vgl. auch KL. KOCH, Art. Versöhnung im A T , R G G 3 V I 1370). Das Spätjudentum (und mit ihm die urchristliche Tradition!) übernehmen den Sühne- und Sühnopfergedanken weithin unreflektiert (vgl. LOHSE, a.a.O S. 2of.), aber auch hier bleibt es feststehende Überzeugung, daß es Gottes Gnade ist, welche die Möglichkeit der Sühne in und außerhalb des Kultes gewährt (vgl. LOHSE, a.a.O. S. i g f . u. passim). • KÜMMEL weist a . a . O . S. 166 mit Recht darauf hin, daß die Anselmsche Satisfaktionstheorie an unserem T e x t keinen Anhalt hat. Das sieht freilich nur der, der δικαιοσύνη 3εοΰ spätjüdisch-apokalyptisch faßt und nicht im Sinne griechischen Rechtsdenkens. So jetzt wieder KL. WEGENAST in seiner Dissertation über „ D a s Ver-

Rom. 3,21-26

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liehe Abendmahlssprache vorliegt, ist anzunehmen, ενδειξις meint die eschatologische Manifestation, ττάρεσις ist der Straf- bzw. Schulderlaß1. Iv τη άνοχη του Seoö wird man, um der Wortstellung willen, auf των προγεyovÓTCov αμαρτημάτων zu beziehen haben2. Man übersetzt V. 25b also am besten: „Zum Erweis seiner Bundestreue kraft des Erlasses der Sünden, welche zuvor zur Zeit der Geduld Gottes begangen wurden." Die Tradition von V. 24 f. ist mit dem gesamten Judenchristentum demnach der Meinung, Gottes rechtfertigende Vergebung konstituiere den alten Bund neu und vergebe damit g leichzeitig die vor der Taufe begangenen Sünden, δικαιοσύνη SeoO ist also V. 25 eindeutig die Vergebung schaffende Bundestreue Gottes. Daß es sich bei dem Akt der Heilsbereitung um einen Rechtsakt handelt, zeigt die besprochene Terminologie. Das Rechtsdenken ist von der Bundesvorstellung her ja auch angemessen. Die Terminologie zeigt ferner, daß V. 24f. ursprünglich in einer hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde formuliert worden sein müssen3. Paulus selbst genügt das Rechtfertigungsverständnis dieser Gemeinde nicht mehr. Ihm geht es, wie die apokalyptische Einleitung V. 23 zeigt, um das Heil der aus Adams Stand gefallenen Welt und nicht nur um die Restituierung des alten Bundes. Deshalb setzt er in V. 24, überaus charakteristisch, hinzu : δωρεάν TÍJ αύτοΟ χάριτι. Damit ist der gnädige, heilschaffende Charakter der άττολύτρωσις noch unterstrichen, denn unter χάρις versteht Paulus die machtvolle und zugleich in Dienst stellende, gütige Zuwendung Gottes zu seiner Welt und seinem Volk4. Wichtig ist aber auch, daß Paulus ständnis der Tradition bei Paulus und in den Deuteropaulinen", WMANT 8, Neukirchen 1962, S. 76 u. S. 82. Dagegen auch E. JÜNGEL, Paulus und Jesus, S. 44 Anm. 2 und R. GYLLENBERG, Art. Versöhnung im NT, RGG 3 V I 1372. 1 K Ü M M E L , a.a.O. S. 158. 2 So mit K Ü M M E L , a.a.O. gg. E. K Ä S E M A N N , der a.a.O. S. 98 ένRRJ άνοχη TOÖSSOO auf πάρεσις beziehen möchte. 3 Daß wir mit einem frühen hellenistischen Judenchristentum rechnen dürfen und rechnen müssen, hat F. H A H N , Hoheitstitel S. i i f . u. passim eindeutig gezeigt. 1 Paulus hat durch den Begriff χάρΐΐ den im Spätjudentum und in der Septuaginta das Verhalten Gottes beschreibenden Begriff ?λεο; ( = ΤΟΠ z.T. auch Π'ΒΓΠ) bis auf die traditionellen Stellen Röm. 9,23; 11,31; 15,9 und Gal. 6,16 bewußt ersetzt. Aus dem jüdischen Grußwort XO^Bft ΧΟΠΊ = ελεο; καΐ εΙρήνη (Gal. 6,16) schafft ersieh mit diesem Ersatz eine eigenständige, augenscheinlich liturgisch gemeinte Eingangsformel für seine Briefe (vgl. LIETZMANN, Exkurs zu Röm. 1,1 und SCHLIER, Gai. 12 S . 3of.). Röm. 3,24! interpretiert der Zusatz δωρεάν τη αύτοΟ χάριτι die Rechtfertigungslehre der vorpaulinischen Tradition. 2. Kor. 8,9 und Röm. 5,15 beweisen ihrerseits, daß die Rechtfertigungslehre der Kristallisationskern der χάρΐΐ-Aussagen bei Paulus ist und damit auch die paulinische Sicht vom χάρισμα bestimmt. Unter diesem, von Paulus selbst zur Bezeichnung der individuellen Indienstnahme der Glaubenden durch Gottes Gnade in die theologische Sprache eingeführten Begriff (vgl. E. K Ä S E M A N N , Amt und Gemeinde im Neuen Testament, Ex. Vers. I S. 110 Anm. 2) versteht Paulus ontologisch eine φανέρωσι; τοΟ πνεύματος (ι. Kor. 12,7). Er kann dies, weil auch der Begriff χάρις für ihn durchweg dynamischen Charakter hat (vgl. nur 2.Kor. 12,6-9). Gottes χάρΐξ ist Gottes eigene, sich im Werk des Apostels und seinem Dienst Ausdruck schaffende Macht (vgl. i.Kor. 15,20; Röm. 1,5; 12,3; 1. Kor. 3,10; Gal. 2,81). Sie begründet in der Gemeinde die konkreten Dienste (Röm. 12,6; i.Kor. i2,4ff.) und das Werk der

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

durch diesen Zusatz die ενδειξις der Gottesgerechtigkeit eindeutig als Heilsgeschehen sehen lehrt. Die δικαιοσύνη SeoG wird eben als χάρις offenbar, und zwar nicht nur im Rahmen des restituierten Bundes, sondern διά πίστεως V. 25, also allen Menschen gegenüber, die sich Gott unterwerfen (vgl. V. 22). Von Gottes άνοχή spricht Paulus selbst nur noch Rom. 2,4. Für ihn gilt ja durchweg, daß die Welt unter dem verdammenden Gotteszorn schmachtet. Nur wo Gott selbst neu hervortritt, wird dem Gericht der όργή Seoö Einhalt geboten. Paulus fügt dem alten Abendmahlstext deshalb die Worte hinzu: „(d.h.) zum Erweis seiner δικαιοσύνη im gegenwärtigen (eschatologischen) Zeitpunkt, auf daß er selbst in seinem Recht bestätigt werde und (daraufhin) dem zum Recht verhelfe, der des Glaubens an Jesus ist". Gottes Werk betrifft also die Welt, und dies zum Ausdruck zu bringen, ist der Sinn der paulinischen Interpretamente. Was aber meint δικαιοσύνη SsoO in V. 26? Daß Paulus darunter ein Heilsgeschehen versteht, zeigte bereits die Gleichsetzung von δικαιοσύνη 3εο0 mit χάρις V. 24f. Wenn aber Paulus Gott und Welt und nicht mehr nur Gott und Bund einander zuordnet, so kann δικαιοσύνη άεου für ihn nicht mehr nur Bundestreue heißen, wie V. 25, sondern muß die Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung, wohlgemerkt: als Rechtsereignis!, meinen. Daß man so interpretieren muß, zeigt V. 26b. Hier geht es ja erneut um den Erweis der Gerechtigkeit Gottes, wie es Rom. 3,5 darum ging, daß Gottes verläßliche Rechtstreue im Prozeß festgestellt werde. Es liegt nahe, hier denselben Horizont anzunehmen : Gottes gnadenvolles Handeln erweist ihn im Rechtsstreit mit der Welt als den verläßlichen Wahrer des einmal erlassenen Treuerechtes, und als der, der in seiner Rechtlichkeit öffentlich anerkannt wird, kann er nun auch dem Christen im Alltag der Welt (i. Kor. 7,7.17). Mit Hilfe der Wortgruppe χ ά ρ ι ; usw. gelingt Paulus also eine Verbindung von Rechtfertigung und Ethik. Gottes X«5tpts wird so zur Manifestationsweise seiner δικαιοσύνη. - Von hier aus erklärt sich nun auch, warum Paulus έλεος durch χ ά ρ ι ; ersetzt: Wie die Qumrantexte besonders klar zeigen, war Paulus die Verbindung von Rechtfertigung, Geistbegriff und Indienstnahme durch Gott bereits vorgegeben. Die entscheidenden religionsgeschichtlichen Parallelen zur Rechtfertigung aus Gnaden führen diese Rechtfertigung auf Gottes Erbarmen zurück : 4.Esra 8,3I£E.; 1 QS I I , i 2 f . usw. Vom griechischen Äquivalent für Erbarmen: ΙλΕο; her ließen sich aber Geist, Rechtfertigung und Indienstnahme strukturell nicht verbinden! Spricht man von Gottes ίλβος, so bleiben nur drei nebeneinanderstehende Aussagenkomplexe. Die vorpaulinische, christliche Gemeinde scheint die Rechtfertigungsaussagen genau in dieser Weise neben andere Theologumena gestellt zu haben (vgl. Rom. 3,24t. ; Tit. 3,5 [?]). Paulus selbst aber liegt alles daran, Taufe (Geistmitteilung), Rechtfertigung und Indienstnahme durch Gott miteinander zu verknüpfen. Seiner hellenistischen Provenienz nach war der Charisbegriff, der dem Judentum einschließlich der Septuaginta so gut wie unbekannt war (vgl. G. P. W E T T E R , Charis. Ein Beitrag zur Geschichte des ältesten Christentums, UNT 5, Leipzig 1913, S. 6f.), hervorragend zur Einung der genannten theologischen Komplexe geeignet. Vgl. die schlagenden Parallelen zum paulinischen )(ápi$-Gebrauch Corp. Herrn. I 32 (s. W E T T E R , a.a.O. S. 126 und W . B A U E R , Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin 5. Aufl. 1958,1736) und Gr. Pariser Zauberpapyrus Z. 3 1 6 5 s . (s. W E T T E R , a.a.O. S. 127 und B A U E R , a.a.O.).

Rom. xo,3

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Gläubigen Recht-stiftend gegenübertreten1, δικαιοσύνη Seoö bezeichnet also in dem ganzen Abschnitt Rom. 3,21-26 wieder nur Gottes eigenes, heilstiftendes Recht, Gottes weltweite Schöpfertreue. Man mag zum Abschluß fragen, weshalb Paulus bei seinen weitreichenden Korrekturen die Abendmahlstradition überhaupt zitiert, und muß dann antworten : um der Christologie willen2. Christologie läßt sich für Paulus nur dort treiben, wo in Christus der Repräsentant und das Werkzeug des seiner Schöpfung treuen Gottes gesehen und verehrt wird. Gerechtigkeit Gottes ist also der bestimmende Begriff auch für die paulinische Christologie und für diese wohl in erster Linie. Alle bisher gewonnenen Aspekte von δικαιοσύνη SeoO laufen Rom. 10,3 zusammen. V. Rom. 10,3 Rom. 10,3 gehört in den Zusammenhang, der von 9,30-10,17 reicht und das Kernstück der drei Kapitel Rom. 9-11 ausmacht. In diesen Kapiteln wird nochmals, und zwar schärfer als in Kapitel 3f., die Frage nach dem Verbleib Israels angesichts seiner Ablehnung der christologischen Manifestation der göttlichen Gerechtigkeit gestellt. In mehreren Anläufen erzielt Paulus folgende Antwort : Gott wird gerade um seiner Verheißungstreue willen sein Volk (in einer nur als Totenerweckung zu umschreibenden Weise) dem Christus zuführen. Rom. 9-11 kreisen also um das Thema der δικαιοσύνη SEOÖ, und diese wird verstanden als Manifestation der eschatologischen Schöpfermacht Gottes. Rom. 9 zeigt sich das Thema darin, daß in V. 12 Gottes erwählende πρό·9εσις bestimmt wird als die allem verdienstlichen Werk des Menschen entgegenstehende Wort - = Schöpfermacht (vgl. Rom. 4,17). Daß diese Macht in V. 19-21 mit der bekannten Tradition vom Töpfer präzisiert wird und sich nach V. 24 äußert in dem Schöpferruf an das neue Gottesvolk aus Juden und Heiden, zeigt dies ebenfalls. Paulus bedient 1 J. H . R O P E S übersetzt δίκαιον καΐ δικαιοΟντα treffend m i t „redeemer and justifier" (Righteousness S. 226). Die Stelle spricht tatsächlich, wie K . B A R T H ( K D XV 1, S . 593 u. S. 626) und im Anschluß an ihn H . D I E M (Christ, u. R e c h t f . S. 208 und Theol. I I I S. 33of.) betonen, v o n G o t t e s eigener Selbstrechtfertigung (im eschatologischen Prozeß). A b e r eben nur in einer Weise, daß G o t t sich in seinem seine W e l t befreienden R e c h t bestätigt ! G o t t bleibt also auch als Herr des Gerichtes seiner W e l t verbunden und auf ihr H e i l bedacht. G o t t und das H e i l seiner W e l t sind nach unserer Stelle gerade untrennbar. - Zur Übersetzung wäre zu bemerken, daß das α υ τ ό ν wie R o m . 1,20; 4 , 1 1 . 1 8 u.ö. nur zur Konstruktion gehört (vgl. B L A S S - D E B R U N N E R § 402,2), also u n betont ist. Folglich wird m a n zu übersetzen haben: „ A u f daß er gerecht sei und rechtfertige den, der des Glaubens an Jesus i s t " . 2 V g l . K L . W E G E N A S T , a . a . O . S. 79 z. S t . : „ D i e Tatsache, daß Paulus überhaupt an dieser und an anderen Stellen tradierte Bekenntnisse zitiert, zeigt uns wie R o m . 1 , 3 f . , daß er zumindest der A n s i c h t ist, daß es sich in diesen Bekenntnissen u m legitime Christusverkündigung handelt. A u s diesem Grunde kann er hier eine wohl judenchristliche Formel in Dienst nehmen, weil sie das Heilsereignis als durch Christi T o d begründete R e c h t f e r t i g u n g und damit im Sinne seines E v a n g e l i u m s beschrieb."

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

sich hier augenscheinlich der aus Rom. 8,290. bekannten Tauf- bzw. Rechtfertigungsterminologie. Daß Rom. 10 die Frage nach Gottes Gerechtigkeit im Mittelpunkt steht, ist jedermann einsichtig. Aber auch 11,5 f. sprechen die Sprache der Rechtfertigung, und das ölbaumgleichnis will wieder Gottes unbeschränkte Schöpfermacht illustrieren (V. 23 b). V. 32 aber ist der Zentralsatz des von Paulus wahrgenommenen und mitgeteilten eschatologischen μυστήριον über Gottes Geschichtswalten und zugleich die grundlegende Maxime für die gesamte paulinische Rechtfertigungslehre und Rechtfertigungstheologie : συνέκλεισεν y à p ó θεός τους πάντα ξ εις άπείάειαν ίνα τους πάντα s έλεήση. Innerhalb dieses großen Beweisganges soll der Abschnitt 9,30-10,17 Israel mit der eschatologischen Manifestation der δικαιοσύνη 3εο0 konfrontieren und die Homologie des Glaubens als eigentliches Werk des Glaubens, und damit Ziel der Schöpfung, herausstellen. 9,30-32 fragen, weshalb die Heiden in Gottes Rechtsbereich aufgenommen und die Juden aus ihm ausgeschlossen wurden. Bei der Antwort bedient sich Paulus wieder seiner Gesetzesdialektik. Gott selbst hat die Heiden berufen und durch den Glauben die Einkehr in den Bereich seiner Gerechtigkeit (d. h. in die neue Schöpfung) gewährt. Nichts anderes meint das exegesierende δικαιοσύνην δέ την Ικ πίστεως 1 . Israel aber hat, weil es sich nicht in Gottes Weg, den Glauben, zu schicken wußte, sondern sich für den eigenen, die Werke, entschied, auch Gottes Weggeleit durch die Tora verfehlt. Der gen. qual. δικαιοσύνης bei νόμος besagt, daß die Tora eine zum Zwecke des göttlichen Rechtes und seiner Findung gestiftete Gebotsmanifestation ist. Paulus betrachtet hier also die Tora positiv wie Rom. 7,7 ff., und zwar als das für Gott zeugende Bundesrecht. Sie ist ursprünglich die den Menschen vor Übertretung schützende, weil den Weg des Gotteswillens weisende Erwählungsurkunde des Gottesvolkes. Zu dieser Tora ist Israel gar nicht durchgestoßen : εις νόμον ούκ εφΒασεν, sondern es ist der durch die Sünde entstellten und ins Gegenteil ihres ursprünglichen Sinnes verkehrten Tora, dem Gesetz des Moses, verfallen2. V. 32 b.33 kennzeichnen diesen Verfall Israels an das Gesetz als ein nur durch den Glauben abwendbares, also im Grunde heilsgeschichtliches Geschick: 11,32! 10,1.2 betonen ihrerseits, daß dieser Verfall den Israeliten, die den guten Willen zum Gehorsam durchaus haben, verborgen blieb. 9,32b-io,2 sind also gewissermaßen die heilsgeschichtliche Variante von Rom. 7,7ff. 10,3 faßt zusammen: Israel hat Gottes Rechts1 Vgl. die Interpretation SCHLATTERS Z. St.: „ . . . der Glaube ist der Eingang des ihn rufenden göttlichen Worts in den Menschen und wird durch das wirksam, was der dem Glaubenden gibt, dem dieser glaubt". 2 Ich bin also nicht der Meinung, eis νόμον sei von 10,4 her mit eis τέλος νόμου

g l e i c h z u s e t z e n u n d christologisch zu interpretieren (so z . B . LIETZMANN u n d MICHEL

z.St.). Die von der Koine, Min. 33 u.a. gebotene, erleichternde Variante: elç νόμον δικαιοσύνης trifft sachlich durchaus den Sinn, denn νόμος meint hier den in der Mosestora beschlossenen, für Gottes Recht zeugenden Gotteswillen. Natürlich gelangt Paulus nur auf dem Wege der Christologie zu dieser Wertung der Tora, aber auf unsere Stelle hat dies nur indirekten Einfluß.

Rom. 10,3

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bzw. Schöpferwillen verfehlt (άγνοέω meint die schicksalhaft verfehlte Gotteserkenntnis, vgl. z.B. Sap. Sal. 15,Ii 1 ), weil es bestrebt war, Gottes Schöpfermacht die eigene δικαιοσύνη entgegenzusetzen. Es hat sich dem rechtschaffenden Gott nicht unterworfen. Da es sich um das Schicksal von Völkerschaften handelt, ist unsere Stelle auf jeden Fall nicht individualistisch auszulegen. Damit ist der geläufigen Interpretation, Gerechtigkeit Gottes meine Rom. 10,3 Gottes Gabe, bereits ein Teil Boden entzogen. Dem Gesamtzusammenhang unserer Kapitel und dem Verbum άγνοέω nach kann δικαιοσύνη 3εο0 nur die sich als eschatologische Schöpfergewalt betätigende, die Geschichte und Geschicke lenkende Gottesmacht, also Gottes eigenes Verhalten, sein. Nur bei dieser Auslegung gewinnt das ούχ ύπετάγησαν einen prägnanten Sinn. Das Verbum meint ja die Unterwerfung unter den göttlichen Machtwillen (vgl. Rom. 8,7)2. Dieser Machtwille wird mit δικαιοσύνη Seoö bezeichnet. Daß wir richtig interpretieren, zeigt der Fortgang der paulinischen Argumentation. V. 4 untermauert die These von V. 3. Gottes δικαιοσύνη,Gottes Heil setzendes Recht, erweist sich darin, daß Christus jeden Glaubenden davon befreit, Gott anders denn im Glauben Recht zu geben. Eben dazu hat die Mosestora verleitet. Christus aber hat diesem Blendwerk ein Ende gemacht, τέλος heißt darum nicht „Ziel" (BARTH), sondern Ende. Wer mit Ziel o.ä. übersetzt, durchschaut an dieser Stelle die paulinische Gesetzesdialektik nicht (s.u.). Daß der νόμος hier nicht mehr die Erwählungsurkunde, sondern die Mosestora ist, beweist V. 5. Hier tritt vielmehr der im ganzen paulinischen Denken nur als Antityp des Christus erscheinende Moses auf. Er tritt auf als Vertreter des den Menschen unerbittlich auf sein eigenes Vermögen verweisenden Gebotes. Paulus könnte auch sagen: als Vertreter des γράμμα (vgl. Μωϋσής y à p γράφει), γράμμα und πνεύμα stehen sich nach 2. Kor. 3,6 wie Tod und Leben gegenüber. Gramma ist Inbegriff der unter die Macht der Sünde und menschlichen Manipulation geratenen Tora (und des Alten Testaments im ganzen), Pneuma ist die rettende Erscheinungsweise des Christus3. Man sollte, wenn die Antithetik von γράμμα und πνεύμα hier eingeführt wird, nun auch in V. 6 den Geistbegriff erwarten. Statt dessen tritt die ή έκ πίστεως δικαιοσύνη personifiziert, also in der Weise einer selbständigen Macht auf. BULTMANN hat gemeint, Paulus bediene sich bei dieser Personifikation eines Abstraktums eines geläufigen Stilmittels aus der Diatribe4. G. SCHRENK hat sich dieser Ansicht angeschlossen5. CHR. MÜLLER hat theologisch mit Recht aus der Personifikation gefolgert, daß hier die δικαιοσύνη έκ πίστεως als Macht B U L T M A N N , Art. άγνοέω ThWb I S. 117. ϋττοτάσσομαί τι vi mit Vorliebe gegenüber Respektspersonen, vgl. W . B A U E R Wb 6 s.v. 3 Vgl. E . K Ä S E M A N N , Artikel: Geist und Geistesgaben im Neuen Testament, RGG* II 1274-1276 u. Ex. Vers. I S. 221 f. * Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe, F R L A N T 13, Göttingen 1910 S. 87!. 5 Art. δικαιοσύνη S. 210. 1

2

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

aufzufassen sei, d.h. als „in der πίστις anerkannter Rechtsanspruch Gottes, durch den die Gemeinde an dem Recht Gottes partizipiert"1. Daß Paulus aber hier überhaupt zu einer Personifikation greifen kann, beruht auf der Antithese von γράμμα und πνεϋμα als zwei Mächten2. Die machtvolle Erscheinung der Gerechtigkeit aus Glauben wird zur Sprecherin der wahren, von Paulus 9,31 beschriebenen Tora und zum Erweis der paulinischen These, daß der in der Mosestora verborgene νόμος von Gottes Gerechtigkeit kündet und auf den Christus verweist. Sie weist hin auf die von Paulus eilends durch die Welt getragene Botschaft vom göttlichen Werk des Glaubens, also vom eschatologischen Einzug des Schöpfers im Christusgeschehen in die Welt, und zwar im Wort: V. 8b. Zwei Fragen sind noch zu beantworten, ehe wir zu V. 9 übergehen. Wie ist die Parallelität von δικαιοσύνη 3εο0 V. 3 f. und ή έκ πίστεως δικαιοσύνη V. 6 zu verstehen? Was besagt theologisch die Tatsache, daß Paulus die im Judentum ursprünglich auf die Tora hin formulierten und interpretierten Sätze aus Dt. 30 polemisch-christologisch umdeutet? CHR. MÜLLER hat gezeigt, daß ή εκ πίστεως δικαιοσύνη die Macht, die das neue Gottesvolk beherrscht, bzw. die Wirklichkeit des neuen Gottesvolkes seit Christus beschreibt (s.o.). Dann aber kann ή έκ πίστεως δικαιοσύνη nicht mit δικαιοσύνη -δεου in V. 3 identisch sein, denn δικαιοσύνη 3εοΰ beschreibt in V. 3 das die Äonen überspannende Rechtswalten Gottes ! ή έκ πίστεως δικαιοσύνη kann dann nur den von der δικαιοσύνη 5εο0, also von Gott selbst, dem neuen Gottesvolk bereiteten Heilsbereich meinen. Wie die δικαιοσύνη 3εοϋ nach 2. Kor. 5,21 die in der Kirche beschlossene Menschheit zu ihren Zeugen erhebt, so umfängt sie an unserer Stelle das Gottesvolk der Glaubenden und teilt sich diesem mit. Die Parallelstellung von Gottesund Glaubensgerechtigkeit in V. 3 und 6 umschreibt also ein Ursprungsverhältnis. Um die polemische Uminterpretation von Dt. 30,12 ff. an unserer Stelle verstehen zu können, müssen wir kurz auf das Problem des paulinischen Gesetzesbegriffes und seiner Dialektik eingehen. Der paulinische Gesetzesbegriff hat seine Wurzeln nicht im griechischen Bereich, sondern im Judentum. Die Erben des (von W . ZIMMERLI theologisch präzis analysierten8) alttestamentlichen Gesetzesbegriffes sind die jüdische Apokalyptik einerseits und 1

Gerechtigkeit S. 7 1 . 107 Anm. 68 Traditionsgeschichtlich kann man auf die Personifizierung der Weisheit verweisen, welche diese im Mythos gewonnen hat. Die Personifikation der Weisheit führt bei der Adaption dieses Mythos durch das Judentum in äth. Hen. 9 1 , 4 ; 9 4 , 3 - 5 zur Personifizierung der Gerechtigkeit (vgl. die genannten Stellen mit äth. Hen. 92,1 und 42. wo V . 3 die „Ungerechtigkeit" ebenfalls mythisch-personifiziert erscheint). Daß hinter der Personifizierung der Glaubensgerechtigkeit Rom. 10,6 tatsächlich mythische Motive stehen, wird bestätigt dadurch, daß die von Paulus Rom. io,6ff. exegesierte Stelle Dt. 3o,i2ff. in Bar. 3,29fE. auf die Weisheit interpretiert wird, und zwar wieder mit Hilfe des aus äth. Hen. 42 bekannten Mythos. 3 Das Gesetz im Alten Testament, Gottes Offenbarung. Ges. Aufs. (ThB 19) München 1963, S. 249-276. 2

Rom. io,3

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das Rabbinat andererseits. Für die Apokalyptiker ist, wie D . R Ö S S L E R gezeigt hat 1 , die Verbindung von heilsgeschichtlichem Denken mit der Tora ebenso charakteristisch wie die Betrachtung des Gesetzes als der einheitlichen, gnädigen und der Gemeinde der Frommen in der gegenwärtigen bösen Welt zum Heilsunterpfand und Bewährungsaufruf verliehenen Willensäußerung Gottes. Das Rabbinat betrachtet dagegen die Tora als die Gesetzessammlung von 613 Einzelgeboten (365 Verbote und 248 Gebote), die es - losgelöst von jeder (heils)geschichtlichen Sicht - in möglichst großer Zahl zu erfüllen bzw. einzuhalten gilt. Die Lehre von der Präexistenz der Tora und vom freien, also zum Gesetzesgehorsam fähigen, Willen des Menschen schließen das rabbinische System folgerichtig ab. Kennzeichnend für Paulus ist, daß er kaum einmal pluralisch von Ιντολαί (i.Kor. 7,19) spricht, also der rabbinischen Tradition selten folgt. Paulus spricht meist, wie die Apokalyptiker, singularisch von der Ιντολή bzw. von dem νόμο;. Dieser νόμο; steht, wie Gal. 3, Rom. 5,12ft., 8,3! u.a. Stellen erweisen, in einem heilsgeschichtlichen Koordinatensystem. Auch dies ist ein Zeichen apokalyptischen Denkens. Trotzdem kann Paulus einen gewissen rabbinischen Einfluß auf sein Gesetzesverständnis nicht verleugnen, wie vielleicht Gal. 3,10 und 5,14, sicher aber die verschiedenen Einzelzitate aus der Tora Rom. 7,7; 13,8-10; i.Kor. 9,8f.; Gal. 5 , 1 3 ! usw. zeigen2. Daß Paulus aus dem hellenistischen Judentum stammt, zeigt sich daran, daß er das Gesetz hauptsächlich als das sittliche Gesetz diskutiert und daß er in Rom. 1,32 und 2,12 ff. eindeutig Anleihen bei der griechischen Vorstellung von der lex naturalis macht, allerdings nur, um die Macht des geschriebenen bzw. offenbarten Gesetzes dadurch zu intensivieren3. Terminologisch verwendet Paulus den Begriff νόμο; a) ständig für die Mosestora; b) z.T. zur Bezeichnung der Schrift des gesamten Alten Testamentes (Röm. 3,19; i.Kor. 14,21 usw.); c) für die Weisung des Christus (Gal. 6,2; i.Kor. 9,19) und d) in dem allgemeinen Sinn von maßgeblicher, bestimmender Regel (Röm. 7,23 u.ö.). Die Aussagen über das Gesetz im spezifischen Sinne lassen sich bei Paulus zunächst in drei Gruppen aufteilen: eine positive Aussagenreihe, eine negative und eine vom Gesetz des Christus sprechende Reihe von Stellen: 1. Das Gesetz ist der gute, heilige und gerechte Gotteswille, gegeben εΐ; ζωήν und seinem Ursprung nach πνευματικό;, also Gottes eigene Stiftung (Röm. 7,7 ff.). Das Gesetz ist der Maßstab des göttlichen Endgerichtes, in welches auch die Christen einbezogen bleiben (Röm. 2,i2ff.). Das Gesetz ist die eine Treuegabe an sein Volk Israel (Röm. 4,16; 9,4). Die Summe des Gesetzes ist die Liebe (Röm. 13,8-10; Gal. 5,13!). 2. Das Gesetz hat den Christus ans Kreuz gebracht, denn es ist eine fluchende Macht (Gal. 3,13). Christus ist das Ende des Gesetzes für jeden, der glaubt (Röm. 10,4). Das Gesetz beschwört nur Gottes Zorn herauf (Röm. 4,15), führt zum praktischen Kennenlernen der Sünde (Röm. 3,20; 7,7ff.). Die Sünde bedient sich seiner als ihres vornehmsten Werkzeugs (Röm. j . y ß . ; i.Kor. 15,56). Christus und Moses stehen sich gegenüber wie die beiden Äonen (2. Kor. 3). Das Gesetz entspricht nicht der Verheißung Gottes an Abraham (Gal. 3,170.). Es zählt vielmehr unter die bedrohlichen Elementargeister (Gal. 4,2.9). Das Gesetz vermag nicht, Leben 1 Gesetz und Geschichte. Untersuchungen zur Theologie der jüdischen Apokalyptik und der pharisäischen Orthodoxie, WMANT 3, Neukirchen i960. 2 Darauf ist gegenüber U . W I L C K E N S , der in seinem Aufsatz „Die Bekehrung des Paulus als religionsgeschichtliches Problem", ZThK 56 (1959) S. 273-293 dieRössLERschen Ergebnisse richtig, aber in der Ausführung zu geradlinig auf Paulus überträgt, ausdrücklich hinzuweisen. Hier wird besonders deutlich, daß M I C H E L Recht hat, wenn er die Vermischung rabbinischer und apokalyptischer Denkelemente im paulinischen Denken betont (vgl. Röm. 12 S. 393 Anm. 1). Vgl. dazu auch Anm. 2 S. 67. 3 Vgl. G. B O R N K A M M , Offb. d. Zornes Gottes, Ges. Aufs. I S. 13.25 Anm. 52 und „Gesetz und Natur", Studien zu Antike und Urchristentum (BEvTh 28), Ges. Aufs. II, München 1959, S. 93-118.

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zu schaffen (Gal. 3,21). Wie ein antiker Erziehungssklave hält es die Menschen unter der Knute bis zur Zeit der Freiheit, die der Christus bereitet (Gal. 3,24). 3. So sehr die Christen vom Gesetz befreit sind, so wenig ist für sie eine Zeit der Gesetzlosigkeit angebrochen. Vielmehr unterstehen sie dem Gesetz des Christus (Gal. 6,2; i . K o r . 9,21). Inhaltlich ist dieses Gesetz des Christus das Gebot der Liebe und damit zugleich die Quintessenz dessen, was die Mosestora verlangt (Röm. i3,8ff.; Gal. 5,i3f.) 1 . Weil die Christen vom Geist als der Kraft der Auferstehung und der Liebe getragen sind, vermögen sie der (Liebes-) Forderung auch der mosaischen Tora zu entsprechen (Röm. 8,4). - Das eigentliche Problem besteht darin, wie sich diese drei Problemlinien theologisch vereinigen lassen. Auszugehen ist von der paulinischen Eschatologie und dem Gedanken der δικαιοσύνη Seoû. Um nicht von vornherein in der Vielschichtigkeit des vopos-Begrifies bei Paulus hängen zu bleiben, unterscheiden wir zwischen dem Willen Gottes einerseits und der mosaischen Tora andererseits. Die Bezeichnung der Schrift des Alten Testamentes als νόμο; können wir in unserem Zusammenhang ausklammern, ebenso die Verwendung von νόμος = Regel. Gottes guter Wille eis ζωήν, d.h. zur Bewahrung des von Gott geschenkten und gewollten Lebens, wurde bereits von Adam übertreten (Röm. 5,12-14). Mit dieser Ubertretung ist die Sünde schicksalhaft über alle Menschen hereingebrochen und mit ihr der Tod. Gott zeigt sich also schon am Beginn der Menschheitsgeschichte als Richter, der die Übertretung seines Willens ahndet, aber nur weil er der Gott der Gnade ist, der sein Geschöpf kraft seiner Willensäußerung im Leben bewahren wollte. Ursprünglich, d. h. vor dem Fall, war also für Adam der Gotteswille ein Helfer zum Leben und wurde erst durch Adams Übertretung zum Richtspruch des Todes. Bereits an Adam zeigte sich also, daß Gottes gute Willenskundgabe allein das von ihr behütete Leben nicht zu schützen vermag (vgl. Gal. 3,21). Vielmehr gelang es der Sünde, sich des Gotteswillens zu bemächtigen. Der Kodex dieses von der Sünde entstellten Gotteswillens ist die Moses verliehene, schriftlich fixierte Tora (Röm. 5,14!). In ihr ist der gute Wille Gottes verborgen noch darin wirksam, daß die Mosestora „Zuchtmeister" auf Christus sein muß, welcher die Menschheit unter der Sünde verschließt, um sie so (heilsgeschichtlich 1) dem Christus und der Gnade Gottes entgegenzuführen. Die eschatologische Peripetie erfolgt mit der Sendung des Christus. Dieser nimmt in seinem sündlosen Tod den tödlichen Fluch der Mosestora auf sich, den diese - obwohl sie selbst zum Sündigen zwingt (Röm. 7,7-25) - über die Sünde selbst zu sprechen, eingesetzt ist. Auf das Gesetz gesehen, bedeutet das Kreuz also die Befreiung des guten Willens Gottes aus den Fesseln der άμαρτία. Der Statthalter des so freigesetzten guten Gotteswillens ist nun der Christus mit seinem Gebot. Der gute Wille Gottes ist in Christus wieder zum Helfer des Lebens geworden. Christus ist also tatsächlich - mythologisch gesehen - der neue Adam, in dem und an dem sich die schöpfungsmäßige Ursituation wiederholt2. Aber nur eben erst für die Getauften, d.h. für die, welche als der Christusleib mit ihren eigenen Leibern den Kampf gegen den niederbrechenden alten Äon mit ihrem Herrn ausfechten. Wo der Christus aber noch nicht herrscht, wo er also noch bekämpft wird, da herrscht Moses und mit ihm die Verkehrung des guten Willens Gottes in das Werkzeug der Sünde noch immer. Nur im Leibe Christi ist das Gesetz des Christus die Manifestation des den Alten und den Neuen Bund durchherrschenden guten Gotteswillens. Dieser νόμο; Χριστού will den Christen darin beistehen, ihre Taufgabe wider die σάρξ zu bewahren; lebenschaffende Kraft aber hat auch dieser gute 1 C. H. D o d d hat in der J. de ZwAAN-Festschrift: Studia Paulina, Haarlem 1953, in seinem Aufsatz „EN Ν ΟΜΟΣ ΧΡΙΣΤΟΥ" (S. 96-110) wahrscheinlich gemacht, daß für Paulus zum νόμο; XptcrroO auch die von ihm in der Paränese (gelegentlich) zitierten Herrenworte hinzugehören! 2 E. J ü n g e l formuliert glücklich: „Christus ist ... des Gesetzes Ende, indem er es an seinen Anfang zurückführt" (Paulus und Jesus, S. 61).

Röm. io,3

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Gotteswille nicht, wohl aber lebensbewahrende Funktion. Die den Wechsel der Äonen und der Bundesschlüsse überbrückende, lebenschafiende Macht Gottes bleibt also seine δικαιοσύνη allein. Dieser δικαιοσύνη dient der lebenbewahrende gute Gotteswille. Dies wird erst von Christus her erkennbar. Von Christus her kann man auch in der Mosestora das unter die Herrschaft der Sünde geratene Liebesgebot sehen. Um dieser positiven Kontinuität des guten Willens Gottes willen, sieht Paulus im Gesetz des Christus nach Röm. 13,9t. und Gal. 5,6 die Intention der Mosestora bewahrt und im Gehorsam der Christen ihre Forderung so erfüllt, wie Gott es will (Röm. 8,4). Dies darf jedoch nicht zu dem immer wieder gezogenen Schluß verleiten, auch der Christ unterstehe noch dem Gesetz des Moses. Die Mosestora ist für Paulus gerade die dämonische Verkehrung des Liebeswillens Gottes, die eine verkehrte Möglichkeit für alle Menschen bis ans Ende der Tage bleibt, der die Christen aber gerade entronnen sind 1 Die Christen unterstehen wohl dem guten Willen Gottes, dieser offenbart sich aber erst im Gesetz des Christus und nur schattenhaft im Gesetz des Moses. Im Endgericht, das dem Christus von Gott übergeben ist, wird der Gerichtsmaßstab also die Frage nach der Liebe sein, die dem einen Liebeswillen Gottes entspricht (Röm. 2,12fi.). In den Getauften aber, und in ihnen allein, ist die Liebe als Gottes eigene Kraft bereits am Werk (Röm. 5,5). Gott rechtfertigt durch seinen Christus also auch am jüngsten Tage nur aus Gnaden allein, kraft seiner eigenen Gabe. Das Gesetzesverständnis des Paulus ist streng christologisch orientiert. Sein Sinn ist es, Gott selbst die heilsame Herrschaft über die Welt zuzuerkennen. Weil das Gesetz also im Dienst der δικαιοσύνη Ssoü steht, ist das entscheidende Kriterium zu seinem Verständnis die göttliche Willensmanifestation. Die Frage nach dem Vermögen des Gesetzes1 ist der Willensmanifestation untergeordnet. An dieser Willensmanifestation trotz des Wechsels und der Überlagerung der beiden Äonen festzuhalten, ist der Sinn der paulinischen Gesetzesdialektik. Die polemische Uminterpretation v o n D t . 30,12 ff. besagt also, d a ß die recht verstandene T o r a f ü r G o t t u n d seinen Christus zeugt, d a ß sie also gerade nicht den Menschen u n r e t t b a r auf sein eigenes W i r k e n verweist. Sie besagt nicht, d a ß Christus an die Stelle des Gesetzes getreten u n d also als neuer Moses z u verstehen wäre. Diese f ü r das Matthäusevangelium charakteristische Christologie ist gerade nicht die des P a u l u s ! Christus ist f ü r P a u lus der S t a t t h a l t e r des g u t e n Gotteswillens. B e i d e dienen in einander ergänzender Weise der δ ι κ α ι ο σ ύ ν η 3 ε ο ϋ . Christus in lebenschaffender, sein G e b o t als A u s d r u c k des g u t e n Gotteswillens in lebenbewahrender Weise. Christus beendet also nur die Mosestora, nicht aber den g u t e n Gotteswillen. Diesen setzt er in K r a f t , und deshalb z e u g t die Schrift (vgl. V . 1 1 !) f ü r Christus wider Moses, weil es auch ihr u m Gottes g u t e n Willen geht. P a u l u s f ü g t in seine E x e g e s e der Deuteronomium-Stelle das T a u f b e k e n n t nis der Gemeinde, exegetisch zerdehnt, ein 2 . B e i der Homologie handelt es sich „ u m eine verbindliche öffentliche E r k l ä r u n g , durch die ein R e c h t s verhältnis hergestellt wird . . . I m A k t der Homologie wird in Freiheit ein verbindliches, definitives J a gegeben, über das hinaus nichts g e s a g t werden kann, w a s f ü r das nun geordnete rechtliche Verhältnis v o n irgendeinem B e 1 Vgl. G. E B E L I N G , Erwägungen zur Lehre vom Gesetz, Wort und Glaube, Tübingen i960, S. 291 und Artikel: Geist und Buchstabe, RGG 3 II 1291. 2

V g l . BULTMANN, T h e o l . 8 S . 83; E . KÄSEMANN, A r t . G e i s t 994; MICHEL Z. S t .

7 824s Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

lang sein könnte 1 ." In der bei der Taufe ausgesprochenen Homologie geht es um die Anerkenntnis des Werkes Gottes in Christus und die Unterwerfung unter Christus als den designierten Zeugen von Gottes Schöpfermacht. Die Anerkenntnis des neuen Statthalters Gottes in der Welt ist, wie das Verbum ομολογείν anzeigt, ein verbindlicher Rechtsakt. Christus selbst ist der in Tod und Auferstehung zum weltbestimmenden Zeugen dessen, was Gottes Recht ist und vermag (vgl. 4,25), erhobene und mit dem Auftrag der Weltherrschaft bestallte Weltenherr (vgl. i.Kor. 15,230.). Wer sich zu ihm verbindlich bekennt - und ein über dieses Bekenntnis hinausgehendes Werk des Glaubens gibt es nicht - , tritt ein in den Rechtsbereich Gottes, in Gottes neue Welt. Ihm spricht Gott befreiend Recht (== Sein) zu (eis δικαιοσύνηv), er wird dem alten Äon entrissen und also gerettet (εις σωτηρίαν). Dies ist ein weltumspannendes Angebot und Geschehnis : V. 12. Dieses Geschehnis wird, wie V. u f f . zeigen, heute nur erst Ereignis im Wort der Glaubensbotschaft und weist damit folgerichtig auf den Tag voraus, da Gott sein Recht öffentlich vor aller Welt proklamieren wird (Gal. 5,5; Rom. 5,if.). δικαιοσύνη SeoO ist also nach Rom. 10,3 das die Äonen überspannende, schöpferische, im Anbrach befindliche, als Wort sich heute ereignende und im Christus personifizierte befreiende Recht des Schöpfers an und über seiner Schöpfung. Gerechtigkeit Gottes ist demnach auch hier ein ausschließlich heilschaffendes Ereignis, das, wie Rom. 11 ausführt, selbst die Geschicke Israels heilvoll wendet2. Beachtet man diesen weiten Horizont des Begriffes, so erkennt man, wie Gottes όργή ein hinter seiner δικαιοσύνη zurücktretender Modus des Gotteshandelns ist. Gott wirkt nie anders denn zum Heil seiner Schöpfung, und auch sein Richten, aus dem sich seine καινή κτίσις erhebt, ist nur ein Durchgang durch Gottes auf das Heil der Welt zielendes Schaffen. Das Ereignis dieses Heiles ist die δικαιοσύνη SeoO. Sie heißt deshalb δικαιοσύνη und nicht άγάπη oder auch nur ελεος, weil Gott in der eschatologischen Zeit den Weg des Rechtsstreites wählen muß, um der aufrührerischen Welt seinen auf die Auferstehung der Toten und damit die herrliche Freiheit der Kinder Gottes drängenden Willen aufzuzwingen. Weil das Werk der Gottesgerechtigkeit die Erweckung der Toten ist (Rom. 11,15 ; 4·5·Ι7·24ί· ;2. Kor. 5,17.21), ist die δικαιοσύνη Ssoö mehr als Gottes bloße „Sieghaftigkeit" (MÜLLER). In der δικαιοσύνη 3εοϋ zeigt sich Gottes seit Anbeginn der Welt gültiger, sich im Bundesverhältnis zu seinem Volk Ausdruck verschaffender, väterlicher Schöpferwille in seiner ganzen Mächtigkeit. Gott kann und will sich der unbotmäßigen Welt gegenüber im eschatologischen Prozeß Anerkennung verschaffen, aber eben als der Schöpfer, dessen δικαιοσύνη nicht im Forum aufgeht, όργή Seoü bleibt der der Gottesgerechtigkeit entgegengesetzte Begriff. 1 G. BORNKAMM, Das Bekenntnis im Hebräerbrief, Ges. Aufs. II, S. 192; vgl. auch MICHEL, Artikel όμολογέω T h W b V S. 199-220. 2 MÜLLER, Gerechtigkeit S. 107.112 f.

Phil. 3,9

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Wenn wir richtig ausgelegt haben, dann wird nun auch deutlich, daß man nicht Rom. 10,3 von Phil. 3,9 her, sondern, umgekehrt, Phil. 3,9 von Rom. 10,3 f. her zu verstehen hat.

V I . Phil. 3,9 Paulus setzt sich in Phil. 3 , 4 b - i i mit Enthusiasten auseinander, welche auch die Gemeinde von Philippi irrlehrend unterwandert haben. Diesen Irrlehrem, welche sich ihrer (jüdischen?) Herkunft und ihrer (als Initiationsakt verstandenen?) Beschneidung rühmen, setzt Paulus in V. 4b ff. seine eigenen Ruhmestitel entgegen1. Seiner Toraobservanz nach (κατά νόμον) zählte sich Paulus zur Gemeinschaft der Pharisäer und führte nach deren Gesetzesverständnis ein tadelfreies Leben: V. 6b. Paulus aber schreibt diese durch den Toragehorsam sowie durch Abstammung gesicherte und durch seine aramäische Muttersprache bestätigte 2 Zugehörigkeit zum Gottesvolk ab s , und zwar um der unüberbietbar großen Erkenntnis (γνώσις) seines Herrn Jesus Christus willen. Paulus bedient sich hier augenscheinlich derselben Terminologie und Vorstellungsweise wie seine Gegner, mit dem Unterschied freilich, daß er das wahre Christsein nicht in einer heute schon demonstrierbaren Weltüberlegenheit, sondern in der leidenden Anteilhabe am Weg des Christus erblickt4. Die polemische Anlehnung der paulinischen Terminologie an den gnostischen Denkbereich macht das eschatologische εύρεθήναι έν α ύ τ ω V. g erst verständlich. Paulus läßt sich um all seine bisherigen Vorzüge schädigen, um in Christus (von Gott beim Gericht) betroffen zu werden. Das έν α ύ τ ω ist, wie DIBELIUS Z. St. betont, als Formel zu verstehen und meint die Zugehörigkeit zum pneumatischen Christusleib. Die von NEUGEBAUER vorgeschlagene geschichtliche Deutung des έν Χριστω-Komplexes greift auch hier offenkundig fehl. Paulus erhofft sich, beim (noch ausstehenden) Endgericht als Glied am Leibe Christi, ermächtigt und befähigt von der δύναμίξ της αναστάσεως, aber auf Grund desselben Geistes auch hineingerissen in das Leiden des Christus, betroffen und so von den Toten erweckt zu werden. Die Wende vom jüdischen zum christlichen Selbstverständnis und die in der Taufe sich vollziehende Eingliederung in den Christusleib beschreibt Paulus in der Sprache der Rechtfertigung. Damit wählt er eine Aus1 Vgl. zu diesem Abschnitt und zur literarischen Aufteilung des Philipperbriefes W. SCHMITHALS, Die Irrlehrer des Philipperbriefes, Z T h K 54 (1957) S. 297-341, bes. S. 3iofi. 2 Darauf deutet das 'Eßpalos ίξ Ε β ρ α ί ω ν hin, vgl. DIBELIUS, Exkurs z. St. und E. HAENCHEN, Die Apostelgeschichte (MeyerK 3. Abtlg.) Göttingen 13. Aufl. 1961, S. 214 Anm. ι. 3 Paulus wählt in diesen Versen bewußt Termini aus dem Geschäftsverkehr: κέρδος, ζημία, ζημιωθηναι, κερδήσαι usw. Dies und das gleich folgende εύρε3ηυαι zeigen, daß Paulus an eine (himmlische) Abrechnung, das Gericht, denkt. 4 Vgl. BULTMANN, Artikel γινώσκω T h W b I S. 710t.; Theol. 3 S. 184.

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Gerechtigkeit Gottes in den Paulinischen Belegstellen

drucksweise, welche sein individuelles Bekehrungsschicksal zu einem für alle Christen typischen Ereignis werden läßt, ohne daß diese deshalb selbst ein 'Damaskus' durchleben müßten. Ihre Taufe ist die eigentliche Analogie! Rechtfertigung und Geistverleihung sind auch hier nur parallele Bezeichnungen für ein und denselben Sachverhalt. SCHRENK meint daher ganz richtig, Paulus spreche von seiner Aufnahme in den „Stand" der Rechtfertigung1. Folgende Positionen stehen sich gegenüber: Vorder Bekehrung έμή δικαιοσύνη ή εκ νόμου - nach der Bekehrung ή έκ 3εοΰ δικαιοσύνη έττΐ τη ττίστει bzw. δια πίστεως Ίησου. Deutlich ist die Antithese von έκ νόμου und έκ 3εοϋ. LOHMEYER meint daher ζ. St., Paulus setze ein Gesetz voraus, welches selbst Gerechtigkeit verleihen könne. Um nicht in Konflikt mit Gal. 3,21 zu geraten, muß man dies präzisieren: Das gesamte Spätjudentum hat im Gesetz den Verkläger der Menschen im Endgericht erblickt, nach dessen Spruch Gott sein Gerechtigkeitsurteil oder die Verwerfung aussprach. Nach Rom. 2,12 ff. und unserer Stelle teilt Paulus diese Vorstellung. Da das Gesetz aber nicht die Kraft zu seiner Erfüllung schaffen, sondern nur die Tätigkeit des Menschen beurteilen und über dessen Rechttaten befinden kann, spricht ihm Paulus, von christlicher Warte her, die lebenschaffende Kraft ab: Gal. 3,21. Er setzt sich damit deutlich ab von der entgegengesetzten jüdischen Auffassung, vgl. Sir. 17,11. Vor der Taufe glaubte Paulus, dem Schiedsspruch des Gesetzes ruhig entgegensehen zu können (V. 6 b), und konnte daher im Gesetz einen νόμος ζωής sehen. Nach der Taufe wartet er auf Gottes Spruch ruhig nur noch έν Χριστώ. Das läßt nicht auf einen moralischen Zusammenbruch des Paulus kurz vor oder bei der Taufe schließen. Die Kehre hegt gar nicht in der Selbstbeurteilung des Paulus, sondern in der klareren Erkenntnis des göttlichen Schöpfertums (του γνώναι αυτόν) ! Diesem Schöpfertum entspricht es allein, daß der Mensch sich in seine Geschöpflichkeit findet und des Schöpfers Auftrag in der Welt ausrichtet2. Gott selbst verschafft dem Menschen durch den Heilsweg des Glaubens an Christus das Recht, dessen der Mensch im Gericht bedarf. Aber nicht nur dieses Recht allein, sondern mit ihm auch den neuen, durch die Anteilhabe am Todes- und Siegesweg des Christus gekennzeichneten Stand. Rechtliche Geltung vor Gott im Gericht und die Realität eines neuen geschöpflichen Standes bezeichnet Paulus mit ή έκ 3εοϋ δικαιοσύνη, unter Aufnahme einer Wendung aus Jes. 54,17. Daß es nicht nur um die forensische Geltung im Endgericht geht3, sondern um einen neuen Stand in Gottes Welt, signalisiert der im Hintergrund der Art. δικαιοσύνη S. 208,75. „ S o wird der Glaubende hineingenommen in Gottes eigene Gerechtigkeit, die ihn begnadet zum Glauben, d.h. zum Leben, das in der Freiheit von allem Selbstruhm und in der Offenheit für den Nächsten Gott recht ist" (E. SCHWEIZER, Art. Gerechtigkeit Gottes, 1407). Die neue, selbstkritische Betrachtungsweise ist also erst ein Resultat der neuen Gotteserkenntnis. 3 So besonders Α. OEPKE, Δικαιοσύνη Seoö 259. 1

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Phil. 3,9

ΙΟΙ

Verse stehende Geistbegriff, denn der Geist ist es, der die Anteilschaft an Christi Sein realiter verleiht. Geistverleihung und Gerechtsprechung sind ein und derselbe Vorgang, nämlich der Eingriff der Schöpfermacht Gottes (= δικαιοσύνη Seou). Auch nach Phil. 3,9 lassen sich also juridische und mystische Erlösungslehre bei Paulus nicht trennen. Gottes Schöpfertreue ist heilschaffende δικαιοσύνη, ihre Individuation ist die δικαιοσύνη έκ 3εο0. Von der Gabe der göttlichen Gerechtigkeit wird also terminologisch bei Paulus nur und erst dort gesprochen, wo die Soteriologie in den Blick kommt, d.h. bei der Frage der Rechtfertigung. Es ist aber nun zunächst die Frage, ob sich unsere Deutung von δικαιοσύνη 3εο0 auch religionsgeschichtlich bewahrheitet.

C. G E R E C H T I G K E I T G O T T E S IM R E L I G I O N S G E S C H I C H T L I C H E N B E R E I C H Wenn wir die Quellen, beginnend mit dem Griechentum, durchmustern, so gewinnen wir damit die Möglichkeit, das im Alten Testament einsetzende Stemma unseres Begriffes einheitlich zu zeichnen. Der Beginn beim Griechentum rechtfertigt sich damit zugleich methodisch. I. Gerechtigkeit Gottes im griechischen Denken M. P. N I L S S O N hat kürzlich gezeigt, daß sich der griechische Begriff der Gerechtigkeit und der hellenische Götterglaube von Anbeginn nur lose verbunden haben, um sich von der Sophistik an wieder voneinander zu lösen, ja sogar in einen gewissen Gegensatz zueinander zu geraten1. In der Frühzeit des griechischen Staatswesens verehrte man zunächst die das Recht hütende Göttin Themis. Diese wurde bald durch die jüngere Dike verdrängt. Dike aber ist bereits nur noch „eine blutlose Personifikation, die zwar oft in der Literatur gefeiert wird, aber nie einen nennswerten (siel) Kult erhalten hat" 2 . Sie gilt als Tochter des Zeus und berichtet ihrem Vater, der in der griechischen Götterfamilie allein Hüter und Schirmer des Rechtes genannt werden konnte®, über Recht und Unrecht, das Mensch und Natur verüben. Zeus selbst vermag das Recht also nur über eine Mittlerinstanz, nämlich Dike, zu wahren. Daran ändert auch nichts, daß Aischylos einmal, seiner besonderen Zeusverehrung zufolge, Zeus den δίκη φόρο ς nennt (Agam. 503)4. Dike steht unnahbar zwischen Göttern und Menschen und ihr hat sich zu beugen, wer immer in der Welt existieren will6. Sie bestimmt das 1

2

D i e Griechengötter u n d die Gerechtigkeit, H T h R 50 (1957) S. 1 9 3 - 2 1 0 .

A.a.O. S. 201. Vgl. die archaische Formulierung bei Plutarch, De Stoic, repugn, c. 9 p. 1033C ( I I I 80 v. Arnim) : où γ ά ρ έστιν εύρε! ν Tf¡S δικαιοσύνη; δλλην άρχήν, ούδ' άλλη ν γένεσιν, ·ή τήν έκ τ ο υ Δ ι ό ; κσΐ τ η ; κοινή; φύσεω;. Ferner NILSSON, a.a.O. S. 204. 3

4

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V g l . NILSSON, a . a . O . S . 200.

„Was Dike ist und wirkt, bleibt bei Göttern und Menschen umstritten; ihr Walten erscheint zweideutig. Um sie ist stets Auseinandersetzung, sie wird von Streitenden, Sühneverlangenden angerufen : was der eine von ihr erfleht, dessen Gegenteil wünscht der andere ... Zu diesem umkämpften, umstrittenen zweiseitig-zweideutigen Wissen um Dike gehört es, daß ihr Wesen von Göttern und Menschen als geheimnisvoll, unerbittlich und unbestechlich erfahren wird. Dikes Zuteilung des Zukommenden bleibt immer eine verborgene. 'Zukunft' ist nicht berechenbar oder bestimmbar. Sie ordnet und sichtet, richtet und straft, wie es der Fügung entspricht. Das ist ihre 'Gerechtigkeit'. Aus diesem Grunde ruft sie der Unrecht leidende . . . 'das' Recht suchende, den 'Wahrspruch' verlangende Mensch als Helferin a n " (E. WOIF, Griechisches Rechtsdenken, Bd. i , S. 44).

Gerechtigkeit Gottes im griechischen Denken

IO3

Wesen von Staat und Welt, so daß die Frage nach der Gerechtigkeit im griechischen Denken von vornherein nur im sozialen Bereich und in der Frage nach der Weltordnung aufbricht, dafür aber nur selten als spezifisch religiöses Problem empfunden wurde. Auch dann, als der Glaube an die Person der Dike längst verblaßt ist, bleibt die Bezogenheit der Gerechtigkeit auf eine Urnorm - sei dies das Weltgesetz oder nur das Nützliche - unvermindert bestehen. Gerechtigkeit ist für den Griechen stets ein Relationsbegriff gewesen, aber nicht Bezeichnung einer persönlichen Beziehung, sondern eines sachlichen Bestimmtseins von einer zu wahrenden und zu praktizierenden Norm. Der Begriff δικαιοσύνη taucht in der griechischen Literatur erst bei dem von Aristoteles Eth. Nie. V 3 1129 a zitierten Dichter Theognis (etwa 500 a. Chr. n.) auf. Für ihn ist δικαιοσύνη Inbegriff aller Tugenden : έν δέ δικαιοσύνη συλλήβδην ττδσ' αρετή 'στιν. Um die sachgerechte Erhellung dieser Definition von Gerechtigkeit bemühen sich Piaton und Aristoteles in der Folgezeit. Piaton versteht unter δικαιοσύνη eine πολιτική τέχνη 1 . Er versteht sie als Idee2 und erhebt sie damit weit über alle anderen sogenannten Tugenden. Pol. IV 433 a definiert er darum : τ ό τ ά αύτοΟ ττράττειν και μή πολυττραγ·μονεϊν δικαιοσύνη έστίν. Die Gerechtigkeit „besteht darin, daß, reguliert durch den Blick auf die göttlichen Urformen und Modelle alles Seienden, die Ideen, j ede Schicht im Staate und j edes Teil in der Seele des Menschen, statt sich selbst als das Ganze zu setzen, vielmehr an seiner Stelle das Seine tut. Wäre dies erreicht - im Menschen wie im Staat - , so wäre jene lebenerhaltende und das (recht verstandene) Wohlleben (eû zên) verbürgende Harmonie gewährleistet, in welcher jeder an seinem Teil zum Ganzen wirkt." 3 Um die Harmonie des Staatsgefüges zu gewährleisten, hat die Gerechtigkeit selbst an der Ideenwelt teil und kommt nur so in die Reihe der menschlichen Verhaltensweisen zu stehen. Als ή του εκάστου... τ ά αύτοϋ πράττειν δύναμις steht sie Pol. IV 433d neben ανδρεία und σωφροσύνη, oder es werden wie Prot. 330bnebeneinandergestellt:έτπστήμη, δικαιοσύνη, ανδρεία, σωφροσύνη und όσιότηξ. Den Begriff einer 'Gerechtigkeit Gottes' kennt Piaton nicht, und selbst in der sokratischen Schlußrede der Apologie, die ERIK WOLF als Zusammenfassung des sokratisch-platonischen Rechtsbewußtseins sehen gelehrt hat 4 , unterwirft sich das δαιμόνιον des Sokrates der auch ihm noch übergeordneten δικαιοσύνη 5 . Es wäre ein unvollziehbarer Gedanke, daß das δαιμόνιον selbst eigenes Recht setzend eingriffe. Aristoteles unterscheidet zweierlei Weisen der Gerechtigkeit: 1. ή δικαιοσύνη άρετή μέν Ιστι τελεία, άλλ' ούχ άττλώς,άλλα προς ετερον6. Wichtig 2 Pol. 476a. Gorg. 464c, auch Phaed. 82b. W. SCHADEWALDT, Das Welt-Modell der Griechen, Hellas und Hesperien. Ges. Schriften zur Antike und zur neueren Literatur, Zürich/Stuttgart i960, S. 444. * A.a.O. Bd. III 1, S. 52ÎÏ., vgl. auch S. 35. 5 Apol. 4oab. 4 Eth. Nie. V 3 1129b, 26fí. 1

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Gerechtigkeit G o t t e s im religionsgeschichtlichen Bereich

sind die letzten beiden Worte. Wenn Aristoteles im selben Zusammenhang sagt, πάντα τ ά νόμιμά έστί mos δίκαια 1 , so bezeichnet er damit die Gerechtigkeit also als soziales und d. h. für ihn, am Gesetz (des Gemeinwesens) orientiertes Verhalten. Weil die Gerechtigkeit dafür sorgt, daß im Staatswesen jeder zu dem Seinen kommt, gilt sie als κρατίστη τ ω ν αρετών, weil sie προς ετερον verwirklicht wird2. 2. Nur eine Unterart dieses praktizierenden Gemeinsinnes ist die δικαιοσύνη δικαστική 3 . Aristoteles nennt sie folglich ή êv μέρει αρετής δικαιοσύνη 4 . Der juristische Gemeinsinn achtet auf gerechte Güterverteilung, Vertragstreue unter Bürgern usw. Deshalb kann die δικαιοσύνη dann auch in einer Reihe mit anderen μέρη της άρετης, freilich, als deren erstes erscheinen: δικαιοσύνη, ανδρεία, σωφροσύνη, μεγαλοπρέπεια, μεγαλοψυχία, έλευ3εριότης, πραότης, φρόνησις und σοφία werden z.B. Rhet. 1 9 1366 b, ι nebeneinander aufgezählt. Bereits Platon hatte sich in der Diskussion über die Gerechtigkeit sophistischen Einwänden gegenüber gesehen, welche die religiöse Begründung der Gerechtigkeit als Illusion betrachten und die Gerechtigkeit pragmatisch als Recht des Stärkeren zu definieren versuchten5. Aber selbst noch in solchen Kreisen definiert man Gerechtigkeit ganz aristotelisch: δικαιοσύνη oöv τ ά της πόλεως νόμιμα âv ήι αν πολιτεύηταί τις, μη παραβαίνειν sagt ζ. Β. Antiphon (Diels II 346)· Mit dem Zerfall der Götterwelt zerbricht die Gerechtigkeit also nicht. Sie erstarkt vielmehr. Dies zeigt vor allem die Stoa. Deren klassische Schuldefinition von δικαιοσύνη bietet Stobäus in der Ekloge II 102 ( = III 63 Arnim) : δικαιοσύνη δέ έπιστήμη άπονεμητική της αξίας έκάστφ. Chrysipp bezeichnet die iustitia als iniustitiae privatio 6 . Plutarch zitiert eine alte stoische Definition über den Ursprung der Gerechtigkeit 7 , stellt aber selbst auch, ebenso wie Epiktet δικαιοσύνη und όσιότη ς nebeneinanderrückt8, σωφροσύνη, δικαιοσύνη und άνδρεία zusammen9. Plutarch beweist10, wie bestimmend die von der Stoa übernommene und weitergegebene Sicht der Gerechtigkeit selbst für diejenigen gewesen ist, welche sich nicht zur stoischen Schule gerechnet haben. In den Papyri ist δικαιοσύνη nur selten nachweisbar. J . H. M O U L T O N und G. M I L L I G A N nennen nur wenige Belege. Von dem Schiedsspruch eines Epistrategen wird gesagt, er sei Zeichen seiner δικαιοσύνη. Ein Bittsteller klagt seinen Widersacher an, er habe sich gebärdet wie ein Räuber παρά την δικαιοσύνην. Interessanter noch sind die zwei weiteren Belegstellen. In der einen wird Kleopatra als Göttin Isis, und zwar als Τ1σις Δικαιοσύνη angeru1 1

2 A.a.O. 27s. 3 Pol. I V 4 1 2 9 1 a , 27. 4 E t h . Nie. V 4 1 1 3 0 a , 14. A . a . O . 12. V g l . die Gestalt des Thrasymachos in der Politeia; dazu E . WOLF, a . a . O . B d . I I S. 106ÊE. 6 F r g m t . 1 1 6 9 (II 335 Arnim). 7 Vgl. A n m . 3 S. 102. 8 Diss. I I I 26,32. " D e Fortuna 2 (Moral. 97e). 1 0 W i e dann Cicero für den lateinischen Sprachraum, vgl. nur D e re publica I I 43 f. I I I 2off. I I T h e v o c a b u l a r y of the Greek Testament, illustrated from the papyri and other non-literary sources, S. 162 (danach die folgenden Belege). I

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fen1. Von einer anderen Gottheit heißt es, ihre δικαιοσύνη sei unerschütterlich8. Obwohl der ägyptische Beleg sicher auf die mythisch-traditionelle Verbindung von Maat ( = δικαιοσύνη) und Gottkönigtum zurückverweist8, wird man diese beiden Stellen kaum als Beweise dafür heranziehen dürfen, daß man im hellenistischen Bereich doch ein der Gottheit zugehöriges Recht kenne. Für den hellenistisch denkenden Menschen unterstehen auch die Gottheiten noch dem Recht und Gottesprädikationen wie τ Ισις Δικαιοσύνη usw. meinen nur, daß sich die Gottheit in das über ihr stehende Recht schickt und daß dies verläßlich in ihrem Verhalten zum Ausdruck kommt. Ein besonders schöner Beleg dafür, daß Götter und Menschen gemeinsam ein und demselben Recht unterstehen, ist eine Inschrift aus dem Jahre 143 a. Chr. n., in der es heißt, es sei den Göttern kraft ihrer eigenen und der Rechtlichkeit des römischen Prätors gelungen, einen Rechtsstreit zu einem klaren Urteil zu führen und damit abzuschließen: των δέ 3εών μετά της του στρατηγού δικαιοσύνης έτπτε9εικόντωυ τέλος τ η κρίσει4. Auch in den Inschriften findet sich eine Fülle von Belegen dafür, daß man unter Gerechtigkeit die richterliche Unparteilichkeit versteht. Zum Beispiel wird an einer Volksvertretung gerühmt : ή παρ' εαυτή προς πάντα ς άν3ρώττους ύτταρχούση δικαιοσύνη6. Aber auch die Rechtlichkeit allgemein wird unter δικαιοσύνη verstanden : καθήκον δέ έστι Δελφοις άποδέχεσθαί τε καΐ τιμαν T O Ù Ç ευσεβείς και δικαιοσύνη διαφέροντας των ανδρών®. Auch hierfür ließen sich die Belege leicht vermehren. Aber der Tatbestand ist schon deutlich geworden : Es gibt im griechischen Denken eigentlich nur verschiedene Interpretationsformen des einen, für die Philosophenschulen wie für den Mann der Straße selbstverständlichen Sachverhalts, daß Gerechtigkeit das Verhalten (von Menschen und Göttern) gegenüber einer Rechtsnorm ist. J e nachdem, wie weit die Gottheiten sich diesem Rechte unterordnen, gewinnen sie Teil am helfenden Charakter der Dike 7 . J e weiter es ein Mensch bringt in der Anerkenntnis des Rechtes, desto angenehmer und nützlicher ist es für die Gemeinschaft. Von einer freien δικαιοσύνη ·9εοϋ kann hier nicht die Rede sein und darf es auch nicht, falls nicht das ganze, auf der Gerechtigkeit ruhende Weltgefüge aus den Fugen geraten soll8. Wir müssen diesen Tatbestand im Auge behalten, wenn wir nun die Belege aus dem hellenistischen Judentum durchmustern. 1

Ähnlich Ditt. Syll. 3 1 1 3 1 . oö ή δικαιοσύνη ουκ άποκινίται. Vgl. Ν. J . HEIN, Artikel: Gerechtigkeit Gottes religionsgeschichtlich, RGG 3 II 1402; A. R. JOHNSON, Sacral Kingship in Ancient Israel, Cardifí 1955, S. 3 1 f t . 5 6 * Ditt. Syll. 3 679,12. A.a.O. 6 8 5 , 1 8 ! A.a.O. 7 3 4 , 1 2 ! 2 3

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V g l . E . WOLF, a . a . O . B d . ι , S . 4 5 .

Wie weit dies griechische Rechtsdenken vom alttestamentlichen entfernt ist, zeigen folgende Sätze: Im Alten Testament ist es „die Gnade Gottes, daß E r sich als der gerechte Gott kundgibt, ein Gott, der weder über noch unter dem Recht steht, sondern in dem und mit dem das Recht wird, hervorkommt und seine Wesenheit erhält" (FR. HORST, Gottes Recht S. 256).

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II. Gerechtigkeit Gottes im hellenistischen Judentum ι. Philo „Philo (überliefert) die Eigenart des hellenistischen Judentums in weitem Umfange und (hat) an der Ausbildung und Differenzierung seiner Begriffswelt maßgebend mitgearbeitet."1 Um so aufschlußreicher ist es, daß die Aussagen über Gerechtigkeit und Gerechtigkeit Gottes im philonischen Lehrgebäude einen nur bescheidenen Platz einnehmen. In seiner Abhandlung über die Einzelgesetze hat Philo der δικαιοσύνη einen besonderen Abschnitt gewidmet2. Die δικαιοσύνη ist hier die Tugend, in allen Dingen der ίσότης, welche Philo die Mutter der Gerechtigkeit nennt®, zu folgen. Durchweg erscheint die Gerechtigkeit also im Rahmen des Schemas der vier Kardinaltugenden, das Philo, wie ein Blick in LEISEGANGS Indices s. ν. δικαιοσύνη erweist, unermüdlich variiert, δικαιοσύνη wohnt in der Seele des Menschen4 und folgt in ihrem Tätigsein nur dem Walten Gottes, der in seinem Gesetz und in der maßvoll geordneten Schöpfung der ίσότης ewigen Ausdruck verliehen hat5. Wenn Philo Gott selbst den δίκαιος nennt®, so meint er damit den in unerreichbarer und unerreichter Billigkeit waltenden Herrn der Welt. Auch Gottes Verhalten kann Philo daher mit Hilfe des Tugendschemas interpretieren. Dies zeigt die einzige Stelle, an der Philo thematisch von Gottes Gerechtigkeit spricht, Deuslmm. 79'. Für die ganze Welt, besonders aber die Sterblichen, bleiben επιστήμη Seoö καί σοφία καί φρόνησις και δικαιοσύνη καί των άλλων έκάστη άρετών unfaßbar. Daß hier ein Jude spricht, zeigt nur der Kontext. Er spricht von Gottes Schöpfergröße und in einer dem Griechen unfaßlichen Weise davon, daß Gottes Barmherzigkeit seine Gerechtigkeit noch übertrifft: πρεσβύτερος γάρ δίκης τό ελεος παρ' αύτω έστιν8. Wie sehr aber Gottes Gerechtigkeit gerade in dieser Unterscheidung von Gerechtigkeit und Erbarmen Gottes griechisch aufgefaßt wird, zeigt Somn. II 224, wo statt von Gottes δικαιοσύνη vom δίκαιον die Rede ist, welches Gottes Wesen nicht widerspricht. Interessant ist schließlich eine letzte Stelle, auf die G. SCHRENK im Theologischen Wörterbuch besonders hingewiesen hat®, Vit. Mos. II 237I Gott der gnädige Schöpfer garantiert in einem Rechtsfall allein die ενδειξις άληδείας καί δικαιοσύνη?. C. COLPE, Artikel: Philo v o n Alexandria, R G G 3 V 345. Spec. Leg. I V 136-238. 3 A . a . O . 231.238; Leg. Gaj. 85 ist die Ισότηΐ die π η γ ή δικαιοσύνη; Rer. Div. Her. 163 ihre τ ρ ο φ ό ς . 4 Spec. Leg. I V 141. 5 A . a . O . 143.179.2350. 6 Zum Beispiel Ebr. i n Vit. Mos. II 279 Virt. 91. 7 LEISEGANG zitiert diese Stelle in seinen Indices s. ν. δικαιοσύνη fälschlich „ I 7 4 · Ι 3 " . s t a t t richtig: „ I I 74,13". 8 D e u s Imm. 76. 9 Art. δικαιοσύνη S. 196,20ft. 1

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δικαιοσύνη erscheint hier also gegenüber Gott und Mensch ebenso verselbständigt, wie wir es im griechischen Denkbereich angetroffen haben. Philo eint diese Gerechtigkeitsauffassung mit der von einer menschlichen Rechtlichkeit dadurch, daß er, wie unter allen Tugenden1, so auch unter der Gerechtigkeit eine δύναμις versteht, in ihr also eine Begabung sieht, deren Geber wohl Gott selbst, deren Maßstab Gott aber nur noch indirekt ist. So erklärt sich denn auch die auf den ersten Blick seltsame Reihe aus Spec. Leg. IV 170 : φρόνησις, δύναμη, δικαιοσύνη, θεοσέβεια2. So sehr Philo damit die Einheit seines kosmologischen Denkens zu wahren vermag, so deutlich wird daran auch, wie weit entfernt er vom paulinischen Begriff der Gerechtigkeit Gottes ist. Philo und Paulus sind in ihrer Gerechtigkeitsauffassung durch Welten getrennt3. 2. Josephus

Auch bei Josephus erscheint δικαιοσύνη verhältnismäßig selten und durchweg im Rahmen der Tugendlehre4. Besonders schön ist dies Ant. VI 160 zu sehen, wo Josephus es das κάλλος τη ç ψυχή s nennt, in ευσεβείς* και δικαιοσύνη καί άνδρεί«? dazustehen; oder wenn er von Johannes dem Täufer sagt : κτείνει y à p δή τούτον ' Ηρώδη ç àyaSòv άνδρα και T O Ï Ç ' Iουδαί01 ς κελεύοντα άρετήν έττασκοΟσιν και τα πρός άλλήλους δικαιοσύνη καί πρός τον 3εόν ευσεβείς χρωμένοις βατττισμω σννιέναι®. Mit Gerechtigkeit wird also das Wohlverhalten von Personen zueinander und insofern eine menschliche Eigenschaft bezeichnet. Das ist auch Ant. X 120 der Fall, wo δικαιοσύνη in einer zunächst jüdisch anmutenden Weise mit χρηστότης parallel gesetzt wird. Ein einziges Mal spricht Josephus (unterminologisch) von Gottes Gerechtigkeit®. Josephus illustriert hier die Gültigkeit des Sprichwortes „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" am Schicksal des Aman nach Esth. 7, der schließlich selbst an das von ihm für Mardochai errichtete Kreuz geschlagen wird. Josephus bemerkt dazu: δ3εν έττέρχεταί μοι τό •θείον .θαυμάζειν και την σοφίαν αύτοϋ καί δικαιοσύνην μαν3άνειν. Gerechtigkeit Gottes ist also deutlich eine Eigenschaft Gottes, und zwar seine Rechtlichkeit. Eine δικαιοσύνη 3εου im Sinne des Paulus kennt Josephus nicht. Der Begriff taucht nur auf, wo das griechische Rechtsdenken durchbrochen oder gar unbekannt ist. Ansätze dazu zeigen sich in der Septuaginta. 1

Vgl. Spec Leg. I I 16: Vgl. ferner Vit. Mos. I 50, wo vom δίκαιον als einer δύναμις άκαθαίρετοί die Rede ist. 3 Deutlich wird dies auch durch die Ausführungen von M. POHLENZ zum Gerechtigkeitsbegriff Philos (Philon von Alexandreia, N A G phil. hist. Kl. 1942, 5 S. 468f.). 4 Vgl. die von THACKERAY in seinem Josephus-Lexikon S. 178 f. (in Auswahl) angeführten Stellen. 5 Ant. X V I I I 1 1 7 . e Ant. X I 267 (nicht: 268, wie SCHLATTER, Wie sprach Josephus von Gott, BFChrTh 14,1 [1910] S. 55 meint). 2

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3. Septuaginta Abgesehen von A. DESCAMPS' Studie über „ L a Justice de Dieu dans la Bible Grecque" 1 , fehlen Arbeiten zum Gerechtigkeitsproblem in der Septuaginta völlig 2 . Wir müssen uns methodisch also unseren eigenen Weg bahnen. Auszugehen ist davon, daß die Septuaginta eine Übersetzung sein will, daß sie aber den alttestamentlichen Stoff in den griechischen Sprachraum hineinträgt und daß der Kanon der Septuaginta über den des hebräischen Alten Testamentes hinausgeht. Für den Gang der Untersuchung heißt das : E s ist auszugehen von den alttestamentlichen Stellen, welche von Gottes Gerechtigkeit sprechen und zu prüfen, wie die Septuaginta in der Übersetzung dieser Stellen verfährt. E s ist dann umgekehrt zu fragen, welche Stellen abweichend vom masoretischen Text von Gottes Gerechtigkeit sprechen und wie die Differenz sich jeweils erklärt. Schließlich ist dann auf die Belege einzugehen, welche die Septuaginta allein bietet. Die Psalmen Salomos behandeln wir zusammen mit dem rabbinischen Belegmaterial. Das schwierige Problem des Verbums δικαιοϋν/δικαιοϋσ3αι klammern wir aus®. Wir beschränken uns also im folgenden auf Aussagen über Gottes Gerechtigkeit. a) Gerechtigkeit Gottes als Übertragung von (n)plS Vom Alten Testament her betrachtet, müssen folgende Stellen unbedingt zur Sprache kommen: Dt. 33,21; Ri. 5,11; 2.Chr. 12,6; Ps. 4,2; 5,9; 7,8.18; 9,9; 17,1; 22,32; 31,2; 35,24.28; 36,2.11; 40,10.11; 48,11; 50,6; 51,16; 65,6; 69,28; 71,2.15.16.19.24; 72,1; 88,13; 89,15.17; 96,13; 97,2.6; 98,2.9; 99,4; 103,6.17; 111,3; 116,5; 119,40-106.123.138.142.160.164; 143,1.11; 145,7; Hi. 37,23; Hos. 2,21; 10,12; Mich. 6,5; 7,9; Sach. 8,8; Jes. 5,16; 11,4.5; 41,10; 42,6.21; 45,13.19.23.24; 46,13; 51,1.5.6.8; 56,1; 58,8; 59,16.17; 62,2; 63,1; Jer. 9,23; 11,20; 23,6; 33,15.16; Dan. 9,7.16. Auffällig ist, wie wörtlich die Septuaginta an den meisten Stellen (n)pTS mit δικαιοσύνη übersetzt. Dabei gewinnt δικαιοσύνη an vielen Stellen einen ausgesprochen heilschaffenden Charakter 4 . Vom hebräischen Text weicht die Übersetzung a b : Dt. 33,21; Ri. 5,11; i . K ö n . 12,7; Ps. 102,6 ( L X X ) ; 1 Stud. Hellen. 5 (1948) S. 69-92; DESCAMPS möchte durchweg eine a k u t e Hellenisierung der Aussagen in der Septuaginta annehmen. 2 Zu erwähnen ist vor allem noch neben dem kurzen A b s c h n i t t bei SCHRENK A r t . δικαιοσύνη S. 197t. C. H . DODDS Ubersicht in „ T h e Bible and the G r e e k s " , L o n d o n 2. Aufl. 1954, S. 42-75. DODD betont, vorsichtiger als DESCAMPS, daß die Septuaginta den Vollsinn des alttestamentlichen Gerechtigkeitsbegriffes nicht mehr zu bewahren vermag. 3 Ich hoffe, die Untersuchung über das V e r b u m , auf die ich in der vorliegenden Arbeit bis auf die Skizze S. 2.17 ft. a u s arbeitstechnischen Gründen verzichten mußte, einmal nachtragen zu können. 4 Hierher gehören zum mindesten ψ 4,2; 5,9; 30,2; 4 7 , 1 1 ; 70,2; 70,15; 118,40; 1 4 2 , 1 . 1 1 ; Is. 46,13; 51,5 und D a n . 9,I6(?).

Gerechtigkeit Gottes im hellenistischen Judentum

Hi. 37,23; Is. 11,4; 41,10; 42,21; 56,1; 59,16; Jer. 23,6 und Dan. 9,16; Hi. 37,23 muß wegen des schwierigen Textbefundes ausscheiden. Dt. 33,21 ist die einzige Stelle im hebräischen Alten Testament, welche singularisch und terminologisch von rrjrr Hj?"jS spricht. Septuaginta übersetzt aber: Π6>» m?r nplS mit δικαιοσύνην κύριος έττοίησεν. Hat sie den hebräischen Ausdruck also nicht verstanden? Unsere These, daß Septuaginta Π1ΓΡ n p l S pluralisch (und damit richtig) verstanden, also als nj?TS ΓψΡ gelesen und dies wiederzugeben versucht hat, müssen wir unten näher begründen1. Sollte dies richtig sein, dann beweist die Septuagintaübersetzung von Dt. 33,21 nur, daß die Septuaginta den pluralischen term, techn. ΠΐΓΡ n1p7? nicht mehr als solchen verstanden und deshalb ΠΙΓΓ· zum Subjekt des kleinen Satzes gemacht hat. Ri. 5,11 zeigt denselben Vorgang. Auch hier versteht Septuaginta die alttestamentliche Redeweise von den heilschaffenden Rechtstaten Jahwes nicht mehr2. Der hebräische Urtext spricht von der Verkündigung der ΠΐίΡ nljnx. Septuaginta aber übersetzt: δώσουσιν δικαιοσύνας κυρίω (Vaticanus), oder δώσουσιν δικαιοσύνην κυρίω (Alexandrinus). Der hebräische Plural wird also vom Alexandrinus zu einem griechischen Singular zusammengezogen. Der gesamte Ausdruck ist, wie Bar. 2,18 beweist, eine Analogiebildung zu den Redewendungen: δίκην διδόναι oder χάριν διδόναι und einfach mit δικαιοϋν gleichzusetzen. Nach der Absicht der Septuaginta geht es also darum, daß Gott Recht bekommt3! Jes. 11,4 spricht vom Gericht des messianischen Königs über die Schwachen ¡7TX3. Septuaginta betont den Rechtscharakter des Aktes und übersetzt: κρινεϊ τοπτεινω κρίσιν. Jes. 41,10 übersetzt Septuaginta den typisch hebräischen Ausdruck von Jahwes heilerfüllter rechter Hand: 'pnx pa1·, gut griechisch, mit ή δεξιά ή δικαία μου. Jes. 42,21 überträgt Septuaginta das von Jahwe ausgesagte lpnx wiederum doxologisch mit ίνα δικαιωθη. Jes. 56,1 gibt sie 'npTt mit τό σωτήριόν μου wieder. Anscheinend will sie den Textsinn präzisieren und verzichtet daher auf δικαιοσύνη. Jes. 59,16 wiederholt sich dieser Deutungsversuch, indem ITlpTt mit ελεημοσύνη wiedergegeben wird (ebenso Ps. 103,6 und Dan. 9,16 Theodotion). Schließlich ist Jer. 23,6 der hebräische Bekenntnisname l î j n x ΠΊΓΡ zu κύριος Ίωσέδεκ erstarrt. Aus dieser Übersicht, die nur für Ps. 103,6; Jes. 11,4; 56,1; 59,16 (und Dan. 9,16 Theodotion) eine Differenzierung gegenüber dem hebräischen Begriff ergab, während Ri. 5,11; Jes. 42,21 doxologisch aufzufassen sind, läßt 1 S. 144 f. Septuaginta gibt auch an anderen Stellen Π1ΓΡ fllpTt nur ungenau wieder: 1. Sam. 12,7 übersetzt sie: ή πάσα δικαιοσύνη κυρίου Mi. 6,5: ή δικαιοσύνη του κυρίου Ps. 103,6 ποιών έλεημοσύνας ό κύριος Dan. 9,16 wird der Ausdruck von Septuaginta mit ή δικαιοσύνη σου übersetzt, von Theodotion mit πδσα έλίημοσύνη σου. Die Stelle zeigt deutlich, wie δικαιοσύνη zwischen den Bedeutungen „Rechtlichkeit" und „Barmherzigkeit" hin- und herpendelt. 3 Vgl. das δικαιοϋν τόν κύριον in den Salomonischen Psalmen. 2

IIO

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sich mit Sicherheit nur zweierlei erschließen : Daß ΓΙ1ΓΡ npnx bzw. der Plural ΠΐίΡ nip!? für Septuaginta nicht mehr als term, techn. erkennbar und folglich schwer zu übersetzen war, und daß die Ubersetzer vor dem Problem standen, den griechischen Begriff δικαιοσύνη für einen Sachverhalt einsetzen zu müssen, der offensichtlich über das bisher von ihnen (hellenistisch) mit δικαιοσύνη bezeichnete Phänomen der aequitas hinausging. So sehr dabei der griechische Begriff dem hebräischen Phänomen angenähert wurde, völlig assimilieren ließ sich δικαιοσύνη nicht. Daher weichen die (verschiedenen !) Ubersetzer z.T. aus in analoge Vorstellungen, welche auch geeignet waren, ihren hellenistischen Hörern den Sinn der alttestamentlichen Stellen zu verdeutlichen. Hauptschwierigkeit bei der Übersetzung war augenscheinlich die Wiedergabe des (dem Hellenisten unbekannten) heilschaffenden (also gerade nicht im hellenistischen Sinne „unparteilichen") Rechtsaktes. b) Gerechtigkeit Gottes als Übertragung anderer Wurzeln

Sechsmal setzt Septuaginta im Bereich des alttestamentlichen Kanons δικαιοσύνη für andere Begriffe als (n)pnx ein: Gen. 19,19; Mal. 2,17; Jes. 38,19; 63,7; Dan. 9,9.13. Gen. 19,19 steht ή δικαιοσύνη σου für "pon; δικαιοσύνη ist also ein Begriff der Güte, was auch der Kontext eindeutig zeigt. Mal. 2,17 dagegen, wo tffltfan Tl'jX übersetzt wird mit ó Seôç δικαιοσύνης, wird gerade die Rechtlichkeit Gottes betont sein. Jes. 38,19 kann man bei der Übertragung ηηηκ = ή δικαιοσύνη σου ebenso an die griechisch gedachte Unwandelbarkeit des Gottesrechtes wie an die treue Verläßlichkeit im jüdischen Sinne denken. Jes. 63,7 steht eindeutig wieder die Frage der Güte Gottes im Hintergrund, wenn rion Dl mit τό ττλήάος τήξ δικαιοσύνης αύτοϋ übersetzt wird. Dan. 9,9 ist δικαιοσύνη Äquivalent für D'arn ; freilich war die Wiedergabe von mrf?oni trarnn irrrt>X "ΉΧ1? mit τ ω κυρ{φ ή δικαιοσύνη και τό ελεος für die Hörer wieder doppelsinnig. Dan. 9,13 ist die Übersetzung von "|ΠΏΧ durch ή δικαιοσύνη σου genau Jes. 38,19 analog, nur daß der Kontext mehr für Gottes gute Verläßlichkeit spricht. Damit hat sich unser Eindruck verstärkt : Der Begriff der Gerechtigkeit Gottes steht nach dem Verständnis der Septuaginta genau mitten zwischen den beiden Sprachbereichen. Es ist - in der Mehrzahl der Fälle - eine Hinwendung des griechischen Begriffes zum alttestamentlichen oder wenigstens spätjüdischen Verständnis der Gerechtigkeit als eines helfenden, treuen Verhaltens zu bemerken. Diesen Fällen treten nur wenige andere zur Seite, in denen δικαιοσύνη ebensogut den klassisch griechischen Sinn haben kann und ihn sogar durch Interpretation ausdrücklich zuerteilt bekommt. Was den Begriff der Gottesgerechtigkeit anbelangt, kann man also in der Septuaginta tatsächlich von einer „schillernden Doppelbedeutung" ( L I E T Z MANN) sprechen. Ausschlaggebend für das Verständnis in der einen oder

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III

der anderen Richtung scheint öfters die Gewöhnung der Hörer gewesen zu sein1. c) Gerechtigkeit Gottes in den selbständigen Schriften der

Septuaginta

Die Belege sind recht spärlich. Es handelt sich nur um folgende Stellen : Tob. 13,7; Sap. Sal. 12,16; Sir. 16,22 und Bar. 1,15; 2,6.18; 5,9. Das bereits gewonnene Bild wird durch sie nicht verändert. Tob. 13,7 heißt es in einem Lobgesang: ευλογήσατε τον κύριον της δικαιοσύνης, δικαιοσύνη ist dem Kontext zufolge heilspendendes Verhalten Gottes. Sap. Sal. 12,16 wird von Gott gesagt, ή y à p Ισχύς σου δικαιοσύνης άρχή,und damit die δικαιοσύνη als Macht Gottes bezeichnet. Hier zeigt aber V. 15, daß man unter δικαιοσύνη die Eigenschaft der göttlichen Unparteilichkeit zu sehen hat2. Sir. 16,22 wird in einer Gerichtstheophanie von den unaussprechlichen i p y a δικαιοσύνης Gottes gesprochen. Dies sind ursprünglich, wie der Begriff ίψΤΧΠ in den Hodajoth beweist3, die Schöpfertaten des Allmächtigen. Hier wird darunter Gottes Richterhandeln zu verstehen sein. Wieder schwankt die Ubersetzung zwischen einer griechischen und einer jüdischen Sinngebung und kann je nach dem Verständnis der Hörer so oder so aufgenommen worden sein. Bar. 1,15 und 2,6 handelt es sich tun die gleiche liturgische Tradition eines Bußgebetes, wie wir sie in hebräischer Form in Dan. 9 u. ö. vor uns haben. Die beiden Stellen entsprechen dabei genau Dan. 9,7. Der griechische Hörer kann in den Worten: τ φ κυρ {ω 3εω ήμών ή δικαιοσύνη, ήμϊν δέ αισχύνη των προσώπων kaum etwas anderes vernommen haben, als eine Anerkenntnis von Gottes unbestechlicher Richtergröße, die aber nach 2,9 das Moment der Treue Gottes zu seiner Verheißung einschließt. Nur so ist es verständlich, daß 2,18, in einem noch zum Bußgebet gehörigen Vers, Gottes Handeln als gerecht anerkannt und Gott so - exhomologisch und analog dem Sprachgebrauch von Ri. 5,11 - die Ehre gegeben wird: οΐ οφθαλμοί... και ή ψυχή ... δώσουσίν 1 Zum gleichen Ergebnis wie wir kommt M. J. F I E D L E R (Der Begriff δικαιοσύνη im Matthäusevangelium auf seine Grundlagen untersucht. Diss, theol. Halle-Wittenberg 1957 [Masch.]). Er untersucht den δικαιοσύνη-Gebrauch der Übersetzungsschriften der Septuaginta allgemein und stellt fest: „Die Antwort auf die Frage, ob die alttestamentliche sedaqa durch die griechische Übersetzung einen Bedeutungswandel durchmache, kann generell nur negativ ausfallen. Daß hier und da leichte Akzentverschiebungen, gelegentlich wohl auch Umprägungen unterlaufen, soll dieses Urteil keineswegs in Abrede stellen. Dennoch ist es geradezu erstaunlich, wie wenig echt griechisches Gut die Übersetzer des Alten Testaments bei der Verwendung des so typisch griechischen Begriffes δικαιοσύνη für die alttestamentlichen Begriffe sädäq und sedaqa übernommen haben. Die δικαιοσύνη der L X X bleibt im Ganzen das, was die alttestamentliche sedaqa war : Trägerin einer höchst komplizierten und komplexen Vorstellungsreihe, die ganz und gar dem Glauben Israels an Jahwe und der Verwirklichung dieses Glaubens im menschlichen Leben zugeordnet und verbunden ist" (S. 54). 2 Zur Gerechtigkeitslehre der Sap. Sal. und des gesamten hellenistischen Spätjudentums vgl. die Untersuchung von P. D A L B E R T , Die Theologie der hellenistisch-jüdischen Missionsliteratur unter Ausschluß von Philo und Josephus, ThF 4, Hamburg-Volksdorf 1954, S. 7ofif. u.ö. 3 Vgl. i QH 1,6.26; 4,31 u.ö.

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σοι δόξαν και δικαιοσύνην κύριε. 5,9 schließlich ist Gott Geber von δικαιοσύνη und ελεημοσύνη. Nach 4,13 und 5,4 begründen und ermöglichen diese Heilserweise Gottes den rechten Wandel seines Volkes. Entsprechend wird 5,2 Jerusalem aufgefordert, den Mantel της π α ρ ά τ ο υ -δεοϋ δικαιοσύνη s anzulegen, womit wiederum nicht nur Gottes Gabe, sondern zugleich Gottes Forderung und deshalb das sich im Wandel realisierende Gerechtsein, das der Gottesgabe entspricht, gemeint ist. Unsere Stellen zeigen nochmals den bekannten Vorgang: Teilweise wird der griechische Begriff in seiner Bedeutungssphäre belassen, teilweise aber auch aus ihr herausgenommen und judaisiert. Es trifft also für den schmalen Sektor der Aussagen über Gottes Gerechtigkeit keineswegs zu, daß die Septuaginta durchweg den jüdischen Rechtsgedanken hellenisiert hätte (DESCAMPS). Vielmehr erweist das alttestamentlich-jüdische Traditionsmaterial eine erstaunliche Assimilationskraft. Mit der Septuaginta wird das Spätjudentum also tatsächlich ein sich ebenso vom palästinischen Mutterland wie von seiner hellenistischen Umwelt abhebendes, selbständiges Sprachphänomen 1 . Der Gegenstand der Septuaginta schafft sich eine neue Terminologie und damit beim Hörer ein eigenes Verständnis 8 . Im Blick auf Paulus ist eines noch besonders hinzuzufügen : Septuaginta ist nicht Ursprung des Begriffes δικαιοσύνη 3εο0. Sie gebraucht und kennt diesen terminus nicht, δικαιοσύνη TOÖ κυρίου kommt nur gelegentlich und dann unterminologisch vor 3 . Die Septuaginta differenziert aber durchaus zwischen Gottes eigener und der vom Menschen selbst erworbenen oder von Gott verliehenen Gerechtigkeit. Die Genetiwerbindung δικαιοσύνη τ ο υ κυρίου bezeichnet stets Gottes eigenes Rechtsverhalten; für Gerechtigkeit vor oder von Gott her heißt es, sprachlich exakt, δικαιοσύνη ένώπιον 3εοΰ (Tob. 13,8) oder ή π α ρ ά τ ο υ Seoö δικαιοσύνη (Bar. 5.2.9)· Vom Sprachgefühl des hellenistischen Judentums der Septuaginta her wäre es also ganz unmotiviert, δικαιοσύνη 3εο0 bei Paulus mit „Gerechtigkeit von Gott her" oder „Gerechtigkeit vor Gott' zu übersetzen. 1 Vgl. P. K A T Z , Artikel: Septuaginta-Forschung, R G G 3 V 1704-1707, bes. 1706, und G. B E R T R A M , Artikel: Septuaginta-Frömmigkeit, R G G 3 V 1707-1709. 2 Man kann dieses Ergebnis auch noch statistisch untermauern. Von den bei H A T C H R E D P A T H S . ν. δικαιοσύνη aufgeführten 304 Stellen sind 8 textlich unsicher und 53 haben kein hebräisches Äquivalent. Bei den restlichen Stellen tritt 2i8mal δικαιοσύνη für die Wurzel p T t ein, gmal für "ΤΟΠ, 8mal für DBtPö, 6mal für ΠΒΧ und je imal für 11t, 31Ö, pta, ΟΉ^'Η, jrpa, "TIS, Tatort und Ο1»«, δικαιοσύνη ist also vorwiegend Übersetzungsterminus ! Das spezifisch griechische Wort 6{κη tritt dafür in der Septuaginta ganz zurück. Völlig kann freilich auch die Septuaginta nicht aus dem griechischen Rechtsdenken ausbrechen. Das zeigt sich in der Übersetzung, welche sie den alttestamentlichen, „synthetischen" Rechtsaussagen angedeihen läßt, vgl. K L . K O C H , Vergeltungsdogma S. 37ft. Freilich ist gerade K O C H S abschließende These: „Hier, in der Septuaginta wird die Religion in Rechtsbegriffe gefaßt, nicht schon im Alten Testament" (S. 39), so einseitig formuliert, daß ich sie in dieser Form nicht als richtig akzeptieren kann. Das ganze alttestamentliche Denken vom Bund ist ein Rechtsdenken, nur eben kein griechisches I 3 i . R e g . 12,7; ψ 7,i8; 30,2.

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I I I . Gerechtigkeit Gottes im Alten Testament Für die Erhellung der Traditionsgeschichte der paulinischen Formel δικαιοσύνη 3εοΰ ist es entscheidend zu wissen, wie im Alten Testament von Gottes Gerechtigkeit gesprochen und gedacht worden ist. Nur unter diesem Aspekt gehen wir im folgenden an das alttestamentliche Stellenmaterial heran. Terminologisch ist im Alten Testament von Gottes Gerechtigkeit nur an einer einzigen Stelle die Rede: Dt. 3 3 , 2 1 . Auf diese Stelle konzentriert sich naturgemäß unser Hauptinteresse. Von Gottes Gerechtigkeit ist unterminologisch jedoch an einer Fülle von Stellen die Rede. Dieses Material ist darum mitzuberücksichtigen. Die gegenwärtige Forschungslage zum alttestamentüchen Begriff der (n)p-ra erlaubt jedoch nicht, das genannte Stellenmaterial einfach exegetisch durchzugehen und abschließend ein Ergebnis zu suchen. Wir geben darum im wesentlichen nur einen kritischen Literaturbericht. Zu Dt. 3 3 , 2 1 allerdings müssen wir eine eigene Exegese wagen. Die bereits oben (S. 46ff.) eingefügte Übersicht über die alttestamentliche Begriffsforschung zum Phänomen (n)pTS kann uns nun dienen, die offenen Probleme zu fixieren. Ausgangspunkt aller weiteren Diskussion kann das Résumé sein, welches KLAUS KOCH in seiner Dissertation über „ S d q im Alten Testament" gibt. Da diese Dissertation leider nur maschinenschriftlich vorhegt, geben wir KOCHS Zusammenfassung im Wortlaut, müssen aber zuvor noch ausführlicher, als es oben geschehen konnte, darlegen, wie KOCH ZU diesen seinen Ergebnissen gelangt ist. KOCH geht aus von einer gattungsgeschichtlichen Analyse der entscheidenden Stellen in den Psalmen. Es zeigt sich, daß besonders in den Pss. 96-99; 50; 48; 65 usw., die Aussagen über Jahwes (n)¡?TÍ verbunden sind mit einer Jahwetheophanie, ein Zusammenhang, der sich ebenso auch im Deboralied (Ri. 5) nachweisen läßt und sich bis ins Hiobbuch durchgehalten hat. Jahwes (n)pTÎ erscheint dabei jeweils als mächtige Wesenheit, die Segen- und Gedeihen-stiftend erfahren wird. Die Theophanie hat ihren kultischen Sitz im Leben wahrscheinlich im israelitischen Herbstfest gehabt. Relativ unabhängig von dieser kultischen Begehung erscheinen die Gerechtigkeitsaussagen im weisheitlichen Denken. Auch hier aber meint (H)pnX eine segenstiftende Wesenheit, die sich in dreifacher Weise als raumgreifender Bereich erstreckt: a) sie ermöglicht Sittlichkeit, b) Wohlstand und gewährt c) Schutz vor äußeren Feinden. Es nimmt daher nicht wunder, daß Aussagen über Jahwes Gerechtigkeit auch im Bereich des Heiligen Krieges auftauchen, hier terminologisch zu der Redeweise von den Π1ΓΡ lïipjTS verfestigt. Bedenkt man den segenstiftenden und in seinen drei heilstiftenden Erstreckungen auf die Schöpfung bezogenen Begriff (n)¡?1X, bedenkt man ferner, daß für den Israeliten, wie PEDERSEN und FAHLGREN gezeigt haben, die Familien-, Stammes- und Bundesgemeinschaft der Ort war, an dem und innerhalb dessen das Leben gelebt und Segen wie Unheil erfahren wurden, so wird man auch den Begriff (n)p"7X auf die Gemeinschaft beziehen und ihn definieren müssen als diese Gemeinschaft stiftende und erhaltende „Gemeinschaftstreue". Diese weite, alle israelitischen Lebensbereiche umgreifende Wirkung und Wirklichkeit von (n)j?"TX muß man beachten, wenn man sich den Stellen zuwendet, an denen (n)pTt und das zugehörige Verbum pnx im juristischen Bereich auftauchen. Es kann sich bei diesen Aussagen nur um einen Ausschnitt aus der von der 8 8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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(n)p"I3 beherrschten gemeinschaftlichen Gesamtwirklichkeit handeln. Daß aber auch der juristische Bereich von (n)plS-Aussagen durchzogen wird, nimmt nicht wunder, wenn man bedenkt, in welchem Maße gerade der Rechtsprechung im Alten Testament die Funktion zukommt, den Friedensstand der Gemeinschaft zu wahren. Dies gilt besonders, wenn Jahwe als Richter fungiert: „ G o t t verhilft im Herbstfest der Erde zu ihrem Recht und den auf ihr wohnenden Menschen, indem er die Frevler vernichtet und damit Fruchtbarkeit und Sittlichkeit ermöglicht. Daß Jahwe die E r d e richtet, ist sinngleich der Aussage Ps. 96,10, daß er sie 'befestigt*. - Jahwes Richten ist sein helfendes, richtendes Eingreifen für die Völker auch in Jes. 51,5 . . . E s ergibt sich also, daß zwar Jahwes Richten am Herbstfest, nie aber sein 'Richten in Sädhäq' auch als verurteilend und richtend verstanden wurde. Jahwes Heilstat und Heilsgabe ist nur die eine, dem gemeinschaftstreuen Volke zugewandte Seite seines Richtertums. Die andere Seite, die Verurteilung der Frevler, kann gelegentlich durch shft gekennzeichnet werden, sie ist aber jener ersten nicht gleichgeordnet. Nicht ein unparteiischer Ausgleich ist das Ziel des Gerichtshandelns Gottes, - die Bestrafung der Frevler ist nur Mittel zum Zweck, - sondern die Errichtung des Heiles der Gemeinschaftstreuen. In Sädhäq handeln . . . heißt in den Bereich der Heilsgabe hineintreten, indem man das Objekt des Handelns zum Saddiq m a c h t . " 1 E s gilt aber auch, wenn menschliche Richter menschliche Streitigkeiten schlichten: „Nach Jahwes Willen ist es Aufgabe der Richter . . . , denjenigen, der sich keines Gemeinschaftsbruches schuldig gemacht hat, als gemeinschaftstreu herauszustellen und ihm seinen gebührenden Platz in der Gemeinschaft wieder öffentlich zuzuerkennen. W o es zu einem Rechtsverfahren kommt, wird vorausgesetzt, daß ein Gemeinschaftsverhältnis gestört wurde. Ist der Angeklagte unschuldig, so ist dennoch die Gemeinschaft zwischen ihm und dem Kläger gebrochen, wobei in solchem Fall nach israelitischer Anschauung dieser der Störenfried ist, weil seine falsche Anklage Unfrieden gestiftet hat. F ü r den israelitischen Menschen, wie für den altorientalischen überhaupt, ist die öffentliche Anerkennung der ihm zukommenden Stellung in der Gesellschaft lebensnotwendig; wer in ein Gerichtsverfahren verwickelt ist, ist deshalb in seiner Existenz geschmälert. Das Gericht hat deshalb über beide Parteien zu urteilen. Wird der Angeklagte nicht als schuldig befunden, so wird der Kläger verurteilt (Dt. 19,15ft.; vgl. Codex Hammurabi §§ iff.; Ausnahmen werden ausdrücklich hervorgehoben: Nu. 5,31). In jedem Falle aber ist der zu Unrecht Geschädigte in seiner Gemeinschaftstreue herauszustellen." „Es geht niemals um ein absolut gesetztes Recht, dem Genüge getan werden muß. Noch sorgt man sich um die isolierten Rechte des Individuums. Der Begriff einer vergeltenden wie der einer ausgleichenden Gerechtigkeit sind unbekannt." 1 Bei der Frage der Art und Weise, in welcher Gott und die Richter (N)J?"TX in Geltung setzen, stößt KOCH auf die schon von FAHLGREN ins Auge gefaßte synthetische Lebensauffassung bzw. die, wie KOCH dies ausdrückt, „schicksalwirkende Tatsphäre". - So sehr sich bei einem Überblick über das gesamte alttestamentliche Stellenmaterial der Eindruck der Differenziertheit der (n)p"TX-Aussagen ergibt, so sehr auch Anzeichen dafür vorhanden sind, daß Israel nicht selbständig zu seiner Anschauung von der Gemeinschaftstreue (Jahwes und der Menschen) gekommen ist', so deutlich ist doch eins: daß all diese (Π)ρΠΧ-Aussagen und sogar die Sdq im AT, S. m f . Gemeinschaftstreue S. 77T. (Hervorhebungen bei KOCH). ' KOCH verweist Sdq im A T S. 64ft. und Gemeinschaftstreue S. 88 darauf, „daß das hebräische W o r t [sc. (i!)j?"7Ä] keine geistige Idee, sondern eine raumhaft-dingliche Sphäre meint, die eng verwandt ist mit dem, was im Altertum von Phönikien bis hinunter nach Südarabien über einen Gott Sydyk/Sadyk/Sädäq und in Ägypten von der Göttin Maat erzählt wird; immer handelt es sich um ein Wesen aus der Umgebung des höchsten Gottes, das für die Rechtschaflenheit unter den Menschen entscheidend ist". Darauf, daß auch für die israelitische Anschauung von (Π)ρΠΧ dieses vorderorientalische Denken maßgeblich war, könnten die vielleicht auf einen vorisraelitischen 1

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bewußt vom K u l t gelösten und in die Eschatologie transponierten Aussagen der Propheten über (Jahwes) (n)p"I2£ zurückweisen auf den israelitischen Kult, der für alle Lebensbereiche die Akzente setzte und als die eigentlich lebenerhaltende Macht in Israel erfahren wurde. - Wir können nun mit KOCH resumieren: „ i . Jahwes Sädhäq/Sedhaqa ist weder eine Eigenschaft noch ein bloßes Verhalten, sondern ein besonderes Wesen, welches in der Kultbegehung am Herbstfest dem Israeliten offenbar wird. 2. Sädhäq/Sedhaqa ist die Gegenwärtigkeit der Schöpfungstat des Gottkönigs Jahwe. Sie wird dem Menschen übereignet als ein Bereich, der Leben im eigentlichen Sinne möglich macht. 3. Dieser Bereich hat eine dreifache Erstreckung, ermöglicht Sittlichkeit wie Wohlstand und gibt Schutz vor äußeren Feinden. 4. Wirksam wird diese Heilstat und Heilsgabe erst dadurch, daß der Mensch sie durch eigene gemeinschaftstreue T a t Gott und Mensch gegenüber auf sich nimmt. 5. Zwischen T a t und Ergehen des Menschen besteht für den Israeliten ein unlösbarer Zusammenhang. Jede Guttat hat notwendig das Heil des Täters, jeder Frevel notwendig Unglück im Gefolge (synthetische Lebensauffassung). 6. Kehrt der Mensch zum Kultort zurück, wird er gefragt, ob und wie er Gemeinschaftstreue getan hat. Dabei läßt sich eine Mindestforderung des Vertrauens zu Jahwe von einer Höchstforderung der vollkommenen Gemeinschaftstreue unterscheiden. Weil Jahwe Richter ist, gibt er allein dem, der sich gemeinschaftstreu verhalten hat, aufs neue sein H e i l . " 1

Die These von der kultischen Verwurzelung der Aussagen über Jahwes Gerechtigkeit ist, soweit ich sehe, anerkannt worden2. Anerkannt ist auch, daß es sich bei Jahwes Gerechtigkeit stets um ein heilschaffendes Handeln Jahwes handelt8. Umstritten ist jedoch, ob und inwieweit es sich bei den von K O C H herausgestellten Phänomenen um genuin israelitische Aussagen und Denkformen handelt4. Von hier aus wäre das Problem der alttestamentlichen Gerechtigkeitsanschauung also neu aufzurollen. Wir können uns für unseren Zusammenhang im folgenden an zwei Hauptfragen halten, die sich zum Problem der Gottesgerechtigkeit insbesondere stellen : Ist es möglich, die Verwurzelung der Aussagen im alttestamentlichen Gottesdienst näher zu bestimmen und damit genaueres über Jahwes (n)p"TX auszusagen? Läßt sich die These von der kultischen Verwurzelung der (n)pTî Jahwes überhaupt von dem Material aus halten, welches seinen Sitz im Sädäq-Kult in Jerusalem hindeutenden theophoren Namen Adoni-sedek (vgl. Jos. 10,iff.) und Melchisedek (Ps. 110,4) hinweisen. Diese beiden Namen sind Bekenntnisaussagen und meinen: „Mein Herr (bzw. mein König) ist Zedek" (vgl. A. R. JOHNSON, Kingship, S. 32 ; MICHEL, Art. Μελχισεδέκ T h W b I V S. 573 Anm. ι ; E. KUTSCH, Artikel : Melchi-sedek, R G G 3 I V 843 als Möglichkeit; ähnlich auch H. H. ROWLEY, Melchizedek und Zadok, Festschrift für A. BERTHOLET, S. 465 Anm. 4). Es ist demnach nicht ausgeschlossen, daß auch ein vorisraelitischer Zedek-Kult die israelitischen Aussagen über (ïl)j?lX beeinflußt hat. 1 Sdq im A T , S. 122. 2 Vgl. G. v. RAD, Theol. I S. 369 ff. und Studien S. 2250.; H. J. KRAUS, Psalmen I/II passim; Α. WEISER, Die Psalmen, A T D 14/15, Göttingen 5. Aufl. 1959, S. 20.31 u. passim und „Glaube und Geschichte im Alten Testament" ( = Ges. Aufs.) S. 303s.; R. RENDTORFF, Der Kultus im Alten Testament, J L H 2 (1956) S. i8f. ; FR. HORST, Artikel: Gerechtigkeit Gottes im A T , 1403. s

V g l . G . v . R A D , a . a . O . ; H . J. KRAUS, a . a . O . ; F R . HORST, a . a . O . 1404; H . CAZEL-

LES, Justice de Dieu, S. 169fi. ; W. EICHRODT, Theologie des Alten Testaments, Bd. 1, Göttingen/Stuttgart 6. Aufl. 1959, S. 1550.; L. KÖHLER, Theologie des Alten Testaments, Tübingen 3. Aufl. 1953, S. i 6 f . ; WEISER, a.a.O. usw. * Siehe S. 48. 8·

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Leben jedenfalls nicht direkt im alttestamentlichen Kult gehabt hat? Wir werden dies versuchsweise an der prophetischen Literatur überprüfen. Ehe wir uns diesen Fragen zuwenden, ist kurz noch auf die Semasiologie des B e griffes (n)pTt einzugehen. Vor einer Überschätzung semasiologischer Argumente hat JAMES BARR in seinem Buch „The Semantics of Biblical Language" (1961) eindrücklich gewarnt 1 . Soviel aber wird sich sagen lassen, daß man aus einer Ubersicht über die Begriffe, mit denen (n)plX i Q synthetischem oder antithetischem Parallelismus zusammengestellt wird, das Recht der eben vorgeführten KocHschen These erweisen kann, daß nämlich (H)j?T£ und das Verbum ¡?"τχ nicht aus dem juristischen Denkbereich auf Jahwe übertragen worden sind 2 , sondern daß umgekehrt „die Begrifilichkeit des Gerichtsverfahrens . . . einer sehr viel weiter gefaßten Lebenswirklichkeit entsprungen (ist)"®. In positiver Relation zur Wurzel ρτχ stehen dabei zunächst am häufigsten Wortbildungen mit der Wurzel DEJttf. Das Substantiv DStfS steht zusammen mit : Dt. 1 6 , 1 8 ; Jes. 1 , 2 1 . 2 7 ; 5 , 7 . 1 6 ; 16,5; 26,9; 2 8 , 1 7 ; 3 2 . 1 1 6 ; 5 4 , 1 7 ; 56,1; 5 9 , 9 1 4 ; Jer. 1 2 , 1 ; 2 2 , 1 3 ; E z · 23,45; Am. 5,7.24; 6 , 1 2 ; Mi. 7,9; Hab. 1,4; Zeph. 3 , 5 ; Ps. 1,5; 9,5; 36,7; 3 7 . 6 - 3 ° ; 72.1-2; 9 4 , 1 5 (?); 99,4; 103,6; 106,3; 143.2; Hi. 8,3; 1 3 , 1 8 ; 2 9 , 1 4 ; 3 4 , 5 . 1 7 ; 3 5 , 2 ; 37,23; 40,8; Prov. 8,20; 1 2 , 5 ; 16,8; 18,5. Das Verbum DDItf und Verbalsubstantiv ΒΒφ stehen mit zusammen: Lev. 19,15; Dt. 1 , 1 6 ; 16,18; 25,1; x. Sam. 1 2 , 7 ; 2. Sam. 1 5 , 4 ; i.Kön. 8,32; Jes. 1,26; 11,4; 16,5; 43,26; 5 1 , 5 ; 59,4; Jer. 11,20; Ez. 23,45; Ps. 7 , 9 . 1 2 : 9 , 5 . 9 ; 35.24; 5 ° · 6 ; 51.6; 5 8 . 2 1 2 ; 82,3; 96,13; 98,9; Hi. 9 , 1 5 ; Prov. 8 , 1 6 ; 3 1 , 9 ; Pred. 3 , 1 7 ; 2.Chr. 6,23. Die formelhafte Redewendung ìlpìXl Ö98>0 und ihre Varianten finden sich: Gen. 1 8 , 1 9 ; 2.Sam. 8 , 1 5 ; i . K ö n . 10,9; Jes. 9,6; 33,5; Jer. 4 , 2 ; 9 , 2 3 ; 2 2 , 3 . 1 5 ; 2 3 , 5 ; 3 3 , 1 5 ; Hos. 2 , 2 1 ; Ez. 1 8 , 5 . 1 9 . 2 1 . 2 7 : 3 3 , 1 4 . 1 6 . 1 9 ; 45,9; Ps. 33,5; 89,15; 9 7 . 2 ; 99,4; 1 1 9 , 1 2 1 ; Spr. 1,3; 2,9; 2 1 , 3 ; Pred. 5 , 7 ; 1.Chr. 1 8 , 1 4 (— 2 . S a m . 8 , 1 5 ) ; 2.Chr. 9,8 ( = i . K ö n . 10,9). Der Häufigkeit nach sind an zweiter Stelle Zusammenstellungen mit Bildungen der Wurzel zu nennen: Gen. 15,6; Dt. 32,4; 1. Sam. 26,23; i . K ö n . 3,6; Jes. 1 , 2 1 . 2 6 ; 1 1 , 5 ; 26,2; 33,1:5; 43,9; 48,1; 59,4; Jer. 4,2; Ez. 18,9; Hos. 2 , 2 1 ; Hab. 2,4; Sach. 8,8; Ps. 1 5 , 2 ; 19,20; 4 0 , 1 1 ; 45,5; 8 5 , 1 1 . 1 2 ; 89,15; 9 6 , 1 3 ; 1 1 9 , 7 5 . 1 3 8 . 1 4 2 . 1 6 0 ; 1 4 3 , 1 ; Spr. 8,8; 1 1 , 1 8 ; 1 2 , 1 7 ; Neh. 9,33. Dann folgen Zusammenordnungen mit den Wurzeln -)#·> und ysK "ltf' steht mit ¡71X zusammen: Dt. 9,5; 3 2 , 4 ; Jes. 1 1 , 4 ; 26,7; 3 3 , 1 5 ; 4 5 , 1 3 . 1 9 ; Hos. 1 4 , 1 0 ; Ps. 9,9; 1 1 , 7 ; 3 2 , 1 1 ; 3 3 , 1 ; 3 6 , 1 1 ; 58,2; 6 4 , 1 1 ; 9 4 , 1 5 ; 9 7 , 1 1 ; 98,9; 99,4; 1 1 2 , 4 ; 1Ί·9·7·ίίΤ> 140.14; Hi. 8,6; Spr. 1 , 3 ; 2,9; 1 1 , 5 . 6 ; 1 6 , 1 3 ; 2 1 , 1 8 ; 29,27. attf' wird mit zusammengestellt: Jes. 4 5 , 8 . 2 1 ; 4 6 , 1 3 ; 5 1 , 1 . 6 ; 5 6 , 1 ; 5 9 , 1 7 ; 6 1 , 1 0 ; 6 2 , 1 ; 63,1; Jer. 3 3 , 1 6 ; Sach. 9,9; Ps. 4 0 , 1 1 ; 5 1 , 1 6 ; 65,6; 7 1 , 2 . 5 ; 98,2; 1 1 8 , 1 5 ; 1 1 9 , 1 2 3 . Zu nennen sind dann noch die Verbindungen mit der Wurzel ΤΟΠ: Jes. 5 7 , i ; Jer. 9,23; Hos. 2 , 2 1 ; 1 0 , 1 2 ; Ps. 33,5; 36,11; 40,11; 85,11; 8 9 , 1 5 ; 1 0 3 , 1 7 ; 1 4 1 , 5 ; 1 4 5 , 1 7 ; Spr. 2 1 , 2 1 . Außer Jes. 57,1 und Spr. 2 1 , 2 1 beziehen sich alle genannten Stellen auf ein Verhalten und eine Gabe Jahwes. Wenn H. J . STOEBE recht damit hat, daß „das Besondere des Theologumenon(s) von Gottes häsäd darin zu sehen (ist), daß Gott sich in bedingungsloser Freundlichkeit und Großherzigkeit dem Menschen zuwendet'*4, so zeigt gerade die Zusammenstellung von ΤΟΠ mit eindeutig, daß Jahwes (n)p12t ein heilschafiendes, den unmittelbaren forensischen Horizont weit transzendierendes Geschehen ist. E s folgt die Zusammenordnung mit 310 : i . S a m . 24,18; i . K ö n . 2 , 3 2 ; Jes. 3 , 1 0 ; Ps. 52,5; 145,7; Spr. 2,20; 11,10.23; 1 3 , 2 1 ; 1 4 , 1 9 ; Pred. 7,20; 9 , 2 ; schließlich die mit Dan: Gen. 6,9; Ps. 7,9; 1 5 , 2 ; Hi. 9,20; 1 2 , 4 ; 2 2 , 3 ; 2 7 , 5 ; 3 1 , 6 ;

Vgl. auch GESE, Weisheit, S. 44 Anm. 8. * So z.B. G. QUELL, Art. δικαιοσύνη ThWb II S. 1 7 7 , 3 f t . ; EICHRODT, a . a . O . S. 1 5 5 ; KÖHLER, a.a.O. S. 14t., 1 5 5 ! und neuerdings anscheinend wieder A. DÜNNER, Gerechtigkeit, passim. 3 Gemeinschaftstreue S. 77, vgl. Sdq im AT S. 76 und v. RAD, Theol. I S. 3 7 1 . 4 Die Bedeutung des Wortes HÄSÄD im Alten Testament, VT 2 (1952) S. 254. 1

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Spr. II,5 ; 13.6; 20,7. - In negativer Relation stehen mit ΡΤΧ zusammen vor allem die Wurzel 5JEh: Gen. 18,23.25; Ex. 9,27; 23,7; Dt. 9,5; 25,1; 2.Sam. 4,11; i . K ö n . 8,32; Jes. 3 , i o f . ; 5,23; 26,10; 5 4 , 1 7 ; E z . 13,22; 1 8 , 2 1 . 2 7 ; 20,8.9; 3 3 , 1 2 . 1 9 ; H a b . 1,4.13; P s . 1 , 5 . 6 ; 7,10;

ΧΙ,5; 34,22; 37,12.16.17.21.32;

45,8; 5 8 , 1 1 ; 68,4; 7 5 , 1 1 ; 94,21;

H i . 9,20; 1 0 , 1 5 ; 3 lesen am». Dies wollen sie „in all probablility" (sie !) als merhab bzw. merhabe gad = „the broad land(s) of Gad" interpretieren3. Doch bleibt dies gegenüber dem oben angegebenen masoretischen Text natürlich Vermutung. Der restliche Text von V. 20 ist (einigermaßen) verständlich: „Wie eine Löwin liegt er da und zerreißt Arm und Scheitel." V. 21 ist schwierig. Die ersten Worte lassen sich zur Not übersetzen: „Er ersah sich den Erstlingsanteil, denn dort war der Anteil des Anführers." Nun aber werden die Worte dunkel. Man liest am besten mit BH 3 statt: uni ]1S0 0» "•tflO unter bloßer Umstellung der Buchstaben: OB 'tím pBOXm und übersetzt dann den Text : „Als sich versammelten die Häupter des Volkes, setzte Einleitung4 S. 99: ähnlich kritisch: G. v. RAD, ATD 8, S. 146E. Κ. BUDDE, Der Segen Mose's (Deut. 33), Tübingen 1922, S. 40. 8 F. M. CROSS jr. und D. N. FREEDMAN, The Blessing of Moses, JBL 67 (1948) S. 66. 4 BUDDE verweist a.a.O. S. 42 auf GIESEBRECHT, ZAW 1887, S. 293 als den Urheber dieser Konjektur. 1

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er Jahwes Gemeinschaftstreue ins Werk und seine (sc. Jahwes) Rechtserweise gegenüber Israel." Mit WtfRl ist, wie die Kommentare zeigen, auf die Theorie von Num. 32 angespielt, nach der die beiden Stämme Gad und Ruben, nach eigener Landnahme im Ostjordanland, den anderen Stämmen vorauf zur Eroberung des Westjordanlandes aufgebrochen sind. Der Sitz im Leben unseres Spruches ist also der heilige Krieg. Von Num. 32,2 her erklärt sich dann auch am ungezwungensten die Versammlung der Stammesfürsten, bzw. der „Häupter des Volkes" 1 . Ist dies richtig, dann ist also auch binfe·· Dû VDDIPQl nfeSJ mir npnx Interpretation der Taten des Stammes Gad, wie sie in Num. 32 gesehen werden. ΠΊΓΓ njTTX und VDDtPa sind danach Umschreibungen für Jahwes Heilshandeln an Israel im Rahmen des heiligen Krieges. CAZELLES hat also recht, wenn er beide Ausdrücke hier positiv, d. h. als Heilserweise für Israel interpretieren will2. Gen. 20,9; 24,12 meint ja • 9 Π©57 auch ein helfendes Verhalten gegenüber jemandem. Das schließt natürlich nicht aus, daß dieffOBBJöJahwes und seine HpfX für seines Volkes Gegner vernichtende Ereignisse waren; auf die Widerfahrnisse der Gegner Israels reflektiert der Spruch nicht. Beachtet man, daß DBtfö ursprünglich die Rechtshilfe meint3, dann kann man DUBtfa mit Rechtserweisen, Rechtshilfen wiedergeben. Jahwe sorgt im heiligen Krieg dafür, daß Israel zu dem ihm von Gott zuerkannten (Bundes-) Recht gelangt und Äußerung dessen sind seine O'DDttfa. Dem hebräischen Parallelismus membrorum zufolge, sollte man nun den aus dem Denken des heiligen· Krieges vertrauten Plural ΠΙΠ"1 niplX erwarten (vgl. Ri. 5,ii) 4 . Es ist auch ohne weiteres möglich, ent1 So mit H . J U N K E R , Die H L . Schrift des A T I I 2 , Bonn 1 9 3 3 z. St. gg. B U D D E , a.a.O. S. 4 2 (der mit G I E S E B R E C H T in Q2 "MftO JIBOKIVI „ein Glossem" sehen möchte), G R E S S M A N N , Die Schriften des A T I 2 , Göttingen 1 9 1 4 z.St. (der anders konjiziert) und vor allem C R O S S - F R E E D M A N , a. a. O . S. 2 0 2 f. Sie meinen, die Worte 09 "»BfKI |1Β08ΓΜ (sie schließen sich also der GiESEBRECHTSchen Konjektur an) „are wholly out of context in the blessing of Gad, and must inevitably be connected with the almost identical phrase in 5". Die Schlußworte des Spruches wollen sie einer der jetzigen hymnischen Umrahmung der Sprüche vorangegangenen, ursprünglichen Einleitung zuweisen, „but the exact order of the parts cannot be determined". Beide literarischen Operationen scheinen mir nicht wirklich erforderlich zu sein. 2 Justice de Dieu, S. 173. 3 Vgl. H E R N T R I C H , Artikel κρίνω ThWb I I I S. 9 2 9 ; K Ö H L E R , Theol. 3 S. 1 4 . K Ö H L E R S S. 194 geäußerte Vermutung, wenn Jahwe Subjekt sei, müsse DBtfä eventuell mit „Forderung" (Gottes) übersetzt werden, bestätigt sich für unseren Text nicht. 4 Zur Verwurzelung von Ri. 5,11 im Heiligen Krieg, vgl. v. RAD, Der Heilige Krieg im alten Israel, Göttingen 3 . Aufl. 1 9 5 8 , S. 3 1 und A. W E I S E R , Das Deboralied, ZAW 7 1 (1959) S. 79f. - i.Sam. 12,7; Mi. 6,5; Dan. 9,16 und Ps. 103,6 sind unter den DlpÌX ΠΊΓΡ die Heilstaten, die Jahwe in der Geschichte Israels wirkt, zu verstehen (v. RAD, Theol. I S. 370 Anm. 7) ; sie wurden im Gottesdienst verkündet. Auffällig daran ist folgendes: Ri. 5,11 hat seinen Sitz im Leben im Heiligen Krieg. Dt. 3 3 , 2 1 , wie wir sehen, auch. Mi. 6,5 und i.Sam. 12,7 begegnet derselbe Begriff, aber nun im Bereich der Rechtsstreitvorstellung, und zwar erweitert und angewandt auf die entscheidenden Stationen der Heilsgeschichte Israels, die das Volk mißachtet hat. Ps. 103,6 wird der Begriff in einem nachexilischen Hymnus gebraucht und mit Niedrigkeitsschilderungen kontrastiert (V. 140.). Dan. 9,16 stammt eindeutig aus der Exhomologese, die zum Rechtsstreit hinzugehört. Diese Wanderung des Begriffes könnte anzeigen, daß sich

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gegen der masoretischen Punktation den Plural zu lesen. Dafür sprechen neben den genannten Begriffsparallelen (vgl. bes. Ps. 103,6!) die Targumim, die n w np"TX sämtlich pluralisch interpretieren. Es spricht aber auch die angeblich den Text völlig mißverstehende1 Septuagintaübersetzung dafür. Septuaginta übersetzt : δικαιοσύνηυ κύριος έποίησεν. Wie wir gesehen haben, übersetzt Septuaginta den hebräischen, ihr nicht mehr verständlichen Ausdruck fllip ΙϊφΠΧ öfters singularisch2. Besonders deutlich ist dies Mi. 6,5. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß auch die Septuaginta unseren Text pluralisch las und gerade deshalb singularisch übersetzt hat. Ebenso zieht sie ja auch im Nachsatz die n^DStfn zum singularischen και κρίσιν αύτοΟ zusammen. Das Mißverständnis der Septuaginta liegt also allein darin, daß sie die Wortfolge getrennt und Jahwe zum Subjekt eines kleinen selbständigen Satzes gemacht hat. Unser Text wäre also, und das ist für die Begriffsbestimmung entscheidend, pluralisch zu lesen und spricht von den Π VP nd'pix. Damit zeigt sich nun aber, daß das Alte Testament selbst den singularischen term, techn. „Gerechtigkeit Jahwes", welcher δικαιοσύνη SeoO entsprechen würde, nicht kennt. Die Frage ist nur, weshalb die Masoreten den Begriff mn1 npnx hier plötzlich singularisch punktiert haben. Die Gründe kann man nur vermuten: Entweder haben sie den uns in den apokalyptischen Texten entgegentretenden term, techn. gekannt und dementsprechend hier eintragen wollen. Das ist jedoch unwahrscheinlich, und es wäre theologisch befremdlich, daß sie dies nur an dieser einzigen Stelle im Alten Testament getan hätten. Wahrscheinlicher ist deshalb, daß sie den Singular Π1ΓΡ n¡?"7X als Abstraktum auffaßten3, also als klassifizierenden Begriff, welcher dem Plural im Grande entspricht4. In diesem Falle haben sie den auch ihnen bewußten ursprünglichen, von Jahwes eigenen Heilserweisen sprechenden Textsinn, ihrem gewandelten, d. h. reflektierten, Verständnis von nplX entsprechend, wiederzugeben versucht. Daß das Alte Testament in die Vorgeschichte des paulinischen Begriffes konstitutiv hineingehört, ist offensichtlich. Ursprung des paulinischen Denkens von der δικαιοσύνη Seoö ist es dagegen nicht5. Gerade die Interpretation von Dt. 33,21 hat aber nun ergeben, daß, wo von Gottes (n)p>TO singularisch-terminologisch gesprochen wird, hinter dem Begriff ein hohes Maß die Tradition vom Heiligen Krieg mit der Rechtsstreitvorstellung überlagert hat. Der Heilige Krieg ist also zur Geschichte der Rechtsstreitvorstellung mit hinzuzurechnen ( v g l . v . R A D , a . a . O . S . 63, BAUERNFEIND, A r t i k e l ΠΌΛΕΜΟΣ T h W b V I

S . 509. 5 I I F . ) .

Stellen wie 1 QM i i , i 4 f . und im Neuen Testament: Apk. 19,11 (vgl. dazu BADERNFEIND, a.a.O. S. 5i3f.) erhärten diese Vermutung. Vgl. ferner die Artikel: Krieg im A T , R G G 3 I V 6 4 - 6 5 v o n H . J . K R A U S u n d K r i e g i m N T , i b d . 6 5 - 6 6 v o n O . MICHEL. 1

S o BILLERBECK I I I S . 2gf.,

2

Siehe oben Anm. 2 S. 109.

SCHRENK, A r t . δ ι κ α ι ο σ ύ ν η S . 198 u . a . 8

Hinweis von H. GESE.

* V g l . GESENIUS-KAUTZSCH, G r a m m a t i k · 7 , § I 2 2 q . 5 Damit dürfte die immer wieder vertretene Auffassung, Paulus habe zur Entwicklung seiner Rechtfertigungslehre selbständig auf das Alte Testament, insbesondere auf Deuterojesaja, zurückgegriffen (so zuletzt J. JEREMIAS, Opfertod, S. 19f.), sich eine Korrektur gefallen lassen müssen. Die Qumrantexte machen dies ferner unwahrscheinlich.

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theologischer Reflexion bzw. Abstraktion steckt, Hp_1S will, wie es scheint, Abbreviaturbegriff für ΠίΠ* Πρπχ sein. Der Begriff nvr nipTt wandert von dem Institut des Heiligen Krieges hinüber in die Rechtsstreitvorstellung und Exhomologese und im Verlauf seiner Geschichte überschneiden sich diese Traditionen. Wenn nun aus dem pluralischen term, techn. ein singularischer geformt wird, so heißt das, daß in den Begriff damit auch die Traditionsströme einmünden, die von der im Kult erfahrenen, allein heilschaffenden Gemeinschaftstreue Jahwes sprechen. Daß der singularische term, techn. „Gerechtigkeit Gottes" deis Endstadium einer solch langen und komplizierten, aus dem Alten Testament sich speisenden Überlieferungsgeschichte darstellen muß, ist zu beachten, wenn wir uns nunmehr den apokalyptischen Texten zuwenden.

IV. Gerechtigkeit Gottes in der Apokalyptik Die Literatur zum Thema ist spärlich. BOUSSET-GRESSMANN gehen in ihrer „Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter" 1 auf das Thema der Gottesgerechtigkeit ein und konstatieren einen doppelten Befund: Gottes Gerechtigkeit ist in spätjüdischer Zeit nur noch die „Eigenschaft" des fernen richtenden Gottes, und das Gegenüber dieses Gottes wird in zunehmendem Maße der Einzelne. „Die alte Zusammenstellung der Begriffe Gerechtigkeit, Heil, Treue, Barmherzigkeit ist vergessen."2 Vielmehr tauchen nun neben der „vergeltenden, richterlichen, unbeteiligten Gerechtigkeit"3 Gottes die Begriffe für Gottes Güte und Erbarmen auf, so daß „der Glaube an den gütigen und barmherzigen Gott in einer unausgeglichenen Spannung zu dem an den gerechten und erbarmungslos strengen (steht)"4. Diese Gnade und Güte Gottes aber ist „niemals die Grundlage des Glaubens, sondern nur eine Ergänzung, ein letztes Auskunftsmittel, dessen der Fromme daher auch niemals gewiß bleibt" 5 . Ob diese Sicht zutrifft, muß unsere Quellendurchsicht ergeben. - P . VOLZ begnügt sich in seinem Standardwerk über die jüdische Eschatologie® mit Einzelhinweisen zur Gerechtigkeit Gottes. G. Q U E L L und G. SCHRENK gehen in ihrem Artikel über die Gerechtigkeit im Alten und Neuen Testament7 auf die Apokalyptik nicht ein. In dem kürzlich erschienenen Artikel über „Jüdische Apokalyptik" von H. RINGGREN 8 erscheint das Stichwort Gerechtigkeit ebensowenig. Aber auch die wichtige Schrift von 0. PLÖGER über „Theokratie und Eschatologie" 9 übergeht die Frage. Dieses Schweigen ist besonders auffällig, da man, von den Quellen her gesehen, die Frage nach der Machtergreifung Gottes, HNT 21, Tübingen 3. Aufl. 1926, S. 378-387. 3 A.a.O. 4 A.a.O. S. 384. 6 A.a.O. S. 386. A.a.O. S. 381. ' Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter, Tübingen 2. Aufl. 1934. 7 ThWb II S. 176-229. » RGG S I 464-466. · WMANT 2, Neukirchen 1959. 1

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8243 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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bzw. nach seiner Gerechtigkeit, als eines der beherrschenden Grundthemen aller apokalyptischen Schriften bezeichnen muß. Daß man diesen Sachverhalt heute weithin übergeht, erklärt sich nur daraus, daß mit dem Eingeständnis, Gerechtigkeit Gottes sei ein apokalyptischer Zentralbegriff, sich sogleich die Frage nach der theologischen Relevanz der Apokalyptik als ganzer stellt. Dieser Frage aber steht man bisher eigentlich ratlos gegenüber1. Wir müssen das einschlägige Material also einzeln durchprüfen. Daß unsere Übersicht, der Forschungslage entsprechend, erst nur einige Hinweise erarbeiten kann, ist von vornherein zuzugeben. ι. Die Jesajaa-pokalypse (Jes. 24-2J) Wichtig ist hier das Volksklagelied Jes. 26,7-19. Dieses Lied verkündet die Toten-erweckende Macht und Gültigkeit von Gottes Treue. Die Erdbewohner lernen nur dann, was pis ist, wenn Jahwe seine ffOBtfö schickt (V. 9f.). pis ist in deutlicher Parallele zu ΠΊΓΓ mSJ die Treue, mit der Jahwe seinem Volk und seiner Schöpfung verbunden bleibt. Verbunden aber nur in der Weise, daß Gott Rechtsverstöße von Freund und Feind unnachsichtig ahndet, um seine Schöpfung rein zu erhalten. Gerade deshalb aber wird pTS nun zur tröstlichen Macht, an welche die Angefochtenen, und damit die Adressaten des Textes, sich halten können. 2. Das Danielbuch K L . K O C H hat gezeigt, wie das Danielbuch die Geschichtsschau der großen israelitischen Propheten übernimmt und so weiterentwickelt, daß „unter Aufnahme altorientalischer Mythen ein universalgeschichtlicher Entwurf der erste in der Weltgeschichte - (entsteht)"2. Der diesem apokalyptischen Geschichtsentwurf zugrundeliegende und im Schema von den Weltreichen ausgearbeitete theologische Gedanke lautet: „Ist Gott der Grund und Urheber der Geschichte, so ist der Mensch ihr Ziel." 3 K O C H kommt zu dieser These durch eine interessante Deutung des Menschensohnbegriffes. K O C H 1 E i n Beispiel dafür ist G . v . RADS Darstellung der A p o k a l y p t i k Theol. I I S. 3 1 4 - 3 2 1 . D i e A p o k a l y p t i k erscheint hier nur als die d a s entscheidende alttestamentliche T h e o logumenon v o n G o t t e s heilsgeschichtlicher Bundeszusagen außer a c h t lassende, aus der Weisheitslehre (und nicht etwa, wie PLÖGER, a . a . O . S. 38. 58ft., m . E . richtig ebenso urteilt F . HAHN, Hoheitstitel, S. 143 - b e t o n t : aus der Prophetiel) hervorgewachsene Bemühung, m i t H i l f e aller „wissenschaftlich-charismatischen E r k e n n t nisse den großen A n f e c h t u n g e n in der Öffentlichkeit zu b e g e g n e n " (S. 321). N a c h d e m treibenden M o t i v dieser Auseinandersetzung fragt v . RAD nicht. Genau diese Frage aber h ä t t e deutlich gemacht, d a ß G o t t e s Gerechtigkeit das theologische Prinzip ist, v o n d e m her die A p o k a l y p t i k e r denken und nach dessen m a c h t v o l l e m A n f a n g und Durchbruch sie Ausschau halten. - Ä h n l i c h negativ urteilt über die A p o k a l y p t i k M. NOTH, D a s Geschichtsverständnis der alttestamentlichen A p o k a l y p t i k , Studien S. 248-273. 2 Spätisraelitisches Geschichtsdenken am Beispiel des Buches.Daniel, H Z 193 (1961) S. 1 - 3 2 , das Z i t a t S. 31 (Hervorhebung im Original). 3 A . a . O . (Im Original gesperrt).

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deutet den Menschensohn, den symbolischen Verkörperungen der anderen Weltreiche von Dan. 7 entsprechend, als eine individuelle, aber zugleich einen Tatbestand symbolisierende Gestalt: Der Menschensohn heißt deshalb „der Mensch", weil er „jene endzeitliche Wende (bringt), durch die die Menschen befreit werden zu ihrer eigentlichen Bestimmung" 1 . Der Menschensohn = „der" Mensch führt die Zeit der endgültigen Gottesherrschaft herauf, unter der erst wahres menschliches Sein möglich wird, nachdem die auf das Weltgericht zueilenden Weltreiche eben dieses Menschsein des Menschen unter Gottes Herrschaft gezügelt oder verhindert haben. Nach 9,24b ist es nun aber Aufgabe des Menschensohnes, ewigen pis heraufzuführen, und d.h. „jene Eigentlichkeit menschlichen Daseins, in der die innere und äußere Verfassimg 'richtig' ist und der Mensch mit seinem Gott wie mit seiner Umwelt in ungetrübter Harmonie verkehrt" 2 . KOCHS These müßte also genauer heißen: Ziel der Geschichte sei der Stand des Menschen in der Gerechtigkeit, anders formuliert : im wahren Gehorsam dem Gott gegenüber, welcher (n)pTX schenkt. Aber auch so scheint die These in den Gesamtduktus des Danielbuches noch nicht ganz zu passen. G. v. RAD bezeichnet es als das Kennzeichen der das Buch Daniel einleitenden Legenden, daß ihre gläubige Zuversicht „in der Gewißheit der Treue Gottes ruht" 3 . Gewißheit der Treue Gottes ist aber auch das Kennzeichen des in den Text später eingeschobenen Bußgebetes Dan. 9,4-iç)4. Wenn dieses Bußgebet den Sinn des für das ganze Danielbuch entscheidenden 9. Kapitels richtig erfaßt hat, dann muß man KOCHS These umformulieren: „Ist Gott der Grund und Urheber der Geschichte, so ist der in Gottes Treue ruhende Mensch ihr Ziel." Thema des Danielbuches ist dann, wie wir es bereits zu der Jesajaapokalypse feststellten, die geschichtslenkende und damit auf die Rettung seines Volkes, besser: seines Geschöpfes (des Menschen) bedachte Treue des Schöpfers, sein eigener pTS. Nur wenn man das sieht, gewinnt das Buch Daniel eine die Legenden ebenso wie die neue Geschichtsschau verbindende theologische Einheitlichkeit. Die Einfügung von Dan. 9,4-19 zeigt, daß unser Gedankengang wenigstens dem Redaktor nahegelegen haben wird. Ausdrücklich erkennt V. 7 Gott die npTX zu, den Menschen aber den nttfr. Ebenso wie V. 7 neh und apTS einander entgegengesetzt werden, kontrastieren in V. 8f. n®3 und a^arn Gottes bzw. seine mrf?D. Die nplS ist also der Erweis des heilschaffen2 A.a.O. S. 25. A.a.O. S. 24. Theol. II S. 323; wenn G. v. RAD ferner zu den in den Danielstoff eingestreuten Hymnen sagt: „ E s wird die Größe seiner (sc. Gottes) Macht gepriesen, die Könige einund absetzen, die retten und befreien kann; auch seine Weisheit wird gepriesen, die Menschen erleuchten kann, und die Unzerstörbarkeit seines Reiches" (S. 322), so hat er damit genau das getroffen, was wir meinen, wenn wir Gerechtigkeit Gottes als ein Zentralthema der Apokalyptik bezeichnen. 4 Daß V. 4-19 ein späterer interpretierender Einschub sind, wird allgemein zugestanden. Vgl. z.B. R. H. C H A R L E S , A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Daniel, Oxford 1929. S. 227 oder A. B E N T Z E N , Daniel, H A T 19, Tübingen 2. Aufl. 1952, S. 75· 1

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den Erbarmens Gottes. V. 14 zeigt, daß diese np>72£ Jahwes deshalb das Volk „richtend" heimsucht1, weil es ihr darum geht, die menschliche Unbotmäßigkeit zu tilgen, um Gottes Heilserweisen, seinen nipTt V. 16, und damit seiner erbarmenden Liebe Raum zu schaffen : V. 18. Wir stehen hier offensichtlich an einer Wende des Verständnisses von n¡?Tt. Noch umschließt der Begriff die Momente der erbarmenden Macht und der aus Liebe strafenden Majestät. In der Formulierung von V. 18 wird das sola gratia der Qumrantexte sogar offensichtlich präludiert2. Aber mein sieht auch, daß sich von diesem Gebet aus die Möglichkeit ergibt, Gottes Gerechtigkeit und sein Erbarmen zu antithetisieren. Das Bußgebet selbst tut dies jedoch noch nicht! 3. Die Qumrantexte Es ist in der Gegenwart nahezu communis opinio, die Qumrantexte seien als Zeugnisse eines (eventuell sogar isoliert gedachten) häretischen Spätjudentums zu interpretieren. Die Tatsache jedoch, daß die eigentlichen konfessionellen Entscheidungen im Judentum erst nach 70 p. Chr. n. gefallen sind, sollte davor warnen, die Essener von Qumran derart rasch als „Sekte" zu bezeichnen. Wer die Texte auch nur flüchtig mit den uns bisher bekannten Zeugnissen des apokalyptischen Spätjudentums vergleicht, erkennt, daß in den neuen Funden das Denken dieses apokalyptischen Spätjudentums mit einer Intensität entfaltet wird, welche uns bislang unbekannt war und welche es erlaubt, in den Qumrantexten das Herzstück der apokalyptischen Theologie des Spätjudentums zu sehen. Aus diesem Grunde beziehen wir die Texte an dieser Stelle in unsere Untersuchung ein. Die Literatur zu den Texten ist bereits so umfangreich, daß sie von einem Einzelnen kaum mehr überblickt werden kann. Den gegenwärtigen Forschungsstand referiert in vorbildlicher Zurückhaltung und klarer Zusammenschau der Probleme der von M . BURROWS, R. DE V A U X , R. M E Y E R , K . G. K U H N und C . H . HUNZINGER verfaßte Artikel „Qumran" in R G G V Sp. 740-756. Der umfangreichen Literatur im allgemeinen steht aber auffälligerweise gerade zum Thema der Gottesgerechtigkeit ein relativ schmaler Schriftenkreis gegenüber. Diesem haben wir uns zunächst zuzuwenden8. 1 KL. KOCH betont Sdq im AT, S. 114, daß unsere Stelle nicht von einer strafrichterlichen Gerechtigkeit spricht. Daß aber Gottes HpTt der das Gericht auslösende Grund ist, muß man trotzdem sehen. Vgl. Anm. 7 S. 131,8 S. 135. 2 Wie diese Tradition der Exhomologese sich auch in der Qumrangemeinde erhalten hat, zeigt jetzt 4 QBt 3 (vgl. E. SCHWEIZER, Zur Interpretation des Römerbriefes,

E v T h e o l 2 2 ( 1 9 6 2 ) S . 106ÉE.).

* Die Parallelität der Aussagen über die Rechtfertigung in den Texten und bei Paulus ist den Forschern von Anfang an aufgefallen: K . G. KUHN, Πειρασμός - άμαρτία σάρξ im Neuen Testament und die damit zusammenhängenden Vorstellungen, ZThK 47 (1950) S. 211 Anm. 5; M. BURROWS, The Dead Sea Scrolls, London 9. Aufl. 1956, S. 334, W. GROSSOUW, The Dead Sea Scrolls and the New Testament - A PreliminarySurvey, Stud. Catholica (Nijmegen) 27 (1952) S. 1-8 u.a.

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Folgende Arbeiten sind dabei zu beachten : A. DIETZEL, Beten im Geist. Eine religionsgeschichtliche Parallele aus den Hodajoth zum paulinischen Gebet im Geist1 ; H . B R A U N , Rom. 7,7-25 und das Selbstverständnis des QumranFrommen2; S. SCHULZ, Die Rechtfertigung aus Gnaden in Qumran und bei Paulus3; W. GRUNDMANN, Der Lehrer der Gerechtigkeit von Qumran und die Frage nach der Glaubensgerechtigkeit in der Theologie des Apostels Paulus4; die Stellungnahme von K . G. K U H N 6 ; und schließlich J . B E C K E R , Das Heil Gottes. Heüs- und Sündenbegriffe in den Qumrantexten und im Neuen Testament®. A. D I E T Z E L hat an Stellen aus den Hodajoth gezeigt, daß die Qumrangemeinde der Meinung gewesen ist, in ihr sei der Geist der Endzeit bereits läuternd und rechtfertigend am Werke; kraft dieses Geistes sei das Gemeindeglied imstande, inspiriert zu beten, vgl. 1 QH 9,ioff. ; 16,11. D I E T Z E L schließt daraus: „In der Einung ist man wie später im Urchristentum von der religionsgeschichtlich gesehen gleichen Voraussetzung aus, nämlich dem Glauben an die im Anbrach der Endzeit bereits verliehene Gabe des Geistes, zu einer äußerlich ganz ähnlichen Auffassimg vom Gebet im Geist gekommen." 7 Als Vergleichsmaterial zu der oratio infusa bei Paulus kommen fortan also nicht in erster Linie die hellenistischen Zauberpapyri, „sondern die formal gleichen Vorstellungen im Spätjudentum"8 in Frage. D I E T Z E L geht auf die Parallelität dieser jüdischen Anschauung zu der urchristlich-paulinischen Lehre von der Taufe, welche zugleich Geistbegabung und Rechtfertigung meint, nicht ein. Er warnt ausdrücklich davor, im Schlußpsalm der Regel von einer Rechtfertigung des Menschen im Sinne des Paulus zu sprechen. In diesem Psalm werde ja ausdrücklich das Hiphil von ¡7Tt, das allein dem paulinischen δικαιοϋσθαι entspricht, an den entscheidenden Stellen ι QS ii,2ff.i2f. vermieden. Es sei also nur von dem dem Beter zuerkannten DBTFÖ die Rede. D I E T Z E L folgert : „Der Sektenfromme kennt das im Gericht geschenkte Heil, verliehene Gerechtigkeit, aber nicht die förmliche Gerechterklärung. Dieser Ausdruck würde m.E. zu große Kühnheit bedeutet haben." 9 Wir werden auf diesen Punkt bei der Besprechung der Stellen zurückkommen. H . B R A U N vergleicht in seinem Aufsatz das Selbstverständnis des (besonders in den Niedrigkeitsschilderungen der Hodajoth sich zu Wort meldenden) Qumranfrommen mit den Aussagen von Rom. 7 und kommt zu dem Ergebnis, daß trotz offensichtlicher Parallelen das paulinische Denken 1

T h Z 1 3 (1957) S. 1 2 - 3 2 .

* ZThK 56 (1959) S. 1-18; hierher gehört auch BRAUNS Untersuchung über „Spätjfidisch-häretischen und frühchristlichen Radikalismus" (ΒΙ1ΊΊ124) 2 Bde., Tübingen 1 9 5 7 , bes. Bd. ι . 3

Z T h K 5 6 (1959) S . 1 5 5 - 1 8 5 .

Revue de Q. Nr. 6, Febr. I960, Tom. 2 Fase. 2, S. 237-259. • Artikel: Qumran RGG* V 735. ' Studien zur Umwelt des NTs, ed. K . G . KUHN, Bd. 3, Göttingen 1964. ' A.a.O. S. 32. » A.a.O. · A.a.O. S. 22 Anm. 37. 4

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noch radikaler ist als die Anthropologie in Qumran. In den Qumrantexten werde neben den Niedrigkeitsaussagen doch wieder die Möglichkeit des wahren Toragehorsams ins Auge gefaßt, während Paulus den Menschen nur in seiner Erlösungsbedürftigkeit gelten lasse. Wegen dieser Differenz möchte BRAUN von einer „direkten Abhängigkeit des Paulus von Qumran" nicht gesprochen wissen, wohl aber läßt er die Möglichkeit offen, „daß Paulus ... aus einem Judentum schöpft, welches unter gnostischem Einfluß die Sündersituation des Menschen und sein Angewiesensein auf Gottes Gnade besonders ernst nimmt" 1 . Wie bereits DIETZEL, so ist also auch BRAUN bemüht, unter dem Eindruck der neuen Funde nicht traditionsgeschichtliche Zwischenglieder, die von der apokalyptischen Gemeinde in Qumran hin zu dem hellenistisch denkenden Paulus führen, zu überspringen. Von diesem Interesse an der Differenzierung ist auch der Aufsatz von S. SCHULZ beseelt, der unser Thema besonders dadurch fördert, daß er zu einer formgeschichtlichen Analyse der von der Rechtfertigung handelnden Partien der Sektenregel selbst und der Hodajoth fortschreitet. SCHULZ verwertet dabei die Berliner Dissertation von G. MORAWE über „Aufbau und Abgrenzung der Loblieder von Qumran" 2 . SCHULZ stellt die Texte, welche von der Rechtfertigung sprechen, tabellarisch zusammen. Er sieht, Gattungsbezeichnungen von MORAWE aufnehmend, „daß die Aussagen von der Nichtigkeit, Sündhaftigkeit und Rechtfertigung aus Gnaden keineswegs in sämtlichen Gattungen der Hodajoth und des Schlußpsalmes vorkommen, sondern im Gegenteil in auffälliger Weise auf die .Stücke im Lehrstil' und die .Reflexionen' beschränkt sind" 3 . Er schließt daraus, „daß die prägnant theologischen Themen von der Nichtigkeit, Sündhaftigkeit und Rechtfertigung des Menschen auf die Didache des Qumran-Jahad zurückgehen" 4 . Wenn SCHULZ dabei freilich hauptsächlich an die Novizenbelehrung denkt8, so geht er über das hinaus, was historisch wahrscheinlich ist und was sich derzeit von den Texten her sagen läßt. Es ist ja keineswegs einsichtig, wie die Lehre von der Rechtfertigung aus Gottes Erbarmen, die in den Hodajoth ständig wiederkehrt, hauptsächlich für die Novizen bestimmt sein soll. Die Hodajoth waren doch eine theologische Hauptschrift der Gemeinde und ihr Sitz im Leben muß sicher im Gottesdienst des Gesamt-Jahad gesucht werden. Hier setzt BECKER mit

A . a . O . S. i 6 f . Diss, theol. Berlin 1957 (Masch.) bzw. Theol. Arbeiten Bd. 16, Berlin 1961. Auch wir werden im folgenden immer wieder auf MORAWE zurückgreifen. Wir mfissen uns dabei auch seines maschinenschriftlichen Dissertationsmanuskripts bedienen, denn laut Vorwort der Druckausgabe hat „ein Teil der Dissertation, der einen Vergleich der Loblieder von Qumran mit den Psalmen des Alten Testaments, dem Schlußpsalm in ι Q S , den Gebeten in 1 Q M und den sonstigen Psalmen des Spätjudentums zum Inhalt hat ... nicht mehr aufgenommen werden" können. Sofern wir das ungedruckte Manuskript verwenden, setzen wir hinzu : Masch. 3 A . a . O . S. 169. 4 A . a . O . S. 171. 8 A . a . O . S. 174. 1

2

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Recht kritisch ein. Die Untersuchung von SCHULZ läuft auf das Urteil hinaus, daß sich gerade von den Qumrantexten her eventuell traditionsgeschichtliche Verbindungslinien zur Rechtfertigungstradition von Rom. з,24f., und damit zu Paulus, ziehen lassen. Die entscheidende Differenz zwischen Paulus und dem Jahad besteht darin, daß Paulus mit Hilfe der Christologie die spätjüdische Rechtfertigungslehre profiliert und zugleich damit die Lehre vom restituierten Bund zur Lehre vom eschatologisch-neuen Bund radikalisiert1. Auf die Parallelität der Rede von der Gerechtigkeit Gottes in Qumran und bei Paulus geht SCHULZ nicht besonders ein. Durch den Aufsatz von W. GRUNDMANN ist die Untersuchung unseres Gegenstandes zurückgeworfen worden. Schien es bis zu SCHULZ selbstverständlich zu sein, daß man bei der Erforschung der Geschichte der Rechtfertigungstheologie nur mit präzisen traditions- und formgeschichtlichen Argumenten arbeiten dürfe, so zeigt sich bei G R U N D M A N N , wie wenig sich dies methodisch von selbst versteht. GRUNDMANN vergleicht den Lehrer der Gerechtigkeit und Paulus als religiöse Persönlichkeiten. Für den ρτχπ mia versucht er deshalb, aus den Hodajoth heraus auch ein Damaskuserlebnis zu (re)konstruieren2. Erst nachdem so die psychologische Vergleichbarkeit der beiden Männer feststeht, werden ihre Lehren miteinander verglichen. Bis auf die Christologie des Paulus, nach welcher der von der Gemeinde erst erwartete Messias bereits erschienen ist, stimmen sie überein. Weil „an die Stelle des Gesetzes Christus (tritt)", entfällt für Paulus „die in Qumran gegebene Möglichkeit einer Verbindung von Gnadengerechtigkeit und Gesetzeserfüllung"8. Die Rechtfertigung Abrahams, von der Paulus Rom. 4 и.ö. spricht, muß dabei das Bindeglied zwischen der vorchristlich-jüdischen und der paulinischen Rechtfertigungslehre abgeben. Gegen GRUNDMANN sind zwei grundlegende formgeschichtliche Einsichten anzuführen: 1. Die Hodajoth, die z.T. auf den Lehrer der Gerechtigkeit selbst zurückzuführen sind4, stellen eine Sammlung von Formularen für den kultisch-hymnischen Gebrauch der Gemeinde dar. Sie sind also, wenn man ihrem eigenen Selbstverständnis folgt, in erster Linie als solche Formulare und nur unter Beachtimg dieses ihres primären Charakters als Zeugnisse einer (auch) indi1 A.a.O. S. 178S. Ich würde freilich nicht gern mit SCHULZ von einer „Historisierung" der spätjüdischen Rechtfertigungslehre sprechen, welche mit Hilfe der Christologie bei Paulus vollzogen wird. Die Historie ist bei dieser Radikalisierung des spätjüdischen Denkens durch Paulus ganz der Eschatologie eingeordnet (vgl. Anm. 3 S. 204 und S. 219Í.). Ich kann mich ferner nicht mit dem Satz befreunden, es gäbe bei Paulus keine Analogie zur Toraverschärfung der Sekte. Die paulinische Ethik steht unter dem Gesetz des Christus. Dieses wird von Paulus sehr wohl als die Quintessenz und Radikalisierung der Tora empfunden: Röm. I3,8ff. (vgl. auch Gal. 5,3 - eine typisch „essenisch" formulierte Stelle!). 2 A.a.O. S. 240 und 250I 3 A.a.O. S. 259. 4 Vgl. K. G. KUHN, Art. Qumran 746: „Man nimmt heute allgemein an, daß ein Teil der Hodajoth von ihm selbst verfaßt ist", folgt der Verweis auf 1 QH 7,6f. ; 4,27;

5,23; 7 , 8 f . ; 8,21-26.

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Gerechtigkeit G o t t e s im religionsgeschichtlichen Bereich

viduellen Frömmigkeit zu interpretieren1. 2. Auch die Regel ist eine Zusammenstellung von verschiedenen Torot und Formularen2. Das für uns wichtigste Formular ist der die Regel abschließende Psalm. Die formale Übereinstimmung auch dieses Psalms mit den Hodajoth hat MORA WE ausdrücklich hervorgehoben. Für seine Interpretation gilt demnach dasselbe wie für die der Hymnen. K. G. KUHNS Ausführungen zum Thema Rechtfertigung stellen eine Art Zusammenfassimg der Ergebnisse aller bisherigen Untersuchungen dar: „Theologisch besonders bedeutsam ist die Ähnlichkeit zwischen Paulus und Qumran bei dem Begriff der 'Gottesgerechtigkeit'. Hier wie dort ist damit eine vom Menschen nicht leistbare, sondern von Gott gewirkte Gerechtigkeit gemeint, die das éwige Heil des Menschen begründet... Hier wie dort wird gesagt, daß der Mensch, weil er 'Fleisch der Sünde* ist, zum Sündigen verführt wird und unfähig, Gottes Willen zu tun. Gott wohlgefällig kann er nur werden, indem Gott selbst seine Gerechtigkeit schafft. Dabei wird aber auch der Unterschied deutlich : Die Qumranleute halten den j üdischen Grundgedanken fest, daß Gerechtigkeit vor Gott nur durch Erfüllung seiner Gebote zu erlangen ist. Aber sie sagen, von sich aus könne das kein Mensch; nur der prädestinierte Angehörige dieser Gemeinde hat die von Gott gewirkte Gerechtigkeit, die allein die Erfüllung der Gottesgebote ermöglicht. Für Paulus ist die Gerechtigkeit von Gott gewirkt worden durch das Kreuz Christi, also christologisch begründet, und ist so Gottes freies Gnadengeschenk 'ohne des Gesetzes Werke.'" 3 KUHN möchte also unter Gerechtigkeit Gottes bei Paulus und in der Gemeinde von Qumran Gottes Gabe verstehen (vgl. Phil. 3,9). Dies ist auch die These seines Schülers JÜRGEN BECKER. BECKERS Dissertation ist für unser Thema nur indirekt ertragreich. BECKER macht zunächst Ernst mit der literar- und gattungsgeschichtlichen Betrachtung aller von ihm behandelten Texte. Er vermag dabei höchst einleuchtend zu zeigen, daß die von MORAWE in den Hodajoth (und im Schlußpsalm der Regel) aufgewiesenen „Reflexionen" und „Stücke im Lehrstil" gattungsgeschichtlich auf die alttestamentliche Gerichtsdoxologie zurückgehen. Sie sind also ebenfalls kultische Gattungen und demnach nicht, wie SCHULZ meinte, rein didaktische Texte, welche in die Novizenbelehrung der Gemeinde gehören4. Für den Schlußpsalm der Regel stellt BECKER fest, NPTTS sei hier „kein bloßes 1 B E C K E R berührt in seiner Dissertation S. 5 ö S . bei der richtigen Scheidung von Psalmen des Lehrers der Gerechtigkeit und Gemeindepsalmen das wichtige redaktionsgeschichtliche Problem nur a m R a n d e : W i e es zur Zusammenstellung beider Psalmenarten zu einer einzigen Rolle gekommen ist. D e r Grund kann nur darin liegen, daß auch die sog. Psalmen des Lehrers der Gerechtigkeit als Formulare gedient haben, also als solche verstanden wurden! So auch B E C K E R S. 126ff. 2 V g l . A . DUPONT-SOMMER, D i e Essenischen Schriften v o m T o t e n Meer, Tübingen i960 (Unter Zugrundelegung der Originaltexte übersetzt v o n W . W . MÜLLER), S . 7 7 ; H . BRAUN, A r t i k e l : Sektenregel, R G G > V 1667; B E C K E R , Heil Gottes, S. 39FI4 A . a. O . S . 134ft. ' A . a . O . 753 (Hervorhebungen bei K Ü H N ) .

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Urteil... oder einZuspruch, sondern nur von Gott kommende wirkende Macht, die als Heil, das Gott selbst ist, dem Menschen Anteil gibt an diesem Heilszustand, ihn aus seinem Unheil herausreißt in ein heilvolles Leben"1. Die status-constructus-Verbindung: NPNX erkennt BECKER aber nicht als selbständigen term, techn. und versteht sie (im Banne der herkömmlichen Paulusinterpretation) als Gen. auct. Daß die Texte dies nicht zulassen, bemerkt BECKER nicht, weil er weder 1 QS 1 0 , 2 5 f. noch 1 QM 4,6 näher analysiert. So kommt er bei einem Vergleich der paulinischen δικαιοσύνη SeoO mit der essenischen Auffassung von Gottes Gerechtigkeit zu folgendem Fazit : „Ist für Paulus die Gerechtigkeit primär und vor allem das Heilshandeln Gottes in Christus für uns als in der Geschichte geschehenes perfektisches Handeln Gottes, so ist in (1 Q)S 10 f. die Gerechtigkeit Gottes eine Heilssphäre ohne Bezug auf eine Heilsperson, die sich in den einzelnen Akten göttlicher Hilfe gegen die Sündenmacht stets zeigt"®. Da BECKER Rom. 9-11 nicht für das Verständnis von δικαιοσύνη 3εου bei Paulus auswertet und CHR. MÜLLERS Dissertation über „Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk" anscheinend nicht eingesehen hat, kann er feststellen, bei Paulus werde die δικαιοσύνη 3εοΰ nicht prädestinatianisch begründet, sondern nur in 1 QS 10 f. Weitere Differenzen sind für ihn der Partikularismus in Qumran und der Universalismus des Paulus, der forensische Zuspruch bei Paulus im Gegensatz zu 1 QS iof. : „In (1 Q)S iof. ist die Gerechtigkeit weder durch einen forensischen Spruch Gottes vermittelt noch liegt hier auf der Einmaligkeit der Ton, sondern dem schon vor allen Zeiten zum Heil Bestimmten hilft Gott in einzelnen Akten gegen sein Fleisch. So konkretisiert sich die Heilssphäre der Gerechtigkeit jeweils in einzelnen Taten göttlicher Hilfe"3. Wertvoll an diesen Darlegungen ist vor allem, daß sie uns zeigen, wie sehr sich in den Qumrantexten die oben in der Exegese von Dt. 33,21 gewonnene These bestätigt, daß „Gerechtigkeit Gottes" ursprünglich eine Art Abkürzung und Zusammenfassimg des Plurals ΠΊΓΓ mpTS meine. Dieser Plural kommt - in der Paulus näherstehenden Form : nipTt - in 1 QS 10,23 vor und wird 10,25 durch den Singular interpretierend aufgenommen ! Dieser Singular bietet das direkte hebräische Äquivalent zur paulinischen δικαιοσύνη SeoO und scheint in der Tat ein die Heilstaten Gottes (vgl. 1 QS 10,23 mit 1,22) in sich aufnehmender und zugleich überhöhender Begriff zu sein, indem er das Phänomen bezeichnet, in dem diese konkreten Einzelerweise Gottes ihren Grund haben. Daß dieser Grund zugleich eine schöpferische Heilssphäre bezeichnet, hat BECKER gezeigt. Damit haben wir von BECKER her den Zugang zu den Texten selbst gefunden und können an der Exegese der Stellen zeigen, warum sich die Deutung von bx n¡?T£ in Analogie zu Phil. 3,9 nicht halten läßt. 1

A.a.O. S. izo. » A.a.O. S. 278. 8 A.a.O. S. 279.

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Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

a) Gerechtigkeit Gottes in der Regel von Qumran

Auszugehen ist von den beiden Stellen, welche expressis verbis von ^X npnx sprechen. Sie gehören beide dem Schlußpsalm zu. α) ι

Q S I I , I 2

I QS ii,i2 ist voranzustellen, weil der Text einwandfrei überliefert ist. Er lautet übersetzt1: „Und ich, wenn ich wanke, sind die Gnadenerweise Gottes C?x non) mein Heil für immer; und wenn ich strauchle durch die Bosheit meines Fleisches, wird mein Recht (njBtfa) durch Gottes Gerechtigkeit C?S NPTTA) ewig bestehen." Formgeschichtlich ordnet MORAWE den Vers den (aus den Hodajoth bekannten) Not-/Rettungsberichten zu*. Doch könnte man sehr wohl auch von einer „Reflexion" sprechen®. Der Psalm enthält also Elemente der Exhomologese und gehört damit in einen forensischrechtlichen Rahmen hinein. Deutlich ist der Parallelismus membrorum. Es entsprechen einander: „wanken" und „straucheln", „mein Heil" und „mein Recht". Deutlich ist auch der hymnische Stil der Aussage. npTS erscheint in Parallele zu '•Ton, und damit ist der Anschluß an die alttestamentliche Denk- und Sprechweise von den helfenden Taten Jahwes auch hier gegeben. Gattungsgeschichtlich ist die Kontinuität von der kultischen Prädikation der Gerechtigkeit Jahwes hin zu unserem Hymnus unverkennbar. Der Begriff "?X npT£ allerdings ist gegenüber dem Alten Testament neu. Da die Qumrangemeinde es insgesamt vermeidet, den Jahwenamen zu gebrauchen4, ist der Begriff n¡?Tt Äquivalent zu dem (masoretischen) Begriff ΠΊΓΡ npTI in Dt. 33,21. Sachlich ist diese Gerechtigkeit Gottes nicht, wie man nach KUHN und BECKER 5 annehmen müßte, mit OSTFO identisch, sondern, wie 11,5 besonders schön zu erweisen vermag, Quelle und Grund des DBtfa für den Beter® ! Deutlich wird dies ferner durch die Parallelstellung Die Übersetzungen gebe ich weitgehend nach D U P O N T - S O M M E R a . A . O . 3 So auch B E C K E R a.a.O. S. 107. A.a.O. S. 203 (Masch.). 1 Jedenfalls vermag K . G. K U H N in seiner „Konkordanz zu den Qumrantexten" (i960) bisher keine sichere Stelle anzuführen. Daß im Schriftzitat ι QS 8,14 der Jahwename durch vier Punkte ersetzt ist, spricht für theologisch bewußte Meidung des Tetragramms. 5 B E C K E R interpretiert den Genitiv a.a.O. S. 120 als gen. auct., nachdem er vorher mit G R U N D M A N N darauf hingewiesen hat, daß Gerechtigkeit in unserem Abschnitt stets Gabe Gottes sei (a.a.O. S. 116 Anm. 3). B E C K E R erliegt hier augenscheinlich dem Sog der traditionellen Paulusinterpretation, denn die betreffende Aussage ist nur für die Gerechtigkeit des Menschen richtig, besagt aber nichts für TipHS! ' Da die Texte ein Hiphil von p"T3C kennen (vgl. nur 1 QSb 4,22; χ QH 9,9; 1 QM 11,14; CD 1,19; 4,7; 20,18), hier aber bewußt (vgl. S. 219) vermeiden, darf man "OBÖS nicht mit „meine Rechtfertigung" übersetzen. A. D I E T Z E L S Einwände (a.a.O. S. 22 Anm. 37) gegen diese Übersetzung darf man nicht sogleich mit systematischen Erwägungen überspielen (so S C H U L Z , a.a.O. S. i66f.). B E C K E R bezeichnet DBttto a.a.O. S. 122 schön als den von Gott verliehenen „Heilsstand'*. Gottes Gerechtigkeit ist, wie ι QS 10,13-22 zeigen, eine diesen Heilsstand schöpferisch heraufführende Macht. „Rechtfertigung" ist also für unseren Text - soweit sie heute geschieht - ein Seingründender Schöpfungsvorgang; vgl. B E C K E R S. I 2 3 F . 1

2

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zu non. Diese Taten Jahwes sind ja auch nicht synonym mit "ïwntf*, sondern sind der dieses Heil schaffende Ursprung! Gottes Gerechtigkeit ist unserer Stelle nach der rettende Halt des angefochtenen Beters und somit die Macht des sich gnädig erweisenden Gottes selbst. Diese Macht erweist sich konkret in seinen Treuezeichen 'τοπ) und ist also ein schöpferisches Geschehen. — Mit Hilfe der nächsten Stelle ist es möglich, den Charakter der Gottesgerechtigkeit noch näher zu bestimmen. β. ι Q S i o , 2 5 f . Diese textlich und traditionsgeschichtlich sehr umstrittene Stelle wird von BECKER nicht eingehend erörtert. Sicherheit ist in ihrem Verständnis auch schwer zu erzielen, da in Zeile 25 zwei wichtige Worte zerstört sind und in Zeile 26 gleich wieder eine große Lakune folgt. Den vorhandenen Text kann man zunächst folgendermaßen wiedergeben: „Unter Danksagungen will ich meinen Mund öffnen, und die Großtaten Gottes (^x nip>Tt) wird meine Zunge beständig erzählen, sowie die Treulosigkeit der Menschen bis zur Vernichtung ihrer Empörung. Nichtige Worte will ich wegschaffen von meinen Lippen, Unreinheiten und Falschheiten aus der Erkenntnis meines Herzens. Mit weiser Überlegung will ich die Erkenntnis verbergen; (25) und mit verständiger Klugheit will ich (sie?) mit einer festen Grenze umhegen, um Glaube und machtvolles Recht1 zu bewahren nach der Gerechtigkeit Gottes C?x ηρπχ^> Π» DDtfffl max nntf1?). Ich will abteilen (26) das Gebot durch die Meßschnur der Zeiten und (üben will ich Treue und das Recht der?) Gerechtigkeit". Die Beziehung von npiS1? auf TIS? DDtf»! D^OX mtf1? wird von H. BARDTKE2 und J. MAIER3 ebenso vertreten wie von PR. WERNBERG-

M0LLER4. WERNBERG-M0LLER möchte in unserer Stelle eine allegorische Interpretation von Jes. 26,1-3 erkennen und versteht npTrt TW DB#» als einen zusammenhängenden Ausdruck: „The strange (!) expression 'the strong decision (or judgment) of God's righteousness' is satisfactorily explained as due to the author's dependence on Isa. X X V I 1 which he changed according to the context in his hymn" 5 . Vergleicht man jedoch den Text von Jes. 26,1 ff. mit i QS io,24ff., so zeigt sich die Willkür von WERNBERG-M0LLERS Annahme. Wer den Schlußpsalm zu sprechen hatte, konnte unmöglich in unserer Stelle eine Anspielung auf Jes. 26,1 ff. erkennen. Die 1 DUPONT-SOMMER übersetzen: „ u m Glaube und Recht streng zu bewahren nach der Gerechtigkeit Gottes". Mir ist kein Fall bekannt, wo TIS? in der Weise adverbial verwendet würde, wie DUPONT-SOMMER es auffaßt. TIS? BBtfö ist, wie eine Fülle von Analogien im Alten Testament zeigt (vgl. LISOWSKYS Konkordanz s.v. TS?), ein zusammenhängender Ausdruck und muß daher adjektivisch übersetzt werden (wobei TIS? nomen rectum ist, vgl. GESENIUS-KAUTZSCH, Grammatik 2 7 § 1 2 8 ! ) . 2 Die Handschriftenfunde am Toten Meer, Berlin 2. Aufl. 1953, S. 107. 3 Die T e x t e vom Toten Meer, Bd. 1, München/Basel i960, S. 43. 4 The Manual of Discipline - translated and annotated with an introduction, (Studies on the Texts of the Desert of Judah I) Leiden 1957, S. 38. 6 A . a . O . S. i49f.

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ganze Berührung der beiden Stellen besteht ja darin, daß Jes. 26,3 auch das in 1 QS 10,25 gebrauchte Substantiv ηΐηο gebraucht wird! Statt der status-constructus-Verbindung n» DBtfa steht Jes. 26,1 ift-t» TD. Von Gottes Gerechtigkeit ist bei Jesaja überhaupt nicht die Rede. Wenn man schließlich die Stellen vergleicht, aus denen ersichtlich wird, wie die Gemeinde sonst Schriftstellen verwertet1 oder auf sie anspielt3, erweist sich WERNBERG-M0LLERS These von einer Allegorie an unserer Stelle vollends als unhaltbar. Dennoch führen seine Ausführungen weiter, zeigen sie doch, daß er den Ausdruck nplîrt Π» DBtfa als „stränge" empfand. Bleibt man zunächst bei der herkömmlichen, in der Übersetzung wiedergegebenen Beziehung des Textes, so kann man unter npTX Ζ. 25 nur das Maß verstehen, welches DBtfa und O'IBS bestimmt. Offensichtlich stehen Z. 25 np"TX und Z. 23 ·ρχ mpfX parallel zueinander. Unter npnx versteht der Jahad den sich in heilsgeschichtlichen Taten, unter welchen die Gemeinde selbst als letzte steht (vgl. CD 1,11 f.), konkretisierenden Machterweis Gottes. Man wird also npT£ wiederum nicht als Gerechtigkeit vor Gott oder gottgeschafiene Gerechtigkeit interpretieren dürfen, sondern als Gottes eigene Gerechtigkeit, und zwar nun, dem Kontext entsprechend, als dienstheischende Macht. *?X npTS ist diese gehorsamheischende Macht deshalb, weil sie die Heilstreue Gottes zu seinem jetzt im Jahad verkörperten Bundesvolk ist, welches dem Treueerweis Gottes mit eigener Treue zu entsprechen hat. npTi ist aber auch, wie 1 QS 11,12 zeigte, vergebungsbereite Bundestreue Gottes. Gottes Gerechtigkeit wurde also von dem Frommen in Qumran als die vergebungsbereite und vergebungsfähige Bundestreue verstanden, zugleich aber als eine in Dienst stellende, verpflichtende Macht erfahren. Damit taucht innerhalb der Bedeutungssphäre von n¡?TS bereits die von H. B R A U N U. a. für Qumran (als theologische Schwäche !) aufgewiesene Doppelheit von Angewiesenheitsbewußtsein und Willen zum neuen Toragehorsam auf, und zwar in der theologisch völlig legitimen Gestalt von Machtsanpruch und Vergebungsbereitschaft Gottes! Soweit trägt die herkömmliche Beziehung des Textes in Z. 25. Diese Beziehung befriedigt aber schon sprachlich keineswegs! Versucht man den Parallelismus membrorum an unserer Stelle präzis durchzugliedern, so ergibt sich nur dann ein sprachlich und rhythmisch befriedigender Text, wenn man mit npTX1? eine neue Zeile beginnen läßt : •pao inai nOsftn]

nsn nmsai

ri» DStfai m a « naefr trn» ipa pin π[ρί>π]κ

ηρτΛ

pis [öDtfai nax nfe»]i ι QS 3,17; 8,14. * i QH i8,i3f. (nimmt offensichtlich auf Jes. 61,1 f. Bezug). 1

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Zunächst ein Wort zu den beiden Textergänzungen : Z. 25 ist bei der zweiten Lakune auf den Photographien von BURROWS 1 deutlich zu erkennen, daß zwischen Κ und Π drei Konsonanten ausgefallen sind, deren mittlerer deren dritter höchstwahrscheinlich ρ und deren erster entweder Π oder Π gewesen sein muß. Für eine Worttrennung läßt die Lakune keinen Zwischenraum. Das aber heißt, daß BARDTKES Konjektur: n[p"? '•Jjs2 unmöglich ist. Es ist weder eine Worttrennung möglich, noch sind vier Buchstaben einsetzbar, noch ist die auf den Photographien deutlich auszumachende Mittelstellung des b gewahrt; np£> wäre sicher auch npfr geschrieben worden®. Es ist vielmehr mit WERNBERG-MBLLER ZU ergänzen : Π[ρ"?Π]Χ4. Dies wird man übersetzen: „ich will einteilen, bestimmen". Was? Den pin, d.h. die Bundessatzung6. Womit? Mit der Meßschnur der Zeiten. Diese befremdliche Ausdrucksweise® erklärt sich rasch, wenn man die auf eine feste Gezeitenordnung achtende (kultische) Zeit-Vorstellung der Qumrangemeinde beachtet (vgl. ι QS i,8f.i3ff.). Diese Gezeitenordnung wird in 1 QS 10,iff. geschildert. 10,1.6 weisen dabei ausdrücklich auf das (eingegrabene) Gesetz hin (nnn ¡?in), das sich in dieser Gezeitenordnung Gottes erfüllt und dem der ¡71Π des Jahad selbst in seiner Regelung der Gehorsamsleistungen entsprechen soll. Die Gezeitenordnung wird 10,4 auf die Gnadenerweise Gottes zurückgeführt, ein Ausdruck, welcher uns in 11,12 als Parallelbegriff zu n¡?"TX begegnet ist. Da die Lücke in 10,26 höchstwahrscheinlich so zu ergänzen ist, wie wir es oben im Anschluß an viele Interpreten getan haben, wird man zumindest fragen dürfen, ob man nun nicht, der Neugliederung des Textes gemäß, im Blick auf 10,1 ff. auch neu übersetzen muß. In der traditionellen Beziehung des Textes klappt npis1? ja auf jeden Fall nach und stünde sprachlich besser näher beim Verbum las)1?, weil npTX ein theologisch äußerst wichtiger Begriff ist! Der Parallelismus membrorum fordert aber ebenso die betonte Stellung von npuft am Beginn der neuen Zeile, wie er das sprachliche Monstrum "7X npTrt tIB DDtfa auflösen hilft. Die Voranstellung von npTX1? ist in gehobener Sprache durchaus möglich: 7 Jes. 32, ι . Man kann also unseren Text, in Übereinstimmung mit dem Denken der Gemeinde und sprachlich befriedigender, so übersetzen: „Wie es der npTt entspricht, will ich das Gesetz mit der Meßschnur der Zeiten einteilen, um Treue und verläßliches Recht zu üben." Der ausgezeichnete Sinn, der sich so ergibt, veranlaßt mich, diese Lösung The Dead Sea Scrolls of St. Mark's Monastery, II 2. A.a.O. S. 107 (ebenso in seinen „Hebräischen Konsonantentexten", Leipzig 1954, S. 46). 3 Hinweis von O. BETZ. * A.a.O. S. 38. 150. Die Konjektur wird von KUHN in seiner Konkordanz s.v. ftfWl aufgeführt, scheint also gesichert. 6 Zum ¡?ΊΓί im Jahad vgl. BRAUN, Radikalismus I, S. 19 ANM. 3. • Vgl. BRAUN, a.a.O. S. 32 Anm. 1. 7 Vgl. ferner Ps. 89,19 und 119,21 (?) und GESENIUS-KAUTZSCH, Gramm.* 7 § 143e. 1

2

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des Text- und Übersetzungsproblems für besser zu halten als die bislang übliche1. Ist dies richtig, so wird die eben gegebene Interpretation von bn n p T î noch um eine Nuance erweitert werden müssen. Gottes Gerechtigkeit erscheint dann nämlich nicht nur als die dienstheischende Bundestreue, sondern als die in der Gezeitenordnung sich ausweisende Treue des Schöpfers zu seinem Jahad, der dann so etwas wie Gottes neue Schöpfung darstellt. Nur wenn die Gerechtigkeit Jahwes, deren Lobpreis ja der ganze Schlußpsalm der Regel zu dienen hat, Gottes, des Schöpfers, Bundestreue zum Jahad meint, wird das ausdrückliche Lob des Schöpfergottes 11,5ff.17 ff. erst wirklich verständlich. Der hinter dem singularischen "7X njTTX stehende theologische Abstraktionsprozeß wird nun voll verständlich : Die Rede von mplX bzw. seinen ffTOfi wird von dem Begriff npnx überwölbt, weil npTS zum Inbegriff des Schöpferhandelns Gottes in der (Heils-) Geschichte und der Welt geworden ist. Den Beweis dafür, daß wir richtig interpretiert haben, soll nun zunächst noch eine Überschau über den Gebrauch von (n)plS in 1 QS erbringen. Wie 10,23 s 0 erscheinen 11,3 Gottes nipTt als Quelle der Vergebung für den scheiternden Frommen, und dies wird 11,5 ganz plastisch so ausgedrückt, daß Gottes n p T i die Quelle (npö) des Rechtes für den Frommen ist. Wenn nach ii,6ff. Gott dem Jahad diese Quelle der Gerechtigkeit eröffnet hat, so wird aufs neue die Korrespondenz von Macht und Gabe Gottes deutlich, die wir oben bereits herausgestellt haben. Gottes erwählendes Handeln (11,7) ist Gottes Schöpfertum (3,15 ff.); Gottes Schöpfertum aber erweist sich für das Gemeindeglied in der Geistbegabung (3,6ff. ; 4,2ff.), der rechtlichen Einsetzung in den Jahad und als Gabe des Bleibens im Dienst der Gemeinde (ii,2ff.i2f.i6). Weil aber Gottes Gerechtigkeit nicht nur Gottes "ΤΟΠ, sondern der 3133 des mächtigen Gottes ist2, ist sie eine Dienst heischende, die Wahrung des Bundesrechtes fordernde Macht, und das ganze Sinnen und Trachten der Frommen, geht darauf, Gottes Verhalten (1,26; 11,15) im eigenen Gehorsam zu spiegeln (1,5.13; 2,24; 4,2.24; 5,4; 8,2; 9,17). Der Fromme nennt in seiner Anfechtung (und d. h. nach 4,15 ff. in seinem Kampfe gegen die Macht Belials) Gott: ""pTt (10,11), d.h. er steht im Dienst und unter dem Schutz seines rechtschaffenden Gottes (p"TX ΠΤΙ3Β3 4,9®). Die Gemeinde von Qumran stellt somit den eschatologischen Bund der Rechtsverpflichteten, der pis ,î3f Gottes heiliges Priestertum, dar4. 1 TH. H. GASTER nimmt in seiner englischen Übersetzung der Qumrantexte: The Scriptures of the Dead Sea Sect, London 1957, S. 127 dieselbe Abteilung des Textes vor wie wir, übersetzt dann aber ganz abwegig: ,,I will bound God's righteousness by the measuring-line of occasion". ! 11,6 steht îlplX in Parallele zu ÎVTI3J und ΎΙ33 (eine erneute Bestätigung dafür, daß ηρΠΧ Gottes eigene HpTt meint). s Derselbe Begriff kehrt 1 QH 6,19 wieder und stellt offensichtlich die traditionsgeschichtliche Wurzel des paulinischen Begriffes ή διακονία τη s δικαιοσύνη; 2. Kor. 3,9 dar. Der διακονία του θανάτου von 2. Kor. 3,7 entspricht in Qumran die ]ΤΒ?Π DTDS

Ι Q H 1,27.

4

V g l . K U H N , A r t . Q u m r a n , 749T.

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Im Blick auf Paulus sind noch drei Punkte besonders zu betonen: Gottes Gerechtigkeit ist stets Gottes helfender, d.h. Recht schaffender Machterweis, nie iustitia distributiva. Der Jahad ist der Schöpfungsbereich, dem die Η0Π besonders gelten, während die den Jahad umgebende Welt unter Gottes richterlichem Zorn versinkt (3,21 ff. u.ö.). Sieht man dies, so versteht man auch die Eschatologie derQumrangemeinde, die deutlich zwischen einem präsentischen und einem futurischen Heil scheidet und Gegenwart und Ende, gut apokalyptisch, durch Feststellung einer bereits angebrochenen, aber in ihren Schrecknissen sich steigernden Endzeit verbindet. Emphatisch wird betont, daß jetzt Jahwes HpTí im Jahad heilspendend gegenwärtig ist: 3,4ff.; 5,5f.; 8,4ff.; n,6bff.i3ff. Aber noch steht die Gemeinde in der Anfechtung von innen und außen her: i,24ff.; 3,21 ff.; 4,23ff. Deshalb schaut man aus nach der Heilszeit: 4,6ff.; 4,i6ff.; 1 QSb 5,2off., steht also gerade wegen der Gegenwärtigkeit des heilschaffenden Gottes noch in der Erwartung seiner eschatologischen Manifestation. Spiegel dieser Eschatologie ist die Lehre von der Geistbegabung. In der Gabe des Geistes sieht man nach 3,6 ff. die Aufnahme in den Gottesbund realisiert und wächst mit Hilfe dieser Gabe in die Hoffnung auf die Heilszeit hinein: 4,6ff.2off. Alle diese Momente begegnen uns wieder, wenn wir uns nun der Psalmenrolle zuwenden. b) Gerechtigkeit Gottes in den Hodajoth von Qumran Wir haben schon darauf hingewiesen, daß es uns allein berechtigt erscheint, die Hodajoth als für die Theologie des Jahad charakteristische Formulare zu betrachten. BECKER hat einleuchtend gezeigt, daß die Frommen mit den Hymnen Gott das wohlgefällige Lobopfer der Lippen darbringen wollen, daß die Psalmen also einen kultischen Sitz im Leben haben1. Dieser Betrachtungsweise verhelfen die formgeschichtlichen Untersuchungen von G. MORAWE zur detaillierten Konkretion8. Da sich in dem uns erhaltenen Text der Hodajoth npTS als term, techn. leider nicht findet, sonst aber alle uns zum Thema der Rechtfertigung aus der Regel und ihrem Schlußpsalm bekannten Motive in einzigartiger Intensität entfaltet werden, können wir gleich zu einer systematisch geordneten Betrachtung der Aussagen übergehen. ι . Die für uns entscheidenden Stellen entstammen weitgehend den sog. „Reflexionen": 4,30; 7,i6ff.; 9,i4bff.; 12,9.31; 13,17; I 5 , i 5 f . ; i 6 , i i f f . ; 7,28 stammt aus einem hymnischen Stück. Beachtenswert daran ist zunächst wieder, daß die Aussagen von Gottes rechtschaffendem Eingreifen sich in Texten finden, welche dem kultischen Bereich entstammen. Die zum 1

Heil Gottes, S. 126ÉE.

Zu den folgenden formgeschichtlichen Klassifizierungen vgl. die Ubersichtstabellen bei MORAWE: Für die Danklieder S. 1330., für die Bekenntnislieder S. 159ÎÏ., für eine Gesamtaberschau S. 166. 2

ΐ6θ

Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

Schlußpsalm der Regel getroffene Feststellung einer gattungsgeschichtlichen Kontinuität dieser spätjüdischen Aussagen zu der alttestamentlichen Redeweise von Jahwes Gerechtigkeit erhält hier ihre endgültige Bestätigung. Dieser Befund ist nicht nur gattungsgeschichtlich, sondern vor allem theologisch und historisch belangreich. Wir haben zwar noch keineswegs hinreichende Einsicht in die Gottesdienstpraxis des Jahad. Soviel ist jedoch bereits deutlich, daß dieser Gottesdienst weithin dem Lobpreis Gottes gewidmet war, daß die Opferpraxis erst in der eschatologischen Zeit wiederaufgenommen werden sollte und daß die Qumrangemeinde neben Kultmahlzeiten und Tauchbädern eine jährliche Bundeserneuerungsbegehung kannte, deren Liturgie uns in ι QS i f . überliefert ist. Im Rahmen dieser Begehung sollen die Priester Gottes heilsgeschichtliche mpnx verkündigen (i QS 1 , 2 1 f.), und die Gemeinde antwortet auf diese Verkündigung mit einem Bußbekenntnis. Daß in dieser Exhomologese die liturgische Tradition von Dan 9 fortgeführt wird, ist aus 4 QBt 3 zu ersehen. Offensichtlich ist, daß die nij?Tt Gottes Gegenstand gottesdienstlicher Verkündigung gewesen sind. Deutlich ist auch, daß die Gemeinde sich von ihrer Gewalt getragen und daß der Einzelne sich von ihnen in seiner Anfechtung bewahrt wußte. Ist dies richtig, dann wird man besonders im Schlußpsalm der Regel, auch in der Hymnenrolle, Formulare für den auf diese Proklamation der Gottesgerechtigkeit hin erfolgenden (exhomologischen) individuellen Lobpreis finden dürfen. Jahwes Gerechtigkeit erscheint im Wort des verkündigenden Priesters und erweist sich in schöpferischer Konkretion im Bestand des Jahad, welcher die Heilsgeschichte krönt. Die Gemeinde respondiert auf diese Verkündigung nicht nur gemeinsam (1 QS i,24ff.; 4 QBt 3), sondern auch, indem die Frommen die npTS Jahwes als ihre eigene persönliche Erfahrung und den Grund ihres Seins bekennen. Zeigt also der kultische Sitz im Leben der Aussagen über Gottes Gerechtigkeit, daß diese Gerechtigkeit in einem Verkündigungsgeschehen erfahren wurde, so drängt sich eine weitere Vermutung auf. In den Hodajoth sind Psalmen zusammengestellt, welche nicht nur den einzelnen Gemeindegliedern als Formulare dienen sollten, sondern welche in unverwechselbarer Individualität vom Wege des Lehrers der Gerechtigkeit zeugen und teilweise von ihm selbst verfaßt sind. Daß es sich auch bei diesen Psalmen des Lehrers der Gerechtigkeit um Formulare handelt, zeigt die Aufnahme dieser Psalmen zusammen mit den anderen in eine einzige fortlaufende Rolle. Ohne dies z.Z. exakt beweisen zu können, vermute ich, daß die Psalmen des Lehrers der Gerechtigkeit Formulare sind für eine dem Auftrag an die Priester von 1 Q S 1 , 2 1 f. entsprechende, jedoch für den täglichen Gottesdienst bestimmte, individuellere Verkündigung von Jahwes npTS. Jahwes npTX manifestiert sich im Geschick des Lehrers der Gerechtigkeit und seiner Berufung zum Gründer des Jahad. Auf die vom Lehrer der Gerechtigkeit bzw. vom Priester gesprochenen Psalmen des Lehrers antworten die Gemeindepsalmen in Form

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der persönlichen Homologie. Daß diese Homologie sich weithin des lehrhaften Stiles bedient, ist deshalb sachgerecht, weil die Beter im Sprechen (bzw. Singen) der Hymnen die eigene Erfahrung der neuschaffenden = vergebenden Gottesgerechtigkeit neu erleben und zu solchem Erleben angehalten werden sollen. Ist unsere Vermutung zutreffend, dann könnte sich das Problem der Hymnenrolle klären : Sie ist so etwas wie die Agende des Jahad für den täglichen Gottesdienst1. 2. Gottes rechtfertigendes Eingreifen ist in den Hodajoth deutlich zugleich Gottes schöpferisches Handeln. Bereits i,6ff.; 4,31 besingen Gottes Schöpfertaten als npTX ""¡Pía. 13,19 greift diese Ausdrucksweise auf und leitet über zu 15,15, einer Stelle, die Einsetzung ins Recht und Schöpfung Gottes als einen einzigen Vorgang schildert. Gott hat den Gerechten erschaffen, bewahrt ihn im Jahad und geleitet ihn so auf den Wegen des Gehorsams hin zu TO DftEft Statt von pT£ spricht Z. 16 von Gottes • , a m als dem treibenden Motiv des Gotteshandelns. Die Stelle schlägt damit auch terminologisch die Brücke zu 1 QS 1 1 , 1 3 ! ; 1 QH 1 7 , 1 7 ! setzt dieses Motiv mit dem individuellen Lobpreis der mpiX Gottes fort, worunter der Beter in einem Gottes heilsgeschichtliche Vergebungstaten und die Schöpfungswerke, bzw. die in» ρ»» "»tosa versteht. 3. Als Gottes Schöpfungswerke erscheinen gerade an der letzten Stelle auch die "Ο ΠΠΠ1 "ITFX ΠΊΠΠ. Damit wird das schon von A. D I E T Z E L herausgearbeitete und uns aus der Gemeinderegel bekannte Motiv der Geistbegabung = Rechtseinsetzung berührt. Hierzu sind eine Fülle von Aussagen zu nennen. Zunächst 4,290. npTX ©UK1? XI1? "·3 VN Τ ,2S1 heißt es in der Sprache der Gerichtsdoxologie; Gott allein gehören npTX 'iMJö VD. Diese NPLS Gottes wird im Kontext durch Begriffe wie D M , 1 1 3 3 und N V M I wieder aufgenommen und vorbereitet, sie ist also eindeutig Gottes eigene, sich in konkreten Taten manifestierende Macht. Gottes Werk am und im Menschen ist die mi, welche Gott ihm zugeschaffen hat und welche allein dem Wandel des Menschen Bestand verleiht. Weil dies so ist, erscheinen auch die Werke des Gehorsams im Denken der Gemeinde weniger als Versuche der Frommen, sich vor Gott ins Recht zu setzen, als vielmehr als Machterweise Gottes durch den Frommen hindurch zu Gottes Ehre. Gebet und Gehorsam sollen für Gott ein pTX mm sein, betont 1 QS 9,5 (mit Hilfe 1 V g l . H . BARDTKE, DEIS Ich des Meisters in den H o d a j o t h v o n Qumran, W Z L e i p zig, Ges. sprachwiss. Reihe 6 (1956/57) S. 9 3 - 1 0 4 . BARDTKE möchte in den H o d a j o t h ein v o m Lehrer der Gerechtigkeit zusammengestelltes Exerzitienbuch sehen: „ I n den H o d a j o t h und ihrem Exerzitiencharakter gibt ein wirklich Großer im Bereich der Religion A n t e i l an seinen eigensten Erfahrungen denen, die diesen Exerzitien sich unterwerfen". „ M a n m u ß sich freilich v o n der Vorstellung freimachen, als ob die H o d a j o t h ein Exerzitium bei besonderen Gelegenheiten oder H ö h e p u n k t e n darstellten. Vielmehr wird ständige L e k t ü r e nach 1 Q S V I 7 b gefordert. E s handelt sich also u m eine ständige Ü b u n g und E i n ü b u n g v o n Wille und Geist in L e b e n und Lehre der Gruppe v o n Qumran. W e n n m a n so will, ist es m i t dem Breviergebet zu vergleichen, das in seiner A r t auch eine geistliche Ü b u n g i s t " (S. 102f.). Zur K r i t i k an BARDTKE vgl. BBCKBR S. i 2 6 f i .

11

8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

i62

Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

spiritualisierter Opferterminologie). Die Hodajoth bezeichnen aus dem gleichen Inspirationsdenken heraus die Gemeinde selbst mit nax 14,15. Die Antithese dieser Frömmigkeit gegen die rabbinische Werkfrömmigkeit wird ebenso sichtbar wie ihre Parallelität zur paulinischen Ethik als Beweis des Geistes und der Kraft Gottes. Gottes Geist stärkt den Beter der Loblieder im eschatologischen Kampf: 7,6. 14,12ff. setzt wieder Geistbegabung und Eintritt in den Jahad gleich, zeigt zugleich aber auch, daß die Geistverleihung Indienstnahme durch Gott ist. 13,7 ff. sind schließlich deshalb interessant, weil hier die Geistverleihung mit der Vorstellung der Wiederverleihung der himmlischen Herrlichkeit an den Gerechtfertigten verbunden wird. Die Verse liefern den endgültigen Beweis dafür, daß die Gemeinde von Qumran die „Rechtfertigung" als realen schöpferischen Eingriff Gottes angesehen hat, so daß die Frommen mit ihrer Eingliederung in den Jahad aufs neue Gottes Ebenbilder werden1. Wenn die Regel aber 4,7 f. das gleiche Motiv vom himmlischen ττπ als eschatologische Verheißung erwähnt, so ist damit 4. hingewiesen auf die auch in den Hodajoth scharf hervortretende eschatologische Spannung zwischen erfüllter Gegenwart und ersehnter Vollendung. Die Präsenz der Gottesgerechtigkeit im Jahad betonten 7,19; n , i o f f . (vgl. ι QS n,7f.). 13,8f. scheinen sogar von einer Präexistenz des Jahad zu sprechen - 13,12 bezeichnet jedenfalls die Gemeinde als Schöpfung von Ewigkeit her. Hart daneben treten wieder die vielen von der Anfechtung der Gemeinde sprechenden Stellen (2,20ff.; 3,iff.(?); 4,4-5,4; ó.igff.; 14,130.), und es erhebt sich aus beiden Aussagereihen heraus die Hoffnung auf eine anfechtungslose, herrliche Zukunft: 1 2 , 1 1 ff.; 14,16 heißt es : und deine Gerechtigkeit wird offenbar werden vor den Augen aller deiner Werke. Aber bereits heute weiß sich der Beter allein (pi) auf Gottes Erbarmen (tram) und Gottes Güte (aiö) angewiesen: 13,17 2 . Sein ganzes Heil ruht nicht in seiner eigenen, menschlichen Kraft, sondern in Gottes Gerechtigkeit: 4,30.37; 7,17; 9,i4ff.; I I , 7 3 ; 1 1 , 1 4 . 3 1 ; 1 6 , 1 1 ; 17,20. Mit dieser pessimistischen Anthropologie, die zur Folie wird für Gottes unermeßliche Größe und sein Erbarmen und deutlich von der Exhomologese geprägt ist, haben wir den wohl charakteristischsten theologischen Zug dieser spätjüdischen Psalmen aufgedeckt. Ihm entspricht schließlich, 5. daß von Gottes Gerechtigkeit wieder nur im helfend-aufbauenden Sinn die Rede ist, auch dort, wo die Gerichtsbezogenheit der (n)pTX betont wird : 1,23.26; 4,33ff. (9,i5ff.). In den Hodajoth erscheint also die Gerechtigkeit Gottes als die schöpferische Bundestreue Gottes, welche den Gehorsamen in Dienst stellt, dem 1

Vgl. Anm. 4 S. 87 und zum Gesamtkomplex J . JERVELL, Imago Dei. S. SCHULZ bezeichnet unsere Stelle a.a.O. S. 167 schön als die Fassung des „sola gratia" im Jahad. 3 Die Parallelbegrifie zu HpTt sind in 11,5 ff. wiederum höchst eindrucksvoll. Es tauchen auf: ΤΠ3, 31D, ΠΟΚ, Π13, ΓΠΌ3 u.a. Von einer Gabe Gottes wären diese Aussagen nicht alle zu machen. 8

Gerechtigkeit Gottes in der Apokalyptik

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Ungehorsamen zum Grunde des Gerichtes wird, welche den Verzweifelnden vergebend nahe ist und einer Zeit entgegeneilt, in der sie ihre eschatologische Manifestation erreicht. Terminologisch erscheint der Ausdruck ·?Χ (n)pTí erst wieder in der Kriegsrolle. c) Gerechtigkeit Gottes in der Kriegsrolle von Qumran Der komplizierte traditions- und gattungsgeschichtliche Befund, den nach H U N Z I N G E R S Vorangang zu durchdenken sucht1, kann hier weitgehend auf sich beruhen. Es reicht hin, darauf hinzuweisen, daß wir in i QM das „Endprodukt eines umfangreichen Kompilations- und Traditionsprozesses" vor uns haben, welcher in die Zeit noch vor der Gründung des Jahad zurückgeht, also altes Material verarbeitet2. In der Kriegsrolle tritt uns das apokalyptische Denken der Qumrangemeinde offen entgegen. Die Gemeinde versteht sich als Gottes eschatologische Kampfgemeinschaft3. Wer zur Gemeinde gehört, steht in der militia dei. Der Kampf zwischen Gott und Belial tobt aber nicht nur im Gläubigen selbst (1 QS 3,13ft.), sondern wird schließlich die Form der offenen Feldschlacht gegen Belials Heerscharen annehmen. Der Fromme wird deshalb in Gottes Heer eingereiht. In diesem Kampf geht es darum, Gottes Recht auf Erden zum Sieg zu verhelfen: ι QM 11,14; χ8,8. Dem Ziel des Kampfes entspricht das Rechtverhalten der Kämpfer: 1,8; 13,2f 4 .; I7,4ff. In ihren Kampf zieht die Gemeinde mit Kriegsgerät, das mit eschatologischen Losungen beschriftet ist. Ein Teil der Trompeten soll die Aufschrift tragen: "?X miai 3,6, und diese Aufschrift soll dazu dienen, „die Feinde zu zerstreuen und in die Flucht zu schlagen alle Hasser der Gerechtigkeit und Zurückziehen der Gnadenerweise für die, die Gott hassen" 6 . Die Feldzeichen sollen beschriftet sein mit ΠΟΧ "?Χ, "?X DDIftD, *?X 1133 und schließlich mit ·?Χ ¡ΠΧ: i QM4,6. Hier taucht der Begriff Gottesgerechtigkeit zum dritten Mal in den Texten auf. Die Parallelbegriffe machen es unbezweifelbar, daß damit Gottes eigenes Recht und nicht Gottes Gabe gemeint ist·. Gottes eigener p i s soll seiner Mannschaft in den heiligen Krieg voranziehen. Die Stelle zeigt, wie sehr der Begriff "?X pnx bzw. *7Χ npTS7 seine Heimat im apokalyptischen Denken hat und BECKER

1 Heil Gottes S. 43ft., vgl. C. H. HUNZINGER, Fragmente einer älteren Fassung des Buches Milhama aus Höhle 4 von Qumran, ZAW 69 (1957) S. 131-151 und ders. Ar2 B E C K E R , a. a. O. S. 50. tikel: Milhama, RGG 3 IV 944-946. s Bereits 1 QS 2,21 fi. werden die feldmarschmäßigen Abteilungen erwähnt. 4 Die Dienstbarkeit wird an unserer Stelle durch mttf bezeichnet. Da aber gleich darauf Belials Leute wegen ihrer Ï1U ΓΠ1357 verflucht werden, fällt von hier aus auch Licht auf die Frage des Dienstes an der Gerechtigkeit 1 QH 6,19; 1 QS 4,9 (vgl. Anm. 3 S. 158). Der Dienst an der Gerechtigkeit ist also militia dei! 6 DUPONT-SOMMER und G A S T B R möchten in ihren Übersetzungen den ganzen Ausdruck als eine einzige Aufschrift auffassen. Das widerspricht aber der Länge der anderen Losungen ebenso, wie es für eine Losung in sich widersinnig ist. • B E C K E R erkennt a.a.O. S. 83 die Bedeutung der Stelle nicht und betrachtet p"IX allein als „innerhalb und auf Grund des Bundes gewährtes Heil Gottes". 7 Diese Gleichsetzung ist möglich, weil in den Texten pTX und Hj?Tt stets ohne erkennbaren Unterschied wechseln. IX*

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Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

aus diesem nur unter Preisgabe seiner Wesensstruktur gelöst werden kann. Gerechtigkeit Gottes ist und bleibt für den Jahad der Machterweis Gottes, der als Schöpfer der Welt und der treue Gott des Bundes mit Israel im Aufbrach ist, die ihm gehörige Welt heimzusuchen, um der von ihm gewollten Bundesgemeinschaft den Lebensraum und damit zugleich sich selbst sein Recht zu verschaffen. Daß es sich bei dem in 1 QM angestrengten letzten heiligen Krieg um ein Rechts- bzw. ein Prozeßgeschehen handelt, zeigt Ι QM 11,13-15·

d) Gerechtigkeit Gottes im Habakukkommentar

von Qumran

Die Wurzel erscheint im Habakukmidrasch nur 1,13; 2,2; 5,10; 7,4; 8,3; 9,10 und 11,5 in der Verbindung: pTtn m i a , also im Titel des Lehrers der Gerechtigkeit. Dieser Titel geht auf eine eschatologische Interpretation von Joel 2,23 zurück und erweist damit aufs neue das apokalyptische Selbstverständnis der Gemeinde. Man wird deshalb auch nicht mit HUPPENBAUER p i n mm gleichsetzen dürfen mit p i s mia und das dann „gerechter, wahrer Lehrer" übersetzen1. Die gängige Übersetzung „Lehrer der Gerechtigkeit" trifft vielmehr das Richtige2. Bedeutsamer noch ist die Eschatologie der Texte. Die Auslegung von Hab. 2,1 ff. durch die Gemeinde ist nicht nur deshalb wichtig, weil hier Hab. 2,4b auf den Toragehorsam hin gedeutet wird, welcher allein durch das Festhalten an der Torainterpretation des Lehrers der Gerechtigkeit ermöglich wird8, sondern vor allem weil man hier sehen kann, wie neben die vorwiegend präsentische Eschatologie der Hodajoth und der Regel die Frage nach der Verzögerung des Eschaton tritt. Dieses Problem trägt seinerseits dazu bei, die Gehorsamsforderung an die Gemeindeglieder zu intensivieren. Noch stärker tritt uns dieser Zug in der Damaskusschrift entgegen. 1 H . W. H U P P E N B A U E R , Der Mensch zwischen zwei Welten, AThANT 34, Zürich 1959. S. 48 f. Die Texte hätten ja vom p"HX ΠΊΊΒ oder, was gleichbedeutend wäre, vom ρ τ χ - m i ö sprechen können, tun dies aber gerade nicht ! 2 Diese Auffassung sucht B E C K E R a.a.O. S. 173s. in Auseinandersetzung mit G. J E R E M I A S ZU kritisieren, ohne daß ich seine Argumentation für zwingend halten könnte : pTt soll im Titel Bezeichnung der göttlichen Legitimität sein. Zu übersetzen wäre demnach „rechter, legitimer Lehrer" (S. 176). Der Titel kommt aber eben durch die Verwendung von Joel 2,23 zustande! Als der im Bereich von Gottes p"J2£ stehende Lehrer ist er ein Interpret der Tora, also, danielisch gesprochen, ein j7*"TSÖ (Dan. 12,3 vgl. CD 20,18). Sofern die Tora für die Gemeinde Inbegriff und Zeugnis von Gottes (H)pTS ist, ist der pISÏl ΓΠΊΟ sehr wohl ein Lehrer der Gerechtigkeit für seine Gemeinde. Vgl. auch die folgende Anmerkung. 8 Die Stelle ist viel mißdeutet worden. Die richtige Auslegung hat jetzt G. J E R E M I A S in seiner Dissertation: Der Lehrer der Gerechtigkeit (Studien zur Umwelt des NT 2) Göttingen 1963, vorgelegt: Es geht nicht um einen Glauben an den Lehrer als Person, sondern um einen Glauben an Gott mittels der nur durch den Lehrer vollzogenen Torainterpretation. J E R E M I A S schreibt: „'Der Gerechte wird wegen seiner Glaubenstreue leben', sagt der Text Hab. 2,4b (der unten in Kol. 7 gestanden haben muß). Wer sind die 'Gerechten' für den pHab? Wie für das gesamte Judentum diejenigen, die das Gesetz erfüllen, die 'Gesetzestäter im Hause Juda'. 'Leben', sagt der pHab, ist der Freispruch, der den Gerechten im Endgericht gewährt wird. Und was bedeutet dann 7UQK? Weswegen werden die Gesetzestäter im Endgericht von Gott freigespro-

Gerechtigkeit Gottes in der Apokalyptik e) Gerechtigkeit Gottes in der

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Damaskusschrift

Wie andere Interpreten versteht auch K. G. K U H N unter der Damaskusschrift im Gegensatz zur Regel (= 1 QS) „die Regel für die 'weltlichen' Laienbruderschaften .... die im Lande verstreut Einzelgemeinden bildeten"1 Wohl ist auch hier noch die Gemeinde vom eschatologischen Sendungsbewußtsein getragen: 1,1.11; 3,13ft. ; 8,i4ff. Doch steht man ganz deutlich unter dem Eindruck eines sich hinauszögernden Endes: 6,11 (?); 20,140. Es wird sogar ein Zeitraum von vierzig Jahren bis zum Ende genannt und damit deutlich die zunächst in den Qumranschriften zurücktretende apokalyptische Zeitrechnung wieder aufgenommen. Dennoch bilden auch hier noch die präsentischen Aussagen (der Jahad ist z.B. die bisherige Krönung der Heilsgeschichte Ι,Ι-ΙΙ!) den beherrschenden Zug. Nur beginnt die Ethik der Eschatologie den Rang abzulaufen. Wieder stoßen wir also auch hier auf die bislang für Paulus reklamierte doppelte Eschatologie des „Schon" und „Noch nicht"; präziser: die Eschatologie der Überschneidung der beiden Äonen. Auch in CD wird wieder betont, daß von Gott allein nur alles Recht = Sein der Frommen stammt: 8,i4ff. (= 19,270.). Ein aus Dt. 7,8 und 9,5 zusammengezogenes Zitat liefert den Schriftbeweis dafür. Die Gemeindeglieder haben in der Gegenwart Gottes (n)j?TX in ihrem Verhalten zu repräsentieren: ι , ι ; 4,72; 6,11; 20,18. Sie sehen voll Freude der endzeitlichen Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes - der term, techn. fehlt in CD - entgegen : 20,20.29.31 f. Als Diener an und in Gottes Gerechtigkeit (20,21) wissen sich die Essener von CD als Gottes erwähltes Priestertum, als die wahren Zadokiten in einer niederbrechenden Welt. /)

Zusammenfassung

Der Überblick über die Qumrantexte hat zum Thema der Gottesgerechtigkeit Folgendes erbracht: 1. Gerechtigkeit Gottes = (η)ρτχ ist ein theologischer term, techn. des spätjüdisch-apokalyptischen Denkens, welcher chen? Unser Text interpretiert das 7UI9K von Hab. 2,4 durch zwei Hinzufügungen. ι. Er setzt nebenTOSKals Parallelausdruck ^>09. Dieses Wort ist von allen denen übersehen worden, die ÎU&K so verstehen wollen, wie Paulus ττίστις gebraucht. ^ 0 9 = Mühe bedeutet das Sichabmühen um die Tora, wie pHab 10,12 darlegt. Aber das Sichabmühen allein genügt nicht, um im Endgericht gerettet zu werden, denn auch die Gegner um den Lügenprediger mühen sich ab (10,12). Darum wird Π1&Κ noch näher bestimmt 2. durch die Hinzufügung von ρ*ΤΧΠ ΓΠ103. Nur durch ihn erreicht man es, daß man auch wirklich mit seiner Mühe den Willen Gottes trifft. Dafür garantiert nur die wahre Verkündigung der Gesetze, wie sie allein der Lehrer geben kann, weil er um die Geheimnisse Gottes weiß. Π1ΏΧ ist also der Glaube an seine Lehre, besser: an seine Interpretation des Alten Testaments. 'Glauben' heißt die Auslegung des AT durch den Lehrer als richtig anerkennen und sie befolgen. Die 'Gläubigen' sind die mina ,fi?19, die ihr Leben ausrichten nach der Gesetzesinterpretation des Lehrers und sich auf seine Worte verlassen. Es ist die Kluft von Gesetz und Evangelium, die unsere 1 Stelle von Paulus trennt" (S. 143!). Artikel: Qumran, 749. 2 Gattungsgeschichtlich werden hier und in 1,19 erneut die kultischen Rechtsformulare von Ps. 15; 24 und Ez. 18 verarbeitet.

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die alttestamentliche Rede von Jahwes mpTX überhöht und mit dem Schöpfungsgedanken zu einem prinzipiellen Begriff zusammenfaßt. 2. Ebenso wie im alttestamentlichen Gottesdienst wird die Gerechtigkeit Gottes im Jahad von Qumran als Verkündigungsgeschehen erfahren, dem die Gemeinde und die einzelnen Frommen ihre Homologie entgegenbringen. 3. Inhaltlich meint (n)p»TS das sich als Bundestreue offenbarende, dienstheischende, gerichtsbezogene und im eschatologischen Kampf sich durchsetzende Gottesrecht. 4. Den Umkehrwilligen und sich ihrer geschöpflichen Niedrigkeit bewußten Menschen begegnet dieses Gottesrecht schöpferisch als Quelle und Grund ihres DStfa, also als rechtschaffende Macht. 5. Die Gottesgerechtigkeit als rechtschaffende Macht stellt die von ihr ergriffenen Menschen in die militia dei, d. h. in das Amt, Gottes Gerechtigkeit im eigenen Gehorsam zu bewähren. 6. Dieser Gehorsam orientiert sich an einer durch eschatologische Schriftinterpretation verschärften Tora und soll nicht so sehr rechtfertigende Leistung, als vielmehr bezeugende Tat im Kampf für Gott sein. 7. Gerechtigkeit Gottes wird zu einem Gegenwart und Zukunft umgreifenden und so eine Eschatologie der Überlagerung der beiden Äonen hervortreibenden Begriff. 8. Gerechtigkeit Gottes ist der Inbegriff des sich der Welt zukehrenden Gottes. Sie ist der schöpferische Machterweis des Gottes, der alle Welt nur zu seiner Ehre geschaffen hat : 1 QH 10,12. Mit dieser Auffassung von Gottes Gerechtigkeit steht die Gemeinde von Qumran nicht allein. Sie bringt nur am klarsten und eindringlichsten zu Gehör, was Anliegen und Eigenart des apokalyptischen Judentums im Gegensatz gegen die rabbinisch-pharisäische Frömmigkeit seiner Tage ist.

4. Die Jubiläen

Die Jubiläenfragmente unter den Textfunden von Qumran zeigen, daß die sogenannte „Kleine Genesis" der essenischen Frömmigkeit nahesteht1. Terminologisch wird in den Jubiläen von Gerechtigkeit Gottes nicht gesprochen. Wohl aber sachlich, und zwar in der gleichen Weise wie in den Qumrantexten: Gott will Vater der bußwilligen Menschen in „Festigkeit und Gerechtigkeit" sein (1,25); Gott übt am Menschen Erbarmen und Gerechtigkeit (31,25); Gott vergibt dem Gesetzestreuen (= Gerechten) 5,i7ff.; im Segen über Jakob schließlich heißt es: Gott „erneuere seinen Bund mit dir, daß du ihm zum Volke seines Erbes seist in alle Ewigkeiten, und er sei dir und deinem Samen Gott in Wahrheit und in Gerechtigkeit in allen Tagen der Erde" (22,15)*. Gottes Gerechtigkeit ist also noch seine Bundestreue. Diese Treue Gottes aber liegt jenseits aller menschlichen Rechtsmaßstäbe (1,6). Sie befähigt Gott auch dazu, die Welt untrüglich zu richten (21,4). 1 1

L . ROST, Artikel: Jubiläenbuch, R G G » I I I 961. Ubersetzung(en) nach E . LITTMANN, bei KAUTZSCH, Apokryphen I I .

Gerechtigkeit Gottes in der Apokalyptik

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Charakteristisch ist der Wortlaut der Stelle: „Denn ein lebendiger Gott ist er und heilig ist er und treu und gerecht ist er von allen, und bei ihm gibt es kein Ansehen der Person, noch Annehmen von Geschenken. Sondern er ist ein gerechter Gott und Gericht haltend an allen, die sein Gebot übertreten, und an denen, die seinen Bund verachten." Trotz der unverkennbaren Radikalisierung des Gerechtigkeitsbegriffes gegenüber weiten Teilen des Alten Testaments bleibt Gottes Gerechtigkeit selbst die jüdisch, nicht griechisch, gedachte Macht, welche nur für diejenigen zum Grunde des Gerichtes wird, die sich nicht an sie halten. Für die Bundesgenossen aber ist sie das heilschaffende Gottesrecht. Die menschliche Gerechtigkeit ist in den Jubiläen stets nur (Gesetzes-) Gerechtigkeit vor Gott (35,2). Wie es Gottes Wesen ist, Erbarmen und Gerechtigkeit zu üben, so soll es der Mensch seinerseits tun (31,25). Nur dieses Rechtverhalten verleiht gedeihlichen Stand auf Erden (8,34; 31,20) und ist eben deshalb ursprünglich von den Wächterengeln den Menschen beigebracht worden: 4.I5 1 . Im irdischen Kampf um den rechten Wandel vermerken Gottes Engel auf himmlischen Tafeln jede gerechte Tat (30,188.), während der Versucher bemüht ist, die Menschen von den Wegen der Gerechtigkeit, d.h. dem Gehorsam zur Tora (23,26), hinwegzulocken. Damit ihm dies nicht gelingt, wird Gott um die Gabe des stärkenden heiligen Geistes angefleht (1,20f.). Widersteht der Fromme den Versuchungen, so wird ihm dies ebenso wie all sein frommes Tun „zur Gerechtigkeit gerechnet". Abraham ist das Urbild solch echter, tätiger Frömmigkeit: 23,10; 14,50.; 30,17.23 a ; 31,23. Heil und Gerechtigkeit sind schließlich die traditionellen Signaturen der Endzeit (1,15). - Mit (n)pTt wird in den Jubiläen also der Raum alles von Gott verliehenen und geforderten Seins bezeichnet, über dem Gott selbst als der gerechte Schöpfer wacht. Eine Profilierung der Gerechtigkeit als einer forensischen Macht ist jedoch gegenüber den Qumrantexten und vor allem gegenüber dem Alten Testament unverkennbar. 5. Das äthiopische Henochbuch Der sogenannte „äthiopische" Henoch ist in sich eine „kleine Bibliothek" apokalyptischen Schrifttums 3 . Teile dieser Bibliothek gehörten, wie die Vgl. ferner: 7,20.34.37; 20,9; 22,10.12; 31,15; 36,3.6.8. Wenn es 30,23 statt „zur Gerechtigkeit rechnen" heißt: „zum Segen aufschreiben", so zeigt dies, daß der alte deklaratorische Sinn des ΓΐρΠΧ bewahrt und ins Eschatologische transponiert worden ist. Der Wechsel von „Gerechtigkeit" und „Segen" zeigt ferner, daß es auch bei der forensischen Deklaration um ein heilschaffendes Schöpfungsgeschehen geht. Vgl. F. HORST, Art. Segen und Fluch im A T , R G G 3 V 1650. 3 O. PLÖGER, Artikel: Henochbücher, R G G 8 I I I 222 ; da die verschiedenen Einheiten des Henochbuches theologisch nur unwesentlich differieren, wagen wir, sie bei unserer Begriffsbestimmung als Einheit zu nehmen. 1

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vielen aramäischen Henochfragmente in Qumran zeigen, zur Stammlektüre der Essener1. Das Henochbuch gehört also ins Zentrum der apokalyptischen Literatur. Daß und wie sehr Gottes Gerechtigkeit Zentralbegriff des apokalyptischen Denkens ist, zeigt sich gerade hier. Terminologisch wird von Gottes Gerechtigkeit als „der Gerechtigkeit des betagten Hauptes" 71,14; der „Gerechtigkeit des Höchsten" 99,1ο 2 ; ioi,3 gesprochen. Hier liegt der aus den Qumrantexten bekanntgewordene term, techn. offensichtlich vor. 71,14 bezeichnet die Gerechtigkeit die den Menschensohn bevollmächtigende und deshalb zugleich friedenstiftende wie gerichtsbegründende Gottesmacht. 101,3 meint der Begriff das heilschaffende Gottesrecht des Schöpfers (vgl. 60,12 und 6i,4ff.[?]), gegen das zu verstoßen, in Gottes vernichtenden Zorn hineinfallen läßt (man beachte die jüdische Antithese von Gotteszorn und Gottesgerechtigkeit!). 99,10 schließlich ist die Gerechtigkeit das Gehorsam fordernde und für den Frommen wegweisende Recht Gottes (vgl. 91,4). Weitere, von Gottes Gerechtigkeit unterminologisch sprechende Stellen bestätigen unser Verständnis. Gott ist Lenker der Geschichte und Geschicke, also ein Gott der Gerechtigkeit (90,40). Die Geheimnisse der Schöpfung heißen „Geheimnisse der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit" (71,3). Dem Parallelismus Barmherzigkeit/Gerechtigkeit entsprechend, ist Gottes Gerechtigkeit mit dem Gnadenerweis den Ohnmächtigen gegenüber identisch, denn vor Gott ist kein Fleisch gerecht. Gott ist allein der Schöpfer (81,5) ! Dennoch heischt Gott den Gehorsam der Menschen und erweist seine Barmherzigkeit nur den bemühten Frommen ( = Gerechten3): 27,4; 39,6; 47,4; 50,3f.; 61,13; 65,12; 92,4. Gott ist Herr der Gerechtigkeit (106,3) deshalb, weil seine Gerechtigkeit auch der Grund des Weltgerichtes ist : 108,13. Diese Richtermacht ist darin Gerechtigkeit im alttestamentlichen Sinne, daß Ziel und Grund des Gerichtes die Aufrichtung des segenstiftenden Rechtsstandes ist: 91,17! Und sie ist darin schöpferische Macht, daß sie den Frommen die alte Gottebenbildlichkeit (= Herrlichkeit) verleiht: „Ich will in ein helles Licht die hinausführen, die meinen heiligen Namen hebten, und ich werde jeden einzelnen auf den Thron seiner Ehre setzen. Sie werden zahllose Zeiten hindurch glänzen, denn (!) Gerechtigkeit ist das Gericht Gottes. Denn den Treuen wird er in der Wohnung (der Leute) rechtschaffener Wege mit Treue lohnen. Sie werden sehen, wie die in Finsternis Geborenen in die Finsternis geworfen werden, während die Gerechten glänzen" (108,12-14). 1 Ob deshalb das Henochbuch selbst essenischen Ursprungs ist, ist unsicher. Bis jetzt sind noch keine Spuren der sog. Bilderreden (Kap. 3 7 - 7 1 ) in Qumran aufgetaucht, und auch die Gestalt des Menschensohnes fehlt in der Sekte. Dies warnt vor voreiligen Identifikationen. 2 Vgl. zur Stelle KAUTZSCH II, S. 304 Anm. q. 3 Die Frommen werden durchweg als Gerechte bezeichnet, z.B. 1 , 1 . 7 ; 5.6; 25,4.7; 41,8; 47 (passim); 48,4S.; 5 3 , 7 ; 56,7; 58 (passim) usw.

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Neu gegenüber Qumran ist die Betonung, welche auf die Sendung des Menschensohnes (bzw. des Messias) fällt. Der Messias hat den Beinamen „der Gerechte" (38,2; 53,6) und diese Gerechtigkeit des Messias wird 53,7 als Schöpfermacht beschrieben. Ebenso ist es vor allem zu verstehen, wenn der Menschensohn als Träger und Gefährte der Gerechtigkeit (46,3), als Helfer der Gerechten (48,60.), als Träger des Geistes der Gerechtigkeit und als kundig aller Geheimnisse der Gerechtigkeit (= Schöpfung, vgl. 58,5 ; 71,3) bezeichnet wird: 49,1-3; 62,2. Traditionell ist die Schilderung der eschatologischen Hoffnung unter den Stichworten Gerechtigkeit, Treue und Barmherzigkeit: 10,16.18; 32,3; 39,5ff.; 58,4; 92,3. Bekannt aus dem Habakukkommentar und CD ist auch das Moment der eschatologischen Verzögerung: 93,3. Der Gerechtigkeitsbegriff des Henochbuches ist wie der der Qumranschriften wieder weitgehend alttestamentlich nuanciert. Daß es sich ursprünglich bei dem term. Gerechtigkeit Gottes tun eine Abbreviatur handelt, wird nicht mehr sichtbar. Gerechtigkeit Gottes ist inhaltlich nie die Eigenschaft des Richters, sondern nur der Recht stiftende Machterweis des Schöpfers1. 6. Slavischer Henoch und drittes Buch der Sibyllinen

Es ist empfehlenswert, jetzt gleich auf die Henochliteratur der jüdischhellenistischen Diaspora einzugehen, wie sie uns in der längeren und kürzeren Redaktion des sogenannten slavischen Henochbuches erhalten ist8. An diese beiden Zeugnisse schließt sich das ebenfalls in der hellenistischjüdischen Diaspora beheimatete dritte Burch der Sibyllinen zwanglos an. An beiden Zeugnissen zeigt sich sehr klar, wie das apokalyptische Gedankengut beim Eintritt in die griechische Geisteswelt verändert wird. Wo die genuine Apokalyptik von Gottes Gerechtigkeit (= Gottes Schöpfermacht) sprach, spricht der slav. Henoch jetzt von Gottes Weisheit (33.3 KR). Gerechtigkeit wird weitgehend zum Begriff einer ethischen Eigenschaft, und zwar des Menschen ! Die Bezeichnung der Frommen als Gerechte kann der slav. Henoch daher übernehmen: 42,3 LR; 65,8 LR. Im Anschluß an die alten priesterlichen Toroth werden auch hier die notae der Rechtschaffenen festgestellt : 9 LR/KR®. Frömmigkeit ist, wie der Makarismus43,7 ff KR zeigt, ein Tun der Weisheit oder ein Tun „nur der Gerechtigkeit wegen" 47,7.9 LR. Von Gott selbst wird nur zweimal unter dem Stichwort „GeVgl. M. J. FIEDLER, δικαιοσύνη S. 66f. ; BECKER, Heil Gottes, S. 34. Wir benutzen die Ausgabe von G. N. BONWETSCH, Die Bûcher der Geheimnisse Henochs (TuU 44,2. 3. Reihe, Bd. 14 Heft 2) Leipzig 1922. Die beiden Redaktionen sind voneinander unabhängig, gehen aber auf ein gemeinsames griechisches Original zurück (a.a.O. S. X l l l f . ) . Wir bezeichnen im folgenden die längere Redaktion mit L R und die kürzere mit K R . 3 Vgl. O. PLÖGER, a.a.O. 224. 1

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rechtigkeit" gesprochen : Gottes Werke sind „gerecht" (42,14 LR), und Gott veranstaltet ein „gerechtes" = unparteiisches Gericht über die Taten der Menschen (46,3 LR). Mit der Ethisierung des Gerechtigkeitsbegriffes steht der slav. Henoch nicht allein. Sie findet sich ebenso in Sib. III 1 . Nur ein einziges Mal wird mit Hilfe des Stammes δίκαιος etwas von Gott ausgesagt: Er ist κτίστη s und δικαιοκρ{τη$ τεμόναρχος 704. Die Tugend der Rechtschaffenheit (des Menschen) ist δικαιοσύνη eindeutig 234 (vgl. 273ff., wo statt von δικαιοσύνη von εύδικίη die Rede ist) und 630. Der Tatbestand in diesen beiden hellenistischen apokalyptischen Schriften ist höchst kennzeichnend. Zeigt er doch, daß im hellenistischen Denken kein Resonanzboden für die apokalyptische Aussage von Gottes Heil stiftender, und damit für griechisches Empfinden geradezu widersinnig parteilicher Schöpfermacht, seinem Recht, gegeben war. Der Befund hier bestätigt die oben (S. 106-112) zum hellenistischen Judentum getroffenen Feststellungen.

7. Die Testamente der Zwölf Patriarchen Daß die Testamente zur Lektüre der Qumrangemeinde gehört haben, machen die Fragmentfunde in den Höhlen von Qumran unbezweifelbar. Die theologische und terminologische Verwandtschaft der Gemeinderegel und der Testamente läßt sogar einen essenischen Ursprung der Schrift vermuten2. Die Frage der christlichen Interpolationen ist mit der Entdeckung der Qumranschriften erneut aufgebrochen*. Wir gehen auf die komplizierten Fragen nur insoweit ein, als es unser Stellenmaterial von Mal zu Mal erforderlich macht 4 . Test. Dan 6,10 stoßen wir wieder auf den aus den Qumrantexten bekannten term, techn., diesmal bereits in griechischer Gestalt: 1 Sämtliche im folgenden zitierten Stellen sind von Interpolationsproblemen nicht betrofien (vgl. P. VOLZ, Eschatologie, S. 55). 2 Vgl. den vorsichtigen Aufsatz von B. OTZEN : Die neugefundenen hebräischen Sektenschriften und die Testamente der zwölf Patriarchen, Stud. Theol. 7 (1953) S. 125 bis 157. Besonders eindrücklich sind die Parallelen, auf die OTZEN S. 137 hinweist: ι Q S 3,i8f./Test. Jud. 20,1 und die Verwendung des Belial-Namens in beiden Schriften (OTZEN S. I42Ñ.). - Zum essenischen Ursprung der Testamente vgl. ferner WEISER, Einleitung 4 S. 354 u. A. DUPONT-SOMMER, Essen.Schriften, S. 325-330, ferner L . ROST, Artikel: Testamente der X I I Patriarchen, R G G S V I 702. * A. DUPONT-SOMMER, a . a . O . und A . PHILONENKO, Les Interpolations chrétiennes des Testaments de Douze Patriarches et le Manuscrits de Qoumr&n, R H P h R 38 (1958) S. 309-343 und 39 (1959) S. 14-38, möchten nunmehr christliche Einflüsse auf ein M i n i m u m zurückschrauben. So zurückhaltend man diesen Thesen gegenüber sein wird, so sehr wird man doch z . B . das Warten der Sekte auf einen priesterlichen und einen davidischen Messias (1 QSa) für die Frage nach Test. L e v . 18 und Test. Sim. 7,2 in Rechnung stellen müssen. 4 Textstellen zitieren wir nach R . H. CHARLES, The Greek Versions of The Testaments of The Twelve Patriarchs, Oxford 1908 bzw. Darmstadt 2. ( = 1.) Aufl. i960.

Gerechtigkeit G o t t e s in der A p o k a l y p t i k

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ή δικαιοσύνη του Ssoö 1 . Der Vers lautet : Άιτόστητε ουν από πάσης αδικίας καΐ κολλή^ητε τη δικαιοσύνη του ΘεοΟ, καΐ εσταιγένος υμών ε!ς σωτηρίαν έως τοϋ αιώνος. Gerechtigkeit Gottes ist hier ebenso wie in 1 QS 10,25 f. die den Gehorsam des Frommen maßgeblich bestimmende Macht Gottes. Daß man unter dem Begriff nicht, wie OEPKE, Gerechtigkeit vor Gott verstehen darf2, zeigt zunächst der Kontext. Test. Dan 6,1 f. mahnt, sich vor dem Satan zu hüten und Gott zu nahen. Unser Vers spricht dementsprechend von άδικία als dem, wovor man sich hüten, und von δικαιοσύνη του 3εου als dem, woran man sich halten soll. Daß αδικία in den Testamenten eine Art satanischer Besessenheit, also eine Macht ist, zeigt Test. Dan 5. ή δικαιοσύνη του 3εοϋ steht aber dann für Gottes Macht, wie άδικία für die satanische Macht steht, ή δικαιοσύνη του ·9εο0 meint in diesem Falle Gottes bestimmendes Recht. Für diese Fassimg spricht auch das Gerechtigkeitsverständnis der Testamente überhaupt. Test. Seb. 9,8 wird von Gott gesagt, er werde am Ende als vergebender Herr erscheinen und den Frommen aufgehen als φως δικαιοσύνης. Wieder tritt δικαιοσύνη also für Gott selbst ein. b d g setzen im Parallelismus noch hinzu : καΐ ϊασις καί εύσττλαγχν{α εν ταϊς πτέρυξιν αυτού, ΐασις und εύσιτλαγχνία sind aber ebenso wie δικαιοσύνη Gottes eigene Verhaltensweisen bzw. Erweise. Test. Juda 22,2 wird das Heil Israels mit der Ankunft des 3εός της δικαιοσύνης parallelisiert3, erneut erscheint also δικαιοσύνη im Sinne von Gottes eigenem Heilserweis. Ebenso wird Test. Juda 24,1.6 von der Gerechtigkeit des Messias gesprochen. Gottes Gerechtigkeit ist schließlich darin wirksam, daß der Retter kommen und wie der Herr selbst δικαιοσύνη und ελεος üben wird: Test. Napht. 4,5. ή δικαιοσύνη τοϋ 3εοΰ ist in Test. Dan 6,10 also sicher das Gott eigene, in den Gehorsam rufende Recht des Bundesgottes. Des Menschen δικαιοσύνη ist δικαιοιτραγία schlechthin: Test. Dan 1,3, Test. Asser 1,6; 6,4. Die Testamente werden nicht müde, zur Ausübung der Gerechtigkeit unter der Verheißung himmlischen Lohnes aufzurufen: Test. Levi 13,5; Test. Gad 3,1; Test. Benj. 10,3. Wieder werden die Verhaltensweisen des Frommen im Abschluß an die kultischen Torot aufgereiht : Test. Iss. 7; Test. Benj. 4 und 64. Durchweg heißen die Frommen daher auch die Gerechten, mag es sich um Gestalten der heiligen Vergangenheit handeln wie Jakob (Test. Jos. 10,6) und Henoch (Test. Lev. 10,5; Test. Juda 18,1; 1 Zwar fügen α A ß S 1 ein: τ η δικαιοσύνη τ ο ϋ [νόμου τ ο υ ] βεοΰ, aber das ist offensichtlich eine spätere, uminterpretierende Korrektur. Dies zeigt bereits CHARLES in seiner A u s g a b e und h a t Α . O E P K E , Δ ι κ α ι ο σ ύ ν η S s o ö 262 neu hervorgehoben. Der dreifache Genitiv läßt sich nur sehr schwer ins Hebräische zurückübersetzen: G E SENIUS-KAUTZSCH, Gramm. 2 7 § I 2 8 a . i 2 9 d , J . JEREMIAS, D i e Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 3. A u f l . i960, S. 186.

A . a . O . 262. Icos "rifa π α ρ ο υ σ ί α ; τ ο ϋ 3 ε ο ϋ τ η s δικαιοσύνης ist g u t jüdisch und braucht keine Interpolation zu sein, wie BOUSSET, D i e Testamente der zwölf Patriarchen I, Z N W 1 (1900) S. 149 annimmt. 1 Auf diese Reihen als Vorstufe von i . K o r . 13 m a c h t G . v . R A D aufmerksam: S t u dien S. 281-296. 2

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Test. Benj. 9,1) oder die Gesetzestreuen der Gegenwart: Test. Levi 3,5; 5,7; Test. Juda 21,6.9; Test. Dan 2,3; 5,12; Test. Gad 5,3; Test. Benj. 4,3; 5,5; 7,4. Die Reihen dürfen aber nicht zu dem Schluß verleiten, als wlißten die Testamente in einer äußerlichen Frömmigkeit nicht um die gelegentliche Unerkennbarkeit des rechten Gehorsams. Test. Ass. 4,1 zeigt das Gegenteil. Die Ethik der Testamente ist ebensowenig reine Leistungsethik wie die der Qumrangemeinde. Die Gerechtigkeit, die man anlegen kann wie ein Gewand (Test. Levi 18,14), die also eine den Menschen umkleidende und begleitende Kraft ist (Test. Gad 5,3; Test. Ass. 1,6; Test. Levi 8,2ff.(!) ; 18,14), hat den Geist des Hasses zum Widersacher: Test. Gad 3,2; Test. Dan 3.31. Sie ist also Gabe des Geistes und göttliche, in den Frommen Belial widerstehende Kraft Gottes2. Die Ethik der Testamente ist ein Aufruf zur Bewährung der Gabe, welche Gott selbst schenkt. Ebenso wie bei Paulus ist die δικαιοσύνη der Frommen Gabe und Ausfluß der δικαιοσύνη Seoö. 8. Der 4. Esra Die weithin im 4. Esra verarbeiteten Traditionsstücke zeigen, daß diese Schrift das apokalyptische Denken auch der Zeit vor ihrer Abfassung zu repräsentieren vermag. Von Gottes Gerechtigkeit ist zunächst in Parallele zu Gottes Barmherzigkeit 8,12 die Rede, und zwar in einem von Gottes Schöpfermacht handelnden hymnischen Fragment. Gottes Gerechtigkeit ist die barmherzige Treue des Schöpfers zu seiner Kreatur, die er mit Führung, Nahrung, Gesetzesbelehrung und weisem Unterricht ausgestattet hat, über die er aber auch alle Macht besitzt: 8,13. 8,2off. folgt dann eine Gottes Schöpfergröße besingende und sein Erbarmen erflehende Gerichtsdoxologie: Gott soll denen Barmherzigkeit erweisen, die als die bemühten Frommen doch um ihre eigene Sündigkeit und Verlorenheit wissen. V. 32 sagt deshalb: „Denn gerade weil wir nicht Werke der Gerechtigkeit haben (lateinisch: opera iustitiae), wirst du, wenn du einwilligst uns zu begnadigen, der Gnädige heißen" 3 . V. 36 schließt das Gebet ab: „Denn dadurch wird deine Gerechtigkeit und 1 Der T e x t lautet: Der Zorn δίκαιο! τ ά π ρ α χ δ ί ν τ α . δικαιοϋν meint also: als gerecht hinstellen. Ein zweites Mal taucht das Passiv von δικαιοϋν Test. Sim. 6,1 auf und bedeutet hier in der Wendung : δικαιοΰσ£αι άπό τ η ; άμαρτίαΐ frei (gesprochen) werden von. Wenn man mit CHARLES, a.a.O. S. X L I I I f . die griechische Ubersetzung der Testamente schon in die neutestamentliche Zeit versetzen darf, ist diese Stelle (zusammen mit Sir. 26,29) eine Parallele zu dem paulinischen Sprachgebrauch in Rom. 6,7. 2 B. OTZEN weist a.a.O. S. 142f. mit Recht auf die Parallelität dieses Denkens mit ι Q S 3,15ft. hin. 8 Ich bediene mich der Ubersetzung von H . GUNKEL in KAUTZSCH II. Die Urtexte bietet synoptisch BR. VIOLET, GCS 18,x91ο. Seine Ubersetzung in GCS 32,1924 macht für unsere Stelle deutlich, daß es sich auch in 8,31-36 durchgehend um hymnische Sprache handelt, daß also 8,20-36 als ein großes Bittgebet anzusehen ist. Gegenüber GUNKEL wird dies schon daraus ersichtlich, daß sich der sich in 8,20-30 zeigende antithetische Parallelismus membrorum in V . 31 fi. fortsetzt.

Gerechtigkeit Gottes in der Apokalyptik

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Güte, Herr, offenbar, daß du dich derer erbarmst, die keinen Schatz von guten Werken haben."1 Gottes Gerechtigkeit ist hier wie V. 12 die erbarmende Treue des Schöpfers zu seinem bemühten Geschöpf, das dem Schöpfer nicht voll gerecht zu werden vermag. Daß der Kontext diesen Sinn von Gerechtigkeit Gottes nicht mehr voll aufnimmt, sondern als Gottes Achten (gerade nur) auf die Gerechten interpretiert, ist ein sicheres Kennzeichen dafür, daß wir hier Tradition vor uns haben, welche der strengen Sicht der Späteren nicht mehr ganz entspricht2. Für den 4. Esra ist allerdings noch nicht die reine Werkgerechtigkeit charakteristisch, sondern die (typisch jakobinische) Zusammenstellung von Glaube und/oder Werke(n), welche beide vor Gott wohlgefällig sind: 9,7; 13,23. Rechtfertigung ist für den 4. Esra deshalb die die Vergebung einschließende Annahme durch Gott : 12,7, Gerechtigkeit, auf den Menschen geblickt, Frömmigkeit (6,32; 7,105) bzw. das Tun des Rechten (5,11). Die Frommen sind wie im äth. Henoch und in den Test. X I I durchweg die Gerechten: 4,35; 7,15.18.51.99.102.111; 8,33.39.49; 9,13; 10,22; 14,35, obwohl 8,3 ff. an der Möglichkeit einer vor Gott bestehenden menschlichen Gerechtigkeit Zweifel anmelden. Aber hier handelt es sich wieder um die Tradition, welche V. 37 ff. umbiegen. Was in den Hodajoth der beherrschende Zug war, die radikale Niedrigkeits- und Sündenüberzeugung, ist im 4. Esra eben nur noch eine theologische Randerscheinung, Tradition. Offensichtlich beginnt das Problem des rechten Gehorsams sich in den Vordergrund zu schieben. Der Grund dafür hegt eindeutig in der Verzögerung des Eschaton, wegen der es nun sogar zur Vernichtung Jerusalems gekommen ist (4,39 u.ö.). Die Frage der Ethik wird dort wieder beherrschend, wo die präsentische Eschatologie verblaßt und nur noch die Erwartung des strengen, individuellen Gerichtes bleibt: 7,105. So ist es wirklich nur noch traditionell, wenn der 4. Esra die Endzeit der Gottesherrschaft auch wieder mit den Begriffen Gerechtigkeit und Wahrheit, also als gedeihlichen Friedensstand beschreibt: 7,114. 9. Die syrische Baruchapokalypse Erst in dieser zeitlich noch nach dem 4. Esra einzuordnenden3 Apokalypse stehen Gottes Gerechtigkeit und Gottes Gnade tatsächlich so unverbunden nebeneinander, wie BOUSSET dies für die gesamte spätjüdische Frömmigkeit postuliert hat. Noch ist auch hier die Gerechtigkeit Gottes Mittelpunkt des Denkens. 5,2 heißt es von ihr (bzw. von Gottes Gericht4), sie werde zu ihrer Zeit - die Gegenwart ist eine Periode der Anfechtung und der Not (52,6) 1 Wie GUNKEL Z. St. richtig sieht, ist „deine Gerechtigkeit und Güte" lectio diffi2 cilior und damit ursprünglicher Text. Vgl. GUNKEL Z. St. (a.a.O. S. 381 Anm. 1). a Vgl. O. PLÖGER, Artikel: Baruchschriften, R G G 3 I 902. 4 Zum Text vgl. BR. VIOLET, G C S 32, S. 209 Anm. zu V . 5 : als hebräisches Original kann "ODtÖD oder '(DJpTX gelten. Zur Sache vgl. auch die Gesetzesgerechtigkeit Abrahams 57,2.

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ihr Recht wahren. Daß Gerechtigkeit Gottes nur noch die Rechtsmacht des Richters ist, zeigen die Stellen, in denen Gottes Gericht als gerecht : 67,4 ; 78,5, oder der Schöpfer als unparteiisch und gerecht richtender Herr bezeichnet wird: 44,4. Wenn das Gericht selbst aber, ganz traditionell, auf Gottes Zorn zurückgeführt wird und nicht auf Gottes Gerechtigkeit (vgl. 48,17), so zeigt dies, daß auch noch jetzt sich die Tradition von der heilschaffenden Gerechtigkeit durchhält. Wenn es heißt, Gottes Gebote seien durch Gerechtigkeit gekennzeichnet: 61,6, so deutet dies ebenso, wie die Herleitung aller Gerechtigkeit aus der Tora : 67,6, darauf hin, daß die Gerechtigkeit ein forensisch verstandener, sich am Gesetz als der Gerichtsnorm orientierender Begriff geworden ist. Von Zion wird gesagt, es sei in ihm erloschen „der balsamische Weihrauchduft der aus dem Gesetze herstammenden Gerechtigkeit" (67,61). Nach dem Denken des syr. Baruch sind die Gerechten die Gesetzesfrommen (11,4.12; 14,12; 15,2.7; 48,48; 52,6; 58,1; 66,2; 69,4; 85,1.3.12). Ihr Gebet wird erhört (63,6; vgl. Jak. 5,16b). Jahwe steht ihnen bei (63,4). Der Fromme vermag sogar dadurch, daß all seine gerechten Taten aufbewahrt = aufgezeichnet werden, einen Schatz guter Werke aufzuspeichern (24,1; 14,12 vgl. 4. Esra 8,36 u.ö.), der ihn durch das Gericht hindurchzuretten vermag. Wenn es 84,10 heißt, man solle den Herrn bitten, er möge der „vielen Sünden nicht gedenken, sondern der Rechtlichkeit eurer Väter gedenken", so kann das nur heißen, daß das Verdienst der Väter (bzw. der von ihnen angesammelte Schatz der guten Werke) die Sünde ihrer Nachkommen decken soll. Der syr. Baruch wagt es nicht mehr, wie 4. Esra 8,36, an Gottes Gerechtigkeit als die Güte Gottes zu appellieren. Er bittet Gott nur noch um eine Verrechnung der Schulden der einen mit dem Guthaben der anderen. Läßt Gott dies zu, so handelt er gnädig und der forensische Vorgang bleibt trotzdem intakt (84,11 vgl. ferner 48,18; 75,6). Die im Gericht kraft der Guttaten der Väter gerechtfertigten Frommen erwartet am Ende der Tage die restituierte Gottebenbildlichkeit in Gestalt des himmlischen Glanzes, der sie umgeben wird: 51,3.12. το. Zusammenfassung Überschauen wir nun den gesamten Schriftenkreis des apokalyptischen Judentums, so sind folgende Punkte besonders hervorzuheben : a) Gerech1 Diese Stelle ist doppelt aufschlußreich. 1 Q S 9,5 hieß es. Gebet und Gehorsam sollten ein v o m Geist inspirierter j?Tt m m für Gott sein. Von dieser Präsenz des Eschaton im Geist ist im syr. Bar. nur noch die Tora geblieben, und selbst diese liegt darnieder! G o t t ist nur noch der ferne G o t t des zukünftigen Gerichts. A n der Stelle des nahen Gottes steht die gebietende Tora. Diese Sicht ist genau diejenige, der sich Paulus entgegenwirft. Seine antijüdische Polemik gegen eine vom Gesetz her bezogene eigene Gerechtigkeit ist eine Polemik aus eschatologischen Prämissen heraus : Der nahe G o t t ist durch die Tora nicht mehr vertretbar, sondern in Christus selbst präsent. D a s Problem der Parusieverzögerung, das STROBEL auch bei Paulus erkennen will, ist Paulus gerade fremd !

Gerechtigkeit Gottes in der Synagoge

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tigkeit Gottes ist ebenso wie in den Qumrantexten (1 QS 10,25 f· i ϊτ > 12 > i QM 4,6) term, techn. dieser Schriften. Test. Dan 6,10 findet er sich unverändert, äth. Hen. 71,14; 99,10; 101,3; 4. Esra8,36 den Texterfordernissen nach leicht abgewandelt, b) Unter Gerechtigkeit Gottes verstehen die Texte stets Gottes eigenes Verhalten, Gottes Recht, wobei Gottes Schöpfertum, seine Bundestreue und vergebende Barmherzigkeit mit seiner Gehorsamsforderung zusammenzudenken sind, c) Entsprechend der eschatologischen Radikalität des Denkens, treten die verschiedenen Seiten des Begriffes unterschiedlich hervor. In der Frühzeit mit stark präsentischer Eschatologie wird alles Gewicht auf die erbarmende Kraft der Gottesgerechtigkeit gelegt, während dort, wo die präsentische Eschatologie wieder einer rein futurischen weichen muß, ihr Gerichtsernst hervorgehoben wird, ζ. B. syr. Bar. 5.21. d) Ontologisch wird man auch in der Apokalyptik von einer Korrespondenz von Wort- und Schöpfermacht sprechen und also die Gerechtigkeit Gottes als die Macht des schaffenden Gotteswortes verstehen müssen: Vgl. syr. Bar. 14,17; 48,8; 4. Esra9,5f. u.a. e) Gattungsgeschichtlich zeigt sich auch in den apokalyptischen Schriften eine gewisse Kontinuität zu den alttestamentlich-kultischen Aussagen über Gottes Gerechtigkeit1, f) Gerechtigkeit Gottes ist demnach ein theologisches Grundthema der gesamten Apokalyptik. Es ist die Frage nach der Beständigkeit von Gottes Recht, Gottes Treue und Schöpfertum in einer chaotischen Welt, welche die Apokalyptiker dennoch als Schöpfung zu begreifen suchen.

V. Gerechtigkeit Gottes in der Synagoge Über das Verständnis der Gerechtigkeit Gottes in unserem neuen Themenbereich ist man sich trotz intensiver Diskussion noch immer nicht einig geworden. Systematische Diskreditierung der rabbinischen Frömmigkeit ruft 1 Damit ist die eigentliche Gegenthese gegen B O U S S E T - G R E S S M A N N gewonnen. Eine Diastase von Gerechtigkeit und Gnade Gottes ist nur dort spürbar, wo die Eschatologie beide auseinanderbrechen läßt. B O U S S E T - G R E S S M A N N verabsolutieren also einen Teilaspekt und dehnen ihn auf das gesamte Material aus. Auch daß sie von einer „Eigenschaft" der göttlichen Gerechtigkeit sprechen, beruht auf einer die eschatologische Frage außer acht lassenden Sicht der Dinge. Selbst der syr. Baruch will noch von Gottes Verhalten sprechen, wenn er von Gerechtigkeit handelt! Der Begriff ist aber bei ihm (und in den Psalmen Salomos) bereits so formalisiert, man könnte auch sagen : forensisch eingeengt, daß er nur noch auf das Endgericht Anwendung findet und damit natürlich einer griechisch gedachten Richtergerechtigkeit täuschend ähnlich wird. Hier endet also der Weg, auf welchem Israel selbst dem scheidenden Phänomen der unwandelbaren (H)j7Tt Jahwes konfrontiert wird (vgl. Anm. 7 S. 131, 8 S. 135, 4 S. 143). 2 Äth. Hen. 71,14 entstammt einer Segensformel; 99,10 einem Makarismus; 4-Esra 8,36 einem hymnischen Gebet; inwieweit der paränetische Zusammenhang von Test. Dan. 6,10 noch einen gottesdienstlichen Sitz im Leben hat, ist wie bei äth. Hen. 10,3 schwer auszumachen. Von einer Korrespondenz der ÍYIplX Jahwes mit der Gerechtigkeit Gottes ist in diesen apokalyptischen Schriften nicht mehr viel zu bemerken. Der abstrakte Begriff „Gerechtigkeit Gottes" hat sich also rasch eingebürgert.

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Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

undifferenziert positive Darlegungen auf den Plan und umgekehrt. Es ist daher nötig, auch hier die einschlägige Literatur kurz durchzugehen. Chronologisch und sachlich muß dabei F . W E B E R S „Jüdische Theologie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften"1 an der Spitze stehen. W E B E R legt in bewundernswerter Klarheit und Schärfe dar, daß Gottes Gerechtigkeit für das Spätjudentum das Verhalten des unbestechlichen Richtergottes meint, aber durch das ihr entgegengesetzte Erbarmen Gottes eingegrenzt und beschränkt wird2. Zwischen Gott und Mensch steht die Tora. Weil Gott ein unparteiisch richtender Gott ist, ist der Jude „allen Ernstes um die Herstellung eines normalen Rechtsverhältnisses gegen Gott aus Gesetzeswerken" bemüht3. Zur Herstellung dieses Rechtsverhältnisses können neben die obligatorischen Gesetzeswerke auch Almosen und Liebeswerke treten. Gott seinerseits kommt aus Erbarmen den Menschen durch die Möglichkeit entgegen, ihnen das Verdienst der Väter anzurechnen und den Weg der Umkehr zu bahnen. W E B E R S weitgehend negativ deklassierende Art der Darstellung hat selbst noch auf P. B I L L E R B E C K S Bild von der spätjüdischen Frömmigkeit eingewirkt. Dieses gipfelt in dem Urteil: „Die altjüdische Religion ist ... eine Religion völligster Selbsterlösung; für einen Erlöser-Heiland, der für die Sünde der Welt stirbt, hat sie keinen Raum." 4 Ein solches Urteil vermeidet G. F. MOORES Standardwerk „Judaism in the First Centuries of the Christian Era" 5 , während B O U S S E T - G R E S S M A N N für das Spätjudentum von einer klaren Diastase von Gerechtigkeit und Erbarmen Gottes und einer entsprechenden Heilsunsicherheit des Individuums sprechen®. MOORE läßt es nicht bei dieser Feststellung einer begrifflichen Doppelung bewenden, sondern versucht, Gnade und Gerechtigkeit vom jüdischen Standpunkt her zusammenzudenken: „For Jewish apprehension justice and mercy are not jealous attributes between which God is somehow distracted, but complementary aspects of the world and his particular providence."7 Daß Gott zugleich Richter und Vater ist, zeigt sich nach MOORE besonders darin, daß Gott der Welt und den Menschen immer die Rückkehr zu sich offen läßt8. Hat man dies gesehen, so muß und kann man 1

Leipzig 2. Aufl. 1897, nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von FR. DE-

LITZSCH u n d G . SCHNEDERMANN.

A.a.O. S. 259fl. A.a.O. S. 279. 4 IV 6; zu BILLERBECKS Interpretation der Gottesgerechtigkeit bei Paulus s.o. S. 50Í. s Maßgeblich ist für uns vor allem Bd. 1, Cambridge 1927. • Religion8 bes. S. 384. Dabei sind jedoch die Formulierungen von S. 382 beachtenswert : „ . . . freilich steht es nun auch nicht so, daß der Glaube an die Güte Gottes aus der jüdischen Religion ausgestoßen wäre. Man macht sich hier oft falsche Vorstellungen und sieht das Judentum zu sehr im Licht der Gegnerschaft des Neuen Testaments, des Kampfes gegen die Auswüchse des Pharisäismus von Seiten Jesu und Pauli. Niemals und nirgends innerhalb der jüdischen Religionsgeschichte ist so viel und so oft von der Barmherzigkeit, Güte und Gnade Gottes die Rede, wie in der jüdischen Literatur." 7 A.a.O. S. 393· * A.a.O. S. 526f. 2

a

G e r e c h t i g k e i t G o t t e s in der S y n a g o g e

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dann auch mit MOORE konstatieren, daß die ständige Rede von Gottes Gnade und Gerechtigkeit auf eine Moralisierung des Gottesbegriffes hinauszulaufen droht 1 . Wie richtig MOORE urteilt, zeigt sich an den Darlegungen des Juden A. MARMORSTEIN zur Gottesgerechtigkeit2. MARMORSTEIN definiert : „The justice of God appears in His character and name of Judge, 'Lord of Judgement', as a source of law and order, as the revealer of the moral, social, and political duties, and master of reward and punishment." 3 Gottes Gerechtigkeit ist also im strengen Sinne iustitia distributiva. MARMORSTEIN wehrt sich nun aber aufs entschiedenste dagegen, daß Gerechtigkeit und Gnade Gottes auseinandergerissen werden. Beide gehören zusammen, weil Gott der eine lebendige persönliche Gott ist4. Das hervorstechende und um seiner positiven Darlegung der jüdischen Glaubenshaltung von H. J. SCHOEPS gelobte5 Buch zu unserem Thema ist E. SJÖBERG, „Gott und die Sünder im Palästinischen Judentum"·. Gleich zu Anfang wird „die Doppelheit des jüdischen Gottesbildes und darum der ganzen jüdischen Religion" herausgestellt: „Das jüdische Gottesbild ist von zwei entscheidenden Hauptmomenten bestimmt, von der Gerechtigkeit (pis, ρ , npTS) und von der Barmherzigkeit Gottes (•'ΉΓΓΙ, ΤΟΠ, 31D etc.). Diese beiden Eigenschaften Gottes sind den Juden die wesentlichsten. Keine von ihnen könnte weggedacht werden. Beide gehören zum Charakter Gottes." 7 Die Aussagen über die unverdiente Güte Gottes und seine gerechte Vergeltung lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. „Das typisch Jüdische ist eben, daß beide Ansichten mit demselben Recht geltend gemacht werden können." 8 Den eigentlichen Gründen für diese Begriffsdoppelung ist nunmehr nachzugehen. Methodisch wird meist viel zu wenig beachtet, wie schwierig ein sachgerechtes Bild vom Glauben der Synagoge vor 70 p. Chr. zu gewinnen ist. Wir gehen deshalb nunmehr nacheinander die Psalmen Salomos, dann die ältesten Schichten von Mischna Aboth durch, prüfen dann die Auslegung der Targumim von Dt. 33,21 und fragen schließlich danach, zu welcher theologischen und terminologischen Verfestigung es im Rabbinat nach 70 p. Chr. gekommen ist. 1

A . a . O . S . 386.

2

T h e o l d R a b b i n i c D o c t r i n e of G o d I . T h e N a m e s a n d A t t r i b u t e s of G o d ,

Jews

College Publications X , L o n d o n 1927, bes. S. 1 8 1 - 2 0 8 . 3

A . a . O . S. 181.

4

A . a . O . S. 184. 1 8 7 . 1 9 6 u . ö .

5

P a u l u s , S . 207 A n m .

6

B W A N T 79, S t u t t g a r t

7

A . a . O . S. 2f.

8

A.a.O.

S. 1 8 7 . -

2. 1938.

D a s B u c h v o n R . MACH ü b e r d e n „ Z a d d i k i n T a l m u d u n d M i -

d r a s c h " , L e i d e n 1 9 5 7 , k l a m m e r t die F r a g e n a c h G o t t e s eigener G e r e c h t i g k e i t

unter

H i n w e i s auf MARMORSTEIN a u s (S. V ) . W i r k ö n n e n es d a h e r n u r i n d i r e k t z u r L ö s u n g unserer s p e z i e l l e n F r a g e a u s w e r t e n . 12

8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

I. Die Psalmen Salomos Es ist heute allgemein anerkannt, daß die Psalmen Salomos ihren Sitz im Leben im Gottesdienst der Synagoge hatten und aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert stammen1. Hat man einmal erkannt, daß ein Psalm wie 16 ebensogut in die Hodajoth von Qumran passen würde, daß Motive, die uns aus den Hodajoth bekannt sind, auch hier wieder aufgenommen werden2, daß schließlich die beiden messianischen Psalmen 17 und 18 sich weitgehend in traditioneller Terminologie bewegen, so wird man zunächst feststellen können, daß die Psalmen Salomos einer festen traditionsgeschichtlichen Reihe entwachsen sind. Erkennt man andererseits, daß an die Stelle von (H)f7ï nunmehr das Erbarmen Gottes tritt3, daß auch vom Geist Gottes als der Kraft des Tuns und Betens keine Rede mehr ist, so erkennt man, wie, trotz der Gleichzeitigkeit, in den Hodajoth und den Psalmen Salomos zwei verschiedene theologische Denkstadien erkennbar werden. Die Entwicklung liegt in der Struktur der Eschatologie. In den Psalmen Salomos tritt die präsentische Eschatologie, welche die Hodajoth durchpulst, zurück und macht einer rein futurischen Platz. Dementsprechend verblaßt die Anschauung von einer gegenwärtig helfenden Gottesgerechtigkeit. Gottes Richtertum tritt in Gegensatz zu seinem Erbarmen4. Terminologisch kann man diese Entwicklung noch genau verfolgen. Traditionell heißt es 17,32, der Messias werde ein βασιλεύς δίκαιος sein. Ausgestattet mit dem heiligen Geist, mit Macht und Gerechtigkeit, soll er die Wege der Menschen εν εργοις δικαιοσύνης φόβω SaoO zurechtbringen (18,8 und 17,37). Dem Volk wird er εν δικαιοσύνη bzw. ττίστει καΐ δικαιοσύνη vorstehen (17,26.40), und die Völker soll er εν σοφία δικαιοσύνης αύτοϋ richten. Vergleicht man ferner 18,3 mit 9,5, oder 10,5 mit 10,7, so erkennt man, daß hier überall die alte Konzeption von Gottes Gerechtigkeit als der heilschaffenden Bundestreue noch durchschlägt. Wo die Psalmen Salomos jedoch eigenständig formulieren, stehen Erbarmen und strafrichterliche Gerechtigkeit Gottes gegeneinander6. Die Not der gegenwärtigen Zeit mit der EinArtikel: Salomo-Psalmen, R G G 3 V 1342. Wir stützen uns ferner auf B R A U N S Untersuchung „Vom Erbarmen Gottes über den Gerechten. Zur Theologie der Psalmen Salomos", Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, Tübingen 1962, S. 8-65. 2 Vgl. Ps. Sal. I5,2fi. mit 1 Q S 9 , 5 f . ; 10,9ft.; 1 QH 1,28; 9,ioff.; das oftmalige δικαιοϋν TÒV κύριον mit 1 QHg.g; Ps. Sal. 16,5ft. mit 1 QH i 2 , i i f f . ; i6,8ff. Gattungsgeschichtlich allerdings bestehen zwischen den Psalmen Salomos und den Hodajoth erhebliche Differenzen (vgl.MoRAWE, Loblieder, S. 241 u.ö. Masch.). Dies macht voreiligen traditionsgeschichtlichen Schlußfolgerungen gegenüber zurückhaltend. 3 Besonders schön ist dies 1 5 , 1 3 zu sehen, wo es heißt: ol δέ φοβούμενοι τόν κύριον έλεη^ήσονται έν αύτφ καΐ ζήσονται êv τη Ελεημοσύνη του 3εο0 αΰτών, als sei ή Ελεημοσύνη του 3εοϋ Ersatz für in ι QS π , 1 2 . Man könnte meinen, Ελεημοσύνη sei erst vom griechischen Ubersetzer eingetragen! 1 H. B R A U N führt Erbarmen S. 1 1 Anm. 20-22 sämtliche vom Erbarmen Gottes handelnde Stellen aus den Salomonischen Psalmen auf. S. 35 ff zeigt er, wie δικαιοσύνη 6 zu einem Gerichtsterminus geworden ist. Vgl. nur 4,24t. u.ö. 1

H.

BRAUN,

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nähme Jerusalems durch Pompeius läßt eine Aussage von Gottes heilschaffender Präsenz anscheinend nicht mehr zu! Gottes Gerichte kennzeichnen, wenn irgendetwas, die Gegenwart: 2,10.15.18; 8,8.23!:.; 10,5 usw. Wer zu Gott finden will, muß dies durch die Maske des vernichtenden, fernen Gottes hindurch tun und kann dies nur so, daß er in einem (auch die Theologie der Apokalyptik tragenden) eindrucksvollen Dennoch an Gottes Erbarmen als den Grund des göttlichen Verhaltens appelliert. Der Fromme gibt Gott in seinem gegenwärtigen Handeln recht und gewahrt dabei, daß Gott der gütige Gott bleibt (vgl. 8,7.26f.; 5,1; 4,24t. und 2,33«.; 5,15; 9,7; 10,3 ; 14,9)1. Der Ernst der Lage, in der die Frommen sich befinden, ist auch daran ersichtlich, daß sie aus dem Rechtsanerkenntniszusammenhang ganz ausgeschaltet werden können, indem sie, Gottes Gerechtigkeit zur Bestätigung, gerichtet werden. 9,2 heißt es z.B. von der Zerstreuung Israels: έν παντί é9vei ή διασπορά του Ισραήλ κατά τό ρήματοϋδεοΰ, ίνα δικαίωσης, ό ·9εός, έν τη δικαιοσύνη σου êv ταΐς άνομίαις ήμών. Aus der Bundestreue des gütigen Gottes ist die Treue des fernen Gottes zu sich selbst geworden2. Geblieben freilich ist die Erkenntnis, daß Gottes δικαιοσύνη als Gottes ρήμα erfahren wird. Der aus der Entwicklung der Eschatologie heraus zu erklärende Vorgang der Transzendentalisierung Gottes macht es nötig, Gottes Erbarmen neben seine Gerechtigkeit zu rücken, und zwar als Ausdruck dafür, daß Gott zu seiner Bundeszusage (9,10) als zu seinem eigenen Werk 1 Luthers Gedanke aus der Römerbriefvorlesung, daß die Bejahung der Verdammnis durch Gott die Schrecken der Hölle aufhebt (II 217 F I C K E R , vgl. I W A N D , Glaubensgerechtigkeit8 S. 24), ist hier schon einmal gedacht (und wurzelt, historisch gesehen, in der Exhomologese). Aus diesem Grunde ist es mir nicht möglich, B R A U N S Argumentation a.a.O. S. 43f. zuzustimmen. B R A U N schreibt: „Dies Nebeneinander von Strafgericht an den Sündern und Barmherzigkeitserweisung an den Gerechten ist überaus aufschlußreich : die Barmherzigkeit Gottes, die der Gerechte erwartet, ist so wenig Gottes vom Menschen unverdiente, d.h. aber mitten im Gericht geschenkte freie Tat, daß der mit ihr Begabte allen Grund hat, sein Dispensiertsein von Gottes Gericht zu betonen. Uberspitzt könnte man sagen : 'Gott ist barmherzig' bedeutet, 'Gott richtet nicht und straft nicht'. Wenn irgendwo, so kommt in dieser Gerichtsscheu des Gottes Barmherzigkeit Erwartenden der geheime Werkcharakter dieses BarmherzigkeitEmpfangens unwidersprechlich ans Licht ... Wie nichts anderes macht dies Auseinanderklaffen von Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in unseren Texten offenbar, welches das geheime Pathos ist, in dem der Fromme der erwarteten Barmherzigkeit Gottes gegenübersteht: er nimmt sie nicht als unbegreifliches Geschenk, das Gott frei gibt; er rechnet mit ihr vielmehr als mit etwas ihm Zustehenden und Zukommenden und hat darum ein ausgesprochenes Interesse daran, nicht unter das Gericht zu fallen". Von einem Teilaspekt, nämlich der in zunehmendem Maße von den Niedrigkeitsschilderungen z.B. aus Ps. 143 und den Hodajoth von Qumran abstrahierenden Anthropologie her, zieht B R A U N hier systematische Schlußfolgerungen. Die Psalmen Salomos wollen aber als Hymnen von Gottes Größe künden und müssen im Verfolg dieses ihres Selbstverständnisses interpretiert werden. Die Frage der Werkgerechtigkeit ist nicht der Punkt, an dem sie sich aus den Angeln heben lassen. B R A U N sagt ja selbst a.a.O. S. 65: „Gleichwohl lebt Gottes Souveränität in unsern Texten zu echt und ursprünglich, als daß die eben genannte Konzeption wirklich durchgeführt wäre; Gott in seiner Barmherzigkeit ist eben doch mehr als der Ergänzer menschlicher Leistung". 2 Dies ist also die religionsgeschichtliche Variante der Konzeption von Gottes Gerechtigkeit als Selbstrechtfertigung Gottes, wie sie Anselm von Canterbury vorträgt.

12·

ΐ8θ

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ebenso treu steht wie zu seiner Schöpfung (5,9ff.). Doch bleibt der Vorgang nicht ohne Folgen für die Haltung des Frommen, für dessen Selbstverständnis und damit die theologische Anthropologie der Synagoge. Wie 1,2 f. zeigt, ist Gerechtigkeit gelebte Frömmigkeit, ein Tätigsein im Dienst des Gesetzes (9,5; 14,1; 17,19). Weil an die Stelle des stärkenden Geistes Gottes die Furcht vor dem Gerichtsherrn getreten ist, kommt es zu Aussagen, welche Gott die Rechttaten der Frommen mit der verschwiegenen Bitte um Anerkennung vorhalten: 9,3.5; 16,15. Daß dabei zunächst noch des Menschen Verantwortlichkeit vor Gott betont werden soll, beweist 9,4 : T à έργα ημών εν εκλογή καΐ Ιξουσί τή ς ψυχή 5 ή μώυ τοϋποιήσαι δικαιοσύνην και άδικίαν έν ipyois χειρών ήμών· καί έν τη δικαιοσύνη σου έτπσκέπτη uloùç άν3ρώττωυ. Was aber in den Qumranpsalmen deutlich zum Lobe Gottes gesagt wurde, daß sich Gottes Gabe des geistüchen Gehorsams im Zeugnis vor der Welt bewährt, erscheint nun als καύχησις des Frommen: 16,15; 15,3. Die einst legitimen Urbilder des Gerechten, in denen sich der Fromme bekennend „unterbringen" konnte und sollte (v. RAD), üben hier einen theologisch depravierten Einfluß aus. Das Bekenntnis zu Gottes σωτηρία und άλή3εια, der Hoffnung für den strauchelnden Frommen 3,3ff., ist nicht mehr durch Niedrigkeitsschilderungen kontrastiert, sondern wird zusammengereiht mit freilich schüchternen noch, aber bereits fühlbaren - Hinweisen auf das lohnenswerte Bemühen des Frommen um seine eigene Heiligung. Der Unsicherheit in der Erfahrung Gottes entspricht eine Verflachung - man mag vielleicht auch sagen: eine Enteschatologisierung bzw. Verweltlichung - der Anthropologie. Daß beides so hart nebeneinandersteht und gar das Aufbauschema einiger Psalmen ausmacht1, ist das eigentliche Kennzeichen für diese pharisäischen Psalmen.

2. Mischna Aboth

I-IV

Die Ausgabe des Traktats Aboth in der Gießener Mischna2 macht es ohne weiteres möglich, im älteren Teil der Aboth die Sprüche der ältesten und älteren Rabbinen von denen der jüngeren Lehrer abzuheben. Theologisch sind die Sprüche kürzlich erst von H. B R A U N einer Analyse und theologischen Kritik unterzogen worden3. Hervorstechendes Merkmal des Spruchgutes ist es, daß es von Gottes Gerechtigkeit nicht spricht, sich also anthropologisch orientiert. In einem wie eine Variante von Ps. Sal. 9,4 anmutenden und deshalb hier einzuführenden Spruch Rabbi Akibas (etwa 110-135 p. Chr. n.) heißt es: „Alles ist vorherVgl. BRAUNS Analysen a.a.O. S. 48ft. (zu Ps. Sal. 13,15 und 9). '' Die Mischna, IV. Seder. Neziquin. 9. Traktat. Aboth. - Text, Ubersetzung und Erklärung nebst einem textkritischen Anhang von K. MARTI und G. BEER, Gießen 1927. s Radikalismus I, S. 2-14. 1

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181

gesehen, und doch ist die Wahlfreiheit gegeben ; mit Güte wird die Welt gerichtet, und doch kommt alles auf die Menge der Tat an" (3,15). Gott ist der die bemühten Frommen mit Güte, aber unbestechlich richtende Herr. Das schärft auch Akabja ben Mahalalel (etwa 50-90 p. Chr. n.) ein (3,1 vgl. 4,22). Es ist nur eine Neufassung des alten Ausspruches, wenn Rabbi Jehuda (2. Jh. p. Chr.) sagt: „Merke auf drei Dinge, und du wirst in die Gewalt keiner Übertretung kommen. Wisse, was über dir ist : ein Auge, das sieht, und ein Ohr, das hört, und deine Handlungen alle, eingeschrieben in das Buch" (2,1 d). Man hat Rechenschaft abzulegen für die eigenen Taten, welche sich an der Tora normieren, in den Liebeswerken aber über deren Satzung hinausgehen. Vgl. den Spruch Simeons des Gerechten (etwa 300 a. Chr. n.) : „Auf drei Dingen steht die Welt: auf der Tora, auf dem Kultus und auf der Liebestätigkeit" (1,2). Wenn Rabbi Simeon ben Gamaliel (etwa 100 p. Chr. η.) diesen Spruch variiert und sagt: „Auf drei Dingen beruht der Bestand der Welt: auf dem Recht (pn ^s?), auf der Wahrheit und auf dem Frieden" (1,18a), so ist der Wechsel von min und ρ für uns aufschlußreich : p bezeichnet präziser noch als Tora das, wovon das spätere Rabbinat terminologisch als pil ma sprechen wird: Gottes richterliche Gerechtigkeit. Wohl weiß man noch sehr wohl, daß der Gehorsam des Frommen nur seine Pflicht und Schuldigkeit ist. Von Antigonos von Sokho (2. Jh. a. Chr. n.) 1,3, über Jochanan ben Zakkai (nach 70 p. Chr. n.) 2,8b, bis hin zu Eleasar aus Modiim (etwa 130 p. Chr. n.), der davor warnt, „in der Tora seine Person hervorzukehren" (3,11), wird dies immer wieder betont. Daneben aber weist man von der Frühzeit an auch auf die Bedeutung des Zauns um die Tora (1,1b vgl. 3,13a) und die Möglichkeit hin, sich mit Hilfe der Tora das zukünftige Leben zu erwerben (2,7). Rabbi Jehuda untermauert dies mit der These von der Gleichrangigkeit aller Gebote (2,1b). Daher kann man den Maschal Rabbi Akibas als Zusammenfassung dieser zweiten, nun allerdings hervorstechenden Linie in den Aboth bezeichnen. Er lautet: „Alles ist auf Bürgschaft gegeben und das Netz über alle Lebenden ausgebreitet. Der Laden steht offen, der Krämer leiht aus, die Schreibtafel ist aufgeschlagen, und die Hand schreibt, und jeder, der borgen will, kommt und borgt, und die Einnehmer gehen beständig an jedem Tag herum und machen sich von dem Menschen bezahlt mit seinem Wissen und ohne sein Wissen, und sie haben, worauf sie sich stützen, und das Gericht ist ein gerechtes Gericht (nas Ρ pai), und alles ist zum Mahle bereitet" (3,16). Gottes Gerechtigkeit ist das Recht des Gerichtes, p 1 . Von Gottes (n)j?TX ist nicht mehr die Rede, weil der positive Begriff (n)pX, charakteristischer Weise, zum Fachausdruck entweder für die noch weniger als die Almosengaben geltenden Liebeswerke verflacht2 oder zur Bezeichnung des menschZum Begriff vgl. MACH, Zaddik, S. 6.. Vgl. die Anmerkung der Herausgeber zu A b o t h 1,2; ferner Dan. 4,24 und unten (S. 183 f.) zitierten spätrabbinischen Belege. 1

2

die

l8à

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liehen Verdienstes erstarrt ist (2,2b). und 31B sind nun die beiden Begriffe, welche wie δικαιοσύνη und lAeoç in den Psalmen Salomos das Wirken Gottes beschreiben1. 3. Die Targumim zu Dt. 33,21

Die Exegese dieser Stelle durch die Targumim beweist eindeutig, daß das Rabbinat (bzw. die Synagoge) den term, techn. (n)plX nicht kennt. Bereits BILLERBECK hat dies zu Rom. 1 , 1 7 und 3 , 2 1 gezeigt2 und den paulinischen Begriff von Phil. 3 , 9 her definiert. A. O E P K E hat BILLERBECKS Beweisführung noch einmal quellenmäßig überprüft und mit BILLERBECK daraus den Schluß gezogen, δικαιοσύνη 3εοΰ meine bei Paulus, gut rabbinisch, die von Gott (im Endgericht) zugesprochene Gerechtigkeit8. Leider kann man OEPKE den Vorwurf nicht ersparen, an der entscheidenden Stelle die wichtigste Quelle, das Targum Pseudo-Jonathan (auch Targum Jeruschalmi II genannt), zugunsten seiner Interpretation geändert zu haben. Das Targum des Onkelos erläutert zunächst Π1ΪΓ npnx Dt. 33,21 mit |13t TIS Dip, d.h. es setzt mrp nplX ganz richtig mit Π1ΓΡ nipTX gleich und versteht unter diesen mpTlS gute Taten, welche vor Gott geübt werden. Aufschlußreich ist gerade der Plural, der, wie wir gesehen haben, Dt. 33,21 ursprünglicher Text zu sein scheint. Das Targum Jeruschalmi I interpretiert ebenso n w ilpTt pluralisch als IIS "" m p JVDT, ist sich also im Verständnis der Stelle mit Onkelos einig. Entscheidend ist also Jeruschalmi II. OEPKE gibt als Lesart dieses Targums an: 13» "m ΠΌΪ. Er meint, dies sei wörtliche (singularische!) Übertragung des hebräischen Textes. Π13Τ kann jedoch ebensogut Singular wie Plural sein. Aramäisch exakter aber sollte man erwarten: "HS? "m KlïDî. BILLERBECK zitiert nun aber dieselbe Stelle aus Jeruschalmi II anders als OEPKE, nämlich: "m iTOTDî4. GINSBURGER selbst bietet in der Ausgabe des Targums dieselbe Lesart wie BILLERBECK: ΓΡΠΙΌΤ I 3 » " M 6 . OEPKES Zitat führt also irre! Der von BILLERBECK und GINSBURGER gebotene Text ist zu punktieren : 1 3 B "ÌH RPNILDT. Also versteht auch Jeruschalmi II ΠΙϊΡ nplX Dt. 33,21 als Plural. Es bezieht jedoch, wie die 1 H. BRAUN läßt a.a.O. 14 in seinem Résumé nur die eine Seite der Sprüche zu Wort kommen: „ . . . so wie die Eschatologie der Farbigkeit und Andringlichkeit der Apokalyptik entbehrt, so fehlen dem frommen Handeln radikale Inhalte und ein über die Vorsicht hinausgehender Schwung. Dem abrechnenden Krämer entspricht der vorsichtige Kunde: beide, Gott und Mensch, sind domestiziert". 2 III S. 29f. X63 (hier zitiert BIIXERBECK richtig: Dt. 33,21, S. 2 9 I dagegen fälschlich: Gn. 33,21). 8 Δικαιοσύνη SeoO bei Paulus in neuer Beleuchtung, ThLZ 78 (1953) 257-264, bes. 4 262. III S. 29. 5 Mir stand in Tübingen leider nicht die von OEPKB zitierte Ausgabe des Targums Pseudo-Jonathan von GINSBURGER aus dem Jahre 1899 zur Verfügung. Ich benutze GINSBURGERS Ausgabe von 1903, die in Berlin unter dem Titel: Pseudo-Jonathan. Thargum Jonathan ben Usiel zum Pentateuch, nach der Londoner Handschrift (Brit. Mus. add. 270 31), erschienen ist. Die für uns wichtige Stelle steht im Anhang S. 68.

Gerechtigkeit Gottes in der Synagoge

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anderen Targumim auch, die Stelle auf Mose. Im Gegensatz zu diesen Targumim meint Pseudo-Jonathan jedoch, Mose werde in der künftigen Welt dafür belohnt werden, daß er in dieser Welt Gottes eigene gute Rechtstaten ins Werk gesetzt und die Israeliten mit der Ordnung von Gottes Recht vertraut gemacht hat ("m ΪΓΠΤΟΊ DlIX ^infcr· η,ι7Χ i n "ΠΟΙ 13»). Spätere Handschriften des Targums tilgen charakteristischerweise den Genitiv: "m und sprechen nur noch von den xnilST, welche Moses (nun also vor Gott) geübt habe. Da also auch Jeruschalmi II nicht den Singular, der allein dem paulinischen Begriff der δικαιοσύνη Seoü entsprechen würde, sondern den Plural hat und diesen entsprechend den ΠΙΊΓFLLJTKTversteht, fallen OEPKES (und BILLERBECKS) Folgerungen dahin, Gerechtigkeit Gottes meine bei Paulus wie im Rabbinat Gerechtigkeit vor Gott bzw. Gottes Gabe der Gerechtigkeit. Der paulinische Singular entspricht allein dem term, techn. des apokalyptischen Spätjudentums und meint wie dieser Gottes eigenes Rechtswalten 1 . 4. Die spätrabbinische Literatur (Beispiele) Es bedarf nach dem Vorangehenden keines weiteren Hinweises dafür, daß für die echte rabbinische Frömmigkeit die beiden Verhaltensweisen Gottes, bzw. die beiden Maße, mit denen Gott der Welt gegenübertritt, die ρτπ m a und die D'amn m a vereint und zusammengehalten werden von dem persönlichen Gott, der als der Schöpfer täglich erfahren wird. So taucht die Lehre von den zwei ima zunächst auch in der Lehre von der Schöpfung auf. Ein Beispiel für viele ist Genesis Rabba 12,15 a : „Even so, said the Holy One, blessed be He : 'If I create the world on the basis of mercy alone, its sins will be great; on the basis of judgement alone, the world cannot exist. Hence I will create it on the basis of judgement and of mercy (pin maa n-nrnn mam) and may it then stand." Nach Gen. Rabba 8,4 ist es unverträglich mit Gottes Gerechtigkeit = p n ma, den bei der Schöpfung Adams beteiligten Engeln auch die Geschlechter der Sünder aufzuweisen, welche von Adam abstammen werden. Schüeßlich zeigt die einprägsame, von SjÖBERG zitierte3 Stelle aus Midr. Tann. Dt. 32,41, was unter Gottes Gerechtigkeit zu verstehen ist: Gottes unbestechliches Rechtswalten im Sinne einer (schöpferischen!) iustitia distributiva: „Der Heilige, gepriesen sei Er, sagte: Alles, was ich tue, tue ich in Gerechtigkeit (pTa), denn wenn ich die Gerechtigkeit ein einziges Mal übertreten wollte, würde die Welt 1 Daran ändert auch die späte Exegese von D t . 33,21 in Aboth 5,18 nichts. Auch hier erscheint Π1ΪΓ flpTS nur im Schriftzitat und nicht im Text der Interpretation. 2 Ich zitiere nach der englischen Übersetzung, die in der iobändigen Ausgabe von H. FREEDMANN und M. SIMON in London (2. Aufl. 1951) erschienen ist. Das folgende Zitat Bd. i , S. 99. 3 A . a . O . S. 4 Anm. 5. D a ich die Stelle in Tübingen nicht verifizieren kann, zitiere ich SJÖBERGS Übersetzung.

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Gerechtigkeit Gottes im religionsgeschichtlichen Bereich

nicht bestehen können ... Wenn ich einen einzigen Schritt täte und die Gerechtigkeit überträte, würde ich sie anstecken: sogleich würde die Welt verbrennen." Entsprechend dieser Gerechtigkeitskonzeption, heißt es bab. Hag. 14a 1 , daß für Gott zwei Thronsessel vorgesehen sind: „einer für das Recht und der andere für die Milde" (np*TSft UTKl fY? 1ΠΧ). Ist jetzt von Gottes npTS die Rede, so meint dies Gottes mildes, erbarmendes Verhalten (ζ. B. Gen. Rab. 33,1). npnx, ΤΟΠ und ΠΉΓη sind austauschbare Begriffe geworden. Das wird ganz deutlich, wenn man die rabbinische Lehre von den Liebeswerken, den D'TOn ni^öl beachtet, nach der die Liebeswerke noch über dem Almosengeben (= npnx) stehen. Bab. Suk. 49b8 z.B. heißt es: „Die Rabbanan lehrten : Durch drei Dinge ist die Wohltätigkeit bedeutender als das Almosen : Das Almosen geschieht nur durch Geld, die Wohltätigkeit sowohl durch Geld als auch durch den Körper; Almosen nur bei Armen, die Wohltätigkeit sowohl bei Armen als auch bei Reichen ; Almosen nur bei Lebendigen, die Wohltätigkeit sowohl bei Lebendigen als auch bei Toten." Immer ist hier Almosen = npT£. Bemerkenswert an diesem Sprachgebrauch ist, daß auch auf dieser Traditionsstufe npTS helfend und nicht strafrichterlichnegativ gedacht wird. Fragt man schließlich, welche der beiden göttlichen Verhaltensweisen im entscheidenden Moment über die andere den Sieg davontrage, die Gerechtigkeit oder das Erbarmen, so antwortet das Spätjudentum, trotz des weithin formalen Toragehorsams und seiner bis ins Detail festgelegten Verdienstlehre, Gottes Erbarmen trägt den Sieg davon ! Zum Zeichen dessen weist es auf Gottes Schöpfergüte über alle Kreatur hin, auf Jahwes Treue zu seiner Bundesverheißung, welche Israel (aber nicht unbedingt die Heiden!3) zur Herrlichkeit führen wird, und schließlich auf Jahwes Angebot, allen den Weg zur Umkehr, und d. h. der Einkehr, zu erschließen. Es ist hinreichend festzustellen, daß die rabbinische Anschauung von Gottes Gerechtigkeit nicht Ursprung der paulinischen Lehre von der δικαιοσύνη Seoö ist. Der Grund dafür liegt in der rein futurischen Eschatologie und dem dieser Eschatologie entsprechenden Selbst- und Weltverständnis des Rabbinats. 1 2 3

I I I 828 GOLDSCHMIDT (danach die Übersetzung). I I I 138 GOLDSCHMIDT (danach die Übersetzung). Vgl. z . B . bab. Bab. Bath. 10b (VI 960 GOLDSCHMIDT).

D. G E R E C H T I G K E I T G O T T E S IM N E U E N

TESTAMENT

Die beherrschende Rolle, welche die paulinische Rechtfertigungslehre in der Theologie spielt, verdeckt leicht den Blick dafür, daß Paulus nicht als erster von Gottes Gerechtigkeit und Rechtfertigung im jungen Christentum gesprochen hat. Eine vorpaulinische, christliche Rechtfertigungstradition müssen wir allerdings erst aus den Paulusbriefen herausschälen. Sie wird aber durchaus Rom. 3,24!; 8,29t.; 1. Kor. 1,30 und 1. Kor. 6,11 erkennbar. Angesichts des von Paulus bereits zitierten Hymnus Phil. 2,6-11, wird man das christologische Fragment 1. Tim. 3,16 auch als Ausdruck einer vorpaulinischen (hellenistischen) Theologie auswerten dürfen. Zu diesem Material treten das Matthäusevangelium als Zeugnis der strengen judenchristlichen Gemeinde neben Paulus und der Jakobusbrief als der geschichtliche Erbe des Matthäus. Die Weise, in der das Johannesevangelium und die Johannesbriefe von Gerechtigkeit sprechen, ist ein Beleg für das Denken eines von Paulus unbeeinflußten hellenistischen Christentums, während die Johannesapokalypse die alte judenchristliche Apokalyptik zu repristinieren versucht und damit deutlich über Paulus hinausgeht.

I. Die hellenistische Gemeinde vor Paulus Die den Paulusbriefen zu entnehmende Tradition entstammt durchweg der hellenistischen Gemeinde. Für die Taufstellen Rom. 8,29f. ; 1. Kor. 6,11 und dementsprechend für 1. Kor. 1,30 ist dies ohne weiteres ersichtlich. Für Rom. 3,24 t. ergibt es sich mit Sicherheit aus der Ausdrucksweise (s. o. S. 89). Der Stamm der beiden Verse Rom. 3,24 und 25 wird, wie wir sahen, von einer vorpaulinischen Tradition gebildet. Ohne paulinische Zusätze lautet der Text: δικαιούμενοι δια TÎjç οπτολυτρώσεως της έν Χριστώ Ίησοϋ· δν προέ3ετο Ó 3εός ίλαστήριον Ιν τ ω αύτοΟ αϊματι, EÎÇ ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ διά την πάρεσιν των ττρογεγονότων αμαρτημάτων έν TT¡ ανοχή του Seoö. δικαιοσύνη ·9εοϋ heißt in diesem Traditionsstück noch „Bundestreue" (KÄSEMANN). Versucht man zu sagen, was für die Tradition „Rechtfertigung" heißt, so muß man antworten : Vergebung der vor der Aufnahme in den Bund begangenen Verfehlungen und Einbeziehung in den von Gott selbst durch das von ihm dargebrachte Christusopfer eschatologisch erneuerten Bund. Von einer über dem Gemeindeglied bleibend vergebungsbereit beharrenden Bundestreue Gottes ist direkt nicht die Rede. Nur der Tatbestand, daß der alte Text in einen eucharistischen Gottesdienst gehört.

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Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

läßt darauf schließen, daß man sich des erneuerten Bundesverhältnisses immer wieder neu getröstet und versichert hat. Stellen wie Hebr. 6,4ff. legen jedoch nahe Einzunehmen, daß man sich trotzdem mit der Taufe erneut vor Gottes Forderung gestellt sah, dieser auch genügen zu können meinte und also den Rechtfertigungs- = Vergebungsvorgang teilweise nur auf die Taufe bezogen hat. Von einer einheitlichen, das ganze Leben umgreifenden Rechtfertigungstheologie kann hier also noch kaum die Rede sein. ι . Kor. 6,11 jedenfalls sieht in der Taufe die eschatologische Reinigung, Geistverleihung1 und Rechtfertigung, bzw. - wenn wir nach Rom. 3,24t. interpretieren dürfen - die Aufnahme in das wiederhergestellte Bundesverhältnis mit Gott. Die dieser Sicht der Taufe entsprechende Christologie findet sich 1. Kor. 1,30, wo Christus Stifter und damit Verkörperung unserer δικαιοσύνη, unseres αγιασμός und der uns widerfahrenen άττολύτρωσις ist. Man wird nicht fehlgehen, wenn man unter dieser δικαιοσύνη wiederum den vergebenden Erweis von Gottes Bundestreue versteht. Paulus sah sich also einer hellenistischen Gemeinde gegenüber, welche die Taufe als Rechtfertigung = Sündenvergebung, die Christologie als Stiftungsereignis des neuen Bundesverhältnisses interpretierte und welche sich schließlich ihres neuen Seins (vermutlich) in den eucharistischen Gottesdiensten stets neu vergewissert hat. Daß es eine judenchristlich denkende, hellenistische Gemeinde gewesen sein muß, zeigt die Begrifflichkeit, der sie sich bedient. Nicht nur, daß δικαιοσύνη SeoO augenscheinlich ein von ihr aus der Apokalyptik rezipierter term, techn. ist und wie dort Gottes Bundestreue meint. Die Gemeinde bedient sich ja durchweg auch einer eschatologisierten kultischen Terminologie, welche präzise Aussagekraft nur judenchristlichen Adressaten gegenüber entfalten konnte. Paulus übernimmt diese Terminologie in Rom. 5,1 f. u. ö. selbst. Dies ist höchst belangreich. Die von uns aufgewiesene traditionsgeschichtliche Linie vom alttestamentlichen Kult zur Apokalyptik bzw. den hymnischen Texten der Qumrangemeinde und des 4. Esra läßt sich mit Hilfe dieser Redeweise nun ins frühe Christentum hinein verlängern. Sie bestätigt, daß Gerechtigkeit Gottes (und Rechtfertigung) vom Urchristentum rezipierte apokalyptische Theologumena sind, also nicht in der individualistischen Rechtsprechung des Rabbinats beheimatet waren. Vollends bestätigen dies für die Taufe Rom. 8,29 f. und für die Christologie ι . Tim. 3,16. Rom. 8,29t. verwertet, wie J . JERVELL aufgewiesen hat 2 1 G. BRAUMANN möchte in seiner Dissertation über „Vorpaulinische christliche Taufverkündigung bei Paulus" ( B W A N T H e f t 82), Stuttgart 1962, S. 37 das Iv τ φ πνβύματι τ ο υ 5εού ήμών nicht auf die Taufgabe, sondern auf die Art der Taufe beziehen: „Sie ist Geisttaufe, die ihren Sinn vom Namen des Herrn Jesu Christi her empfängt". Das ist offensichtlich eine Konstruktion, welche weder das Geistverständnis der hellenistischen Gemeinde, noch auch die allgemein-urchristliche Anschauung von der Taufe als dem Ereignis der Geistmitteilung an den Einzelnen genügend beachtet. 2 Imago Dei, S. i8off., vgl. auch Anm. 4 S. 87.

Die hellenistische Gemeinde vor Paulus

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und wie das Verbum δοξάζειν bestätigt, die jüdische Tradition von der durch Adams Fall den Menschen verloren gegangenen, als δόξα (= δικαιοσύνη) vorgestellten Gottebenbildlichkeit. Urbild des neugeschaffenen Menschen ist Christus als Gottes Eikon und als Erstgeborener von vielen Brüdern. Das Verbum καλεϊν zeigt ferner, daß man in der Taufe ein schöpferisches Eingreifen Gottes sah, welches kraft des schöpferischen Wortes Adams Fall durch Christus rückgängig und die Menschen wieder zu Gottes ebenbildlichen Kindern macht. Rechtfertigung ist hier also ein in der Taufe geschehender Schöpfungsakt Gottes. Ursprung und Urbild dieser Schöpfermanifestation ist der Christus selbst. Wie J . JEREMIAS gezeigt 1 und E. SCHWEIZER 2 bestätigt hat, wird in dem hymnischen Fragment von 1. Tim. 3,16 Auferstehung und Himmelfahrt Jesu geschildert als Thronbesteigungszeremonie in drei Akten: Erhöhung, Präsentation und Inthronisation (zum Schema vgl. ferner Phil. 2,9-11 ; ι . Petr. 3,18). Das erste Verspaar ist für uns das wichtigste, σάρξ und πνεύμα sind hier, typisch hellenistisch, gedacht als Seinssphären. Die erste Zeile sagt : Bereits das Auftreten in der Welt war eine Epiphanie des Christus. Die zweite Zeile beschreibt die Auferstehung bzw. die himmlische Rechtseinsetzung in der Sphäre des Geistes. εδικαιώ·9η meint im Rahmen der Thronbesteigungszeremonie, daß der Christus mit den ihm den Sieg über die Feinde bestätigenden und gewährleistenden Rechtsinsignien ausgestattet, also als Sieger im kosmisch-(apokalyptisch) en Prozeß proklamiert wird. Das zweite Verspaar beschreibt dann seine Präsentation den Engelmächten und Erdbewohnern gegenüber, das dritte seine Anerkennung in der irdischen Welt und herrliche Inthronisation auf dem himmlischen Thron. Wir sind damit dem Denken des Paulus, welcher selbst entschlossen die Rechtfertigung als Schöpfungsgeschehen interpretiert, erheblich nähergekommen. Aber selbst dann, wenn man all die genannten Elemente mosaikartig zusammensetzen würde, ergäbe sich noch nicht das Ganze der paulinischen Rechtfertigungstheologie. Diese verlangt vielmehr anzunehmen, daß Paulus, durch urchristliche Rechtfertigungslehre beeinflußt, selbständig auf die Rechtfertigungsanschauung des apokalyptischen Spätjudentums zurückgegriffen und in der Kontinuität zur Apokalyptik „Gerechtigkeit Gottes" zum Zentralgedanken seiner Theologie erhoben hat. Davon muß im folgenden Kapitel die Rede sein. Woher Paulus das apokalyptische Material zugeflossen ist, ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Vielleicht hat er es, analog zu seinem Gesetzesverständnis, aus seiner vorchristlichen Zeit in den christlichen Glauben mit eingebracht. Daß Paulus aber seine Rechtfertigungsthesen von den Essenern, etwa gar aus dem Jahad von Qumran selbst, bezogen hätte, ist bei unserer bisher nur recht undifferenzierten Kenntnis N T D z. St. Erniedrigung und Erhöhung bei Jesus und seinen Nachfolgern ( A T h A N T 28), Zürich 2. Aufl. 1962, S. 104ft. 1

2

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Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

gerade des apokalyptischen Spätjudentums kaum mehr als eine Vermutung1. Gegen diese Vermutung spricht jedenfalls, daß Paulus die in Qumran noch deutlich sichtbare Korrespondenz von Gottes Gerechtigkeit mit Gottes heilsgeschichtlichen Rechtstaten, welche in δικαιοσύνη 3εο0 einen Abbreviaturbegriff vermuten ließ, nirgends mehr erkennen läßt. Für ihn ist der Begriff bereits ein theologisch geprägter, außerordentlich nuancenreicher Ausdruck, den er, traditionsgeschichtlich geurteilt, einer über das Stadium derQumrantexte schon hinausgeschrittenen Theologie zu entnehmen scheint. I I . Das Matthäusevangelium Grundlegend für das Verständnis unseres Themenkreises im i . Evangelium ist, daß Matthäus an allen wichtigen Stellen: 3,15; 5,6.10.20; 6,1.33 und 21,32 das Stichwort δικαιοσύνη selbst einführt, δικαιοσύνη also zu seiner theologischen Grundbegrifflichkeit gehört2. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man sieht, daß das Hauptproblem der Theologie des Matthäusevangeliums die Frage nach dem rechten Gehorsam der Gemeinde und damit das Gesetzesverständnis ist. In Auseinandersetzung mit den Juden einerseits und christlichen Gesetzesleugnern andererseits, versucht Matthäus am Gesetz festzuhalten: 5,17ff. Die Bergpredigt ist für ihn ein (praktikabler!) Gemeindekatechismus. Matthäus steht erst in der Erwartung des jüngsten Tages, kennt also keine spezifisch präsentische Eschatologie (etwa im Sinne der johanneischen Schriften). Bei ihm allein finden sich daher in den Synoptikern ausführliche Endgerichtsschilderungen: 25,31 ff.; 13,26ff.; 7,21 ff., und betont stellt er den Grundsatz des kommenden Gerichtes nach den Werken heraus: 16,27. Der literarische Befund von Mt. 6,33 zeigt, daß Matthäus in seine Vorlage και την δικαιοσύνην einfügte. „Für das Verständnis der 'Gerechtigkeit* 1 Gegen solche voreiligen traditionsgeschichtlichen Konstruktionen wendet sich auch B E C K E R , Heil Gottes, S. 2760. B E C K E R ist im Recht gegenüber Thesen wie den folgenden: „Paulus nimmt die vom (sie!) Judenchristen qumranischer Herkunft geprägte Verkündigung von der Hechtfertigung aus Gnaden durch Christus auf und gestaltet sie im Sinne seiner Theologie um" (G. FRIEDRICH, Art. Römerbrief, 1x40). BECKER ist auch im Recht gegenüber S. SCHULZ, der allerdings schon vorsichtiger differenziert, wenn er schreibt: „Religionsgeschichtlich gesehen hat Paulus ... auf die Anthropologie, die Gnadenlehre und die Rechtfertigungsanschauung eines vorchristlich-sektiererischen Judentums zurückgegriffen, während er überlieferungsgeschichtlich gesehen eine aus hellenistisch-judenchristlichen Kreisen stammende Tradition seinen Ausführungen in Röm. 3 , 2 1 - 3 1 zugrunde legt" (Rechtfertigung, S. 184). Die Frage ist ja gerade, ob man hier die religionsgeschichtliche und überlieferungsgeschichtliche Betrachtung bereits trennen muß, nur weil die Qumrantexte bekannt geworden sind. 2 Die entscheidenden Arbeiten zum Gerechtigkeitsverständnis des Matthäus sind gegenwärtig: G. BARTH, Das Gesetzesverständnis des Evangelisten Matthäus, W M A N T ι, Neukirchen i960, S. 5 4 - 1 5 4 ; M. J . FIEDLER, Der Begriff δικαιοσύνη im Matthäusevangelium auf seine Grundlagen untersucht, Diss, theol. Halle-Wittenberg 1957 (Masch.) und G. STRECKER, Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchung zur Theologie des Matthäus ( F R L A N T 82), Göttingen 1962.

Das Matthäusevangelium

ist wichtig, daß das Wort durch αύτοΟ auf V. 32 (ò πατήρ ημών) zurückbezogen ist, also die δικαιοσύνη Seoö meint. Dies läßt an Jak. 1,20 als Sachparallele denken. Dort ist die δικαιοσύνη Seoö nicht die von Gott geschenkte, sondern jene Gerechtigkeit, die 'vor Gott gilt', eine menschliche 'Eigenschaft', die 'durch des Menschen Tun zustande kommen soll'. Das verweist auf den ... matthäischen δικαιοσύνη-Begriff: Gottes Gerechtigkeit und menschliche Gerechtigkeit schließen sich nicht aus, sondern sind identisch; die gegenwärtige 'Vollkommenheit' ist die δικαιοσύνη SeoO, denn sie vollbringt das, was dem Willen Gottes entspricht. Dann aber ist sie nicht 'Gabe', sondern gegenwärtige, der ethischen Forderung entsprechende Tat des Menschen", schreibt G. STRECKER unter Verweis auf die Auslegung von Jak. 1,20 durch M. DIBELIUS1. Mit der Auslegung von Jak. 1,20 werden wir uns gleich zu befassen haben. Auch dort kann uns die gängige Auslegung, auf die STRECKER verweist, nicht befriedigen. Dasselbe gilt für Mt. 6,33. Wenn nirgendwo in der Tradition δικαιοσύνη Seoö des Menschen Gerechtigkeit vor Gott bezeichnet, ist nicht anzunehmen, daß Matthäus den apokalyptischen Begriff von sich aus umprägt, zumal er die bereits in der Septuaginta vorliegenden Ausdrücke δικαιοσύνη Ινώττιον Seoö oder ή τταρά του Seou δικαιοσύνη für Gerechtigkeit vor Gott und Gerechtigkeit als Gottes Gabe hätte verwenden können! Mit δικαιοσύνη 3εο0 ist u.E. also auch Mt. 6,33 Gottes eigenes Rechtswalten gemeint. Die Parallelität von Gottes Herrschaft und Gottes Gerechtigkeit V. 33 wird so erst theologisch prägnant. Wébn die Angeredeten sich zuerst um Gottes Königsherrschaft bemühen und Gottes eigenes Rechtswalten zum Ursprung und Maß ihres Tuns machen (zum Gedanken vgl. 5,48), dann, so meint der Satz, wird der im Gefolge von Gottes schöpferischer Treue befindliche Segen ihnen zuteil werden. Die nächsten Parallelen zu dieser Ausdrucksweise des Matthäus sind Test. Dan 6,10 und 1QS n,25FF. Jak. 1,20 kann diesen beiden Stellen gegenüber nur noch sekundär als wirkliche Sachparallele gelten. Obwohl mit der Deutung von δικαιοσύνη Seoö auf Gottes eigenes Rechtswalten all jenen widersprochen wird, welche mit STRECKER hier die ethische Gerechtigkeit des Menschen betont sehen2, und sich SCHLATTERS Interpretation unserer Stelle bestätigt3, zeigt STRECKERS 1

A.a.O. S. 155. So zuletzt G. KLEIN, Artikel : Rechtfertigung im NT, R G G 3 V 827 (nach STRECKER) ; E.SCHWEIZER, Art. Gerechtigkeit Gottes, 1406; Α. OEPKE, Δικαιοσύνη Seoö 261; 2

W . BAUER, W ö r t e r b u c h 6 3 9 0 .

3 „Der neutestamentliche Gottesbegriff entstand am göttlichen Handeln, an der Wahrnehmung des göttlichen Werks. Darum wird auch dann, wenn von der Gerechtigkeit Gottes gesprochen wird, an die Weise gedacht, wie Gott am Menschen handelt. In dem, was Gott aus dem Menschen macht, wird sie offenbar. Weil sie nicht die Eigenschaft einer ruhenden Substanz, sondern das von Gottes Regierung gewollte und gewirkte Ziel ist, sind 'die Herrschaft' und 'die Gerechtigkeit Gottes' untrennbar geeint. Jeder königliche Eingriff Gottes in den Weltbestand ist die Versichtbarung seiner Gerechtigkeit. Der Gedanke war für Jesus und seine Schar völlig unmöglich, daß auf anderem Wege ein Reich Gottes entstehen könnte als dadurch, daß Gott selbst als der Gerechte die Gerechtigkeit schaffe. Das trieb nicht in die Angst hinein, weil vom neu-

igo

Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

Deutung das eigentliche theologische Problem der Gerechtigkeitslehre des Matthäus scharf auf. Es besteht in der Ungeschiedenheit von göttlicher Gabe und dem Tun des Menschen, bzw. in der Unmöglichkeit, gerade mit Hilfe des Gerechtigkeitsbegriffes ein sola gratia unmißverständlich zu entfalten. Grund dafür ist die futurische Eschatologie des Matthäus einerseits und andererseits die jüdische Ontologie, welche die Kategorien zu einer füglichen Unterscheidung von Gottes und des Menschen Werk nicht hergab. Obwohl sich also Gottes und des Menschen Tun bei Matthäus eng berühren, sollte man dennoch nicht, wie STRECKER, von einer „Identität" der menschlichen und göttlichen Gerechtigkeit sprechen, sondern besser von Urbild und Entsprechung. Wenn wir Recht haben, zeigt dies an unserer Stelle gerade der Begriff der Gerechtigkeit Gottes. Daß Matthäus viel daran liegt, Gottes eigenes Werk des Rechtes zu betonen, zeigt auch Mt. 5,6. Wenn Matthäus 6,33 den geprägten Begriff der δικαιοσύνη άεοΟ aufnimmt, ist nämlich nicht mehr einzusehen, weshalb in 5,6 diejenigen selig gepriesen werden sollen, welche die ethische Rechtschaffenheit vor Gott ersehnen1. Vielmehr gilt im Sinne LOHMEYERS 2 , SCHNIEWINDS3, SCHRENKS4 u n d FIEDLERS 6 die v i e r t e

Seligpreisung denen, die „hungern und dürsten ... nach der Verwirklichung des göttlichen Rechtes an und über dieser unserer Erde"®. Daß dieses göttliche Recht aber nicht zu denken ist ohne die menschliche Verwirklichung dieses Rechtes, zeigt 5,10. Ebenso wie 5,6 von Gottes Gerechtigkeit spricht, meint 5,10 die menschliche Gerechtigkeit (und beides wird durch das ενεκεν έμοΟ V. I i christologisch verklammert). „Aufschlußreich ist an unserer Stelle das Fehlen des Artikels. Nicht wegen 'der Gerechtigkeit', sondern 'wegen eines Verhaltens, das Gerechtigkeit war', bricht die Verfolgung hertestamentlichen Gottesbewußtsein das ganze Wirken Gottes als eine nie auflösbare Einheit erfaßtwird. Die ganze Betätigung Gottes, auch seine Gerechtigkeit, wird hier durch seine gebende Güte bestimmt. Der Riß zwischen der Gerechtigkeit und der Gnade war überwunden. Darum erwartet der Jünger für seine Verschuldung das göttliche Vergeben und für sein im Dienst Gottes getanes Werk den göttlichen Lohn und es wird zu einem zentralen Verlangen, daß sich die Gerechtigkeit offenbare, die der Bosheit ein Ende und das Leben der Begnadeten mit dem göttlichen Willen einstimmig machen wird" (Der Evangelist Matthäus, S. 234Í.). 1 So E . SCHWEIZER, a.a.O. 1406; KLEIN, a.a.O.; KLOSTERMANN, Matthäusevangelium (HNT 4)3 z. St.; W . BAUER, a.a.O. 3891!. und vor allem STRECKER. STRECKER sieht, daß vom unmittelbaren Sinn des Verses her die Deutung auf Gottes Gerechtigkeit näher liegt als auf die des Menschen. E r sieht auch, daß, wenn man trotzdem auf die menschliche Gerechtigkeit hin interpretiert, „Spannungen zum Kontext" entstehen (S. 157). STRECKER kann für seine Deutung auch einige Belege für eine aktivische Bedeutung des ττεινδν und δίψδν nachweisen. Entscheidend ist für ihn jedoch das nun hinfällig werdende - Argument, daß die Deutung auf Gottes Gerechtigkeit „im Zusammenhang singular (wäre), so daß der Gedanke der menschlichen Gerechtigkeit wahrscheinlicher auch hier im Vordergrund steht" (S. 156). 2 Das Evangelium des Matthäus, MeyerK. Sonderband, z. St. 3 N T D z. St. 4 Art. δικαιοσύνη S. 200, 22FI. SCHRENK spricht wohl von der menschlichen Gerechtigkeit, aber von einer solchen, „die Gott den nach ihr Verlangenden schenkt", findet also zu einer Kompromißlösung. 5 Δικαιοσύνη S. 1 1 7 ! , ähnlich auch DODD, The Bible and the Greeks 2 S. 55. 6 E. KÄSEMANN, Anfänge christl. Theol. S. 182f.

Der Jakobusbrief

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ein. Damit ist die Aktivität des Menschen vorausgesetzt"1. Die nächste Parallele zu 5,10 ist, wie STRECKER richtig sieht, 1 . Petr. 3,14. V. 1 1 verklammert V. 6 und 10 und entspricht damit genau 3,15. In dem ττληρώσαι πδσαν δικαιοσύνην ist ja auch nicht, paulinisch, Jesu stellvertretende Gesetzeserfüllung, sondern sein urbildlicher Toragehorsam betont2. Damit aber stehen wir erneut vor der angedeuteten theologischen Schwierigkeit. Nach Matthäus hat die Gerechtigkeit der Gemeinde besser zu sein als die der Schriftgelehrten und Pharisäer (5,20), weil sie an Gottes Handeln selbst ihren Maßstab findet (5,48; 19,16-26). Gott selbst erweist den Seinen seine Liebe, und die Liebe ist das Recht, das er von den Seinen einfordert, vgl. c. 18. Die Gemeinde gehorcht diesem in der Verkündigung proklamierten Recht durch ihre gehorsam leidende, tätige Nachfolge (5,10f. ; c. 10; 16,24ff.). Nur den in der Nachfolge Bewährten spricht der Weltenrichter das Urteil zu: Gerecht (c. 25) ! Erlöst die Gemeinde also sich selbst? Matthäus läßt diese Frage offen. Die Gemeinde weiß jedoch, daß sie auch in der Nachfolge vor Gott gering und unscheinbar ist wie ein Kind und nur von Gottes Liebe alles zu erwarten hat (c. 18). Ihr Glaube ist deshalb bewußtes, tätiges Vertrauen auf Gottes Vergebung. Jesu in der Passion gipfelnder Gehorsamsweg erlöst die Gemeinde von der Starre jüdischen Gesetzesgehorsams und stellt sie auf den Weg der Nachfolge als den „Weg der Gerechtigkeit", der darum leicht ist, weil Gottes Liebe auf ihm weiterhilft (11,28-30). Die Gemeinde folgt auf diesem Wege dem demütigen Jesus, folgt dem Recht Gottes, das dieser Jesus aufzurichten kam (12,20 b) und erhofft sich so von der Gestalt des himmlischen Christus einen göttlichen Schiedsspruch zu ihren Gunsten. Sie selbst hat ja in ihrer eigenen Proklamation des Gottesrechtes an Jesu Werk, in ihrem Gehorsam an Jesu Tat und auf ihrem Weg an Jesu Gottesgewißheit teil. Deshalb braucht sie - solange ihr Gehorsam währt - das Urteil ihres auferstandenen Herrn nicht zu fürchten. Daß Matthäus das sola gratia nicht mehr in begrifflicher Präzision entfalten konnte, ist für das Judenchristentum nicht ohne Folgen geblieben. III. Der Jakobusbrief Der Jakobusbrief ist seit Luther der Prüfstein für das rechte Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre. In der Gegenwart ist er außerdem 1 STRECKER, a . a . O . S. 154. 2 Nur so paßt die Stelle in die matthäische Christologie hinein, ττληρώσαι ττασαν δικαιοσύνην ist offensichtlich matthäischer Zusatz zur Tradition. Wie nach 5,17 „Jesus das Gesetz und die Propheten (realisiert), indem er den darin niedergelegten Gotteswillen, die Forderung der δικαιοσύνη offenbart", so gehört 3,15 „der Vollzug der Taufe Jesu ... zur Verwirklichung der geforderten Frömmigkeit und wird als Teil der δικαιοσύνη auch selbst zu einer Rechtsordnung. Diesen für den Evangelisten entscheidenden Gedanken einzufügen, bot das überlieferte Ablehnungsgespräch (V. 14t.) hinreichenden Anlaß" (STRECKER, a.a.O. S. 17gf.). Diese Sicht ist gegen z.B. LJUNGMANN. Das Gesetz erfüllen, Lund 1954, S. i i 3 f . und FIEDLER, Δικαιοσύνη S. 9 7 ! , 113 festzuhalten.

jg2

Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

der Prüfstein für die Stellung der Exegeten zur Kanonfrage geworden. So nimmt es nicht Wunder, wenn heute ein klares Nein zur Theologie des Briefes wenige aussprechen1. Dagegen ist die von SCHLATTER angeführte Schar derer groß, welche entweder ein sogar theologisch notwendiges Nebeneinander bzw. Nacheinander von Paulus und Jakobus proklamieren2, oder wenigstens Elemente der paulinischen Rechtfertigungstheologie von Jakobus in dessen besonderer Situation ganz legitim verteidigt sehen3. Historisch trägt Jakobus nur die Ansätze weiter, welche das von Matthäus repräsentierte Judenchristentum entwickelt hat. Wie dieses ist Jakobus der Meinung, daß der Gerichtstag Gottes noch ausstehe und daß das Gesetz Maßstab des menschlichen Verhaltens und zugleich zukünftige Gerichtsregel ist4. Wie dieses Judenchristentum vermag auch er nicht, Werk Gottes und Gehorsam des Menschen terminologisch präzis auseinanderzuhalten. Dies zeigt sich gleich Jak. 1,20. Für die Interpretation von δικαιοσύνη 3εο0 gilt das zu Mt. 6,33 Ausgeführte: Jakobus hätte, ebenso wie Matthäus, δικαιοσύνη ένώττιον θεοϋ sagen können, sofern er dies gemeint hätte. Er behält aber den Ausdruck δικαιοσύνη 3εοϋ in dem ihm überlieferten Spruch bei und schließt damit an die Tradition der Apokalyptik an. Auch Jak. 1,20 meint also, daß der Zorn eines Menschen Gottes eigene δικαιοσύνη nicht ins Werk setzt6. Gottes δικαιοσύνη meint dabei, dem Kon1 Ausnahmen sind: R . BULTMANN, Theol. 3 S. 483!., 5 i 4 f . ; H. BRAUN, Art. Glaube im N T , 1593Í. und Ges. Studien, S. 3x6; E . KÄSEMANN, AUS der neutestamentlichen Arbeit der letzten Jahre, V F 1947/48 S. 209-212 und E x . Vers. I S. 220; G. KLEIN, Art. Rechtfertigung im N T , 827Í.; W . G. KÜMMEL, Einleitung in das Neue Testament,

H e i d e l b e r g 1963 ( = 12. A u f l . der E i n l e i t u n g v o n FEINE-BEHM), S. 301 f ; R . W A L K E R ,

Allein aus Werken, Z T h K 61 (1964) S. 155-162. 2 A . SCHLATTER, Der Brief des Jakobus, Stuttgart 2. Aufl. 1956, S. 430. Von SCHLATTER inspiriert, diesen aber theologisch desavouierend, M. LACKMANN, Sola fide, B F C h r T h 2. Reihe B d . 50, Güthersloh 1949. Vor allem aber heute J. JEREMIAS, Paul and James, E T 66 (1954/55) S. 368-371. JEREMIAS schreibt: „ P a u l , when speaking of the justification, nearly always has in mind justification at baptism where the ungodly is declared b y God to be righteous. James, when speaking of t h e justification, has in mind the last judgement". ,,So James ch. 2 has its full right to stand b y the side of P a u l " , präziser noch: „ t o stand after P a u l " (S. 371). F ü r die katholische Exegese vgl. SCHNACKENBURG, T h e o l . S . 96. 3 So besonders prägnant G. EICHHOLZ, Jakobus und Paulus, T h E x N. F . 39, München 1953 und: Glaube und W e r k bei Paulus und Jakobus, T h E x N . F . 88, München 1961, bes. S. 37 ft. Ähnlich W . MARXSEN, Der Frühkatholizismus im N T , Bibl. Studien 21, Neukirchen 1958, S. 22ff.; W . JOEST, Gesetz und Freiheit, Göttingen 3. Aufl. 1961, S. 161 ff. und H . DIEM, Theol. II, S. 204ff. 4 A m Gesetzesverständnis des Jakobus, dessen bester Kommentar Barn. 2,6 ist, läßt sich ablesen, wie weit Jakobus bereits von der matthäischen Problematik entfernt lebt. Das Zeremonialgesetz spielt überhaupt keine Rolle mehr. Dies weist Jakobus ebenso in die späte zweite H ä l f t e des 1. Jh. wie in den hellenistischen Bereich. Jakobus verwertet ausschließlich die Septuaginta und spricht auch sonst ein gut hellenistisches Griechisch (vgl. KÜMMEL, a . a . O . S. 298ff.). 5 So SCHLATTER z. St. und CREMER-KÖGEL, Wörterbuch 1 1 312f. gegen alle anderen (z.B. BULTMANN, Theol. 3 S. 285; E . LOHSE, Glaube und Werke. Zur Theologie des Jakobusbriefes, Z N W 48 (1957) S. 5; E . SCHWEIZER, Art. Gerechtigkeit Gottes, 1406; M. DIBELIUS Z. St. DIBELIUS sieht richtig, daß Jak. 1,20 ein traditioneller Spruch ist). Unsere Auslegung empfiehlt sich auch deshalb, weil Gerechtigkeit Gottes und Zorn

Der Jakobusbrief

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text nach, Gottes unerschütterliche Rechtstreue. Diese stellt den Menschen in das Wirken, weil sie für den Menschen verbindliche Maßstäbe schafft. Daß Jakobus diesen Gedanken seiner Tradition nicht mehr verstünde und also wie die Targumim zu Dt. 33,21 δικαιοσύνη Seoö in einem die Tat des Menschen meinenden Sinne umprägt, läßt sich aus dem Text nicht erheben. Weil also Gottes Wirken den Maßstab für die Menschen setzt, ist es für Jakobus nur folgerichtig, wenn er 2,24 betont, Glaube und Werk führten zusammen zu Gottes Freispruch1. Daß der Jakobusbrief keine eigene Theologie habe2, kann man auf Grund des theologischen Herzstücks unseres Briefes, Jak. 2,14-26, nicht sagen. Hier löst sich der Verfasser von seiner sonst dargebotenen Tradition und führt eine eigene theologische These durch. Dies zeigt schon der Stil der Diatribe, in welchem der Abschnitt geschrieben ist. Ein Glaube, der nicht wirksam wird, hat vor Gott keine freisetzende Gewalt, sondern ist eine bloße von den (gottfeindlichen !) Dämonen auch geübte Anerkennimg eines höchsten Wesens (2,19)®. Man kann auch nicht (enthusiastisch) dem einen den Glauben und dem anderen die wirkende Tätigkeit zumessen4, sondern muß sehen, daß bereits der Freispruch für den Stammvater Abraham nur deshalb erfolgte, weil Abraham seine Glaubenstreue in der Opferung Isaaks bewies. Das erweist nach Jakobus, daß auch der christliche Glaube nur dann rechtfertigende Kraft besitzt, wenn er sich vor Gott auf Erweise seiner Wirksamkeit zu stützen vermag. Denn - man kann hier sehr schön Jak. 3,18 zur Erläuterung heranziehen - Gott (sein Wirken umschreibt das Passiv) läßt nur denen, die selbst um den Frieden bemüht sind, die lohnende Frucht, welche in der Gerechtigkeit besteht und Gottes von alters her antithetische Begriffe sind (s.o. S. 8of.). Wenn dies schon so ist, wieviel mehr ist dann der menschliche Zorn ungeeignet, Gottes δικαιοσύνη ins Werk zu setzen - diese jüdische Schlußfolgerung könnte sehr wohl hinter unserem Spruche stehen. 1 Jak. 2,24 zeigt, daß der Jakobusbrief eine christliche Schrift ist. Dies hat E . LOHSE a.a.O. S. 5 I in der Nachfolge SCHLATTERS, a . a . O . S. 52 richtig gesehen. Wenn A. MEYER in seinem Buch: Das Rätsel des Jacobusbriefes, B Z N W 10, Gießen 1930, S. 94 f. auf 4.Esra 9,7 als Parallele zu Jak. 2,24 und zum Beweis der jüdischen Grundschrift des Jakobusbriefes hinweist, muß man allerdings noch schärfer als LOHSE betonen, daß religionsgeschichtlich nirgends (auch in den Qumrantexten nicht!) davon gesprochen wird, daß der Glaube allein vor Gott rechtfertigt. Dies ist erst eine christliche, und zwar eine paulinische These. Also bezieht sich Jakobus in seiner Polemik auf eine paulinische Losung. In der von Jakobus apostrophierten Radikalität kann diese eigentlich nur von enthusiastischen, also doch wohl gnostisierenden Paulusschülern vertreten worden sein (mit SCHLATTER, a.a. O. S. 56 und H. J. SCHOEPS, Theologie und Geschichte des Judenchristentums, Tübingen 1949, S. 346). Daß Jakobus eine paulinische Losung bekämpft, betont auch KÜMMEL, a . a . O . S. 298. 2 M. DIBELIUS, Komm. S. 19 und K . ALAND, Artikel: Jakobusbrief, R G G 3 III 527. 3 Jakobus folgt hier augenscheinlich der Redeweise vom Glauben, wie sie in der jüdischen Diasporasynagoge üblich war (vgl. BULTMANN, Art. ττίστι; S. 200,25s.). Die Stelle besagt für den genuin jakobinischen Glaubensbegriff allerdings wenig, da sie rein polemisch gemeint ist (mit DIBELIUS Z. St. gegen BULTMANN, Theol. 3 S. 5 1 4 I und KLEIN, a.a.O. 827). Für den jakobinischen Glaubensbegriff sind Stellen wie 1,6; 2,1 und 5,15, und damit ein unreflektiertes Nebeneinander von verschiedenen Motiven charakteristisch. 13

4

V g l . DIBELIUS zu J a k . 2,18.

8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

der Gerechtigkeit verliehen wird, gedeihen und aufgehen. Glaube und Werk ergeben also zusammen erst den Beweis der Bewährung, welcher Gott sein freisprechendes Urteil nicht versagen wird (2,22). Daß Jakobus diese Apologie der Bewährungsethik einem in seinen Konventionen erstarrten Christentum gegenüber und nicht in einem lebendigen Dialog mit Paulusschülern entfaltet, ist anzunehmen. Auch Paulus kann „Enthusiasten" gegenüber „jakobinische" Töne anschlagen, wie 1. Kor. 13,2 beweist. Jakobus aber fällt mit seiner Argumentation theologisch ins Judentum zurück. In der paulinischen Ethik wird der Glaube stets nur so wirksam, daß alles Werk des Christus Werk im Glaubenden ist, also Gottes Werk bleibt. Paulus denkt nicht - judenchristlich - an die Bewährung vor Gott, sondern an die Bewahrung des Menschen in seinem Sein bei Gott durch die tätige Liebe. Jakobus denkt anthropologisch viel naiver, und dementsprechend klein ist sein Gottesbegriff geworden. Ein Gott, der für seine Rechtsprechung Werke des Menschen sehen möchte und muß, ist ein kleinerer Gott als der, welcher zu allen Zeiten nur nach dem von ihm selbst den Menschen in der Taufe aufgeprägten Siegel seiner Erwählung fragt. Deshalb gibt es zwischen Paulus und Jakobus nur eine theologische Alternative und niemals ein Sowohl Als auch. Ausdruck dafür ist ein Letztes : Jakobus kann die Rechtfertigung nur noch als forensisches Ereignis denken. Damit verliert er aber das, worum es Paulus eigentlich geht: daß Rechtfertigung des Gottlosen den Aufgang der Schöpfertreue Gottes über dem Leben des Täuflings meint. Für Jakobus ist die Frage der Rechtfertigung eines unter mehreren Theologumena, für Paulus das eine Herzstück seiner Predigt. IV. Lukas An dieser Stelle ist kurz auf das lukanische Geschichtswerk einzugehen, denn auch hier fehlt es - ebenso wie im Jakobusbrief - an Verständnis und Interesse für das Thema der Rechtfertigimg. Obwohl Lukas uns im Sondergut seines Evangeliums die schönsten, von Gottes Vergebung sprechenden Gleichnisse überliefert hat (Lk. 10,25-37; 15,11-32; 18,9-14, vgl. auch 17,70.), hat er für die Radikalität und Tiefe des paulinischen Rechtfertigungsansatzes kein Gefühl mehr. Dies zeigt die Predigt des Paulus im Pisidischen Antiochien, Apg. 13: Hier läßt Lukas in V. 38 f. Paulus das Rechtfertigungsthema aufgreifen. Das bedeutet zunächst natürlich, daß Lukas hier berichten will, was und wie Paulus verkündigt hat. E. H A E N CHEN 1 , U . WiLCKENS 2 , H. CoNZELMANN 3 und G . STÄHLIN 4 sind übereinApostelgeschichte 13 S. 354. Die Missionsreden der Apostelgeschichte, W M A N T 5, Neukirchen 1961, S. 5 i f . , 3 Die Apostelgeschichte, H N T 7, Tübingen 1963, z. St. i83f., 217. 4 Die Apostelgeschichte, N T D 5, Göttingen 1962, z. St. STÄHLIN löst die Schwierigkeit der Stelle folgendermaßen: „Die Aussage über die Rechtfertigung ist nicht eindeutig", schreibt er; „man kann sie so verstehen, daß die Rechtfertigung durch den 1

2

Lukas

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stimmend der Meinung, daß man Lukas bei V. 38 f. theologisch nicht behalten dürfe. Das ist jedoch gerade das Problem ! Gerade wenn dieser Satz nur „eine unverstandene Reminiszenz" ist 1 , so zeigt doch eben die Nebensächlichkeit, mit der hier die paulinische Rechtfertigungslehre erwähnt wird, daß Lukas für den paulinischen Gottes- und Glaubensbegriff kein Verständnis mehr hat und daß es also nur noch eines Schrittes bedarf, um beim jakobinischen Synergismus zu stehen. Bei dem sich an unserer Stelle und in Apg. 15 (vgl. auch 16,3 und 2i,i8ff.) zeigenden lukanischen Gesetzesverständnis ist sogar die Frage, ob Lukas nicht den Schritt hinüber in eine seinem Verständnis nach sicher - „unschuldige Werkgerechtigkeit" (BARTH) bereits wieder getan hat 2 . HAENCHEN bestätigt diese Sicht indirekt, wenn er das lukanische Gesetzesverständnis folgendermaßen charakterisiert : Lukas, „ein Heidenchrist vom Ende des 1. Jahrhunderts, sah im Gesetz nicht den Widersacher Christi, die Versuchung, durch eigene Werke vor Gott gerecht zu werden. Sondern das Gesetz war für ihn eine Unsumme von Geboten und Verboten, mit denen auch ein geborener und von Kind auf in die Gesetzespraxis hineingewachsener Jude nicht immer zurechtkam (Act 15,10). Also brauchte man die Heiden nicht damit zu beschweren. Es genügte, wenn sie einige wenige Forderungen - im ganzen vier - erfüllten (Act 15,2ο)" 3 . Hier steht ein unreflektierter Synergismus sogar gar nicht mehr zur Debatte! Das trotz der alttestamentlichen Redeweise griechische Verständnis von δικαιοσύνη Apg. 17,31 ist, im Rahmen der lukanischen Eschatologie, für unsere Sicht eine weitere Bestätigimg. Glauben, eine Ergänzung zu der auf Grund des Gesetzes erworbenen Rechtfertigung sein soll, so wie in der rabbinischen Theologie die göttliche Gnade die menschliche Leistung ergänzt. Das wäre allerdings ein eindeutiges Zeugnis des Frühkatholizismus, als dessen Vertreter Lukas oft hingestellt wird. A b e r diese Aussage stände dann in ausgesprochenem Gegensatz zu anderen, die Lukas als Vertreter einer Theologie des 'Christus allein', 'durch Gnade allein', 'durch Glauben allein' zeigen (vgl. 4,12; 1 5 , 1 1 ; 26,18 u.a.). Darum muß der Satz wohl so verstanden werden: in diesem allein erlangt jeder, der an ihn glaubt . . . den Freispruch von allen Sünden, was ihr auf dem Boden des Gesetzes nie erlangen konntet". Dazu ist zu sagen, daß die Particulae exclusivae in 15,11 und 26,18 fehlen und daß die Christologie von 4,12 a) traditionell (vgl. HAENCHEN Z. St.) und b) im lukanischen Zusammenhang nicht so reformatorisch gedacht ist, wie STÄHUN vermuten läßt (vgl. WILCKENS, a . a . O . S. 44. i 8 4 f . ) . 1 KLEIN, Artikel: Rechtfertigung, 827. 2 Nur so vermag ich den Widerspruch aufzulösen, den STÄHLIN schildert und der auch bei WILCKENS ungelöst bleibt, wenn dieser einerseits feststellt, daß für L u k a s „ein soteriologischer Synergismus . . . schlechterdings ausgeschlossen" sei (S. 183), andererseits aber zugibt, daß Lukas in Apg. I3,38f. die Rechtfertigungslehre des P a u lus erwähnt, „ohne im geringsten gerade darin die inhaltlich letzte Heilsaussage zu erkennen" (S. 217), j a daß das lukanische Sünden- und Gesetzesverständnis von dem des Paulus fundamental geschieden sei (S. 217). Man kann dann doch nur mit H . BRAUN feststellen: „ D i e Apostelgeschichte vertritt eine 'komplementäre' (HARNACK) Rechtfertigung: nicht Werke oder Glaube als Heilsweg, sondern: w o man das Gesetz nicht halten kann, da tritt der Glaube als rettend ein; die kritische Alternative bei Paulus ist verkannt" (Ges. Studien S. 316). s Judentum und Christentum in der Apostelgeschichte, ZNW 54 (1963) S. 157. 13*

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Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

V. Die johanneische Schule Auffällig ist, daß die johanneische Schule keine Rechtfertigungslehre entwickelt hat, obwohl die Vorstellung von einem kosmischen Gerichtsgeschehen, das sich in der Verkündigung Jesu vollzieht und in der Predigt seiner Gemeinde andauert, das ganze vierte Evangelium durchzieht1. Mit allem Vorbehalt einer gerade zu diesem Fragenkomplex erforderlichen weiteren Klärung ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die im 4. Evangelium beherrschende Wortgruppe δόξα/δοξάζειν augenscheinlich auch eine rechtliche Komponente hat. Das zeigen die folgenden, vorläufigen und leicht zu vermehrenden Konkordanzen für das Substantiv und auch für das Verbum: a) Vom Alten Testament an stehen Jahwes Herrlichkeit und Gerechtigkeit in eindeutiger Parallele, vgl. Ps. 97,6; 85,10ά.; Jes. 58,8 u.a. äth. Hen. 50,3f.; 63,2!; 4-Esra 7,42 (vgl. mit 8,21.30.36); r QS 11,12; 1 1 , 1 5 . 1 9 ! und vor allem 1 QM 4,6! Diese letzte Stelle und die verblüffende Parallelität von Vit. Ad. et Ev. 2of. zu Köm. 3,23 führen hinüber zu Paulus, bei welchem die Parallelität von δόξα 3εοΰ und δικαιοσύνη θεοϋ im Rechtfertigungszusammenhang eindeutig ist 2 . Nicht anders aber steht es mit dem Verbum. b) δικαιούν/δικαιούσθαι und δοξάζει ν/δοξάξεσ3αι (auch έξομολογεϊσθαι) sind vom Alten Testament an Wechselbegriffe, vgl. Ps. 86,12; Jes. 5,I6;49,5 (vgl. mit 50,8) Ps. Sal. 3,3; 5,19; 10,5-7; (vgl. mit 15,2; 17,5) und schließlich 1 QS 11,15 und vor allem 1 QM 1 1 , 1 4 ! Wieder zeigt Paulus selbst denselben Zusammenhang, vgl. nur Röm. 8,30. - H. K I T T E L hat die johanneische Wortgruppe δόξα/δοξάζειν näher untersucht, hat ihre zentrale Bedeutung für das 4. Evangelium herausgestellt und betont, daß Johannes augenscheinlich gegenüber Paulus selbständig für seine Begriffsgruppe auf alttestamentliche Tradition zurückgreife: „Sehe ich recht, so liegt auch im Johannesevangelium eine durchaus eigentümliche Form der Machtidee vor, deren Bildung sich auf einer anderen Linie, als der uns bisher im NT bekannt gewordenen vollzogen hat, vor allem auf einer anderen Linie, als es bei Paulus geschieht. Und zwar finde ich zunächst in der Prägung der johanneischen δόξα einen Rückgriff auf eine ATliche Gestalt unseres Begriffes. Die δόξα, kraft deren der johanneische Christus seine σημεία tut, ist ihrer Struktur nach der Wunderkraft, die Jahwe in der Schöpfung und Regierung der ATlichen Welt bewährt, aufs engste verwandt, ja ihr wesensgleich. So wie die ATliche Welt voll ist des TOS, so ist die johanneische Welt voll der δόξα του λόγου, die wesentlich δόξα τοϋ -Seoυ ist" 3 .Mir scheint, man kann auf Grund des angegebenen Materials K I T T E L S These noch präzisieren und zugleich modifizieren: Johannes greift, wenn er die Wortgruppe δόξα/δοξάζειν zu einer beherrschenden für seine Theologie macht, auf ein Material zurück, das ursprünglich aus einem vom Alten Testament gespeisten spätjüdisch-apokalyptischen Wurzelboden stammt und deshalb vom schöpferischen spätjüdischen Rechtsdenken her geprägt ist. δόξα/δοξάζειν haben bei Johannes eine ausgesprochen rechtliche Prägung und sind insofern hervorragend geeignet, in dem Prozeßgeschehen, das die johanneische Eschatologie ausmacht, Gottes Macht und Jesu fordernde Vollmacht auszudrücken. Bei einer Interpretation von Joh. 17 würde sich das Recht unserer These unschwer zeigen lassen und vollends deutlich werden, daß Johannes unter veränderter Terminologie und in veränderter Zeit genau das Anliegen der paulinischen Rechtfertigungstheologie verficht! Paulus und Johannes rücken also näher zusammen, als K I T T E L meint (vgl. nur Röm. 6,4; 4,5.17.24!; 1 , 1 6 ! mit Joh. 11,40.25; 17,24; 1,14). Die einzige Stelle, auf die 1 Vgl. Η. v. C A M P E N H A U S E N , Die Idee des Martyriums in der alten Kirche, Göttingen 1936, S. 33-41; T H . P R E I S S , Die Rechtfertigung im johanneischen Denken, EvTheol 16 (1956) S. 289-310; H. D I E M , Was heißt schriftgemäß, Neukirchen 1958, S. 43FF.; R. B U L T M A N N , Komm, passim. 2 Vgl. H. K I T T E L , Herrlichkeit, S . 191 ff. 3 A . A . O . S . 260!

Die johanneische Schule

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wir in unserem jetzigen Zusammenhang ausführlicher einzugehen haben, ist Joh. 16, 5-11. Das hier dem Parakleten zugewiesene Werk des Weltgerichtes wird in 16,14 dann mit dem kurzen Satz interpretiert: έκεϊνος έμέ δοξάσει! Dies fügt sich unserer skizzierten Sicht ausgezeichnet ein. Bereits das Fehlen einer terminologisch expliziten Rechtfertigungslehre zeigt zunächst an, d a ß die Q u m r a n t e x t e , in denen die F r a g e der R e c h t f e r t i g u n g beherrschend ist, nicht der ausschlaggebende religionsgeschichtliche Wurzelboden des E v a n g e l i u m s sein können. Traditionsgeschichtlich w i r d m a n sich an die These v o n F . M . C R O S S jr. halten müssen: „ J o h n preserves authentic historical material w h i c h first took form in an A r a m a i c or H e b r e w milieu where Essene currents still ran s t r o n g " 1 . D a s heißt aber, d a ß m a n die T e x t e n u n auch keinesfalls aus der Vorgeschichte des Johannesevangeliums u n d der Johannesbriefe wird streichen dürfen ! Z u r F r a g e der Gerechtigkeit ist nur auf Joh. 1 6 , 5 - 1 1 einzugehen 8 . H i e r zeigt sich, d a ß auch Johannes in der v o n uns bereits aufgezeigten Transformation des jüdischen Rechtsdenkens begriffen ist, welche das hellenistische Urchristentum v o r n i m m t (vgl. 1. T i m . 3,16). Die F r a g e n a c h der religionsgeschichtlichen H e r k u n f t des Parakletentitels ist umstritten 3 . D e u t 1 The Ancient Library of Qumran and Modern Biblical Studies, New York 1958, S. 162. 2 Im Evangelium wird der Stamm δίκαιος sonst nur noth an drei Stellen gebraucht: 5,30 und 7,24 im Ausdruck κρίσι; δικαία und 17,25 als Gottesprädikat: πάτερ δίακιε. Hier meint das traditionelle Prädikat den in seinem Recht = Herrlichkeit (von Jesus und den Seinen) anerkannten Gott. 8 Wenn die Sicht von P R E I S S zutreffend ist und man die für den Stil des Evangeliums z.T. charakteristischen Antithesen von rechtlichen Wurzeln her zu verstehen hat (s.o. S. 133s. u. Anm. 4 S. 199), steht dem ebenfalls rechtüchen Verständnis des Parakleten nichts mehr im Wege. Dies gilt nicht nur für Joh. 16,5s., sondern ebenso für 14,16! ; 15,26 und auch für die - aus der johanneischen Schule stammende - Interpretation der Parakletengestalt in 1. Joh. 2,1. An allen diesen Stellen kommt man mit der Grundbedeutung: Paraklet = Beistand im Gericht aus. Dies gilt nicht nur für i.Joh. 2,1, sondern auch für die Stellen aus dem Evangelium selber, wenn man als religionsgeschichtliche Parallele 1 QS 3,24 heranziehen darf. (Die Vorbehalte, die H. B R A U N gegen eine Herleitung der Parakletengestalt vom qumranischen helfenden Lichtfürsten ThR 28 (1962) S. 2 2 7 ! erhebt, sind richtig, sofern die Qumrantexte die direkte Quelle des johanneischen Denkens genannt werden. Daß aber eine Vorstufe der johanneischen Parakletengestalt im Geist der Wahrheit von Qumran greifbar wird, ist mir gerade vom Gedanken des Rechts, das Paraklet und Lichtfürst' wahrnehmen, wahrscheinlich). In der eschatologischen Auseinandersetzung zwischen den Söhnen der Gerechtigkeit und den Söhnen der Verkehrtheit eilen ,,der Gott Israels und sein Engel der Wahrheit" ( = Geist der Wahrheit, vgl. 1 QS 3,i8ff.) den angefochtenen Söhnen des Lichtes zu Hilfe. Die Stelle zeigt, wie sich die spätjüdische Vorstellung vom Fürsprecherengel mit der des Geistes verbunden hat und wie - für das 4. Evangelium sehr wichtig - damit die Fürsprecherrolle hinter die Rolle des eschatologischen Rechtshelfers zurücktritt (vgl. ferner Test. Jud. 20,1 und dazu J. B E H M , Artikel: τταράκλητοϊ ThWb V|S. 8o8,3iff.). Das Amt des Engels ist es, den Gottessöhnen im Weltforum Beistand zu leisten, so daß diese ihren Gegnern und den Anfechtungen widerstehen und vor Gott als die Bewährten erscheinen können. Der Begriff des „Geistes der Wahrheit" schlägt die Brücke zu Joh. 14,16; 15,26. Das Zurücktreten der Fürsprecherrolle zugunsten der des Prozeßhelfers in den jüdischen Texten entspricht genau der johanneischen Vorstellung, nach welcher der Paraklet gerade nicht der Fürsprecher vor Gott ist (das ist er dann wieder 1. Joh. 2,1), sondern der Helfer, welcher die Gemeinde

ig8

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lieh wird an unserer Stelle jedoch, daß es sich um ein Rechtsgeschehen handelt, in welchem der (von Johannes auf die Verkündigung der Gemeinde bezogene1) Paraklet den Kosmos der wahren Sünde, der eigentlichen δικαιοσύνη und des tatsächlichen Gerichtes überführt2. Die Sünde besteht, wie der erste explikative δτι-Satz ausführt, darin, daß der Kosmos nicht an Jesus glaubt. Das Gericht erweist sich nach dem dritten δτι-Satz darin, daß der Weltenherr (Satan) durch Jesu Kommen bereits gerichtet ist, ohne daß der Kosmos dies hätte zur Kenntnis nehmen wollen. Die wahre δικαιοσύνη aber besteht darin, δτι irpôç τον πατέρα ύττάγω καΐ ούκέτι 3εωρεΐτέ με. Der Hingang Jesu und seine nunmehrige Unsichtbarkeit können nur dann Ausdruck der wahren Gerechtigkeit sein, wenn darunter - ebenso wie i. Tim. 3,16 - die den Sieg Jesu im Rechtsstreit mit der Welt manifestierende Inthronisation im Bereich des Geistes verstanden wird. Dann nämlich ist Jesu Unsichtbarkeit seine Unnahbarkeit, bzw. der Machterweis des Rechtsherrn und sein Weggang zum Vater ist der Weg seiner Inthronisation, δικαιοσύνη ist hier wohl forensisch aufzufassen (BULTMANN), dabei aber als realer Machterweis zu verstehen. Am besten übersetzt man also δικαιοσύνη mit „Recht". Hinter unserer Stelle steht die Vorstellung von der Inthronisation in der Welt des Geistes (und damit ist auch hier das ursprüngliche jüdische Rechtsdenken wieder transformiert). Es ist nun aber keineswegs zufällig, daß Johannes die Rechtsübernahme des Kyrios nicht so wie 1. Tim. 3,16 proklamiert. Man darf ja den von BULTMANN z. St. (und öfter) herausgestellten Sachverhalt nicht übersehen, daß Johannes die traditionelle apokalyptische Eschatologie der Gemeinde eminent kritisch interpretiert ! Aus der öffentlichen Epiphanie des Kyrios wird dabei an unserer Stelle der verschwiegene Zug der Gemeindeverkündigung durch die Welt. Johannes kann die Akzente aber nur deshalb von der Epiphanie auf die Verkündigung verlagern, weil für ihn das Wort der Verkündigung eine weltenerstellende Realität besitzt. Damit fußt er aber wiederum traditionsgeschichtlich auf apokalyptischen Vorstellungen, wie 4. Esraç.Sf. und Apk. Bar. 48,8 zeigen3. Ist dies richtig, so wird nun auch erkennbar, was bei Johannes an die Stelle der Rechtfertigung treten kann und treten muß : Die Frage nach der rechten und ihre Verkündigung in dem sich 16,5®. zeigenden kosmischen Prozeß stärkt, leitet und beim Vater erhält. So ist der Paraklet also wirklich Jesu Stellvertreter, wie es i4,i6f. angedeutet wird. Die einheitliche Interpretationsmöglichkeit, die sich so ergibt, scheint mir für die Herleitung der Parakleten- Vorstellung aus dem Spätjudentum zu sprechen, während der Parakleten- Titel eindeutig hellenistischer Herkunft ist. (Zum johanneischen Geistverständnis vgl. jetzt auch H. SCHLIER, Zum Begriff des Geistes nach dem Johannesevangelium, Neutes tarn entlich e Aufsätze = Festschrift für J. SCHMID, Regensburg 1963, S. 233-239, bes. 235: „Der Geist ist ... der von Jesus erbetene, durch Jesus vom Vater her gesendete, mit dem Namen Jesu gegebene 'Helfer', in dem sich ... Gott erschließt".) 1 So zuletzt (nach BULTMANN) E . KÄSEMANN, Art. Geist, 1278. 2 BARRETT möchte, gestützt auf den philonischen Gebrauch von έλέγχειν, ζ. St. von einer Überführung des Weltgewissens sprechen. Dies verschiebt den Gedanken je3 Vgl. Anm. 1 S. 79. doch unnötig.

Die johanneische Schule

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Verherrlichung Gottes, realisiert durch das Bleiben im herrscherlichen Bereich des Wortes Gottes (16,14! ; 17,8.22; 15,4.8 usw.). Dies ist dann keine illegitime Veränderung, wenn das Wort seine Bezogenheit auf die Schöpfung und damit kosmische Dimension behält. Die johanneische Schule, aus der, wie schon W. BAUER 1 und C. H. DODD 2 vermutet haben und wie dies E. HAENCHEN 3 jetzt bestätigt hat, die Johannesbriefe hervorgegangen sind, hat diese These ihres Lehrers nicht aus den Augen verloren. Die Briefe kennen zwar auch keine Rechtfertigungslehre, und in ihnen fehlt die Wortgruppe δόξα/δοξάζειν, aber noch immer geht es um das Bleiben im Wort (1. Joh. 2,14!). Daß es bei diesem Wort um die Taufverkündigung geht, macht der Geistbegriff 1. Joh. 3,24 wahrscheinlich. Das Bleiben im Wort, bzw. das Sein aus dem Geiste heraus, erweist sich für die Johannesbriefe vorwiegend im rechten Tim (1. Joh. 2,29; 3,7.10.(12) !). Indem es den Briefen um die Frage der Bewährung geht, geht es ihnen um ein typisches Problem der urchristlichen zweiten und dritten Generation. Dieser Schluß auf eine spätere Entstehungszeit der Johannesbriefe wird dadurch bestätigt, daß ihre Sprache weithin traditionell gesättigt ist4. Daß man sich aber noch nicht völlig in die Ethik verloren hat, zeigen ι. Joh. 1,19 und 2,if. 1. Joh. i,8f. entfalten das (auch bei Paulus Rom. 8,10; Gal. 6,7-10) bekannte Motiv des simul peccator et iustus, wie es uns jetzt in den spätjüdischen Psalmen von Qumran und deren Niedrigkeitsschilderungen auch religionsgeschichtlich bekannt geworden ist®. Das και κα9αρίση ή μας άπό πάσης άδικίας wird sich in der Tat auf die AbendmahlsRechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, BhTh 10, Tübingen 1934, 230. 2 The Johannine Epistles, Mofiat NT Comm. London, 2. Aufl. 1947. 3 Neuere Literatur zu den Johannesbriefen, ThR 26 (i960) S. 1-43. 276-291. 4 Zu den seit den „Johanneischen Studien" von E. v. D O B S C H Ü T Z (ZNW 8, 1907, S. 1-8) und R. B U L T M A N N S „Analyse des ersten Johannesbriefes" (Festgabe für A. Jülicher, Tübingen 1927, S. 138-158) immer neu diskutierten „Antithesen" im 1. Joh. ist Folgendes zu sagen : Daß in den Antithesen Rechtstraditionen zum Ausdruck kommen, wie sie ähnlich in 1 QS vorliegen und auf das apodiktische Gottesrecht zurückverweisen (s.o. S . 133ÉÍ.), hat W. N A U C K : Die Tradition und der Charakter des ersten Johannesbriefes (WUNT 3), Tübingen 1957 m.E. richtig erkannt. Wenn E. H A E N C H E N a.a.O. S. 8ff. nur noch von (zersägter) „Tradition" sprechen, deren Wurzeln aber nicht näher bestimmen möchte, wird damit das religionsgeschichtliche und traditionsgeschichtliche Problem verschleiert. Η. M. S C H E N K E ist in seinem Aufsatz über „Determination und Ethik im ersten Johannesbrief", ZThK 60 (1963) S. 203-215 mit E. K Ä S E M A N N (vgl. Ex. Vers. I, S. 168ff.) und E. H A E N C H E N (a.a.O.) der Meinung, „von der literarischen Einheitlichkeit des Briefes ausgehen zu müssen" (S. 205). Dies bleibt aber deshalb unbefriedigend, weil S C H E N K E selbst auf den religionsgeschichtlich den Qumrantexten ähnelnden Dualismus im 1. Joh. verweist (S. 2iof. 215) und weil seine eigene Definition für die den Brieftext durchziehenden Thesen genau der Absicht von urchristlichen Rechtssätzen entspricht! S C H E N K E schreibt: „Die Thesen enthalten und entwerfen - wenn auch auf deterministischem Hintergrund - ein Leitbild christlichen Handelns und rechten Glaubens, das sich für den Menschen, dem das Sollen selbstverständlich ist, zwanglos in eine Verpflichtung umsetzt" (S. 214). * Darauf ist besonders gegenüber E. K Ä S E M A N N , Ketzer und Zeuge, Ex. Vers. I , S. 182 Anm. 47 hinzuweisen. 1

S.

200

Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

tradition und nicht auf die Taufe beziehen 1 , obwohl man Taufe und Abendmahl nicht zu weit voneinander entfernen darf, wie Rom. 3,24 f. zeigt. Dann aber führt DODDS Verweis auf Rom. 3,21-26 noch weiter. Die Abendmahlstradition von Rom. 3,24t. betont ja gerade, daß die vergebende, neuschaffende Bundestreue Gottes Sündenvergebung gewirkt hat (und vermutlich noch wirkt). Während Rom. 3,24f. mehr an ein einmaliges Ereignis gedacht zu sein scheint, meint der 1. Johannesbrief hier deutlich ein ständiges Verhalten Gottes! Dieses Verhalten Gottes, also das ständige Wirken seiner Treue ( = δικαιοσύνη 3εοΰ bei Paulus) meint also das π ι σ τ ό ς εστίν και δίκαιος in ι . Joh. 1,9! i . Joh. 2,1 f. formuliert dasselbe Motiv christologisch. Im Falle einer Sünde ist Christus der erhöhte Intercessor bei Gott für den Getauften und 2,2 sieht diese gegenwärtige Intercessio des Erhöhten (vgl. Rom. 8,31 £E.) begründet in der weltweiten Sühnewirkung des Christusopfers. Hier braucht dann keine Glosse vorzuliegen, wie BULTMANN meint 2 , sondern der Verfasser nimmt (zitierend?) Bezug auf die Abendmahlstradition der Gemeinde, in der die Rede vom Christusopfer ja ihren Sitz hat. Dieses Christusopfer gilt aber nicht mehr nur der neu konstituierten Bundeswelt (wie Rom. 3,24f.), sondern, wie in der paulinischen Interpretation von Rom. 3,24f., dem ganzen Kosmos, wenn dieser willig ist zu glauben, bzw. sich der Gemeinde anzuschließen. Daß man also in 1,9 das Walten der weltweiten, gerechten Treue Gottes (und nicht mehr bloß der Bundestreue) sieht, ist offensichtlich. Wenn der Verfasser sich an unserer Stelle des geläufigen Vorstellungsschemas einer himmlischen Fürsprache des Christus bedient, dann denkt auch er apokalyptisch-rechtlich. Im Gegensatz zu Joh. 16 scheinen die Briefe sich jedoch wieder stärker der allgemein-urchristlichen Vorstellung zuzuwenden und sich damit von der souveränen Parakleteninterpretation ihres Lehrers auf die Verkündigung der Gemeinde zu entfernen. V I . Die Johannesoffenbarung Die Situation der hinter der Johannesapokalypse stehenden Gemeinden bringt es mit sich, daß die Frage der persönlichen Rechtfertigung ganz zurücktritt. „Mitte urchristlicher Apokalyptik ist nach der Johannes-Apokalypse . . . die Thronbesteigung Gottes und seines Christus als des eschatologischen Menschensohnes, die auch als Erweis der Gerechtigkeit Gottes bezeichnet werden kann." 3 Auffällig ist aber, wenn diese Sicht KÄSEMANNS zutreffen sollte, daß die Apokalypse den paulinischen Begriff δικαιοσύνη ·9εοϋ nicht kennt. Erinnert man sich jedoch der Tatsache, daß δικαιοσύνη SeoO in der Apokalyptik ein Abbreviaturbegriff für die heilsgeschichtlichen RechtsSo mit HAENCHEN, a.a.O. S. 41 f., gegen NAUCK, a.a.O. S. 47. 98 u.ö. Theol.3 S. 407 und „Die kirchliche Redaktion des ersten Johannesbriefes" In memoriali E. LOHMEYER, Stuttgart 1951, S. 201. 3 KÄSEMANN, Anfänge ehr. Theol. S. 182. 1

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Die Johannesoffenbarung

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taten Jahwes, die ΠΊΠ"1 nipnx bzw. lYlplX zu sein scheint, löst sich der scheinbar aufbrechende Widerspruch auf: die These vom Abbreviaturbegriff δικαιοσύνη Seoö erhält hier sogar ihre letzte Bestätigung! In dem (literarischen!)1 Lied des Mose Ape. 15,ßf. werden nämlich Gottes δικαιώματα als bereits die Gegenwart erfüllende und zugleich den endzeitlichen Völkerstrom zum Zion auslösende Machttaten besungen. Diese δικαιώματα sind nichts anderes als die alttestamentlichen und apokalyptischen mpTS Gottes! Daß diese gemeint sind, zeigt der auf das Meerwunder beim Exodus anspielende Kontext (vgl. 1. Sam. 12,7f.; Mi. 6,4f.). Die sprachliche Möglichkeit, die δικαιώματα Gottes mit den ^χ/ΠΙΠ·· ni¡7*T2t gleichzusetzen, läßt sich erschließen: Ape. 19,8 spricht wie Bar. 2,19 von den δικαιώματα der Heiligen. Damit sind deren Rechttaten gemeint (vgl. auch Ps. 44,2 bei Aquila und Symmachus). Gleichsinnig spricht Septuaginta Dan. 9,18 von den δικαιοσύναι der Beter (= mpnx im Urtext). Die δικαιώματα und δικαιοσύυαι der Menschen meinen also beide deren nipTS = Rechttaten. Die Möglichkeit, die míT» nipTS ebenso zu übersetzen, erweist die (den Fachausdruck mrr mpTX mißverstehende) Übersetzung von Ri. 5,11 durch den Vaticanus und vor allem von 1. Sam. 12,7 durch den Alexandrinus : mpnx n w = αί ττασαι δικαιοσύναι ! Fehlt also nur das Zwischenglied, welches nicht nur die nij?Tt der Menschen, sondern auch die Gottes mit δικαιώματα übersetzt. Wenn ich recht sehe, liegt dieses Zwischenglied eben in Ape. 15,4 vor! Der Text selbst bezeichnet diese δικαιώματα ja zugleich als μεγάλα και θαυμαστά εργα, sieht in ihnen also reale, schöpferische Manifestation Gottes und nicht etwa nur seine „Urteile" (so LOHMEYER Z. St.). Gott verhilft seiner Gemeinde als der Schöpfer (vgl. 4,11 ; 10,6) zum Sieg im eschatologischen Kampf. Damit wird als treibende Macht der apokalyptischen Endgeschichte Gottes Walten in δικαιοσύνη, eben seine Gerechtigkeit als Recht des Schöpfers sichtbar. Die Rede von Gottes Rechttaten in Ape. 15,3 f. entspricht also sachlich genau der paulinischen Sicht der δικαιοσύνη Seoö. Die Apokalypse bedient sich nur deshalb nicht des vereinheitlichenden, singularischen Begriffes, weil sie traditionsgeschichtlich auf ein apokalyptisches Denken zurückgreift, aus welchem der AbbreviaturbegrifE δικαιοσύνη 3εου erst mit der Zeit hervorgegangen ist. Traditionsgeschichtlich repräsentiert die Apokalypse hier also ein früheres Stadium apokalyptischen Denkens, als es der paulinischen Theologie zugrundeliegt. Weil es um den eschatologischen Endkampf geht, haben Gottes Rechttaten ein doppeltes Gepräge. Für die Gemeinde haben sie helfenden Charakter, Gottes Wege sind „gerecht und wahrhaftig" (V. 3), d.h. sie verhelfen zum Recht und sind unverbrüchlich. Für die Gegner der Gemeinde aber werden sie zu (der Ge1 „Verstreut über die Johannesapokalypse sind eine Reihe von Hymnen und Liedern ... Als offenbare Schöpfungen des Verfassers zeugen sie für seine sprachkünstlerische Begabung" (Ο. A. PIPER, Artikel: Johannesapokalypse, R G G 3 I I I 827). Daß es sich um ein literarisches Preislied handelt, zeigt das mannigfache gerade hier verarbeitete alttestamentliche Stellenmaterial (vgl. LOHMEYER Z. St.).

202

Gerechtigkeit Gottes im Neuen Testament vor und neben Paulus

meinde) Gottes Recht manifestierenden, unverbrüchlichen Gerichten : 16,7 ; 19,2. Gott heißt in der Apokalypse deshalb der δίκαιος, weil er seiner Gemeinde zum Recht verhilft, indem er die Feinde der Gemeinde niederwirft: 16,5. Wenn Christus als der himmlische Reiter kommt, um âv δικαιοσύνη zu richten und zu kämpfen (19,11), so führt er damit nur Gottes Werk zum Sieg. Der Kampf, den Gott in der Endzeit zu seinem, seines Christus und seiner Gemeinde Sieg hinausführt, trägt also die Züge des Rechtsprozesses mit der Welt. Für Gottes Partei bedeuten seine Rechttaten das Heil und den Sieg — für Gottes Gegner Gericht und Vernichtung. Wie von Gottes, so kann auch von den Rechttaten der Frommen = Heiligen die Rede sein, welche zu Gottes Königsherrschaft beitragen: 19,8. δικαιοσύνη ist 2 2 , 1 1 die rechte Verhaltensweise im Gegensatz zu άδικία, welche dem Gericht Gottes unterliegt (V. 15). Während die JohannesofEenbarung trotz ihrer späten Entstehungszeit das apokalyptische Denken z.T. noch ursprünglicher bewahrt hat als Paulus, ist die Apokalyptik von 2.Petr. 2 nur noch übernommene und weitergereichte Tradition. Dementsprechend versteht 2.Petr. 1 , 1 den Begriff δικαιοσύνη S E O Ü nicht mehr genuin apokalyptisch, sondern griechisch als die allen Menschen, also Juden und Heiden gleichermaßen, die ττίστις zumessende Philanthropie Gottes, also schon ganz im Sinne des Diognetbriefes (g.i-ö) 1 . 1

Vgl. R . B U L T M A N N , Theol. 3 S . 2 8 5 und E . K Ä S E M A N N , Eine Apologie der urchristlichen Eschatologie, Ex. Vers. I , S. 1 3 9 . Zu übersetzen ist m . E . mit W I N D I S C H z. St. und K Ä S E M A N N , a.a.O. S. 1 3 8 : „...welche durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und (des) Heilandes Jesu Christi Anteil an dem uns zu Partnern machenden köstlichen Glauben erlangten". Nur so wird der term, techn. δικαιοσύνη θεού gewahrt, während er in J . S C H N E I D E R S Übersetzung (NTD 1 0 , z. St.) und Auslegung nicht als solcher erkannt wird: „ . . . welche durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und Retters Jesus Christus den gleichen kostbaren Glauben erlangt haben". - Ähnlich hellenistisch transformiert ist der alttestamentliche Gedanke der Gottesgerechtigkeit auch Apg. 17.31·

E. G E R E C H T I G K E I T ALS

SIGNATUR

DER

UND

PAULINISCHEN

GOTTES

ABBREVIATUR THEOLOGIE

Bei der Exegese von 2. Kor. 5,21; Rom. 1,17; 3,4!.; 3,2iff.; 10,3f. und Phil. 3,9 haben wir festgestellt, daß δικαιοσύνη 3εο0 der Leitbegriff für die paulinische Eschatologie, für seine Christologie, sein Kirchenverständnis und natürlich für seine Rechtfertigungslehre ist. Ein (auf das Nötigste sich beschränkender) Gang durch diese Sachkomplexe muß den aufgezeigten Tatbestand klären helfen. Methodisch gehen wir vom Gesamthorizont zum Einzelnen vor, beginnen also bei der Eschatologie.

I. Die paulinische Eschatologie Gott ist für Paulus der in Gerechtigkeit waltende Herr und Schöpfer der Geschichte. Dies ergibt sich aus Rom. 9-11 ebenso unbezweifelbar, wie Gal. 4,4 (vgl. ferner Gal. 1,4; Rom. 8,8; 11,15; 12,2; 1. Kor. 1,20; 2,6; 3,18; 7,29; 2. Kor. 4,4) erweist, daß Gott der Lenker der Äonen ist 1 . Besonders aus den Qumrantexten ergab sich uns, daß bereits Teile des apokalyptischen Spätjudentums nicht mehr durchgängig gemeint haben, daß die beidenÄonen einander scharf abgegrenzt gegenüberstehen müßten. Unmittelbar vor dem Ende kann vielmehr der neue Äon den zerbrechenden alten schon (verborgen) überlagern und so die Gottesfürchtigen in der alten Welt ermutigen, sich auf die neue Welt zu rüsten. Diese Struktur ist ja auch aus der Johannesoffenbarung vertraut. Diese eschatologische Zeit- und Weltenlehre übernimmt auch Paulus, vermag sie jedoch auf Grund des Kreuzes und der Auferstehung noch eindeutiger zu präzisieren (vgl. Rom. 5,8). Gerade deshalb hält Paulus zeit seines Lebens an der bereits für die Apokalyptik konstitutiven Naherwartung fest (vgl. 1. Thess. 4,13-5,11; Phil. 4,5; 1. Kor. 7,29; 15,51 ff.; Rom. 13,11; ii,25) 2 . Mit Kreuz und Auferstehung sind in 1 D a s von Paulus m . E . unzweifelhaft mitvollzogene (anders CONZELMANN, Artikel: Eschatologie im Urchristentum, R G G S I I 669) Denken in zwei Äonen ist eine apokalyptische Abbreviatur. Die bis zum Hereinbrechen des Endes bereits abgelaufenen und noch bevorstehenden Zeitabläufe (vgl. z. B . Dan. 7 und 10) werden unter dem Oberbegriff des sich zu seinem Ende neigenden „alten Ä o n " zusammengesehen. Diesem alten Äon steht dann der „neue Ä o n " in ähnlicher Unterteilbarkeit gegenüber (vgl. H. RINGGRKN, Artikel: Apokalyptik, R G G S I 465; R . BULTMANN, Geschichte und Eschatologie, S. 3off.). 2 Die These einer inneren Entwicklung der paulinischen Eschatologie vom 1. Thess. hin zum Römerbrief mit einem gleichzeitigen Zurücktreten der Naherwartung (so zu-

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Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

das Gefüge des alten Äon die Kennzeichen der neuen Welt bereits so real eingebrochen, daß die Zeitenwende dadurch markiert wird (Gal. 44) 1 . Eindeutig sind diese Zeichen jedoch nur für den, der den Gekreuzigten als Auferstandenen, das Wort des Evangeliums als Gottes verborgene Epiphanie bekennt und sich damit beiden unterstellt. Mit Kreuz und Auferstehung ist damit auch das Gericht Gottes bereits angebrochen und ergreift den, der zu der neuen Welt Zutritt erhält. Belege für den Gerichtsaspekt der Gegenwart sind Rom. 1,17/1,18ff. ; 3,240.; Gal. 3,25 usw. Paulus entwirft seine Eschatologie nun aber nicht, wie z. B. der 4. Esra, aus der Frage der Theodizee heraus2, sondern unter christologischer Verschärfung des apokalyptischen Schemas von den beiden Äonen3 von der These her, daß die Vergangenheit, Gegenwart und Zukünft nichts anderem diente, dient und zu dienen hat als der Verherrlichung des Schöpfers in seinem Recht (= δικαιοσύνη SeoO) ! Der Gott, der bei der Weltenschöpfung der Menschheit seine gnädige Weisung übergab, um die Menschen in der heilen Schöpfung zu bewahren, erlebte den Abfall dieser Menschenwelt seit Adam (Rom. 5,12f.). Die dem Moses offenbarte Tora (Rom. 5,14) geriet unter die Gewalt der Sünde und wurde zum die Menschen in die Gottesfeindschaft hineindrängenden Gegenspieler des Heilswillens Gottes (Rom. 7,7 ff. ; Gal. 3). Im Gegenzug dazu berief Gott in Abraham den Typus aller derer, welche im Sich-schicken in Gottes Treue Bestand, Verheißung und Leben empfangen. Gott selbst sendet seinen Sohn, um der alten Weltzeit ein Ende zu bereiten. Dieser nimmt den Fluch der Tora von allen, die sich in Zeit und Ewigkeit ihm anschließen. Er bestätigt also Gottes in Abraham aufgerichteten Willen (Gal. 3,13; 4,4), degradiert aber gleichzeitig Moses zum Antityp der Verheißung (vgl. z.B. 2. Kor. 3; Gal. 3; Rom. io,5ff.), die im Christusgeschehen ihre Einlösung findet: Gal. 3,13f. Der Christus wird zum Statthalter Gottes in der auf das Endgericht vollends zueilenden Welt, und die Aufnahme in seine Gemeinschaft ist zugleich die Proklamation von Gottes neuschaffender Gerechtigkeit über der zurückkehrenden Kreatur. Der Auftrag an den Christus lautet auf die Niederkämpfung der noch immer sich Gottes Urteil widersetzenden alten Welt. Die Herrschaft des Christus hat das Ziel, Gottes Gerechtigkeit = das Recht des Schöpfers an der Welt in dieser Welt auch durchletzt E . BAMMEL, Judenverfolgung und Naherwartung, Z T h K 56 (1959) S. 294-315) ist, wie diese Konkordanz zeigt, unhaltbar (vgl. auch Anm. 3 S. 83 u. 1 S. 174). 1 Vgl. das faßliche, graphische Schema bei O. Kuss, Römerbrief, S. 290. 2 So M. DIBELIUS U. W . G. KÜMMEL in ihrem „Paulus" (Sammlung Göschen, Bd. 1160, Berlin 1951). Sie meinen, die theologischen Hauptgedanken des Paulus würden „vorwärts getrieben ... durch die unerhörte, ja beleidigende Art jener Wirklichkeiten, die den Denker Paulus immer wieder vor die Frage stellt : wie konnte Gott so handeln?" (SMOO). Ebenso dann zur Rechtfertigungslehre des Paulus (a.a.O. S . 103 ff.). 3 Darin besteht also trotz der Qumrantexte das Recht der von BULTMANN getroffenen Feststellung von der Präsenz des Eschaton bei Paulus im Gegensatz zu den Hoffnungen des zeitgenössischen Judentums: Theol. 3 S. 275ff.

Die paulinische Eschatologie

205

zusetzen (ι. Kor. 15,25!). Die Gegenwart ist also erfüllt von der eschatologischen Auseinandersetzung zwischen dem alten und neuen Äon, zwischen Evangelium und Mosestora, Christus und dem Herrn dieses alten Äons, Satan. Die Gemeinde ist - ähnlich wie die Qumrangemeinde - die eschatologische Kampftruppe des Christus, sie steht in der militia dei/Christi (2. Kor. 3,8 f. (5,18); ι. Thes.. 5,7ff.). Wer immer zur Welt des Christus zugelassen wird, d.h. wer in der militia Christi steht, wird nun selbst zum Kampfplatz des Alten und des Neuen, zu einer Existenz nicht nur zwischen, sondern in zwei Zeiten (Rom. 8,10 u. ö.). Über der alten1 Welt lagert die Macht der αμαρτία und also Gottes verdammende ο ρ γ ή (Rom. 1,18; 3,19). Das Geschick der Gläubigen wird darum ein weltweiter Nach- und Mitvollzug des Christusschicksals, ein συσταυροΰσθαι (Rom. 6,6; Gal. 2,19). Über sie brechen die einst auf dem Christus liegenden πα3ήματα (2. Kor. 1,5ff. ; Phil. 3,10) herein, und an ihnen vollzieht sich aufs neue der tödliche Kampf wider den auferstandenen Kyrios (1. Thess. 1,6; 2. Kor. 4,10.17; 6,4). Aber da Gott als der Gott der Gerechtigkeit der totenerweckende Gott ist (Rom. 4,24! ; 8,11; 2. Kor. 1,9; Gal. 1,1 usw.), ja seine δικαιοσύνη ihr wesentliches Werk gerade als totenerweckende Gerechtigkeit ausrichtet, wird Jesu sich in Tod und Auferstehung vollziehendes Schicksal zum rettenden Urbild der Zukunft aller zu Gott sich wendenden Geschöpfe (1. Kor. 6,14; 2. Kor. 4,14; Rom. 10,9f. und r. Kor. 15). Gerade 1. Kor. 15 aber zeigt mit seiner zunächst seltsam anmutenden unpersönlichen Redeweise V. 13.16f.20ff., daß es bei der Auferweckung von den Toten für Paulus nicht zuerst um das Heil des Einzelnen, sondern um die in der Erweckung der Toten sich bestätigende Herrschaft Gottes geht: V. 23ft. Weil dem Schaffen des gerechten Schöpfers nach Paulus allein eine neue, seiner Herrschaft untertane Welt entspricht, deshalb und nur deshalb liegt Paulus alles daran, daß die Auferstehung von den Toten eine neue Leiblichkeit impliziert (Rom. 8,11; 1. Kor. 15,38; 2. Kor. 4,10; Phil. 3,21 usw.). Nur im Leibe ist ja ein vollkommener Gehorsam möglich (1. Kor. 13,13; 6,13b.20). Die gesamte paulinische Eschatologie ist also nichts anderes als der Vollzug der δικαιοσύνη 3εοϋ, die rettende und herrscherliche Manifestation des seiner Schöpfung die Treue haltenden und darin auf sein Recht bedachten Gottes. Weil Paulus seine Eschatologie so ausschließlich von der Gerechtigkeit Gottes her denkt, gelingt ihm nun auch - soweit das die uns überlieferten echten Paulinen erkennen lassen - eine heute vielleicht bescheiden anmutende, zu seiner Zeit jedoch eminent kritische Reduktion, oder besser: Neuinterpretation aller apokalyptischen Heilsentwürfe 1 : Paulus ist frei von allen geschichtlichen und kultgesetzlichen Spekulationen (vgl. ζ. B. die Jubiläen!). Ebensowenig entwirft er ein den Milhamoth oder dem 4. Esra oder 1 Darauf macht auch W . SCHRÄGE aufmerksam in seiner Antrittsvorlesung: „Die Stellung zur Welt bei Paulus, Epiktet und in der Apokalyptik" Z T h K 61 (1964) S. 125154, bes. S . 136Í. 146.

2o6

Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

auch der Johannesoffenbarung entsprechendes, detailliertes Bild des eschatologischen Endkampfes. Über den Zustand der neuen Welt äußert er sich lakonisch nur in dem Satz, er hoffe auf ein Sein bei Christus (Phil. 1,23). Seinen eigenen Standort angesichts des Kommens Gottes versucht er nie zeitlich zu berechnen. Paulus geht es, trotz seiner Naherwartung und seiner enthusiastischen, apokalyptisch motivierten Missionsfahrt in die Mittelmeerwelt, in seiner Eschatologie nur noch darum, daß Gott zu seiner Zeit zu seinem Recht komme 1 . Dem Recht Gottes aber, seiner Schöpfertreue, entspricht nur eine neue Welt, δικαιοσύνη Seoö wird so zur kritischen Abbreviatur und zugleich Zusammenfassung der paulinischen Eschatologie. Die paulinische Anthropologie ist die Tiefendimension und Konsequenz dieser Eschatologie. Der Überlagerung der beiden Äonen entspricht die Existenzdialektik von Schon und Noch nicht, das Sein in zwei Zeiten. Die Gerechtigkeit Gottes offenbart sich also in letzter Konsequenz darin, daß der Mensch ein geschichtliches, also von Gottes Schöpfung ergriffenes und in die gottgestiftete Zeit hineingestelltes Wesen ist2. 1

In diesem Sinne versteht sich Paulus als den „Vorläufer des Weltendes" (KÄSE-

MANN, F r ü h k a t h o l i z i s m u s , S . 80). 1 R. BULTMANNS Darstellung der paulinischen Eschatologie in „Geschichte und Eschatologie" (S. 44-64; vgl. auch den Aufsatz „Geschichte und Eschatologie im Neuen Testament", Glaub, u. Verst. III, S. 91-106) gipfelt in dem Satz: „Paulus hat das Geschichtsbild der Apokalyptik von seiner Anthropologie her interpretiert" (S. 47). Historisch glauben wir genau umgekehrt formulieren zu müssen: Paulus geht von seiner radikalen Fassung der Gerechtigkeit Gottes her die apokalyptische Eschatologie kritisch reduzierend durch und vertieft seine neue Sicht durch eine erst von ihm so gewonnene theologische Anthropologie. Die Anthropologie soll also die Schöpfergewalt der δικαιοσύνη Seoö eindeutig darlegen. Sie ist Konsequenz und Tiefendimension, aber nicht das treibende Motiv der paulinischen Theologie. Paulus kann die Apokalyptik auch gar nicht von der Anthropologie her interpretieren, weil seine Anthropologie selbst exhomologisch gedacht und damit apokalyptisch akzentuiert ist (vgl. E. KÄSEMANN, Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik, ZTI1K59 (1962) S. 27¿f.).Dies zeigt der Übergang von Rom. 7 zu Röm. 8 (gerade wenn man mit BULTMANN, Glossen im Römerbrief, T h L Z 72, 1947, Sp. I98f.; Röm. 7,25b für redaktionell hält), vgl. ferner Röm. 1 2 , i f f . ; i . K o r . 6,20; 2.Kor. 4,10; Phil. 1,20. Obwohl der religionsgeschichtliche Ursprung der paulinischen Anthropologie nicht allein im Judentum liegen wird, hat sie doch von der Exhomologese her entscheidende Impulse erfahren. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich als hermeneutische Konsequenz, daß Paulus von seiner Lehre einer weltweiten Geschichte und nicht von seiner Anthropologie her verstanden werden muß. - Der Artikel: Eschatologie im Urchristentum von H. CONZELMANN (RGG 3 II 665-672) zeigt, wie sich die BuLTMANNSche Systematik mit einem neu zum Zuge kommenden historischen Erkennen stößt. Mit BULTMANN sieht CONZELMANN in Christus „das Ende des Gesetzes (Röm. 10,4), damit der Geschichte' ' (669) - ein für Paulus gerade um der Treue des Schöpfergottes willen unvollziehbarer Gedanke. Einen existentialen Geschichtsbegriff, der den CoNZELMANNschen Satz sinnvoll macht, kennt Paulus nicht. CONZELMANN gesteht dies indirekt selber zu, wenn er betont, daß auf Grund des eschatologischenVorbehalts bei Paulus keineswegs „die Verkündigung derVersöhnung (2. Kor. 5,i8f.) durch das Bild des versöhnten Menschen ersetzt wird", ja daß Paulus „den Bezug auf ein zeitlich noch ausstehendes Ereignis, die Parusie mit Totenauferstehung und Gericht, nicht nur festhält, sondern sogar ausarbeitet" (670). - W . KRECK versucht in seinen Vorlesungen über „Die Zukunft des Gekommenen", München 1961, nach einer sehr eindrucksvollen Kritik der Haupttypen der bisherigen Interpretationsentwürfe (zu BULTMANN vgl. S. soff.), zu einem Neuentwurf der Eschatologie vor-

Die paulinische Christologie

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II. Die paulinische Christologie Paulus hat das Verständnis seiner Christologie durch eine erweiternde Interpretation einer ihm vorgegebenen Tradition gewonnen. Auf diese sind wir schon Rom. 3,24t. gestoßen. Paulus selbst hat diese Tradition in 2. Kor. 5,21 übernommen (und auf das Problem der Freiheit vom Gesetz zugespitzt) : Christus ist das von Gott dargebrachte Opfer, das die erneute Zuwendung Gottes zu den Menschen ermöglichende Werkzeug Gottes. Daß diese Tradition alt ist, zeigt das (Jerusalemer?) Bekenntnis, welches Paulus 1. Kor. 15,3-5 zitiert1. Das υπέρ των άμαρτιών ήμών deutet hier den Tod ebenso, wie Rom. 3,24t. den Sinn des Todes Jesu sieht. Paulus hat das ΰιτέρ ημών/ υμών immer wieder in seine Briefe aufgenommen (2. Kor. 5,21; Gal. 3,13; 1,4 usw.). Das von Paulus Rom. 4,25 zitierte Bekenntnisfragment2 gehört in den gleichen Zusammenhang. Der Ton liegt auf der durch das Opfer des Christus heraufgeführten δικαίωσις. Ebenso wie 1. Kor. 15,3 t. wird auch hier Jes. 53 im Hintergrund stehen. Mit MICHEL Z. St. wird man auch damit zu rechnen haben, daß hier nicht ein- und derselbe Vorgang nur rhetorisch in zwei Etappen zerlegt wird, sondern daß präzis theologisch unterschieden wird: Der Tod des Christus war das stellvertretende Leiden, seine Auferweckung der rettende Aufgang der den Menschen sich neu zuwendenden Treue Gottes, also ihre δικαίωση. Rom. 4,25 zeigt, was Paulus dazu veranlaßt hat, die bisher genannten christologischen Formeln (bzw. deren selbständige Spiegelung) aufzunehmen: Die Sühnopfervorstellung fügt sich in das Walten der Gottesgerechtigkeit hervorragend ein. Die Passivität, in welcher der Christus hier erscheint, entspricht ganz dem paulinischen Gezudringen. Er gelangt aber nur bis zu einer Verifizierung der biblischen Eschatologie. Dies liegt an K R E C K S Verständnis des Evangeliums (und damit der Geschichte), aber auch daran, daß K R E C K nicht sieht, welche Hilfe Paulus durch seine Kritik an den apokalyptischen Geschichtsentwürfen für einen (auch den paulinischen apokalyptischen Enthusiasmus noch kritisierenden!) Neuentwurf der Eschatologie de facto bietet: Von Paulus her gesehen ist die Eschatologie allein die Verifizierung des Rechtes des Schöpfergottes an seiner Schöpfung. Das ergibt die entscheidende Handhabe gegenüber einer formalisierten Lehre de novissimis, wie sie bei A L T H A U S anklingt (Die letzten Dinge, Gütersloh 7. Aufl. 1957 - komprimiert im Artikel: Eschatologie RGG S II 680 bis 689). Denn es besagt hermeneutisch, daß in die Eschatologie nur noch (I) das gehört, was tatsächlich dem Zu-seinem-Rechte-Kommen Gottes dient und ein solches verifizieren hilft. - H. OTT, Eschatologie - Versuch eines dogmatischen Grundrisses, ThSt 53, Zollikon-Zürich 1958, sieht die Dinge ähnlich, geht für seinen Entwurf jedoch, wenn ich recht sehe, „johanneische" Wege, wenn er definiert: „Eschatologie (ist) nichts anderes als die theologische Entfaltung der Theophanie des auferstandenen Herrn" (S. 25)·

1 „Ihren Sitz im Leben haben diese Sätze, die als Hauptbestandteil ihrer Aussage etwa ein Summarium 'Er ist gestorben und auferstanden' enthalten, nicht in der Verfolgungssituation, wie zuweilen behauptet wird, sondern in der Lehre, die etwa bei der Taufe abgefragt und rezitiert wurde" ( K L . W E G E N A S T , Tradition, S. 51). 2 Vgl. B U L T M A N N , Theol.' S. 32, 49; E . L O H S E , Märtyrer und Gottesknecht, S. 133 Anm. 2 u.ö.; E . K Ä S E M A N N , Artikel: Liturgische Formeln im NT, R G G 3 II 995; K L . W E G E N A S T , Tradition, S. 8off.; M I C H E L , Komm. z. St.

2o8

Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

danken, daß Christus nur der Statthalter des Gotteswillens auf Erden ist. Stärksten Ausdruck findet diese subordinatianische Christologie in i. Kor. 15,28 f. Paulinisch eigenständig wird dieser Zug der paulinischen Christologie dort, wo die Sühnopfervorstellung kritisch auf das Problem des Gesetzes hin reflektiert wird: 2. Kor. 5,21 und Gal. 3,13f. Christus ist als Statthalter des Gottesrechtes das Ende der in Unfreiheit haltenden Mosestora und darin der Begründer neuer libertas Christiana1. Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit, Gottes Gerechtigkeit mit der Christologie zu verbinden. Paulus verknüpft auch mit Hilfe der uns schon bekannten (Tauf-)Tradition 1. Kor. 1,30 die δικαιοσύνη mit der εν ΧριστωFormel. Ehe wir die damit vollzogene Erweiterung der Tradition voll erfassen können, müssen wir noch einen Tatbestand ins Auge fassen : Paulus überhöht die ihm vorgegebene adoptianische Christologie (Rom. 1,3f. u. ö.) immer wieder dadurch, daß er von Christus als dem präexistenten Gottessohn spricht (Phil. 2,6ff.; Gal. 4,4; 2. Kor. 5,2of.; 1. Kor. 8,6). 1. Kor. 1,30 zeigt nun, daß das treibende Motiv dieser Überhöhung die δικαιοσύνη 3εο0 ist. Die paulinische Interpretation von Rom. 3,24t. ergab, daß Paulus unter Gottes Gerechtigkeit die Treue des Schöpfers zu seiner Kreatur versteht. 2. Kor. 5,21 zeigte, daß Christus die Verkörperung dieser Schöpfertreue ist. Ontologisch war diese Schöpfertreue stets als pneumatische Dynamis zu sehen. Gott schafft nach Paulus, wie es die Apokalyptik (vgl. Ape. Bar. 48,8) lehrt: Er ruft das Nichtseiende ins Sein (vgl. auch slav. Hen. 24), schafft also kraft des Wortes. Mit Hilfe stoischen Formelgutes spricht Rom. 11,36 von Gott, dem schaffenden Herrn, von dem her und durch den und zu dem hin das All besteht. Beide Arten, von Gottes Schöpfertum zu sprechen, finden sich nun 1. Kor. 1,28-30 vereint: V. 28 entspricht Rom. 4,17, V. 30a Rom. 11,36. Im Iv Χριστώ ΜησοΟ fließt beides noch einmal zusammen: Christus ist also auch hier die mächtige Verkörperung der heilschaffenden Schöpfertreue Gottes, δικαιοσύνη ist die Entsprechung der δικαιοσύνη 3εο0 und wird von Paulus ontologisch vom Geistbegriff her verstanden2. 1. Kor. 6,11 bestätigt dieses Verständnis expressis verbis, wenn hier parallel zueinander V g l . E . LOHSE, Märtyrer und Gottesknecht, S. 1 5 5 . NEUGEBAUER verkennt ein weiteres Mal den von der Schöpfung sprechenden Z u sammenhang und meint m i t folgender „Interpretation" auszukommen: „ D a s έξ α ύ τ ο ΰ bezeichnet G o t t als den Handelnden, das έν Χ ρ ι σ τ ώ Ί η σ ο ϋ meint wiederum das Heilsgeschehen, das die korinthische Gemeinde bestimmt". Deshalb möchte er paraphrasieren: „ V o n G o t t her seid ihr weise, gerechtfertigt, geheiligt und erlöst, und das alles bedeutet 'in Christo'" (In Christus, S. 100). Ganz ähnlich bestimmt E . F U C H S das paulinische έν Χ ρ ι σ τ ώ : „ G o t t kam zu uns in Christus. W a s heißt das? N i m m t m a n den Ausdruck ganz wörtlich, so besagt er: G o t t kam in keinem Anderen, weder in einem anderen Menschen, noch in einem anderen G o t t , auch an keinem anderen Ort, weder in der W e l t noch in einer Religion, noch irgendwo ferne von unserem Bewußtsein, nein, G o t t kam in diesem gekreuzigten Jesus und machte ihn, diesen Jesus, zum Ort seiner A n k u n f t bei u n s " (Das Christusverständnis bei Paulus und im Johannesevangelium, in: Jesus Christus. D a s Christus Verständnis im Wandel der Zeiten, Marburger Theol. Studien 1, Marburg 1 9 6 3 , S. 1 1 - 2 0 , S. 1 5 ) . 1

2

Die paulinische Christologie

209

έν τ co ονόματι του κυρίου ΊησοΟ Χρίστου und εν τ ώ πνεύματι του 3εοΰ ήμών stehen. 1. Kor. 8,6 endlich zeigt die neue paulinische Präexistenzchristologie in einer im Anschluß an stoische Paradosis formulierten, von Paulus vielleicht auch schon übernommenen Bekenntnisaussage1 : Christus ist der Schöpfungsmittler, man könnte auch sagen: Die Verkörperung der Gerechtigkeit Gottes als der weltschaffenden und welterhaltenden Macht. Paulus greift also deshalb auf die Präexistenzchristologie zurück, weil diese allein der Dimension der δικαιοσύνη 3εοΟ im paulinischen Sinne als Recht des Schöpfers entspricht. Nur von dieser Parallelität von Gerechtigkeit Gottes und Christologie her wird es verständlich, daß Paulus oft von Christus dieselben Aussagen wie von Gott macht und umgekehrt : Gott selbst rechtfertigt nach Rom. 4,5 die Gottlosen - nach Rom. 5,6 ff. ; Gal. 2,20 gibt sich Christus selbst in den Tod zur Rechtfertigung der Gottlosen. In der Taufe werden die Menschen Sklaven der Gerechtigkeit bzw. Gottes (Rom. 6,18.22) - das Christenleben ist ebenso Dienstbarkeit für den Christus (1. Kor. 7,21; Rom. 12,11; 16,18 und die paulinischen Briefeingänge). Gott und Christus erscheinen gleichermaßen als die zukünftigen Richter der Welt (2. Kor. 5,10; Rom. 14,10). Die Reihe läßt sich fortsetzen, und damit gelangen wir zugleich zu einem Ergebnis : Wir sahen bisher, daß Paulus sich an Hand seiner Konzeption von der weltweiten Gerechtigkeit Gottes die christologischen Traditionen erobert: sowohl die vom Sühnopfergedanken beherrschte, als auch die von der Präexistenz des Christus sprechende Tradition. Daß beide einem einzigen Gedanken untergeordnet werden, zeigt die erneute Entsprechung: Nach Rom. 4,25 sind Tod und Auferweckung Christi Gottes Werk und Manifestation seiner Gerechtigkeit, ebenso 2. Kor. 5,21 - Rom. 14,9 und Phil. 2,6-11 zeigen, daß Christi Tod und Auferstehung seine Herrscherwürde als des Kyrios begründen und die rettende Äonen wende heraufgeführt haben (Gal. 4,4). Christus ist für Paulus beides zugleich : Der präexistente Gottessohn, der Gottes Willen in seinem Weg vollstreckt und im Verlauf der ihm von Gott delegierten Weltherrschaft durchsetzt. Er ist aber auch das rettende Urbild für den auf die Auferstehung hoffenden, dem Tode in der militia dei preisgegebenen Teil der Menschheit, den Paulus die Gläubigen nennt. Beides ist deshalb eine Einheit, weil die Dimension der paulinischen Christologie genau analog der Dimension der Gottesgerechtigkeit gedacht ist: Die Herrschaft des Christus, der Präexistenzgedanke und die Konzeption vom Schöpfungsmittler entsprechen der Weltweite, dem Machtanspruch und der schöpferischen Gewalt des Gottesrechtes; die Sühnopferanschauung der soteriologischen Gültigkeit dieses Rechtes Gottes. Weil aber auch die Christologie nur im Dienste der Gottesgerechtigkeit steht, muß sie in der Apotheose des Vaters enden: I. Kor. 15,28 b. Zentralsatz der paulinischen Christologie wäre damit also, daß Gott durch Christus Recht setzt und dieses Recht auch an und mit 1

14

Vgl.

BULTMANN,

Theol. 3 S. 134, 473.

8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

210

Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

Christus durchsetzt 1 . Wenn es in der paulinischeïi Eschatologie tatsächlich (nur noch) darum geht, daß Gott zu seiner Zeit zu seinem Recht kommt, dann ist die paulinische Christologie der Realvollzug dieser Eschatologie, man kann auch sagen : deren Spezifikation.

III. Die paulinische Ekklesiologie Auch für den pauünischen Kirchenbegriff ist es kennzeichnend, daß Paulus sich in ihm einerseits seiner christlichen Tradition anschließt, ihm aber andererseits im Begriff des „Leibes Christi" einen eigenständigen, neuen Ausdruck verschafft. Die selteneren paulinischen Bezeichnungen für die Kirche: Volk Gottes (Rom. 9,25f.), Bau (1. Kor. 3,9), Tempel Gottes (1. Kor. 3,16) usw. ordnen sich alle den beiden Hauptbegriffen unter: ή εκκλησία του 3εοϋ und σώμα Χρίστου. a) Den Begriff εκκλησία τ ο υ ·9εοΟ übernimmt Paulus augenscheinlich aus seiner Tradition. Nach 1. Kor. 15,9; Gal. 1,13; Phil. 3,6; 1. Thess. 2,14 darf man darin vielleicht sogar die Selbstbezeichnung der Urgemeinde sehen. Fragt man nach dem Grund dieser Selbstprädikation, so stößt man auf die Frage nach dem eschatologischen Gottesrecht, εκκλησία τοϋ 3εοΰ ist die dem alttestamentlichen ΠΊΠ1 "?np entsprechende, vom apokalyptischen Judentum (und nicht der Septuaginta!) 2 der Urgemeinde überlieferte (tech1 W a s diese Sicht für die Frage nach dem historischen Jesus austrägt, versuchen wir in unserem Schlußabschnitt zu zeigen. 2 Septuaginta übersetzt den alttestamentlichen Begriff (zu diesem vgl. L . ROST, T h W b I I I 532 Anm. 90 = Beitrag zu K . L . SCHMIDTS Artikel über καλέω-έκκλησία a. a. O.) regelmäßig mit έκκλησία κυρίου. Derurchristlichen Kirchenbezeichnung aber entspricht genau nur der jetzt in 1 QM 4,10 und 1 QSa i,25em aufgetauchte term. *?np Also scheint das apokalyptische Spätjudentum der eigentliche Tradent des Begriffes zu sein (vgl. K . STENDAHL, Artikel: Kirche im Urchristentum, R G G 3 I I I 1299). Wir kommen mit dieser These teilweise in Gegensatz zu W . SCHRÄGE, der in seinem Aufsatz „Ekklesia und Synagoge" (ZThK 60, 1963, S. 178-202) die These entwickelt hat, daß die Selbstbezeichnung der jungen christlichen Gemeinden mit έκκλησία (statt σ υ ν α γ ω γ ή ) „nicht durch einen bewußten Rückgriff auf d i e L X X veranlaßt (ist) ... Und das heißt weiter : die Wahl von έκκλησία ist primär nicht durch das Bewußtsein bestimmt, daß sich die Urkirche in heilsgeschichtlicher Kontinuität zu Israel und damit als legitime Nachfolgerin des alttestamentlichen Bundesvolkes verstand" (S. 188). Auch der Hinweis auf die Qumrantexte führt nach SCHRÄGE nicht weiter, da diese gängigerweise von HIB ( = σ υ ν α γ ω γ ή ) sprechen und ^X ^Hp nur ein einziges Mal in ι QM 4,10 vorkommt (1 QSa i,25em erwähnt SCHRÄGE nicht). „ D e r Sprachgebrauch Qumrans könnte also allenfalls verständlich machen, warum die urchristliche Gemeinde sich nicht έκκλησία κυρίου bzw. (bis auf Röm. 16,16) Χρίστου nannte, sondern έκκλησία ·$εοΰ" (S. 194). Für den Grund der Wahl von έκκλησία aber statt σ υ ν α γ ω γ ή besagen die Texte und die Apokalyptik, die έκκλησία nicht kennt, nichts. Vielmehr ist der Begriff έκκλησία nach SCHRÄGES Sicht erst im Stephanuskreis, also im Bereich des frühen, hellenistischen Judenchristentums, gewählt worden, und zwar in bewußter Antithese gegen den vom Gesetz her gedachten Begriff σ υ ν α γ ω γ ή . SCHRÄGE resümiert: „ D i e in Kreisen des hellenistischen Judenchristentums getroffene Entscheidung gegen σ υ ν α γ ω γ ή und für έκκλησία war in vorzüglicher Weise geeignet, sowohl das nomistische als auch

Die paulinische Ekklesiologie

211

nische?) Bezeichnung für das (Rechts-) Aufgebot Gottes. Der Begriff entsprach damit genau dem Selbstverständnis der sich unter dem Zwölferkreis, also apokalyptisch, formierenden Urgemeinde von Jerusalem1. Daß Paulus selbst den Rechtscharakter der Urgemeinde von Jerusalem anerkennt, beweisen das Apostelkonzil und die von ihm peinlich genau eingetriebene Liebessteuer für Jerusalem (Rom. 15,31; 1. Kor. 16,1 ff. usw.). Paulus selbst hält die Kirche ja auch für ein Gebilde heiligen Rechtes: In ihr gibt es Ämter (1. Kor. 12,28; c. 14; 2. Kor. 8,23; Phil. 1,1 usw.), einen normativen Brauch (1. Kor. 11,6), Glaube und Gottesdienst, Gehorsamsvollzug und Kirchenzucht betreffende Anordnungen des Paulus (1. Kor. 4,17; 6,1 ff. c. 14; 16,1), ja sogar bereits einen Ausschluß aus der irdischen Gemeindeversammlung (1. Kor. 5,iff.). Der Rechtscharakter der εκκλησία τ ο ϋ 3εοΰ im Sinne des Paulus zeigt sich schließlich auch am paulinischen Sakramentsverständnis : Die Taufe ist, wie der Begriff υιοθεσία erweist, rechtskräftige Adoption des Täuflings durch Gott, also Gottes leibhaftige Rechtsnahme am Einzelnen; die Eucharistie ist ein vom Bundesschluß her gedachtes und damit ebenso rechtlich verbindliches Ereignis : die leibhaftige Rechtsversichedas vereinsmäßige Mißverständnis der Kirche zu vermeiden und deutlich werden zu lassen, daß die christliche Gemeinde weder mit einer jüdischen Sekte noch mit einem heidnischen Kultverein in eine Linie gerückt werden d a r f " (S. 220). Man wird aus diesem Satze SCHRÄGES (und der Parallelformulierung in SCHRÄGES Artikel ΣΥΝΑΓΩΓΉ T h W b V I I , S. 828,14FT.) schließen dürfen, daß der Stephanuskreis sich auch von der als Selbstbezeichnung σ υ ν α γ ω γ ή führenden christlichen Urgemeinde abzusetzen bem ü h t ist. - So sehr wir mit SCHRÄGE darin einig sind, daß die Septuaginta nicht Ursprung des Begriffes έκκλησία (Seoü) ist, ferner auch darin, daß 7X "?np das eigentliche Äquivalent zu έκκλησία -Seoö darstellt, haben wir gegen seine Sicht einzuwenden: a) έκκλησία (τοϋ) 3εοϋ scheint ein zusammengehöriger term, techn. zu sein, der nicht v o m einfachen Begriff έκκλησία her bestimmt werden sollte, b) Die Rolle der Gesetzesproblematik scheint uns für die Urkirche bei SCHRÄGE überschätzt zu werden (vgl. KÄSEMANN, Urchrist. Apokalyptik, S. 266). c) Die These, Paulus habe die urchristliche Gemeinde wegen ihrer Gesetzespolemik verfolgt und bezeichne sie deshalb mit den Hellenisten noch 1. Kor. 15,9; Gal. 1,13 (und Phil. 3,6) als έκκλησία (SeoO), ist auf den ersten Blick bestechend. Sie erklärt aber k a u m die stereotype Redeweise an den genannten drei Stellen (die nur dem Eingeweihten als polemisch erkenntlich sein konnte !) und vor allem nicht die Bezeichnung der alten judäischen Gemeinden m i t έκκλησίαι τοϋ âeoO i . T h e s s . 2,14 (zum Verhältnis von Singular und Plural vgl. BULTMANN, Theol." S. 96 und als Sachparallele das Verhältnis von essenischer Stammesgemeinde und Tochtergemeinden, die gemeinsam das eschatologische Bundesvolk darstellen), έκκλησία (ΤΟΥ) SeoO scheint also doch eine alte Bezeichnung der Urkirche gewesen zu sein. W e n n dem aber so ist, dann wird man d) dem heilsgeschichtlichen, dem apokalyptischen und dem rechtlichen Moment im urchristlichen Kirchendenken ein größeres Gewicht zumessen müssen und von daher in der oben dargelegten W e i s e den Ursprung der Selbstbezeichnung der Urkirche mit έκκλησία (του) SsoO zu erklären versuchen. E s ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht unberechtigt, darauf hinzuweisen, daß 1 QM 4,10 (und 1 Q S a i,25em) aus auch noch für den Qumranjahad in die Z u k u n f t weisenden T e x t e n stammen und daß die Bezeichnung der Kirche mit έκκλησία in der Johannesoffenbarung und bei Matthäus schwer verständlich wäre, wenn dem Begriff von H a u s aus ein polemischer Zug gegen die Mosestora anhaften sollte. 1 Vgl. BULTMANN, Theol. 3 S. 39ff.; KÄSEMANN, A m t u. Gemeinde im N T , E x . Vers. I S. 132 und Anfänge christ. Theol., S. 1 7 1 .

u*

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Gerechtigkeit Gottes in der paulmischen Theologie

rung Gottes an sein Gottesvolk1. Fragt man nun, an welchem Recht sich das Recht dieser έκκλησία nach der Meinung des Paulus orientiert, so wird man ohne Zweifel antworten müssen : an der δικαιοσύνη SeoO2 ! 2. Kor. 5,21 bestätigt dies und führt zugleich weiter. Zur Interpretation des Kirchengedankens zieht Paulus hier ja erstaunlicherweise nicht εκκλησία του 3εο0, sondern den σώμα Χριστοϋ-Begriff heran! b) Was besagt der Begriff σώμα Χρίστου? Das Stellenmaterial ist verhältnismäßig spärlich. Deutlich erkennbar ist zunächst, daß Paulus vom Leibe Christi im Rahmen vorgeprägter Abendmahlssprache redet. Rein traditionell sind ι. Kor. 11,24.27.30 und 10,16. Dieses letzte Stelle aber wird von Paulus in 1. Kor. 10,17 so selbstverständlich und umfassend interpretiert, daß man nicht mehr einfach von einer Ausweitung traditioneller Abendmahlssprache reden kann. Eine weitere, eventuell auf der Abendmahlssprache fußende, diese aber auf die Taufe in der eben erkannten Weise umdenkende Interpretation findet sich auch in Rom. 7,4 (vgl. Gal. 2,19f.). Wie Rom. 7,6 zeigt, rückt hier der Pneumabegriff in unmittelbare Nachbarschaft zum Leib-Christi-Gedanken. In 1. Kor. 6,15-17 werden dieser Leib und der Geist sogar identifiziert. Das läßt für 1. Kor. 6,15-17 auf eine soteriologische Vorgegebenheit des Leib-Christi-Gedankens schließen. Die an und für sich paränetischen Zusammenhänge von Rom. 12,4 und 1. Kor. 12,12 f. bestätigen das. Von 1. Kor. I 2 , i 2 f . aus schließen sich nun an die Leib-Christi-Vorstellung notwendig die Taufstellen Rom. 6,3 ; Gal. 3,27 und von Gal. 3,27 die Vorstellung vom Leibe Christi als einem anzulegenden Gewand an (vgl. nur Rom. 13,14 u.a.). Rein paränetisch bestimmt ist also nur die eine Stelle ι. Kor. 12,27. Eines ist noch hinzuzufügen. Wenn, wie Rom. 6,3 und Gal. 3,27 zeigen, die Leib-Vorstellung nicht nur ein „Bild", sondern eine den Menschen umhüllende Realität darstellt, dann hegt es nahe, mit der Vorstellung vom Leib des Christus die von Christus als dem ανδρωττος zu verbinden (Rom. 5,15 und 1. Kor. 15,21 ff.)3. - Fassen wir diese Materialüber1 Vgl. KÄSEMANN, Anliegen und Eigenart der paulinischen Abendmahlslehre, E x . Vers. I, S. 26 und die in allen neutestamentlichen Abendmahlsformularen verwendete (Rechts-)Kategorie des Bundes. 2 E s ist m . E . eine schöne religionsgeschichtliche Bestätigung dieser Interpretation, daß in den Milhamoth von Qumran die Belege für „Gerechtigkeit Gottes" und „Aufgebot Gottes" unmittelbar zusammenstehen, also zusammengehören. Beide sind eschatologische Standartenaufschriften, mit denen das Gottesaufgebot in den letzten Heiligen Krieg zieht: ι QM 4,6.10 (Haben sich die frühchristlichen Gemeinden etwa auch als solche(s) Aufgebot(e) verstanden?). 3 Daß Paulus in Christus tatsächlich in der Antithese zu Adam den himmlischen Anthropos (und damit den zweiten Adam) gesehen hat, bestätigt jetzt die Heidelberger Dissertation von E . BRANDENBURGER, Adam und Christus. Exegetisch-Religionsgeschichtliche Untersuchung zu Röm. 5 , 1 2 - 2 1 (1. Kor. 15), W M A N T 7, Neukirchen 1962. Weiterführend ist vor allem der Versuch BRANDENBURGERS, die bei Paulus auf Christus übertragene Urmenschvorstellung nicht mehr direkt aus dem gnostischen Mythos vom erlösten Erlöser, sondern aus den schon im Judentum aus einer Durchdringung von Adam-Spekulation und gnostischer Urmenschidee hervorgegangenen Adam-Urmensch-Vorstellungen herzuleiten (a.a.O. S. 1 5 1 - 1 5 3 ) . Damit würde sowohl

D i e paulinische Ekklesiologie

213

sieht zusammen, so ergibt sich : Paulus spricht von einem Leibe Christi, der konstituiert wird durch das πνεύμα und daher die Sakramente, besonders das Taufsakrament, der also die rettende Annahme durch Gott erst ermöglicht und zugleich manifestiert. Dieses soteriologische Phänomen eines Christusleibes wird von Paulus augenscheinlich für seine, den stoischen Organismusgedanken verwertenden Paränesen in Rom. 12 und 1. Kor. 12 vorausgesetzt und ist seinerseits verknüpft mit der Vorstellung von Christus als dem neuen, kosmischen Schicksalsträger, welcher dem Schicksalsträger Adam antitypisch gegenübergestellt werden kann. Paulus selbst bringt keine ausdrückliche Erklärung dieses Leib-Christi-Gedankens. Der Gedanke gehört vielmehr zu seinen theologischen Voraussetzungen. Das spricht dafür, daß Paulus die Leib-Christi-Vorstellung nicht erst selbst gebildet 1 , sondern bereits vorgeprägt übernommen hat. Die dem Paulus überkommene Abendmahlssprache fügt sich seiner Vorstellung vom Leibe Christi nur ein, ist aber keinesfalls ihr eigentlicher Ursprung4. Deutlich ist aber jedenfalls der Sinn des Begriffes bei Paulus : Er ist, wie das έν αύτω 2. Kor. 5,21 zeigt und das εν Χριστώ ΊησοΟ ι . Kor. 1,30 bestätigt, das genuin paulinische Interpretament für eine Kirche, die zur Manifestation der δικαιοσύνη 5εο0 wird, also Gottes neue Welt manifestiert. - Erkennt man dies (und vom Iv Χριστώ her sind nun noch Rom. 3,24 und Gal. 2,17 heranzuziehen), so ist all jenen Exegeten zu widersprechen, welche um der Kontinuität der Heilsgeschichte willen Paulus in seinem Kirchendenken primär vom Gottesvolkgedanken her verstehen und damit zugleich sagen wollen, der Leib-Christi-Begriff sei nur eine Spezialversion des Gottesvolkgedankens 3 . Das Bild, das Paulus von der Heilsgeschichte hat, ist ja keineswegs einheitlich. Neben der synthetischen Abraham-Christus-Typologie steht die antithetische Entsprechung von Moses und Christus, und diese wird wieder, dem Zwei-ÄonenDenken entsprechend, überhöht von der antithetischen Adam-ChristusTypologie. Gerade die Adam-Christus-Typologie zeigt, wie bei Paulus die die alte Schwierigkeit, die sich aus der Spätdatierung der gnostischen Quellen ergibt, behoben und zugleich erklärt, warum Paulus Christus in der Antithese zu A d a m z u m Anthropos werden läßt. D a ß BRANDENBURGER damit auf der richtigen Spur ist, zeigt der v o n ihm nicht ausgesprochene, v o n uns oben S. 96 angedeutete Gedanke, daß Christus deshalb m i t R e c h t als zweiter A d a m bezeichnet werden kann, weil sich m i t ihm f ü r die G e t a u f t e n das adamitische Verhältnis zum Gotteswillen wiederholt. W i e A d a m einst (vor dem Fall) v o m Gotteswillen schützend begleitet wurde, werden es nun wieder die âv Χ ρ ι σ τ ώ = als Christi L e i b Versammelten v o n Gottes Willen in Gestalt des νόμοί Χ ρ ι σ τ ο ύ . 1 So E . SCHWEIZER, D i e Kirche als L e i b Christi in den paulinischen Homologumena, T h L Z 86 (1961) 172 und viele andere. A u f katholischer Seite gegenwärtig R . SCHNACKENBURG, D i e Kirche im Neuen Testament, Quaestiones Disputatae 14, Freiburg 1961, S. 146ft. 2 D i e Ursprünge des paulinischen Leib-Christi-Begriffes liegen trotz E . SCHWEIZER, a . a . O . S. 1 6 1 - 1 7 4 , 2 4 1 - 2 5 6 und NEUGEBAUERS Dissertation also noch in Dunkeln. 3 So z . B . Ν . A . DAHL, D a s V o l k Gottes, S N V A O I I hist, filos. K l . 1941, 2, Oslo 1941, S. 226; A . OEPKE, D a s neue Gottesvolk, Gütersloh 1950, S. 224 u. ö.; K . STENDAHL, A r t . Kirche R G G 3 I I I i 3 o o f . ; SCHWEIZER, a . a . O . S. 1 6 1 - 1 7 4 U N D FR. NEUGEBAUER, a . a . O . passim.

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Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

alte Dimension der jüdischen undauchnochjudenchristlichenHeilsgeschichte gesprengt und - unter Beibehaltung ihrer teleologischen Ausrichtung auf Gottes endgültige Herrschaft - durch eine neue, kosmische Dimension ersetzt wird. Bereits die Christologie des Paulus hat bewiesen, daß Paulus, weil er von der δικαιοσύνη SeoO in seinem Sinne her denkt, die Begriffe seiner christlichen Tradition sprengt und sich neue, den kosmischen Horizont der Gottesgerechtigkeit ausdrückende Interpretamente schafft. Ebenso liegt der Fall nun bei der Ekklesiologie des Apostels. Paulus hält zwar an dem traditionellen Begriff der εκκλησία TOÖ SeoO fest, interpretiert diesen aber vom Leib-Christi-Gedanken her, weil er diesen als das klarere, weil weltweite Interpretament der Schöpfertreue Gottes = δικαιοσύνη Seoö empfindet. Damit läßt sich aber nun auch die eben aufgezeigte systematische Linie weiter verlängern: Die paulinische Eschatologie kreist um den Gedanken des Zu-seinem-Rechte-Kommens Gottes. Die paulinische Christologie spezifizierte dies dahingehend, daß Gott durch Christus, an Christus und in Christus zu seinem Recht gelange. Nun fügt sich auch die paulinische Ekklesiologie dieser Sicht ein, indem sie sich als eine Funktion eben dieser Christologie erweist und damit von der paulinischen Eschatologie nicht getrennt werden kann: die Kirche ist das Aufgebot Christi und damit in gewissem Sinne die Antezipation der von Gottes δικαιοσύνη gemeinten, kommenden, neuen, gehorsamen Welt1. Wenn Paulus aber sowohl die Anschauung von heilsgeschichtlicher Kontinuität variiert und die Kirche konstitutiv nur von der δικαιοσύνη SeoO her bestimmt sein läßt, dann mußte er in Konflikt geraten mit Jerusalem. Wie Gal. ι und 2 zeigen, ist dies auch geschehen. Paulus streitet der Urgemeinde das Recht ab, institutionell Gottes Recht zu verkörpern, und bestreitet den Jerusalemern folgerichtig daher jede Verfügungsgewalt über seinen Apostolat. Daß Gottes Recht die Kontinuität und Dimension der Heilsgeschichte begründet, steht für Paulus außer Zweifel. Aber diese Kontinuität ist für Paulus nicht irdisch-vorfindlich an einem kirchlichen Rechtsinstitut ablesbar2. Sie ruht vielmehr in Gott allein und wird nur dem verpflichtend offenbar, der sich im Gehorsam des Glaubens dem Schöpfer beugt. Zum Ausdruck dessen prägt Paulus nun selbst den εκκλησία του Sεoö-Begriff um. Neben ihn tritt 1. Thess. 2,14 das bekannte έν Χριστώ Ίησοϋ, und statt des so entstehenden monströsen Begriffes sagt Paulus abgekürzt: εκκλησία τοΟ Χρίστου (Rom. 16,16), ein Ausdruck, in dem alle genannten Aspekte der paulinischen Ekklesiologie zusammenfinden. Der Vorgang als ganzer 1 Nur in diesem Sinne vermag ich den Satz von E . FUCHS ZU akzeptieren: „Der Leib Christi steht im Zentrum des paulinischen Glaubens" (Christusverständnis S. 15). Beim Gedanken vom Leibe (Christi) steht ja bei Paulus nicht der Gedanke der „ W o h n u n g " oder des „ Z u Hause" im Vordergrund (FUCHS, a.a.O.), sondern der Gedanke der Dienstbarkeit (vgl. E . KÄSEMANN, Urchristl. Apokalyptik, S. 282 und zum Gesamtproblem Frühkatholizismus im N T , S. 83 !). 2 Vgl. KÄSEMANN, A m t und Gemeinde, E x . Vers. I S. 124ft.

Die paulinische Ekklesiologie

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wird nur dann verständlich, wenn δικαιοσύνη 3εοΰ die theologische Mitte auch des paulinischen Kirchengedankens ist 1 . c) Man kann das paulinische Kirchendenken, das von seinem Interesse an der Gerechtigkeit Gottes her gedacht und folglich als Funktion einer eschatologischen Christologie gedacht ist, in folgenden Punkten zusammenfassen : ι . Die Kirche ist der Bereich der Herrschaft Christi, Machtbereich des Pneuma. Damit verbinden sich unlöslich alle weiteren Aspekte. Nämlich: 2. Die Kirche trägt kosmische Dimensionen. Nicht umsonst werden ja Christus und Adam gegenübergestellt, nicht aber Christus und einer der Stammväter Israels konfrontiert. 3. Die Kirche ist die neue Schöpfung. 1 Die Auseinandersetzung mit dem römisch-katholischen Kirchenbegriff macht zwar verständlich, entschuldigt aber nicht, daß dieser Rechtscharakter des paulinischen Kirchenbegriffes in der exegetischen und systematischen Literatur nur selten beachtet und gesehen worden ist. Der von K . HOLL in seinem berühmten Aufsatz: „ D e r Kirchenbegriff des Paulus in seinem Verhältnis zu dem der Urgemeinde" (Ges. Aufs. II, S. 44-67, bes. 54ft.) eingeleitete Durchbruch E. KÄSEMANNS zu „Sätzen Heiligen Rechtes im Neuen Testament" (NTS ι, 1954/55, S. 248-260, weitergeführt durch die Studie über „ D i e Anfänge christlicher Theologie" (ZThK 57, i960, S. 162-185) ist noch immer nicht theologisch ausgewertet worden. Auch D. STOODTS Dissertation „Wort und Recht. Rudolf Sohm und das theologische Problem des Kirchenrechts" ( F G L P 10. Reihe, Bd. 23, München 1962) führt in diesem Punkt noch nicht weiter. Besonders fühlbar wird dies in R. BULTMANNS Theologie des Neuen Testaments 3 . Bei der Darstellung des paulinischen Kirchenbegriffes selbst wird die Rechtsfrage nicht berührt. Bei der thematischen Behandlung der Kirchenrechtsfrage aber (S. 446ff.) wird die Problematik so entwickelt, daß der paulinische Tatbestand ihr kaum eingefügt werden kann. Nach BULTMANN ist die Frage nur die, ob ein - auch von ihm in der Urgemeinde angenommenes - Kirchenrecht in der Kirche „regulierende" und damit legitime Funktion ausfüllt, oder ob es usurpatorisch zu einem die Kirche „konstituierenden" Recht wird. Von Paulus her kann man BULTMANN nur dann zustimmen, wenn man es als Grundfrage des Kirchen-Rechts bezeichnet, ob es dem die Kirche konstituierenden Go/tes-Recht Raum gewährt oder es verdrängt. Das Gottesrecht ist für Paulus die δικαιοσύνη θεού. - Η. DIEM hat dies gesehen. Im dritten Band seiner Theologie widmet er einen Abschnitt der Frage des Kirchenrechts (Die Kirche und ihre Praxis, S. 3i5ff.). Mit E. KÄSEMANN und K . BARTH faßt DIEM δικαιοσύνη Ssoü bei Paulus als „ R e c h t Gottes" auf. Dieses Recht Gottes wird in der Verkündigung proklamiert: „ D i e Verkündigung ist somit der theologische Ort für die Begründung allen Rechtes und aller Ordnung in der Kirche" (S. 317). Weil es in der protestantischen Kirche nur dies eine Gottesrecht geben kann, schlägt DIEM vor, um Mißverständnisse zu vermeiden, nur noch von „Ordnung der Kirche" zu sprechen und den Begriff „Kirchenrecht" überhaupt zu meiden (S. 334Í.). Diese Ordnung der Kirche aber „kann . . . nichts anderes sein als Antwort auf die gehörte Verkündigung und Bekenntnis zu dem von ihr proklamierten Recht Gottes" (S. 333, Hervorhebung bei DIEM). - Auch G. EBELING sieht in der Kirche eine von Gottes Recht bestimmte Gemeinschaft, wenn er sie als „Aufgebot des Glaubens" bzw. „Aufgebot Gottes" definiert (Das Wesen des christlichen Glaubens, Tübingen 1959, S. I79ff., 185). EBELING hat diese Definition jetzt in „Leitsätzen zur Ekklesiologie" (Theologie und Verkündigung, S. 93-103) präzisiert und zu dem Satz verdichtet: „ D a s Recht der Kirche besteht in der Bezeugung des Rechtes Jesu" (S. 97), womit zugleich gemeint ist, daß „die Erscheinung Jesu selbst verstehbar sein (muß) als implizite Ekklesiologie" (S. 96). Von Paulus her gesehen, sind diese Sätze nur dann haltbar, wenn es sich erweisen ließe, daß Jesu Recht tatsächlich Gottes Recht = δικαιοσύνη δεοϋ genannt werden kann. Unser Schlußabschnitt versucht zu zeigen, in welchem Sinne dies in der T a t der Fall ist, allerdings unter dem Vorbehalt, daß Gerechtigkeit Gottes gerade als „vollmächtiges Wortgeschehen" (EBELING) nur deshalb die Kirche konstituiert, weil dies Geschehen aus der Zukunft in die Gegenwart vorläuft und darum Gottes neue Welt verbürgt.

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Denn Christus ist für Paulus nach i . Kor. 8,5 ff. Mittler der neuen Schöpfung, und die Christen werden in Form einer rechtlichen Adoption zu neuen Geschöpfen (2. Kor. 5,17; Gal. 6,15; 4,5). 4. Die Kirche als Herrschaftsbereich des Christus ist durchwaltet von δικαιοσύνη SsoO, von Gottes Recht an und über seiner Schöpfung. Dieses Recht bestimmt die Gemeinde, und zugleich hat die Gemeinde den Auftrag, die δικαιοσύνη 3εο0 der Welt gegenüber zu repräsentieren (2. Kor. 5,21 ; 1. Kor. 6,iff. ; 5,iff.). Dem Kyrios selbst gebührt die feierliche Rechtsverpflichtung der Homologie (Rom. 10,9). Der noch nicht befriedeten Welt gebührt der ordnende, werbende, leibliche Gehorsam (Rom. 12,1 ff.). 5. Die Kirche ist als der Bereich des neuschaffenden Gottesrechtes zugleich der Bereich, in dem Gottes Erscheinen als Wort des Evangeliums und als Wort der Predigt wahre Epiphanie ist und den Glauben begründet (Rom. 1,17; 10,19ff.). 6. Die Kirche ist als Leib des Christus und als neue Welt schlechthin allem einzelnen Sein der Christen vor- und übergeordnet. Man kann nur kraft des Rufes Gottes und kraft der Taufe in die Kirche eingegliedert werden; die Schar der Gläubigen konstituiert aber nicht erst den Christusleib. Daß es bei dieser Sicht der Kirche nicht geblieben ist, beweist bereits der Epheserbrief. An der von der gnostischen Syzygie-Vorstellung beeinflußten Stelle Eph. 5,25 zeigt sich, wie die bei Paulus auf den Einzelnen zielenden Aussagen von der Rechtfertigung auf die Kirche übertragen werden. Nunmehr wird also die Kirche zum Raum der Bewährung und (Selbst-) Rechtfertigung der Getauften. Eben dies zeigt sich am Gebrauch von δικαιοσύνη im Epheserbrief ebenso wie an seiner Verwertung der Taufliturgie Eph. 2,4-10. Eph. 4,24 denkt bei dem in der Taufe begründeten neuen Wandel an die Heiligkeit vor Gott und die Rechtschafienheit den Menschen gegenüber, δικαιοσύνη ist hier also gegenüber Paulus erneut ethisiert. 5,9 bietet das gleiche Bild, auch hier meint δικαιοσύνη die Rechtschaffenheit des Verhaltens. 6,14 erscheint der θώραξ της δικαιοσύνη; als der von Gott zur Bewährung des Kämpfers bereitete und von diesem anzulegende Brustpanzer. Daß Gott die Bewährung wünscht und ermöglicht, ist immerhin festgehalten. In der Taufliturgie 2,4-10 wird innerhalb der Deuteropaulinen das sola gratia am eindrücklichsten entfaltet. Stilistisch sind die beiden entscheidendenTeilverse: χάριτί έστε σεσωσμέυοι (V. 5) und τ η y à p χάριτί έστε σεσωσμέυοι διά πίστεως- καΙτοΟτο ούκίξ ύμων. Seoö τό δώρον,ούκΙξ έργων, ίνα μη τιςκαυχήσηται (V. 8) offenkundig Zwischenschübe. Dennoch machen sie nicht den Eindruck späterer Interpolationen. Hat man also mit einer von zwei verschiedenen Gruppen gemeinsam gesprochenen Liturgie zu rechnen? Wäre dies der Fall, so hätte man in den zitierten Versteilen vielleicht Zurufe der Getauften an die Neugetauften zu sehen. Wie aber erscheint das sola gratia hier 1 ? Was bei Paulus die Annahme in die Kindschaft und damit 1 H. SCHLIER interpretiert: „ D a s Wunderbare der T a t Gottes an den ehemaligen Heiden (und Juden) ist also zuletzt dies, daß sie durch die Taufe ihr Sein in Christus haben und dieses nun Gott, der es gegeben hat, verdanken können in guten Werken" (Der Brief an die Epheser, Düsseldorf 2. Aufl. 1958, S. 118). - H. CONZELMANN äußert sich gleichsinnig: „ E s ist durchaus folgerichtig und gut paulinisch und reformatorisch, daß nach Ausscheidung des Werk- und Verdienstgedankens aus der Rechtfertigung nun positiv von den guten Werken gehandelt wird; jetzt können sie an ihren rechten Ort gestellt werden. Sie folgen der Gnade nach ... 'Unsere' guten Werke sind ausschließlich und unmittelbar ... Gottes Leistung; das meint der Satz, daß sie zuvor von Gott geschaffen seien" (NTD 8, z. St.). Eph. 5,25 macht gerade fraglich, ob der Verdienstgedanke in der Weise ausgeschaltet werden kann, wie CONZELMANN es voraussetzt.

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dann die Sendung in den freien Christusdienst war, ist hier zur Annahme in die Kirchengemeinschaft mit dem Ziel der Bewährung des Menschen auf den von Gott vorgezeichneten Wegen geworden. V. 10 steht ja nicht umsonst in deutlicher, dem Verfasser wohl nicht bewußter Parallele zu 4-Esra 8,52. Der Epheserbrief ist eben aus der paulinischen Rechtfertigungslehre bereits heraus und in das Denken des Judenchristentums teilweise zurückgeglitten. Seine These lautet : Taufe (Glaube) und die Taufgabe bewährende Werke führen zu Gott. Mit 2. Klem. 14 ist dann diese Kirchen- und Rechtfertigungslehre, die auch dem Problem einer anspornenden Kirchenzucht und Ethik Rechnung trägt, kirchengeschichtlich wirksam geworden 1 .

IV. Die paulinische Rechtfertigungslehre Das Material läßt sich in drei Gruppen aufteilen : Zunächst Stellen, welche im Anschluß an vorgeprägtes Gut von der Rechtfertigung sprechen. Ferner lehrhafte Stellen, in denen Paulus seine Rechtfertigungslehre präsentisch und zugleich polemisch entwickelt. Schließlich Stellen, welche eindeutig die Rechtfertigungsereignisse noch als in der Zukunft liegend bezeichnen. Zum letzten Komplex gehören dann auch die Belege, welche vom Endgericht nach den Werken sprechen. Ehe wir diese Komplexe behandeln, haben wir nun aber noch einen Bück auf das gerade für die Rechtfertigungslehre wichtige Verbum δικαιο0ν/δικσιο0σ3αι zu werfen. Die Behandlung des Verbums erfordert eine Spezialuntersuchung2. Wir können aus arbeitstechnischen Gründen hier auf die Probleme des Verbums nur soweit eingehen, als es die paulinische Fragestellung unbedingt erfordert. Die entscheidenden zwei Fragen sind dabei folgende : Wie verhalten sich Verbum und δικαιοσύνη 3εο0 zueinander, d. h. wie verbinden sich forensische Deklarationen und das konkrete Schöpferwirken des Gottesrechtes? Ferner: wie verhalten sich Rechtfertigung und Eschatologie zueinander3? Für den Bereich der Rechtfertigung wird das griechische Verbum δικσιοΰυ = gerecht machen, jemandem sein Recht verschaffen, erst als Ubersetzungsterminus in der Septuaginta bedeutsam. Um die Vorstellungswelt der Septuaginta richtig einordnen zu können, ist, wie wir sahen, zunächst vom alttestamentlichen Denken auszugehen. Grundlegend für das alttestamentliche Rechtsdenken ist aber die Korrespondenz von Seins- und Rechtsbegriffen, wie man an der Bedeutungsbreite von (n)j?"TS und üötfa unschwer erkennen kann. Dabei ist freilich sofort hinzuzufügen, daß von einem „Sein" hier nur im Rahmen und als Ausdruck des göttlichen Schöpfertums die Rede sein kann. Dennoch ist der angedeutete Sachverhalt bedeutungsvoll genug. Wenn im Alten Testament von der Rechtshilfe die Rede ist (z.B. 2. Sam. 15,4; Ps. 82,3), dann ist mit der Rechtshilfe für den Schwachen zugleich immer seine (Wieder-) Einsetzung in einen gedeihlichen, unangefochtenen Seinsstand in der Gemeinschaft gemeint. Das für die Rechtshilfe charakteristische Verbum ist das Hiphil von p i s und kann so auch von 1

Zu den Problemen dieser Entwicklung vgl. BULTMANN, Theol. 3 S. 446-470 u.

E . KÄSEMANN, Frühkatholizismus, S. 75-89, zum E p h . speziell S. 78. 81 f. 2

Diese hoffe ich, bei Gelegenheit nachtragen zu können. Um die genaue Bestimmung des Verbums hat sich vor allem LAGRANGE in seinem Römerbriefkommentar S. I22FF. bemüht. Seine Fragestellung ist aber sehr stark von der konfessionellen Kontroverse um die Rechtfertigungslehre beeinflußt. 3

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Jahwe ausgesagt werden : Jes. 50,8. Das K a i von p*T2j = gerecht sein meint (im Rahmen des gemeinschaftsbezogenen Denkens) ein sich gerecht erweisen (vgl. Jes. 45,25; Ps. 19, 10). Dies gilt besonders auch dann, wenn das Kai von j?"7ä im direkten juristischen Zusammenhang gebraucht wird (von Menschen z . B . Gen. 38,26; Jes. 43,9.26; Hi. 4,17; 9,2; von Gott z . B . Ps. 51,6). Rechts- und Seinsbegriffe können im alttestamentlichen, gemeinschaftsbezogenen Denken also nicht in Gegensatz zueinander treten oder antithetisiert werden 1 . - Die Septuaginta übersetzt, dem griechischen Wortsinn entsprechend, die Stellen, an denen es um eine konkrete Rechtshilfe geht, mit dem Aktiv δικαιοϋν (vgl. 2.Reg. 15,4; Ps. 81,3 ( L X X ) ; Is. 50,8). An Stellen aber, an denen Hebräisch das Kai von ¡772 steht, taucht in Septuaginta immer wieder das Passiv von δικαιοϋν, also δικαιοΰσ-Sai auf. Fragt man nach dem Grund, so wird man zunächst formal antworten müssen, daß die Septuaginta auf diese Weise die vom K a i von p"72J ins Auge gefaßte Relation auszudrücken bemüht ist. Um welche Relation es nach dem Verständnis der Septuaginta dabei zumeist geht, zeigt konkret Ps. 50,6 ( L X X ) und 142,2 (LXX) : Septuaginta versteht diese Stellen von der Exhomologese her. Gott erweist sich darin als gerecht, daß seine Gerechtigkeit Anerkennung erfährt, und zwar durch die Unterwerfung des Geschöpfes. Diese Bearbeitung der Texte vom Gedanken der Exhomologese her ist uns oben schon mehrfach aufgefallen. Sie beherrscht die Salomonischen Psalmen durchweg und bedeutet sachlich tatsächlich eine stärkere Betonung des Forensischen, als sie im Alten Testament gegeben ist. Trotzdem fällt damit der Gedanke an Jahwes Schöpfertum nicht hin. Dies zeigen gerade die genannten beiden Psalmenstellen und wird 4,Esra 10,16 direkt ausgedrückt: „Denn wenn du Gottes Beschluß Recht gibst, wirst du deinen Sohn seiner Zeit wiederbekommen und Ehre haben unter den Weibern", heißt es da von Zion. Das Werk Gottes ist nach Ps. 50,6 (LXX) Gottes sich schöpferisch an seinem Geschöpf auswirkender (V. 12!) Triumph in seiner Treue. Jes. 50,8 f. steht auch in der Septuaginta parallel zum δικαιοϋν Gottes βοη·$εϊν ! Es geht also auch hier um die wirklich konkret helfende Durchsetzung des göttlichen Willens. Eine Trennung von forensischer Auseinandersetzung und dem Walten des Schöpfers scheint also auch die Septuaginta nicht zuzulassen. Auch nach ihrem Verständnis dient das Forum dazu, Gottes Recht zu bestätigen und damit erneut zum Zuge zu bringen. - Wie wenig die Wortgruppe δικαιοϋν geeignet ist, forensisches und schöpferisch-seinshaftes Denken zu trennen, zeigt schließlich Corp. Herrn. 13,9. Die Stelle braucht durchaus nicht, wie DODD2 und ebenso SCHRENK3 meinen, christlich beeinflußt zu sein. Es liegt hier nur die hellenistische Variante des spätjüdischen Rechtfertigungsdenkens vor. Da die Rechtfertigung ein Machtakt ist, der Hellenist aber „ K r a f t in der Form von Substanz (denkt)" 4 und diese Substanz hier der Geist ist, ist es nur folgerichtig, daß der Text das Machthandeln als reale Entfernung der αδικία versteht. Rechtfertigung erscheint also auch hier als ein in das Sein des Menschen wandelnd eingreifender Vorgang, und nur weil dies ein typisch hellenistischer Gedanke war, konnten in Korinth die paulinischen Rechtfertigungsaussagen enthusiastisch miß1 G. KLEIN, Art. Rechtfertigung, bestimmt die Rechtfertigung im Alten Testament schön als „(Wieder-)Einweisung des Glaubenden in die" von Gottes H p l S „bestimmte heilvolle Ordnung seines Daseins (Hi. 33,26)". Für dem alttestamentlichen Denken nicht angemessen halte ich es, wenn er fortfährt: „Die Bedeutung der im einzelnen komplexen Entwicklung liegt darin, daß hier eine Sprache bereitgestellt wird, die nicht am Sein, sondern (!) an den Bezügen des Menschen orientiert (Gen. 15,6) und dem Begegnischarakter des Glaubens angemessen ist' ' (825). Sein ist für den alttestamentlichen Menschen eo ipso gemeinschaftliches Sein. Eine Antithese von Sein und Personalität ist daher dem Alten Testament wesensfremd. Um eine unsere moderne Scheidung von Sein und Personalität anvisierende Differenzierung zu erreichen, muß man fragen, wo und inwieweit Sein, Gemeinschaft und Wort im Alten Testament zusammenhängen. 2 The Bible and the Greeks 2 , S. 5 8 ! 3 Artikel δικαιοσύνη S. 215, 51 ff. 4 E. SCHWEIZER, Artikel πνεύμα T h W b VI, S. 390,17.

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verstanden werden! - Auch Paulus denkt die Rechtfertigung so konkret, trennt also gerade nicht zwischen forensischem Urteil und heilschafíendem Wirken der Gottesgerechtigkeit. Was ihm die Möglichkeit gibt, sich trotzdem von den Korinthern zu distanzieren, ist der eschatologische Vorbehalt, in welchem er auch die Rechtfertigungsaussagen sieht (s.u.). Der Tatbestand ist folgender: Von der Tradition ist Paulus SiKocioöaScn vorgegeben in Rom. 3,24; 5,9; 6,7; 8,30; 1. Kor. 6,11. Selbständig gebraucht Paulus das Passiv Rom. 2,13; 3,4.20.28; 4,2; 5,1; i.Kor. 4,4; Gal. 2,16.17; 3,11.24 und 5,4. Das Aktiv δικαιοϋν ist traditionell wahrscheinlich Rom. 3,26 und wird frei gebraucht in Rom. 4,5; 8,33; Gal. 3,8. Rom. 2,13 (vgl. 2,5!); Gal. 2,i6f. bezeichnet 5ικαιοΰσ3αι deutlich die forensische, endgerichtliche Gerechtsprechung, welche dem Menschen widerfahren wird. Nach Rom. 3,24; 5,1.9; Gal. 5,4 bezeichnet das Verbum ebenso unbestreitbar den durch das Christusopfer bereits heraufgeführten Stand des Freigesprochenseins, den Stand in der χάρις. Mit Hilfe des Verbums δικαιοϋσ3αι erreicht Paulus also eine seiner Eschatologie genau entsprechende Verklammerung von Zukunft und Gegenwart, wobei wesentlich radikaler als selbst in den Qumrantexten die Gegenwart bereits von der endgerichtlichen Situation geprägt erscheint. Wenn man sich an 1 QSb 4,22 und 1 QM 11,14 halten darf, dann wird j a auch in der Qumrangemeinde die endgerichtliche Rechtfertigung noch erwartet und eben für sie das Hiphil von reklamiert. Indem Paulus dieses Hiphil ρΉΧΠ = δικαιοΰσθαι im Verfolg der christlichen Tradition als bereits vollzogen (Taufe) und noch zu vollziehen (Endgericht) bezeichnet, verschärft er die apokalyptische Eschatologie des Jahad und damit auch dessen Rechtfertigungslehre so, daß nun etwas Neues ausgesagt wird. In Endgericht und Gegenwart geht es um die δικαιοκρισία (Rom. 2,5). In dieser δικαιοκρισία geht es um die Ινδειξις der δικαιοσύνη 3εοϋ (Rom. 3,25). Doxologisch erläutert dies Röm.3,4 und im selben Horizont theologisch Rom. 3,26b. Rom. 3,26b zeigt dann, daß das Werk der δικαιοσύνη 3εο0, bzw. des in seinem Recht anerkannten Schöpfers, das δικαιοϋν genannt werden kann. In diesem δικαιοϋν tritt der Schöpfer, und das heißt für Paulus: der Totenerwecker auf den Plan (Rom. 4,5 vgl. mit 4,17.24!). Gottes Gerechtigkeit erweist sich in der Auferweckung Jesu Christi von den Toten (vgl. die ständige Gottesprädikation: ò έγείρας êK νεκρών Χριστόν Ίησοΰν und Varianten Rom. 4,24; 8,11; 10,9; ι . Kor. 6,14; 15,15; 2. Kor. 4,14; Gal. 1,1; i.Thess. 1,10), um damit der Hoffnung Anhalt und Inhalt zu geben, daß das Aufgebot Christi auferstehen werde wie sein Herr (vgl. Rom. 8,11; i.Kor. 6,14 usw.). All dies ist verstanden als Werk der δικαιοσύνη 3εο0 (vgl. Rom. 3,24t.; 4,24t.; 8,3). Deshalb kann die Aussage, Ziel der Sendung des Christus sei unser Stand unter der δικαιοσύνη 3εοΰ (2. Kor. 5,21), wechseln mit der Aussage, daß Gottes Treue uns zu neuen Geschöpfen mache: 2.Kor. 5,17; Gal. 6,15. Diese, ursprünglich im Ritual des großen Versöhnungstages beheimatete Aussage 1 wird in der Apokalyptik charakteristischer Weise eschatologisiert und auf das Endgericht bezogen: Jub. 1,29a. Paulus aber versteht die Gegenwart als Vollzug dieser Eschata! Die Rechtfertigung dient zur Heraufführung der neuen Welt, die Gerechtfertigten repräsentieren bereits den Stand, den Gott der ganzen Welt zu schenken unterwegs ist, besser: die Gerechtfertigten stehen in der realen Anwartschaft auf Gottes endgültiges Kommen 3 . Gottes δικαιοϋν und damit der Menschen δικαιοϋσ3αι, im Doppelsinn von Anerkennung Gottes (Rom. 3,4) und Recht = Sein setzendem Werk Gottes, sind der Weg und die Art und Weise, auf denen Gott zu seinem Rechte kommt. Gottes Recht Schrenk, a.a.O. S. 216,40! Foerster, Artikel κτίζω ThWb III, S. 1020,23ft. 3 Wenn Paulus auch für den Bereich der σωτηρία noch die Errettung vom Tode erhofft (Rom. 8,333.; 11,32ft.), wird die Frage unausweichlich, welchen Charakter das von Paulus ins Auge gefaßte, in der Rechtfertigung heraufgeführte, neue Sein hat. Die Antwort kann nur lauten : E s ist das Sein im schöpferischen Wort des Evangeliums. Wort und Sein halten sich bei Paulus ebenso die Waage wie Recht und Sein. 1

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kommt in dem Forum, das die Welt für den Apokalyptiker Paulus gegenwärtig ist, so zur Geltung, daß es schöpferisch wirkt. Die Wortgruppe δικαιοΰν/δικαιοΰσθαι hat auch bei Paulus seinshaften, das Sein als Schöpfung rechtlichen Charakter, und beides erscheint als Interpretament der paulinischen Eschatologie 1 .

Wir sind nunmehr so weit, die Fragen der paulinischen Rechtfertigungstheologie nacheinander zu diskutieren :

I. Rechtfertigung und Taufe Rom. 8,29 f. haben wir bereits analysiert (s. o. S. 186 f). Jetzt kommt es darauf an zu sehen, wie Paulus seiner Tradition folgt. Beide sind der Mei1 Ebenso interpretiert jetzt H. SCHLIER, Der Brief an die Galater 12 S. 8gS.: ,,δικαιοϋν ist . . . das schlechthinnige Geltendmachen der göttlichen Gerechtigkeit durch Gottes T a t " (S. 89). An Rom. 5,i8f. „wird klar, daß δικαιοΟν, auch wo sich sein forensischer Sinn am ehesten auswirken könnte, den Gedanken an ein Wort Gottes enthält, das 'gestaltende' Macht hat. Auch hier dringt der sachlich primäre Sinn des paulinischen δικαιοΟν durch, der das Zur-Wirkung-bringen der Gerechtigkeit Gottes in Christus Jesus an dem Menschen umgreift. Daß dieses Geltendmachen der Gerechtigkeit aber doch δικαιοΟν genannt wird, also mehr oder weniger den formalen Charakter eines Gerechtsprechens hat, hängt mit dem Wortcharakter, den das offenbarende Handeln Gottes auch nach paulinischer Uberzeugung hat, zusammen. Dieses Gerechtsprechen ist ein Gerechtmachen durch Gottes wirksames Wort, in dem der Gerechtgemachte nun freilich über seine Gerechtigkeit nicht anders als im Glauben vor Gott verfügt, aber eben doch so ein Gerechter in Ursprung und Existenz ist" (S. 90f.). Historisch sind diese Sätze bis auf den letzten m . E . nicht anfechtbar. Fraglich ist das offensichtlich unpaulinische „Verfügen" über die eigene Gerechtigkeit im Glauben vor Gott. Der Christ verfügt nach Paulus gerade im Gehorsam des Glaubens nicht über sich selbst (Gal. 2,20), geschweige denn über seine Gerechtigkeit (Phil. 3,9). SCHLIER kann das von seinem Verständnis des Glaubensbegrifies her (vgl. denVerweis auf MUNDLE a . a . O . S. 89 A i m . 6) nur nicht sehen. - Indem wir SCHLIER Recht geben, geraten wir unter das Verdikt von H. CONZELMANN. E r fürchtet nach KÄSEMANNS Aufsatz über „Gottesgerechtigkeit bei Paulus", daß bei dem „sich abzeichnenden neuen Bemühen um den Begriff der Gottesgerechtigkeit und der paulinischen Rechtfertigungslehre ... die Verwandlung der Theologie des Wortes in Heilsontologie (droht)" (Randbemerkungen zur Lage im .Neuen Testament', EvTheol 22 (1962) S. 233). Es steht zu befürchten, daß CONZELMANN unsere Thesen als eine solche Verwandlung ansehen wird. Der historische Befund nötigt jedoch dazu, die Rechtfertigungslehre ontologisch zu diskutieren. Mit der von CONZELMANN hier aufgerichteten Antithese von Heilsontologie und Theologie des Wortes wird man nicht mehr arbeiten dürfen, denn für Paulus scheint beides ein Sachverhalt zu sein. Was wäre auch eine Theologie des Wortes, die von der Ontologie nicht zu handeln wüßte ! Es gilt, hier ganz neue Kategorien zu erarbeiten, welche uns den historischen Befund aufnehmen lassen, ohne unsere legitimen theologischen Interessen aufzugeben (und das reformatorische Nein zu einer Heilsontologie ist ein solches legitimes Interesse). Auch E. JÜNGEL betont, daß die Rechtfertigungslehre des Paulus seinschaflenden Charakter hat und sieht „die übliche Alternative im Verständnis der Gerechtigkeit als iustitia imputativa oder als iustitia efficax" als „überholt" an (Paulus und Jesus, S. 46. Hervorhebung bei JÜNGEL). Kontroverstheologisch bedeutet ja die Aussage, Rechtfertigung meine bei Paulus ein konkretes Schöpferhandeln Gottes, durchaus nicht die Legitimierung des katholischen Standpunktes, sondern gerade die schärfste Antithese zu diesem. Wenn Gott in der Rechtfertigung nicht nur (be-)urteilend, sondern ständig schaffend auf den Plan tritt, dann ist damit ständig jeglicher Synergismus ausgeschlossen. So hat es Paulus verstanden und damit die schöpferische Rechtfertigung als unüberbietbare Radikalisierung des sola gratia aufgefaßt wissen wollen.

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nung, daß mit der Geistverleihung in der Taufe Gottes Schöpfeimacht eingegriffen hat, daß die Täuflinge als neue Geschöpfe gerechtfertigt sind und daß die Rechtfertigung = Neuschöpfung auf Gottes über dem Täufling ausgesprochenes Wort zurückzuführen ist (vgl. die im Zusammenhang auftauchende Wortgruppe καλεΐν)1, daß sich schließlich in diesem Ruf Gottes seine urzeitliche Erwählung äußert (Rom. 9,23f.). - Auf die Taufe bezieht sich auch Rom. 10,9 f. Das von Paulus hier angeführte Taufbekenntnis zeigt, daß Gott vom Täufling (nichts als!) die Homologie erwartet, daß der Vorgang der Taufe also ein Rechtsakt ist, ohne daß - vgl. V. 10 - der Schöpfungs- und Heilscharakter der Adoption des Täuflings durch Gott dadurch beeinträchtigt würde. Im Gegenteil, der Rechtsakt besiegelt die Gültigkeit der σωτηρία. - Ebenso beweist die von Paulus 1. Kor. 6,11 angeführte Tauf tradition „sehr deutlich durch die Zuordnung von άγιασ3ήναι und δικαιωθήυαι zum άττολούσασ·9αι, daß Paulus die Taufhandlung als Schöpfungsakt ansieht, durch welche eben das neue Sein, die καινή κτίσις geschenkt wird" 2 . Die eigentlichen Interpretamente der Taufanschauung des Paulus sind also 2. Kor. 5,17 und Gal. 6,15. Kraft der Taufe ist der Täufling realiter Gottes neues Geschöpf. Taufe, Rechtsakt und Schöpfungsvorgang sind voneinander untrennbar. Der Täufling wird gerechtfertigt, indem Gottes Geist ihn umschafft. Sollte diese Anschauung von der Taufe nicht unrettbar in den Enthusiasmus hineinführen, so mußte nun näher bestimmt werden, was Geist Gottes meint und welcher Art das in der Taufe gestiftete neue Sein der Christen ist. So sehr Paulus mit seiner hellenistischen Umwelt den Geist als machthaltige Substanz verstand, so wenig war er der Meinung, dieses Pneuma sei eine anonyme, dem Täufling eingestiftete Dynamis. Wenn er seine eigene Bekehrung (und Taufe) Phil. 3,9 als Rechtfertigungsakt beschreibt, zugleich aber V. 10 ff. auf die Leidensnotwendigkeit im Christsein hinweist, dann heißt das - auch ohne daß man auf die umstrittene Stelle 2. Kor. 3,17 rekurriert - , daß der Geist für Paulus die Anteilschaft am Sein und Weg des Christus meint. Bedenkt man die Parallelität von Phil. 3,9 und 3,14, die eben genannte Stelle Rom. 8,29f. und Gal. 3,2, so mag man vielleicht auch sagen, der Geist sei für Paulus Anteilschaft am Sein und Weg des Christus, weil er die schaffende Gewalt des Gotteswortes meint. Aller1 R. REITZENSTEIN, Die hellenistischen Mysterienreligionen nach ihren Grundgedanken und Wirkungen, Leipzig/Berlin 3. Aufl. 1927, S. 257-259 zeigt, daß Rom. 8,29f. hellenistisch gedacht sind. E s ist deutlich, daß die sich damit äußernde Taufanschauung zu einem christlichen Enthusiasmus führen konnte (und in Korinth tatsächlich geführt hat), wenn man im Geist die anonyme himmlische Dynamis, also das vergottende Element, erblickte. REITZENSTEIN sieht nur noch nicht, daß Paulus sich mit seinem eigenen Geistverständnis gegen solches hellenistisches Denken zur Wehr setzt, sich also von seiner Tradition gerade durch seine Interpretation des Begriffes kritisch absetzt. 2 E. DINKLER, Zum Problem der Ethik bei Paulus. Rechtsnahme und Rechtsverzicht (1. Kor 6,1-11), ZThK 49 (1952) S. 189. Wieso DINKLER trotz dieses Satzes in seinem Artikel: Taufe im Urchristentum, R G G 3 V I 633 urteilt, es gelänge Paulus nicht, „mit der T(auf)lehre ... seine Rechtfertigungslehre zu verknüpfen", ist mir nicht einsichtig.

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dings ist dieser dann erst bei Johannes klar vollzogene Interpretationsschritt bei Paulus nur durch den Vergleich der genannten Stellen erschließbar 1 . Deutlich.ist jedenfalls, daß das paulinische Geistverständnis ein Taufund Rechtfertigungsverständnis ermöglicht, welches am Schöpfungscharakter der Taufe keine Abstriche nötig macht, dem Enthusiasmus den Riegel vorschiebt, aber die Taufe auch nicht mehr nur als ethische Kehre zu deuten nötigt2. Der Geist ist die neuschaffende Kraft der Gottesgerechtigkeit und erscheint deshalb bei Paulus als praesentia Christi, denn Christus ist Gottes Gerechtigkeit in Person (2. Kor. 5,21). Stimmt dies aber, dann ist auch der Geist in eben der Weise gegenwärtig, in der die δικαιοσύνη Seoü gegenwärtig genannt werden kann: als Dynamis des Wortes Gottes. 2. Die Lehre von der Rechtfertigung

Es ist communis opinio, daß die Rechtfertigungslehre des Paulus eine antirabbinische Kampfeslehre sei3. Diese Ansicht ist nicht präzis genug. Rechtfertigung ist für Paulus primär Gottes schöpferischer, erlösender Machteingriff in das christliche Leben, Konsequenz und Höhepunkt der Soteriologie. Auch bei Paulus gehen ja, wie wir sahen, Seins- und Rechtsbegriffe ineinander über, sind also in sich selbst und nicht erst in der Kontroverse sinnvoll. Eben deshalb denkt Paulus Taufe und Rechtfertigung entschlossen zusammen, auch dort, wo seine Tradition dies so präzis nicht getan hat: Rom. 3,24f. Daß Paulus auch hier bei der Rechtfertigung an den Taufvorgang als Schöpfungsvorgang denkt, zeigt V. 23 das Theologumenon von der verlorenen Gottebenbildlichkeit, das nach Rom. 8,29 f. eben in die Tauftheologie gehört4. Zur Kampfeslehre wird die Rechtfertigungstheologie des Paulus erst (und nur!) dort, wo er sie durch das spätjüdische Gottesbild angegriffen wußte5. Daß er sich dabei durchaus nicht nur gegen jüdische Gegner richtet, zeigt seine Auseinandersetzung mit Petrus in Antiochien 1

Vgl. E. KÄSEMANN, Art. Geist, R G G 3 II 1 2 7 2 - 1 2 7 9 . So jetzt wieder BECKER in seiner Dissertation : Heil Gottes. Die Realität des Rechtfertigungsvorganges betont auch er, begründet sie aber ethisch : Das SiKaioOv meint für ihn „selbstverständlich kein 'als ob', sondern es setzt Realität vor Gott und beim Menschen, weil der Gerechtfertigte nicht mehr der Sünde Knecht zu sein braucht. E r ist mit Christus gestorben und kann nun - was ihm vorher unmöglich war - ein ζην τ ω Secò verwirklichen" (S. 263). 3 Gegen solch einseitige Betrachtung wendet sich mit Recht auch JÜNGEL, a.a.O. S. 2 5 f i . 3 2 . 4 BECKER möchte a.a.O. die paulinische Rechtfertigungslehre auf rabbinische Grundgedanken zurückführen. Eben diese rabbinischen Elemente machen nach BECKER auch die Differenz der paulinischen zur Rechtfertigungslehre der Qumrangemeinde aus. Präzis definiert BECKER den rabbinischen Gerechtigkeitsbegriff: „Gerechtigkeit Gottes... ist keine Gabe Gottes, sondern ein Urteil Gottes über den Zustand des Menschen" (S. 19). So einseitig denkt Paulus gerade nicht! Wenn unsere bisherige Untersuchung richtig war, dann zeigen gerade auch die von Paulus mit der Rechtfertigung verbundenen Schöpfungsaussagen, welche BECKER, soviel ich sehe, unbeachtet läßt, daß Paulus apokalyptisch-schöpferisch denkt und sich darin gerade vom Rabbinat her5 kömmlicher Prägung unterscheidet. Vgl. Anm. 1 S. 174. 2

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(Gal. 2,11-21) und der Kampf gegen die korinthischen Enthusiasten. Diesen gegenüber bezieht sich Paulus wiederholt auf von der Rechtfertigung sprechende, auch den Korinthern bekannte Bekenntnisformeln (1. Kor. 1,30; 6,11; 2. Kor. 5,21). Es ist also nicht richtig, daß die Rechtfertigungslehre nur im Galater- und Römerbrief eine Rolle spielt, wie man immer wieder hören kann 1 . Die Auseinandersetzung mit den Korinthern wird von Paulus ebenso von der Rechtfertigungslehre aus geführt, wie er sich gegen die enthusiastische Überfremdung seiner philippischen Gemeinde vom Rechtfertigungsdenken her zur Wehr setzt (Phil. 3). Dementsprechend läßt sich das lehrhaft von der Rechtfertigung handelnde Material bei Paulus noch wieder in zwei (freilich ineinander übergehende) Gruppen unterteilen: In eine positive und eine polemische. Zum Schluß ist dann Rom. 3,4 nochmals zu bedenken. Wir behandeln, wie es der Theologie des Paulus entspricht, zunächst die positiven Aussagen : a) Rom. 5,1 interpretiert die in der Taufe vollzogene Rechtfertigung als die neueröffnete Gottesnähe, den Friedensstand zwischen Gott und Mensch (ειρήνη entspricht hier ganz dem alttestamentlichen at>ti)2. Rom. 5,18 besagt, daß durch die Rechttat Christi3 die lebenspendende Rechtfertigung für alle Menschen ermöglicht worden ist. Wenn das Futur καταστα9ήσονται 5,i9 entsprechend zu V. 18b logisch zu fassen ist, variiert V. 19 den Vers 18, indem er ihn abschließt. Mit JEREMIAS 4 ist 01 πολλοί = πάντες zu interpretieren. Mit οι πολλοί sind also πάντες gemeint. Interessant ist die Formulierung: αμαρτωλοί bzw. δίκαιοι κα3ίστσσ3αι. Daß an das Weltforum gedacht ist, machen die Begriffe κατάκριμα und δικαίωμα V. i8 wahrscheinlich. Dennoch sind die Verse bedeutsam. Wenn man mit A. O E P K E die „vielfach vertretene Meinung", als ob das Verbum κα·9ιστάναι „unter ausdrücklichem Absehen vom Tatsächlichen nur das Moment der Beurteilung" bezeichnen soll, als „philologisch unbegründet" abweisen darf und statt dessen betonen muß, daß bei der Verwendung des Verbums „durchweg der betreffende Zustand als wirklich vorausgesetzt (wird)" 6 , dann zeigt dies aufs So kürzlich erst wieder J. JEREMIAS, Paul and James, S. 368. Der Indikativ είρήυην Ιχομεν ist klare lectio difficilior und damit ursprünglich. Wenn O. K u s s z. St. sich für εχωμεν mit dem Hinweis entscheidet, „die handschriftliche Überlieferung stützt eindeutig die erste Auffassung", also den Konjunktiv, so beruht dies auf einem zwar bisher gültigen Axiom der Textkritik von einer bzw. einer Gruppe besonders wertvoller Handschriften. Dagegen wäre aber mit H. GREEVEN einzuwenden: „ E s b l e i b t . . . nichts anderes übrig, als sich von der Frage nach guten oder schlechten Handschriften überhaupt freizumachen und den T e x t Satz für Satz zu rekonstruieren zu suchen, ganz gleich, ob man damit im wesentlichen dieser oder jener Handschrift folgt" (Der Urtext des Neuen Testaments, Veröffentlichungen der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft, N . F. Nr. 26, Kiel i960, S. 15). 1

2

Vgl. J. JEREMIAS, Z N W 38 (1939) S. 121 und alle Kommentare. Artikel: π ο λ λ ο ί ,ThWb V I S. 541,3ft. 5 Artikel : κα3ίστημι, T h W b III S. 447,41 ff. OEPKE versteht V. 19b streng futurisch, übersetzt aber charakteristischerweise seinsbezogen : „Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern wurden, so werden duroni den Gehorsam des Einen die Vielen Gerechte werden" (S. 448,28ff.). 3

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neue, wie sehr die Rechtfertigung ein reales Schöpfungshandeln Gottes meint: Gottes Urteil setzt die πολλοί in den konkreten Stand unter dem befreienden und zugleich in Dienst stellenden Gottesrecht ein! - Nach Rom. 6 , 1 3 stellt die Rechtfertigung in die militia Christi (vgl. 2. Kor. 6,7). Die Gerechtfertigten kämpfen im Dienste des gnädigen Gottes für das Recht der Treue ihres Gottes in der Welt; im Stand der Rechtfertigung werden ihre Glieder zu Waffen der göttlichen Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit ist ja, wie Rom. 1 4 , 1 7 schön zeigt, die vom Geist verliehene, in den Gotteskampf eingliedernde Macht der präsenten βασιλεία. Wenn diese Gerechtigkeit den Kämpfer durchherrscht, dann geht die Front zwischen αμαρτία und δικαιοσύνη, Gott und dem Herrn dieser Welt, mitten durch den Getauften hindurch. Gottes Geist aber verbürgt ihm den siegreichen Ausgang des Streites, weil Christus das Urbild des in diesem Streit kraft Gottes T a t erfolgreich gebliebenen Siegers ist: Rom. 8,10. Weil es Paulus um die leibliche Dienstbarkeit des Täuflings der Gerechtigkeit gegenüber geht, spricht er in dem höchst komprimierten Vers 1 0 nicht von σάρξ, sondern positiv von σώμα 1 . - Den Kampf um Gottes Recht im neuen Dienst der Gerechtigkeit beschreibt auch Rom. 6 , 1 6 - 2 3 . 2. Kor. 3,9 bezeichnet die militia terminologisch: sie ist ή διακονία τ η ς δικαιοσύνης (vgl. ι QS4,9»' 1 QH 6,19). Ähnlich wie Rom. 8,10 spricht auch Gal. 2 , i 5 - 2 i 2 . Paulus beschreibt in V . 1 9 f. im generellen Ich-Stil die Rechtfertigung als „mystischen" Tausch der Subjekte im eigenen Soma, streitet aber dabei keineswegs ab, daß für den Täufling das Leben έν σαρκί weitergeht. Die Machtergreifung des durch 1

Gegen B U L T M A N N , Theol. 3 S . 201. Gegenüber J O E S T , Paulus und das Luthersche Simul Iustus et Peccator, KuD 1 (1955) S. 291 ist zu betonen, daß Rom. 8,10 sehr wohl ein Beleg für eine dem Lutherschen Simul peccator et iustus analoge Struktur bei Paulus ist. Der Christ lebt ja nach Paulus realiter in zwei Zeiten, und sein eigener Leib ist ebensosehr Waffe Gottes wie Kampfplatz zwischen Gott und Satan, altem und neuem Äon. J O B S T sieht nicht, daß die Vorstellung vom christlichen Sein in zwei Zeiten die ganze paulinische Rechtfertigungslehre durchherrscht (vgl. nur Gal. 6,7fE.I). Ist dies aber der Fall, dann hat bei Paulus das simul ebensosehr den Charakter einer „Kampfformel" wie einer „Seinsformel", und man kann Luther und Paulus nicht mehr kritisch voneinander abheben, indem man bei Luther eine (illegitime) „Seinsformel" und bei Paulus eine (legitime) „Kampfformel" hinter dem Simul sieht (vgl. auch F U C H S , Existentiale Interpretation von Rom. 7,7-12 und 21-23, ZThK 59, 1962, S. 298 ; E. JÜNGEL, Paulus und Jesus, S. 66 Anm. 1 und „Das Gesetz zwischen Adam und Christus, ZThK 60, 1963, S. 74 Anm. 91). Die Differenz zwischen Paulus und Luther ist eine Differenz ihres theologischen Denkansatzes. Luther spricht vom simul peccator et iustus (Clem. V 241,13ft. = WA 56, 272) von seinem theologischen Erfahrungsdenken her (vgl. dazu E B E L I N G , Wort und Glaube, S. 281); Paulus denkt viel eschatologischdogmatischer und würde deshalb das Simul so formulieren, daß die Christen simul iusti et tentati seien! 2 Zur Auslegung dieses schwierigen Textes vgl. B U L T M A N N , Zur Auslegung von Gal. 2,15-18 (Ecclesia semper reformanda - Sonderheft der EvTheol 1952, S. 41-45). B U L T 2 M A N N S Auslegung hält auch dann stand, wenn man mit ihr das von A. O E P K E , Komm. z. St. eruierte Schema der μή γένοιτο-Sätze zusammendenkt, denn in diesem Schema kann Obersatz auch eine Hypothese sein: Röm. 7,13 (was O E P K E bestreitet). S C H L I E R S Einwände gegen B U L T M A N N , Komm. 12 S. 96 Anm. 2 sind keine. Er gibt auch zu, daß B U L T M A N N S Auslegung „das einheitliche Verständnis des ganzen Passus für sich (hat)".

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sein Opfer bevollmächtigten Christus ist also total, ohne daß der Mensch durch den Taufgeist im Sinne des religiösen Hellenismus bereits vergottet würde. Das neue Sein des Gerechtfertigten besteht in der totalen Beschlagnahme durch die Präsenz Christi, es ist totales In-Anspruch-genommenSein: „In dem in nobis erhält das extra nos seinen schärfsten Ausdruck, statt aufgehoben zu werden." 1 Erst von der so positiv entwickelten These geht Paulus dann in V. 21 zur Polemik über. Es wäre Negierung und also Aufhebung der göttlichen Gnadenmacht, würde man es ihr gegenüber nach der Rechtfertigung erneut mit der eigenen Leistung versuchen. Wo der Schöpfer schafft, hat des Menschen Werk keinen Raum. Damit sind wir bei dem polemischen Material. b) Paulus geht, wie gerade Gal. 2,21 schön zeigt, erst von der positiven Rechtfertigungstheologie her zum Kampf gegen einen judaisierten Gottesbegriff vor. Nur weil die Rechtfertigungstheologie nach des Paulus Meinimg grundsätzlich das Walten Gottes in der Welt ausspricht, kann sie überhaupt eine polemische Spitze haben! - Rom. 3,20b ist, wie MICHEL Z. St. gezeigt hat, eine Lehrthese. Das Futur ist gnomisch, πάσα σάρξ entspricht dem universalen πδξ ó κόσμος von 3,19 b. Was aber sind εργα νόμου? BILLERBECK verweist auf syr. Bar. 57,2. Dort aber wird von „Werken der Gebote" gesprochen. Wie erklärt sich die Differenz des paulinischen Begriffes zu dieser Belegstelle? Offensichtlich aus dem paulinischen Gesetzesverständnis heraus. Paulus spricht wie die Apokalyptik meist einheitlich von „dem" Gesetz, im Gegensatz zum Rabbinat, welches unter der Tora in erster Linie einen Gebotskodex versteht. Diesem rabbinischen Gesetzesverständnis entspricht die Rede von den „Werken der Gebote", dem paulinisch-apokalyptischen der Begriff εργα νόμου. Ob Paulus selbst den Begriff polemisch gebildet hat, läßt sich nicht sagen. Die Selbstverständlichkeit, mit der er ihn immer wieder anwendet, spricht für die Übernahme eines schon geprägten (spätjüdischen?) Ausdrucks durch den Apostel. Wichtig aber ist daran besonders der theologische Sachverhalt, daß der Ausdruck die Tora radikal versteht. Dem einen Gott (Rom. 3,30) entspricht nur das eine Gesetz und folglich ein unbedingter totaler Gehorsam2. Paulus meint demnach in Rom. 3,20, daß Taten, die das ganze Gesetz erfüllen, niemand auf der Welt von sich aus aufbringt. Nur die Liebe entspricht dem Gesetz ganz: Gal. 5,14; Rom. 13,9f. Gerade sie aber ist erst und nur eine Gabe des Geistes: Rom. 5,5 und damit Ausdruck der in der Rechtfertigung gewirkten Befreiung. Gottes Liebe, welche die Rechtfertigung wirkt (Rom. 8,39), entspricht Gottes Gabe allein und nicht die Leistung des Menschen. - Rom. 3,28 setzt die lehrhafte Auseinandersetzung fort und resümiert polemisch : Gott rechtfertigt nur auf seinem neuen Heilsweg, der πίστις, alle - auch die Maße seines göttlichen Erwählungshandelns sind also weiter als die Horizonte, die Israel (oder eine 1 2

15

KÄSEMANN, Frühkatholizismus, S. 84 A n m . 6. Paulus teilt also durchaus den Torarigorismus des Q u m r a n - J a h a d , vgl. A n m . 1 S. 1 5 1 . 8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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seinem Selbstverständnis folgende Urgemeinde) Gottes Handeln steckte. Rom. 4,1 ff. beweist Paulus mit Hilfe rabbinischer Hermeneutik 1 , daß Abraham der Stammvater aller Glaubenden aus Juden und Heiden ist2. Für unseren Zusammenhang der paulinischen Rechtfertigungspolemik sind besonders die drei Verse 5, 17 und 24 bedeutsam. Der Vergleich zeigt, daß Paulus in V. 5 eine dem ό ζ ω ο π ο ι ώ ν

TOUS

νεκρούς und καλών τ ά μή όντα

ώς όντα sowie ό εγείρας Ίησουν τον κύριον ημών εκ νεκρών analoge Gottesprädikation schafft. Daß Paulus selbst ihr Urheber ist, ergibt sich aus der in ihr enthaltenen eminenten Polemik. G. SCHRENK hat im ThWb 3 auf den Widerspruch der Formel zu Ex. 23,7 (vgl. die wörtliche Übereinstimmung unseres Textes mit der Septuaginta!), Jes. 5,23 und Prov. 17,15 aufmerksam gemacht. C. H. DODD und CH. Κ. BARRETT haben dies in ihren Kommentaren aufgenommen und weitergeführt. Nachdem CD 1,19 erneut die Rechtfertigung der Frevler als Zeichen der Gottlosigkeit brandmarkt, kann man an einer direkten Polemik des Paulus nicht mehr zweifeln. „Wir haben es in unserem Vers mit einer antithetischen Kampfformel des Paulus zu tun" (MICHEL Z. St.). Paulus polemisiert hier gegen die gesamte, auf kultischen Grundsätzen ruhende Rechtsethik des Spät Judentums und des Alten Testaments4. Im Gegensatz zum δίκαιος meint hier ασεβής, entsprechend der alt1 Vgl. J. JEREMIAS, Zur Gedankenführung in den paulinischen Briefen, Studia Paulina in honorem J. DE ZWAAN, Haarlem 1953, S. 146-154, bes. S. i49ff. Ebensowenig freilich, wie ich im Römerbrief mit JEREMIAS einen „vielfach geführten Dialogus cum Iudaeis" (S. 149) zu sehen vermag, kann ich die These von JEREMIAS bestätigt finden, Paulus habe sich in Rom. 4,1 auf Gen. 18,3 berufen, darauf folge der jüdische Einwand, Abraham werde doch auf Grund seiner Werke gerechtfertigt, und Paulus antworte seinerseits darauf wieder mit V. 2-8. Ohne daß der Text dies wirklich erkennen ließe und erforderlich macht, wird hier der Dialogus cum Iudaeis erst rekonstruiert. Die entscheidenden Argumente von JEREMIAS (S. 147 Anm. 2) liegen alle jenseits des fixierten Textes und sind somit hermeneutisch fragwürdig. 2 Zum forensischen λ ο γ ί ζ ε σ α ι et ς vgl. H. W . HEIDLAND, Artikel: λογίζομαι ThWb IV S. 293 f. Was HEIDLAND bereits sieht, daß sich die Formel λογ(ζεσ5αι eis δικαιοσύνην bei Paulus nicht formal forensisch verstehen läßt, hat H. SCHLIER, Galater 12 S. 91 Anm. ι erneut hervorgehoben. Wenn er dies jedoch nur damit begründet, daß nach Röm. 4 , 7 ! und 4,11 die Anrechnung ja die reale Sündenvergebung und Versiegelung durch Gott einschließe, so ist dies noch nicht hinreichend. Daß es auch beim λογ(ζεσ.$αι eis δικαιοσύνην um Gottes schaffendes Wirken geht, zeigen Röm. 4,5.24^ : Im himmlisch-irdischen Forum wird der Glaube dann und deshalb zur Gerechtigkeit gerechnet, weil im Glauben das Geschöpf dem Walten des totenerweckenden Schöpfers stillehält. Vgl. auch Röm. 4,20 und Anm. 3 S. 167. 3 Art. δικαιοσύνη S. 219,240. 4 Auch Sir. 42,2 macht hiervon keine Ausnahme. Die Stelle warnt ausdrücklich davor, sich nicht zu versündigen : περί νόμου υψίστου καΐ διαθήκης καΐ περί κρίματος δικαιώσαι τόν άσεβη. V. RYSSEL bei KAUTZSCH, Apokryphen I, S. 439 versteht das δικαιώσαι τόν άσεβη epexegetisch. Er übersetzt: „Uber Folgendes sollst du dich nicht schämen .. . des Gesetzes des Höchsten und seiner Verordnungen und des gerechten Urteilsspruchs, der sogar dem Gottlosen zu seinem Recht verhilft." So widerspricht der Vers jedoch dem gesamten spätjüdischen Rechtsempfinden. Dies bleibt gewahrt, wenn man übersetzt: „Wegen dieser Dinge sollst du dich nicht schämen noch parteiisch sein, sodaß du dich versündigst: Wegen des Gesetzes des Höchsten und (seiner) Verfügung und wegen des Rechtsspruches, der dem Gottlosen Recht zuspricht."

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testamentlichen Antithese von ¡?ΉΧ und SBh, tatsächlich den Gott-losen! Die Parallelität der vier Gottesprädikationen in Rom. 4 bringt unmißverständlich zum Ausdruck, daß Gottes Schöpfermacht, seine Tote erweckende Gewalt und die Macht seines Schöpferwortes gemeinsame Kennzeichen der δικαιοσύνη Seoö sind und sich somit in der Rechtfertigung des Gottlosen vereinen. Rom. 4,5 ist, gerade weil die Stelle theo-logisch spricht, die polemische Mitte der paulinischen Rechtfertigungslehre. Rechtfertigung ist der Vollzug der göttüchen Schöpfermacht durch das Wort am nichtigen Geschöpf. Das Gesetz besitzt diese Kraft und Vollmacht Gottes gerade nicht: Gal. 3,21. c) Bisher haben wir die Äußerungen des Paulus bedacht, in denen die Rechtfertigung als Werk Gottes am Menschen erscheint. Nun ist abschließend noch darauf hinzuweisen, daß dieses Werk Gottes nach dem Einverständnis des Geschöpfes ruft und deshalb in der Anerkenntnis Gottes als des Richters und Schöpfers sein Ziel erreicht! Solche Anerkenntnis Gottes in seinem auf die Schöpfung gerichteten Recht bezeichnet Paulus Rom. 3,4 als δικαιοΟν (τον Seóv). Dieses δικαιοΟν τον 3εόν von Seiten des Geschöpfes äußert sich nach Rom. 10,9f. als Bekenntnis des Glaubens (vgl. auch Phil. 2,11 und Rom. 14,14). Diese Belege sind wichtig, um den schöpferischen A k t der Rechtfertigung auch in seinem ontologischen Aspekt vollständig zu erfassen. Das dem Schöpfer vom Geschöpf gezollte δικαιοϋν ist eindeutig ein Sprachgeschehen (vgl. Rom. 10,9f.!). Es richtet sich gerade als Exhomologese an den Schöpfer, der den Gottlosen kraft seines Tote erweckenden Schöpferwortes rechtfertigt (Rom. 4,30.17.24!). Weil also das in der Rechtfertigung gestiftete, neue, freie Sein des Geschöpfes ein aus Gottes Schöpferwort stammendes und in diesem Schöpferwort ruhendes Sein ist, kann Paulus die Rechtfertigung Rom. 8,30 ausdrücklich als schöpferische Berufung darstellen (vgl. Rom. 8,30 mit Rom. 4,17 und 9,24ft.) und kann er sich nunmehr erfolgreich gegen die Annahme zur Wehr setzen, die Taufrechtfertigung verleihe dem Täufling einen unzerstörbaren Seinsstand, weil sie ein Schöpfungsereignis sei. Weil und sofern Gott nach der Meinung des Paulus im niederbrechenden alten Äon erst und nur in der Weise des Wortes an-wesend ist, ist auch das von Gott schöpferisch begründete Sein nur und erst in der Weise des Wortes an-wesend (1. Thess. 2,13). So ist es gedacht, wenn Paulus den Stand der Gerechtfertigten als den Stand in einer bedrohten libertas Christiana beschreibt (Gal. 5,1.13 u.ö.). Von diesem Rechtfertigungs- und Seinsverständnis her wird für Paulus die Hoffnung auf das endgültige Kommen Gottes zugleich zur notwendigen Hoffnung auf das endgültige Zu-seinem-Recht-Kommen Gottes, weil nur so Gott das Sein, das er den Seinen bisher nur als worthaftes Sein gewährt hat, in voller Erfüllung gewähren wird (1. Kor. 15,19.28!). Wir sind damit nun auch in die Lage versetzt, den eschatologischen Vorbehalt zu verstehen, unter dem auch die paulinische Rechtfertigungslehre steht. 15*

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3. Rechtfertigung und Endgericht Ebenso wie Rom. 5,9 (im Anschluß an die traditionelle Abendmahlssprache1) davon spricht, daß die Rechtfertigung vor dem Zorn Gottes im kommenden Gericht bewahrt, bezeichnet Gal. 5,5 die Gerechtigkeit als zukünftiges Heilsgut2. Die Hoffnung auf dieses Heilsgut hegen die Glaubenden ττνεύματι, also kraft der Gabe des Taufgeistes als des dynamischen (worthaften) Mediums der Rechtfertigung. Bedenken wir die Struktur der paulinischen Eschatologie und die beiden genannten Stellen, so wird verständlich, daß Paulus Rom. 2,13 (vgl. 2,6) durchaus unhypothetisch3 vom zukünftigen Gericht nach den Werken sprechen und das Gesetz als den göttlichen Maßstab im Endgericht bezeichnen kann4. Rom. 2,13 proklamiert die Gerichtsregel für das Endgericht. Erst der Freispruch dort ist die endgültige Rechtfertigung. Die Christen sind diesem Gericht noch ebenso unterworfen wie Juden und Heiden auch (vgl. Rom. 3,5; 11,20-22; 1 4 , 1 0 - 1 2 ; 1. Kor. 1,8; 3,8.12-17; 4,4.5; 5,5; 9,23-27; 1 0 , 1 1 . 1 2 ; 2. Kor. 1 , 1 4 ; 5,10; 6,1; 1 1 , 1 5 ; Gal. 6,7-10 und 1. Thess. 3,13). Ehe wir auf die verschiedenen Lösungsversuche des auftauchenden Problems eingehen, weisen wir nochmals hin auf Rom. 8,10; Gal. 6,7-10. Rechtfertigung heißt nach diesen Stellen strukturell: Mit der Gabe des Geistes, also Gottes schöpferischem, rechtfertigendem Eingreifen in das Leben des Täuflings, ist der Getaufte in die Auseinandersetzung zwischen δικαιοσύνη und άμαρτία als Kämpfer Gottes eingeordnet. Die Kampffront geht durch seinen eigenen Leib hindurch. Die Gabe des Geistes enthebt also nicht des irdischen Leidens! Das Sein der Gerechtfertigten ist vielmehr dem Sein des unscheinbar-mächtigen Gotteswortes analog (vgl. 1. Thess. 2,13 u. o. S. 227). Die Realität irdischer Gegnerschaft gegen Gottes Rechtsaufgebot entfaltet sich gegen die Getauften erst recht, weil diese noch im Bereich von σάρξ und ττνεΟμα leben (vgl. 2. Kor. 10,3), ohne daß die σάρξ noch das Maß ihres Handelns wäre. Aus dieser Situation heraus erklärt sich auch die paradoxe Aufforderung des Paulus, das Leben im Geiste durch einen entsprechenden Wandel zu bewahren : Gal. 5,25. Den Grund dafür gibt Gal. 5,17 an : Die σάρξ ist eine dem Gottesgeist feindlich gesinnte, dämonische Macht. Während die militia Christi Dienst unter Gottes Recht ist und dem werbenden Zuruf an den Nächsten, also der Ausbreitung der Gotteswelt (qua Kirche) dient, ist die Mahnung, die Taufgabe durch den Wandel zu bewahren, in der Tatsache begründet, daß sich alle Welt wider die Getauften mit dem Ziel verschworen hat, ihnen ihren Glauben, ihre Gerechtigkeit und damit ihren Taufgeist streitig zu machen. Nur wer in solchem Kampfe wachsam, d.h. Vgl. B U L T M A N N , Theol.3 S. 2 9 5 . Vgl. S C H L I E R , Gal.12 ζ. St.; O. Kuss, Römer S . 1 2 9 ; G. B O R N K A M M , Ende des Gesetzes, S. 3 3 Anm. 6 6 ; E. K Ä S E M A N N , Gottesgerechtigkeit, S. 3 6 8 u.a. 3 Gegen L I E T Z M A N N , Rom.4 z. St. * Vgl. M I C H E L , Z. St. und G. B O R N K A M M , Ges. Aufs. II, S. 9 9 . 1

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aber zugleich in der lebendigen Gefolgschaft Christi bleibt, wird von der σάρξ und ihrem Gefolge nicht übermannt, weil der im Getauften selbst kämpfende Christus ihn schützt (Phil. 4,13). Es geht in der paulinischen Ethik also um einen doppelten Sachverhalt : Um den Dienst am Nächsten und zugleich den Schutz des Täuflings gegen die Übermacht der σάρξ. In diesem Kampf steht der Christ darum, weil seit seiner Rechtfertigung in der Taufe sein eigener Leib Treffpunkt der beiden Äonen, von σάρξ und πνεύμα geworden ist. Wie aber sieht nun der Stand des kämpfenden und auf das Gericht nach den Werken zugehenden Gerechtfertigten aus? Folgende Lösungen bieten sich zum Problem der doppelten Rechtfertigung an : Die Erklärung, es handele sich um einen „mißverständlichen" jüdischen Rest im paulinischen Denken (R. BULTMANN1). Die Erklärung, die Aussagen seien echt paulinisch und wünschten einen Ansporn der Ethik (0. Kuss 2 ). Auf protestantischer Seite vertreten diese Sicht bisher am prägnantesten J. JEREMIAS3 und Theol. 3 S. 263. Römerbrief, S. 1 2 2 1 1 2 7 - 1 2 9 . 3 Paul and James, S. 370. Ich zitiere die z . T . schwer zugänglichen Aussagen von J. JEREMIAS wegen ihrer außerordentlichen theologischen Tragweite wörtlich: „ O n e point remains t o be cleared up, the twofold justification. Usually Paul is speaking of the justification in the present or in the past tense - 'Being justified b y faith' (Ro. 5,1), Ά man is justified' (Gal. 2,16), b u t in a number of places the justification is spoken of as a future event. 'They shall be justified' (Ro. 2,13); 'we seek to be justified' (Gal. 2,17); 'we wait for the hope of righteousness b y faith' (Gal. 5,5). Here justification is an event in the future. Is this then a contradiction? No, for we meet this same twofold emphasis everywhere in the Pauline letters. A l l the great gifts of God are present possessions and objects of hope. This means t h a t justification b y baptism does not exempt one from the last judgement. It imposes an obligation. I t is no dead possession (toter Besitz), it is the beginning of a movement towards the Telos. All gifts from Christ can be spoiled. The justified still stands in the fear of God. Justification is in the tension between possession and hope. The Christian is looking forward t o justification in the last judgement. - So we have a twofold justification and there is a difference between t h e m : the one (at baptism) is a justification b y faith; the other (at the last judgement) is a justification b y faith which worketh b y love, i. e. aus gelebtem Glauben, b y faith realized in life b y l o v e . " Bei diesem Nebeneinander läßt es JEREMIAS jedoch nicht bewenden. E r sieht, daß Paulus beherrschend von der Taufrechtfertigung spricht. V o n der Endrechtfertigung spricht ebenso prägnant Jakobus. Beide stehen aber nicht in Gegensatz zueinander, weil erst ihre Spannungseinheit der Verkündigung Jesu selbst entspricht: In der Bergpredigt stehen Mt. 5,3ff. und 7,21 ff. in ein und demselben Zusammenhang! S. 371 : „ S o James ch. 2 has its full right to stand b y the side of Paul. For James also, like Paul, is repeating w h a t Jesus said. Paul repeats Mt. 5,3, James repeats Mt. 7,21 ff. W e m a y stress this observation - that Paul is representing the beginning, whereas James is representing the end of the Sermon on the Mount. For this m a y well help us t o formulate their position more precisely. Instead of saying James has his full right to stand b y the side of Paul (as if they were on the same level representing only alternatives), we ought t o say, James has his full right to stand after Paul. His message can be understood only after Paul has been understood." D a s Geschick dieser Lösung ist bewundernswert. Ohne die Freiheit des Historikers anzutasten, muß man jedoch hervorheben, daß Luther bereit war, für das E n t weder-Oder der hier vereinigten Positionen in den Tod zu gehen (Schmalkald. Art. I i i ) . Die hier von JEREMIAS vorgetragene Sicht der Dinge wäre Luther und Calvin als klassischer Katholizismus erschienen. Selbst wenn JEREMIAS der Meinung wäre, daß Luthers (und Calvins) Position auf einem exegetischen Irrtum, bzw. auf einer Unkenntnis Jesu, 1

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W. J0EST1. JOEST zeigt die protestantische Verlegenheit angesichts des Problems aufs schönste : Nachdem er die Tatbestände bei Paulus und die verschiedenen, unbefriedigenden exegetischen Lösungsversuche referiert hat, findet er selbst nur folgenden Ausweg: „Wollen wir darauf verzichten, die paulinischen Aussagen dogmatisch aufeinander zu zu interpretieren, und wollen wir auch den bequemen Ausweg einer willkürlichen Eklektik verschmähen, so bleibt uns nichts anderes übrig, als unter dem Widerspruch zu verharren und ihn durchzustehen." 2 Ehe wir selbst diesen in die existentielle Praxis weisenden Ausweg wählen, müssen wir darauf aufmerksam machen, daß Paulus selbst anscheinend die Dinge ja keineswegs so widersprüchlich erschienen sind wie uns heute ! E. JÜNGEL sieht dies und versucht durch eine am Gesetz orientierte Existenzdialektik weiterzukommen: Unglaube und Glaube unterscheiden sich durch ihre Stellung zum Gesetz. Der Unglaube steht unter dem Gesetz und verfällt dem Gericht nach den Werken, weil seine Werke gegen ihn sprechen. Der Glaube aber ist zur Freiheit vom Gesetz gelangt und erfüllt dieses freudig in der Liebe. Wenn von Paulus dennoch der Grundsatz vom Gericht nach den Werken festgehalten wird, kann dies für den Glauben nur heißen, daß „die Rede vom Gericht nach den Werken zur Einübung der Glaubensgerechtigkeit in die Existenz des Christen (wird), nicht πάλιν sîç φόβον (Rom. 8,15), sondern zur Freude an der Freiheit des Glaubens (cf. Rom. 15,13; 12,12; 2. Kor. 13,11; Phil. 3,1; 4,4; ι . Thess. i.6ff.) - frei vomZwang zum Werk und so wirklich frei zum Werk" 3 . Da diese Existenzdialektik von sub lege und supra legem die uns bewegende paulinische These vom Gericht nach den Werken für den Christen zu einer pädagogischen Maxime zur Einübung im Christentum (um-) interpretiert und so dem paulinischen μετά φόβου και τρόμου (Phil. 2,12 vgl. auch Phil. 3,12ff.; ι . Kor. 9,24ff.) durchaus nicht gerecht wird, halten wir auch diesen Ausweg für nicht gangbar! Wirklich paulinisch erscheint uns nur der folgende: Paulus wußte sich und alle Christen in der Taufe mit Gottes Geist beschenkt und d.h. der schaffenden Gewalt des göttlichen Wortes unterstellt. Die jüdische Anschauung von der weltenerstellenden Gewalt des Wortes und die hellenistische Sicht von der machtgeladenen Substanz des Geistes gehen bei Paulus eine Einheit ein, welche für ihn innerhalb seines eschatologischen Entwurfes nun auch die Frage nach dem Endgericht einerseits lösbar und andererseits auch erforderlich machte. Die Lösung liegt für Paulus darin, daß er das Gericht nach den Werken für den Christen als Gericht über die diesem noch anhaftende σάρξ versteht, daß ihm aber die Taufgabe des Geistes Pfand und Siegel für die auch das Gericht überdauernde Treue beruht, müßte die in Frage stehende Problematik den protestantischen Exegeten auf jeden Fall zwingen, seine Exegese theologisch schärfer zu reflektieren. E s geht hier j a in der T a t um Recht oder Unrecht der Reformation! Vgl. KÜMMEL, Einleitung, S. 301 f. 1 Gesetz und Freiheit 3 S. 165-176. 2 A . a . O . S. 176. 8 Gesetz zwischen Adam und Christus, S. 73 (bis in die Formulierung hinein gleich : Paulus und Jesus, S. 69).

D i e paulinische Rechtfertigungslehre

231

des Schöpfers zu dem Getauften bleibt! Wenn man tatsächlich auch für Paulus eine Verbindung von Geist und Wort Gottes annehmen darf, kann man Rom. 9,6 a als Grundsatz auch über die Gerichtsaussagen des Paulus schreiben: Im Kampf des Christen in der Welt geht es, auf den Christen gesehen, um die Bewahrung der Gottesgabe in ihm durch die tätige Liebe. Wer um Christi willen liebt und leidet, steht in Lebenseinheit mit dem liebenden und leidenden, gegenwärtigen Christus, so daß die Welt, die σάρξ und die αμαρτία am so kämpfenden Christen keine Macht mehr haben, weil Christi eigene Macht im Christen über sie triumphiert (Gal. 2,20). Wer die Liebe läßt - ein Fall, den J Ü N G E L nicht bedenkt - , gewährt dem Christus keinen Raum in sich, und über ihn gewinnt daher die αμαρτία auch dann Gewalt, wenn er in der Taufe mit Gottes Geist beschenkt war. Doch auch in diesem Falle ist sich Paulus noch gewiß, daß Gott seine designierte Neuschöpfung am Tage des Gerichtes retten wird: 1. Kor. 5,5 (vgl. 3.I5) 1 . Es gilt also tatsächlich: Ο ύ χ οίον δέ ότι εκπέτττωκεν ό λ ό γ ο s τ ο υ 3εο0 (Rom. 9,6a) ! Das sola gratia bleibt also in jedem Falle gewahrt, und die Rede von dem Gericht nach den Werken auch über den Christen dient dazu, das sola gratia als Ehrfurcht vor dem Recht Gottes einzuüben ! - Wenn Paulus von dem Ruhm spricht, welcher ihn selbst - vielleicht (1. Kor. 4,4) ! - am Jüngsten Tage erwartet, und von dem himmlischen Lohn (z.B. 1. Kor. 9,130.; Phil. 2,16 u. ö.), so ist dabei an den über die Stellung des Paulus im Gottesreich entscheidenden Gottesspruch gedacht (vgl. Mt. 5,19; 11,11). Die Annahme durch Gott aber ist auch für Paulus, wie für jeden Christen, die Gabe Gottes an das nichtige Geschöpf (Rom. 8,31-39; 1. Kor. 4,4; 15,10; 2. Kor. 12,9; Phil. i,i8ff.). Die Lösung der Frage nach dem Endgericht über den Christen wird von Paulus also erzielt mit Hilfe der bis in die Anthropologie vorstoßenden Dialektik von σάρξ und πνεύμα 2 . Das heißt: Der mit der Taufe gesetzte und auf das Endgericht zuführende Kampf des Christen wird zwar ethisch ausgefochten, aber nicht mehr ethisch entschieden, weil es in ihm um den Machtkampf Gottes des Schöpfers mit den Mächten dieser Welt geht. E. F U C H S konnte deshalb einleuchtend (mündlich) sagen, die Rechtfertigung erfolge nicht durch die Werke, aber im Werk des Gehorsams. Genau deshalb aber wurde die Lösung, die von Paulus vorgetragen wird, auch erforderlich. Seiner Eschatologie (und Erfahrung !) nach steht die Zeit 1 D i e Stelle zeigt deutlich, daß es bei der Rechtfertigung in der T a u f e um mehr g e h t als u m eine ethische Neuermächtigung. E s g e h t um das Festhalten des Schöpfers an seinem seinsgründenden W e r k . Dieses neue Sein h a t sein H a u p t m e r k m a l in der R e l a tionalität. E s ist existentia aus G o t t e s W o r t heraus in Gottes W o r t hinein. Die ethischen Kategorien, die j e t z t auch wieder G . DELLING in seiner Kritik an BULTMANNS Sicht der Rechtfertigung (Zum neueren Paulusverständnis, N o v T e s t 4, 1960/61, S. 95 bis 121) zur Beschreibung des Rechtfertigungsstandes heranzieht, sind diesem Sein nicht angemessen. z Dies haben bereits ins A u g e g e f a ß t : FR. BÜCHSEL, Art. κρίνω, T h W b I I I , S. 939,3S. und H . LIETZMANN, An die Korinther 4 , S. 1 2 2 I (Exkurs zu 2. Kor. 5,10).

232

Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

der endgültigen Gottesnähe ja noch aus. Paulus muß auf diese Zeit hoffen, weil nur die neue Gotteswelt die begonnene, in der Gemeinde repräsentierte neue Schöpfung vollenden, die Welt der Anfechtung vernichten, die Sünde abtun und Gottes Herrschaft ans Licht bringen kann 1 . Die Taufrechtfertigung ist erst der Aufgang des Gottesrechtes in seiner schöpferischen Treue, das Endgericht aber der Zeitpunkt seiner endgültigen Epiphanie! Über Taufe und Gericht steht das sola gratia deshalb, weil in beidem allein der Schöpfer wirkt: Wie der Glaube Gottes Werk für den Menschen ist (Gal. 3), so bleibt auch die den Geist als schöpferische Kraft der Rechtfertigung im Menschen bewahrende Liebe Gottes Liebe (Rom. 5,5). Daß Paulus in diesem Entwurf einer in zwei Stadien zerdehnten (einen, nicht etwa: doppelten) Rechtfertigung nicht etwa apokalyptisch konstruiert, sondern eine der johanneischen mindestens ebenbürtige Welt- und Existenzdeutung gibt, zeigt die höchst interessante Parallelität von παθήματα Χρίστου Phil. 3,io; 2. Kor. 1,9 und πα9ήματα τοΟ vöv καιρού Rom. 8,18 : Das die Welt anonym knechtende Leiden wird für (und an !) den Christen durchsichtig als der von Christus eingeleitete Kampf des Schöpfers mit den Mächten der Welt um das Recht an seiner Schöpfung. Paulus wird zu seinem Entwurf also durch die Erfahrung genötigt, daß die Gegenwart eine Gegenwart des Todes und des Leidens ist und daß beides der Vollmacht des Schöpfergottes widerspricht. Mit der Taufe ist das Eschaton noch nicht da, sondern der Tod noch immer der sichtbare Regent der Welt. Gottes Gottheit entspricht aber nur eine neue Welt, in welcher der Tod besiegt und zunichte geworden ist (1. Kor. I5,26.54f.). Man sollte sich hüten, diese Sicht des Paulus wegen ihres metaphysischen Horizontes und Geistverständnisses zu rasch unter dem Verdikt des Enthusiasmus oder der Mythologie abzutun. Ehe wir diese Sicht der Dinge ein letztes Mal an Phil. 3,12 ff. und 2,12 ff. zu bewähren suchen, schauen wir zurück. Die paulinische Eschatologie kreist um den Gedanken des Zu-seinem-Recht-Kommens Gottes. Die paulinische Christologie gab dieser Eschatologie ihren konkreten, geschichtlichen Horizont : durch Christus, an Christus und mit Christus soll Gott zu diesem seinem Rechte kommen. Mit Hilfe des Begriffes σώμα Χρίστου erhob Paulus seine Ekklesiologie zu einer Funktion dieser Christologie: Die Kirche ist das Aufgebot Christi, in dem Gott im Vorgriff auf die ganze Welt zu seinem Rechte kommt. Kirche ist für Paulus die dem Ruf des Christus gehorchende Schar der freien und gerade deshalb bedrohten Geschöpfe Gottes. Nun ist noch die Rechtfertigungslehre in diese Theologie einzuordnen. Sie ist mit ihren anthropologischen Aussagen die Spiegelung, besser: die Tiefendimension der paulinischen Eschatologie, man könnte auch sagen: Die anthropologische Durchführung der eschatologischen Christologie des Apostels und der ihr untergeordneten Ekklesiologie. Wie es zugeht, daß 1

Vgl.

KÄSEMANN,

Urchristl. Apokalyptik, S. 283.

Die paulinische Rechtfertigungslehre

233

einer zum Glied am Leibe Christi wird, zum Gefolgsmann Christi und eben damit zu einem neuen, freien Geschöpf des auf sein Recht als Heil der Welt bedachten Gottes - dies zeigt die paulinische Rechtfertigungslehre. Phil. 3,i2ff. und 2,i2ff. werden immer wieder als Belege dafür herangezogen, daß auch für Paulus das christliche Sein nur erst ein Sein in der Bewährung ist (vgl. auch die Parallele 1. Kor. 9,240.). Meint es Paulus tatsächlich so, dann ist der Widerspruch zwischen den zwei Stadien, in welche die Rechtfertigung in den Paulinen zerdehnt wird, tatsächlich nur noch existentiell auszustehen, theologisch läßt er sich dann nicht mehr bewältigen ( J O E S T ) . Das Recht von der These des Seins in der Bewährung 1 ist nunmehr an Phil. 3,i2ff. und 2,i2ff. zu prüfen. Man wird bei der Exegese von Phil. 3,12 ff. unbedingt beachten müssen, daß sich Paulus in Phil. 3 - ähnlich wie in Korinth - gegen eine enthusiastische Überfremdung seiner Gemeinde zur Wehr setzt8. Der enthusiastischen Front gegenüber kommt Paulus alles darauf an, den christlichen Stand als Stand in der Anfechtung zu zeichnen. Würde die Gemeinde den Enthusiasten folgen, so würde sie ihrer Taufgabe verlustig gehen dadurch, daß sie die sie bedrohenden Mächte σάρξ und αμαρτία nicht mehr ernst genug nähme. Ihr ginge die ihr neues Sein aktualisierende und bewahrende Kraft der wirklichen Liebe und damit ihre Rechtfertigung verloren. Paulus gibt deshalb in V. 15 den sogenannten τέλειοι alles zu denken frei, bis auf dies eine : daß Christsein kämpfendes Unterwegssein ist. Er bittet beschwörend um die Bewahrung dieser Einsicht in V. 16. In dem eigentlichen Text V. 12-14 stellt sich Paulus selbst als Modell des seine Situation realistisch sehenden Christen dar (vgl. V. 17: συμμιμηταί μου γίνεσΒε, ähnlich ι. Kor. 11,1; 4,16). Paulus weiß sich in seiner Taufe von Christus ergriffen (3,12b vgl. Rom. 9,30). Auf sich selbst gesehen jedoch, hat Paulus noch nicht ergriffen und ist deshalb noch keineswegs am Ziel (3,12 a. 13 a). Daß Paulus so spricht, weil er sich von der σάρξ angegangen, bzw. auf dem Schlachtfeld der Äonen weiß, macht die Parallelstelle 1. Kor. 9,240., bes. V. 27 deutlich. Paulus bedient sich zur Schilderung dieses Tatbestandes des auch sonst im Urchristentum beliebten Bildes vom sportlichen Wettkampf. Ihm, dem Kämpfer, winkt die κλησις Gottes, die in Christus bereits ergangen ist und deren Vollendung noch aussteht. Daß hier erneut die Gottes schöpferisch-erwählende Worttat umschreibende Wortgruppe καλεϊν auftaucht, ist nicht zufällig. Sie beherrscht ja, wie wir zu Rom. 4,17; 8,29!; 9,12.23t. sahen, die Rechtfertigungsterminologie. Die κλήσις Gottes ist in derselben Weise gegenwärtig wie die Gerechtigkeit des Getauften (Phil. 3,9), und sie ist in dem Maße noch einlösungsbedürftig, wie auch dieser Getaufte sich nach der ManiAuch KÄSEMANN sieht die Dinge so: a.a.O. S. 283. Das hat SCHMITHALS, Die Irrlehrer des Philipperbriefes,ZThK54 erweisen können. 1

2

(1957) S. 322-327

234

Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

festation der Gerechtigkeit sehnt (Gal. 5.5) 1 . Paulus hofft, daß die in der Taufe ausgesprochene κλήσις Gottes sich endgültig manifestieren wird, und sieht darum in ihr ein in die Gegenwart hereinragendes Hoffnungsgut. Von dieser κλήσις betroffen zu sein, heißt von Christus ergriffen zu sein (V. 12b). D a ß Paulus tatsächlich auf diese Weise Taufe/Rechtfertigung (V. 9) verbindet, zeigt der Zusatz zu κλήσις: έν Χ ρ ι σ τ ώ ΊησοΟ. Dieser Zusatz macht deutlich, was Paulus überhaupt dazu treibt, Christentum im Unterwegssein zu zeichnen : Christliches Dasein ist solches nur als Tiefendimension der mit Christus heraufgeführten Eschatologie, und d.h. konkret Nach- und Mitvollzug des Christusschicksals. Paulus hatte bereits in PhD. 1,29, also in einem den Äußerungen von c. 3 vorangehenden Philipperbrief 2 , den Philippern das Leiden als Gabe gerühmt, d.h. als ein die Verbundenheit mit Christus dokumentierendes Geschick. D a ß Paulus die Teilhabe an den π α θ ή μ α τ α und am θάνατος des Christus als notwendige Konsequenz der Rechtfertigung ansieht, zeigt erst Phil. 3 , i o f . Das Bild vom Wettkampf ist in 3,12 f. die paränetische und dazu antienthusiastische Version dieser grundsätzlich christologischen Existenzdeutung des Paulus. Dann aber geht es in unserem T e x t um die Bewahrung der durch die Berufung in der Taufe gestifteten Gottesnähe in einem Leiden, das die Hoffnung stählt und über dem sich die totenerweckende Macht Gottes erst sieghaft zeigen wird: V. Ii.14.

Man sollte den von Paulus hier anvisierten Tatbestand nicht unter das Stichwort „Bewährung" fassen, obgleich Paulus selbst die Wortgruppe δόκιμος usw. verwendet und in der Parallele zu unserem Text 1. Kor. 9,27 ausdrücklich gebraucht. Rom. 5,4f. und 2. Kor. 10,18 zeigen ja eindeutig, daß Paulus den traditionellen ethischen Gedanken der Bewährung, der dann bei Matthäus, in den Pastoralen und in den katholischen Briefen wieder stark hervortritt, umzuformen bestrebt ist. Paulus versteht unter der „ B e währung" des Christen nur in dem Sinne ein um das eigene Heil besorgtes Tätigwerden vor Gott, daß dieses Tätigwerden zugleich zu einem wider die unbotmäßige Welt ankämpfenden und damit zugleich werbenden Zeugnis christlicher Freiheit wird. U m diese Grundintention des Paulus hervorzuheben, sprechen wir lieber davon, daß Paulus seine Gemeinden und sich selbst aufruft, ihren Taufstand kämpfend zu bewahren. Der Beweisgang in 1 SCHLIER, Der Brief an die Epheser 2 , S. 83f. sagt zu Phil. 3,14 sehr schön:,, Der 'in Christus' bestehende, ergangene und ergehende Ruf Gottes ist auch unsere Zukunft, die uns im Evangelium sich selbst voraus eingeholt hat und einholt; und zwar so, daß wir, sie bzw. ihn im Ohr, im Leiden in sie vorlaufen, freilich ohne sie von uns aus je wirklich einzuholen, bis sie sich als erstrebte Gabe selbst und offenbar und endgültig einstellt. Gerufen und im Ruf weilend, eilen wir dem Rufe zu. Im Rufe aber, der die Tiefe der Zukunft Gottes hat, eröffnet sich uns Christus und seine heilsame Dimension, die Dimension der Gnade, des Friedens, der Freiheit und wie sie sonst je nach der Hinsicht genannt wird, z . B . auch der Hoffnung."

Zur literarkritischen Aufteilung des Philipperbriefes vgl. SCHMITHALS a. a. O. bes. 30g Anm. 3.

2

S.

Die paulinische Rechtfertigungslehre

235

Phil.2,12 ff. zeigt, daß wir Paulus damit nicht in ein protestantisches Schema zwängen, sondern seiner Anthropologie gerade folgen. Paulus ruft hier die Philipper auf, die eigene σωτηρία ( = Rettung im Endgericht) zu erwirken. Er begründet diesen Imperativ aber mit dem erstaunlichen Satz, daß Gott selbst die Kraft, Zielsetzung und das Gelingen dieses Kampfes um das Heil gewähre. Wie Paulus zu diesem Satz kommt, zeigt Gal. 2,20 : Die Christen sind in ihrem auf das Endgericht zugehenden Kampf milites Christi, d.h. Zeugen der in ihnen wirksamen neuschaffenden Gottesmacht. Sie kämpfen, wie unser Text zeigt, in einer von Gott abgekehrten Welt, glänzen hier aber bereits als die kämpfenden Gerechten (vgl. Dan. 12,3 ; Rom. 3,23; 8,30b), d.h. als die sichtbaren Abbilder der strahlenden, zukünftigen Gotteswelt. Diese Gotteswelt ist mit der Taufrechtfertigung über ihnen angebrochen, aber erst in der Weise des verheißenden Gotteswortes, und deshalb besteht der Kampf der Christen gegenwärtig darin, dieses verheißende und dennoch bereits schöpferische Gotteswort festzuhalten und seine Gabe der Freiheit zu bewahren (Phil. 2,15.16a). „Paulus ... redet nicht davon, daß die beiden Sätze (sc. V. 12 b und 13) sich ergänzen, daß also des Menschen Fähigkeit bis zu einer gewissen Grenze reicht, bis sie dann von der übernatürlichen Gnade weitergeführt werden muß, sondern er meint, daß beide Sätze sich begründen. Weil Gott alles wirkt, darum habt ihr alles zu tun." „ E s gibt keinen treffenderen Ausdruck als das Wort Phil. 2,12f. für die Unbegrenztheit der Macht Gottes und die Freiheit seiner Gnade, zugleich aber für des Menschen Begrenztheit und seine Unfreiheit vor Gott, für die Unbedingtheit der göttlichen Forderung, zugleich aber auch für die Bedingtheit des Menschen", schreibt G. BORNKAMM1. ES ist dem nur noch hinzuzufügen, daß eben dieser selbstvergessene Dienst der Christen für Paulus nach Gal. 5,13 das eigentliche Zeichen christlicher Freiheit und damit die Signatur der Existenz ist, die, wie wir mit FUCHS sagten, im Werk selig ist und selig wird in ihrer Tat. Nur wenn man die antienthusiastische Tendenz des Wettkampfbildes in Phil. 3,12ff. (1. Kor. 9,24ft) übersieht und nicht auf das Paulus zu seinen Ausführungen nötigende Motiv, den realistischen und eschatologisch vertieften Blick auf die Gegenwart als einer Zeit des Leidens im Namen Christi, achtet, wenn man ferner Phil. 2,i2ff. isoliert betrachtet, erst dann werden beide Stellen zu testimonia für eine zur Endrechtfertigung führende und nach des Menschen freistellender Tat rufende Bewährungsethik, in die Paulus auch nicht mit seiner These vom Endgericht nach den Werken, sondern in die erst seine Schülerschaft zurückgefallen ist. Wir haben dies schon am Epheserbrief gesehen und müssen es noch an den Pastoralbriefen erweisen. Außer an der schon behandelten Stelle i.Tim. 3,16 gebrauchen die Pastoralen und δικαιοσύνη durchweg zur Bezeichnung von tugendhafter Rechtschafienheit: i.Tim. 1,9; 6,11; 2. Tim. 2,22; 4,8 (hier ist der traditionelle Begriff ó της δικαιοσύνης

δίκαιος 1

Ges. Aufs. IT S. g i f . (Hervorhebungen bei B.).

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Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie

στέφανο; 1 zum Siegeszeichen dessen geworden, der diesen Preis selbst errungen hat!) Tit. 1,8; 2,12. Beachtenswert ist nur Tit. 3 , 4 - 7 und 2. Tim. 1,9. Beide Male zitiert der Verfasser der Briefe Stücke der Taufliturgie, beide Male sind - ebenso wie Eph. 2,5 die von der Rechtfertigung aus Gnaden betont sprechenden Satzteile : ού κατά τ ά εργα ημών άλλά κατά ιδίαν trpóSeatv και χάριν (2. Tim. 1,9b) und ούκ έξ έργων των Ιν δικαιοσύνη â έποιήσαμεν ήμεϊζ αλλά κατά τό αύτοϋ έλεος (Tit. 3,5) in den Text stilistisch so eingefügt, daß man weder von einer (aus der Theologie der Pastoralen nicht verständlichen!) Glossierung, noch von einem flüssigen Text sprechen kann. Vielleicht stoßen wir hier erneut auf das schon zu Eph. 2 vermutete Schema einer ursprünglich zweichörigen Taufliturgie, wobei diesmal die Zwischenschübe Worte des Neophyten wären. Beide Male zeigt aber der Kontext der Tauftradition, daß die paulinische Rechtfertigungslehre nicht mehr durchgehalten wird. Tit. 3,8 ff. und 2 , 1 1 ff. beweisen ebenso wie 2.Tim. i , 7 f i . i 3 f f . , daß Gottes erbarmende Rechtfertigung die Täuflinge nur wieder auf den ihre Hoffnung auf ewiges Leben begründenden Weg ihrer eigenen guten Werke zurückgestellt hat. Damit sind auch hier von der paulinischen Sicht der Rechtfertigung nur Rudimente erhalten, und die Theologie geht wieder im Spätjudentum vorgezeichnete Wege.

Nachdem sich die Gerechtigkeit Gottes als befreiendes Recht des seiner Schöpfung treuen Gottes erwiesen hat und dieser Begriff zudem als Zentrum der gesamten paulinischen Theologie bezeichnet werden konnte, hat sich nun zuletzt ergeben, daß die Rechtfertigung selbst als göttliches Schöpfungshandeln aufgefaßt werden muß. Rechtfertigung des Gottlosen meint bei Paulus den Anbrach der neuen Schöpfung über und in dem Täufling in Form einer seinsgründenden, worthaften Rechtsmanifestation. Paulus versteht diesen Vorgang, wie zuletzt wieder Phil. 3 , 1 4 κλήσις und besonders schön 2 , 1 6 : λόγου ζωής επέχοντες zeigten, als Wortgeschehen. Dieses Wortgeschehen hat Verheißungscharakter und weist auf die Zeit der endgültigen Rechtsnahme Gottes voraus. Dies Wortgeschehen hat aber auch Schöpfungscharakter, so daß man von der Stiftung eines neuen Seins in der Rechtfertigung sprechen muß. Dieses neue Sein ist ein Relationsbegriff2 und heute und hier nur erst in den Zeichen der Freiheit, der Hoffnung, der Liebe, des Gehorsams und des Vertrauens auf das Wort sichtbar, in dem es gründet und aus dem es seine Vollendung erfahren wird. Die Rechtfertigungslehre des Paulus ist also alles andere als eine bloß antirabbinische Kampfeslehre, wie man seit F . CHR. BAUR immer wieder gemeint hat. Sie ist die Mitte der paulinischen Soteriologie und als solche die Tiefendimension der von der Eschatologie her aufgebauten Theologie des Paulus. 1

Vgl. GRUNDMANN, Artikel στέφανο*, T h W b V I I , S . 626,8FF.23FE., 628,I6FÍ. Vgl. E . FUCHS: „ W i r können den Begriff des Seins ... nur dann in die Theologie aufnehmen, wenn das Sein ... ein Relationsbegrifi werden kann" (Die Spannung im neutestamentlichen Christusglauben, Z T h K 59, 1962, S. 33). 2

F. A U S B L I C K Unsere bislang erzielten Ergebnisse sind historischer Natur und können nur eine Voraussetzung sein für die Interpretation. Solche Interpretationsarbeit ist erforderlich, weil jeder historische Text und die paulinischen Aussagen von der δικαιοσύνη 5εοΰ zumal, heute theologisch zur Sprache gebracht werden wollen. Die paulinische These von Gottes δικαιοσύνη ist jedoch so umfassend, daß ihre Interpretation einen theologisch-systematischen Gesamtentwurf verlangt 1 . Ein solcher Gesamtentwurf könnte nur in eingehender Diskussion mit der Systematik gewagt und vorgetragen werden, sprengt also die Grenzen unserer Arbeit bei weitem. Wir versuchen daher nur, an drei Stellen eine Art Ausblick auf die Interpretation zu geben, welche nun in Angriff genommen werden muß. Wir fragen zunächst nach der systematischen Relevanz der paulinischen δικαιοσύνη Seoö. Damit verbindet sich die Frage nach einer der δικαιοσύνη ·9εοΰ angemessenen und heute tragbaren Christologie. An diesen beiden Stellen überschneiden sich historische Arbeit und systematische Interpretationsaufgabe so sehr, daß das Urteil des Exegeten systematisch höchst belangreich und die Interpretation des Systematikers historisch unbedingt verifizierbar sein muß. Die erste Frage muß dabei vor der zweiten beantwortet werden, und die zweite hat zugleich den Sinn, die erste zu verifizieren. Beide Fragen zusammen ergeben erst die Möglichkeit, drittens zu fragen, was Rechtfertigung heute systematisch besagen könnte2. 1 Die treffendste Skizzierung des in Frage stehenden Sachverhaltes hat K . BARTH im Leitsatz seiner Versöhnungslehre gegeben: „Der Gegenstand, Ursprung und Inhalt der von der christlichen Gemeinde vernommenen und verkündigten Botschaft ist in seiner Mitte die freie T a t der Treue Gottes, in der er die verlorene Sache des Menschen, der ihn als seinen Schöpfer verleugnet und damit sich selbst als sein Geschöpf ins Verderben gestürzt hat, in Jesus Christus zu seiner eigenen Sache macht, zu ihrem Ziele führt und eben damit seine eigene Ehre in der W e l t behauptet und anzeigt" ( K D IV, Ι S. I). In seiner Behandlung der Rechtfertigungslehre hält BARTH diesen Grundsatz m. E. selbst nicht in einer Paulus angemessenen Weise durch. Das wäre nämlich erst dann der Fall, wenn die iustificatio impii tatsächlich als „ K a n o n göttlichen Handelns" aufgefaßt und dies dann systematisch auch durchgeführt würde (vgl. W . DANTINE, Die Gerechtmachung des Gottlosen, München 1959, S. i n f f . , bes. i i s f f . ) . E . WOLF hat in einem Aufsatz über „Die Rechtfertigungslehre als Mitte und Grenze reformatorischer Theologie" (EvTheol 9, 1949/50, S. 298-308) die sich stellende Aufgabe vom theologiegeschichtlichen Standpunkt aus umrissen. Wir versuchen, seine Thesen im folgenden mitzubedenken. 2 Wie wir uns das Gespräch mit der Systematik zur Eschatologie und Ekklesiologie denken, versuchen die Anm. 2 S. 206 u. 1 S. 215 anzudeuten.

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Ausblick

I. Gottes befreiendes Recht Paulus übernimmt den Begriff δικαιοσύνη Seoö der spätjüdisch-apokalyptischen Theologie seiner Zeit, wendet ihn aber zugleich kritisch gegen diese Apokalyptik und versteht darunter das seinsgründende, befreiende Gottesrecht. Das griechische Rechtsdenken spielt im vorpaulinischen Werdegang des Begriffes keine Rolle und wird überhaupt erst durch die Übersetzung des term, techn. npnx ins Griechische angesprochen. Daß der Begriff dadurch an Vielschichtigkeit gewinnt und bei den Adressaten der paulinischen Verkündigung griechische Verstehensassoziationen geweckt haben wird, ist zu vermuten1. Ebenso deutlich aber scheint mir, daß Paulus dem durch seine traditionell gebundene jüdische Verwendung des Begriffes zu steuern versucht hat. Konstitutiv ist also für δικαιοσύνη 3εοϋ zunächst nur das Verhalten des auf das Heil der Schöpfung bedachten, über die Schöpfung herrschenden und sich deshalb ihr gegenüber herrscherlich durchsetzenden Gottes. Dieses Verhalten weiß Paulus in οργή 3εοϋ und δικαιοσύνη Βίου bestehend. όργή 3εοΰ ist das Gerichtswalten, δικαιοσύνη ΒεοΟ Gottes heilschaffend wirksames, die Welt nach Gottes Maß gestaltendes Recht. Daß Paulus selbst, wo immer er den Begriff gebraucht, das Heil der Schöpfung im Auge hat, haben wir gesehen, δικαιοσύνη θεοϋ ist für ihn nur insoweit ein in die Anthropologie transzendierender Begriff, als die Menschheit, im Vorgriff auf sie die Kirche und erst aus ihr heraus der Einzelne, in Gottes heilschaffendes Schöpferwalten einbegriffen wird. Weiterhin ist zu bedenken, daß von Paulus δικαιοσύνη Ssoö als Walten des schöpferischen Gotteswortes gedacht wird. Darum wird die δικαιοσύνη 3εου im und durch das Evangelium offenbar. Das Ereignis dieser worthaften, jedoch noch verborgenen Proklamation des Gottesrechtes weist auf die endgültige Manifestation dieses Rechtes an und in einer neuen Welt voraus und ist deren Antezipation. Urbildlich hat sich Gottes δικαιοσύνη in Tod und Auferweckung Christi offenbart als die den Tod leibhaftig überwindende Gottesmacht. Wo das Evangelium sich in der Predigt des Apostels ereignet, wird δικαιοσύνη ·9εο0 darum als die den Tod bezwingende Schöpfermacht manifest, doch nur erst in einer Form, welche die Gemeinde zur Hoffnung auf die Überwindung ihres eigenen Sterbens und Leidens ermächtigt. Die reale Macht der δικαιοσύνη 3εο0 wird für die Gemeinde nur erst im befreienden Ereignis des Wortes Gottes, welches den Christus als Auferstandenen ausruft, erfahrbar. Neben und außerhalb des Wortes kann δικαιοσύνη 3εου erst erfahren werden, wenn man dem Wort vertraut und von ihm sich in die Welt der Geschichte einweisen läßt. Das Wort ist der einzige Weg, auf dem und in dem Gott sich erschließt als der ein neues Sein schaffende Schöpfer. Das Wort Gottes ist die Schule der das Sein umgreifenden christlichen Erfahrung. Insofern ist δικαιοσύνη 3εο0 1 Vgl. E . K Ä . S E M A N N , Gottesgerechtigkeit, S. 377 (ähnlich E x . Vers. I S. 2 6 5 I und Neutestamentliche Fragen von heute, Z T h K 54, 1957, S. 15).

Gottes befreiendes Recht

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also in der Tat ein „Sprachereignis" (E. FUCHS). Dafür, daß die δικαιοσύνη Seoö, die so als die alles Sein entbergende Macht in der Hülle des Wortes durch die Welt zieht, wirklich gilt, hat sich Gott in der Sendung Jesu verbürgt. An Jesus Christus wird erfahrbar, wo und wie Gott mit der Menschheit (und darum auch mit dem Einzelnen) zu handeln gewillt ist. Gott selbst verbürgt sich mit seiner Gottheit für die Gültigkeit dieser Offenbarung. Jesus ist deshalb nicht nur das Urbild menschlichen Leidens und menschlicher Liebe, sondern ebenso der Auferstehung und damit der aus Gottes Wirken erstandenen Freiheit. Jesus Christus steht für Paulus als der Auferstandene aber nicht jenseits des verborgenen Sprachereignisses der δικαιοσύνη 3εο0, sondern er ist der Stellvertreter der Leidenden und der Offenbarer des rettenden Gottes nur im Ereignis des Wortes Gottes. Ob diese Sicht der Christologie historisch-systematisch verifizierbar ist, müssen wir gleich sehen. Jetzt ist zunächst zu fragen, ob dem von der Auferweckung herkommenden und auf die Welt der Auferstehung vorausweisenden Sprachereignis der δικαιοσύνη Seoö die heute gängige Redeweise von „Gottes Gerechtigkeit" überhaupt noch angemessen ist! Wir meinen diese Frage historisch und hermeneutisch in aller Vorsicht verneinen zu müssen ! Für Paulus ist δικαιοσύνη Seoö ja weit mehr als der Heilsspruch Gottes im Rahmen eines himmlischen Gerichts. Das Gericht wird angestrengt, um Gott in seiner δικαιοσύνη, also Gottes Recht, Anerkennung zu verschaffen. Die δικαιοσύνη des Schöpfers ist aber für Paulus der die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umspannende Erweis der göttlichen Schöpfermacht in genauer Entsprechung zum alttestamentlichen Verständnis der (ìl)pìX Jahwes. Das eigentliche Werk der δικαιοσύνη 3εο0 ist die Auferweckung von den Toten. Von daher gesehen, ist die himmlische Gerichtsszene nur der Geschehenshorizont eines viel gewaltigeren Phänomens. Wer im Gericht zu seinem Recht kommt, ist Gott der Schöpfer in seiner wirksamen Macht ! Die Rede von „Gottes Gerechtigkeit", aber auch von „Gottes Recht" ist demgegenüber (wie auch der alttestamentlichen (n)pnx gegenüber) noch zu formal1. Da wir im Deutschen keinen einheitlichen Ausdruck haben, welcher 1 Vgl. K. B A R T H , K D IV, 1 S . 576: „Der Begrifï des Rechtes ist das formale Prinzip der hier zu gebenden Erklärung. E r kann nur ihr formales Prinzip sein. Und was 'Recht' hier bedeutet, kann sich nur aus der in Frage stehenden Sache, aus der hier zu erklärenden Geschichte ergeben." Daß auf den Begriff des Rechtes nicht verzichtet werden kann, weil sonst der eindeutig forensische Horizont der paulinischen Rechtfertigungslehre verschwimmen würde, steht fest. Dennoch verleitet der Begriff „Gottes Recht" dazu, Gottes Freispruch und Gottes Zorn (griechisch) unter diesem einen Oberbegriff zu subsumieren, wie es tatsächlich ja bei B A R T H geschieht (a.a.O. S. 6oif.), wie es aber dem Denken des Paulus gerade widerspricht ! Es liegt hier der Parallelfall vor zur Wiedergabe von ( H ) P 1 2 T mit „Gerechtigkeit". K L . K O C H schreibt dazu : „Gemeinhin wird das Substantiv im Deutschen mit 'Gerechtigkeit' wiedergegeben, aber diese Übersetzung - durch das δικαιοσύνη der griechischen Bibel letztlich angeregt - verdeckt mehr als sie erklärt" (Gemeinschaftstreue, S. 73). Wir sprechen daher versuchsweise von „Gottes befreiendem Recht", um die Situation des Prozesses ebenso festzuhalten wie den eindeutig und bei Paulus ausschließlich heilschaffenden und seinsgründenden Charakter der δικαιοσύνη Seoü.

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Ausblick

das ganze Phänomen erfassen könnte, versuchen wir zu sagen: δικαιοσύνη 3εοϋ ist Gottes ständig waltende Schöpfertreue als Gottes befreiendes Recht 1 . Paulus selbst wollte die δικαιοσύνη SeoO deshalb gerade nicht nur auf das Endgericht beschränkt wissen (ein Gedanke, der auch gegenüber der alttestamentlichen Bundestreue = (Π)ρΐΧ Jahwes abwegig wäre!). Nur wenn man also vom Ereignis des befreienden Rechtes Gottes ausgeht, scheint es mir möglich zu sein, auch den Komplex der Rechtfertigung wieder zur bewegenden Mitte der Theologie überhaupt werden zu lassen. Einer besonderen Interpretation oder gar einer Entmythologisierung bedarf der Begriff nicht. Er kennzeichnet Gottes Schöpfertum als Gottes befreienden Rechtsanspruch und ist vom Phänomen her ebenso eindeutig oder zweideutig wie der Liebesbegriff. Doch wenden wir uns zunächst der Christologie zu. II. Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes Hier drängt sich heute die Frage nach der Verifizierbarkeit der paulinischen Christologie am historischen Jesus geradezu auf2. Da wir mit 1 Diese A u f f a s s u n g würde w o h l dem P r o g r a m m E . WOLFS zur R e c h t f e r t i g u n g entsprechen. E r schreibt a. a. O. S. 307 : „ V o n ihrer W e i t e her, v o n ihrer F u n k t i o n als Mitte und Grenze der V e r k ü n d i g u n g Christi durch d a s ganze christliche Dasein m u ß sie ergriffen werden, nicht dort, w o sie sich selbst zu einem Theologumenon v e r k ü r z t , zu einem k a u m mehr verständlichen Lehrstück, zu einem bloß p i e t ä t v o l l gehüteten. E r b e . D a n n aber k a n n u n d m u ß sie in neuen W o r t e n und Formulierungen dargelegt u n d gepredigt werden. D a n n k a n n sie das zeitbedingte und b e w u ß t umgelegte G e w a n d der Schulsprache der Scholastik ablegen und zu d e m Menschen v o n heute verstehbar r e d e n " (Hervorhebung bei WOLF) . 2 D a s Problem ist j e t z t thematisch aufgegriffen worden v o n E . JÜNGEL in seiner Dissertation: P a u l u s und Jesus (bes. S. 263ff.). D a wir i m Folgenden nur fragen, ob und inwiefern sich die paulinische Christologie v o m historischen Jesus her verifizieren läßt, JÜNGEL aber thematisch daran interessiert ist, die V e r k ü n d i g u n g Jesu und die paulinische Rechtfertigungslehre als zwei Stadien auf dem W e g e des Z u r - S p r a c h e - K o m mens Gottes zu erfassen, ergänzen sich unsere Fragestellungen. D i e zahlreichen Übereinstimmungen m i t JÜNGEL h a b e n wir bereits verzeichnet und werden wir noch verzeichnen. D i e Differenzen zwischen seinem und unserem A n s a t z erwachsen aus einer unterschiedlichen A u f f a s s u n g v o n Eschatologie. B e i dem Vergleich der V e r k ü n d i g u n g Jesu und der paulinischen Rechtfertigungslehre geht JÜNGEL v o n der Eschatologie aus, d . h . konkret v o m Vergleich der βασιλεία in Jesu B o t s c h a f t und der δικαιοσύνη Seoö bei Paulus. D a b e i ergibt sich f ü r JÜNGEL (unter A n s c h l u ß a n R . BULTMANN) folgendes B i l d : „ D a es . . . präzis in der Eschatologie, bei Jesus ebenso wie bei Paulus, u m die N ä h e r u n g Gottes zur Geschichte geht, können w i r die Geschichte des B e z u g e s des Eschatons zur Geschichte . . . auch als Geschichte des Ereignisses der N ä h e G o t t e s zur Geschichte kennzeichnen. D i e N ä h e r u n g Gottes zur Geschichte weist sich aber aus in der Art, wie G o t t geschichtlich zur Sprache k o m m t . Deshalb können wir nunmehr auch v o n einer Geschichte des Z u r - S p r a c h e - K o m m e n s G o t t e s oder k u r z v o n einer eschatologischen Sprachgeschichte reden, innerhalb derer die V e r k ü n d i g u n g Jesu und die paulinische R e c h t f e r t i g u n g s l e h r e " als durch die W e n d u n g der eschatologischen Situation unterschiedene „ S p r a c h e r e i g n i s s e " erscheinen (S. 278f.). „ D i e Differenz zwischen Jesus und P a u l u s in dieser Geschichte ist . . . eine temporale Differenz. W ä h r e n d bei Jesus die G e g e n w a r t ausschließlich v o n der nahen Z u k u n f t her b e s t i m m t ist, wird bei P a u l u s die G e g e n w a r t v o n der Vergangenheit im L i c h t der Z u k u n f t gesehen . . .

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

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G. E B E L I N G der Meinung sind, daß die Rückwendung zur Frage nach dem historischen Jesus in der Gegenwart auf einer vorwiegend hermeneutischen Während Jesus die ferne Zukunft des Gerichtes an die durch die nahe Zukunft der Gottesherrschaft qualifizierte Gegenwart bindet, versteht Paulus die Gegenwart vom dagewesenen Eschaton her auf die Wiederkunft Christi hin als eine Zeit zwischen den Zeiten" (S. 272f.). Mir ist an diesen Sätzen JÜNGELS zutiefst fraglich, ob die angewandte Begrifflichkeit (und das hinter ihr stehende hermeneutisch-existential formalisierende Denkschema) die historischen Phänomene erfaßt und ihre Problematik klar erscheinen läßt. JÜNGELS Sätze zeigen jedenfalls nicht, daß es in der paulinischen Eschatologie um das Sich-Durchsetzen des Gottesrechtes geht und daß dieses Recht nur deshalb ein Sprachereignis sein kann, weil das Wort, in dem es zur Sprache kommt, das von Gott (nach apokalyptischem Verständnis) gewählte Inkognito ist, das wesenhaft auf die weltweite Epiphanie Gottes vor aller Welt hinweist, also nur der die Welt ansprechende Vorbote dieser Epiphanie ist. Aber auch Problem und Wirklichkeit des βασιλείσBegrifEes bei Jesus selbst scheinen mir von JÜNGEL historisch nicht voll erfaßt zu sein. Daß Jesus selbst kein Apokalyptiker gewesen ist, hat E. FUCHS (Ges. Aufs. II S. 304 bis 376) wohl richtig gesehen (vgl. auch E. KÄSEMANN, Urchristl. Apokalyptik, S. 26of.). Vom ßaaiXsia-Begriff her läßt sich dies jedoch nicht begründen, und gerade dieser Begriff wehrt allen abrupten Alternativen. Denn dieser Begriff ist selbst apokalyptischer Herkunft. (Vgl. zum folgenden auch F. HAHN, Hoheitstitel, S. 29). Gestützt auf PH. VIELHAUERS Untersuchung über ,,Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu" (Festschrift für G. DEHN, S. 51-79) und K . G. KUHNS Artikel βασιλεία im T h W b (I S. 57off.) schreibt JÜNGEL: ,, Jesus h a t . . . mit seiner Verkündigung der Gottesherrschaft einen Begriff aufgenommen, 'der ebenso allgemein verständüch wie von der apokalyptischen und nationalen Zukunftserwartung unbelastet war'. Jesus verwendet aber für seine Verkündigung 'eine Terminologie, die in seiner jüdischen Umwelt nicht mit dem Begriff der Gottesherrschaft, sondern mit dem des neuen Äons, des olam habba, verbunden war', wobei er 'den kommenden olam durch die Gottesherrschaft ersetzt'" (S. 179, Zitate im Zitat aus VIELHAUER, a . a . O . S. 77). Deutlicher noch: „ D i e im Rabbinentum gepflegten apokalyptischen Olam-Vorstellungen sind durch ihre Verbindung mit dem streng eschatologischen Begriff der Basileia 'entapokalyptisiert'. Wenn aber Jesus das Wesen der Gottesherrschaft als 'Nähe zur Geschichte' zur Sprache brachte, dann ist es unangebracht, Jesu Verkündigung mit dem Schlagwort 'Naherwartung' zu charakterisieren, dem das Schlagwort 'Parusieverzögerung' mit sachlicher Notwendigkeit folgen m u ß " (S. 180). JÜNGEL kann auf Grund dieses Verständnisses von βασιλεία Jesus die Worte vom kommenden Menschensohn zusprechen, weil - wie Mk. 8,38 beweisen soll - „der Menschensohn und die Gottesherrschaft für Jesus zwei zu unterscheidende Phänomene waren" (S. 231). Und zwar ist der Menschensohn die ferne Gestalt des Gerichtes, die Basileia aber die nahe Macht der Liebe Gottes, die dem Kommen des Menschensohnes voraneilt! Historisch scheinen mir diese Thesen alle unhaltbar zu sein : a) eine Trennung von Äonenvorstellung und Basileia läßt sich religionsgeschichtlich nicht bewahrheiten. Das zeigen Ass. Mos. 10,1 f. im Vergleich mit z . B . 4. Esra7,47ff.; 4,27. Im Rahmen des apokalyptischen Denkens sind eschatologische Zukunft und neuer Äon als Königsherrschaft Gottes nicht voneinander ablösbar (vgl. BOUSSET-GRESSMANN, Religion 3 S. 243 f. und K . GALLING, Artikel Reich Gottes im Judentum, R G G 3 V 912-914). b) Der Begriff βασιλεία ist apokalyptischer Herkunft und ist nur aus der Apokalyptik ins Rabbinat gelangt. Hier wurde er dann im Laufe der Zeit formalisiert. Die apokalyptische Provenienz beweisen Dan. 2, Sib. 3,767, Ass. Mos. 10,if. und vor allem die Qumrantexte. Unter Verweis auf H. BRAUN, der jedoch nur die Regel von Qumran untersucht, bestreitet JÜNGEL, daß der Begriff in den Texten sich finde (S. 181 Anm. 2). Die Qumrankonkordanz von KUHN zeigt jedoch ebenso wie der Artikel von GALLING, daß der term, sogar öfters gebraucht wird, und zwar in zweierlei Bedeutung: 1. Gottesherrschaft : 1 QM 6,6; 12,7; 1 Q S b 4,26. 2. Königsherrschaft des eschatologischen Israel: 1 Q S b 5,21; 1 QM 12 (vgl. Z. 7 mit Z. 16) und 4 QPatrBl 1,1 ff. Die zuletzt genannten Stellen zeigen dabei aufs schönste, wie sich die Königsherrschaft Gottes als Herrschaft Israel konkretisiert. Auch hier haben BOUSSET-GRESSMANN, a.a.O. S. 213ff. schon das Richtige gesehen. Die Gestalt 16

8242 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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Ausblick

Nötigung beruht, sind wir mit ihm einig auch darin, daß eine systematisch unserem eigenen Denkgeschick Rechnung tragende Christologie vom histodes Messias wird nun sogar zur Schlüsselfigur in der Geschichte des Sich-Durchsetzens der Gottesherrschaft, wie wiederum 4QPatrBl 1,1 fi. ; 1 QSb 5,21 beweisen. KUHNS Antithese von Basileia und Messiasgedanken (a.a.O. S. 573,12ft.) ist also nicht länger haltbar. Aber auch VIELHAUERS These ist noch zu pauschal: „ W o die eschatologische Zukunft, der neue Äon, als Königsherrschaft Gottes erwartet und bezeichnet wird ... da fehlt der Menschensohn, da fehlt aber auch der Messias oder sonst eine Richter- und Rettergestalt, wie denn überhaupt eine solche Figur kein unentbehrliches Requisit der jüdischen Apokalyptik ist" (a.a.O. S. 76; ausdrücklich wiederholt in VIELHAUERS Ause i n a n d e r s e t z u n g m i t TÖDT, E . SCHWEIZER u n d F . HAHN: „ J e s u s u n d d e r M e n s c h e n -

sohn", Z T h K 60, 1963, S. 133-177). Richtig ist zwar, daß Basileia und Menschensohnvorstellung ursprünglich nicht zusammengehören, denn auch in Qumran ist eine Verbindung dieser beiden Vorstellungen nicht nachzuweisen. Wohl aber verbindet sich hier die Basileiavorstellung mit der eines diese Basileia heraufführenden messianischen Statthalters. So hat sich die urchristliche Gemeinde den kommenden Menschensohn auch gedacht, und es fehlt jeder Anhalt dafür, daß, wie JÜNGEL annimmt, die Basileia dem Erscheinen des Menschensohnes auch vorgeordnet werden könnte. Beachtet man dies alles, so wird man keineswegs mehr von einer in der Terminologie zutage tretenden „Entapokalyptisierung" der Basileiaerwartung durch Jesus sprechen dürfen. Jesus hat die apokalyptische Basileiavorstellung nur inhaltlich von Gottes Nähe her modifiziert, aber nicht entscheidend korrigiert, wie z. B. das Vaterunser beweist. Das Problem der ausstehenden Zeit bleibt also bestehen! - Ähnlich steht es um die Frage der Wirklichkeit der Basileia. JÜNGELS These ist, daß Jesus um der Nähe der Gottesherrschaft willen die Basileia nur als Gleichnis zur Sprache bringen konnte ! „Die Nähe der Gottesherrschaft ist so nah, daß sie der Sprachform des Gleichnisses bedarf, um überhaupt zur Sprache zu kommen, daß der Mensch sich auf sie einzustellen vermag" (S. i68f.). Also wäre die Basileia in Jesu Verkündigung tatsächlich nur ein Sprachereignis? JÜNGEL sieht sehr wohl, daß Jesus nicht nur in Gleichnissen gesprochen hat. Die Gottesherrschaft kommt, sagt er, „im Gleichnis als Gleichnis, in der Forderung als Forderung, im Drohwort als Drohwort zur Sprache" (S. 292). Zu fragen ist doch aber sogleich, weshalb JÜNGEL seine Reihe nicht ergänzt und sagt: Die Basileia kommt im Wunder als Wunder zur Sprache I Handelt es sich in den Gleichnissen, den Forderungen und Drohworten tatsächlich um Sprachereignisse, so lassen sich die Wunder doch keineswegs ohne weiteres dieser Kategorie unterordnen! Jesu Heilungen erschöpfen sich ja gerade nicht darin, Glauben zu wecken. In ihnen zieht die Basileia als wirklich schöpferisches Ereignis der Gottesüebe herauf, und nur von hier aus weckt Jesu Verhalten Glauben. Die Speisungsgeschichten zeigen, daß die Gemeinde diesen konkreten, in Jesu Tischgemeinschaften praktizierten Zug der Gottesherrschaft verstanden und festgehalten hat! Wir stoßen hier auf die gleiche Problematik wie bei Paulus, der die Gottestreue nicht ohne die Gotteswelt meint erfahren zu können, weil ohne sie Gott nicht der treue Schöpfer wäre. Ähnlich steht es mit der Basileia in Jesu Verkündigung auch. Zu fragen bleibt schließlich, ob Jesus wirklich nur indirekt von der Basileia selbst gesprochen hat, oder ob seine diesbezüglichen Worte nicht nur von der Gemeindeverkündigung überdeckt und daher unkenntlich geworden sind. E. FUCHS bezieht darum Texte wie Mt. 25 mit vollem Recht in seine Erörterung von Jesu Zeitverständnis mit ein (Ges. Aufs. II S. 313!. u. ö.), während JÜNGEL diese Frage nicht verfolgt. - Kurz: Das Problem der noch ausstehenden Zeit und die Erfüllung der durch Jesus vor allem in seinen Wundern bestärkten Basileiahofinungen meldet sich zurück. Es scheint mir nicht möglich zu sein, die ganze Problematik der Zukunftserwartung Jesu selbst und der ihm apokalyptisch respondierenden Urgemeinde einfach durch die These vom „ZurSprache-Kommen-Gottes" zu „überholen". Das Problem bleibt, wann und wo der uns in Jesu Verkündigung nahe(nde) Schöpfer sich als dieser Schöpfer erweisen wird! Trotz der z. T . großartigen Hilfestellung, die JÜNGELS Buch zur Gleichnisinterpretation (S. 135ÉÍ.) und zur Frage der Weiterentwicklung der Formgeschichte (S. 290ft.) bietet, wird die Lösung der Probleme bei JÜNGEL m . E . zu früh in systematischen Bahnen gesucht. Dagegen und gegen die existentialen Kategorien sperren sich aber die Texte.

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rischen Jesus her begründbar sein muß 1 , wenn sie sich auch in dieser Begründung keinesfalls erschöpfen kann und vor allem die Osterereignisse nicht relativieren darf. Ob die Christologie mit E B E L I N G aber von der „gewißmachenden Gewißheit" Jesu her entworfen werden kann, muß sich erst zeigen. E B E L I N G hat zwar mit der These von der Gewißheit Jesu als dem Ursprung des christlichen Glaubens seine frühere These vom Glauben Jesu klärend vertieft und weitergeführt. Sollte sich aber die Sicht des Paulus von Jesus als dem Zeugen der δικαιοσύνη SHOÜ historisch bewahrheiten lassen, dann wäre die Kategorie der Gewißheit noch unzureichend. Man müßte statt von Jesu Gewißheit dann von Jesu „Bestimmtheit" sprechen, um damit gleichzeitig Jesu eigene Gewißheit und sein Von-Gott-Bestimmtsein zu bezeichnen2. Dieser neue Begriff der Bestimmtheit Jesu hätte den Vorteil, daß die Passion Jesu nicht mehr nur notdürftig von Jesu eigener Gewißheit her gesehen, sondern auch als ein von Gott gefügter Opfergang, ohne Rücksicht auf das Selbstverständnis des Geopferten, betrachtet werden könnte3. Die Rede von der Bestimmtheit Jesu ließe auch eine sachgerechtere Interpretation von Rom. 3,24!; 4,25; 1. Kor. 15,3f.; 2. Kor. 5,21, also der auf Jesus übertragenen Vorstellung vom stellvertretenden (Sühn-) Opfer zu, als sie E B E L I N G derzeit möglich ist4. Da es aber an diesen Stellen immer um das Werk des rechtschaffenden Gottes geht, muß man den Begriff der Bestimmtheit geradezu fordern, damit eine Christologie überhaupt die Dimension der δικαιοσύνη Seoö erreicht. Zugleich ließe sich vom Begriff der Bestimmtheit Jesu her zum Ausdruck bringen, daß eine historisch angemes1 Vgl. G. EBELING, Theologie und Verkündigung, S. 19-82, 83-92. Die von EBELING hier S. 83ft. aufgestellten „Leitsätze zur Christologie" sind im folgenden der eigentliche Leitfaden unserer Ausführungen. Aus EBELINGS früheren Arbeiten ist besonders zu nennen der in „ W o r t und Glaube" S. 300-318 abgedruckte Aufsatz: Die Frage nach dem historischen Jesus und das Problem der Christologie, sowie die 4. und 5. Vorlesung aus dem „Wesen des christlichen Glaubens" (S. 48-85). 2 Ich würde gegenüber EBELING, Theol. u. Verk. S. 85 (These 7) meinen, daß die „Bestimmtheit" eines Menschen ontologisch früher ist als seine eigene Gewißheit, und dies entspräche wieder einer an der Rechtfertigungslehre gemessenen Anthropologie

(vgl. WOLF, a . a . O . S. 305). 8 Zu EBELINGS Sicht, vgl. a.a.O. S. 90 (These 14). Es ist mir jedoch nicht deutlich, wie EBELING an R . BULTMANNS Einwand vorbeikommen kann, der von Jesu Tod sagt: „ O b oder wie Jesus in ihm einen Sinn gefunden hat, können wir nicht wissen. Die Möglichkeit, daß er zusammengebrochen ist, darf man sich nicht verschleiern" (Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft zum historischen Jesus, S A H phil. hist. Kl. i960, 3, S. 12). E. JÜNGEL sieht dies Problem und arbeitet an dieser Stelle deshalb ganz in unserem Sinne mit der Kategorie der Erwählung Jesu: „ D i e eschatologische Bedeutung des historischen Jesus hatte sich an seinem Tode zu bewähren. Denn mit dem Tode Jesu wurde Jesus den Lebenden als Lebender entzogen. Damit wurde seine eschatologische Bedeutung in Frage gestellt, insofern die Nähe Gottes zu Geschichte sich wiederum in die Ferne Gottes zur Geschichte zu verwandeln drohte (Mk. 15,34). Die Macht der von Jesus verkündigten Gottesherrschaft erwies sich als Ohnmacht. Doch gerade in dieser Identität von Macht (der Gottesherrschaft) und Ohnmacht (Jesu) identifizierte sich die Gottesherrschaft mit der Person Jesu. Diese Identifikation des Eschatons mit dem historischen Jesus wird bezeugt durch die Auferstehung Jesu" (a.a.O. S. 281, Hervorhebung bei JÜNGEL).

* Vgl. EBELING a . A . O . 16*

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Ausblick

sene Christologie in strenger Korrespondenz von österlichem Bekenntnis und historischer Person Jesu entfaltet werden muß 1 . Schließlich wäre von der „Bestimmtheit Jesu" her die von H. BRAUN vorgeschlagene 2 , von R. BULTMANN3 und H. CONZELMANN4 leider akzeptierte, Jesus zur bloßen Chiffre des glaubenden Selbstverständnisses (und Gott dementsprechend zu einer Chiffre für „eine bestimmte Art der Mitmenschlichkeit" 5 ) verkehrende Christologie und Theologie a limine abgewehrt®. Bei der nun folgenden Überprüfung des mit einiger Sicherheit auf Jesus selbst zurückzuführenden synoptischen Quellenmaterials haben wir auch die These von J. JEREMIAS im Auge, daß Jesu eigene Verkündigung der traditionsgeschichtliche Ursprung der paulinischen Rechtfertigungslehre sei 7 . Wir wenden uns zunächst den für die Frage nach Gottes Recht entscheidenden Gleichnissen zu, dann der Gesetzespredigt Jesu bzw. den Antithesen der Bergpredigt und zuletzt dem Vaterunser. ι. Lk.

i8,g-i4

Lukas hat die aus seinem Sondergut stammende Beispielerzählung in V. 9 ein- und mit V. 14b ausgeleitet und interpretiert. Wir halten uns nur an den ursprünglichen Text V. 10-14 a. Als tertium comparationis kann man formulieren : Gottes Vergebung ist sein freies Recht. Wie JEREMIAS gezeigt hat, entspricht das παρά in V. 14 a einem exklusiven hebräischen ]ö8. Jesus meint, daß der Zöllner Vergebung erlangt hat, der Pharisäer dagegen nicht. Historisch ist besonders darauf aufmerksam zu machen, daß vom Gleichnis 1 Angesichts der reformatorischen Christologie kommt alles darauf an, daß die von FUCHS in der Vorrede zum zweiten B a n d seiner Gesammelten Aufsätze „ Z u r Frage nach dem historischen Jesus" genannten beiden Interpretationswege sich die W a a g e halten, ohne daß die Rückfrage auf Jesus zu einer ungeschichtlichen Rekonstruktion des Kerygmas von Jesus her führt. FUCHS schreibt: „Interpretierten wir früher den historischen Jesus mit Hilfe des urchristlichen Kerygmas, so interpretieren wir heute dieses Kerygma mit Hilfe des historischen Jesus - beide Richtungen der Interpretation ergänzen sich." 2 Vgl. „ D e r Sinn der neutestamentlichen Christologie", Ges. Studien S. 243-282, weitergeführt in: „ D i e Problematik einer Theologie des Neuen Testaments", a . a . O . S- 325-341 (vgl. dazu die kritischen Bemerkungen von EBELING, a . a . O . S. 44Í.). 3 A . a . O . S. 21 f.; man beachte aber BULTMANNS Reserve in: „ D e r Gottesgedanke und der moderne Mensch", Z T h K 60 (1963) S. 347 Anm. 45. 4 E v T h e o l 22 (1962) S. 232 A n m . 28. 5 A . a . O . S. 341. 8 Die den genannten beiden Aufsätzen BRAUNS zugrundehegende und sich besonders klar in seinem Vortrag über „ D i e Heilstatsachen im Neuen Testament", a . a . O . S. 299 bis 309, abzeichnende Ontologie steht in erstaunlicher Parallelität zu der von W . PANNENBERG, Artikel: Person, R G G 3 V 2 3 3 I vorgeschlagenen und in: „ W a s ist der Mensch" (Kl. Vandenhoeckreihe B d . 139/140, Göttingen 1962) ausgeführten, a m Sprachproblem seltsam reserviert vorübergehenden Ontologie der Weltoffenheit als Geschichtlichkeit. ' Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 6. Aufl. 1962, S. 140. 8 Die von JEREMIAS a . a . O . S. 141 postulierte Wendung | 0 ¡7ΉΧΠ hegt im spätjüdischen Schrifttum in lateinischer Übersetzung 4. Esra 12,7 und hebräisch jetzt 1 Q S b 4,22 vor. JEREMIAS deutet also richtig.

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245

die kultische Gegenwart von Jahwes (n)p7X im Tempel vorausgesetzt wird und daß also δικαιοΰσδαι, entsprechend der Vergebung am großen Versöhnungstag 1 , „Vergebung erlangen" meint2. Methodisch darf man bei der Interpretation der Gleichnisse von ihrem Sprecher, also Jesus, nicht absehen3. Zum Sprecher aber gehört dessen Situation, wie sie z.B. Mk. 2,15ff. beschrieben wird, hinzu. Das heißt für unseren Zusammenhang: Jesus setzt Gottes vergebendes Recht so in Kraft, wie es im Gleichnis von Gott gesagt wird. Das von JEREMIAS4 zitierte pharisäische Gebet aus bab. Ber. 28 b

zeigt, wie revolutionär die Beispielerzählung historisch war. Jesus wagt es, an Stelle des im Kult das deklaratorische Urteil Gottes: „Gerecht"! sprechenden Priesters, also in Gottes Stellvertretung, dabei aber in einer sicher profanen Umgebung, die Vergebung dem zuzusprechen, der sie nach dem traditionellen jüdischen Frömmigkeitsschema eben nicht verdient hat ! Jesus hebt hier, ebenso wie Mk. 7,15, in eindeutiger Kontinuität zur prophetischen Kritik am alttestamentlichen Kult, das Grundgefüge von Heilig und Profan auf und mit ihm - ganz entsprechend zu Rom. 4,5 - die gesamte spätjüdische Rechtsethik. Daß wir also ein von Jesus selbst gesprochenes Gleichnis vor uns haben, ist sicher. J . J E R E M I A S hat auf Grund unserer Beispielerzählung wiederholt die These vertreten, „daß die paulinische Rechtfertigungslehre ihre Wurzel in der Predigt Jesu hat" 6 . Diese These steht und fällt mit der Ansicht, daß auch die paulinische Rechtfertigungslehre um die Sündenvergebung (und also nicht um Gottes eigenes Recht) kreise. Sachlich aber ist dies, wie wir sahen, nicht zutreffend. Folgende historische Argumente sprechen gegen J E R E M I A S : Paulus bezieht sich nirgends mehr auf die Möglichkeit, im Tempel von Jerusalem kultisch Vergebung zu erlangen. Soweit er ursprünglich kultische Terminologie verwendet, ist diese ausnahmslos ins Eschatologische transponiert. Dies ist auch schon in der vorpaulinischen Tradition von Röm. 3,24! der Fall, also kann auch diese nicht ein Verbindungsglied zwischen Jesus und Paulus herstellen. J E R E M I A S möchte ferner den Ps. 51 zum eigentlichen Interpretament von Lk. 18,9 ff. machen. Für die Hörer Jesu war dies sicher nicht wahrnehmbar und ist deshalb keineswegs zwingend*. Sollte sich J E R E M I A S jedoch auf seine Annahme versteifen, so wird gerade von ihr her die Differenz von Paulus und Jesus deutlich: Ps. 51,6 wird von Paulus ja auch zitiert (Röm. 3,4), aber in eindeutig eschatologisch-apokalyptischem Zusammenhangt Von einem solchen aber kann im Gleichnis keine Rede sein! - Die These von J E R E M I A S entbehrt also der historischen Grundlage und ist nur ein systematischer Versuch, die paulinische Rechtfertigungslehre historisch im Rahmen einer Jesustheologie zu verankern.

Historisch führt von Jesus zu Paulus kein erkennbarer, traditionsgeschichtlicher Weg, auf welchem dieses Gleichnis, oder wenigstens seine Termino1

Vgl. BILLERBECK II, S. 247!.

Art. Rechtfertigung 826 und J E R E M I A S , a . a . O . Bemerkungen zur Gleichnisauslegung, Ges. Aufs. I I S . 136-142. J E R E M I A S hat F U C H S zugestimmt: Gleichnisse® S . 227 Anm. 1. 4 A.a.O. S. 141 f. 5 A.a.O. S. 140. Ferner: Paul and James, S. 369; Das Problem des historischen Jesus (Calwer Hefte 32, Stuttgart i960) S. 15. • Vgl. W . M I C H A E L I S , Die Gleichnisse Jesu (Die urchristliche Botschaft, 32. Abtlg. Hamburg 3. Aufl 1956) S. 242 Anm. 178. 2

3

Vgl. Vgl.

G. KLEIN, E.FUCHS,

246

Ausblick

logie, für Paulus verbindlich werden konnte1. Dennoch kann man die sachliche Parallelität, mit welcher Paulus und Jesus vom freien Recht der göttlichen Vergebung sprechen, gerade auf Grund unseres Textes, nicht verkennen. Wo liegt der Grund für diese Übereinstimmung, wenn ein solcher im historischen Sprach- und Vorstellungsraum nicht greifbar wird? Wenn unsere im Einvernehmen mit E. FUCHS gegebene Interpretation berechtigt ist, liegt der Grund im Personereignis Jesu. Darauf weist das sicher historische und dem „Ich aber sage euch" der Antithesen in der Bergpredigt parallele λέγω ύμΐν in V. 14 a hin. Hier wird nun die vorhin gewählte Kategorie der „Bestimmtheit" Jesu wirksam. Denn diese erlaubt es uns, die Chiffre „Personereignis" zu präzisieren zu folgender, von R. BULTMANN in seiner Studie über „Die Bedeutung des geschichtlichen Jesus für die Theologie des Paulus"2 vorbereiteter, These: Jesus faßt mit dem für sein Werk entscheidenden Begriff der βασιλεία ein mit der paulinischen These von der δικαιοσύνη 3εο0 vergleichbares, wenn nicht sogar identisches Phänomen und Ereignis ins Auge : das Recht, das Gott sich gerade an den Gottlosen zu nehmen gewillt ist3. Unser Gleichnis jedenfalls zeigt, daß Gottes freies, neugründendes Vergebungsrecht in Jesu eigenem Wort Ereignis wurde (V. 14 a!). Ob dies ein einmaliger Vorgang war, müssen wir nun entscheiden. Erst wenn hier ein für Jesus selbst konstitutiver Zug getroffen wäre, ließe sich unsere (systematische!) These halten. 2. Mt.

18,23-35

Wir haben eine einheitliche Parabel vor uns, an deren (matthäische?) Einleitung V. 23 a und Anwendung V. 35 wir uns wieder nicht zu halten brauchen. Innerhalb der Parabel sind, worauf JEREMIAS aufmerksam macht, die Zahlen hyperbolisch weit überhöht und die vorausgesetzten Rechtsverhältnisse wohl außerisraelitisch4. Beides spricht aber nicht gegen eine Her1 So urteilt auch H . BRAUN, H e b t die heutige neu testamentlich-exegetische Forschung den K a n o n auf? (Ges. Studien, S . 3i5f.). - D a ß die nachösterliche, urchristliche Prophetie die Sache der Rechtfertigung verfochten hat, kann man nach Prophetensprüchen wie Mk. 10,15 vermuten. Traditionsgeschichtlich aber eignet sich auch diese Prophetie nicht dazu, die L ü c k e zwischen Paulus und Jesus zu schließen. 2 Glaub, u. Verst. I S. 188-213, bes. S. 198. Gegenüber BULTMANN würde ich freilich meinen, daß der Gesetzesbegriff bei Jesus und Paulus dem Gedanken v o n der βασιλεία und der δικαιοσύνη Ssoö untergeordnet b z w . eingeordnet ist. Ihn zum systematischen Leitfaden unserer Betrachtungsweise zu machen, entspricht der Sicht der Epigonen. 3 Die Frage ist freilich, ob sich nicht durch eine Darstellung der im Spätjudentum einsetzenden Interpretationsgeschichte des Begriffes βασιλεία του Ssoü auch eine gewisse traditionsgeschichtliche K l a m m e r zwischen Spätjudentum und Jesus einerseits und Jesus zur urchristlichen Prophetie und Paulus andererseits herstellen ließe. V g l . miteinander: 1 QM 12,7; i Q S b 4 , 2 6 ; 5,21; Mt. 6 , i o f f . ; Mk. 8,35-9,1; R ö m . 14,17. E i n solcher Versuch hätte den Vorteil, die Differenzen und Einigkeiten an Hand des Gottesproblems zu bedenken, d . h . an H a n d des Problems, das theologisch das wirklich entscheidende ist. * Gleichnisse® S. 207ff.

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

247

kunft von Jesus. Als tertium comparationis läßt sich mit E. FUCHS formulieren: „The point of the parable is the miracle of the justice of God. God does not insist upon his pound. For God does not forget the difference between himself and man. But God insists upon the dignity of his mercy" 1 . Gottes Vergebung ist Gottes Recht. Diese verbindliche Vergebung begründet, das wird aus dem Text ganz deutlich, ein neues, aus der Liebe stammendes und in die Liebe sich gebendes, ohne Liebe aber verlorenes Sein. Wieder wird deutlich, daß die Person Jesu für die Verkündigung dieses Gleichnisses nicht bedeutungslos gewesen sein kann. E. FUCHS betont, daß es in dieser Parabel auch um Jesu eigene Würde gehe2. Jesu Annahme der Sünder geschieht unter dem Zeichen göttlicher Verbindlichkeit und schöpferischer Vollmacht. Wer Jesu sich den Verlorenen zuneigende Liebe schmäht oder ablehnt, fällt aus dem Liebesrecht Gottes heraus und in Gottes Zorn hinein. Dieser Wechsel vollzieht sich heute, meint die Parabel, im Kreis der mit Jesus Vertrauten oder wider ihn Aufgebrachten. Jesus wird auch hier deutlich zum Zeugen dessen, was Paulus mit δικαιοσύνη SeoO meint : der verbindlichen, seinsgründenden Treue des Schöpfers zu seiner Kreatur.

3. Mt.

20,1-16

V. i a und 16 sind matthäische Interpretamente. Die Parabel gehört zu den sogenannten „zweigipfligen" Gleichnissen. Den zweiten Gipfel vernachlässigen alle die Auslegungen, welche im Gleichnis nur Gottes souveräne Güte verkündigt oder illustriert finden3. Der zweite Gipfel spricht ja durchaus nicht mehr von Gottes Güte an sich, sondern von dem Einverständnis, um welches die Güte Gottes auch bei denen wirbt, denen sie - scheinbar nur ihr Recht zukommen läßt. Diesen Zug der Parabel hat m. W. bisher allein E. FUCHS beachtet 4 . Im Anschluß an ihn muß man den Skopus formulieren: Das Gleichnis will Gottes souveräne Güte verkündigen, welche allen das Gleiche gibt und damit um ein alle tröstendes Einverständnis mit dieser Güte wirbt. Erst dieses Einverständnis macht die auch unter Gottes Ruf bestehenden Differenzen erträglich, weil alle denselben guten Herrn haben 6 . 1 The Parable of the Unmerciful Servant (Mt. 18,23-35), i a : Studia Evangelica = 2 Ges. Aufs. I S. 64 Amn. 9. T U 73 (5. Reihe, Bd. 18), Berlin 1959, S. 493. 3 So JEREMIAS, Gleichnisse· S. 34; C. H. DODD, The Parables of the Kingdom, Welw y n 2. Aufl. 1958, S. 122; Α. JÜLICHER, Die Gleichnisreden Jesu II, Tübingen 2. Aufl. 1910, S. 466; G. BORNKAMM, Ges. Aufs. I I S. 82f.; J. SCHNIEWIND, N T D z. St.; R. BULTMANN, Synoptische Tradition 3 S. 191 und „Jesus", S. 66. 4 Ges. Aufs. I S. 326-331; I I S. 221. 363. 5 E . JÜNGEL möchte im Gleichnis auch eine Erörterung über Rang und Würde des menschlichen Werkes vor Gott finden : „ D i e Güte Gottes lehrt begreifen, daß der Lohn das Werk nicht wertvoller macht als es ohnehin ist, so daß der Lohn nicht mehr im Rahmen einer menschlichen Forderung thematisch wird, sondern neben dem Werk als Erweis der Güte Gottes seinen Platz findet" (a.a.O. S. 167). Aus dem Gleichnis vermag ich dies nicht zu ersehen.

248

Ausblick

Im Munde Jesu braucht dies keineswegs eine Kampfansage gegen das Rabbinat zu sein. Jesus kann damit ebensogut um Einverständnis im eigenen Kreis werben. Wiederum wird man mit Recht Jesu eigenes Verhalten den religiös Deklassierten gegenüber als den Hintergrund dieser Parabel denken und deshalb sagen dürfen : Das Gleichnis wirbt um das Verständnis dessen, was die Menschen durch Jesu Zeugnis an Gott haben : seine allen helfende, sehr wohl aber differenzierende, also Gottes Recht manifestierende und in sich freie Güte. Diese Güte ist ein das nichtige Sein neu wendende und begründende Macht. 4. Lk.

15,11-32

Man kann auch diese Parabel als die synoptische Version von Rom. 4,5 ansprechen. Wieder ist die Zweigipfligkeit zu beachten und dementsprechend zu sagen: Die Parabel verkündet in Gottes Vatertreue (als potestas des pater familias I1) den Neuanfang für die Geächteten und die Ermutigung zum Neubeginn für die Verhärteten. Darf man erneut sagen, das Gleichnis werde durch Jesu eigenes Verhalten illustriert? Wo im Gleichnis der Vater handelt, handele in Wirklichkeit Jesus an den Ausgestoßenen? B U L T M A N N hat diese Auslegung von E . F U C H S als „absurd" zurückgewiesen2, ohne freilich selbst eine eigene, bessere Lösung anzubieten. Wenn er den Skopus allein in Gottes unverdient geschenkter Vergebung sehen möchte3, so beachtet er keineswegs genügend die gerade an dieser Parabel höchst eindrucksvolle unmittelbare Redeweise4. Diese zwingt dazu, auf Jesus als Sprecher der Parabel zu achten. Jesus tritt hier auf als Platzhalter Gottes, nicht mehr, aber auch nicht weniger6 ! Es geht bei Paulus und in der Verkündigung Jesu um den gleichen Sachverhalt: Gottes als Recht zu präzisierende Treue sucht die Menschen rettend, aber im selben Maße auch verpflichtend heim. Eben dies wird an unserer Parabel sichtbar: V. 21 f.32. Es ist also nicht nur die gleiche Intention, welche Paulus und Jesus verbindet. Auch der Anspruch an den von ihnen zu Gott hingerufenen Menschen ist vergleichbar : Paulus stellt die Menschen auf Grund des Ereignisses der Gottestreue in Jesus Christus vor Gott und damit in den Dienst dieser Treue (2. Kor. 3,9). Jesus ruft die Menschen, indem er sie an seine Seite ruft, 1 U m den Begriff nicht in ein zu modern-personalistisches L i c h t geraten zu lassen, ist darauf hinzuweisen, daß „ f ü r antikes Denken kein Gegensatz zwischen väterlicher Fürsorge und richterlicher Macht (besteht). Ist es doch dem ältesten Patriarchat eigentümlich, daß der Vater auch die richterliche Funktion im Hause ausübt" (G. SCHRENK, Artikel: π α τ ή ρ T h W b V S. 995,200.; vgl. ferner HORST, Artikel: Familie im A T u n d N T , R G G 3 I I 865f.). 2 Christusbotschaft, S. 19. 3 Jesus, S. τγο&. 4 G. BORNKAMM, Jesus von Nazareth, Urban-Bücher Nr. 19, Stuttgart 3. Aufl. 1956, S . 117. 5 FUCHS behält also recht. G. EBELING hat sich mit R e c h t a . a . O . S. n g f f . gegen den Vorwurf verwahrt, E . FUCHS und er fielen bei ihrer Exegese unberechtigterweise in das Psychologisieren zurück. JEREMIAS anerkennt FUCHS auch hier, vgl. Opfertod Jesu, S. 24.

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

249

zu Gott und in Gottes Dienst. Er tut dies, wie die bisherigen, für Jesu Verkündigung zentralen Partien zeigen, vom selben Gottesbegriff aus wie Paulus. Der Anspruch und die Gabe an die Aufgerufenen und Angerufenen ist bei Jesus und im Glaubensruf des Paulus insofern der gleiche, als Gott selbst als derselbe erscheint. Die Differenz zwischen Paulus und Jesus scheint dann in der Art und Weise zu liegen, wie Jesus als Zeuge der verbindlichen Treue Gottes in diesem Anspruch und dieser Gabe gegenwärtig ist. Ehe wir hier weiterdenken, müssen wir den zweiten, beherrschenden Komplex in der Verkündigung Jesu beachten : Jesu Gesetzespredigt. 5. Die Antithesen der Bergpredigt Mit einiger Sicherheit lassen sich auf Jesus selbst zurückführen: die erste (Mt. 5,21.22a), die zweite (Mt. 5,27.28) und die vierte Antithese (Mt. 5,33. 34 a). Nur in diesen drei Fällen ist die antithetische Form ursprünglich. Zur ersten und zweiten Antithese gibt es jedoch sachliche rabbinische Parallelen1. Zur vierten Antithese haben die von einem Schwurverbot bei den Essenern sprechenden Essenerberichte des Philo und Josephus2 sich aus den Qumrantexten bisher nicht bestätigen lassen3. Nur diese Antithese ist also in Form und Inhalt (bisher) gleich ursprünglich4. In der fünften (Mt. 5,38-42) und sechsten Antithese (Mt. 5,43-45) stammt zwar die antithetische Form erst von Matthäus, das aus Q stammende zugrundeliegende Spruchgut dürfte aber dem historischen Jesus zugeschrieben werden können. H. BRAUN hat auf Grund dieses formal und sachlich komplizierten Quellenbefundes Einwände dagegen erhoben, daß E. KÄSEMANN von dem έ γ ώ δέ λέγω ύμιν her gefolgert hat, Jesus verdiene als Opponent des Moses die Bezeichnung des Messias6. Dieser Einspruch verfängt jedoch nicht. Zwar hat Matthäus bei dem ε γ ώ δέ λ έ γ ω der Antithesen wohl an die in dieser Form üblichen Diskussionen der Toralehrer untereinander gedacht®. Die Antithesen richten sich aber de facto eben nicht nur gegen die Toraauslegung des Rabbinats, sondern gegen die Substanz der Tora und damit gegen Moses selbst ! Solchen Widerspruch aber hat kein Jude gewagt 7 . Mag also formgeschichtlich nicht sicher vom ε γ ώ δέ λ έ γ ω auf Jesus zurückgeschlos2 Vgl. DUPONT-SOMMER, Essen. Schriften, S. 26. 33. Vgl. KLOSTERMANN Z. St. Vgl. nur ι QS 5,8£E. 4 Auf die Parallele in Jak. 5,12 brauche ich nicht weiter einzugehen. Es läßt sich M . E . nachweisen, daß Jak. 5,12 Zitat von Mt. 5 , 3 3 ! ist. Vgl. dazu O. BAUERNFEIND, Eid und Frieden ( F K G G N. F. 2, Stuttgart 1956) S. 98. Auch E. KUTSCH, Eure Rede aber sei Ja Ja, Nein Nein, EvTheol 20 (i960) S. 210 hält Jak. 5,12 gegenüber Mt. 5,33f. für sekundär. 5 Das Problem des historischen Jesus, E x . Vers. I S. 2o6f. ; H. BRAUN, Radikalismus II, S. 7 Anm. 2. ' Vgl. G. BARTH, Gesetzesverständnis des Mt. S. 87f. und G. DALMAN, Jesus-Jeschua, Leipzig 1922, S. 68; G. STRECKER, Weg der Gerechtigkeit, S. 147. Eph. 5,32 findet sich die exegetische Formel ebenfalls. 7 Vgl. SCHLATTER, Evangelist Mt. S. 168. 1

s

Ausblick

250

sen werden dürfen, die Sache der Antithesen wirft uns auf das Ich des Sprechers zurück 1 ! Die Mehrzahl der Ausleger ist sich darin einig, daß Jesus in den Antithesen in unerhörter Verschärfung der Tora selbst das Gesetz predigt2. Nur E . FUCHS hat es in der Auseinandersetzung mit G. BORNKAMM abgelehnt,

von einer wirklichen Gesetzesverkündigung Jesu zu sprechen3. Wenn Jesus auf der einen Seite Gottes Liebe den Deklassierten erweist, auf der anderen Seite aber die Menschen herrscherlich in Gottes Zorn durch seine Gesetzespredigt hineinstößt, so wird Jesus selbst, meint FUCHS, ein zu großer innerer Widerspruch zugemutet. Entdeckt man aber, daß Jesus nach Mt. 3,15 und 5,17 durch seinen eigenen Gehorsam dem Gesetz bereits die verdammende Kraft genommen hat, so wird Jesu (angebliche !) Gesetzesverkündigung verständlich. Sie ist ein befreiendes Sprachereignis und erteilt dem Menschen die Erlaubnis, die befreiende Macht der Liebe, von der die Antithesen sprechen, zum Ursprung ihres eigenen Handelns zu machen4. Mit dieser Auslegung steht nun freilich viel auf dem Spiel. Läßt sie sich halten, so steht Jesus der Verkündigung des Paulus, jedenfalls von der δικαιοσύνη 3εου her gesehen, fern. Mit E. FUCHS sind wir der Meinung, daß die Antithesenreihe sachlich im Liebesgebot und personal im „Ich aber sage euch" ihre Mitte haben. Mt. 3,15 und 5,17 sind jedoch einwandfrei matthäische Bildungen. Nach ihnen soll Jesus als der vorbildliche Gesetzesfromme erscheinen, der auf dem „Wege der Gerechtigkeit" vorangegangen und dem nun nachzufolgen ist5. Die beiden Verse besagen also das Gegenteil von dem, was FUCHS den Stellen entnehmen möchte. Die Hörer Jesu konnten auch in seiner Gegenwart die sachliche Schärfe der Antithesen zunächst nur als Verkündigung von Gottes unbedingter Forderung verstehen. Es ist ja keine Frage, daß es sich in den Antithesen um eine höchst erregende Verschärfung der mosaischen Tora handelt und daß dies Jesu Adressaten bewußt war! Dementsprechend hat ja auch Matthäus die Bergpredigt im Sinne eines Gemeindekatechismus auf1 So z.B. auch CONZELMANN, Artikel: Jesus Christus, R G G 3 I I I 633. Daß Jesus in den Antithesen von einer neuen eschatologischen Situation her spricht, die sich an dem „Zeitunterschied" zwischen dem ήκούσατε δτι έρρέ9η und έ γ ώ δέ λ έ γ ω ύμίν bemerkbar macht, hat Ε. JÜNGEL, a.a.O. S. 206 hervorgehoben. 2

So E . KÄSEMANN, a . a . O . ;

CONZELMANN, a . a . O .

S. 6 3 8 t . ;

BRAUN, a . a . O .

S. 3ff.;

G. BORNKAMM, a.a.O. S. 92ff.; R. BULTMANN, a.a.O. S. 78ft. und Theol. 3 S. 13; K . G. KUHN, Art.

Q u m r a n 752

usw.

Ges. Aufs. I S. 281 fi.; I I S. 168ff. 4 FUCHS ist hier systematisch offenbar beeinflußt von FR. GOGARTEN, der von Jesus schreibt: „Wohl spricht auch er in der Weise der Forderung, aber die ungeheuer paradoxen Formulierungen seiner Forderung lassen ohne weiteres erkennen, daß das, wovon er spricht, nicht dadurch geschehen kann, daß es auf eine Forderung hin getan wird. Sie spricht von etwas, das zwar sein soll - denn sonst hätte es keinen Sinn, daß Jesus fordert - , das aber nicht nur sein soll, sondern das, indem diese Forderung ausgesprochen und gehört wird, schon ist" (Der Mensch zwischen Gott und Welt, Stuttgart 3. Aufl. 1956, S. 237, vgl. auch S. 239Í.). 6 Vgl. Anm. 2 S. 191. 3

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

251

gefaßt. Man kann diesem Verständnis nicht, wie FUCHS, damit entgehen, daß man die These aufstellt, Liebe könne nur von Liebe kommen, also nicht gefordert werden ! FUCHS geht hier von einem modernen, personalistischen Liebesbegriff aus, der für die Antiken so keineswegs gegeben war 1 ! Wie eben die Gleichnisse gezeigt haben, hat Gottes Liebe für Jesus einen verpflichtenden, ja rechtlichen Aspekt gehabt. Die Liebe, von der Jesus spricht, ist die verpflichtende Herablassung eines Herrschers, dessen freies Recht und nur so die Güte des Vaters! Gott hat also für Jesus durchaus ein Recht darauf, seine Liebe gebieterisch anzumelden. Eben dies geschieht durch Jesu Mund in den Antithesen! Zwischen den Gleichnissen vom Schalksknecht, vom Zöllner und den Antithesen besteht im Verständnis der verpflichtend belangenden Liebe Gottes keine Differenz noch irgendein Widerspruch. Der von FUCHS BORNKAMM vorgehaltene Zwiespalt in Jesus kann also gar nicht erst entstehen und ist nur das Ergebnis einer auf Jesus zu rasch übertragenen, modernen anthropologischen Sicht. BORNKAMM hat also trotz des Verdiktes von FUCHS recht, wenn er meint, der Hörer könne den helfenden Jesus erst auf dem Grund der Antithesen gewahren2. Jesus hilft den Menschen gerade auf Grund der Antithesen dazu, das Königsrecht der Liebe zu verstehen und zu praktizieren. Mit dieser Hilfestellung läßt Jesus für Gottes Liebe Raum ! Die Forderung, die Jesus ausspricht, bürgt, weil sie im Namen Gottes ergeht, für die Würde der Liebe Jesu und deren eigenes, herrscherliches Recht, also deren Vollmacht 3 . Anders formuliert : In den Forderungen der Antithesen kommt zum Ausdruck, daß auch Jesu helfende Haltung verpflichtenden Charakter hat. Bei Jesus ist, im Gegensatz zum pharisäischen und apokalyptischen Judentum seiner Zeit, keine ausgesprochene Rechtfertigungslehre nachweisbar. Von Gottes Gerechtigkeit spricht er nicht. Wohl aber ist Zentrum seiner Verkündigung die Botschaft von der nahenden βασιλεία als dem Reich des Liebesrechtes Gottes, das zur Vergebung bereit, zur Neuschöpfung des Seins fähig, aber auch zum Zorn und zum Gericht stark genug ist. Dieses 1 Erst jetzt hat FUCHS die Liebe wieder folgendermaßen definiert: „Das ist das Wesen der Liebe, daß sie sammelt, keinen Unterschied aufhebt, passiv und zugleich aktiv macht und doch alles erfüllt, was zwischen Personen geschieht. Daher lebt die Liebe im Wort" (Spannung im ntl. Christusglauben, S. 43). Vgl. aber Anm. 1 S. 2481 Wenn E. JÜNGEL diese These seines Lehrers modifiziert und schreibt: „ I n der Geschichte Jesu schafft sich das Eschaton seine eigene Geschichte als Geschichte der Liebe ... Deshalb kommt die Liebe nicht von der Forderung der Liebe, sondern die Forderung der Liebe erkennt die Macht der Liebe an" (a.a.O. S. 211), so kann man dem zustimmen. Nur fällt dann auch der Einspruch gegen BORNKAMM hin, denn eine als Macht erscheinende Liebe muß sich in Gestalt von Forderungen zu Gehör bringen (vgl. JÜNGEL selbst S. 213). Hat Jesus also nicht doch zur Einkehr ( = Buße) gerufen?

Jesus von Nazareth, S. 92-100 (dazu FUCHS, Ges. Aufs. II S. 201-207). Sehr schön formuliert JÜNGEL, a.a.O. S. 207 Anm. 1: Die Antithesen „(zeigen) dem Lieblosen die Unmöglichkeit auf, das Gesetz zu erfüllen. Dem, der dem Ruf der Liebe folgt, zeigen sie die Unmöglichkeit auf, gegen die Macht der Liebe zu leben. Jesus hat also den Menschen nicht nur als Sünder ernst genommen ..., sondern zugleich als einen zur Liebe Fähigen angesprochen." 2

s

252

Ausblick

Liebesrecht ist ohne einen ihm antwortenden Gehorsam nicht zu haben. Das drückt der Begriff βασιλεία aus. Die Liebe ist das freie Recht dieser Königsherrschaft, und die Königsherrschaft Gottes über die Welt ist der Rahmen, in dem Jesus Gottes Liebe übt und ausspricht. Dies zeigt sich aufs schönste im Vaterunser.

6. Das Vaterunser Die zum Teil sehr komplizierten Probleme, die dieses Gebet stellt, vor allem die Frage, ob sich Jesus mit seinen Jüngern in der Bitte um Vergebung der Sünden zusammengeschlossen hat oder nicht, brauchen hier nicht in extenso behandelt zu werden 1 . Die Forschung ist sich darin einig, daß in der Matthäus- und Lukasfassung zwei liturgische Formulare vorhegen, von denen die lukanische Version ursprünglicher erscheint, während das Matthäusformular eindeutige liturgische Erweiterungen bietet. Dennoch scheint Matthäus, aufs Ganze gesehen, die ursprünglicheren Formulierungen zu bieten. Urtext des Vaterunsers ist eine gereimte aramäische Prosa, über deren Wortlaut, die Brotbitte ausgenommen 2 , heute weitgehend Einigung erzielt ist. Vorbilder dieses aramäischen Gebetes sind das i8-BittenGebet und das Kaddisch. Die Schlußdoxologie wurde frei gebetet und erst spät in der uns geläufigen Form fixiert. Auf Jesus läßt sie sich nicht zurückführen. Strittig ist, ob das Vaterunser als ganzes eschatologisch zu interpretieren ist (LOHMEYER, JEREMIAS), oder ob eschatologische Bitten mit solchen, die den Alltag betreffen, wechseln (KUHN). Kriterium dafür ist die umstrittene Brotbitte. Daß das Gebet in seiner Urform auf Jesus selbst zurückgeführt werden kann, wird allgemein zugegeben. Strittig ist aber wieder, ob es nun spezifisch jesuanische Züge enthält oder auch von Jesu jüdischen Zeitgenossen gebetet werden konnte. In der Anrede wird das ursprüngliche, bei Lukas erhaltene πάτερ = άββά 3 von der Matthäusversion bereits wieder mit jüdischen liturgischen Farben übermalt. Der für Jesus nahe Vater wird so wieder zum zwar väterlichen, aber fernen Regenten der Welt. Die ersten beiden Bitten erbitten die Epiphanie des über alle Mächte triumphierenden, herrscherlichen Gottes, wobei „der Sinn der passiven und intransitiven Fassung dieser ersten . . . Bitten" der ist, „daß das Ganze nicht durch Menschen geschieht, sondern an den 1 V g l . außer den K o m m e n t a r e n : E . L O H M E Y E R , D a s Vaterunser, Göttingen 5. Aufl. 1962; K . G. K U H N , A c h t z e h n g e b e t und Vaterunser und der R e i m , W U N T x, T ü b i n gen 1950; J . JEREMIAS, A r t i k e l : Vaterunser, R G G 3 V I 1 2 3 5 - 1 2 3 7 ; ders., „ D a s V a t e r Unser im Lichte der neueren F o r s c h u n g " (Calwer H e f t e 50, S t u t t g a r t 1962). 2 V g l . die verschiedene Fassung der B r o t b i t t e bei K U H N , a . a . O . S. 32. 35F. und JEREMIAS, Vater-Unser, S. 15. 22f. s Dazu JEREMIAS, a . a . O . S. 1 7 s . ; ders., , , A b b a " , T h L Z 79 (1954) S. 2 1 3 t . und „Kennzeichen der ipsissima v o x Jesu", S y n o p t . Studien = Festschrift für A . W I K E N HAUSER, München 1953, S. 86ff.

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

253

Menschen. Subjekt ist Gott allein" 1 . Die zweite Bitte zeigt, daß Jesus den Begriff der βασιλεία ganz unbefangen eschatologisch gebraucht hat. Die Unmittelbarkeit der Anrede ά β β ά und die Bitte um die Heiligung des Gottesnamens und Ankunft des Gottesreiches lassen sich nur so einen, daß hier um die eschatologische Manifestation des väterlichen Gottesrechtes gebetet wird, des Rechtes Gottes freilich, der heute schon, im Alltag der Welt, den Seinen die Sorge um das tägliche Auskommen nimmt 2 und sie dadurch in die Freiheit stellt, Gottes vergebende und damit ihrerseits Freiheit stiftende Mitarbeiter zu werden. Das Schalksknechtsgleichnis ist der beste K o m mentar zur 4. Bitte (nach lukanischer Zählung). „Nicht so meint es Jesus, als ob unsere eigene Vergebung gegenüber dem anderen uns einen Anspruch gäbe auf Gottes Vergebung gegenüber uns. Sondern er sagt : was die Stunde fordert, ist, daß du einen Strich ziehst unter alles, was dir der andere angetan hat, und es so aus der Welt schaffst. Nur dann hast du überhaupt ein Recht, Gott in deiner eigenen Sache zu bitten. Das Gewähren bleibt immer noch freie Gnade." 3 Das freie Walten des Recht und Freiheit schaffenden Gottes bleibt also gewahrt 4 . Die Schlußbitte lenkt zur Eschatologie zurück. Das in seiner Ohnmacht von dem allein Recht schaffenden, allmächtigen Gott bloßgestellte und sich dieser seiner Ohnmacht, d.h. der Unfähigkeit, selbst Gottes Herrschaft heraufzuführen, seiner alltäglichen, nicht selb1

KUHN, a . a . O . S. 42.

Die eschatologische Fassung der Brotbitte bei Jeremias, Vater-Unser, S. 22S. will nicht einleuchten, weil nicht einzusehen ist, wie das doch völlig geläufige Wort 1ΠΟ (morgen) im Nazaräerevangelium, auf das sich JEREMIAS hauptsächlich stützt, „durch das völlig singuläre έτπούσιος wiedergegeben sein sollte, während das Umgekehrte leicht denkbar ist, da es die Dunkelheit des griechischen Wortes beseitigt" (LOHMEYER, a.a. S. S. 99). Gerade die Brotbitte setzt im Nazaräerevangelium ja „den griechischen Text des Mt. voraus" (VIELHAUER, Neutestamentl. Apokryphen I, S. 92). Außerdem taucht bei der Fassung „ B r o t für morgen" die Frage auf, wie sich diese Bitte dann zu Mt. 6,34 verhalten soll. Davon, daß das Brot hier „das Bild und die Wirklichkeit des eschatologischen Gottesreiches" (LOHMEYER, a.a.O. S. 107), also das „Lebensbrot" (JEREMIAS) meint, steht nichts im Text. Eine Hypothese bleibt es auch, wenn KUHN a.a.O. vermutet, das Wort έτπούσιοζ sei eine „singuläre Neubildung" des Ubersetzers und meine „unser brauchiges B r o t " im Doppelsinn von „was wir brauchen" oder „was Brauch ist" (S. 36f.). - Das Einfachste ist immer noch, mit dem Papyrusbeleg aus dem 5. Jh. p. Chr. imoOaios im Sinne von „ z u r Tagesration gehörig" bzw. als „das Brot, das wir brauchen" zu fassen (so FOERSTER, Artikel: émoúaios T h W b II S. 594Í. und dem Sinne nach auch KUHN). Wenn έττιούσιοί ein vulgärer Ausdruck war, dann erklärt sich auch das Phänomen eines einzigen schriftlichen Belegs: die Umgangssprache schafft sich selten literarische Denkmäler! Auf jeden Fall aber ist mit FOERSTER, KUHN u.a. die Brotbitte diesseitig zu fassen. Sie entspricht dann den von LOHMEYER, a . a . O . S. 93f. gesammelten jüdischen, gleichsinnigen Belegen und ist in der T a t der Gebetsruf eines völlig auf Gott angewiesenen Menschen, „welcher am Morgen noch nicht weiß, ob er über T a g Arbeit und Brot findet" (LOHMEYER, a.a.O. S. 96). Gerade aber diese Sorge will Gott stillen, heute schon und nicht erst im Eschaton. 2

3

KUHN, a . a . O . S . 45.

Die bei Matthäus überkommene Rechtsterminologie: όφείλημα, άφιέναι, όφειλέτηξ entspricht jüdischer Redeweise (vgl. JEREMIAS, a . a . O . S. 14), aber zeigt eben damit auch, daß Gott hier als ein Gott des Rechtes gedacht ist ! 4

254

Ausblick

ständig stillbaren Bedürftigkeit und schließlich seiner Schuldverfallenheit bewußte Geschöpf bittet darum, im Kampf der Gläubigen vor der Ankunft Gottes (vgl. Mt. 26,411) vor einem satanischen Übermaß an Heimsuchung bewahrt und „durchgerettet (zu werden) in die Gottesherrschaft" 2 . Auch dies eine Bitte, die nur der seinem Geschöpf gegenüber dem Satan Recht verschaffende Gott zu erfüllen vermag. Die Königsherrschaft des Recht schaffenden Gottes über der Welt ist also der Rahmen, in dem Jesus Gottes Liebe verwirklicht und ausspricht. Jesus hat die Proklamation dieses Liebesrechtes Gottes unlösbar mit seiner Person verbunden. Dies zeigt sich im Eingang der Lukasfassung des Vaterunsers an der unverwechselbaren Eigenart des hier angerufenen nahen, väterlichen und doch weltweit Recht stiftenden Gottes, d. h. an Jesu Gotteserfahrung und vielleicht auch in der Rangfolge von eschatologischen und diesseitigen Bitten, die gegenüber dem Achtzehngebet im Vaterunser gerade umgekehrt ist3. Von dem bei Lukas bewahrten Eingang des Vaterunsers abgesehen, also in der matthäischen Version4, konnte das Gebet aber auch vom Juden zur Zeit Jesu angenommen und aufgenommen werden. Dies interessiert uns jedoch jetzt weniger. Entscheidend ist, daß der Eingang des lukanischen Formulars bestätigt, daß Jesus historisch als Zeuge von Gottes königlichem Recht zur Verkündigung dieses Rechtes und der Bitte um seine Epiphanie hinzugehört. Für Paulus ist (nach 2. Kor. 5,21) Jesus Christus die Erscheinung der Treue Gottes in Person. Jesus gehört als der Zeuge von Gottes herrscherlichem Liebesrecht auch historisch zu seiner Verkündigung unlösbar hinzu. Man kann daher die Frage nach der Kontinuität zwischen Jesus und Paulus bei terminologischer und traditionsgeschichtlicher Unterschiedenheit nur so beantworten, daß sie im Ereignis der Person Jesu liegt. Am Personereignis Jesu (Christi) hegt insofern alles, weil ohne seine bleibende Gültigkeit die Christologie fast unrettbar in eine allgemeine, von Jesus nur 1 πειρασμόΐ meint nicht die „große Endversuchung, die vor der Tür steht ... die letzte Verfolgung und Erprobung der Heiligen Gottes" (JEREMIAS, a . a . O . S. 27), denn dieser endzeitliche ττειρασμόΐ muß ja nach apokalyptischer Anschauung der Parusie vorangehen. Zu bitten, von diesem πειρασμός erlöst zu werden, würde heißen, um Verzögerung der Parusie Gottes bitten! Damit wäre dann aber die Bitte um das Kommen der βασιλεία wieder aufgehoben. - ττειρασμόΐ meint vielmehr, wie Mt. 26,41 auch, ,,die Anfechtung des Gläubigen durch den Satan. Der Gedanke, der dahinter steht, ist der des Kampfes der beiden Mächte in der Welt und um die Welt, Gottes und des Teufels. In diesem Kampf steht der Gläubige als wachsamer und tapferer Streiter auf der Seite Gottes gegen den Teufel, der ständig darauf aus ist, ihn zu überrumpeln und zu Fall zu bringen, ihn durch die Anfechtung zum Sündigen und damit zum Abfall vom Glauben zu bringen" (KUHN, Jesus in Gethsemane, EvTheol 12, 1952/53, S. 283). Die Matthäusfassung interpretiert also ganz richtig, wenn sie hinzusetzt: ά λ λ ά βΟσαι ή μ δ ΐ άττό τ ο υ ττονηροΰ, d.h. vom Satan. 2 KUHN, Achtzehngebet, S. 46. 3 KUHN, a . a . O . S. 4of. 4 G. STRECKER macht a . a . O . darauf aufmerksam, daß Matthäus selbst sein Formular des Vaterunsers bereits übernommen, also nicht selbständig verändert habe (S. 18).

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

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heraufgeführte Wahrheit verschwimmt 1 . Sachlich wiegt bei der Betonung des Personereignisses die Tatsache, daß Jesus Gottes Liebesrecht und Paulus Gottes Schöpferrecht verkündet, nicht schwer. Die Differenz zeigt nur noch einmal an, daß sich traditionsgeschichtliche Linien von Jesus zu Paulus direkt nicht ziehen lassen, daß vielmehr zwischen beiden die Kehre zur urchristlichen Apokalyptik liegt, welche nach der Abkehr Jesu von Johannes dem Täufer bei Jesus selbst so nicht mehr gegeben war2. Denn auch die Rede von der βασιλεία im Vaterunser und in Jesu Gleichnissen entbehrt der brennenden apokalyptischen Hoffnung, wie sie ζ. Β. 1 QM 6,6 ; 12,7 noch gegeben ist und welche den eschatologischen Kontext der δικαιοσύνη 3εοΰ bei Paulus darstellt. Da dennoch mit Jesu Begriff der βασιλεία und der paulinischen Rede von der δικαιοσύνη 3εοΰ dasselbe Phänomen angegangen wird: Gottes befreiendes Recht der Liebe, lautet unsere These nunmehr so: Aus dem Verkündiger der Treue Gottes, Jesus, wurde der Verkündigte, Jesus Christus, dadurch, daß Gottes Treue im Evangelium und Bekenntnis der Osterzeugen das Zeugnis für Jesus übernahm. Dadurch, daß vor Ostern sich die Treue Gottes in Jesus zu Wort meldete, mit Ostern aber die Person Jesu ganz, also mit ihrem Geschick (vor allem ihrer Passion) in das Wort der Treue Gottes einging, wurde Gottes Treue als Gottes Recht manifest, als die den Tod überwindende Macht. Die Kontinuität zwischen Jesus und Jesus Christus liegt allein in dem befreienden Recht der Treue Gottes3. Der Glaube an diese Treue Gottes als sein befreiendes Recht der Liebe ist tatsächlich nur „bei Jesus" (E. FUCHS) möglich, d.h. im Einverständnis mit seinem in die Sendung und Erfahrung weisenden Wort und Tun. Man kann vielleicht auch so formulieren : Das Problem war vor Ostern die tatsächliche Gültigkeit der von Jesus proklamierten Treue Gottes. Jesus mußte sterben, damit Gottes Treue als das befreiende Recht seiner Liebe fraglos und d.h. auch gegenüber dem Tode gültig wurde. Die Fraglichkeit wechselte mit Ostern auf Jesus selbst über. Eine Christologie, welche auf diese Fraglichkeit Jesu eingeht, ist die Antwort auf den durch die Auferweckung Jesu von den Toten manifest gewordenen, bestätigenden Entscheid Gottes für Jesus allein. Diese Christologie ist nur möglich, wenn ihr das mit Paulus 1 „ D a s Geheimnis dieser Passion, der damals und dort durch die Hand der Römer geschehenen Peinigung, Kreuzigung und Tötung dieses einen Juden ist die Person und die Sendung dessen, der da leidet, gekreuzigt wird und stirbt" (K. BARTH, K D IV, 1 S. 271). 2 Vgl. E . KÄSEMANN, Urchristl. Apokalyptik, S. 26off. 8 Sehr schön E. JÜNGEL: „ S o verweist uns die eschatologische Sprachgeschichte des Neuen Testaments als Geschichte des Zur-Sprache-Kommens Gottes auf den Ratschluß Gottes als den Ursprung der Christologie" (a.a.O. S. 283, Hervorhebung von mir). Ich möchte ausdrücklich betonen, daß dies a) bedeutet, daß wir nur von Ostern her auf Jesus zurückschauen können und daß also auch die von uns vorgelegten E x e gesen nur eine solch vergleichende Rückschau sein können; b) daß diese Tatsache dem Versuch einen Riegel vorschiebt, aus der Vergleichbarkeit der Situation der vorösterlichen Jünger und der nachösterlichen Christen eine Austauschbarkeit der beiden Situationen zu konstruieren (vgl. auch Anm. 1 S. 244). Vgl. auch MOLTMANN, Anfrage u. Kritik, S. 30. 33.

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Ausblick

zu sprechende Bekenntnis : Ich glaube, daß Gott Jesus Recht gegeben hat, vorangeht 1 . Diesen Satz expliziert die paulinische Christologie, und zwar mit Hilfe des Begriffes der δικαιοσύνη Seoö und d.h. in nun wieder streng apokalyptischem Horizont. Diese Kehre zur Apokalyptik ist aber nun nicht als Rückfall in einen von Jesus schon überwundenen Zustand zu werten, sondern als legitime Antwort auf Jesu eigene Verkündigung der herrscherlichen Liebe Gottes. Wenn es in dieser Verkündigung um die Sendung der Liebenden in den Dienst, um die Herrscherstellung Gottes in der Welt und die Überwindung des Todes aus Gottes Macht heraus ging, dann war die von Paulus herangezogene Apokalyptik mit ihrem Begriff der Gottesgerechtigkeit als Schöpfertreue im Blick auf die drohende Welt der historisch einzig mögliche Rahmen für eine Jesu Verkündigung aufnehmende Christologie. Auch unter dem Blickwinkel der hermeneutischen Fragestellungen der Gegenwart ist also die Christologie des Paulus ein strukturell noch immer maßgeblicher Entwurf. Wenn Paulus seine Christologie aus einer apokalyptischen Gesamtschau in mythologischen Denkschemata entfaltet, und zwar mit Hilfe des Sühnopfergedankens (Rom. 3,24ff. ; 4,25; 2. Kor. 5,21 usw.), des Adam-Anthropos-Mythos (Rom. 5,i2ff.; 1. Kor. i5,2off.44ff.; Phil. 2,6ff.) und der These vom präexistenten Schöpfungsmittler (1. Kor. 8,6 usw.), so nur deshalb, um die kosmische Dimension des Satzes, daß Gott Jesus Recht gegeben hat, mit den zu seiner Zeit allein möglichen Mitteln zu explizieren. Die kosmische Dimension aber hat den Sinn festzulegen, daß der Gott Jesu und seine Treue nicht der kleine Gott der Enthusiasten, sondern der Gott der Welt ist, welcher den Tod zu überwinden vermag. Für uns sind sie paulinischen christologischen Interpretamente systematisch nicht mehr aufnehmbar, und auch der apokalyptische Rahmen der paulinischen Christologie muß interpretiert werden, um relevant zu erscheinen. Eine neue, der paulinischen angemessene und vielleicht ebenbürtige Christologie gewinnen wir aber nur dann, wenn wir sie streng von der Frage her entwerfen, inwiefern Jesus selbst von Gottes befreiendem Recht bestimmt war, einem Recht also, welches nur die Welt zu ihrem Horizont haben kann. Das Moment der Gewißheit Jesu ist bei dieser Frage nach seiner Bestimmtheit bzw. nach dem Recht des Auferstehungsbekenntnisses nur ein Teilaspekt, weil in dieser Christologie der wirkliche Mensch 1 EBELING m ö c h t e T h e o l . u. V e r k . S . 83 „ d i e ü b e r l i e f e r t e n C h r i s t u s p r ä d i k a t i o n e n u n d c h r i s t o l o g i s c h e n F o r m e l n " a u f die „ H o m o l o g i e : ' I c h g l a u b e a n J e s u s ' " z u r ü c k f ü h r e n u n d a l s d e r e n E x p l i k a t i o n e n b e t r a c h t e n . U n m i ß v e r s t ä n d l i c h e r m ü ß t e es w o h l h e i ß e n : I c h g l a u b e a n d e n sich i n J e s u s zu W o r t m e l d e n d e n G o t t u n d d a r u m a n J e s u s Christus. D i e s e P r ä z i s i e r u n g i s t d e s h a l b erforderlich, w e i l e i n G l a u b e a n J e s u s v e r w e c h s e l t w e r d e n k ö n n t e m i t e i n e m „ G l a u b e n " a n S o k r a t e s , z . B . als d e n B a h n b r e c h e r u n d das Vorbild f ü r wahre menschliche L e b e n s h a l t u n g . N u r w e n n m a n auf die G o t t e s v e r k ü n d i g u n g J e s u d u r c h s t ö ß t u n d v o n hier a u s die B r ü c k e z u s c h l a g e n v e r s u c h t z u der G o t t e s v e r k ü n d i g u n g d e r n a c h ö s t e r l i c h e n G e m e i n d e , l ä ß t sich die C h r i s t o l o g i e v o r der V e r f r e m d u n g i n a l l g e m e i n e W a h r h e i t e n b e w a h r e n .

Jesus, der Zeuge des befreienden Gottesrechtes

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Jesus, der wirkliche Schöpfer der Welt und die wirkliche Schöpfung als Vater, Sohn und Heimstatt erscheinen müssen. III. Die Berufung unter Gottes befreiendes Recht Rechtfertigung ist für Paulus ein Schöpfungsvorgang, und zwar der Aufgang der verbindlichen Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung über der Existenz des Einzelnen. Diese schöpferische Berufung unter Gottes Befehl und Recht will in strenger Parallelität zugleich als Sprachereignis, als Schöpfungsereignis und als rechtsverbindliches Geschehen erfaßt werden. Seine Signatur ist die Freiheit. Paulus hat deshalb die Rechtfertigung als einen Vorgang gezeichnet, welcher sich in einer die gesamte Welt umgreifenden forensischen Situation abspielt. Die Vorstellungsschemata für diese Sicht flössen ihm zu aus dem spätjüdisch-apokalyptischen Denken. Es geht dieser Apokalyptik darum, die Rechtfertigung als Schöpfungsakt Gottes zu zeichnen, in welchem er sich ein neues, sein Recht der Welt fortan als Freiheit bezeugendes Geschöpf schafft. Das Sein dieses Geschöpfes besteht heute erst im angefochtenen Zeugendienst an und für Gottes Welt. Daß das mythologische apokalyptische Denken eine wohl sachlich bedeutsame, darum aber doch historisch vergangene Weltanschauung darstellt, ist heute auch dem deutlich, der aus theologischen Gründen von den Vorstellungsschemata der Apokalyptik nicht meint lassen zu dürfen. An diesen Schemata hängt freilich wenig. Alles aber hängt an der mit ihnen anvisierten Sache! Es geht um die die Welt betreffende schöpferische Indienstnahme des Einzelnen für Gottes Recht. Christliches Sein ist als Stand in der Wirksamkeit der Schöpfertreue Gottes nur im Sinne der Sendung in den Dienst an der Welt aufzufassen. Eben dies will Paulus mit seiner Rechtfertigungslehre sagen. Sie und die Heiligung sind nicht zu trennen1. Die Vorstellung vom Weltforum ist für solche Aufnahme in den Zeugendienst nur darin konstitutiv, daß 1 Vgl. E. WOLF, a.a.O. S. 307: In der Heiligung „wird der Mensch als Christ zum 'Mitwirker' Gottes, denn darin wirkt sich das schöpferische Geschehen der Rechtfertigung in das instrumentale Handeln des Gerechtfertigten aus. Gerade weil nach dem Schriftzeugnis der Christenmensch Mitwirker Gottes (1. Kor. 3,9 u.a.) in der Überwindung der gottfeindlichen Welt ist, darum ist er nicht Mitwirker, kooperierender Faktor am Heil des Ich, an der Rechtfertigung seiner selbst. Heiligung hat die Rechtfertigung zur Voraussetzung und das Dasein in dieser Welt unter der Sünde zur Bedingung und ist der Vollzug des Glaubensgehorsams in dem als Liebe bezeichneten Tun des Glaubens. Als Mitwirker Gottes aber erst hat der Mensch die Freiheit zur vollen Natürlichkeit seines Handelns" (Hervorhebung bei WOLF). - Wie sich die paulinische Paränese unter eben dieser Voraussetzung dem Rechtfertigungszusammenhang einordnet, hat E. KÄSEMANN in seinem Aufsatz „Gottesdienst im Alltag der Welt" (Judentum, Urchristentum, Kirche = Festschrift für J. JEREMIAS, BZNW 26, Berlin i960, S. 165-171) gezeigt: Bei Paulus, schreibt KÄSEMANN, „ist zwar kein System der christlichen 'Ethik' entworfen, doch ist zum ersten Male in der Geschichte der Kirche das gesamte Handeln der Gemeinde und ihrer Glieder aus einer einheitlichen Perspektive gesehen und als im Alltag der Welt erfolgende Antwort des Glaubens auf den Ruf der die Welt ergreifenden Gnade theologisch bestimmt worden" (S. 171).

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8243 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

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Ausblick

das Zeugnis in diesem Dienst verbindlich und das Sein des Zeugen als Gottes Werk nur im Wirken beständig ist. Die Relation zu Gott im Glauben hat den Charakter des wirkenden Unterwegsseins. Das Ziel ist Gottes endgültige Epiphanie, die man sich nicht mit repristinierten Vorstellungen vorstellen darf, gerade weil sie die Epiphanie des freien Rechtes Gottes sein wird. Nach dem vorangegangenen Abschnitt über die Christologie können wir nun auch sagen : Rechtfertigung meint die verpflichtende, den Menschen erneuernde Berufung des Einzelnen, kraft Gottes Setzung, in den durch Jesus eröffneten Raum der Begegnung mit Gott, welche in die Sendung führt. Der Mensch ist Gott (nur) dort recht, wo er sich in Gottes über Jesus proklamiertes und in Wort und Tat des historischen Jesus erkennbares, österliches Treuezeugnis findet. Der Mensch bleibt aber Gott nur dort recht, wo er dieses Treuezeugnis in seinem eigenen Dienst bezeugt. Dort, wo er mit der Verkündigung Jesu einverstanden ist, wird es ihm möglich, in der Kraft der Treue Gottes seinen Mitmenschen beizustehen, das Leiden durchzustehen und in der Hoffnung auf die Welt Gottes die belastende Gegenwart in Freiheit zu bestehen. Die Berufung des Menschen, im Vertrauen auf Gottes, sein eigenes Sein neu gründendes Recht, wird erfahren in der Befreiung von der Angst und daher in der zeichenhaften Freude der Freiheit. Von Gottes Recht bestimmt, vermag der Mensch sich in der Nachfolge Jesu seiner eigenen Freiheit zu freuen und wird so zum Zeugen des befreienden Gottesrechtes. Rechtfertigung meint die befreiende, weil seinsgründende Berufung in den durch Jesu Weg und Wort eröffneten Raum des Glaubens, der sich nur im Wort, dort aber ganz, und zwar auf die Welt hin, öffnet. Der Berufene ist darin frei, daß Gott ihm treu ist, und er ist darin Gott recht, daß er sich im Vollzug seines neuen Seins als Zeuge Gottes auf Gott den Vater in Gegenwart und Zukunft verläßt. Von der Rechtfertigung zu predigen als von der befreienden Berufung in die Sendimg unter dem Recht Gottes, könnte die Neugewinnung des heute weithin in erstarrten Denkformen eingemauerten articulus stantis et cadentis ecclesiae bedeuten.

REGISTER Eine bloße Zahl oder Zahl vor dem Komma meint die betreffende Seite. Zahlen nach dem Komma weisen auf Anmerkungen hin; wären unter einem Stichwort mehrere Anmerkungen derselben Seite zu nennen gewesen, so ist die Seitenzahl ohne Komma gesetzt. I. Begriffe Paraklet 189,3 Recht Gottes im A T 119 ff. Recht, heiliges 1 3 3 ! 206,2. 215,1 Rechtfertigen (Verbum) 217 ff. Rechtsstreit I37ff. Wort Gottes in der Apokalyptik 79,1 Wort Gottes im A T 121,2. 1 2 4 ! 130,1 Zorn Gottes 80,2

Anthropologie des Paulus 206,2 Eschatologie 206,2. 240,2 Gerichtsreden 1270. Gesetz 94 s . Glaube 81 ff. Gnade 90,4 Herrlichkeit Gottes 196 Kirchenrecht 215,1

II. Autoren K. Aland, Art. Jakobusbrief 193,2 A. Alt, Ursprünge d. israelit. Rechts 119. 121 P. Althaus, Letzte Dinge 206,2 — Art. Eschatologie 206,2 — Römer 41 — Theologie Luthers 21,2 — Christi. Wahrheit 19,3. 42,2 Ph. Bachmann, 2. Korinther 75,1 Kl. Baltzer, Bundesformular 126,2. 129,1 E. Bammel, Judenverfolgung 203,2 H. Bardtke, Handschriftenfunde 155,2. 157 — Ich des Meisters 161,1 — Hebr. Konsonantentexte 157,2 J. Barr, Semantics 116 C. K. Barrett, Römer 64. 226 G. Barth, Gesetzesverständnis des Mt 188,2. 249,6 K . Barth, Kirchl. Dogmatik II 1 57f. — Kirchl. Dogmatik IV 1 57,2. 71,3. 91,1. 237.1· 239.1· 255,1 — Rechtfertigung u. Recht 58,2 — Römer 8 57 — Kurze Erklärung d. Röm. 58. 60 W. Bauer, Wörterbuch 5 65. 89,4. 93,2. 189,2. 190,1 — Rechtgläubigkeit 199,1 O. Bauernfeind, Eid und Frieden 249,4 17*

O. Bauernfeind, Art. ττόλεμοί I43,4 Fr. Baumgärtel, Liturgie in d. Sektenrolle 125 f. F. Chr. Baur, Paulus 29 ff. — Zweck u. Gedankengang des Röm. 31,4. 32,4

— Ntl. Theologie 30,4 J.Becker, Heil Gottes 149.152-155. 159,1. 161,1. 163. 164,2. 169,1. 188,1. 222 J. Begrich, Dt. jes. 137 — Heilsorakel 137,2 J. Behm, Art. τταράκλητοζ 197,3 A. Bentzen, Daniel 147,4 G. Bertram, Art, Septuaginta-Frömmigkeit 112,1 H. W. Beyerlin, Micha 133,3 P. Billerbeck, Komm. 5 0 ! 77,2. 80,2. 144,1. 176,4. 1 8 2 ! 225. 245,1 E. Bizer, Fides ex auditu 19,5 H. J. Boecker, Anklagereden 1270. 133,4. 138 — Redeformen 127 f. J. A. Bollier, Righteousness of God 63 Th. Boman, Hebr. Denken 125,2 G. N. Bonwetsch, Henoch 169,2 G. Bornkamm, Bekenntnis im Hebr. 98,1 — Gesetz und Natur 95,3. 228,4 — Jesus 248,4. 250. 251

26ο

Register

G. Bornkamm, Lohngedanke 235. 247,3 — Art. Paulus 67 t. 74,1 — Ofib. d. Zornes Gottes 84,1. 95,3. 228,2 H. Bornkamm, Iustitia dei 18,4 W. Bousset, Kyrios Christos 45,1 — X l l e r Test 171,3 W. Bousset — H. Greßmann, Religion d. Judentums 145. 175,1. 176,6. 240,2 E . Brandenburger, Adam und Christus 213.3 G. Braumann, Vorpaulin. Taufverständnis 186,1 H. Braun, Ntl. Christologie 244,2 — Erbarmen Gottes 178,1. 179,1. 180,1 — Art. Glaube im NT 82,2. 192,1 — Gerichtsgedanke 51,3 — Heilstatsachen 244,6 — Kanon 192,1. 195,2. 246,1. — Qumran und das NT 197,3 — Radikalismus I 149,2. 157,5. 180,3. 182,ï. 240,2 — Radikalismus I I 149,2. 249f. — Röm. 7,7-25 1 4 9 ! — Art. Salomo-Psalmen 178,1 — Art. Sektenregel 152,2 — Theologie d. NTs 244,2 H. Brunner, Gerechtigkeit 135,5 K . Budde, Hosessegen 142,2 Fr. Büchsei, Art. κρίνω 231,2 R . Bultmann, Art. âyvoéco 93,1 — Bedeutung d. geschichtl. Jesus 246,2 — Christologie d. NTs 54 — Urchristl. Christusbotschaft 243,3. 248,2 — Diatribe 94,4 — Δικαιοσύνη Ssoö 54,4 — Gal. 2,15-18 224,2 — Geschichte u. Eschatologie im NT 206,2 — Geschichte u. Eschatologie 54. 203,1. 206,2 — Art. γινώσκω 100,4 — Glossen im Röm. 206,2 — Gottesgedanke 244,3 — Sinn von Gott zu reden 54,1 — Jesus 131,7. 247,3. 248,3. 250,2 — Johanneskommentar 196,1. 198 — Analyse des 1. Joh. 199,4 — Kirchl. Redaktion des 1. Joh. 200,2 — Art. Paulus 54 — Art. uicrris 54.4· 57· 1 · 8 2 , i . 8 3 . 2193.3 — Synopt. Tradition' 247,3

R . Bultmann, Theologie d. NTs 11,1.54ft. 76,1. 77,1. 78. 82,1.83,2. 86,x. 88,1.97,2. 100,4. *92. 193.3· 200,2. 202,1. 204,3· 207,2. 209,1. 211,1. 215,1. 217,Χ. 224,1 228,1. 229,1. 250,2 Μ. Burrows, Art. Qumran 148 — Dead Sea Scrolls 148,3. 157,1 E . de W. Burton, Galater 63 f. H. v. Campenhausen, Idee des Martyriums 196,1 H. Cazelles, Justice de Dieu 47. 115,3. 133. ι- 135· 143.2 R. H. Charles, X l l e r Test 170,4. 171,1. 172,1 — Daniel 147,4 C. Colpe, Art. Philo io6f. H. Conzelmann, Apostelgeschichte 194,3 — Art. Jesus Christus 250,1 — Epheser 216,1 — Art. Eschatologie 203,1. 206,2 — Lage im NT 220,1. 244,4 — Art. Zorn Gottes 80,2 H. Cremer, Paulin. Rechtfertigungslehre 4 6 ! 50f. H. Cremer - J . Kögel, Wörterbuch 11 51. 192,5 F. M. Cross jr., Ancient Library 197,1 F. M. Cross jr. - D. Ν. Freedman, Blessing of Moses 142 N. A. Dahl, Volk Gottes 213,3 P.Dalbert, Theologie d. hell. jüd. Missionsliteratur 111,2 G. Dalman, Jesus-Jeschua 249,6 W. Dantine, Gerechtmachung d. Gottlosen 237,1 — Zum Rätsel von Helsinki 42,5 W.D.Davies, Paul and Rabb. Judaism 45 Α. Deißmann, Paulus 44 G. Delling, Z. neueren Paulusverständnis 231,1 A. Descamps, Justice de Dieu 108,1. 112 M. Dibelius, Jakobus 189,1. 192,5. 193 — Philipper 99 M. Dibelius — W. G. Kümmel, Paulus 204,2 H. Diem, Christologie und Rechtfertigung 57.2- 89,4 — Theologie I I 192,3 — Theologie I I I 215,1 — Was heißt schriftgemäß? 196,1 A. Dietzel, Beten im Geist 1 4 9 ! 154,6.161 E . Dinkier, Ethik b. Paulus 221,2 — Art. Taufe 221,2

Register E. v. Dobschütz, Johann.-Studien 199,4 — Rechtfertigung 42 f. C. H. Dodd, Bible and the Greeks 108,2. 190,5. 218,2 - έ ν ν ο μ ο ς χ ρ ι σ τ ο ύ 9β,ι — Joh. Epistles 199.2 — Parables 247,3 — Römer 64. 226 Α. Dünner, Gerechtigkeit nach d. A T 49. 131.7 B. Duhm, Jesaja 135,2. 141 A. Dupont-Sommer, Essen. Schriften 152,2. 154,1. 163,5. Ι7°.2· 249.2 G. Ebeling, Art. Geist u. Buchstabe 97,1 — Lehre vom Gesetz 97,1. 224,1 — Wesen d. christl. Glaubens 215,1. 243,1 — Frage nach d. hist. Jesus 243,1 — Art. Luther, Theologie 22,2 — Theol. u. Verk. 7 2 t 215,1. 24ifi. 243f. 249,5. 256,1 G. Eichholz, Glaube u. Werk 192,3 — Jakobus u. Paulus 69,4. 192,3 — Grenze d. existentialen Interpretation 73.1· 130,1 W. Eichrodt, Theologie d. A T s 115,3. 116,2 — Art. Zorn Gottes im A T 80,2 O. Eissfeldt, Einleitung 141,5 K . Elliger, Deuterojesaja 137,3 — K l . Propheten 83,3 E. Ellwein, Schlatters Kritik 20,3 K . Hj. Fahlgren, Sedaka 47. 113. 114 P. Feine, Theologie des NTs 40 J. Fichtner, Art. όργή 8o,2 — Art. Propheten seit Amos 136,6 M. J. Fiedler, Begriff δικαιοσύνη im Mt. 1x1,1. 169,1. 188,2. 190 F. V. Filson, Recompense 51 W. Foerster, Art. έτπούσιος 253,2 — Art. κ τ ί ζ ω 219,2 G. Fohrer, xo Jahre Literatur 127,9 A. Fridrichsen, Aus Glaube zu Glauben 81,1 G. Friedrich, Art. εύαγγέλ\ον 77,2 — Philipper 68,1 — Art. Römerbrief 68. 188,1 E. Fuchs, Besinnung 244.x. 247,4 — Spannung im ntl. Christusglauben 236.2. 251,1 — Christusverständnis 208,2. 214,1 — Glaube u. Geschichte 250 f. — Ursprung d. christl. Glaubens 247,2

E. Fuchs, Gleichnisauslegung 245,3. 248 — Art. Logos 130,1 — Existenziale Interpretation v. Rom. 7 224,1 — Unmerciful Servant 247,1 — Sprachereignis in d. Verkündigung Jesu 25of. — Aufgabe einer christl. Theologie 134 — Theologie d. NTs 255 — Wort Gottes 247,4 — Zeitverständnis Jesu 240,2. 247,4 K . Galling, Art. Reich Gottes 240,2 Th. H. Gaster, Scriptures of the Dead Sea Sect 158,1 E. Gaugler, Römer 65 H. Gese, Geschichtl. Denken 133,1 — Stil atl. Rechtssätze 121 f. i33f. — Alte Weisheit 47,5. 4 8 ! 116,1 Fr. Giesebrecht, Dt. 33,21 142,4. 143,1 M. Ginsburger, Ps. Jonathan 182,5 Fr. Gogarten, Mensch zwischen Gott u. Welt 250,4 H. Greeven, Urtext d. NTs 223,2 Η. Greßmann, Deut. 143,1 W. Grossouw, Dead Sea Scrolls 148,3 W. Grundmann, Art. δύναμίζ 79,2 — Gesetz, Rechtfertigung u. Mystik 45. 75.3 — Lehrer der Gerechtigkeit 154,5 — Art. στέφανος 236,1 H. Gunkel, 4. Esra 172,3. 173 A. Gunneweg, Erwägungen zu Am. 7,14 127 R. Gyllenberg, Paulin. Rechtfertigungslehre 61,5 — Art. Versöhnung im N T 88,6 E. Haenchen, Apostelgeschichte1® 99,2. 194 — Judentum u. Christentum in d. Apg.195 — Neuere Lit. zu d. Joh.briefen 199 Th. Häring, Δικ. 3εο0 bei Paulus 39 — Noch einmal δικ. SeoO 39 F. Hahn, Christolog. Hoheitstitel 74,1. 89,3. 134,4. 146,1. 240,2 Chr. Haufe, Rechtfertigungslehre 6 5 ! H. W . Heidland, Art. λογίζομαι 226,2 Ν. J. Hein, Art. Gerechtigkeit Gottes 105,3 Fr. R. Hellegers, Gerechtigkeit Gottes im Röm. 61 V. Herntrich, Jesaja 135,2 — Art. κρίνω 143,3

2Ö2

Register

Fr. Hesse, Prophet. Gerichtsrede 127 E . Hirsch, Geschichte d. neueren Ev. Theol. V 33,5 — Hilfsbuch 21,3 H. Hof er, Rechtfertigungsverkündigung 61 K. Holl, Iustitia Dei 14,9. 1 5 I 18,4 — Kirchenbegriff d. Paulus 215,1 — Rechtfertigungslehre in Luthers Rom. 20,3. 23,1 C. Holsten, Evangelium d. Paulus 36 H. J . Holtzmann, Ntl. Theologie I I 37 f. Fr. Horst, Doxologien im Am. 131 — Art. Familie 248,1 — Art. Gerechtigkeit Gottes 49. 1 1 5 , 2 . "7. 5 — Art. Gericht Gottes 1 1 9 , 1 . 128,4. 138 — Naturrecht u. AT 105,8 — Recht u. Religion 48. 49,4. 132,3 — Art. Segen u. Fluch 167,2 C. H. Hunzinger, Art. Milhama 163,1 — Fragmente Milhama 163,1 — Art. Qumran 148 H. W. Huppenbauer, Mensch zwischen zwei Welten 164,1 H. J . Iwand, Glaubensgerechtigkeit 19,5. 179.1 A. Jepsen, Art. Theologie d. Propheten 132,3 G. Jeremias, Lehrer d. Gerechtigkeit 164.3 J . Jeremias, Abba 253,3 — Abendmahlsworte 1 7 1 , 1 — Beobachtungen 223,3 — Gedankenführung 226,1 — Gleichnisse® 244,7. 245. 2 4 7 — Problem d. hist. Jesus 245,5 — Opfertod 66. 144,5. 248,5 — Paul and James 83,1. 192,2. 223,1. 229,3. 245,5 — Art. πολλοί 223,4 — i . T i m . 187,1 — Art. Vaterunser 252,1 — Vaterunser 252 t. — Ipsissima vox Jesu 252,3 J . Jervell, Imago Dei 87,3. 162,1. 186,2 W. Joest, Gesetz und Freiheit 192,3. 230 — Simul iustus et peccator 224,1 A. R . Johnson, Sacral Kingship 105,3. 115 Α. Jülicher, Gleichnisreden 247,3 — Römer 41

E . Jüngel, Gesetz 224,1. 230 — Paulus und Jesus 68f. 82,2. 88,6. 96,2. 220,1. 222,3. 2 2 4 , I . 23of. 240,2. 243,3. 247,5. 250,1. 2 5 1 . 255,3 H. Junker, Deut. 143,1 E . Käsemann, Paulin. Abendmahlslehre 212,1 — Amt u. Gemeinde 89,4. 2 1 1 , 1 . 214,2 — Anfänge christl. Theologie 134,3. 190,6. 200,3. 2 1 1 , 1 . 2 1 5 , 1 — Urchristl. Apokalyptik 206,2. 210,2. 2 1 4 , 1 . 232,1. 233,1. 240,2. 255,2 — Apologie urchristl. Eschatologie 202,1 — Ntl. Arbeit 192,1 — Art. Liturg. Formeln im NT 207,2 — Ntl. Fragen von heute 238,1 — Frühkatholizismus 71,3. 206,1. 214,1. 2 1 7 , 1 . 225,1 — Art. Geist 93,3. 97,2. 222,1 — Gottesdienst im Alltag 257,1 — Gottesgerechtigkeit 54,4. 62. 68ff. 81,4. 220,1. 228,2. 238,1 — Problem d. hist. Jesus 249 — Ntl. Kanon 192,1 — Ketzer u. Zeuge 199 — Hl. Recht 134. 215,1 — Rom.3,24t. 88. 89,2. 185 — Rom. 6,19-23 238,1 — Versöhnungslehre 77,2 O. Kaiser, Art. Jesajabuch 136,8. 137,4. 140,3. 1 4 1 , 5 — Jesaja 1 3 5 — Königl. Knecht 137,2 P. Katz, Art. Septuaginta-Forschung 112.1 E . Kautzsch, Derivate 47 H. Kittel, Herrlichkeit Gottes 87,3. 196 G. Klein, Art. Rechtfertigung 67. 189,2, 190,1. 1 9 2 , 1 . 193,3. 195.I· 2 1 8 , 1 . 245.2

E. Klostermann, Matthäus 190,1. 249,1 Kl. Koch, Auffassung vom vergoss. Blut 122,5 — Gemeinschaftstreue 46,3. 48,1. 49,1. 1 1 4 . 1 1 6 . 124. 239,1 — Art. Gerechtigkeit 48,1 — Daniel i46f. — Tod d. Religionsstifters 125,2. 130,3 — Sdq im AT 4 7 t i i 3 f . n 6 f . I24f. 133,1. 136,7. 148,1 — Vergeltungsdogma 48. 1 1 2 , 2 — Art. Versöhnung im AT 89,4

Register

263

L. Köhler, Theologie d. ATs 115,3. " 6 , 2 .

W. Macholz, Paulin. Rechtfertigungslehre

143.3 P. Kolbing, Δικαιοσύνη Seoö 38 f. Η. J . Kraus, Gottesdienst 122L 125,7. 126Í. — Art. Krieg im AT 143,4 — Psalmen 48,6. 115. 119,1. 1 2 2 I 131 — Prophet. Verkündigung d. Rechts 129,2

43 J . Maier, Texte vom Toten Meer 155,3 A. Marmorstein, Rabb. Doctrine of God 177.2 Κ. Marti, Jesaja 135,2 Κ. Marti — G. Beer, Aboth 180,2. 181,2 W. Marxsen, Frühkatholizismus 192,3 W. Maurer, Art. Melanchthon 23,2 M. Meinertz, Theologie d. NTs 63 A. Meyer, Rätsel d. Jakobus 193,1 R . Meyer, Art. Qumran 148 W . Michaelis, Gleichnisse 245,6 — Rechtfertigung aus Glauben 43 O. Michel, έιταισχύνομαι 78,1 — Art. Krieg im N T 143,4 — Art. Μελχισέδεκ 114,3 — Art. όμολογέω 98,2 — Römer 66f. 75,2. 8 3 ! 87,3. 92,2. 95,2. 97,2. 207. 225 f« 228,4

132.4 W. Kreck, Zukunft d. Gekommenen 206,2 W. G. Kümmel, Einleitung 192,1.4. 229,3 — Πάρεση u. ένδειξις 88f. E. Kühl, Römer 41 f. O. Küster, Glauben müssen? 82,1 K . G. Kuhn, AchtzehngeDe 1252 fi. — Art. βασιλεία 240,2 — Jesus in Gethsemane 254,1 — Konkordanz 154,4. I 5 7 . 4 — Πειρασμός-άμαρτία 148,3 — Art. Qumran 125,5. 148. 149,5· 151,4· 152. 154. 158,4. 165,1. 250,2 O. Kuß, Römer 62. 77,1. 81,1. 82,1. 87,2. 204,1. 223,2. 228,2. 229,2 E. Kutsch, J a , j a - Nein, nein 249,4 — Art. Melchisedek 114,3 M. Lackmann, Sola fide 192,2 M. J . Lagrange, Römer 61. 217,3 Fr. J . Leenhardt, Römer 63 H. Liebing, Hist. krit. Theologie 30. 32,3 H. Lietzmann, Messe u. Herrenmahl 125,3 — Römer 40. 81,1. 83,1. 86,1. 87,3. 89,4. 92,3. 228,3 — Korinther I / I I 231,2 H. Lietzmann — W. G. Kümmel, Korinther Ι / Π 75.4 R . A. Lipsius, Galater, Römer, Philipper 33,1 — Vorpaulin. Rechtfertigungslehre 33,1 G. Lisowsky, Konkordanz 155,1 H. Ljungmann, Gesetz erfüllen 191,2 E. Lohmeyer, Apokalypse 201 — Grundlagen paulin. Theologie 44 — Matthäus 190,2 — Philipper 110 — Vaterunser 252 ff. E. Lohse, Glaube u. Werke 192,5. 193,1 — Märtyrer u. Gottesknecht 88. 207,2. 208,1 H. Lüdemann, Anthropologie 35 f. S. Lyonnet, Iustitia dei 61 f. V. Maag, Art. Amos 132,1 R . Mach, Zaddik 177,8. 181,1

J . Moltmann, Anfrage u. Kritik 73,1. 255.3 G. F . Moore, Judaism 176 f. G. Morawe, Aufbau u. Abgrenzung 150,2. 152. 154. 159,2. 178,2 J . H. Moulton — G. Milligan, Vocabulary 104,11 S. Mowinckel, Dekalog 119,9 — Art. Gottesdienst im AT 1 1 7 ! Chr. Müller, Gottes Gerechtigkeit 31,2. 34,2. 56,2. 69f. 86,2. 87,1. 93f. 98. 139,1. 153 W . Mundle, Glaubensbegriff d. Paulus 44.1. 57,1. 82,1. 220,1 W. Nauck, Tradition u. Charakter d. x . J o h . 199,4. 200,1 Fr. Neugebauer, I n Christus 74,2. 75,3. 82.2. 99. 208,2. 213 M. P. Nilsson, Griechengötter 102 f. F. Nötscher, Gerechtigkeit Gottes 47 M. Noth, Gesetze im Pentateuch 46,3. I20Í.

— Gesetzes Werke 34,7 — Geschichtsverständnis d. Apk. 146,1 — Gott, König,Volk 135,4 — Jerusalem 120,5 — Josua 128 — Vergegenwärtigung d. ATs 120,4 A. Nygren, Römer 62 f. A. Oepke, Δικ. SeoO bei Paulus 67,4. 77,1. 100,3. 171,1. 182,3. 189,2 — Art. καθίστημι 223,5

264

Register

A. Oepke, Galater 224,2 — Neues Gottesvolk 213,3 K. Oltmanns, Röm. 1,18-3,20 58 H. Ott, Eschatologie 206,2 Β. Otzen, Sektenschriften u. X l l e r Test 170,2. 172,2 W. Pannenberg, Was ist der Mensch? 244,6 — Art. Person 244,6 H. E. G. Paulus, Lehrbriefe 28 J . Pedersen, Israel 47 f. 1 1 3 O. Pfleiderer, Paulinismus 36 A. Philonenko, Interpolationen 170,3 Ο. A. Piper, Art. Johannes-Apokalypse 201,1 O. Plöger, Art. Baruchschriften 173,3 — Art. Henochbücher 167,3. 169,3 — Theokratie u. Eschatologie 145 f. M. Pohlenz, Philon 107,3 Th. Preiß, Rechtfertigung im johann. Denken 196,1. 197,3 O. Proksch, Jesaja 135,2 G. Quell, Art. Rechtsgedanke im AT 47. 116,2. 145,7 G. v. Rad, Anrechnung d. Glaubens 48,2 — Gerechtigkeit u. Leben 48,2. i3of. 180. — Formgesch. Problem d. Hexateuch 119 f. — Gattung von 1. Kor. 13 171,4 — Hl. Krieg 143,4 — Schöpfungsglaube 137,7 — Stadt auf d. Berge 135,3. M 1 — Theologie d. ATs 34,7 — Theologie I 48,5. 49. 88,5. 115. 116,3. 117,4. 120,2. 1 3 0 ! 138,2. 143,4. — Theologie II 120. 127,4. I 3°f· r33135,2. 1 3 6 t 137,4. 14°· 146.1· 147.3 R. Reitzenstein, Hellen. Mysterienreligionen 221,1 R. RendtorS, Geschichte u. Wort 124 — Kultus im AT 115,2. 120 — Offenbarungsvorstellungen 124. 130,1 — Art. προφήτης 127,7 — Schöpfungsglauben 137,7 H. Graf Reventlow, Prophetenamt 129,3. — Kult. Recht im AT 1 2 1 . 1 2 8 , 1 . 1 3 3 ! 138 H. Ringgren, Art. Jüd. Apokalyptik 145,8. 203,1 A. Ritschl, Christi. Lehre von d. Rechtfertigung 33 f. — Unterricht in d. christl. Religion 34 J . M. Robinson, Kerygma u. hist. Jesus 134.4

D. Rössler, Gesetz u. Geschichte 95,1 J . H. Ropes, Righteousness 63. 91,1 L. Rost, Art. Jubiläenbuch 166,1 — Art. X l l e r Test 170,2 Η. H. Rowley, Melchizedek u. Zadok ΪΙ4.3 W. Rudolph, Jeremía 136,4 V. Ryssel, Sirach 226,4 W. Sanday — A. C. Headlam, Römer 63 W. Schadewaldt, Welt-Modell d. Griechen 103.3 Κ. H. Schelkle, Paulus i3ff. 18. 62,3 — Meditationen über d. Römer 62,3 Η. M. Schenke, Determination u. Ethik 199.4 A. Schlatter, Glaube im NT4 53. 82,2 — Jakobus 192. 193,1 — Wie sprach Josephus von Gott? 108,6 — Korinther 52 — Luthers Römerbrief 20,3. 22,3 — Evangelist Mt. 189,3. 249,7 — Römer 51ÉE. 81,1. 83. 92,1 H. Schlier, Epheser 216,1. 234,1 — Galater 44,1. 89,4. 220,1. 224,2. 226,2. 228,2 — Begriff d. Geistes 197,3 K. L. Schmidt, Art. καλέω, έκκλησία 2 io, 2

W. Schmithals, Irrlehrer d. Philipperbriefes 99,x. 233,2. 234,2 A. Schmitt, Δικ. Seoö 61,5 R. Schnackenburg, Kirche im NT 213,1 — Ntl. Theologie 62 J . Schneider, Art. έρχομαι 81,5 — 2. Petrus 202,1 J . Schniewind, Matthäus 190,3. 247,3 H. J . Schoeps, Paulus 44,1. 45. 177,5 — Judenchristentum 193,1 Kl. Scholder, F. Chr. Baur 29,4 W. Schräge, Ekklesia u. Synagoge 210,2 — Stellung zur Welt 205,1 — Art. συναγωγή 2io,2 G. Schrenk, Art. δικαιοσύνη 6o. 75. 93,5. 100,1. 106. 108,2. 144,1. 145,7. 190,4. 218,3. 226,3 — Art. πατήρ 248,1 S. Schulz, Rechtfertigung aus Gnaden 149 s . 162,2. 188,1 A. Schweitzer, Paulin. Forschung 35,3. 71 — Mystik d. Apostels Paulus 4 4 ! E. Schweizer, Erniedrigung u. Erhöhung 187,2

Register E. Schweizer, Art. Gerechtigkeit Gottes 67. 100,2. 189,2. 190,1. 192,5

— Kirche als Leib Christi 213 — Zur Interpretation d. Römerbriefes 148,2

— Art. πνεύμα 218,4 E. Sjöberg, Gott u. d. Sünder 177. 183,3 — Art. όργή 8o,2 R. Smend, Nein d. Amos 132,1 G. Stählin, Apostelgeschichte 194,4. τ95>2 H. Staudigel, Gerechtigkeit Gottes bei Ez. 136.7 E. Stauffer, Theologie d. NTs 61 Κ. Stendahl, Art. Kirche im Urchristent u m 210,2. 213,3

H. J. Stoebe, HÄSÄD 116 D. Stoodt, Wort u. Recht 215,1 G. Strecker, Weg d. Gerechtigkeit i88£f. 249,6. 254,4

A. Strobel, Verzögerungsproblem 83,3. 174.1 V. Taylor, Römer 64 H. St. J. Thackeray, Josephus-Lexikon 107.4 A. Tholuck, Römer 29 R. de Vaux, Art. Qumran 148 P. Vielhauer, Judenchristliche Evangelien 253.2 — Gottesreich u. Menschensohn 240,2 — Jesus u. d. Menschensohn 240,2 Br. Violet, Esra-Apokalypse 172,3. 173.4 E. Vischer, Rechtfertigung im NT 41 P. Volz, Eschatologie d. jüd. Gemeinde 145,6. 170,1

— Jesaia I I 140,1. 141 Η. Ε. v. Waldow, Gerichtsreden 1 2 7 1 133,4. 137.8

— Verkündigung d. Deuterojes. 137. R. Walker, Allein aus Werken 192,1 F. Weber, Jüd. Theologie 176

265

O. Weber, Art. Calvin, Theologie 25,5 Kl. Wegenast, Tradition 88,6. 91,2. 207 A. Weiser, Deboralied 143,4 — Einleitung 137,2. 140. 142. 170,2 — Jeremía 136 — Kl. Propheten 133 — Psalmen 115,2. 117,2. 118. 126,1. 1 2 7

— Beziehung d. Psalmen zum Kult 115. 117,2. 1 1 8

B. Weiß, Römer 34 — Theologie d. NTs 34 H. D. Wendland, Korinther I/II 61,2 — Mitte d. paulin. Botschaft 6of. 75,3 Pr. Wernberg-Meller, Manual of Discipline I55Í- 157 C. Westermann, Grundformen 127 W. M. de Wette, Römer u. Korinther 28 G. P. Wetter, Charis 89,4 U. Wickert, Theodor v. Mopsvestia 14,1 U. Wilckens, Bekehrung d. Paulus 95,2 — Missionsreden 194. 195,2 H. Wildberger, Art. Jeremía 136,1 H. Windisch, 2. Kor. 75,1. 76 — 2. Petr. 202,1 — Sprüche vom Eingehen 134 Erik Wolf, Griech. Rechtsdenken 102,5. 104,5. 105,7

Ernst Wolf, Rechtfertigungslehre 237,1. 240,1. 257,1

W. Wrede, Paulus 13,1. 42 E. Würthwein, Amosstudien 1 3 2 ! — Kultpolemik 132 — Gerichtsrede 1270. 138 O. Zänker, Δικ. SeoO bei Paulus 59 f. Th. Zahn, Römer 41 W. Zimmerli, Ezechiel 136,7 — Gesetz im AT 94,3 — Ich bin Jahwe 130,2 — Offenbarung im AT 124. 130,2. 137,4 — Art. π α ϊ ΐ Stoû (AT) 137,4. I 4 ° . 1 — Sprache Tritojes. 140

Register

266

III.

Stellen

a) A l t e s T e s t a m e n t Richter

Genesis 6,9 15,6 18,3 19 2325 19.19

20,9 24,12 38,26 44,16

116 116 226 116 117

5 II j.

12,7 (f.)

143 143

22,6-19 24,18 · 26,23

9.27 23.7

4.11 8,15 15,4

"7

120 121 117. 226

2,32 3,6

116

8,32 10,9 12,7

Numeri 32

143 143

2

1,16

116

7,8 9,4ff· 5

165

16,18

12 fi. 32,4 33,2-5 9 19

20 21

1,21 26.27

26-29 ff.

24 19 19-24

16

23 9.6

94 9 4 f · 97

10,22

116 142

85

124 142 69. io8f. 113. 154

142

Josua 10,1

3,iof· 13-15 5,1-7 7

130 116. 165 116 116

141-144.

"5

120 128. 137 128

116 116 116. 217

10 26

42,5-9

6 21

43,9 I I f.

25 26 45,8 13

116 116 116 116 108

Jesaja

Deuteronomium

25,1 30

109. 112. 116. 143· 201 128 116 116

I. Könige

Leviticus 19,15

41,2

2. Samuelis

Exodus 19ft. 2I,I2fi.

1516 io8f. h i . 143, 38,19 40,8 201

Samuelis

110

218 117

5(f.)

113

il,4 5

16,5 26,1-3 2.7

153.

7-19 9

10 28,17 32,1 15

16

33

2

116 116 117 128 128 116. 135 108. 116. 135Í. 196 117. 135. 226 116. 135 135

io8f. 116. 135 108. 116 116 155*.

116 146 116 117 116. 135 116. 157 124 116 133

124

116. 124 116 no 137 137

108 f. 137

137

140 108. 137 108 £. 116. 137. 218 137 137

116. 137. 218 116. 130. 137. 141 108. 116. 137

18-25 19

137

7

137

108. 116. 124. 130. 137 21 116. 137 23.24(1) 108. 137 25 137· 218 46,12 137 108. 116. 137 13 116 48,1 9 fi. 137 18 137 196 49,5 8 137 140. 196. 218 50,8 (f.) 108. 116. 137 5i,i 108. 116. 137 5 (ff·) 108. 116. 137 6 8 53 II

108. 137 207 140

54,10.14

137

17 55,8fi. iofi.

137

56,1 57.1 58

2.3 6 fi. 8

100. 116. 137 130 io8f. 116 116 140 140 140 108. 140. 196

Register 59

60

4 9.14 16 If.) 17 IO.II

17.21 61,1 ί. IO

62,1 2 63.I 7 64.5

141 116 116. 141 io8f. 141 108. 116 140I 141 141 141 116 116 108 108. 116. 124 no 141

Jeremía I, I

2,1-3 4.2 9.22Í. 23 11,20 12,1 (fí.) 5 22,3 22,13.15 23,5 (f.) 6 33,15 16

18,5.9

19 20 21 22 27 20,8.9 23.45 33.12 14.16 19 45.9

n 6 f .

Joel

2,23 (f.) 4

130. 164 80

Arnos

2,6 5,7 12 21 fi. 24 6,12

132 116. 132 132 132 116. 132Í. 116. 132

6,4 5 6-8 7.9

201 io8f. 133. 138. 143 f· 133 108. 116Í.

Habakuk 1,4

13 2, iff. 4

116 117 164 83 f . 116

Zephanja

3,5

116

Sacharja

117 117 117 24.133.136. 165 116 nói. 117 ii6f. 117 nói. 117 116 117 I i 6 f .

116 116

Hosea

2,21

14,10

128 108. 116. 130. 133

Micha

136 128 116 136 108. 116 108. 116. 136 116. 136 136 116 116. 136 116. 136 108 f. 108. 116. 141 108. 116

Ezechiel

3,21 13,22 16,51.52 18

4.1-3 10,12

108. 116. 133

8,8 9,9

108. 116 116

Maleachi

2,17

110

Psalmen

i,5 6 2,7 4.2 5f. 5.9 7,8 9 10 12 18 9.5 9

n6f. 117 135 108 124 108. 123 108 116 116. 136 116 108. 112 116 108. 116

267 116 120. 123. I30Í. I33f· 165 2 116 108 17,1 1-5 131 18,22—24 131 19 85 218 10 20 116 108 22,32 120. 123. I30Í. 24 i33f· 165 120 5 26,1—6 131 2 136 108. 112 31.2 116 32,11 116 33,1 4 ff. 124 4-6 124. 130 116 5 116 34,22 108, 116 35.24 28 108 108 36,2 116 7 I I 108. 116 116 37,6 117 12 16.17 117 21 117 116 30 117 32 108 40,10 108. 116 II 201 44,2 116 45,5 117 8 48 113 108 II 113. n8f. 120. 50 123. 128. 137 130 1-6 108. 116. 119. 6 123. 138 119 8-21 10 ff. 138 i 3 of. 138I 51 6 85. n6f. 124. 131. 218. 245 8 124 ".5-7 15

268 12 (f.) ι6 18.21 52.5 58,2 II 12 64,11 65 6 68,4 69,28 71,2 5 1516 19.24 72,1 2 75." 81 82 3 8 85,10ft. II.12 86,12 88,13 89,15 !7 94.15 21 96-98 96,13 97. if· 2 6 97»11 98,2.9 99 4 103,6 17 106,3 II 110,3 4 111,3 112,4 116,5

Register 124. 139. 218 108. 116 124 116 116 117 116 116 113 108. 116 117 108. 117 108. 116 116 108 108 108. 116 116 117 120 128. i37f. II6. 2I7Í. 138 196 116 196 108 108. 116. 130. 135 108 116 117 113· 138 108. 116 123 108. 116. 130. 135 108. 130. 196 116 108. 116 "3 108. 116. 123 108. 109. 116. 144 108. 116 116 85 135 «5 108 116 108

II 118.15 119 7 40 75 106 121 123 137 138 142 160 164 125,3 129,4 136 140,14 MM 143 I 2 8ff. 10 II M5,7 17

85 116 140 116 108 116 108 116 108. 116 108. 108. 108. 108 117 117 123 116 116 130. 179 108. 116. 218 124 139 108 108. 116

116 116 116 116

131· i38f. 116. 124 130. 138.

116

Sprüche ( Proverbia)

i,3 7 2,9 20 3,33 4,18 8,8 16.20 10,2.3 6-7 II 16 20.21 2425 28 3032 ïi.5 6 IO 18 23

116 124 116 117 117 117 ii6f. 116 117 117 117 117 117 117 117 117 116Í. 116 117 ii6f. 117

31 12,3 5 7.10 12.13 r7 21.26 13,5-6 9 21.22 25 14.19 32 34 15.6 9 28.29 16,8 12 13 17,15 18.5 20,7 21,3 12 18 21 24,15.16 24 25,5-26 28,1.12.28 29,2.16 27 31,9

117 117 n6f. 117 117 116 117 117 117 117 117 117 117 117 117 117 117 116 117 116 117. 226 n6f. 117 116 117 n6f. 116 117 117 117 117 117 n6f. 116

Hiob

4.17 8,3 6 9,2 15 20 32 10,15 12.4 13.18 22,3 4 27.5 29,14 31 6

130. 218 116 116 130. 218 116 n6f. 138 117 116 116 116 138 116 116 131 116

Register 34.5 17 35.2 8 37.23 38 fi. 40,8

116 ii6f. 116 117 109. 1 1 6 138 ii6f.

Ruth

4,1 fi.

128

Prediger

3.16 17 5.7 7.15 20

117 n6f. 116 116 116Í.

8,14 9,2

117 116

18 24

10 12,3

Esther

107

7

4-19 7 913 16

201 1 1 7 . 147 203 164· 235

Nehemia

Daniel

2 4.24 7 9

269

9

241 117. 131. 181 147. 203 86. i n . 139. 160 147 108. I I I . 130 110 I08Í. 139. 143

32 ff. 33

86. 139 139 116

I. Chronik

18,14

116

2. Chronik

6,23 9.8 12,6

116 116 108

b) Neues Testament 25

Matthäus

3.15 5.6 10 (f.) II 17 (fi.) 19 20 21 f. 27Í. 33 f· 38-42 43-45 48 6,1 9-13 iofi. 32 33 34 7.21 ff. 10 11,11 28-30 12,20 I3,26ff. 16,240. 27 18 23-35 19,16-26 20,1-16 21,32

188. 191. 250 188. 190 188. 190 f. 190! 188. 191. 250 231 188. 191 248 249 249 249 249 189. 191 188 252-254

246 189

31 fi. 26,41 Markus

2,I5fi. 7.15 8,35-9.1 38 10,15

A postelgeschichte

4,12 13.38I 15 II 16,3 17.31 2I,l8ff. 26,18

195 194*· 195 194 195 195· 203 195 195

Römer

10.25-37 11,2-4 15,11-32 17.7 ff· 18,9—14 Johannes

253 188 191 231 191 191 188 191 188 191

1.14 5.30 7.24 11,25.40 I4,i6f. 15,4-8 26 16 5-« 14 (f.) 17 8.22 24 25

191 247/· 188

245 245 246 241 246

Lukas

188 f.

246t.

191. 242 188 254

194 252-254 194.

248f.

194 194.

244-246

196 197 197 196 197 199 197 200 197 197. 199 196 199 196 197

35 208 90 78. 196 1 3 - 1 5 · 17· 19· 23 f. 26-28. 30i. 37-39. 41. 50. 52. 60-66. 69. 78-86. 203. 216 18 78. 80. 84 18-3,20 86 i8ff. 86. 139. 204. 205 20 91 32 95 90 2.4 63. 80. 219 5 (f.) 6 53· 228 12 ff. 95· 97 53. 219. 228 13 26 85 28 f. 86 1-4 i.3f5 16 (f.) 17 (*·)

270 If. ».ι«. 2-3 4 If·)

5

Register 91 84· 139 81 19.93.84-86. 131. 203. 219. 227. 245 19. 27. 30 f. 33 f· 36. 40f. 43· 52. 55. 61 f. 64. 66. 80. 87. 90. 228

9-20 19 20 21-26 21 (ff.)

22 23 24 (ff.)

25 (i·)

26 28 30 31 iff. 2 3 (ff·) 5

rili 15 16 17

87 95. 205. 225 95.131.219. 225 12t. 26. 37. 39. 200 15-17. 24f. 27. 30. 41. 50. 52. 61-66. 81. 86-91. 203 30. 50. 81 196. 222. 235 13-15· 19· 35· 45· 58. 63. 70. 74· 77· 151· 185 /· 199 f· 204. 207Í. 213. 219. 222. 243. 245. 256 15· 17· 24f. 27-3 1 · 33 f· 36 f. 41. 50. 52. 55. 61. 63-66. 74. 219 18. 25. 41. 65. 81. 139. 219 219. 225 80. 225 87 87. 151. 227 226 219 81. 227 98. 196. 209. 219. 226f. 245. 248 226 91. 226 80. 95 95 67· 79· 98. 196. 208. 219. 226Í.

18 20 24f. 25

5-8 5.if4f.

5 6 ff. 8 9 12 (ff.) i4f. 15 18 (f.) 19 6,1 ff. 3 4 6 7 13 16-23 18 (ff.) 22 7.4 6 7 (ff) 7-25 13 23 25 8,3 (f·) 4 7 8 10 II 18 21 29 (ff.) 30 31 ff31-39

91 226 98. 196. 205. 219. 226f. 74. 76. 81. 98. 207. 209. 243. 256 35 98. 186. 219. 223

33 (ff) 35 39 9-11

85-95 231 91 91 80 89. 221 23 (f.) 24 (ff.) 91. 227 210 25 f· 92 30-32 30-10,17 91

75· 7 8 · 95- 219 96 f.

5f· 6

93 202 199. 205. 224. 228 205. 219 232 139 45. 92. 185 ff. 220. 222 196. 219. 227.

15 20-22

231

139 139. 225 32. 56. 62. 69. 91. 139· 153· 202

9.4(f) 6 12 19-21 22

234 82. 97. 225. 232 209 203 80. 219. 228 95 f. 204. 256 96. 204 30 90. 212 31 220. 223 32 f. 32-IO,2 223 IO, 1.2 70 211 3 196 205 172. 219 224 224 4 76. 209 5 6.8 76. 209 212 9(f·) 212 I I (ff.) 78. 87. 92. 95. 12 204 I4ff. 96 225 15 19 ff. 95 II 206

235 139. 200

219

25 (ff·) 31 32 32-36 36 12-14 12 iff. 2 3 4

233 94 92 92 92 i l . 13-16. 19. 24-27. 29Í. 37. 39. 41 f. 50. 52. 57 f. 60-69. 91-99 93· 95 93· 204 94 81 f. 205. 216. 219. 221. 227 97 98 82 77 216 53- 98 92 82 98. 203 228 85. 203 90 82. 92 139. 219 81. 208 70 213 207. 216 203 89 212

Register 6 II

13.8-10 9f. II 14

14,9.10 10-12 14 17

15.9 31 16,16 18

89 209 95· 151 97· 225 203 212 209 228 227 224. 246 89 211 214 209

I3fi. 17 19 21 23-27 24 ff. 27 10,11.12 16.17 11,1 6 24.27.30 12 3 4 fi.

I. Korinther 1,8 57· 228 20 203 28-30 208 13. 15. 41. 58. 30 65. 78. i85f. 208. 213. 223 2,6 203 228 3.8 210 9 10 12-15 12-17 15 16 18 4.4 (f.) 5 16 17 5-ifi. 5 6,1 fi. 11 13 14 15-17 20 7.7-17 19 21 29 8,5fi.

6

9,8 f.

89 57· 67 228 231 210 203 57. 219. 228. 231 228 233 211 211. 216 228. 231 211. 216 45. 185. 208. 219. 221. 223 205 205. 219 212 205. 207 90 95 209 203 216 81. 208 f. 256 95

7 12 f. 27 28 13.2 13 14 21 15.3 (fi·) 9 IO 13 15 i6f. 19 20 (ff.) 21 ff. 23 ff. 25f. 26 28 (f.) 38 44 ff. 51 ff. 54 f· 56 16,1

231 81 95 96 228 230. 233. 235 233 f· 228 212 233 211 212 213 82 89 89 212 212 211 194 83. 205 212 95 75. 81. 207. 243 209. 211 231 205 87. 219 205 227 89. 205. 256 212 98. 205 205 232 83. 208 f. 205 256 203 232 95 211

2. Korinther i,5ff. 9 14 3 6 7 8 f.

205 205. 232 228 95· 204 93 158 76. 205

271 9 17 4.4 10 14 17 5.7 10 14-20

70. 76. 158. 224. 248 221 203 205. 207 205. 219 205 83 57. 67. 209. 228

18

45 75· 83· 98. 216. 219. 221 205

19 19-21 20 f. 21

75 77/· 208 i 6 f . 27f. 30. 37.

17

6,1 4 7 8,9 23 10,3 18 11,15 21 12,6-9 9

39f· 43· 50. 52. 60-62. 65. 74 bis 78. 84. 87. 94. 98. 203. 07 bis 209. 212 f. 216. 219. 222Í. 243. 254. 256 228 205 224 74· 89 211 228 234 228 76 89 231

Galater 1-2 1,1 4 13 2,7 8 f. 11-21 15-21 16

214 205. 219 203. 207 2I0Í.

8l

17 19 (f.) 20

89 223 224 8l. 130. 219 213. 219 205. 212 209. 220. 23I.

21

235 225

272

Register

3 2 5 8 IO II

54· 95· 204. 232 8 i i . 221 81 219

75· 77· 95· 204. 207 f.

i7fi. 21 23 ff· 24 25 26

95 96. 100. 227 81 87. 96. 2 1 9 81. 204 81 212

I3i. 14 17 22 25 6,2 4 7-10 15 16

3

95 202. 204. 208 f. 216 95 227 87. 1 5 1 219 98. 228. 234 82. 97 95Í· 227. 235 95- 225 228 81 228 96 67 199. 224. 228 75. 216. 219. 221 90

74. 185. 2o8f. 256 187 74 227 230. 232 f. 2 J 5

15 I6

235 231. 2 3 5 I 223

4-11 6 9

3,4-7 5 8ff.

99 2IOÍ. 15. 27. 29. 33. 36. 39f. 42f. 50. 60. 63-68. 70. gg-101. I 5 2 Í . 182. 203. 22of. 233 205. 232. 234 230. 232/. 235 221. 236 205 203 229

iof. 1 2 ff. 14 21 4.5 13

I. Thessalonicher 1.6 10 2

.4 13 14 16

3.13 4.13-5. II 5.7ff· 9

205 80. 2 1 9 81 77. 82. 227Í. 2I0Í. 2 1 4 80 57· 228 203 205 80

2. Thessalonicher Epheser 2 4-10 5 4.5 24 5.9-25 6,14

2,2 236 2l6f. 236 81 216 216 216

I.I i8ff. 20 23 29

77

j . Timotheus 1.9 3,i6 4.6 6,11

235 58. 1 8 5 ! 187. 1 9 7 I 235 81 235

2. Timotheus

Philipper 211 23I 207 206 77· 8 1 . 234

Titus 1.4 8-13 13 2,Ilfl. 12

9-11 10 II 1 2 ff.

95 219

1 3 (f.)

27 4.2 4 5 9 5,i 3 4 5 6

2,6-11

i,7ff. 9 i3ff· 2,22 4.8

236 236 236 235 235

14

81 236 81 236 236 236 90. 236 236 182

1. Petrus 3,i8 2. Petrus 1,1 J . Johannes i,8f. 9 19 2,1 (f.) 14.29 3.7 10 12.24

187 202 199 200 199 197. 199 199 199 199 199

Hebräer 6.4fi-

186

Jakobus 1,6 20 2,1 14-26 3,i8 5,12 15 16 Judas 3.20

193 189. 1 9 2 193 193 f193 249 193 174 81

Offenbarung (Apokalypse) 201 4," 201 10,6 80 ii,i7Í. 201 I5.3f· 80 4 202 16,5-7 202 19,2 201 f. 8 144. 202 II 80 20 202 22,11. 15

Register c ) APOSTOLISCHE V Ä T E R

2. Klemens

Barnabas 2,6

12

14

Diognetbrief 9,1-6

217

1.3

Philad.

8,2

II

10,1 f.

Mösts 241

Baruch

12

3,1-3

12

1.15

III 111

18

109.

19

201

3 . 2 9 fi-

94

4.13

112

5.2-4

112

9

102.

84,10.11

174

85,1.3-12

174

III

14,12

5 . "

173

6,32

173

äth. Henoch

79

42

139 196

4 7 ff.

241

51

173 173

174

99 102.105

174

III.114

174

21,4

79

175

8,3012 13 20-36

174

44.4 48,8

173

173

15.2.7 24.1

4.35-39

2 6 fi.

112

79- 1 7 5

17

241

7.1518

173-

11,4.12

4.27

38

syr. Baruch 5.2

174 79- 1 7 5 · 208

12

12

SPÄTJUDENTUM

4. Esra

2,6.9

9, i f -

12

2,3

d)

Assumptio

12

Polykarp

12. 202

Ignatius,

4,1 8,1

168

5,6

168

ιο,ι6.ι8

169

25.4-7

168

27.4

168

32,3

169

38,2

169

3 9 , 5 ff·

169 168 38

173 173 1 7 2 f. 172 172

8

168

42.3 46,3

94 169

47

168

4 48,4ff.

168

6 ff.

169

49.1-3

169

50,3f-

168.

53,6

169

168

21

196

22

55,3

80 168

7

30

48.17 48,18.48

174

3 1 ff-

90

56,7

174

32

172

58

168

51.3· 52,6

174

33

173

4-5 60,12

169

6 1 , 4 (ff·)

79.

54. i f f -

174 79

36

139· 174·

37 S-

173

79 225

39

173

57.2

49

58,1

174

52

173 217

61,6

174

56.4

9 , 5 f-

79- 1 7 5 -

13 62

198

168 168

168

2 f.

139 80. 1 6 9

12

80

63.2Í.

196

173

3 65,12

139 168

!2,7

173· 244

71.3

168 f.

13,23

173

63.4-6

174

66,2

174

67,4.6

174

69.4

174

75.6

174

78.5

174

14.35

173

18

!96

196

168 f.

79 196

12

198.

168

7

6

173

80. 1 3 9 .

1,1

713 io,i6 22

8241 Stuhlmacher, Gerechtigkeit

173 218

14 8I,5

168. 168

175

Register

274 90,40 91,4 7 17 92,1 3 4 93.3 94.3-5 99,10 101,3 106,3 108,12-14

168 94· : 80 168 94 169 168 169 94 168. 168. 168 168

2,IO 1 5 (ff·)

l8

3 3 fi· 3,3 (β·) 5 ff5,i

134 169 169 79. : 79 169 169 170 169 170 169 169 169

9 fi. 15 19

8,7

8 22 fi. 23*· 26 (f.)

9,2 3-4 5

7.10

10,3

Jubiläen 1.6 15 20Ì. 25 29 4.I5 5,i7ff· 7,20 7.34-37 8.34 14.5 ff· 20,9 21,4 22,10.12 15 23,10.26 24,28.30 30.17 18 fi. 23 3i,i5 20.23

166 167 167 166 2x9 167 166 167 167 167 167 167 166 167 166 167 80 167 167 167 167 167

i66f. 167 167

Psalmen Salomes 180 I,2f.

4,24t-

slav. Henoch 9 9 KR 9 LR 24 33 3 KR 42.3 LR 14 LR 43, 7 fi. KR 46,3 LR 47.7 L R 9 LR 65,8 LR

25 35.2 36,3.6.8

179

179 180. 196 139

178. 179 179 139. 180 179 196 139· 1 7 9

179 139

179 179. 196 179 180 178. 180 179 179

196

5

178!

7 9 15.2 (fi.) 3 13 5 fi15 17 5 19

26 32-37

18

139- 1 7 9

5-7

14.1

16

139. 1 7 9

40

3-8

178 180 179 178. 196 180 178 178 178 180 178 196 180 178 178 178 178 178

Sapientia Salomonis III 12,16 15»"

93

Sibyllinen 170 III 234 273 ff. 170 630 170 170 704 767 241 Sirach 16,22 17,11 26,29 42,2

III H O

172 226

Test. Simeon 172 6,1 170 7.2 Test. Levi 3,5 5,7 8,2 ff. 10,5 13,5 18 M

172 172 172 172 171 170 172

Test. Juda 18.1 20, ι 21,6.9 22.2 24,1.6

171 170. 197 172 171 171

Test. Issaschar 7

133· 1 7 1

Test. Sebulon 9,8

171

Test. Dan 1.3

171

2,3

172

3.3

172

5,12 6,10

172 60. 1 7 0 ! 175. 189

Test. Napktali 4,5

171

Register Test. Gad 3.1

171

3.2

172

5.3

172

1,6

I7if.

4.1

172

6,4

171

Test.

171

Benjamin

4 4.3 5.5 6

134· 172

171

172

7.4

134· 172

9.1

172

10,3

171

171

13.8

165

26

80

29.31!

165

1516 164.165

i,6ff.

161

6

III

23

162

26

III.

27

158

28

178

162

4.4-5.4 27

162

2 9 ff.

161

30

159·

162

31

III.

161

3 3 fi-

162

37

162

10

2I0f.

24I· 139.

11,13«· 14 (f.) 12,7

162

2 6 ff.

80

28

159

224

241

I3.2Í.

163

i4.4ff·

139

i7.4ff· 18,8

163

164 164

9,9

5.10

164

7.4

164

162

8,3 9,10

164

Ilf.

156

1 4 ff.

159·

19

154· 80

1 5 filo, 12 1 1 , 2 ff.

162 137· 1 6 6 80

164 164

Ii.5

iQS

5ff-

162

1-2

I25Í.

134· 1 6 5

7 ioff.

162 162

1 , 1 ff.

134

134

I2ff.

80

165

H

162

5 8f.

158

II 12

134

31

162

13 ( f f )

i6fi.

134

159

1 6 (ff.)

i57f· I25Í.

12,9

178

17.

134.

18

134

uff.

162.

8.4

31

159

21Í.

160

13

134 80. 134

162

2 2 ff.)

129. 137·

14ft.

165

162

2 4 ff.

139·

26

158

2 , 1 ff.

134 80

9 fi10,9

134 80

19.26

80

27ft.

165

17

159. 162

19

161

I4,I2ff.

162

1 3 ff·

162

160

157

7.5f.

1 3 . 7 ff· 12

255

QpHab 1.13 2,2

151

ioff.

163·

219

I63

8,21-26

165

255 164

24I. 246.

16

ι

196.

212

I 4 4 . 154· 196.

162

153·

80

6.3 6

151

17.19

4.7 6f.

80. 139· 212

151

3.I3ÍÍ·

163 80

162

159

165

163

3,i S-

i6ff.

134 80

1,8 3,6

2 , 2 0 ft.

112

3.8

156

163. 175.

8f.

226

162

162 f.

162

151·

165.

149. 159. 161

4·1 6

7 . 6 (f.)

196

3

161

iQM

154· 1 7 8 149.178

2

178

i8,i

6,19 (fi)

CD

21

159.

i6,8ff. I I (ff.)

i n

87.

I,I-II

162

1 5 , 1 5 (f.)

I7.I7Í.

151 158. l 6 2 f .

Vita Adae et Evae 20Í.

20.21

5.23

Tobit 13.7

154.

iQH

Joseph

10,6

165

18

20

Test. Asser

Test.

2 0 , 1 4 ft.

275

15 2 1 ff.

126

163

I59Í-

153

Register

276 24 25 f. 3.1 ff· 3 ff4ff. 6fi. i3ff· i5ff· 17 18 (f.) 2lfi. 24 4,2 fi. 6fi. 7f9 12 i5ff. i6fi. 20fi. 23 ff. 24 5.4 5f. 81!. 6ff. 8,2 4fi. 14 9.5(f) 17 23 ff. ιοί. I fi. 9 ff. II 13-22 23 24 fi. 25f. 25 ll,2fi.

5 (ff·) 6 ff. 7(f·) 12 (f.)

158 134 I34 134 159 158I 163 158. 172 156 170. 197 159 197 158 159 162 158. 163. 224 80 158 159 *59 159 158 158 159 249 134 158 159 156 161. 174. I77Í. 158 124 153 157 178 158 154 153· 155 153· 171· 139 149.

158 155-160. 175 158

154· 158 159 158. 162 90. 139. 149. 1 5 4 ! I56fi. 175. 178. 196

159· 161 158. 196 158 158 196 189

i3ff. 15 16 i7fi. i9f. 25 ffiQSa

iQSb 4,22 26 5,20 ff. 21

154. 219. 241. 246 159 241 f. 246

4QBI 86. 139. ι 149. 160

3

Bless.

Midrasch

Josephus Ani. V I 160 X 120 X I 267 X V I I I 117

183 77

Genesis Rabba 183 183 184

8,4 12,15 33.1

Aboth

1,1.2.3 18 2,1 2 7-8 3.1 3,1113 3.1516 4,22 5.18

181 181 181 182 181 181 181 181 181

Babylon.

Talmud

183

107 107 107 107

Philo Deus

Imm.

76. 79 Ebr. i n

Dt. 32,41 Ps. 147,1

106 106

Leg. Gaj. 85 106 Rer. Div. Her. 163

106

Spec. Leg. I I 16 107 I V 141 106 136-238 106 143 170 179 231 235 ff·

107 106 106 106

Vit. Mos. I50 II 237f. 279

107 106 106

106

De Somn.

Bab. Bath. 10b Ber. 28b Hag. 14 a Suk. 49 b

II

zu Dt. 33,2i 182

241 f.

I.lfi.

Mischna

Targ. Jerusch.

zu Dt. 33,21 182 Targ. Onkelos

210

1.25

4 0 Pair.

Τ arg. Jerusch I zu Dt. 33,21 182

184

I I 224

245 184 184

91

106

Viri. 106

f 0 R S C H U N G 6 N ZUR R 8 L I G I O N U N D LIT6RÄTUR D 6 S ÄLT6N UND N 6 U 6 N T6 STÄM6NTS Verzeichnis aller noch lieferbaren Titel Herausgegeben von H. G U N K E L (Heft 1 — Neue Folge, Hefb 29) und W. B O U S S E T (Heft 1 — Neue Folge, Heft 1 1 ) , ab Heft 1 4 bis Neue Folge. Heft 2 1 in Verbindung mit H. R A N K E und A . U N G N A D . 4 . Heft. G. A. VON D E B B E R G H VAN E Y S I N Q A : Indische Einflüsse auf evangelische Erzählungen. 2„ verbesserte A. 1909.118 S., brosch. 3,60 DM. — 10. Heft. W . B O U S S E T : Hauptprobleme der Gnosis. 1907. 404 8., Mikrokopie 24,25 DM. — 1 8 . ( 4 7 . ) Heft. H. SCHMIDT und P. K A H L E : Volkserzählungen aus Palästina, gesammelt bei den Bauern von Bir-Zet und in Verbindung mit Dschirius Jusiv in Jerusalem herausgegeben. Mit 48 Abbildungen nach Photographien aus dem Leben der Erzähler, einer Einleitung über die Bauern von Bir-Zet, einem Verzeichnis der Wörter und der Märchenmotive. = Band 2: 1930. 274 S., brosch. 16,— DM, IM. 19,— DM. (Heft 17 = Β. 1 vergr., Mikrokopie auf Anfrage).

„Neue Folge" (Heft 19—79 der Geeamtreihe) herausgegeben von R U D O L F B U I T M A N N S 4. (21.) Heft. W . B O U S S E T : Kyrios Christos. Geschichte d. Christusglaubens von den Anfängen bis Irenaus. 5. A. 1965. Neudruck der 2., umgearb. A. 1921. Mit einem Geleitwort von Rudolf Bultmannn. 418 8., Ln 28,— DM. —9. (26.) Heft. G. P. W E T T E R : „Der Sohn Gottes". Untersuchung über den Charakter und die Tendenz des Joh.-Evangeliums. 1916. 206 S., brosch. 4,— DM. — 10. (27.) Heft. H. K O C H : Die altohristliche Bilderfrage nach den literarischen Quellen. 1917. 112 S., brosch. 3,— DM. — 12. (29.) Heft. R . B U I T M A N N : Geschichte der synoptischen Tradition. 6. A. 1964. 416 S., Leinen 22,— DM, Ergänzungsheft einzeln: kart. 4,80 DM. — 17. (34.) Heft. G. P. W E T T E B : Altchristliche Liturgien I I : Das christliche Opfer. 1922. 126 8., brosch. 4,50 DM. — 18. (35.) Heft. R . L I E O H T E N H A N : Die göttliche Vorherbestimmung bei Paulus und in der Posidonianischen Philosophie. 1922.138 S., brosch. 4,90 DM.— 21. (38.) Heft. H. W I L L R I C H : Urkundenfälschung in der hellenistisoh-jüdischen Literatur. 1924. 106 S., brosch. 4,— DM. — 22. (39.) Heft. Κ. K u N D S m : Topologische Überlieferungestoffe im Joh.-Evangelium. 1925. 84 S., brosch. 3,60 DM. — 23. (40.) Heft. E. W I S S M A N N : Das Verhältnis von Pietis und Christusfrömmigkeit bei Paulus. 1926. 128 8., brosch. 5,95 DM. — 25. (42.) Heft. J . B E G R I O H : Der Psalm des Hiskia. 1926. 72 8., brosch. 4,50 DM. — 27. (44.) Heft. H. J O N A S : Augustin und das paulinische Freiheitsproblem. 2. A. 1965.114 8., brosch. 11,80 DM. — 28. (45.) Heft. F. H O B S T : Das Privilegrecht Jahves. 1930. 126 8., brosch. 8,80 DM. — 29. (46.) Heft. R . A S T I N O : Die Heiligkeit im Urchristentum. 1930.346 S.,brosch. 17,50 DM.—33. (ÖL.) Heft. H . J O N A S : Gnosis und spätantiker Geist. Teil 1 : Die mythologische Gnosis. 3., verb. Α. 1964. 472 S., brosch. 28,— DM, Ln. 32,— DM. — 35. (53.) Heft. Κ. G B O B B L : Formgeschichte und synoptische Quellenanalyse. 1937.130 S., brosch. 7,80 DM. — 38. ( 4 5 . ) Heft. E. S C H W E I Z E R : Ego eimi. Die religionsgeschichtliche Herkunft und theologische Bedeutung der johanneischen Bildreden. Zugleich ein Beitrag zur Quellenfrage des vierten Evangeliums. 2. A. 1965, mû einem Anhang. 188 S., brosch. 14,80 DM. — 42. (60.)Heft. M. D I B E U U S : Aufsätze zur Apostelgeschichte. 4. A. 1961. 203 S., brosch. 10,80 DM. — 43. (61.) Heft. E. L O H M E Y B R : Gottesknecht und Davidssohn. 2. A. 1953.159 S., broach. 7,80 DM. — 44. (62.) Heft. R . R E N D T O B T F : Die Gesetze in der Priesterschrift. 2. A. 1963. 80 S., brosch. 8,—DM. — 46. (63.) Heft. H. J O N A S : Gnosis und spätantiker Geist. Teil 2, l.HäJfte : Von der Mythologie zur mystischen Philosophie. 2., durchges. Aufl. 1966.239 8.. Fortsetzung itmuüie

f O R S C H U N G 6 N ZUR R 6 L I G I O N UND LIT6RÄTUR D 6 S ÄLT6N UND N 6 U 6 N T 6 S T Ä M 6 N T S 18,— DM. Teil 2 , 2 . Hälfte: Plotin. In Vorbereitung. — 4 6 . ( 6 4 . ) H e f t . E . L O H SE: Märtyrer und Gotteeknecht. 2. A. 1964. 230 S., broach. 16,SO DM — 47. (65.) Heft. H. T H Y E N : Der StQ der jüdisoh-hellenietisohen Homilie. 1956. 130 S. broach. 9,80 DM. — 48. (66.) Heft. W. SCHMTTHALS: Die Gnosis in Korinth. •¿., neubearb. A. 1965. 353 S., kart. 33,— DM — 4 9 . ( 6 7 . ) Heft. W . M A R X S E N : Der Evangelist Markus. 2., durchgea. A. 1959. 151 S., broach. 10,80 DM. — 60. (68.) Heft. H. B E C K E R : Die Reden des Johannesevangeliums und der Stil der gnostischen Offenbarungsrede. 1956. 138S., broach. 11,80DM. — 51. (69.) Heft. E. J A N S S E N : J u d e in der Exilzeit. 1956. 124 S„ broach. 8,— DM. — 5 2 . (70.) Heft. O. K A I S E R : Der königliche Knecht. Eine traditionsgeschichtliehe Studie über die Ebed-Jahwe-Lieder bei Deuterojesaja. 2. A. 1962. 146 S., br. 12,80 DM. — 5 3 . (71.) Heft. K. K O C H : Die Priesterschrift von Exodus 2 5 bis Leviticus 16. Eine überlieferungsgeschichtl. und literarkritische Untersuchung. 1959. 108 S., broach. 10,80 DM. — 5 4 . ( 7 2 . ) Heft. W . B E Y E R L I N : Die Kulttraditionen Israels in der Verkündigung des Propheten Micha. 1959. 128 S., broach. 10,80 DM. — 55. (73.) Heft. Α . G Ü N N E W E G : Mündliche und schriftliche Tradition der vorexilischen Prophetenbüoher als Problem der neueren Prophetenforschung. 1959. 128 S., broach. 11,80 DM. — 5 6 . (74.) Heft. K. R U D O L P H : Die Mandäer. T e i l l : Prolegomena: Das Mandäerproblem. 1960. 307 S„ broach. 29,50 DM. — 57. (75.) Heft. Ders. : Die Mandäer. Teü I I : Der Kult. 1961. 498 S., broach. 53— DM. Heft 56 und 57 (Teü I und I I ) zua. 74,20 DM. — 58. (76.) Heft. J . J X R V E L L : Imago Dei. Gen. 1,26 im Spätjudentum, in der Gnosis und bei Paulus. 1960. 379 S., broach. 35,— DM. — 5 9 . (77.) Heft. G. K L E I N : Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee. 1961. 222 S., broach. 22,— DM. — 60. (78.) Heft. C . C O L P E : Die Religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus. 1961. 265 S., broach. 27,— DM. — 6 1 . ( 7 9 . ) Heft. W . SOHMITHALS: Das kirchliche Apostelamt. Eine historische Untersuchung. 1961. 273 S.. broach. 26,— DM. Ab Heft 80 der Geeamtreihe herausgegeben von E R N S T K Ä S E M A N N und E R N S T W Ü R T H W E I N : 80. Heft. H. G R A T R E V E N T L O W : Das Amt des Propheten bei Arnos. 1962.120 S., broach. 12,80 DM.—81. Heft. A. W E I S E R : Samuel. Seine geschichtliche Aufgabe und religiöse Bedeutung. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu 1. Samuel 7—12. 1962. 94 S„ broach. 9,80 DM. — 82. Heft. G. S T R E C K E R : Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchung zurTheologie des Matthäus. 2., durchgea. um einen Nachtrag erweit. A. 1966. 283 S., kart. 26,50 DM, Im. 30,— DM. — 83. Heft. F . H A H N : Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum. 2.,durchgea. A. 1964.442S., kort. 28,—DM, Ln. 32,—DM. — 84. Heft. R. S M E N D : Jahwekrieg und Stämmebund. Erwägungen zur ältesten Geschichte Israels. 2.,durchgea., und ergönzteAufl.1966.101 S„ kart. 9,80DM. — 85.Heft. W. SOHMITHALS : Paulus und Jakobus. 1963.103 S.,kart. 12,80DM. — 86. Heft. C . M Ü L L E R : Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. Eine Untersuchung zu Römer 9—11. 1964.116S., kart. 11,80 DM. — 87.Heft. P . S T U H L M A C H E R : Gerechtigkeit Gottes bei Paulus. Vorliegende Veröffentlichung — 88. Heft. Κ . R U D O L P H : Theogonie, Koemogonie und Anthropogonie in den mandäischen Schriften. Eine literarkritische und traditionsgeschichtliche Untersuchung. 1965. 393 S., kart. 48,— DM. — 89. Heft. A. H . J . G Ü N N EW E G : Leviten und Priester. Hauptlinien der Traditionsbildung und Geschichte des israelitisch-jüdischen Kultpersonals. 1965. 225 S., kart. 24,— DM. — 90. E. G Ü T T G E M A N N S : Der leidende Apostel und sein Herr. Studien zur paulinischen Christologie. 1966. 419 S., kart, etuta 44.— DM. Ln. etwa 48— DM.

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