Diener des höchsten Gottes: Paulus und die Heiden in der Apostelgeschichte 3110454017, 9783110454017

In mehreren Episoden wird in der Apostelgeschichte von den konfliktreichen Begegnungen zwischen Paulus und den Völkern e

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Diener des höchsten Gottes: Paulus und die Heiden in der Apostelgeschichte
 3110454017, 9783110454017

Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur
I. Die Apostelgeschichte im Umfeld antiker Geschichtsschreibung
1. Die Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung
2. Die Apostelgeschichte als Geschichtswerk
II. Formelemente der Apostelgeschichte
1. Dramatische Episoden und thematische Reihen als exponierter Diskussionsraum
2. Reden in der Apostelgeschichte
3. Die Bewertung einer Argumentationsstruktur
3.1 Formen und Varianten der antiken Chreia
3.2 Die Anwendungsformen der Chreia im lukanischen Doppelwerk
III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte
1. Die Frage nach dem literarischen Schwerpunkt
2. Die Figur des Paulus in der Apostelgeschichte
2.1 Die variierende Nutzung des Apostelbegriffes im lukanischen Doppelwerk
2.2 Die Funktion des Paulus
3. Das Evangelium als inhaltlicher Gradmesser
4. Reden und Handeln nach dem Willen Gottes und die Folgen für die Auseinandersetzung mit den Völkern
3. Die Lystraepisode (Apg 14,8–20)
I. Form und Ausrichtung der Erzählung
1. Apg 14,8–20 im Kontext des dramatischen Episodenstils
2. Abgrenzung und Zusammenhänge der dramatischen Episode (Apg 14,8–20)
3. Die Bestimmung von Form und Ausrichtung der Episode Apg 14,8–18
4. Die Motive einer Therapie
5. Apg 14,8–18 als Mischgattung
6. Die thematische Ausführung des Missverständnisses
II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra
1. Dialekte als literarisches Gestaltungsmittel
2. Die Bewertung eines historischen Settings vor dem Hintergrund des theologischen Leitgedankens
3. Das literarische Bild der Volksstämme des Taurusgebirges
4. Die Einwohner von Lystra als ß??ßa???
5. Die motivischen Parallelen zwischen Apg 14,8–20 und dem Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611–724)
6. Der Einfluss des Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611–724) auf das Charakterbild der Einwohner von Lystra
III. Das Eingreifen der Diener des Gottes Israels
1. Der thematische Gegenstand eines Verstoßes gegen das Wort Gottes
2. Der erste Widerspruch von Barnabas und Paulus (Apg 14,15)
3. Die Erläuterung des ????? t?? ?e??
4. Die Nichtigkeit des Weltbildes der Einwohner von Lystra
5. Das Selbstzeugnis des Gottes Israels als Schöpfer
6. Das Motiv mangelnder Einsicht (Apg 14,18)
IV. Apg 14,19–20 als thematische Ergänzung
1. Das Evangelium des Paulus und die Juden aus Antiochia und Ikonion
2. Der Weg zu den Völkern
4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16–22)
I. Zur Form und Konstruktion von Apg 16,16–22
1. Einordnung und Abgrenzung der Erzählung Apg 16,16–22
2. Zur literarischen Zusammensetzung von Apg 16,16–40
3. Die Episode Apg 16,16–22 als Exorzismuserzählung
4. Eine Neubewertung der Textform
5. Apg 16,16–22 verstanden als chrienartige Textkonstruktion
II. Die kulturellen Einflüsse hinter dem Setting von Apg 16,16–22
1. Dämonen im lukanischen Doppelwerk und Apg 16,16–22
2. Orakel in der hellenistischen Gesellschaft
3. Die jüdisch-christliche Haltung gegenüber Orakeln und den damit verbundenen religiösen Vorstellungen
4. Der Wirtschaftsfaktor Orakel und dessen Bedeutung für Apg 16,16–22
III. Die literarischen Zusammenhänge in Apg 16,16–22
1. Die literarische Konstruktion von Apg 16,16–22
2. Funktion und Charakter des Ausspruches der Magd (Apg 16,17)
3. Apg 16,17 als Bezeichnung eines theologischen Wendepunktes
IV. Das Bild der ungehorsamen Völker
1. Apg 16,16–22 als Konflikt zweier Positionen
2. Der ironische Ausdruck der Episode Apg 16,16–22
5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16–34)
I. Die Form von Apg 17,16–34
1. Apg 17,16–35 als dramatische Episode
2. Apg 17,22–31 und die These von einer Missionspredigt
3. Aufbau und Struktur von Apg 17,16–34
II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode
1. Form und Ausrichtung des verwendeten Bildes der Athener Philosophen
2. Stoiker und Epikureer im kulturellen Umfeld Athens
3. Kulturelle Unterschiede und gegensätzliche Standpunkte
4. Das Bild der Stadt Athen in hellenistischer Zeit
5. Der Charakterzug ?ate?d???? (Apg 17,16) als Element der Diskussion
III. Der Blickwinkel der Athener Philosophen
1. Die Episode als Diskussion gegensätzlicher Standpunkte
2. Der Blickwinkel der Athener Philosophen
IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus
1. Der mehrdeutige Charakter der captatio benevolentiae des Paulus (Apg 17,22b)
2. Das Motiv des Altars eines unbekannten Gottes (Apg 17,23)
3. Der unbekannte Gott der Athener Philosophen und die implizierte Kritik des Paulus
4. Der Gott Israels als Gegenpol zum ????st?? ?e?? (Apg 17,24 f)
5. Die theologische Ausrichtung von Apg 17,26–27
6. Das Motiv der Suche nach Gott (Apg 17,27)
7. Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott (Apg 17,27–29)
8. Der Mensch als von der Art (?????) Gottes
9. Der Verweis auf den heilsgeschichtlichen Wendepunkt (Apg 17,30–31)
V. Das Bild der Athener Philosophen
1. Die Haltung der Athener Philosophen (Apg 17,32–34)
2. Das Bild der Völker in Apg 17,16–34
6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23–40)
I. Die Form und Konstruktion von Apg 19,23–40
1. Apg 19,23–40 als dramatische Episode
2. Die argumentative Einheit von Apg 19,23–40
3. Die Reduktion auf die argumentativen Leitlinien
4. Aufbau und Struktur von Apg 19,23–40
5. Apg 19,23–40 im literarischen Umfeld der antiken Chreia
II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode
1. Der Einfluss von Lokalkolorit auf den Text
2. Der Tempel der Artemis als Element der Erzählung
3. Die unterschiedlichen Perspektiven auf das Evangelium
4. Die Rolle der Juden in der Episode zu Ephesus (Apg 19,33–34)
5. Paulus und die Asiarchen (Apg 19,30–31)
III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber
1. Apg 19,23–40 als Diskussion zweier Vertreter der Völker über das Evangelium
2. Das Evangelium als Gefährdung paganer Kulte (Apg 19,25–27)
3. Die Gegenposition des Stadtschreibers (Apg 19,35–40a)
3.1 Die Aussage des Stadtschreibers gewertet aus jüdischer Perspektive
3.2 Die Mehrdeutigkeit und Ironie der Rede des Stadtschreibers
IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion
1. Apg 19,23–40 als Verbindung unterschiedlicher Argumentationsebenen
2. Die Artemis von Ephesus als Standbild von Menschenhand gemacht (?e???p???t??)
3. Apg 19,23–40 als ironische Erzählung
4. Die Bewertung der Situation durch den lukanischen Leser
5. Apg 19,23–40 als Teil der thematischen Reihe
6. Die individuelle inhaltliche Nuance der Episode Apg 19,23–40
7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1–6)
I. Struktur und Form von Apg 28,1–6
1. Zur Konstruktion und Form von Apg 28,1–6
2. Der Aufbau und die notwendigen Motive neutestamentlicher Wundergeschichten
3. Apg 28,1–6 als Geschichte einer Rettung durch Gott
4. Apg 28,1–6 im Kontext der antiken Reiseliteratur
5. Apg 28,1–6 im Spiegel der literarischen Motive eines Itinerars
6. Apg 28,1–6 vor dem Hintergrund der Konstruktionsmöglichkeiten der antiken Chreia
II. Der Einfluss von Lokalkolorit auf Apg 28,1–6
1. Die historische Situation auf der Insel Malta im 1. Jh. n.Chr
2. Das Bedeutungsfeld des Lexems ß??ßa???
3. Das Bild des menschenfreundlichen Barbaren
4. Die Rolle der Gerechtigkeit (????) in Apg 28,1–6
III. Das Missverständnis der Barbaren
1. Die Diskussion von Apg 28,1–6
2. Der thematische Schwerpunkt der Episode Apg 28,1–6
8. Ergebnisse
1. Lukas und die Form der Apostelgeschichte
2. Die Apostelgeschichte als Teil einer Epochengeschichte
2.1 Die Figur des Paulus im Umgang mit den Völkern
2.2 Die inhaltliche Ausrichtung der theologischen Botschaft des Paulus unter den Völkern
2.2.1 Der theologische Ausgangspunkt der Reden in Athen und Lystra
2.2.2 Der Aspekt der Heiligung des Gottesvolkes
2.2.3 Die Funktion von Wundermotiven im Kontext der theologischen Identität des ????? t?? ?e??
2.2.4 Polemik und Humor als Mittel der Abgrenzung und Standpunktbestimmung
3. Stereotype Charakterbilder als Werkzeuge des literarischen Leitgedankens des lukanischen Doppelwerkes
4. Charakterbilder der Völker als Orientierungshilfe in der Abgrenzung
5. Ertrag und Fazit
Literaturverzeichnis
Pagane Schriftsteller und Quellensammlungen
Jüdische und Rabbinische Schriften
Kirchenväter und frühchristliche Schriften
Bibeltexte und Übersetzungen
Hilfsmittel
Verzeichnis der angegebenen und zitierten Literatur
Stellenregister

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Johannes Nikolai Tischler Diener des höchsten Gottes

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft

Herausgegeben von Carl R. Holladay, Matthias Konradt, Hermann Lichtenberger, Judith Lieu, Jens Schröter und Gregory E. Sterling

Band 225

Johannes Nikolai Tischler

Diener des höchsten Gottes Paulus und die Heiden in der Apostelgeschichte

ISBN 978-3-11-045401-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-045803-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-045744-5 ISSN 0171-6441 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

οἶδα οὐκ εἰδὼς

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013-2014 an der EvangelischTheologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie an wenigen Stellen geringfügig angepasst und überarbeitet. Großer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Wolter. Er war es, der mich schon zu Studienzeiten unter seine Fittiche nahm und aus meinem Interesse an der neutestamentlichen Wissenschaft eine Begeisterung machte, die mich durchs Studium hindurch bis in den Pfarrberuf getragen hat und auch weiterhin trägt. Seine ebenso kritische wie wohlwollende Begleitung während meiner Promotionszeit hat mich gestützt und ermutigt, dieses große Unternehmen „Promotion“ mit Freude, Neugier und offenen Augen voranzutreiben. So manch anderes ließe sich an dieser Stelle noch ansprechen: die Arbeit am Lehrstuhl, das weihnachtliche Banoffee, die Wandertage und vieles mehr; doch um es kurz zu machen, sei hier nur festgehalten, dass mir die Zeit am Lehrstuhl von Herrn Wolter in sehr guter Erinnerung bleiben wird. Herrn Prof. Dr. Günter Röhser danke ich sowohl für sein Zweitgutachten zu meiner Dissertation, als auch für die wertvollen Anmerkungen und Korrekturen, die dabei geholfen haben, diese Veröffentlichung vorzubereiten. Ich in den vergangenen Jahren hatte ich immer wieder die Möglichkeit, einzelne Abschnitte meiner Arbeit in der neutestamentlichen Sozietät der beiden theologischen Fakultäten der Universität Bonn dem kritischen Blick der Kollegen zu präsentieren. Die in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen, Anmerkungen und Einwürfe empfand ich stets als hilfreich und weiterführend. Darum gebührt auch all ihren Mitgliedern mein ausgesprochener Dank. Ferner danke ich meiner Mutter Dr. Christiane Tischler, meinem Vater Martin Tischler, meiner Frau Christina, sowie den Freunden und Kollegen, die sich der mühseligen Aufgabe des Korrekturlesens angenommen und mich dadurch vor so manchem Fehler bewahrt haben. Besonders zu nennen sind (in alphabetischer Reihenfolge): PD. Dr. Jochen Flebbe, Stefanie Kämpfer, Alena Kunze, Gerd und Mareike Maeggi, Anne Wellmann. Nicht vergessen werden darf ein besonderes Wort des Dankes an meine Familie. Nur dank ihrer Unterstützung war es mir möglich, mich für drei Jahre nahezu ausschließlich auf meine Promotion zu konzentrieren und dieses Projekt neben dem zweiten Theologischen Examen zu einem positiven Ende zu bringen.

VIII

Vorwort

Zum Schluss möchte ich mich bei den Herausgebern der Reihe BZNW für die Aufnahme in die Reihe, sowie bei dem Verlag de Gruyter, namentlich Stefan Selbmann und Katrin Mittmann, für die freundliche Betreuung bedanken. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern. Düsseldorf, Juli 2016

Inhalt . Einleitung

1

. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur 6 I. Die Apostelgeschichte im Umfeld antiker Geschichtsschreibung 6 6 . Die Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung . Die Apostelgeschichte als Geschichtswerk 8 II. Formelemente der Apostelgeschichte 10 . Dramatische Episoden und thematische Reihen als exponierter 10 Diskussionsraum . Reden in der Apostelgeschichte 14 . Die Bewertung einer Argumentationsstruktur 17 20 . Formen und Varianten der antiken Chreia . Die Anwendungsformen der Chreia im lukanischen Doppelwerk 23 III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der 26 Apostelgeschichte . Die Frage nach dem literarischen Schwerpunkt 26 . Die Figur des Paulus in der Apostelgeschichte 28 . Die variierende Nutzung des Apostelbegriffes im lukanischen 30 Doppelwerk . Die Funktion des Paulus 31 . Das Evangelium als inhaltlicher Gradmesser 33 . Reden und Handeln nach dem Willen Gottes und die Folgen für die 37 Auseinandersetzung mit den Völkern 39 . Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20) I. Form und Ausrichtung der Erzählung 39 . Apg 14,8 – 20 im Kontext des dramatischen Episodenstils 39 . Abgrenzung und Zusammenhänge der dramatischen Episode (Apg 40 14,8 – 20) . Die Bestimmung von Form und Ausrichtung der Episode Apg 14,8 – 18 42 . Die Motive einer Therapie 44 . Apg 14,8 – 18 als Mischgattung 49 . Die thematische Ausführung des Missverständnisses 50 II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra 52 . Dialekte als literarisches Gestaltungsmittel 52

X

. . . . . III. . . . . . . IV. . .

Inhalt

Die Bewertung eines historischen Settings vor dem Hintergrund des 55 theologischen Leitgedankens Das literarische Bild der Volksstämme des Taurusgebirges 57 Die Einwohner von Lystra als βάρβαροι 59 Die motivischen Parallelen zwischen Apg 14,8 – 20 und dem Mythos 61 von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611 – 724) Der Einfluss des Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611 – 724) auf das Charakterbild der Einwohner von Lystra 63 Das Eingreifen der Diener des Gottes Israels 65 Der thematische Gegenstand eines Verstoßes gegen das Wort 65 Gottes Der erste Widerspruch von Barnabas und Paulus (Apg 14,15) 68 Die Erläuterung des λόγος τοῦ θεοῦ 71 72 Die Nichtigkeit des Weltbildes der Einwohner von Lystra Das Selbstzeugnis des Gottes Israels als Schöpfer 73 Das Motiv mangelnder Einsicht (Apg 14,18) 75 76 Apg 14,19 – 20 als thematische Ergänzung Das Evangelium des Paulus und die Juden aus Antiochia und Ikonion 76 Der Weg zu den Völkern 78

. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22) 80 I. Zur Form und Konstruktion von Apg 16,16 – 22 80 80 . Einordnung und Abgrenzung der Erzählung Apg 16,16 – 22 . Zur literarischen Zusammensetzung von Apg 16,16 – 40 82 . Die Episode Apg 16,16 – 22 als Exorzismuserzählung 84 . Eine Neubewertung der Textform 89 . Apg 16,16 – 22 verstanden als chrienartige Textkonstruktion 90 II. Die kulturellen Einflüsse hinter dem Setting von Apg 16,16 – 22 93 . Dämonen im lukanischen Doppelwerk und Apg 16,16 – 22 93 . Orakel in der hellenistischen Gesellschaft 95 . Die jüdisch-christliche Haltung gegenüber Orakeln und den damit verbundenen religiösen Vorstellungen 97 . Der Wirtschaftsfaktor Orakel und dessen Bedeutung für Apg 16,16 – 22 99 101 III. Die literarischen Zusammenhänge in Apg 16,16 – 22 . Die literarische Konstruktion von Apg 16,16 – 22 101 . Funktion und Charakter des Ausspruches der Magd (Apg 16,17) 103 . Apg 16,17 als Bezeichnung eines theologischen Wendepunktes 106

Inhalt

IV. . .

Das Bild der ungehorsamen Völker 108 108 Apg 16,16 – 22 als Konflikt zweier Positionen Der ironische Ausdruck der Episode Apg 16,16 – 22

110

. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34) 114 114 I. Die Form von Apg 17,16 – 34 . Apg 17,16 – 35 als dramatische Episode 114 116 . Apg 17,22 – 31 und die These von einer Missionspredigt . Aufbau und Struktur von Apg 17,16 – 34 119 II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode 122 . Form und Ausrichtung des verwendeten Bildes der Athener 122 Philosophen . Stoiker und Epikureer im kulturellen Umfeld Athens 124 125 . Kulturelle Unterschiede und gegensätzliche Standpunkte . Das Bild der Stadt Athen in hellenistischer Zeit 127 . Der Charakterzug κατείδωλος (Apg 17,16) als Element der 130 Diskussion III. Der Blickwinkel der Athener Philosophen 133 . Die Episode als Diskussion gegensätzlicher Standpunkte 133 . Der Blickwinkel der Athener Philosophen 134 137 IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus . Der mehrdeutige Charakter der captatio benevolentiae des Paulus (Apg 17,22b) 137 140 . Das Motiv des Altars eines unbekannten Gottes (Apg 17,23) . Der unbekannte Gott der Athener Philosophen und die implizierte Kritik des Paulus 141 . Der Gott Israels als Gegenpol zum ἄγνωστος θεός (Apg 17,24 f) 145 . Die theologische Ausrichtung von Apg 17,26 – 27 149 . Das Motiv der Suche nach Gott (Apg 17,27) 150 . Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott (Apg 17,27 – 29) 153 . Der Mensch als von der Art (γένος) Gottes 155 . Der Verweis auf den heilsgeschichtlichen Wendepunkt (Apg 17,30 – 31) 157 V. Das Bild der Athener Philosophen 160 160 . Die Haltung der Athener Philosophen (Apg 17,32 – 34) . Das Bild der Völker in Apg 17,16 – 34 162

XI

XII

Inhalt

. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40) 164 164 I. Die Form und Konstruktion von Apg 19,23 – 40 . Apg 19,23 – 40 als dramatische Episode 164 . Die argumentative Einheit von Apg 19,23 – 40 167 . Die Reduktion auf die argumentativen Leitlinien 172 173 . Aufbau und Struktur von Apg 19,23 – 40 . Apg 19,23 – 40 im literarischen Umfeld der antiken Chreia 175 II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der 179 Episode . Der Einfluss von Lokalkolorit auf den Text 179 181 . Der Tempel der Artemis als Element der Erzählung . Die unterschiedlichen Perspektiven auf das Evangelium 186 . Die Rolle der Juden in der Episode zu Ephesus (Apg 19,33 – 190 34) . Paulus und die Asiarchen (Apg 19,30 – 31) 193 III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber 198 . Apg 19,23 – 40 als Diskussion zweier Vertreter der Völker über das 198 Evangelium . Das Evangelium als Gefährdung paganer Kulte (Apg 19,25 – 27) 199 . Die Gegenposition des Stadtschreibers (Apg 19,35 – 40a) 203 . Die Aussage des Stadtschreibers gewertet aus jüdischer 205 Perspektive . Die Mehrdeutigkeit und Ironie der Rede des Stadtschreibers 207 210 IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion . Apg 19,23 – 40 als Verbindung unterschiedlicher Argumentationsebenen 210 . Die Artemis von Ephesus als Standbild von Menschenhand gemacht (χειροποίητος) 211 . Apg 19,23 – 40 als ironische Erzählung 214 . Die Bewertung der Situation durch den lukanischen Leser 216 . Apg 19,23 – 40 als Teil der thematischen Reihe 217 . Die individuelle inhaltliche Nuance der Episode Apg 19,23 – 40 219 . Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6) 221 221 I. Struktur und Form von Apg 28,1 – 6 . Zur Konstruktion und Form von Apg 28,1 – 6 221 . Der Aufbau und die notwendigen Motive neutestamentlicher Wundergeschichten 224 . Apg 28,1 – 6 als Geschichte einer Rettung durch Gott 226

Inhalt

. . . II. . . . . III. . .

XIII

Apg 28,1 – 6 im Kontext der antiken Reiseliteratur 231 233 Apg 28,1 – 6 im Spiegel der literarischen Motive eines Itinerars Apg 28,1 – 6 vor dem Hintergrund der Konstruktionsmöglichkeiten der antiken Chreia 236 Der Einfluss von Lokalkolorit auf Apg 28,1 – 6 238 238 Die historische Situation auf der Insel Malta im 1. Jh. n. Chr. Das Bedeutungsfeld des Lexems βάρβαρος 239 242 Das Bild des menschenfreundlichen Barbaren Die Rolle der Gerechtigkeit (Δίκη) in Apg 28,1 – 6 245 Das Missverständnis der Barbaren 247 247 Die Diskussion von Apg 28,1 – 6 Der thematische Schwerpunkt der Episode Apg 28,1 – 6 249

. Ergebnisse 252 . Lukas und die Form der Apostelgeschichte 252 . Die Apostelgeschichte als Teil einer Epochengeschichte 255 257 . Die Figur des Paulus im Umgang mit den Völkern . Die inhaltliche Ausrichtung der theologischen Botschaft des Paulus unter den Völkern 260 .. Der theologische Ausgangspunkt der Reden in Athen und Lystra 262 264 .. Der Aspekt der Heiligung des Gottesvolkes .. Die Funktion von Wundermotiven im Kontext der theologischen Identität des λόγος τοῦ θεοῦ 266 .. Polemik und Humor als Mittel der Abgrenzung und 267 Standpunktbestimmung . Stereotype Charakterbilder als Werkzeuge des literarischen Leitgedankens des lukanischen Doppelwerkes 269 . Charakterbilder der Völker als Orientierungshilfe in der Abgrenzung 270 . Ertrag und Fazit 277 280 Literaturverzeichnis Pagane Schriftsteller und Quellensammlungen 280 Jüdische und Rabbinische Schriften 285 Kirchenväter und frühchristliche Schriften 286 286 Bibeltexte und Übersetzungen Hilfsmittel 286 Verzeichnis der angegebenen und zitierten Literatur 287 Stellenregister

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1. Einleitung Der Autor, der gemäß frühkirchlicher Tradition den Namen „Lukas“ trägt¹, verfasste mit Evangelium und Apostelgeschichte ein literarisches Werk, welches nach Einschätzung der neueren Forschung orientiert an den schriftstellerischen Rahmenbedingungen und Gestaltungsräumen der antiken Geschichtsschreibung als Epochengeschichte² abgefasst wurde. Diese Einschätzung, die im Zusammenhang mit einer Tendenz der neueren Acta-Forschung zu verstehen ist, vermittelt indes mehr als nur einen neuen Oberbegriff, der die zahlreichen Versuche, die Apostelgeschichte in ein literarisches System einzuordnen³, um eine Variante erweitert. Sie reagiert vielmehr auf eine Fülle kritischer Analysen, die die klassischen Deutungsversuche und Kategorisierungen des lukanischen Doppelwerks von ihren Wurzeln her hinterfragen⁴, um den bis heute diskutierten Spannungen zwischen Historie, Literatur und Praxis zu begegnen. Der Versuch, an der Apostelgeschichte, genauer an den einzelnen Episoden, Erzählungen, Reden, sogar inhaltlichen Motiven, ein historisches „so war es in der Zeit der Apostel“ abzuleiten, tritt nunmehr gegenüber der Einsicht in den Hintergrund, dass Lukas als Historiker gleichermaßen Schriftsteller, Theologe, Lehrer und so manches mehr sein konnte⁵. In Folge der gestalterischen Freiheit, die für

 Der früheste nachweisbare Beleg für die Identifikation des ungenannten Autors des Doppelwerkes mit einer Person namens Lukas findet sich um  n. Chr. bei Irenaeus, Haer., ,,; Clemens von Alexandrien, Strom., ,,; Tertullian, Bapt., ,. Dazu M. Wolter, Lukasevangelium, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , –; J. Roloff, Apostelgeschichte, . Auch wenn erst die frühkirchliche Tradition Evangelium und Apostelgeschichte als literarisches Gesamtwerk dem Paulusbegleiter Lukas zuschrieb, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass beide Bücher aus der Hand desselben Autors stammen. Mit E. Plümacher, Apostelgeschichte, –. Der Einfachheit halber, soll dieser Name auch im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit zur Bezeichnung des Autors genutzt werden.  Zu dieser These siehe M. Wolter, Epochengeschichte, –.  Für einen Überblick der Lukasforschung der letzten Jahre, siehe O. Flichy, Paul, –. Ferner K. Berger, Gattungen, –. Komprimiert auf die Leitlinien: J. Flebbe, Gott, –.  Zu diesen zählen beispielsweise die Thesen, welche die Apostelgeschichte als Bericht von der Zeit der Kirche (vgl. H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ), Verbreitung des Christentums (vgl. O. Wischmeyer, Gottesglaube, ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; J. Jervell. Apostelgeschichte, ; G. Schille, Apostelgeschichte, –), oder als Reaktion auf die Verzögerung der Parusie (vgl. U. Schnelle, Einleitung, ; G. Schneider, Apostelgeschichte ,  Anm. ; C.K. Barrett, Acts , LXXXII– LXXXIII; E. Grässer, Parusieerwartung, –) werten.  Mit E. Plümacher, Missionsreden, –. M. Wolter, Epochengeschichte, – macht mit Hinweis auf H.-J. Goertz, Geschichte,  deutlich, dass auch Geschichtsschreibung von komDOI 10.1515/9783110458039-001

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1. Einleitung

bestimmte Varianten antiker Geschichtsschreibung tonangebenden Charakter besitzt⁶, erschien die Neugewichtung der literarischen Absicht als Schwerpunkt des Doppelwerkes angebracht und geboten. Nach jener Frage, inwieweit die historische Genauigkeit die Erzählungen und Darstellungen der Apostelgeschichte bestimmte, steht nunmehr die Suche nach einem Thema, welches im Sinne einer Leitlinie die erzählten Inhalte abstimmt⁷, im Mittelpunkt des Interesses. Im Zusammenhang mit dieser Akzentverschiebung erlangte ein Ansatz vielseitige Anerkennung, der jenes Leitthema mit dem Versuch des Lukas identifiziert, dem christlichen Leser mit dem Doppelwerk eine Orientierungshilfe anzubieten⁸, die begleitend zum Prozess der Ablösung und Identitätsfindung zwischen Judentum und Hellenismus eine theologische Richtung vorgibt. Anders als ältere Stimmen, die diese Trennung von Juden und Christen in zwei eigenständige Gruppen auch inhaltlich als Abkehr vom Denken des Alten Testaments werteten⁹, bestimmt man inzwischen die Rückbindung und das explizite Festhalten an eben jenen Hoffnungen Israels, als unumstößliche Grundlage der jungen Kirche, zum eigentlichen Anliegen des Lukas¹⁰. Anstatt die sogenannte Öffnung zu den Heiden (vgl. Apg 9,1–18; 10) mit einem Eintauchen in die hellenistische Gedankenwelt einhergehen zu lassen, vermittelt das Doppelwerk demnach ein Zugehörigkeitsverständnis¹¹ (vgl. Apg 4,19–20; 5,29; 28,17–31), welches das Christentum als

munikativen Elementen abhängt, mit deren Hilfe der Autor seinen Inhalten bewusst eine Form gibt, die dem Leser das gewünschte Verständnis vermitteln soll.  Explizit ist der tragisch-pathetische Geschichtsschreibungsstil zu nennen, der ausdrücklich mit denjenigen literarischen und konzeptionellen Gegebenheiten zu korrespondieren scheint, die das lukanische Doppelwerk bietet. Siehe E. Plümacher, Apostelgeschichte, –.; Ders., Missionsreden, –.  Es geht dabei ausdrücklich nicht um eine Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität. Auch der für Lukas festgestellte Schreibstil gehört dem Milieu der Geschichtsschreibung an, zeichnet sich aber durch eine belehrende Schärfung auf ein dominantes Thema hin aus. Siehe K.S. Sacks, Rhetorical Approaches, .; Ders., Rhetoric, –; E. Plümacher, Apostelgeschichte, f; Ders., Missionsreden, –. In diesem Kontext, auch H.-J. Goertz, Geschichte, ; M. Wolter, Epochengeschichte, .  Vgl. M.Wolter, Epochengeschichte, –; J. Flebbe, Gott, ; E. Plümacher, Missionsreden, ; J. Roloff, Kirche, .  Nicht anders sind beispielsweise Deutungsansätze im Zusammenhang mit der sogenannten Areopagrede (vgl. Apg ,–) oder die Feststellung der Göttlichkeit des Paulus durch einige Barbaren auf Malta zu verstehen (vgl. Apg ,b), die hierin ein deutliches Indiz für diese Entwicklung erkennen. Dazu G. Theißen, Religion, ; O. Wischmeyer, Gottesglaube, –.  Mit O. Flichy, Paul, ; M. Wolter, Epochengeschichte, –; J. Flebbe, Gott, –; K. Haacker, Bekenntnis, –.  So M. Wolter, Epochengeschichte, –: „Kurzum: Lukas ist auf der Suche nach einer Identität für das Christentum, und er sucht sie innerhalb der symbolischen Sinnwelt des jüdischen

1. Einleitung

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denjenigen Teil Israels begreifen möchte, der im Gehorsam gegenüber Gesetz und Propheten dem Willen Gottes folgt. Die vorliegende Arbeit unternimmt daran anknüpfend das Experiment, die Hypothese, Lukas vermittle das Christentum als den gehorsamen Teil Israels, einer gedanklich naheliegenden Gegenprüfung zu unterziehen, die meines Wissens in dieser Form noch nicht geleistet wurde. Die einschlägige Literatur fokussiert sich in der Bemühung, die postulierte Rückbindung des lukanischen Verständnisses christlicher Gemeinschaft am Alten Testament nachzuweisen, zuerst auf die Rechtfertigungsversuche der Christen gegenüber den Juden¹². Der eindrückliche Appell der Apostel Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat in Jerusalem (vgl. Apg 4,19–20; 5,29), in allem Handeln dem Willen Gottes zu gehorchen („πειθαρχεῖν δεῖ θεῷ μᾶλλον ἢ ἀνθρώποις“), kann ebenso als Beleg für dieses Selbstverständnis herangezogen werden, wie die verschiedenen Ausführungen des Paulus gegen Ende der Apostelgeschichte (vgl. Apg 22,1–3; 28,17–31). Auch wenn dessen Ausführungen in Apg 28,17–31 jenen Schnitt markieren, der Juden und Christen als Gruppe voneinander trennt, lassen sie kaum einen Zweifel daran entstehen, dass das Bewusstsein, an den Heilshoffnungen des Alten Testaments zu partizipieren, ungebrochenen Bestand hat¹³. Sollte es sich tatsächlich so verhalten, und einiges spricht für diese Einschätzung, so muss sich dieses Selbstverständnis auch im Umgang mit denjenigen Menschen zeigen, die Juden wie Christen als „Heiden“¹⁴ wahrnehmen. Die Apostelgeschichte bietet wie kein zweites Buch des Neuen Testaments ausführliche Erzählungen, Episoden und Szenen, die gerade dieses Verhältnis ins Blickfeld rücken. Nicht selten akzentuiert durch die Feststellung von Missverständnissen, Diskussionen, Polemik und sogar handfesten Streitigkeiten, galt bis heute weitgehend die Einschätzung, diese so uneinsichtigen Menschen außerjüdischer Kulturräume (vgl. Apg 17,32a;19,23) als potentielle Zielgruppe zu begreifen, die Lukas mit Hilfe theologischer Unschärfe¹⁵ für das Christentum zu gewinnen sucht. Diese Deutungsmöglichkeit scheidet unter der gegebenen Neuausrichtung Wirklichkeitsverständnisses, und genau daraus bezieht die lukanische Geschichtskonstruktion ihr spezifisches Profil.“ Ferner J. Roloff, Kirche, .  Dazu beispielhaft M. Wolter, Epochengeschichte, –; J. Flebbe, Gott, –.  Mit J. Flebbe, Gott, ; M. Wolter, Epochengeschichte, –; R.F. O’Toole, Unity, –; W.C. van Unnik, Hintergrund, –.  Dieser Begriff dient im gegebenen Zusammenhang als Sammelbegriff für Menschen und Gruppen, die weder dem Judentum noch der christlichen Gemeinschaft angehören. Eine Wertung, wie sie in der soziologischen Verwendungsweise dieses Ausdruckes begegnet, ist weder hier noch an anderer Stelle gedacht. Siehe zu dieser Definition M. Wolter, Epochengeschichte, –; H.W. Gensichen, Heidentum, –; J. Sievers; Heidentum, .  Vgl. O. Wischmeyer, Gottesglaube, –.–; G. Theißen, Religion, –.

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1. Einleitung

des lukanischen Doppelwerkes aus¹⁶, weshalb nun nachdrücklich und mit allem literarischen Gespür für das Anliegen des Autors¹⁷ die Frage nach dem Verhältnis zwischen Christen und den Heiden zu stellen ist. Wie ist es beispielsweise zu verstehen, dass ein Autor, der maßgeblich an ein Publikum schreibt, welches keine jüdischen Wurzeln besitzt, Missionserfolge in diesem Milieu nur in einem sehr geringen Umfang¹⁸ berichtet? Welche Bedeutung hat es, wenn der Autor im Zusammenhang des Leitgedankens, die Identität der christlichen Gemeinschaft zu bestimmen, die Heiden wenig schmeichelhaft als abergläubisch (vgl. Apg 14,11–13; 16,16; 17,16.22b), sensationslustig (Apg 17,21) oder als Barbaren (Apg 28,2) darstellt? Wie sind ferner der Rückgriff auf Traditionsgut¹⁹, Anleihen bei griechischen Philosophen oder die Parallelisierung des Evangeliums mit paganen Gottheiten (vgl. Apg 19,23–40) gegenüber einem Grundsatz einzuschätzen, der dem Alten Testament folgend nur das Wort Gottes als Richtlinie²⁰ akzeptiert (vgl. Apg 4,19–20; 5,29)? Solche Fragestellungen im Blick, sollen im weiteren Verlauf der Untersuchung diejenigen Texte betrachtet werden, die in der Auseinandersetzung mit dem Bild, das Lukas von den Völkern zeichnet, bereits über eine Tradition verfügen²¹. Im Kontext der zur Maxime erhobenen Neubewertung des lukanischen Doppelwerkes als Epochengeschichte, die sich argumentierend und erläuternd am Thema der Spaltung zwischen Juden und Christen orientiert, soll es ferner nicht genügen, die Stärken und Schwächen der verschiedenen Deutungsansätze gegeneinander aufzurechnen. Vielmehr erscheint ein Neuansatz geboten, um auf die geänderte Gewichtung der literarischen Gegebenheiten einzugehen und jene ausdrucksstarken Texte gemäß dieser Idee zu durchdenken.

 Das liegt in der Einsicht begründet, dass sich das lukanische Doppelwerk als konzipiertes Stück Literatur mit jenem Thema eine Rückbindung an das Alte Testament vornimmt. Siehe Kap. , Anm. .  Das bedeutet, nicht nur den jeweiligen Text als Konstruktion zur Vermittlung von Informationen wahrzunehmen, sondern auch die Nuancen und Untertöne, wie Humor und versteckte Polemik, zu erkennen und in die Überlegungen mit einfließen zu lassen.  So heißt es in Apg , nach langer Diskussion und dem beherzten Eingreifen von Barnabas und Paulus: καὶ ταῦτα λέγοντες μόλις κατέπαυσαν τοὺς ὄχλους τοῦ μὴ θύειν αὐτοῖς. In Athen (Apg ,a) reagieren die Philosophen auf die Ausführungen des Paulus mit Spott und Hohn (ἀκούσαντες δὲ ἀνάστασιν νεκρῶν οἱ μὲν ἐχλεύαζον) und in Philippi wird Paulus nach einem Exorzismus gar von den ansässigen Behörden verhaftet, geschlagen und eingesperrt (Apg ,– ).  Vgl. R.I. Pervo, Profit, –; M.L. Soards, Speeches, .  Vgl. J. Flebbe, Gott, ; M. Wolter, Epochengeschichte, .  Das sind die Erzählungen in Lystra (Apg ,–), Philippi (Apg ,–), Athen (Apg ,–), Ephesus (Apg ,–) und auch die erste Episode auf Malta (Apg ,–).

1. Einleitung

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Dabei ist der hier verfolgte Ansatz ausdrücklich literarischer Natur, sucht er doch einen Beitrag für das Verständnis eines Konzeptes zu leisten, welches die Form, d.h. Auswahl, Anordnung und Präsentation von Informationen innerhalb der Apostelgeschichte, maßgebend bestimmt. Gleichzeitig darf die Bedeutung historischer Elemente für die Ausgestaltung des zu vermittelnden Bildes nicht unterschätzt werden. Lukas schrieb auf dem gedanklichen Boden der antiken Geschichtsschreibung an ein Publikum, dem diese Epoche als Realität bewusst war²². Verbunden mit der gewählten literarischen Herangehensweise an die Apostelgeschichte ergibt sich aus diesem Umstand die Situation, dass hinter platzierten geschichtlichen Elementen, wie Anspielungen und dergleichen, eine bestimmte inhaltliche Absicht zu vermuten ist. Erst in der Kombination dieser beiden Aspekte erscheint es möglich, zu einer sachgemäßen Deutung des Gegenstandes zu gelangen. Dieser Vorsatz verlangt allerdings einige Vorüberlegungen, die die angeschnittenen literarischen wie motivischen Bedingungen und Grundsätze dieses Neuansatzes näher ausführen, um sie in ein Set handwerklicher Mittel einzuordnen. Die folgende Analyse am konkreten Textbeispiel soll darauf reagierend in der Freiheit geschehen, jede Erzählung von Neuem auf Konstruktion, Inhalt, individuelle Ausrichtung und schließlich leitende Tendenz hin zu befragen. Dieses Vorgehen verspricht am Ende der Arbeit weit mehr als nur ein Ergebnis, welches zwischen richtig oder falsch entscheidet. Ziel ist es, mit dezidierter Genauigkeit das Bild von den Völkern zu bestimmen, welches Lukas in zahlreichen Episoden konstruiert. Dies zur Grundlage soll weiter eine reflektierende Entscheidung darüber geboten werden, ob die These einer geforderten Orientierung am Judentum respektive am Israelbild des Alten Testaments, im Sinne einer Abgrenzung auch konsequent gegenüber der hellenistischen Kultur und deren Vertretern vollzogen wurde. Auf einem so begründeten Votum aufbauend, soll schlussendlich auch jene These, Lukas verstehe das Christentum inhaltlich auch weiterhin als den alttestamentlichen Traditionen verpflichtet, bewertet werden.

 Dazu M. Wolter, Lukasevangelium, –; R. Bauckham, Gospels, –. Zu dem kulturellen Spielraum, in dem sich Lukas bewegt, siehe V.K. Robbins, Author, –.

2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur I. Die Apostelgeschichte im Umfeld antiker Geschichtsschreibung 1. Die Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung Anders als im Umgang mit der Briefliteratur des Paulus oder den vier gemeinhin als „Evangelium“ bezeichneten Büchern¹, zeichnet sich die Acta-Forschung durch den Rückgriff auf eine literarische Kategorie aus, die zwar einen formalen Rahmen vorgibt, sich in der inhaltlichen Ausgestaltung jedoch als äußert variabel erweist. Die Einordnung der Apostelgeschichte in das literarische Feld der antiken Geschichtsschreibung ist allerdings keine Einsicht der neueren Forschung², sondern kann auf eine lange Tradition zurückblicken, die in der frühen Kirche ihren Anfang nahm. Zuerst bei Irenaeus von Lyon, Haer., 3,13,3 schriftlich bezeugt, ordnet der Titel „πράξεις ἀποστόλων“ das zweite Buch ad Theophilum der Gattung der Biographien zu³, die nach antikem Verständnis der Kategorie der Geschichtsschreibung angehören⁴. Allerdings verdeutlicht bereits die oberflächliche Lektüre dieses Schreibens, dass sich der Autor weder in stilistischen noch in formalen Entscheidungen an ein Raster hält, welches die Identifikation der Apostelgeschichte mit einem histori-

 Der Begriff als Gattung ist durchaus umstritten und es scheint fraglich, ob die Verwendung im christlichen Sinne mit der des hellenistischen Umfeldes übereinstimmt. Siehe K. Berger, Gattungen,  – ; P. Pokorný, Gospel,  – .  Diese aber weitgehend einstimmig. Siehe M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  f; E. Plümacher, Apostelgeschichte,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; J. Schröter, Jesus,  – .  Weitere Belege für diese Bezeichnung finden sich bei Clemens von Alexandria, Strom., ,,; Tertullian, Bapt., ,. Ferner Canon Muratori, der das Buch mit „Acta autem omnium apostolorum sub uno libro scripta sunt“ umschreibt. Vgl. H. Lietzmann, Fragment, . Zur Auseinandersetzung mit der Titelgebung des Werkes siehe E. Plümacher, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; K. Berger, Gattungen, . Siehe zur kritischen Auseinandersetzung mit diesem einordnenden Titel R. Hoppe, Apostelgeschichte,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; K. Berger, Gattungen,  – ; A. Wikenhauser, Apostelgeschichte,  – . Ferner als Beispiele für die antike πράξεις-Literatur siehe CIG, ; Diodorus Siculus, Bib. Hist., ,,. DOI 10.1515/9783110458039-002

I. Die Apostelgeschichte im Umfeld antiker Geschichtsschreibung

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schen Roman⁵, einem Itinerar⁶ oder im Sinne einer Gattung, als nüchterne Geschichtsschreibung, ermöglichte. Neben dramatischen Episoden⁷ und ausdrucksstarken Reden (vgl. Apg 3,12– 26; 14,15 – 17; 17,22– 31; 22,1– 21) stehen nüchterne Berichte (vgl. Apg 8,1– 3; 13,1– 3; 14,1– 7) und Varianten der Reiseliteratur (vgl. Apg 20,6 – 12.13 – 16; 27,13 – 44). Anstelle eines sachlichen Grundtones, der sich lediglich auf die Schilderung des historischen Hergangs konzentriert, vermitteln die einzelnen Erzählungen in farbenfrohen Worten und unter Rückgriff auf Lokalkolorit, Traditionen, Zitate, Humor und Polemik ein geradezu untypisch facettenreiches Bild jener Epoche⁸. Als Reaktion auf diese literarische Situation erschien es E. Plümacher⁹ angebracht, weniger von einer definiten Form, als vielmehr von einem literarischen Stil zu sprechen, an dem sich Lukas bei der Abfassung der Apostelgeschichte orientierte. Dieser Schritt eröffnete die Möglichkeit, die differierenden Eindrücke, die von den verschiedenen Texten der Apostelgeschichte ausgehen, mit einer Variante der Geschichtsschreibung zu identifizieren, die zahlreiche Spannungen vormaliger Kategorisierungsversuche relativierte. Als „tragisch-pathetisch“ bezeichnet, vermag dieser Stil, der sich in markanter Weise in den Werken des Dionysios von Halikarnas nachvollziehen lässt, eindrückliche Reden, Chrien, sachliche Reiseberichte, sogar Therapien und Exorzismen als ausdrucksstarke Elemente in Einklang zu bringen¹⁰. Die Voraussetzung für diese Verbindung zwischen so unterschiedlichen Stilelementen und Gattungen liegt indes weniger in einer regelhaften Definition eines literarischen Schemas begründet, als in der individuellen Intention des Autors.Wie Dionysios, Ant. Rom., 7,66,1– 3 in seinen Ausführungen, die wahrscheinlich als Kritik an dem klassischen Geschichtsschreibungsmodell von Thukydides zu verstehen sind¹¹, bekräftigt, geht es ihm, speziell in der Abfassung und Verwendung von Reden, nicht um die objektive Darstellung historischer

 Vgl. R.I. Pervo, Profit; C.A. Talbert, Literary Patterns. Im Sinne einer Monographie verstanden: H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; E. Plümacher, Monographie,  – .  Diese Gattung wird vornehmlich im Zusammenhang mit den sogenannten „Wir-Stellen“ (Apg , – ; , – ; , – ; , – ,) genannt. Vgl. K. Berger, Gattungen,  – . Betrachtet man allerdings die Ausgestaltung dieser Textabschnitte, so werden Stilelemente erkennbar, die weniger für einen sachlichen Bericht, als für Unterhaltungsliteratur sprechen. Siehe in diesem Zusammenhang V.K. Robbins, Sea Voyages, . Ferner S.  ff.  Dazu E. Plümacher, Schriftsteller,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; V.K. Robbins, Sea Voyages, . Ferner E. Plümacher, Missionsreden,  – ; R.I. Pervo, Profit,  – .  E. Plümacher, Apostelgeschichte, ; Ders., Missionsreden,  – .  E. Plümacher, Missionsreden,  –  exemplifiziert diesen Gegenstand maßgeblich an dessen Hauptwerk „Antiquitates Romanae“.  Vgl. E. Plümacher, Missionsreden,  – .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

Abläufe, sondern um eine deutende Vermittlung von Ereignissen¹², die das Denken und um Weiteren das Handeln des Lesers beeinflussen soll. Der Absicht Rechnung tragend, dem Leser ganzheitlich die Hintergründe vor Augen zu führen, die ein definiertes Geschenen betreffen, steht die Festlegung auf ein Leitthema am Anfang dieser Form von Geschichtsschreibung¹³. Im Gegensatz zur klassischen Wiedergabe geschichtlicher Abläufe bezieht sich diese Ausprägung auf einen thematischen Gegenstand, den der Autor innerhalb der jeweils gegebenen geschichtlichen Rahmenbedingungen differenziert und erläutert. Die Abläufe der geschilderten Ereignisse sollen in diesem Zusammenhang als geschichtliche Fakten verstanden werden¹⁴ (vgl. Dionysios von Halikarnas, Ant. Rom., 1,8,2; 7,66). Lukas erfindet demnach keine Geschichten, sondern beschreibt stimmig und akkurat den Zeitraum von Jesu Tod und Auferstehung (vgl. Lk 23 – 24; Apg 1) bis zur Ankunft des Paulus in Rom (Apg 28). Die besondere Nuance entsprechender Geschichtswerke besteht in besagter Absicht, den Leser explizit über ein Thema zu informieren und zu einer lehrreichen Bewertung der Umstände zu befähigen. Der historische Aspekt, d. h. die Beschränkung auf diejenigen Fakten, die sich an Hand von Quellen und glaubhaften Zeugen verifizieren lassen, tritt in diesem System allerdings hinter der belehrenden Absicht des Autors zurück¹⁵, wodurch ein Raum für die Anwendung all derjenigen literarischen, rhetorischen wie auch stilistischen Mittel geschaffen wird, die diese Zielsetzung begünstigen.

2. Die Apostelgeschichte als Geschichtswerk Mit diesen Ausführungen ist ein Bogen zu der anfangs angesprochenen Tendenz der neueren Acta-Forschung¹⁶ gespannt. Die Apostelgeschichte respektive das lukanische Doppelwerk unternimmt demzufolge nicht den Versuch, geschichtliche Abläufe in der Art einer Chronik der Kirchenentstehung oder Verbreitung des Evangeliums zu erfassen¹⁷. Auch Deutungen der Apostelgeschichte als Paulus Zu diesem Schluss kommt E. Plümacher, Missionsreden, .  Vgl. E. Plümacher, Missionsreden, ; M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott,  – ; M. Bauspieß, Geschichte,  – ; J. Schröter, Jesus,  – .  So M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; E. Plümacher, Missionsreden,  – . Ferner H.-J. Goertz, Geschichte, .  Vgl. E. Plümacher, Missionsreden,  – ; M. Dibelius, Literaturgeschichte, ; D.E. Aune, Environment,  – .  S.o.S.  ff.  Zu den unterschiedlichen Thesen über den Abfassungszweck der Apostelgeschichte, siehe Kap. , Anm. .

I. Die Apostelgeschichte im Umfeld antiker Geschichtsschreibung

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biographie oder als Sammlung von Erzählungen über die Apostel konnten sich in neuerer Zeit nicht durchsetzen¹⁸. Stattdessen findet die Einschätzung, die beiden Bücher des Lukas als ein epochengeschichtliches Gesamtwerk zu verstehen, welches, nahe den Konditionen des tragisch-pathetischen Geschichtsschreibungsstils abgefasst, einem definierten Leitthema folgt, Zustimmung¹⁹. Geleitet von der These, Lukas habe mit Evangelium und Apostelgeschichte eine Orientierungshilfe in Zeiten des Umbruches und der Identitätssuche bieten wollen²⁰, ergibt sich ein Rahmen literarischer wie inhaltlicher Bedingungen, die wiederum für den Umgang mit den Einzeltexten von entscheidender Bedeutung sind. Lukas agiert auf dem literarischen Boden der antiken Geschichtsschreibung. Er konstruiert kein fiktives Setting, sondern bezieht sich auf Ereignisse und Gegebenheiten, die historisch oder zumindest in der Wahrnehmung von Autor und Leserschaft als solche verifizierbar sind²¹. Gleichwohl gewährt der festgestellte Schreibstil einen gestalterischen Spielraum, der es ermöglicht, jene Fakten auf erhellende Weise zu ergänzen und auf das gewählte Leitthema hin auszurichten²². Übertragen auf das konkrete Beispiel der Apostelgeschichte bedeutet diese Einschätzung der literarischen Grundlagen, dass im kritischen Umgang mit einzelnen Episoden und Erzählabschnitten Informationen und Inhalte nicht allein auf der Makroebene wahrzunehmen sind, sondern stets unter dem Vorrang des Leitgedankens auf einen größeren Zusammenhang hin durchdacht werden müssen. Daraus folgend bestimmt das Urteil, die Apostelgeschichte als ein belehrendes Stück Literatur zu werten, das jeweilige Leitthema zum Angelpunkt, an dem der einzelne Text und die in ihm vermittelten Inhalte zu gewichten sind. Strukturelle Elemente, wie Gattungen oder die Verwendung des dramatischen Episodenstils²³, erweisen sich in diesem Zusammenhang als ebenso ausdrucksstark und bedeutsam wie die Setzung inhaltlicher Nuancen oder die Verwendung geprägter Motive²⁴. Neben der eigentlichen Abhandlung dient die Definition von Rollenbildern, die programmatisch für eine Position einstehen, dem erleichterten Zu-

 Vgl. R. Hoppe, Apostelgeschichte,  – ; O. Flichy, Paul,  – ; J. Flebbe, Gott,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .  M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott,  – .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte, ; Ders., Lukasevangelium,  – .  Vgl. E. Plümacher, Missionsreden, ; Ders., Apostelgeschichte, ; G. Schneider, Zweck,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; M. Dibelius, Literaturgeschichte,  – .  Dazu E. Plümacher, Schriftsteller,  – , der in diesem Stilmittel eines der zentralen Werkzeuge erkennt, die Lukas zur Akzentuierung des Doppelwerkes nutzt. Ferner Ders., Apostelgeschichte,  – ; M. Wolter, Lukasevangelium,  – .  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – ; Ders., Apostelgeschichte,  – .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

gang zum ausgebreiteten Thema²⁵. Ähnlich verhält es sich mit explizit ausgeführten Reden und Diskussionen. In der Tradition der antiken Geschichtsschreibung markieren solche Elemente zumeist dramatische Höhepunkte oder thematische Ergänzungen, mit denen der Autor seinen Leitgedanken abrundet oder erweitert²⁶. Gerade der zuletzt genannte Aspekt, eine Abhandlung mit Hilfe von Einschaltungen und Erweiterungen auszuführen, um so das geforderte umfassende Bild zu konstruieren, an dem sich der Leser orientieren soll, erweist sich für den hier verfolgten Ansatz von Bedeutung. Fokussiert man die Untersuchung eines Werkes, das auf der Grundlage des tragisch-pathetischen Geschichtsschreibungsstils konzipiert wurde, auf einen einzelnen Aspekt, wie hier den Umgang und die Darstellung der Völker gegenüber dem Evangelium, so bleibt das Leitthema selbst in dieser Einschränkung als übergeordneter Fixpunkt stets präsent. Erkenntnisse aus einer so gearteten Untersuchung, seien es ausgeführte Stereotypen oder unterschwellige Stimmungen und Tendenzen, sind spätestens im Ausblick gegenüber der Grundthese zu rechtfertigen. Weiter wirft ein so engmaschiges und eindeutig ausgerichtetes Konstrukt die Frage auf, inwieweit inhaltliche Reihen und Querverbindungen für die Ausgestaltung und Gliederung der Apostelgeschichte eine Rolle spielen.

II. Formelemente der Apostelgeschichte 1. Dramatische Episoden und thematische Reihen als exponierter Diskussionsraum Ähnlich dem Verfahren, welches bereits aus dem Kontext der literarischen Konstruktion des Evangeliums bekannt ist, verknüpft Lukas auch in seinem zweiten Buch ad Theophilum einzelne Episoden zu dem Gesamtwerk, das seit frühchristlicher Zeit unter dem Titel „Apostelgeschichte“ bekannt ist²⁷. Aneinander gekoppelt durch kurze Sequenzen oder sogenannte Einleitungsmotive²⁸, berichtet

 Im Zusammenhang mit der Absicht, mit Hilfe von Vorträgen und Reden einzelner Personen einen Standpunkt zu vermitteln, siehe E. Plümacher, Missionsreden,  – .  Vgl. U. Wilckens, Missionsreden, .; E. Plümacher, Missionsreden, .  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium,  – ; E. Plümacher, Apostelgeschichte,  – ; M. Dibelius, Literaturgeschichte, .  Darunter sind sowohl kurze Aussagen über Aufbruch und Ankunft (vgl. Apg ,; ,.; ,), Wendungen der Überleitung (ἐγένετο δέ oder καί verbunden mit einem Vermerk des Auf-

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der Autor in eindrücklichen Erzählabschnitten von den Reisen und Taten seiner Protagonisten, die gemäß dem Auftrag des auferstandenen Jesus das Evangelium Schritt für Schritt weiter in die Welt hinaus tragen²⁹ (vgl. Apg 1,8). Einem übergeordneten Konzept respektive Thema folgend, ordnet und gestaltet er die einzelnen Episoden in einer Weise, die gemessen am Gegenstand und den historischen Vorbedingungen, die gewünschte Kernabsicht vermittelt³⁰. In diesem Zusammenhang spielt ein Werkzeug der antiken Rhetorik eine besondere Rolle. Bekannt unter der Bezeichnung des dramatischen Episodenstils, eröffnet dieses Stilmittel einem Autor die Möglichkeit, einzelne Episoden aus einem narrativ genuin gestalteten Ablauf hervorzuheben, um auf diesem Wege Inhalte und Thesen, an denen er ein gesondertes Interesse hegt, entsprechend zu akzentuieren³¹. Gemäß der Definition, die E. Plümacher³² aus der Beobachtung antiker Schriften konstruiert, markieren dramatische Episoden Themen und Gedankengänge, die im Haupttext einer Lektüre keinen Platz finden oder im Sinne einer perspektivischen Weitung des Leitgedankens der besonderen Berücksichtigung bedürfen. Inhaltlich sind diese Erzählabschnitte stets in sich abgeschlossen. Ein aufgegriffener Aspekt wird demzufolge innerhalb eines abgegrenzten Raumes eingeführt, durchdacht und, übertragen in den gedanklichen Horizont des Lesers, abgeschlossen. Die Weiterführung eines solchen Erzählstranges ist nicht vorgesehen, weshalb der inhaltliche Bruch zwischen einer dramatischen Episode und dem Leitfaden durchaus robust ausfallen kann³³. In längeren Erzählzusammenhängen, zu denen auch die Apostelgeschichte zählen mag, besteht allerdings eine Tendenz, mehrere Episoden dieser Bauweise in einer thematischen Reihe so anzuordnen, dass sie aufeinander abgestimmt verschiedene Eindrücke und Nuancen ein und desselben Gegenstandes vermit-

tretens, Ankommens sowie zeitliche Wechsel) zu verstehen. Siehe G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Der Rückgriff auf Apg , als Leitgedanke der Apostelgeschichte hat zwar Tradition, kann aber nach aktuellem Forschungsstand nicht gehalten werden. Dazu M. Wolter, Epochengeschichte,  – . Dieser Auftrag Jesu ist nunmehr als inhaltlicher Impuls zu verstehen, der die weiteren Ereignisse in Bewegung setzt.  Vgl. E. Plümacher, Missionsreden, ..  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – . Ferner S.M. Sheeley, Narrative Asides, .; D.E. Aune, Environment,  – .  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – .  Nicht selten besteht keinerlei Beziehung zum Folgetext. Der narrative Leitfaden setzt unkommentiert wieder ein und führt die Haupthandlung ungebrochen weiter. Vgl. Apg ,a: „κυκλωσάντων δὲ τῶν μαθητῶν αὐτὸν ἀναστὰς εἰσῆλθεν εἰς τὴν πόλιν.“ vs. ,b: „Καὶ τῇ ἐπαύριον ἐξῆλθεν σὺν τῷ Βαρναβᾷ εἰς Δέρβην.“

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teln³⁴. Dem Ziel verpflichtet, ein möglichst facettenreiches Bild von einem prononcierten Gegenstand zu entwickeln, erweist sich dieses Stilmittel innerhalb einer geschichtlichen Abhandlung, die qua definitionem diese Absicht teilt, als geeignetes und angemessenes Werkzeug, um dieses zu verwirklichen³⁵. Mit diesen Bedingungen im Blick mag es wenig überraschen, dass Lukas dieses Stilmittel, im Kontext des beschriebenen Leitthemas der Identitätsfindung, gerade für Erzählungen nutzt, in denen Paulus dezidiert nicht mit Vertretern der Juden, sondern denen paganer Völker in Kontakt tritt (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40; 28,1– 6). In diesen Texten verursachen Evangelium (λόγος τοῦ θεοῦ) sowie begleitende Machthandlungen³⁶ in einer motivisch wiederkehrenden Abfolge Spannungen, die in Missverständnissen, Diskussionen und sogar offenen Konflikten Ausdruck finden. Präzise Äußerungen über Eigenarten und Charakterzüge der in den einzelnen Episoden geschilderten Menschen, sowie die Darstellung von Indizes der vorherrschenden Kultur (vgl. Apg 14,11; 16,16; 17,16), erhärten auf dieser gedanklichen Grundlage den Verdacht, dass Lukas ein immanentes sowie problemorientiertes Interesse an dieser inhomogenen Gruppe der Völker oder härter ausgedrückt der „Heiden“ hat. In Lystra (Apg 14,8 – 20) zieht eine Predigt in Kombination mit einer Therapie durch Paulus eine folgenschwere Verwechslung mit lokalen Gottheiten nach sich („ἐκάλουν τε τὸν Βαρναβᾶν Δία, τὸν δὲ Παῦλον Ἑρμῆν“), die auch mit deutlichen Gesten und einer Rede nur schwerlich auszuräumen ist (Apg 14,14– 18). In Philippi (Apg 16,16 – 22) lassen Geschäftsmänner Paulus und dessen Begleiter nach dem Exorzismus eines sich in ihrem Besitz befindlichen Mediums schlagen und ins Gefängnis werfen. Die Episode über den Athenaufenthalt des Paulus (Apg 17,16 – 34), weiß von der Verkündigung des Evangeliums als Reaktion auf die kultische Ausstattung der Stadt zu berichten (Apg 17,16). Die daran anknüpfende Diskussion mit einer Gruppe von Philosophen gipfelt in einer ausführlichen Rede (Apg 17,22– 31), die mehrheitlich mit Hohn und Spott bedacht wird (vgl. Apg 17,32a).

 Vgl. D. Marguerat, Lukas,  – ; E. Plümacher, Schriftsteller, .  S.o.S. f.  Sogenannte „Wunder“, darunter sind beispielsweise Therapien, Exorzismen oder die Rettung aus Not und Gefahr zu verstehen, haben in der antiken Literatur eine Tradition, den ausgezeichneten Charakter von Persönlichkeiten hervorzuheben.Vgl. K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formen, ; J. Zmijewski, Apostelgeschichte, . Im Kontext biblischer Schriften trifft dieses Motiv zumindest für die Darstellung von Jesus zu. In Bezug auf die Apostel fungieren sie sowohl als Auszeichnung für die Person als Diener Gottes (vgl. Apg ,), sowie als Ausdruck der Wirksamkeit des heilsbringenden Charakters des Evangeliums (vgl. Apg ,; ,).

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Eine besondere Variante dieses Situationsschemas scheint in der Episode zu Ephesus geboten (Apg 19,23 – 40). In der Erzählung, die sich mit dem Schlagwort des „Aufstandes der Silberschmiede“ überschreiben lässt (vgl. Apg 19,23 f), diskutieren der Schmied und Devotionalienhändler Demetrius und ein städtischer Beamter über die Bedeutung und Auswirkung, die das Evangelium auf den Kult der Artemis von Ephesus ausübt. Paulus, den dieser Text explizit als Verkünder und Mittler des Wortes Gottes charakterisiert (Apg 19,26b), bleibt bei diesem Diskurs auffällig im Hintergrund (Apg 19,30 – 31). Gegen Ende der Apostelgeschichte lässt der Autor seinen Paulus³⁷ ferner auf Menschen treffen, die er als „Barbaren“ (βάρβαροι) bezeichnet (Apg 18,1– 6). Ähnlich der Szene in Ephesus kommen auch in dieser Episode nur die Vertreter der Völker zu Wort, die die Immunität dessen gegen einen Schlangenbiss nacheinander als die Bestrafung eines Mörders durch die Rachegöttin Dike (Apg 28,3) und als Indiz der Göttlichkeit des Paulus bewerten (Apg 28,6). Diese kurze Zusammenschau einiger Erzählungen, die, gemeinhin als dramatische Episoden gewertet³⁸, jenes Verhältnis zwischen Christen und den Völkern exemplarisch widerspiegeln, fördert gleich mehrere Einsichten und Impulse zu Tage, die im weiteren Umgang mit diesen Texten bedenkenswert erscheinen. Der motivisch ähnliche Ablauf, wonach ein Vertreter Gottes respektive eine Ausdrucksform des Evangeliums eine Diskussion bedingt, sowie das gemeinsame Setting eines mehrheitlich hellenistisch geprägten Umfelds, legen den Gedanken nahe, die aufgezählten Episoden als thematische Reihe einzuschätzen. Die Unterschiede in der Wahl der Charaktergruppen tragen ebenfalls zu dieser Hypothese bei. Aus jüdischer Perspektive gewertet, handelt es sich bei diesen Menschen, die Lukas präzise mit Attributen und charakterisierenden Beschreibungen einordnet, um die alttestamentliche Kategorie der Völker³⁹ (‫)גּוֹיִם‬. In Hinblick auf das geforderte umfassende und facettenreiche Bild, welches sowohl den dramatischen Episodenstil als auch die tragisch-pathetische Geschichtsschreibung auszeichnet, erscheinen die vermittelten Informationen als wertvoller Beitrag zu diesem Vorhaben. In Bezug auf die strukturelle Zusammensetzung der einzelnen Episoden fällt schließlich, neben dem konstatierten Ablauf, der ausgeprägte Rückgriff auf Reden in den Blick. Der dramatische Episodenstil als Gestaltungsmittel gibt lediglich die

 Zur Problematik der Anwendung des Apostelbegriffes auf Paulus, S.u. S.  ff.  Mit E. Plümacher, Schriftsteller,  – .  Setzt man die Orientierung am Judentum respektive am Erwählungsverständnis des Alten Testaments als gedankliche Grundlage des lukanischen Gemeinschaftsverständnisses voraus, so ist diese Differenzierung, die zwischen Juden und Christen auf der einen und den Völkern auf der anderen Seite unterscheidet, die logische Folge. Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – .

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äußere Absicht vor, einem Thema besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen⁴⁰. Begleitende narrative Hilfsmittel sind zwar geeignet, eine deutliche Abgrenzung vom literarischen Umfeld zu markieren, diktieren jedoch keine kategorischen Ordnungen. Dem rechnungtragend, wird im Weiteren die Frage nach der jeweiligen Gattung einer Episode zu stellen sein, die diese konstitutiven Elemente nicht nur zueinander in Beziehung setzt, sondern sie darüber hinaus mit einer Tendenz versieht, die für das Verständnis des Inhaltes von Bedeutung ist⁴¹. Nicht von minderer Relevanz erweist sich die Notwendigkeit, jene Reden, die in den vorgestellten Episoden in Form einer Ansprache (vgl. Apg 14,15 – 17; 16,20b–22; 17,22– 32; 19,25b–27.35b–40a) oder eines ausgeführten Gedankenganges (vgl. Apg 16,19; 28,3.6) begegnen, in das Konzept einer dramatischen Episode einzuordnen. Traditionell als eigenständiges Element gewertet⁴², scheidet dieser Ansatz unter den nunmehr gedachten literarischen Vorgaben aus⁴³. Eine neuerliche Einschätzung dieser Elemente erweist sich somit als Voraussetzung für deren angemessenes Verständnis innerhalb des gedanklichen Komplexes einer dramatischen Episode.

2. Reden in der Apostelgeschichte Ausführliche Reden als Mittel der narrativen Gestaltung eines Sachzusammenhanges erfreuen sich im Kontext antiker Geschichtsschreibung großer Beliebtheit⁴⁴. Ausdruck findend in den eindringlichen Worten eines involvierten Cha-

 Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller, ; D.E. Aune, Environment, .  Dazu K. Berger, Formen,  – ; Ders., Formgeschichte,  – .  S.u.S.  ff.  Verstanden als Teil einer dramatischen Episode, die in sich abgeschlossen einen definierten Gedankengang vollzieht (s.o. Kap. , Anm. ), sind Reden notwendigerweise in diesen Kontext einzuordnen. Hier gegen E. Plümacher, Missionsreden, , der die Verwendung von Reden als eigenständiges Ausdrucksmittel von Wendepunkten betont. Ferner D.E. Aune, Environment,  – . Dieser unterscheidet zwischen einer kommentierenden Funktion und einem aktiven Handlungselement (a.a.O.). Ob Lukas sich in der Verwendungsweise von Reden ausschließlich an letzterem Vorgehen orientierte, ist nicht zuletzt mit Blick auf den von D.E. Aune vorgestellten Leitgedanken zu hinterfragen. Ebda. : „In Luke-Acts, speeches are an essential feature of the action itself, which is the spread of the word of God.“  Vgl. M. Dibelius, Reden, ; D.E. Aune, Environment, ; E. Plümacher, Missionsreden,  – ; Ders., Apostelgeschichte,  – . E. Plümacher verweist (ebda. ) beispielsweise auf Reden bei Cassius Dio, , –  und Thukydides, ,,; ,; , für eine ähnliche Verwendungsweise. In seinem Aufsatz über die Missionsreden (ebda. ) leitet er den Beweis für die vergleichbare Nutzung von Reden in der antiken Geschichtsschreibung und bei Lukas anhand von Auszügen aus Dionys von Halikarnass, Ant. Rom., ,, –  ab.

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rakters, verwendet der jeweilige Autor dieses Werkzeug zur erweiterten Darstellung von Abläufen und Zusammenhängen⁴⁵. Im Gegensatz zum klassischen Bericht, der in knappen, sachlichen Worten teils dramatische Ereignisse nüchtern wiedergibt⁴⁶, vermitteln Reden und involvierende Diskussionen zusätzlich Stimmungen und Standpunkte, die dem Leser dabei helfen, den Weg zum historischen Faktum nicht nur sachlich, sondern auch emotional nachzuvollziehen⁴⁷. Diesem Vorsatz folgend äußert Dionysios von Halikarnass in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Geschichtswerk des Thukydides das Anliegen (vgl. Ders., Ant. Rom., 7,66,3), mit Hilfe von ausführlichen Reden die Hintergründe aufzeigen zu wollen, die die Athener veranlassten, die so wörtlich „schändlichen“ (σχετλίος) Kapitulationsbedingungen der Spartaner anzuerkennen. Dabei stellt das etwaige Fehlen angemessener Redequellen, die als Vorlage hätten dienen können, kein Hindernis dar. Einen solchen Mangel kompensiert der Autor durch literarisches Geschick⁴⁸: In eigenständiger Komposition stimmt er jene Reden als erhellende Erweiterung des Blickwinkels auf das übergeordnete Ziel ab, wobei die historischen Vorgaben als sachliche Referenz dienen⁴⁹, an die sich der Autor streng hält, um den tatsächlichen Sachverhalt nicht zu verfälschen. Hieran wird deutlich, dass im Mittelpunkt dieses Vorgehens die Intention des Autors steht, die Perspektive des Lesers zu einem bestimmten historischen Thema zu erweitern⁵⁰. Dementsprechend ist im Umgang mit solchen Texten eine Herangehensweise zu wählen, die den literarischen Gehalt von Rede und rahmendem Kontext als leitende Absicht eines Erzählzusammenhanges wahrnimmt. Geleitet von diesem literarischen Maßstab, haben bei einer so abgestimmten Analyse die argumentative Einheit, stilistische Elemente und die intendierte Wirkung des untersuchten Textes im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Bei dieser Verfahrensweise, eine Rede im Kontext eines antiken Geschichtswerkes zu untersuchen, ist allerdings im Vorfeld zu beachten, in welcher Funktion der Autor die Rede in der jeweiligen Episode nutzt: Den Ausführungen des Dionysios von Halikarnass folgend, gibt es zwei mögliche Verwendungsweisen. Zunächst dienen Reden in Geschichtswerken, die in Orientierung am tragisch-pa-

 Vgl. E. Plümacher, Missionsreden,  – ; D.E. Aune, Environment, ; M. Dibelius, Reden,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. E. Plümacher, Missionsreden, ; D.E. Aune, Environment, .  E. Plümacher, Missionsreden,  verweist dabei auf Dionys von Halikarnass, Ant. Rom., ,,. Dazu K.S. Sacks, Rhetorical Approaches,  – .; Ders., Rhetoric,  – .  Vgl. M. Dibelius, Reden, ; E. Plümacher, Missionsreden, ; W.S. Kurz, Effects,  – .  Dazu J. Flebbe, Gott,  – ; M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; M. Dibelius, Reden, .

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thetischen Geschichtsschreibungsstil abgefasst wurden, als Markierung und Auszeichnung von Inhalten, die einen Höhepunkt oder einen Wendepunkt im Geschehen darstellen⁵¹. Ein weiteres Funktionsfeld jenes literarischen Mittels findet sich in der Möglichkeit, Reden im Sinne eines pointierten Kommentars von Ereignissen und Themen⁵², eingebettet in einen übergeordneten Rahmen, zu nutzen. Ausformulierte Aussagen und Gespräche sind demzufolge nicht zwangsläufig eigenständige Handlungsträger⁵³, sondern können ebenso eine themenbezogene Abhandlung und Erzählung um weitere Gedanken und Eindrücke ergänzen. Tatsächlich präsentiert Lukas eine Mehrheit der Reden im zweiten Teil seines Doppelwerkes eingeordnet in eine dramatische Episode⁵⁴ (vgl. Apg 14,16 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6). Es liegt somit nahe, sie als Reaktion oder kommentierendes Widerwort zu verstehen. Inhaltlich abgeschlossen deutet diese Verbindung aus Rede und Handlung auf eine behutsame Abstimmung der einzelnen Textelemente hin. Diese enge Verknüpfung der inhaltlichen Einzelaspekte wird am konkreten Beispiel greifbar: Sowohl in der Episode zu Lystra (Apg 14,8 – 20), wie auch in der zu Athen (Apg 17,16 – 35) konstruiert der Autor ein Setting, in dem auf ein Missverständnis eine ausführliche Rede des Paulus folgt. Vom inhaltlichen Ausgangspunkt her etwas anders gelagert, folgen die Episoden in Philippi (Apg 16,16 – 22), Ephesus (Apg 19,23 – 40) und Malta (Apg 28,1– 6) ebenfalls diesem Schema eines Konfliktes zwischen Paulus und einer Gruppe von Nichtjuden, der in einer Rede gipfelt. Unter Vorbehalt einer fallbezogenen Prüfung kommt damit eine argumentative Struktur zum Vorschein, die das Gegenüber einer narrativ beschriebenen Problemstellung und einer erläuternden Rede Merkmale einer Diskussion oder kritischen Abhandlung aufweist. Eine solche Struktur korrespondiert wiederum mit der Funktionsbeschreibung einer dramatischen Episode und der darin genannten Absicht, eine literarische Leitlinie gedanklich zu erweitern. Damit ergibt sich aber die Frage nach einer kategorischen Einordnung, die diesem

 Vgl. U. Wilckens, Missionsreden, . Ferner E. Plümacher, Missionsreden, . Ein solcher ist allerdings in keiner der im Folgenden untersuchten Episoden (vgl. Apg , – ; , – ; , – ; , – ; , – ) festzustellen.  Vgl. M. Dibelius, Reden, ; D.E. Aune, Environment, ; K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, . Siehe Diogenes Laertius, ,; Quintilian, Inst. Orat., ,,; Seneca, De Tranqu. An., ,.  Gegen D.E. Aune, Environment, . Die Notwendigkeit zu differenzieren sieht auch E. Plümacher, Missionsreden, .  Mit E. Plümacher, Schriftsteller,  – . Für einen individuellen Nachweis einzelner Episoden, siehe die entsprechenden Kapitel.

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Gefüge ein nachvollziehbares Spektrum an Orientierungspunkten und nicht zuletzt Indizien der inhaltlichen Gewichtung liefert.

3. Die Bewertung einer Argumentationsstruktur In der Episode zu Athen (Apg 17,16 – 34) erregt das Ausmaß hellenistischer Kultstätten, die das Stadtbild prägten (vgl. Apg 17,16b), den Zorn des Paulus, der daraufhin beginnt, das Evangelium auf der Agora zu predigen (Apg 17,16 – 17). Dieses hörend, fordern ihn einige Philosophen auf, seine Worte, für die sie nur Spott übrighaben (Apg 17,18), auf dem Areopag zu erklären. Die darauffolgende Rede (Apg 17,22b–31) ist demnach als erläuternde Reaktion auf den geäußerten Wunsch der Stoiker und Epikureer zu verstehen. In der Konstellation ähnlich, antwortet Paulus in Lystra (Apg 14,8 – 20) auf ein Missverständnis der Bevölkerung (Apg 14,11b), welches er ebenfalls mit Hilfe einer kurzen Erörterung (Apg 14,15 – 16) aufzulösen sucht. Zweifelsohne orientieren sich dessen Ausführungen in beiden Fällen am Evangelium⁵⁵ (vgl. Apg 14,9 – 10; 17,17– 18), welches gleichbleibend als Auslöser respektive Gegenstand der geschilderten Situation fungiert. In diesem Sinne erscheint es zunächst richtig, wenn die exegetische Literatur die Reden des Paulus innerhalb eines missionarischen Kontextes wahrnimmt⁵⁶. Als problematisch erweist sich diese Einordnung jedoch in dem Moment, in dem der Schritt von einer Beschreibung der äußeren Umstände hin zu einer schematisierenden Einordnung vollzogen wird. Verwendet als Signum einer Gattung, erhalten jene Reden einen Charakter, der zu Spannungen mit der rahmenden Episodenstruktur führt⁵⁷. Einhergehend mit der Bewertung als „Missionspredigt“, wird der Anspruch erhoben, an diesen Texten Schemata und Inhalte der frühchristlichen Missionsverkündigung ablesen zu können⁵⁸. Zu einem hermeneutischen Beispiel stilisiert, rückt die Rede soweit

 In Athen (Apg , – ) deuten die Philosophen die Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu als Verkündigung eines neuen Götterpaares. Siehe T. Knöppler, Paulus, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, . Demgegenüber beschreibt der Autor in Lystra (Apg , – ) eine Verwechslung von Barnabas und Paulus mit den Göttern Zeus und Hermes, die aus der Situation von Verkündigung und Therapie heraus entsteht (vgl. Apg ,b). Dazu J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, .; G. Schille, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ..  So unterscheidet beispielsweise R. Pesch, Apostelgeschichte ,  –  zwischen Rahmen und Rede, die nur eingeschränkt zusammenpassen.  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .

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in den Mittelpunkt der Episode, dass der narrative Rahmen in der Bedeutung marginalisiert erscheint. Eine solche Gewichtung würde sicherlich für den Deutungsversuch sprechen, die Apostelgeschichte als Anleitung zur angemessenen Verkündigung zu lesen⁵⁹. Allerdings erweist sich dieser Ansatz weder mit der Konzeption einer an den Normen des tragisch-pathetischen Geschichtsschreibungsstils orientierten Abhandlung, noch mit dem festgestellten Leitthema vereinbar. Eine beispielhafte Vorlage, die zur Nachahmung auffordert, hat in einer Erzählung, die beabsichtigt, einen definierten historischen Sachverhalt aufzuklären⁶⁰, eine nur geringe Berechtigung. Mehr noch schließt die essentielle Orientierung an einem leitenden Thema die Verwendung einer vom Kontext ungebundenen Rede aus. Die Bezeichnung als „Missionspredigt“ erweist sich ferner als verwirrend, da dieser Begriff, entgegen seiner häufigen Nutzung, keine Gattung bezeichnet, die der antiken Literatur bekannt wäre⁶¹. Inhaltliche Einwände, wie der Umstand, dass Paulus nach diesem Ansatz ein Missverständnis zum Evangelium (vgl. Apg 14,11; 17,19) mit dessen simpler Wiederholung aufzuklären sucht, erscheinen in diesem Zusammenhang sicherlich spitzfindig⁶². Dennoch zeigen sie die Notwendigkeit auf, nach einem Schema zu fragen, welches den literarischen Vorgaben und Ansprüchen gerecht wird. Darauf Bezug nehmend, ist der Versuch zu unternehmen, mit kritischem Abstand zu jenen früheren Versuchen die Form solcher Texte zu bestimmen, dieses Ziel anhand von strukturellen wie literarischen Vorgaben zu erreichen. Keine der Reden steht für sich allein, sondern nehmen stets unmittelbaren Bezug auf einen Gegenstand oder eine Situation⁶³. Diese relativ simple Struktur lässt sich auch in denjenigen Episoden nachvollziehen, in denen der Redeteil weniger ausführlich, oder in Form einer Gedankenrede gegeben ist⁶⁴. In Philippi (Apg

 Vgl. J. Zmijewski, Apostelgeschichte, . Kritisch J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Mit J. Flebbe, Gott,  – ; M. Wolter, Epochengeschichte,  – .  In dieser Form begegnet der Begriff beispielsweise bei A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; U.Wilckens, Missionsreden,  – . Siehe zur begründeten Kritik K. Berger, Gattungen,  – .  Weitere Spannungen sind beispielsweise in der Länge jener Reden oder in den vermittelten Inhalten zu sehen, die nach einem spezifischen Schema laufend, selektiv Aspekte auslassen, betonen oder dem hellenistischen Gedankengut annähern. Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; O. Wischmeyer, Gottesglaube,  – . Für eine ausführliche Berücksichtigung dieser Spannungen, siehe die jeweiligen Kapitel.  So ist es in Lystra der Versuch der Menschen, Barnabas und Paulus als Gottheiten zu opfern, der zum Auslöser der Rede wird (vgl. Apg ,a: καὶ λέγοντες·ἄνδρες, τί ταῦτα ποιεῖτε;). In Athen reagiert Paulus wiederum auf eine Aufforderung der Philosophen (vgl. Apg ,b: δυνάμεθα γνῶναι τίς ἡ καινὴ αὕτη ἡ ὑπὸ σοῦ λαλουμένη διδαχή;).  Zu diesem Stilmittel, siehe J. Vogt, Aspekte,  – .

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16,16 – 23) orientieren sich Gedanken und Verhalten der Herren einer Magd an den Folgen eines Exorzismus des Paulus (Apg 16,18b) und in Ephesus (Apg 19,23 – 40) kommentieren abwechselnd ein Silberschmied und ein Stadtschreiber die Wirkung des Evangeliums auf den Artemiskult. Auch in der Episode zu Malta (Apg 28,1– 6) scheint diese Struktur zur Anwendung zu kommen (Apg 28,4.6), indem eine Gruppe Barbaren einen Schlangenbiss bewertet, der Paulus unglücklich widerfährt. Diese Indizien sprechen vorsichtig für eine Ausrichtung besagter Erzählungen an den Gestaltungsformen der antiken Chreia⁶⁵. Neben dem üblichen Gegeneinander von These und Kommentar, der nicht selten in der Formulierung einer prägnanten Rede besteht⁶⁶, gehört diese Gattung zu den handwerklichen Mitteln, die Lukas schon im Evangelium verwendete. Dank einer relativ variablen Struktur ist die Chreia für Manipulationen offen⁶⁷ und zudem geeignet, gattungsfremde Elemente zu integrieren; ein Vorgehen, zu dem Lukas bereits im Evangelium neigte (vgl. Lk 7,1– 10; 10,25 – 37; 12,13 – 21) und das auch im Kontext der aufgeführten Texte denkbar erscheint⁶⁸ (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6). Ihr wohnt ferner ein belehrender Charakter inne⁶⁹, der parallel zur Verwendung des dramatischen Episodenstils geeignet ist, der übergeordneten Absicht des Schriftstellers Ausdruck zu verleihen. Übereinstimmung lässt sich obendrein in der hervorgehobenen Rolle der Redeteile herstellen. Einhergehend mit dem Gedanken, dass Reden in der antiken Geschichtsschreibung der eindringlichen Stellungnahme zu einem Sachverhalt dienen, steht in dieser Gattung der ausgeführte Kommentar in der Mitte der Argumentation. Zweifelsohne birgt die vorausgreifende Einschätzung eines bestimmten Gattungsschemas für eine Reihe von Texten, die bei oberflächlicher Betrachtung eine ähnliche Grundsituation und den argumentativen Ablauf teilen, die Gefahr einer unsachgemäßen Generalisierung. Dennoch erscheint dieser Schritt, der freilich der Prüfung bedarf, für die weitere Untersuchung als lohnenswertes Unterfangen.

 Dazu M. Dibelius, Formgeschichte,  – ; E. Plümacher, Apostelgeschichte,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, ; K. Berger, Gattungen,  – .  Vgl. R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, ; K. Berger, Gattungen,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – ; W.M. Wright IV., Rhetoric, .  In Apg , –  ist es die Therapie eines Gelähmten, in Philippi (Apg , – ) der Exorzismus eines Wahrsagegeistes und in Apg , –  die Immunität des Paulus, die als literarisches Element dem Leitbegriff des „Wunders“ beizuordnen sind. Allerdings handelt es sich bei dieser Bezeichnung um keine eigenständige Gattung der antiken Literatur, sondern eher um ein Stilmittel oder eine unselbstständige Gattung, wie es K. Berger, Gattungen,  beschreibt.  Vgl. K. Berger, Gattungen, ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

Es ist nicht nur die äußere Form, die sich anhand der Feststellung der jeweiligen Textgattung ablesen lässt. Diese Schemata vermitteln dank ihrer Rückbindung an eine bestimmte Absicht, die der Autor seinem Werk zu Grunde legt, einen Eindruck der argumentativen und inhaltlichen Ausrichtung der jeweiligen Erzählung. Zudem verweisen Gattungen stets auf ein definiertes Spektrum literarischer Motive und Werkzeuge, die, einmal erkannt, einen leichteren Zugang zum untersuchten Text gewähren⁷⁰. Dabei ist allerdings noch vor aller fallbezogenen Prüfung zu klären, inwiefern die unterstellte Gattung der Chreia mit denjenigen Variationen der Form der aufgezählten Episoden korrespondiert, die bereits bei einer oberflächlichen Lektüre ins Auge fallen. Zudem ist die Frage zu klären,welchen Beitrag eine Reihe so gestalteter Texte zum Konzept des Lukas leisten kann.

3.1 Formen und Varianten der antiken Chreia Im Rahmen der antiken Rhetorik beschreibt der Gattungsbegriff „Chreia“ eine literarische Konstruktion, in der eine hervorgehobene Persönlichkeit mit Hilfe eines prägnanten und häufig knappen Ausspruches oder einer Handlung eine problematisierte Situation respektive einen Sachverhalt kommentiert. Wie dieser Versuch einer Definition verdeutlicht⁷¹, handelt es sich bei dieser Gattung um eine relativ offene Struktur, die innerhalb feststehender Parameter Raum für Gestaltung und Variation lässt. Im Zentrum der Chreia steht ein Kommentar, der jedoch, anders als eine Sentenz⁷², nicht für sich, sondern kontextgebunden zu einem Gegenstand Stellung bezieht (vgl. Aphtonius, 3; Hermogenes, Progymn., 2 – 3; Macrobius, Sat., II,1,14). Neben dem belehrenden Aussagewillen, der aus dem Zusammenspiel zwischen behandeltem Thema und folgender Erläuterung entsteht⁷³, erweist sich die Zuweisung der entscheidenden Aussprüche an Personen und Stereotype, die einen eindeutigen Erkennungswert zu eigen haben, als weiteres Merkmal dieser Gattung⁷⁴. Dabei dient der Rückgriff auf assoziative Charakterbilder nicht ausschließlich der Adaption von Autorität. Der Autor nutzt

 Vgl. M. Dibelius, Formgeschichte, ; K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formgeschichte,  – .  Zu dieser Definition, siehe K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ; W.M. Wright IV., Rhetoric,  – .  Vgl. K. Berger, Formen, ; Ders., Gattungen, −.  Mit R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .; K. Berger, Gattungen,  – ; M. Dibelius, Formgeschichte, .  Vgl. Quintilian, Inst. Orat., ,,; Mk , – . Mit K. Berger, Gattungen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .

II. Formelemente der Apostelgeschichte

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dieses Mittel vielmehr zur Auszeichnung und Gewichtung von Positionen, welche den Leser parteiisch in die eine oder andere Richtung weisen soll⁷⁵. Diesen Ausführungen folgend, handelt es sich bei dieser antiken Gattung um eine beispielhafte Auseinandersetzung, die im Zusammenspiel narrativer Elemente und ausdrucksstarker Reden darauf angelegt ist, den Rezipienten von einem bevorzugten Standpunkt zu überzeugen⁷⁶. Humoristische Elemente und sogar Polemik treten wiederholt als unterstützende Ausdrucksmittel in Erscheinung und illustrieren die gedankliche Tendenz, die der jeweilige Verfasser vertritt⁷⁷ (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63). Gelegentlich greift der Autor ergänzend in die Abhandlung ein, um seiner Einschätzung Nachdruck zu verleihen (vgl. Claudius Aelianus, Var. Hist., 13,28). Mit ausschmückenden Implikationen und informativen Erweiterungen versehen, kann diese im Ansatz knapp gehaltene Abhandlung ferner den Umfang einer ausführlichen Erzählung annehmen (vgl. Philostratus, Vit. Soph., 540). Entgegen anderslautender Stimmen⁷⁸ erweist sich die tatsächliche Länge einer Chreia demzufolge nur unter Einschränkungen als belastbares Indiz für deren Feststellung. Im didaktischen Sinne handelt es sich bei der antiken Chreia lediglich um eine literarische Grundform, mit der die Lehre der Rhetorik einsetzt. Das Vorgehen antiker Progymnastmata zeigt, dass die Verbindung einer knappen Situationsbeschreibung mit einem eindrücklichen Kommentar nur die Minimalform dieser Gattung bezeichnet⁷⁹. In Reaktion auf die Anleitung jener Lehrbücher, finden sich in der antiken Literatur zahlreiche Varianten dieser Kategorie, die zwar stets dem belehrenden Kerngedanken sowie dem zu Grunde liegenden argumentativen

 In einer bekannten Chreia von Quintilian, Inst. Orat., ,, stehen sich Kaiser Augustus und ein Ritter im Dialog gegenüber,wobei schnell deutlich wird, dass nicht die Aussagenfolge, sondern die Charakterisierung der Personen für die Bewertung des Geschehens im Vordergrund steht: „Hinc eques Romanus, ad quem im spectaculis bibentem cum misisset Augustus, qui ei diceret, Ego si prandere volo, domum eo: Tu enim, inquit, non times, ne locum perdas.“ – „Thus a Roman knight was once drinking at the games, and Augustus sent him the following message, „If I want to dine, I go home.“ To which the other replied, „Yes, but you are not afraid of losing your seat.“ Trans. by H.E. Butler, Quintilian , .  Mit K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ; W.M. Wright IV., Rhetoric,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen, ; M. Dibelius, Formgeschichte, . Mit Blick auf das übergeordnete Diktum, Lukas sei ein Historiker, ist anzumerken, dass diese Mittel auch in der antiken Geschichtsschreibung ihren Platz hatten. Vgl. C.K. Rothschild, Irony,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – . Dagegen R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, . – ; W.M. Wright IV., Rhetoric, .  R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  –  verweisen auf Wege der „Manipulation“, mit deren Hilfe die Erzählung geschärft und verlängert werden kann. Ferner M. Dibelius, Formgeschichte,  – ..

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

Schema folgen, im Umfang und der Komposition jedoch eindrücklich variieren (vgl. Claudius Aelianus, Var. Hist. 13,28; Philostratus, Vit. Soph. 540). Trotz der besagten Verknüpfung des relevanten Ausspruches mit einer definierten Figur ist es demzufolge der Aussagewille des jeweiligen Verfassers, der letzten Endes Form und Ausrichtung der Chreia bestimmt⁸⁰. Dieser Sachverhalt mag an drei Beispielen⁸¹ verdeutlicht werden. Ein und denselben Ausspruch des Kynikers Diogenes aufgreifend, setzten die folgenden Chrien einen je eigenen Akzent, der die inhaltliche Essenz den Wünschen des Autors gemäß zuspitzt. Orientiert an der Fassung, die Diogenes Laertius (6,55) überliefert, nimmt Seneca (Epist. 53,8,7) eine deutliche Dramatisierung der Situation vor, um der Kernaussage größeres Gewicht zu verleihen. „[…] γελοῖον,“ ἔφη, „εἰ Μάνης μὲν χωρὶς Διογένους ζῇ, Διογένης δὲ χωρὶς Μάνου οὐ δύναται.“ „[…] lachhaft wäre es,“ sagte er, „wenn Manes ohne Diogenes leben, Diogenes es aber ohne Manes nicht kann.“ (Diogenes Laertius, 6,55) „At Diogeni servus unicus fugit nec eum reducere, cum monstraretur, tanti putavit. „Turpe est,“ inquit, „Manen sine Diogene posse vivere, Diogenen sine Mane non posse.“ Aber dem Diogenes war der einzige Sklave entflohen und er hielt es, als er ihm gezeigt wurde, nicht für wert, ihn zurückzuholen. (Seneca, De Tranqu., 8,7)

Einem anderen Verfahren folgt Claudius Aelianus, Var. Hist., 13,28, der die Situationsbeschreibung nicht nur inhaltlich ausführt, sondern die Chreia um einen narrativen Anhang, sowie einen wertenden Kommentar erweitert. „Διογένης ἡνίκα ἀπέλιπε τὴν πατρίδα, εἷς αὐτῷ τῶν οἰκετῶν ἠκολούθει ὄνομα Μάνης, ὃς οὐ φέρων τὴν μετ’ αὐτοῦ διατριβὴν ἀπέδρα. προτρεπόντων δέ τινων ζητεῖν αὐτὸν ἔφη ‘οὐκ αἰσχρὸν Μάνην μὲν μὴ δεῖσθαι Διογένους, Διογένην δὲ Μάνους; οὗτος δὲ ὁ οἰκέτης ἐς Δελφοὺς ἀλώμενος ὑπὸ κυνῶν διεσπάσθη, τῷ ὀνόματι τοῦ δεσπότου δίκας ἐκτίσας ἀνθ’ ὧν ἀπέδρα.“ Als Diogenes die Heimat verließ, folgte ihm ein Sklave mit dem Namen Manes, der dessen Lebensweise nicht ertragend floh. Als man anregte ihn zu suchen sagte er (Diogenes): „Ist es nicht schändlich, dass Manes zwar nicht Diogenes braucht, Diogenes aber Manes?“ Dieser

 Das ist die notwendige Folge aus der Festlegung einer Absicht, die hinter der Abfassung und Variation einer Chreia steht. Vgl. K. Berger, Gattungen, ; W.M. Wright IV., Rhetoric,  – . Es gibt durchaus reine Chriensammlungen, die lediglich Aussprüche berühmter Persönlichkeiten als Lehr- und Merksätze aneinanderreihen. Die erzählgebundene Verwendung dieser Gattung ist indes deutlich davon zu unterscheiden. Vgl. R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .  Hier seien die drei anschaulichen Beispiele verwendet, die R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  nutzten, um die Unterschiede und Variationsmöglichkeiten der Gattung Chreia greifbar zu machen.

II. Formelemente der Apostelgeschichte

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Sklave aber, der sich bei Delphos rumtrieb, wurde von Hunden zerissen, dem Namen des Herren Gerechtigkeit schaffend für dessen fliehen. (Claudius Aelianus, Var. Hist., 13,28)

Im Gegenüber dieser drei Muster mit den zuvor angeführten Episoden der Apostelgeschichte (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6), zeigen sich Ähnlichkeiten in Form und Gestaltung, die die eingangs formulierte These, diese Texte als Chreia zu werten, stützen mögen. Neben besagter argumentativer Grundstruktur, welche die Erzählungen teilen, erweitert Lukas seine Episoden um Kommentare (vgl. Apg 17,21), Erläuterungen (Apg 14,18; 17,32) oder auch Gegenpositionen⁸² (Apg 19,25b–27 vs. 19,35 – 40a). Erweist sich der Autor durch diese Handhabe literarischer Mittel, welche die antike Rhetorik bereitstellt, einmal mehr als hellenistischer Schriftsteller⁸³, ist auch weiterhin die Frage zu klären, wie so gestaltete Episoden in sein übergeordnetes Konzept hineinpassen.

3.2 Die Anwendungsformen der Chreia im lukanischen Doppelwerk Der Schritt, Lukas als Schriftsteller wahrzunehmen, der sich stilistisch wie handwerklich an den Regeln und Gestaltungsformen der antiken Literatur orientierte, wirkt sich eindrücklich auf die Art und Weise aus, wie Konstruktion und Komposition des Doppelwerkes aufgenommen und gedeutet werden. Weder der Umstand, dass Lukas Gattungen wie die Chreia als strukturierendes Element seiner Erzählungen verwendete, noch deren geschickte Lenkung, können unter diesem Vorzeichen überraschen. Stattdessen erscheint die Manipulation dieser Kategorie als Teil eines literarischen Repertoires, auf das der Autor des Doppelwerkes zurückgreift, um seinem thematischen Anliegen eine angemessene Form zu verleihen. Entsprechend begegnet beispielsweise die Chreia im Evangelium in der Kombination mit Elementen sogenannter Wundergeschichten, in der Gestalt einer Pronouncement Story⁸⁴, die, ausgerichtet auf ein Jesuswort, dessen kerygmatischen Charakter hervorhebt (vgl. Lk 5,17– 26; 6,6 – 11; 7,1– 10; 11,14– 26; 13,10 – 17; 14,1– 6). Auch wenn diese spezielle Variante für den Einsatz in der Apostelgeschichte wenig geeignet erscheint, konnten im vorausgegangenen Kapitel ausreichend Indizien gesammelt werden, die das grundsätzliche Verfahren zur Ausgestaltung einzelner Episoden auch für das zweite Buch ad Theophilum wahrscheinlich machen.

 R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  –  bezeichnen die Gegenüberstellung zweier Aussagen als „Doppelchreia“. Dieser Ausdruck wird an anderer Stelle wieder aufgegriffen werden. S.u. S.  ff;  ff.  Zu dieser Erkenntnis kommt nach ausführlicher Analyse E. Plümacher, Schriftsteller.  Mit M. Wolter, Lukasevangelium, ......

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

Das Zusammenwirken eines akzentuierenden Episodenstils mit einer disputierenden Gattung und der These, Lukas positioniere das Christentum in kritischer Auseinandersetzung mit den Völkern auf Seiten Israels, wirkt in dieser Konstellation als Stütze dieser Arbeitshypothese. Alle fünf Texte weisen ein ähnliches Grundschema auf ⁸⁵ (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6). Die außerordentliche Länge einiger Episoden (vgl. Apg 14,8 – 20; 17,16 – 34; 19,23 – 40) ist im Vollzug der inhaltlichen Schärfung und Ausrichtung leicht zu erklären⁸⁶ und unter diesem Blickwinkel ebenfalls ein Argument für diesen Ansatz. Gleiches gilt für Kommentare des Autors (Apg 17,21) sowie narrative Anhänge (Apg 14,18; 17,32), die als Werkzeug verdeutlichen, dass Lukas einem inhaltlichen respektive thematischen Anliegen folgt. Der Gedanke, dass der Autor des Doppelwerkes mit diesen Episoden sein Leitthema in kritischer Auseinandersetzung perspektivisch erweitern möchte⁸⁷, hebt abseits der rein formalen Analyse Nuancen und Aspekte solcher Abhandlungen hervor, die im weiteren Vorgehen von Bedeutung sind. Die humoristische Umkehrung des argumentativen Schemas von These und korrigierender Antithese⁸⁸ (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63; Johannes Sardianus, Comm. in Aphthon., 41,2– 11), könnte sich beispielsweise im Umgang mit solchen Aussagen als hilfreich erweisen, die in ihrer unreflektierten Form nur schwer mit der unterstellten Orientierung am Alten Testament vereinbar erscheinen. Der Entschluss der Barbaren auf Malta, Paulus als Gottheit zu akzeptieren (Apg 28,6), spiegelt unter dieser Prämisse weniger die belehrende Meinung des Autors, als eine gedankliche Leistung jener Menschen wieder, die Lukas zeichnet und beispielhaft hervorhebt.

 S.o. S.  ff.  Mit R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  So die Intention hinter einer dramatischen Episode, wie auch der Chreia. Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller, ; K. Berger, Gattungen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  Hinc eques Romanus, ad quem im spectaculis bibentem cum misisset Agustus, qui ei diceret, Ego si prandere volo, domum eo: Tu enim, inquit, non times, ne locum perdas (Quintilian, Inst. Orat., ,,). Thus a Roman knight was once drinking at the games, and Augustus sent him the following message, „If I want to dine, I go home.“ To which the other replied, „Yes, but you are not afraid of losing your seat.“ Übersetzung: H.E. Butler, Quintilian , . Die übliche Bindung der Chreia an eine besondere Persönlichkeit (vgl. K. Berger, Gattungen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, ), deren Kommentar den Höhepunkt und Abschluss des Textes bildet (vgl. K. Berger, Gattungen, ), ist in diesem Beispiel der flapsigen Bemerkung des Ritters gewichen. Zwar tritt Augustus als moralische Instanz auf, diese erfährt allerdings durch das Votum einer im Ansehen niedrigeren Person eine Relativierung, die zum Schmunzeln einlädt. Zum humoristischen Charakter dieser Gattung siehe M. Dibelius, Formgeschichte, ; K. Berger, Gattungen, .

II. Formelemente der Apostelgeschichte

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Ein ähnliches Argument ließe sich gegenüber der Spannung zwischen der Charaktersierung der Athener (Apg 17,21.22b) und dem Ansatz anführen, die Szene auf dem Areopag als einen freundlichen Disput zwischen Philosophen zu verstehen⁸⁹. Insgesamt zeichnen sich die Episoden, die ausführlich die Begegnung zwischen Paulus und den Völkern schildern, durch eine Vielzahl markanter Angaben über kulturelle Gegebenheiten wie auch charakterliche Eigenschaften der einzelnen Figuren aus. In Lystra erfährt der Leser von der starken Bindung der Bevölkerung an das Götterpaar Zeus und Hermes (Apg 14,11– 13). In Athen stehen Polytheismus (Apg 17,16), Neugier (Apg 17,21) und einzelne Gruppen der Philosophen (Apg 17,18) im Fokus, und in Ephesus diskutieren Devotionalienhändler (Apg 19,24) und Politiker (Apg 19,35) über den Stellenwert der Artemis. Auf formaler Ebene erfüllen diese Angaben, die sich mit Leichtigkeit noch erweitern lassen, die Anforderung einer eindeutigen personellen Zuweisung von Rollen, die die Chreia gegenüber einem Schriftsteller⁹⁰ erhebt. Inhaltlich wirft diese Beobachtung die Frage auf, in welche Richtung dieses Interesse an einer inhomogenen Gruppe von Menschen weist, die außerhalb der Haupthandlung auf Paulus und das Evangelium treffen. Einen ersten Impuls mag der Umstand bieten, dass eine Chreia im Kern eine kritische Auseinandersetzung beschreibt⁹¹. Verbunden mit einem zuweilen bissigen bis polemischen Humor, der dieser Gattung inne wohnt⁹², ließe sich eine kritische Tendenz vermuten, die Lukas gezielt gegen bestimmte Charakterbilder und die einhergehenden Ansätze und Gedankenräume anwendet. Denkt man ferner an das thematische Vorhaben, dem Leser eine begründete Empfehlung zu vermitteln, sich in der Identitätssuche an den Hoffnungen Israels und nicht am hellenistischen Weltbild zu orientieren, wäre dieses Vorgehen sicherlich ein geeignetes Mittel zur Umsetzung. Freilich lässt sich dieser Ansatz über eine fallbezogene Bewertung des jeweils konstruierten Bildes nicht-jüdischer und nichtchristlicher Menschen überprüfen, allerdings muss zuvor eine inhaltliche Positionierung des literarischen Gegengewichtes vorgenommen werden, welches den Standpunkt des Autors repräsentiert. Die naheliegenden Textelemente „Paulus“ und „Evangelium“ mögen zwar in diesem Zusammenhang eine sichere und kaum widersprochene Wahl sein. Deren inhaltliche Ausdeutung erweist sich

 Diese Szene wird gelegentlich als Anlehnung an den Prozess des Sokrates gelesen. Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A.Weiser, Apostelgeschichte , .  S.o. Kap. , Anm. .  Mit R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, ; K. Berger, Gattungen, ; M. Dibelius, Formgeschichte, .  S.o. Kap. , Anm. .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

jedoch in der wissenschaftlichen Diskussion als bemerkenswert umstritten und nicht selten davon abhängig, welches Grundthema der jeweilige Exeget für die Apostelgeschichte festlegt⁹³. Eine Klärung dieser Begriffe, die als theologische Referenz des Lukas gelten können, ist damit unerlässlich.

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte 1. Die Frage nach dem literarischen Schwerpunkt Die aufgezeigten Rahmenbedingungen eines epochengeschichtlichen Gesamtwerkes⁹⁴, in dessen Umfang der Autor ad Theophilum mit Evangelium und Apostelgeschichte einen Deutungsansatz wie auch eine Orientierungshilfe für die historisch akute Situation der Trennung von Juden und Christen als genuine Gruppe formuliert, ziehen im Vergleich mit anderen Deutungsmodellen⁹⁵ eine inhaltliche Verschiebung des literarischen Schwerpunktes⁹⁶ nach sich. Geradezu banal mag der Hinweis auf das Zusammenspiel zwischen der konstituierenden Absicht des Schriftstellers und der praktischen Ausgestaltung eines darauf basierenden Textes erscheinen. Allerdings entsteht aus der Wahrnehmung eben dieser wechselseitigen Beziehung die hier variierende Einschätzung, wie narrative Schlüsselelemente im Erzählzusammenhang des lukanischen Doppelwerkes zu deuten sind. Neben Akzenten und Rollenbildern, die der Autor in Abhängigkeit von seinem leitenden Thema gestaltet⁹⁷, ist es deren Funktionsweise innerhalb des jeweiligen Erzählkomplexes, mit der er seiner Absicht Ausdruck verleiht. Zur Verdeutlichung: Würde Lukas beispielsweise intendiert haben, ein Schreiben zu verfassen, das die Ausbreitungsgeschichte des Christentums thematisiert⁹⁸, so hätte er die die Rolle der Apostel anders gewichtet und ausgestaltet, als er es in einem historischen Roman über die Taten der Apostel (πράξεις ἀπο-

 Vgl. O. Flichy, Paul,  – .  Vgl. S. –.  Dazu Kap. , Anm. .  Vgl. O. Flichy, Paul,  – ; J. Flebbe, Gott,  – ; J. Schröter, Jesus,  – ; M. Bauspieß, Geschichte,  – .  In diesem Zusammenhang mag der Überblick von O. Flichy, Paul,  –  exemplarisch wirken, da er aufzeigt, wie sich das Paulusbild je nach evoziertem Leitthema wandelt. Zur funktionalen Nutzung des Paulus siehe ferner D. Marguerat, Paul, . – . – .  Dazu O. Wischmeyer, Gottesglaube, ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; J. Jervell, Apostelgeschichte, ; G. Schille, Apostelgeschichte,  – .

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte

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στόλων) getan hätte⁹⁹. Gleiches gilt für die Bedeutung des Evangeliums bzw. des λόγος τοῦ θεοῦ¹⁰⁰, der in einer Erzählung über die Erfolge der christlichen Mission¹⁰¹ anders zu akzentuieren wäre als in der Abstimmung auf eine hermeneutische Anleitung für frühchristliche Missionare¹⁰². Im Unterschied zu diesen inzwischen nur noch selten vertretenen Deutungsansätzen, orientiert sich die These einer epochengeschichtlichen Konzeption¹⁰³ nicht an vereinzelten narrativen Elementen oder Figuren, die zu fixieren wären, sondern an einem Thema, dem die entsprechenden Faktoren zur expliziten Ausformulierung dienen. Übertragen auf die konkreten Begriffe „Wort Gottes“, „Zeuge“ und „Apostel“, die nach wie vor eine entscheidende Rolle innerhalb der geschichtlichen wie theologischen Konstruktion des Lukas einnehmen, verändert sich deren Bedeutung dahingehend, dass sie nunmehr als Funktionsträger der Handlung respektive des Leitthemas zu verstehen sind¹⁰⁴. Der Umstand, dass der Autor diese Elemente in der narrativen Darstellung der Apostelgeschichte in einem sich wiederholenden Setting präsentiert (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6), spricht für den Gedanken, sie als konstante Bezugspunkte zu werten, denen ein definierter Bedeutungshorizont innewohnt. Diese Einschätzung ist notwendig, da der Ansatz, das Doppelwerk an einem Leitthema auszurichten, die Charakterentwicklung vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität beurteilt¹⁰⁵. Die zugespitzte Übertragung dieses Gedankens auf das Strukturelement einer dramatischen Episode¹⁰⁶ verdeutlicht zudem, dass gerade nicht das einzelne Motiv, sondern das Zusammenspiel ge-

 Vgl. H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; E. Plümacher, Monographie,  – . Mit J. Flebbe, Gott,  sei darauf hingewiesen, dass in der neueren Forschung von beiden hier gegenübergestellten Ansätzen inzwischen Abstand genommen wird und sie hier nur der Verdeutlichung des oben beschriebenen Sachverhaltes dienen.  Im Weiteren wird als Sammelbegriff für die Verkündigung des Paulus der Ausdruck des „Evangeliums“ begegnen. Dabei ist zu beachten, dass das griechische Lexem εὐαγγέλιον lediglich an zwei Stellen der Apostelgeschichte begegnet (Apg ,; ,) und im Vergleich zum weit häufigeren λόγος τοῦ θεοῦ nur eine untergeordnete Rolle besitzt. Da Lukas allerdings eine Bandbreite unterschiedlicher Worte verwendet, um diesen Sachverhalt auszudrücken, erscheint eine Verwendung von Evangelium im oben genannten Sinne angemessen. Ausführlich s.u. S.  ff.  Dieser Aspekt fällt gedanklich mit der These von der Verbreitung des Evangeliums und des christlichen Glaubens zusammen. S.o. Kap. , Anm. .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .  Beruhend auf den Überlegungen von M. Wolter, Epochengeschichte,  – . In diese Richtung ausgeführt, ferner von J. Flebbe, Gott,  – .  Vgl. R. Maddox, Purpose, . Zum Thema des Umdenkens der klassischen Rollenordnungen: O. Flichy, Paul, .  Vgl. Kap. , Anm. .  Dazu s.o.S.  ff.

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

prägter Elemente im Mittelpunkt der jeweiligen Erzählung steht. Verstärkt durch den argumentativen Ablauf, der zumindest für die im Weiteren zu untersuchenden Texte angedeutet wurde (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6), ergibt sich speziell für die angesprochenen Begriffe „Zeuge“, „Apostel“ und „λόγος τοῦ θεοῦ“ die Fragestellung, welche Aufgabe diesen Objekten in den Texten zukommt. Im Vergleich mit der eindrücklichen Akzentuierung, die Lukas im Kontext der Beschreibung paganer Settings unternimmt, wirkt die Darstellung der Hauptfigur „Paulus“ und der von ihm vertretenen Inhalte in den jeweiligen Episoden stets knapp und komprimiert. Während andere Erzählabschnitte singulär auf diese Figur (vgl. Apg 9) oder die theologische Abstimmung der Verkündigung (vgl. Apg 10; 15,1– 29) ausgerichtet sind, genügt an diesen Stellen der Vermerk über Person und Handeln, um das korrespondierende Rollenbild aktiv hervorzurufen. Allerdings präsentiert sich die exegetische Literatur in der Bestimmung konkreter Inhalte und Assoziationen, die Lukas mit Paulus verbunden wissen will, mit einer Vielzahl von Entwürfen, die unter abweichenden Gesichtspunkten verschiedene Charakterbilder dieser zentralen Figur der Apostelgeschichte implizieren¹⁰⁷. Ähnlich verhält es sich mit der Verkündigung des Wortes Gottes (λόγος τοῦ θεοῦ), dessen inhaltlicher Umfang neben begrifflichen Schwankungen von der variierenden Gewichtung hellenistischer Einflüsse abhängt¹⁰⁸. Als notwendige Reaktion auf diese unentschiedene Situation der Forschung soll im Folgenden eine grundsätzliche Anfrage an diese literarischen Kernelemente gestellt werden, die sich weniger um ein Gesamtbild, als vielmehr um die eigentliche Essenz dieser Objekte bemüht. Verstanden als gehaltvolle Bausteine, die innerhalb einer argumentativen Struktur zur erweiterten Wahrnehmung des Leitthemas beitragen, genügt die Feststellung der grundsätzlichen Funktionen, die der Autor mit der Figur des Paulus und dem λόγος τοῦ θεοῦ als Sammelbegriff der Verkündigung verbindet.

2. Die Figur des Paulus in der Apostelgeschichte Unter der Prämisse, die Aufgabe sowie die dadurch evozierte Funktion zu benennen, welche die Figur des Paulus in dem literarischen System der Apostelge-

 Vgl. D. Marguertat, Paul, . – . Ferner Kap. , Anm. .  Über die Unterscheidung zwischen der Buchüberschrift, dem eigentlichen Akt des Verkündigens und dem Sammelbegriff, der die Inhalte des Frohbotschaftens umfasst, hinaus, steht die Problematik im Raum, dass Lukas in der Begriffswahl variiert. Dazu J. Flebbe, Gott,  – .

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte

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schichte innehat¹⁰⁹, bedarf es der Betrachtung zweier Attribute, die in ihrer Bedeutung für dessen Charakterbild gleichermaßen grundlegend wie teils umstritten sind. Der Begriff des „Zeugen“ (μάρτυς), sowie die damit verbundene Wortgruppe, dient in diesem Zusammenhang als Verbindungsglied, welches die narrative Figur Paulus mit Stephanus (vgl. Apg 6,8 – 7,60) und dem sogenannten Zwölferkreis (vgl. Apg 1,22) zusammenstellt¹¹⁰.Wiederholt als Bezeichnung einer Aufgabe respektive Beauftragung verwendet (vgl. Apg 1,22; 10,42; 20,24), gilt dieser Ausdruck in der Literatur als Titel sowie Funktionsmarker dieser Figur¹¹¹. Anders verhält es sich mit dem Lexem ἀπόστολος, welches mit nur drei Belegen für Paulus (Apg 14,4.14; ferner 26,17) Anlass für eine Kontroverse darstellt. Mit Blick auf die differenzierte Verwendungsweise dieses Begriffes, mit dem Lukas nach Ostern eigentlich nur noch die Miglieder des Zwölferkreises in Jerusalem umschreibt (vgl. Apg 2.42.43; 4,33; 5,12.13.29.40; 6,6; 8,14.18; 15,6; 22,23), entstand ein anhaltender Disput zu der Frage, ob Paulus nach lukanischem Verständnis überhaupt der Gruppe der Apostel zuzurechnen sei¹¹². Ohne umfassend auf dieses weitreichende Diskussionsfeld eingehen zu wollen, scheint zurückblickend auf besagten Vorsatz eine Analyse der Prägung und Verwendungsweise dieses Begriffes zweckdienlich. Bezogen auf den Kreis der Zwölf in Jerusalem verweist die Literatur auf diejenigen Kriterien, die Petrus in Apg 1,21– 26 zum inhaltlichen Maßstab des Apostelamtes erhebt¹¹³. Eingebettet in das Szenario der Nachwahl für den ausgeschiedenen Judas (vgl. Apg 1,18 – 19), muss ein Mitglied jener Gruppe nicht nur Zeuge (Apg 1,22b) und von Gott erwählt sein (Apg 1,26), sondern auch als Begleiter Jesu an dessen irdischem Wirken partizipiert haben (Apg 1,21– 22a). Letzteres ist für die Person des Paulus zweifelsohne

 Die Diskussion um die exakte Gestalt des Paulusbildes, welches Lukas in der Apostelgeschichte konstruiert, ist weitreichend und schwer zu überschauen. Für den Versuch eines Überblicks, siehe O. Flichy, Paul,  – . Die Orientierung an einem Leitthema, wie sie in den letzten Jahren für das Doppelwerk wahrscheinlich gemacht wurde (s.o.S.  ff), verdeutlicht die Notwendigkeit des zunächst radikal wirkenden Schrittes, Funktion und Konstruktion der Erzählfiguren als ausschlaggebenden Maßstab der Bewertung zu bestimmen.Vgl. D. Marguerat, Paul,  – . Ferner a.a.O. , wobei zu ergänzen ist, dass sich die Konstruktion des Autors nicht nur auf die „secondary characters“ beschränkt.  Vgl. H. Strathmann, μάρτυς,  – ; M. Wolter, Lukasevangelium, .  Vgl. K. Haacker, Werdegang, ; F. Hahn, Apostel,  – .  Vgl. R. Hoppe, Apostelgeschichte,  – ; F. Hahn, Apostel, ; R. Maddox, Purpose,  – .  Vgl. J. Zmijewski, Apostelgeschichte,  – ; K.H. Rengstorf, ἀπόστολος,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; G. Stählin, Apostelgeschichte,  – .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

nicht gewährleistet, weshalb auszuschließen ist, dass er jenem Kreis aus zwölf Männern angehörte, die Lukas nach Ostern als Apostel benennt¹¹⁴.

2.1 Die variierende Nutzung des Apostelbegriffes im lukanischen Doppelwerk Diese enge Verwendungsweise des Substantives „ἀπόστολος“, die dem Verständnis nach der eines Amtes respektive Titels gleichkommt¹¹⁵, entspricht allerdings nicht dessen Nutzung im Evangelium. In Lk 9,49 – 50 schildert der Autor einen Streit, in dessen Verlauf Johannes beklagt, dass es nicht allein die von Jesus benannten zwölf Männer sind, die in seinem Namen böse Geister austreiben („εἴδομέν τινα ἐν τῷ ὀνόματί σου ἐκβάλλοντα δαιμόνια καὶ ἐκωλύομεν αὐτόν, ὅτι οὐκ ἀκολουθεῖ μεθ᾽ἡμῶν“). Dieser Streit um die Berechtigung, im Namen Jesu zu sprechen und zu handeln, lässt erkennen, wie offen Lukas den Apostelbegriff bzw. den Gedanken eines Apostolats im Evangelium verwendet. Während die Jünger ihre Aussendung als dauerhaftes und damit exklusives Amt verstehen wollen, verdeutlicht die Antwort Jesu, dass er mit der Aussendung einen zeitlich begrenzten, definierten Auftrag erteilt, der auf die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe abzielt¹¹⁶ (vgl. Lk 9,1– 6). Gleiches gilt für die Aussendung der 70 bzw. 72 Jünger in Lk 10,1– 12, die unabhängig davon, ob die Zwölf in diese Gruppe einbezogen waren, ebenfalls nicht in das spätere Amtsverständnis passen¹¹⁷. Die zeitliche Einschränkung, die an dem Verbot, keinerlei Proviant auf die Reise mitzunehmen (vgl. Lk 9,3), ersichtlich wird, lenkt den Blick auf den projekthaften Charakter, der einem solchen Apostolat ursprünglich innewohnte. Erst durch die Aufhebung der zeitlichen Begrenzung der Aufträge (vgl. Lk 22,35 – 37) schafft Jesus die Voraussetzungen für das Amtsverständnis des späteren Leitungsgremiums¹¹⁸, das den Sendungsauftrag während der Abwesenheit Jesu erfüllen soll (vgl. Lk 22,35 – 37). Die Jünger sind im Lukasevangelium demzufolge als Diener Jesu oder, bildlich gesprochen, als seine Werkzeuge zu verstehen (vgl. Apg 9,4– 5), die er gezielt

 Diese Figur tritt erst mit Apg , auf und wird im Folgenden deutlich als Gegner und Verfolger der Christen charakterisiert (vgl. Apg ,.; ,.).  Vgl. R. Maddox, Purpose, .; J. Zmijewski, Apostelgeschichte,  – ; J. Roloff, Kirche,  – ; F. Hahn, Apostel, ; K. Haacker, Apostelbegriff, ; J.-A. Bühner, ἀπόστολος,  – .  Dazu M. Lohmeyer, Apostelbegriff,  – .  Ausführlich bei M. Lohmeyer, Apostelbegriff,  – .  Vgl. M. Lohmeyer, Apostelbegriff,  – .

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte

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aussendet, um das Kommen des Reiches Gottes zu bezeugen (vgl. Lk, 9,1– 6; Apg 1,3 – 8). Der Umstand, dass diese Aufgaben auch Menschen wirksam verrichten, die nicht dem Zwölferkreis angehören, verdeutlicht, dass Lukas, ansetzend bei Lk 22,35 – 37, einen Übergang beschreibt¹¹⁹, dessen Ursache in Ostern und damit in der bevorstehenden Abwesenheit Jesu von seinen Jüngern begründet ist¹²⁰. Diese Umstellung folgt somit der äußeren Notwendigkeit der Schrifterfüllung und den daraus folgenden Konsequenzen. Die Autorität Jesu, Menschen zum Zweck der Verkündigung auszusenden (ἀποστέλλω), bleibt davon aber unangetastet. Dieser Sachverhalt ist zu bedenken, wenn nach der implizierten Funktion des Paulus in der Apostelgeschichte gefragt wird.

2.2 Die Funktion des Paulus Schaut man auf die zentralen Aufgaben, die Lukas mit einem Apostolat bzw. einer Beauftragung und Sendung verbindet, dann fallen vor allem Begriffe aus der Wortgruppe μαρτυρέω ins Auge (vgl. Apg 1,22; 4,22; 20,24). Inhaltlich lässt sich der dahinterstehende Begriff des „Zeugen“ mit Schlagworten wie die „Verkündigung des Reiches Gottes“ (vgl. Apg 8,12; 14,22; 19,8), die „Bekundung von Tod und Auferstehung Jesu“ (vgl. Apg 4,2.33; 17,18), die „Erfüllung von Gesetz und Propheten“ (vgl. Apg 3,18; 26,22) oder allgemein die Verkündigung des „Wortes Gottes“ (λόγος τοῦ θεοῦ) ausfüllen. Allerdings bezeichnet dieses Lexem noch etwas Stärkeres als nur das öffentliche Bekenntnis vor Publikum. Aus dem juristischen Sprachgebrauch stammend, verweist dieser Ausdruck auf ein Zeugnis, das auf nachweisbaren Fakten beruht und damit vor Gericht Anerkennung findet¹²¹. Ausgehend von dieser Konnotation definiert Lukas zwei Bedingungen, die alle benannten Zeugen Jesu, seien sie nun Apostel oder nicht, zu erfüllen haben¹²²: Am deutlichsten zu erkennen in der Gerichtsszene Apg 6,8 – 7,60, steht die Voraus-

 Eine Differenzierung unterschiedlicher Apostelmodelle nimmt auch R. Maddox, Purpose,  –  vor und gelangt zu dem Schluss, dass Paulus kein Apostel sei (a.a.O.  – ). Ferner K. Haacker, Werdegang,  Anm. .  Vgl. M. Wolter, Lukas,  – .  Vgl. H. Strathmann, μάρτυς,  – ; C. Burchard, Zeuge,  – ; M. Wolter, Lukasevangelium, . Die Nuance des Leidens, die in der Apostelgeschichte durchaus eine Rolle spielen mag, hat in der Grundbedeutung dieses Lexems keine Grundlage. Bemerkenswert scheint indes der Umstand, dass Lukas dem Begriff des μάρτυς im Kontext der Gerichtsszene Apg , – , das eindrückliche Bild des Falschzeugen (ψευδής) gegenüberstellt (vgl. Apg ,).Vgl. J. Schröter, Modell,  – . Dies mag zumindest als Indiz für diese juristische Prägung im Gebrauch der Apostelgeschichte gelten.  Mit M. Wolter, Lukasevangelium, . Ferner J. Zmijewski, Apostelgeschichte,  – .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

setzung, den Auferstandenen tatsächlich gesehen zu haben¹²³ (Apg 7,55 – 56), unmittelbar neben der expliziten Erwählung durch Jesus Christus, diesen Sachverhalt offen zu bezeugen (Apg 1,22; 7,56; 20,24). Beides trifft für Paulus zu (vgl. Apg 9,3 – 6; 15 – 16), womit er in diesem Punkt von Lukas in eine Reihe mit Stephanus und den Aposteln gestellt wird. Darüber hinaus macht der Wortlaut der Berufung des Paulus durch den erhöhten Herrn deutlich (vgl. Apg 9,1– 19), dass der Autor diese Gleichstellung für diese Figur auch auf juristischer Ebene vollzieht. Laut Apg 9,15 ist er das Werkzeug, das Gott nutzen will, um seinen Namen vor die Völker zu tragen („ὅτι σκεῦος ἐκλογῆς ἐστίν μοι οὗτος τοῦ βαστάσαι τὸ ὄνομά μου ἐνώπιον ἐθνῶν τε καὶ βασιλέων υἱῶν τε Ἰσραήλ“). Die etwas sperrige Formulierung mit dem Adverb „ἐνώπιον“ im Zentrum verweist in dieser Konstruktion nicht allein auf den missionarischen Auftrag¹²⁴. Diese Wendung betont die Zeugenschaft wie auch Stellvertretung in Jesu oder Gottes Namen, die nunmehr die Figur des Paulus als Attribut auszeichnet¹²⁵. Damit ist die Grundlage bestimmt, auf der aufbauend, der lukanische Paulus auf den Reisen handelt. Der Umstand, dass deren Routen nicht zuletzt durch den heiligen Geist aktiv bestimmt werden (vgl. Apg 13,2.4; 16,6), unterstreicht diesen Sachverhalt zusätzlich. Somit ist folgendes zur Aufgabe und Funktion des Paulus innerhalb der Apostelgeschichte festzuhalten: Als Zeuge weist ihm der Autor, in der Autorität gleich den Aposteln, die Aufgabe zu, die Faktizität der Auferstehung Jesu,wie auch die Erfüllung von Gesetz und Propheten in diesem Ereignis, glaubwürdig und recht zu bekunden. Dennoch ist Paulus nach lukanischem Verständnis kein Apostel. Zwar entspricht seine Sendung den im Evangelium aufgestellten Anfor-

 Gelegentlich wird in diesem Punkt von einer Vermischung des Zeugenbegriffes gesprochen, da Lukas hier objektiv beweisbare Wirklichkeit mit subjektiver Wahrnehmung vermische. Vgl. H. Strathmann, μάρτυς,  – . Diese Frage dürfte sich Lukas allerdings nicht gestellt haben. Er lässt seine Figuren vielmehr für etwas einstehen, was seiner Überzeugung nach historisches Faktum und entsprechend empirisch nachweisbar ist. Zu diesem Bild des Geschichtsschreibers, siehe H.-J. Goertz, Geschichte,  – .  Mit J. Schröter, Modell, ; J. Roloff, Apostelgeschichte, . Ferner G. Lohfink, Namen,  – .  In dieser Wende liegt der eigentliche Kniff des Verses. Der einstige Verfolger Saulus wird in Zukunft für den Namen Gottes einstehen.Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; G. Lohfink, Namen,  – ; K. Haacker, Werdegang,  – .. J. Schröter, Modell,  –  betont die Abhängigkeit respektive die Funktion des Werkzeuges, in der sich Paulus befindet. Verlustigt der Selbstverfügungsgewalt (vgl. Polybios, ,,; ,,) steht er gemäß dem juristischen Verständnis eines gesandten Dieners (ἀποστέλλω) als verlängerter Arm seines Herren da. Ferner zur Gleichheit zwischen dem Handeln von Paulus und dem der Apostel J. Zmijewski, Apostelgeschichte,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte

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derungen an ein Apostolat (vgl. Lk 9,1– 6; 10,1– 12), die seit Apg 1,21– 22 gültigen Voraussetzungen erfüllt er jedoch nicht. Damit tritt jedoch seine Rolle als Werkzeug im Rahmen des göttlichen Heilsplanes (vgl. Apg 9,15 – 16; 20,24) in den Vordergrund. Losgelöst von der Rückbindung an den irdischen Jesus sticht die explizit formulierte Aussonderung, als Zeuge den Namen Gottes vor den Völkern wie auch vor den Juden zu vertreten (vgl. Apg 9,15), als Leitgedanke hinter dem Konzept dieser Figur hervor. Paulus ist demzufolge in der Funktion eines glaubwürdigen Vertreters zu verstehen, der gegenüber seinen Gesprächspartnern allein den λόγος τοῦ θεοῦ respektive den Willen Gottes repräsentiert und nach Außen hin vertritt. Hinzu kommt der Aspekt der Sendung zu den Völkern (Apg 9,15; 15,1– 29), mit dem ihm nicht nur eine Richtung vorgegeben, sondern auch verdeutlicht wird, wer mit wem im Folgenden zusammentrifft: Ein Diener Gottes, der, als „Völkermissionar“ gesandt, Menschen paganer Kulturen mit dem Evangelium in Berührung bringen soll, damit sie sich gemäß Gottes Willen diesem zuwenden¹²⁶.

3. Das Evangelium als inhaltlicher Gradmesser Die hergestellte Analogie zwischen den von Paulus vertretenen Inhalten und dem Motiv des „Willen Gottes“ (vgl. Apg 4,19; 5,29) bedarf, nicht zuletzt in der Deutung eines leitenden Funktionsmarkers dieser literarischen Figur¹²⁷, der Präzisierung. In Anlehnung an die bis heute unentschiedene Diskussion über die Bewertung besonderer Nuancen, mit denen Lukas die Reden des Paulus ausstattet¹²⁸ (vgl. Apg 14,15 – 17; 17,22b–31), ergibt sich im Kontext der angeführten Gegenüberstellung die Notwendigkeit, nach der inhaltlichen Füllung dieses Gegenstandes zu fragen. Als Ausdruck der beauftragten Zeugenschaft, reflektiert dessen Essenz nicht nur die zugedachte Rolle derjenigen Figuren, die der Autor mit dessen Verkündigung verbindet. Die Benennung der gedanklichen Prägung der vertretenen und verkündeten Botschaft definiert über jenen Aspekt hinaus Grenzen, die den Spielraum für Variationen und Abweichungen von diesen Grundsätzen bestimmen. Obendrein steht die Frage im Raum, in welcher Form der Autor die Inhalte der Verkündigung mit den Figuren respektive den ausgeführten Erzählungen zusammenbringt.

 Vgl. D. Marguerat, Paul,  – ; .  S.o. S.  ff.  Die Diskussion dazu ist überaus weitreichend. S.o. Kap. , Anm. .

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

Darauf folgend ist zunächst eine grundsätzliche Unterscheidung anzubringen, die die gängigen Funktionsbegriffe „Evangelium“ bzw. „Wort Gottes“, die synonym für die „Predigt“ oder „Missionsrede“ Anwendung finden¹²⁹, von der darin gebundenen Quintessenz differenziert. Der in diesem Zusammenhang häufig genutzte Ausdruck „Evangelium“ spielt allerdings von seiner literarischen Wurzel εὐαγγέλιον her in der Apostelgeschichte nur eine untergeordnete Rolle¹³⁰. Im Kontext der beiden einzigen Belegstellen (vgl. Apg 15,7; 20,24) begegnet er nicht einmal in dem umfassenden Bedeutungsspektrum, welches häufig mit diesem Begriff assoziiert wird. Reduziert auf die wörtliche Grundbedeutung, weist der Autor mit diesem Ausdruck lediglich auf einen spezifischen Aspekt der Verkündigung hin¹³¹ („[…] ἀκοῦσαι τὰ ἔθνη τὸν λόγον τοῦ εὐαγγελίου καὶ πιστεῦσαι; ἀκοῦσαι τὰ ἔθνη τὸν λόγον τοῦ εὐαγγελίου καὶ πιστεῦσαι“). Zur gesammelten Wiedergabe der von Aposteln und Zeugen vermittelten Inhalte bevorzugt Lukas die Wendung λόγος τοῦ θεοῦ (vgl. Apg 6,7; 8,14; 11,1; 12,24; 13,7.46; 17,13; 18,11), mit der er sich gegenüber den anderen neutestamentlichen Schriften abhebt. Diese Bevorzugung gegenüber einem Begriff (λόγος τοῦ θεοῦ vs. εὐαγγέλιον), der im neutestamentlichen Zusammenhang eine gewisse inhaltliche Prägung aufweist¹³², zeigt sich bei näherer Betrachtung keineswegs als willkürlicher Akt, sondern als Adaption eines alttestamentlichen Begriffes¹³³, der eine bestimmte inhaltlichen Konnotation in den Vordergrund rückt. Auch im Kontext einer Berufung gebraucht (vgl. Jer 1,2.4– 12), verbindet sich dieses Syntagma als Ausdruck einer konkreten Sendung (vgl. Jes 1; 10; Jer 1,7; Ez 6,3) mit einer Botschaft, die in der weiteren Rezeption mit dem Schlagwort des Heilsplanes Gottes identifiziert wird¹³⁴. Diese Verknüpfung mit den Traditionen des Alten Testaments, die Lukas mit dieser Begriffswahl zu implizieren scheint, setzt ein eindrückliches Zeichen für die Ausrichtung jenes Inhaltes, den die Apostel als Botschaft bezeugen. In Beziehung gestellt zu den wiederkehrenden Redemotiven der „Auferstehung Jesu“ (vgl. Apg 4,2.33; 17,18) sowie zu dem Verweis auf den „Gott der Schöpfung“ (vgl. Gen 1,1– 2,4), der besonders im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit den  Vgl. Kap. , Anm. .  Zur Auseinandersetzung mit diesem Phänomen, siehe J. Flebbe, Gott,  – ; G. Strecker, εὐαγγέλιον, .  Vgl. J. Flebbe, Gott, ; C.-P. März, Wort Gottes,  – .  Dazu G. Friedrich, εὐαγγέλιον,  – ; R.F. O’Toole, Unity,  – .  Dabei sind die Variationen gegenüber dem Alten Testament (vgl. Sam ,; Kön ,; ,; Ps ,) leicht mit der inhaltlichen Besetzung zu erklären. Bei der Wendung λόγος τοῦ θεοῦ handelt es sich in der Essenz somit um eine Übertragung des alttestamentarischen Begriffes. Darauf verweist J.A. Fitzmyer, Acts, . Ferner J. Flebbe, Gott,  Anm. .  Vgl.W.C. van Unnik, Hintergrund, ; G. Friedrich, εὐαγγελίζομαι,  – ; J. Flebbe, Gott, .

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte

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Völkern eine Rolle zu spielen scheint¹³⁵ (vgl. Apg 14,15; 17,24– 25), wird schließlich deutlich, dass sich die christliche Verkündigung nach Lukas maßgeblich an den Hoffnungen orientiert, die das erwählte Israel mit seinem Gott verbindet¹³⁶. Allerdings muss an dieser Stelle zwischen den vom Autor ausgeführten Redeteilen (vgl. Apg 3; 7; 14,15 – 17; 17,22b–31) und dem ausdrücklichen Akt missionarischer Verkündigung differenziert werden. Die zu beobachtenden Spannungen, die aus der pauschalen Gleichsetzung von Mission und Reden resultieren¹³⁷, legen diesen Schritt nahe, machen ihn sogar notwendig. Eine Trennung zwischen diesen Aspekten des Handlungsfeldes der Apostel scheint zudem von Lukas selbst gedacht, wenn er die von ihm favorisierte Wendung λόγος τοῦ θεοῦ nicht ein einziges Mal in unmittelbarer Beziehung zu einer der sogenannten „Missionsreden“ verwendet. Stattdessen begegnet dieser Ausdruck fast ausschließlich im Kontext einer knappen Beschreibung missionarischer Tätigkeit oder als Bestätigung der Teilhabe einer Gemeinde an der vermittelten Botschaft¹³⁸ (vgl. Apg 4,4; 8,14). Eine entsprechende Markierung dieser Reden (vgl. Apg 14,15 – 17; 17,22b–31), wie sie im Sinne einer bewussten Akzentuierung durch den Autor zu erwarten wäre, ist ausdrücklich nicht zu beobachten. Diesen Sachverhalt auf eine unbestimmte Begriffswahl zurückzuführen, um generalisierend jede Form des Redens eines Apostels vor den Völkern in das strittige Schema von Mission und Predigt einzuordnen¹³⁹, erscheint verfehlt. Vielmehr spricht die Verwendung eindrücklicher Begrifflichkeiten, die im Falle des Substantives „εὐαγγέλιον“ präzisierend einzelne Themen herauszugreifen (vgl. Apg 15,7; 20,24), für einen bewussten Umgang des Autors mit entsprechenden Formalien. Allerdings greift eine strikte inhaltliche Abgrenzung der Missionsreden von dem gedanklichen Komplex des Wortes Gottes ebenfalls zu weit. So ließe sich kaum nachvollziehen, dass eine Figur wie Petrus oder Paulus, die der Autor ausdrücklich mit den Funktionen eines Zeugen und Apostels vorstellt (vgl. Apg 5,12; 9,15; 14,14), einmal in einem Modus des profanen Handelns und einmal dem eines theologischen Handelns zu denken sei. Umso weniger, als es sich, wie oben

 Zur kritischen Auseinandersetzung mit diesem Element in der Verkündigung des Paulus, siehe die entsprechenden Kapitel zu: Apg , – ; , – .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott, ; D. Peterson, Fulfillment,  – .  Zur Problematik, s.o. S.  ff.  Laut J. Flebbe, Gott,  Anm.  stechen, neben der inhaltlichen Verankerung des Wortes in den Gedanken des Alten Testaments, die Themen der Auferstehung Jesu sowie das des Schöpfergottes in der Verkündigung des λόγος τοῦ θεοῦ hervor. Beide sind außerhalb der jüdischen Heilsvorstellungen kaum zu denken. Ferner R.F. O’Toole, Unity,  – .  Auf diese Problematik weist eindringlich K. Berger, Gattungen,  –  hin.

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

festgehalten, bei den Büchern des Lukas um konzeptionell ausgerichtete Literatur handelt, die einer übergeordneten Absicht folgt¹⁴⁰. Der Umstand, dass das lukanische Doppelwerk im Kontext antiker Geschichtsschreibung ein Stück konzipierter Literatur ist, mag in besagtem Fall einen Ausweg aus dieser problematischen Situation weisen: Auf der Ebene thematischer Gestaltung und Prägung einzelner Motive und Figuren ist die inhaltliche Vereinnahmung des λόγος τοῦ θεοῦ als Richtlinie des Handelns der Apostel nicht nur naheliegend, sondern vom Autor explizit evoziert (vgl. Apg 1,22– 26; 9,15; 22,14– 21). Ausgehend von der literarischen Konstruktion, auf deren Ebene Lukas Textelemente eindeutig und erkennbar bezeichnet¹⁴¹, wäre dementsprechend eine differenzierende Bewertung zwischen der Verkündigung im formalen Sinne (vgl. Apg 14,7– 8; 17,17; 19,8 – 10.26) und anderen Ausdrucksformen zu vollziehen, die inhaltlich durchaus mit diesem Diktum zusammenstehen¹⁴². Am Beispiel der längeren Episode vom Aufenthalt des Paulus in Athen (Apg 17,16 – 35), garantiert dieser Schritt die Sicherheit, dass der Apostel natürlich auf der Grundlage des λόγος τοῦ θεοῦ handelt und agiert. Die ausführliche Rede, mit der er die Aussagen und Anfragen der griechischen Philosophen kommentiert, müsste, diesem Gedankengang folgend, allerdings in ihrem konzeptionellen Zusammenhang geprüft, eingeordnet und darauf aufbauend ausgelegt werden. Ein Arbeitsgrundsatz, der sich von einem solchen Vorgehen ableitet, scheint geeignet, um der gewandelten Betrachtungsweise des lukanischen Doppelwerkes gerecht zu werden.

 Es geht demnach nicht um die romanhafte Darstellung einzelner Personen, sondern um die Vermittlung einer leitenden Absicht. Entsprechend ist von einer zielgerichteten Nutzung der Charaktere auszugehen, die dazu dient, das Thema angemessen zur Geltung zu bringen. Dies ist freilich in den einzelnen Kapiteln der zu untersuchenden Episoden einzeln auszuführen. S.o.S.  f;  ff.  Dieses Verhalten lässt sich nicht nur im Zusammenhang mit der Wendung λόγος τοῦ θεοῦ beobachten. Auch in Bezug auf Personen, Gottheiten oder bedeutsame Charakteristika sind genaue Bezeichnungen, bis hin zur Wahl spezifischen Lokalkolorits, zu erkennen.Vgl. Apg ,.; ,b; ,b..; ,.a; ,.  Entsprechend wird beispielsweise zwischen Reden und Kommentaren zu differenzieren sein. Da diese Elemente selten unabhängig vom literarischen Umfeld stehen, stellt sich im weiteren Verlauf der Arbeit ferner die Aufgabe, neben der Funktion auch die dahinterstehende Gattung des jeweiligen Textabschnittes zu berücksichtigen.

III. Inhaltliche wie motivische Schwerpunkte der Apostelgeschichte

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4. Reden und Handeln nach dem Willen Gottes und die Folgen für die Auseinandersetzung mit den Völkern Mit dieser Einschätzung ist ein Bogen zwischen den sogenannten Missionsreden und der anfangs vermerkten Rückbindung des lukanischen Verständnisses des λόγος τοῦ θεοῦ an die Hoffnungen des Alten Testaments gezogen. Verstanden als Sammelbegriff aller Inhalte, an denen sich Zeugen wie Apostel in Bezug auf ihr Reden und Handeln orientieren¹⁴³ (vgl. Apg 4,19; 5,29), ist damit ein Prinzip festgelegt, welches unabhängig von einer literarischen Vorentscheidung¹⁴⁴, die Handlungen einer bestimmten Gruppe von Figuren regelhaft einem eindeutigen Spektrum von Themen und Standpunkten zuordnet. Die Wendung λόγος τοῦ θεοῦ als Anstoß für das Handeln von Petrus, Johannes und den anderen Zeugen und Aposteln, klassifiziert diesen Personenkreis nicht nur als Diener des Gottes Israels, sondern bestimmt darüber hinaus die Heilshoffnungen und Zusagen des Alten Testaments als gedankliche Grundlage für deren gesamtes Auftreten¹⁴⁵. Neben der Möglichkeit, eine der wichtigsten Personengruppen der Apostelgeschichte einem definierten Milieu beizuordnen, eröffnet dieses differenzierende Vorgehen den Freiraum, gemäß der literarischen Vorbestimmung alte Grundsätze aufzubrechen und den Text unvoreingenommen zu verhandeln. Als gesichert mag an dieser Stelle der Grundsatz gelten, dass Reden, Therapien, Exorzismen und alle anderen Tätigkeiten der Apostel auf dem Boden der alttestamentlichen Hoffnungen Gestalt annehmen. Allerdings ergibt sich daraus keineswegs die Notwendigkeit, jede Aktivität des Paulus, der in den noch zu besprechenden Texten die Rolle des Vertreters des Willens Gottes maßgeblich übernimmt (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 35; 19,23 – 40; 28,1– 6), unter dem Gesichtspunkt der problematischen Kategorien „Predigt“ und „Mission“ zu betrachten¹⁴⁶. Im Gegenteil entsteht nunmehr die Forderung, die inhaltlich festgelegte Position innerhalb eines großflächig angelegten literarischen Konzeptes wahrzunehmen, welches im

 Die Tätigkeit beschränkt sich nicht auf die Wortverkündigung, sondern auch auf das Wirken von Zeichen und Wundern. Siehe K. Berger, Gattungen, .; G. Theißen, Wundergeschichten, ; J. Zmijewski, Apostelgeschichte, .  So verhält es sich mit der Bezeichnung einer Rede als Predigt oder Missionsrede. Zu dieser Kritik K. Berger, Gattungen,  – .  Diese Einschätzung teilt auch J. Flebbe, Gott, ..  S.o. Anm. . Unter Hinweis auf das Stilmittel der Wiederholung merken einige Autoren an, dass die kerygmatische Botschaft der Reden im Kontext der Identitätsfindung stets die gleiche ist. Vgl. E. Plümacher, Missionsreden, ; M.L. Soards, Speeches, . Auch wenn das durchaus stimmen mag, so stellt sich doch die Frage, ob dieser grundsätzliche Inhalt automatisch den Aussagewillen der gesamten Episode wiedergibt.

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2. Die Apostelgeschichte im Kontext der antiken Literatur

einzelnen Fall verschiedene Formen der Darstellung und Argumentation annehmen kann. Schließlich spiegelt diese Einordnung von Funktion und Inhalt des Evangeliums die eingangs angeführte Kritik an den traditionellen Deutungsansätzen der Apostelgeschichte wider¹⁴⁷. Das deutliche Votum für die ideologische Anbindung an die Hoffnungen des Alten Testaments¹⁴⁸, die mit der Überzeugung des Autors einhergeht, auch in der Situation einer Epochenwende ein Teil des Volkes Israel zu sein, scheint zwangsläufig den Spielraum jener Bewegung zu verengen, die als „Öffnung zu den Heiden“ bezeichnet wird¹⁴⁹. Somit ist zu fragen, wie sich ein eindeutiges Bekenntnis zu Gesetz und Propheten sowie die Unterordnung unter den Willen des Gottes Israels (vgl. Apg 4,19; 5,29) im Übergang in den hellenistischen Kulturraum ausdrückt? Wie positioniert Lukas in diesem Spannungsfeld seinen Paulus gegenüber den Ideologien außerjüdischer Weltbilder¹⁵⁰? Und wie gelingt es dem Autor seiner Leserschaft aus der Schilderung solcher Begegnungen eine Handlungs- und Lebensperspektive zu eröffnen? Alles Fragen, die in den folgendne Kapiteln an einzelnen Texten der Apostelgeschichte konkret untersucht werden sollen.

 Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott, .  Zu diesem Gedanken, siehe O. Wischmeyer, Gottesglaube,  – .  Dieses Thema wird in der weiteren Betrachtung wiederholt begegnen und aufgenommen werden. Überblickend können in diesem Zusammenhang die Diskussionen um die Bewertung von Traditionsgut in den pointierten Aussagen über Paulus in Apg , – , die Inhalte der Rede in Athen (Apg , b–) oder die Bezeichnung des Paulus als Gott (Apg ,b) genannt werden.

3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20) I. Form und Ausrichtung der Erzählung 1. Apg 14,8 – 20 im Kontext des dramatischen Episodenstils Im Umfeld der eher knapp gehaltenen Abfassungsform der ersten Missionsreise (Apg 13,1– 14,28) tritt die eingebundene Erzählung über den Aufenthalt von Barnabas und Paulus in Lystra (Apg 14,8 – 20) dank ihrer farbenfrohen Gestaltung und Länge aus dem literarischen Kontext hervor. Allerdings ist dieser Abschnitt keineswegs als ausschmückende Anmerkung zu verstehen, mit der der Autor seinen Erzählfaden bildreich auszugestalten suchte¹. Stattdessen handelt es sich um einen thematischen Einschub, den Lukas unter Berücksichtigung des größeren thematischen Zusammenhanges (vgl. Apg 14,6b) in den übergeordneten Erzählrahmen einfügt. Das literarische Phänomen der Hervorhebung eines einzelnen Abschnittes innerhalb eines längeren Erzählfadens, in neuerer Zeit als „dramatische Episode“² bezeichnet, findet in der antiken Literatur und nicht zuletzt bei Lukas breite Anwendung (vgl. Apg 16,16 – 40; 17,16 – 33; 19,23 – 40; Livius 34,34; Diodorus Siculus, Bib. Hist., 17,26). Qua definitionem handelt es sich bei entsprechenden Texten um „thematisch geschlossene, aus dem Zusammenhang hervorgehobene Einzelerzählungen, die aufgrund der mangelnden Verbindung mit dem Kontext aus sich selbst heraus völlig verständlich sind“³. Dementsprechend eröffnet dieses Stilmittel dem Autor die Möglichkeit, abseits des Verlaufsschemas der Haupthandlung Themen und Thesen anzusprechen, die den leitenden Gedankengang perspektivisch erweitern oder ergänzen⁴. Es genügt demzufolge nicht, eine so gestaltete Episode auf den Versuch des Autors zu reduzieren, mit einer „Geschichte in der Geschichte“⁵ der nüchtern gehaltenen Rahmenhandlung nunmehr farbenfrohe Konturen verleihen zu wollen. Vielmehr ist es geboten, das eigentliche Thema jener Episode zu ergründen und die weiteren Zusammenhänge des Textes aufzudecken. Dieses Anliegen setzt freilich die Betrachtung und Einordnung der strukturellen wie inhaltlichen Elemente voraus, die Lukas nutzt, um dem Leser nicht nur den Sachverhalt vor Augen zu führen,

    

Gegen E. Haenchen, Apostelgeschichte, . E. Plümacher, Schriftsteller,  – . Ebda. . A.a.O. E. Haenchen, Apostelgeschichte, .

DOI 10.1515/9783110458039-003

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

sondern zudem eine Werbung für den eigenen Blickwinkel auf dieses Thema zu etablieren⁶.

2. Abgrenzung und Zusammenhänge der dramatischen Episode (Apg 14,8 – 20) Die äußeren Trennungslinien der Lystraepisode sind schnell ausgemacht. Kurze Erwähnung fand bereits der stilistische Unterschied, der zwischen dem rahmenden Bericht der ersten Missionsreise und Apg 14,8 – 20 gegeben ist. Während der Autor den übergeordneten Erzählzusammenhang in einer Sprache abfasst, die der antiken Reiseliteratur nahe steht⁷, wird die eingesetzte Episode mit ihren anschaulichen Detailbeschreibungen sowie dem eindrücklichen Redeteil vom literarischen Umfeld abgehoben. Der Umstand, dass die in Apg 14,6 formulierten Angaben über die Reiseroute von Paulus und Barnabas erst in Apg 14,20b ihren stilistischen Anknüpfungspunkt erhalten⁸, bringt diese Diskrepanz, die Apg 14,8 – 20 als eigenständige Episode charakterisiert, noch deutlicher zum Vorschein. Im Sinne einer konstitutiven Voraussetzung verstanden, untermauert die unterbrochene zeitliche Straffung des Reiseberichtes⁹ den Eindruck einer strikten Trennung zwischen Rahmen und Episode. Erst mit der Reduzierung des Erzähltempos wird die Konstruktion einer so anschaulichen wie ausführlichen Erzählung möglich, deren narrativer Umfang beinahe dem der restlichen Missionsreise entspricht. Ferner verweisen Einführung und Charakterisierung eines neuen Protagonisten (τὶς ἀνήρ) sowie die explizite Ortsnennung (Λύστρα) in Apg 14,8a auf einen thematischen Neuansatz (vgl. Apg 10,1; 11,1; 13,1; 16,14; 18,1). Beendet durch den Hinweis auf die Abreise der beiden Hauptfiguren nach Derbe (Apg 14,20b), schließt der Autor die Episode ab und setzt den Reisebericht an derjenigen Stelle fort, an der er ihn vormalig unterbrochen hatte (vgl. Apg 14,6b).

 Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – .; K. Witte, Form, .  Vgl. C. Breytenbach, Paulus,  – . Unabhängig von der möglichen Quellenlage und den damit verbundenen Überlegungen über die zeitliche Verortung der ersten Missionsreise, sind die formalen Merkmale der Gattung „Itinerar“ gegeben. Siehe K. Berger, Gattungen,  – ; J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – ; E. Haenchen, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , . Eines der entscheidenden Merkmale dieser literarischen Gattung ist deren berichtartige Erzählweise, die sich auf das Notwendige beschränkt und größere zeitliche wie geographische Abschnitte häufig in Form einer Liste präsentiert.  Dazu E. Plümacher, Schriftsteller,  Anm. ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – . In diesem Abschnitt erscheinen Erzählzeit und erzählte Zeit nicht im Einklang zu sein. Während der Reisebericht eine längere Periode in einer kurzen Abfolge formuliert, tritt das einzelne Ereignis in Lystra wegen der ausführlichen Schilderung aus dieser zeitlichen Raffung hervor.

I. Form und Ausrichtung der Erzählung

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Ein erster Blick auf den narrativen Ablauf des so abgegrenzten Erzählabschnittes leitet schließlich dazu an, eine weitere vorsichtige Unterscheidung zu bedenken. Ähnlich den festgestellten Einleitungsmotiven in Apg 14,8a, bieten Ankunft und Auftreten einer Gruppe von Juden (vgl. Apg 14,19a) Anlass, Apg 14,19 – 20 von der restlichen Erzählung abzusetzen. Unterstrichen wird diese Beobachtung durch den konstruierten zeitlichen wie thematischen Abstand, der zwischen dem ersten Auftreten von Barnabas und Paulus in Lystra und der Steinigung des Paulus durch eine aufgewiegelte Menge (Apg 14,19 – 20), besteht¹⁰. Die große Entfernung, die die nunmehr handelnden Juden überwinden mussten, um aus ihren Heimatorten Antiochia und Ikonion nach Lystra zu gelangen¹¹, macht eine unmittelbare Abfolge jener Ereignisse unwahrscheinlich. Zudem scheint neben dem Handlungsort keinerlei innerer Bezug zwischen Apg 14,8 – 18 und Apg 14,19 – 20 gegeben. Unter diesem Vorzeichen ist der Gedanke, Lukas habe hier zwei einstmals eigenständige Erzählungen miteinander verbunden¹², durchaus berechtigt. Gegenüber der angesprochenen Absicht des dramatischen Episodenstils, die Haupthandlung um je einen eigenen Blickwinkel zu erweitern, erscheint es ratsam, die Abschnitte zunächst getrennt voneinander zu behandeln. Deren enge Verknüpfung zu einem gemeinsamen Reiseabschnitt, der inhaltlich wie strukturell aus dem rahmenden Kontext heraussticht, wirft allerdings die Frage auf, in welcher Relation Lukas diese beiden Abschnitte dachte.

 Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – .  Auf diesem Umstand verweist u. a. C.K. Barrett, Acts ,  hin. Mit dem expliziten Rückbezug auf die beiden vorherigen Stationen der Missionsreise (Iconium und Antiochia, ca. ~ km von Lystra entfernt), scheint Lukas die Situation einer Verfolgung etablieren zu wollen. Damit ist allerdings eine zeitliche Absetzung zwischen dem ersten Auftreten von Paulus und Barnabas in Lystra und der Ankunft der Gegner vorausgesetzt.  Dieses Bild begegnet wiederholt in der neueren Literatur, die von der Darstellung eines Missionsschemas und einer separaten Pauluserzählung spricht. Der Schwerpunkt entsprechender Untersuchungen liegt zumeist auf der quellenkritischen Bewertung. Die auf diesem Wege rekonstruierten Vorlagen des Autors geben – in einer lukanischen Variation – das Thema des jeweiligen Abschnittes vor. Dazu E. Plümacher, Schriftsteller, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , , E. Haenchen, Apostelgeschichte, . M. E. ist dieses Vorgehen problematisch, da der vermuteten Quelle mehr Aussagekraft zugesprochen wird, als der vorliegenden Form, die der Autor selbst dem Text gegeben hat.

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

3. Die Bestimmung von Form und Ausrichtung der Episode Apg 14,8 – 18 Im ersten Abschnitt der Lystraepisode sind mit der Heilung eines Gelähmten (Apg 14,8 – 14) und der kurzen, gemeinhin als „Predigt“ bezeichneten Rede¹³ (Apg 14,15 – 17) zwei Themenschwerpunkte gegeben, die zueinander in Beziehung zu setzen sind. Eingeleitet durch einen narrativen Abschnitt, der auf Grund inhaltlicher wie motivischer Kriterien als „Therapie“ (Apg 14,8 – 14) zu bewerten ist¹⁴, wird eine kurze Rede des Paulus (Apg 14,15 – 17) präsentiert, die auf die vormalig geschilderte Handlung Bezug nimmt. Abgeschlossen wird der Erzählzusammenhang durch einen Einwurf des Autors (vgl. Apg 14,18), mit dem er die Ereignisse resümierend kommentiert. Dieser Ablauf lässt sich wiederum gut mit der Gattungsbezeichnung einer Chreia verbinden¹⁵; einer Erzählform, in der eine hervorgehobene Person zu einem ausgeführten Problem Stellung bezieht. Während ein abschließender Ausspruch zumeist den Höhepunkt einer so konzipierten Abhandlung bildet¹⁶, kann die Schilderung des Gegenstandes variable Formen¹⁷ annehmen. Neben der direkt gestellten Frage¹⁸ ist es häufig die eindrückliche Erzählung eines Ereignisses, das als Auslöser für die wegweisende Rede in Frage kommt¹⁹. Diesem Urteil entsprechend, kommt der Therapie eine untergeordnete Funktion zu, die in Abhängigkeit von der Chreia zu verstehen ist. Diese Einschätzung korrespondiert mit dem Eindruck K. Bergers, Heilungserzählungen, ebenso wie Exorzismen oder Normwunder als „unselbstständige Gattungen“ zu verstehen²⁰. „Wunder“ werden demzufolge als vermittelndes Stilelement für einen

 Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; E. Haenchen, Apostelgeschichte, . In Anbetracht der formkritischen Auseinandersetzung mit dem Text erscheint es angebracht, auf die Problematik des als Gattungsbegriffs genutzten Ausdruckes „Predigt“ hinzuweisen. Primär handelt es sich bei Texten, die so bezeichnet werden, um Redeformen, die ein religiöses Thema vermitteln sollen. Diese offene Definition, mit der diese Einordnung genutzt wird, suggeriert an Hand der Verbindung narrativer Motive und dem vorgegebenen Milieu eine thematische Ausrichtung des Textes, die sich nicht zwingend mit den Vorgaben der literarischen Struktur und den inhaltlichen Zusammenhängen komplementär verhält. Dazu M. Nicol, Predigt, ; K. Berger, Gattungen,  – .  G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .  Vgl. R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – ; K. Berger, Gattungen,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen, .  Ebda. .  Ebda. .

I. Form und Ausrichtung der Erzählung

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bestimmten Sachverhalt oder Gegenstand genutzt, der durch den „epideiktischen Charakter“ dieses rethorischen Werkzeuges²¹ pointiert hervorgehoben wird. Im Evangelium nutzt Lukas dieses Stilmittel wiederholt in Verbindung mit Varianten der antiken Chreia, um einem Ausspruch Jesu außerordentliche Ausdruckskraft zu verleihen (vgl. Lk 7,1– 10; 13,10 – 21). Eine ähnliche Konstruktionsweise nunmehr für einen Text der Apostelgeschichte anzunehmen, trägt somit nicht nur den vorgefundenen literarischen und motivischen Indizien Rechnung. Diese Einschätzung beruft sich auf die Kontinuität der für den Autor des Doppelwerkes bekannten literarischen Vorgehensweise²². Zugespitzt durch die Verwendung des dramatischen Episodenstils, der in sich auf die fokussierte Behandlung eines Themas verweist, zeichnet sich in der Verbindung mit dieser Gattungsbestimmung das Bild einer Diskussion ab, deren gedankliche Linien zwischen den Folgen einer Therapie und einer Rede des Paulus verlaufen. Im Zusammenhang mit diesem Gedanken, der den Diskussionsverlauf zwischen Therapie und Rede als markanten Schwerpunkt der Episode bestimmt, erweist sich der kommentierende Eingriff des Autors am Ende der Erzählung (Apg 14,18) von konzeptioneller Bedeutung. Ein Nachsatz, der in Konkurrenz zur sinnstiftenden Aussage des hervorgehobenen Redners steht, ist in der sonst relativ offenen Gestaltungsform der Chreia ungewöhnlich und beeinflusst deren Ausrichtung erheblich²³. Die Intention dieser Gattung besteht in der Vermittlung einer bestimmten Meinung, die der Leser nicht nur wahrnehmen, sondern als richtig anerkennen und adaptieren soll²⁴. Dieses Ziel wird in aller Regel mit Hilfe eines kurzen und prägnanten Ausspruches vermittelt, der unter Berufung auf die Autorität des Redners und im konkreten Bezug auf eine Problemstellung einen lehrhaften Charakter erhält²⁵. Dieser Ablauf ist durch besagten Nachsatz des Autors (Apg 14,18) in zweifacher Weise unterminiert. Indem er auktorial in den Text eingreift, wird dem Helden die Deutungshoheit über das Geschehen entzogen. Darüber hinaus suggeriert der Hinweis auf den geringen Erfolg der Rede („καὶ ταῦτα λέγοντες μόλις κατέπαυσαν

 A.a.O.  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, .  Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – . Demnach nutzt Lukas mit diesem Vorgehen jenen Spielraum aus, den die hellenistische Rhetorik dieser Gattung beimisst.  Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, . Darauf Bezug nehmend, formuliert K. Berger, Hellenistische Gattung,  folgende charakterisierende Leitfragen dieser Gattung: . „Was ist…?“ . „Was am meisten…?“ und . „Was soll man tun oder lassen?“.  Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ; K. Berger, Gattungen,  – .

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

τοὺς ὄχλους τοῦ μὴ θύειν αὐτοῖς“), dass Paulus mit seinen Aussagen nicht überzeugen konnte. Eine ironische Stellungnahme, mit der der Autor den Ansatz des Paulus zu kritisieren suchte, mag zwar als Mechanik der antiken Chreia grundsätzlich denkbar sein²⁶, ist in Anbetracht der außerordentlichen Stellung dieser Figur in der Apostelgeschichte jedoch unwahrscheinlich. Stattdessen liegt es nahe, das behandelte Problem und damit die Frage nach dem thematischen Schwerpunkt in den Blick zu nehmen, um jenen Eingriff zu erklären. Die anfangs angesprochene Eigenschaft der dramatischen Episode, Themen und Thesen einzuführen, die in diesem Rahmen grundsätzlich wie auch erschöpfend behandelt werden, ist in diesem Kontext richtungweisend. Der Autor verschiebt den gedanklichen Höhepunkt der Konstruktion auf einen Kommentar (Apg 14,18), der nicht nur zur eingeführten Problematik, sondern zum Auskommen der gesamten Szene Stellung bezieht (Claudius Aelianus, Var. Hist., 13,28). Dementsprechend sind Therapie und Rede im Sinne eines gemeinsamen Settings als zusammenhängendes Thema der dramatischen Episode zu werten, das im Abschluss vom Autor perspektivisch kommentiert wird.

4. Die Motive einer Therapie Damit ist auf die Therapie (Apg 14,8 – 14) einzugehen, die als narrativer Vorbau den thematischen Rahmen konstruiert, auf den die nachfolgende Rede des Paulus (Apg 14,15 – 17) Bezug nimmt. Formal, d. h. in den Gliederungselementen Einleitung, Exposition, Hauptteil und Schluss vergleichbar mit anderen Heilungserzählungen des lukanischen Doppelwerkes²⁷ (Lk 5,12– 16.17– 26; 6,6 – 11; Apg 3,6), weicht die hier präsentierte Geschichte in der Zusammenstellung notwendiger Motive signifikant vom paradigmatischen Aufbau verwandter Texte ab. Freilich sind, wie G. Theißen anmerkt²⁸, die identifizierbaren Motive, aus denen sich Therapien, Exorzismen, u. a. nahestehende Erzählformen zusammensetzen, in sich variabel. Dennoch bestehen gewisse Konventionen in Reihenfolge und innerer Abhängigkeit, die immer wieder in entsprechenden Texten des Neuen Testaments zu beobachten sind und von regelhafter Bedeutung sein mögen.

 Siehe Diogenes Laertius, ,; ,; Philostratus, Vit. Soph., ; Claudius Aelianus, Var. Hist., ,. Zur Verwendung von Humor und Ironie in der antiken Chreia und ihren Varianten, siehe K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formen, . Ferner S.o. S.  ff.  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; E. Plümacher, Schriftsteller, ; G. Theißen, Wundergeschichten, .  G. Theißen, Wundergeschichten, .

I. Form und Ausrichtung der Erzählung

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Ein solcher Sachverhalt ist im Ablauf der Einleitung (hier: Apg 14,8a) neutestamentlicher Therapien zu beobachten²⁹, in der zunächst der sogenannte Wundertäter, gefolgt vom Hilfsbedürftigen und einer beobachtenden Menge, auftritt. Diesem Abschnitt kommt neben der szenischen Abgrenzung von der vorangegangenen Erzählung die Aufgabe zu, den jeweiligen Protagonisten eine Rolle und damit eine definierte Aufgabe und Stellung innerhalb der Geschichte zuzuweisen³⁰. Das im Blick, ist es bemerkenswert, dass der Autor darauf verzichtet, Barnabas und Paulus als Wundertäter und damit als Hauptakteure der Erzählung einzuführen³¹. Stattdessen wird die Heilungserzählung mit einem Hinweis auf die Situation des Hilfsbedürftigen³² („[…] τις ἀνὴρ ἀδύνατος“) begonnen, der mit der zugeordneten Angabe über den Handlungsort des Geschehens (Λύστρα) motivisch den Bruch zur vorausgegangenen Reiseerzählung signalisiert³³. Erstaunlich ist zudem, dass die Einwohner von Lystra als anwesende Menge³⁴ (ὄχλος) zu keinem Zeitpunkt vorgestellt werden (vgl. Mk 2,1– 2; 5,21; Lk 8,40; 9,37), obwohl erst aus ihrem Urteil und dem daraus resultierenden Verhalten (Apg 14,11– 13) heraus die Notwendigkeit für eine Intervention durch Barnabas und Paulus (Apg 14,14– 17) entsteht. Die bereits mit Apg 14,8b beginnende Exposition (Apg 14,8b–9) folgt zunächst dem erwarteten motivischen Ablauf einer Therapie und beschreibt anfänglich dramatisierend das Leiden des Hilfsbedürftigen³⁵. Mit diesem Schritt ist sichergestellt, dass die beobachtende Menge den Heilungsvorgang nicht als einen natürlichen bzw. medizinischen Sachverhalt, sondern als außergewöhnliches Er-

 Als Orientierung dienen im Folgenden die Ausführungen und Motivanalysen von G. Theißen, Wundergeschichten. Hier Ebda.  – .  A.a.O.  – .  A.a.O. . Ein Auftreten von Barnabas und Paulus, wie es für die Einleitung einer Wundergeschichte (Apg ,) zu erwarten wäre, bleibt aus. Stattdessen führt der Autor den Wundertäter erst im Hauptteil (Apg ,) in das Geschehen ein.  Sicherlich gibt es unterschiedliche Varianten der Darstellung, wie Wundertäter und Hilfsbedürftiger zusammentreffen (vgl. Mk ,; Mk ,; Mk ,), allerdings geht dem immer die Ankunft von ersterem voraus. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Bereits in dieser Verbindung weicht Lukas von der Norm entsprechender Erzählungen ab.Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, . Grundsätzlich beginnen entsprechende Geschichten mit der Ankunft des Wundertäters an einem bestimmten Ort, was zumeist in der Wendung „ἔρχομαι εἰς“ Ausdruck findet (a.a.O.). Dieser feste Ablauf stellt in der Einleitung sicher, dass der Heiler, Exorzist oder Retter als die ausschlaggebende Persönlichkeit der jeweiligen Geschichte wahrgenommen wird. Möglicherweise ist dieser Gegebenheit die bemerkenswert umfangreiche Erweiterung geschuldet, die D, h, w, vgs, (mae) und zudem E vornehmen. In dem Fall würde es sich um den Versuch handeln, das übliche Einleitungsschema einer Therapie wiederherzustellen.  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Ebda.  – .

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

eignis wahrnimmt³⁶. Entsprechend betont Lukas nach der allgemeinen Feststellung über den Zustand des Mannes (ἀδύνατος), dass dieser nur auf seinen Füßen sitzen konnte („τοῖς ποσὶν ἐκάθητο“); ein Zustand, der ihn von Geburt an beeinträchtigte („χωλὸς ἐκ κοιλίας μητρὸς αὐτου“). Auf die Betonung der Aussichtslosigkeit des Leidens folgen die notwendigen Motive der „Glaubensbekundung“ und „Bitte um Rettung“³⁷. Zumeist in Form eines lauten Ausrufs vermittelt, signalisiert der Hilfsbedürftige dem Wundertäter seinen Glauben an Gott respektive Jesus (vgl. Mk 1,40; 5,23; Lk 5,5; 18,35) sowie die begleitende Hoffnung, gerettet bzw. geheilt zu werden³⁸. Anstelle dieser beiden Motive fügt Lukas allerdings eine Art Gedankenbericht³⁹ (Apg 14,9b) ein, der die Erzählung in zwei Wahrnehmungsebenen aufteilt. Nur für den Leser sichtbar, erfüllt dieses Erzählmittel die Aufgabe der unausgeführten Motive umfassend, und verdeutlicht an Hand der Wendung „πίστις τοῦ σωθῆναι“ den untrennbaren Zusammenhang von Glaube und Rettung⁴⁰ (vgl. Lk 5,20; 7,9; 8,48; 18,42; Apg 3,12.16).“ Diesen im Stillen stattfindenden Vorgang („ὃς [Παῦλος] ἀτενίσας αὐτῷ“) können die Einwohner von Lystra nicht nachvollziehen, da ihre Wahrnehmung auf die subjektive Beobachtung des Geschehens beschränkt ist. Im Kontext der Bedingungen, die für eine erfolgreiche Therapie oder einen Exorzismus im lukanischen Doppelwerk erfüllt sein müssen, erscheint eine Ergänzung in Apg 14,10 erwähnenswert, die die Codices C, D sowie einige kleinere Handschriften vertreten. Diese fügen dem Ausspruch des Paulus „ἀνάστηθι ἐπὶ τοὺς πόδας“ die Worte „σοὶ λέγω ἐν τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστου“ hinzu, wodurch der Text den gleichen Ablauf erhält wie die Heilungserzählung in Apg 3,6. Petrus befiehlt dort einem Gelähmten, der vor dem Tor des Tempels sitzt, im Namen Jesus

 Vgl. B. Kollmann, Wundertäter,  – . Demnach war bereits in der Antike das medizinische Wissen soweit gediehen, dass die meisten Krankheiten und die damit verbundenen Behandlungen auf ihre natürlichen Ursachen zurückgeführt wurden. Götter, Magie u.d.G. hatten zwar nach wie vor begleitende Bedeutung, gelangten allerdings erst dort zur Geltung, wo jegliche andere Hilfe erfolglos blieb.  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Während diese Motive in Geschenkwundern fehlen können, sind sie in Therapien, Exorzismen und Rettungswundern die Regel. Siehe G. Theißen, Wundergeschichten, .  Dazu J.Vogt, Aspekte,  – ; M. Martinez and M. Scheffel, Einführung,  – . Damit ist in der neueren Literaturwissenschaft ein Stilmittel bezeichnet, mit dem ein Autor seinen Lesern auf einem knappen, wenngleich präzisen Weg einen Einblick in das Seelenleben einer seiner Figuren vermitteln kann. Anstatt die Person selbst zu Wort kommen zu lassen, greift der Erzähler auktorial in den Text ein und gibt nur die Informationen preis, die für den Fortgang der Erzählung notwendig sind.  Siehe R.C.Tannehill, Unity , ; A.Weiser, Apostelgeschichte , ; Ders., Apostelgeschichte , ; D. Zeller, Bitte, ; C. Oerder, Paulus, .

I. Form und Ausrichtung der Erzählung

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Christus aufzustehen und umherzulaufen („ἐν τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστου τοῦ Ναζωραίου, ἐγεῖραι καὶ περιπάτει“). Ähnliches wird über das Vorgehen der Jünger (vgl. Mk 9,38 – 39; 16,17; Lk 9,49 – 50; 10,17) konstatiert, die auf diese Weise in ganz Israel Kranke heilen und Dämonen austreiben. Schließlich verwendet auch Paulus diese Formel, um einen Wahrsagegeist (πύθων) in Philippi (Apg 16,18) auszutreiben. Die Beispiele machen deutlich, dass die Berufung auf den Namen Jesu dem Nutzer eine gewisse Vollmacht über Krankheit und Geister verleiht⁴¹ (vgl. Lk 9,49). Allerdings ist Lukas bemüht, den Eindruck zu vermeiden, es handele sich dabei um eine Zauberformel, die von jedem frei und wirkmächtig genutzt werden könnte⁴² (vgl. Apg 19,13 – 17). Sie ist vielmehr in gegenseitiger Abhängigkeit von Verkündigung und Glauben zu sehen⁴³. Erst durch den Glauben an die rettende Kraft Gottes (Apg 3,9), der durch die Predigt des λόγος τοῦ θεοῦ bedingt wird, kann das Machtwort seine Wirkung⁴⁴ (Apg 3,16) entfalten. Der gleichen Logik folgen diejenigen Therapien Jesu, in denen er explizit auf den Glauben verweist, der dem Hilfesuchenden zur Rettung verhilft⁴⁵ (vgl. Mk 10,52; Mt 9,22; Lk 7,50; 8,48; 17,19; 18,42). Offenbar ist die Heilung eines Menschen an den Glauben an den lebendigen Gott oder das Vertrauen auf Jesus gebunden. Entsprechend ist der oben genannte Eingriff in den Text (vgl. Apg 14,10) wohl dem Wunsch geschuldet, diesen Sachverhalt zu betonen. Die besprochene Kausalität wird allerdings in Apg 14,10 durch den Hinweis des Autors auf das Hören der Rede des Paulus (Apg 14,9a) eingehalten, die durch die in Apg 14,7 gegebene Angabe über die Tätigkeit von Barnabas und Paulus (εὐαγγελίζομαι) eindeutig bestimmt ist. Dieser Sachverhalt erlangt in der Wahrnehmung der im Hauptteil (Apg 14,10) geschilderten Durchführung und Konstatierung der Heilung Bedeutung.Während Lukas auf die üblichen Motive⁴⁶ gänzlich verzichtet, lässt er Paulus ein „Machtwort“ (Apg 14,10b) sprechen⁴⁷, auf das hin die Heilung scheinbar unmittelbar vollzogen wird. Dieses Motiv, das vornehmlich in Exorzismen verortet ist⁴⁸ (vgl. Mk 1,25; 5,8; Apg 16,18), findet sich noch in weiteren Therapien des lukanischen  Vgl. A. Ruck-Schröder, Name, . Ferner M. Wolter, Lukas,  – .  Zu dieser Problematik, besonders aus jüdischer Sicht, siehe A. Ruck-Schröder, Name,  Anm. ; W. Heitmüller, Im Namen Jesu, . – .  Diese Beziehung zwischen Gott und Jesus scheint für Lukas von zentraler Bedeutung zu sein. Dazu H. Conzelmann, Mitte der Zeit,  – ; A. Ruck-Schröder, Name, ..  Vgl. A. Ruck-Schröder, Name, ; R.C. Tannehill, Unity , ; M. Cifrak, Petrusreden, .  Vgl. M.Wolter, Lukasevangelium, ; R.C. Tannehill, Unity , ; M. Cifrak, Petrusreden, .  Diese sind heilende Mittel, Berührungen und begleitende Gebete. Dazu G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, ..  Ebda. .

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

Doppelwerkes (vgl. Lk 4,39; Apg 3,6), in denen es die Aufgabe hat, die ἐξουσία des Wundertäters zu betonen⁴⁹. Der so verstandene Ausruf des Paulus (Apg 14,10) musste zumindest auf der subjektiven Textebene, also bei den Einwohnern von Lystra, für Verwunderung sorgen, da jeglicher theologischer Rückbezug auf Glaube und Macht Gottes ausbleibt⁵⁰. Die umgehende Konstatierung der Heilung, grammatikalisch sichtbar werdend in der Abfolge zweier Aoriste, die ein Imperfekt ablöst⁵¹ („ἀνάστηθι ἐπὶ τοὺς πόδας σου ὀρθός. καὶ ἥλατο καὶ περιεπάτει“), entspricht zwar sachlich dem bekannten Schema (vgl. Lk 1,64; 4,39; 5,25; Apg 3,7; 13,11; 16,26), wirkt allerdings gegenüber der ausführlichen Darstellung des Problemfalles (vgl. Apg 14,8b) knapp angebunden. Zumeist wird in diesem Textabschnitt, neben der praktischen Vorführung des Erfolges der Heilung⁵² (Apg 14,10c), eine weitere Danksagung respektive ein Lobpreis (vgl. Apg 2,47; 3,9) kommuniziert, der die eigentlich wirksame Macht hinter der Heilung benennt und der umstehenden Menge ausdrücklich vor Augen führt. Die besondere Form des Schlussteils (Apg 14,11– 13) ist der Funktion geschuldet, einen Übergang und Anknüpfungspunkt für die Rede des Wundertäters zu schaffen (Apg 14,14– 17). Ein Wort der Deutung oder eine kurze missionarische Ansprache⁵³, die unmittelbar an die Reaktion der Menge anschließen müsste (vgl. Apg 3,12– 26; 14,15 – 18; 16,31– 32), bleibt aus. Stattdessen bedingt die Heilungstat, auf die die Einwohner von Lystra Bezug nehmen („οἵ τε ὄχλοι ἰδόντες ὃ ἐποίησεν Παῦλος ἐπῆραν τὴν φωνὴν αὐτῶν“), eine theologische Fehldeutung des Ereignisses⁵⁴ (vgl. Mk 6,36; Joh, 4,15; Apg 3,5), die in einen weiteren Erzählabschnitt übergeht.

 Im Kontext der Einschätzung, manche Krankheiten würden in der Vorstellung antiker Menschen auf einen dämonischen Kern zurückgeführt (vgl. J.D.M. Derrett, Demon,  – ; W. Kirchschläger, Jesu, ), plädierte zuletzt M. Wolter, Lukasevangelium,  für diese Bewertung des Motivs. Es ist freilich nicht einsichtig, einer Krankheit einen übernatürlichen Charakter zuzuweisen, die zunächst sachlich diagnostiziert wurde (vgl. Apg ,).  Diesem Umstand ist möglicherweise eine Variante des Textes geschuldet, in der die Rezipienten (vgl. C; D; ; ; ; pc) die Notwendigkeit sahen, den Ausspruch des Paulus um die gleiche christologische Formel zu ergänzen, die bereits Petrus in Apg ,b im Munde führt.  Geläufiger sind Formulierungen mit εὐθύς bzw. παραχρῆμα, dennoch ist die notwendige unmittelbare Abfolge von Wort und Inkrafttreten der Heilung gewahrt, wodurch der außergewöhnliche Charakter des Geschehens eine Betonung erfährt. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  C. Breytenbach, Paulus, ; G. Theißen, Wundergeschichten, . Ferner Kap. , Anm. .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .

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5. Apg 14,8 – 18 als Mischgattung Das Ausbleiben markanter Motive, die im Kontext neutestamentlicher Wundergeschichten den Schlussteil einer so konzipierten Erzählung bestimmen, weist auf den anfangs geäußerten Umstand hin, dass es sich bei der hier vorliegenden Episode um einen Mischtext handelt, der die literarischen Motive von Therapie und Chreia kunstvoll miteinander vereint. Diesem Gedanken folgend, verzichtet Lukas auf die Elemente eines positiven „Lobpreises des lebendigen Gottes“⁵⁵ (vgl. Apg 14,15b) oder auf die Feststellung der „Ausbreitung des Glaubens“⁵⁶ (vgl. Lk 7,17; Apg 9,42; 19,17), um stattdessen den Diskussionsgegenstand der übergeordneten Chreia zu konstruieren. Dieser hat die Gestalt eines „Missverständnisses“ (Apg 14,11b–12). Nahe dem Motiv der unverständigen Menge⁵⁷, erkennen die Einwohner von Lystra hinter der Therapie des Gelähmten nicht das Handeln des Gottes Israels, sondern die Taten paganer Gottheiten, die sie zu allem Überfluss mit Paulus und Barnabas identifizieren („ἐκάλουν τε τὸν Βαρναβᾶν Δία, τὸν δὲ Παῦλον Ἑρμῆν, ἐπειδὴ αὐτὸς ἦν ὁ ἡγούμενος τοῦ λόγου“). Die begleitende Szene (Apg 14,13 – 14), in der ein Priester des Zeustempels auftritt und gemeinsam mit der Menge ein Opferfest für die vermeintlich inkarnierten Gottheiten vorbereitet, fungiert in diesem Zusammenhang gleichermaßen als dramatische Zuspitzung wie auch Überleitung zum Redeteil (Apg 14,15 – 17). Diese Ausrichtung auf einen anders verorteten Schwerpunkt lässt sich bereits an der aufgezeigten Neuformierung der Einleitung nachvollziehen. Der Verzicht auf eine Vielzahl von Motiven, die einer Wundergeschichte nicht nur Struktur, sondern einen dramatischen Ablauf garantieren, verdeutlicht, dass das thematische Interesse der Erzählung nicht auf der Therapie beruht. Unterstrichen durch die fehlende Auszeichnung des Wundertäters als Kernelement der Episode, führt die Handlung stringent zu besagtem Missverständnis (Apg 14,11b–12), welches zum Auslöser der Rede des Paulus (Apg 14,15 – 17) wird. Mehr noch scheint Lukas auf eben jenem Fehlverhalten der Einwohner von Lystra den Fokus zu legen, wenn er diese Situation durch geschickte Verschleierung der Umstände („καὶ ἰδὼν ὅτι ἔχει πίστιν τοῦ σωθῆναι“) und ein inhaltlich verkürzt wirkendes Machtwort (Apg 14,10) geradezu provoziert. Zwar sind im formalen Sinne alle theologischen Bedingungen, die im neutestamentlichen Kontext an die Durchführung einer Therapie gerichtet sind, erfüllt⁵⁸, auf literarischer Ebene lässt der Autor allerdings das

   

Ebda. . Ebda. . Ebda. . S.o. S.  ff.

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

gängige Schema einer Wundergeschichte beiseite und konzentriert sich auf das Konzept seiner Mischgattung.

6. Die thematische Ausführung des Missverständnisses Die Art und Weise, in der Lukas hier einen Spannungsbogen konstruiert, sorgt für Verwunderung. Anstelle einer eindeutigen Grenzziehung zwischen Barnabas und Paulus auf der einen und einer unverständigen Menge auf der anderen Seite, konstruiert der Autor ein Missverständnis, welches formal aus der unzureichenden Sachkenntnis der Einwohner von Lystra heraus entsteht.Während der Leser, dank eines kurzen Gedankenberichtes (Apg 14,9b), die theologischen Umstände hinter der Therapie verstehen und einordnen kann⁵⁹, bleiben die Gedanken des Gelähmten, wie auch die Erkenntnis des Paulus über dessen Glaubenszustand, den Stadtbewohnern verborgen. Die folgende Beurteilung der hervorgehobenen Situation einer Krankenheilung (vgl. Apg 14,10), beruht demzufolge auf einer verkürzten Wahrnehmung der Gegebenheiten. Mehr noch nutzt Lukas diese besondere Form eines Missverständnisses, um eine Szene zu konzipieren, die in ihrer Ausgestaltung deutlich von den gängigen Begleitmotiven wie Skepsis, Spott und Kritik⁶⁰ abweicht. Im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen, die Lukas im Evangelium und zu Anfang der Apostelgeschichte schildert (vgl. Lk 8,26 – 39; 11,14– 23; Apg 3,1– 4,22), betont er in der vorliegenden Szene (Apg 14,11– 14), dass eine Bewertung der Therapie ausschließlich auf dem Boden eines paganen Weltbildes stattfindet. Bleiben die inneren Abläufe der Therapie dem Wahrnehmungshorizont der Stadtbewohner verborgen, so werten sie das vernommene Machtwort (Apg 14,10) unabhängig von seiner jüdisch-christlichen Füllung⁶¹, als Ausdruck der „ἐξουσία“, einer ihrer Lebenswelt vertrauten Macht. Die Menge bewertet das, was sie faktisch gesehen und gehört hat (Apg 14,11a), vor dem Hintergrund ihres eigenen Weltbildes, welches die Identifikation von Barnabas und Paulus als Gottheiten  Zum Thema der Konstituierung unterschiedlicher Erzählebenen, in denen fiktive wie auch faktische Adressaten verschieden angesprochen werden können, vgl. J. Vogt, Aspekte, ; C. Blumenthal, Geschichte,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Eine vergleichbare Fehldeutung ist bereits in Apg , zu beobachten, wo es nicht die Heiden, sondern die Juden sind, die die christliche Botschaft und dahinter Gott falsch einschätzen. Die Codices Bezae und Ephraemi, die Minuskeln ; ;  und einige wenige weitere Handschriften versuchen mit einer Ergänzung gegenüber dem Mehrheitstext den christologischen Bezug (s.o. Kap. , Anm. ) hervorzuheben, behindern damit allerdings die Komposition des Textes.

I. Form und Ausrichtung der Erzählung

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nahelegt (Apg 14,11b–12). In diesem Punkt spielt die Zuordnung der Figur des Hermes zu Paulus und Zeus zu Barnabas (Apg 14,12) eine erhellende Rolle. Hermes wird gemeinhin als Bote der Götter verstanden⁶², der deren Urteile und Anordnungen überbringt. Die Menge verstand Paulus, den sie als Wortführer erkennt (vgl. Apg 14,12b), als jenen Boten, der den von Zeus gewirkten Beschluss über die Heilung des Gelähmten verkündet⁶³. Den Inhalt der voraufgehenden Predigt (Apg 14,9a) sowie der Blick in die Gedanken des Hilfesuchenden (Apg 14,9b) bleiben gemäß dieser Analogie unbeachtet, während der vorgeführte Volksglaube als eigentliches Movens der Szenen stärker in den Vordergrund rückt. Die unmittelbare Gleichsetzung der beiden mit dem Götterpaar (Apg 14,12) spricht ferner dafür, dass die Heilung als außergewöhnlich, mit einem Wort, als „Wunder“ aufgenommen wird. Diese Sichtweise ist Ausdruck der kulturellen und im speziellen Fall der religiösen Sozialisation der beschriebenen Stadtbewohner⁶⁴, die Lukas dank getrennter Wahrnehmungsebenen in einer unberührten Form präsentieren kann. Eben weil der Glaube des Gelähmten ebenso verborgen bleibt, wie die Stellung von Paulus und Barnabas als Werkzeuge des Gottes Israels (vgl. Apg 14,4), kann das geschilderte Szenario etabliert werden. Der Spannungsbogen, den Lukas mit dieser Szene konstruiert, zielt folglich auf die genuin hellenistische Kulturalität der Stadtbewohner ab. Diese formuliert der Autor in einer so bildhaften Weise, dass der Gedanke, hier lediglich von einem Konflikt zwischen Paulus und den Völkern im allgemeinen zu sprechen⁶⁵, wie eine Abstraktion des eigentlichen Sachverhaltes wirkt. Die eindrückliche Beschreibung des religiösen Lebens und Denkens der Stadtbevölkerung, sowie die Andeutung von Traditionen und spezifischem Lokalkolorit, spricht vielmehr für die Absicht, ein individuell ausgestaltetes Menschenbild zu etablieren, welches der grund-

 H.-J. Klauck, Magie,  –  stellt hier mit Philo von Alexandria, LegGai.,  heraus, dass eine der Kernaufgaben des Hermes in der Kommunikation zwischen Gott und Mensch zu sehen ist. Diesen Sinngehalt vorausgesetzt, kann allerdings ausgeschlossen werden, dass Paulus von den Einwohnern von Lystra als Wundertäter verstanden wurde. Als Bote wäre er hier (Apg ,) dem Barnabas untergeordnet, was – wie gelegentlich angemerkt (vgl. M. Öhler, Barnabas,  – ) – dem üblichen Verfahren des Autors bezüglich Wundergeschichten zuwiderliefe.  So stellen fest R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. A. Fitzmyer, Acts, ; C.K. Barrett, Acts , .  Vgl. K. Berger, Gattungen, .  R. Pesch, Apostelgeschichte ,  spricht beispielsweise von einem Text, in dessen Mitte eine Predigt steht, die auf die Heiden abgestimmt sei, die weiter einem Missionsschema beizuordnen wäre. Ähnlich spricht auch J. Roloff, Apostelgeschichte,  im Zusammenhang mit Apg , –  von einer Heidenmissionspredigt. Ungeachtet der strittigen Begrifflichkeit einer Missionspredigt (s.o. S.  ff) verweist die Ausgestaltung der verwendeten Charakterbilder auf einen differenzierteren Ansatz des Autors.

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

sätzlichen Problemstellung eine spezifische Kontur verleiht⁶⁶. Im Weiteren ist somit zu fragen, welche besonderen Nuancen Lukas hier hervorhebt und wie diese die geführte Diskussion beeinflussen.

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra 1. Dialekte als literarisches Gestaltungsmittel Zur Ausgestaltung eines hervorgehobenen Themas nutzt Lukas neben kompositorischen Hilfsmitteln, die er inhaltsorientiert aufeinander abstimmt, auch kulturell vorgeprägte Elemente⁶⁷, um dem jeweiligen Gegenstand eine bildhafte Gestalt zu verleihen. Als entsprechendes Werkzeug ist der Hinweis auf den Dialekt der Einwohner von Lystra (Apg 14,11a) zu werten. Formal etabliert die Anmerkung der lykaonischen Sprache („[…] ἐπῆραν τὴν φωνὴν αὐτῶν Λυκαονιστὶ λέγοντες“) eine kommunikative Trennlinie, welche die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen und der daraus hervorgehenden Deutung der Therapie weiter verschärft⁶⁸. Getragen von einem Missverständnis kultureller Natur, spitzt Lukas die Situation in einer Weise zu (Apg 14,13 – 14), die das dramatische Einschreiten von Barnabas und Paulus schlussendlich notwendig macht (vgl. Apg 14,14– 17). Diese gestaltende Verwendungsweise von Sprachen oder Dialekten, die im Sinne eines Katalysators das Thema auf einen Höhepunkt zutreiben⁶⁹, ist schon in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte zu beobachten (vgl. Apg 2,1– 13).Wie die Erzählung des Pfingstwunders eindrücklich vor Augen führt, versteht der Autor Sprache als relevanten Faktor der christlichen Verkündigung⁷⁰. Erfüllt vom Heiligen Geist werden die Anhänger Jesu, zur Verwunderung der beobachtenden

 Mit diesem Gedanken sei auf den angesprochenen Aspekt einer thematischen Reihe verwiesen, in deren Zusammenhang ein Autor in mehreren dramatischen Episoden den gleichen Leitgedanken aus verschiedenen Perspektiven präsentiert. Vgl. D. Marguerat, Lukas,  – ; S.o. S.  ff;  ff.  Entsprechende Merkmale im Text werden zumeist als Traditionsgut charakterisiert, das Lukas zwecks Ausschmückung und Lokalisierung aufgreift. Vgl. C. Breytenbach, Zeus,  – .  Vgl. E. Haenchen, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; C. Breytenbach, Paulus,  – .  Vgl. H.-J. Klauck, Magie, .  Vgl. G. Schneider, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – . Auch wenn R. Pesch (ebda. )die Perikope auf die Geistgabe innerhalb der Kirche zuspitzt, so macht er dennoch deutlich, dass die Sprache im Sinne missionarischer Kommunikation offensichtlich von hoher Bedeutung ist.

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra

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Juden, die aus allen Winkeln der Welt nach Jerusalem kamen (vgl. Apg 2,5), dazu befähigt, Gott in der jeweiligen Landesprache zu verkündigen⁷¹ (vgl. Apg 2,9 – 13). In der kurzen Erzählung Apg 28,1– 6 bleibt hingegen ein unzutreffendes Urteil über die Immunität des Paulus gegen die Folgen eines Schlangenbisses („μεταβαλόμενοι ἔλεγον αὐτὸν εἶναι θεόν“) auf Grund des unverständlichen Dialektes der Einwohner unwidersprochen. Einen ähnlichen Akzent setzt der Autor auch in der Verteidigungsrede des Paulus (vgl. Apg 22,2). In dieser Szene spricht Paulus, dem vorgeworfen wird, gegen Gott und Israel zu predigen (vgl. Apg 21,28), eine Gruppe feindlich gesinnter Juden explizit auf Hebräisch an und gewinnt so ihr Gehör (vgl. Apg 22,2). Die Bedeutung der Sprache im kommunikativen Vorgang gegenseitigen Verstehens⁷² scheint Lukas mit Blick auf die gegebenen Beispiele durchaus bewusst gewesen zu sein. Die jeweiligen Dialekte dienen gemäß dieser Einschätzung als Werkzeug, welches der Autor nutzt, um Einsichten oder eben Missverständnisse zu bedingen, die die Erzählung in die gewünschte Richtung leiten. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Sprache, als Mutter- oder Fremdsprache verstanden, immer auch ein kulturelles Identifikationsmerkmal darstellt⁷³. Dem Einwurf, die zuhörende Menge stamme aus allen Ecken der Welt (vgl. Apg 2,5), lässt Lukas eine ausführliche Sprachenliste (Apg 2,8 – 11) folgen, die sich als Explikation des alttestamentlichen Sammelbegriffes für alle Völker der Erde werten lässt (vgl. Gen 10,5; Jes 2,4; Jer 3,17). Der hier anklingende Gedanke, über einen bestimmten Dialekt auf die Zugehörigkeit zu einer kulturellen Gemeinschaft respektive Milieu schließen zu können, ist sicherlich auch in dem bereits genannten Beispiel der Verteidigungsrede des Paulus in Jerusalem gegeben (vgl. Apg 22,1– 21). Erst als die anwesenden Juden merken, dass er in der Sprache des Alten Testaments zu ihnen spricht⁷⁴, sind sie bereit, ihm zuzuhören. Unter-

 Lukas merkt über die Herkunft der in Apg , anwesenden Menschen an, dass sie „ἀπὸ παντὸς ἔθνους τῶν ὑπὸ τὸν οὐρανόν“ herstammen. Diese Wendung ist dem Alten Testament entlehnt und dient der Umschreibung der Völker der ganzen Welt. Diese Völkergruppen stellen sich in den folgenden Versen (vgl. Apg , – ) an Hand ihrer jeweiligen Heimatsprache vor. Dieser Umstand macht wiederum deutlich, dass Lukas die Sprache als kulturelles Identifikationsmittel nutzt. Vgl. H. Strathmann, λαός,  – ; J.M. Scott, Paul,  – ; W. Bauer, WzNT, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Vgl. D.P. Bechard, Paul outside the Walls, ; H.J. Cadbury, Hellenists, .  Vgl. C. Tietz, Sprache., ; J.S. Sorensen, Sprache, .  Vgl. D.P. Bechard, Walls,  – . In diesem Zusammenhang muss bedacht werden, dass die Anklage von Juden geführt wird, die aus Antiochia, Iconium, etc. herbeigekommen sind und die Einwohner Jerusalems zum Aufruhr (Apg , – ) anstacheln. Die jüdische Herkunft des Paulus bleibt indes den Menschen in Jerusalem zunächst verborgen, wie die verwunderte Fest-

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

mauert wird dieser Eindruck durch die folgenden Einleitungsworte der Rede (Apg 22,3), in denen sich Paulus dezidiert als Jude bezeichnet, der nicht nur eine gesellschaftlich hochstehende pharisäische Ausbildung genossen hat, sondern als „ζηλωτής τοῦ θεοῦ“ auch theologisch in Israel verwurzelt ist⁷⁵. Im gleichen Kontext ist eine Eigenheit in der dritten Wiederholung der Berufungsgeschichte des Paulus zu sehen (vgl. Apg 26,9 – 20). Demnach wurde er vom Herrn auf Hebräisch angesprochen und mit der Völkermission beauftragt (Apg 26,14). Diese Anmerkung, die in den beiden vorangegangenen Berichten (vgl. Apg 9,4; 22,7) fehlt, führt den Missionsauftrag des Paulus in letzter Folge auf den Gott Israels und dessen eschatische Verheißung an sein erwähltes Volk zurück⁷⁶. Daran anschließend sind noch einige Anmerkungen über eine Verwendungsform von Sprache anzubringen, die sich von deren Funktion als gemeinschafts- und damit identitätsstiftendes Merkmal ableitet. Lukas fasste, wie die meisten Schriftsteller seiner Zeit auch, seine Texte in Koine ab, das im hellenistisch geprägten Kulturraum die griechische Verkehrssprache war⁷⁷. Über den praktischen Nutzen hinaus, den eine gewisse Zweisprachigkeit für den Reise- und Handelsverkehr mit sich brachte, galt das Griechische als Sprache eines gebildeten Menschen, der sich in die dominante Leitkultur eingefunden hat. Entsprechend wurden lokale Dialekte, die durchaus weiter im Gebrauch blieben, als Zeichen ungebildeter Menschen, den βάρβαροι⁷⁸, gewertet. Diesem Gedanken folgend, ist jener Hinweis auf einen nicht-griechischen Dialekt auf eine Verwendungsweise hin zu befragen (vgl. Apg 14,11), die im Kontext eines hellenistischen Weltbildes die Konnotation eines kulturell wie sozial negativ besetzten Klischeebildes für die Einwohner von Lystra in Blick nimmt. Die vorgeführten Texte sprechen somit für eine ambivalente Nutzung von Sprachen und Dialekten in den Erzählungen der Apostelgeschichte⁷⁹. Im Zusammenhang kommunikativer Abläufe dienen diese Angaben der narrativen Lenkung. Konflikte schürend (vgl. Apg 2,13; 14,11– 13) oder auch beruhigend (vgl. Apg 22,2), legen sie diejenige Richtung fest, in die eine Diskussion verläuft. Darüber hinaus fungieren Hinweise auf die Sprache im lukanischen Doppelwerk der stellung des wachhabenden Offiziers zeigt, den er auf Griechisch anspricht und so das Missverständnis auflöst, wonach er ein Ägypter sei (Apg , – ).  Diese Selbstbezeichnung des Paulus, die sich i.Ü. auch in den paulinischen Briefen wiederfindet (vgl. Gal ,), führt auf die alttestamentliche Erzählung des Priester Pinchas (vgl. Num , – ) zurück, der zum Erhalt von Israels Heiligkeit gegen Verstöße des Gesetzes vorging.Vgl. M. Wolter, Paulus,  – .  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – .  R. Schmitt, Sprachverhältnisse, .  Ebda.  – ; D.P. Bechard, Rustics, ; K. Holl, Volkssprachen, .  Vgl. D.P. Bechard, Walls, ; H.J. Cadbury, Hellenists, .

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra

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kulturellen Orientierung (vgl. Apg 14,11– 13; 26,14), mit deren Hilfe der Autor gezielt Charakterbilder oder assoziierte Inhalte hervorruft.

2. Die Bewertung eines historischen Settings vor dem Hintergrund des theologischen Leitgedankens Diesem Ansatz folgend, impliziert die Anmerkung, dass die Einwohner von Lystra auf lykaonisch zueinander sprachen (Apg 14,11), mehr als nur eine kommunikative Diskrepanz, die Barnabas und Paulus von der Menge trennt. Unterstrichen durch die Verwendungsweise des dramatischen Episodenstils, leistet die Angabe besonderer Details, wie die einer bestimmten Sprache, einen Beitrag zur inhaltlichen Schärfung der geführten Diskussion. Dieser Absicht entsprechend, führt Lukas dem Leser ein Menschenbild vor Augen, das im Zusammenspiel einer expliziten Ortsangabe (Apg 14,8), den Hinweis auf einen bestimmten Dialekt (Apg 14,11a), sowie einer markanten Verhaltensweise religiöser Natur (Apg 14,11b–14), dem behandelten Gegenstand eine eigene Nuance verleiht, die ihren Ursprung im historischen Setting hat. Der Blick auf die politischen wie auch gesellschaftlichen Verhältnisse der Region rund um Lystra erweist sich in diesem Zusammenhang als Voraussetzung für deren Verständnis. Abseits der für Lystra nächstgelegenen südlichen Handelsstraße, gehört der Ort zusammen mit Derbe zu den kleineren Städten der Provinz Galatien⁸⁰. Im schwer zugänglichen Taurusgebirge am südöstlichen Rand der Provinz gelegen, vermag der Umstand, dass Lystra, anders als Philomenium, Thymbrium, Tyriaeum, Laodiceia und Iconion, erst sehr spät hellenisiert wurde⁸¹, kaum verwundern. Die ansässigen Bergvölker lieferten der römischen Oberhoheit lange Zeit heftigen Widerstand, weshalb die Region nach dem Votum der zeitgenössischen Literatur als rückständig und wild galt⁸² (vgl. Tacitus, Ann. 6,41;

 Vgl. D. Magie, Roman Rule , ; T.B. Mitford, Roman Rough Cilicia, .  Vgl. S. Mitchell, Anatolia ,  – ; D. Magie, Roman Rule ,  f; H.T.F. Duckworth, Roman Provincial System,  – .  D. Magie, Roman Rule , .. stellt fest, dass das ganze Gebiet als kultureller Schmelztiegel zu bewerten ist, in dem Griechen, Kelten, Asiaten und anatolische Einheimische mit freien Römern und befreiten Sklaven zusammenlebten. Zwar kam es zu Spannungen, die das Eingreifen der römischen Staatsmacht erforderlich machten, allerdings scheinen entsprechende Konflikte spätestens im . Jh. endgültig befriedet gewesen zu sein. S.a. S. Mitchell, Anatolia ,  – ; D.-A. Koch, Völkertafel,  – ; D.P. Bechard, Rustics,  – ; R. Schmitt, Sprachverhältnisse, ; C.J. Hemer, Acts, .

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12,55). Erst im Zuge der römischen Expansion konnte sich die griechisch-römische „Leitkultur“ in der gesamten Region nachhaltig durchsetzen⁸³. Neben der Beobachtung, dass in diesem Zeitraum in den Städten häufig und vermehrt unterschiedliche Kulturgruppen friedlich zusammenlebten⁸⁴, ist diese Entwicklung am religiöskultischen Wandel gut nachvollziehbar. Die einstigen Stammesgottheiten, sicherlich ein Identifikationsmerkmal einer unabhängigen Kultur⁸⁵, wurden nunmehr den offiziellen Kulten angeglichen und im hellenistischen Gewand weiter verehrt⁸⁶. Neben dem Kaiserkult, der in den Zentren Galatiens gepflegt wurde, entstanden nahe den großen Städten vor allem Tempel und Heiligtümer, die dem Jupiter, respektive Zeus, gewidmet waren. Zahlreiche Ausgrabungen konnten zwar nahe dem Stadtgebiet von Lystra keine entsprechenden Kultstätten⁸⁷ nachweisen, allerdings umgaben zahlreiche florierende Zeus- und Hermesheiligtümer die Stadt, weshalb der Rückschluss erlaubt ist, dass die hellenistischen Einflüsse von der Bevölkerung akzeptiert und adaptiert wurden⁸⁸. Diese friedliche Entwicklung beeinflusste nicht zuletzt die sprachlichen Konventionen der ganzen Region. Wie bereits angedeutet, waren die einstigen Stammesdialekte, zu denen auch das Lykaonische zählt, im 1. Jh. gemeinhin durch Koinegriechisch und das Latein der offiziellen Verwaltung abgelöst⁸⁹. Die alten Sprachen blieben, wie in zahlreichen anderen Regionen des römischen Imperiums auch, lediglich in Form regionaler Mundarten bis in das frühe Mittelalter hinein im Gebrauch⁹⁰. Die daraus abzuleitende Zweisprachigkeit, die nachweislich auch bei geringer gestellten Gesellschaftsschichten anzutreffen war, weist zusammen mit der beschriebenen gesellschaftlichen Situation die Einheimischen dieser Region als Menschen aus, die weit vom Bild wilder Bergstämme entfernt einen helle-

 Vgl. T.B. Mitford, Roman Rough Cilicia,  – ; S. Mitchell, Anatolia ,  – .  S.o. Kap. , Anm. .  C. Breytenbach, Paulus, ; Ders., Zeus,  –  weist auf einige dieser Gottheiten hin, die im Verlauf der Hellenisierung mit Zeus und Hermes identifiziert wurden.  Vgl. C. Breytenbach, Zeus,  – .  Vgl. D.W.J. Gill, Religion, ; C. Breytenbach, Zeus,  – .  Vgl. C. Breytenbach, Zeus,  – ; S. Mitchell, Anatolia ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts,  hält fest, dass „all surviving inscriptions from the area are in either Greek or Latin“; D.W.J. Gill, Religion, .  Vgl. S. Mitchell, Anatolia , ; T.B. Mitford, Roman Rough Cilicia, ; C.H. Moore, Life,  – .  Für einen Überblick über die Sprachverhältnisse in den römischen Provinzen, siehe R. Schmitt, Sprachverhältnisse, . – ; S. Mitchell, Anatolia , ; T.B. Mittford, Roman Rough Cilicia, .

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra

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nistischen Lebenswandel pflegten⁹¹. Damit ist der explizite Hinweis auf die Verwendung eines unverständlichen Dialektes durch die Einwohner von Lystra (vgl. Apg 14,11) keineswegs eine historisch notwendige Angabe. In ihr zeigt sich vielmehr die Absicht des Autors durch die gezielte Einfügung einer Sprachbarriere den behandelten Erzählgegenstand zuspitzend hervorzuheben. Für diese Einschätzung der literarischen Zusammenhänge spricht ein weiterer Aspekt, der sich aus den Reisebewegungen des historischen Paulus ergibt. Es gehörte zum Vorgehen des Paulus, seine missionarischen Anstrengungen auf die kulturellen Zentren einer Provinz zu konzentrieren⁹². Die dort gegründeten Gemeinden fungierten in der Folgezeit als Keimzellen für die weiterführende christliche Erschließung des direkten Umlandes und der gesamten Region. Diese Vorgehensweise im Hinterkopf, wirkt die abgelegene Stadt Lystra als Schauplatz einer dramatischen Episode, die der beispielhaften Anleitung missionarischen Handelns unter den Völkern dient⁹³, ungeeignet, um dieses missionarische Konzept zu verdeutlichen. Während andere Stationen der ersten Missionsreise diesem Schema besser entsprechen, muss für die Wahl dieses speziellen Settings ein Grund gegeben sein, der mit der tatsächlichen historischen Sachlage kaum zu rechtfertigen ist. Der Schluss liegt somit nahe, den Schlüssel zum Verständnis des Textes nicht in dessen historischer Verortung zu suchen, sondern in der Beziehung zwischen dem problematisierten Gegenstand und dem konstruierten Menschenbild.

3. Das literarische Bild der Volksstämme des Taurusgebirges Die Beschreibung der lykaonischen Bergbevölkerung durch die antike Literatur vermittelt in der Tendenz ein weitgehend einheitliches Bild. Strabo, 12,6,2 nennt die Städte dieser Menschen „Siedlungen von Räubern“ oder auch „Piratenfestungen“ und weist ihren Bewohnern auf diesem Wege ein feindseliges Gebaren als maßgeblichen Charakterzug zu. In einer Art Conclusio (Strabo, 12,3,18) resümiert

 Vgl. S. Mitchell, Anatolia , ; T.B. Mittford, Roman Rough Cilicia,  merkt an: „That this population, outside the cities,was in general bilingual is certain“. C.K. Barrett, Acts ,  verweist auf die Aussagen einiger antiker Zeugnisse über den barbarischen Dialekt der Menschen in den abgelegenen Teilen der Region. Ungeachtet der Qualität des jeweiligen Griechisch, lässt sich doch festhalten, dass die Mehrheitssprache in der gesamten Region verstanden und gesprochen wurde. Ferner R. Schmitt, Sprachverhältnisse, . –   Vgl. S. Vollenweider, Paulus,  – .  So A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

er ferner, dass die Stämme des Taurusgebirges allesamt Wilde seien, die auf Bäumen oder in Erdlöchern hausen und sich nur von dem ernähren, was sie erlegen oder finden können (Strabo, 12,3,18). An diese Darstellungsweise schließt sich Tacitus, Ann., 12,55 an, der die dort lebenden Menschen entweder als „agrestium Cilicium nationes“ oder einfach als „barbari“ zusammenfasst. Sie werden zumeist im Zusammenhang mit kriegerischen Handlungen genannt, die den Reichsfrieden stören und das Eingreifen der römischen Staatsmacht erforderlich machen. Schließlich verbindet Dionysios von Halikarnas, Ant. Rom., 1,13,33 die Bergvölker mit einer Ätiologie, die in der weiteren Analyse noch von Bedeutung sein wird⁹⁴. Da sie ausschließlich in den Bergregionen anzutreffen sind, bezeichnet er sie als Urvölker (a.a.O.), die jedoch nur noch selten anzutreffen seien. Bemerkenswert wie aufschlussreich ist ein kritischer Nebensatz, in dem Dionysios seine Kritiker darum bittet, von einer pauschal negativen Bewertung dieser Menschen abzusehen, bzw. seinen Bericht zur Grundlage eines sachlichen Urteils zu machen (a.a.O.). Ungeachtet der gedanklichen Offenheit dieses Autors, zeigt sich in dieser Aussage die mehrheitlich vorurteilsbelastete Bewertung der Bergvölker durch seine hellenistischen Zeitgenossen. Wie schon bei Strabo oder Tacitus, werden sie gemeinhin als wenig gebildet, unangepasst und aggressiv, mit einem Wort als „Barbaren“⁹⁵, vermerkt. Wie die gängigen Konnotationen dieses Begriffes bereits vermuten lassen, handelt es sich bei dem Lexem „βάρβαρος“ weniger um einen präzisen anthropologischen Ausdruck, als vielmehr um einen Sammelbegriff, der unterschiedliche Attribute bündelt. Abgeleitet von „βαρβαρόφωνος“ (vgl. Homer, Il., 2,867; Apollodorus, Frgm., 177,3; Herodot, Hist., 9,43,6), wurde der Ausdruck zunächst zur Beschreibung einer fremden, unverständlichen Sprache genutzt⁹⁶. Da sich die attischen und später hellenistischen Staaten eine Sprache teilten, entwickelte sich daraus ein kulturelles Unterscheidungsmerkmal. Eine negative Konnotation erhielt der „Barbar“ erst in Folge von Auseinandersetzungen während der Perserkriege⁹⁷ (5. Jh. v.Chr.). Von da an diente er als Ausdruck der nationalen Orientierung und trennte die Griechen, die aus eigener Sicht die Krone kultureller,  Dionysios von Halikarnas, Ant. Rom., ,,: „δὲ ᾿Aβοριγῖνας ἐπὶ τῆς ἐν τοῖς ὄρεσιν οἰκήσεως ᾿Aρκαδικὸν γὰρ τὸ φιλοχωρεῖν ἐν ὄρεσιν.“  Ein solches Klischeebild der Bewohner einer römischen Provinz, die faktisch hellenisiert waren, konnte sich vermutlich nur auf Grund der besonderen Zusammensetzung der Provinz Galatien erhalten. Anders als homogene Staatengebilde war diese Region von unterschiedlichen Ethnien bevölkert, die nach wie vor ihre Traditionen und Lebensweisen pflegten. Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. C. Ungefehr-Kortus, Anacharsis, .  Vgl. J. Jüthner, Hellenen,  – ; Ders., Barbar, ; S. Rugullis, Barbaren, ; C.K. Barrett, Acts , ; H. Diller, Hellenen-Barbaren-Antithese, .

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra

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politischer wie ethischer Entwicklung waren, von den restlichen Völkern der Welt, die mit dem Klischee des primitiven, oftmals wilden Menschen verschmolzen. Abgewandelt durch die Ausbreitung der hellenistischen Kultur im gesamten Mittelmeerraum und vorderen Orient⁹⁸, wie durch die aufklärerische Bewegung der Sophisten⁹⁹, trat der kulturelle und damit der sprachliche Aspekt erneut in den Vordergrund. Anstelle des feindlich gesinnten Ausländers war es nun der ungebildete und einfältige Mensch an sich, der mit diesem Schlagwort bedacht wurde. Beide Bedeutungsmöglichkeiten für βάρβαρος existierten, wie die Textbeispiele eindrücklich zeigen, parallel und konnten eine gewisse Symbiose eingehen¹⁰⁰. Dennoch war es möglich, diesen Begriff selektiv zu nutzen, um gezielt einzelne Eigenschaften hervorzuheben.

4. Die Einwohner von Lystra als βάρβαροι Eine Übertragung dieser gesellschaftlichen Wahrnehmung lykaonischer Bergvölker auf die Einwohner von Lystra mag zunächst als gewagter Schritt wirken. Die Betrachtung der kulturellen Gegebenheiten, die zur Zeit der Abfassung des lukanischen Doppelwerkes in dieser Region herrschten¹⁰¹, vermag eine solche Einschätzung sicherlich nicht stützen. Anders verhält es sich mit der Auswertung der literarischen Rezeption. Ergänzend zum negativen Bild, welches die antiken Autoren jenen Menschen im Kontext der kriegerischen Auseinandersetzungen während der römischen Expansion zuweisen (vgl. Strabo, 12,3,18; 12,6,2; Tacitus, Ann., 12,55), verdeutlicht der eindringliche Appell von Dionysios von Halikarnas, Ant. Rom., 1,13,13, dass der wenig schmeichelhafte Begriff des „Barbaren“ auch nach der Hellenisierung für jene Völker im Gebrauch blieb. Zwar spricht Lukas diesen Ausdruck nicht einmal in Bezug auf die Einwohner von Lystra aus, allerdings verknüpft er in seinen Ausführungen mit diesen Menschen Merkmale, die auf diese Einschätzung hinweisen. Die Anmerkung, dass sich die Stadtbewohner nicht auf Griechisch, sondern in der heimischen Mundart verständigten (Apg 14,11a), mag nur ein Indiz für die Verwendung dieser Charakterzeichnung sein. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet das überzogene Verhalten, mit dem die vorgeführten Menschen auf die Therapie eines Gelähmten reagieren (Apg 14,11– 13). Wanderprediger und Charismatiker

 Vgl. H. Balz, βάρβαρος, . Ferner J. Jüthner, Hellenen, .  Vgl. J. Jüthner, Hellenen, ; C. Ungefehr-Kortus, Anacharsis, – ; K. Trüdinger, Geschichte,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .  S.o. S.  ff.

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

gehörten in der hellenistischen Gesellschaft zum gängigen kulturellen respektive religiösen Bild der Zeit. Eine Verklärung solcher Wundertäter ist unter dieser Voraussetzung keineswegs als Ausdruck angemessener Frömmigkeit zu werten. Im Gegenteil wirkt der unreflektierte Rückschluss, Paulus und Barnabas seien Götter (Apg 14,12), sowie die darauffolgende Ausrichtung einer Prozession und eines Opferfestes (Apg 14,13), wie eine sonderbare Verhaltensweise, welche historisch kaum einsichtig oder wahrscheinlich erscheint¹⁰². Allerdings folgt der Autor einem literarischen Konzept, welches die historische Genauigkeit zu Gunsten der inhaltlichen Ausdrucksstärke des Leitgedankens¹⁰³ hintenanstellt. Begleitend nimmt Paulus in seiner Rede¹⁰⁴ (Apg 14,15 – 17) auf die Verse Apg 14,11– 13 kritisch Bezug, wodurch von einer inhaltlichen Abhängigkeit der beiden Abschnitte zu sprechen ist. Es liegt somit nahe, diese kontroverse Einschätzung der Einwohner von Lystra als ironische Zuspitzung eines thematischen Gegenstandes zu verstehen, den der Autor in der vorliegenden Episode programmatisch behandelt. Diesen Gedanken mag ferner die Funktionsweise neutestamentlicher Wundergeschichten stützen, die als unselbstständige Gattung¹⁰⁵ den narrativen Problemteil der festgestellten Chreia bestimmt. Wunder, zu denen Therapien oder auch Exorzismen zählen, vermitteln nicht zuletzt in ihrer Ausdeutung immer auch ein bestimmtes Wirklichkeitsverständnis¹⁰⁶. Anders als im Evangelium, wo Lukas dieses Stilmittel nutzt, um dem „epideiktischen Charakter“ Jesu auszuzeichnen¹⁰⁷, überlässt er in Apg 14,11– 13 die Deutung der Wunderheilung ausdrücklich den Stadtbewohnern. Mit diesem Schritt verlagert der Autor den Blickpunkt auf die Perspektive der Einwohner von Lystra, die

 Vgl. C.K. Rowe, Acts,  – .; D. Zeller, Menschwerdung,  – ; L.H. Martin, Gods,  verweist darauf, dass das Motiv menschgewordener Gottheiten eher in Volksgeschichten beheimatet sei. Diese waren somit zwar bekannt, aber nicht unbedingt als Realität angesehen. Zweifel an einem so gearteten historischen Ablauf äußert auch J. Roloff, Apostelgeschichte, . A. Weiser, Apostelgeschichte ,  bewertet das Verhalten der Menge als „ein wenig übertrieben“, aber nicht „gänzlich unplausibel“. Ähnlich B. Kollmann, Wundertäter, – ; H.-J. Klauck, Magie, ; R.I. Pervo, Profit,  – . Für Überzogen hält diese Reaktion D.W.J. Gill, Religion,  Anm. . C. Oerder, Paulus,  erklärt das Verhalten unter der Prämisse als denkbar, dass in Lystra eine „rustikale Volksfrömmigkeit“ vorherrschte.  S.o. S.  f.  Syntaktisch handelt es sich bei Apg , –  um eine fortlaufende Argumentationskette (vgl.W. Bauer, WzNT, ; K.-H. Pridik, τέ, ), die erst durch einen harten Bruch in Apg ,a beendet wird. Vgl. W. Bauer, WzNT, ; E. Bornemann, Grammatik, ; K.-H. Pridik, δέ,  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen, .  A.a.O.  A.a.O.

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra

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wiederum in einer Form ausfällt, die theologisch unvereinbar dem tatsächlich gegebenen Sachverhalt gegenübersteht (vgl. Apg 14,8 – 10). Die ironische Charakterisierung von Menschen, sei es in der Gestalt eines expliziten Kommentars oder der entblößenden Darstellung einer bestimmten Handlungsweise, bleibt indes innerhalb der Apostelgeschichte nicht auf den Fall der Einwohner von Lystra beschränkt. In der Episode zu Philippi (Apg 16,16 – 22) enthüllt Lukas Gier als maßgebende Grundlage des Denkens und Handelns einiger Herren (vgl. Apg 16,19a). Die Athener bezeichnet der Autor des Doppelwerkes nicht nur als abergläubisch (Apg 17,22), sondern auch als neugierig im schlechtesten Sinne des Wortes (Apg 17,21). Die Vertreter des Synedrions handeln nach dem Bild der Apostelgeschichte aus Eifersucht (Apg 5,17) und in Ephesus vereinnahmt schließlich ein Devotionalienhändler den Kult der Artemis für seine wirtschaftlichen Interessen. Diese Beispiele machen deutlich, dass die Benennung von Eigenschaften bei Lukas Teil einer anthropologischen Darstellungsweise ist, die mitunter ironische Züge annimmt¹⁰⁸. Das legt wiederum den Rückschluss nahe, dass die Ausführungen in Apg 14,11– 13 einem ähnlichen Ansatz folgen und die Bewohner der Provinzstadt Lystra bewusst in einer überspitzten Weise dargestellt werden, die sie als einfältig und zur frommen Übertreibung neigend charakterisiert.

5. Die motivischen Parallelen zwischen Apg 14,8 – 20 und dem Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611 – 724) In der Gegenüberstellung von Apg 14,11– 13 und dem Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611– 724) wird eine weitere Nuance der literarischen Darstellung der Einwohner von Lystra ersichtlich. Dieser Vergleich kommt nicht von ungefähr, beruht er doch neben motivischen Übereinstimmungen vor allem auf einem kulturellen Haftpunkt¹⁰⁹. In dieser Erzählung, die nur bei Ovid überliefert

 Mit M. Reiser, Witz,  – .  Vgl. H.-J. Klauck, Magie, . Eine andere Parallele sieht A.M. Wordelman, Cultural Divides,  –  gegeben: Sie erkennt hier den Einfluss der Geschichte von Lycaon (Ovid, Met.,  – . – . – ). Zwar unterstreicht diese zweite Geschichte das auch hier vertretetne Bild der Stadtbewohner als „Barbaren“, allerdings erscheint es zweifelhaft, dass diese Geshcichte Vorrang vor der Assoziantion mit der von Philemon und Baukuis hat. Die Konstruktion eines Gefahrenbildes, wonach sich die Einwohner sich in Werwölfe verwandeln könnten (vgl. a.a.O. ), erscheint selbst in einer Welt mit Dämonen und Geistern (vgl. Apg , – ) übertrieben. Zudem widerspricht diese Deutung dem lukanischen Konzept, da hier einer paganen Göttervorstellung letztlich eine tatsächliche Macht in dieser Welt eingeräumt wird. Darüber hinaus ist die

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

ist¹¹⁰, berichtet die Figur Lelex von einem Ereignis, das sich in den hügeligen Regionen Phrygiens (collibus est Phrygiis) abgespielt haben soll. Mit dieser Erzählung sucht der Redner die abfällige Bemerkung seines Begleiters Ixion zu entkräften (Ovid, Met., 8,614– 615), der die Macht der Götter auf Erden für reine Phantasie hält („ficta refers nimiumque putas“). Demnach nahmen die Götter Zeus und Hermes, respective ihre römischen Entsprechungen, Menschengestalt an (species mortalis) und wanderten durch besagte Region. Auf der Suche nach Obdach klopften sie an den Türen tausender Häuser, wurden allerdings stets abgewiesen. Nur das sehr alte und äußerst arme Ehepaar Philemon und Baukis nahm die beiden Götter in seiner windschiefen Hütte auf und bot ihnen alle Bequemlichkeiten, die es sich selbst niemals gönnen würde. Schließlich bereiteten sie aus ihren letzten Vorräten eine auskömmliche Mahlzeit, damit ihre Gäste nicht hungern müssen. Doch die Gottheiten greifen an dieser Stelle in das Geschehen ein und bewirken, dass der Suppentopf, immer, wenn er geleert ist, sich auf wundersame Weise wieder füllt (Ovid, Met., 8,679). Erschrocken von der Erkenntnis, dass ihre Gäste göttlicher Natur sind, schickt sich die fromme Baukis an, ihre einzige Gans zu fangen, um sie zu opfern. Allerdings schreiten Zeus und Hermes ein weiteres Mal ein und fordern das fromme Paar auf, ihnen auf die Berge zu folgen. Nahe dem Gipfel erkennen diese, dass das gesamte Tal von einer Flut ergriffen wurde, die alle Menschen und Häuser verschlang. Nur ihr Haus bleibt verschont und verwandelt sich vor ihren Augen in einen prächtigen Zeustempel (Ovid, Met., 8,699 – 700). Die Götter erklären die Naturgewalt als angemessene Strafe (Ovid, Met., 8,690 – 691) für die gottlosen Menschen (vobis inmunibus huius esse mali dabitur) und gewähren den Eheleuten einen Wunsch zur Belohnung. Erneut von Frömmigkeit geleitet bitten sie nur darum, bis zu ihrem Lebensende Priester des Tempels der beiden Gottheiten sein zu dürfen und gemeinsam zu sterben (Ovid, Met., 8,707– 710). In der Stunde ihres Todes verwandeln sie sich jedoch in zwei zusammenstehende Bäume, die, und so endet die Erzählung, bis zum heutigen Tage als Mahnmal an jenem Platz stehen (Ovid, Met., 8,719 – 720).

Bedrohungslage durch eine Sintflut sicherlich groß genug, um es nachvollziehbar erscheinen zu lassen, warum die Einwohner an ihrer Handlungsweise festhalten.  Ovid, Met., , – ; M. Öhler, Barnabas,  – . C.K. Rowe, Acts,  weißt darauf hin, dass Ovid zu der Zeit wohl der einflussreichste und damit weitverbreitetste Schriftsteller war. Folglich ist es durchaus denkbar, eine Bezugnahme auf besagte Geschichte zu vermuten, die von den Lesern des Lukas auch als solche wahrgenommen wurde.

II. Die Charakterzeichnung der Einwohner von Lystra

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6. Der Einfluss des Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611 – 724) auf das Charakterbild der Einwohner von Lystra Die Einbindung dieser märchenhaften Erzählung in den Kontext der untersuchten Episode (Apg 14,8 – 18) beginnt mit dem Ausruf der Einwohner von Lystra, die Götter hätten Menschengestalt angenommen (Apg 14,11). Auch die Identifikation von Barnabas und Paulus mit eben diesen beiden Gottheiten (Apg 14,12) spricht für diese Einschätzung. Allerdings ist es der von Ovid gegebene topographische Bezug auf die Bergregionen von Phrygien (Ovid, Met., 8,621), der diese Parallelisierung evident macht¹¹¹. Mit der unterschwelligen Anspielung auf diese Geschichte beschreibt Lukas die Einwohner von Lystra als Menschen, die sich gedanklich in der Nachfolge zu denjenigen Personen wähnen, die wegen ihres gottlosen Verhaltens mit einer „Sintflut“ bestraft wurden. Entsprechend offensiv gestaltet sich die Reaktion auf ihre Erkenntnis, dass die Götter ein weiteres Mal menschliche Gestalt angenommen zu haben scheinen und nun unter ihnen wandeln¹¹² (vgl. Apg 14,11b–13). Ein Priester bringt Opferstiere herbei, Blumenschmuck wird herangeschafft, und es entwickelt sich eine Prozession, um an deren Ende den vermeintlichen Göttern zu opfern (Apg 14,14b). Dieser überzogene Einsatz hat seine gedankliche Wurzel in der Befürchtung, erneut den Göttern gegenüber ungebührlich aufzutreten und damit eine heftige Strafe zu provozieren¹¹³. Dieser Analogie folgend, übertragen die Einwohner von Lystra in dieser Szene (Apg 14,11– 13) den Inhalt eines Mythos ungefiltert auf ein Ereignis, welches ursächlich vom Gott Israels ausgeht (vgl. Apg 14,9). Mit dieser Darstellungsweise vermittelt der Autor wiederum ein doppeltes Bild. Nicht genug, dass Lukas den vorgestellten Vertretern der Völker jegliche eigene Erkenntnisfähigkeit abspricht, er vermittelt darüber hinaus einen Einblick in deren Wirklichkeitsverständnis, welches, geleitet von einer übertriebenen Furcht vor einem fiktiven Ereignis, als Aberglaube¹¹⁴ gelten mag.

 Mit D.P. Bechard, Walls,  – ; L. Malten, Untersuchungen,  – ; W.M. Ramsay, Studies,  – ; S. Mitchell, Anatolia , ; C. Breytenbach, Zeus,  – .  Zur Bewertung dieses Verhaltens, vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. H.-J. Klauck, Magie,  – ; C. Breytenbach, Zeus, ; D.W.J. Gill, Religion, .  Vgl. D.P. Bechard, Rustics, ; M. Reiser, Witz, . An dieser Stelle ist das hohe Ansehen der Medizin in der antiken Gesellschaft zu bedenken (vgl. B. Kollmann, Wundertäter, ), wodurch ein gesundes Misstrauen der hellenistischen Bevölkerung gegenüber sogenannten Wunderheilungen vorauszusetzen ist. Verbunden mit der Tatsache, dass das Motiv der menschgewordenen Gottheiten eher im Zusammenhang von Mythen und Märchen gesehen wurde (s.o. Kap. , Anm. ), trägt das vorgeführte Verhalten der Einwohner von Lystra zu dem Eindruck bei, diese als Barbaren oder zumindest als einfältig zu beurteilen.

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

Diese Angst vor der Wiederholung einer Flut, wie sie die Erzählung von Philemon und Baukis schildert, liefert den letzten Baustein für das von Lukas konstruierte Charakterbild der Menschen von Lystra. Dieser Mythos gehört zu den sogenannten „Flutgeschichten“ (Ovid, Met., 1,253 – 438; Pseud Apollodorus, Bibl., 1,2,1– 2; Lucian, Syria, 12; Strabo, 7,7,2), einer Literaturform, die Mythen und Sagen umfasst, die das Motiv einer „Sintflut“ teilen. Im Kontext der antiken Literatur bildet dieses Motiv vornehmlich den Ausgangspunkt einer kosmologischen Ätiologie, die der Erläuterung der vorherrschenden Weltordnung dient¹¹⁵ (vgl. Hesiod, Op., 109 – 201; Plato, Pol., 273bc). Mit ihrem finalen Urteil über das grundschlechte Wesen des Menschen senden die Götter gemäß dieser Vorstellung eine Flutwelle, die den Großteil der Menschheit auslöscht (vgl. Ovid, Met., 1,253 – 312). Nur ein ausgewählter Teil zieht sich in die Berge zurück (Ovid, Met., 1,317– 323; Lucian, Syra, 12), um schließlich zu einer neuen, idealen Weltbevölkerung heranzuwachsen (vgl. Strabo, 8,7,1; Diodorus Siculus, Bib. Hist., 5,81; 14,113; 19,53; Marcus Manilius, Astr., 4,833; Plato, Leg., 677– 682). Im Zusammenhang mit dem von Lukas konstruierten Charakterbild der Einwohner von Lystra fällt vor diesem Hintergrund ein mehrfach wiederholtes Detail in den entsprechenden Erzählungen ins Auge. Demnach begegnen Region und Bewohner Lykaoniens in dieser Literaturform geradezu synonym als Beispiel einer frevelhaften und barbarischen Menschheit¹¹⁶ (vgl. Pseud Apollodorus, Bibl., 3,8,2). Einem klaren ethnologischen Schema folgend stellen diese Sagen, ausgehend von der folgenden Neubesiedlung der Welt, nicht nur den Ursprung der jeweiligen Völker fest, sondern lassen auch eine qualitative Note anklingen. Während sich diejenigen Stämme, deren Denken sich an Fortschritt, Entwicklung und den höchsten ethischen Idealen orientiert, an den Küsten niederlassen, bleiben die anderen aus Furcht vor einer weiteren Flut in den Bergregionen zurück¹¹⁷. Dort, abgeschnitten von der Kultur der Seefahrerstaaten, leben sie nach dem Urteil der antiken Autoren als Barbaren¹¹⁸ (Strabo, 13,1,24– 25; Plato, Leg., 683).

 D.P. Bechard, Walls, .. Anm. ; J.G. Frazer, De Apollodori Bibliotheca , XVII; L. Malten, Untersuchungen,  – .  D.P. Bechard, Walls,  Anm. .. Er zieht nach seiner ausführlichen Analyse der hellenistischen Literatur zum Thema Flutgeschichten das Fazit, dass „[…] Lycaon was but one of several ignoble figures from the pre-diluvian world, whose remembered crimes and misdemeanours offered dramatic counter-examples […]. But only to Lycaon was accorded the distinction of becoming an iconic paradigm of humanity […].“  An diesem Aspekt wird sicherlich wieder das Selbstverständnis der Griechen erkennbar, die sich gegenüber den Barbaren als einzig kultivierte Gesellschaft verstanden. Siehe D.P. Bechard, Walls,  – .  Vgl. D.P. Bechard, Walls,  – ; Ders., Rustics,  Anm. ; H.F. Tozer, History,  – .

III. Das Eingreifen der Diener des Gottes Israels

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Unter der Prämisse, Lukas als Schriftsteller der hellenistischen Zeit einzuschätzen¹¹⁹, dem die gängigen Klischeebilder seiner Zeit nicht nur bewusst waren, sondern in Form von Anspielungen oder direkter Konnotation in seinen Erzählungen Widerhall fanden (vgl. Apg 16,19; 17,16.21.22; 19,38; 28,2), sind die aufgezeigten Inhalte als Indizien einer Charakterzeichnung zu werten. Demnach kennzeichnet der Autor des Doppelwerkes die Bewohner Lystras mit der Darstellung überzogener, vielleicht sogar panischer Frömmigkeit (Apg 14,11– 13), ferner mit dem Hinweis auf eine Mundart (Apg 14,11a), die im Sinne einer Abgrenzung von der hellenistischen Kultur verstanden wurde, und nicht zuletzt mit der Nennung eines Götterpaares (Apg 14,12), welches die antike Literatur in einem spezifischen Kontext mit dieser Region verbindet, als Menschen, mit denen sich Paulus kritisch auseinandersetzen muss. Untermauert durch die literarische Form erscheint die Zeichnung der Einwohner von Lystra als abergläubige und einfältige Barbaren folglich als ironische Wendung, die der Autor nutzt, um seinem Leitgedanken auf einen spezifischen Aspekt hin zu lenken, der den eigenen Charakter der vorliegenden Episode (Apg 14,8 – 20) ausmacht.

III. Das Eingreifen der Diener des Gottes Israels 1. Der thematische Gegenstand eines Verstoßes gegen das Wort Gottes Der Übergang zwischen der narrativen Problembeschreibung (Apg 14,11– 13) und dem kommentierenden Ausspruch des Paulus (Apg 14,15 – 17) ist durch einen Wechsel der erzählten Perspektive gekennzeichnet¹²⁰.Waren Paulus und Barnabas in Apg 14,11– 13 nur die Projektionsfläche einer religiösen Fehldeutung durch die Stadtbewohner, geht die anschließende Handlungsfolge (ἀκούσαντες […] διαρρήξαντες […] κράζοντες) ausschließlich von ihnen aus. Dieser Wechsel vom ersten zum zweiten Textabschnitt wird zudem aus der inhaltlichen Abfolge ersichtlich. Während das geschilderte Treiben der Menge perspektivisch auf einen dramatischen Höhepunkt zusteuert (vgl. Apg 14,13b), bleibt dessen Überspitzung¹²¹, die Ausführung der Opferzeremonie, letztlich aus, wodurch ein szenischer Umbruch entsteht. Unterstrichen durch die Abfolge unmittelbaren Erkennens und Ein-

 Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller.  Vgl. C. Blumenthal, Geschichte, .  Dieser Umstand wird im Wechsel zwischen Imperfekt und Aorist erkennbar. Dazu E. Bornemann, Grammatik,  – ; M.Whittaker and H. Holtermann and A. Hänni, Einführung, ; E. G. Hoffmann and H. v. Siebenthal, Grammatik,  – . Das Imperfekt beschreibt ein Ereignis, das zwar in der Vergangenheit begonnen, aber nicht abgeschlossen wurde.

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greifens Seitens der Missionare¹²², markiert Lukas jenen Vers (Apg 14,14) als Übergang zu einem weiteren Erzählabschnitt. Ein inhaltliches Indiz für diesen Wechsel bietet ferner eine zeichenhafte Geste (Apg 14,14b), mit der Paulus und Barnabas eine erste Bewertung der Szene sowie den angesetzten Maßstab der folgenden Rede vermitteln. Die entschiedene Abwehr eines unrechtmäßig ergangenen Zuspruchs göttlicher Natur durch den jeweils betroffenen Menschen ist als Motiv der hellenistischen Literatur durchaus bekannt¹²³.Tatsächlich sind es die Gesten lauten Schreiens oder des Zerreißem von Kleidern, die einen solchen Akt frommer Bescheidenheit begleiten (vgl. Aeschylus, Pers. 198 – 199). Allerdings vermittelt besonders die zuletzt genannte Geste (Apg 14,14b) im jüdisch-christlichen Kontext eine Nuance, die, im Alten Testament angelegt, auch in den synoptischen Evangelien zur Sprache kommt und inhaltlich von der individualistisch ausgerichteten Deutung der hellenistischen Variante abweicht. 2Kön 22,11 beschreibt beispielsweise eine Szene, in der Josia nach dem Fund der Torarolle im Tempel aus Scham und Zorn seine Kleider zerreißt. Diese Reaktion bezieht sich keineswegs auf ein eigenes, respektive konkretes Vergehen des Königs (vgl. 2Kön 22,2). Sie geschieht vielmehr in einsichtiger Stellvertretung für den kontinuierlichen Ungehorsam der Väter gegen das Wort Gottes (2Kön 22,12). Die unmittelbar folgende Beauftragung der Priester und Propheten, einen Weg zu ermitteln, Gottes Zorn von Israel abzuwenden (2Kön 22,13), verdeutlicht, dass er mit dieser Bußgeste nicht allein seine persönliche Rettung anstrebt, sondern vor allem die Bewahrung des gesamten Volkes im Blick hat¹²⁴. Ein ähnlicher Zusammenhang findet sich in der Rede des Propheten Jona gegen das Volk von Ninive (Jon 3,5). Bedroht von Zerstörung und Auslöschung, erkennen die Einwohner jener Stadt ihren Frevel und bekehren sich zu Gott. Die Abkehr von den Götzen sowie die Hinwendung zum Gott Israels (vgl. Jon 3,5b; Jes 58,5; Jer 4,1; Dan 9,3) wird von einer zeichenhaften Handlung begleitet, die der Text als Kleidung in Sack (‫ ) ַשׂק‬bezeichnet. Gleiches fordert Jeremia (Jer 4,8) als Zeichen der Umkehr von ganz Israel, um den drohenden Zorn Gottes abzuwenden. An diesen Beispielen wird deutlich, dass das Zerreißen und Tragen verschlissener Kleider im  Vgl. E. Bornemann, Grammatik,  – . Der Aorist als narratives Tempus beschreibt Handlungen, die in der Vergangenheit begonnen und abgeschlossen wurden. Ferner fungiert die unmittelbare Abfolge eines Imperfekts und Aoristes in der griechischen Literatur als grammatikalisches Mittel, um einen direkten narrativen Ablauf zu erzählen. Dazu Ebda. .  Vgl. C.K. Barrett, Acts , ; A.Weiser, Apostelgeschichte , ; B. Gärtner, Paulus,  – .  Vgl. H. Mödritzer, Stigma, – .. Demnach (vgl. Apg , – ) kann eine Stigmatisierung nicht nur der Kritik einer Gesellschaft dienen, nach deren ethischen wie kulturellen Maßstäben ein Stigma aufgenommen wurde, sondern umgekehrt in der aktiven Aufnahme diese hervorheben und stützen. S.a. W. Lipp, Selbststigmatisierung,  – . – . – ; K. Seybold, Erwählung, ; M. Wolter, Paulus,  – .

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Sinne einer Selbststigmatisierung im Alten Testament einen festen Platz im Umgang mit Verstößen gegen die göttlichen Gebote¹²⁵ einnimmt. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Thema der Erwählung und Heiligkeit Israels, welches wiederum als Grundlage und Voraussetzung für die Existenz des erwählten Volkes zu verstehen ist. Wird dieser Status in Frage gestellt, eine Sorge, die auch den Hohepriester in der Anklage gegen Jesus geleitet haben dürfte¹²⁶ (vgl. Mk 14,63; Mt 26,65), ist folglich nicht nur der einzelne Sünder von Strafe bedroht, sondern immer das gesamte Volk¹²⁷ (vgl. Num 25,1– 9). Besagte Bußgeste signalisiert nicht nur die Erkenntnis des ergangenen Verstoßes¹²⁸, sondern vermittelt zugleich den Willen zur Umkehr bzw. die Hinwendung zu Gott. Dieser Befund über das Verhalten von Barnabas und Paulus (Apg 14,14) impliziert zweierlei Rückschlüsse. Zuerst orientieren sich die beiden Missionare in ihrer Reaktion unmissverständlich an der alttestamentlichen Tradition¹²⁹, die die Erhöhung von Menschen zu Gottheiten (vgl. Apg 14,11b–12) als Gefährdung der Heiligkeit von ganz Israel wertet. Davon abgeleitet ist weiter ein Urteil über das geschilderte Denken sowie den zur Schau gestellten Lebenswandel der Einwohner von Lystra vorweggenommen (Apg 14,11– 13), das dem Leser diese Elemente in einer eindrücklichen Geste als Verstoß gegen die Gebote Gottes vor Augen führt („Βαρναβᾶς καὶ Παῦλος διαρρήξαντες τὰ ἱμάτια αὐτῶν ἐξεπήδησαν εἰς τὸν ὄχλον κράζοντες“). In Anbetracht des kollektiven Charakters der besprochenen Geste (Apg 14,14b), mit der sich die beiden nicht nur selbst vor dem Zorn Gottes zu schützen suchen¹³⁰, sondern zugleich bestrebt sind, den Erwählungsstatus Israels aufrecht zu erhalten, ergibt sich in der konkreten Situation von Lystra ein weiterer Aspekt, der bedenkenswert ist. Während die Beispiele des Alten Testaments sowie die der

 Vgl. H. Mödritzer, Stigma, ; F. Avemarie, Heilig, ; C.K. Barrett, Acts , .  Vgl. J. Gnilka, Matthäusevangelium ,  betont, dass in der Szene des Verhörs Jesu durch die Mitglieder des Synedrions die jüdische Wahrnehmung, die hier Blasphemie vermutet, in Konkurrenz zur christlichen steht, die in Jesus den Christus und damit Gottes Handeln erkennt. Die Forderung nach dem Tod des Frevlers ist indes in Beziehung zu den genannten alttestamentlichen Stellen zu sehen, die den Ausschluss des Angeklagten aus der Heilsgemeinschaft Israels zu deren eigenem Schutz verlangen. Dazu R. Pesch, Markusevangelium , .  Mit M. Wolter, Paulus, .  Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts , ; H. Mödritzer, Stigma,  – ; W. Lipp, Stigma, .  Mit diesem Verhalten der beiden macht Lukas deutlich, dass deren Handeln, respektive Verkündigung (vgl. Apg , – ; ,) und damit auch die im lukanischen Doppelwerk vertretene Theologie in Kontinuität zu jüdischen Heilshoffnungen steht, siehe W. Radl, Paulus, . – .  So R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , .

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Evangelien innerhalb Israels ihren Bezugspunkt haben, wird hier ein primär jüdischer Maßstab gegenüber einer Gruppe angewandt, die ausschließlich aus Nicht-Juden besteht. Zweifelsohne ist der Gott, den Paulus und Barnabas im Evangelium verkündigen (vgl. Apg 14,7), der Gott Israels und die damit verknüpfte Heilshoffnung dürfte ferner kongruent mit denjenigen sein, die Israel für sich in Anspruch nimmt. Die Einbeziehung der Völker¹³¹, so dass auch deren Verhalten besagtes Heil gefährdet, ist indes ein theologisches Novum. Mit diesem Gedanken, der in der unmittelbaren Folge der ersten Missionsreise auf der sogenannten Apostelversammlung diskutiert wird (Apg 15,13 – 21), deutet Lukas bereits während der ersten Schritte der Völkermission die theologische Rückbindung an die Heilserwartungen Israels als Maßstab für den Umgang mit den Völkern an¹³².

2. Der erste Widerspruch von Barnabas und Paulus (Apg 14,15) Dieser Maßstab (vgl. Apg 14,14), der die jüdischen Wurzeln christlichen Denkens und Handelns ausdrücklich hervorhebt, ist für das Verständnis des nachfolgenden Ausspruches (Apg 14,15 – 17) von entscheidender Bedeutung. Anders als gelegentlich vermerkt, handelt es sich bei der kurzen Rede des Paulus nicht um eine „stilisierte Predigt“¹³³, sondern um einen lehrhaften Kommentar. Gemäß dem zu

 Zwar gibt es eine Minimalklausel für das Zusammenleben von Juden und Menschen aus den Völkern (vgl. Lev  – ; Deut ), allerdings handelt es sich dabei eher um ein Ausländergesetz für die Nicht-Juden, die in Israel leben wollen. Die Anwendung auf alle Menschen, wie es später beschlossen wird (vgl. Apg ), ist indes noch nicht vorgesehen.Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , . Für einen Einblick in unterschiedliche Konzepte der Ausweitug des Gottesvolkes seit der Zeit des zweiten Tempels, siehe H. Irsigler, Ein Gottesvolk aus allen Völkern? Zur Spannung zwischen universalen und partikularen Heilsvorstellungen in der Zeit des zweiten Tempels, vgl. H Irsigler, Gottesvolk,  – .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte ,  – . Mit Hilfe der Zitationen aus Am , – LXX und Jer ,; , wird hier (Apg , – ) die Problematik der erweiterten Erwählung der Heiden in einen alttestamentlich-eschatischen Kontext gestellt und so gelöst. Die Rückbindung an Israel als Ausgangspunkt dieser Erwählung bleibt damit unangetastet.  Vgl. Kap. , Anm. . K. Berger, Gattungen,  –  problematisiert den Sachverhalt, der bereits aus der literaturwissenschaftlichen Definition hervorgeht und dazu verleitet all jene Texte als „Predigt“ zu bezeichnen, die ein „wertsetzendes Argumentieren“ (ebda. ; Zitat von H. Cancik, Untersuchungen, ) enthalten. Diese Einordnung bezieht sich offenbar auf ein inhaltliches Motiv, das in unterschiedlichen Formen bzw. Gattungen Gestalt gewinnen kann. Vgl K. Berger, Gattungen, . Explizit christlich wird diese sehr offene Gattung in dem Moment, wo sie mit christlichen Inhalten gefüllt, genauer zur Bekehrung zur christlichen Gottesvorstellung und zur Einhaltung christlicher Werte aufruft (ebda.  – ). Beides ist in den Versen von Apg

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Grunde gelegten chrienartigen Argumentationsschema der Episode¹³⁴ vermittelt der Redeteil als Höhepunkt der Erzählung einen Standpunkt, der als Korrektiv der vormalig geschilderten Problemstellung gegenübersteht. Deutlich wird dieser Gegensatz in der Darstellung einer pointierten Negativposition (vgl. Apg 14,11– 13), der Paulus mit einem aufklärenden Ausspruch entgegnet¹³⁵. Diese innere Abhängigkeit zwischen narrativ ausgeführter Problematik und kommentierender Rede, die stets Bezug nimmt auf eine zuvor formulierte Problemstellung, macht es für die Auslegung der Episode notwendig, die im Text verankerten Motive des behandelten Sachverhalts als Grundlage der Ausführungen des Paulus zu verstehen (Apg 14,15 – 17). Als Aufhänger der problemstellenden Situation dient Apg 14,8 – 18 eine aus der Verkündigung des Evangeliums (vgl. Apg 14,7.9a) heraus wirksam werdende Therapie (Apg 14,9b–10). Die hierin versteckte Information, dass der Glaube an den lebendigen Gott das Movens jener Heilung ist¹³⁶ (Apg 14,9), bereitet den Boden für eine Eskalation, in der die Problemstellung der Diskussion Ausdruck findet. Der jüdisch-christlichen Weltsicht, die der Vollzug der Therapie praktisch ins Recht setzt (vgl. Apg 14,10b), steht eine lokale Glaubensform entgegen (vgl. Apg 14,11– 13), die sich an hellenistischen Naturgottheiten orientiert. Durch die Verknüpfung einer überspitzten Darstellung lokaler Religiosität mit der Anspielung auf einen ortsgebundenen Mythos (Ovid, Met. 8,611– 724) zeichnet der Autor ein Bild der betroffenen Stadtbewohner, das einen ähnlich markanten Charakter aufweist, wie dasjenige, das Lukas dem Leser in den Episoden zu Athen (Apg 17,16 – 34) oder Malta (Apg 28,1– 6) präsentiert. Parallel zu diesen Erzählungen steht auch in Apg 14,8 – 18 die Auseinandersetzung zwischen einer hellenistischen Weltsicht und der jüdisch-christlichen Perspektive im Fokus des Interesses. Allerdings sind es in Lystra nicht die gebildeten Einwohner einer Metropole oder philanthrope Barbaren, die in der Kritik stehen, sondern Menschen, die nach dem hellenistischen Votum als „Hinterwäldler“ oder ungebildete „Barbaren“ zu bezeichnen sind. Die vorangegangene Analyse von Apg 14,11– 13 legt den Schluss , –  nicht gegeben. Wird der Text indes in den Rahmen antiker Chrien sowie deren Variationen gestellt, so kann es sich bei der Rede des Paulus nur um den abschließenden Kommentar handeln, der die vorherigen Ereignisse, zu denen der Hinweis auf eine christliche Predigt zählt (vgl. Apg , – ), erklärt, selbst aber keine Ambitionen aufweist missionarisch als Predigt zu dienen. Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – ; K. Berger, Gattungen,  – .  S.o. S.  f.  Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – . M. Dibelius, Reden,  –  merkt an, dass der Autor in seinen Reden weder „parteilos“ sei, noch ein Interesse an einer objektiven Beleuchtung eines Sachverhalts habe. Ziel sei das „Werben“ für seinen Standpunkt, ein Umstand, der mit der Intention der antiken Chreia korrespondiert.  Ausführlich, siehe G. Theißen, Wundergeschichten,  – .

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nahe, dass die beschriebenen Menschen als einfältiges, wenngleich frommes Volk zu verstehen sind, deren kulturelles Milieu Aberglaube und Traditionen prägen. Folglich ist der thematische Rahmen, in dem die Fehldeutung der Einwohner von Lystra stattfindet, klar umrissen und muss, entsprechend der Konventionen der Textgattung, auch die Gegenrede der Missionare prägen. Paulus eröffnet seine Rede mit einer Bestärkung des zeichenhaft vorgeführten Urteils (Apg 14,14) über das Verhalten der Einwohner von Lystra (vgl. Apg 14,15a). Die pointierte Frage¹³⁷ „τί ταῦτα ποιεῖτε;“, die den Ausspruch einleitet, ist an eine alttestamentliche Formulierung angelehnt¹³⁸, die auch im lukanischen Doppelwerk wiederholt begegnet (vgl. Lk 2,48; Apg 3,12). Häufig im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen Gott oder dessen Gebote genutzt (vgl. Ri 18,18; 1Sam 2,23; Neh 2,19), unterstreicht diese Wendung als Ausdruck einer Anklage, Kern und Maßstab der Diskussion. Durch die direkte Anrede der Menge, erregt dieses Stilmittel nicht nur die Aufmerksamkeit der Menge, sondern nimmt ferner Bezug auf das Geschehen. Der so implementierte Grundton, der an das kopfschüttelnde Resümee eines Erziehers über das Verhalten seines Schülers erinnert, ist in der gewählten literarischen Form angelegt und verleiht der Erzählung einen humoristischen Zug¹³⁹. Unmittelbar an die Frage angeschlossen, erörtern Barnabas und Paulus zunächst ihre Identifikation mit den Gottheiten Zeus und Hermes (Apg 14,15b). Dazu wird die ursprüngliche Formulierung der Stadtbewohner (Apg 14,11b: „οἱ θεοὶ ὁμοιωθέντες ἀνθρώποις“) aufgenommen und in korrigierter Form auf den Ausgangspunkt der Ereignisse ausgerichtet („ἡμεῖς ὁμοιοπαθεῖς ἐσμεν ὑμῖν ἄνθρωποι εὐαγγελιζόμενοι“). Dieser Parallelismus, der die Meinung der Stadtbewohner der Aussage des Paulus gegenüberstellt, betont den wahrheitsgemäßen Mehrgehalt der christlichen Perspektive und qualifiziert zugleich ersteren Standpunkt als grundsätzlich fehlerhaft. Mitnichten sind die Götter den Menschen gleich geworden (Apg 14,11b). Vielmehr erweisen sich Paulus und Barnabas gleich der Menge als sterbliche Menschen, die jedoch als Zeugen und Künder des Wortes Gottes auftreten. Die Betonung dieses Handlungsfeldes („εὐαγγελιζόμενοι ὑμᾶς

 Die Formulierung „ἀκούσαντες δὲ οἱ ἀπόστολοι“ (vgl. Apg ,) macht deutlich, dass Barnabas und Paulus umfassend über die Situation im Bilde sind, eine informative Nachfrage demnach nicht notwendig ist. Zudem lässt die unmittelbare Abfolge von Frage und Rede, angezeigt durch das verbindende „καί“ keinen Raum für eine Intervention der Stadtbewohner, weshalb dieser Befund wahrscheinlich ist. Vgl. B. Sowinski, Stilistik, .  Vgl. R. Pesch, Kind,  – ; M. Wolter, Lukasevangelium, .  Vgl. K. Berger, Gattungen, . R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  merkt an, dass eine Chreia niemals neutral, sondern immer wertend und stilisiert ist. Dazu Lucian, Demonax, ; Philostratus, Vit. Ap., ,; Diogenes Laertius, ,.

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ἀπὸ τούτων τῶν ματαίων ἐπιστρέφειν ἐπὶ θεὸν ζῶντα“) ist bemerkenswert, da es die wesenhafte Gleichheit der interagierenden Figuren letztlich wieder relativiert. Die Bezugslinie zwischen dieser Beschreibung der Tätigkeit der beiden und der anfänglich berichteten Therapie ist deutlich. Paulus und Barnabas sind ihrem Wesen nach einfache Menschen, denen keinerlei göttliche Macht oder Zauberei zu Eigen ist. Als Künder des Evangeliums, dem wirksamen Ausgangspunkt der Heilung des Gelähmten (Apg 14,9 – 10), werden die beiden Männer jedoch als Vertreter der theologischen Leitlinie von der Menge abgehoben.

3. Die Erläuterung des λόγος τοῦ θεοῦ An diesen Gedanken knüpfen die folgenden Aussagen an, die in einer teils polemisierenden Sprache, das nur in einem Nebensatz vermerkte Evangelium (λόγος τοῦ θεοῦ) mit Inhalt füllen (vgl. Apg 14,7– 8). Der erste und damit grundlegende Aspekt der Verkündigung läuft in dem Lexem ἐπιστρέφω (Apg 14,15b) zusammen. In diesem Verbum, das von Lukas bevorzugt in der Bedeutung einer Bekehrung von den Götzen zu Gott hin genutzt wird¹⁴⁰, ist Ziel und Zweck der missionarischen Verkündigung genannt. Abhängig von dieser Funktion ist ein weiterer Parallelismus aufgeführt, der die religiösen Vorstellungen der Einwohner von Lystra dem alttestamentlichen Vorbild folgend als „μάταια“ bezeichnet (vgl. Ps 5,10; 11,3; Am 2,4; Jer 10,15; 28,18LXX; Ez 8,10; 13,16), der jüdisch-christlichen Wirklichkeit¹⁴¹ gegenüberstellt. Mit zuerst genanntem Begriff (μάταιος) nahm Lukas einen Septuagintismus¹⁴² auf, der in einem streitbaren Ton¹⁴³ die Summe fremder Götter als nichtig, wahrheits- und existenzlos zusammenfasst. Mit der Wahl gerade dieses Begriffes werden die religiösen Vorstellungen der Einwohner von Lystra in harscher Weise als fehlerhaft vorgeführt, wohingegen die Klimax des verwendeten Parallelismus¹⁴⁴ den lebendigen Gott als Wahrheit etabliert. Dieser grundlegenden Revision des beschriebenen Denkens der Einwohner von Lystra folgt eine Kette von Erläuterungen (Apg 14,15c), mit der Paulus auf

 ἐπιστρέφω wird elf Mal in der Apostelgeschichte verwendet. Davon wird es nur drei Mal in einer säkularen Bedeutung, wie „aufbrechen“, „umdrehen“ oder „hinwenden“, genutzt (Apg ,; ,; ,). In den restlichen acht Fällen (Apg ,; ,; ,; ,; ,; ,; ,; ,) bezeichnet es die Umkehr zu Gott. Ferner Thess ,. Vgl. J. Woyke, Götter,  – ; S. Légasse, ἐπιστρέφω,  – .  Vgl. C. Breytenbach, Paulus,  – .  Siehe J. Woyke, Götter,  – ; O. Bauerfeind, μάταιος,  – .  W. Bauer, WzNT, ; H. Balz, μάταιος, ; O. Bauerfeind, μάταιος,  – .  Vgl. B. Sowinski, Stilistik, .

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einzelne Aspekte deren konträrer Weltsicht eingeht. Der lebendige Gott, der zuvor als inhaltlicher Mittelpunkt des Evangeliums definiert wurde (Apg 14,15b), erhält in der Darstellung als umfassender Schöpfer des Kosmos („ὃς ἐποίησεν τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν καὶ πάντα τὰ ἐν αὐτοῖς“) zunächst eine alttestamentliche Konnotation¹⁴⁵ (vgl. Gen 1; Ex 20,11; Ps 146,6). In dieser Rolle, in der er Leben schafft und kontinuierlich ermöglicht, ist er als direkte Konkurrenz zu Zeus und Hermes zu verstehen¹⁴⁶, die er qualitativ überflügelt. Die ausdrückliche Identifikation des lebendigen Gottes als Garant menschlichen Lebens stößt das Weltbild der Einwohner von Lystra kurzerhand um, da die einheimischen Gottheiten, ihres Aufgabenbereiches beraubt¹⁴⁷, keinerlei Existenzrecht besitzen. In der vom Gott Israels geschaffenen Welt, in der Himmel, Erde, Wasser und Leben durch sein Wort (vgl. Gen 1,1– 2,4) in geordneten Bahnen laufen, bleibt keinerlei Platz für das Handwerk funktionalisierter Wettergottheiten wie Zeus und Hermes. Damit greift Lukas auf eine jüdische Grundeinsicht zurück, die keinen Zweifel daran lässt, dass der im christlichen Evangelium verkündete Gott gleichermaßen derjenige ist, auf den Israel seine Hoffnung setzt und dessen Anspruch als Schöpfer auf den Kosmos konsequent das Weltbild der Stadtbewohner obsolet macht¹⁴⁸.

4. Die Nichtigkeit des Weltbildes der Einwohner von Lystra Nachdem das Missverständnis, Barnabas und Paulus seien hellenistische Gottheiten (vgl. Apg 14,11– 12), ausgeräumt wurde (Apg 14,15), wendet sich Paulus der ursächlichen Motivation für das Verhalten der Stadtbewohner zu (Apg 14,16 – 17). Diese liegt, wie in der Anspielung auf die Erzählung von Philemon und Baukis impliziert (Ovid, Met., 8,611– 724), in einem Wechselspiel zwischen Lohn und Strafe begründet. Aus Furcht vor möglichen Repressalien, die aus ungebührlichem Verhalten gegenüber den vermeintlichen Lebensspendern resultieren können, sind die Einwohner von Lystra bereit, ein ungewöhnliches Ereignis ohne nähere Prüfung als Beweis für deren Inkarnation anzunehmen und ausschweifend zu verehren (vgl. Apg 14,13 – 14). Auf dieses Gebaren wird mit einer Gegenposition

 Vgl. C.K. Barrett, Acts , .  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; C. Breytenbach, Zeus,  – .  Vgl. C. Breytenbach, Paulus,  – ; Ders., Zeus,  – .  So J.A. Fitzmyer, Acts, . C. Breytenbach, Paulus,  ergänzt, dass Regen und die daraus resultierende Ernte aus jüdischer Perspektive stets als Geschenk des gnädigen Gottes zu sehen sind (vgl. Deut , – ).

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reagiert, die erneut auf alttestamentlichem Gedankengut beruht und den Gott Israels als Hüter menschlichen Lebens bekräftigt. Die Feststellung, dass Gott die Völker in der Vergangenheit ihre eigenen Wege hat gehen lassen (Apg 14,16), korrespondiert mit dem jüdischen Geschichts- und Erwählungsdenken (vgl. Gen 12,2; Deut 26,19; Jer 2,3; Ez 28,25; 37,28). Nur Israel wurde unter allen Völkern von Gott auserwählt, während die „ἔθνη“ bzw. „‫ “ ֹגּיִים‬auf sich gestellt außerhalb des Heils blieben¹⁴⁹. Dieses Element einer jüdisch-christlichen Weltanschauung ist deshalb in einem eigenen Vers (Apg 14,16) betont, weil es, verknüpft mit den Aussagen in Apg 14,17, den Anspruch der Einzigkeit des Gottes Israels so erhärtet (vgl. Ex 20,2 – 3; Deut 5,6 – 7), dass jeglicher fremde Kult ausgeschlossen ist. Die Menschen von Lystra gehören aus offensichtlichen Gründen (vgl. Apg 14,11– 13.16) nicht zum auserwählten Volk Gottes, weshalb ihr kultisches Handeln nicht nur den falschen Göttern gewidmet und damit nutzlos ist, sondern zugespitzt eine Gotteslästerung darstellt (vgl. Apg 14,14). Damit befinden sie sich allerdings von altersher („ἐν ταῖς παρῳχημέναις γενεαῖς“) in einem Zustand¹⁵⁰, den sie mit ihrer angstvollen Verehrung der beiden Missionare als Zeus und Hermes eigentlich verhindern wollten. Zusammen mit den Ausführungen in Apg 14,17 relativiert diese Anmerkung, die von der Nichtigkeit „heidnischer“ Gottesvorstellungen ausgeht, die Motivation der Einwohner von Lystra, ihren Göttern zu opfern und entzieht so auch dem letzten Teil ihres Weltbildes den Boden.

5. Das Selbstzeugnis des Gottes Israels als Schöpfer In diesem Punkt erhält die kontrovers diskutierte Anmerkung der Selbstbezeugung Gottes in der Schöpfung im Sinne einer umgekehrten Beweisführung Relevanz¹⁵¹. Die Vermutung, hier eine Adaption natürlicher Theologie nach hellenistischem Vorbild vorzufinden¹⁵², erscheint vor dem Hintergrund der beschriebenen Rückbindung an die alttestamentlichen Traditionen (vgl. Apg  Ausdrücklich C.K. Barrett, Acts , .  Die häufig anzutreffende Vermutung, in Apg , die Akklamation des Zeitenwechsels zu erkennen (vgl. J.A. Fitzmyer, Acts, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ), basiert auf der fälschlichen Annahme, es handele sich bei Apg , –  um eine christliche Predigt (s.o. Kap. , Anm. ).  Vgl. O. Wischmeyer, Gottesglaube,  – ; E. Lerle, Predigt in Lystra, ; C.K. Barrett, Acts , .  So vermuten es J. Quirmbach, Lehre, . J.K. Fitzmyer, Acts,  merkt an, dass „in such natural blessings God has left traces of his deity“. So auch A. Weiser, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; M. Öhler, Barnabas, ; U. Schnelle, Theologie,  – .

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

14,14.15) eher unwahrscheinlich. Die Idee einer Erkenntnis Gottes aus den Werken der Natur heraus ist, wenn überhaupt, parallel zur alttestamentlichen Völkerpolemik zu sehen¹⁵³, die diese Thematik zwar anspricht, sie allerdings ausdrücklich verwirft. Entsprechend nimmt SapSal 13,6 – 19 zwar das Motiv natürlicher Erkenntnisfähigkeit auf („[…] πλανῶνται θεὸν ζητοῦντες καὶ θέλοντες εὑρεῖν“), gelangt jedoch zu dem Schluss, dass am Ende stets die fälschliche Verehrung einzelner Naturkräfte¹⁵⁴ durch den Menschen steht. Es finden sich in der jüdischen Literatur noch weitere Beispiele, die das Thema in ähnlicher Weise beurteilen und einhellig zu dem Ergebnis kommen, dass der Versuch einer natürlichen Gotteserkenntnis ausgeschlossen ist¹⁵⁵. Übertragen auf Apg 14,8 – 18 erwächst aus diesem Motiv alttestamentlicher Völkerpolemik¹⁵⁶ eine weitere Richtlinie für die Bewertung des Verhaltens der Einwohner von Lystra. Es geht in diesem Vers (Apg 14,17) auch nicht um die Frage, weshalb die Stadtbewohner Gott noch nicht erkannt haben oder nicht erkennen konnten. Vielmehr liegt dessen Bedeutung in dem Lexem „ἀμάρτυρος“ (Apg 14,17a) verborgen. Dieses Adjektiv, dass zumeist mit „nicht unbezeugt“ oder „nicht ohne Bezeugung gelassen“ übersetzt wird, steht immer in enger Beziehung zu einer Person¹⁵⁷, die aktiv bezeugt und eben jener Sache, die bezeugt wird. Beide notwendigen Bezugspunkte sind schnell ausgemacht: Gott (wer?) ist derjenige, der sich selbst, entsprechend dem inhaltlichen Kontext, als Schöpfer des Kosmos (was?) bezeugt, was wiederum darin Ausdruck findet, dass er auch den Völkern Regen, Erntezeiten und Herzensfreude schenkt¹⁵⁸. Mit dem Hinweis auf die Berücksichtigung der Völker, die weder erwählt noch an einem angemessenen Kult beteiligt sind, widerlegt Paulus final die kausale Wechselwirkung, die von den Einwohnern von Lystra zwischen ihrem religiösen Verhalten und den Heilszuwendungen der Götter gedacht wurde. Darüber hinaus ist der Gott, der Gegenstand des λόγος τοῦ θεοῦ ist, eindeutig mit dem Gott Israels identifiziert, der als Schöpfer der Gott aller Menschen ist.

 Vgl. C. Bussmann, Missionspredigt,  – ; F.W. Horn, Götzendiener,  – ; K. Backhaus, Kirchengeschichte, ; B. Gärtner, Areopagus Speech, ; R. Gebauer, Gottesverwandtschaft,  – ; W. Stenger, Gottesbezeichnung,  – .  Vgl. D. Winston, Wisdom,  – .  Vgl. SapSal , – ,.; , – ; Orac. Sib. , – . Ferner C. Bussmann, Missionspredigt,  – .  Vgl. C. Bussmann, Missionspredigt,  – .  Vgl. W. Bauer, WzNT, .  Ebda. ; B. Gärtner, Areopagus Speech,  – . Die darin sichtbar werdende Vorstellung einer kontinuierlichen Zuwendung Gottes zu seiner Schöpfung ist indes nichts Neues, sondern bereits in der Theologie des Alten Testaments verankert (vgl. Ps ; ). Dazu K. Löhning and E. Zenger, Anfang,  – .

III. Das Eingreifen der Diener des Gottes Israels

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6. Das Motiv mangelnder Einsicht (Apg 14,18) Obwohl mit diesem Fazit die Rede und damit der argumentative Ablauf der Erzählung einen Höhepunkt gefunden haben, verlängert Lukas die Episode durch einen Nachtrag, der die Reaktion der Menge beschreibt. Wie bereits in der formkritischen Einordnung der Perikope angesprochen, besteht die Intention der Gattung in der überzeugenden Darlegung eines Standpunktes, der eine fehlerhafte Denkweise korrigiert¹⁵⁹. Umso überraschender ist es, dass der Autor die Stadtbewohner diesem Konzept nicht folgen lässt, sondern ihr Verharren in den widerlegten Verhaltensmustern konstatiert („καὶ ταῦτα λέγοντες μόλις κατέπαυσαν τοὺς ὄχλους τοῦ μὴ θύειν αὐτοῖς“). Offenbar sollen sie vom Leser, parallel zu den Athenern (vgl. Apg 17,32a) oder den menschenfreundlichen Barbaren auf Malta (vgl. Apg 28,6), als Menschen wahrgenommen werden, die in ihren religiösen Strukturen unbeweglich verankert und selbst für eine sachliche Erklärung nicht zugänglich sind¹⁶⁰. Trotz der Erläuterung über den eigentlichen Ablauf der Therapie sowie der Analyse des fehlerhaften Kerns ihres religiösen Weltbildes, halten sie an dem Gebaren fest, das von Barnabas und Paulus als ματαία entlarvt wurde. Mit diesem eigenwilligen Verhalten schließt sich der Kreis, in dem Lukas das sorgsam gezeichnete Bild jener einfältigen und abergläubischen Menschen behandelt. Die Ironie, die in der Darstellung einer Volksgruppe erkennbar wird, die aus Angst vor einer Sintflut (vgl. Ovid, Met., 8,611– 724) voreilig Menschen mit Göttern identifiziert (vgl. Apg 14,11b), erscheint in diesem Anhang nochmals verschärft. Über die irrationale Furcht vor nichtigen Gottheiten hinaus, erweisen sie sich als taub gegenüber einer sachlichen Darlegung, die ihnen eine Wahrheit vor Augen führt, die ihre Ängste entkräften und ein angenehmes Leben ermöglichen würde („ἐμπιπλῶν τροφῆς καὶ εὐφροσύνης τὰς καρδίας ὑμῶν“). Im Sinne eines wertenden Schlusswortes (vgl. Claudius Aelianus, Var. Hist., 13,28) erweisen sich in der Begegnung mit dem lebendigen Gott nicht nur die Taten, sondern das gesamte Wesen der Einwohner von Lystra als „ματαία“.

 S.o. S.  ff.  Vgl. C. Oerder, Paulus, ; J.A. Fitzmyer, Acts, . R. Pesch, Apostelgeschichte ,  merkt zu Recht an, dass hier (Apg ,) die Verankerung der Bevölkerung in der heidnischen Religion als auschlaggebender Grund für den missionarischen Misserfolg des Evangeliums angeführt ist (vgl. Apg ,). Ähnlich J. Roloff, Apostelgeschichte, , der allerdings den Ausspruch als Missionspredigt deutet und damit den argumentativen Schwerpunkt verschiebt.

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

IV. Apg 14,19 – 20 als thematische Ergänzung 1. Das Evangelium des Paulus und die Juden aus Antiochia und Ikonion Abschließend sind die beiden Folgeverse Apg 14,19 – 20 in den Blick zu nehmen, die als scheinbar eigenständige Episode den Aufenthalt von Barnabas und Paulus in Lystra beschließen. Für einen thematischen Neueinsatz spricht neben der Implementierung neuer Protagonisten (vgl. Apg 14,19a: „ἐπῆλθαν δὲ ἀπὸ ᾿Aντιοχείας καὶ Ἰκονίου Ἰουδαῖοι“) auch die zeitliche Distanz, die die Nennung des Reiseweges (vgl. Apg 14,19a) impliziert¹⁶¹. Formal sind in dieser kurzen Episode zahlreiche Motive festzustellen, die die Verse der Gattung der „Normwundererzählungen“¹⁶² zuweisen. Gleich den Therapien und Exorzismen ist auch in diesem Fall nach der Abhängigkeit dieser kurzen Erzählung zu fragen¹⁶³. Es liegt nahe, diese notwendige Beziehung in der kontextuellen Rückbindung an die erste Lystraepisode (Apg 14,8 – 18) zu vermuten, da der Text weder einen kerygmatischen Abschluss noch einen Anknüpfungspunkt zur übergeordneten Reiseerzählung aufweist¹⁶⁴. Motivisch wird in dieser Episode ein weiteres Mal die Auseinandersetzung zwischen Paulus und einer Gruppe von Juden aufgegriffen (vgl. Apg 13,50 – 51; 14,4– 5; 17,5 – 9). Allerdings steht der Konflikt dank des vorgegebenen Settings nunmehr in einem größeren theologischen Kontext, der im Kern die Frage nach der Teilhabe der Christen an der Erwählung Israels¹⁶⁵ betrifft. Bereits die Apostel Petrus und Johannes erdulden, trotz oder gerade wegen ihres Gehorsams gegenüber dem Willen des Gottes Israels (vgl. Apg 4,21; 5,40), harsche Strafen. Stephanus wird sogar auf dem Hintergrund des gleichen Sachverhalts von einer

 Siehe M. Öhler, Barnabas, .. R. Pesch, Apostelgeschichte ,  führt das Fehlen von Barnabas als Indiz für die temporale Distanz an. Ferner Kap. , Anm. ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; M. Öhler, Barnabas, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  K. Berger, Gattungen, . Es ist auffällig, dass Barnabas in diesem Abschnitt keinerlei Rolle spielt (vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ), allerdings weisen die aufgezeigten Motive und inhaltlichen Verbindungslinien zu dieser formkritischen Entscheidung, die zumindest eine konzeptionelle Abhängigkeit zwischen Apg , –  und Apg , –  nahelegt.  Dieser Aspekt wäre indes die Voraussetzung für eine Selbstständigkeit der Episode. Dazu K. Berger, Gattungen,  – ; G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. W. Radl, Paulus,  – . Hier wird eben dieser Sachverhalt als eines der wiederkehrenden Motive des lukanischen Doppelwerkes festgestellt. S.G. Wilson, Gentiles, ; M. Wolter, Paulus,  – . – .

IV. Apg 14,19 – 20 als thematische Ergänzung

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Gruppe Juden gesteinigt (vgl. Apg 6,8 – 7,60). Nunmehr Paulus in einer ähnlichen Situation zu erleben (Apg 14,19 – 20) erscheint mehr als nur Zufall zu sein. Dabei ist bemerkenswert, dass eine Steinigung gemäß den Gesetzen des Alten Testaments nicht der Ahndung allgemeiner Verbrechen dient (vgl. Lev 20,2.27; 24,14.16; Deut 13,11; 17, 3 – 5). Deren Anwendung bleibt ausschließlich auf Vergehen beschränkt, die einen direkten Verstoß gegen die religiösen Gebote Gottes darstellen¹⁶⁶. Der letale Aspekt ist in diesem Zusammenhang nur die finale Begleiterscheinung. Hintergrund dieser symbolisch aufgeladenen Handlungsweise ist die Furcht, durch die Sünde eines Einzelnen die Heiligkeit und damit die Existenz des gesamten Volkes zu gefährden¹⁶⁷ (vgl. Num 25,11; 1Makk 2,24– 27). Folglich wird das Hauptanliegen jenes Vorgehens in der Ab- und Ausgrenzung des Frevlers zu sehen sein, der auf diese Weise aus der Volks- und damit der Heilsgemeinschaft entfernt wird. Parallel zu den Ereignissen in Apg 3 oder Apg 6,8 – 7,60 geht der Konflikt, der Paulus in Lystra einholt,von der vormaligen Verkündigung des λόγος τοῦ θεοῦ aus (vgl. Apg 14,1), der von einigen Juden abgelehnt und verfolgt wird (Apg 14,2– 3). Anders als Stephanus überlebt Paulus die Steinigung und geht, bevor er seine Reise fortsetzt, noch einmal in die Stadt hinein (vgl. Apg 14,20a). In dieser Abfolge, Steinigung, Rückkehr in die Stadt und dann erst die Weiterreise, ist trotz der Kürze des Textes ein starkes Argument sowohl für die konstatierte Gattung der Normwundergeschichte als auch für die kontextuelle Rückbindung an die erste Lystraepisode (Apg 14,8 – 18) gegeben. Zunächst ist diese Kategorie weitaus stärker als Therapien oder Exorzismen auf das abhängige Verhältnis zwischen Gott und Mensch ausgerichtet¹⁶⁸. Entsprechend betonen solche Erzählungen eine von Gott festgesetzte Norm, die in Wort und Tat, aber auch am Wundertäter selbst, für die Umwelt sichtbar wird. Dieser Gattung wohnt folglich ein argumentativer Charakter inne, der vornehmlich dazu dient, eine bestimmte Position im Rahmen eines Streitfalls als rechtmäßig zu bestimmen¹⁶⁹.

 Dazu D. Piattelli, Religionsvergehen , .  Vgl. O. Kaiser, Gott,  – ; D. Piattelli, Religionsvergehen , ; K. Grünwaldt, Heiligkeitsgesetz,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Die Motive eines Normwunders, genauer einer bestrafenden Normwundergeschichte (vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, ), dienen der Gegenüberstellung zweier diametral verschiedener Positionen, über die die Gottheit mit einer Wunderhandlung symbolisch entscheidet. Folglich sind die Gegner des Völkermissionars als Vertreter des negativen Standpunktes von erheblicher Bedeutung für die Auseinandersetzung. Die Tatsache, dass Paulus, und damit seine Position, nicht eingeführt werden, spricht für die Abhängigkeit der zweiten Episode. Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts ,  – .

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3. Die Lystraepisode (Apg 14,8 – 20)

Dieser Fall scheint auch in Apg 14,19 – 20 gegeben zu sein. Im Zusammenhang einer für Christen und Juden existenziellen Auseinandersetzung wird Paulus gesteinigt, d. h. aus der Heilsgemeinschaft Israels ausgestoßen, und das Evangelium als heilsschädlich verurteilt. Zwar wird keinerlei epiphanes Eingreifen Gottes berichtet¹⁷⁰, allerdings genügt das Wissen des Lesers um den Status des Paulus als Zeuge und Gesandter Gottes, um dessen Unversehrtheit zu erklären. Dessen unmittelbares Aufstehen (Apg 14,20) widerlegt das Urteil der Juden umfänglich, womit Lukas einmal mehr verdeutlicht, dass Paulus wie dessen Verkündigung dem Willen Gottes entsprechen.

2. Der Weg zu den Völkern Das festgestellte Thema dieses kurzen Anhanges (Apg 14,19 – 20) zeigt den Anknüpfungspunkt auf, der thematisch den Konflikt zwischen Paulus und den antiochenischen Juden mit der vormalig besprochenen Auseinandersetzung mit den Einwohnern von Lystra verbindet (Apg 14,8 – 18). Paulus tritt hier zum ersten Mal in einem kulturellen Milieu auf, welches ausschließlich von einem hellenistisch geprägten Lebenswandel bestimmt wird. Abweichend von anderen Erzählungen der Apostelgeschichte (vgl. Apg 14,1; 17,1.10; 18,4; 19,8), beginnt Paulus die Mission nicht in der örtlichen Synagoge, um zunächst Juden und Proselyten vom Wort Gottes zu überzeugen. Zwar ist der Auftrag, nunmehr die Völker zu bekehren respektive sie in die Gemeinschaft Israels aufzunehmen, ausdrücklich von Gott gewollt und literarisch ausführlich vorbereitet (vgl. Apg 1,8; 9,15; 10), allerdings zeigt sich die konkrete Umsetzung dieses Schrittes als markante Wendung innerhalb der erzählten Epochengeschichte¹⁷¹. Unter dieser Prämisse scheint es Lukas daran gelegen zu sein, ein doppeltes Ausrufezeichen zu setzen. Zum einen, und daran lassen die Ausführungen zu Apg 14,8 – 18 keinerlei Zweifel, betont er die theologische Rückbindung des λόγος τοῦ θεοῦ an das Alte Testament (vgl. Apg 14,14– 17), von dem seine Paulusfigur nicht einen Schritt abweicht. Seien es Gesten (Apg 14,14) oder erläuternde Ausführungen über den Inhalt des Evangeliums (Apg 14,15 – 17), der Wille Gottes, der nunmehr auch die Völker einbezieht, gilt als universeller Maßstab für die Wertung der Realität. Die Verehrung anderer Götter, die gemäß der alttestamentlichen Völ-

 Dabei ist dieses Motiv durchaus üblich für diese Variante einer Wundergeschichte. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, ; K. Berger, Gattungen, .; Ders., Studien,  – .  Damit ist es nicht nur die Rede, die Lukas als Höhepunkt im zeitlichen Ablauf seiner Erzählung hervorhebt, sondern die gesamte Epsiode Apg , – . Zur Verwendung und Gewichtung der Reden in der Apostelgeschichte, s.o. S.  ff.

IV. Apg 14,19 – 20 als thematische Ergänzung

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kerpolemik nie mehr als Aberglauben und Verwechslung sein kann (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19; Jer 10,9; Bar 6,45 – 46), wird darin als Trennlinie erkennbar, die die Christen zusammen mit den Juden von den Völkern unterscheidet. Zugleich hat jener Auftrag Gottes, sich nunmehr auch den Völkern zuzuwenden (vgl. Apg 1,8; 9,15; 10), Gültigkeit und stößt auf Seiten der Juden auf teils heftigen Widerstand. Diesen Konflikt (vgl. Apg 14,4– 6; 19,8 – 9), den Lukas immer wieder anspricht, behandelt der Autor in Apg 14,19 – 20 in der Gestalt eines Normwunders. Im Unterschied zu den Bekundungen von Petrus und Johannes, in ihrem Handeln nur dem Willen Gottes zu gehorchen (vgl. Apg 4,20; 5,29), ist es in Lystra der Gott Israels selbst, der zeichenhaft für den von Paulus vertretenen Weg einsteht. Gemäß der argumentativen Form einer Normwundererzählung grenzt sich Gott selbst von dem Urteil jener Juden aus Antiochia und Ikonion ab, die das Evangelium als Gefahr für die Heiligkeit Israels erachten¹⁷². Mit dieser doppelten Pointe, die Lukas durch die enge Verbindung dieser beiden Erzählungen erzielt, legt er ein Paradigma fest, auf dessen Grundlage Paulus zu den Völkern spricht. Hervorgehoben durch die Verwendung des dramatischen Episodenstils macht Lukas deutlich, dass das Festhalten der beschriebenen Menschen an einem Lebenswandel, der sich an Mythen und Aberglauben orientert (vgl. Apg 14,18), ebenso nichtig ist wie die Furcht einiger Juden, der λόγος τοῦ θεοῦ gefährde die Heiligkeit Israels.

 Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .

4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22) I. Zur Form und Konstruktion von Apg 16,16 – 22 1. Einordnung und Abgrenzung der Erzählung Apg 16,16 – 22 Mit Apg 16,16 – 22 ist eine weitere Erzählung zu nennen, in der Lukas eine kontroverse Begegnung zwischen Paulus, Evangelium und einer Gruppe der Völker thematisiert. Anders als im Fall der Erzählung von Lystra (Apg 14,8 – 20; siehe ferner: 17,16 – 34) handelt es sich bei den angegebenen sieben Versen, die zumeist ihrem Inhalt nach als „Exorzismus“ beschrieben werden¹, nicht um eine herausgehobene Einzelepisode, sondern um einen vorangestellten Erzählabschnitt, der den längeren Erzählzusammenhang Apg 16,16 – 40 eröffnet. Als unmittelbare Reaktion auf den Exorzismus einer besessenen Magd (vgl. Apg 16,18), werden Paulus und seine Begleiter von deren Besitzern der Störung des öffentlichen Friedens angeklagt und geschlagen (vgl. Apg 16,20 – 22). Darauf folgt ein weiterer Erzählabschnitt (Apg 16,23 – 34), der den Aufenthalt des Paulus im Gefängnis, ein Befreiungswunder² (vgl. Apg 16,26) sowie einen Dialog zwischen diesem und seinem Gefängniswärter schildert. Am Ende des Erzählstranges (Apg 16,35 – 40) steht eine erneute Auseinandersetzung zwischen Paulus und den Stadtoberen, die, als rechtsbrüchig offenbart (vgl. Apg 16,37– 38) ihn rehabilitieren und ziehen lassen. Das Vorgehen, dieses literarische Gefüge (Apg 16,16 – 40) nunmehr zu zerteilen, bedarf freilich einer Begründung. Diese ist umso dringlicher zu fordern, wenn der abgegrenzte Erzählabschnitt (Apg 16,16 – 22) außerhalb des Erzählflusses der Haupthandlung einer thematischen Reihe beigeordnet werden soll³. Neben dem Nachweis, dass diesem Textabschnitt eine eigene inhaltliche Absicht innewohnt, muss im Sinne einer zweiten Bedingung gesichert sein, dass dieser Gegenstand auch unabhängig von der restlichen Erzählung ersichtlich wird.

 So A. Weiser, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  f; R. Kratz, Rettungswunder,  – ; S. Schreiber, Paulus,  – .; J. Zmijewski, Apostelgeschichte, .  So A. Weiser, Apostelgeschichte , . – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, . – ; S. Schreiber, Paulus,  D. Piattelli, Religionsvergehen , . Zum Aufbau und den Funktionen einer Befreiungswundergeschichte, siehe G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Siehe zur Begriffsklärung, wie auch zur Einordnung E. Plümacher, Schriftsteller,  – . – . Diese Zuordnung nimmt indes auch S. Schreiber, Paulus,  vor. DOI 10.1515/9783110458039-004

I. Zur Form und Konstruktion von Apg 16,16 – 22

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Tatsächlich scheint eine getrennte Lektüre der einzelnen Erzählabschnitte von Apg 16,16 – 40 bereits in dem Umstand intendiert, dass sich Apg 16,16 – 22 und Apg 16,23 – 40 nur im unmittelbaren Übergang (Apg 16,22– 23) inhaltlich berühren⁴. Die zeitliche Abfolge, welche die geschilderten Ereignisse kausal miteinander verknüpft, wird von Lukas zu einer Trennlinie ausgeführt. In der Gestalt einer Rekapitulation („πολλάς τε ἐπιθέντες αὐτοῖς πληγὰς“) resümiert der Autor nochmals die Ereignisse, die zuvor zu lesen waren (vgl. Apg 16,22 par. Apg 16,23a). Dieser Schritt unterbricht den Erzählfluss und signalisiert dem Leser einen thematischen Neuansatz. Gleiches gilt für das Motiv auf- und abtretender Erzählfiguren, die nicht zuletzt im Kontext neutestamentlicher „Wunder“ die Eröffnung eines neuen Erzählzusammenhanges verdeutlichen⁵ (vgl. Lk 7,1– 2.11– 14.36). Weder die besessene Magd noch deren Besitzer, die in Apg 16,16 – 22 die Handlung bestimmen, spielen im zweiten Teil der Perikope eine Rolle. Stattdessen verlagert der Autor das Augenmerk der Szene (Apg 16,23 – 40) auf den Hergang eines Befreiungswunders (vgl. Apg 16,26), das der Bekehrung des Kerkermeisters vorausgeht. Der zuvor geschilderte Exorzismus (vgl. Apg 16,16 – 22), der mit einer vergleichsweise ausführlichen Beschreibung des kulturellen Settings von Philippi sowie deren Einwohner korreliert, findet in diesem Zusammenhang keine anknüpfende Verwendung. Diesem Gedanken folgend, scheint die Möglichkeit zumindest denkbar, die beiden Textabschnitte unabhängig voneinander wahrnehmen zu können. Mehr noch konnte gezeigt werden, dass die Beziehung zwischen Apg 16,16 – 22 und Apg 16,23 – 40 nicht über den zeitlichen Ablauf hinausgeht. Verbunden mit der Beobachtung, dass beide Erzählungen eindrücklich durch sogenannte Eröffnungsmotive⁶ markiert sind, liegt der Schluss nahe, von zwei dramatischen Episoden zu sprechen, die der Autor des Doppelwerkes ggf. auf Grund des gemeinsamen Handlungsortes zusammenstellte. Der weitgehende Wechsel der agierenden Protagonisten, sowie die fehlende inhaltliche Verzahnung der beiden Textabschnitte⁷ mögen diese Einschätzung unterstreichen. Thematisch bieten Angaben über gewerblich betriebene Wahrsagerei (vgl. Apg 16,16b) und die Charakterzüge einer ganz bestimmten Gruppe von Stadtbewohnern (vgl. Apg 16,19 – 22) Anlass,

 Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Als Beispiele für eine entsprechende Überleitung in eine neue Szene, vgl. Lk ,; ,; Apg ,b; ,. Ferner G. Theißen, Wundergeschichten, . Der erkennt hierin ein Einleitungsmotiv von Wundergeschichten (a.a.O.).  Dramatische Episoden sind inhaltlich immer in sich abgeschlossen, weshalb die aufgezeigte Abgrenzung vom Erzählfaden für diese Einordnung spricht. Siehe E. Plümacher, Schriftsteller, .

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4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22)

die vermutete Analogie zu Episoden wie beispielsweise Apg 14,8 – 20 als thematischen Impuls für die weitere Untersuchung anzunehmen.

2. Zur literarischen Zusammensetzung von Apg 16,16 – 40 Die Möglichkeit, einzelne Erzählabschnitte der Perikope Apg 16,16 – 40 voneinander abzusetzen, lässt sich eindrücklich auf der Ebene der Textgattung nachvollziehen. Sogenannte „Wunder“, zu denen sowohl Exorzismen (vgl. Apg 16,18) als auch Befreiungen (vgl. Apg 16,26 – 30) zählen, gelten nach K. Berger als „unselbstständige Gattungen“⁸. Mit dieser Kategorie umschreibt er die Schilderung von Ereignissen und Handlungen, die im Sinne eines literarischen Werkzeuges einem Autor die Möglichkeit bieten, Aussagen und Themen nachdrücklich hervorzuheben⁹. Dem gegenüber steht eine Verwendungsweise von „Wundermotiven“, die der besonderen Akzentuierung bestimmter Personen dient¹⁰. Letztere Absicht scheint Lukas mit den Ausführungen in Apg 16,23 – 40 zu verfolgen. Das Erdbeben (Apg 16,24), in dessen Folge alle Zellen des Gefängnisses aufspringen (vgl. Apg 16,26b), ist als Eingreifen Gottes zu werten, der auf diesem Wege Paulus als Zeuge und Diener seines Willens bekräftigt¹¹. Zwar wirkt dessen Verzicht, diese Chance zur Flucht zu nutzen (vgl. Apg 16,27– 28), überraschend, allerdings dient dieses Verhalten, wie der weitere Verlauf der Erzählung zeigt (vgl. Apg 16,27– 34), ebenfalls der Auszeichnung. Dieser Erzählabschnitt (Apg 16,23 – 40) ist offensichtlich darauf ausgelegt, der im Mittelpunkt stehenden Figur ein unmittelbares Verhältnis zu Gott zuzusprechen¹², wodurch deren Handeln einen gewissen Nachdruck wie auch Legitimation gewinnt. Eine ähnlich starke Fixierung auf Paulus ist im ersten Abschnitt (Apg 16,16 – 22) nicht zu beobachten. Der Völkermissionar tritt in der Erzählung erst spät auf und steht dann, gemessen an der narrativen Ausgestaltung der Szene¹³, hinter den anderen Protagonisten zurück. Dennoch spricht diese Beobachtung keineswegs für die Einschätzung, der Abschnitt sei lediglich die abhängige Einleitung der  K. Berger, Gattungen, .  Ebda. .  Vgl. K. Berger, Gattungen, ..  Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , .; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Das vorläufige Ausbleiben einer Ausrichtung des Textes auf Paulus hin wird, neben der Verwendung des inklusiven „Wir“ (dazu R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ), durch die Worte des Wahrsagegeistes unterstrichen, der eine Aussage über die ganze Gruppe macht (Apg ,b: „οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν“).

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längeren Gefängnissequenz¹⁴. Verglichen mit anderen Erzählungen, in denen Lukas eine Wundergeschichte als untergeordnete Gattung verwendet (vgl. Lk 7,1– 10; Apg 14,8 – 12; 28,1– 6), erscheint der Abschnitt bemerkenswert lang und detailreich¹⁵ gestaltet. Beschränkt sich der Autor in der Ausformulierung solcher Texte zumeist auf den Vermerk von Begründung, Durchführung und ggf. Außenwirkung des jeweiligen „Wunders“, werden in Apg 16,16 – 22 die hilfesuchende Person, deren Herren, sowie das kulturelle Milieu vorgestellt, in dem sie agieren. Der inhaltliche Schwerpunkt dieses Abschnittes liegt dem folgend weniger fokussiert auf Paulus und der Durchführung eines Exorzismuses, als es in anderen neutestamentlichen Geschichten, die dieser Gattung zugehören, üblich ist (vgl. Mk 9,14– 29; Lk 4,33 – 37; 8,26 – 39). Daher kommt der Frage nach der inneren Abhängigkeit des untersuchten Textes nunmehr evidente Bedeutung zu. Die Art, mit der die Abschnitte untereinander verbunden sind, sowie deren inhaltliche Abstimmung, lassen an der unmittelbaren Abhängigkeit der Textteile zueinander zweifeln. Es ist somit der Blick in den Text selbst gefordert, um dessen Gewichtung und im Weiteren dessen formkritische Zusammenhänge zu ergründen. Wie bereits angesprochen, kommt Paulus hier nur eine untergeordnete Rolle zu. Erst spät (vgl. Apg 16,18) tritt er aus dem kollektiven „Wir“ hervor¹⁶, reagiert lediglich mit einem Halbsatz auf das Verhalten der besessenen Frau (Apg 16,18a) und treibt in einem weiteren Halbsatz ihren Dämon (Apg 16,18b) aus. Dem stehen das bereits erwähnte Verhältnis zwischen Magd und Herren (Apg 16,16a), Angaben zum Wesen des Geistes (Apg 16,16b), dessen Verhalten gegenüber Paulus (Apg 16,17– 18), Einblicke in das Denken der Herren (Apg 16,19a), sowie die ausführliche Schilderung von deren Reaktion und Handhabe des Exorzismus (Apg 16,19 – 22) gegenüber. Diese Verteilung des erzählerischen Augenmerks verdeutlicht, dass die Magd und besonders ihre Herren im Fokus der Erzählung stehen. Da diesen Figuren im weiteren Verlauf der Perikope (Apg 16,23 – 40) und darüber hinaus keinerlei Bedeutung zukommt, ist ferner zu schließen, dass der Abschnitt Apg 16,16 – 22, für sich stehend, diese Charaktere nicht nur beiläufig anspricht, sondern darauf abzielt, eine bestimmte Botschaft über diese Menschen zu vermitteln. Er In dieser ganz engen Verbindung sehen die Episode beispielsweise J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – .  Ohne ausführlich auf diesen einzugehen, vermerkt beispielsweise Lk , lediglich die Anwesenheit eines besessenen Menschen (καί ἐν τῇ συναγωγῇ ἦν ἄνθρωπος ἔχων πνεῦμα δαιμονίου ἀκαθάρτου). Lk , stellt nur die Anwesenheit einer Gruppe von Aussätzigen fest, bevor die Handlung weiterläuft ([…] ἀπήντησαν [αὐτῷ] δέκα λεπροὶ ἄνδρες). Ähnlich kompakt ist schließlich die Vorstellung des Gelähmten in Lystra (Apg ,) gestaltet, die in einem Satz dessen Auftreten, Notlage, und die besondere Schwere feststellt: „καί τις ἀνὴρ ἀδύνατος ἐν Λύστροις τοῖς ποσὶν ἐκάθητο, χωλὸς ἐκ κοιλίας μητρὸς αὐτοῦ ὃς οὐδέποτε περιεπάτησεν“.  Vgl. Kap. , Anm. .

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schwerend ist ferner zu bewerten, dass der Abschnitt inhaltlich schlüssig erscheint, womit ein weiteres Indiz für die oben genannte Zuordnung des Textes als dramatische Episode gewonnen wäre. Daraus ergibt sich weiter die Notwendigkeit, Apg 16,16 – 22 auf die konstruierten Zusammenhänge hin zu untersuchen, um Aufbau und Ausrichtung der Episode zu ergründen.

3. Die Episode Apg 16,16 – 22 als Exorzismuserzählung Mit dem Hinweis auf die Konzeption der inneren Zusammenhänge jener Erzählung (Apg 16,16 – 22) ist ein Aspekt der Textanalyse angesprochen, der zur Bestimmung ihrer literarischen Kategorie entscheidend beiträgt. Gattungen sind Sammelbegriffe für Texte, die mit Hilfe bestimmter Strukturen thematische Absichten sprachlich beschreiben¹⁷. Gebündelt unter einem verbindenden Namen, dienen diese gemeinsamen Motive als verlässliche Leitlinien, an denen sich Leser wie auch Interpret orientieren können, um Thema, Intention und Wirkung eines danach konzipierten Textes nachzuvollziehen. Von der Literatur gemeinhin als „Exorzismuserzählung gewertet“¹⁸, sind für die Episode (Apg 16,16 – 22) strukturelle wie inhaltliche Motive zu erwarten, die im Zusammenhang mit dieser Einordnung einen regelhaften Charakter besitzen. Auch wenn oben genanntes Konzept Variationen und Ausnahmen von einem so definierten Schema zulässt¹⁹, bieten Änderungen an motivischen wie strukturellen Kernelementen Anlass, die jeweilige Einordnung zu überdenken. Besonderes Augenmerk verdient der Umstand, dass Exorzismen einer Gruppe von „unselbstständigen Gattungen“²⁰ angehören, die ausschließlich in der Verbindung mit anderen Gattungen auftreten²¹ (vgl. Lk 7,1– 10; Apg 14,8 – 20; 28,1– 6). In dieser Kombination beeinflussen Dämonenaustreibungen, ähnlich der Funktionsweise von Therapien und Normwundern (vgl. Lk 4,33 – 37; 8,26 – 39; Apg 14,8 – 20), die inhaltliche Ausrichtung der Erzählung und setzen ausdrucksstarke Akzente.

 Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; T. Schirren, Philosophos Bios,  – ; K. Berger, Formgeschichte,  – .  Siehe Kap. , Anm. .  G. Theißen, Wundergeschichten,  bezeichnet jene Wundergeschichten als „Kombination von Motiven“ und macht darin den Spielraum deutlich, der dem Autor in der Konstruktion entsprechender Erzählungen zur Verfügung steht.  S.o. Kap. , Anm. .  Vgl. K. Berger, Gattungen, .

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Strukturell teilen Exorzismen mit anderen Texten, die auf das literarische Mittel eines „Wunders“ zurückgreifen, einen viergliedrigen Aufbau²² (Einleitung / Exposition / Hauptteil / Schluss), der durch die Verwendung spezifischer Motive der jeweiligen Ausdrucksform angepasst wird. Während in der Einleitung ²³ der Wundertäter (vgl. Mk 1,21; 4,35; Lk 4,31; 17,11) sowie der Hilfebedürftige (vgl. Mk 1,23; Lk 4,33; 17,12) auftreten, dient die Exposition der inhaltlichen Ausgestaltung der Szene. Die Charakterisierung der individuellen Not (vgl. Lk 5,18; 8,27.35; 13,11), Missverständnisse (vgl. Apg 3,5) und Streitigkeiten mit der umstehenden Menge (Mk 2,6 – 7; Lk 14,3), sowie die Reaktionen von Dämon (vgl. Mk 1,23; 5,7; Lk 4,34) und Wundertäter (vgl. Lk 7,13; 8,50; 13,12) stellen die zentralen Motive dieses Abschnittes dar²⁴. Der Hauptteil erzählt die Durchführung und Bestätigung der Dämonenaustreibung²⁵ und geht alsbald in den Schlussteil über, dem zumindest im Kontext neutestamentlicher Wundergeschichten der Charakter einer Akklamation des Gottes Israels²⁶ zukommt (vgl. Lk 18,43; Apg 3,8 – 9). Während der vorgeführte Aufbau einer Exorzismuserzählung in Teilen für Apg 16,16 – 22 nachvollziehbar erscheint, impliziert die Verwendung und Zusammenstellung der konstitutiven Motive eine Verschiebung der thematischen Ausrichtung, die das zu erwartende Anliegen einer Auszeichnung des Wundertäters, der als Werkzeug zum Lobpreis des Gottes Israels beiträgt²⁷, nicht stützt. Anstelle eines eindeutigen Auftretens des Paulus zu Beginn der Erzählung (vgl. Mk 1,29; 3,1; Lk 4,31; 7,1; Apg 3,1; 16,23) bleibt er bis in den Hauptteil hinein im kollektiven „Wir“ verborgen²⁸ (vgl. Apg 28,1). Das Auftreten der hilfsbedürftigen Magd (Apg 16,16b)

 Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Ebda.  – . – .  Ebda.  – .  Ebda.  – .  Hierin unterscheiden sich Exorzismen letztlich nicht von anderen neutestamentlichen Wundergeschichten. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; K. Berger, Gattungen, ; S. Schreiber, Paulus, . H.-J. Klauck, Magie,  spricht sogar von einem „sehr eigentümlich gestalteten Exorzismus“.  Die sogenannten „Wir-Stellen“ der Apostelgeschichte (Apg , – ; , – ; , – ; , – ,) gehören zu dem umstrittensten Material dieses Erzählwerkes. Stellt man die problematische Quellenlage beiseite, so ergeben sich für diese Stelle drei bemerkenswerte literarische Aspekte. Zum einen wird dem Leser eine gewisse Glaubwürdigkeit des Erzählers suggeriert.Vgl. H.J. Klauck, Magie, ; J. Wehnert, Wir-Passagen,  – ; T. Klutz, Exorcism, . Zum anderen wird er durch diese Formulierung unmittelbar am Text beteiligt und erhält so ein lebhafteres Bild der Erzählung. Vgl. K. Berger, Gattungen, ; V.K. Robbins, Sea Voyages, . Schließlich verdeckt diese Gruppenbezeichnung Paulus als dominanten Wundertäter. Dazu G. Theißen, Wundergeschichten, , der als ein zentrales Motiv dieser Gattungen feststellt, dass der Wundertäter explizit als erster benannt wird.

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geht zudem unmittelbar in die Exposition (Apg 16,16c) über, in der die Motive der Benennung und Charakterisierung der Not zu erwarten wären. Auch hier weicht die Darstellung von den bekannten Varianten ab. Zwar wird das Wesen des Geistes explizit benannt²⁹ (πνεῦμα πύθωνα), allerdings fehlt jegliche Anmerkung über eine begleitende Gefährdung der Magd (vgl. Mk 9,26 – 27; Lk 9,39). Stattdessen folgt eine kurze Anmerkung über die Besitzer der Frau, die aus ihrer Besessenheit Kapital ziehen („[…] ἥτις ἐργασίαν πολλὴν παρεῖχεν τοῖς κυρίοις αὐτῆς μαντευομένη“). Gelegentlich begegnen Interpretationsansätze, die gerade im zuletzt genannten Umstand die tatsächliche Notlage der Magd erkennen³⁰. Paulus stünde demzufolge gegen eine Form von Unterdrückung und Vermarktung einer Frau, die zudem von einem Dämon besessen wäre. Dagegen sprechen, wie andere Untersuchungen eindrücklich nachweisen³¹, gleich mehrere Aspekte. Der Umstand, dass die Frau eine παιδίσκη, also eine Sklavin ist³², spielt für den Verlauf der Erzählung nur eine beiläufige Rolle. Sie begründet lediglich die Interessenlage ihrer Besitzer, was auch ihr unbemerktes Verschwinden nach dem Exorzismus verdeutlicht (vgl. Apg 16,18 – 19). Stünde das Thema einer Sklavenbefreiung im Mittelpunkt der Erzählung, wäre eine weitläufigere Rezeption ihres Schicksals zu erwarten³³. Stattdessen wird im Schlussteil der Episode (Apg 16,19) ausschließlich auf den finanziellen Verlust hingewiesen, der mit der Austreibung des Geistes einherging („ἰδόντες δὲ οἱ κύριοι αὐτῆς ὅτι ἐξῆλθεν ἡ ἐλπὶς τῆς ἐργασίας αὐτῶν“); Eine positive Rezeption der Heilung oder Befreiung der Magd bleibt indes aus. Auch Paulus zeigt keinerlei Regung bezüglich des rechtlichen Zustandes der Frau. Tatsächlich verschärft sein Handeln ihre soziale Situation, da er ihr mit dem Verlust des Wahrsagegeistes die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Bedeutung raubt³⁴. Schließlich waren Besitz und wirtschaftliche Nutzung eines Sklaven in der antiken Welt, erst recht in einem hellenistisch geprägten Kulturraum, gesellschaftlich wie auch rechtlich anerkannt³⁵ (vgl. Cicero, Pro Q. Ros. Com., 28; Papiri greci e latini 9,1055a), weshalb ein sozialer Konflikt in dieser Beziehung kaum als Thema eines Textes jener Zeit in Frage kommt.

 Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; F. Avemarie, Wahrheit,  – .  Vgl. I. Richter Reimer, Frauen,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; H.-J. Klauck, Magie,  – .  Vgl. F. Avemarie, Wahrheit,  – ; T. Klutz, Exorcism,  – .  Vgl. W. Bauer, WzNT, ; F. Avemarie, Wahrheit, .  Wird dieser Schwerpunkt unterstellt, so wäre nach dem Verbleib der Magd zu fragen, nachdem sie ihren wirtschaftlichen Wert verloren hat. Da der Text dazu allerdings schweigt, sind entsprechende Ansätze (z. B. I. Richter Reimer, Frauen,  – ) als Spekulation zu bewerten. Es fällt zudem auf, dass die παιδίσκη zu keinem Zeitpunkt von Paulus angesprochen wird oder unabhängig von den Rufen des Dämons spricht. Dessen Bezugspunkt ist ausschließlich der Wahrsagegeist (vgl. Apg ,b).  Vgl. E. Schüssler Fiorenza, Gedächtnis, ; I. Richter Reimer, Frauen, ; H.-J. Klauck, Magie, ; F. Avemarie, Wahrheit, .  Vgl. I. Richter Reimer, Frauen,  – ; F. Avemarie, Wahrheit,  – ; H.-J. Klauck, Magie,  – ; N. Brockmeyer, Sklaverei,  – . – .

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Auch die Reaktion des Wahrsagegeistes mag verwundern. Das gattungstypische Motiv der Gegenwehr seitens des Dämons³⁶, welches der Autor in anderen Exorzismuserzählungen des Doppelwerkes anbringt, ist nur schwerlich mit dem Verhalten in Einklang zu bringen, das der Dämon in Apg 16,17 zeigt. Anstatt dem Wundertäter zu drohen oder um Gnade zu flehen (vgl. Lk 4,33 – 34; 8,31– 32), verfolgt er Paulus und seine Begleiter über mehrere Tage hinweg (Apg 16,17) und ruft lautstark deren Identität, wie auch die Rolle des Evangeliums für die Stadtbewohner aus („οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν, οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“). Erst im Anschluss an diese Situationsbeschreibung (vgl. Apg 16,18), und damit im Hauptteil der Erzählung, tritt Paulus aus der Reisegruppe hervor und vollzieht weitgehend konform mit den üblichen Motiven den Exorzismus³⁷. Allerdings ist auch in diesem Textabschnitt eine Ausnahme vom bekannten Schema zu bemerken. Der emotionale Ausbruch, der der Dämonenaustreibung vorausgeht (Apg 16,18), hat keinerlei Anknüpfungspunkt in vergleichbaren Erzählungen aus Evangelium und Apostelgeschichte. Zumeist werden Glaube (Lk 8,48; 17,13; Apg 14,9) oder das sogenannte „Messiasgeheimnis“³⁸ als Ursache für das Durchgreifen des Wundertäters angeführt. Keiner dieser Aspekte lässt sich allerdings in dem Wutanfall wiedererkennen, der Paulus zum Einschreiten veranlasst. Da auch das Motiv der pneumatischen Erregung³⁹ dieses Verhalten nicht zu erklären vermag, schließlich findet der Geist Gottes keinerlei Erwähnung (vgl. Apg 16,18 – 19), ist dieses literarische Element als Abweichung vom gängigen Schema zu werten. Schließlich weicht der Schlussteil in einigen grundlegenden Aspekten von der üblichen Form neutestamentlicher Exorzismuserzählungen ab. Zwar scheint Paulus durch die unmittelbar einsetzende Wirkung seines Austreibungsbefehls als Diener Gottes bestätigt⁴⁰ (vgl. Apg 16,18c), jedoch hebt sich die folgende Reaktion von den Erwartungen ab, die an eine Akklamation oder Admiration⁴¹ zu stellen sind. Weder sorgt der Exorzismus für Verwunderung (vgl. Mk 7,37; Apg 3,11) noch für Furcht (vgl. Mk 4,41; Lk 7,16) oder einen Lobpreis Gottes (vgl. Lk 8,47; 9,43; 18,43;

 Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Zu nennen ist im konkreten Zusammenhang von Apg , das Motiv eines „wunderwirkenden Wortes“. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; I. Richter Reimer, Frauen, . So auch in Lk ,; ,; Joh , zu finden.  S.u. S.  ff.  Gegen S. Schreiber, Paulus, . Siehe zu den Merkmalen und Voraussetzungen des Motivs der „pneumatischen Erregung“ G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, ; M.Wolter, Lukasevangelium,  – ; B. Kollmann, Wundertäter,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; T. Klauser, Akklamation, .

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Apg 3,8). Auch Spott und Kritik gegenüber dem Wundertäter⁴², wie an mancher Stelle von Seiten der Gegner berichtet (vgl. Mt 9,33 – 34; 11,6; Mk 6,3), bleibt aus. Stattdessen konstatiert der Text die Erkenntnis der Eigentümer der Magd, dass sie nunmehr ihre Geschäftsgrundlage verlieren (vgl. Apg 16,19). Sicherlich handelt es sich dabei, wie auch in der folgenden Anklage wegen der Störung des öffentlichen Friedens (vgl. Apg 16,20 – 21), um eine ablehnende Reaktion, jedoch liegt dieses Motiv in vergleichbaren Texten des Neuen Testaments (vgl. Mk 6,3; Lk 11,15) stets in theologischen Differenzen und nicht in wirtschaftlichen Streitigkeiten begründet⁴³. Darüber hinaus scheint die Rolle des Wundertäters als Kernelement entsprechender Erzählungen in Frage zu stehen. Paulus erhält keinerlei Gelegenheit, auf sein Handeln einzugehen oder sich für sein Verhalten zu rechtfertigen. Stattdessen gewährt Lukas dem Leser einen ausführlichen Einblick in das Denken der Besitzer, sowie deren weiteres Vorgehen. Eine Deutung des Exorzismus im Sinne des Wundertäters (Lk 7,16; 9,42; Apg 3,12– 15) bleibt somit aus⁴⁴, wohingegen die Sichtweise der Ankläger höheres Gewicht erhält. Dieser Befund stützt die anfänglich aufgekommenen Zweifel an der These, in dem vorliegenden Text (Apg 16,16 – 22) eine Erzählung zu vermuten, die den Blick maßgeblich auf einen Exorzismus durch Paulus richtet. Die Analyse der hierfür vorausgesetzten Struktur sowie der notwendigen Motive hat gezeigt, dass der Autor in beinahe allen relevanten Aspekten geprägte Motive umstellt und die mit dieser Textform verbundene Themenausrichtung variiert. Da Lukas an anderer Stelle Exorzismen gestaltet, die durchaus konform mit dem beschriebenen Schema verlaufen (vgl. Lk 4,33 – 37.38 – 44; 8,26 – 39), kann die Bestimmung einer lukanischen Sonderform dieser Gattung als Erklärung für die vielen Abweichungen sicherlich nicht gelten. Stattdessen liegt es nahe, von einer bewussten Variation des Schemas auszugehen, mit der der Autor, entsprechend dem Aspekt der unselbstständigen Gattung, den Schwerpunkt der leitenden Textkonstruktion sichtbar hervorzuheben sucht.

 Die Akklamation kann durchaus kritisch ausfallen, allerdings nimmt sie dann Bezug auf die Art der Durchführung, respektive die Macht hinter dem Wunder. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ). Die Bewertung eines entstandenen wirtschaftlichen Schadens (vgl. Apg ,a) ist durch dieses Motiv sicherlich nicht gedeckt.  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Vgl. F. Avemarie, Wahrheit, ; G. Theißen, Wundergeschichten, ; S. Schreiber, Paulus,  – .

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4. Eine Neubewertung der Textform Obwohl innerhalb der Episode eine Vielzahl von Motiven begegnen, die ausdrücklich mit einer Exorzismuserzählung zu assoziieren sind, lässt sich das mit dieser Einschätzung notwendig verbundene Thema, einer primären Auszeichnung des Paulus als Wundertäter sowie der Verehrung des Gottes Israels⁴⁵, nicht nachweisen. Das späte Auftreten des Paulus (vgl. Apg 16,18), das Ausbleiben einer eindeutigen Akklamation (vgl. Apg 16,19 – 22), sowie das ungewöhnliche Vorgehen (vgl. Apg 16,18a), wonach Paulus aus einem verärgerten Impuls heraus die Situation der besessenen Magd eher verschlechtert⁴⁶, sprechen eindrücklich gegen diese Einschätzung der Szene. Stattdessen vermittelt die ausführliche Akzentuierung der Magd (vgl. Apg 16,16), deren frühes Handeln und Agieren (vgl. Apg 16,16 – 17) und nicht zuletzt der markante Schlusskommentar der Herren⁴⁷ (vgl. Apg 16,19 – 22) den Eindruck, Lukas setze in dieser Erzählung einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt. Dennoch spricht der geführte Nachweis jener eindrücklichen Gattungsmotive, die die Gestalt der Erzählung prägen, zumindest für ein Einfließen dieser Kategorie in die Konzeption von Apg 16,16 – 22. Auf Grundlage der vorausgegangenen Untersuchung der Struktur der vorliegenden Episode⁴⁸ stellt sich hier von Neuem die Frage, wie diese Erzählung konzeptionell und literarisch einzuordnen ist. Während sich die äußere Form in weiten Teilen am Aufbau einer Exorzismuserzählung orientiert, setzt die Zuspitzung der Handlung auf einen kritischen Ausspruch von Personen, die explizit Anstoß am Wirken des Paulus nehmen (vgl. Apg 16,19 – 21), einen inhaltlichen Impuls, der als Abschluss und Höhepunkt keinesfalls mit dieser Gattung vereinbar ist⁴⁹. Abstrahiert vom vermittelten Inhalt handelt es sich bei Apg 16,19 – 21 um einen ausgeführten Kommentar, der perspektivisch zu den Folgen des vorausgehenden Exorzismus (Apg 16,18) Stellung bezieht. Im Unterschied zu einer aus-

 Zu diesem Ergebnis gelangen auch F. Avemarie, Wahrheit,  – ; T. Klutz, Exorcism, .  Vgl. Kap. , Anm. .  Siehe zum Thema der Rolle, die ein Wundertäter innerhalb einer Exorzismuserzählung einnimmt: Kap. , Anm. . Ferner zur grundsätzlichen Kritik an diesem Bild im Zusammenhang mit der sozialen Situation der Magd und dem Verhalten des Paulus: Kap. , Anm. .T. Klutz, Exorcism,  vermerkt entsprechend, dass der „exorcism itself should be seen neither as the main ideological interest“ des Textes.  S.o. S.  ff.  Die in Apg , –  vorgebrachte Anklage gegen Paulus und seine Begleiter („οὗτοι οἱ ἄνθρωποι ἐκταράσσουσιν ἡμῶν τὴν πόλιν, Ἰουδαῖοι ὑπάρχοντες, καὶ καταγγέλλουσιν ἔθη ἃ οὐκ ἔξεστιν ἡμῖν παραδέχεσθαι οὐδὲ ποιεῖν ωμαίοις οὖσιν“) lässt sich freilich nicht mit den Bewertungen vergleichen, die Jesus (vgl. Lk ,.; ,) oder den Aposteln (vgl. Apg , – ; ,; , – ) sonst in Folge einer Therapie oder eines Exorzismus begegnen.

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4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22)

formulierten kritischen Akklamation (vgl. Mk 3,6), nehmen die Herren der Magd gerade nicht die eigentliche Wunderhandlung in den Blick, sondern beziehen sich in ihren Gedanken auf eine Situation, die ursächlich aus dem Eingriff des Paulus hervorgeht. Eine unmittelbare Bezugnahme, die den Exorzismus als Werk Gottes oder Paulus als dessen Werkzeug ins Gespräch gebracht hätte⁵⁰, liegt demzufolge nicht vor. Stattdessen wirkt die Austreibung des Wahrsagegeistes als Anlass für eine Eskalation des Geschehens (par. Apg 14,8 – 13), an deren Ende die Herren den Völkermissionar aus wirtschaftlichen Gründen verklagen (vgl. Apg 16,19 – 21). Diese Ausrichtung der Erzählung geht mit einer Verschiebung des thematischen Schwerpunktes einher, der nicht mehr die Auszeichnung des Paulus als Wundertäter, sondern jenes Verhalten der Herren der Magd hervorhebt. Im Ablauf erinnert diese Konstruktion, die ein „Wunder“ zum Anlass einer Auseinandersetzung macht, deren Höhepunkt von einem pointierten Ausspruch sowie einer Handlung markiert wird (vgl. Apg 16,19 – 21), an die Episode zu Lystra (vgl. Apg 14,8 – 20). Allerdings fällt die Darstellung des Streitpunktes in der Erzählung zu Philippi (Apg 16,16 – 22) weitaus kürzer aus, und das Schlusswort liegt nicht in den Händen des Paulus (vgl. Apg 14,14– 18 par. Apg 16,19 – 21). Dennoch verweist die offengelegte Struktur auf einen Text, der einem chrienartigen Ablauf folgt⁵¹.

5. Apg 16,16 – 22 verstanden als chrienartige Textkonstruktion Formal erscheint diese Einschätzung, die Abfassungsform von Apg 16,16 – 22 als Mischgattung zu werten, in der Lukas einen Exorzismus mit einer Chreia⁵² verbindet, durchaus einsichtig, bezieht sie sich doch auf eine Konstruktionsweise, auf die der Autor des Doppelwerkes auch an anderer Stelle zurückgreift (vgl. Lk 7,1– 10; 10,25 – 37; 12,13 – 21; Apg 14,8 – 20). Zugleich trägt diese Gattungsbestimmung dem Umstand Rechnung, dass es sich beim behandelten Erzählabschnitt (Apg 16,16 – 22) um eine dramatische Episode handelt, die der Autor in einer Reihe mit Apg 16,23 – 40 verbindet⁵³. Inhaltlich abgeschlossen, ist deutlich zwischen

 So lautet die eigentliche Intention einer neutestamentlichen Wundergeschichte. Dazu K. Berger, Gattungen, .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  Zur Stellung dieser Gattung in der antiken Literatur, siehe K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ..  Mit E. Plümacher, Schriftsteller,  – . Über diese Form der Reihenbildung, siehe D. Marguerat, Lukas,  – .

I. Zur Form und Konstruktion von Apg 16,16 – 22

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diesen beiden Erzählungen zu unterscheiden, weshalb der Feststellung eines literarischen Bezugspunktes für den unselbstständigen Exorzismus⁵⁴ nicht nur eine formale Notwendigkeit zukommt. Das zurückhaltende Einbringen des Paulus, das im Zusammenhang einer neutestamentlichen Wundergeschichte geradezu untypisch ist⁵⁵, sowie die vergleichsweise ausführliche Darstellung der kulturellen Umstände, die den Ausspruch der Herren (Apg 16,19 – 21) nur noch deutlicher in den Vordergrund des Geschehens rückt, geben weiteren Anlass, die These, Apg 16,16 – 22 als Exorzismusgeschichte zu werten, zu Gunsten der vorgeschlagenen Mischgattung zu verwerfen⁵⁶. Eine gewisse Verwunderung mag wiederum die Ausrichtung der Episode an einem Ausspruch erregen, der, konträr zu jedweder christlichen Haltung, das Handeln eines Vertreters von Gottes Wort als Geschäftsschädigung und Störung der öffentlichen Ruhe charakterisiert (vgl. Apg 16,20b: „Οὗτοι οἱ ἄνθρωποι ἐκταράσσουσιν ἡμῶν τὴν πόλιν, Ἰουδαῖοι ὑπάρχοντες“). Verglichen mit der Rollenverteilung, die Lukas in Apg 14,8 – 20 anwendet, bietet die Episode zu Philippi (Apg 16,16 – 22) ein gespiegeltes Verhältnis. Anstatt dass Paulus gegen ein Missverständnis respektive eine unsachgemäße Wertung der Ereignisse auftritt und diese korrigiert, kommen in Apg 16,16 – 22 Menschen zu Wort, deren Meinung dem Leser als zweifelhaft, wenn nicht gar als falsch⁵⁷, gelten muss (vgl. Apg 16,19a). Im Kontext der antiken Literatur findet dieses Vorgehen allerdings eine Entsprechung. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63 formuliert beispielsweise in einer kurzen Chreia eine Auseinandersetzung zwischen Kaiser Augustus und einem betrunkenen Ritter⁵⁸. Während Augustus vorbildhaft das Trinken in der Öffentlichkeit

 Vgl. K. Berger, Gattungen, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .; K. Berger, Gattungen,  – .  Gegen R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , . Die Grundform der antiken Chreia sowie ihrer Variationsformen geht von einem einzelnen bedeutungsschweren Satz aus, der einen beispielhaften Ausspruch oder eine entsprechende Handlung beinhaltet. Allerdings gibt es Mischformen, die beide Motive miteinander verbinden, sowie Zusammenschlüsse mehrerer kurzer Aussprüche und Handlungen zu einer längeren Geschichte, die letztlich nur dem argumentativen Ziel der Meinungsvermittlung folgt. Dazu R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, .; K. Berger, Formen,  – .  K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formen, ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – ; T. Schirren, Philosophos Bios, . W.C. Booth, Irony, , sieht gerade im zuvor genannten Sachverhalt eines diametralen Konfliktes zwischen dargestellter Aussage und Lesermeinung respektive sonst vertretener Perspektive einen eindeutigen Hinweis auf Ironie.  Quintilian, Inst. Orat., ,,: „Hinc eques Romanus, ad quem im spectaculis bibentem cum misisset Agustus, qui ei diceret, Ego si prandere volo, domum eo: Tu enim, inquit, non times, ne locum perdas.“

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4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22)

tadelt, kommentiert der Ritter diese Einstellung in einer abschätzigen, wenngleich humorvollen und scharfsinnigen Art und Weise. Auch wenn in dieser Erzählung (Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63) das gängige Rollenverhältnis dieser Gattung umgekehrt wurde⁵⁹, steht die Zuweisung zwischen der angemessenen und der unangemessenen Verhaltensweise zu keinem Zeitpunkt in Frage. Zweifellos vermittelt Kaiser Augustus ein tugendhaftes sowie angemessenes Verhalten. Der Ritter dient hingegen als Kontrastpunkt, von dem sich der Leser ob seiner fragwürdigen Denkweise abgrenzen soll. Dieses Verfahren, einen Standpunkt mit Hilfe einer Negativposition zu verdeutlichen, ist dem Autor des lukanischen Doppelwerkes keineswegs fremd. In der Episode Apg 28,1– 6 präsentiert Lukas gleich zwei Aussprüche aus dem Mund philanthroper Barbaren, die aus christlicher Perspektive unzutreffend sind.Weder ist Paulus ein Mörder, der sich vor dem Zorn der Göttin Dike fürchten müsste (vgl. Apg 28,3), noch ist er selbst ein Gott (vgl. Apg 14,15), der über alle irdischen Gefahren Verfügungsgewalt hat (vgl. Apg 28,6). Beide Meinungsäußerungen bleiben unwidersprochen; und dennoch entsteht beim Leser kein Zweifel an der Rolle des Paulus als Zeuge und Gesandter des Gottes Israels. Ein ähnliches Verfahren ist in der Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) zu beobachten. In dieser Erzählung diskutieren ein Devotionalienhändler und ein städtischer Beamter über die Folgen, die das Evangelium für den Kult der Artemis hat.Während der Silberschmied Demetrius sein Geschäft im Blick hat (vgl. Apg 19,25 – 26), versucht der Stadtschreiber den öffentlichen Frieden zu wahren (vgl. Apg 19,40). Eine christliche Position, die, vergleichbar mit der Rede von Apg 14,15 – 17, ausdrücklich die Haltung des Paulus vor Augen führt, ist auch in diesem Text nicht gegeben. Stattdessen liegt der Blickwinkel auf den Ausführungen der eindrücklich charakterisierten Griechen, die im Gegenüber zu Paulus und Evangelium einen Standpunkt vertreten. Dieses Schema findet in der untersuchten Episode (Apg 16,16 – 22) Anknüpfungspunkte. Das Vorgehen der Herren der Magd vermittelt auf dieser Grundlage eine gewisse Haltung, die im Kontext der jüdisch-christlichen Perspektive, die der Autor zu vermitteln sucht, Anstoß erregt⁶⁰. Als Auslöser für diese Meinungsäußerung (Apg 16,19 – 21) hat der vorgeführte Exorzismus zu gelten, der Paulus als Diener des Gottes Israels auszeichnet. Gemäß dem Vorbild der hellenistischen

 Bei dieser Gattung handelt es sich zumeist um einen lehrhaften Spruch, der mit einer bestimmten Person verbunden wird.Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .  Diesen Erzählungen wohnt ein belehrender Charakter inne, weshalb eine der vorgebrachten Meinungsäußerungen zumeist auch die Haltung des Autors widerspiegelt. Vgl. K. Berger, Gattungen,  – .

II. Die kulturellen Einflüsse hinter dem Setting von Apg 16,16 – 22

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Literatur liegt es nahe, den Ausführungen einen humoristischen bis ironischen Beiklang zuzusprechen⁶¹, der die gedankliche Abgrenzung vom hervorgehobenen Gegenbeispiel unterstreicht. Im Zusammenhang mit dieser Konstruktion spielt ferner die Identifikation und Einordnung der jeweiligen Protagonisten eine entscheidende Rolle für die Wertung des vorgetragenen Standpunktes⁶².Während das Charakterbild des Paulus dem Leser bekannt sein dürfte, bedarf das der Herren sowie das der besessenen Magd einer Präzisierung. Erst im Kontext einer klar umrissenen Positionierung werden Botschaft und begleitende humoristische Spitzen erkennbar, die der Autor mit seiner Schilderung zu vermitteln sucht.

II. Die kulturellen Einflüsse hinter dem Setting von Apg 16,16 – 22 1. Dämonen im lukanischen Doppelwerk und Apg 16,16 – 22 Die streithafte Auseinandersetzung zwischen Wundertäter und Dämon (δαιμόνιον) gehört zu den Kernelementen eines Exorzismus⁶³. Inhaltlich evoziert dieser Konflikt, an dessen Ende der Rückzug des unreinen Geistes steht (vgl. Lk 4,35b; 8,31– 32), die besondere Autorität⁶⁴, die Personen wie Jesus, die zwölf Apostel oder auch Paulus über Mächte zukommt, die gemäß dem antiken Weltbild außerhalb des Kosmos stehen⁶⁵. Ähnlich der hellenistischen Vorstellung, die Geister und Dämonen als Wesen klassifiziert, die der Sphäre des Göttlichen angehören, beschreibt das Alte Testament Dämonen in einem konkurrierenden Verhältnis zum Gott Israels. Diese Haltung aufgreifend, implizieren Exorzismen im Neuen Testament neben den Aspekten von Rettung und Heilung (vgl. Lk 4,35b; 8,35b; 10,19) stets einen Sieg Gottes, der mit dem Voranschreiten seiner Herrschaft über die Welt einhergeht⁶⁶. Dieses gegensätzliche Verhältnis zwischen Gott und dämonischen Wesen, das gleichermaßen die Beziehung zwischen Mensch und Gott beeinflussen mag, konnotiert Lukas vornehmlich mit markanten Attributen, die er dem jeweiligen

 Dazu K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formen, .  Vgl. K. Berger, Gattungen, . Ferner s. o. S.  ff.  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. H. Kleinknecht, πνεῦμα, ; W. Foerster, δαίμων, ; L. Albinus, δαίμων,  – ; S. Skovgaard Jensen, Dualism,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – . – ; C.A. Evans, Exorcist,  – ; S. Schreiber, Paulus,  – ; K. Pfremmer De Long, Surprised, .

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4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22)

πνεῦμα beiordnet⁶⁷. So heißt es beispielsweise in Lk 8,29 oder auch Lk 9,42 dass der jeweilige Geist „ἀκάθαρτος“, also unrein, sei. An anderer Stelle findet sich der Zusatz „δαιμόνιον“ (vgl. Lk 8,27.30.33; 9,42), womit der Autor expressis verbis auf die Trennung zwischen Gott, dessen Heiligem Geist (πνεῦμα ἅγιος) und dem feindlichen Dämon hinweist⁶⁸. Im Unterschied zu diesem Spektrum eindrücklicher Beinamen, die im narrativen Kontext der Notlage des Besessenen besonderen Nachdruck verleihen, besetzt Lukas den Dämon in Philippi mit zwei Eigenschaften (vgl. Apg 16,16b), die ihn von diesem Schema unterscheiden⁶⁹. Im Kontext biblischer Erzählungen einzigartig, bezeichnet der Autor des Doppelwerkes dieses Wesen nicht nur als „πύθων“, sondern ergänzt diesen Titel um eine assoziierte Fähigkeit (μαντεύομαι), die sich, konträr zum biblischen Bild eines Dämons, positiv auf das Leben der besessenen Magd auswirkt. Die Zuordnung der Eigenschaft des Wahrsagens (μαντεύομαι) zu jenem Dämon ist grammatikalisch keineswegs zwingend⁷⁰. Die Wendung „τινὰ ἔχουσαν πνεῦμα πύθωνα“ (Apg 16,16b) bietet neben dieser Assoziation die Möglichkeit, dieses Attribut im Sinne einer Berufsbezeichnung der Magd zu lesen, wodurch die Erzählung vom Ton her eine andere Richtung nehmen würde. Spätestens seit dem 1. Jh. n.Chr. fungiert der Ausdruck Python (πύθων) als terminus technicus für das Gewerbe privatwirtschaftlicher Orakel⁷¹. Eine in diesem Sinne vorgenommene Assoziation jenes Begriffes mit der Magd wäre von der kritischen Sichtweise begleitet, die die antike Literatur vornehmlich mit diesem Handwerk verbindet (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69; Lucian, Alex., 7– 8.10.19). Der Blickpunkt der Szene läge auf der Frau, die als geschulte Bauch-

 πνεῦμα ist im lukanischen Doppelwerk eine wiederkehrende Bezeichnung eines übernatürlichen Wesens, welches mit weiteren Attributen versehen näher bestimmt wird (vgl. Lk ,; ,; ,). Siehe zu dieser Verwendungsweise des Begriffs W. Foerster, δαίμων, ; J. Kremer, πνεῦμα,  – ; W. Elliger, Paulus, .  Während für den Gott Israels die Verwendung definierter Titel und Namen vorgesehen ist (vgl. F. Avemarie, Wahrheit, ; P.R. Trebilco, Paul,  – ; I. Richter Reimer, Frauen,  – ), wird der Geist Gottes niemals als eigenständige Entität gewertet (so H. Kleinknecht, πνεῦμα,  – ). Aus eben dieser eindeutigen begrifflichen Abgrenzung wird das Gegeneinander von Gott und Dämon deutlich. Siehe auch W. Foerster, δαίμων, ; I. Richter Reimer, Frauen, ; H.J. Cadbury, Literary Method, .  Neben der beigefügten Präzisierung des Geistes als „πύθων“ (vgl. Apg ,b) fällt vor allem der neutrale bis positive Einfluss auf, den der Dämon auf das Leben der Magd ausübt (vgl. Kap. , Anm. ). Üblich sind in den biblischen Texten negative Folgen (vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, ), wie beispielsweise Krankheit (Lk , – ), Spasmen (Lk ,) und ähnliche Gefährdungen des Lebens (Mk ,).  T. Klutz, Exorcism,  – ; W. Bauer, WzNT, .  Vgl. M. Frenschkowski, Religion,  – .; F. Avemarie, Wahrheit, ; H.-J. Klauck, Magie,  – ; Plutarch, Mor., E. Im Kontext dieser Entwicklung vereinnahmte der Begriff des „πύθων“ die Fähigkeitsbeschreibung „μαντεύομαι“, die von da an zumeist synonym genutzt wurde. Dazu G. Schneider, μαντεύομαι, ; W. Bauer, WzNT, .

II. Die kulturellen Einflüsse hinter dem Setting von Apg 16,16 – 22

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rednerin den Zugriff auf göttliches Wissen vorgaukelt⁷², wohingegen ihr Dämon zum stillen Protagonisten oder zu einer vorgeschobenen Legitimationshilfe reduziert würde. Allerdings läuft diese Einschätzung den literarischen Vorgaben der Episode, sowie dem von Lukas vermittelten Weltbild zuwider. Mit Blick auf die ausgerufene Botschaft („οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν, οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“) scheint der Autor parallel zu den Exorzismen im Evangelium eine Situation zu zeichnen, in der ein Dämon göttliches Wissen preisgibt⁷³ (vgl. Lk 4,34; 8,28). Darüber hinaus lässt die Anmerkung des Verlustes der wirtschaftlichen Grundlage der Magd und ihrer Herren, der sich vom Exorzismus des Geistes her ableitet (vgl. Apg 16,19a), lediglich den Schluss zu, dass die Fähigkeit des Wahrsagens mit jenem Dämon⁷⁴ verknüpft war.

Inhaltlich erweist sich das außerordentliche Bild, welches Lukas von dem Dämon zeichnet, als Angelpunkt, der sich eindrücklich auf den Verlauf der Erzählung auswirkt. Neben dem Umstand, dass jenes Wesen der Magd ein tägliches Einkommen garantiert, bezeichnet der Dämon eben jenen Wert, den die Herren mit ihrer Sklavin verbinden (vgl. Apg 16,16b: „[…] τινὰ ἔχουσαν πνεῦμα πύθωνα ὑπαντῆσαι ἡμῖν, ἥτις ἐργασίαν πολλὴν παρεῖχεν τοῖς κυρίοις αὐτῆς μαντευομένη“). Als „Python“ zeichnet er sich ferner für das auffällige Verhalten verantwortlich, welches schließlich den Exorzismus provoziert⁷⁵ (vgl. Apg 16,18). Die Reaktion der Herren (vgl. Apg 16,19 – 21) orientiert sich zudem am Verlust dieses Dämons, der damit umso deutlicher in die Mitte des Geschehens rückt. Darüber hinaus impliziert die markante Benennung des Geistes als Python (πύθων), die in der antiken Literatur Widerhall findet (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69; Lucian, Alex., 7– 8.10.19), ein gewisses Milieu, in dem sich diese Erzählung abspielt. Ähnlich den Ausführungen zu Lystra (vgl. Apg 14,8 – 20) scheint Lukas auch in dieser Episode einen kulturellen Schwerpunkt zu setzen, der nunmehr zu ergründen ist.

2. Orakel in der hellenistischen Gesellschaft Ein markanter Unterschied zwischen dem Setting von Apg 16,16 – 22 und der Episode zu Lystra (Apg 14,8 – 20; vgl. ferner: 19,23 – 40; 28,1– 6) besteht im Ausbleiben einer konkreten Referenz auf eine bestimmte Gottheit, mit der Paulus und

 Dazu M. Frenschkowski, Religion, ; B. Heininger, Magie,  – . Erotian, Frgm.,  vermerkt: „ἐγγαστρίμυθοι: ἃς πύθωνάς τινες καλοῦσιν. ἔστι δὲ τῶν ἅπαξ εἰρημένων.“  Vgl. H.-J. Klauck, Magie, ; F. Avemarie, Wahrheit, ; W. Foerster, δαίμων,  – .  So werten auch R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; F. Avemarie, Wahrheit, ; C.A. Evans, Exorcist, ; C.W. Stenschke, Gentiles,  Anm. ; T. Klutz, Exorcism, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; C.W. Stenschke, Gentiles, .

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Evangelium unmittelbar konfrontiert werden. Zwar korrespondiert der Begriff „πύθων“ semantisch mit dem Titel, den die Priesterinnen des Apollo in Delphi führten (vgl. Strabo, 9,3,11– 12; Plutarch, Mor., 414E), doch ist dieses Lexem dem genannten Geist (πνεῦμα πύθωνα) und nicht der Magd zugeordnet, weshalb sie mitnichten in der Rolle der Pythia zu sehen ist⁷⁶. Lukas unterscheidet deutlich zwischen dem Dämon der mit dem Attribut „πνεῦμα πύθωνα“ ausgezeichnet wird und der Frau, die er lediglich von ihrer Funktion und dem wirtschaftlichen Nutzen für die Herren⁷⁷ her definiert (vgl. Apg 16,16b.19a). Hieraus einen Konflikt zwischen Paulus, als Vertreter des Gottes Israels, und dem Kult um eine griechische Gottheit oder gar dieser selbst abzuleiten⁷⁸, erscheint unter dieser Prämisse abwegig. Folgt man den zahlreichen Einwürfen der antiken Literatur (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69), so galt die These einer omnipräsenten Gottheit, die unabhängig von einem institutionalisierten Heiligtum⁷⁹ gleichermaßen durch alle ihr assoziierten Medien spricht, als fraglich, wenn nicht unwahrscheinlich. Zudem lässt sich kaum nachvollziehen, weshalb Lukas in Philippi einen Konflikt mit einer Gottheit konstruieren sollte, deren zentrales Heiligtum stetig an Einfluss verlor⁸⁰ und zudem geographisch weit entfernt lag (Origenes, Cels., 3,25. Ähnlich Johannes Chrysostomos, Hom. Act., 29). Die entscheidenden Argumente für die Ablehnung  Gegen I. Richter Reimer, Frauen, ; W. de Boor, Apostelgeschichte,  Anm. ; C.A. Evans, Exorcist, . Dieser Einschätzung entsprechend argumentieren M. Frenschkowski, Religion, , der davon ausgeht, dass „Lukas nur die allgemein gebräuchliche Bezeichnung der Wahrsagerin“ verwendet. S.a. H.-J. Klauck, Magie, .  Für eine funktionalisierte Darstellung der Magd spricht ferner der Umstand, dass sie mehr als nur einem Herrn dient. Es war in der antiken Gesellschaft durchaus üblich, dass sich mehrere Investoren zusammenschlossen und sich die Arbeitskraft oder den erwirtschafteten Gewinn eines Sklaven teilten. Siehe M. Frenschkowski, Religion,  Anm. , der auf Cicero, Pro Q. Ros,  –  verweist. In dieser Wiedergabe eines Gerichtsverfahrens beklagt C. Fannius Charea von seinem Geschäftspartner Roscius betrogen worden zu sein, mit dem er ein gemeinsames Investment in einen Sklaven getätigt hatte.  Der wäre freilich die logische Folge aus der Annahme, dass es sich bei der Magd um eine Pythia handelt, die letztlich als Sprachrohr des Gottes Apollo zu gelten hat. Siehe zu diesem Ansazt O. Bauerfeind, Apostelgeschichte, ; I. Richter Reimer, Frauen,  – .. Allerdings stellt sich die Frage, welchen Gewinn eine entsprechende Zuordnung für den Text mit sich brächte. Die Magd gehört weder dem Orakelbetrieb in Delphi an, noch scheint der Text auf eine solche Konkretisierung angewiesen zu sein (dagegen Apg , – ; , – ). S.a. T. Klutz, Exorcism, .  Im Gegensatz zu den Wahrsagern, Traumdeutern u.d.G. die ihre Künste auf dem Markt anboten, galten Priester, die in Anbindung an ein Heiligtum (Apollo, Zeus, u. a.) agieren, als glaubwürdig. Dazu M. Frenschkowski, Religion,  – , der zum Thema Glaubwürdigkeit auf die Ausführungen von Artemidorus, Onir., , verweist. Ferner L. Albinus, δαίμων,  – ; F. Avemarie, Wahrheit, ; H.W. Parke, Oracles, .  Vgl. M. Frenschkowski, Religion, ; U. Egelhaaf–Gaiser, Orakel, ; I. Richter Reimer, Frauen, .

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der kulturellen Verortung des Textes im religiösen Raum rund um Delphi sind jedoch die angesprochenen Hinweise auf die Trennung zwischen Magd und wahrsagendem Dämon⁸¹ sowie das Fehlen der namentlichen Nennung der Gottheit.Verbunden mit dem Umstand, dass der Autor an anderer Stelle mit expliziten Hinweisen arbeitet (vgl. Apg 14,8 – 20; 19,23 – 40; 28,1– 6), bleibt nur die Schlussfolgerung, dass Lukas keinerlei Intention verfolgt, Delphi oder den damit verbundenen Apollo-Kult als tonangebenden Kontrastpunkt aufzugreifen. Stattdessen wählt Lukas ein kulturelles Milieu, welches zwar im Ursprung aus den religiösen Praktiken in Delphi hervorging, sich allerdings den Bedürfnissen der hellenistischen Volksfrömmigkeit anglich⁸². Der antiken Literatur folgend (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69), entwickelte sich das Lexem „πύθων“ in Konkurrenz zum älteren Begriff „εὐπυκλέα“ zu einem terminus technicus, der einen „Wahrsager“ beschreibt⁸³, der im Umfeld der Agora, auf Jahrmärkten oder im Zirkus seine Dienste anbot. Ungeachtet der verbreiteten gesellschaftlichen Kritik, die diesen Menschen eine weitaus geringere Glaubwürdigkeit zugestand als den etablierten Institutionen⁸⁴, erwiesen sich entsprechende Unternehmen als wirtschaftlich rentabel⁸⁵. Hierfür mochten zwei Faktoren von entscheidender Bedeutung gewesen sein: Zum einen spezialisierten sich lokale Wahrsager auf Fragestellungen, die den Alltag der Stadtbewohner betrafen⁸⁶ (vgl. Xenophon, Anab., 3,1,5 – 8) und machten damit zum anderen eine längere Reise zu den etablierten Orakelstätten in Delphi, Ephyra, Olympia u. a. überflüssig. Demzufolge befriedigten jene Wahrsager das verbreitete Bedürfnis nach göttlichem Beistand und Führung abseits der zentralen Kulte und Feste und fanden damit einen festen und akzeptierten Platz im gesellschaftlichen Leben des 1. Jh. n. Chr.

3. Die jüdisch-christliche Haltung gegenüber Orakeln und den damit verbundenen religiösen Vorstellungen Es wäre verfehlt, davon auszugehen, dass die in Apg 16,16 – 22 intendierte Kritik des Autors mit denjenigen Motiven einhergeht, mit denen die antike Literatur ihr

 S.o. S.  ff.  Vgl. H.-J. Klauck, Magie, ; M. Frenschkowski, Religion,  – .; J. Hengstl, Papyri,  – .  Siehe Kap. , Anm. .  Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. M. Frenschkowski, Religion,  – .  Vgl. V. Rosenberger, Orakel,  – ; M. Frenschkowski, Religion, .

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Misstrauen gegenüber Wahrsagern und privaten Orakeln begründet. Dem von Plutarch und anderen vertretenen Vorwurf, jene Menschen seien nicht viel mehr als begabte Bauchredner, die ihre Kunden unter Vorspiegelung einer falschen göttlichen Legitimation betrügen (Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69), folgt Lukas freilich nicht. Stattdessen zeichnet der Autor das Bild einer Frau, die, tatsächlich von einem Wahrsagegeist besessen, Zugriff auf übernatürliches Wissen hat⁸⁷. Dieser Sachverhalt wird durch den Umstand unterstrichen, dass der Dämon eine Wahrheit proklamiert, die nicht nur faktisch korrekt ist⁸⁸, sondern für den Menschen außerhalb einer evangeliumsbezogenen Offenbarung unerreichbar erscheint⁸⁹ (vgl. Apg 16,17b). Als aufschlussreich erweist sich in diesem Zusammenhang das alttestamentliche Wortfeld, in dem die maßgebende Fähigkeit des Wahrsagegeistes „μαντεύομαι“ gründet. Als Übersetzung des hebräischen Wortes „‫ “ֶקֶסם‬begegnet μαντεύομαι in der LXX mehrfach als Ausdruck einer Handlung, die vor Gott schuldhaft und strafbar erscheint⁹⁰. So heißt es in einer Aufzählung in Deut 18,9 – 22, dass sich Israel von den heidnischen Praktiken des Wahrsagens, der Zauberei und Totenbeschwörung fernhalten solle, da das dem Herrn ein Gräuel sei („ἔστιν γὰρ βδέλυγμα κυρίῳ τῷ θεῷ σου“). Während Jes 34,9 wie auch Ez 13,16 Wahrsager als falsche Propheten diffamieren, klagt Mi 3,11 die Sünde Israels an, die sich auch im wirtschaftlichen Betrieb von Wahrsagerei äußert („[…] καὶ οἱ προφῆται αὐτῆς μετὰ ἀργυρίου ἐμαντεύοντο“). Dem folgend, vermerkt 2Kön 17,17, dass sich Israel mit Wahrsagerei und Zauberei abgab und damit das tat, was dem Herrn missfiel („καὶ ἐπράθησαν τοῦ ποιῆσαι τὸ πονηρὸν ἐν ὀφθαλμοῖς κυρίου παροργίσαι αὐτόν“). Als berühmtestes Beispiel aus dieser Reihe von Texten mag zuletzt die Geschichte der Hexe von Endor gelten (1Sam 28,8), in der Saul einer Frau befiehlt, den Geist Samuels zu beschwören („Σαουλ […] εἶπεν αὐτῇ μάντευσαι δή μοι ἐν τῷ

 Bereits im Evangelium wissen die Dämonen im Unterschied zu den Jüngern oder Juden, wer Jesus eigentlich ist (vgl. Lk ,; ,). Das gleiche Motiv begegnet in ironischer Form auch in Apg ,, wo ein Dämon sein Wissen über Jesus benennt, es aber gleichzeitig denen abspricht, die versuchen, ihn mit dessen Namen auszutreiben. Dazu F. Avemarie, Wahrheit,  – ; H. Rouillard and J. Tropper, Ahnenkult,  – .  Vgl. F. Avemarie, Wahrheit, , der Origenes, Comm., , und Epiphanius, Haer., ,, als frühe Belege für diese Einschätzung anführt.  Vgl. C.W. Stenschke, Gentiles, .; H. Külling, Agnostos Theos,  – .  Dieser hebräische Wortstamm kann sowohl verbal als auch substantivisch verstanden werden und beschreibt das Wahrsagen an sich (vgl. Num ,; ,; Jer ,), einen Wahrsager als Person, wofür die LXX wiederum variierende Begriffe verwendet (z. B. Jes ,: στοχαστής) und schließlich die einzelne und von Gott verurteilte Handlung (Deut ,; Sam ,; Kön ,; Mic ,; Jer ,; Ez ,; ,.; ,..; ,).

II. Die kulturellen Einflüsse hinter dem Setting von Apg 16,16 – 22

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ἐγγαστριμύθῳ καὶ ἀνάγαγέ μοι ὃν ἐὰν εἴπω σοι“) und damit selbst gegen Gottes wie auch sein eigenes Gesetz verstößt. Diese kurze Aufzählung zeigt, dass das Handwerk, mit dem die Magd in Apg 16,16 – 22 Gewinne für ihre Herren erwirtschaftet, aus jüdischer Perspektive als Verstoß gegen die göttlichen Gebote der Tora zu gelten hat⁹¹. Mit dem energischen Vorgehen (διαπονέομαι) gegen die Quelle jenes Frevels⁹² (διαπονέομαι) erweist sich Paulus einmal mehr als Diener Gottes, der konsequent am Gesetz festhält (vgl. Apg 14,16 – 18; 17,22b–32; 22,1– 22). Tatsächlich verweisen jüdische wie auch rabbinische Schriften aus dem 1.–2. Jh. n.Chr. auf den hervorgehobenen Status Israels als Gottes auserwähltes Volk, indem sie die Ablehnung jener Praktiken als markantes Alleinstellungsmerkmal betonen⁹³ (Orac. Sib. 3,218.233; bSanh 65a). Damit ist ein weiteres Mal das Thema der Erwählung und Heiligkeit Israels angeschnitten, welches im Zusammenhang der vermuteten thematischen Reihe wiederholt zur Sprache kam⁹⁴. Unter der Voraussetzung eines expandierenden Ansatzes, der zeitlich verstanden die Erwählung des Gottesvolkes auch auf die Völker ausdehnt⁹⁵, macht Lukas erneut einen Anspruch, den Gott gegenüber dem Judentum erhebt, gegenüber den Völkern geltend. Paulus erweist sich dabei als streitbares Werkzeug Gottes, welches gegen religiöse Praktiken einschreitet, die den Geboten des Alten Testaments und damit dem Willen Gottes zuwider laufen⁹⁶.

4. Der Wirtschaftsfaktor Orakel und dessen Bedeutung für Apg 16,16 – 22 Das Bild, welches die antike Gesellschaft mit Orakeln und Wahrsagern verband, erweist sich als bemerkenswert ambivalent. Es erschöpfte sich nicht in der frommen Hoffnung auf Rat und Beistand seitens der Götter. Stets spielten auf beiden Seiten wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, die diesem eigentlich religiösen

 So auch M. Frenschkowski, Religion,  – ; H.-J. Klauck, Magie, .  Es scheint erwähnenswert, dass Lukas das Lexem „διαπονέομαι“ (vgl. W. Bauer, WzNT, ) nur noch in Apg , verwendet, um die Erregung des Hohen Rates über den missionarischen Erfolg der Apostel auszudrücken. Unterstellt man den Sadduzäern die Sorge, im Evangelium von Tod und Auferstehung Jesu eine Gefährdung des Heils Israels zu sehen (in eine ähnliche Richtung überlegt auch I. Richter Reimer, Frauen, ), dann würde dieser Begriff die Reaktion des Paulus in ein ähnliches Licht rücken.  Vgl. M. Frenschkowski, Religion,  – ; B. Heininger, Magie, .  S.o. S.  ff.  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; M.L. Soards, Speeches, ; J. Zmijewski, Eschatologiereden,  – .  Zu denken ist hier an das Bild des Eiferers, welches Lukas für Paulus in Anspruch nimmt. Dazu M. Wolter, Paulus, .

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4. Ein Exorzismus in Philippi und dessen Folgen (Apg 16,16 – 22)

Akt eine handfeste Note verliehen⁹⁷. Während Anfragen an Wahrsager und Orakel durchaus einen ganz irdischen Charakter haben konnten⁹⁸, erhoben diese selbst einen Obolus, der nicht selten genügte, um den wirtschaftlichen Wohlstand dieser Menschen herbeizuführen. Eben dieses Zusammenspiel aus gewinnbringenden, religiösen und privatwirtschaftlichen Aspekten mag der verbreiteten Kritik, die die antike Literatur gegenüber freien Orakeln und Wahrsagern äußert (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69), zu Grunde liegen. Dennoch spricht die weite Verbreitung solcher Orakel im Stadtleben des 1. Jh. n.Chr. für eine weitgehende Toleranz jener Spannung zwischen Religion und Wirtschaft⁹⁹. Dieser Zwiespalt, der zwischen dem frommen Glauben, den Beistand einer Gottheit zu bewirken, und dem Interesse an einer effektiven Vermarktung von Religion entsteht, bleibt auch im jüdischen Kontext nicht unbeachtet. Die oben angeführten Textstellen aus dem Alten Testament, die sich mit der Bewertung der Wahrsagerei auseinandersetzen, erkennen in ihr eine wesentliche Fehlhaltung¹⁰⁰, die die Völker von Gott trennt. Dem entsprechend klagt Mi 3,11 das Verhalten der Israeliten an, unter denen Priester und Propheten für Geld lehren und weissagen und damit letztlich dem Vorbild der Völker folgen („οἱ ἡγούμενοι αὐτῆς μετὰ δώρων ἔκρινον καὶ οἱ ἱερεῖς αὐτῆς μετὰ μισθοῦ ἀπεκρίνοντο καὶ οἱ προφῆται αὐτῆς μετὰ ἀργυρίου ἐμαντεύοντο“). Eine eindrückliche Verbindung zwischen diesem Verhalten und den Völkern impliziert ferner die Warnung aus Deut 18,9 – 12, in der eine Reihe magischer Handlungen als charakteristisches Verhalten der Völker begegnet („[…] οὐ μαθήσῃ ποιεῖν κατὰ τὰ βδελύγματα τῶν ἐθνῶν ἐκείνων“). Texte wie Orac. Sib. 3,233 – 234 zeigen wiederum an, dass dieses Thema auch in späteren Zeiten, in denen das Judentum im ständigen Kontakt mit der nichtjüdischen Umwelt stand¹⁰¹, von akuter Bedeutung war. Gilt die Einhaltung einer strikten Ablehnung dieser Praktiken als sichtbares Merkmal eines gottgefälligen Verhaltens, so musste die Wahrsagerei im Umkehrschluss als Gefährdung für die Erwählung Israels gelten (vgl. Num 23,20 – 23; Deut 18,9 – 12; Jer 27,9 – 10). Damit zeichnet sich ein Konfliktherd religiöser Positionen ab, der sich auch in Apg 16,16 – 22 nachvollziehen lässt. Bereits in der Einleitung der Erzählung betont

 Vgl. T. Klutz, Exorcism, .  Dazu M. Frenschkowski, Religion,  – .  Vgl. M. Frenschkowski, Religion, ; H.-J. Klauck, Magie, .  Das Alte Testament kennt unterschiedliche Symptome, mit denen die sogenannten Völker charakterisiert werden. Neben den wiederkehrenden Motiven der Verehrung falscher Götter und toter Bilder (vgl. Jes ,; ,; Jer ,; Ez ,), begegnet der Vorwurf der stetigen Verwechslung von Natur und Schöpfer (SapSal , – ; , – ), die als Merkmal der Heiden präsentiert werden.  Vgl. M. Frenschkowski, Religion, .

III. Die literarischen Zusammenhänge in Apg 16,16 – 22

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der Autor, dass es sich bei dem Dämon, von dem die Magd besessen war, um einen Python handelt, der ihren Besitzern große finanzielle Gewinne einbringt (vgl. Apg 16,16b). Der Einblick in die Gedanken der Herren in Apg 16,19a („ἰδόντες δὲ οἱ κύριοι αὐτῆς ὅτι ἐξῆλθεν ἡ ἐλπὶς τῆς ἐργασίας αὐτῶν“), den Lukas dem Leser an der Stelle präsentiert, an der eine Akklamation zu erwarten wäre, verdeutlicht ferner die zentrale Rolle, die dem wirtschaftlichen Aspekt von Magd und Geist zukommt¹⁰². Offenbar bezeichnet Lukas mit der Konzentration auf ein religiöses Phänomen, welches schon von alttestamentlicher Seite her kritisch als Symptom der Völker beschrieben wurde, den kulturellen Gegenpol zur Position des Paulus¹⁰³. Es ist nicht nur der Gegenstand eines wahrsagenden Geistes, mit dem sich die Episode beschäftigt; es geht vielmehr um ein von Gott missbilligtes Verhalten, welches, nicht zuletzt wirtschaftlich genutzt, als ein Zeichen gottfernen Handelns der Völker gilt.

III. Die literarischen Zusammenhänge in Apg 16,16 – 22 1. Die literarische Konstruktion von Apg 16,16 – 22 Eingebettet in den Konstruktionsrahmen, unterstreichen Anspielung und Rezeption des vorgeführten Lokalkolorits¹⁰⁴ den argumentativen Charakter der vorliegenden Episode (Apg 16,16 – 22). Der eindrückliche Hinweis auf ein Setting, welches in der hellenistischen Kultur zwar fest verankert ist, im jüdisch-christlichen Kontext jedoch Kritik hervorrufen musste (vgl. Deut 18,9 – 22; 2Kön 17,17; Mi 3,11), vermittelt das Bild einer Diskussion, in der sich zwei Positionen unvereinbar gegenüberstehen. Ausgehend von einer Magd, die von einem Python besessen war (vgl. Apg 16,16), konstruiert Lukas eine Situation, in der ein aus der hellenistischen Kultur entlehnter Gegenstand (μαντεύομαι) zur Grundlage einer Richtungsfrage wird (vgl. Apg 14,8 – 20). Während Paulus in der Rolle des Exorzisten (vgl. Apg 16,18) für die Sichtweise des Alten Testaments einsteht,wonach Wahrsagerei einen Verstoß gegen den Willen Gottes darstellt¹⁰⁵, nehmen die Herren der Magd eine

 Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; F. Avemarie, Wahrheit, .  Mit der Feststellung dieser Position wird nochmals deutlich, dass Lukas die Episode als einen Konflikt gegensätzlicher Positionen und Einstellungen konzipiert, die den Leser vor die Wahl stellt, sich einer Seite anzuschließen. Vgl. K. Berger, Gattungen, – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, .  S.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.

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Haltung ein, welche die ambivalente Beziehung widerspiegelt, die das Verständnis der hellenistischen Gesellschaft gegenüber Religion und Kult prägt¹⁰⁶ (vgl. Apg 16,19a). Die Ausrichtung der Episode auf den Ausspruch der Herren der Magd (vgl. Apg 16,19 – 21) hebt darüber hinaus eine Nuance der Textkonstruktion hervor, die im vergleichbaren Setting von Apg 14,8 – 20 nur unterschwellig zum Tragen kam¹⁰⁷. Ähnlich dem Vorgehen, welches auch bei Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63 zu beobachten ist, überlässt Lukas in dieser chrienartigen Erzählung das Schlusswort einer Position, die sich gegenüber der kritischen Haltung des Alten Testaments als geradezu typisch für die uneinsichtigen Völker erweist (vgl. Deut 18,9 – 22; Mi 3,11). Anstatt die Fehlhaltung ausdrücklich anzusprechen, wählt der Autor den Weg einer pointierten Darstellung des thematisierten Missstandes¹⁰⁸. Dem Leser bietet sich das ironische Bild einer Gruppe von Menschen, die sich gegen diejenige Norm aussprechen, die der Autor als recht und richtig auszeichnet. Diese Form der Ausrichtung einer Erzählung ist bereits im Konstruktionsschema der Gattung angelegt¹⁰⁹. Nicht selten sind es gerade die gezielte Überspitzung oder ironische Töne, die die Tendenz der geführten Diskussion vorgeben und der Pointe eine eindrückliche Gestalt verleihen (vgl. Diogenes Laertius, 1,86; 6,40). Allerdings geht die Verwendung dieses Stilmittels mit der Gefahr einher, dass der Rezipient entsprechende Implikationen übersieht oder in Folge zeitlicher wie kultureller Abstände nicht wahrnimmt. Diesem Umstand Rechnung tragend, ist in dem folgenden Versuch, die Aussage der vorliegenden Episode zu erfassen, auf die Akzentuierung der vorgeführten Inhalte zu achten. Hervorgehobene Motive, wie beispielsweise die Durchführung eines Exorzismus (vgl. Apg 16,18b) oder die gemeinsamen Rufe von Wahrsagegeist und Magd (vgl. Apg 16,17– 18a), die auf dem Hintergrund neutestamentlicher Wundergeschichten ein eindeutiges Spektrum inhaltlicher Assoziationen begleitet¹¹⁰,versehen im Kontext der festgestellten Mischgattung¹¹¹ eine von diesem Schema variierende Funktion. Im Fortgang der Analyse ist dieser literarischen Situation auf einem Wege zu begegnen, der Form und Inhalt als Bausteine wahrnimmt, die der Autor gezielt auf eine bestimmte Wirkung hin ausrichtet. Abweichungen sowie Modifikationen geprägter Motive

 S.o. S.  ff.  Die Anbindung des Ausspruches an eine positiv konnotierte Person tritt hier hinter der eindrücklichen Vermittlung eines Sachverhaltes zurück. Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – .  Zu dieser üblichen Gestaltungsform, siehe K. Berger, Gattungen, .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Dazu s.o. S.  f.

III. Die literarischen Zusammenhänge in Apg 16,16 – 22

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erweisen sich in diesem Zusammenhang als konzeptionelle Eingriffe des Lukas, deren Deutung eine Voraussetzung für das Verstehen der Episoden darstellt.

2. Funktion und Charakter des Ausspruches der Magd (Apg 16,17) Die Aufgabe, die dem Ausspruch des Wahrsagegeistes innerhalb der Episode zukommt (Apg 16,17b: „οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν, οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“), ist trotz konzeptioneller Ähnlichkeiten der Ansätze in der neueren Literatur umstritten. Geleitet von der gemeinsamen Intention, die offensive Reaktion des Paulus aus dem Inhalt der Erzählung heraus zu erklären, werden schwerwiegende Spannungen geduldet, die jene Thesen auf der Erzählebene begleiten. Die Mehrheit der Untersuchungen, die sich mit Apg 16,16 – 22 auseinandersetzen, sehen die Ursache für den wütenden Ausbruch (vgl. Apg 16,18a) in einer undeutlichen Formulierung begründet, mit der der Dämon ein verfälschtes Bild von Gott und Evangelium vermittelt (vgl. Apg 16,17b). So einhellig, wie sich die Literatur in der Bewertung dieses Sachverhaltes zeigt, so uneins erweisen sich die Exegeten in der Identifikation des Streitpunktes. Zusammenfassend stehen drei Erklärungsmodelle zur Disposition, die auf je unterschiedliche Weise in den Worten des Geistes einen Frevel oder zumindest eine missverständliche Formulierung erkennen. Am häufigsten begegnet ein Ansatz, wonach der vom Dämon verwendete Gottestitel (ὁ θεός ὁ ὕψιστος) nicht zwingend den Gott Israels beschreibe¹¹². Tatsächlich nennen zahlreiche Inschriften sowie Textquellen hellenistischer Abstammung den Titel „Höchster Gott“¹¹³ als Beinamen des griechischen Göttervaters Zeus. Verbunden mit unterschiedlichen Assoziationen waren Kulte rund um diese Gottheit im gesamten römischen Reich verbreitet¹¹⁴. Allerdings zeigt der Vergleich dieser Belegstellen mit Apg 16,17b, dass die Form, in der Lukas diese Gottesbezeichnung verwendet, für griechische Verhältnisse ungewöhnlich ist. Während im hellenistischen Kontext eine indeterminierte Bezeichnungsweise bevorzugt wird¹¹⁵, gebraucht der Autor der Apostelgeschichte eine doppelt de-

 Vgl. C.K. Barrett, Acts , ; P.R. Trebilco, Paul, ; P. Pilhofer, Philippi, ; H.-J. Klauck, Magie, ; W. Elliger, Paulus,  – .  Für eine ausführliche Sammlung von Stellen, siehe S. Mitchell, Theos,  – . Ferner H.-J. Klauck, Magie, ; W. Elliger, Paulus,  – ; I. Richter Reimer, Frauen,  – ; O. Jessen, ὕψιστος,  – .  Vgl. S. Mitchell, Theos,  – ; F. Avemarie, Wahrheit,  Anm.  – ; H.-J. Klauck, Magie, ; W. Elliger, Paulus, ; P.R. Trebilco, Paul, .  Vgl. F. Avemarie, Wahrheit, ; W. Elliger, Paulus, ; F. Cumont, ὕψιστος,  – .

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terminierte Form (τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου), die, den Gottesnamen meidend, dem Gebrauch der LXX entspricht¹¹⁶ (vgl. Gen 14,18; 1Esdr 8,19; Dan 3,93LXX). Neben diesem Umstand, der dem gemeinhin anerkannten Befund entspricht, dass Lukas bevorzugt Sprache und Gedanken der LXX annektiert oder zumindest imitiert¹¹⁷, findet sich dieser Gottesbegriff bereits wortwörtlich im Evangelium (vgl. Lk 8,28) belegt. Diesem Gedanken folgend, ist die These, den Unmut des Paulus auf ein Missverständnis bezüglich der Benennung Gottes zurückzuführen, schon aus formalen Gründen nicht nachvollziehbar. Im Zusammenhang mit diesem Erklärungsversuch ist ferner die Frage nach den Rezipienten zu stellen, die die Aussage des Wahrsagegeistes nicht als Verweis auf den Gott Israels hätten verstehen können. Da die Leser des lukanischen Doppelwerkes Christen oder Menschen waren, die dem christlichen Glauben nahe standen¹¹⁸, ist ein Missverständnis auf dieser Ebene nahezu ausgeschlossen. Auch der Rückgriff auf die Reaktion der Herren¹¹⁹ (vgl. Apg 16,19 – 22) hilft in diesem Kontext nicht weiter. Diese Vertreter der Völker identifizieren Paulus und seine Begleiter nicht nur eindeutig als Juden (vgl. Apg 16,20b), sondern stellen ferner einen unmittelbaren Bezug zwischen jener Zuordnung und dem Weg her, den sie verkünden (vgl. Apg 16,20 – 21). Folglich haben selbst die Ankläger des Völkermissionars verstanden, dass die Gottheit, die der Wahrsagegeist der Gruppe christlicher Missionare beiordnet, der Gott Israels ist. Im Übrigen tendiert der Autor dazu, Verwechslungen und Missverständnisse, die auch den Gott Israels betreffen können, ausdrücklich zu benennen (vgl. Apg 14,11; 17,18.32; 28,3.6). Unter diesen Voraussetzungen die Möglichkeit einer Verwechslung des implizierten Gottes einzuräumen, ist folglich unwahrscheinlich. Seltener wird eine These vertreten, die das Verhalten des Paulus mit der indeterminierten Bezeichnung des Weges (ὁδός σωτηρίας) verbindet, die der Dämon in Bezug auf das Evangelium verwendet. Dahinter steht die Einschätzung, dass jene Ausdrucksweise, die durch keinen Artikel bestimmt ist, Spielraum für inhaltliche Optionen lasse¹²⁰. Zwar würde ein Artikel die Exklusivität des von Paulus vertretenen Weges bestärken, allerdings besteht grammatikalisch keinerlei Not Vgl. G. Bertram, ὕψιστος,  –  führt genau die Varianten auf, in denen der Gottestitel in Verbindung mit diesem Lexem begegnet. Siehe auch F. Avemarie, Wahrheit, ; P.R. Trebilco, Paul,  – ; I. Richter Reimer, Frauen, – ; O. Jessen, ὕψιστος,  – .  Dazu M. Wolter, Lukasevangelium, ; F. Avemarie, Wahrheit, ; I. Richter Reimer, Frauen, ; T. Klutz, Exorcism,  – ; D. Rusam, Alte Testament,  – .  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, : „Weitgehend unbestritten ist heute, dass Lukas für christliche Leser schreibt“. Siehe auch F. Avemarie, Wahrheit, ; T. Klutz, Exorcism, .  Vgl. I.A. Levinskaya, Acts,  – ; F. Avemarie, Wahrheit,  – ; P.R. Trebilco, Paul, ; C.W. Stenschke, Gentiles, ; I. Richter Reimer, Frauen, .  Vgl. P.R. Trebilco, Paul,  – ; H.-J. Klauck, Magie,  – ; F.F. Bruce, Acts, .

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wendigkeit für eine entsprechende Ergänzung¹²¹. Die unmittelbare Abfolge der beiden Aussageelemente lässt außer Zweifel, dass der Weg erstens mit dem Gott Israels zu assoziieren ist und sich dieser zweitens, dank der eindeutigen Anrede der Bewohner Philippis („οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“), explizit an diese richtet. Dieser geschlossene Zusammenhang lässt keinesfalls den Gedanken an andere Wege zum Heil zu. Auch grammatikalisch fehlt dieser These die Grundlage. Wäre Lukas daran interessiert gewesen in diesem Ausdruck einen Aspekt der Beliebigkeit zu betonen, so wäre das eindeutig mit der Partikel „τίς“¹²² (vgl. Lk 1,5; 8,25; 10,25; Apg 9,36; 10,1) möglich gewesen. Darüber hinaus, und dieses Argument gilt gegenüber beiden angesprochenen Ansätzen, lässt der Autor Paulus im Falle eines Missverständnisses dieser Tragweite stets unmittelbar reagieren (vgl. Apg 14,14– 15; 17,19 – 21), wohingegen in Apg 16,17– 18 erst mehrere Tage vergehen, bevor er schlussendlich durchgreift. Die zeitliche Diskrepanz zwischen dem ersten Auftreten der Magd mit ihrem Geist (vgl. Apg 16,16b) und dessen Austreibung (vgl. Apg 16,18b) lässt schließlich auch am Gehalt der dritten These zweifeln, die in Auseinandersetzung mit Apg 16,17 begegnet. In Anknüpfung an das im Evangelium verankerte Bild des bösen Geistes (δαιμόνιον), werten die Anhänger dieses Ansatzes den Ausruf des Dämons als Verunglimpfung und Herausforderung von Evangelium und Völkermissionar¹²³. Dagegen spricht zunächst der Umstand, dass Lukas den in Apg 16,16 beschriebenen Geist ausdrücklich nicht mit den Attributen „δαιμόνιον“ oder „ἀκάθαρτος“ belegt, sondern mit der Bezeichnung „πύθων“ ein ganz anderes Assoziationsfeld anschneidet¹²⁴. Die Exorzismen im Evangelium (vgl. Lk 4,34– 35; 8,26 – 39) gehen zudem weniger auf eine böse Absicht zurück, die die unreinen Geister in ihren Rufen offenbaren¹²⁵, als vielmehr auf einen Verstoß gegen das heilsgeschichtliche Konzept des Autors¹²⁶. Da schon zu dieser Zeit die Aussagen der Geister inhaltlich richtig waren, und nach Ostern das Evangelium im ganzen

 Vgl. F. Avemarie, Wahrheit,  Anm.  mit Hinweis auf F. Blass and A. de Brunner, Grammatik, §, wonach im Neuen Testament der Artikel bei Verbindungen zwischen Substantiven und Genetivattributen häufig ausgelassen werden kann, ohne dabei eine Unbestimmtheit des Ausdrucks zu verursachen.  Vgl. F. Blass and A. de Brunner, Grammatik, §,..  Darunter sind zu nennen G. Schille, Apostelgeschichte,  – ; O. Bauerfeind, Apostelgeschichte, ; W. de Boor, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .  So auch I. Richter Reimer, Frauen,  – ; A. Weiser, Apostelgeschichte , . Zur Auseinandersetzung mit diesem Begriff s.o. S.  ff.  Die entsprechenden Rufe sind im Kontext der Motive von „Beschwörung“ und „Bitte um Gnade“ zu sehen. Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; M. Wolter, Lukasevangelium, .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; G. Schneider, Apostelgeschichte, .

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Erdkreis offenbar werden soll (vgl. Lk 24,48; Apg 1,8), besteht keinerlei Grund, diese Restriktion weiterzuführen¹²⁷. Ferner bleibt die Verkündigung des Evangeliums, sowie die wirksame Berufung auf den Namen Jesus, weder im Evangelium noch in der Apostelgeschichte auf den Kreis der Jünger beschränkt. In Lk 9,49 – 50 weiß der Autor von der Entrüstung der Jünger gegenüber Menschen zu berichten, die nicht zu den Zwölfen gehören und dennoch im Namen Jesu Geister und Dämonen austreiben. Das Konzept einer Restriktion¹²⁸, die lediglich einen ausgewählten Kreis von Zeugen und Aposteln als angemessene Künder der göttlichen Realität zuließe, ist demzufolge nicht festzustellen. Schlussendlich muss der Versuch, eine Botschaft, die über mehrere Tage hinweg öffentlich verkündet wurde, zu unterdrücken, als verspätetes, wenn nicht gar aussichtsloses Unterfangen wirken. Grundsätzlich spricht gegen all diese Deutungsansätze der Umstand, dass Geister und Dämonen im lukanischen Weltbild Zugang zu göttlichem Wissen besitzen¹²⁹. Jesus untersagt den bösen Geistern nicht das Wort wegen einer etwaigen Falschaussage, sondern weil sie die Wahrheit zu einem Zeitpunkt verkünden, der dafür nicht vorgesehen ist. Der Geist, der die Magd gefangen hält, wird sogar explizit als „Wahrsagegeist“ (πνεῦμα πύθωνα) deklariert; ein Ausdruck, der dessen Wesen in der Verkündung von Wahrheiten verankert. Die vermittelte Botschaft (Apg 16,17b: „οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν, οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“) ist theologisch nicht zu beanstanden. Dem Boten wird lediglich zum Verhängnis, dass er Teil eines Handwerks ist, welches dem Gesetz nach Gott zuwiderläuft.

3. Apg 16,17 als Bezeichnung eines theologischen Wendepunktes Vor dem Hintergrund dieses negativen Befundes gegenüber jenen Verhältnisbestimmungen, welche die Literatur zwischen dem Ausruf des Wahrsagegeistes (Apg  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte, .; A.J. Thompson, Acts, .  Dazu H. Räisänen, Messianic Secret,  – ; H.-J. Klauck, Magie, .. F. Avemarie, Wahrheit,  Anm.  erkennt im Zögern des Paulus eher ein Moment der „Schwäche“, als das Motiv der Stärke oder die Absicht eine gesteigerte Spannung (so beispielsweise S. Schreiber, Paulus, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ) zu erzeugen. F. Avemarie, Wahrheit,  Anm.  spricht ferner davon, dass „Lukas die Formel vom ὄνομα Ἰησοῦ Χριστου dem legitimen christlichen Gebrauch vorbehält“. Diese Anmerkung scheint allerdings, wie die gegebenen Beispiele zeigen, etwas zu eng gefasst. Passender wäre die Formulierung eines Vorbehaltes für Menschen, die an das Evangelium und somit an Jesus glauben und sich darin Gott zuwenden.  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, ; H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; S. Schreiber, Paulus, .

III. Die literarischen Zusammenhänge in Apg 16,16 – 22

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16,17) und dem folgenden Exorzismus (Apg 16,18) konstruiert, eröffnet sich die Notwendigkeit, die Funktion dieses Textelements zu überdenken. Unbestritten erscheint der Wahrheitsgehalt der vermittelten Botschaft, die Paulus sowie dessen Begleiter als Diener Gottes und das Evangelium als Weg der Rettung deklariert (vgl. Apg 16,17). Die Aussage über das Wesen des Evangeliums beschreibt indes, anders als die absolut gesetzte Bezeichnung von Paulus und seinen Begleitern (vgl. Apg 16,17b: „οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν“), einen Sachverhalt, der im Kontext der unmittelbaren Anrede eine Beziehung zu den Bewohnern der Stadt aufbaut (vgl. Apg 16,17c: „οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“). Der Wahrsagegeist übernimmt als einziger Mittler christlicher Inhalte innerhalb der Episode die Aufgabe eines Marktschreiers, der ein Ereignis ankündigt, das für die Stadtbewohner eine entscheidende Lebenswende mit sich bringt¹³⁰ (vgl. Apg 14,16 – 17; 17,30 – 31). Die Resonanz auf jenen Ausruf, der die umstehenden Griechen auf den für sie nun offenen Weg des Heils hinweist, fällt freilich verhalten aus. Zu keinem Zeitpunkt der mehrtägigen Wiederholung dieser Botschaft weiß der Text von einem Ereignis zu berichten, in dem sich die Bewohner der Stadt an Paulus oder einen seiner Begleiter gerichtet hätten. Erst in Folge der Dämonenaustreibung verweisen die Herren der Magd auf jene Worte des Pythons. Diese Reaktion vollzieht sich allerdings nicht in der Gestalt eines Bekenntnisses oder Lobpreises, sondern im Rahmen einer Anklage (vgl. Apg 16,19 – 21), die das Evangelium als Störung des öffentlichen Friedens und damit unvereinbar mit den römischen Sitten bezeichnet („καταγγέλλουσιν ἔθη ἃ οὐκ ἔξεστιν ἡμῖν παραδέχεσθαι οὐδὲ ποιεῖν ωμαίοις οὖσιν“). Es erscheint überaus fraglich, ob die zur Last gelegten Vorwürfe gegenüber der römischen Gesetzeslage Bestand, geschweige denn justiziablen Wert gehabt hätten¹³¹. Entscheidend ist jedoch der Umstand, dass der Autor gerade im Ge-

 Für diese Einschätzung mag auch die Verwendung des Verbums „κατακολουθέω“ (Apg ,) sprechen, welches im Neuen Testament nur noch in Bezug auf die Frauen am Grab (Lk ,) belegt ist. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Frauen die ersten Zeugen und Boten der Auferstehung Jesu sind, könnte sich hierin ein Indiz für eine funktionelle Parallele zwischen den Frauen am Grab und dem Geist herstellen. Anders I. Richter Reimer, Frauen, , die die Beziehung zur Magd herstellt und dabei außer Acht lässt, dass sie als Besessene hinter dem Willen des Geistes zurücksteht.  Vgl. F. Avemarie, Wahrheit,  – . I. Richter Reimer, Frauen,  –  stellt fest, dass der Tatbestand letztlich einer Sachbeschädigung gleichkommt, wohingegen die Anklage politischer Natur ist. So auch H.-J. Klauck, Magie, ; W. Elliger, Paulus,  – . Häufig wird auf den Umstand hingewiesen, dass die Anklage der Herren (Apg , – ) explizit die Sitten der Juden in den Blick nimmt, von denen die christliche Verkündigung zu unterscheiden sei. Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , ; H.-J. Klauck, Magie, . Die Anklage beziehe sich auf einige Zugeständnisse an das Judentum (vgl. Flavius Josephus, Ant., ,,; ,,), die in der römischen

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genüber der Anklage (vgl. Apg 16,19 – 21) und dem Ausspruch des Dämons (vgl. Apg 16,17) einen kritischen Bezugspunkt in die Diskussion einbringt, der die vorliegende Episode eindrücklich in den Kontext der Identitätsfrage der lukanischen Leserschaft stellt¹³².

IV. Das Bild der ungehorsamen Völker 1. Apg 16,16 – 22 als Konflikt zweier Positionen Die Einschätzung, den Ausspruch des Wahrsagegeistes (vgl. Apg 16,17b) aus dem inneren Zusammenhang der Exorzismuserzählung herauszunehmen und als eine von zwei gegenläufigen Positionen dieser chrienartigen Erzählung zu werten¹³³, verändert eindrücklich das Verständnis für die strukturelle Zusammensetzung der Episode (Apg 16,16 – 22). Der Exorzismus (vgl. Apg 16,18), zumeist als Kernelement der Handlung gewertet¹³⁴, erscheint auf diesem Hintergrund relativiert auf ein dramatisches Stilmittel, welches der Autor nutzt, um den wesentlichen Konflikt herbeizuführen¹³⁵. Im Gegenzug wächst die inhaltliche Bedeutung von Ausruf (vgl. Apg 16,17) und Anklage (vgl. Apg 16,19 – 21). Je als ein Standpunkt verstanden, der dem anderen kritisch gegenübersteht, bilden sie den thematischen Kern der Episode. Einzelne Details, wie der Umstand der Zeitverzögerung zwischen Ruf und Exorzismus („τοῦτο δὲ ἐποίει ἐπὶ πολλὰς ἡμέρας“), die Beziehung zwischen der Magd und ihren Herren („ἥτις ἐργασίαν πολλὴν παρεῖχεν τοῖς κυρίοις αὐτῆς μαντευομένη“) sowie die beinahe passive Rolle des Paulus, sind dieser Konstruktion beizuordnen. Das Element der Beziehung zwischen der Magd und ihren Herren (vgl. Apg 16,16) verlangt in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit. Jenes Verhältnis zwischen einer Frau, die einen Wahrsagegeist besitzt („ἔχουσαν πνεῦμα πύθωνα“), und Männern, die als deren Herren und Besitzer bezeichnet werden, erweist sich innerhalb dieses literarischen Konstrukts als Schlüssel zum VerBevölkerung kritisch gesehen wurden (vgl. Tacitus, Hist., ,). Dabei wird der direkte Bezug außer Acht gelassen, der zwischen der Darstellung von Evangelium und Völkermissionar und der Motivation der Anklage besteht. Paulus tritt mit seinem Vorgehen gegen den Wahrsagegeist gerade für das Gesetz der Juden ein, welches von den Herren abgelehnt wird. Eine Absetzungsbewegung von Juden und Christen ist in diesem Vorgang sicherlich nicht intendiert.  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – . Ferner s.o. S.  f.  Zur literarischen Einordnung der Episode s. o. S.  ff.  Dazu s.o. S.  ff.  In dieser Deutung verhält sich der Exorzismus exakt nach dem Funktionsschema, welches K. Berger, Gattungen,  für diese unselbstständige Gattung bestimmt.

IV. Das Bild der ungehorsamen Völker

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ständnis der Episode. Von Anfang an außer Zweifel gelassen, dass das maßgebende Interesse hinter dieser Beziehung von der wirtschaftlichen Wertschöpfung herrührt (vgl. Apg 16,19a), die die Magd durch den geschäftlichen Betrieb der Wahrsagerei (μαντεύομαι) erbringt¹³⁶, sind Impulse für die weitere Handlung evoziert. In Bezug auf den Exorzismus bedingt diese Handhabe einer Begabung, die vor den Augen Gottes ein Übel darstellt (vgl. Deut 18,9 – 22; Jes 34,9; Ez 13,16), die Initiative des Paulus¹³⁷, gegen den Dämon vorzugehen. Dem gegenüber steht besagtes finanzielles Interesse der Herren, welches sich, dank eines Einblicks in deren Gedankenwelt¹³⁸ (vgl. Apg 16,19a), dem Leser als leitendes Moment der folgenden Anklage offenbart¹³⁹ (vgl. Apg 16,19b–22). In dieser Konstruktion spielt der Zeitaspekt (vgl. Apg 16,18a) ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Herren der Magd in der Anklage gegen Paulus und dessen Begleiter explizit auf die Informationen berufen, die der Wahrsagegeist propagierte¹⁴⁰ (Apg 16,17), garantiert die zeitliche Verschiebung, dass die Ereignisse als ein in sich schlüssiger Ablauf wirken. Da der Text zum Thema Mission und Evangeliumsverkündigung seitens des Paulus schweigt¹⁴¹, sie folglich aus der Handlung ausklammert, bleibt lediglich der Ausruf von Magd und Wahrsagegeist als Informationsquelle der Anklage. Dieses Verhältnis inhaltlicher Abhängigkeit wird durch die Argumentation bestätigt, die die Besitzer der Magd gegenüber den Archonten anführen (vgl. Apg 16,20). Aussagen über den Weg, den Paulus und seine Begleiter verkündigen, begegnen lediglich in den Worten des Dämons in Apg 16,17b. Bei der erneuten Nennung dieses Sachverhaltes (Apg 16,20 – 21), in der die Herren das Attribut des Heils („οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“) nunmehr als Straftatbestand formulieren, muss es sich demzufolge um einen Querverweis auf jenen

 Vgl. Kap. , Anm. .  Die Rolle als Zeuge und Diener des Gottes Israels, die Paulus und seinen Begleitern im Ausruf des Geistes zugewiesen wird (vgl. Apg ,b), zwingt ihn freilich zu dieser Handlung (s.o. S.  ff).  Zum Stilmittel des sogenannten „Gedankenberichtes“ siehe J. Vogt, Aspekte,  – .  So auch A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Der Ausspruch „οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“ ist als Gegenstück zu „καταγγέλλουσιν ἔθη ἃ οὐκ ἔξεστιν ἡμῖν παραδέχεσθαι οὐδὲ ποιεῖν ωμαίοις οὖσιν“ und die Feststellung „Ἰουδαῖοι ὑπάρχοντες“ gegenüber „οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν“ zu sehen.  So merkt es auch F. Avemarie, Wahrheit,  an und weist zugleich Thesen zurück, die hier die juristische Sonderstellung des Judentums vor dem römischen Recht als Angriffspunkt antijudaistischer Polemik sehen (so beispielsweise W.C.van Unnik, Anklage, ). Die argumentativen Beziehungen, die der Text erkennen ließ, weisen vielmehr auf den Vorrang der theologischen Diskussion hin.

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Ausruf (Apg 16,17) handeln. Zwar ließe sich der zweite Anklagepunkt, die Zugehörigkeit zum Judentum (vgl. Apg 16,20b), auch an dem Umstand ablesen, dass Paulus und dessen Begleiter anfangs auf dem Weg zur sogenannten Gebetsstätte waren (vgl. Apg 16,16a), allerdings erweist sich dieser Begriff als ein weniger eindrückliches Identifikationsmerkmal¹⁴² als der Gottestitel (τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου), mit dem der Dämon den Völkermissionar eindeutig als Diener des Gottes Israels¹⁴³ ausweist. Schließlich setzt der Vorwurf, dass Paulus durch das Evangelium in der Stadt Aufruhr verursache, einen Bekanntheitsgrad des Paulus voraus, der sich auf der Erzählebene nur unter Zuhilfenahme der tagelangen Bekundungen des Wahrsagegeistes auf der Agora annehmen lässt (vgl. Apg 16,17).

2. Der ironische Ausdruck der Episode Apg 16,16 – 22 Ausruf (vgl. Apg 16,17) und Anklage (vgl. Apg 16,19 – 21) stehen sich, der vorgeführten Verhältnisbestimmung folgend¹⁴⁴, in einer Beziehung von These und Antithese gegenüber. Im Unterschied zu anderen Erzählungen, in denen Lukas dieses argumentative Schema anwendet (vgl. Apg 14,8 – 20; 17,16 – 34), tritt Paulus in Apg 16,16 – 22 allerdings nicht als Redner in Erscheinung, der ein vormalig beschriebenes Missverständnis zurechtrückt. Stattdessen konstruiert der Autor eine Szene, in der diese argumentative Abfolge umgekehrt scheint. Auf den Ausruf eines Wahrsagegeistes (vgl. Apg 16,17) folgt die kommentierende Reaktion der Herren (vgl. Apg 16,19 – 21), die zu jener Botschaft eine Meinung äußern, die aus christlicher Perspektive falsch ist. Während diese abstrahierte Struktur vor dem Hintergrund der antiken Rhetorik leicht als ironische Ausdrucksform einer chrienartigen Konstruktion nachzuvollziehen ist¹⁴⁵ (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63), scheint Lukas in der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Episode noch einen Schritt weiter zu gehen. Der

 Dazu A.Weiser, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; T. Klutz, Exorcism,  – . Diese verweisen darauf, dass „προσευχή“ als Gebetsstätte von der bei Lukas sonst üblichen Bezeichnung „συναγωγή“ deutlich zu unterscheiden ist. Ferner H.-J. Klauck, Magie, ; W. Elliger, Paulus,  – . –  deutet den Begriff als Bezeichnung einer kleinen ggf. jüdischen Versammlungsstätte, die für das religiöse Bild der Stadt keine weitere Rolle spielte. C. Bakirtzis, Philippi,  –  zeichnet ferner das weite religiöse Spektrum der Stadt Philippi nach, in der zwar durch Ausgrabungen römische, griechische, wie auch ägyptische und orientalische Kulte nachgewiesen werden konnten, eine jüdische Synagoge jedoch nicht.  S.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.  Vgl. Kap. , Anm. .

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Verzicht auf die Ausdrucksstärke der Figur des Paulus zu Gunsten der Ausführungen von Protagonisten, die nach alttestamentlicher Sichtweise als „unrein“ (vgl. Deut 18,9 – 22; Ez 13,16 – 20; bSanh 65a) und als „aus den Völkern“ zu verstehen sind, bedarf der weiteren Erklärung. Theologisch ist der Ausruf des Python nicht im Geringsten zu beanstanden. Paulus und seine Begleiter sind Diener des Gottes Israels, der im hellenistischen Kulturraum sowie der LXX oftmals mit der determinierten Wendung ὁ θεὸς ὁ ὕψιστος¹⁴⁶ umschrieben wurde. Auch kommt dem angesprochenen Weg (ὁδός), der synonym für das Evangelium steht, die Bedeutung einer Rettung für die Einwohner von Philippi zu (vgl. Apg 1,8; 14,16 – 17; 17,30 – 31). Die ausdrückliche Trennlinie, die den Dämon zu einem ungeeigneten Vertreter der christlichen Position macht, zieht Lukas ausschließlich mit dem Hinweis auf dessen Natur als Pythongeist¹⁴⁷. Dieser Sachverhalt hebt diese Eigenschaft des „Wahrsagens“ innerhalb des geschilderten Settings hervor. Es ist nicht allein der Umstand, dass diese Fähigkeit des Geistes die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges der Herren darstellt und damit den Streitpunkt für die spätere Anklage bildet (vgl. Apg 16,19 – 21). Mit Blick auf das Bild, welches Lukas im Doppelwerk von Dämonen zeichnet (vgl. Lk 4,34; 8,28), erscheint die charakterisierende Zuspitzung des Geistes auf diese Eigenschaft wie ein Ausrufezeichen. Unabhängig von ihrem Wesen als unrein (ἀκάθαρτος) oder weiter gefasst als dämonisch (δαιμόνιον), verfügen diese Entitäten über göttliches Wissen.Wie an anderer Stelle gezeigt¹⁴⁸, unterbindet Jesus in seinen Exorzismen keineswegs eine Falschaussage jener Geister, sondern hindert sie lediglich daran, eine Wahrheit zu verkünden, die vor Ostern verborgen bleiben sollte. Diesen Aspekt eines Einblickes in die wahren Verhältnisse der Welt unterstreicht der Autor nunmehr mit der Auszeichnung des Dämons und macht ihn damit zum relevanten Faktor der Erzählung. Dem gegenüber stehen die Herren der Magd, die bereits in der Einleitung der Episode in einen Zusammenhang mit einer Weltsicht gebracht werden, die ein ambivalentes Verhältnis zwischen Religion und finanzieller Wertschöpfung vertritt¹⁴⁹ (vgl. Apg 16,16b). In Anlehnung an die Vorbehalte, welche die antike Literatur gegenüber sogenannten privatwirtschaftlichen Orakeln vorbringt (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Artemidorus, Onir., 2,69; Lucian, Alex., 7– 8.10.19), zeichnet Lukas die Herren spätestens mit dem Einblick in ihre Gedanken (vgl. Apg 16,19) als Menschen aus, denen der inhaltliche Aspekt ihres Gewerbes nur wenig bedeutet („ἰδόντες δὲ οἱ κύριοι αὐτῆς ὅτι ἐξῆλθεν ἡ ἐλπὶς τῆς ἐργασίας αὐτῶν“). Allerdings    

Dazu s.o. S.  ff. A.a.O. A.a.O. S.o. S.  ff.

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würde ein Rückschluss, der den Kern des vorliegenden Konfliktes lediglich als ein Aufeinanderprallen von Völkermissionar und Evangelium auf der einen und zynischen Vermarktern hellenistischer Religionen auf der anderen Seite versteht¹⁵⁰, die eigentliche Ironie der vorliegenden Szene verkennen. Die von Lukas geäußerte Kritik erweist sich als diffiziler, da sie, ausgehend von einer wahrheitsgemäßen Aussage (vgl. Apg 16,17), einen Aspekt der hellenistischen Weltsicht grundlegend in Frage stellt¹⁵¹. Der Dämon tritt in dieser Diskussion als Mittler der christlichen Perspektive auf. Anders als Paulus, der als Jude wiederholt auf Ablehnung seitens der Vertreter der hellenistischen Kultur stößt (vgl. Apg 13,50; 14,2; 19,26 – 27), umschreibt der Autor den Dämon in einem Kontext, der seinen Sitz in den kultischen Gepflogenheiten der griechischen Gesellschaft hat¹⁵². Angesiedelt im religiösen Umfeld der antiken Orakel, agiert der Python als Überbringer göttlichen Wissens zu den Menschen. Kein anderes Bild zeichnet der Autor des Doppelwerkes von jenem Wahrsagegeist, der Magd und Herren das Einkommen garantiert. Er betont sogar, dass die vorgeführten Ausrufe richtig und für die Einwohner von Philippi von existenzieller Bedeutung sind. Und dennoch kommt der Inhalt dieser Ausrufe in der Anklage der Herren nicht zur Sprache (vgl. Apg 16,19 – 21). Die Bedeutung der Botschaft wird vielmehr ignoriert¹⁵³ und, diffamiert als jüdische Ordnung, als Störfaktor der öffentlichen Ruhe bezeichnet (vgl. Apg 16,21). Dem finanziellen Faktor, den Lukas den Lesern mit Hilfe eines Gedankenberichtes¹⁵⁴ ins Bewusstsein ruft (vgl. Apg 16,19), kommt bei der hier beobachteten Darstellung paganer Religiosität zwar eine hintergründige Bedeutung zu, jedoch spielt der zuletzt angedeutete Gedanke eine wichtigere Rolle. Demnach verschließen sich jene Menschen selbst dann dem Wort Gottes, wenn dieses von einer

 So H.-J. Klauck, Magie,  – .  Vgl. F. Avemarie, Wahrheit, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; T. Klutz, Exorcism,  – . Die Kritik des Autors geht offensichtlich weiter als die, die von Seiten der antiken Literatur gegenüber privaten Wahrsagern begegnet.Vgl. Plutarch, Mor., E; Artemidorus, Onir., ,. Sie ist grundsätzlicher Natur und stellt ein religiöses System in Frage (s.o. S.  ff).  S.o. S.  ff.  So auch grundlegend F. Avemarie, Wahrheit,  – . Dass an dieser Stelle Ironie im Spiel ist, mag auch die Formulierung „ἰδόντες δὲ οἱ κύριοι αὐτῆς ὅτι ἐξῆλθεν ἡ ἐλπὶς τῆς ἐργασίας αὐτῶν“ (Apg ,a) zeigen, die mit der Wiederholung des Austreibungsbefehls (ἐξέρχομαι) in Bezug auf ihre Hoffnung auf Profit zu einem Gegengewicht zur Hoffnung auf Rettung, die Paulus vertritt, wird.  S.o. Kap. , Anm. .

IV. Das Bild der ungehorsamen Völker

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Quelle¹⁵⁵ übermittelt wird, die außer Verdacht steht, eine jüdische Weltsicht zu vertreten. Stattdessen folgen die Herren der Magd, die nicht einmal auf die Worte ihres eigenen Wahrsagegeistes achten, einer Verhaltensform, die das Alte Testament, wie auch frühe jüdische Schriften, als symptomatische Eigenheit des Lebenswandels der Völker einschätzt¹⁵⁶ (vgl. Deut 18,9 – 22; Jes 34,9 – 10; Ez 13,16; Orac. Sib. 3,218.233; Test. Juda 23,1; bSanh 65a). Zugleich tritt Paulus, der mit der Durchführung des Exorzismus erst den Anstoß für die weitere Auseinandersetzung bereitet (vgl. Apg 16,19 – 21), ein weiteres Mal als Diener des Gottes Israels hervor¹⁵⁷, dessen Handeln sich auch in einem hellenistisch geprägten Umfeld an den Vorgaben des Alten Testaments orientiert. Der Ausspruch des Wahrsagegeistes (Apg 16,17) mag in diesem Zusammenhang wie eine Bestätigung wirken, die die Zusage, die Gott im Evangelium allen Völkern zudenkt, nochmals unterstreicht (vgl. Apg 1,8; 9,15; 10; 15,1– 29). Allerdings findet dieser Sachverhalt weder bei den Herren noch bei der Volksmenge Anklang, die, gegen Paulus aufgebracht, diesen schlagen lässt (vgl. Apg 16,22). Damit zeichnet Lukas ein ähnliches Auskommen des Geschehens, wie es bereits in der Episode zu Lystra begegnete (vgl. Apg 14,8 – 20). Hier wie dort sind es fragwürdige Gründe, mit denen die von Lukas gezeichneten Vertreter der Völker das Evangelium ablehnen, welches zeitgleich eine jüdische Konnotation erhält (vgl. Apg 16,17.20b–21).

 F. Avemarie, Wahrheit,  merkt den Punkt aufgreifend an, dass „sich weder durch das Orakel noch durch die Austreibung des Dämons irgendjemand für das verkündete Heil gewinnen ließ“.  Vgl. H.-J. Klauck, Magie, . J. Roloff, Apostelgeschichte,  stellt treffend fest, dass im Verhalten der Herren der „zynische Umgang mit Religion“ dargestellt wird, den Lukas letztlich als repräsentativ für Teile der hellenistischen Gesellschaft ansieht. Einschränkend ist zu ergänzen, dass es sich dabei um ein Urteil handelt, welches ausdrücklich einer jüdisch-christlichen Perspektive entstammt.  Dieser Umstand findet nicht zuletzt im impulsiven Durchgreifen des Paulus gegen den Wahrsagegeist (vgl. Apg ,) seinen Ausdruck. S.o. S.  ff.

5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34) I. Die Form von Apg 17,16 – 34 1. Apg 17,16 – 35 als dramatische Episode Die Erzählung, die vom Aufenthalt des Paulus in Athen berichtet¹ (vgl. Apg 17,16 – 34), tritt inhaltlich wie strukturell aus dem Kontext der zweiten Missionsreise (vgl. Apg 15,36 – 18,22) hervor. Die explizite Nennung von Ankunft (Apg 17,15) und Abreise (Apg 17,34), sowie die Einführung eines neuen Settings, beschreibt einen eigenständigen Handlungsabschnitt (vgl. Apg 13,13; 14,20b; 16,1; 16,11; 18,1– 2), der, neben einem Streit zwischen griechischen Philosophen und Paulus (vgl. Apg 17,16 – 21), eine ausführliche Rede des letzteren umfasst (vgl. Apg 17,22– 34). Bedingt durch die innere Abhängigkeit der einzelnen Textelemente verweist die Erzählführung auf ein literarisches Konzept, welches die Abhandlung eines in sich geschlossenen Gedankenganges im Blick hat². Bekräftigt wird diese Einschätzung durch den Umstand, dass der Autor, über die üblichen Einleitungsmotive hinaus, den Kreis der Leitfiguren, die zuvor aktiver Teil der Handlung waren³, nunmehr auf Paulus reduziert (vgl. Apg 17,16a). Ferner verzichtet Lukas auf eine inhaltliche Verknüpfung des Abschnittes mit dem rahmenden Itinerar⁴ (vgl. Apg 15,36 – 18,22),

 In neuerer Zeit scheint die Einschätzung, dass der vorliegende Text (Apg , – ) kein historischer Bericht, sondern literarisches Werk des Autors des lukanischen Doppelwerkes ist, konsensfähig. Über historische Anknüpfungspunkte und vorbereitende Erzähltraditionen wird indes nach wie vor spekuliert. Siehe J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; H. Conzelmann, Paul, ; S. E. Porter, Paul,  – .  Das Bindeglied zwischen den beiden Abschnitten sind die Verse Apg , – a, die eine unmittelbare Abfolge zwischen der Verkündigung des Evangeliums vor den Einwohnern der Stadt (Apg ,), den Vorwürfen der Philosophen (Apg ,) und der Rede des Paulus (Apg ,b– ) implizieren.  Paulus begibt sich zusammen mit den Mitarbeitern Silas (vgl. Apg ,) und Timotheus (vgl. Apg ,) auf seine zweite Missionsreise. In Beröa erhält er ferner die Unterstützung einer Gruppe, die als „οἱ ἀδελφοὶ“ bezeichnet wird (vgl. Apg ,) und die ihn bis nach Athen geleitet (vgl. Apg ,).  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, . DOI 10.1515/9783110458039-005

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womit er der Erzählung den Charakter eines literarischen Einschubes verleiht, der Thema und Handlung des Reiseberichtes unterbricht⁵. Diese Beobachtungen sprechen eindrücklich für einen Text, der nach dem Schema des dramatischen Episodenstils⁶ abgefasst wurde. Dieser Eingriff ⁷ in einen längeren Erzählfaden (vgl. Apg 15,36 – 18,22) dient dem Schriftsteller zur Auszeichnung eines besonderen Gedankenganges, der am Rande der Haupthandlung das übergeordnete Leitthema perspektivisch erweitert⁸. Lukas greift in der Apostelgeschichte wiederholt auf dieses Stilmittel zurück (vgl. Apg 14,8 – 18; 16,16 – 40) und verbindet vereinzelt Episoden, die einem gemeinsamen Ansatz folgen, zu thematischen Reihen⁹, die, über die Apostelgeschichte verteilt, einen definierten Gedanken in wechselnden Szenarien durchspielen. Eine entsprechende Verbindung scheint auch zwischen der hier behandelten Erzählung (Apg 17,16 – 34) und der sogenannten Lystraepisode (Apg 14,8 – 20) zu bestehen¹⁰. Beide Texte sind durch den dramatischen Episodenstil geprägt¹¹ und zeigen im Aufbau deutliche Parallelen. Ferner lässt sich das Setting der beiden Texte mit den Schlagworten eines durch die hellenistische Kultur geprägten Publikums (vgl. Apg 14,11– 13; 17,16 – 17), einer daraus hervorgehenden kulturellen Diskrepanz (vgl. Apg 14,11– 13; 17,16b.18 – 21), sowie eines darauffolgenden Missverständnisses (vgl. Apg 14,11b; 17,18b; 28,4.6) umschreiben. Als ausschlaggebenden Grund für eine Parallelisierung der beiden Episoden führt die exegetische Literatur jedoch den Umstand an, dass beide Erzählungen eine ausgeführte Rede

 Ein Itinerar zeichnet sich durch einen sachlichen Sprachstil aus, der eine informative Funktion erfüllt und dabei auf narrativ ausschmückende Elemente weitgehend verzichtet. Wörtliche Reden sind in dieser Literaturform nicht vorgesehen.Vgl. J. Börstinghaus, Sturmfahrt, ; J.Wehnert, WirPassagen, .  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – .  Ebda. .  Ebda. . Ferner E. Haenchen, Source Material, . Zur Problematik des Leitthemas, s. o. S.  ff.  D. Marguerat, Lukas,  –  merkt an, dass der Autor des Doppelwerkes eine Vorliebe für die Konstruktion entsprechender Leitlinien aufweist. Allerdings ist dieser Ansatz, der auf einzelne Motive beschränkt bleibt (a.a.O.), mit Blick auf die Eigenschaften des dramatischen Episodenstils auf Themenkomplexe auszuweiten. Ferner E. Plümacher, Schriftsteller, .  Eine enge Beziehung der beiden Episoden ist in der exegetischen Literatur breit belegt (vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts , ), allerdings steht hier das Verhältnis der beiden Reden im Sinne einer Kurz- und Langfassung im Mittelpunkt der Wahrnehmung. Der Umstand, dass Lukas im Setting respektive der Perspektive bewusst wechselnd (mit J. Roloff, Apostelgeschichte, ) beide Texte in einer thematischen Reihe zusammenführt, ist selten zu lesen.  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

als Kernstück¹² aufweisen. Allerdings zeigt sich der in diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Begriff der „Missionsrede“, nicht zuletzt mit Blick auf die darin implizierte Ausrichtung des Textes¹³, als inhaltliche Vorentscheidung, die die Gefahr in sich trägt, die inhaltliche Absicht der Episode zu verdecken. Eine kritische Anfrage an Form, argumentative Struktur sowie nach der inhaltlichen Ausrichtung von Apg 17,16 – 34 ist somit ausdrücklich geboten.

2. Apg 17,22 – 31 und die These von einer Missionspredigt An diesem Vorhaben anknüpfend, ist auf die verbreitete These einzugehen, es handele sich bei der Rede des Paulus (Apg 17,22b–31) um die Präsentation einer „paradigmatischen Missionspredigt“¹⁴. Diese Einschätzung definiert einen inhaltlichen Schwerpunkt, der dem Text eine übergeordnete Funktion (Sitz im Leben) zuweist, die jenen Abschnitt aus dem narrativen Rahmen herauslöst und als eigenständiges Element wahrnimmt. Diesem Gedanken folgend, kommt der abgegrenzten Rede die Aufgabe zu, dem Leser als Entwurf für die formale Gestaltung und thematische Füllung eines Textes zu dienen, der den missionarischen Anforderungen der frühen Kirche¹⁵ gerecht würde. Die Bedeutung des literarischen Vorbaus (Apg 17,16 – 22a) erscheint, diesem Ansatz folgend, mit der Bestimmung einer Zielgruppe, an der sich das präsentierte Paradigma orientiert¹⁶, erschöpft. Nicht allein die darin intendierte konzeptionelle Trennung einzelner Bausteine aus einer in sich geschlossenen Episodenstruktur mag Widerspruch gegen dieses Vorgehen hervorrufen; besagte Einschätzung legt ferner eine Konstruktion innerer Zusammenhänge nahe, die auf formaler Ebene zweifelhaft und mit den inhaltlichen Gegebenheiten des Textes kaum vereinbar sind.

 So R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts , .  Zur Kritik, siehe K. Berger, Gattungen,  – .  So A. Weiser, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; U. Wilckens, Missionsreden,  – ; E. Lerle, Predigt im Neuen Testament,  – ; E. Plümacher, Schriftsteller, .  Eindrücklich formuliert bei J. Roloff, Apostelgeschichte, . Er merkt an (a.a.O.): „Das Hauptinteresse des Erzählers war es zu zeigen, wie Paulus die vom missionarischen Schema geforderte monotheistische Propädeutik auf die spezifische Situation des Gesprächs mit den heidnischen Philosophen hin abwandelt“. S.a. A. Weiser, Apostelgeschichte , ; H. Conzelmann, Paul,  – ; E. Schweizer, Concerning the Speeches of Acts,  – ; U. Wilckens, Missionsreden,  – .  Diesen Eindruck gewinnt man zumindest aus der hervorgehobenen Betonung des Predigtansatzes. Dazu O. Wischmeyer, Wort Gottes, .

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Zuerst ist in diesem Zusammenhang auf die Kategorisierung der Rede als „Missionspredigt“ einzugehen. Wird dieser Begriff im Sinne einer Gattungsbezeichnung gebraucht, so zieht das eine Reihe von stilistischen, literarischen und historischen Spannungen nach sich. Eine literarturwissenschaftliche Definition der Gattung „Predigt“ fällt bemerkenswert unbestimmt aus, da sie zumeist jegliche Form religiösen Redens umschließt¹⁷. Zu einer strukturellen Präzisierung dieses weiten Begriffes ist auch der Zusatz der „Mission“ nicht geeignet, da er lediglich ein bestimmtes Ziel, nämlich die Werbung neuer Anhänger¹⁸, vorgibt. Eine formale Einschränkung erhält eine so bestimmte Rede erst in der direkten Abgrenzung von anderen Redegattungen¹⁹ (z. B.: Apologien, Gerichtsreden, etc.), die in ihrer Form eindeutig zu bestimmen sind. Allerdings ist es für die Ermittlung der Gattung eines Textes, besonders wenn es sich um eine in sich geschlossene Einheit handelt, notwendig, die gesamte literarische Einheit, und nicht nur einzelne Abschnitte, wahrzunehmen. Ferner beeinträchtigt die Wahl einer entsprechenden Kategorie bereits im Vorgang von Konzeption und Abfassung die Endgestalt des späteren Komplexes²⁰. Eine separate und eigenständige Gattungszuweisung einzelner Textabschnitte scheint unter dieser Voraussetzung fraglich. Eine von außen unterstellte Gattung, die die literarische Einheit der Perikope aufhebt und obendrein der antiken Rhetorik unbekannt ist²¹, kann vor diesem Hintergrund weder den literarischen Maßstäben noch dem Text selbst gerecht werden. Ebenso zweifelhaft wie der unterstellte Gattungsbegriff wirkt ferner die Einschätzung, der Rede liege ein „paradigmatischer Charakter“ zu Grunde. So verstanden sind in Apg 17,22b–31 formale wie inhaltliche Elemente systematisiert, die für die Erstellung eines Textes dieser Kategorie regelhafte Bedeutung haben²². Neben der Problematik, die sich aus formalen Gründen für diese Einschätzung ergibt, spricht ein geradezu banaler Sachverhalt gegen diese These. Konträr zu einer Einordnung der Rede als Muster einer Missionspredigt, die umfassend an die Völker gerichtet sei²³, grenzt der Text die Zielgruppe explizit auf griechische Philosophen (vgl. Apg 17,18), genauer Stoiker und Epikureer, ein. Zweifelsohne

 Vgl. K. Berger, Gattungen, ; F. Wintzer, Textpredigt,  – ; H.-G. Schöttler, Christliche Predigt,  – ; E. Lerle, Predigt im Neuen Testament, .  Vgl. T. Sundermeier, Mission,  – ; H. Frankenmölle, Mission, b; O. Wischmeyer, Wort Gottes, .  Vgl. K. Berger, Gattungen, .  Vgl. H. Lausberg, Rhetorik,  – ; B. Sowinski, Stilistik, .  So K. Berger, Gattungen,  – .  Vgl. U. Görman, Paradigma,  – ; I.G. Barbour, Myths,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

waren die hier abgebildeten Philosophen allesamt als aus den Völkern gedacht. Allerdings darf angezweifelt werden, ob umgekehrt alle nicht-jüdischen Einwohner Athens zugleich Philosophen waren. Dieser Umkehrschluss, so spitzfindig er auch wirken mag, ist jedoch notwendig, sollten die in der Episode dargestellten Menschen als Vorlage für einen grundsätzlichen Entwurf dienen. Folgerichtig ist im unterstellten Konzept zumindest die weite Ausrichtung auf die Völker als stereotype Gruppe fraglich. Lukas tendiert indes dazu, seine Figuren über Hinweise auf deren Sprache, Kultur oder besondere Eigenschaften präzise zu umschreiben²⁴, wodurch eine individualisierte Szene entsteht. Neben den Philosophen in Athen (Apg 17,18) spricht Paulus in Lystra (Apg 14,8 – 20) Menschen an, die der Autor zuvor als abergläubische Bergbewohner herausstellt²⁵. Selbst im Umgang mit Vertretern des Judentums differenziert der Autor beispielsweise zwischen dem Hohen Rat (vgl. Apg 4,1– 22; 5,17– 42) und dem Volk im Tempel (vgl. Apg 3). Ein Indiz für eine individuelle Ausrichtung der Reden auf das jeweils definierte Publikum ist auch in dem Umstand zu sehen, dass Juden der Diaspora stets zum Glauben (vgl. Apg 10,43; 13,39), die Bewohner Jerusalems hingegen zur Umkehr und Buße (vgl. Apg 2,38; 3,19a; 5,31b) gerufen werden²⁶.Während die Rede in Lystra, entsprechend den kulturellen Gegebenheiten, sich mit Erntezeiten auseinandersetzt (vgl. Apg 14,17), stehen in der Rede des Stephanus die Themen der Erwählung und Verwerfung Israels (vgl. Apg 7,51– 53) im Mittelpunkt. Vorausblickend auf die Rede in Apg 17,22b–31 stehen in diesem Tetxabschnitt wiederum kultische wie theologische Themen im Vordergrund (vgl. Apg 17,22b–23). Ein Paradigma, welches sich an diesen eng definierten Gruppenbildern ausrichtet, ist somit denkbar ungeeignet, um umfassende Stereotypen anzusprechen. Ein von Apg 17,16 – 34 abgeleitetes Schema eines Charakteristikums, welches Allgemeingültigkeit einfordert, würde folglich diesem Anspruch nicht genügen. Schließlich ist noch die Präsentation der Rede zu bewerten, die ebenfalls gegen den vermuteten Zweck spricht. Es überrascht, wenn ein Text, der der offensiven Werbung für einen bestimmten Sachverhalt oder eine Gruppe dienen soll, im Nachwort durch den Autor als wenig bis gar nicht erfolgreich dargestellt wird (vgl. Apg 17,32). Dieser Umstand wäre umso überraschender, sollte es sich dabei um einen Entwurf handeln, der auf eine Nachahmung ausgerichtet ist. In diesem Fall wäre die Darstellungsweise ausgesprochen ungeschickt und würde eher auf eine gegenteilige Intention hinweisen. Auch genügt es nicht, auf den historischen

 Vgl. C. Tietz, Sprache, ; J.S. Sorensen, Sprache, ; C.W. Stenschke, Gentiles, ..  Dazu s.o. S.  ff.  Vgl. U. Wilckens, Missionsreden,  – .

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Hergang zu verweisen, um die Spannung zwischen paradigmatischer Nutzung und missionarischem Misserfolg auszuräumen²⁷. Unter diesem Blickwinkel wird die Frage nach der Präsentation sogar verschärft, da Athen gegenüber Ephesus, Alexandria und Korinth im 1. Jh. n.Chr. seine Bedeutung als einflussreiche Metropole innerhalb der Politik des hellenistischen Großreiches verloren hatte²⁸. Bereits die Wahl des Standortes scheint unter diesen Gesichtspunkt ungeeignet, um ein Publikum anzusprechen, das unter dem Sammelbegriff „die Völker“ zu fassen wäre. Darum ist schlussendlich die diskutierte These beiseite zu lassen und von Neuem nach der literarischen Form sowie der begleitenden inhaltlichen Absicht zu fragen, die Apg 17,16 – 34 zu Grunde liegen. Als Kriterium haben neben einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, die von der Verwendung des dramatischen Episodenstils vorausgesetzt wird, nur diejenigen Indizien zu gelten, die der vorliegende Text vorgibt.

3. Aufbau und Struktur von Apg 17,16 – 34 Abgesehen von dem ungewöhnlichen Nachwort (vgl. Apg 17,32– 34), mit dem der Autor die Episode abschließend bewertet, erinnert der Aufbau von Apg 17,16 – 34 an die Grundform einer Chreia. Der strukturierte Ablauf der Erzählung lässt deutlich zwischen einem problematisierenden Einleitungsteil (vgl. Apg 17,16 – 21) und einer kommentierenden Rede (vgl. Apg 17,22– 31) unterscheiden, die als Kernelemente dieser Gattung gelten²⁹. Ein narrativer Anhang, der die Diskussion nach dem abschließenden Ausspruch durch einen ergänzenden Einwurf des Autors erweitert, mag im Gebrauch der antiken Rhetorik selten sein³⁰ (vgl. Clau-

 Auf solche Erklärungsversuche verweist kritisch J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .  Vgl.W. Weinkauf, Stoa,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .; J.A. Fitzmyer, Acts, ; J. Dupont, Le discours à l’Aréopage, .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – .  Siehe K. Berger, Gattungen, . Als positives Beispiel mag eine Chreia von Claudius Aelianus, Var. Hist., , dienen: „Διογένης ἡνίκα ἀπέλιπε τὴν πατρίδα, εἷς αὐτῷ τῶν οἰκετῶν ἠκολούθει ὄνομα Μάνης, ὃς οὐ φέρων τὴν μετ’ αὐτοῦ διατριβὴν ἀπέδρα. προτρεπόντων δέ τινων ζητεῖν αὐτὸν ἔφη ‘οὐκ αἰσχρὸν Μάνην μὲν μὴ δεῖσθαι Διογένους, Διογένην δὲ Μάνους; οὗτος δὲ ὁ οἰκέτης ἐς Δελφοὺς ἀλώμενος ὑπὸ κυνῶν διεσπάσθη, τῷ ὀνόματι τοῦ δεσπότου δίκας ἐκτίσας ἀνθ’ ὧν ἀπέδρα.“ Als Diogenes die Heimat verließ, folgte ihm ein Sklave mit dem Namen Manes, der dessen Lebensweise nicht ertragend floh. Als man anregte ihn zu suchen sagte er (Diogenes): „Ist es nicht schändlich, dass Manes zwar nicht Diogenes braucht, Diogenes aber Manes?“ Dieser Sklave aber,

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

dius Aelianus, Var. Hist., 13,28), ist allerdings in der Apostelgeschichte auch an anderer Stelle belegt (vgl. Apg 14,18). Es handelt sich bei diesem Eingriff um einen erweiternden Kommentar, der im Sinne einer Moral der Geschichte den zu vermittelnden Eindruck, den der Leser wahrnehmen soll³¹, unterstreicht. Ihren Ausgang nimmt die Diskussion in dem zweiteiligen Vorwurf einer Gruppe von Philosophen (vgl. Apg 17,18), die unmittelbar auf das von Paulus verkündete Evangelium reagieren. Die erste Vorhaltung, Paulus sei ein „Körnerpicker“ (σπερμολόγος), setzt den Rahmen fest, in dem die Diskussion verläuft. Inhaltlich wird das Evangelium als unverständiges Plagiat³² bewertet. Der zweite Punkt greift die eschatologische Beziehung zwischen Jesus und der Auferstehung auf (vgl. Apg 17,18c: „ὅτι τὸν Ἰησοῦν καὶ τὴν ἀνάστασιν εὐηγγελίζετο“), die sie als Proklamation neuer Gottheiten werten³³. Dieser aus christlicher Sicht unzutreffenden Einschätzung des Evangeliums steht wiederum die Perspektive des Paulus entgegen, die ausführlich in der anschließenden Rede zur Sprache kommt³⁴ (vgl. Apg 17,22b–31). Es muss betont werden, dass chrienartigen Erzählungen eine argumentative Kommunikationsstruktur zu Grunde liegt³⁵. Diese ist darauf ausgerichtet, eine präferierte Position des Autors zu einem bestimmten Thema in der konkreten Diskussion mit Vertretern eines anderen Standpunktes dem Leser als angemessene Sichtweise vor Augen zu führen³⁶. Folglich lassen sich an dem Aufriss der Erzählung neben der tendenziellen Ausrichtung auch der thematische Gegenstand sowie dessen Bewertung zwischen den Positionen ablesen. Stein des Anstoßes ist die Verkündigung des λόγος τοῦ θεοῦ (vgl. Apg 17,17). Die gegenläufigen Standpunkte werden von griechischen Philosophen, im Weiteren als Stoiker und Epikureer präzisiert (Apg 17,18a), auf der einen und Paulus auf der anderen Seite repräsentiert. Abstrahiert betrachtet, ist in Apg 17,16 – 34 offenbar ein ähnliches

der sich bei Delphos rumtrieb, wurde von Hunden zerissen, dem Namen des Herren Gerechtigkeit schaffend für dessen fliehen.  Vgl. E.N. Hock and R.F. O’Neil, Chreia, .  Vgl. M.A. Robinson, Spermologos, ; N. Walter, σπερμολόγος, .  Mit J. Roloff, Apostelgeschichte, ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Diesen perspektivischen Wechsel mag der neuerliche Ortswechsel von der Agora zum Areopag unterstreichen (vgl. Apg , – ). Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, ; H. Lausberg, Rhetorik, §. S.a. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Siehe Kap. , Anm. .  Dazu E.N. Hock and R.F. O’Neil, Chreia,  – ; K. Berger, Gattungen, ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – .

I. Die Form von Apg 17,16 – 34

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Setting aufgegriffen, wie es Lukas auch in der Lystraepisode (Apg 14,8 – 20) präsentiert. Diese konzeptionelle Nähe, die die exegetische Literatur wiederholt betont, mag mit Blick auf die Ausführungen über die Tendenz des dramatischen Episodenstils, thematische Reihen zu bilden³⁷, wenig überraschen. Das verbindende Thema wäre demzufolge in der Reaktion zu sehen, mit der die Philosophen auf die Versuche des Paulus antworten, das Wort Gottes zu vermitteln. Tatsächlich legen die unmittelbare Abfolge von Verkündigung und Vorwurf sowie die erläuternde Anmerkung darüber, was Paulus überhaupt verkündet (vgl. Apg 17,23b), diesen Gedanken nahe. Unterstützung erhält die These, hier ein gemeinsames Schema wie auch thematisches Anliegen zu vermuten, zudem durch den Umstand, dass beide Texte durch einen Kommentar des Autors (vgl. Apg 14,18 par. Apg 17,32– 34) ergänzt werden, in dem er die Reaktion der Parteien zusammenfassend vorführt und beurteilt. Auch wenn damit eine inhaltliche Ausrichtung des Textes festgestellt ist, die die Erzählungen von Athen und Lystra thematisch miteinander verbindet, bleibt die Frage nach der besonderen Perspektive von Apg 17,16 – 34, mit der der Autor den leitenden Gedankengang zu erweitern sucht, offen. Ein Aspekt wird sicherlich im veränderten kulturellen Hintergrund zu sehen sein, aus dem die vorgeführten Vertreter der Völker stammen. Erneut wird ihrer religiösen wie auch intellektuellen Abstammung erzählerisch viel Raum gelassen (vgl. Apg 17,16 – 18a par. Apg 14,11– 13), nur um am Ende der Episode festzustellen, dass sie Paulus und seine Ausführungen verspotten (vgl. Apg 17,32). Ein weiteres Element kann an den beiden Vorwürfen der Philosophen abgelesen werden. Anders als in Lystra, wo eine verkürzte Wahrnehmung des Zusammenhanges zwischen Evangelium, Glauben und dem Wirksamwerden einer Therapie zum Anlass des deutlichen Widerspruchs von Barnabas und Paulus wurde (vgl. Apg 14,11– 13), hinterfragt Apg 17,18a die Authentizität des gesamten Evangeliums. Scheinbar vergleichen die angesprochenen Athener den christlichen λόγος τοῦ θεοῦ mit der stoischen Lehre³⁸. Schließlich impliziert das Missverständnis bezüglich Jesus und der Auferstehung (vgl. Apg 17,18b.32a) einen potentiell eschatologischen Aspekt, der in dieser Deutlichkeit noch nicht begegnete. Freilich stehen diese drei Punkte nicht unabhängig voneinander zur Diskussion, sondern sind in Korrelation zu sehen. Zunächst muss geklärt werden, mit welchen geprägten Bildern, Vorstellungen und Traditionen der lukanische Paulus  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Das ist der notwendige Rückschluss aus dem Vorwurf des Körnerpickers, den die Philosophen gegen Paulus erheben. Vgl. Kap. , Anm. . C.K. Rowe, Grammar,  –  erkennt im Gegenüber der beiden Positionen ein zentrales Motiv von Apg , – .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

in der vorliegenden Episode umgeht. Zweifelsohne steht die hier behandelte Problematik, wie bei den anderen Gliedern der thematischen Reihe auch (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22), in ergänzender Abhängigkeit zum etablierten Menschenbild, weshalb erst im Folgeschritt der genaue Inhalt der Vorwürfe präzisierbar erscheint. Diese Untersuchung bildet ferner die Voraussetzung, um die Rede des Paulus als Gegenpol zur Sichtweise der Philosophen angemessen auszulegen und final in Beziehung zum konstatierten Leitthema zu bestimmen.

II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode 1. Form und Ausrichtung des verwendeten Bildes der Athener Philosophen Gemäß den vorherigen Beobachtungen (vgl. Apg 14,11– 13; 16,16 – 22) vermittelt Lukas auch in Apg 17,16 – 34 mit Hilfe so ausführlicher wie präziser Erzählelemente und Namensgebung Informationen, die den Figuren einen greifbaren sowie diskussionstragenden Charakter verleihen. Zunächst allgemein als Philosophen bezeichnet (vgl. Apg 17,18a), werden jene Hauptfiguren in einem weiteren Schritt als Stoiker und Epikureer präzisiert (Apg 17,18b). Diese Zuweisung einer herausgehobenen Gruppe von Athenern in ein intellektuell wie politisch bestimmtes Milieu reicht aus, um beim Leser einen Ersteindruck von Menschen zu evozieren, deren primäres Streben auf die Suche nach Grundwahrheiten und Erkenntnissen ausgerichtet ist³⁹. Allerdings bedarf es der Angabe der philosophischen Schule, um dem noch undifferenzierten Appellativum eine inhaltliche Dimension hinzuzufügen⁴⁰. Damit steht dem Völkermissionar zunächst das unpersönliche Bild von Menschen gegenüber, der ausschließlich über die mit ihm assoziierte Lehre definiert wird. Allerdings nehmen die kulturellen Eindrücke, die im gewählten Setting der Erzählung angelegt sind, indirekten Einfluss auf das inszenierte Bild, wodurch die Figuren Persönlichkeit erhalten. Aussagen grundsätzlicher Natur, die das religiöse wie auch gesellschaftliche Leben der Stadtbewohner (vgl. Apg 17,16 – 17.21) beschreiben, schließen auch die hervorgehobene Gruppe ein und erweitern ihr Bild durch eine kulturelle wie auch charakterliche Komponente. Der damit gewonnene Anknüpfungspunkt an den thematischen Leitfaden der Episode stellt die Philo-

 W. Weinkauf, Stoa,  hält mit Verweis auf Panaitios (Zit.: Cicero, De Off., ,,; Ders., De Finibus, ,), das Streben nach Erkenntnis, Gemeinschaft, Leistung und daraus folgend innerer Harmonie als maßgebliche Handlungsmotive des Menschen fest. Ferner Ebda.  – ; M. Pohlenz, Stoa,  – ; W. Nestle, Nachsokratiker,  – .  C. Habicht, Athen, ; M. Pohlenz, Stoa,  – .

II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode

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sophen in die Reihe der von Lukas konstruierten Menschenbilder (vgl. Apg 14,8 – 18; 16,16 – 20), die beide Aspekte vereinen. Konkrete Eigenschaften, wie Frömmigkeit (Apg 17,22b: „ἄνδρες ᾿Aθηναῖοι, κατὰ πάντα ὡς δεισιδαιμονεστέρους ὑμᾶς θεωρω“)⁴¹, Neugier (Apg 17,21b: „ηὐκαίρουν ἢ λέγειν τι ἢ ἀκούειν τι καινότερον“) oder die Einordnung in ein gesellschaftliches Milieu, welches vom eingebrachten Ideal abweicht (vgl. Apg 17,21), bereichern die eindimensionale Gestalt und erzeugen ein greifbares Charakteristikum⁴². Erst mit dieser Erweiterung, die die Philosophen weniger schematisch wirken lässt, wird es dem Autor möglich, eine pointierte Diskussion zu schaffen, die eine reflektierte Darstellung, Auswertung und nicht zuletzt Bewertung der unterschiedlichen Positionen zulässt. Der Rückblick auf die literarische Einordnung der Episode als chrienartige Erzählung mag diesen Blickwinkel auf die Zusammenhänge der Episode noch um einen weiteren Aspekt bereichern. Neben der äußeren Struktur, die einen Ablauf von These und Antithese vorgibt, sind es vor allem die rhetorischen Mittel der Ironie und der Polemik⁴³, die dieser Gattung argumentative Stärke verleihen. Um diese Werkzeuge wirksam einsetzen zu können, bedarf es jedoch, neben einem thematischen Reibungspunkt, einer Oberfläche, an der die Kritik angebracht werden kann. Aus diesem Grund greift Lukas in den Episoden, die nach einem solchen Schema konzipiert sind, selten eine Lehre als solche an. In den meisten Fällen richtet er den Fokus der Kritik auf ihre Vertreter, wodurch die abgelehnte Ideologie im Gewand eines für den Leser greifbaren Menschen in Frage gestellt wird (vgl. Apg 14,11– 13; 16,16; 19 – 21). Demnach tragen die thematisierte Lehre (vgl. Apg 17,18), das kulturelle Spektrum der Stadt Athen (vgl. Apg 17,16.21), wie auch das davon abgeleitete Bild der Philosophen, in gleichen Teilen zur Definition der Problematik bei. In Bezug auf die kommentierende Rede (Apg 17,22b–31) nutzt der Autor die Charakterisierung der Stoiker und Epikureer noch in einer weiteren Funktion. Unterstützt durch Einlassungen, die das Verhalten des Paulus beschreiben (vgl. Apg 17,16b–17), wird diesem in der unmittelbaren Abgrenzung von den Merkmalen, die die Philosophen auszeichnen, eine Rolle zugewiesen, die er für die Dauer der Episode einnimmt. Abhängig von dieser Einordnung ist im Weiteren der Standpunkt abzuleiten, von dem aus die Kritik der Antithese (Apg 17,22b–31)

 Dieses Lexem wird häufig mit „abergläubisch sein“ übersetzt (vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ). Allerdings erweist sich das Bedeutungsspektrum dieses Lexems als ambivalent, weshalb diese Übersetzung für Lukas nicht bindend sein muss (ausführlich s.u. S.  ff.).  Vgl. B. Sowinski, Stilistik,  – .  Vgl. Kap. , Anm. . Gegen F. Staudinger, δεισιδαίμων, , der in den Ausführungen des Lukas ein positives Anliegen erkennt.

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

formuliert wird. Damit zeigt sich ein eng verwobenes Beziehungsnetz, das in der Verbindung verschiedener Motive den Inhalt der Episode entscheidend prägt. Ein solches Geflecht setzt ein gewisses Grundverständnis des behandelten Gegenstandes voraus. Nur mit Kenntnis der einzelnen Aspekte, auf die der Autor in seiner Diskussion zurückgreift, kann sich für den Leser der volle Umfang der Argumentation erschließen.

2. Stoiker und Epikureer im kulturellen Umfeld Athens Auswahl und Angebot der philosophischen Schulen Athens waren während des ersten nachchristlichen Jahrhunderts bemerkenswert mannigfaltig. Neben der Stoa und dem Epikureismus konkurrierten weitere Schulen, beispielsweise die der Kyniker (seit 5. Jh. v.Chr.) oder die Akademie (um 387 v.Chr.), mit teils deutlich divergierenden Ansätzen um den Zuspruch von Schülern aus aller Welt⁴⁴. Mit Blick auf den untersuchten Text (Apg 17,16 – 34) provoziert dieser Formenreichtum philosophischer Ansätze und Weltbilder, der hier lediglich angedeutet werden kann, die Frage, weshalb der Autor einen der beiden Diskussionspartner der Episode gerade den zuerst genannten Schulen (vgl. Apg 17,18a) zuordnet. Zwar galt die Stoa zur Zeit der Abfassung des Doppelwerkes als wohl bekannteste und in der hellenistischen Welt am weitesten verbreitete philosophische Strömung⁴⁵ – womit sie zumindest der Prämisse eines möglichst hohen Wiedererkennungswertes entspräche –, der festgestellten Verknüpfung von Setting und Thema wird dieser Sachverhalt jedoch nicht umfänglich gerecht. Auch die anderen Schulen Athens dürften im römischen Großreich einen gewissen Bekanntheitsgrad besessen haben, weshalb sich aus der Popularität einer bestimmten Denkrichtung diesbezüglich sicherlich kein Automatismus für die Entscheidung des Autors ableiten lässt, eben jene beiden Gruppen für seine Erzählung zu wählen. Ebenso wenig kann die Nennung der beiden Denkweisen generalisierend als Stellvertretung für die griechische Philosophie oder die griechischen Philosophen gedeutet werden⁴⁶. Die Stoiker scheinen zwar in ihrer Umwelt, wie auch in der christlichen Nachlese (vgl. Clemens von Alexandria, Protrept., 6,72,61P), einen außerordentlichen Ruf genossen zu haben⁴⁷, allerdings

 S.u. S.  ff.  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .  Für eine Zuspitzung plädiert beispielsweise J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Zu den Tugenden und damit dem Bild, welches in der hellenistischen Gesellschaft mit dem Stoiker verbunden wurde, siehe M. Pohlenz, Stoa,  – . – ; W. Weinkauf, Stoa, ; H. Berve, Geschichte,  – .

II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode

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unterscheiden sich die Konzepte der einzelnen Schulen zu sehr, als dass hier ein gleichförmiges Bild wahrgenommen werden könnte⁴⁸. Außerdem hätte Lukas, wäre er an einer allgemeinen Aussage über den Philosophen an sich interessiert, auf eine weitere Präzisierung seiner Charaktere (vgl. Apg 17,18) verzichten können. Unter der Kondition besagter Gestaltungsform des Textes liegt es nahe, neben dem Bekanntheitsgrad vor allem inhaltliche Aspekte für die Wahl der Schulen verantwortlich zu machen. Dabei garantiert besagtes formales Kriterium, dass entsprechende Anspielungen selbst in verkürzter oder zugespitzter Form vom Leser erkannt und zugeordnet werden konnten. Ein Punkt, der mit Blick auf die festgestellte Gattung der Episode als Notwendigkeit gelten mag. Entsprechend den stilistischen Konventionen und Mitteln, die eine Chreia begleiten⁴⁹, ist ein entsprechender Umgang mit den ggf. komplexeren Themen und Thesen der abgelehnten Position, zwecks inhaltlicher Schärfung, üblich. Zudem erscheint die Idee einer harmonisierenden Handhabe der reflektierten Ideen mit dem Standpunkt des Paulus⁵⁰, wie es ein Umgang im missionarischen Kontext impliziert hätte, eher unwahrscheinlich, wohingegen die differenzierende wie zuspitzende Nutzung der besagten Struktur entspräche.

3. Kulturelle Unterschiede und gegensätzliche Standpunkte Es sind unterschiedliche Eindrücke, mit denen Lukas die divergierenden Standpunkte, die die Auseinandersetzung der vorliegenden Episode (vgl. Apg 17,16 – 34) prägen, zum Ausdruck bringt. Der Vorwurf, Paulus sei ein σπερμολόγος und das Evangelium die Verkündigung fremder Gottheiten (vgl. Apg 17,18c–d), deutet in diesem Zusammenhang nicht nur das thematische Spektrum der vorliegenden Diskussion an, sondern definiert darüber hinaus den grundsätzlichen Reibungspunkt zwischen Paulus und den Philosophen. Bezeichnet die in diesen Ausführungen anklingende Abgrenzungsbewegung der Philosophen gegenüber

 Im Zusammenhang mit den Kynikern findet sich beispielsweise die Einschätzung (Sextus Empiricus, Adv. Math., ,): „Μητρόδωρον μὲν ὅτι εἶπεν „οὐδὲν ἴσμεν, οὐδ’ αὐτὸ τοῦτο ἴσμεν ὅτι οὐδὲν ἴσμεν“ (Metodous […] sagte: Wir wissen nichts, wir wissen nicht einmal, dass wir nichts wissen). Ferner Diogenes Laertius, ,: „᾿Aνάξαρχος ᾿Aβδηρίτης. οὗτος ἤκουσε Διογένους τοῦ Σμυρναίου·ὁ δὲ Μητροδώρου τοῦ Χίου, ὃς ἔλεγε μηδ’ αὐτὸ τοῦτ’ εἰδέναι ὅτι οὐδὲν οἶδε.“ (Anaxarchus ein Abderiter. Dieser studierte bei Diogenes von Smyrna. Später aber bei Metodorus von Chios, der sagte, er wissen nicht einmal, dass er nichts weiß).  Siehe Kap. , Anm. .  So beispielsweise J. Roloff, Apostelgeschichte, ; E. Plümacher, Schriftsteller, ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – .

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dem von Paulus vertretenen Gottesbild, sowie dem damit verbundenen Weltbild, den inhaltlichen Rahmen der Auseinandersetzung, wird deren Tendenz am charakteristischen Klang jener Vorhaltungen (vgl. Apg 17,18) ersichtlich. Die Stoiker und Epikureer lassen mit der Anmerkung, Paulus sei ein „Körnerpicker“ (σπερμολόγος), keinen Zweifel daran entstehen, dass sie im Evangelium eine verfälschende Wiedergabe ihrer eigenen Weltsicht erkennen⁵¹. Paulus sieht sich demzufolge mit einer Situation konfrontiert (vgl. Apg 14,11– 13), in der das Evangelium einer philosophischen Lehre gegenübersteht, die im direkten Vergleich den Anspruch erhebt, die korrekte Ausführung einer verkürzten Interpretation zu sein. In diesem Zusammenhang mag es wenig überraschen, dass die angeschnittenen Themen (vgl. Apg 17,18) in der Rede des Paulus ihren Widerhall finden. Bemerkenswert erscheint allein der Umfang der Erklärung, in der sich Paulus den Themen Gottesbild, Schöpfung und den Wegen der Erkenntnis widmet. Die bemerkenswerte Länge der Rede sowie das kurze Zitat des stoischen Dichters Aratus (vgl. Apg 17,28 par. Aratus, Phaen., 5) vermitteln im Kontext des geschilderten Settings den Eindruck, dass Lukas die Weltsicht, für die die Stoiker und Epikureer einstehen, in den Ausführungen des Völkermissionars konkret aufgreift und thematisiert. Der kontrovers diskutierte Gedanke einer natürlichen Gotteserkenntnis, der im Zusammenhang mit den Versen Apg 17,28 – 31 begegnet⁵², reflektiert demzufolge eine Perspektive, die der Autor den Philosophen zuschreibt⁵³. Die Reaktion des Paulus (vgl. Apg 17,22 – 31) verleiht demzufolge dem jüdischchristlichen Standpunkt Ausdruck, der hier als erläuterndes Widerwort einzuschätzen ist. Gleiches gilt für die Frage nach der Schöpfung. Eindrücklich spricht Paulus in Apg 17,24– 31 das Verhältnis zwischen Gott und Welt an, welches er als eine strukturierte Beziehung zwischen Schöpfer und erschaffenem Geschöpf wertet (vgl. Apg 17,24a: „ὁ θεὸς ὁ ποιήσας τὸν κόσμον καὶ πάντα τὰ ἐν αὐτῷ“). Als Gegenpol zu dieser Positionierung, die ihren gedanklichen Ursprung im Alten Testament hat, ist erneut das Weltbild der Philosophen zu sehen⁵⁴, welches vom Ansatz des Paulus abweicht. Dessen Anmerkung, der Mensch sei von Gottes Geschlecht (Apg 17,28c: „τοῦ γὰρ καὶ γένος ἐσμέν“), verweist auf eine ähnlich kontroverse Auseinanderset-

 Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; N. Walter, σπερμολόγος, .  S.u. S.  ff.  Vgl. W. Weinkauf, Stoa, . – ; M. Pohlenz, Stoa,  – .  Vgl. M. Pohlenz, Stoa,  – ; W. Weinkauf, Stoa, . – .

II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode

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zung⁵⁵. Bestand bereits Uneinigkeit darüber, in welcher Form der Mensch Geschöpf Gottes ist (vgl. Apg 17,24– 31), so zeigt die Frage nach der Kategorie eines davon abgeleiteten wesenhaften, familiären oder ethnischen Verhältnisses einen weiteren Kontrastpunkt auf ⁵⁶, der einer Erklärung bedarf. Der Dissens der beiden Parteien in Bezug auf die Auferstehung der Toten verweist auf einen letzten Streitpunkt, den Lukas zwischen Paulus und Philosophen behandelt. Wie deren Reaktion deutlich macht, lehnen sie diese Vorstellung grundlegend ab⁵⁷ (vgl. Apg 17,32). Da auch diese Einschätzung, an Hand einzelner Quellen der Stoa zugewiesen werden kann (vgl. Nemesius, De Nat. Kom., 2,46; Arius Didymus, Epit. Phys. Fr., 39; Epiphanius, Adv. Haeres., 2,2,9), scheint der Verdacht, Lukas konzentriere sich in dieser Episode auf die Inhalte von Stoa und Epikureismus⁵⁸, bestätigt.

4. Das Bild der Stadt Athen in hellenistischer Zeit Damit sind die Nuancen zu erörtern, welche die Wahl Athens als Setting der Erzählung dem vermittelten Charakterbild der Philosophen sowie der thematischen Ausrichtung der Episode beifügt. Die Rolle, die das Bild der Stadt für die Ausgestaltung des untersuchten Textes spielt (Apg 17,16 – 34), erschöpft sich nicht in der Vorgabe eines stimmungsvollen Umfeldes. Athen genoss, wie Literatur und antike Stimmen (vgl.Thucydides, 2,41,1; Augustin, De Civ. Dei, 18,9) anmerken⁵⁹, im ersten nachchristlichen Jahrhundert den Ruf der „Wiege der griechischen Philo-

 Vgl. C. Bussmann, Missionspredigt,  – ; F.W. Horn, Götzendiener,  – ; B. Gärtner, Areopagus Speech, ; R. Gebauer, Gottesverwandtschaft,  – ; W. Stenger, Gottesbezeichnung,  – . Zu den Besonderheiten des lukanischen Ansatzes siehe M.L. Soards, Speeches,  – .  Vgl. Aratus, Phaen., ; Cicero, De Leg., ,,; W. Weinkauf, Stoa, . – ; M. Pohlenz, Stoa, .  Vgl. M. Pohlenz, Stoa, .  Während diese Beobachtung wiederholt für einzelne Inhalte der Stoa nachgeweisen wurde, erschwert die Ausrichtung des Epikureismus eine solche Einschätzung. Die mehrheitlich kritische Tendenz, die diese philosophische Schule gegenüber Fragen der Religion einnahm, erweist sich in diesem Zusammenhang als wenig ergiebig. Vgl. W. Weinkauf, Stoa, ; W. Elliger, Paulus, ; G. Figal, Epikur, . Siehe beispielsweise Diogenes Laertius, , für eine Stimme, die diese Tendenz widerspiegelt. Es ist denkbar, dass Lukas diese Gruppe lediglich anfführt,weil sie die Idee einer Auferstehung der Toten grundsätzlich ablehnte. Dazu J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; W. Elliger, Paulus, . H. Conzelmann, Apostelgeschichte,  stellt fest, dass „Stoiker und Epikureer als Vertreter der beiden Schulen genannt sind, die man in der breiten Öffentlichkeit am besten kennt“, Lukas allerdings später „faktisch mit stoischen Gedanken arbeitet“.  Vgl. C. Habicht, Athen, ; Ders., Hellenistic Athens, .; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .; J.A. Fitzmyer, Acts, .

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sophie“ und eines „Zentrums der Weisheit“. Dies mag begründen, weshalb Lukas gerade diesen Ort als Schauplatz einer theologischen Diskussion zwischen Paulus und griechischen Philosophen wählte. Obwohl Athen politisch wie wirtschaftlich ihre einstige Vormachtstellung in der Ägäis nicht bewahren konnte⁶⁰, hatte besagter Ruf auch zur Zeit des Paulus ungebrochenen Bestand. Dieser Umstand fand nicht zuletzt Ausdruck in der Vielzahl philosophischer Schulen, die sich in der Stadt niederließen und Menschen aus dem gesamten römischen Großreich im Rahmen von Bildungsreisen anzogen⁶¹. Der begleitende Umgang mit multinationalen Einflüssen, mit denen Stadt und Bewohner im 1. Jh. n.Chr. in Berührung kamen, fand Niederschlag in Gestalt und Wirkung, die Athen nach innen wie nach außen verkörperte. Nicht unbedacht lässt Lukas seinen Paulus an die Frömmigkeit der Athener appellieren (δεισιδαίμων), oder führt zu Beginn der Episode ein Bild der Stadt ein, welches „κατείδωλος“ (vgl. Apg 17,16b), also in ihrer Erscheinung durch Heiligtümer, Götterbilder und Altäre aller Art geprägt ist. Sei es mit Hinweis auf die erfolgreiche Bildhauerzunft⁶², oder die liberale Religionspolitik⁶³ – den Athenern wurde, wie antike Stimmen zeigen (vgl. Sophokles, Oed. Col., 260; Flavius Josephus, Ap., 2,130), Frömmigkeit sowie ein vorbildliches Verhalten gegenüber allen Göttern zugesprochen⁶⁴. Besonders der Aspekt eines offenen bis neugierigen (vgl. Apg 17,21) Verhältnisses gegenüber unbekannten Kulten und Religionen, das Lukas in seiner Erzählung ausdrücklich hervorhebt („᾿Aθηναῖοι δὲ πάντες καὶ οἱ ἐπιδημοῦντες ξένοι εἰς οὐδὲν ἕτερον ηὐκαίρουν ἢ λέγειν τι ἢ ἀκούειν τι καινότερον“), blieb Stadt und Bewohnern auch in der Zeit römischer Vorherrschaft⁶⁵ erhalten. Greifbar wurde diese religiöse Offenheit in der Akzeptanz und der Zulassung von Kulten, die nicht dem griechisch-römischen Kulturraum entstammten⁶⁶. Die freizügige Erlaubnis zur Errichtung und Ausgestaltung jeweiliger Heiligtümer beeinflusste sowohl das Stadtbild als auch das gesellschaftliche Leben⁶⁷, welches von Außen als besonders ergeben gegenüber den Göttern wahrgenommen wurde. Dieses Bild außerordentlicher Frömmigkeit ist schließlich mit einer Institution verbunden, die Lukas in Apg 17,19a anspricht. Der Ἄρειος πάγος war ursprünglich  Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. C. Habicht, Athen,  – ; ders., Hellenistic Athens,  – .  Vgl. C. Habicht, Athen,  – .  Vgl. R.E. Dunham, Acts : – ,  – ; M.P. Nilsson, Geschichte , ; C. Habicht, Athen, ; Ders., Hellenistic Athens,  – .  Vgl. R.E. Wycherley, Paul, ; H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – .  Siehe C. Habicht, Athen, . – ; M.P. Nilsson, Geschichte , .  Dazu M.P. Nilsson, Geschichte , .  Vgl. D. Baudy, Heilige Stätten, ; J.P. Brereton, Sacred Space, ; C. Elsas, Kultort,  – .

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der Versammlungsort einer zunächst als βουλή bezeichneten und später gleichnamigen Behörde, die im 6. Jh. v.Chr. als Gericht und Regierungsgremium Athens fungierte⁶⁸. In ihrer Bedeutung schwankend, kam ihr dennoch durchgängig die Aufgabe zu, über Streitfragen der Sitte und Religion, wie über die Akkreditierung neuer Kulte, zu urteilen⁶⁹. Es liegt nahe, dass Lukas besonders diesen Aspekt vor Augen hatte⁷⁰, als er die vorliegende Episode (Apg 17,16 – 34) konzipierte. Wie die denkbare Anspielung auf den Prozess des Sokrates, der unter vergleichbaren Umständen wie Paulus vor diese Behörde geführt wurde⁷¹ (vgl. Plato, Apol., 24b; Xenophon, Mem., 1,1,1), verdeutlichen mag, sind Entscheidungen dieser Institution als Gradmesser zu verstehen. In den Urteilen spiegeln sich nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen wider, sondern immer auch das religiöse wie sittliche Verständnis der jeweiligen Richter. Diese Einschätzung ausweitend, scheint Lukas für das Zusammentreffen zwischen seinem Verkünder des λόγος τοῦ θεοῦ und den Vertretern der bekanntesten Philosophenschulen der hellenistischen Welt einen Ort gewählt zu haben, der im Sinne einer Richtschnur für das Bewusstsein und die Wahrnehmung der Athener Philosophen steht, Wahrheit und Wert einer Lehre zu erkennen. Die Eindrücke, die die Wahl Athens als Austragungsort eines Disputes zwischen dem Vertreter des Evangeliums auf der einen und Stoikern und Epikureern auf der anderen Seite vermittelt, machen deutlich, dass die Philosophen nicht allein als Vertreter einer Schule verstanden werden sollten. Sie sind vielmehr in der Zusammenschau wahrzunehmen, die sich aus der vorgestellten Beschreibung der Stadt und der expliziten Benennung beider Schulen ergibt. Demnach will Lukas jene Athener einem frommen, aber zugleich aufgeschlossenen und philosophisch gebildeten Idealbild hellenistischer Kultur zugerechnet wissen. Ferner stehen die

 Vgl. J. Renger, Areios pagos,  – ; H. Külling, Geheimnis,  – .  Von Ephialtes (†) in der Mitte des . Jh. v.Chr. weitgehend entmachtet (vgl. J. Renger, Areios pagos, ), wurde er erst von Demetrios von Phaleron (~) gegen Ende des . Jh. wieder aufgewertet. Unter römischer Vorherrschaft war der Areopag eines von drei leitenden Gremien der Stadt (a.a.O.). Ferner A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Vgl. J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; G. Schneider, Ἄρειος πάγος, . In Differenz zu A. Weiser, Apostelgeschichte , . Ferner J. Roloff, Apostelgeschichte, , der zwar anmerkt, dass die Hinführung des Paulus eine „literarische Ausgestaltung“ des Autors ist, womit sich „eine Klärung der historischen Alternative erübrigt“, im Folgenden aber wieder zwischen Gericht und Ort unterscheidet (a.a.O. ). Tatsächlich erscheint es von diesem Blickwinkel aus, wonach der gesamte Text als theologische Konzeption des Lukas zu verstehen ist, notwendig, zwischen der Symbolkraft des Ortes und einem juristischen Verfahren gegenüber einer Rede zu unterscheiden. Der Hinweis auf den Areopag verweist lediglich auf das Milieu, in dem sich Paulus bewegt.  Darauf verweisen J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .

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vorgeführten Vertreter der Völker an der Spitze einer Lebensweise, über deren Weltbild sie federführend bestimmen und urteilen. Demzufolge ist die Episode im weiteren Zusammenhang als Diskussion zwischen dem alttestamentlichen und einem gebildeten, kosmopolitisch-hellenistischen Weltbild zu verstehen, welches der Autor konkret mit dem Namen Stoa und Epikureismus verbindet.

5. Der Charakterzug κατείδωλος (Apg 17,16) als Element der Diskussion Lukas nutzt die Hinweise auf den kulturellen und insbesondere religiösen Zustand Athens nicht allein zur Darstellung der vorgeführten Philosophen. Einhergehend mit einer besonderen Akzentuierung des Paulus, bringen diese Motive schon in der Einleitung (Apg 17,16) einen thematischen Impuls in die Erzählung ein, der die gesamte Episode prägt. Demnach verbitterte der Geist des Völkermissionars („παρωξύνετο τὸ πνεῦμα αὐτοῦ ἐν αὐτῷ“) während seines Besuches der Stadt an dem Umstand, dass sie „κατείδωλος“ war. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, hängt diese Bewertung Athens eng mit dem wiederkehrenden Motiv der sprichwörtlichen Frömmigkeit der Einwohner (vgl. Apg 17,22) zusammen⁷². Das polytheistische Milieu, dem die Mitglieder des Areopags⁷³ in der vordergründig wohlklingenden Anrede des Paulus zugewiesen werden (vgl. Apg 17,22b: „ἄνδρες ᾿Aθηναῖοι, κατὰ πάντα ὡς δεισιδαιμονεστέρους ὑμᾶς θεωρω“), scheint demnach bereits in Apg 17,16b angedeutet. Allerdings handelt es sich bei dem Hapaxlegomenon „κατείδωλος“, welches in der gesamten griechischen Bibel nur hier anzutreffen ist, um eine Wortschöpfung des Autors, die nach ihrer inhaltlichen Ausrichtung zu befragen ist⁷⁴. Tonangebendes Element dieser Wortverbindung ist das an zwei Stellen in der Apostelgeschichte belegte Substantiv „εἴδωλον“ (Apg 7,41; 15,20). In der Rede des Stephanus (Apg 7,41) bezeichnet dieses Lexem das von Israel errichtete goldene Kalb, auf das Gott mit der Verwerfung seines Volkes antwortet (vgl. Apg 7,42). Im Rahmen des sogenannten Apostelkonvents (Apg 15,20.29) steht dieser Begriff ferner im Mittelpunkt eines Bilderverbotes, das in Anlehnung an das erste Gebot des Dekalogs (vgl. Ex 20,4; Deut 5,8) die Errichtung und Verehrung von Götterbildern nunmehr auch den Völkern untersagt. Die kritische Nuance, die εἴδωλον in der biblischen Nutzung zukommt⁷⁵, beeinflusst

 S.o. S.  ff.  Die eingeführten Stoiker und Epikureer (vgl. Apg ,a) werden durch die Zuordnung zum Areopag als philosophische Elite ausgezeichnet. Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Vgl. F. Büchsel, κατείδωλος,  – ; W. Trilling, κατείδωλος, .  Vgl. F. Büchsel, εἴδωλον,  – ; H. Hübner, εἴδωλον,  – ; J. Woyke, Götter,  – . – ; R.E. Wycherley, Paul, .

II. Das konstruierte (kulturelle) Setting der Episode

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zweifelsohne die Tendenz, mit der das abgeleitete „κατείδωλος“ zu verstehen ist. Als Begründung des Zorns des Paulus (vgl. Apg 17,16b), der als Jude und Werkzeug des Gottes Israels gerade in dieser Tradition gesehen werden muss (s.a. Apg 25,19), lässt sich dieses Lexem nicht neutral deuten, sondern als früher Ausblick auf dessen ablehnende Haltung gegenüber der Frömmigkeit der Athener⁷⁶. Diese kritische Richtung, die nebenbei die gegensätzlichen Positionen der geführten Auseinandersetzung vorzeichnet, wird durch die bemerkenswerte Gemütsregung des Paulus noch befördert (vgl. Apg 17,16a). Die etwas umständlich wirkende Wendung „παρωξύνετο τὸ πνεῦμα αὐτοῦ ἐν αὐτῷ“, die in der Essenz einen „tiefsitzenden Zorn“ oder eine „verbitterte Erregung“ ausdrückt⁷⁷, lässt sich in der Septuaginta auf ein Thema zurückführen, das im Zusammenhang mit Apg 17,16 an Bedeutung gewinnt. Als Kernelement hat das Verbum „παροξύνω“ zu gelten, welches im alttestamentlichen Kontext eine Reaktion Gottes auf den wiederholten Götzendienst Israels beschreiben kann (vgl. Num 14,11; Deut 1,34; Hos 8,5; Sach 10,3; Jes 5,25). Meist im Sinne einer Reizung Gottes durch besagtes Handeln Israels verstanden, wird gelegentlich der heilige Geist Gottes als Objekt der Lästerung ergänzt (vgl. Jes 63,10; Ps 50,13. S.a.: Mk 3,29; Eph 4,30). Zu bedenken ist zudem das immanente Schema, das, durch einen Verstoß gegen das erste Gebot eingeleitet, zwangsläufig den Zorn Gottes erregt und in Verwerfung sowie Bestrafung Israels gipfelt (vgl. Jer 6,9. 8,9; Hos 4,6; 1Kön 9,7; 1Chr 28,9b). Dieser kausalen Abfolge entsprechend, bestimmt Gott in Deut 1,35, dass keiner der frevelnden Israeliten das verheißende Land sehen solle („[…] εἰ ὄψεταί τις τῶν ἀνδρῶν τούτων τὴν ἀγαθὴν ταύτην γῆν ἣν ὤμοσα τοῖς πατράσιν αὐτῶν“). Auf diesem Hintergrund stellt Jesaja über den Götzendienst seines Volkes fest (vgl. Jes 63,10; Jes 65,3– 7), dass es damit Gottes Geist betrübte, weshalb er Israel zum Feind würde („αὐτοὶ δὲ ἠπείθησαν καὶ παρώξυναν τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον αὐτοῦ καὶ ἐστράφη αὐτοῖς εἰς ἔχθραν καὶ αὐτὸς ἐπολέμησεν αὐτούς“). Lukas zielt folglich mit der Wendung ein weiteres Mal auf das Thema der Heiligkeit des erwählten Volkes ab, die wiederum ein entscheidendes Element im Beziehungsgeflecht zwischen Gott und Israel darstellt. Damit ist ein neuer Blickwinkel implementiert, der sich aus einer der Leitlinien des Doppelwerkes und dem bereits angesprochenen Bilderverbot heraus entwickelt.

 So G. Schille, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , . J.A. Fitzmyer, Acts, : „But for the Christian reader his words bear an unmistakable irony.“  Vgl. W. Bauer, WzNT, ; W. Radl, παροξύνω, ; H. Seesemann, παροξύνω,  – ; H. Külling, Geheimnis,  – .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

Letzteres ist im Zusammenhang des von Lukas geschilderten epochengeschichtlichen Umbruches zu verstehen⁷⁸, in dessen Vollzug die einseitige Erwählung Israels durch Gott auf den gesamten Kosmos ausgeweitet wird. Diese Entwicklung, die der Autor bereits mit dem Sendungsauftrag impliziert, den Jesus den Aposteln erteilt (vgl. Lk 24,47– 48; Apg 1,8), prägt nicht nur die Berufung und das spätere Verhalten des Paulus (vgl. Apg 9,15; 22,21; 26,17), sondern erhält auch im Ringen um eine angemessene Form der Völkermission Bedeutung⁷⁹ (vgl. Apg 15,1– 29). Nicht von ungefähr bestimmt Lukas gleich dem historischen Paulus (vgl. Apg 15,20; 1Kor 10,19 – 22) die Einhaltung des ersten Gebots des Dekalogs (vgl. Ex 20,2– 4; Deut 5,6 – 10) als maßgebliche Grundregel, der sich Juden, wie auch Menschen aus den Völkern fügen müssen. Bezogen auf das Verhalten des Paulus in Apg 17,16 – 17 verdeutlicht dieser Sachverhalt, neben dessen besonderem Verhältnis zu den Völkern, besagte heilsgeschichtliche Entwicklung, die nunmehr den Einzigkeitsanspruch Gottes gegenüber dem Lebenswandel aller Menschen Relevanz verleiht⁸⁰. Unter dieser Voraussetzung erhält der folgende Ablauf, das Evangelium den Juden, Gottesfürchtigen und den Nicht-Juden Athens zu verkünden (vgl. Apg 17,17), einen besonderen Ton. Formal bereitet Apg 17,17 das Aufeinandertreffen von Völkermissionar und Philosophen vor, weshalb vor allem der Umstand, dass Paulus auf der Agora redete, von Bedeutung ist. Gelegentlich in die Tradition der griechischen Streitredner⁸¹ eingeordnet, beurteilt die neuere Literatur den Hinweis auf dessen Frohbotschaften in der Synagoge, lediglich als Komplettierung eines missionarischen Schemas⁸². Es ist historisch belegt, dass die jüdische Gemeinde in Athen nur von geringer Größe und Bedeutung war⁸³, weshalb ein missionstaktisches Vorgehen des Paulus unter dieser Voraussetzung nur geringe Aussichten auf einen nachhaltigen Erfolg hat. Zudem kommen weder die Juden noch die σεβόμενοι im späteren Verlauf der Episode ein weiteres Mal zur Sprache und wirken demnach in ihrem inhaltlichen Wert begrenzt. Auch ist von keiner un-

 Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; M.L. Soards, Speeches, ; J. Zmijewski, Eschatologiereden,  – .  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; G. Schneider, Apostelgeschichte , .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte, .; C.W. Stenschke, Gentiles, ; J.T. Squires, Plan, . – ; J. Dupont, Salvation, .  So formuliert es A. Weiser, Apostelgeschichte , . S.a. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch Apostelgeschichte , .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; H. Külling, Geheimnis, .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; S. Safrai and M. Stern, Jewish People,  – .

III. Der Blickwinkel der Athener Philosophen

133

mittelbaren Gefährdung der Heiligkeit Israels durch das Nebeneinander der jüdischen Gemeinde und den verschiedenen Kulten der Griechen berichtet, die deren explizite Nennung zu einem Thema gemacht hätte.Wird allerdings Apg 17,17 in Abhängigkeit vom eifernden Zorn des Völkermissionars gelesen (vgl. Apg 17,16), so erhält der ausgeführte Vers die Bedeutung eines Ausdrucks des vorgestellten Anspruchs Gottes, nun alle Menschen zur Nachfolge aufgerufen zu haben (vgl. Apg 1,8; 9,15; Röm 1,16). Somit geht der Auseinandersetzung zwischen Paulus und den Philosophen nicht allein die Verkündigung einer religiösen Rede voraus, die entsprechend der hellenistischen Kultur auf dem Marktplatz zu diskutieren wäre. Die Athener greifen mit ihrem Verhalten vielmehr eine Handlung an, die im Kontext des eschatischen Umbruches steht. Zusammenfassend steht Paulus als Diener Gottes einer Gruppe von Griechen gegenüber, die als Synthese der hellenistischen Ideale von Frömmigkeit und Weisheit zu denken sind. Im Kern deutet die einleitende Charakterisierung von Stadt und Völkermissionar (Apg 17,16 – 17) einen Dissens dieser gegenläufigen Positionen an, von denen der des Paulus das höhere Gewicht zukommt. Die Vorwürfe, mit denen die Philosophen auf das Evangelium reagieren (vgl. Apg 17,18), sind indes aus der Perspektive der von Lukas zugewiesenen Gedankenwelt von Stoa und Epikureismus heraus zu verstehen, wodurch diese Figuren in jenes Setting eingeordnet werden, gegen das Paulus auftritt.Weiterblickend ist damit ein Trend abzulesen, der die Differenzen zwischen den beiden Weltanschauungen auf die Argumentationsführung der Rede des Völkermissionars überträgt (vgl. Apg 17,22b–31) und für deren Auslegung von immanenter Bedeutung macht.

III. Der Blickwinkel der Athener Philosophen 1. Die Episode als Diskussion gegensätzlicher Standpunkte Der thematische Gegenstand, der den Redeteil der Erzählung (Apg 17,22b–31) prägt, wird in zwei Aussprüchen (vgl. Apg 17,18) formuliert, mit denen einige Philosophen das öffentliche Auftreten des Paulus (vgl. Apg 17,16 – 17) kommentieren. Anknüpfend an eine Missionssituation (vgl. Apg 17,17), konkretisiert der Autor das behandelte Thema durch die explizite Nennung von Stoikern und Epikureern (vgl. Apg 17,18a), die als Gegenredner auftreten. Aus einem bislang undifferenzierten Publikum – Juden, Gottesfürchtige und Menschen, die sich zum täglichen Geschäft oder Zeitvertreib auf der Agora einfanden –, hebt Lukas nunmehr jene Gruppen heraus und bestimmt sie als Antagonisten des Paulus. Neben einer höheren Anschaulichkeit, die sich für den Leser aus der eindeutigen Nennung und Einordnung der einzelnen Protagonisten in eine bestimmte Rolle

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

ergibt⁸⁴, erhalten die Figuren auf diesem Wege einen kulturellen Hintergrund, der dem Geschehen eine inhaltliche Tiefe verleiht. Die Präzisierung der handelnden Figuren deutet zudem auf eine thematische Zuspitzung der Erzählung hin, die obendrein mit einer Veränderung des Settings einhergeht (vgl. Apg 17,19). Inhaltlich prägen der Verstoß der Athener gegen das erste Gebot des Dekalogs (vgl. Ex 20,2– 4; Deut 5,6 – 10) und die daraus resultierende Reaktion des Paulus das Geschehen (vgl. Apg 17,16 – 17). Mit Apg 17,18 – 22a gerät nunmehr das verkündete Evangelium in den Fokus des Interesses, das als Ausdruck des Willens Gottes (λόγος τοῦ θεοῦ) zum Gegenstand des Spottes (vgl. Apg 17,18) und einer weiterführenden Befragung (vgl. Apg 17,20) durch die Philosophen wird. Die Verlagerung des Geschehens weg von der Agora und hin zum Areopag (vgl. Apg 17,19) unterstreicht die neue Situation. Neben der formalen Signalwirkung, die einem Ortswechsel innerhalb einer Erzählstruktur zukommt⁸⁵, trägt die besondere Bedeutung der höchsten ethischen und religiösen Institution Athens⁸⁶ zu dieser Einschätzung bei. Allerdings sollte dieser Umschwung nicht als Bruch in der Erzählstruktur aufgefasst werden. Die beiden Abschnitte (Apg 17,16 – 17.18 – 22a) sind in aufbauender Abhängigkeit zu verstehen. Die Analyse der einzelnen Protagonisten der Erzählung zeigte bereits⁸⁷, dass Lukas sowohl seinen Helden Paulus, als auch dessen Gegner nicht allein aus ihrer Bezeichnung heraus – der Völkermissionar gegenüber hellenistischen Philosophen⁸⁸ – definiert. Ihr Bild entwickelt sich vielmehr aus der Verbindung zwischen Identität und dem kulturellen Rahmen heraus, welchen der Autor präzise vorgibt. Daraus folgt für die Bewertung der nun zu betrachtenden Kommentierung des Evangeliums durch die Philosophen, dass nicht nur deren Status als Stoiker oder Epikureer zu berücksichtigen ist, sondern auch deren Rolle in einem kulturellen System, das von Paulus als κατείδωλος eingeschätzt wird (vgl. Apg 17,16).

2. Der Blickwinkel der Athener Philosophen Der erste Ausspruch, demnach Paulus ein σπερμολόγος sei (vgl. Apg 17,18b), zielt nur vordergründig auf dessen Person. Die verbreitete Übersetzung mit „Schwät-

 Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. Kap. , Anm. .  S.o. Kap. , Anm. .  S.o. S.  ff.  Zur Auseinandersetzung mit dieser ambivalenten Nutzung von Figuren und Charakterbildern, S.o. S.  ff.

III. Der Blickwinkel der Athener Philosophen

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zer“„⁸⁹, die einem Menschen belangloses Geplauder unterstellt, verkennt den Bedeutungshorizont, der diesem Begriff in der antiken Literatur zukommt (vgl. Demosthenes, Or., 18,127; Dionysios von Halikarnas, Ant. Rom., 19,5,3; Philo von Alexandria, Leg. Gai., 203). Als Schmähwort gebraucht, bezeichnet der „Körnerpicker“, was das Lexem wortwörtlich bedeutet, einen Menschen, der fremdes Gedankengut adaptiert, dessen Gehalt jedoch verfälscht oder nur oberflächlich darbietet⁹⁰. Diese Einschätzung setzt die inhaltliche Beachtung der jeweiligen Rede voraus, die als Stein des Anstoßes wiederum auf das Wesen ihres Redners zurückfällt. Demnach wird Paulus nicht als Vertreter einer konkurrierenden Schule oder als Diener Gottes wahrgenommen, sondern als unbeholfener Plagiator, der versucht, die stoische und ggf. epikureische Lehre zu imitieren⁹¹. Im Umkehrschluss verweist dieser Vorwurf darauf, dass die Philosophen im Evangelium inhaltliche Parallelen ausmachen, die jedoch abweichend von den Zusammenhängen, die sie als ursprüngliches Gedankensystem ausmachen, interpretiert wurden. Die daraus hervorgehende Frage, um welche Anknüpfungspunkte zwischen Stoa und Evangelium es sich im konkreten Fall handelt, ist durch die zweite der präsentierten Äußerungen (vgl. Apg 17,18c) beantwortet⁹². Erst im Zusammenspiel beider Aussagen wird der inhaltliche Kern und im Weiteren das eigentlichen Missverständnis, mit dem die Philosophen den Paulus konfrontieren, sichtbar. Den Verdacht, dieser verkünde fremde Götter (vgl. Apg 17,18c), begleitet ein Einwurf des Autors („ὅτι τὸν Ἰησοῦν καὶ τὴν ἀνάστασιν εὐηγγελίζετο“), der den Auslöser der Vorhaltungen offenlegt. Der Halbvers, dessen Vollzug grammatikalisch durch einen Imperfekt bestimmt ist⁹³ (εὐηγγελίζετο), ergänzt den zeitlichen Ablauf der Erzählung und unterstreicht den Umstand, dass Lukas die Stoiker und Epikureer den Völkermissionar in dem Moment unterbrechen lässt, in dem er ansetzt die Bedeutung von Jesus und der Auferstehung auszuführen. Demzufolge gründet sich ihre Einschätzung nicht nur auf einer unvollständigen Wahrnehmung des Evangeliums (vgl. Apg 14,10 – 13), sondern auch auf ihr Weltbild, welches aus der wahrgenommenen Sachlage heraus diesen Schluss nahelegt. Anders als in der jüdisch-christlichen Tradition verankert, kennen Stoiker und Epikureer, wie auch das spätere Verhalten gegenüber diesem Gedanken (vgl. Apg

 Vgl. W. Bauer, WzNT, ; N. Walter, σπερμολόγος, .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; H. Külling, Geheimnis, ; M.A. Robinson, Spermologos, .  Dazu Kap. , Anm. .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; H. Conzelmann, Apostelgeschichte, .  Vgl. E. Bornemann, Grammatik, §.. Ferner B.M. Fanning, Verbal Aspect, .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

17,32a) zeigt, kein Konzept körperlicher Auferstehung⁹⁴. Zu diesem Zeitpunkt (Apg 17,18) scheint eine entsprechende Deutung des Gehörten allerdings nicht einmal in Betracht gezogen. Stattdessen steht der Vorwurf im Raum, dass der entscheidende Gegenstand christlicher Heilshoffnung nicht mehr als zweifelhafte Propaganda für einen neuen Kult ist. Damit scheint Lukas den Philosophen eine Einschätzung des Evangeliums in den Mund zu legen, die von einer Entfremdung des zugeschriebenen stoischen Ansatzes ausgeht. Wie an anderer Stelle angedeutet⁹⁵, gehört die Suche nach der richtigen Gotteserkenntnis zu den Kernelementen des von Lukas verwendeten Bildes der Philosophen, wodurch der Autor mit dieser Konstruktion eines Streitpunkes einen vorausgreifenden Einblick in die eingeschränkte Erkenntnisfähigkeit der Athener gewährt. Ferner entsteht ein Setting, in dem die Philosophen Paulus unterstellen, dass er sich an eben jenem Sachverhalt beteiligt (κατείδωλος), gegen den er mit der Verkündigung des Evangeliums angehen wollte (vgl. Apg 17,16 – 17). Sie verkennen offenbar den Ausgangspunkt der Rede des Paulus und sind auf das fixiert, was sie als Höhepunkt der Predigt ausmachen. Weder sehen sie den alttestamentlichen Ansatz der Verkündigung⁹⁶, noch deren essentielle Ausrichtung auf den Schöpfergott, der in Tod und Auferstehung Jesu seinen Heilsplan erfüllt. Das daraus hervorgehende Missverständnis, das auf Seiten der Philosophen von einer Fehlinterpretation der stoischen Lehre herrührt, wird in der folgenden Nachfrage auf dem Areopag als Ausgangspunkt der Gegenrede des Paulus nochmals betont (vgl. Apg 17,20). Die Nachfrage der Athener ist demzufolge nicht dem Wunsch geschuldet, das Evangelium als eigenständigen Ansatz der Erkenntnis zu verstehen. Ein solches Ansinnen würde Lukas weder als zügellose Neugier (vgl. Apg 17,21) bezeichnen⁹⁷, noch mit einem Ausdruck bestimmen, der mehr Befremdung als ehrliches Interesse ausdrückt (ξένος)⁹⁸. Die eigentliche Intention dürfte eher dem Interesse geschuldet sein, in welchem Umfang Paulus von den Vorgaben der Stoa und somit von der vermeintlich richtigen Erkenntnis abweicht.

 Vgl. Kap. , Anm. . Ausführlich zu den Unterschieden, s.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.  Dieser drängt sich bereits mit der Form auf, in der Paulus auf die κατείδωλος der Athener reagiert. S.o. S.  ff.  Vgl. H. Külling, Geheimnis,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  f; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; P. Gray, Curiosity,  – ..  Vgl. W. Bauer, WzNT,  – ; G. Stählin, ξένος,  – .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus 1. Der mehrdeutige Charakter der captatio benevolentiae des Paulus (Apg 17,22b) Es mag überraschen, eine Rede, die nach formalen Gesichtspunkten als Revision einer zuvor genannten These (vgl. Apg 17,18) gedacht ist, mit einer captatio benevolentiae zu eröffnen⁹⁹. Umso mehr, wenn es sich, wie bei der vorliegenden Erzählung der Fall, nicht um eine Apologie oder eine Gerichtsrede handelt¹⁰⁰, sondern um eine chrienartige Argumentationsform, die sich durch einen oftmals ironischen Grundton sowie die kritische Abgrenzung der Positionen auszeichnet. Anders als Texte der zuvor genannten Gattungen, die inhaltlich auf die Kommunikation ihrer jeweiligen Protagonisten ausgerichtet sind, spricht die für Apg 17,16 – 34 bestimmte Form zuerst den Leser an, den sie von einem bestimmten Standpunkt überzeugen soll¹⁰¹. Diesen Umstand erhärtend, unterstreicht Lukas mit dem Hinweis auf die eigentliche Intention der Ankläger (vgl. Apg 17,21), dass ein Gesinnungswandel, auch nach den erläuternden Ausführungen des Paulus, nicht zu erwarten ist. Der Anlass, unter diesen Voraussetzungen ein so ungewöhnlich zuvorkommendes Grußwort zu verwenden, muss demzufolge andere Gründe haben als die Beschwichtigung der Philosophen¹⁰². Lukas greift mit dieser Anrede (vgl. Apg 17,22b), in der der Völkermissionar die Athener Bevölkerung als „δεισιδαίμων“ bezeichnet, auf die Tradition der besonderen Frömmigkeit der Athener zurück¹⁰³. Bereits in der Einleitung der Episode angesprochen, waren die religiösen Verhältnisse Athens, denen dieses Bild anhängt, ursächlich für den Zorn des Paulus (vgl. Apg 17,16b). Der gleiche Sachverhalt, der zuvor als Verstoß gegen das erste Gebot des Dekalogs verstanden wurde, erweist sich hier (vgl. Apg 17,22b) als Gegenstand einer überaus höflichen Wendung innerhalb einer kontroversen Gegenrede.Wird nunmehr berücksichtigt, dass zu den rhetorischen Instrumenten einer Chreia Humor, Ironie und Polemik  So stellen fest J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – .  H. Lausberg, Rhetorik, §,.. Demnach ist dieses literarische Mittel vornehmlich im Zusammenhang von Gerichts- und Verteidigungsreden gebraucht, um den Gegner von einer argumentativ schwachen Position aus dennoch für die eigene Sache zu gewinnen. S.a. J. Martin, Rhetorik, .  Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, . Darauf Bezug nehmend K. Berger, Hellenistische Gattung, .  So die Intention einer captatio benevolentiae. Siehe K. Berger, Gattungen, .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

zählen¹⁰⁴, so liegt der Verdacht nahe, der captatio benevolentiae einen eher zweideutigen Klang zu unterstellen¹⁰⁵. Die semantische Analyse des Grußwortes scheint zudem die Einschätzung einer unterschwellig wirkenden kritischen Klangfarbe zu stützen. Im Kern der Wendung steht das Adjektiv „δεισιδαίμων“¹⁰⁶, das gemeinhin mit „gottesfürchtig“ oder „fromm“ übersetzt wird. Allerdings, und das ist bemerkenswert, nutzt Lukas Formen dieses Ausdruckes lediglich hier und in Apg 25,19, um dieses Bedeutungsfeld zu beschrieben. Der Glaube an Gott wird im lukanischen Doppelwerk vornehmlich mit „πίστις“ und verwandten Formen des Wortstammes ausgedrückt¹⁰⁷. Demnach gelangten viele Juden und auch deren Priester in Jerusalem durch das Wort Gottes zum Glauben (vgl. Apg 6,7). In Lystra (vgl. Apg 14,9) erkennt Paulus, dass der Gelähmte auf der gleichen Grundlage den Glauben zur Rettung gewonnen hatte und in Lk 7,9 stellt Jesus über einen römischen Hauptmann fest, dass dessen Glaube in Israel nicht seinesgleichen habe („οὐδὲ ἐν τῷ Ἰσραὴλ τοσαύτην πίστιν εὗρον“). Frömmigkeit (δεισιδαιμονία) umfasst jedoch mehr, als nur den festen Glauben an Gott. Diese Tugend nimmt erst in der grundsätzlichen Ausrichtung des gesamten Lebenswandels auf Gott hin praktische Gestalt an¹⁰⁸. Die Verehrung Gottes, Einhaltung der Gebote und ein angemessener Umgang mit der Umwelt sind die markantesten Merkmale eines Sammelbegriffes, den Lukas bevorzugt mit dem Septuagintismus der „Gottesfurcht“¹⁰⁹ (φοβούμενος) ausdrückt (vgl. Deut 14,23; 17,19; Ps 103,13; Prv 9,10). Beispielsweise ruft Maria in Lk 1,50 aus, dass denen, die gottesfürchtig sind, Gottes Barmherzigkeit zukommt. Gelegentlich als Personenbezeichnung gebraucht¹¹⁰ („οἱ φοβούμενοι τὸν θεόν“), beschreibt Lukas ferner Menschen aus den Völkern, die zwar nicht zum Judentum konvertieren, aber ihr Leben an den Gesetzen und Geboten des Alten Testaments ausrichten.

 Vgl. K. Berger, Gattungen, . H.J. Cadbury, Literary Method,  merkt indes an, dass Lukas eine bemerkenswerte Nähe zur Sprache der griechischen Komödie aufweist, auf deren Mittel er sogar zurückgreift. Siehe M. Reiser, Witz,  – .bes. .  So auch H. Conzelmann, Paul, ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Vgl. W. Bauer, WzNT, ; F. Staudinger, δεισιδαίμων,  – ; W. Foerster, δεισιδαίμων,  – .  Allein  Mal im lukanischen Doppelwerk. Siehe daraus beispielhaft Lk ,; ,; Apg ,; ,.  Vgl. D. Ansorge, Gerechtigkeit,  – . Ferner H. Hübner, Messias, .  Vgl. G. Wanke, φοβέω,  – ; H. Balz, φοβέω, ; Ders., φοβέομαι, .  Vgl. Apg ,; ,; ,.; ,. Daneben findet sich noch die Bezeichnung „σεβόμενοι“ (dazu S. Mitchell, Gottesfürchtigen,  – ), zwischen denen allerdings noch zu differenzieren ist.

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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Im hellenistischen Sprachgebrauch findet sich eine ähnlich geprägte Begriffsgruppe, die allerdings im Neuen Testament nur zurückhaltend verwendet wird. Varianten des Adjektivs „εὐσεβής“¹¹¹ vermögen einen Lebenswandel zu umschreiben, der auf Tugenden aufbaut, die zumindest formal dem Bild der alttestamentlichen Gottesfurcht entsprechen. Entscheidender Kontrastpunkt ist derweil die fehlende normative Ausrichtung auf den Gott Israels, dem im hellenistischen Modell diejenige auf die staatliche und sittliche Ordnung entspricht, die wiederum unter dem Schutz griechischer Gottheiten steht¹¹² (vgl. Xenophon, Mem., 4,8,11). Diese Differenz ist dem Autor des Doppelwerkes durchaus bewusst, wie sich eindrücklich in Apg 10,2 zeigt. Der römische Hauptman Cornelius wird an dieser Stelle zunächst als „εὐσεβής“ und ergänzend als „φοβούμενος τὸν θεόν“ bezeichnet. Auch legt Lukas den Silberschmied Demetrius (Apg 19,27) im Zusammenhang mit der Frömmigkeit gegenüber der Göttin Diana weder „πίστις“ noch „φοβούμενος“, sondern das Verbum „σέβω“ in den Mund. Wenn jedoch den unterschiedlichen Spektren des jüdisch-christlichen wie auch des hellenistischen Verständnisses von Frömmigkeit an Hand einiger definierter Begriffe umfänglich entsprochen wurde, stellt sich die Frage, weshalb der lukanische Paulus in Apg 17,22b einmalig ein neues Lexem einführt. „Δεισιδαίμων“ beschreibt im griechischen Sprachgebrauch das allgemein angemessene Verhältnis eines Menschen zu den Göttern¹¹³. Dabei wird weder begrifflich noch qualitativ zwischen dem „δαιμόνιον“ auf der einen und „θεός“ auf der anderen Seite unterschieden. Beide gelten dem hellenistischen Verständnisnach als übernatürliche Wesen und damit als Gottheit¹¹⁴. Dem entspricht die alttestamentliche Sichtweise freilich nicht, die zwischen dem determinierten „ὁ θεός“ für den Gott Israels, und den „θεοί“, bzw. δαιμόνια in der Bedeutung von falschen Göttern (vgl. Ex 20,3; Ri 2,3; Jes 36,18) und bösen Geistern (vgl. Lev 20,27; 1Sam 28,8; Joh 10,21; Apg 16,16) trennt¹¹⁵. Es ist wahrscheinlich, dass ein christlicher Leser diese Differenzierung nachvollziehen konnte und in „δεισιδαίμων“ eine deutliche Distanzierung gegenüber der Frömmigkeit der Athener Philosophen erkannte. Allerdings untersagt der eigentlich neutrale Grundton des Lexems allein die unmittelbare Ableitung eines polemi-

 Vgl. W. Foerster, εὐσεβής,  – ; P. Fiedler, εὐσεβέω, .  Vgl. W. Foerster, εὐσεβής, .  Vgl. Kap. , Anm. .  Siehe Kap. , Anm. . Ferner W. Foerster, δαίμων,  – .  Vgl. W. Foerster, δαίμων,  – . – ; H.J. Cadbury, Literary Method, ; W. Elliger, Paulus, .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

schen Vorwurfes, der die Philosophen als abergläubig herausstellt¹¹⁶. Erst mit Blick auf den Numerus der captatio benevolentiae wird die ironische Spitze erkennbar, die Paulus gegen die Athener anführt. Die in Apg 17,18 eingeführten Philosophen distanzieren sich von den Reden des Paulus mit dem Vorwurf (vgl. Apg 17,18), er würde, aufbauend auf der stoischen Metaphysik, fremde Götter verkünden. Sie selbst betonen im Umkehrschluss ihre tiefere Erkenntnis in Bezug auf das Wesen Gottes¹¹⁷ (vgl. Seneca, Epist., 95,50). Allerdings sind auch sie Einwohner Athens und haben somit Anteil an dem lebhaften Polytheismus, dem sie den Ruf hervorragender Frömmigkeit verdanken. Dem gegenüber steht das alttestamentliche Gottesbild, welches, anders als die suggerierte Handhabe der Philosophen von Athen (vgl. Apg 17,16.22b–24), jegliche Teilhabe oder Akzeptanz anderer Kulte ausschließt. Aus der Wahl des Numerus jenes Eröffnungswortes ergibt sich, dass Paulus diesen Menschen, entgegen des Anspruches der Stoiker und Epikureer auf wahre Gotteserkenntnis, vorhält, mit ihrer Frömmigkeit nicht den einen Gott Israels im Blick zu haben, sondern nur die nichtigen Göttervorstellungen der hellenistischen Gesellschaft (vgl. Apg 17,22). Ein Umstand, der für den christlichen Leser eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit darstellt. Paulus führt den Athener Philosophen demnach vor Augen, dass nicht er, sondern sie entgegen der eigenen Prämisse die δαιμόνια verehren und damit tatsächlich dienjenigen sind, die einem Aberglauben anhängen.

2. Das Motiv des Altars eines unbekannten Gottes (Apg 17,23) Den kritischen bis ironischen Ton, den die captatio benevolentiae der Rede des Paulus zu Grunde legt, auch weiterhin im Blick, ist nunmehr Apg 17,23 zu bewerten. Dieser Vers, der in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand kontroverser Diskussionen war¹¹⁸, ergänzt das Präskript (Apg 17,22b–23) um eine programmatische Absichtserklärung. Demnach wird Paulus den griechischen Philosophen im Folgenden dasjenige (τοῦτο) erläutern (καταγγέλλω), was sie unwissend (ἀγνοέω)

 Das betont W. Foerster, δεισιδαίμων,  – . Gegen J. Roloff, Apostelgeschichte, ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , . Die zuletzt genannten verorten die von Lukas implizierte Polemik im Lexem selbst.  S.o. S.  ff. Ferner M. Pohlenz, Stoa, .  Dabei handelt es sich zum einen um eine historische Diskussion, die nach der Inschrift „᾿Aγνώστῳ θεῷ“ fragt. Vgl. J.A. Fitzmyer, Acts, ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; E. Norden, Agnostos Theos,  – . Zum anderen, und hier von immanenter Bedeutung, stellt sich die Frage nach der Intention, mit der der lukanische Paulus einen solchen Altar gegenüber den Philosophen anspricht.

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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verehren (εὐσεβέω). Auch wenn die gewählte Formulierung ausreichend Potential besitzt, um die gegensätzlichen Positionen zwischen Paulus und den Philosophen pointiert zu verdeutlichen, wird der volle Umfang der angelegten Kritik erst im Verhältnis zum unmittelbaren und davon abhängig zum weiteren Kontext erkennbar. Die kurze Aussage hängt argumentativ von einem Rückblick ab, der den anfangs geschilderten Rundgang des Völkermissionars durch die Stadt erneut ins Bewusstsein ruft (vgl. Apg 17,16). Abgesehen von dem Umstand, dass von diesem Ereignis der Impuls für Zorn und Verkündigung des Paulus (vgl. Apg 17,17a), die Kritik der Stoiker und Epikureer (vgl. Apg 17,18) und final die Rede des Paulus (vgl. Apg 17,22b–31) ausgehen¹¹⁹, fällt vor allem die Benennung eines einzelnen Altars ins Auge, der in der ursprünglichen Schilderung (vgl. Apg 17,16) unerwähnt blieb. Die ungewöhnliche Widmung an einen „ἄγνωστος θεός“¹²⁰, die sich weder durch archäologische Funde noch literarische Quellen als Objekt hellenistischer Religiosität bestätigen lässt, wird gemeinhin der Feder des Autors zugesprochen¹²¹. Die zeitliche Folge zweier präsentischer Partizipien (διερχόμενος […] ἀναθεωρῶν), die schließlich ein Aorist (εὗρον) unterbricht, ruft zudem grammatikalisch den Eindruck einer Explikation hervor¹²², mit der der Verfasser ein Schlaglicht auf die von Paulus abgelehnten Heiligtümer wirft. Daran anknüpfend liegt es nahe, die Erwähnung des Altars (vgl. Apg 17,23b) weniger der historischen Sachlage, als vielmehr der thematischen Ausgestaltung zuzuschreiben¹²³.

3. Der unbekannte Gott der Athener Philosophen und die implizierte Kritik des Paulus Die Vorstellung des unbekannten Gottes ist gleichermaßen im alttestamentlichen wie auch im stoischen Denken anzutreffen. Obschon in unterschiedlichen Zu-

 S.o. S.  ff.  Vgl. J.Taylor, Unknown God,  – ; P.W.van der Horst, Altar,  – ; R.E.Wycherley, Paul,  f; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. E. Bornemann, Grammatik, § – . In dieser narrativen Kette (Ebda. §,) wirkt der Aorist konstativ, stellt also fest, was dabei gesehen und erlebt wurde. S.a. S. E. Porter, Verbal Aspect, ; M. Whittaker and H. Holtermann and A. Hänni, Einführung, .  Eine Einschätzung, die i.Ü. die meisten Kommentatoren in der Essenz teilen. Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – . Ferner entspricht es der zu Grunde gelegten These, die Episode der Feder des Lukas zuzuschreiben. Dazu s. o. S.  ff.

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

sammenhängen genutzt, gilt dieses Motiv (Apg 17,23a) in der Literatur gelegentlich als Referenzpunkt für einen vermittelnden Missionsansatz¹²⁴. Im stoischen Kontext auf einen Gegenstand der Erkenntnistheorie zurückzuführen¹²⁵, tritt der Ausdruck „ἄγνωστος θεός“ im Judentum vornehmlich im Zusammenhang dezidierter Völkerpolemik in Erscheinung¹²⁶. Demnach bleiben die Anstrengungen der Völker, aus eigener Kraft zu einer wahrhaftigen Gotteserkenntnis zu gelangen, letztlich erfolglos (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19). An diesem Bild anknüpfend, verharren die paganen Religionen ausnahmslos auf der Ebene stilisierter Überhöhung einzelner Elemente der Schöpfung, die sie verständnislos dem Schöpfer gleichsetzen. Von dieser Grundlage ausgehend ein religiöses Zugeständnis an die Stoiker und Epikureer abzuleiten, erscheint problematisch. Wird zudem das von Lukas skizzierte Gottesverständnis der Philosophen rekapituliert¹²⁷ (vgl. Apg 17,18), so dürfte die genannte These kaum geeignet sein, die thematische Zuspitzung eines kritisch bewerteten Sachverhaltes innerhalb einer Gegenrede zu erklären. Ausgehend von den Vorgaben des Textes bietet sich hingegen ein Deutungsansatz an, der zunächst das Verhältnis zwischen Altar und den restlichen Heiligtümern Athens in den Blick nimmt. Die Kultstätte steht, wie die grammatikalische Konstruktion deutlich zeigt, nicht isoliert, sondern ist nur eine von den vielen, die der Vorstellung von der Athener Frömmigkeit ein Gesicht verleihen. Die besondere Inschrift „᾿Aγνώστῳ θεῷ“ wirkt demnach weniger im Sinne einer Annäherung, wonach Stoa und Christentum zusammenrücken, als vielmehr als konkretisierende Zuspitzung, die den Fokus auf den Lebenswandel der Athener Philosophen lenkt. Diese Bewegung, die bereits im narrativen Problemteil der Episode zu beobachten war¹²⁸, hebt die Stoiker und Epikureer zwar formal aus dem Umfeld hellenistischer Religiosität hervor, unterscheidet sie aber nicht qualitativ von diesem. Letztlich rechnet der lukanische Paulus die Philosophen zu eben jener Gruppe von Menschen, deren religiöses Verhalten von einem alttestamentlichen Standpunkt aus einer Gotteslästerung gleichkommt¹²⁹.  So J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; H. Conzelmann, Paul, .  Vgl. M. Pohlenz, Stoa,  – ; K. Bornmann, Stoa,  – .  Vgl. C. Bussmann, Missionspredigt,  – ; F.W. Horn, Götzendiener,  – ; B. Gärtner, Areopagus Speech, ; R. Gebauer, Gottesverwandtschaft,  – ; W. Stenger, Gottesbezeichnung,  – ; M. Pohlenz, Paulus, .  S.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.  Dieser Vorwurf lässt sich indes nur schwerlich abstreiten, da die Vertreter der Stoa gemäß dem liberalen Denken Athens (s.o. S.  ff) auch weiterhin an den Kulten anderer Gruppen partizipierten. Dazu M. Pohlens, Paulus, .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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Dieser Sachverhalt mag zunächst in dem Umstand sichtbar werden, dass der Paulus in der folgenden Absichtserklärung ausschließlich im Neutrum auf den Altar und die dort verehrte Gottheit Bezug nimmt („ὃ οὖν ἀγνοοῦντες εὐσεβεῖτε, τοῦτο ἐγὼ καταγγέλλω ὑμῖν“). Lukas folgt in der Rede von Gott der alttestamentlichen Tradition, die den Gott Israels ausnahmslos in determinierter Form umschreibt¹³⁰. Dieser Regel entgegen, bleibt die Inschrift auffallend indeterminiert. Zudem findet sich die dingliche Bezeichnung einer Gottheit, wie sie mit dem Demonstrativpronomen τοῦτο gegeben ist (vgl. Apg 17,23b), in den alttestamentlichen Schriften vornehmlich im Zusammenhang der Götzen- bzw. Völkerpolemik¹³¹. Gedanklich die Gottheiten der Völker auf ihre Materialien reduzierend,wird von ihnen als ein Gegenstand menschlichen Handwerks gesprochen (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9), welches grundsätzlich vom lebendigen Gott unterschieden ist¹³². Diese tendenziöse Redeweise, auf die der Autor des Doppelwerkes wiederholt zurückgreift (vgl. Apg 7,48; 17,24; 19,26), scheint auch in Apg 17,23b vorbereitet. Demzufolge kündigt der Paulus den griechischen Philosophen an, ihnen ihr eigenes Gottesverständnis als jene Fehleinschätzung zu entlarven, die sie eigentlich dem religiösen Ansatz des Paulus zur Last legen¹³³. Das Bedeutungsfeld dreier Verben, mit denen die Ankündigung des Völkermissionars konstruiert ist (Apg 17,23b), unterstreicht diese Einschätzung. Das Lexem „ἀγνοέω“, das so viel wie „unwissend sein“ bedeutet¹³⁴, muss hier im Sinne eines Gegenpols zum hellenistischen Leitgedanken verstanden werden. Im Mittelpunkt der Lehre steht die Erkenntnis, die sich der Mensch aus Beobachtung, Verstand und Lehre aneignet¹³⁵. Die Fähigkeit, aus eigenem Vermögen zu einem umfassenden Wissen über die Abläufe und Zusammenhänge des Kosmos zu gelangen, ist Grundlage für das Denken griechischer Philosophen¹³⁶ und im Kontext der einzelnen Person Voraussetzung für einen angemessenen Lebenswandel. Im

 Vgl. H.D. Betz, θεός, ; E. Stauffer, θεός, .  Vgl. E. Stauffer, θεός,  – . – ; J. Woyke, Götter,  – .; F.J.F. Jackson and K. Lake, Beginnings I/IV,  Anm. ; K.D. Litwak, Prophets, .  Vgl. A. Berlejung, Theologie, . – ; J. Woyke, Götter,  – ; H. Külling, Geheimnis,  – ; M. Wolter, Kolosser, .  Mit M. Pohlenz, Paulus,  – .  Vgl. W. Bauer, WzNT,  – .  W. Weinkauf, Stoa,  spricht sogar von einem „Erkenntnisoptimismus“ der Stoiker.  Vgl. M. Pohlenz, Paulus, ; W. Weinkauf, Stoa, .. J. Roloff, Apostelgeschichte,  spricht davon, dass Paulus eigentlich Zustimmung seitens der Philosophen erwarten konnte, da diese den Fehler im Polytheismus eigentlich erkannt hätten. Wie sich am Ende der Rede herausstellt, folgen diese jedoch nicht dessen Argumenten (vgl. Apg ,), weshalb nochmals auf die ironische Spitze zurückverwiesen sei, die Lukas an dieser Stelle implementiert. Gegen allen Anspruch und Theorie legt Paulus die Fehler der Philosophen offen.

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

alttestamentlichen Rahmen erweist sich allerdings dieses Verständnis von Weisheit und Erkenntnis als zweifelhaftes Streben¹³⁷, das gegenüber Gott faktisch nichtig ist (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19). Den Philosophen, die Lukas mit dieser Prämisse verbindet, nunmehr vorzuhalten, sie würden mit ihrer Einschätzung Gottes aus Unwissenheit heraus handeln¹³⁸, hebt nicht nur die Haltung von Autor und Völkermissionar hervor. Diese Aussage verstärkt diejenige Kritik, die in der captatio benevolentiae noch unterschwellig angebracht wurde, zu einem offenen Vorwurf, in dem der lukanische Paulus ausgerechnet griechischen Philosophen vorhält, ἀγνοέω, also unwissend zu sein. Nach dieser Einschätzung erweist sich ihre Einsicht und Frömmigkeit als ebenso verfehlt, wie die der anderen Athener mit ihren verschiedenen Kulten und Gottheiten. An diesen Gedanken knüpft auch das zweite Verbum „καταγγέλλω“ an. Zwar zeigt Lukas keinerlei Präferenz für einen Ausdruck¹³⁹, mit dem singulär die Verkündigung des Evangeliums umschrieben wird. Allerdings konnten weder inhaltliche noch formale Anhaltspunkte ausgemacht werden, die das Evangelium zum Subjekt der Absichtserklärung erhoben hätten. Das Lexem, das die Literatur zumeist in der Bedeutung von „verkündigen“ gebraucht¹⁴⁰, besitzt einen erläuternden Unterton¹⁴¹. Es dient weniger der offenbarenden Vermittlung eines bislang unbekannten Sachverhalts, als der ausdrücklichen Korrektur einer falschen Einsicht. Verbunden mit dem anhängenden Demonstrativpronomen „τοῦτο“, das sich auf Grund seines neutrischen Genus keinesfalls auf den Gott Israels beziehen kann, bleibt nur der ἄγνωστος θεός der Philosophen als Gegenstand der sachlichen Erläuterung stehen. Schließlich ist noch εὐσεβέω zu beachten, das Lukas hier als Ausdruck der Verehrung nutzt. Wie bereits im Zusammenhang mit der captatio benevolentiae gezeigt, gehört dieser Begriff zu einer Wortgruppe, die von den neutestamentlichen Autoren nur zurückhaltend und niemals in Bezug auf den Gott Israels genutzt wird¹⁴². Es ist ein Lexem, das im jüdisch-christlichen Umfeld originär die Beziehung der Völker zu ihren Gottheiten beschreibt, weshalb der Gedanke an eine  Vgl. M. Witte, Votum, ; C. Bussmann, Missionspredigt,  – ; F.W. Horn, Götzendiener,  – .  Dieses Lexem drückt mehr als ein unwissentliches bzw. versehentlich gutes oder schlechtes Verhalten aus. Es handelt sich dabei vielmehr um den Gegenbegriff zum Lexem „γινώσκω“, das eine dezidierte Erkenntnis voraussetzt. Siehe R. Bultmann, ἀγνοέω, ; W. Schmithals, ἀγνοέω,  f; H. Külling, Geheimnis, ; Ders., Agnostos Theos, ; S. E. Porter, Paul, ; W. Elliger, Paulus,  – ; P. Gray, Curiosity, ; J.-W. Taeger, Mensch, ; K.D. Litwak, Prophets, .  So I. Broer, καταγγέλλω, ; J. Schniewind, καταγγέλλω, .  Vgl. W. Bauer, WzNT, .  Vgl. J. Schniewind, καταγγέλλω, ; W. Bauer, WzNT, ; H. Külling, Agnostos Theos, .  Vgl. W. Foerster, εὐσεβέω, ; P. Fiedler, εὐσεβέω, .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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Vermittlung zwischen den gegensätzlichen Positionen auch hier begrifflich ausscheidet. Demzufolge, um ein Fazit über die Einleitung der Gegenrede des Paulus zu ziehen, greift dieser den Vorwurf der Philosophen auf (vgl. Apg 17,18) und reicht ihn an sie zurück. Zunächst unterschwellig und anschließend offen führt er jenen Athenern die Einschätzung ihres kulturellen Selbstbildes aus alttestamentlicher Perspektive vor Augen und bereitet es so als Gegenstand der Kritik für die folgende Erläuterung vor.

4. Der Gott Israels als Gegenpol zum ἄγνωστος θεός (Apg 17,24 f) In einem Text, der parteiisch zwei Gesinnungen problematisiert, die auf grundverschiedenen Gottesbildern aufbauen, wirkt ein Ansatz, der mit drei faktischen Grundsatzaussagen über den Charakter Gottes einleitet (vgl. Apg 17,24), wie ein deutliches Signal der Abgrenzung. Unterstrichen durch die Abstimmung der Tempora¹⁴³ – ein Aorist im Wechsel mit zwei präsentischen Indikativen –, lässt der lukanische Paulus keinerlei Zweifel daran, dass es der Gott Israels ist (ὁ θεός), der den Kosmos schuf (Apg 17,24a: „ὁ ποιήσας τὸν κόσμον καὶ πάντα τὰ ἐν αὐτῷ“), Herr des Himmels und der Erde ist (Apg 17,24b: „οὐρανοῦ καὶ γῆς κύριος ὑπάρχων“) und nicht in handgemachten Tempeln wohnt (Apg 17,24c: „οὐκ ἐν χειροποιήτοις ναοῖς κατοικεῖ“). Mit dieser offensiven Herangehensweise werden nunmehr drei programmatische Aspekte der Vorwürfe gegen Paulus aufgenommen (vgl. Apg 17,18), die zuvor zwar tendenziell, jedoch noch nicht argumentativ, zurückgewiesen wurden. Alle Aussagen, die Paulus hier über Gott macht, mögen auf den ersten Blick unabhängig vom narrativen Rahmen stehen, erweisen sich allerdings bei näherer Betrachtung als Grundgedanken, auf denen die Philosophen ihre Vorwürfe stützen¹⁴⁴. Das hier sichtbar werdende Vorgehen, an den gedanklichen Grundlagen der geäußerten Vorwürfe anzusetzen, weist über die Intention, einzelne Streitpunkte in Gestalt einer Belehrung oder Korrektur auszuräumen, hinaus. Es zeichnet sich vielmehr das Vorhaben ab, die Haltung der Philosophen in ihrem Fundament zu hinterfragen. Zuerst korrigiert Paulus die unzutreffende Einschätzung der Philosophen, er würde fremde Gottheiten verkünden (vgl. Apg 17,18b). Entgegen der unbestimmten Umschreibung des ἄγνωστος θεός (vgl. Apg 17,23), der stellvertretend für die re-

 Vgl. E. Bornemann, Grammatik, §,. Das sog. praesens historicum steigert demnach nicht nur die Lebhaftigkeit der Erzählung, sondern unterstreicht gleichzeitig einen entscheidenden Aspekt.  S.o. S.  ff.

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

ligiösen Vorstellungen der Stoiker und Epikureer steht, verweist die determinierte Form „ὁ θεός“ (vgl. Apg 17,24) im biblischen Kontext ausschließlich auf den Gott Israels¹⁴⁵. Ergänzend zu der Ausrichtung der folgenden Aussagen, die grammatikalisch von diesem Subjekt (ὁ θεός) abhängen, sprechen die Wortwahl und die Imitation alttestamentlicher Formeln für diese Zuordnung. Mit dem Verbum „ποιέω“, hier zumeist mit der Bedeutung von „erschaffen“ übersetzt¹⁴⁶, wird ein Begriff eingeführt, der in Anlehnung an Gen 1,1– 2,4 als Übertragung des hebräischen Lexems „‫ “ברא‬in der Septuaginta bevorzugt den göttlichen Schöpfungsakt ausdrückt¹⁴⁷ (vgl. Gen 1,27; Jes 27,11; 45,12). Die Bezeichnung „Herr des Himmels und der Erde“ gehört ferner zu den gängigen Hoheitstiteln des Gottes Israels¹⁴⁸ (vgl. Jes 37,16; 2Chr 26,23; Esr 1,2; Apg 4,24; 14,15). Schließlich spielt die Ablehnung von Tempeln und Kulten, die von „Menschenhand“ (χειροποίητος) errichtet wurden, auf die prophetische Götzen- bzw.Völkerpolemik an¹⁴⁹ (vgl. Lev 26,1.30; Jes 2,18; 10,11; Dan 5,4.23; Orac. Sib. 3,606.618). Es sind diese Eckpunkte, die nicht nur den theologischen Rahmen der folgenden Erläuterung festlegen, sondern obendrein das Evangelium, welches Paulus in der Synagoge und auf der Agora Athens vortrug (Apg 17,17), mit dem Gott Israels verknüpfen. Die anschließende Akzentuierung des Gottes Israels als umfassenden Schöpfer des Kosmos hängt allerdings nicht allein semantisch mit der Bezeichnung als Herr des Himmels und der Erde zusammen (vgl. Jes 37,16; 2Chr 26,23; Esra 1,2; Apg 4,24; 14,15). In diesem Zusammenspiel alttestamentlicher Sprachfiguren scheint eine weitere Trennlinie zu den zugeschriebenen Ideen der Philosophen gezogen. Deren Weltanschauung sieht einen Schöpfungsansatz vor, der, zumindest nach der Zuspitzung des Autors, die eindrückliche Trennung des Alten Testaments zwischen Gott und den von ihm geschaffenen Geschöpfen (ποιέω) nicht teilt¹⁵⁰. Neben dem Aspekt der wesenhaften Verwandtschaft¹⁵¹, der ebenfalls von dieser Idee beeinflusst und im weiteren Verlauf der Rede thematisiert wird, fällt mit dieser inhaltlichen Differenz ein weiterer Kritikpunkt ins Auge.

 Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. W. Bauer, WzNT, ,I.b.  Vgl. W. Bauer, WzNT, ,I.b; W. Radl, ποιέω,  – ; H. Braun, ποιέω,  – . Dass hier nur an das jüdische Schöpfungsverständnis zu denken ist, wird zudem aus dem Umstand ersichtlich, dass die anhängende Vorstellung eines einzelnen Menschen, aus dem Gott die gesamte Menschheit geschaffen hat, in der griechischen Kultur nicht bekannt war. Dazu A.D. Nock, Ancient World, .  Vgl. S. E. Porter, Paul, .  Vgl. Kap. , Anm. . Ferner M. Wolter, Kolosser, ; W. Rebell, χειροποίητος, .  Zu den verschiedenen Elementen, die Lukas für das Bild der Philosophen aufgriff, s. o. S.  ff.  Vgl. Kap. , Anm. .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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Mit dem offensichtlich in Anlehnung an das in Gen 1,1– 2,4 vermittelten Bild des Schöpfergottes¹⁵² (s.a.: Jes 42,5; SapSal 9,9) verweist der lukanische Paulus die Philosophen auf die alttestamentliche Sichtweise der Entstehung des Kosmos. Diese betont, neben einer kritischen Grundhaltung gegenüber jeglicher kultischen Verehrung natürlicher Aspekte, die die priesterschriftliche mit der von Lukas hervorgehobenen Völkerpolemik¹⁵³ teilt, die wesenhafte Trennung zwischen Gott und dem, was er geschaffen hat. Demnach scheint den Philosophen unterstellt, dass sie mit ihrem Gottesbild einem Fehler erliegen, den die jüdische Tradition als symptomatisches Versagen heidnischer Religionen (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19) wertet. Weiter führt der lukanische Paulus mit dieser Einschätzung, die in der Episode bereits mehrfach anklang (vgl. Apg 17,16.22b–23), das den Philosophen zugesprochene Weltbild auf einen einschlägigen Begriff (χειροποίητος) zurück und widerspricht ihm. Zurückblickend auf den Vorsatz, den Stoikern und Epikureern das zu erklären, was sie unwissend anbeten (vgl. Apg 17,23b), zeigt sich, dass sie nicht nur von einer falschen Grundthese ausgehen, sondern, wie alle anderen Menschen der Völker auch, das Geschöpf mit seinem Schöpfer verwechseln. Die dritte Säule, an der die Aufzählung ansetzt, betrifft die innere und äußere Form der den Athenern zugeschriebenen Frömmigkeit. Den nunmehr angesprochenen Tempeln, Altären und Kulten (vgl. Apg 17,24– 25), mit denen Lukas das besondere Verhältnis der Stadtbewohner zu den Göttern versinnbildlicht, scheint bereits durch die Prämisse einer wesenhaften Trennung zwischen Gott und Kosmos jegliche Legitimation entzogen. Götterbilder, die an solchen Orten verehrt werden, erweisen sich lediglich als Elemente der Schöpfung, denen, gleich einem toten Stein, keinerlei göttliche Natur innewohnt. Es scheint unzureichend, einem Kult, der um einen solchen Gegenstand herum errichtet wird, allein eine unvollständige Gotteserkenntnis zu unterstellen. Es ist ein geradezu stereotypes Verhalten, das die Zusammenhänge des Kosmos grundsätzlich verkennt¹⁵⁴ (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19). Als Ergänzung dieses Gedankens erweist sich die folgende Begründung, mit der Paulus speziell den Dienst an Gott hinterfragt (vgl. Apg 17,25). Wenn Gott der Schöpfer des Kosmos ist (vgl. Apg 17,24b) und ferner für

 Vgl. O. Wischmeyer, Gottesglaube,  – .; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; A.Weiser, Apostelgeschichte , .  Vgl. C. Bussmann, Missionspredigt,  – ; F.W. Horn, Götzendiener,  – ; B. Gärtner, Areopagus Speech, ; R. Gebauer, Gottesverwandtschaft,  – ; W. Stenger, Gottesbezeichnung,  – .  Wie bereits angesprochen (s.o. S.  ff) gehören entsprechend spitze Töne zu den stilistischen Ausdrucksweisen der Textform.

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

seine Schöpfung Sorge trägt (vgl. Apg 17,25b), so ist es ausgeschlossen, dass der Mensch etwas aufbringen könnte, das Gott nicht selbst bewirkt hätte. Ein Versuch, eine Gottheit mit einem Gegenstand zu beeinflussen, den diese selbst geschaffen hat, erweist sich auf dieser Grundlage eher als einfältiges Vorhaben statt getragen von einer tieferen Erkenntnis¹⁵⁵. Auch dieser Standpunkt, den Paulus gegen die Philosophen einnimmt, folgt alttestamentlichem Gedankengut. Wie zuvor angemerkt, verweist das Adjektiv „χειροποίητος“ auf prophetische Götzenpolemik¹⁵⁶. Von Lukas als fester Bestandteil des verkündeten Evangeliums geschätzt (vgl. Apg 7,48; 19,26), bietet diese Form von Kritik nicht nur einen Referenzpunkt, an dem Verhalten und Charakter des Paulus (vgl. Apg 17,16) ausgerichtet scheinen. Sie stellt, als Argument gebraucht, dem Gott Israels zudem die Kultgegenstände paganer Religionen gegenüber, die frei von falscher Überhöhung, als Produkt menschlichen Handwerkes erkennbar werden. Diese Reduktion von Altären und Götterstatuen auf einen materiellen Grundstoff – eine Tendenz, die schon in der neutrischen Umschreibung des ἄγνωστος θεός zum Vorschein kam (vgl. Apg 17,23b) – birgt neben der sachlichen auch eine theologische Kritik. Nicht von ungefähr werten die alttestamentlichen Texte, in denen dieses Thema gehandelt wird (vgl. Ex 32,1; Jer 2,5; Am 5,25 – 27), die Verehrung der fremden Götter als Abfall und Lästerung des Schöpfergottes. Wiederholt klagt Gott gegenüber seinem Volk an, dass es von ihm abfiel, um den Göttern der Völker anzuhängen (vgl. Jer 2,5; Am 5,25 – 27). Erschwerend mag der Vorwurf gelten, wonach Israel nicht nur den Götzen opferte, sondern sich diese selbst schuf. In Ex 32,1 fordern die Juden Aaron dazu auf, ihnen einen Gott zu machen, der vor ihnen herzieht. Parallel dazu konstatiert Gott in Am 5,25 – 27, dass das Volk während der Wüstenwanderung nicht nur den Gestirnen und anderen Gottheiten opferte, sondern auch selbstgemachte Bildnisse mit sich herumtrug und so von Gott abfiel. In dieser Assoziation einer biblischen Tradition, die in den gegebenen Beispielen Substanz gewinnen mag, wird deutlich, dass Paulus mit dem Urteil „χειροποίητος“ mehr intendiert, als nur die Nichtigkeit der Athener Kulte anzuzeigen. Hier scheint zumindest unterschwellig der Aspekt einer verweigerten Hinwendung zu Gott unterstellt¹⁵⁷, womit ein weiteres Mal ein heilsgeschichtlicher Blickpunkt ins Gespräch gebracht wäre.

 Vgl. J. Woyke, Götter, ; R. Brandscheidt, Tragen, .  Siehe Kap. , Anm. .  Die Frage nach einem schuldhaften oder schuldlosen Verhalten der Athener, wie es die Diskussion um Apg ,a (vgl. J.A. Fitzmyer, Acts, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ) expressis verbis immer wieder in den Fokus setzt, scheint zumindest an dieser Stelle noch nicht akut. Stattdessen geht es um die Feststellung des Sachverhaltes. Dazu J. Roloff, Apostelgeschichte, .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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5. Die theologische Ausrichtung von Apg 17,26 – 27 Der folgende Satz (Apg 17,26 – 27) erweist sich sowohl inhaltlich wie grammatikalisch als ebenso bemerkenswert wie problematisch. Abhängig vom schöpferischen Handeln Gottes (ἐποίησέν τε) folgen zwei Nebensätze, die das Objekt jener Schöpfung – den Menschen – näher bestimmen. Die erste Explikation (Apg 17,26b) referiert alttestamentliches Gedankengut (vgl. Apg 17,24– 25) und knüpft an den heilsgeschichtlichen Grundton der vorangegangenen Verse an. Konstruiert aus einem innerlich abhängigen Konsekutivsatz¹⁵⁸, dem wiederum ein Konditionalsatz anhängt, in dessen Mittelpunkt zwei oblique Optative stehen, bietet die zweite Explikation (vgl. Apg 17,27a) der exegetischen Literatur Grund zur Diskussion. Gelegentlich in der Funktion eines Potentialis aufgefasst¹⁵⁹, scheint diese Struktur den Philosophen eine Option natürlicher Gotteserkenntnis einzuräumen, die nicht nur mit Blick auf die theologische Orientierung des Autors verwundern mag. Die Deutungsspielräume, die diesem grammatikalischen Gefüge innewohnen, zunächst beiseitestellend, scheint diese These ferner durch einen kurzen Nachsatz (vgl. Apg 17,27b) sowie ein Zitat gestützt, das dem griechischen Dichter Aratus (Phaen. 5) zuzuschreiben ist¹⁶⁰. Allerdings, und diese Vorgehensweise impliziert bereits die literarische und konzeptionelle Einordnung der Episode, ist der vorliegende Satz nicht für sich, sondern aus seinem kontextuellen Umfeld heraus zu betrachten. Die vorausgegangene Diskussion ließ keinerlei Zweifel daran erkennen, dass der lukanische Paulus im theologischen Traditionsfeld des Judentums verharrt. Für eine Abweichung von dieser klaren Linie, wie in der genannten These eines vermittelnden Redeansatzes vorgesehen¹⁶¹, findet sich demnach kein Indiz. Umgekehrt ließ er in der Episode ausschließlich die Tendenz erkennen, die hellenistische Weltsicht kritisch bis ablehnend zu bewerten. Im konkreten Falle (vgl. Apg 17,24– 25) unternahm der lukanische Paulus sogar den Versuch, diese von einem Grundgedanken her zu widerlegen¹⁶².

 Vgl. E. Bornemann, Grammatik, §,.  Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte ,  – .  Vgl. J.A. Fitzmyer, Acts, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; H. Külling, Geheimnis,  – ; K. Lake, Poets,  – .  Das schließt auch Kompromissmodelle ein, die allerdings bereits im Punkt der Gattungsfrage von anderen Voraussetzungen ausgehen.Vgl. O. Wischmeyer, Gottesglaube,  – . Siehe Kap. , Anm. .  S.o. S.  ff.

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

Das aktive Subjekt, welches auch ohne explizite Nennung mit dem Gott Israels zu identifizieren ist¹⁶³, verdeutlicht die narrative Abfolge und somit die argumentative Verbindung zwischen der Satzkonstruktion und den vorausgegangenen Versen. Dieser Umstand impliziert indes inhaltliche Kontinuität, weshalb es naheliegt, der Deutung dieses Satzes ebenfalls eine alttestamentliche Perspektive zu Grunde zu legen. Gleiches deutet ferner die weitere Assoziation alttestamentlicher Schöpfungserzählungen (Gen 1,1– 24; 7,23; 11,4.8) an, die durch das Lexem καιρός um ein thematisches Element erweitert werden. Dieses Substantiv kann einen bedeutsamen Zeitpunkt, wie einen Wetter- oder Jahreswechsel, oder auch eine Zeitspanne, wie Erntezeiten oder die Lebensdauer, bezeichnen¹⁶⁴. Allerdings verfügt Lukas über ein reiches Vokabular, mit dem er entsprechende Ereignisse präzise benennt (vgl. Lk 1,5.57; 23,54; Apg 7,45; 14,17). Zudem begegnet dieses Lexem in der biblischen Literatur häufig mit einer heilsgeschichtlichen Nuance¹⁶⁵, die im gegebenen Kontext wohl bedeutsamer ist als deren säkularer Horizont. Demnach benennt dieses Substantiv denjenigen Zeitpunkt, den Gott für die Durchsetzung seines Heilsplans definiert¹⁶⁶ (vgl. Ez 22,3; 7,12). Dieses Motiv tritt derweil nicht überraschend auf den Plan, da es bereits seit der Einleitung des Redeteils (vgl. Apg 17,22b–24) unterschwellig anklang. Bezogen auf die angesprochene Spannung, die sich zwischen der rein alttestamentlichen und einer vermittelnden Grundlinie entspinnt, bedingt diese theologische Einordnung folgende Konsequenz: Die Argumentation scheint ausschließlich auf Motive zurückzugreifen, die in der jüdischen Tradition verankert sind. Gleichzeitig tritt mit der Benennung eines heilsgeschichtlichen Kernbegriffes ein Thema in den Mittelpunkt, das, als zentrales Motiv des Doppelwerkes angelegt, auch in der untersuchten Episode mehrfach anklang. Es liegt somit nahe, hierin, und nicht in einem letztlich hellenisierenden Ansatz, den Referenzpunkt für die Ausrichtung des gesamten Verses zu erkennen.

6. Das Motiv der Suche nach Gott (Apg 17,27) Tatsächlich ist der Gedanke, dass die Völker als Schöpfung Gottes Teil der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans sind, sogar an diesem partizipieren, im Alten Testament angelegt. So heißt es in Jes 2,2– 4 (s.a. Jes 19,23), dass schließlich

 Abgesehen von der Tatsache, dass keinerlei neues Subjekt genannt wird, spricht die erneute Nutzung von ποιέω im Sinne von „erschaffen“ für diesen Befund (S.o. S.  ff).  Vgl. W. Bauer, WzNT, ,.  Vgl. G. Delling, καιρός,  – ; J. Baumgarten, καιρός, ..  S.o. Kap. , Anm. .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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alle Völker zum Zion ziehen werden, um dem Gott Israels anzuhängen. Auch Ps 2 oder Mi 4,1– 4 zeigen ähnlich inklusive Ansätze, die als gedankliche Summe auch die neutestamentlichen Texte beeinflusst haben dürften. Paulus wiederholt in seinen Briefen mehrfach die Erwählung Israels (vgl. Röm 1,16), die nun auch die Völker ins Heil einbezieht¹⁶⁷. Das lukanische Doppelwerk scheint dem gegenüber einem temporalen Ansatz zu folgen, der die Verbreitung des Evangeliums in ein epochengeschichtliches System einordnet¹⁶⁸ und so die Partizipation der Völker am göttlichen Heil legitimiert. Selbst Texte der jüdischen Völkerpolemik (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19), auf die Lukas gelegentlich argumentativ zurückgreift, schließen deren Teilhabe am eschatischen Heilsplan Gottes nicht aus. Sie betonen sogar, dass Versuche der Griechen, Gott zu erkennen, durchaus in dessen Interesse liegen, auch wenn diesem Unterfangen gleichbleibend der Erfolg versagt bleibt¹⁶⁹. In diesem Punkt ist nunmehr ein motivischer Übergang zur bereits angedeuteten Diskussion um die zweite Explikation dieses Doppelverses (Apg 17,26 – 27) geschaffen. Diese theologische Voraussetzung provoziert die Frage, wie die „Suche“ (ζητέω) zu deuten ist, die nach dem Votum des Paulus (vgl. Apg 17,27a) als Bestimmung der Schöpfung des Menschen nachfolgt. Verstanden als eine Formel des Begehrens¹⁷⁰, verdeutlicht der AcI „ζητεῖν τὸν θεόν“ die innerliche Abhängigkeit der Satzkonstruktion. Inhaltlich stellt dieser Nebensatz, der als Konsequenz aus der Schöpfung zu werten ist, eine Intention vor, wonach Gott erwartet, dass der Mensch ihn suche. Wie bereits aufgezeigt¹⁷¹, liegt diese Zielsetzung im Alten Testament begründet. Eine Dissonanz zwischen der vorliegenden Argumentation und der alttestamentlichen Tradition ist demnach im Motiv des „Suchens“ als solchem noch nicht gegeben. Die entsteht erst auf semantischer Ebene. Das Verbum ζητέω impliziert stets die Möglichkeit, das gesuchte Objekt auch zu finden¹⁷², ein Umstand, der mit der alttestamentlichen Tradition des verborgenen Gottes ebenso wenig vereinbar ist wie mit der lukanischen Vorstellung einer exklusiven Offenbarung im Evangelium¹⁷³.

 M. Wolter, Paulus, ; Ders., Epochengeschichte, ; D.W. Pao, Acts,  – .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte, .  Vgl. C. Bussmann, Missionspredigt,  – .  Es handelt sich bei einem AcI, der von Verben des Begehrens ausgeht, um eine ergänzende Form, die sich auf das übergeordnete Verbum (ποιέω) zurückbezieht, wodurch ein Satzkonstrukt innerlicher Abhängigkeit entsteht. Vgl. E. Bornemann, Grammatik, §.. So auch G. Schneider, Apostelgeschichte , .  S.o. S.  ff.  Vgl. W. Bauer, WzNT,  – .  Vgl. C.W. Stenschke, Gentiles, ; H. Külling, Agnostos Theos,  – .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

Deshalb ist näher auf die grammatikalische Konstruktion dieses Nebensatzes einzugehen. In der vorliegenden Satzkonstruktion entspricht das indikativische Nebentempus des AcI einem Konjunktiv, der wiederum einen hypothetischen Wunsch oder Anspruch ausdrückt¹⁷⁴, dessen Umsetzung in die Realität ausgeschlossen oder zumindest fraglich erscheint. Demzufolge konfrontiert Paulus die Widersacher mit einer Aufgabe, drückt aber gleichzeitig aus, dass es undenkbar ist, dieser gerecht zu werden. Dieser Zwiespalt zwischen Anspruch und Wirklichkeit von Suche und Hinwendung zu Gott scheint in der Apostelgeschichte breit angelegt. Bereits in der Stephanusrede (vgl. Apg 7,42– 43) begegnet ein Zitat aus dem Amosbuch (Am 5,25 – 27), welches konzeptionell überspitzt den ständigen Widerstreit zwischen Gott und Israel veranschaulicht¹⁷⁵. Anstatt die Nähe zu Gott zu suchen, wird hier den Juden unterstellt, sich stets an heidnische Götzen gewandt zu haben. Mit einer ähnlich lautenden Einschätzung der Athener Verhältnisse beginnt Paulus bereits nach einem Rundgang durch die Stadt (vgl. 17,16.23a) zu predigen und reflektiert die folgende Ablehnung des Evangeliums (Apg 17,18) mit einer Analyse der zu Grunde liegenden Gedanken (vgl. Apg 17,24– 25), mit denen Stoiker und Epikureer ihm gegenüberstehen. Der darin sichtbar werdende Anspruch, gottgemäß handeln zu können,von Juden wie NichtJuden gleichermaßen vertreten, wird von Lukas nunmehr als Anmaßung entlarvt. Diese kritische Linie stützend wirken zwei Optative, die der Sonderform Obliquus zuzuordnen sind¹⁷⁶. Diese Variante, die im Neuen Testament fast ausschließlich bei Lukas Verwendung findet¹⁷⁷, ersetzt dessen potentiellen durch einen irrealen Grundton. Die daraus folgende inhaltliche Verschiebung ist essentiell, da der Optativ nunmehr keine Option, sondern eine Negation jenes Sachverhaltes ausdrückt. Wenn allerdings von vornherein ausgeschlossen wird, dass es dem Menschen möglich ist, Gott aus eigenem Vermögen heraus zu erkennen, stellt sich von Neuem die Frage nach der Bedeutung dieses bemerkenswerten Nebensatzes. Die Suche nach Gott, so wurde an anderer Stelle gezeigt, ist in der alttestamentlichen Tradition zunächst ein positiv besetztes Motiv¹⁷⁸. Gleichzeitig beurteilen entsprechende Quellen, in deren Nachfolge auch der lukanische Paulus steht, die

 Vgl. E. Bornemann, Grammatik, §; E.G. Hoffmann and H. v. Siebenthal, Grammatik, §,–.,a; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Vgl. H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; J. Jeska, Geschichte, .  Ausführlich bei J. Jermemias, Sprache, .  Für eine vollständige Aufzählung aller Belege dieser grammatikalischen Form im Neuen Testament und im lukanischen Doppelwerk im Besonderen, siehe J. Jeremias, Sprache,  Anm. ..  S.o. Kap. , Anm. .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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Erfolgschance negativ. Es ist diese Spannung, die den Blick von der reinen Option auf die Bedingung lenkt, von der Erkenntnis abhängt. In Jes 58,2 heißt es über die Hinwendung zu Gott durch Fasten, dass Israel durchaus nach Jahwe suche und versuche, dessen Willen zu erkunden. Jedoch schließt die mangelnde Gerechtigkeit des Volkes¹⁷⁹ eine Erfüllung dieses Wunsches aus. Auch Paulus unterscheidet die Suche des Menschen nach Gerechtigkeit von derjenigen, die vor Gott Gültigkeit hat (vgl. Röm 10,3). Erst im Glauben könne demnach die notwendige Rechtfertigung erlangt werden, um vor Gott gerecht zu sein (vgl. Röm 10,4). Mit diesen Stellen im Hinterkopf erhält der heilsgeschichtliche Rahmen, in den Lukas die Argumentationskette einspannt, prägende Bedeutung. Zwar ist der Mensch auf Gott hin gedacht, jedoch hängt sein Verhältnis von dessen Willen und darin der eschatischen Konzeption ab. Er mag zwar nach dem Schöpfer suchen, scheint sogar darauf angelegt zu sein (vgl. Philo von Alexandria, Spec. Leg. 1,36). Gott vor dem festgelegten Zeitpunkt (καιρός) zu finden, wird einem Menschen allerdings nicht gelingen. Der literarische Rahmen verbietet es jedoch, in dieser Feststellung eine Apologie der griechischen Philosophen zu erkennen¹⁸⁰. Der kritische Grundton der Episode lässt vielmehr auf eine nüchterne Feststellung über eine bestimmte Faktenlage schließen, mit der Paulus dem Ansatz der Philosophen erneut den Boden entzieht. Zugleich richtet sich der Fokus zurück auf die Figur des Paulus und dessen Verkündigung des Evangeliums (vgl. Apg 17,17). Die Situation, dass das Heil und die damit verbundene Erkenntnis des wahren Gottes von einem bestimmten Zeitpunkt, respektive Ereignis abhängt, lässt eine Begründung erwarten, die das außergewöhnliche Verhalten des Paulus (vgl. Apg 17,16) den Kritikern erklärt.

7. Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott (Apg 17,27 – 29) Eine Antwort auf die Frage, weshalb Paulus unter diesen Voraussetzungen mit Zorn auf den Lebenswandel der Athener reagiert (vgl. Apg 17,16), wird zunächst zu Gunsten der Abhandlung eines anderen Motives zurückgestellt. Der folgende Themenabschnitt (Apg 17,27b–29), der die Nähe (Apg 17,27b–28a), sogar die Zugehörigkeit des Menschen zu Gott proklamiert („τοῦ γὰρ καὶ γένος ἐσμέν“), gipfelt in einer umfassenden Ablehnung der zugeschriebenen Athener Frömmigkeit (vgl.

 Zur Unterscheidung zwischen der Gerechtigkeit Gottes und der Israels, siehe W. Dietrich, Theopolitik,  – . – .  Siehe Kap. , Anm. .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

Apg 17,29). Dabei scheint weniger der Umstand zu überraschen, dass Paulus dieses Motiv, das seit Beginn der Episode wiederholt aufgegriffen wurde (vgl. Apg 17,16.22– 23), nunmehr gedanklich abschließt, als vielmehr die Argumentationsführung. Die Anwendung scheinbar offen gehaltener Formulierungen, bis hin zu dem Zitat eines hellenistischen Dichters (Aratus, Phaen., 5), wirken zumindest auf den ersten Blick wie ein inhaltliches Zugeständnis an die Philosophen. Der von Paulus angesprochene Gedanke einer wesenhaften Verwandtschaft zwischen Mensch und Schöpfer (Apg 17,28) birgt jedoch die Gefahr, von der Formulierung her auf einen philosophischen Standpunkt hin gedeutet zu werden. Die Aussage „ἐν αὐτῷ γὰρ ζῶμεν καὶ κινούμεθα καὶ ἐσμέν“ lässt sich annähernd wörtlich in den variierenden Gedankenspielen der hellenistischen Literatur¹⁸¹ nachweisen (vgl. Seneca, Nat. Quaest., 7,19,1; Plato, Soph., 248e–249a; Aristoteles, De Anima, 414a,12– 13; Dio Chrysostomus, Or., 12,28). Sicherlich ließe sich dieser Umstand, bei einer Bezeichnung des Textes als „Predigt“¹⁸², als Versuch des Autors verstehen, einen vermittelnden Sprachgebrauch anzuwenden, der die Rede für griechische Hörer öffnet¹⁸³. Allerdings deutet die zu Grunde gelegte Einordnung der Episode als chrienartige Erzählung, zusammen mit der festgestellten Tendenz eines ironischen Grundtones, der der Kritik des Standpunktes von Stoikern und Epikureern dient, in die entgegengesetzte Richtung. Auf syntaktischer Ebene sprechen, neben der Verwendung einer komparablen Partikel¹⁸⁴ (καί γε), die mit einer Litotes¹⁸⁵ verbunden ist (οὐ μακρὰν), der Wechsel zwischen inklusiver und exklusiver Redeweise für diese stilistische Nuance¹⁸⁶, an deren Ende eine Beweisführung steht (vgl. Apg 17,29), die den Sinn hellenistischer Kulte hinterfragt. Hier einen Kompromiss oder gar ein Primat griechischen Denkens zu unterstellen, scheitert bereits an dem Rückzug des Völkermissionars auf die alttestamentliche Tradition, von der aus er seine Argumentation aufbaut. Dabei erscheint die Idee einer unmittelbaren Beziehung zwischen Gott und Mensch auch im Alten

 Vgl. J.A. Fitzmyer, Acts, ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; F.J.F. Jackson and K. Lake, Beginnings I/IV, ; M. Pohlenz, Paulus,  – ; G. Schneider, Apostelgeschichte ,  – .  Zur Auseinandersetzung mit dieser These, s.o. S.  ff.  Zur theologischen Fokussierung der Rede auf die Traditionen des Alten Testaments s. o. S.  ff.  Vgl. W. Bauer, WzNT, ,b.  Vgl. H. Lausberg, Rhetorik, §.  Während der lukanische Paulus in Apg , – zunächst von allen Menschen als Betroffene des göttlichen Handelns spricht (vgl. Apg ,), sind es auf einmal die Philosophen selbst, die etwas zu diesem Thema beitragen sollen (vgl. Apg ,b). Vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , , der diesen Wechsel mit J. Dupont, La rencontre,  als ausdrückliche Distanzierung zwischen Paulus und den Athenern wahrnimmt.

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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Testament verbreitet¹⁸⁷. Bezogen auf das Volk Israel wird an verschiedenen Stellen eben dieses besondere Verhältnis als faktische Realität betont. So stellt beispielsweise Mose in Deut 4,7 die indirekte Frage, welchem anderen Volk Gott so nahe sei wie Israel („ᾧ ἐστιν αὐτῷ θεὸς ἐγγίζων αὐτοῖς ὡς κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν“). Und der Psalmist (Ps 145,18) ruft aus, dass Jahwe all denjenigen nahe ist, die ihn „wahrhaftig“ (ἀλήθεια) anrufen. Diese Bedingung, die Gott für seine Nähe an den Menschen stellt, verdeutlicht die Ambivalenz des alttestamentlichen Gottesbildes. Einer Selbstaussage Gottes in Jer 23,23 folgend, wonach er sowohl nah als auch fern sei, scheinen die Konditionen des implizierten heilsgeschichtlichen Konzeptes auch auf die Formulierung dieses Abschnittes (Apg 17,27b–29) anwendbar. Gott wird denen nahe sein, die sich ihm zuwenden (vgl. Deut 4,30). Eine Voraussetzung, die bereits durch die konzeptionellen Differenzen zwischen Paulus und den Philosophen für letztere unerreichbar scheint. Allerdings stellt die reine Möglichkeit, den Halbvers (Apg 17,27b) unter dieser Prämisse zu deuten, noch nicht sicher, dass sie der Text auch tatsächlich so vorgibt. Erst der ironische Ton, der es nur vordergründig zulässt, den Satz als Zuspruch an die Erkenntnis der Philosophen zu deuten, bestätigt diese Einschätzung. Gemeinsam mit der Kombination der beiden Partikel καί γε, die positiv verstanden, eine gesteigerte Bekräftigung eines Umstandes vermitteln, bildet die Litotes eine ironische Hyperbel¹⁸⁸, die die Stoiker und Epikureer unmittelbar anspricht. Denen wird somit zugestanden, in der Sache – Gott sei den Menschen nahe („καί γε οὐ μακρὰν ἀπὸ ἑνὸς ἑκάστου ἡμῶν ὑπάρχοντα“) – durchaus eine richtige Begebenheit benannt zu haben. In deren inhaltlicher Füllung gehen die Positionen indes nach wie vor weit auseinander.

8. Der Mensch als von der Art (γένος) Gottes Als ebenso variabel in der kulturellen Zuordnung erweist sich Apg 17,28a. Die Formulierung, die die revidierte Lutherübersetzung von 1984 poetisch mit „denn in ihm leben, weben und sind wir“ („ἐν αὐτῷ γὰρ ζῶμεν καὶ κινούμεθα καὶ ἐσμέν“) übersetzt, ist ebenfalls in der hellenistischen Literatur weit verbreitet¹⁸⁹. Auch eine Verbindung mit jüdisch-christlichen Inhalten ließe sich ohne Schwierigkeiten herstellen (vgl. Röm 11,36; 1Kor 8,6; Kol 1,16; Hebr 2,10). Während die Aspekte

 So H. Spieckermann, Gott, ; E. Zenger, Zion,  – .  Vgl. H. Lausberg, Rhetorik, §,.,.  S.o. Kap. , Anm. .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

„Leben“ (ζάω) und „Sein“ (εἰμί) mit Schöpfung und Erwählung korrespondieren mögen¹⁹⁰, findet das Lexem κινέω in der Apostelgeschichte stets im Zusammenhang eines Aufruhrs bezüglich der richtigen Auslegung des Gesetz Anwendung¹⁹¹ (vgl. Apg 21,30; 24,5). Gemäß diesem Grad der Verbreitung handelt es sich bei dieser Wendung weniger um den Ausdruck einer tieferen philosophischen Erkenntnis, als vielmehr ein geflügeltes Wort, mit dem sehr allgemein und über kulturelle Grenzen hinweg das Verhältnis zwischen Mensch und Gott ausgedrückt werden kann¹⁹². Welcher Sichtweise an dieser Stelle der Vorrang zu geben ist, dürfte inzwischen nicht mehr strittig sein. Allerdings sind entsprechende Zuweisungen im argumentativen Zusammenhang nur von untergeordneter Bedeutung. Interessanter erscheinen hier die Kategorie und der Kontext, in den der Völkermissionar diese Redeweise einordnet. Mit der expliziten Unterscheidung zwischen Paulus und den Philosophen, die in dem plötzlichen Wechsel der Pronomina deutlich wird (vgl. Apg 17,28a), findet eine inhaltliche Gleichschaltung jenes allgemeinen Wortes mit einer Quintessenz philosophischen Denkens statt¹⁹³. Die Wirkung erweist sich, mit Blick auf das Selbstverständnis der Stoiker und Epikureer in ihrer Umwelt¹⁹⁴, als eine weitere Spitze. Paulus reiht die Philosophen erneut in ein gedankliches Umfeld ein, von dem sie sich selbst zu distanzieren suchen¹⁹⁵. Damit ist allerdings die Kritik, die der Völkertmissionar hier vorbringt, noch nicht abgeschlossen. Das folgende Zitat des griechischen Dichters und Stoikers Aratus (Phaen. 5) gibt der These, Gott sei dem Menschen nahe, eine neue Form, indem er nunmehr als von dessen Art (γένος) identifiziert wird. Die Verwendung von Anleihen und Zitaten, die, dem jeweiligen Lokalkolorit entnommen, den theologischen Bedürfnissen des Textes angepasst werden, gehört zu den gängigen Methoden des Autors¹⁹⁶ (vgl. Apg 14,11– 13; 19,24– 27; 28,1– 6). Folgerichtig liegt es nahe, den kurzen Halbsatz „τοῦ γὰρ καὶ γένος ἐσμέν“ nicht aus seiner stoischen Prägung, sondern aus seiner christlichen Adaption und Übertragung durch den Autor heraus zu verstehen. Während die Vorstellung einer wesenhaften Verbindung zwischen Gott und Mensch im Alten Testament kaum zu denken ist, zeigt  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; K.D. Litwak, Prophets,  – .  Vgl. J. Schneider, κινέω, ; H. Balz, κινέω, .  So stellt es J.A. Fitzmyer, Acts,  dar. Ähnlich J. Roloff, Apostelgeschichte,  – .  Es ist eben kein tieferes Wissen, auf das die Stoiker und Epikureer aufbauen, sondern etwas, was eigentlich weit bekannt ist. Zur Abgrenzung des Paulus, siehe Kap. , Anm. .  S.o. S.  ff.  Zum von Lukas vermittelten Bild und dem begleitenden Erkenntnisanspruch der Philosophen, s.o. S.  ff.  Dazu R.I. Pervo, Profit,  – ; M.L. Soards, Speeches, .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

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sich das Bild des γένος im Sinne einer Gemeinschaft oft verwendet¹⁹⁷. Entweder im familiären (vgl. Esth 8,12; Ri 1,25) oder im ethnologischen (Jes 43,20; Jer 31,37. S.a. Apg 7,19; Gal 1,14) Horizont genutzt, ist ein Gebrauch dieses Lexems festzustellen, der sich mit den Bildern im Neuen Testament und konkret einer heilsgeschichtlichen Erwählungstheorie, als kompatibel erweist. Die Berufung aller Menschen zur Mitgliedschaft im Volk Gottes ist ebenso zu erkennen (vgl. Deut 5,6; Jes 2,2– 3; Mich 4,1– 3) wie das Bild der Elternschaft Gottes (vgl. Gen 28,21; Deut 32,6; Ps 68,6), womit gezeigt wäre, dass auch dieses Zitat mit alttestamentlichem Traditionsgut gefüllt werden kann¹⁹⁸. Von höherer Bedeutung für die Argumentationskette ist allerdings der Übergang zum ersten Fazit der Rede, das durch dieses Gedankenspiel vorbereitet wird. Theologisch verweist Paulus in Apg 17,29 expressis verbis auf die Gründe, die gegen die fromme Praxis (κατείδωλος / δεισιδαίμων) der Athener sprechen. Dem geht eine Analogie voraus, die an Hand der Feststellung, dass nunmehr alle Menschen zu Gott gerufen sind, danach fragt, weshalb der Mensch und im speziellen die Athener Philosophen an Strukturen festhalten, die offensichtlich nur menschliches Machwerk („χαράγματι τέχνης καὶ ἐνθυμήσεως ἀνθρώπου“) und damit dem Gott Israels zuwider sind. Das thematische Klima, in das die Rede eingebettet ist¹⁹⁹, lässt hierfür letztlich nur zwei mögliche Antworten zu. Entweder handeln die Athener im vollen Bewusstsein der Sachlage und verstoßen somit vorsätzlich gegen Gottes Gebote, oder sie sind, wie bereits mehrfach anklang, unwissend und vermögen nicht zwischen dem rechten und dem falschen Verhalten zu unterscheiden.

9. Der Verweis auf den heilsgeschichtlichen Wendepunkt (Apg 17,30 – 31) Der Schlusssatz der Gegenrede (Apg 17,30 – 31) verdeutlicht zweierlei: Zum einen unterstreicht Paulus mit dem Hinweis auf die „Zeiten der Unwissenheit“ (χρόνους τῆς ἀγνοίας) seinen Ansatz, dass die Athener einem falschen Weltbild anhängen, was sich in ihrem gotteslästerlichen Lebenswandel widerspiegelt. Zum anderen knüpft er mit dem Hinweis auf einen Wechsel in der Situation der Völker (μὲν οὖν … τὰ νῦν) an das Konzept eines heilsgeschichtlichen Umbruches an²⁰⁰, welches,

 Vgl. F. Büchsel, γένος, ,; V. Hasler, γένος, .  So auch R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  S.o. S.  – .  M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

wie an anderer Stelle nachgewiesen (vgl. Apg 17,26 – 27), der gesamten Argumentation zu Grunde liegt. Es wäre verfehlt, das eigentliche Movens zwischen Unwissenheit und der entgegenstehenden Forderung an den Menschen, „Buße zu tun“ (μετανοέω), auf das Thema Schuld und Unschuld zurückzuführen. Entsprechende Ansätze, die die exegetische Literatur bisweilen vertritt²⁰¹, übersehen das eschatologische Konzept, mit dem der lukanische Paulus hier agiert. Bezeichnet er ein Ende jener Zeiten, die er unter der Überschrift der Unwissenheit vermerkt, so hinterfragt der Völkerrmissionar mit Blick auf die Stoiker und Epikureer zuallererst deren Selbstverständnis als erkenntnisfähige Menschen. Jegliche Einschätzung über die Zusammenhänge des Kosmos sowie dessen Verhältnis zum Schöpfergott werden, entsprechend der alttestamentlichen Völkerpolemik (vgl. SapSal 13,5 – 6; 15,15), als falsch deklariert²⁰². Weiter stellt die These heilsgeschichtlicher Wendepunkte, deren zeitliche Umsetzung Gott frei bestimmt²⁰³, letztlich den Anspruch der griechischen Philosophen, die wahre Form des Evangeliums zu vertreten, überhaupt in Frage. Von einer Schuld, zumindest in einem gesamtgeschichtlichen Zusammenhang, kann unter dieser Voraussetzung folglich nicht gesprochen werden. Stattdessen drängt sich erneut die Frage nach der Immanenz der Handlungen des Paulus auf, der mit dem proklamierten Wechsel der Zeiten nunmehr eine Antwort gegeben hat. Demnach hat Gott einen Zeitpunkt festgelegt, an dem er den Kosmos richten wird (vgl. Apg 17,31a), weshalb er alle Menschen aufruft umzukehren (vgl. Apg 17,30b). Neben dem Umstand, dass die beiden Verse (vgl. Apg 17,30 – 31) insgesamt an den Ton der alttestamentlichen Propheten erinnern (vgl. Jes 2,2– 3; Mi 4,1– 3; Jon 3,4– 5), fällt hier vor allem das Verbum μετανοέω²⁰⁴ ins Auge, welches einer Erläuterung bedarf. Dieses Lexem hat im Kontext alttestamentlicher Prophetie, synonym mit ἐπιστρέφω, als Übersetzung des hebräischen Verbums „‫ “שׁוב‬weniger eine konkrete Handlung zum Gegenstand der Umkehr vor Augen, als vielmehr die grundsätzliche Hinwendung der Israeliten zu Gott²⁰⁵. Es geht dabei gerade nicht um die vereinzelte Verfehlung, sondern um die grundsätzliche

 Vgl. Kap. , Anm. . Siehe hingegen F.J.F. Jackson and K. Lake, Beginnings I/IV,  –  Anm. ; M.L. Soards, Speeches, .  S.o. S.  ff.  Vgl. Kap. , Anm. .  Vgl. W. Bauer, WzNT,  – .  Vgl. E. Würthwein, μετανοέω,  – ; H. Merklein, μετανοέω, .,. So gebrauchen es auch die meisten Kommentatoren A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; H. Külling, Geheimnis, .

IV. Die ausführliche Reaktion des Paulus

159

Abkehr von einem Verhalten, mit dem der Mensch in Sünde, also Abkehr von Gottes Gebot, lebt²⁰⁶. Allerdings, und hier kommt erneut der heilsgeschichtliche Grundton zum Tragen, setzt eine Umkehr stets einen Ort voraus, an den der Angesprochene zurückkehren kann. Im Alten Testament ist dabei an Gott und die Erwählung Israels als sein Volk²⁰⁷ zu denken. Auf diesem Motiv scheint auch Lukas aufzubauen, der in diesem Sinne die Apostel Petrus und Johannes im Tempel zum Jerusalemer Volk sprechen lässt (vgl. Apg 3,19: „μετανοήσατε οὖν καὶ ἐπιστρέψατε εἰς τὸ ἐξαλειφθῆναι ὑμῶν τὰς ἁμαρτίας“). Dass diese Zuordnung nunmehr die Völker miteinschließt, wie bereits in den Ausführungen über den Problemteil der Episode vermutet²⁰⁸, wird als Motiv beispielsweise in Apg 26,20 erkennbar, wo Paulus vor König Agrippa ausführt, dass er nicht nur den Juden aus Damaskus, Jerusalem und Judäa verkündet habe, sondern auch die Völker zur Bekehrung zu Gott aufgefordert habe. Der lukanische Paulus spricht demnach nicht in Kategorien schuldhaften Verhaltens, sondern von einem heilsgeschichtlichen Umbruch, der eine neue Ausrichtung des Lebenswandels erforderlich macht. Nachdem schließlich der Anlass für die Verkündigung und damit deren theologische Ausrichtung vorgestellt sind, bleibt nur noch das Missverständnis um die Bedeutung Jesu und der Auferstehung (vgl. Apg 17,18b) zu erklären. Die thematische Linie einhaltend, werden Tod und Auferstehung Jesu, wie die Verbindung der beiden Worte πίστις und παρέχω verdeutlicht²⁰⁹, zum Beweismittel des von Gott initiierten Heilsplanes stilisiert. Diese Wendung, die gemeinhin im Sinne von „beglaubigen“ oder „beweisen“ zu verstehen ist²¹⁰, korrespondiert mit der literarischen Einordnung des Textes, der hier eben keine Predigt, sondern eine pointierte Erklärung und Stellungnahme im Zusammenhang eines konkreten Streitfalles (vgl. Apg 17,18 –19) beschreibt. In diesem Kontext zeigt der lukanische Paulus an, dass das Evangelium gerade nicht von der Verbreitung fremder Gottheiten (vgl. Apg 17,18), sondern von dem einen Gott der Schöpfung handelt, der in Tod und Auferstehung Jesu nicht nur ein Zeichen für das nahende Gericht, sondern auch für die Erwählung der Völker gegeben hat.

    

Siehe E. Würthwein, μετανοέω, ; A.D. Baum, Paulinismen,  – . Vgl. E. Würthwein, μετανοέω, . S.o. S.  ff. So stellt es A. Weiser, Apostelgeschichte ,  heraus. Vgl. W. Bauer, WzNT, ,c; K. Haacker, Hoffnung, .

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5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

V. Das Bild der Athener Philosophen 1. Die Haltung der Athener Philosophen (Apg 17,32 – 34) Die unmittelbare Reaktion auf die Auflösung (Apg 17,23 – 34) des auftaktgebenden Missverständnisses (vgl. Apg 17,18) fällt geteilt aus. Zuerst, und damit als Position der Mehrheit zu denken, begegnen die Stoiker und Epikureer den Ausführungen des Völkermissionars mit Spott (χλευάζω) und folgen darin dem von Lukas zugewiesenen Charakterbild²¹¹. Eine zweite Gruppe verhält sich zurückhaltender, bittet um eine Vertagung des Gesprächs (vgl. Apg 17,32b) und kommt zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. Apg 17,34) tatsächlich zum Glauben („τινὲς δὲ ἄνδρες κολληθέντες αὐτῷ ἐπίστευσαν“). Dieses differenzierende Bild ist nicht neu, sondern greift lediglich auf ein Motiv zurück, das in der Apostelgeschichte wiederholt begegnet. Angelehnt an einen gewissen Pessimismus, der bereits die Umkehrrufe der alttestamentlichen Propheten begleitete²¹² (vgl. Am 7,8; 8,2; Hos 5,4; Jes 10,20), vermerkt Lukas beispielsweise im Zusammenhang der Geschehnisse rund um Pfingsten (vgl. Apg 2,13), neben dem Zuwachs der Gemeinde, diffamierende Zurufe der Juden in Jerusalem. Ähnlich unentschlossen äußert sich der Rabbiner Gamaliel (Apg 5,38 – 39), der die Frage, ob Petrus und Johannes Gottes Wort verkünden, trotz zahlreicher Beweise²¹³ (vgl. Apg 5,12– 16) letztlich offenlässt. Weder ausdrucksstarke Gesten noch Worte vermochten schließlich die Einwohner von Lystra zu einer Entscheidung darüber zu bewegen (Apg 14,18), ob Paulus und Barnabas nun selbst Götter, oder nur Künder des lebendigen Gottes seien. Die abstrahierte Situation, mit der Paulus und die Apostel an den verschiedensten Stellen der Apostelgeschichte konfrontiert werden, zeichnet ein Schema vor, in dessen theologischer Mitte die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des λόγος τοῦ θεοῦ steht. Kulturell unterschiedlich akzentuierte Vertreter der Völker begegnen hierbei einem eschatologischen Ansatz, der die jeweils vorgestellten Lebensweisen hinterfragt und stets zu einer Entscheidung für oder gegen den Gott Israels provoziert. Paulus tritt dabei in einer Funktion auf, die dem Auftrag alttestamentlicher Propheten ähnelt, die versuchten, mit ihren Worten das Volk zur

 S.o. S.  ff.  Vgl. E. Würthwein, μετανοέω, ; J. Jeska, Geschichte, .  Zwar lässt die Formulierung, in der eine indikativische Aussage auf eine konjunktivische folgt („[…] ὅτι ἐὰν ᾖ ἐξ ἀνθρώπων ἡ βουλὴ αὕτη ἢ τὸ ἔργον τοῦτο, καταλυθήσεται, εἰ δὲ ἐκ θεοῦ ἐστιν, οὐ δυνήσεσθε καταλῦσαι αὐτούς […]“), eine gewisse Tendenz erkennen, Gamaliel selbst spricht sich indes nicht explizit für die eine oder andere Seite aus.

V. Das Bild der Athener Philosophen

161

Umkehr oder Hinwendung zu Gott zu bewegen²¹⁴. In diesem Kontext ist das Verhalten des lukanischen Paulus (vgl. Apg 17,16), umschrieben mit den Schlagworten „göttlichen Zornes“²¹⁵, als Aktion eines Dieners Gottes zu verstehen, der die Völker auf Basis der alttestamentlichen Traditionen und Hoffnungen Israels ins Heil beruft. Die daraus entstehende Kritik an der Haltung der Stoiker und Epikureer, welche bereits im Ansatz als Frevel gegen Gott entlarvt wird, erscheint nunmehr als Kernaussage der Episode. Verstärkt durch die literarische Form, die Paulus als designiertem Redner die bevorzugte Position zuweist, negiert die Argumentationsführung den Wahrheitsgehalt des Standpunktes der Stoiker und Epikureer. Unterstrichen durch einen ironischen Grundton, der das vorgeführte Denken der Athener Philosophen in Zweifel zieht, lässt die Gegenrede letztlich nur eine sachgerechte Entscheidung zu. Umso bemerkenswerter wirkt das uneinheitliche Verhalten der Philosophen, das der skeptischen Grundhaltung, die Lukas wiederholt gegenüber den Völkern äußert, neue Schärfe verleiht. Die Intention einer chrienartigen Argumentationsführung beruht auf der glaubwürdigen Präsentation und Werbung für eine bestimmte Position, die weniger von den literarischen Parteien, als vom Leser adaptiert werden soll. Folglich, und damit steht Apg 17,16 – 34 in einer Reihe mit den Erzählungen von Lystra (Apg 14,8 – 20) und Philippi (Apg 16,16 – 22), ist zwischen der inneren und der äußeren Wirkung des Textes zu unterscheiden. Für den christlichen Leser, an den sich das lukanische Doppelwerk maßgeblich richtet, dürften die Argumente des Paulus außer Zweifel stehen, auch wenn sich die Athener Philosophen unentschlossen zeigen. Demnach liegt der Schwachpunkt im Ansatz der Athener Philosophen nicht in einzelnen Aspekten, sondern im eigentlichen Grundverständnis verborgen. Die divergierende Sichtweise auf Gott und den Kosmos,von der Paulus und die Stoiker und Epikureer ausgehen, führt dazu, dass sich die zuletzt genannten Philosophen trotz des heilsgeschichtlichen Umbruches nicht gemäß den Forderungen des Gottes Israels verhalten. Obendrein erkennt der Leser im offensiven Verhalten der Philosophen (vgl. Apg 17,18 – 20) eine Inkonsequenz, mit der sie ihren eigenen Anspruch, die richtige Ausprägung der von Paulus vorgetragenen Lehre zu vertreten²¹⁶ (vgl. Apg 17,18), ad absurdum führen. Das Verhalten, mit dem sich Stoiker und Epikureer ihrer eigenen Tradition vergewissern, erweist sich folgerichtig in der Perspektive des christlichen Betrachters als Ironie, die auf die Figuren zurückfällt.

 So auch K.D. Litwak, Echoes,  – ; Ders., Prophets,  – ; C.A. Evans, Prophet, ; T. Holtz, Selbstverständnis,  – .  S.o. S.  ff.  Vgl. Kap. , Anm. .

162

5. Das Evangelium bei den Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34)

2. Das Bild der Völker in Apg 17,16 – 34 Zurückgreifend auf die Erwartungshaltung, welche die Hoffnung Israels gegenüber Gottes Wort ausmacht²¹⁷, zeichnet Lukas in der Episode (Apg 17,16 – 34) ein Szenario, welches eine Erkenntnis der alttestamentlichen Völkerpolemik zu bestätigen scheint. SapSal 13,5 – 19 führt aus, dass die Suche nach Gott auf Seiten der Völker symptomatisch in einer Verkehrung endet, die Schöpfung und Schöpfer verwechselt. In einer praktischen Ausführung beschreibt Lukas mit der Erzählung (Apg 17,16 – 34) jene Charakteristik, die in dem Bild der Philosophen eine für den Leser greifbare Form erhält. Die Stoiker und Epikureer Athens vertreten idealtypisch jenes Streben der Völker, Gott in der Welt zu suchen. Jenem Verlangen nach Erkenntnis verpflichtet, zählen die Philosophen zudem zu den Einwohnern Athens, die im gesamten römischen Reich den Ruf besonderer Frömmigkeit und eines angemessenen Verhaltens gegenüber den Göttern genossen. Vor dem Hintergrund dieses Settings beschreibt Lukas nunmehr eine Diskussion, die kritisch nach dem Wahrheitsgehalt jenes Lebenswandels der Athener Philosophen fragt. Der Kontrastpunkt ist das Evangelium des Paulus, welches, als „Körnerpickerei“ und „Verkündigung fremder Gottheiten“ gewertet (vgl. Apg 17,18), nunmehr zur Disposition steht. Anders als es die Philosophen jedoch erwarten, legt Paulus in seinen Ausführungen offen, dass nicht er derjenige ist, der eine Lehre vertritt, die auf einer verkürzten Wahrnehmung basiert, sondern tatsächlich sie selbst im Denken wie im Handeln gegen die Gebote des Gottes Israels verstoßen (vgl. Apg 17,22b–31). Mehr noch zeigt der Autor mit der weiterführenden Anmerkung über das Verhalten der Philosophen (vgl. Apg 17,32– 37), dass diese nicht nur der falschen Einsicht anhängen, sondern darüber hinaus uneinsichtig an ihrem Standpunkt festhalten. Dieses Verhalten mag wenig überraschen, erinnert es doch im Grundton an die Einwohner von Lystra (vgl. Apg 14,18), oder die Herren in Philippi (vgl. Apg 16,19 – 21). Die besondere Nuance dieser Episode liegt folglich in der charakterlichen Zuspitzung auf griechische Philosophen verborgen. Trotz einer ausführlichen Darlegung über die Inhalte des Evangeliums, die eine Wirklichkeit beschreiben, die alle Menschen unmittelbar angeht (vgl. Apg 17,30 – 31), reagiert die Mehrheit der Stoiker und Epikureer nicht mit einer reflektierten Bewertung, sondern mit Spott und Hohn (vgl. Apg 17,32a). Mit dieser Reaktion offenbaren sie in eindrücklicher Weise, dass es weniger das Streben nach Erkenntnis ist, das ihr Fragen antreibt (vgl. Apg 17,19b), als vielmehr die Neugier, unterhaltsames Geschwätz zu hören (vgl. Apg 17,21). Der Wahrheitsgehalt der Ausführungen des Paulus, an dem

 S.o. Kap. , Anm. .

V. Das Bild der Athener Philosophen

163

von christlicher Seite keinerlei Zweifel bestehen dürfte, erhält auch in diesem Zusammenhang keinerlei Beachtung, weshalb erneut ein ernüchternder Eindruck über das Verhalten einer Gruppe von Menschen zurückbleibt, die sich schlussendlich als Vorbild für den Leser als ungeeignet erweist.

6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40) I. Die Form und Konstruktion von Apg 19,23 – 40 1. Apg 19,23 – 40 als dramatische Episode Die Perikope, in der Lukas den sogenannten „Aufstand der Silberschmiede“ (Apg 19,23 – 40) schildert, bewertet die gängige Literatur nahezu einhellig als Erzählung, die der literarischen Gestaltung nach den konzeptionellen Vorgaben des dramatischen Episodenstils folgt¹. Diese literarische Methode, mit der der Autor eine abgeschlossene Erzählung aus dem übergeordneten Erzählfaden (vgl. Apg 15,36 – 21,40) heraushebt, dient dem Ziel, ein Thema, welches in der Rahmenhandlung selbst keinen angemessenen Platz fände, pointiert zu behandeln². Entsprechende Episoden sind als eigenständige Texte zu verstehen, in denen der Autor ein Thema behandelt, das die Inhalte der Haupthandlung oder des Leitgedankens perspektivisch erweitert. Insofern verwundert es nicht, dass solche Episoden in der antiken Literatur häufig in thematischen Reihen organisiert begegnen³, in denen der Autor über das Erzählwerk verteilt jenen Gegenstand wiederholt aufgreift und stets unter wechselnden Voraussetzungen beleuchtet. Diese Absicht der Methode im Blick, ergibt sich aus dieser Konstruktionsweise die Möglichkeit, dem Leser einen weitreichenden Einblick in die pointierte Bewertung einer bestimmten Problemstellung zu gewähren, um so dessen Meinungsbildung zu beeinflussen. Übertragen auf Apg 19,23 – 40 erwachsen aus diesen Vorgaben, die das Schema des dramatischen Episodenstils begleiten, gewisse Erwartungen an Gestalt, Form und Inhalt des Textes. Neben einer merkbaren Trennung zwischen den vorausgehenden und nachfolgenden Handlungsabschnitten, lassen die implizierten Anforderungen einer eindeutigen thematischen Ausrichtung sowie deren nachvollziehbarer Abhandlung mit einer Erzählung rechnen, die strukturiert diesen Kriterien Rechnung trägt. Unter diesen Voraussetzungen erscheint der Umstand bemerkenswert, dass die Gemeinsamkeiten in der Ausdeutung der These, bei dem Text handele es sich um eine dramatische Episode, seitens der Exegese kaum über das Bekenntnis zum exponierten Charakter der Erzählung

 Dazu H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; E. Plümacher, Schriftsteller,  – ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, .  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller, .  Dazu D. Marguerat, Lukas,  – ; E. Plümacher, Schriftsteller, . DOI 10.1515/9783110458039-006

I. Die Form und Konstruktion von Apg 19,23 – 40

165

hinaus gehen⁴. Bereits in der Frage nach der einheitlichen Konzeption des Textes sowie dem verfolgten Thema herrscht weitgehender Dissens zwischen den vertretenen Ansätzen. Nicht selten stehen in der Diskussion über die Konstruktion von Apg 19,23 – 40 historisch-kritische Überlegungen einer literarischen Herangehensweise problematisch gegenüber. Rechnet die eine Seite lediglich mit einer Redaktion, in der Lukas kaum redigierend in das vorgefundene Quellenmaterial eingriff ⁵, vermutet die andere eine weitgehend freie Abfassung des Textes durch den Autor, der nur unterstützend auf Quellen und Lokalkolorit zurückgriff ⁶. Der erste Ansatz, der von der Bearbeitung einer Tradition oder literarischen Vorgabe ausgeht, beruht maßgeblich auf einer Analogie, die sich von den in Apg 19,28 – 34 geschilderten Unruhen und einigen Bemerkungen des Paulus über dessen Leiden in der Provinz Asia (vgl. 2Kor 1,8; Phi 1,13; 4,22) ableitet⁷. Dem steht eine thematische Gewichtung gegenüber, die das Schicksal des Paulus, zumindest für den zeitlichen Rahmen der Episode, beinahe ausklammert⁸ (vgl. Apg 19,30 – 31). Obendrein deuten Sprache und Stil eher auf die Abfassung oder zumindest umfassende Bearbeitung durch den Autor des Doppelwerkes hin⁹, als auf die kaum redigierte Aufnahme einer Vorlage. Schließlich spricht die Verwendung des dramatischen Episodenstils an sich für eine gezielte Konzeption, in der die historische Sachlage hinter den thematischen Interessen des Autors zurücktreten

 Beginnend mit der Einleitungsformel „ἐγένετο δὲ“ (vgl. Lk ,; ,; ,; Apg ,; ,; ,; ,), schließt die Episode mit dem Motiv der „Entlassung des Volkes“ durch den Stadtschreiber (vgl. Apg ,b) ab (zu den üblichen Eröffnungs- sowie Schlussformeln der Evangelisten, siehe G. Theißen, Wundergeschichten, ; W. Weren, Silversmiths, ). Für den Befund einer eigenständigen und abgeschlossenen Episode (vgl. Kap. , Anm. ) spricht ferner der vollständige Wechsel der Erzählfiguren zwischen Apg , –  und Apg , –  sowie Apg , – .  So beispielsweise G. Schneider, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Vgl. G. Lüdemann, Christentum,  – ; G. Bornkamm, Paulus,  – ; G. Schille, Apostelgeschichte,  – ; E. Haenchen, Apostelgeschichte, ; R. Strelan, Artemis, ; W. Thiessen, Ephesus, .  Zur Auseinandersetzung mit dieser These siehe G. Schneider, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – . Die Entscheidung, die Lebensgefahr des Paulus an eine Gefangenschaft in Ephesus anzubinden, aus dieser heraus er der Gemeinde in Philippi schrieb, ist nicht unumstritten. Zuletzt arbeitete J. Gnilka, Philipperbrief,  –  diese Problematik auf und machte diese Bewertung wahrscheinlich.  Die Spannung zur voraufgehenden These wird darin sichtbar, dass Paulus nicht im Mittelpunkt der Erzählung steht (das beobachten auch R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts ,  – ). Anstelle von Paulus wird ein Satz des Evangeliums (Apg ,b) zum Stein des Anstoßes (Apg ,.b– ). Mit R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – .  Siehe H. Conzelmann, Apostelgeschichte, ; P. Lampe, Acta ,  – ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

kann¹⁰. Demzufolge scheint dem Verfasser weniger an der Vermittlung eines von Paulus selbst nur vage vermittelten Sachverhaltes zu liegen, als an der Darstellung eines gewählten Themas. Auch wenn dieser Befund eine gewisse Richtung vorgibt, in die die folgende Untersuchung der Episode laufen wird, ist damit der Einfluss historischen Lokalkolorits und anderer Tradition keineswegs ausgeschlossen. Es dient vielmehr der Intention der diskutierten literarischen Methode, wenn eine so konzipierte Erzählung dank solcher Angaben an Kontur und damit an Überzeugungskraft gewinnt. Im Falle der Apostelgeschichte erweisen sich gerade Anmerkungen über kulturelle Vorgaben oder gesellschaftliche Eigenheiten als Schlüssel zum Verständnis eines Textes¹¹. In der Erzählung über den Aufenthalt des Paulus in Lystra (Apg 14,8 – 20) bedingt die Anspielung auf den Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611– 724) einen weitreichenden Einblick in das Denken wie auch das kulturelle Milieu der von Lukas vorgestellten Stadtbewohner. In Philippi (Apg 16,16 – 22) konstruiert der Autor mit wenigen Angaben über die Beziehung zwischen einer besessenen Magd und ihren Herren ein lebhaftes Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse, mit denen der Völkermissionar konfrontiert wird. Ähnlich verhält es sich mit der Episode zu Athen (Apg 17,16 – 34), in der entsprechende Angaben über Kultur und Verhalten der Menschen eine lebhafte Szene schaffen, vor deren Hintergrund Paulus einigen Philosophen den Inhalt des Evangeliums darlegt. Diese Beispiele machen zwei Dinge deutlich. Zum einen ist die Anwendung von Lokalkolorit, Traditionen wie auch Anspielungen ein häufig gebrauchtes Mittel, welches Lukas zur Ausgestaltung einzelner Erzählungen nutzt¹². Zum zweiten, und dieser Umstand mag für die weiteren Überlegungen von entschei-

 So urteilt letztlich auch H. Conzelmann, Apostelgeschichte, , der allerdings die Darstellung als „Depotenzierung“ der Ereignisse wertet, die den Vorgaben des Episodenstils, einen bestimmten Sachverhalt zu vermitteln, untergeordnet werden. Ferner E. Plümacher, Schriftsteller,  – ; W. Stegemann, Synagoge,  – ; W. Elliger, Ephesos, . Es scheint in diesem Zusammenhang notwendig zu betonen, dass Lukas keine Fiktion schrieb (so klingt es gelegentlich in der Bewertung des redaktionellen Anteils des Autors in Apg , –  an. Beispielsweise R. Pesch, Apostelgeschichte , ; W. Stegemann, Synagoge, ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ). Der Autor greift häufig Quellen, Traditionen und historische Stoffe auf, die er dann konzeptgebunden in den epochengeschichtlichen Ablauf einbettet. Er schafft folglich Episoden innerhalb eines Kontextes, den er als Wirklichkeit verstanden wissen will. Zu diesem nicht zuletzt theologischen Geschichtsverständnis, siehe M. Wolter, Epochengeschichte,  – .  Vgl.W. Stegemann, Synagoge,  – ; R.I. Pervo, Profit,  – ; M.L. Soards, Speeches, .  Das geht ebenfalls aus den Ausführungen von R.I. Pervo, und M.L. Soards hervor. Siehe Kap. , Anm. .

I. Die Form und Konstruktion von Apg 19,23 – 40

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dender Bedeutung sein, dienen diese Angaben stets einem übergeordneten Ziel. Der Autor nutzt diese Aussagen und Hinweise, um Charakterzüge zu betonen oder auch gewisse Situationen zu provozieren (vgl. Apg 14,11– 13; 16,19; 17,21– 22), mit denen der jeweilige Diskussionsgegenstand der Episode eine eigene Ausrichtung erhält.

2. Die argumentative Einheit von Apg 19,23 – 40 Trotz oder gerade wegen der Tendenz zur inneren Abstimmung von Konstruktion und Thema, die Texte, die nach dem Schema des dramatischen Episodenstils konzipiert wurden, auszeichnet, erweisen sich Aufbau und Inhalt von Apg 19,23 – 40 als Gegenstand einer Kontroverse. Gegliedert in drei zusammenhängende Hauptelemente (Apg 19,23 – 27.28 – 34.35 – 40), denen gelegentlich ein apologetisches Anliegen zugesprochen wird¹³, lassen sich zwei Zwischenszenen im Mittelteil der Erzählung feststellen (vgl. Apg 19,30 – 31.33 – 34), die sich nur eingeschränkt in dieses Konzept einfügen. Während die erste Szene (vgl. Apg 19,30 – 31) thematisch das Schicksal und Verhalten des Paulus im Angesicht der persönlichen Bedrohung behandelt, schildert die zweite (vgl. Apg 19,33 – 34) das unerwartete Eingreifen der jüdischen Gemeinde in das Geschehen. Da keine der beiden Zwischenszenen unmittelbar einen apologetischen Gedankengang verfolgt oder zur Ausführung eines solchen Gedankens beiträgt,werden im Kontext dieses Ansatzes Hilfskonstruktionen formuliert¹⁴, die die innere Einheit der Episode wahren sollen. Allerdings vermögen auch solche Erklärungsversuche nicht die Spannungen, die diese Einschätzung der Konstruktion begleiten, zu lösen. Ungeklärt bleibt beispielsweise der Umstand, dass Lukas in einem Text, der eine apologetische Funktion erfüllen soll¹⁵, auf seine ausdrucksstärkste Figur (Paulus) verzichtet.

 Vgl. W. Schmithals, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , . – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; J.A. Fitzmyer, Acts, . Zum Aufbau, mit A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; W. Weren, Silversmiths, .  Bei näherer Betrachtung jener Deutungsversuche gerät neben dem Schwachpunkt, den Text gerade nicht als argumentative Einheit, sondern als literarisches Stückwerk zu sehen (vgl. Kap. , Anm. ), vor allem die Frage nach der apologetischen Absicht in die Kritik.Weder Demetrius noch der Stadtschreiber stehen für eine christliche Position. Wie sollten diese Heiden einen theologischen Inhalt (Apg ,b) verteidigen, den sie nicht vertreten? Zur Problematik s.u. S.  ff.  J.A. Goldstein, Demosthenes,  definiert eine Apologie als einen Text, der „aims at presenting a defense in answer to accusations against a certain person […] or preventing opinions adverse to them“. Als Verteidigungsrede verstanden, ist es erstaunlich, dass Lukas auf seinen besten Redner verzichtet und zudem einen städtischen Beamten reden lässt, der letztlich nur das Wohl der Stadt (vgl. Apg ,a) und nicht das Evangelium im Sinne hat. Dazu K. Berger, Formen, ; Ders.,

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

Ebenso offen bleibt in diesem Kontext die Frage, welche Absicht der Autor mit dem Auftritt Alexanders sowie der jüdischen Gemeinde verfolgt (vgl. Apg 19,30). Zur Erklärung, weshalb Lukas in einem Setting, in dem ausschließlich NichtJuden interagieren, eine Gruppe von Juden auftreten lässt, finden sich in der Literatur zwei maßgebende Ansätze. Historisch gewertet, greife der Autor eine antijüdische Stimmung auf, die in der antiken Gesellschaft verbreitet war¹⁶. Demnach bestimmten Vorurteile und Misstrauen die Beziehung zwischen Griechen und Juden, die nicht selten in offener Feindschaft, Verfolgung und Verboten Ausdruck fanden. Neben zahlreichen Aussagen griechischer Stimmen, die sich im Sinne eines äußeren Beleges für dieses spannungsvolle Verhältnis kritisch gegenüber dem Judentum äußern (vgl. Flavius Josephus, Ant., 18,237; Ders., Bell., 2,487.495 – 496; Ders., Ap., 2,69 – 70; Philo von Alexandria, Flacc., 29), dient vor allem eine Aussage des Stadtschreibers (vgl. Apg 19,37) als Indiz für diese These. Die Vorwürfe, die der γραμματεύς zu Gunsten von Paulus und dessen Begleitern entkräftet (Apg 19,37), erweisen sich im Zusammenhang dieses Konfliktes als symptomatisch für die Vorbehalte¹⁷, welche die Griechen gegenüber den Juden pflegten. So gewertet würde die Szene zweierlei Funktionen erfüllen. Zum einen offenbare Lukas in dieser Darstellung einer Abwehrhaltung der jüdischen Gemeinde gegenüber dem Evangelium die fortschreitende Distanzierung zwischen Juden und Christen¹⁸. Diesem Gedanken folgend, träten die Christen zweitens, dank der Rechtfertigung des Stadtschreibers (vgl. Apg 19,37), aus dem spannungsvollen Verhältnis heraus und orientierten sich in Anknüpfung an die nachgewiesene Kompatibilität des Evangeliums gegenüber den Werten der hellenistischen Gesellschaft nunmehr an den Völkern¹⁹. Gegen diese Form von Polemik, die hier dem Autor zugeschrieben wird, können mehrere Einwände aufgeführt werden. Tatsächlich nimmt Lukas in der Apostelgeschichte den Konflikt zwischen Juden und Christen wiederholt auf (vgl.

Gattungen, ; S. Shauf, Theology,  – ). Wäre ein solches Anliegen in der Erzählung dominierend, erschienen entsprechende Merkmale (Streitelemente, Argumente, Beweise, etc.) sicherlich eindrücklicher dargestellt. Siehe K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen, . In Bezug auf die Rolle des Paulus in dieser Episode, vgl. Kap. , Anm. . Zum Vergleich zu der üblichen Konnotation W. Weren, Silversmiths, .  Vgl. C.K. Barrett, Acts , .; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; P. Trebilco, Communities, . – ; W. Stegemann, Synagoge,  – .  Vgl. W. Stegemann, Synagoge, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, .  Vgl. J.T. Sanders, Jews, ; R. Selinger, Demetriusunruhen, ; E. Haenchen, Apostelgeschichte,  – .  Zu diesem Gedanken siehe J.A. Fitzmyer, Acts, ; W. Stegemann, Synagoge,  – ; W. Weren, Silversmiths, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .

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Apg 4,1– 22; 6,8 – 15; 21,27– 30). In den geführten Diskussionen wird er allerdings nicht müde, die kontinuierliche Angehörigkeit wie auch Orientierung der Christen an Israel zu betonen. Der Prozess gegen Stephanus (Apg 6,8 – 7,53) mag als ein Beispiel für diese theologische Ausrichtung des Autors gelten. Der Zeuge sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, mit dem Evangelium Mose, den Tempel und Gott gelästert zu haben (vgl. Apg 6,11.13). Dieser Anklage folgt eine ausführliche Rede (Apg 7,1– 53), in deren Verlauf das Selbstverständnis der Christen als Teil des erwählten Volkes Israel deutlich zu Tage tritt. Unabhängig von der Nationalität des Publikums (vgl. Apg 16,20; 21,39; 24,11) betont Lukas ferner die jüdische Abstammung von Paulus. Theologisch findet diese Rückbindung an Israel, das Alte Testament und die damit verbundenen Hoffnungen auch in den Reden vor einem genuin hellenistischen Publikum ihren Ausdruck. Über den Umstand hinaus, dass die vom Autor konzipierten Argumentationsketten stets auf alttestamentlichen Gedanken aufbauen (vgl. Apg 14,14– 18; 17,22– 31), orientiert sich sogar die verwendete Polemik an jüdischem Traditionsgut²⁰. Entgegen dieser Tendenz, die im gesamten Doppelwerk anzutreffen ist, für Apg 19,23 – 40 nunmehr die Ausführung einer inhaltlichen Trennlinie zwischen Juden und Christen zu vermuten²¹, lässt sich inhaltlich somit nicht nachvollziehen. Neben dem Standpunkt, den der Stadtschreiber in seiner Rede bezüglich des Artemiskultes einnimmt (vgl. Apg 19,35 – 36), lässt ferner die formulierte Intention, mit der Alexander vor der Menge auftritt (vgl. Apg 19,33b), an dieser Deutung zweifeln. Demnach versucht er nicht, den Konflikt anzuheizen, sondern beabsichtigt, sich und die jüdische Gemeinde zu rechtfertigen („ὁ δὲ ᾿Aλέξανδρος κατασείσας τὴν χεῖρα ἤθελεν ἀπολογεῖσθαι τῷ δήμῳ“). Dieses Vorhaben ist der Ansatzpunkt für den zweiten Deutungsansatz, der versucht, eine Harmonisierung zwischen dieser Szene (Apg 19,33 – 34) und jenem apologetischen Konzept herzustellen. Im ersten Timotheusbrief (vgl. 1Tim 1,20) begegnet ein Schmähwort gegen einen Mann namens Alexander, der in der Gemeinde von Ephesus verortet wird. Unterlegt mit dem Konflikt, den die paulinischen Briefe zwischen dem Paulus und den sogenannten Judenchristen aufzeigen (vgl. Apg 14,19 – 20; 17,13), stünde Alexander hier für eine christliche Stimme²², die allerdings nicht zu Wort kommt. Dieser Vorgang diene, so weiter, der Stärkung der Position des Völker-

 Beispielsweise s.o. S.  f;  ff.  Lukas versteht die Christen als den Teil des erwählten Volkes Israels, der unmittelbar dem Wort Gottes gehorcht (vgl. Apg ,; ,). Eine strikte Trennung wird aus diesem Denken nicht ersichtlich. Vgl. C. Schaefer, Zukunft,  – ; M. Wolter, Epochengeschichte,  – .  So urteilt R. Strelan, Artemis,  mit H.A.W. Meyer, Handbuch , . Ferner W. Eckey, Apostelgeschichte ,  – ; H.-J. Klauck, Magie, . Gegen R. Pesch, Apostelgeschichte , ; F.F. Bruce, Acts, ; E. Faust, Pax,  – .

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missionars²³, der vom Stadtschreiber (vgl. Apg 19,37) und zuvor von den Asiarchen (vgl. Apg 19,31) in Schutz genommen würde. Abgesehen von dem Umstand, dass nicht sicher festzustellen ist, ob Lukas diese Tradition kannte²⁴, spricht der Text explizit von einem Eingreifen der jüdischen Gemeinde (vgl. Apg 19,33). Es ist zudem nicht der Konflikt zwischen rivalisierenden Gruppen von Christen, den Lukas im Vorfeld der Episode (vgl. Apg 19,9) schildert, sondern das Zerwürfnis zwischen Paulus und den Juden der Synagoge, die sich gegenüber dem Evangelium als „verstockt“ (σκληρύνω) erweisen. Eine einleuchtende Erklärung, welche Aufgabe dieser Zwischenszene zukommt, vermag somit auch dieser Ansatz nicht zu bieten. Damit fällt der Blick auf die Bewertung der ersten Szene (Apg 19,30 – 31), in der Paulus von den sogenannten Asiarchen (᾿Aσιάρχης) gehindert wird zu seinen Begleitern in das Theater zu eilen²⁵. Obwohl sich diese Verse, die dessen weitreichenden Beziehungen bis in die höchsten politischen Kreise der Provinz Asia offenlegen²⁶, vergleichsweise schlüssig in das Konzept einer Apologie eingliedern ließen, bleiben Fragen offen. Besteht das Ziel der Erzählung in der Verteidigung des Evangeliums gegenüber den Vorwürfen des Demetrius, der stellvertretend für die hellenistische Gesellschaft agiert, ist es erstaunlich, dass Lukas auf die Autorität des Völkermissionars verzichtet²⁷ und die Argumentation ganz in die Hände eines römischen Beamten legt. Zum Konflikt mit Vertretern der Völker kommt es auch an anderer Stelle des Doppelwerkes, und stets ist es Paulus, der den Vorwürfen entgegentritt (vgl. Apg 14,16; 17,22– 23). Zweifel erregt auch der Ansatz, demzufolge der Autor nach einer langen Reihe von Misserfolgen (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 20; 17,16 – 32) lediglich den missionarischen Erfolg der Völkermission festzustellen sucht und diese Botschaft, der weitreichenderen Wirkung willen, nicht nur durch Demetrius, sondern auch durch hohe römische Beamte bestätigen lässt²⁸.

 Vgl. E. Haenchen, Apostelgeschichte, ; G. Schille, Apostelgeschichte, .  Ob Lukas die Tradition, die Tim , aufnimmt, kannte, ist ungewiss. Entsprechende Überlegungen stellt beispielsweise P. Lampe, Acta ,  –  an. Spuren der dort aufgeworfenen Problematik zeigt Apg , –  nicht. Alexander wird hier eindeutig als Jude und Vertreter der jüdischen Gemeinde vorgestellt. Mit W. Thiessen, Ephesus, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Dazu s.u. S.  ff.  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; G. Schille, Apostelgeschichte, .  In anderen Episoden der Apostelgeschichte ist es Paulus, den Lukas über die Bedeutung des Evangeliums sprechen lässt (vgl. Apg , – ; , – ; , – ).  Auf einen solchen Ansatz verweist R. Selinger, Demetriusunruhen, . Kritisch zu dieser These äußern sich Ebda.  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .

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Dem ist zu entgegnen, dass der Erfolg zunächst im Rahmen eines dramatisierenden Aufrufes zur Abwehr dieser Lehre erfolgt. Historisch betrachtet dürfte das Christentum vor dem 3. Jh. n.Chr. kaum gefährliche Ausmaße für den Artemiskult in Ephesus angenommen haben²⁹; ein Umstand, der auch Lukas durchaus bewusst gewesen sein dürfte. Der Silberschmied versucht vielmehr zur Absicherung seiner monetären wie ideologischen Interessen (vgl. Apg 19,24b.25b), die die „Ehre der Göttin Artemis“ als Schlagwort vereinnahmen, seinen Aufruf in ein dringliches Szenario einzubinden, um so eine möglichst große Wirkung zu erzielen³⁰. Auf der anderen Seite steht die vermeintliche Verteidigungsrede des Stadtschreibers (Apg 19,35 – 40a), der zwar Paulus gegen den nie erfolgten Vorwurf des Tempelraubes oder der Entweihung in Schutz nimmt (vgl. Apg 19,37), dabei allerdings die Göttlichkeit des Artemisbildes betont (vgl. Apg 19,35 – 36). Ob die Leser des Doppelwerkes, die Lukas stets zu den alttestamentlichen Traditionen und Normen zurückführt³¹, in diesen Worten eines Vertreters der Völker eine angemessene Rechtfertigung erkennen, darf bezweifelt werden. Dieser Befund geht über die anfangs festgestellte Problematik, die beiden Zwischenszenen (Apg 19,30 – 31.33 – 34) in ein apologetisches Konzept der Episode einzuordnen, hinaus. Die in diesem Zusammenhang gewonnene Einsicht, dass weder die Beschreibung des Schicksals des Paulus (Apg 19,30 – 31) noch das Motiv des unerwarteten Eingreifens der jüdischen Gemeinde (Apg 19,33 – 34) mit jenem Ansatz korrespondieren, stellt schlussendlich diesen selbst in Zweifel. Lukas verwendet auch an anderer Stelle den dramatischen Episodenstil und folgt dabei weitgehend dessen stilistischen Regeln (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 40; 17,16 – 34). Gerade mit diesem Schema, welches gemeinhin als leitende Stilform der Episode anerkannt wird, zerfällt das betrachtete Deutungsmodell. Die inhaltlichen Säulen, auf denen es aufbaut, stimmen bei näherer Betrachtung nicht mit der unterstellten Intention überein, deuten sogar ein gegenteiliges Verhältnis an. Als Reaktion auf diese Erkenntnis kann freilich nicht mehr an der Einordnung der Episode als „Apologie“ festgehalten werden. Stattdessen liegt es nahe, von Neuem nach Struktur und Thema von Apg 19,23 – 40 zu fragen.

 A. Weiser, Apostelgeschichte ,  vermerkt, dass Lukas auf „die eigene Erfahrung seiner Zuhörer verweist“. Folgerichtig stünde hier nicht das historische Faktum, sondern eine subjektive Wahrnehmung im Vordergrund der Episode. Vgl. P. Trebilco, Asia, ; G. Schille, Apostelgeschichte, .  So auch R. Pesch, Apostelgeschichte , . Zur Absicht s.u. S.  ff.  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, ; F. Avemarie, Wahrheit, ; T. Klutz, Exorcism, .

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3. Die Reduktion auf die argumentativen Leitlinien Der Ausdruck „Apologie“ impliziert mehr als nur ein thematisches Anliegen, welches ein Autor der Abfassung eines Textes voranstellt. Als Bezeichnung einer literarischen Form umschreibt dieser Gattungsbegriff die Verbindung eines inhaltlichen Vorhabens mit einer Sammlung von Motiven, die, in Abstimmung mit dem entsprechenden Thema, in vergleichbaren Texten ebenfalls zur Anwendung kommen³². An dieses Zusammenspiel von Inhalt und literarischer Ausgestaltung anknüpfend, sind es zwei Aspekte, die im Kontext der Gattungsbestimmung von Apg 19,23 – 40 von Bedeutung sind. Zum einen bietet eine solche Kategorie, die einem definierten Anliegen ein Spektrum von erprobten Werkzeugen und Ausdrucksmitteln beiordnet, dem Autor eine Orientierungshilfe für die literarische Umsetzung jenes Vorhabens. Umgekehrt eröffnet eine entsprechende Konstruktionsweise dem Leser zum anderen die Möglichkeit, Ausrichtung und Thema eines Textes an Hand eindrücklicher Merkmale der Konstruktion nachzuvollziehen³³. Übertragen auf Apg 19,23 – 40 ließe ein apologetisches Anliegen die Abfassung eines Textes erwarten, der, von einer ausführlichen Rede geprägt³⁴, die Verteidigung eines Gegenstandes (Evangelium) schildert, der gegen die Angriffe und Vorwürfe einer Gegenseite ins Recht gesetzt wird. Allerdings lässt bereits die thematische Gewichtung, die der designierte Verteidiger in seiner Rede (Apg 19,35 – 40a) vornimmt (vgl. Apg 19,40a: „καὶ γὰρ κινδυνεύομεν ἐγκαλεῖσθαι στάσεως περὶ τῆς σήμερον“), an der Umsetzung dieses Konzeptes zweifeln. Zudem ist kaum anzunehmen, dass Lukas bei allen Freiheiten, die er sich in der formalen Ausgestaltung seiner Erzählungen nimmt³⁵, das Evangelium in einer Form rechtfertigen lässt, die in Spannung zu einer theologischen Leitlinie des Dop-

 Gattungen sind Sammelbegriffe, die Texte bezeichnen, die einer Intention mit Hilfe von bestimmten literarischen Werkzeugen Ausdruck verleihen. Dazu G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; T. Schirren, Philosophos Bios,  – . Ferner K. Berger, Formgeschichte,  – .  So zeichnet beispielsweise Texte die der Gruppe der sogenannten neutestamentlichen Wundergeschichten angehören ein „epideiktisches“ Anliegen aus (vgl. K. Berger, Gattungen, .), wohingegen eine Apologie auf die Verteidigung einer Person oder eines Gegenstandes abzielt (vgl. J.A. Goldstein, Demosthenes, ; K. Berger, Gattungen, ). Eine Chreia und ihre Varianten haben wiederum eine belehrende Funktion (vgl. K. Berger, Gattungen, ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, ), womit deutlich wird, dass spezifische Kategorien auf je unterschiedliche Anliegen ausgerichtet sind.  Damit ist die zentrale Struktur dieser Gattung benannt. Vgl. Kap. , Anm. . Gegen die Bewertung der Erzählung als Apologie sprechen sich aus: S. Shauf, Theology, ; C.L. Brinks, Artemis, .  Wie bereits angesprochen scheint Lukas in dieser dramatischen Episode das Gewicht auf die Vermittlung von Inhalten zu legen. S.o. Kap. , Anm. .

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pelwerkes steht³⁶. Ein solcher Befund bedingt vielmehr die Notwendigkeit, einen Schritt zurückzutreten, um nach einer alternativen Einordnung des Textes zu fragen, die geeignet ist, Form und Inhalt zusammenzuführen. Mit Blick auf die aufgezeigte Beziehung zwischen der leitenden Intention des Autors und der vermittelnden Textform sind von einer neuerlichen Analyse der Gattung von Apg 19,23 – 40 im Umkehrschluss Hinweise zu erwarten, welche die übergeordnete Absicht, die Lukas mit der Gestaltung dieser Erzählung verfolgte, offenlegen. Somit muss vor aller thematischen Einordnung der erste Schritt dieser Textinterpretation die Analyse der zu Grunde liegenden Struktur der Erzählung sein.

4. Aufbau und Struktur von Apg 19,23 – 40 Die Episode besteht, wie übereinstimmend mit der Literatur festgestellt wurde, aus drei Einzelszenen, die den Kern der Erzählung bilden³⁷. Zwei kurze Reden (Apg 19,25 – 27.35 – 40a) werden in dieser literarischen Konstruktion durch eine narrative Sequenz (Apg 19,28 – 34) miteinander verbunden. Inhaltlich betrachtet, greift der Stadtschreiber auf diejenigen Themen zurück (vgl. Apg 19,35 – 36.38), die der Silberschmied in seiner einleitenden Ausführung (vgl. Apg 19,25 – 27) formuliert. Begleitet von zwei Zwischenszenen (Apg 19,30 – 31.33 – 34), die das thematische Spektrum der Erzählung ergänzen³⁸, fungiert der Mittelteil von Apg 19,23 – 40, der die unmittelbaren Folgen aus der Rede des Demetrius schildert, als Vorbereitung und Anlass für den Auftritt des γραμματεύς im Theater der Stadt. Demnach reagiert die Bevölkerung von Ephesus auf einen inhaltlichen Aspekt (vgl. Apg 19,27b) der ansonsten von monetären Interessen geleiteten Rede des Silberschmieds, der die Bedeutung der Artemis für Mensch und Stadt kritisch in den Blick nimmt (vgl. Apg 19,28). Der daraus hervorgehende stadtweite Aufruhr, der politisch betrachtet eine Gefahr ihrer Unabhängigkeit darstellt³⁹ (vgl. Apg 19,40a), ist äußerer Anlass für die Rede des Stadtschreibers, in der er die Argumentation des Demetrius zurückblickend kommentiert. Diese wechselseitige Beziehung, die der Mittelteil der Episode zwischen den beiden ausgeführten Reden herstellt, erweist sich für die argumentative Struktur

 Ausführlich zu diesem Problem s.u. S.  ff.  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; A.Weiser, Apostelgeschichte ,  – .  So J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – .  Dazu C.K. Barrett, Acts ,  – ; J.A. Fitzmyer, Acts, . Zur Zuständigkeit des Stadtschreibers in diesem Fall s.u. S.  ff.

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der Erzählung von entscheidender Bedeutung. Das Augenmerk des Lesers wird dank der verbindenden Funktion, die der Mittelteil durch die Schilderung einer spezifischen Situation erfüllt, auf die beiden Reden gelenkt. Diese stehen nicht mehr isoliert nebeneinander, sondern sind inhaltlich gebunden in Beziehung zu sehen⁴⁰. Aus dieser Beobachtung folgt ferner die Einsicht, dass der inhaltliche Schwerpunkt dieser Textkonstruktion nicht allein in einer Feststellung des Stadtschreibers zu verorten ist (vgl. Apg 19,37), da die aufgezeigte Form die Berücksichtigung der gesamten Diskussion verlangt. Dieses Verhältnis wird nicht zuletzt in der Vermittlung und Zuweisung von Informationen deutlich. Während die Bevölkerung, die Lukas als verwirrt und unwissend charakterisiert (vgl. Apg 19,32), selektiv auf die Aussagen des Demetrius reagiert, zeigt der Stadtschreiber in seinen Ausführungen (vgl. Apg 19,35 – 40a) eine umfassende Kenntnis der gegebenen Situation⁴¹. Über eine Beweisführung, die sich mit der von Demetrius angeführten These des Evangeliums (vgl. Apg 19,26b) auseinandersetzt, hinaus, erläutert der Beamte die juristische wie politische Dimension der Ereignisse (vgl. Apg 19,39 – 40a) und geht auf die monetäre Intention des Silberschmieds ein (vgl. Apg 19,25b). Neben ersten thematischen Elementen⁴² lassen die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Szenen der Erzählung eine Struktur erkennen, an der sich der argumentative Verlauf orientiert. In dem Text stehen sich zwei Reden, die der Autor namentlich mit definierten Charakteren verbindet, in einem konkurrierenden und kommentierenden Verhältnis gegenüber (These und Antithese). Ein narrativer Mittelteil verknüpft die einzelnen Abschnitte miteinander zu einer anschaulichen Erzählung, welche die Diskussion in einem greifbaren Setting einbettet. Kurze Zwischenszenen (vgl. Apg 19,30 – 31.33 – 34) erweitern die Er-

 So auch R. Pesch, Apostelgeschichte , ; W. Weren, Silversmiths, . Gegen J. Roloff, Apostelgeschichte, , der ausschließlich in der Stadtbevölkerung den Bezugspunkt der Reden erkennt.  Der Stadtschreiber nimmt nicht nur die theologische Problematik in seiner Rede auf (vgl. Apg ,b), sondern erkennt neben der politischen Dimension des Aufstandes (Apg ,a) auch die Intention des Silberschmieds (Apg ,).  Offensichtlich verfolgt Lukas nicht nur die Absicht, das Evangelium vor dem römischen Recht in Schutz zu nehmen. Neben den monetären Interessen des Silberschmieds, die scheinbar eng mit den religiösen Praktiken der heidnischen Bevölkerung verwoben sind (vgl. Apg , – ), zeigt der Autor eine gesellschaftliche Problematik, sowie eine andere Sichtweise auf den exponierten Satz des Evangeliums (Apg ,b), auf. So auch J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – ; C.K. Barrett, Acts ,  – . Ferner werden die Beziehungen des Paulus (Apg , f), wie auch die zwischen Juden, Griechen und Christen (vgl. Apg , – ) berührt.

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zählung um Aspekte, deren inhaltlicher Einfluss auf die übergeordnete Diskussion auf den ersten Blick nur eingeschränkt ersichtlich ist. Mit Blick auf die Apostelgeschichte erweist sich diese Konstruktionsweise einer dramatischen Episode indes nicht als literarischer Einzelfall. Bereits an anderer Stelle der untersuchten thematischen Reihe (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34) konnten ähnliche Kompositionen festgestellt werden, die, begleitet von ausgeführten Anmerkungen und Zusätzen (vgl. Apg 14,18.19 – 20; 17,21.32– 34), als Konstruktion der antiken Gattung „Chreia“ nahe standen⁴³. Allerdings bedarf neben strittigen Einzelheiten, wie beispielsweise die Länge des Textes oder die Funktion der beiden Zwischenszenen, mit denen sich Apg 19,23 – 40 von der Grundform dieser Gattung unterscheidet⁴⁴, nicht zuletzt die bemerkenswerte Wahl der Hauptfiguren – Demetrius und der Stadtschreiber – einer näheren Betrachtung. Wird diese literarische Kategorisierung vorgenommen, so ist hier ein Fall gegeben, in dem der Autor des lukanischen Doppelwerkes zur Vermittlung eines Anliegens auf die Autorität des Paulus verzichtet und die Argumentation von Außenstehenden führen lässt⁴⁵.

5. Apg 19,23 – 40 im literarischen Umfeld der antiken Chreia Folgt man der Definition, die K. Berger zur Bezeichnung einer Chreia vorschlägt⁴⁶, so handelt es sich bei Texten dieser Gattung zunächst um einen kurzen, wenngleich markanten Ausspruch, in dem eine anerkannte Autorität in Wort wie auch Tat zu einem Problem Stellung bezieht⁴⁷. Von dieser Richtline unterscheidet sich Apg 19,23 – 40 darin, dass nicht eine, sondern zwei kommentierende Reden (vgl. Apg 19,25 – 27.35 – 40a) die Gestalt der Episode bestimmen. Allerdings handelt es sich bei der vorgestellten Bauweise der Gattung lediglich um eine Grundform, die sich, wie zahlreiche Beispiele in der antiken Literatur beweisen, offen für strukturelle Variationen zeigt. Von R.F. Hock und E.N. O’Neil als „Doppelchreia“ bezeichnet⁴⁸, finden sich Abwandlungen dieser Kategorie, in denen sich zwei pro S.o. S.  f;  ff;  ff.  K. Berger, Gattungen,  definiert diese Grundform als „[…] kurzen Ausspruch, dessen Zweck auf das Nützliche ausgerichtet ist“. Siehe auch R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, .  Die antike Chreia wie auch ihre Varianten sind stets personengebunden und nutzen deren Autorität, um dem vermittelten Inhalt Nachdruck zu verleihen. Dazu K. Berger, Gattungen,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, ; W. Weren, Silversmiths, ..  S.o. Kap. , Anm. .  S.o. Kap. , Anm. .  R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .

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grammatische Aussagen im Gespräch über ein und dasselbe Thema begegnen (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63). Dieses Verhältnis der einzelnen Textabschnitte ist auch in der vorliegenden Episode (Apg 19,23 – 40) zu beobachten. Während die Rede des Demetrius (Apg 19,25 – 27) der des Stadtschreibers (Apg 19,35 – 40a) im Verhältnis von These und Antithese gegenübersteht, lässt sich der gemeinsame Bezugspunkt im Evangelium identifizieren⁴⁹. Der Silberschmied sieht in diesem eine Gefährdung seines Handwerks (vgl. Apg 19,27a), die im Weiteren auch den Kult der Artemis betrifft (vgl. Apg 19,27b). Der Stadtschreiber widerspricht dieser These, indem er das angeführte Argument des Evangeliums, handgemachte Götzen seien keine Götter (vgl. Apg 19,26b), für die Artemis von Ephesus ausschließt (vgl. Apg 19,35b: „τίς γάρ ἐστιν ἀνθρώπων ὃς οὐ γινώσκει τὴν Ἐφεσίων πόλιν νεωκόρον οὖσαν τῆς μεγάλης ᾿Aρτέμιδος καὶ τοῦ διοπετοῦς“). In diesem Punkt entspricht der Text offensichtlich jener Variation der Chreia, welche bereits in den Rhetoriklehrbüchern (Progymnasmata) der antiken Gesellschaft belegt ist⁵⁰ (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63). Unter dieser Voraussetzung mögen weder die Länge, noch der ausführliche Erzählstil, der den Charakter der Episode prägt, als Argumente gegen diese literarische Einordnung gelten⁵¹. Erzählungen, die der Kategorie der sogenannten Doppelchrien angehören, betten die zentralen Reden in einen narrativen Rahmen⁵² ein (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63; Dio Chrysostomos, Or., 32,44), der dem gesamten Konstrukt die Form einer in sich geschlossenen Geschichte verleiht. In ähnlicher Weise geht Lukas auch im Doppelwerk mit dieser Gattung um. In Lk 7,1– 10 verbindet er eine Chreia mit einer Therapie⁵³ und schafft damit eine dichte Erzählung, die den üblichen Umfang dieser Gattung übersteigt. Ein anderes Beispiel für die erweiterte Verwendungsweise dieser Kategorie findet sich in Apg 14,8 – 20. Hier fügt der Autor der kurzen Kernaussage (Apg 14,15 – 17) weitere literarische Elemente hinzu und erschafft auf diesem Wege eine ausdrucksstarke Geschichte⁵⁴. Schließlich bietet Apg 17,16 – 34 ein Beispiel dafür, wie der Autor eine

 Demetrius benennt das Evangelium expressis verbis (Apg ,b),während es in der Frage des Stadtschreibers, nach der Bedeutung des Bildnisses der Artemis von Ephesus lediglich als Orientierungspunkt dient (vgl. Apg ,b). Zumeist im Kontext einer Verteidigung des Evangeliums gewertet, siehe J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Vgl. R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – ; K. Berger, Gattungen, .  K. Berger, Gattungen,  stellt fest, dass die antike Chreia „vielfältigere Formen aufweist (als besagte Grundform) und im Laufe der Zeit […] reich ausgestaltet wurde.“ Ferner R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  So zeigt es auch R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, .  Neben Elementen anderer Gattungen begegnen ferner informative Einschübe sowie Lokalkolorit. S.o. S.  f.

I. Die Form und Konstruktion von Apg 19,23 – 40

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kommentierende Bewertung und eine Rede zum gleichen thematischen Gegenstand⁵⁵ (Apg 17,18.22b–31) in einer Diskussion zusammenführt. Demzufolge erweist sich der festgestellte Umgang mit den strukturellen Möglichkeiten einer Chreia nicht als punktuelle Besonderheit, die nur im Zusammenhang mit Apg 19,23 – 40 begegnet. Neben der Einsicht, dass die antiken Progymnasmata entsprechende Eingriffe vorsehen⁵⁶, finden sich auch im Kontext des lukanischen Doppelwerks praktische Beispiele für die Umsetzung jener Vorgaben, die nur auf den ersten Blick als Verstoß gegen das grundlegende Schema wirken. Als Ergänzung des Autors gewertet finden ferner die beiden umstrittenen Zwischenszenen (Apg 19,30 – 31.33 – 34) einen angemessenen Platz in der Textkonstruktion. Neben der Möglichkeit, einzelne Chrien literarisch zu komplexen Erzählungen auszuweiten, bietet die antike Rhetorik die Option, durch gezielte Kommentare und Zusätze die inhaltliche Ausrichtung entsprechender Texte zu beeinflussen⁵⁷. Eine bekannte Chreia jener Periode schildert den Kommentar des Kynikers Diogenes (400 – 324/323), in dem er seine Gelassenheit über den Verlust eines entlaufenen Sklaven begründet (vgl. Diogenes Laertius, 6,55). Zum gleichen Vorgang finden sich zahlreiche Nacherzählungen, die diesen Text aufnehmen und mit Hilfe von ergänzenden Einschüben die unterlegte Botschaft erweitern (vgl. Claudius Aelianus, Var. Hist., 13,28). Auch in der Apostelgeschichte lassen sich Beispiele für diese Ausgestaltung der Gattung anführen. Sowohl in der Episode zu Lystra (vgl. Apg 14,18b) als auch zu Athen (vgl. Apg 17,32– 34) endet die Erzählung nicht mit den Ausführungen des Paulus, sondern mit einem Nachwort des Autors, das die Erzählung in eine unerwartete Richtung lenkt⁵⁸. Ein ähnliches Vorgehen ist auch für die beiden Zwischenszenen in Apg 19,30 – 31.33 – 34 zu vermuten, die demzufolge nicht als isolierte Elemente, sondern als Teile der Erzählung zu bewerten sind, die die Diskussion in eine bestimmte Richtung führen. Als schwierig erweist sich nach wie vor die Auswahl der Hauptcharaktere, die in der Episode (Apg 19,23 – 40) begegnen. Wie bereits angemerkt, beziehen die Aussprüche, mit denen der Diskussionsgegenstand einer Chreia beurteilt wird,  Anlass und Bezugspunkt für die Anmerkungen der griechischen Philosophen ist auch in Apg , –  das Evangelium, mit dessen Verkündigung Paulus auf die Götzenverehrung in Athen reagiert (vgl. Apg , – ). S.o. S.  ff.  Vgl. R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – . Ferner Hermogenes, Progymn., .  Für eine Liste von möglichen Eingriffen siehe R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  So können Paulus und Barnabas trotz dramatischer Gesten (Apg ,) und einer eindringlichen Rede (Apg , – ) die Bewohner von Lystra kaum davon abhalten, ihnen als Götter zu opfern (Apg ,). Eine ähnlich überraschende Schlussfolgerung führt Lukas dem Leser auch in Apg ,a vor Augen,wo die Erklärungen des Apostels als lächerlich aufgenommen und bewertet werden. In Apg , gelangen die Barbaren von ihrer ersten Fehleinschätzung (Apg ,) sogar zu der Überzeugung, Paulus sei ein Gott (Apg ,b).

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

einen Teil ihrer Ausdrucksstärke aus der Autorität des jeweiligen Redners. So sind es in der antiken Literatur nicht selten Philosophen, Adelige und Menschen, die sich durch eine vorbildliche Lebensweise auszeichnen⁵⁹, denen entsprechend markante Worte zugeschrieben werden. Im lukanischen Kontext nehmen diese Rolle vornehmlich Jesus oder einer seiner Vertrter wahr (vgl. Lk 7,1– 10; Apg 14,8 – 20; 17,16 – 34), da diese Personen aus der Sicht des Lukas die höchstmögliche Glaubwürdigkeit genießen. Umso überraschender ist das Vorgehen des Autors, Paulus, eine zentrale Figur der Apostelgeschichte, weitgehend aus dem Text herauszuziehen. Stattdessen verlaufen die Diskussionslinien zwischen zwei zwei Menschen aus den Völkern die auf je eigene Weise einen Blick auf das Evangelium gewähren. Allerdings bieten die antiken Rhetoriklehrbücher auch für diesen Aufbau eine Erklärung, die es ermöglicht, an der vermuteten kategorialen Einordnung der Episode festzuhalten. Dieser Gattung liegt ein argumentativer sowie streitbarer Charakter zu Grunde⁶⁰. Eines der gängigen stilistischen Mittel, die genutzt werden, um den Leser von einer bestimmten Sichtweise zu überzeugen, stellt die Ironie dar⁶¹. Wie im Kontext der Untersuchung anderer Beispiele dieser Kategorie gezeigt⁶², steht Lukas diesem Stilmittel offen gegenüber und nutzt es wiederholt, um seine Position zu verdeutlichen bzw. die Repräsentanten einer Gegenposition zu diffamieren. So nahm dieses Vorhaben bereits in der Episode zu Philippi (Apg 16,16 – 22) eine ähnliche Gestalt an, wie sie nunmehr in Ephesus begegnet. Anstatt Paulus eine bestimmte Denkweise kritisieren zu lassen, gewährt der Autor einen Einblick in das Denken und die Argumentation von Vertretern dieser Richtung (vgl. Apg 16,19a; 19,24). Als Folge kann der Leser, gewissermaßen aus erster Hand, Unstimmigkeiten wie auch zweifelhafte Motive erkennen, die hinter jenem Standpunkt stehen. Die antike Literatur weist ebenfalls Entsprechungen auf, in denen nicht der eigentliche Held das letzte Wort erhält, sondern die Kritik durch Wort und Tat der Gegenseite offengelegt wird (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63). Für Apg 19,23 – 40 ergibt sich aus diesem Schema eine Aufgabenstellung, die im weiteren Vorgehen zu berücksichtigen ist. Da beide vorgestellten Reden Spannungen zu theologischen Leitlinien des Autors aufweisen⁶³, liegt es nahe, im

 Siehe Kap. , Anm. .  Vgl. K. Berger, Gattungen, .  Vgl. R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – ; K. Berger, Gattungen,  – .  Ironische Töne sind beispielsweise in der Episode zu Athen (vgl. Apg ,), Lystra (vgl. Apg , – ), oder Philippi (vgl. Apg ,) zu erkennen.  Der Ansatz des Demetrius impliziert die Göttlichkeit von Devotionalien (vgl. Apg , – ), wohingegen der Stadtschreiber lediglich die Göttlichkeit des Standbildes der Artemis als unabweisbares Faktum (vgl. Apg ,b–) feststellt. Beide Ansätze widersprechen indes dem an-

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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Evangelium, welches in der Funktion eines Katalysators der Handlung (vgl. Apg 19,28.34) von beiden Parteien als Thema aufgegriffen wird, den dominanten Kontrastpunkt zu erkennen. Wie dieser im Text konkrete Bedeutung erhält, wird ebenso zu klären sein, wie es notwendig ist, den exakten Gehalt der Ausführungen von Silberschmied und Stadtschreiber zu bestimmen. Ferner ist zu bedenken, dass beide Kommentare nicht abstrakt für sich stehen, sondern, vom Autor in eine konkrete Szene eingebettet von einem bestimmten kulturellen Milieu beeinflusst werden. Um dessen Wirkung auf die Positionen zu verstehen, ist vor der Neuinterpretation des Textes nach dem aufgezeigten Schema allerdings ein Zwischenschritt notwendig, der das verwendete Lokalkolorit sowie dessen Wirkung auf die Diskussion analysiert.

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode 1. Der Einfluss von Lokalkolorit auf den Text Anspielungen wie auch die direkte Schilderung von Traditionen, kulturellen Eigenheiten, sogar Erzählgut, zusammenfassend als „Lokalkolorit“ bezeichnet, gehören im lukanischen Doppelwerk zu den stilistischen Mitteln, die der Autor zur Ausgestaltung und Ausrichtung seiner Erzählungen nutzt⁶⁴. Ausdrücklich sind damit zweierlei Funktionen zu verbinden, die diese Verwendungsweise lokal gebundener Informationen erfüllen sollen. Zum einen dient die Darstellung von Sitten, religiösen Kulten, bis hin zu Angaben über politische Zusammenhänge oder städtebauliche Voraussetzungen, der anschaulichen sowie nachvollziehbaren Ausgestaltung eines Settings. Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, handelt das lukanische Doppelwerk, bei aller theologischen Ausrichtung, doch nicht in einem fiktionalen Rahmen, sondern in einem Umfeld, welches dem Leser vertraut ist⁶⁵. Der Autor berücksichtigt damit die Lebenswelt seiner Rezipienten, die sich auf diesem Wege leicht in die Erzählwelt hineinfinden. Unter dieser Voraussetzung

geführten Leitsatz des Evangeliums, handgemachte Götzen seien keine Götter (vgl. Apg ,b). Siehe zur Auseinandersetzung mit diesem Thema S.u. S.  ff.  Vgl. R.I. Pervo, Profit,  – ; M.L. Soards, Speeches, ; W. Weren, Silversmiths, ; M. Günther, Frühgeschichte, .  Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium,  – ; R. Bauckham, Gospel,  stellt für die Evangelien fest: „The Gospels have a historical context […].“ und „It is the early Christian movement in the late first century.“ Übertragen auf die Apostelgeschichte bedeutet diese Einschätzung, dass die Erzählungen in einem historischen Setting handeln, das dem Leser bekannt war.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

kann Lukas ferner erwarten, dass beispielsweise Ironie oder humoristische Überhöhungen auch als solche wahrgenommen werden. Zum anderen ergibt sich die Möglichkeit, ein Setting pointiert auf das jeweils behandelte Thema der Erzählung ausrichten zu können. Nicht unbedacht greift Lukas beispielsweise in Apg 14,8 – 20 auf den im Bergland von Lykaonien verorteten Mythos von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611– 724) zurück⁶⁶. Dieser Text, der einer Gruppe von „Sintfluterzählungen“ angehört, mit denen die hellenistische Gesellschaft versuchte, regionale wie ethnische Eigenheiten zu erklären⁶⁷, vermittelt ein stereotypes Bild, welches die Wahrnehmung der dargestellten Bevölkerung im Blick des Lesers beeinflusst. Ähnlich verhält es sich mit der Einschätzung des Paulus, Athen sei κατείδωλος (Apg 17,16). Von diesem Hinweis, der auf die bemerkenswerte Dichte paganer Heiligtümer aufmerksam macht, die das Stadtbild prägten⁶⁸, leitet der Autor im weiteren Verlauf einen zentralen Diskussionspunkt der Erzählung ab (Apg 17,22b). Ferner bedient sich Lukas einer Anspielung auf den sprichwörtlich frommen (vgl. Apg 17,22b) wie neugierigen (vgl. Apg 17,21b) Charakter der Athener, um das geprägte Bild griechischer Philosophen seinen Interessen gemäß auszurichten⁶⁹. Weitere Beispiele für diese Verwendungsweise von Lokalkolorit finden sich auch in dem untersuchten Text Apg 16,16 – 22, in dem Setting und Thema aufeinander abgestimmt eine Diskussion bedingen⁷⁰. Dabei erweist es sich in der heutigen Rezeption der Erzählung als schwierig, die intendierten Anspielungen, die für den frühchristlichen Leser offen lagen, als solche zu erkennen und in einem weiteren Schritt der zu Grunde liegenden Intention entsprechend zu deuten. Kulturelle Unwägbarkeiten, wie sie beispielsweise die Wahrnehmung von Humor und Ironie begleiten⁷¹, machen heute die Aufarbeitung jener Verhältnisse zur Voraussetzung für die Fähigkeit, die verwendeten Stilelemente zu erkennen. Im Umgang mit der Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) befindet sich der zeitgenössische Exeget jedoch in der komfortablen Situation, dass die gesellschaftlichen, religiösen wie auch politischen Verhältnisse, die im 1. Jh. n.Chr. die Stadt bestimmten, gut aufgearbeitet sind. Es finden sich neben Angaben über die politische Rolle, die Ephesus als Hauptstadt der Provinz Asia zukam⁷², auch solche, die Auskunft über die wirtschaftliche Ausrichtung oder politische Ämter

      

S.o. S.  ff. A.a.O. Dazu s.o. S.  ff. A.a.O. S.o. S.  ff. Zur Problematik der Wahrnehmung von Ironie W.C. Booth, Irony,  – . Vgl. L.M.White, Development,  – ; W.Weren, Silversmiths, ;W. Elliger, Ephesos,  – .

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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und Institutionen der Stadt geben⁷³. Über den Tempel der Artemis, ein markanter Bezugspunkt auch für die untersuchte Episode (vgl. Apg 19,27.35 – 36), sind neben Entstehungslegenden⁷⁴ kultische Angaben, wie beispielsweise Zeremonienabläufe oder Festtage, ebenso überliefert wie Informationen über das Einkommen, Besitztümer oder die Architektur des Gebäudes. Andere Funde scheinen die historische Genauigkeit oder Kenntnislage des Autors in Frage zu stellen, oder lassen Missverständnisse oder gar Polemik vermuten⁷⁵. Insgesamt stellt sich bei der Fülle des vorgefundenen Vergleichsmaterials die Aufgabe, diejenigen Aspekte herauszufiltern, auf die Lukas in Apg 19,23 – 40 tatsächlich verweist, und festzustellen, wie diese auf die Form und wichtiger auf den Inhalt der Erzählung Einfluss ausüben.

2. Der Tempel der Artemis als Element der Erzählung Orientiert an diesem Kriterium erweisen sich Tempel, Kult und im Kern das Bildnis der Göttin Artemis als Schlüsselelemente der Diskussion. Sowohl in der Rede des Silberschmieds (Apg 19,25 – 27) als auch in der des Stadtschreibers (Apg 19,35 – 40a) als Fluchtpunkt der geäußerten Kritik am Evangelium genutzt⁷⁶, sind diese  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – . Ausführlich s.u. S.  ff.  Die Bezeichnung „διοπετής“ als Zusatz für die Herkunft des Standbildes der Artemis ist außerhalb von Apg , in der antiken Literatur nicht belegt. Dennoch war die Verehrung von Meteoriten als heilige Steine im religiösen Gefüge der hellenistischen Gesellschaft üblich, weshalb diese Annahme für das Bild der Artemis nicht abwegig erscheint. Dazu A. Weiser, Apostelgeschichte , ; W. Weren, Silversmiths, ; C.L. Brinks, Artemis, . P. Lampe, Acta ,  verweist auf Euripides, Iph. Taur.,  – . – , um zu zeigen, dass das Bild des vom Himmel gefallenen Götterbildes zumindest im Zusammenhang mit der taurischen Artemis belegt ist.  Ein solcher Fall ist mit der Person des Demetrius gegeben. Dieser in einer Inschrift bezeugte Name (IvE  A,), weist auf einen Tempelhüter hin, der zu Lebzeiten des Paulus in Ephesus tätig war. Griechisch mit dem Titel „νεωποιός“ bezeichnet, könnte Lukas in ihm die Bezeichnung für einen Handwerker/Silberschmied verstanden haben. Es könnte sich ebenso um einen Akt der Polemik gegen diese Person handeln, die der Autor entsprechend jüdischer Götzenpolemik seiner religiösen Funktion beraubt, auf die Funktion eines Handwerkers reduziert. Allerdings bleiben eine entsprechende Motivation des Autors sowie die eindeutige Identifikation der Person mit dem Protagonisten der Erzählung im Dunklen, weshalb solche Überlegungen letztlich nicht mehr als Spekulationen sind. Siehe zur Kritik W. Thiessen, Ephesus,  – ; A.N. Sherwin-White, Roman Society,  – ; W. Stegemann, Synagoge, . Weniger skeptisch zeigen sich P. Lampe, Acta , ; G. Lüdemann, Christentum, .  So auch C.L. Brinks, Artemis, ; S. Shauf, Theology, . J. Roloff, Apostelgeschichte,  stellt fest, dass der Silberschmied gezielt „ganz vom Standpunkt naiver Volksfrömmigkeit ausformuliert“. Siehe ferner R. Pesch, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts , .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

Elemente paganer Religiosität Gegenstand eines programmatischen Ausrufes der Stadtbevölkerung (Apg 19,28.34). Diese Wendung „Μεγάλη ἡ Ἄρτεμις Ἐφεσίων“, die als geflügeltes Wort zu verstehen ist⁷⁷ (vgl. IvE 27,224; 276,9 – 10; 2026,10), drückt in Apg 19,23 – 40 nicht allein die tiefe religiöse Verbundenheit der Stadtbewohner mit ihrer Patronin aus. Diesen Aspekt begleitend, wirkt dieses eindrückliche Bekenntnis als Ausdruck der Empörung und Abgrenzung gegenüber einer Gotteslästerung, die Demetrius Paulus und dem Evangelium zuschreibt (vgl. Apg 19,27). Der zur Schau gestellte Einsatz für die Artemis reicht so weit, dass die Menschen, ohne die Situation oder deren Hintergründe zu verstehen (vgl. Apg 19,32b: „οἱ πλείους οὐκ ᾔδεισαν τίνος ἕνεκα συνεληλύθεισαν“), blindlings gegen alle vorgehen, die dem Ruf von Stadt und Göttin⁷⁸ nicht folgen. Ein solches Verhalten, wie es die Einwohner von Ephesus zeigen, bleibt im lukanischen Doppelwerk nicht ohne Parallele. Bereits in Apg 14,8 – 20 zeichnet der Autor ein Bild von Menschen, die, fest verwurzelt in den heimischen Traditionen und entgegen aller Erklärungsversuche seitens Barnabas und Paulus, an dem althergebrachten Weltbild festhalten⁷⁹ (Apg 14,18). Einen ähnlichen Eindruck vermittelt auch die erste Maltaepisode (Apg 28,1– 6), in der eine Gruppe von Barbaren Paulus nach einem unglücklichen Schlangenbiss (vgl. Apg 28,3) zunächst als Mörder und damit Opfer der Rachegöttin Dike verurteilen. Als sich diese Einschätzung in der Realität nicht bestätigt (Apg 28,6a), scheint ihnen die einzig sinnvolle Erklärung für dessen Überleben darin zu bestehen, dass er selbst ein Gott sein müsse (vgl. Apg 28,6b). So abwegig diese Deutung aus jüdisch-christlicher Perspektive sein mag, vermittelt sie dennoch eindrücklich das Bild von Menschen, die sich, wie die Einwohner von Ephesus letztlich auch, aus den unterschiedlichsten Gründen der Wahrheit des Evangeliums⁸⁰ verschließen. Damit ist ein theologisch geprägter Baustein aufgezeigt, den Lukas aus dem Zusammenspiel eines geprägten Ausrufs mit dessen Verwendungsweise durch Menschen, die in einem spezifischen Kontext agieren, in die Textkonstruktion einbringt. Der inhaltlich kulturelle Hintergrund, der dieses Verhalten bedingt, ist  Vgl. P. Lampe, Acta ,  Anm. ; W. Weren, Silversmiths, ; S.M. Baugh, Phraseology,  – ; R. Strelan, Artemis, . Zu solchen Wertungen der Bedeutung des Tempels, siehe auch P. Trebilco, Asia,  – .  Diesem kopflosen Verhalten der Stadtbevölkerung (vgl. Apg ,) mag letztlich auch die aggressive Stimmung gegen die Juden geschuldet sein, da diese Gruppe nicht zuletzt wegen ihrer religiösen Privilegien, welche die Stadt ihnen zugestand (dazu I.A. Levinskaya, Acts,  – ; W. Weren, Silversmiths, ), nicht an der Verehrung der Stadtpatronin teilnahm. Diesen Zusammenhang vermuten R. Strelan, Artemis, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  S.o. S.  f.  Zu diesem sich wiederholenden Motiv s.o. S.  f;  ff;  ff.

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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mit dieser Ausführung jedoch noch nicht geklärt. Ausgangspunkt ist, neben Tempel und Standbild als inhaltlichem Gegenstand des skandierten Ausrufes, die besondere Beziehung, die die Stadt Ephesus mit der Göttin Artemis verbindet. Dieses Verhältnis, das der Stadtschreiber mit dem Ausdruck „νεωκόρος“ bezeichnet (vgl. Apg 17,35b), liefert ein weiteres Motiv, das für das Verständnis der konstruierten Situation von Bedeutung ist. Als Auszeichnung genutzt, blieb dieser Titel vornehmlich Zentren des Kaiserkultes⁸¹ vorbehalten und verband den ideellen Wert einer besonderen Ehrung mit den praktischen Aspekten politischer wie wirtschaftlicher Privilegien⁸². Voraussetzungen für den Erhalt dieser Zugeständnisse waren, neben der außerordentlichen Breitenwirkung von Stadt und Heiligtum, die Wahrung des römischen Religionsfriedens sowie die absolute Loyalität gegenüber der römischen Vorherrschaft⁸³. Dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Elemente macht nicht nur den Aufruf zur Mäßigung des Stadtschreibers (vgl. Apg 19,36) verständlich. Es deutet sich an dieser Stelle auch die Erkenntnis an, dass neben der religiösen Motivation Patriotismus sowie die Sorge um die gesellschaftliche Stellung der Stadt eine Rolle spielen⁸⁴. Diese praktisch veranlagten Beweggründe weisen auf einen weiteren Aspekt kultureller Prägung hin, den Demetrius in den Vordergrund seiner Rede stellt (vgl. Apg 19,25 – 27). Der führt, noch vor aller Sorge um die Ehre der Göttin, den Verlust monetärer Einnahmen als maßgebende Gefährdung durch das Evangelium an (vgl. Apg 19,25b.27a: „ἄνδρες, ἐπίστασθε ὅτι ἐκ ταύτης τῆς ἐργασίας ἡ εὐπορία ἡμῖν ἐστιν […] οὐ μόνον δὲ τοῦτο κινδυνεύει ἡμῖν τὸ μέρος εἰς ἀπελεγμὸν ἐλθεῖν“). In dieser Befürchtung spiegelt sich die in der antiken Gesellschaft übliche Verzahnung kultischer Formen und Wirtschaft wider⁸⁵. Der Tempel in Ephesus war  Ursprünglich die Bezeichnung eines „Tempelhüters“, etablierte sich besagter Ausdruck als Titel, der im Zusammenhang von Zentren des Kaiserkultes und in Ausnahmen mit anderen Gottheiten genutzt wurde (CIG ; ; IvE ). Dazu P. Lampe, Acta , ; W. Weren, Silversmiths,  – ; S. Witetschek, Artemis,  – .; W. Elliger, Ephesos, ; W. Bauer, WzNT, ; C.K. Barrett, Acts , ; S. Shauf, Theology, .  P. Lampe, Acta ,  Anm.  verweist ferner auf eine Reihe von Handschriften, die den Titel für Ephesus schon früh belegen (IvE ;  A; ; ; ; ; ; ; ). R. Strelan, Artemis, . verweist beispielsweise auf das Asylrecht des Tempels, welches sogar vor den römischen Herrschern Bestand hatte. Ferner P. Trebilco, Asia, ; W. Elliger, Ephesos, ; P. Lampe, Acta ,  – .  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; W. Elliger, Ephesos,  – . Ephesus als politisches wie religiöses Machtzentrum, siehe C.L. Brinks, Artemis, ; P. Trebilco, Asia,  – .; S.J. Friesen, Neokoros,  – ; Ders., Emperors,  – ; E.C. Arnold, Ephesians,  – .  Mit R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; W. Weren, Silversmiths,  – .  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , .; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; W. Weren, Silversmiths,  – ; R. Strelan, Artemis, .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

weitaus mehr als ein architektonisch eindrucksvolles Gebetshaus am Rande der Stadt⁸⁶. Wie in der hellenistischen Kultur üblich, verbanden sich in dieser Institution religiöse, politische und nicht zuletzt wirtschaftliche Aspekte in besonderer Art und Weise (Aelius Aristides, Orat., 23,24). Das Artemisium beherbergte neben dem alltäglichen Tempelbetrieb auch das größte Bankhaus der antiken Welt⁸⁷ (vgl. Dio Chrysostomos, Or., 31,54). Als Großgrundbesitzer betätigte sich die Institution auf dem Immobilienmarkt und war ferner im landwirtschaftlichen Sektor aktiv⁸⁸. Dank der Assoziation der ursprünglich griechischen Göttin Artemis mit anderen bedeutsamen Götterfiguren des kleinasiatischen Kulturraumes entwickelte sich das Heiligtum zu einem religiösen Knotenpunkt des römischen Reiches⁸⁹. Unter diesem wirtschaftlichen Gesichtspunkt ist schließlich der stetige Strom von Pilgern als bedeutsamer Faktor für das Leben der Stadt nicht zu unterschätzen. Der unablässige Zufluss neuer potentieller Kunden garantierte vielen Wirtschaftszweigen ein Einkommen und der Stadt einen gewissen Wohlstand⁹⁰. Dem entsprechend angepasst zeigt sich das Handwerk, welches, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Wallfahrer, auch Devotionalien anbot⁹¹. An diesem Punkt mag die Berufsbezeichnung des Demetrius (ἀργυροκόπος) in dem geführten Gedankengang Platz finden. Entgegen der Aussage des Autors konnten archäologische Funde die Feststellung, der Schmied hätte silberne Tempel hergestellt (vgl. Apg 19,24), bislang nicht stützen⁹². Bei aller Vorläufigkeit, die einen so begründeten Befund begleitet, schließt dieser nicht den Sachverhalt aus, dass der Devotionalienhandel in Ephesus verbreitet und wirtschaftlich einträglich war. Mehr noch bestätigen Nachbildungen der Göttin sowie tönerne

 Vgl. C.L. Brinks, Artemis,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; R. Strelan, Artemis, ; R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; S. Shauf, Theology, ; W.Weren, Silversmiths, . R. Strelan, Artemis,  resümiert über den Tempelbetrieb: „Festivals, the temple and its cults partly existed to attract business“. S.a. P. Trebilco, Asia,  – .  Vgl.W.Weren, Silversmiths, ; R. Strelan, Artemis, ; R.E. Oster Jr., Artemis,  Anm. ; S. Shauf, Theology, ; P. Trebilco, Asia,  – .  Vgl. R. Strelan, Artemis, ; S. Shauf, Theology, ; S.M. Baugh, Paul, .  Vgl.W.Weren, Silversmiths, ; G. Mussies, Artemis,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  W.Weren, Silversmiths,  stellt fest, dass der Tempel „functioned as the driving force of local economy“. Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, . Ferner Kap. , Anm. . Zur Verdeutlichung der Dimension, die solche Ströme annehmen konnten merkt O. Krüger, Wallfahrt,  im Zusammenhang mit der Göttin Baset an, dass bis zu . Pilger zu den Festen nach Bubastis reisten.  Speziell silberne Repliken des Tempels der Artemis wurden bislang nicht gefunden, allerdings Devotionalien aus Ton, weshalb es als gesichert gelten kann, dass ein solches Handwerk, wie auch Wirtschaftszweig, in Ephesus vorhanden war. Siehe dazu G. Schneider, Apostelgeschichte ,  Anm. ; P. Lampe, Acta , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; R.E. Oster Jr., Artemis,  – ; C.L. Brinks, Artemis, .  Siehe Kap. , Anm. .

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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Modelle des Tempels diese Einschätzung⁹³. Ferner vermerken einige Inschriften (vgl. IvE 425,10 – 11; 2212.4– 7) die Existenz einer Gilde oder Gemeinschaft der Silberschmiede⁹⁴, deren Mitglieder sicherlich auch in dieser wirtschaftlichen Nische agierten. Ebenso bemerkenswert mag der Umstand sein, dass dieses Handwerk in der antiken Gesellschaft zu den ertragreichsten und damit angesehensten Wirtschaftszweigen zählte⁹⁵. Stellt man dieser Beschreibung die in der Form ähnliche Darstellung des kulturellen Milieus gegenüber, in dem die Herren in Philippi ihre Magd einsetzten, lässt sich eine Tendenz erkennen, die die Ausrichtung der Erzählung beeinflusst. Handelte Apg 16,16 – 22 in einem Umfeld der alltäglichen Frömmigkeit, in dem Menschen mit institutionslosen Wahrsagern und Zauberern umgingen⁹⁶, konstruiert Lukas in der Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) ein System, in dem wirtschaftliche und im Weiteren politische Interessen mit einem Kult zusammenfallen, der grenzübergreifende Bedeutung hatte. Bezogen auf diesen Handelszweig selbst beschreibt Demetrius die christliche Lehre, die die ideologische Grundlage seines Geschäftes in Zweifel zieht (vgl. Apg 19,26b), als handfeste Bedrohung, wodurch er wiederum der Meinung des Autors Ausdruck verleiht⁹⁷. Diesem Denken steht der politisch wie religiös motivierte Ansatz des Stadtschreibers entgegen⁹⁸, der seinerseits auf eine lokale Tradition zurückgreift. Dessen Ausführungen folgend, erweist sich der vom Silberschmied aufgegriffene Ausspruch des Evangeliums „ὅτι οὐκ εἰσὶν θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“ für das Standbild der Artemis als insoweit unzutreffend, als dieses vom Himmel gefallen sei (διοπετής). Der mit dieser Aussage implizierte Gedanke verleiht zweifelsohne der Überzeugung von Bevölkerung und Stadtschreiber Ausdruck, dass jener Stein unmittelbare Stiftung einer Gottheit und damit göttlicher Abstammung sei⁹⁹. Anderslautende Stimmen, die beispielsweise von einer Neu-

 P. Trebilco, Asia,  – . bes. Anm. ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; A. Wikenhauser, Apostelgeschichte, ; G. Schneider, Apostelgeschichte ,  Anm. .  Vgl. P. Lampe, Acta , ; C.K. Barrett, Acts , ; C.J. Hemer, Acts,  – ; W. Weren, Silversmiths, ; R. Strelan, Artemis,  – ; R. Selinger, Demetriusunruhen, ; P. Trebilco, Asia, . bes. Anm. . Für weitere Inschriftenbelege siehe G.H.R. Horsley, Documents,  – .  So C.K. Barrett, Acts , ; P. Trebilco, Asia,  – ; R. Strelan, Artemis, .  Dazu s.o. S.  ff.  Vgl. C.K. Barrett, Acts , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, . R. Pesch, Apostelgeschichte ,  erkennt in dieser Ausdeutung des Silberschmieds die „versteckte Ironie“ des Autors wieder. Diese Wertung macht deutlich, dass Lukas mit dieser Erkenntnis des Demetrius zumindest einer beabsichtigten Folge der Evangeliumsverkündigung Ausdruck verleiht.  Diese Einschätzung teilen R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, . Eindrücklich formuliert C.K. Barrett, Acts ,  – : „the town clerk was not speaking in order to satisfy Paul but to quell a riot.“  So J. Roloff, Apostelgeschichte, ; W. Weren, Silversmiths, ; P. Trebilco, Asia, .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

gestaltung des Standbildes nach dem verheerenden Brand im Tempel 356 v.Chr.¹⁰⁰ (Strabo, 14,1,4; Plutarch, Alex., 3,3 – 5) oder lediglich von einem Naturphänomen¹⁰¹ sprechen, sind in dieser Aussage ausgeblendet, wodurch ein theologischer Reibungspunkt gegenüber der alttestamentlichen Einschätzung von Götterbildern entsteht. Insgesamt zeigen diese Ausführungen, dass Lukas in der fraglichen Episode (Apg 19,23 – 40) unterschiedliche Aspekte kultureller Ausdrucksformen, wie kultische Prägungen, wirtschaftliche Strukturen sowie Patriotismus, die in der Institution des Tempels zusammenfinden, in die Erzählung einfließen lässt. Ferner ist eine gewisse Ordnung zu erkennen, in der der Autor die Informationen organisiert. Sie begegnen nicht willkürlich verteilt, sondern stets einem Erzählcharakter beigeordnet, der die jeweilige Position nach außen hin vertritt. Gemeinsamer Fixpunkt bleibt indes eine einzelne Aussage des Evangeliums, die nunmehr näher zu betrachten ist.

3. Die unterschiedlichen Perspektiven auf das Evangelium Nicht zum ersten Mal begegnet der von Demetrius aufgegriffene Grundsatz des Evangeliums, handgemachte Götterstatuen seien keine Götter (vgl. Apg 19,26b), als Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen auf der einen und den Völkern auf der anderen Seite. Bereits in Apg 17,16 – 34 als Alleinstellungsmerkmal in einem anderen Zusammenhang genutzt, bleibt der inhaltliche Kern dieser Einschätzung¹⁰² (χειροποίητος), unabhängig von der jeweiligen Bezugsgruppe, stets der gleiche. Seien es Paulus oder zuvor Stephanus, der dieses Thema gegenüber Juden aus Kleinasien anführt (Apg 7,48) – argumentativ folgen Zeuge wie Apostel einem alttestamentlichen Ansatz, der das erste Gebot des Dekalogs (Ex 20,2– 17; Deut 5,6 – 21) zur Vorlage hat. Entsprechend gedeutet reduziert dieser Gedanke, parallel zur alttestamentlichen Völkerpolemik

 Vgl. C.L. Brinks, Artemis, ; W. Weren, Silversmiths,  – . Allgemein ist festzuhalten, dass die Statue der Artemis über die Zeiten hinweg überarbeitet und erweitert wurde. Siehe W. Elliger, Ephesos,  – .  Lukas denkt hier vermutlich an einen Meteoriten, wie er in zahlreichen Kulten im hellenistischen Kulturraum als Gottheit verehrt wurde. Vgl. W. Weren, Silversmiths, ; W. Burkert, Religion, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Vgl. Lev ,.; Jes ,; ,; Dan ,.; Orac. Sib. ,.. Ferner Kap. , Anm. .

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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(vgl. Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9), die Symbole paganer Kultpraktiken auf ein Produkt handwerklicher Kunstfertigkeit¹⁰³. Gerade an dieser grundsätzlichen Form der Kritik setzt der Aufruf des Demetrius an, sich vom Evangelium als Bedrohung von Geschäft und Gottheit zu distanzieren. In weiten Teilen der antiken Gesellschaften waren Götterbilder in der Deutung einer vollwertigen Manifestation der jeweils dargestellten Gottheit akzeptiert¹⁰⁴. Bereits der Akt der Herstellung eines so gewidmeten Standbildes galt als kultische Handlung¹⁰⁵, bei der der Handwerker irdisches Material mit göttlicher Essenz verband. Diametral entgegen dieser Vorstellung argumentieren die Schriften des Alten Testaments. Ausgehend von den Göttervorstellungen der Völker, denen, als Fehldeutung oder Aberglauben gewertet (vgl. SapSal 13,5.13 – 19; 15,15 – 19), keine eigene Existenz zukam¹⁰⁶, gerieten auch deren irdische Abbilder als Ausdruck dieser Vorstellung in die Kritik. War eine Gottheit nicht mehr als die fälschliche Einbildung von Menschen, die weder Erwählung noch Offenbarung hatten (vgl. SapSal 13,13 – 19; 15,15 – 19), so konnten folgerichtig auch deren Abbildungen nicht mehr als lebloses Material, verbunden mit nichtigen Vorstellungen sein. Entsprechend dieser Einstellung begegnen im Alten Testament wiederholt Formulierungen, die von den Gottheiten der Völker als goldene oder silberne Standbilder, behauene Steine oder geformtes Holz sprechen (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9). Ein Zugeständnis an den göttlichen Ursprung jener Bilder (vgl. Apg 19,35b–36) ist von diesen Texten her nicht anzunehmen, weshalb die Befürchtung des Silberschmieds vom theologischen Kern der Aussage des Evangeliums her durchaus berechtigt ist. Wie bereits an mehreren Stellen gezeigt¹⁰⁷, greift Lukas auf diese alttestamentlichen Aussagen zurück und macht deren Kritik und Polemik gegenüber den paganen Kulten geltend. Auffällig erscheint jedoch die argumentative Reihenfolge, in der Demetrius seine Sorge zum Ausdruck bringt. Beginnend mit der Aussicht auf schwindende Einnahmen, setzt er die Ehre der Göttin Artemis in unmittelbare Beziehung zu der Verbreitung seiner handwerklichen Güter¹⁰⁸ (vgl.  Vgl. A. Berlejung, Theologie, . – ; J. Woyke, Götter,  – ; H. Külling, Geheimnis,  – .  J. Woyke, Götter,  – ..  Vgl. A. Berlejung, Theologie,  – ; R. Strelan, Artemis, ..  Vgl. J. Woyke, Götter,  – .  Vgl. dazu die Ausführungen zu den einzelnen Episoden Apg , – ; , – ; , – .  „μόνος“ im Kontext einer Negation, wie es hier vorliegt (vgl. Apg ,a; ferner: Röm ,; ,; Ti ,), kann eine pleonastische Tendenz ausdrücken (W. Bauer, WzNT, ,,g), worin die gedachte Abhängigkeit zwischen Handwerk und Ehre der Göttin erkennbar wird, von der Demetrius ausgeht.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

Apg 19,27a: „οὐ μόνον δὲ τοῦτο κινδυνεύει ἡμῖν τὸ μέρος εἰς ἀπελεγμὸν ἐλθεῖν ἀλλὰ καὶ τὸ τῆς μεγάλης θεᾶς ᾿Aρτέμιδος ἱερὸν εἰς οὐθὲν λογισθῆναι“). Der hierin sichtbar werdende Gedanke antiker Religiosität, der Bedeutung und Einfluss einer Gottheit nicht zuletzt an deren Verbreitung misst, mag symptomatisch für das Selbstverständnis des Silberschmieds sein¹⁰⁹. Dessen Geschäft bestand nach der Beschreibung des Autors darin, kleine Nachbildungen des Tempels zu fertigen („ποιῶν ναοὺς ἀργυροῦς ᾿Aρτέμιδος“) und diese zum alltäglichen Gebrauch an die Pilger aus aller Welt zu verkaufen. Die hergestellte Analogie macht letztlich jene Souvenirs zur Voraussetzung respektive Garantie für die weltweite Verehrung der Artemis¹¹⁰, auf die sich im Übrigen auch der Stadtschreiber beruft (vgl. Apg 19,35). Dieser Gedanke ist nicht neu oder ungewöhnlich. Schon im Alten Testament begegnet die Vorstellung, das Standbild einer Gottheit als Ausdruck ihrer Macht zu bewerten. Nach dem Sieg über das Heer der Israeliten schafften die Philister die Lade Gottes in den Tempel des Dagon (1Sam 5 – 6), um so die Macht ihrer Gottheit über den Gott Israels zu verdeutlichen. Allerdings überwindet dieser Text jenes Konzept¹¹¹ und schildert wie Gott, trotz der Niederlage seines Volkes, das Abbild Dagons (1Sam 5,3 – 4) zerschlägt. Als weiteres Beispiel für diese Denkweise mag der Versuch Kaiser Caligulas gelten, der im Jahr 40 n.Chr. (vgl. Philo von Alexandria, Legat., 114– 118) versuchte, in Jerusalem den Kaiserkult zu etablieren, indem er eine Statue von sich im Tempel aufstellen lassen wollte¹¹². Ungeachtet des daraus entstehenden Konflikts, zeigt sich in diesem Verhalten die Verschmelzung von Kult, Macht und Reichweite, von der auch Demetrius in seinen Ausführungen ausgeht¹¹³ (Apg 19,27).

 Vgl. A. Berlejung, Theologie,  – ; C.L. Brinks, Artemis, .  Diese Stellung beschreiben Strabo, ,,; Pausanias, Descr. Graec., ,,; IvE B, – . Zur Auswertung, siehe M. Günther, Frühgeschichte,  – .; P. Trebilco, Asia,  – ; R. Strelan, Artemis, ; S. Shauf, Theology, .  Vgl. W. Dietrich, Samuel,  – ; H.P. Smith, Samuel,  – .  Vgl. R. Klein, Caligula, . Zur politischen Dimension des Kaiserkultes siehe F. Taeger, Charisma ,  – ; J.G. Gager, Anti-Semitism,  – . Zur Problematik, einen Menschen als Gottheit zu verehren ferner W. Elliger, Ephesos,  – ; J. Woyke, Götter, ; U. Wickert, Kleinasien,  – ; F.W. Walbank, Könige,  – ; S. Mitchell, Anatolia , .  Philo von Alexandria, Leg. Gai.,  –  merkt an, dass es sich bei diesem Versuch um den Verstoß eines Menschen gegen das erste Gebot des Dekalogs handelt: () „μικρὸν δὲ οὐκ ἦν τὸ κινούμενον ἀλλὰ τὸ μέγιστον τῶν ὄντων ἀνθρώπου γενητὴν καὶ φθαρτὴν φύσιν εἰς ἀγένητον καὶ ἄφθαρτον ὅσα τῷ δοκεῖν θεοπλαστῆσαι, ὅπερ ἀσεβημάτων ἔκρινεν εἶναι χαλεπώτατον θᾶττον γὰρ ἂν εἰς ἄνθρωπον θεὸν ἢ εἰς θεὸν ἄνθρωπον μεταβαλεῖν, δίχα τοῦ καὶ τὰς ἄλλας τὰς ἀνωτάτω κακίας ἀναδέξασθαι ἀπιστίαν ὁμοῦ καὶ ἀχαριστίαν πρὸς τὸν τοῦ κόσμου παντὸς εὐεργέτην ὃς τῇ αὑτοῦ δυνάμει τοῖς μέρεσι πᾶσι τοῦ παντὸς ἀφθόνους περιουσίας ἀγαθῶν ἐκδίδωσιν.“

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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Anders zeigt sich der Stadtschreiber als Vertreter des vorgeführten Standpunktes, wonach Götterbilder als Inkarnationen oder zumindest als unmittelbare Verbindungsglieder zur jeweils dargestellten Gottheit fungieren (vgl. Apg 19,35 – 36). Den göttlichen Charakter der Artemis von Ephesus stellt er, mit Hinweis auf die Stiftung des Standbildes durch Zeus, als gemeinhin anerkanntes Faktum dar (vgl. Apg 19,36). Diese Bewertung des Bildnisses als Gottheit spricht nicht nur gegen die Position des Silberschmieds. Sie erweist sich darüber hinaus als Kontrast zum ersten Gebot des Dekalogs (vgl. Ex 20,2– 4; Deut 5,6 – 8), welches eine figürliche Verehrung Gottes und im Weiteren die Göttlichkeit von Götterbildern überhaupt negiert. Allerdings geht die Argumentation des Stadtschreibers noch einen Schritt weiter, da sie den handwerklichen Ursprung der Artemisstatue an sich anzweifelt¹¹⁴. Stammt diese nicht aus der Werkstatt eines Schmieds oder Steinmetzes, sondern ist als Geschenk des Göttervaters Zeus von diesem gestiftet, so muss die Statue – der Argumentation folgend – selbst göttlicher Natur sein. Damit zeigt der γραμματεύς, dessen politisches Amt immer auch von einer religiösen Nuance begleitet war, ein polytheistisches Weltbild¹¹⁵, welches ein Nebeneinander unterschiedlicher Gottheiten zulässt¹¹⁶. Die hierin herbeigeführte Lösung des von Demetrius aufgeworfenen Problems vollzieht sich demzufolge nur auf einer oberflächlichen Ebene. Zwar vermag der Stadtschreiber die Unruhen und damit die bedrohliche Folgeerscheinung des Konfliktes zu besänftigen, weicht allerdings der Frage, ob handgemachte Götterstatuen wahrhaftig Götter seien, letztlich aus. Da seine Verteidigung nur das Standbild der Artemis einschließt (vgl. Apg 19,35), nicht aber die Devotionalien der Silberschmiede, findet die Auseinandersetzung in diesem Punkt keinen für Demetrius ansprechenden Abschluss. Tatsächlich folgt der Beamte mit dem Urteil, in der Sache handele es sich um einen Gegenstand irdischer Gerichtsbarkeit (vgl. Apg 19,38) und nicht um einen Frevel gegen die Gottheit, pro forma der Perspektive des Evangeliums. Der alttestamentlichen Perspektive des Autors, wie auch der des Lesers, wird dieser Anspruch dennoch nicht gerecht. Damit zeigt der Stadtschreiber eine ähnliche Tendenz, wie sie bereits für die griechischen Philosophen in Athen oder für kritische Stimmen im Zusammenhang

 S.o. Kap. , Anm. .  W. Weren, Silversmiths,  stellt den Stadtschreiber als „guardian of the Artemis cult“ heraus. R. Pesch, Apostelgeschichte ,  merkt indes an, dass er „den patriotisch und religiös aufgeputschten Ephesern schmeichelt“, ihr Weltbild also bestätigt. So auch J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Vgl. P. Lampe, Acta ,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; W. Weren, Silversmiths, . C.K. Barrett, Acts ,  sieht im Amt des „townclerk“ wirtschaftliche, politische und letztlich auch religiöse Interessen miteinander verknüpft.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

mit Wahrsagerei nachgewiesen wurde (vgl. Plutarch, Mor., 414E; Lucian, Alex., 7– 8.10.19). Diese folgten der Überzeugung, dass Standbilder wie auch Wahrsager weder der Sphäre des Göttlichen entstammen, noch als deren Mittler fungieren¹¹⁷. Trotz dieser Haltung konnte Lukas selbst den Philosophen in Athen einen Verstoß gegen das erste Gebot des Dekalogs nachweisen¹¹⁸. Zwar glauben sie nicht an den göttlichen Charakter von Steinen und Statuen, lassen aber ein polytheistisches Gesellschaftssystem stehen und nehmen als Athener sogar aktiv an diesem teil. Im Umgang mit dem Evangelium musste eine solche Einstellung zu einem Konflikt führen, den Lukas jedoch in Apg 19,23 – 40 nicht explizit ausspricht.

4. Die Rolle der Juden in der Episode zu Ephesus (Apg 19,33 – 34) Das raue Verhalten der im Theater versammelten Anhänger der Artemis gegen den Juden Alexander (vgl. Apg 19,34) mag mit Blick auf den kulturellen Hintergrund, der die Stadt Ephesus auszeichnete, nur verwundern. Zwar ist in der antiken Literatur eine kritische Tendenz gegen das Judentum, respektive die jüdische Lebensweise, belegt (vgl. Flavius Josephus, Ant., 14,244– 246; Ders., Bell., 7,46 – 47), die punktuell sogar in offene Feindschaft und Verfolgung gipfeln konnte¹¹⁹; daraus eine allgemeine Regel für das Zusammenleben von Juden und der nicht-jüdischen Bevölkerung abzuleiten, erscheint allerdings überzogen. Zahlreiche Literaturfunde legen vielmehr die Einschätzung nahe, dass beide Gruppen weitgehend friedlich zusammenlebten¹²⁰. So beherbergte Ephesus neben dem dominanten

 S.o. S.  ff;  ff.  S.o. S.  ff.  Darauf verweisen beispielsweise P. Lampe, Acta , ; W. Elliger, Ephesos,  –  Anm. ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; C.J. Hemer, Acts, ; W. Stegemann, Synagoge, .; L. Schenke, Markusevangelium,  – ; V. Tcherikover, Civilization, ; C.L. Brinks, Artemis, .  So zitiert Flavius Josephus, Ant., , beispielsweise Alexander, den Sohn des Theodorus: „ἐγώ τε οὖν αὐτοῖς καθὼς καὶ οἱ πρὸ ἐμοῦ ἡγεμόνες δίδωμι τὴν ἀστρατείαν καὶ συγχωρῶ χρῆσθαι τοῖς πατρίοις ἐθισμοῖς ἱερῶν ἕνεκα καὶ ἁγίοις συναγομένοις καθὼς αὐτοῖς νόμιμον καὶ τῶν πρὸς τὰς θυσίας ἀφαιρεμάτων ὑμᾶς τε βούλομαι ταῦτα γράψαι κατὰ πόλεις.“ – Und ich gebe ihnen nun wie die Herrscher vor mir auch die Freiheit vom Kriegsdienst und erlaube die väterlichen Sitten zusammenzukommen für kultische und heilige Zwecke entsprechend ihrem Gesetz und für ihre Opfer Tribut einzuziehen und ich will dass du das an die Städte schreibst. Ferner Ders., Ant., , . – ; P. Lampe, Acta ,  Anm. ; I.A. Levinskaya, Acts,  – ; E.M. Smallwood, Jews,  – . R. Strelan, Artemis,  versachlicht zu Recht die Problematik, indem er anmerkt, dass es nicht um Rassismus oder Antisemitismus im heutigen Sinne ging (diese Begriffe wählen beispielsweise W. Stegemann, Synagoge, ; H. Conzelmann, Apostelgeschichte,  – ),

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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Kult der Artemis, auch die größte jüdische Enklave Kleinasiens¹²¹. Judentum und der damit verbundene Lebensstil, waren demzufolge Teil eines pluralistisch geprägten Stadtbildes, in dem sich die unterschiedlichsten Religionsgruppen miteinander arrangierten¹²². Das im Blick, ist zumindest von einem historischen Standpunkt aus kein Anlass gegeben, aus dieser Szene (Apg 19,23 – 40) ein Argument für die These abzuleiten, dass Lukas seiner Kritik am hellenistischen Judentum (vgl. Apg 6,9 – 15; 7,51; 14,19 – 20; 17,13) einen grundsätzlichen Charakter verleihen wollte¹²³. Dabei liegt es durchaus nahe, diese Zwischenszene der Episode (Apg 19,33 – 34) als Ausdruck jener kritischen Haltung zu bewerten, die der Autor des Doppelwerkes wiederholt in der Auseinandersetzung mit den Juden des hellenistischen Kulturraumes anbringt. Beginnend mit der längeren Episode Apg 6,8 – 7,60, die die Vertreter dieser Gruppe als Widersacher des Stephanus kennzeichnet, implementiert Lukas ein Motiv, das ein gespanntes Verhältnis der kleinasiatischen Juden gegenüber dem Evangelium beschreibt. Diese Konfliktlinie, die perspektivisch durchaus die Züge einer Grundsatzaussage besitzt¹²⁴, bleibt nicht auf das Szenario der Verkündigung in einem rein jüdischen Umfeld beschränkt. Auch im Umgang mit Vertretern der Völker treten hellenistische Juden auf (vgl. Apg 13,45.50;14,2.19 – 20; 17,13), die die pagane Bevölkerung gegen Paulus und das Evangelium aufbringen. So folgt ihm beispielsweise eine Gruppe von Juden aus Antiochia in Pisidien bis nach Lystra (Apg 14,19 – 20), um dort die ansässige Bevölkerung gegen das Evangelium aufzubringen. Zuvor formiert sich in der Synagoge von Ikonion (Apg 14,1– 6a) Widerstand gegen dessen Verkündigung, der in einem Aufruhr der gesamten Stadt gipfelt (vgl. Apg 14,5a). Nicht zuletzt begegnet das Motiv in der Episode zu Beröa (Apg 17,10 – 15), wo Juden aus Thessalonich Paulus folgen, um zur Abwehr des Evangeliums Unruhen unter der griechischen Bevölkerung wie den Juden auszulösen (Apg 17,13). Verglichen mit der Situation, die Lukas in der untersuchten Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) beschreibt, lassen sich zweifelsohne inhaltliche Parallelen zu den genannten Beispielen herstellen. Hier wie dort zeigt sich das Evansondern um eine „reaction of Ephesians to anyone or any group who were anti-social, that is, who did not participate in the cult of the gods“.  Dazu Flavius Josephus, Ant., , – . Siehe W. Weren, Silversmiths, ; I.A. Levinskaya, Acts,  – .  Vgl. D. Knibbe, Ephesos,  – ; R. Strelan, Artemis,  – ; W. Elliger, Ephesos,  – ; C.L. Brinks, Artemis, ; C.E. Arnold, Ephesians,  – ; P. Trebilco, Asia, .  Dazu Kap. , Anm. .  In diesem Sinne ist das Urteil, welches Stephanus über Teile Israels spricht (vgl. Apg ,), eindrücklich. Zudem deutet die regelmäßige Wiederholung dieses Gedankens (vgl. Apg , – ; ,; , – ) eine solche Absicht an.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

gelium als Gegenstand einer Auseinandersetzung oder Entwicklung, welche die jüdische Seite zu beeinflussen sucht. Diese Intention scheint auch dem unvermittelten Eingreifen Alexanders in das Geschehen im Theater (vgl. Apg 19,33 – 34) vorauszugehen. Demnach handelt es sich um den Versuch der jüdischen Gemeinde, sich von Paulus und dem Evangelium abzugrenzen¹²⁵. Allerdings impliziert die Orientierung der vorliegenden Zwischenszene (vgl. Apg 19,33 – 34) an jenem Motiv des Autors einen inhaltlichen Ansatz, der weniger von allgemeiner Polemik als von einem theologischen Problem ausgeht. Anders als die zur Schau gestellten Beweggründe der Anhänger der Artemis, gegen das Evangelium und deren assoziierte Vertreter – d. h. Juden wie auch Christen – vorzugehen, rührt der Vorwurf, den Lukas gegen das hellenistische Judentum erhebt, von einer innerjüdischen Auseinandersetzung her¹²⁶. Tatsächlich entspricht es nicht der lukanischen Absicht, eine Trennung zwischen Juden und Christen herzustellen¹²⁷, wenn beispielsweise Stephanus mit deutlichen Worten seinen jüdischen Anklägern (Apg 7,1– 53) gegenübertritt. Der weitreichende Rückgriff auf die alttestamentlichen Traditionen stellt das abschließende Urteil (Apg 7,51), sie seien halsstarrig, hätten verstockte Herzen und taube Ohren („σκληροτράχηλοι καὶ ἀπερίτμητοι καρδίαις καὶ τοῖς ὠσίν“), in eine Reihe mit den Worten der Propheten¹²⁸. Diesem Gedanken entsprechend, stellt Gott in Jer 7,26 über Israel fest, dass es halsstarrig und taub sei, weshalb es ihm nicht gehorche („καὶ οὐκ ἤκουσάν μου καὶ οὐ προσέσχεν τὸ οὖς αὐτῶν καὶ ἐσκλήρυναν τὸν τράχηλον αὐτῶν ὑπὲρ τοὺς πατέρας αὐτῶν“). Hab 2,4 konstruiert sogar einen direkten Gegensatz zwischen halsstarrigem Verhalten und gottesfürchtigem Leben. An noch weiteren Beispielen des Alten Testaments (vgl. Ex 32,9; Ps 119,17) lässt sich für dieses Urteil, das in der Auseinandersetzung zwischen Paulus und dem hellenistischen Judentum schon im unmittelbaren Vorfeld von Apg 19,23 – 40 begegnet (vgl. Apg 19,9), ein gemeinsamer Ausgangspunkt erkennen. Thema dieser Wertung, die ihre Bedeutung aus jenen Schriften bezieht, die Juden und Christen gemein sind, ist der Ungehorsam einzelner Gruppen von Juden  Vgl. W. Stegemann, Synagoge, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; F.F. Bruce, Acts, ; E. Faust, Pax, . D. Lynwood Smith, Interruption,  –  argumentiert, dass Unterbrechungen stets die zuletzt genannten Intentionen von Redner und von denen unterstreichen, die unterbrechen. Dem Text folgend, liegt der Fokus somit auf den Aspekten einer Rechtfertigungsabsicht gegenüber dem Urteil der Volksmenge, hier ginge es um Juden (vgl. Apg ,a).  Dazu C.L. Brinks, Artemis, ; J.A. Fitzmyer, Acts, .  So vermuten es indes einige Ausleger für diese Zwischenszene (Apg , – ), bzw. für das Motiv an sich, welches ein Ausdruck für die Emanzipation der jungen Kirche sei (vgl. Kap. , Anm. ).  So auch T. Holtz, Geschichte,  – ; C. Schaefer, Zukunft,  – .

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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gegenüber einem Wort, das der christlichen Überzeugung nach den Willen Gottes repräsentiert. Auf dieser theologischen Grundlage, die zudem ein Selbstverständnis der Apostel wie auch von Paulus als Diener Gottes voraussetzt (vgl. Apg 4,20; 5,29), behandelt die Zwischenszene (Apg 19,33 – 34) nicht allein das Verhältnis zwischen Juden und Griechen¹²⁹. Neben diesem oberflächlichen Aspekt bestätigt das Vorgehen der jüdischen Gemeinde von Ephesus die Einschätzung des Paulus, die ihn im Vorfeld der Episode veranlasste, anstatt in der Synagoge nur noch in der Schule des Tyrannus zu predigen (Apg 19,9).Verstärkt durch den Versuch Alexanders, eine Aussage zu verteidigen, die Juden wie Christen gemein ist („οὐκ εἰσὶν θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“), wird ferner der theologische Ursprung des Evangeliums, den die heidnische Menge erschwerend auf das Judentum zurückführt¹³⁰, als Element der Erzählung deutlich. Neben den bereits genannten Punkten zeigt diese Einschätzung des Evangeliums als Aussage, die sich an dem Willen des Gottes Israels orientiert, den Maßstab auf, an dem die zugeschriebene Aussage, handgemachte Götterfiguren seien keine Götter (vgl. Apg 19,26b), letztlich zu messen ist.

5. Paulus und die Asiarchen (Apg 19,30 – 31) Behandelte Apg 19,33 – 34 noch die Beziehung zwischen Juden, Christen und der nicht-jüdischen Bevölkerung von Ephesus, zeigt die Zwischenszene Apg 19,30 – 31 eine andere Akzentuierung. Im narrativen Gefüge der Episode als Rechtfertigung der weitgehenden Abwesenheit des Paulus gedacht¹³¹, bieten die beiden Verse (Apg 19,30 – 31) Informationen, die in der Darstellung von Lokalkolorit beeinflusst werden. Dem folgend, unterstützt der kurze Einlass auf formaler Ebene den Aufbau der Erzählung, die nicht durch einen prägnanten Ausspruch des Paulus (vgl. Apg 14,15 – 18; 17,22– 31), sondern durch die Auseinandersetzung zweier Vertreter der Völker getragen wird. Gleichzeitig versichert die geschilderte Intention des Paulus, umgehend zu den Gefährten ins Theater zu eilen (vgl. Apg 19,30a),

 Diese Beziehung ist insofern von immanenter Bedeutung, als dass die heidnische Bevölkerung wohl kaum zwischen Juden und Christen unterschied. Siehe J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; W. Stegemann, Synagoge, .; R. Strelan, Artemis, ; W. Thiessen, Ephesus, ; S. Shauf, Theology, .  S.o. Kap. , Anm. . S. Shauf, Theology,  greift zu kurz, wenn er Alexander lediglich als „sympathetic with Paul’s position on idolatry“ einschätzt. Paulus vertritt als Zeuge und Diener des Gottes Israels natürlich auch dessen Wort (vgl. Apg , – ; ,; ,). Somit ist die zu verteidigende Position Juden wie auch Christen gemein.  So beispielsweise R. Selinger, Demetriusunruhen, ; C.K. Barrett, Acts , .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

dem Leser, dass dessen Charakterbild auch weiterhin Bestand hat. Ferner bestätigt die Anwesenheit von Jüngern, die sich um das Wohlergehen sein sorgen, die Einschätzung des Silberschmieds bezüglich des Missionserfolges¹³². Der Figur des „᾿Aσιάρχης“ (vgl. Apg 19,31) kommt in diesem Punkt besondere Bedeutung zu. Zuerst beschreibt dieses Lexem ein politisches Amt¹³³, dessen Inhaber nachweislich eine gewisse Nähe auch zu den kultischen Strukturen der hellenistischen Gesellschaft in Kleinasien pflegten¹³⁴ (vgl. IvE 740,4– 17; 1130). Diese Funktion, die stets nur von einer einzelnen Person aktiv ausgefüllt wurde, blieb als Namenszusatz auch nach dem dienstlichen Ausscheiden erhalten¹³⁵. Inhaber dieses Ehrentitels genossen hohes gesellschaftliches Ansehen¹³⁶ und unterhielten nicht selten Beziehungen in höchste politische wie auch kultische Kreise. In Bezug auf deren Erwähnung in Apg 19,31 dürfte jedoch weniger das politische Amt an sich, als vielmehr jene Verbindung zu den kultischen Institutionen und die damit verbundene Expertise im Vordergrund des Interesses stehen¹³⁷. Diese Rückbindung, die den Asiarchen einen bedeutsamen Platz in einem gesellschaftlichen System einräumt¹³⁸, das von staatstragenden Kulten wie dem des Kaisers oder auch dem der Artemis von Ephesus geprägt ist, eröffnet neben

 So auch R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Zwar kann der Titel „Asiarch“ in der antiken Literatur (vgl. Plinius der Jüngere, Epist., ,,; IvE ; ) als bedeutsames Amt der römischen Provinz in Kleinasien nachgewiesen werden, die genaue Funktion, die dessen Inhaber erfüllten, scheint indes heute nicht mehr eindeutig bestimmbar (so C.K. Barrett, Acts , ; W. Stegemann, Synagoge,  – ; W. Weren, Silversmiths, ; S. Witetschek, Artemis,  – ). Trotz nachweisbarer Verbindungen einzelner Vertreter zu den religiösen Strukturen der Provinz – Feste, Kulte, Institutionen und Personen (vgl. Kap. , Anm. ) –, scheint die Zuweisung einer ausschließlich religiösen Ausrichtung des Amtes zu weit gegriffen. Mit W. Stegemann, Synagoge, ; R.A. Kearsley, Asiarchs,  – ; W.Weren, Silversmiths, . Gegen J.A. Fitzmyer, Acts, . C.K. Barrett, Acts ,  wertet das Amt schließlich als „High Priest of the emperor“. So auch E. Haenchen, Apostelgeschichte,  Anm. , der sich auf L.R. Taylor, Asiarchs,  –  stützt.  Vgl. W. Stegemann, Synagoge,  – ; W. Thiessen, Ephesus, ; G. Lüdemann, Christentum, ; C.G. Brandis, Asiarches,  – ; R.A. Kearsley, Asiarchs, ; S. Witetschek, Artemis,  – ; S.J. Friesen, Neokoros,  – .  Vgl. G. Schille, Apostelgeschichte, ; R.A. Kearsley, Asiarchs,  – .  Dazu W. Stegemann, Synagoge, . Allerdings scheint in Hinblick auf die Fokussierung auf die Auseinandersetzung zwischen Silberschmied und Stadtschreiber der Gedanke an einen Konflikt zwischen Volk und Paulus, der in der Unterscheidung gesellschaftlicher Klassen ausgetragen wird (ebda. ), unwahrscheinlich.  Diese Gewichtung des Interesses wird unabhängig von der Definition des Amtes getragen. Vgl. C.K. Barrett, Acts , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; W. Stegemann, Synagoge,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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einer apologetischen Interpretation auch die Möglichkeit einer theologischen wie polemischen Deutung dieses Zwischenabschnitts. Der zuerst genannte Aspekt ist schnell ausgeführt: Findet Paulus aus den Reihen von Menschen Zuspruch, die durch ihre gesellschaftliche und nicht zuletzt politische Stellung Einblick in die rechtlichen sowie kultischen Beziehungen und Strukturen der Provinz Asia besitzen, so ergibt sich daraus auch für das Evangelium ein gewisser Schutz. Entgegen dem Vorwurf, den Demetrius gegen die christliche Verkündigung erhebt (vgl. Apg 19,26b), werten die Asiarchen mit ihrem Eingreifen (vgl. Apg 19,31a) den Sachverhalt anders und folgen den Ausführungen des Silberschmieds nicht. Als Bestätigung dieser Einschätzung mag der Umstand gelten, dass die einstigen Beamten nicht als eingegliederter Teil der Jünger in Apg 19,30, sondern explizit in Apg 19,31 als agierende Gruppe genannt werden¹³⁹. Zugleich wirft die Unterscheidung zwischen den μαθηταί auf der einen und den Asiarchen, die zudem als „Freunde“ bezeichnet werden („καὶ τῶν ᾿Aσιαρχῶν, ὄντες αὐτῷ φίλοι“), auf der anderen Seite die Frage auf, wie diese bemerkenswerte Beziehungsbezeichnung inhaltlich zu verstehen ist. Nur an einer weiteren Stelle der Apostelgeschichte verwendet Lukas das Lexem „φίλος“ in Bezug auf eine Gruppe, die in einer Notlage den Völkermissionar unterstützt. In Apg 27,3 gewährt der Hauptmann Julius Paulus, nach beschwerlicher Reise, die Pflege durch Menschen, die ebenfalls als dessen Freunde bezeichnet werden („ὁ Ἰούλιος τῷ Παύλῳ χρησάμενος ἐπέτρεψεν πρὸς τοὺς φίλους πορευθέντι ἐπιμελείας τυχεῖν“). Da Paulus laut der Apostelgeschichte vor seiner Romreise nicht in Sidon aktiv war, somit keine persönlichen Beziehungen aufbauen konnte, liegt es nahe, dass Lukas mit dieser Bezeichnung an die Mitglieder der ansässigen christlichen Gemeinde denkt. Mit Blick auf die parallele Nutzung des Lexems in Lk 12,4, wo Jesus seine Begleiter ebenfalls als Freunde bezeichnet („λέγω δὲ ὑμῖν τοῖς φίλοις μου“), lässt sich diese Wertung erhärten. Demzufolge ist es denkbar, dass Lukas mit der Präzisierung der Asiarchen als „φίλοι“ deren Zugehörigkeit oder zumindest Sympathie zu der christlichen Gemeinde verdeutlicht¹⁴⁰. In dieser Bedeutung erhält die Zwischenszene (Apg 19,30 – 31) nunmehr eine theologische Dimension. Im Gegensatz zum Stadtschreiber, der auf der Verwaltungsebene der Stadt Ephesus für den Erhalt des kultischen wie politischen Friedens einsteht und eine, dem Rechnung tragende, pluralistische Position

 So beispielsweise auch C.K. Barrett, Acts , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Mit J. Roloff, Apostelgeschichte , ; G. Schille, Apostelgeschichte, . Gegen R. Selinger, Demetriusunruhen,  – . C.K. Barrett, Acts , : „It was not only Christian disciples […]. There were also officials […]“.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

vertritt¹⁴¹ (vgl. Apg 19,35b: „τίς γάρ ἐστιν ἀνθρώπων ὃς οὐ γινώσκει τὴν Ἐφεσίων πόλιν νεωκόρον οὖσαν τῆς μεγάλης ᾿Aρτέμιδος καὶ τοῦ διοπετοῦς“), stehen die Asiarchen für den Standpunkt des Autors ein¹⁴². Obwohl sie vom kulturellen Hintergrund aus betrachtet fest in der hellenistischen Gesellschaft verwurzelt und mit den paganen Kulten vertraut sind, pflichten sie als „Freunde“ (φίλοις) des Paulus dem Wort Gottes bei. Mit diesem Verhalten wird nicht nur die im Fokus stehende Aussage des Evangeliums (vgl. Apg 19,26b) verteidigt. Mit ihr scheint Lukas gleichzeitig einen Gegenpol zu der Argumentationsweise zu schaffen, mit der der Stadtschreiber die aufgebrachte Menge beruhigt. Die hierarchische Abstufung, die zwischen dem Amt des Asiarchen und dem des auf die Stadt beschränkten Beamten besteht, legt ein Gefälle der Wertigkeit offen¹⁴³, welches der Tendenz, dem Standpunkt des Evangeliums Recht zu geben, höheres Gewicht einräumt, als den vermittelnden Ausführungen des Stadtschreibers. Außerhalb dieses Kreises aus Jüngern und Asiarchen wird diese Haltung der christlichen Lehre (vgl. Apg 19,26b) jedoch bemerkenswert negativ aufgenommen. Abgesehen von den Ausführungen des Silberschmieds wie auch denen des Stadtschreibers (vgl. Apg 19,25b–27.35 – 40a), die das Evangelium abwechselnd als Gefahr oder unzutreffend deuten, erweist sich die Reaktion der Stadtbewohner auf jenen Spruch (vgl. Apg 19,25b) als Handlung einer verwirrten und aufgebrachten Volksmenge, die mit ihrem impulsiven Verhalten den Frieden gefährdet¹⁴⁴. Dieser Sachverhalt, der bereits aus dem Umgang der Menge mit den Gefährten des Paulus (vgl. Apg 19,29b) oder später den Aussagen des Stadtschreibers (vgl. Apg 19.40a) deutlich wird, begründet die Ängste, die dessen Anhänger um dessen Wohl hegen. Während der Völkermissionar plant, im Theater, dem regulären Tagungsort der Volksversammlung¹⁴⁵, zu den Menschen zu sprechen, erkennen die Jünger, dass es

 Vgl. C. Schulte, Grammateis,  – ; P. Trebilco, Asia, ; A.H.M. Jones, City,  – .  Eine persönliche Freundschaft, wie es zahlreiche Stimmen problematisieren (vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; G. Lüdemann, Christentum, ), wirft zwangsläufig die Frage auf, was Lukas mit dieser Information bewirken wollte. Auf privater Ebene gedacht, mag diese Beziehung ggf. auf den gesellschaftlichen Status des Paulus hinweisen (so z. B. J. Roloff, Apostelgeschichte, ). Über die Wertung des Evangeliums in der konkret geschilderten Situation von Apg , –  sagt das indes nichts aus. Es muss somit um den Gedanken der Zustimmung und Unterstützung von Völkermissionar und Evangelium gehen, der im Vordergrund von Apg , –  steht.  Zumeist nicht im Kontrast zur Aussage des Stadtschreibers gesehen, dienen die Asiarchen der Legitimation der Mission. Mit C.K. Barrett, Acts , ; G. Lüdemann, Christentum, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  So werten auch R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Vgl. R. Selinger, Demetriusunruhen,  – ; C.K. Barrett, Acts , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; S. Shauf, Theology,  Anm. .

II. Die Einflüsse von Lokalkolorit auf Form und Gestalt der Episode

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sich bei dieser Zusammenrottung weder um eine offizielle Versammlung noch um eine Gruppe von Menschen handelt, die empfänglich für Argumente wären. Diese unterschiedliche Wahrnehmung der Ereignisse, die zwischen der legitimen Volksversammlung und einem Aufruhr unterscheidet, verdeutlicht Lukas eindrücklich auf semantischer Ebene¹⁴⁶. Während Paulus in der Formulierung seiner Intention (vgl. Apg 19,30a) den offiziellen Begriff „δῆμος“ verwendet¹⁴⁷, begegnet im weiteren Text das Lexem „ὄχλος“ (vgl. Apg 19,33.35) als Bezeichnung einer aufgebrachten Menge¹⁴⁸. Diesen Gedanken mag ein weiterer Wechsel in der Benennung der Menge unterstreichen. In Apg 19,32 nennt Lukas die Menschen, die ins Theater stürmten, „ἐκκλησία“ (vgl. Apg 19,32.39), was der antiken Grundbedeutung nach die Bezeichnung einer „ordnungsgemäß berufenen politischen Versammlung“ ist¹⁴⁹. Erweitert um den Aspekt der allgemeinen Verwirrung (vgl. Apg 19,32b) komplettiert dieser Ausdruck das gewonnene Bild von den chaotischen Zuständen. Die Einschätzung, bei den Asiarchen handele es sich um Christen, oder zumindest Griechen, die dem Evangelium nahestehen, vermittelt noch eine weitere Information. Bereits in der Auseinandersetzung mit der Aussage des Demetrius wurde deutlich, dass Lukas in der Darstellung auf Attribute und Argumente zurückgreift, die als Teil einer kritischen Bewertung häufig Gegenstand alttestamentlicher Völkerpolemik sind¹⁵⁰. Nunmehr ein Beispiel für Vertreter der Völker zu geben, die den Götzen abgeschworen und sich dem Gott Israels zugewandt haben, ist nicht nur als Gegenentwurf zum Silberschmied oder zum Stadtschreiber zu verstehen. Im Gegenüber zum Verhalten der jüdischen Gemeinde (vgl. Apg 19,8 – 10), erlaubt sich Lukas hier eine Spitze, indem er die praktische Auswirkung des Evangeliums – die Bekehrung der Völker zum Gott Israels (vgl. Apg 1,8; 9,15) – hervorhebt und sie dem Ungehorsam der ansässigen Juden gegenüberstellt (vgl. Apg 19,33 – 34). Damit zeigt sich, dass beide Zwischenszenen (Apg 19,30 – 31.33 – 34) keineswegs nachträgliche oder eigenständige Anmerkungen sind, die der Autor von außen an den Text heranträgt¹⁵¹. Sie sind inhaltlich sowohl mit der Erzählung als auch untereinander verbunden und erweitern die Episode um

 Auf diese Unterscheidung verweisen P. Lampe, Acta ,  – ; R. Strelan, Artemis, ; C.K. Barrett, Acts , .  Vgl. W. Bauer, WzNT, ; W. Grundmann, δῆμος, ; P. Lampe, Acta , .  Dazu C.K. Barrett, Acts , ; W. Bauer, WzNT,  – ; P. Lampe, Acta , .  W. Bauer, WzNT, ,.d. So auch C.K. Barrett, Acts , , der auf die inhaltliche Spannung hinweist, die den Begriff in dieser Situation begleitet.  Dazu s.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

theologische Motive, die zumindest im Zusammenhang der untersuchten thematischen Reihe von Bedeutung sind.

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber 1. Apg 19,23 – 40 als Diskussion zweier Vertreter der Völker über das Evangelium Die Analyse der Form von Apg 19,23 – 40 legte eine Textkonstruktion offen¹⁵², die im Aufbau sowie argumentativen Ablauf Gemeinsamkeiten mit der antiken Gattung Chreia aufweist. Einer eingangs formulierten These (vgl. Apg 19,25 – 27) steht eine zweite (vgl. Apg 19,35 – 40a) gegenüber, die kommentierend einen konträren Ansatz zum gleichen thematischen Gegenstand vertritt. Verbunden durch einen narrativen Mittelteil (Apg 19,28 – 34) entsteht eine ausführliche Erzählung die, als dramatische Episode gewertet, aus dem übergeordneten Kontext der Missionsreise heraustritt (Apg 18,23 – 21,14) und ein eigenes Thema behandelt. Die Tendenz, solche Texte innerhalb längerer Erzählstrukturen in thematischen Reihen zu organisieren, macht ferner die Verbindung zu anderen Episoden wahrscheinlich, die einem ähnlichen Setting folgen (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 24; 17,16 – 34). Für Verwunderung sorgte die inhaltliche Ausrichtung der konkurrierenden Aussagen von Apg 19,25 – 27 und Apg 19,35 – 40a, die scheinbar von der leitenden Intention der Gattung abweichen, dem Leser unmittelbar einen Inhalt nahe zu bringen, den der Autor als wertvoll und richtig erachtet. Erst der Hinweis auf die verschiedenen stilistischen Gestaltungswege dieser Kategorie, Thesen und Überzeugungen darzustellen, sowie die nähere Betrachtung der beiden Zwischenszenen, die den Mittelteil der Erzählung prägen (vgl. Apg 19,30 – 31.33 – 34), trugen zur Auflösung dieser Problematik bei. Als Indiz für Ironie gewertet, eines der am häufigsten genutzten Stilmittel der antiken Chreia, eröffnet sich die Möglichkeit, Apg 19,23 – 40 im Sinne einer idealen Szene zu lesen, in der der Autor seiner Leserschaft Charaktere vor Augen führt, die sich in einem definierten inhaltlichen Rahmen selbst bloßstellen¹⁵³. Die so vorgeführten Reden, Denk- und Verhaltensweisen sind folglich so formuliert, dass sie, mit einem humoristischen Unterton versehen, den gezeichneten Figuren einen exemplarischen Standpunkt zuweisen, der im Gegenüber zu den Inhalten des Evangeliums (vgl. Apg 19,26b) dem Leser ein entlarvendes respektive erhellendes

 Zur Zusammenfassung im folgenden Absatz siehe a.a.O.  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – .

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber

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Bild dieser Menschen vermittelt¹⁵⁴. Für diese Deutung der im Text angelegten Spannung zwischen den Aussagen der Hauptcharaktere auf der einen und der theologischen Position des Autors auf der anderen Seite, sprechen ferner die Erkenntnisse über die beiden Zwischenszenen des Mittelteils der Episode (Apg 19,30 – 31.33 – 34). Nicht genug, dass sie zur inhaltlichen Abstimmung von Apg 19,23 – 40 beitragen und damit einen anschaulichen wie stimmigen Ablauf bedingen. Diese Verse repräsentieren ferner am Rande der Hauptdiskussion die nur scheinbar fehlende Wiedergabe des alttestamentlichen Standpunktes des Autors¹⁵⁵, wodurch Raum für die ironische Zuspitzung auf zwei genuin hellenistische Aussprüche geschaffen wird. Losgelöst von der Notwendigkeit, den Standpunkt des Autors ausführlich zu vermitteln, eröffnet sich für die Gestaltung der zentralen Reden der Episode zudem die Möglichkeit, einen besonderen Schwerpunkt zu setzen. Dabei erweist sich das Evangelium, das sowohl in den Reden als auch in den Zwischenszenen Thema ist und vom Autor ausdrücklich in der alttestamentlichen Tradition verortet wird¹⁵⁶, als gemeinsamer Reibungspunkt, an dem sich Silberschmied wie Stadtschreiber in ihren Aussagen orientieren. Darüber hinaus ist dem Leser dank dieser theologischen Einordnung des Evangeliums ein Maßstab an die Hand gegeben, an dem er die vermittelten Inhalte der beiden Redner kritisch bewerten kann. Vorausblickend auf die Einordnung der Episode in die verfolgte thematische Reihe kommen Apg 19,25 – 27 sowie Apg 19,35 – 40a ebenfalls besonderes Gewicht zu, da sie als Träger der Auseinandersetzung diejenigen Informationen vermitteln, welche der Episode individuellen Charakter verleihen.

2. Das Evangelium als Gefährdung paganer Kulte (Apg 19,25 – 27) Im Unterschied zur Teilepisode Apg 16,16 – 22, in der das Setting einer Klage gegeben ist, mit der die Herren einer Sklavin, die als Wahrsagerin tätig ist, auf den Verlust ihrer wirtschaftlichen Grundlage reagieren (vgl. Apg 16,19 – 21), deutet

 Über das zu erwartende Publikum des Doppelwerks, vgl. Kap. , Anm. . Den Gedanken, dass der Autor dem Inhalt der Reden nicht unmittelbar zustimmt, sondern eine Botschaft mit Hilfe ironischer Abgrenzung zu vermitteln sucht, verfolgt auch W. Weren, Silversmiths, . R. Pesch, Apostelgeschichte ,  stellt zumindest versteckte Ironie fest.  Von einem formalen Standpunkt aus ist diese Zwischenszene (Apg , – ) ausreichend, um die Position des Lukas zu vermitteln, wodurch ein aktives Eingreifen des Paulus überflüssig wird.  S.o. S.  ff.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

bereits die Beschreibung der Voraussetzungen in Ephesus (vgl. Apg 19,24– 27) eine Verschiebung des thematischen Schwerpunktes an. Zweifelsohne spielen Elemente wie monetäre Interessen („παρείχετο τοῖς τεχνίταις οὐκ ὀλίγην ἐργασίαν“) oder die Gefährdung der öffentlichen Ordnung („καὶ ἐπλήσθη ἡ πόλις τῆς συγχύσεως“) eine Rolle. Dennoch weicht die inhaltliche Verzahnung dieser Motive von der Form ab, die im Zusammenhang der Auseinandersetzung des Paulus mit einem Wahrsagegeist begegnete (vgl. Apg 16,16 – 22). Zwar geht es in beiden Texten um die wirtschaftliche Nuance antiker Kultformen¹⁵⁷, allerdings erweisen sich die Unterschiede im kulturellen Milieu als erheblich. Entstand das Geschäft der Herren in Philippi auf der Agora unter Gauklern und Magiern¹⁵⁸, vertritt Demetrius ein angesehenes Handwerk¹⁵⁹, welches er in Assoziation mit einer der bedeutendsten Kultstätten der antiken Welt ausübt¹⁶⁰. Darüber hinaus weichen die beiden Episoden im konkreten Streitpunkt voneinander ab. Während in Philippi die Besitzer einer besessenen Magd unmittelbar auf einen Exorzismus reagieren (vgl. Apg 16,18 – 19), der ihnen die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs entzog (vgl. Apg 16,19a), greift der Silberschmied in Ephesus einen Leitsatz des Evangeliums auf (vgl. Apg 19,26), um an diesem einen systemischen Konflikt aufzuzeigen¹⁶¹. Dabei ist der problematisierte Zusammenhang, dass die alttestamentliche Überzeugung, handgemachte Götzen seien keine Götter, unvereinbar dem Devotionalienhandel der Völker entgegensteht, an sich wenig überraschend. Als logische Folge aus der konsequenten Auslegung des ersten Gebotes des Dekalogs (Ex 20,2– 17; Deut 5,6 – 21) griff Lukas diese Thematik in ähnlicher Weise bereits in der Auseinandersetzung zwischen Paulus und den Athener Philosophen auf, um im Gegenüber zu diesem Standpunkt einen Fehler einer paganen Weltanschauung nachzuweisen¹⁶². Die besondere Nuance, durch die der Autor die Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) von vergleichbaren Erzählungen (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 24; 17,16 – 34) unterscheidet, ist indes aus den Argumenten heraus zu ersehen, mit denen Demetrius den Konflikt schildert.

 Diesen Gedanken als Antrieb des Demetrius sehen auch J. Roloff, Apostelgeschichte, ; G. Schille, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Dazu s.o. S.  ff.  Vgl. Kap. , Anm. .  Zur wirtschaftlichen Rolle des Tempels in Ephesus s. o. S.  ff. Ferner R.E. Oster Jr., Artemis,  – .  So J. Roloff, Apostelgeschichte, ; W. Weren, Silversmiths,  – ; G. Schille, Apostelgeschichte, .  Dazu s.o. S.  ff.

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber

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Als Erkennungsmerkmal der handwerklichen Tätigkeit des Silberschmieds gewertet, evoziert der Hinweis auf die Herstellung silberner Tempel der Göttin Artemis (vgl. Apg 19,24– 27) ein kulturelles Setting, welches bereits im Alten Testament als Trennlinie zwischen dem Volk Gottes und den Fremdvölkern diente¹⁶³ (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9). So beschreibt beispielsweise Jer 10,7– 10 die Kultpraktiken der Völker als Verehrung des Nichtigen, sowie törichte Überhöhung der Arbeit von Handwerkern und Goldschmieden („καὶ χεὶρ χρυσοχόων ἔργα τεχνιτῶν πάντα“). Drastisch wie übereinstimmend mit dem von Demetrius aufgeführten Ausspruch des Evangeliums stellt EpJer 1,44 über Götterbilder fest, dass diese nur Betrug (ψευδής) seien und fragt im gleichen Atemzug,wie man diese Gegenstände Götter nennen könne („πῶς οὖν νομιστέον ἢ κλητέον ὥστε θεοὺς αὐτοὺς ὑπάρχειν“). Bezogen auf die Herstellung jener Devotionalien, die EpJer 1,45 weiter als Werk von Schmieden und Handwerkern bewertet, gelten diese lediglich als ein Abbild der Vorstellungskraft und Wünsche ihres Schöpfers („ὃ βούλονται οἱ τεχνῖται αὐτὰ γενέσθαι“). Diese kritische Haltung gegenüber Götterbildern, die Lukas den alttestamentlichen Traditionen entnimmt, wird nicht zuletzt aus der Szene Ex 32,1– 6 deutlich. Israel fordert Aaron auf, ihnen einen Gott zu machen, der vor ihnen herläuft („ποίησον ἡμῖν θεούς οἳ προπορεύσονται ἡμῶν“). Das Ergebnis dieses Wunsches ist das goldene Kalb, welches der Autor des Doppelwerks nur als ein Beispiel für die Abkehr Israels von Gott wertet (vgl. Apg 7,39 – 43). Auch wenn Götterbilder, entsprechend alttestamentlicher Völkerpolemik (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9), nicht mehr als die Summe des verarbeiteten Materials sind¹⁶⁴, drücken sie gleichzeitig die Verachtung der Menschen gegenüber dem lebendigen Gott aus, der in solchen Verkörperungen den Elementen seiner eigenen Schöpfung sowie menschlichen Absichten nachgeordnet wird. Dem gegenüber steht das Bild eines kultisch geprägten Handwerks¹⁶⁵, welches der Silberschmied für sich und die Mitglieder seiner Zunft in Anspruch nimmt. Diesem Gedanken folgend galt in weiten Teilen der antiken Welt die Herstellung und Errichtung eines Götterbildes als ein Akt von teils kultischer Bedeutung. Der Schmied verband das Material mit der Essenz der dargestellten Gottheit und konstruierte auf diesem Wege eine Brücke zwischen Mensch und Gott¹⁶⁶. Wird diese Beziehung durch ein Wort des Evangeliums in Frage gestellt, so wirkt sich

 S.o. S.  ff.  Vgl. A. Berlejung, Theologie, . – ; J. Woyke, Götter,  – ; H. Külling, Geheimnis,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .  Siehe J. Woyke, Götter,  – ..

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

diese Tendenz zweifelsohne auf die Vorstellungen aus, die die Menschen mit ihren Götterbildern verbanden¹⁶⁷ (vgl. Apg 19,26). Eingeleitet durch die Aussage, Paulus bringe das Gewerbe der Devotionalienhändler in Verruf (vgl. Apg 19,27a), führt der Silberschmied diese Problematik von seinem Standpunkt her aus. Demnach erweist sich die Gefährdung der Ehre der Göttin Artemis als logische Folge aus der Geringschätzung des Evangeliums gegenüber dem Handwerk. Unterstrichen durch die übergreifende Wendung „οὐ μόνον δὲ, […] ἀλλὰ καὶ“, die den geschäftlichen Verlust der Handwerker als Ausgangspunkt der Argumentationskette definiert¹⁶⁸, folgt, im Sinne eines Resultates, der Hinweis auf die Nichtachtung von Tempel und Göttin (vgl. Apg 19,27b). Aus diesem Vorgehen, welches formal Kultstätte und Statue in eine Reihe mit den silbernen Tempeln der Devotionalienhändler stellt, wird zudem besagtes Selbstbild des Silberschmieds ersichtlich. Der Ruhm der großen Göttin Artemis zeigt sich hiernach abhängig von der Breitenwirkung ihres Standbildes¹⁶⁹, zu der die Handwerker maßgeblich beitragen. Der Blick auf die Betonung der weltweiten Verehrung der Artemis von Ephesus (vgl. Apg 19,27c) mag den hergestellten Zusammenhang, der eine Gottheit in Abhängigkeit von dem ihr assoziierten Standbildes versteht, noch unterstreichen. Den Hinweis auf die Zahl der Anhänger des Kultes, den später auch der Stadtschreiber als Argument aufgreift (vgl. Apg 19,35), setzt Demetrius ans Ende seiner Ausführungen, die von sinkenden Verkaufszahlen im Devotionalienhandel ausgehen. Diese wirtschaftliche Situation führt der Silberschmied unmittelbar auf die Erfolge zurück, die Paulus mit dem Evangelium in ganz Kleinasien erzielte (vgl. Apg 19,26a). Entsprechend dem theologischen Leitsatz „οὐκ εἰσὶν θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“ beurteilen demzufolge mehr und mehr Menschen die Arbeit der Silberschmiede als handwerkliche Leistung, der keinerlei kultischer Mehrwert innewohnt¹⁷⁰. Diese Entwicklung weiterdenkend, erkennt der Silberschmied in der Situation des heimischen Devotionalienhandels einen Trend, der schlussendlich den Kult der Artemis von Ephesus selbst beeinträchtigen musste¹⁷¹. Wird die Nachbildung eines Götterbildes nur noch als Gegenstand gewertet, so ist die  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; G. Schille, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Dazu Kap. , Anm. .  So auch J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.L. Brinks, Artemis, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Vgl. Kap. , Anm. .  Obwohl diese Einschätzung des Silberschmieds in der religiösen Situation, die im . Jh. n.Chr. in Ephesus vorherrschte, kaum wahrscheinlich erscheint (mit R. Selinger, Demetriusunruhen,  Anm. ), ist dieser Aussage zumindest in der Konsequenz, auf die das Evangelium abzielt, Recht zu geben.

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber

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Übertragung dieser bedeutungsbezogenen Reduktion auf das Original nicht mehr als ein formaler Schritt, der schließlich auch die Vorlage beeinträchtigt. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang der Umstand, dass Demetrius mit dieser Beschreibung ein Szenario zeichnet, welches konsequent durchdacht der Zielsetzung jüdisch-christlicher Hoffnungen entspricht¹⁷², die bereits die alttestamentlichen Propheten formulierten (vgl. Jes 2,2– 4; 60; 66,20; Mi 4,1– 5). Unabhängig von der historischen Situation, in der das Christentum kaum als Gefährdung eines internationalen Kultes wie dem der Artemis von Ephesus gelten konnte¹⁷³, deutet die festgestellte Abkehr vieler Menschen vom Kult der Artemis (vgl. Apg 19,26a) eben jenen Gegenstand an, die Lukas wiederholt als Ziel des Evangeliums hervorhebt (vgl. Apg 14,15; 17,30 – 31). Demetrius erkennt demzufolge aus der Perspektive eines hellenistischen Weltbildes heraus, welches kultische wie wirtschaftliche Aspekte in einer engen Verzahnung versteht, im Evangelium eine systemische Gefahr, die nicht nur sein Gewerbe, sondern auch den dazugehörigen Kult in Frage stellt¹⁷⁴.

3. Die Gegenposition des Stadtschreibers (Apg 19,35 – 40a) Entgegen der Erwartungen, die sich an eine Rede richten, die, gleichermaßen als Höhepunkt der Diskussion, eine kommentierende Gegenposition zum Votum des Silberschmieds vermitteln soll¹⁷⁵, verfolgt der Stadtschreiber (Apg 19,35 – 40a) eine andere Intention. Er reagiert mit seinen Ausführungen auf eine Situation, die Demetrius ursächlich hervorrief und deren tumultartige Gestalt den gesellschaftlichen Frieden und damit den Status der Stadt Ephesus gefährdet (vgl. Apg 19,40a). Somit mag die einleitende Argumentation über die Gefahren, die das Evangelium gegenüber dem Devotionalienhandel und davon abhängig für die Ehre der Göttin Artemis darstellt (vgl. Apg 19,27), als inhaltlicher Auslöser der Situation, auch als Wendepunkt der Schlussrede gelten. Das leitende Motiv hinter den Ausführungen des Stadtschreibers liegt jedoch in der Abwehr von Sanktionen

 So auch J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; C.K. Barrett, Acts ,  – .  Die unmittelbare Gefahr scheint eher gering, auch wenn Plinius der Jüngere, Epist., ,, später von ähnlichen Problemen berichtet. Erst im . Jh. n.Chr. löste das Christentum den Kult der Artemis von Ephesus ab. Mit P. Trebilco, Asia, ; G. Schille, Apostelgeschichte, . Gegen C.K. Barrett, Acts , ; A. Weiser, Apostelgeschichte ,  – .  Vgl. R. Strelan, Artemis, ; W. Weren, Silversmiths, .  Zu dieser Verhältnissetzung der Reden s. o. S.  ff.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

gegen die Stadt begründet¹⁷⁶ (vgl. Apg 19,40a). Die Linie (Apg 19,37), die verschleppten Mitarbeiter gegenüber den Vorwürfen des Tempelraubes (ἱερόσυλος) und der Gotteslästerung (βλασφημέω) in Schutz zu nehmen, entspringt demzufolge nicht einer theologischen Einsicht, sondern verfolgt politische Motive¹⁷⁷. Entsprechend dieser Intention ist die Rede selbst, neben der juristischen Bewertung des Falles, von Elementen bestimmt, die darauf angelegt sind, den Unmut der Volksmenge zu beschwichtigen. Ausgehend von der Bestätigung patriotischer Gefühle und Glaubensvorstellungen¹⁷⁸ (vgl. Apg 19,35 – 36) sowie dem Verweis auf die weltweite Anerkennung der Bedeutung der Göttin Artemis (Apg 19,35a), greift der Stadtschreiber die Herkunft des Standbildes als weiteres Argument auf. Demnach entstammt das Bildnis nicht der Werkstatt eines Handwerkers, sondern wurde vom Göttervater Zeus selbst vom Himmel her gestiftet (διοπετής). Dieser religiöse Beleg, so zweifelhaft er im historischen Kontext auch sein mag¹⁷⁹, verursacht einen Richtungswechsel innerhalb der Diskussion. Dringt Demetrius noch auf eine Grundsatzentscheidung über den Zusammenhang zwischen handwerklicher Herstellung und wahrer Göttlichkeit eines Standbildes, löst der Stadtschreiber die vormalig vereinnahmte Göttin Artemis aus diesem Kontext heraus und stellt ihr Bildnis als unabhängig von dieser Problemstellung dar¹⁸⁰. Erst in einem zweiten Schritt kommentiert der Beamte die Vorwürfe des Silberschmieds, die er mit Blick auf die finanziellen Verlustängste an die staatliche

 Die vom Stadtschreiber angesprochenen Straftatbestände galten in der antiken Gesellschaft als schwere Verbrechen, die allein geeignet wären, eine Volksversammlung, aber sicherlich keine Unruhen (Apg , – ) zu rechtfertigen. Der städtische Beamte klammert demnach die einzig legitimen Gründe für die Versammlung aus, um die Situation auf eine sachliche Ebene zu lenken (vgl. Apg ,). Zu dieser Gefährdung, siehe Dio Chrysostomos, Or., , – ; Cassius Dio, ,.. Ferner R. Selinger, Demetriusunruhen,  Anm. .. Anm. ; P. Trebilco, Asia,  – . – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  f; P. Lampe, Acta , .  Vgl. S. Shauf, Theology, ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts ,  – .  Vgl. W. Weren, Silversmiths,  – ; S. Shauf, Theology,  – ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Die Gestalt des Standbildes der Artemis wurde wohl über die Zeiten mehrfach an wechselnde religiöse Gegebenheiten angepasst. Siehe W. Elliger, Ephesos,  – ; F. Miltner, Ephesos, . – . Die Verehrung von Meteoriten, wie die Aussage des Stadtschreibers meistens gewertet wird (vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; W. Weren, Silversmiths, ; P. Trebilco, Asia,  – ), war zudem in der antiken Gesellschaft verbreitet und dürfte ebenfalls von dem jüdisch-christlichen Vorwurf gegen die Völker betroffen sein, Natur und Gott zu verwechseln (SapSal , – ; , – ).  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte, , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; S. Shauf, Theology, ; R. Selinger, Demetriusunruhen,  Anm. .

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber

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Gerichtsbarkeit verweist (vgl. Apg 19,38). Auch darin macht der γραμματεύς deutlich, dass er die Analogie zwischen Handwerk und Göttlichkeit nicht teilt¹⁸¹. Diese Bewertung der Problematik als Zugeständnis oder sachgemäße Verteidigung der Position des Evangeliums zu deuten¹⁸², scheint jedoch überzogen. Anders als die elementare Forderung, die Paulus mit der Äußerung, handgemachte Götzen seien keine Götter (vgl. Apg 19,26b), gegenüber den Völkern, deren Kulten und Vorstellungen erhebt, weicht der Stadtschreiber dieser Problematik lediglich aus. Auch wenn es auf diesem Wege gelingt, den Aufstand der Anhänger der Artemis zu beenden, eine Antwort auf die von Demetrius aufgeworfene Problematik bieten die Ausführungen des Stadtschreibers nicht an. Tatsächlich intensiviert der Beamte die Spannung¹⁸³, da er für das Standbild der Artemis, welches nach alttestamentlicher Vorstellung auch nur ein bearbeiteter Stein ist, einen Wert einräumt, den er den Devotionalien des Silberschmieds verweigert.Während er jenem Bildnis der Artemis unwidersprechlich göttlichen Charakter bescheinigt (vgl. Apg 19,36a), stellt der Stadtschreiber die Nachbildungen des Silberschmieds als Gegenstand eines separaten Sachverhaltes dar, der frei von religiösem Inhalt lediglich die weltliche Gerichtsbarkeit betrifft¹⁸⁴. Ein solcher Kompromiss ist keinesfalls mit dem alttestamentlichen Gebot der Einzigkeit Gottes, und damit einhergehend dem Verbot von Götterbildern, vereinbar, zumal der Beamte in diesem Vorgehen, noch deutlicher als Demetrius, dem Gott Israels eine andere Gottheit zur Seite stellt.

3.1 Die Aussage des Stadtschreibers gewertet aus jüdischer Perspektive Im Kontext der systematischen Abgrenzung von der Position des Silberschmieds, die der Stadtschreiber mit Hilfe der Unterscheidung von Devotionalien gegenüber dem Standbild der Artemis vollzieht¹⁸⁵, wird eine gedankliche Leitlinie des städtischen Beamten erkennbar, die ebenfalls den aufgeführten Anliegen des Evangeliums zuwiderläuft (vgl. Apg 19,26b). Die Situation, die Demetrius zu Recht als  Dieser Rückschluss ergibt sich aus der ausdrücklichen Betonung der himmlischen Herkunft des Standbildes (dazu J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ).  Vgl.W. Schmithals, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , . f; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; J.A. Fitzmyer, Acts, .  Dazu Kap. , Anm. .  In diesem Kontext fällt eine Formulierung ins Auge, in der der Stadtschreiber Demetrius und das Handwerk im Sinne einer assoziierten Gemeinschaft versteht (Apg ,): „εἰ μὲν οὖν Δημήτριος καὶ οἱ σὺν αὐτῷ τεχνῖται ἔχουσι πρός τινα λόγον.“ Zur Einschätzung dieser inhaltlichen Reduktion, siehe C.K. Barrett, Acts , ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; R. Selinger, Demetriusunruhen,  – ; S. Shauf, Theology,  – .  Vgl. Kap. , Anm. .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

Gefährdung seines Handwerks sowie der daran anknüpfenden Kultform beklagt¹⁸⁶, geht auf eine zweiteilige Erkenntnis zurück, die er programmatisch in einem Kernsatz zusammenfasst (vgl. Apg 19,26b). Der erste Aspekt dieses Gedankens ist die Einsicht, dass, dem Ansatz des Evangeliums folgend, nur der Gott Israels Gott ist, wohingegen die religiösen Vorstellungen der Völker als Aberglauben und Überhöhung der Schöpfung abgetan werden (vgl. Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9; SapSal 13,5.13 – 19; 15,15 – 19; Apg 14,15 – 18; 17,22b). Die zweite, nicht minder logische Folge aus der ersten Einsicht versteht, dass der lebendige Gott sich nicht in Bildern und handgemachten Tempeln fassen lässt (vgl. Apg 7,48; 17,24). Unter dieser Prämisse erscheint die Verehrung von Standbildern als nichtige wie einfältige Handlung (vgl. SapSal 13,5.13 – 19; 15,15 – 19), welche ohne Verlust aufgegeben werden könnte. Zwar gelingt es dem Stadtschreiber mit dem Hinweis auf den himmlischen Ursprung des Standbildes der Artemis (vgl. Apg 19,35b), die enge Formulierung des Silberschmieds zu umgehen; die Spannung zu jener Grundaussage des Evangeliums vermag er auf diesem Wege jedoch nicht aufzulösen¹⁸⁷. Tatsächlich erscheint die Trennlinie zwischen den Anhängern der Artemis auf der einen und denen des Paulus auf der anderen Seite durch diese Feststellung (vgl. Apg 19,35 – 36) noch deutlicher gezogen. Neben dem Umstand, dass der Stadtschreiber auch nach seiner Abgrenzung von Devotionalien am Kult der Artemis festhält, etabliert die Betonung jenes Standbildes als Gegenstand göttlicher Provenienz die Vorstellung einer weiteren Gottheit neben dem Gott Israels. Dieser Verstoß gegen einen Kerngedanken des Evangeliums vermittelt dem Leser nicht nur die unterschiedlichen Standpunkte, die Christen und Völker trennen. Der Stadtschreiber erweist sich damit gerade nicht als Verteidiger des Evangeliums¹⁸⁸, sondern als Politiker, dem es mit einem stilistischen Trick gelingt, eine gefährliche Situation aufzulösen¹⁸⁹. Mit dieser ernüchternden Erkenntnis, die zeigt, dass die Einsicht des Stadtschreibers aus pragmatischen Gründen noch hinter der des Silberschmieds zurückbleibt, ist allerdings nur ein erstes Teilchen aus dem ironischen Gesamtbild erfasst, welches Lukas mit Hilfe der zweiten Rede vermittelt. Über diesen inhaltlichen Aspekt hinaus, geben Kontext und Form, in der der Beamte argumentiert, weiteren Anlass zur kritischen Nachfrage.Wie der Silberschmied auch,verfolgt der

 Vgl. W. Weren, Silversmiths, ; S.M. Baugh, Paul, ; S. Shauf, Theology, .  Gegen R. Selinger, Demetriusunruhen,  Anm. ; G. Lüdemann, Christentum, ; R.F. Stoops, Riot, .  Zur Auseinandersetzung mit der These, Apg , −a im Sinne einer politischen Apologie zu lesen s. o. S.  – .  Vgl. Kap. , Anm. .

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber

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Stadtschreiber mit seiner Rede ein konkretes Ziel¹⁹⁰, für dessen Verwirklichung der Beamte die anfangs gestellte Problematik der Episode (vgl. Apg 19,26b) ignoriert. Die Argumentation selbst, die dem einen Standbild Göttlichkeit zuspricht, um zugleich der Mehrheit der anderen diesen Status zu verweigern, lässt Zweifel an der Voraussicht des Stadtschreibers aufkommen. Verbunden mit der selektiven Sichtweise, die die Rede des Beamten zu prägen scheint, stellt sich die Frage, ob der Leser den Ausführungen (Apg 19,35 – 40a) noch weitere ironische Untertöne entnehmen kann.

3.2 Die Mehrdeutigkeit und Ironie der Rede des Stadtschreibers Die unentschiedene Haltung des Stadtschreibers, wonach er Götterbilder mit unterschiedlichem Maß misst, erweist sich bei näherer Betrachtung lediglich als Quintessenz einer Gedankenkette, die dem Leser mehr als einen Anlass zur Kritik bietet. Im Sinne eines ersten Beweises, der die Göttlichkeit des Artemisbildes belegen soll, führt der Stadtschreiber den Titel „νεωκόρος“ an (vgl. Apg 19,35b). Zwar mag diese Auszeichnung, die Ephesus als Hüterin von Tempel und begleitendem Kult der Artemis als bedeutende Institution im gesellschaftlichen Gefüge des römischen Großreiches¹⁹¹ definiert, geeignet sein, das Gemüt der aufgebrachten Menge zu beruhigen; den christlichen Leser überzeugt dieser Begriff als Argument jedoch nicht. Vielmehr unterstreicht der Rückgriff auf eine Auszeichnung, deren Autorität sich aus dem imperialen Herrscherkult ableitet¹⁹², die Gegensätze zwischen Stadtschreiber und Evangelium. Während die Zustimmung gegenüber dem betonten Status der Stadt als religiös bedeutsames Zentrum seitens der heidnischen Bevölkerung vorauszusetzen ist¹⁹³, dürfte demgegenüber Zuspruch vom christlichen Leser kaum zu erwarten sein. Wie die Juden, hielten auch die Christen, die Lukas mit Apg 19,34 gleichermaßen als Erwähltes Volk Israel verstanden wissen will¹⁹⁴, an der Einzigkeit Gottes fest, weshalb Anerkennung und Teilhabe an den Kulten der Völker ausgeschlossen war (vgl. Deut 7,25 – 26; Flavius Josephus, Ap., 1,249.310 – 320; Philo von Alexandria, Vit. Mos., 2,205 – 206). Von

 Dazu meint C.K. Barrett, Acts ,  – : „The town clerk was not speaking in order to satisfy Paul but to quell a riot.“  Siehe zur inhaltlichen Füllung und politischen Bedeutung dieses Titels Kap. , Anm. .  Vgl. Kap. , Anm. . Zum Charakter dieses maßgeblich politisch motivierten Kultes, siehe U. Wickert, Kleinasien,  – ; F.W. Walbank, Könige,  – .  Ephesus als Hauptstadt der Provinz Asia, vgl. W. Elliger, Ephesos,  – ; L.M. White, Development,  – ; W. Weren, Silversmiths, .  So auch R. Strelan, Artemis, ; W. Stegemann, Synagoge, ; P.G. Müller, Entscheidung,  – .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

diesem Standpunkt aus beruft sich der Stadtschreiber in Apg 19,35b auf einen Ehrentitel, der nur in den Ohren der aufgebrachten Menge (vgl. Apg 19,32) einen Wert darstellt. Der Beamte unternimmt demzufolge den Versuch, mit Hilfe eines politischen Titels eine Kernaussage des Evangeliums zu relativieren. Ein Unterfangen, welches aus christlicher Perspektive fragwürdig erscheint und das Unverständnis des Stadtschreibers offenlegt. In eine ähnliche Richtung weist das begleitende Mehrheitsargument („τίς γάρ ἐστιν ἀνθρώπων ὃς οὐ γινώσκει […]“), welches der Stadtschreiber vom Silberschmied übernimmt. Bereits in Apg 19,27b bemüht, verwendet der Beamte den Hinweis auf die weltweite Verehrung des Standbildes der Artemis als Beleg für dessen göttlichen Charakter. Deutlich erkennbar ist die Absicht, den besonderen Status von Tempel, Kult und Göttin durch die Zahl der Anhänger als gerechtfertigt darzustellen. Diesem Gedanken folgend wäre es unwahrscheinlich, dass Pilger aus aller Welt an die Kraft eines Bildnisses glaubten, das in Wahrheit nur ein behauener Stein bzw. ein handwerkliches Gut ist. Gerade von diesem Tatbestand geht jedoch die alttestamentliche Völkerpolemik aus¹⁹⁵, auf die Lukas gedanklich wiederholt zurückgreift. Demnach glauben die Völker nicht nur an leblose Gegenstände. Sie verwechseln darüber hinaus Elemente der Natur oder das Werk ihrer Hände unablässig mit dem lebendigen Gott (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9). Wird diese Sichtweise auf das Argument des Stadtschreibers (Apg 19,35a) übertragen, so bestätigt er letztlich mit seinem Hinweis auf die zahlreichen Anhänger der Artemis von Ephesus diesen Vorbehalt, den Lukas als symptomatisches Fehlverhalten paganer Lebensweisen vorstellt (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34). An diesen Gedanken anknüpfend, erweisen sich die beiden Anklagepunkte (vgl. Apg 19,37), die der Stadtschreiber für die Begleiter des Paulus ausschließt, als indirekter Zustimmung zu dem Verhalten der Christen gegenüber der Verehrung von Götterbildern. Jüdische Autoren wie beispielsweise Flavius Josephus oder Philo von Alexandria verweisen in ihren apologetischen Schriften auf den Umstand, dass schon das Alte Testament jene Streitpunkte (ἱερόσυλος / βλασφημία) im Umgang mit anderen Völkern und deren Religionen unter Strafe stellte (vgl. Flavius Josephus, Ap., 1,249.310 – 320; Philo von Alexandria, Vit. Mos., 2,205 – 206). Geleitet von der Absicht, das gespannte Verhältnis zwischen der römischen respektive hellenistischen Gesellschaft und dem Judentum nach 70 n.Chr. aufzulockern¹⁹⁶, blendeten diese Texte die theologische Nuance dieser Gebote aus¹⁹⁷,

 Dazu s.o. S.  ff.  Dazu W. Elliger, Ephesos, .

III. Die Positionen von Silberschmied und Stadtschreiber

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um die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen der jüdischen und der griechischrömischen Lebensweise aufzuzeigen. Dem steht eine andere Gewichtung dieser Gebote gegenüber, die auch im christlichen Denken Anklang fand. So verurteilt Paulus im Hinblick auf diesen Straftatbestand (vgl. Röm 2,22) weniger den Verstoß gegen die Konventionen des Zusammenlebens, der in Tempelraub und Blasphemie heidnischer Kultstätten sichtbar wird, als vielmehr die Missachtung eines alttestamentlichen Gebotes¹⁹⁸ (vgl. Deut 7,25 – 26). Demnach ist ein solcher Akt als Hinwendung zu den Göttern der Völker zu werten, der mit der Abkehr von Gottes Geboten einhergeht („ὁ βδελυσσόμενος τὰ εἴδωλα ἱεροσυλεῖς“). Noch deutlicher bringt Deut 7,25 – 26 diese Denkweise zum Ausdruck. In diesem Text, der die rigorose Distanzierung, sogar Vernichtung aller Götzen fordert, steht die Abwehr der verführerischen Kraft jener Kultgegenstände im Vordergrund („καὶ οὐ λήμψῃ σεαυτῷ μὴ πταίσῃς δι᾽αὐτο“), die final eine Gefährdung der Erwählung Israels darstellt („καὶ οὐκ εἰσοίσεις βδέλυγμα εἰς τὸν οἶκόν σου καὶ ἔσῃ ἀνάθημα“). Der leitende Gedanke hinter dieser Verhaltensweise ist somit in der Vorsorge zu sehen, die die Gläubigen vor der Gefahr der Abkehr von Gott schützen soll¹⁹⁹. Ironischer weise nimmt der Stadtschreiber mit seiner Aussage, Paulus und seine Begleiter seien eben keine Tempelräuber und Gotteslästerer (vgl. Apg 19,37), genau diejenige Handlungsweise in Schutz, die Demetrius als maßgebliche Gefahr für den Kult der Artemis ausmacht. An diesen Ausführungen wird zweierlei sichtbar: Die Rede des Stadtschreibers, die primär an die Anhänger der Artemis adressiert ist, divergiert in mehreren Punkten von der Absicht, die das Evangelium vertritt. Mehr noch offenbaren die vorgebrachten Argumente, die zur Beruhigung der Volksmenge führen, ein weitgehendes Unverständnis gegenüber der theologischen Problemstellung. Diese Spannung zwischen unterschiedlichen Verständnisebenen implementiert einen ironischen Ton, der jedoch nur dem Leser ersichtlich ist. Damit bestätigt sich zweitens die vermutete Funktionsweise der Episode, die anders als Apg 14,8 – 20 oder Apg 17,16 – 34 auf einem Modell indirekter Argumentationsführung aufbaut. Während die Protagonisten oberflächlich den Bedingungen der vorgegebenen Rahmenhandlung folgen, werden Ironie, Kritik und Polemik, die der Autor seiner Leserschaft zu vermitteln sucht, erst durch einen Blick von außen auf die Hand-

 Auf diese Differenz zwischen der Sichtweise des Stadtschreibers und der christlichen Seite verweisen C.K. Barrett, Acts ,  – ; R. Selinger, Demetriusunruhen,  Anm. .  Mit H. Schlier, Römerbrief, .  Dazu A. Weiser, Apostelgeschichte , . Auf den Aspekt der Verführung durch Götterbilder aus Gold und Silber, die das Alte Testament als Gefahr wahrnimmt, verweist auch J.Woyke, Götter, .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

lung ersichtlich²⁰⁰. Offen bleibt an diesem Punkt allerdings die Frage, wie dieses System aus Verknüpfungen im Zusammenhang zu verstehen ist.

IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion 1. Apg 19,23 – 40 als Verbindung unterschiedlicher Argumentationsebenen Die gezielte Auseinandersetzung mit der argumentativen Form der Erzählung legt den Schluss nahe, dass der Autor in dieser Episode Informationen auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung vermittelt. Diese Einschätzung mag zunächst wenig überraschen, scheint eine Trennung zwischen Erzählebene und Verständnisebene des Lesers bereits in der Funktionsweise der festgestellten Gattung angelegt²⁰¹. Aspekte der Ironie und Polemik, die der Rezipient allein aus den Anmerkungen des Autors oder der Darstellung eines aus christlicher Sicht normwidrigen Verhaltens respektive Denkens eines der Protagonisten entnehmen kann, bleiben den agierenden Erzählfiguren selbst verschlossen (vgl. Apg 14,9; 16,19; 17,21). Eine ähnliche Situation ist auch in der Präsentation von Apg 19,23 – 40 zu erkennen. Auf der Erzählebene nimmt der Silberschmied Demetrius Anstoß an einem Leitgedanken des christlichen Evangeliums (vgl. Apg 19,26b), den er als Gefährdung seines Einkommens sowie der Ehre der Artemis von Ephesus einschätzt²⁰². Ein aus diesem Anlass heraus entstehender Aufruhr (vgl. Apg 19,28 – 34), der alsbald die gesamte Stadt ergreift und tumultartig die Wiederherstellung der Ehre der Göttin einfordert, nötigt schließlich den Stadtschreiber in das Geschehen einzugreifen (vgl. Apg 19,35 – 40a). Gestützt durch religiöse wie juristische Argumente nimmt der Beamte die angegriffenen Mitarbeiter in Schutz (vgl. Apg 19,37) und löst den Konflikt zumindest äußerlich im Sinne der angeklagten Christen auf. Die Botschaft, der kontroverse Inhalt des Evangeliums sei nicht

 Vgl. W. Weren, Silversmiths, .  Neben der Handlung ist bei dieser Gattung stets die Botschaft von Bedeutung, die der Autor anhand von Charakteren, Handlungen und Reden dem Leser zu vermitteln sucht. Vgl. K. Berger, Gattungen ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, . Eine ähnliche Trennung in den Perspektiven vollzieht auch W. Weren, Silversmiths,  – . – .  Es zeigte sich, dass es nicht allein der Aspekt der Gier ist, den Lukas mit der Figur des Silberschmieds aufgreift, sondern ein bestimmtes Weltbild. Mit J. Roloff, Apostelgeschichte, . Zum Gedanken vgl. Kap. , Anm. .

IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion

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justiziabel zu beanstanden²⁰³, verbunden mit der Einschätzung, dass die Bevölkerung mit ihrem Verhalten selbst den religiösen und politischen Frieden der Stadt gefährde, vermittelt zumindest oberflächlich den Eindruck eines Textes, der ein apologetisches Anliegen verfolgt. Diese Betrachtung des Geschehens, welches Lukas aus Ephesus schildert, lässt allerdings neben der argumentativen Ebene, auf der die Reden des Silberschmieds und des Stadtschreibers in einem Verhältnis von These und Antithese aufeinander bezogen sind²⁰⁴, auch die angesprochene Deutungsebene des Lesers außen vor. Ohne diese zusätzlichen Eindrücke müsste der Informationsgehalt der Episode mit den Anliegen übereinstimmen, die die Protagonisten verfolgen. Die Spannungen, die sich im Zusammenhang mit diesem Deutungsentwurf zeigten, riefen allerdings erhebliche Zweifel hervor, ob der Text tatsächlich dieser geradlinigen Ausrichtung folgt. Die Analyse der Komposition, die zwei Reden offenlegte, die in Form einer chrienartigen Konstruktion die argumentative Gestalt des Textes bestimmen, rückt die Auseinandersetzung zwischen zwei Positionen ins Zentrum der Episode. Gestützt wird dieser Gedanke einer Verschiebung des Schwerpunkts der Erzählung durch den Umstand, dass die vertretenen Ansätze von Silberschmied (vgl. Apg 19,25b–27) und Stadtschreiber (vgl. Apg 19,35b–40a) deutlich von der theologischen Haltung abweichen, die Lukas an anderer Stelle des Doppelwerkes im Sinne einer Leitlinie vertritt²⁰⁵. Diese inhaltliche Situation, die deutlich zwischen dem Standpunkt des Evangeliums (Apg 19,26b) und dem der dargestellten Einwohner von Ephesus unterscheidet, legt den Schluss nahe, Apg 19,23 – 40 als weitere Abhandlung einer thematischen Reihe zu lesen, in der Lukas gerade diese Trennung ironisch bis polemisch aufarbeitet. Damit wird die Bewertung dieser Informationsebenen zur notwendigen Voraussetzung, um das gesamte inhaltliche Spektrum der Erzählung zu erfassen.

2. Die Artemis von Ephesus als Standbild von Menschenhand gemacht (χειροποίητος) Auf der argumentativen Ebene, die dem veranschlagten literarischen Konzept folgend Silberschmied und Stadtschreiber als Vertreter gegensätzlicher Positionen vorstellt, entsteht eine Diskussion, die den Leitspruch des Evangeliums „οὐκ εἰσὶν

 Auf diesen Aspekt weisen hin R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Selinger, Demetriusunruhen,  – . Es konnte gezeigt werden, dass diese Einschätzung nur ein Nebenprodukt der leitenden Intention des Stadtschreibers ist. S.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“, als Ausgangspunkt hat. Demetrius steht in diesem Schema für ein Weltbild ein, in dem die Verzahnung von kultischen und wirtschaftlichen Interessen ebenso akzeptiert ist wie die Herstellung und Verehrung von Götterbildern²⁰⁶. Ein Standbild aus Stein, Holz, Gold oder Silber ist dieser Vorstellung entsprechend weitaus mehr als nur ein bearbeiteter Sachwert. Als Verkörperung einer Verbindung zwischen irdischen Grundstoffen und göttlicher Essenz²⁰⁷ stellt der Silberschmied, diesem Gedanken entsprechend, eine Brücke zwischen Mensch und Gottheit her. Als Händler solcher Götterbilder eröffnet Demetrius demnach einer Vielzahl von Menschen die Möglichkeit, den Kult der Artemis von Ephesus überall auf der Welt auszuüben, weshalb die Einschätzung, sein Handwerk sei relevanter Faktor für die Ehre respektive Verbreitung der Göttin, durchaus nachvollziehbar ist. Eine Aussage, die jene Standbilder als leblose Gegenstände definiert (Apg 19,26b. par. Apg 14,15; 17,24– 25), erscheint zweifelsohne vor diesem Hintergrund als Angriff und Gefährdung von Profession sowie der verkörperten Gottheit²⁰⁸. Der argumentative Kunstgriff, den Demetrius vollführt, um die Wirkung seiner Anklage zu potenzieren und damit den breiten Unmut der Bevölkerung hervorzurufen, besteht in der Ausrichtung der eigentlich allgemein gehaltenen Aussage des Evangeliums auf den konkreten Fall eines Kultes, der die lokale Religiosität bestimmt²⁰⁹. Die umfassende Empörung, die, von dieser Sinnlinie ausgehend (vgl. Apg 19,28 – 34), alsbald den inhaltlichen Auslöser vergisst (vgl. Apg 19,32b) und somit in einem gefährlichen Aufstand gipfelt, definiert schließlich die äußere Ursache für das Eingreifen des Stadtschreibers. Als Beamter, der vor den römischen Behörden die Einhaltung des gesellschaftlichen Friedens zu garantieren hat²¹⁰, erkennt er weniger im Evangelium als in jenem Verhalten der Volksmenge eine Gefahr für das Wohl und die Freiheit der Stadt, weshalb er versucht, beruhigend auf die Situation einzuwirken. Obwohl die leitende Intention der zweiten Rede (Apg 19,35 – 40a) politischer Natur ist, setzt der Stadtschreiber zuerst an jener inhaltlichen Ausrichtung an, mit der Demetrius die Verletzung der religiösen Gefühle der Menschen in Ephesus  Zu diesem Thema, siehe A. Berlejung, Theologie, . – . – . R. Strelan, Artemis, ..  S.o. Kap. , Anm. .  S.o. Kap. , Anm. .  Diese Einschätzung der Missionsbemühungen des Paulus teilen R. Strelan, Artemis,  – .; R. Selinger, Demetriusunruhen, . Die Formulierung „οὐκ εἰσὶν θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“ (Apg ,b) greift keinen Kult im speziellen an, sondern stellt eine grundsätzliche Frage. Diese dürfte der eigentliche Auslöser des Konfliktes sein. Vgl. W. Weren, Silversmiths, ; S.M. Baugh, Paul, ; S. Shauf, Theology, .  Vgl. S. Shauf, Theology, ; R.A. Kearsley, Titulature,  – .

IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion

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provozierte. Dabei löst er die Problematik, die der Silberschmied angestoßen hat, nur bedingt auf. Bezogen auf das Standbild der Artemis von Ephesus stellt die Bestätigung des göttlichen Charakters dieser Götterstatue (vgl. Apg 19,35 – 36) nicht nur eine Affirmation und damit Beschwichtigung der religiösen Gefühle der aufgebrachten Menge dar. Mit dem Rückgriff auf die angebliche Abstammung des Standbildes (vgl. Apg 19,35) negiert der Stadtschreiber darüber hinaus die Möglichkeit eines Menschen, jene Beziehung zu reproduzieren, die dem Standbild der Artemis von Natur aus gegeben sei. Neben der daraus folgenden Einschätzung, dass das lokale Standbild tatsächlich die Artemis repräsentiert, kann das Anliegen des Demetrius unter dieser Voraussetzung als monetäres Interesse gewertet werden, das nicht die Volksversammlung, sondern die staatlichen Gerichte betrifft. Damit nimmt der Stadtschreiber seinerseits eine wertende Zuspitzung der Situation vor. Während Ehre und Bedeutung von Standbild, Tempel und Kult der Artemis von Ephesus durch die Aussage des Evangeliums scheinbar unberührt bleiben, stehen die Devotionalien weiterhin in der Kritik. Reduziert auf einen Streitpunkt, der, frei von religiösem Gewicht, die Einbußen der Silberschmiede als einen Verlust von Sachwerten bezeichnet, bestätigt der Beamte zumindest indirekt den hervorgehobenen Ansatz des Evangeliums „οὐκ εἰσὶν θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“. Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass der angeführte Gedanke, Standbilder und Götter voneinander zu trennen, auch im hellenistischen Denken des 1. Jh. n.Chr. Widerhall fand (vgl. Philostratus, Vit. Ap., 5,20; Clemens von Alexandria, Strom., 5,12,76)²¹¹, weshalb es unwahrscheinlich anmutet, die Ausführungen des γραμματεύς auf eine alttestamentliche Position zurückzuführen²¹². Ausgehend von dem Wunsch, den gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen, konnte dem Beamten keinerlei Intention nachgewiesen werden, sich aus theologischen Gründen für Paulus und seine Begleiter auszusprechen²¹³. Stattdessen offenbart die Argumentationsweise einen hellenistischen Blickwin-

 Zitiert bei R. Strelan, Artemis,  – . Siehe zu dieser gespannten Haltung W. Burkert, Religion, . Im Kontext der Stoa, vgl. W. Weinkauf, Stoa, . – ; M. Pohlenz, Stoa, .  Zur Auseinandersetzung mit der These eines apologetischen Anliegens,welches der Rede des Stadtschreibers zu Grunde liegt s. o. S.  f. Zudem konnte gezeigt werden, dass Lukas den Zuspruch zum Evangelium von hellenistischer Seite bewusst in die erste Zwischenszene auslagert (Apg ,−), um mit dem Stadtschreiber einen nichtchristlichen Standpunkt vorzuführen. S.o. S.  ff.  Mit W.Weren, Silversmiths, ; R. Selinger, Demetriusunruhen,  Anm. . Anm. ; P. Trebilco, Asia,  – . f; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; P. Lampe, Acta , .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

kel, der ausschließlich den politischen Frieden sowie die religiösen Belange von Stadt und Bevölkerung im Blick hat.

3. Apg 19,23 – 40 als ironische Erzählung Wie in der Analyse gezeigt, führt Lukas seinen Lesern keineswegs eine Diskussion zwischen einer hellenistischen und einer alttestamentlichen Perspektive über ein theologisches Grundsatzthema vor Augen. Beide Positionen, sei es die des Silberschmieds oder die des Stadtschreibers, repräsentieren Einschätzungen des Gegenstandes, die, von äußeren Einflüssen bestimmt, von einem nicht-jüdischen Standpunkt ausgehen²¹⁴. Diese eigenwillige Form, die auf den ersten Blick wie ein inhaltlicher Bruch mit der eindeutigen Haltung wirkt, die der Autor an anderen Stellen des Doppelwerkes vertritt²¹⁵, gibt indes in mehrfacher Hinsicht zu verstehen, dass der vermittelte Gehalt der Erzählung der ironischen Bewertung der geschilderten Situation zu entnehmen ist. Abgesehen von dem Umstand, dass die festgestellte Textgattung nicht selten die dominante Meinung des Autors durch dieses Stilmittel ausdrückt²¹⁶, ließ sich keine der diskutierten Äußerungen (vgl. Apg 19,27– 27.35 – 40a) mit der theologischen Haltung des Lukas vereinbaren. Diese Spannung, die unter einem anderen Vorzeichen nur als radikaler Meinungswechsel oder schwerer inhaltlicher Fehler zu deuten wäre, stellt ein sichtbares Indiz für die Verwendung von Ironie als Informationsträger der Erzählung dar²¹⁷. Ein weiteres Merkmal ist in dem Konflikt zwischen den einzelnen Standpunkten zu erkennen. Wie bereits ausgeführt, teilen weder Demetrius noch der Stadtschreiber eine gemeinsame Haltung²¹⁸. Während der Silberschmied faktisch richtig den generellen Zusammenhang zwischen Handwerk und der Verehrung

 So auch C.L. Brinks, Artemis, .  Zumeist folgt Lukas dem aufgezeigten Konzept, demnach Paulus oder ein anderer Apostel ausführlich für den christlichen Standpunkt eintritt (vgl. Apg , – ; , – ). Die Ausführung eines Kommentars von einer anderen Seite, der unwidersprochen im Kontrast zur Position des Autors oder seines literarischen Vertreters steht, ist in der Apostelgeschichte zwar ungewöhnlich, allerdings nicht unbekannt (vgl. Apg , – ; , – ).  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – . Zur grundsätzlichen Tendenz des Autors, den Leser in die Deutung des Textes mit einzubeziehen, siehe K.A. Reich, Jesus,  – .  W.C. Booth, Irony, .  Ebda.  – .

IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion

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von Götterbildern anspricht²¹⁹, den die Aussage des Evangeliums angreift (Apg 19,26b), weicht der Stadtschreiber diesem Problem aus, indem er eine andere Tradition zur Grundlage seiner Erklärung macht. Beide Bewertungen provozieren jedoch von einem jüdischen Standpunkt aus betrachtet Widerspruch, da die Herstellung handgemachter Götzen und die daran anknüpfende Verehrung falscher Götter nach biblischer Einschätzung ein Charakteristikum der gottfernen Völker darstellt (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9). Dieses Verhältnis der beiden Reden gegenüber dem Evangelium ist vor dem Hintergrund einer Weltsicht, die sich am Alten Testament orientiert, ebenfalls als Hinweis für die Verwendung von Ironie zu deuten. Aussagen, die nach Ansicht des Lesers unlogisch oder unsinnig erscheinen, sind häufig ein Beleg für dieses Stilmittel²²⁰. Sei es die Anmerkung, dass ein bearbeiteter Stein oder Brocken Erz eine Gottheit sein könne, oder ein Standbild als Stiftung Gottes direkt vom Himmel gefallen sei – beide Vorstellungen sind aus alttestamentlicher Perspektive, die Lukas mit seinen Lesern teilt, schlicht falsch und bestätigen die Vorbehalte der alttestamentlichen Einschätzung²²¹. Ergänzende Anmerkungen des Autors verdeutlichen ferner dessen kritische Haltung gegenüber dem Denken der Protagonisten. Im Falle des Silberschmieds lässt Lukas nicht nur diesen selbst die finanziellen Einkünfte erwähnen (vgl. Apg 19,25), die er und seine Berufsgenossen mit dem Handel von Devotionalien erwirtschaften. Bereits in der Einleitung (vgl. Apg 19,24) führt der Autor diesen Sachverhalt an und verdeutlicht auf diesem Wege, dass das monetäre Interesse bei dieser Figur im Vordergrund steht. Die explizite Betonung der Unterstützung des Paulus durch eine Gruppe konvertierter Asiarchen (vgl. Apg 19,31) mag zudem als angemessene Form der Verteidigung des Evangeliums gelten, weshalb eine konträre Haltung des Stadtschreibers an anderer Stelle²²² möglich wird. Darüber hinaus verdeutlicht die negative Reaktion der Menge auf den Versuch Alexanders, den Konflikt aufzuklären (vgl. Apg 19,34), dass jüdische und damit auch christliche Erklärungsversuche keinerlei Rückhalt aus den Reihen der aufgebrachten Anhänger der Artemis zu erwarten haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine  Mit W. Weren, Silversmiths, ; S.M. Baugh, Paul, ; S. Shauf, Theology, . Ferner s. o. S.  ff.  Vgl. W.C. Booth, Irony, .  In diesem Kontext ist der Umstand bemerkenswert, dass es außerhalb der Apostelgeschichte (Apg ,) keinerlei literarischen Beleg für diese etwaige Abstammungslegende der Artemis gibt. Vgl. W. Weren, Silversmiths, . Handelte es sich bei dem Standbild um einen Meteorit (vgl. A. Weiser, Apostelgeschichte , ), so stellt Lukas bewusst diesen Aspekt in den Mittelpunkt der Argumentation des Stadtschreibers, um entsprechend der hervorgehobenen alttestamentlichen Perspektive die Einfältigkeit dieses Kultes zu unterstreichen.  Zu dieser Konstruktion s.o. S.  ff.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

Unterstützung des Evangeliums durch den Stadtschreiber, der eine Beendigung des Aufstandes erwirken möchte, ausgeschlossen und der Fokus auf die ironische Bewertung der Episode durch den Leser gelegt werden.

4. Die Bewertung der Situation durch den lukanischen Leser Vor dem Hintergrund dieser Vorgaben lässt sich die Episode aus lukanischer Perspektive als deutliche Kritik werten. In der Intention ähnlich veranlagt wie die Herren in Philippi (vgl. Apg 16,16 – 22), wertet Demetrius die Folgen der christlichen Mission nicht als Erfolg des Willens Gottes (vgl. Apg 1,8; 9,15), sondern als Gefährdung von Stellung und Einkommen (vgl. Apg 19,25 – 27). Die Botschaft des Evangeliums „οὐκ εἰσὶν θεοὶ οἱ διὰ χειρῶν γινόμενοι“, welche die Forderung Gottes impliziert, dass sich nunmehr alle Menschen zu ihm bekehren sollen (vgl. Apg 1,8; 14,15;17,30 – 31), wird zu Gunsten einer Tradition verworfen,welche die Herstellung und Verehrung lebloser Gegenstände in den Mittelpunkt eines Kultes stellt. Bereits in diesem Aspekt von der Kritik alttestamentlicher Schriften berührt (vgl. Ex 32,31; Deut 4,28; Ri 6,26; Jes 37,19; Jer 10,9 – 15), führt Demetrius noch einen weiteren Gedanken an, der beim Leser kaum Akzeptanz finden konnte. Das von Lukas präsentierte Selbstbild eines Handwerkers, der für das hellenistische Konzept einer abhängigen Verzahnung von Kult und Wirtschaft eintritt²²³ (vgl. Apg 19,27), ist unvereinbar mit der alttestamentlichen Überzeugung eines unabhängigen und vom Menschen nicht greifbaren Gottes (vgl. Apg 7,48; 17,24), wodurch an dieser Stelle eine gedankliche Trennlinie entsteht. Getrieben von einer aufgebrachten Menge (vgl. Apg 19,32), vertritt auch der Stadtschreiber keine Position, die Zuspruch erhalten hätte. Stattdessen zeigt sich der Beamte im Bestreben, den Aufruhr der Menge zu beenden, pragmatisch, und führt die ablehnende Haltung, die auch zahlreiche griechische Philosophen gegenüber Götterbildern einnehmen²²⁴ (vgl. Philostratus, Vit. Ap., 5,20; Clemens von Alexandria, Strom., 5,12,76), durch eine Sonderregel für das Standbild der Artemis ad absurdum. Ungeachtet der Vorbehalte, die Lukas gegenüber jener Kritik hellenistischer Denker an polytheistischen und bildgebundenen Glaubensvorstellungen äußert²²⁵, stößt besonders die hervorgehobene Einschätzung des Standbildes der Artemis auf Widerstand. Über den Umstand hinaus, dass es sich bei dem Bildnis lediglich um einen Stein handelt, den die Menschen in Ephesus gemäß den  Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, . Ferner A. Berlejung, Theologie,  – . Zur Ausführung dieses Gedankens s. o. S.  ff.  Dazu Kap. , Anm. .  S.o. S.  ff.

IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion

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alttestamentlichen Vorbehalten gegenüber den Weltbildern der Völker (vgl. SapSal 13,5.13 – 19; 15,15 – 19) als Gottheit deuten, unterstellt diese Aussage des Stadtschreibers die Existenz einer anderen Gottheit neben dem Gott Israels. Da die Überzeugung des Alten Testaments, dass Gott einzig ist (vgl. Ex 20,2– 17; Deut 5,6 – 21), die theologische Grundlage für jene hervorgehobene Aussage des Evangeliums darstellt, muss diese Erklärung des Beamten als Verstoß gegen diesen Leitsatz alttestamentlichen Denkens gewertet werden. Demnach erweist sich der Stadtschreiber im Gegensatz zu Paulus oder den Asiarchen nicht als jemand, der für die Wahrheit des Evangeliums eintritt, sondern als einer der, auf eine politisch gefährliche Situation reagierend („καὶ γὰρ κινδυνεύομεν ἐγκαλεῖσθαι στάσεως περὶ τῆς σήμερον“) für Vorstellungen eintritt, die aus christlicher Perspektive zweifelhaft anmuten. Ironische Untertöne vermag der christliche Leser außerdem im Verhalten der Stadtbevölkerung wahrzunehmen. Lukas verweist in diesem Kontext nicht allein auf deren Verwirrung und Unwissen darüber,was den religiösen Aufruhr ausgelöst hat (vgl. Apg 19,32). Es ist die strikte und lautstarke Ablehnung jüdischer Inhalte (vgl. Apg 19,34), zu denen der Autor auch das Evangelium zählt, die eine dritte Gegenposition zu Wort und Willen Gottes offenlegt. In einem ähnlich traditionsorientierten Status verharrend, wie ihn die Einwohner von Lystra (Apg 14,8 – 20) oder die Menschen in Philippi (Apg 16,16 – 22) oder Athen (Apg 17,16 – 34) zeigen, verteidigen die Menschen von Ephesus vorbehaltlos ihre religiösen Vorstellungen²²⁶. Einflüsse und Kräfte, die als Störfaktor oder Gefahr wahrgenommen werden, begegnen in dieser Szene als Gegenstand eines Konfliktes, der mit Vernunft, Einsicht oder Erkenntnis nicht zu befrieden ist. Anders als in einer offiziell einberufenen Volksversammlung, in der Paulus das Evangelium sachlich hätte vertreten und in der Diskussion auf Zuspruch hätte hoffen können, agiert das Volk verwirrt und aufgebracht und gefährdet ironischerweise selbst denjenigen Status, den es eigentlich schützen wollte (vgl. Apg 19,36.40a).

5. Apg 19,23 – 40 als Teil der thematischen Reihe Dieses Ergebnis, Apg 19,23 – 40 als ideale Szene zu lesen, in der Lukas die Haltung definierter Stereotypen von Vertretern der Völker gegenüber der Botschaft des Evangeliums karikiert, verbindet die Episode thematisch wie motivisch mit den  S. Mitchell, Anatolia ,  macht deutlich, dass die Teilnahme an Religion und Kulten im hellenistischen Kulturraum stets auch ein Ausdruck der Zugehörigkeit zur Gesellschaft war. Dem schließt sich auch P. Trebilco, Asia,  –  an. Ferner J. Roloff, Apostelgeschichte, . Demnach zielte Demetrius gerade auf diesen Aspekt ab. Dazu Kap. , Anm. .

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

zuvor untersuchten Erzählungen zu Lystra (Apg 14,8 – 20), Philippi (Apg 16,16 – 22) und Athen (Apg 17,16 – 34). Die formalen wie inhaltlichen Gemeinsamkeiten, die der Text im Gegenüber zu diesen Episoden aufweist, sind bezeichnend für das Konzept einer thematischen Reihe. Mit der Episode in Philippi (Apg 16,16 – 32) teilt die Erzählung zu Ephesus beispielsweise das Motiv einer engen Verbindung zwischen Kult und wirtschaftlichen Interessen²²⁷, aus der ein Konflikt (vgl. Apg 16,19 – 21 par. Apg 19,25 – 27) und von christlicher Seite Anlass zur Kritik entsteht. Themen wie Aberglaube und die Verehrung von Standbildern und fremden Gottheiten verbinden Apg 19,23 – 40 mit den Szenen, die Lukas zu Lystra (Apg 14,8 – 20) und Athen (Apg 17,16 – 34) konstruiert. Kann die gemeinsame Orientierung an chrienartigen Gestaltungsformen, auf denen auch andere Glieder der thematischen Reihe aufbauen, nur eingeschränkt als Indiz für diesen Rückschluss gelten²²⁸, spricht der ironische Ton, in dem der Autor die Charakterbilder darstellt, durchaus für diese Einordnung. Auch die unterschiedliche Akzentuierung, die die Erzählung zu Ephesus aus der Reihe heraushebt und als eigenständige Episode markiert, erweist sich als Argument für diese These, die von jedem Abschnitt eine gewisse Verschiebung des Blickwinkels erwartet²²⁹. Die Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) handelt in einem anderen kulturellen Umfeld, als es in Philippi (Apg 16,16 – 22) oder Athen (Apg 17,16 – 34) zu beobachten ist. Mit der Wahl einer Gruppe von Silberschmieden und Devotionalienhändlern als Konfliktpartei siedelt Lukas die Diskussion schon zu Beginn der Erzählung in einem anderen kulturellen Milieu an, als es in Apg 16,16 – 22 begegnet. Der Leser sieht den Paulus mit einer Handwerksgilde konfrontiert, die zwar wie Wahrsager und Zauberer auch in der Sphäre hellenistischer Geister- und Göttervorstellungen agieren, dabei aber einen weitaus besseren Ruf genossen²³⁰. Anders als in Athen (Apg 17,16 – 34), wo die Vielzahl von Tempeln, Altären und Götterbildern Anlass zur Kritik bot (vgl. Apg 17,16 – 17), erscheint in Ephesus die Situation fokussiert auf ein einziges Kultbild, das allerdings in der antiken Welt eine umso breitere Wirkung erreichte²³¹. Im Gegensatz zu dem Standpunkt, aus dem heraus die Stoiker und Epikureer in Athen gegen das Evangelium sprachen, sind es in Ephesus politische Abwägungen, die die Rede des Stadtschreibers bestimmen.

 So auch W. Stegemann, Synagoge, .  Vgl. K. Berger, Formen, ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia, .  Siehe E. Plümacher, Schriftsteller, ; D. Marguerat, Lukas,  – .  S.o. Kap. , Anm. .  Dieser Eindruck ist nicht nur der Identifikation des Paulus als Träger des Evangeliums durch den Silberschmied zu entnehmen (vgl. Apg ,). Auch dessen Darstellung in der ersten Zwischenszene der Episode (vgl. Apg ,−) spricht für diese Einschätzung. Zur Auseinandersetzung mit diesem Thema s. o. S.  ff.

IV. Die verschiedenen Informationsebenen der Diskussion

219

Diesen Neuerungen stehen wiederum inhaltliche Konstanten zur Seite, die dem Leser als Orientierung dienen. Die Rolle des Paulus als Diener Gottes, der für das Evangelium eintritt, wird auch dort betont, wo er nicht selbst als aktiver Protagonist auftritt (vgl. Apg 19,30 – 31). Die inhaltliche Rückbindung der christlichen Verkündigung an das Alte Testament und an die Hoffnungen und Heilserwartungen Israels bringt Lukas selbst in einem Text zum Ausdruck (vgl. Apg 19,33 – 34), der von den Reden zweier Griechen bestimmt ist. Diese Referenzpunkte, die auch den anderen Episoden der thematischen Reihe zu Grunde liegen (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 25; 17,16 – 32), verdeutlichen die theologische Leitlinie, die der Autor vertritt und seiner Leserschaft zu vermitteln sucht. Gewertet als korrektive Maxime, an der die Aussagen der gezeichneten Vertreter der Völker zu messen sind, finden sich in Apg 19,23 – 40 alle Merkmale, die auch die verglichenen Episoden auszeichnen. Somit bleibt lediglich die Frage offen, welche individuellen Informationen diese Erzählung (Apg 19,23 – 40) vermitteln soll.

6. Die individuelle inhaltliche Nuance der Episode Apg 19,23 – 40 Der thematische Schwerpunkt der Episode liegt nicht in der apologetischen Darstellung des Evangeliums gegenüber dem römischen Recht begründet²³². Stattdessen zeigten die Ausführungen des Stadtschreibers (vgl. Apg 19,35 – 40a) zahlreiche theologische Schwachpunkte²³³, denen der christliche Leser nur widersprechen kann. Während Lukas die Volksmenge im Theater der Stadt als verwirrt und blind fixiert auf den Kult der Artemis darstellt (vgl. Apg 19,33 par. Apg 14,11– 13), zeichnet er den Stadtschreiber als Pragmatiker, der weniger aus Überzeugung als aus politischer Zweckmäßigkeit heraus agiert. Paulus und dessen Begleiter werden nicht von den Verbrechen des Tempelraubs und der Gotteslästerung freigesprochen (vgl. Apg 19,37), weil sie unschuldig sind oder der Beamte gar deren Meinung und Glauben teilt. Das entscheidende Anliegen der zweiten Rede besteht in der Auflösung einer Situation, die für den gesellschaftlichen Status der Stadt eine Gefahr darstellt²³⁴. Entsprechend lernt der Leser am Beispiel des Stadtschreibers, dass in der hellenistischen Gesellschaft neben religiösen und wirtschaftlichen Gründen auch Politik und die Sorge um Amt und Ansehen Anlass sind, an althergebrachten Traditionen und Kultformen festzuhalten. In dieses Konzept ordnet sich freilich  Zur Auseinandersetzung mit diesem Thema s.o. S.  f.  C.L. Brinks, Artemis,  stellt fest: „Lukeʼs purpose in this narrative is to set up a contrast between God and God’s followers and the Ephesian Artemis and her followers.“  S.o. S.  ff.

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6. Das Wort Gottes in Ephesus (Apg 19,23 – 40)

auch die Rede des Silberschmieds Demetrius ein (vgl. Apg 19,25 – 27), der eindrücklich offenlegt (vgl. Apg 19,25), dass wirtschaftliche Interessen nicht nur im Kontext der alltäglichen Frömmigkeit eine Rolle spielen (vgl. Apg 16,16 – 22), sondern auch das Außenbild staatlicher Leitkulte bestimmen. Darüber hinaus zeigt sich in der Spannung zwischen der von Demetrius beanspruchten Bedeutung seines Gewerbes für die Wahrung des Kultes der Artemis (vgl. Apg 19,25 – 27) und der Argumentation des Stadtschreibers (Apg 19,35 – 40a) das unentschiedene Verhältnis, welches die gezeichneten Vertreter der Völker gegenüber ihren eigenen Kultformen einnehmen. Auf der einen Seite steht die Verehrung von Götterbildern, die Gottheit und Mensch verbinden sollen. Die Betonung der großen finanziellen Gewinne (vgl. Apg 19,24.25), welche die Silberschmiede mit dem Verkauf der Devotionalien erwirtschaften, zeigt den starken Rückhalt, den diese Vorstellung in der hellenistischen Gesellschaft hat. Auf der anderen Seite vertritt der Stadtschreiber einen politisch orientierten Standpunkt²³⁵, der diese Verzahnung von Kult und Wirtschaft in Frage stellt. Allerdings erweist sich diese Haltung als nicht so konsequent, wie es das Evangelium fordert. Die in Anspruch genommene Ausnahme für das Bildnis der Artemis macht deutlich (vgl. Apg 19,35 – 36), dass die Menschen der Völker selbst da, wo sie scheinbar mit Juden und Christen nominell übereinstimmen, letztlich doch wieder zu dem Verhalten zurückkehren, welches das Alte Testament als charakteristische Fehldeutung der Völker festhält (vgl. SapSal 13,5.13 – 19; 15,15 – 19). Schließlich erfährt der Leser, dass die Anstrengungen des Paulus nicht gänzlich ohne Erfolg bleiben. Lukas zeichnet ein Szenario, in dem so viele Menschen dem Kult der Artemis entsagen, dass sogar der Umsatz der Devotionalienhändler in Ephesus zurückgeht (vgl. Apg 19,26). Dennoch ist es insgesamt ein geteiltes Bild der Völkermission, welches der Autor in der Episode vermittelt. Wie schon im Zusammenhang mit der Mission in Jerusalem (vgl. Apg 5,13), wo sich ebenso viel Volk für wie gegen das Wort Gottes aussprach, finden auch unter den Menschen der Provinz Asia Bewegungen in beide Richtungen statt. Während die einen für Paulus und das Evangelium eintreten (vgl. Apg 19,30 – 31), zeigt der Autor für die andere Gruppe erneut trennende Gründe auf, weshalb sie sich an überkommene Traditionen binden und sich nicht konsequent der offenliegenden Erkenntnis des Evangeliums zuwenden.

 Vgl. Kap. , Anm. .

7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6) I. Struktur und Form von Apg 28,1 – 6 1. Zur Konstruktion und Form von Apg 28,1 – 6 Im Kontext der Romreise des Paulus (vgl. Apg 27,1– 28,16) ist eine weitere Erzählung zu beobachten, in der Lukas in markanter Weise das Bild einer Gruppe der Völker zeichnet, die, ähnlich dem Setting der Episoden zu Lystra (Apg 14,8 – 20) oder Philippi (Apg 16,16 – 22), mit einer als „Wunder“ gedeuteten Situation konfrontiert werden, an der der Völkermissionar beteiligt ist. Deutlich abgegrenzt vom rahmenden Erzählfaden finden sich in der exegetischen Literatur maßgeblich zwei konkurrierende Ansätze, die den Versuch unternehmen, die dramatische Episode Apg 28,1– 6¹ einer bestimmten Gattung zuzuweisen. Der ältere, eindrücklich von M. Dibelius vertreten, versteht den Text (Apg 28,6) als ausgeschmücktes Itinerar, das, vergleichbar mit Homers Odyssee, die abenteuerliche Reise des Paulus nach Rom schildert². Auch wenn diese Einordnung in neuerer Zeit nur wenig Zuspruch findet, besitzt sie im Zusammenhang literarkritischer Überlegungen bezüglich des sogenannten „Wir-Stoffes“³, der auch Teile dieser Episode prägt (vgl. Apg 28,1– 2), zumindest in Abwandlung weiterhin Relevanz. Breiten Zuspruch erhält hingegen die These, Apg 28,1– 6 gehöre der Form nach der Kategorie sogenannter neutestamentlicher „Wundergeschichten“ an⁴. Der  Apg , setzt mit einer Rekapitulation des vorherigen Verses Apg , ein (καὶ διασωθέντες τότε ἐπέγνωμεν ὅτι Μελίτη ἡ νῆσος καλεῖται), womit die Nachzeitigkeit wie auch der Beginn eines Episodenübergangs erkennbar wird. Gegenüber Apg , beginnt wiederum Apg , mit einem szenischen Einschnitt (ἐν δὲ τοῖς περὶ τὸν τόπον ἐκεῖνον ὑπῆρχεν χωρία τῷ πρώτῳ τῆς νήσου ὀνόματι Ποπλίῳ, ὃς ἀναδεξάμενος ἡμᾶς τρεῖς ἡμέρας φιλοφρόνως ἐξένισεν), der ebenfalls den Beginn eines neuen Erzählabschnitts markiert. Da den in Apg , –  auftretenden Charakteren in den Folgeepisoden keinerlei Bedeutung mehr zukommt und auch die Immunität des Paulus (Apg , – ) im Weiteren keinen inhaltlichen Anknüpfungspunkt findet, ist mit einer in sich geschlossenen Erzählung zu rechnen, die in Abgrenzung von der Rahmenhandlung als dramatische Episode zu gelten hat. Mit R. Pesch, Apostelgeschichte ,  – ; E. Plümacher, Schriftsteller, .  Vgl. M. Dibelius, Literaturgeschichte,  – . S.a. J. Wehnert, Wir-Passagen, ; E. Haenchen, Itinerar,  – ; V.K. Robbins, Sea Voyages, .  Vgl. D. Marguerat, Historian,  – ; W. Eckey, Apostelgeschichte , ; V.K. Robbins, Sea Voyages, .  Vgl. J.A. Fitzmyer, Acts, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; P. Seul, Rettung,  – . J. Roloff, Apostelgeschichte,  vermutet beispielsweise, dass Lukas in den „Bericht der Romreise DOI 10.1515/9783110458039-007

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

thematische Schwerpunkt der Episode sei demnach in dem Aspekt der Darstellung und Wahrnehmung der Figur des Paulus zu verorten, der, gemäß dem Kernanliegen dieser Gattung⁵, als Diener Gottes hervortritt. Die Fixierung auf eine Person, die anhand eines Ereignisses ausgezeichnet wird, welches im Kontext eines gewissen Wirklichkeitsverständnisses als „Wunder“ zu gelten hat⁶, erscheint zumindest auf dem ersten Blick den literarischen Vorgaben der Erzählung zu entsprechen. Paulus zeigt sich immun gegen den Biss einer Schlange (vgl. Apg 28,4– 5) und ist zugleich leitendes Gesprächsthema der anwesenden Barbaren (vgl. Apg 28,3.6). Allerdings lässt diese kategorische Einordnung der Erzählung einige inhaltliche wie formale Aspekte außer Acht, die Zweifel an dieser Einschätzung erregen. Sogenannte „Wundergeschichten“ gelten im Rahmen der antiken Rhetorik als unselbstständige Gattungen⁷, die stets in Abhängigkeit von einer anderen Kategorie begegnen. In einem solchen literarischen Komplex dienen Therapien, Exorzismen und andere Varianten dieser Gattung, die sich aus allgemeinen wie spezifischen Motiven zusammensetzen⁸, der Auszeichnung und Ausrichtung eines thematischen Gegenstandes. So verstanden, verbindet Lukas im Evangelium beispielsweise die Elemente eines Heilungswunders oder einer Dämonenaustreibung mit einer Chreia, in der sie einem pointierten Ausspruch Jesu besonderen Nachdruck verleihen (vgl. Apg 4,33 – 37; 7,1– 10; 8,26 – 39). Ein ähnliches Vorgehen lässt sich ferner an der Konstruktion einiger Erzählungen der Apostelgeschichte nachvollziehen (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22), weshalb anzunehmen ist, dass Lukas mit dem skizzierten Konzept dieser unselbstständigen Gattung durchaus vertraut war. Der Gedanke, dass der Autor die vorliegende Episode nicht allein auf das Motiv der Immunität des Paulus (vgl. Apg 28,4– 5) ausgerichtet hat, sondern parallel zu vergleichbaren Texten die gestalterischen Mittel einer Wundergeschichte nutzte, um einen anderen Gedanken auszuzeichnen, liegt hiernach nahe. Ein weiterer Aspekt, der Zweifel an der These, Apg 28,1– 6 primär als neutestamentliche Wundergeschichte zu lesen, hervorruft, ist im Zusammenhang mit dem Aufbau der Episode zu erkennen. Wie im Kontext der Definition anderer Gattungen auch, verbindet eine solche Kategorie eine thematische Absicht mit literarischen Motiven, die regelhaft Aufbau und Form einer entsprechend konzi-

[…] zwei Wundergeschichten eingefügt hat“ (vgl. Apg ,−.−). Das Konzept einer Mischgattung wird im Folgenden noch anzusprechen sein (S.u. S.  ff).  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – .  Ebda. .  A.a.O.  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .

I. Struktur und Form von Apg 28,1 – 6

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pierten Erzählung bestimmen⁹. Ein solches Element stellt beispielsweise die Akklamation durch die Menge dar¹⁰, in der Gott gelobt oder das Ereignis im Sinne des Wundertäters kommentiert wird. Ein erster Blick auf den abschließenden Ausspruch der Barbaren von Malta (vgl. Apg 28,6) zeigt einen Urteilsspruch, der eindrücklich im Widerspruch zu den theologischen Grundlinien des Autors steht („μεταβαλόμενοι ἔλεγον αὐτὸν εἶναι θεόν“). Mehr noch bietet der Text keinerlei Hinweis darauf, dass die Barbaren jenen Zustand des Paulus mit einem von Gott gewirkten Wunder in Verbindung bringen. Es ließe sich nur schwerlich nachvollziehen, wenn der Autor diese Kategorie nutzen würde, um im positiven Sinne einen Ausspruch hervorzuheben, der letztlich den neutestamentlichen Vorgaben für diese Gattung zuwiderläuft und den Menschen Paulus als einen Gott bezeichnet¹¹ (vgl. Apg 28,6b). Ein solcher Satz aus dem Munde einer Gruppe von Menschen, die Lukas mit Hilfe einer eingehenden Beschreibung einem Charakterbild zuweist, welches er augenscheinlich den Vorstellungen des hellenistischen Kulturraumes entnimmt (vgl. Apg 28,2.3.6), wirkt eher wie die Bestätigung der mehrfach angesprochenen Vorbehalte gegen die Völker (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19), als eine faktische Feststellung, die dem theologischen Konzept des Autors angemessen wäre. Diese Diskrepanz allein genügt, um eine Überprüfung der oben genannten These, Apg 28,1– 6 sei eine neutestamentliche Wundergeschichte, zu veranlassen. Zusammengenommen mit den formalen Vorgaben, die diese unselbstständige Gattung nur in Abhängigkeit von einem übergeordneten Konzept kennen, erscheint ein solcher Schritt umso dringlicher. Allerdings ist im Zusammenhang einer Überprüfung von Form und Aufbau der Episode auch der zweite Deutungsansatz, die Erzählung als Teil eines Reiseberichtes zu lesen, zu berücksichtigen. Neben der Rahmenhandlung, die durchaus Ähnlichkeiten mit dem Setting eines Itinerars aufweist, findet die in den ersten beiden Versen verwendete Gruppenbezeichnung „Wir“ (vgl. Apg 28,1– 2) in dieser Kategorie einen Anknüpfungspunkt¹². In Anbetracht der Tendenz des Autors, in seinen Erzählungen

 Dazu K. Berger, Formen,  – ; Ders., Formgeschichte,  – ; G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Ein solcher Ausdruck ist zwar im Rahmen der motivischen Möglichkeiten dieses Stilmittels grundsätzlich denkbar (vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; K. Berger, Gattungen, ), aber im lukanischen Kontext unwahrscheinlich (vgl. Apg , – ; , – ; ,−; , b−). Ob stattdessen die Auszeichnung der Wirksamkeit des Handelns Gottes (so E. Plümacher, Apostelgeschichte, ) und nicht die Unwissenheit der Barbaren in dieser Szene im Vordergrund steht, ist indes noch kritisch zu hinterfragen.  Vgl. V.K. Robbins, Sea Voyages,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

Motive unterschiedlicher Kategorien miteinander zu einem eindrücklichen Gesamttext zu verbinden, der präzise einen hervorgehobenen Gedanken vermittelt, stellt sich die Frage, ob und inwiefern Lukas dieses Vorgehen auch der Konzeption von Apg 28,1– 6 zu Grunde legt.

2. Der Aufbau und die notwendigen Motive neutestamentlicher Wundergeschichten Für neutestamentliche Erzählungen, die in der Literatur als Wundergeschichten bezeichnet werden, ist nach G. Theißen ein viergliedriger Aufbau üblich¹³ (Einleitung / Exposition / Hauptteil / Schluss), der je nach Darstellung und Ausschmückung im Umfang variieren kann. Spezifische Motive helfen zudem, die einzelnen Abschnitte voneinander zu trennen. Zwar ist es für die Einordnung einer Erzählung in das Spektrum der unselbstständigen Gattung der Wundergeschichte keineswegs notwendig, alle Motive der jeweiligen Variante nachzuweisen¹⁴, allerdings ermöglicht deren Feststellung die Identifikation einzelner Strukturelemente, die für Form und Inhalt von Bedeutung sind. Verbunden mit den oben genannten Kriterien, die K. Berger anführt¹⁵, ergibt sich ein geeignetes Werkzeug, um eine dezidierte Aussage über den Text zu machen. In der Einleitung solcher Erzählungen wird neben dem Kommen des Wundertäters (vgl. Lk 7,1.11; 8,40; 17,11; Apg 3,1) auch das Auftreten eines Hilfsbedürftigen (vgl. Mk 1,23.40; 5,25 – 26; 7,32) sowie dass der Menge (vgl. Mk 9,14; Mt 8,1; 14,13; Lk 7,11), bestehend aus Gegnern und Zeugen, geschildert. Damit verbunden ist meistens eine Orts- oder Richtungsangabe (vgl. Mk 1,21; Mt 8,1; Apg 3,1), durch die die neue Episode räumlich markiert wird. Hierauf folgt die Exposition, in der zunächst die Not charakterisiert (vgl. Joh 5,5; Apg 3,2; 9,33) und eine Glaubensbekundung bzw. Bitte um Rettung seitens des Notleidenden angeführt wird (vgl. Mk 4,38; Mt 9,27; Lk 7,4; 17,13). Letzteres Motiv ist elementarer Bestandteil von Exorzismen, Therapien und – im Zusammenhang von Apg 28,1– 6 von besonderem Interesse – Rettungswundern¹⁶, da es die theologische Voraussetzung für das folgende Geschehen konstituiert. Im anschließenden Hauptteil wird die Durch-

 G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Eine ausführliche Auflistung und Darstellung von Aufbau und Zusammenstellung der Motive von neutestamentlichen Wundergeschichten findet sich ebda.  – .  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .

I. Struktur und Form von Apg 28,1 – 6

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führung des Wunders sowie dessen Konstatierung geschildert¹⁷ (vgl. Lk 17,14; Joh 9,7; Apg 14,10). Die im Schluss vorgestellte Akklamation der Menge (vgl. Mk 2,12; Apg 2,12– 13; 14,11– 12) sowie die des Wundertäters (vgl. Mk 5,19; Apg 14,14– 17) oder die des Geheilten (vgl. Apg 3,9) schließt die Erzählung ab. Häufig werden noch Anmerkungen über den Erfolg des ganzen Ereignisses, beispielsweise die Ausbreitung des Rufes (vgl. Mk 1,28; 5,14; Lk 7,17) oder der Vermerk der Gründung einer Gemeinde (vgl. Apg 9,42; 19,17), angeschlossen. Der Feststellung der Textgattung folgt zumeist ein bestimmtes Thema. Dieses orientiert sich, neben den Eindrücken der spezifischen Variationen der Aufbaumotive, an der Art der geschilderten Wunderhandlung, wodurch die Erzählung einer Gruppe zugewiesen werden kann, mit der sie eine leitende Absicht teilt. Im Zusammenhang mit der ersten Maltaepisode (Apg 28,1– 6) ist zuvorderst die Kategorie der Rettungswundergeschichten¹⁸ zu nennen (vgl. Mk 4,39; Apg 12,1– 17; 16,23 – 40), der dieser Text zumeist zugeordnet wird. Darunter versteht man solche Erzählungen, die die Befreiung oder Rettung einer bestimmten Person oder Sache vor feindlichen Mächten (möglich sind sowohl natürliche als auch menschliche Bedrohungen) schildern¹⁹. Häufig erfolgt die Rettung begleitet von einer Epiphanie²⁰, wobei es auch möglich ist, dass die bedrohte Person, mit göttlicher Macht ausgestattet, selbst aktiv wird (vgl. Hymn. Hom. 33,12; Aelios Aristides, Orat., 45,23 – 25). Allerdings, und hierin weicht Apg 28,1– 6 von diesem Schema ab, tritt der Rettergott in der einen wie in der anderen Form zumindest gegenüber dem Leser als eigentlicher Fluchtpunkt der Handlung ins Bewusstsein²¹. Ausdruck findet das nicht zuletzt in dem Motiv eines Hilferufs des Bedrängten, auf den Gott reagiert und die Rettung für Leser wie für die Protagonisten sichtbar vollzieht.

 Die Durchführung des Wunders kann mit unterschiedlichen Motiven ausgeschmückt sein. Neben einer Berührung (vgl. Mk ,; Apg ,) können heilende Mittel, wie beispielsweise Spucke (vgl. Mk ,; Joh ,) oder wunderwirkende Worte (vgl. Mt ,) dazu dienen. Eine weitere Variante ist die Verknüpfung der Wunderhandlung mit einer Epiphanie (vgl. Apg ,; ,).  Vgl. P. Seul, Rettung, ; R. Kratz, Rettungswunder,  – ; W. Eckey, Apostelgeschichte , ; S. Schreiber, Paulus, ; B. Kollmann, Paulus, ; G. Schille, Apostelgeschichte, ; R. Kratz and R. Pesch, Studium,  – ; G. Theißen, Wundergeschichten,  – . Im Kontext einer Immunität ebda. .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; R. Kratz and R. Pesch, Studium , .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, . Ferner K. Berger, Studien,  – .  Dazu G. Theißen, Wundergeschichten, .

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

3. Apg 28,1 – 6 als Geschichte einer Rettung durch Gott Apg 28,1– 6 erweist sich im direkten Vergleich mit anderen neutestamentlichen Erzählungen, die Lukas nach dem Konzept einer Rettungswundergeschichte abfasste (vgl. Apg 12,1– 17; 16,23 – 40), als ausgesprochen kurz. Dieses Verhältnis ändert sich auch nicht, wenn wie gelegentlich der Fall, Apg 14,8 – 20 als szenisches Vorbild bezeichnet wird²², an dem sich die Episode in der Ausgestaltung von Form und Motiven orientiere. Ausschlaggebend für diese Gegenüberstellung sind weniger deren strukturelle Gemeinsamkeiten, als vielmehr das ähnliche Motiv einer anderssprachigen Menge. Ähnlich der Anmerkung in Apg 14,11, mit der der Autor explizit auf den Dialekt der Stadtbewohner als bedeutsame Nuance der Szene hinweist, vermag die Bezeichnung der Einwohner Maltas als „βάρβαροι“ (vgl. Apg 28,2.4), neutral genutzt, den gleichen Sachverhalt auszudrücken²³. Allerdings trennt beide Episoden die Absicht, mit der Lukas dieses Motiv einsetzt. Nutzt der Autor des Doppelwerkes die sprachliche Divergenz in der Erzählung zu Lystra (Apg 14,8 – 20) dazu, eine Szene zu dramatisieren, die als thematische Grundlage einer eindringlichen Rede des Paulus dient, ist eine solche Zuspitzung in Apg 28,1– 6 nicht zu beobachten. Stattdessen folgt die Episode einem weitgehend nüchternen Grundton, der keinerlei offenen Konflikt beschreibt. Mehr noch bedingt die gegenseitige Störung der Kommunikation, dass zwei Meinungsäußerungen der Barbaren unwidersprochen im Fokus der Erzählung stehen (vgl. Apg 28,4b.6b), während Paulus schweigt. Im Kontext einer neutestamentlichen Rettungswundergeschichte als Missverständnis gewertet, ließe sich zwar der kontroverse Inhalt der beiden Äußerungen erklären²⁴, allerdings würde diese Deutung einen unmittelbaren Widerspruch durch Paulus erwarten lassen²⁵,

 Vgl. R. Strelan, Strange Acts, ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; A.Weiser, Apostelgeschichte , ; E. Haenchen, Apostelgeschichte, .  Vgl. H. Windisch, βάρβαρος,  – ; J. Jüthner, Barbar, ; H. Balz, βάρβαρος, .  In Apg ,b kommentieren die Barbaren die Situation mit dem Rückschluss, dass Paulus ein Mörder sei, der von der Rachegöttin bestraft würde. Als Paulus jedoch nicht durch den Schlangenbiss stirbt, halten sie ihn selbst für einen Gott (vgl. Apg ,). Beide Thesen sind indes nicht mit dem alttestamentlichen Gedanken oder dem verwendeten Paulusbild in Einklang zu bringen, die Lukas zur Grundlage seiner Gedanken macht. Vom Sachverhalt her richtig, wertet E. Plümacher, Apostelgeschichte,  die Immunität des Paulus als Ausdruck des göttlichen Heilsplans. Ferner R. Pesch, Apostelgeschichte , . Dabei handelt es sich allerdings um die Einsicht und das Wissen des christlichen Lesers. Wieso Lukas hier die Fehleinschätzung der Barbaren so prominent an den Schluss setzt, erklärt dieser Gedanke nicht.  Vgl. Apg ,−,; ,−; ,b−. In Folge der Heilung eines Gelähmten (vgl. Apg ,) glauben die Einwohner Lystras fälschlich, dass Barnabas und Paulus die griechischen Götter Zeus und Hermes seien und beginnen eine Prozession. Die darauffolgende Aufklärung des

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der jedoch ausbleibt. Es überrascht ferner, dass ein Motiv der Exposition den Schluss der Episode bestimmen soll, während die üblichen Elemente wie die Entlassung der Menge, Admiration bzw. Akklamation fehlen. Dieser Befund stellt nicht allein die These einer parallelen Gestaltung von Apg 28,1– 6 und Apg 14,8 – 20 in Frage. Das Fehlen entscheidender Motive im Schlussteil der Erzählung, die den Text eindrücklich als neutestamentliche Wundergeschichte hätten auszeichnen können, weckt erhebliche Zweifel an dieser Einordnung. Verbunden mit der Beobachtung einer pointierten Ausrichtung der Episode an den beiden Meinungsäußerungen der Barbaren (vgl. Apg 28,4b.6b), die allein die geschilderten Ereignisse deuten, erinnert die Form eher an die Konstruktionsweise, die bereits im Kontext der Episode zu Philippi (Apg 16,16 – 22) und eindringlicher in der zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) festgestellt wurde. Neben dem Umstand, dass sich in beiden Texten zwei Aussprüche korrektiv gegenüberstehen, sind es hier wie dort die Stimmen der beschriebenen griechischen Protagonisten, die anstelle des Paulus zu Gehör kommen. Der Eindruck, wonach Lukas nur vereinzelt den literarischen Vorgaben der vermuteten Gattung folgt, setzt sich auch im Kontext der Einleitungsmotive fort. Gesetzt den Fall, Paulus wäre der Wundertäter, der im Mittelpunkt der Erzählung stünde, dann müsste der Autor diesen Sachverhalt durch die eindrückliche Schilderung seines Auftretens²⁶ kennzeichnen. Diesem Schema entspricht Apg 28,1– 6 jedoch nicht, da in den ersten beiden Versen das zuvor gebräuchliche „Wir“ weiterverwendet wird. Eine explizite Ausrichtung der Szene auf die Figur des Paulus kommt an dieser Stelle folglich nicht zustande. Um den Umstand der späten namentlichen Nennung zu deuten, begegnet gelegentlich eine These, die, im Kontext einer Quellenscheidung, zwischen einer Kernepisode (Apg 28,3 – 6) und einer ausschmückenden Erweiterung unterscheidet²⁷. Abgesehen von dem

Missverständnisses (vgl. Apg ,−) leitet wiederum in den Redeteil über. In Mk , begegnet das Motiv des Missverständnisses in einer engen Verbindung mit Spott und Hohn. Ausdruck findet dieses Motiv ferner in der Aussage der Pharisäer, Jesus treibe Dämonen mit Hilfe des Satans aus,wodurch eine belehrende Aussage von Jesus folgt (vgl. Mk , – ). S.a. Kön , – . An diesem alttestamentlichen Beispiel für ein Missverständnis wird der Unterschied des Wirklichkeitsverständnisses zwischen Judentum und Heidentum deutlich. Der König von Aram hält den König Israels für einen wundertätigen Mann, wohingegen für diesen außer Zweifel steht, dass Gott allein Herr über Krankheit und Heilung ist (vgl. M. Ebner, Krankheit, ).  Meist mit einer Form von „ἔρχομαι εἰς“ formuliert, die um eine Ortsangabe erweitert wird. Dazu G. Theißen, Wundergeschichten, . J. Schneider, ἔρχομαι,  merkt an, dass mit dieser Wendung in den synoptischen Evangelien vielfach entscheidende Ereignisse, besondere Begebenheiten oder Naturerscheinungen eingeleitet werden (vgl. Mk ,; ,; Mt ,).  Vgl. W. Kirchschläger, Fieberheilung, ; H.-J. Klauck, Magie, ; G. Schneider, Apostelgeschichte, ; G. Schille, Apostelgeschichte,  – . Diese u. a. unterscheiden zwischen un-

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

Umstand, dass auch die erstmalige Nennung des Paulus (Apg 28,3a) das Motiv des auftretenden Wundertäters nur unzureichend erfüllt, ist die inhaltliche Abhängigkeit zwischen den beiden Abschnitten nicht zu bestreiten²⁸. Zwar wäre in einer Szene, die sich lediglich auf die Verse Apg 28,3 – 6 beschränkte, eine Einzelperson von Anfang an namentlich ausgezeichnet, allerdings veränderte diese Verschiebung des Anfangspunktes nicht den Umstand, dass Paulus in Abhängigkeit von den in Apg 28,2 geschilderten Ereignissen handelt („συστρέψαντος δὲ τοῦ Παύλου φρυγάνων τι πλῆθος καὶ ἐπιθέντος ἐπὶ τὴν πυράν“). Die übliche Ortsangabe, die diesem Motiv Nachdruck verleiht, fehlt nach diesem Eingriff gänzlich. Neben der lukanischen Prägung von Sprache und Vokabular²⁹ spricht ferner die Verwendung des dramatischen Episodenstils³⁰ eindrücklich für die Einheit der Erzählung, weshalb dieser Deutungsansatz auszuschließen ist. Das Motiv der auftretenden Menge wird wiederum von den in Apg 28,2 benannten βάρβαροι durchaus erfüllt. Sie werden vom Wundertäter angetroffen, was einer gängigen Variante dieses Textelements entspricht (vgl. Mk 1,21; 3,1; 9,14; Lk 8,40). Wie bereits angemerkt, trägt diese Gruppe allerdings untypisch viel zum Verlauf der Geschichte bei. Nicht genug, dass sie den Gestrandeten helfen (vgl. Apg 28,2), sie sind zudem diejenigen, die die gesamte Szene beobachten und kommentieren (vgl. Apg 28,4b.6b). Da Paulus stumm bleibt, ist es ausschließlich die Perspektive der Barbaren, aus der der Leser Informationen erhält. Damit überschreiten sie das übliche Aufgabenfeld des begleitenden Publikums und hebeln die klare Rollenverteilung einer Rettungswundergeschichte aus. Diese Eigenart leitet über zur vermuteten Exposition, die kaum vom Hauptteil der Erzählung zu trennen ist. Ausschmückende Angaben über die Art der Not, Auseinandersetzungen mit Kritikern und Gegnern, ein Bitten des Bedrohten und ggf. ein erster Zuspruch des Wundertäters, die zu erwarten wären, sind in diesem Abschnitt nur eingeschränkt festzustellen. Tatsächlich berichtet Lukas den Hergang der Bedrohung (vgl. Apg 28,3) und stellt einer sachlichen Erklärung für den Schlangenbiss („ἔχιδνα ἀπὸ τῆς θέρμης ἐξελθοῦσα καθῆψεν τῆς χειρὸς αὐτοῦ“)

terschiedlichen Quellen und Traditionsgut, das von Lukas spannungsvoll zusammengestellt wurde.  Die in Apg , –  geschilderte Situation wird in Apg , –  ungebrochen weitergeführt. Paulus sammelt beispielsweise Holz für ein Feuer, das in Apg ,b für die Gestrandeten entzündet wurde. Die in Apg ,a vorgestellten Barbaren treten in den Folgeversen als beobachtendes und kommentierendes Publikum auf, ohne dass sie ein weiteres Mal vorgestellt werden. Eine weitere Einleitung wäre hingegen ein eindrücklicher Hinweis darauf, dass Lukas zwei unabhängige Erzählungen in Apg ,− miteinander verbunden hätte.  Vgl. P. Seul, Rettung,  – ; S. Schreiber, Paulus,  – ; E. Haenchen, Itinerar, .  S.o. Kap. , Anm. .

I. Struktur und Form von Apg 28,1 – 6

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eine weitere, religiöse Deutung des Geschehens zur Seite³¹ (vgl. Apg 28,4). Letztere kann sicherlich als Missverständnis bzw. Fehldeutung intendiert sein, wodurch den motivischen Ansprüchen der Exposition Rechnung getragen wäre. Der tatsächliche Hergang der Situation (vgl. Lk 10,19; Apg 27,24a) wird in dieser Szene vor dem Hintergrund paganer Vorstellungen bezüglich Seenot, Strandung und Schlangenbiss eindeutig verkannt (dazu Heraklit, Frgm. 28b; Statilius Flaccus, Anth. Graec., 7,290; Antipatros von Thessalonich, Anth. Graec., 9,269). Ohne Zweifel ist die erste wie die zweite Einschätzung der Barbaren unzutreffend und müsste – gemäß den motivischen Vorgaben von Rettungswundererzählungen – als Missverständnis gewertet werden³² (vgl. Mk 6,49; Joh 11,24), das eine Klarstellung nach sich ziehen müsste. Ohne diese stellen die Aussagen der Barbaren (Apg 28,4b.6b) lediglich ihren soziokulturellen Gedankenhorizont und die daraus resultierende Deutung zur Schau³³, die, entgegen der Form der vermuteten Konstruktionsweise, den Inhalt der Episode bestimmen. Mitnichten ist in dieser Situation das Szenario einer Auseinandersetzung zwischen zwei göttlichen Mächten inszeniert³⁴. Dagegen sprechen sowohl die sachliche Schilderung des Schlangenbisses (vgl. Apg 28,3) als auch der Sinneswandel der Barbaren (vgl. Apg 28,6b). In einem solchen Falle hätten sie den hinter Paulus stehenden Gott erkennen müssen, der aktiv gegen die Dike vorgeht. Gegeben ist jedoch nur ein Meinungswechsel (μεταβάλλω), der eben nicht aus einem Erkennen göttlicher Macht resultiert, sondern der Tatsache geschuldet ist, dass nichts passiert („καὶ θεωρούντων μηδὲν ἄτοπον εἰς αὐτὸν γινόμενον“).

Das Fehlen jeglicher Bitte um Rettung erweist sich im Kontext der Formbestimmung der Episode (Apg 28,1– 6) als ein weiterer Punkt, der zur Kritik an der vorgeführten These beiträgt. Die an diesem Motiv anhängende Feststellung des Glaubens, der öffentlich bekundet den Blick von Lesern wie Protagonisten auf Gott lenken soll, zählt zu den notwendigen Elementen neutestamentlicher Wundergeschichten³⁵. Zwar besteht für Paulus seit Apg 27,24a ununterbrochen die Zusage von Gottes Schutz („μὴ φοβοῦ, Παῦλε, Καίσαρί σε δεῖ παραστῆναι“), weshalb

 Es lässt sich ein theologisch aufgeladener Zusammenhang zwischen dem Lexem ἔχιδνα (vgl. Apg , ) und der Δίκη (vgl. Apg ,) herstellen, mit dem Lukas die Schlange im Votum der Barbaren zur ausführenden Macht der Rachegöttin heranwachsen lässt. Mit R. Strelan, Acts,  – ; W. Foerster, ἔχιδνα, . Es scheint denkbar, dass der Wechsel des Lexems von ἔχιδνα zu θηρίον von Lukas genutzt wurde, um die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Ereignis zwischen den menschenfreundlichen Barbaren und der des christlichen Lesers zu verdeutlichen. Vgl. W. Foerster, θηρίον,  – ; C.H. Talbert, Theology, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, .  Näheres, s.u. S.  ff.  Vgl. S. Schreiber, Paulus, ; R. Strelan, Acts, .; J. Wehnert, Gestrandet, .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – . – .

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

zumindest dem Leser der Hintergrund für die Immunität bekannt ist. Allerdings verschiebt dieser Verzicht auf das eine wie das andere Motiv den gedanklichen Mittelpunkt der Episode auf das Missverständnis der Barbaren (vgl. Apg 28,6b), das nicht zuletzt theologische Spannungen verursacht. Eine Parallele zu Lk 10,19³⁶, die dem Geschehen den Charakter eines Norm-, respektive Immunitätswunders geben würde, scheint zumindest mit Blick auf das Verhalten von Paulus denkbar. Allerdings genügt die Motivlage für eine entsprechende Gattungsbezeichnung für den Gesamttext auch in diesem Fall nicht.Weder finden sich Anzeichen für eine vorrangig gedachte Auseinandersetzung göttlicher Mächte, wie es der Kontext von Lk 10,17– 24 unterstützen würde³⁷, noch ist es mit der bestehenden Schutzzusage Gottes notwendig (vgl. Apg 27,24a), so weit zurück zu greifen. Allerdings würde diese Parallele erklären, warum eine ausgeführte Schilderung der Wunderhandlung fehlt. Zwar schleudert Paulus die Schlange ins Feuer (vgl. Apg 28,5), jedoch lässt der Autor auch hier entsprechende Motive (Berührung, heilende Mittel, wunderwirkende Worte, Gebet), die ein solches Ereignis auszeichnen, weg³⁸. Entweder wäre die Anmerkung einer Epiphanie zu erwarten, in der Gott persönlich in das Geschehen eingreift, oder aber eine situationsbedingte Auszeichnung des Paulus mit der Fähigkeit sich selbst vor dem Unheil zu retten. Beides lässt sich jedoch aus dem Text nicht ableiten (vgl. Apg 28,4a.5 – 6a). Zudem, und auch das ist unüblich, geschieht die Konstatierung der Immunität bzw. Rettung erst nach langem Warten³⁹ (vgl. Apg 28,6b). Entgegen dem unvermittelten und direkten Charakter, der entsprechende Ereignisse auszeichnet, erweist sich die Meinungsäußerung der Barbaren, die auf eine eingehende Beob-

 Davon sprechen W. Eckey, Apostelgeschichte , ; G. Theißen, Wundergeschichten, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, .  Vgl. M.Wolter, Lukasevangelium,  – ; F. Bovon, Lukas , ; S. Gathercole, Vision,  – .; J.V. Hills, Luke,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – . Entsprechend dieser Sachlage untersagt sich eine Deutung des Schlusssatzes der Barbaren (Apg ,) im Sinne einer Auszeichnung des Paulus. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb Lukas entgegen seiner sonstigen Linie, die sich an den Traditionen des Alten Testaments orientiert, die Bezeichnung des Paulus als Gottheit für angemessen halten sollte, selbst wenn es sich bei den Rednern um Barbaren handelt. Gegen J.G.D. Dunn, Acts, . Einen Hinweis auf die Verwendung eines ironischen Konzeptes,welches Lukas in dieser Situation anbringt, findet m. E. zurecht P.E. Satterthwaite, Background, .  Der Charakter des unerwarteten und unvermittelten Inkrafttretens einer Wunderhandlung wird im Neuen Testament mit den Adverbformen „εὐθὺς“ (vgl. Mk ,; ,; ,), „εὐθέως“ (vgl. Mt ,; ,; Joh ,), oder – bevorzugt von Lukas – „παραχρῆμα“ (vgl. Lk ,; ,; ,; ,; ,; ,; ,; Apg ,; ,; ,; ,; ,) ausgedrückt. S.a. O. Weinreich, Heilungswunder,  – ; H.D. Betz, Lukian,  Anm. .

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achtung der Situation zurückgeht, als Bruch mit den Motiven der Kategorie neutestamentlicher Wundergeschichten. Der Autor verzichtet mit diesem Schritt ausdrücklich auf einen Abschluss, der das wirkmächtige Handeln Gottes oder seines Dieners in den Mittelpunkt der Erzählung rücken würde. Stattdessen fokussiert die Struktur der Episode den Blick des Lesers auf zwei Aussprüche der Barbaren (vgl. Apg 28,4b.6b), denen die Immunität hintergründig als Impuls und Thema dient. Ähnlich der Form, die bereits im Kontext der Episode zu Philippi (Apg 16,16 – 22) beobachtet wurde, zeigen sich auch in der Erzählung zu Malta (Apg 28,1– 6) die Motive einer Wundergeschichte eingeordnet in ein literarisches Konzept, in dem sich zwei kontroverse Meinungen gegenüberstehen. Damit wird deutlich, dass die Immunität sowie die begleitenden Textelemente einer übergeordneten Absicht zuzurechnen sind, die der Autor mit der Schilderung dieser Szene verfolgt. Die Einschätzung, Apg 28,1– 6 als Norm- oder Immunitätswundergeschichte zu lesen, die singulär der Auszeichnung des Paulus dient, lässt sich derweil nicht bestätigen. Vielmehr deuten die Beobachtungen erneut auf eine Mischgattung hin, deren Form teils auf dieser unselbstständigen Gattung basiert.

4. Apg 28,1 – 6 im Kontext der antiken Reiseliteratur Die sogenannte Itinerarhypothese⁴⁰ basiert im Unterschied zu den zahlreichen Motiven, die für die Identifikation einer Rettungs- oder Immunitätswundergeschichte zu beachten sind, auf lediglich zwei Säulen. Nach der ersten sind dieser Gattung alle Texte zuzuordnen, die von einer Reise erzählen und Angaben über Verlauf, Kurse und Topographie vermitteln⁴¹. Darin ist der Ursprung dieser Kategorie deutlich zu erkennen. Zunächst handelte es sich um „Fachliteratur“, also Unterlagen und Aufzeichnungen, die Seefahrern und Reisenden als Leitfaden für eigene Unternehmungen dienen konnten⁴². Erst in der späteren Entwicklung und mit steigendem Interesse der Leser an fremden Ländern und Kulturen wurden Angaben über die Menschen, deren Sitten, sowie Geschichte und Mythen hinzugefügt⁴³. Damit ist bis zu einem gewissen Punkt das Itinerar als Vorstufe antiker Geschichtsschreibung zu bewerten⁴⁴. Diese Entwicklung brachte es mit sich, dass

 S.o. Kap. , Anm. .  Dazu J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – ; K. Berger, Gattungen,  – ; V.K. Robbins, Sea Voyages,  – .  Vgl. J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – ; V.K. Robbins, Sea Voyages,  – .  Gegen M. Reiser, Caesarea,  – .Vgl. J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – ..  Mit J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – .

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

neben sachlichen Berichten auch Romane und Epen, wie beispielsweise Homers Ilias oder Vergils Aeneis, zur Reiseliteratur zählen. Ebenso lassen sich die neutestamentlichen Evangelien und die Apostelgeschichte, die teilweise entsprechende Aspekte erfüllen, hinzurechnen, weshalb eine weitere Einschränkung notwendig ist, um eine greifbare Aussage über die Form von Apg 28,1– 6 machen zu können. Eingeschränkt auf Seereisen, „Periplus“ genannt⁴⁵, sind im Neuen Testament nur diejenigen Texte der Apostelgeschichte von Bedeutung, in denen Lukas die zweite und dritte Missions- sowie die Romreise des Paulus schildert. In diesen Texten findet sich das zweite Merkmal, das hilft, ein Itinerar zu identifizieren und die Textauswahl weiter einzugrenzen. Es wurde bereits die Entwicklung der Gattung von einer berichtsähnlichen Form hin zu informierender und unterhaltender Literatur angesprochen. Dieser Verschiebung des erzählerischen Schwerpunktes wurde stilistisch damit Rechnung getragen, dass entsprechende Texte aus der Sicht eines Ich- oder Wir-Erzählers berichten. Während die dritte Person einer sachlichen Schilderung entspricht, dient diese Erzählperspektive der eindrücklichen Vermittlung von Stimmungen und Emotionen einer Seefahrt⁴⁶, an denen der Leser unmittelbar beteiligt werden soll. Mit Blick auf diese beiden Punkte ist es nicht verwunderlich, dass besonders spannende Passagen vornehmlich in der ersten Person Plural abgefasst wurden, wohingegen die erste Person Singular der allgemeinen Erzählung diente⁴⁷. Zwar finden sich vereinzelt Beispiele von Seereiseberichten, die in der dritten Person abgefasst wurden, allerdings handelt es sich bei der ersten Person Singular oder Plural um die übliche Erzählperspektive dieser Literaturform⁴⁸. In einzelnen Fällen ist ein Wechsel von der dritten in die erste Person innerhalb einzelner Abschnitte des Itinerars festzustellen (vgl. Apg 28,1– 2.3 – 6), doch handelt es sich dabei um Ausnahmen, in denen der Autor den Bericht durch einen Einschub unterbricht, der sachliche Angaben ergänzt⁴⁹ (vgl. Alkaios, Frgm., 6). So finden sich in Apg 28,1– 6 durchaus Ansatzpunkte, die die Episode motivisch in die Nähe  Vgl. M. Dibelius, Literaturgeschichte, ; J. Börstinghaus, Sturmfahrt, ; H. Conzelmann, Apostelgeschichte, .  V.K. Robbins, Sea Voyages,  stellt über die möglichen Erzählperspektiven eines Periplus fest, dass „first person narration transfers the excitement and anxiety of sea voyage in the most vivid narrative technique available to the pen“. Ferner bestärkt die erste Person (ebda. ) „the experience of working with others to achieve a safe voyage and of sharing with others the fear and desperation […].“ So auch K. Berger, Gattungen, .  K. Berger, Gattungen,  legt diesen Schluss mit Verweis auf Alkaios, Frgm.,  nahe. Gleiches spricht V.K. Robbins, Sea Voyages,  mit Blick auf Flavius Josephus, Vit., − an.  Dazu V.K. Robbins, Sea Voyages, .  Vgl. J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – ; K. Berger, Gattungen, .

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dieser Gattung stellen. Gleichwohl lassen Sprache, Stil sowie die inhaltliche Ausrichtung Zweifel gegenüber dieser Kategorie als leitendes Konzept der Erzählung aufkommen.

5. Apg 28,1 – 6 im Spiegel der literarischen Motive eines Itinerars Diesen Vorgaben entspricht der sogenannte „Wir-Stoff“ der Apostelgeschichte (vgl. Apg 16,10 – 17; 20,5 – 15; 21,1– 28; 27,1– 28,16), zu dem auch Teile der untersuchten Episode zählen (vgl. Apg 28,1– 2). Die Diskussion um die Zuordnung dieser Texte zu einer bestimmten Gattung verläuft nach wie vor in kontroversen Bahnen⁵⁰, ohne dass ein eindeutiges Ergebnis absehbar wäre. Dabei geht es in erster Linie um eine quellenkritische Fragestellung, die versucht, etwaige Vorlagen, aus denen Lukas den späteren Text zusammenfügte, zu rekonstruieren⁵¹. Dieser thematische Gegenstand ist in Bezug auf die Berichte, die Lukas zu den Reisen des Paulus präsentiert, insoweit interessant, dass im Falle eines positiven Nachweises der historische Quellenwert dieser Abschnitte hoch einzuschätzen wäre. Allerdings erhält die Bedeutung der Gattungsfrage für die literarkritische Untersuchung in diesem Zusammenhang nur wenig Aufmerksamkeit. Die daraus resultierenden Konsequenzen für die Interpretation des heute vorliegenden Textes sind, wie bereits in der Diskussion um die Einordnung der Erzählung als Rettungswundergeschichte gezeigt, nicht zu unterschätzen, hängt doch von ihnen der inhaltliche Charakter eines Textes ab. Für die Einordnung von Apg 28,1– 6 als Itinerar ist zuerst die partizipiale Anbindung (καὶ διασωθέντες […]) an die zuvor berichtete Sturmfahrt (Apg 27,13 – 44) als Argument zu nennen. Damit ist die Episode als eine Szene in dem Abschnitt der Apostelgeschichte zu verstehen, der die Reise des Paulus nach Rom schildert (vgl. Apg 27,1– 28,16). Dem entspricht überdies das vorgestellte Setting von Schiffbruch und Strandung (vgl. Apg 28,1.2), welches zu den häufigsten Themen eines Periplus gehört (Flavius Josephus, Vit., 14– 16; Ovid, Trist., 1,2,31– 34; Lukian, Ver. Hist., 1,5 – 6; Achilles Tatius, Leuc. e. Clit., 2,31,6; 3,1,1). Schließlich ist die Erzählperspektive von Apg 28,1– 2 als ein sichtbarer Hinweis auf diese Gattung zu werten⁵².

 Vgl. E. Plümacher, Apostelgeschichte,  – ; J. Börstinghaus, Sturmfahrt, . J. Roloff, Apostelgeschichte,  –  fragt eindringlich nach der Absicht, die Lukas mit diesem Text verfolgte, der sich nur sperrig in das Schema neutestamentlicher Therapien eingliedern lässt.  Für einen Überblick, siehe J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – .  Mit V.K. Robbins, Sea Voyages, . Ferner s. o. S.  ff.

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Allerdings bedingt die Unterscheidung zwischen den Abschnitten, die im WirStil verfasst sind, und denen, die der dritten Person folgen, zunächst die Frage, ob Lukas zwei einstmals unabhängige Quellen ineinander gearbeitet hat. Diese These konnte bereits an anderer Stelle ausgeschlossen werden⁵³, weshalb es sich, auf formaler Ebene betrachtet, um den seltenen Fall eines Einschubs handeln müsste. Dem entspricht zwar der Personenwechsel zwischen Apg 28,2 und Apg 28,3, jedoch wecken Inhalt und Stil von Apg 28,3 – 6 Zweifel an dieser Vermutung. Entsprechende Texte haben neben der Erzählperspektive auch gemein, dass sie in einem sachlichen Ton gehalten sind, der unmittelbar Informationen, aber kein in sich geschlossenes Bild bietet⁵⁴. Da es sich hier allerdings um eine zusammenhängende Erzählung handelt, erscheint Apg 28,3 – 6 nicht geeignet, die Voraussetzungen dieser Kategorie zu erfüllen. Abgesehen von der literarischen wie auch erzählerischen Einheitlichkeit des Textes, führt Lukas in Apg 28,4b.6b keine nüchternen Informationen, sondern Meinungsäußerungen (μεταβάλλω) vor. Es ist ferner ungewöhnlich, eine Gruppe, die von dem erzählenden „Wir“ unterschieden ist, so ausführlich zu Wort kommen zu lassen, wie es in der Episode der Fall ist. In einem sachlichen Einschub erscheint eine solche Handhabe des Erzählstoffes sogar unwahrscheinlich. Obendrein wäre es ungeschickt, wenn Lukas gerade für den Textabschnitt, der das spannendste Ereignis der Episode schildert (Apg 28,3b), einen sachlich orientierten Erzählstil wählen würde. Hier wäre nach den Regeln eines Itinerars die erste Person Plural zu erwarten, um dem Leser die Stimmung des dramatischen Geschehens zu vermitteln. Über ihre Meinungen hinaus erfährt der Leser von den Barbaren außerdem, dass sie sich besonders menschenfreundlich (Apg 28,2a) verhielten – ein für diesen Menschenschlag ungewöhnlicher Charakterzug. Ihre Äußerungen zum Missgeschick des Paulus lassen zudem ihren kulturellen Hintergrund erkennen. Die vielen kulturellen Analogien, die sich an diesen Anmerkungen ablesen lassen, verdeutlichen den schillernden Charakter des Textes. Anmerkungen über Volksgruppen, deren Gesellschaft und Bräuche, sind ein häufig anzutreffendes Motiv eines Periplus. Zusätzlich zu dem knappen Informationsgehalt eines Berichts dienen gelegentliche Angaben über fremde Völker der Auflockerung der Lektüre.

 Dazu s.o. S.  ff.  Vgl. J. Börstinghaus, Sturmfahrt, ; J. Wehnert, Wir-Passagen, . Nach dem Urteil von V.K. Robbins, Sea Voyages,  versucht beispielsweise Thucydides, Hist., ,, mit der Wahl der dritten Person als Erzählperspektive „to persuade his readers that his account is based on the finest evidence and presented in the most accurate manner.“ Ferner Xenophon, Anab., ,,; ,,.

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Solche Berichte kurioser wie wundersamer Eigenheiten fremder Kulturen befriedigen die Neugier der Leserschaft⁵⁵, wobei der sachliche Ton des restlichen Itinerars stets beibehalten wird. Mit Blick auf Apg 28,1– 6 wäre demzufolge von einer besonderen Ausprägung zu sprechen, da die Darstellung bemerkenswert anschaulich ausfällt. Darüber hinaus erscheint der sachliche Informationsgehalt, der Apg 28,1– 6 als Seefahrerliteratur einen praktischen Wert gegeben hätte, gering, weshalb eine entsprechende Einordnung auch in diesem Punkt fraglich erscheint. Exemplarisch spiegelt sich das Fehlen akkurater Sachinformation in der Diskussion wider, die H. Warnecke zur Historizität der Maltaepisoden anstieß⁵⁶. Einzelne Angaben über Topographie, Bevölkerung, Flora und Fauna, sowie Kultur und Religion wurden von ihm auf ihre sachliche und historische Schlüssigkeit hin überprüft und ergaben ein spannungsvolles Bild, das kaum dem Anspruch eines Periplus, noch weniger dem einer kritischen Geschichtsschreibung, standhalten konnte. Auch wenn die daraus resultierenden Rückschlüsse H. Warneckes heute zu Recht abgelehnt werden – schließlich lassen diese den theologischen Charakter des Textes sowie der Apostelgeschichte an sich außer Acht –, kann dieser Hinweis dennoch verdeutlichen, dass eine eindeutige Zuordnung der Erzählung zu dieser Gattung kaum zulässig ist.

Damit bleibt ein ähnliches Urteil zu fällen,wie bereits über den Ansatz, Apg 28,1– 6 im Kontext neutestamentlicher Wundergeschichten zu lesen. Es zeigen sich einzelne Übereinstimmungen in der Motivlage sowie den literarischen Eigenheiten, allerdings reichen diese nicht aus, um über die Schwächen dieses Erklärungsansatzes hinwegzusehen. Die ausgeschmückte Darstellung eines Settings, die den Fokus auf die Aussprüche der Barbaren lenkt, spricht eher für ein inhaltliches respektive theologisches Anliegen als für einen sachlichen Bericht über den Hergang der Romreise des Paulus. Das Vorgehen des Autors, verschiedene Stilelemente in einer Mischgattung zusammenzuführen, um so einem definierten Sachverhalt Ausdruck zu verleihen, scheint sich auch in diesem Befund zu Apg 28,1– 6 widerzuspiegeln. Offen bleibt hier die Frage, welche leitende Form und damit thematische Ausrichtung Lukas dieser Episode zu Grunde legte.

 Vgl. J. Börstinghaus, Sturmfahrt,  – ; K. Brodersen, Pomponius Mela, ; K. Berger, Gattungen, ; A. Dihle, Literaturgeschichte,  – . A. Lesky, Geschichte,  merkt an, dass der Dichter nicht frei von den Erwartungen seines Publikums oder Auftraggebers war.  Vgl. H. Warnecke, Romfahrt. Genauigkeit in den Angaben von Routen, Ereignissen und Beobachtungen ist allerdings von einem antiken Periplus zu erwarten. Mit C.-J. Thornton, Zeuge,  – ; J. Börstinghaus, Sturmfahrt, .

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

6. Apg 28,1 – 6 vor dem Hintergrund der Konstruktionsmöglichkeiten der antiken Chreia Dieser unentschiedene Befund zur Struktur und Form der Episode ist wenig überraschend. Die Möglichkeit, ein und denselben Text unterschiedlichen Gattungen zuzuweisen, spiegelt sich nicht nur in der oben geführten Diskussion wider. Bereits der Versuch, einen eindeutigen Begriff der Gattung „Evangelium“ oder „Apostelgeschichte“ zu finden⁵⁷, konfrontiert Exegeten bis heute mit der komplexen Verbindung verschiedener literarischer Genres und Kategorien, die stellenweise unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Eine Entscheidung in dieser Frage hängt nicht zuletzt von der Gewichtung einzelner Motive sowie der argumentativen Struktur der Erzählung ab, die im Zusammenspiel die Form der Erzählung konstituieren. Dabei greift der Autor des Doppelwerks gerne auf unterschiedliche Gattungselemente zurück, die er zielorientiert miteinander kombiniert. Ein ähnliches Vorgehen, welches zugleich der in Apg 28,1– 6 festgestellten Gestaltungsform ähnelt, bietet Lukas auch in anderen Erzählungen der Apostelgeschichte. In der Episode zu Philippi (Apg 16,16 – 22) ist es ein Exorzismus des Paulus, der zu einem längeren Kommentar einiger Herren überleitet (vgl. Apg 16,19 – 21). In Lystra (Apg 14,8 – 20) bedingt eine Therapie ein Missverständnis, dem Barnabas und Paulus mit deutlichen Worten entgegentritt (vgl. Apg 14,15 – 17). Der Umstand, dass auf Malta lediglich die Barbaren ein Geschehen beurteilen, das Paulus eindrücklich als Zeuge und Diener Gottes auszeichnet⁵⁸, findet in der Konstruktion von Apg 19,23 – 40 eine Parallele. In dieser Episode bewerten zwei Menschen, die nach alttestamentlicher Einschätzung den Völkern angehören, die Wirkung des Evangeliums auf den Kult der Artemis von Ephesus (vgl. Apg 19,25 – 27.35 – 40a) und kommen zu einer ebenso zweifelhaften Einschätzung der Situation wie nunmehr die Barbaren auf Malta. Neben diesen inhaltlichen Gemeinsamkeiten ist es vor allem der Aufbau der Erzählung (Apg 28,1– 6), der charakteristisch auf die Variante einer „Doppelchreia“ verweist⁵⁹ (vgl. Quintilian, Inst. Orat., 6,3,63). Zwei kurze, pointierte Aussprüche nehmen kommentierend wie korrigierend Bezug auf ein gemeinsames

 Vgl. H. Koester, Evangelium,  – ; D.L. Bach, Apostelgeschichte,  – ; J. Jervell, Apostelgeschichte , ; U. Schnelle, Einleitung,  – ; D.L. Barr and J.L. Wentling, Conventions,   Mit E. Plümacher, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .  Vgl. E.N. Hock and R.F. O’Neil, Chreia,  – .

I. Struktur und Form von Apg 28,1 – 6

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Thema⁶⁰. Der Gegenstand der aufgezeigten Diskussion wäre demzufolge in der Immunität des Paulus zu sehen (vgl. Apg 28,5 – 6a), in der gleichermaßen dessen Status und Aufgabe erkennbar werden (vgl. Apg 9,15; 27,24a). Stellung beziehen allerdings nur die Barbaren, die ihn abwechselnd als Mörder und Gott (vgl. Apg 28,4b.6b) erkennen und damit eine theologische Spannung gegenüber den Geboten des Alten Testaments (vgl. Ex 20,2– 3; Deut 5,6 – 7) sowie den daran angelehnten theologischen Absichten des Autors⁶¹ verursachen. Beide Aussagen (Apg 28,4b.6b) finden demzufolge vor dem Hintergrund einer christlichen Perspektive keinen Rückhalt, was, ähnlich der Tendenz, die schon in Apg 19,23 – 40 beobachtet werden konnte, auf einen ironischen Grundton hinweist⁶². Anstatt den Fehler im Denken der Barbaren durch eine erläuternde Rede aufzudecken (vgl. Apg 14,8 – 20; 17,16 – 34), lässt Lukas diese selbst zu Wort kommen und präsentiert auf diesem Wege den vollen Umfang ihres fehlerhaften Ansatzes⁶³ (vgl. Quintilian, Inst. Orat. 6,3,63). Einhergehend mit dieser Einschätzung der Episode als Doppelchreia wechselt der Fokus der Erzählung von der Figur des Paulus auf die Barbaren. Die Immunität des Gottesdieners (Apg 28,5 – 6a) übt in dieser Konstruktion, in der sie den Anlass für die Aussagen der Protagonisten bietet, lediglich eine untergeordnete Aufgabe aus, womit sie ihrer Funktion im Kontext einer unselbstständigen Gattung nachkommt⁶⁴. Gleich mehrere Gründe sprechen für eine inhaltliche Ausrichtung der Episode an den Einwohnern von Malta. Neben der Bezeichnung als Barbaren (βάρβαροι), die zugleich mit dem Attribut der Menschenfreundlichkeit (φιλανθρωπία) ausgezeichnet werden, sind es die markanten Meinungsäußerungen (vgl. Apg 28,4b.6b), die diesen Eindruck unterstreichen. Wunder, genauer die Wahrnehmung und Auslegung entsprechender Ereignisse, spiegeln stets das Weltbild der jeweiligen Person wider⁶⁵. In Lystra war dieses von der Furcht vor einer „Sintflut“ geprägt (vgl. Apg 14,11– 13), mit der die Götter unangemessenes Verhalten bestrafen (vgl. Ovid, Met., 8,611– 724). In Philippi standen hingegen finanzielle Interessen im Vordergrund des Denkens der Besitzer einer Magd, die einen Exorzismus des Paulus zuvorderst als Verlust der eigenen Geschäftsgrundlage werteten (vgl. Apg 16,19 – 21). Auf Malta sprechen die Barbaren von der Göttin Dike (vgl. Apg 28,4b) und erklären Paulus schlussendlich selbst zu einem Gott (vgl. Apg 28,6b).

 Vgl. K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formen, ; E.N. Hock and R.F. O’Neil, Chreia, ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories, .  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott,  – . – .  Vgl. K. Berger, Gattungen, ; Ders., Formen, .  Vgl. J. Vogt, Aspekte,  – ; M. Martinez and M. Scheffel, Einführung,  – .  Siehe K. Berger, Gattungen, .  A.a.O.

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

Es liegt folglich nahe, den thematischen Schwerpunkt ähnlich zu verorten, wie es die aufgezeigten Beispiele vorzeichnen. In diesem Fall entsteht jedoch die Notwendigkeit, nach dem Bild zu fragen, welches Lukas in Apg 28,1– 6 unter Zuhilfenahme von Anspielungen und Lokalkolorit von den βάρβαροι her entfaltet. Gleiches ist ferner im Zusammenhang mit den Motiven eines Itinerars zu bedenken, die ebenfalls die Form der Erzählung zu beeinflussen scheinen. Erst auf dieser Grundlage wird der Aussagewille des Autors deutlich.

II. Der Einfluss von Lokalkolorit auf Apg 28,1 – 6 1. Die historische Situation auf der Insel Malta im 1. Jh. n. Chr. Aus einer historischen Perspektive heraus kann die Bezeichnung der Einwohner von Malta als Barbaren weder politisch noch wirtschaftlich oder kulturell plausibel gemacht werden⁶⁶. Ursprünglich als phönizische Handelskolonie gegründet, stand die südlich von Sizilien gelegene Insel ab 480 v.Chr. unter der Oberhoheit Karthagos (vgl. Diodorus Siculus, Bib. Hist., 5,12,3), behielt allerdings die Rolle eines bedeutenden Handelszentrums bei⁶⁷. Zu Beginn des zweiten punischen Krieges (218 v.Chr.) wurde die Kolonie durch den römischen Konsul Tiberius Sempronius erobert und an die Provinz Sizilien angeschlossen (vgl. Livius, 21,51; Polybios, 3,41,2– 3). Auch unter römischer Herrschaft blieb die wirtschaftliche Bedeutung der Insel, die mehrere große Häfen beherbergte, die neben Handel und Warenumschlag auch Schutz vor Stürmen und die Möglichkeit zum Überwintern boten, gewahrt⁶⁸. Diese Umstände förderten sicherlich die Akzeptanz der Einwohner gegenüber den hellenistisch geprägten Machthabern und der damit verbundenen Sprache Griechisch. Zwar ist bezeugt, dass Teile der Bevölkerung auch weiterhin einen punischen Dialekt pflegten (vgl. Strabo, 17,832– 834; Cicero, Verres., 4,46 – 47), die Beherrschung der hellenistischen Umgangssprache ist damit aber keinesfalls ausgeschlossen. Hängt die Bezeichnung als Barbar (βάρβαρος) von der Teilhabe

 Mit E. Haenchen, Apostelgeschichte, . Den Begriff βάρβαρος lediglich auf den punischen Dialekt der Einwohner zurückzuführen (so etwa E. Plümacher, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ), erscheint – wie sich im Weiteren zeigen wird – verkürzt.  Für einen ausführlichen Einblick in die Geschichte Maltas, siehe B.C. Schneider, Malta, .  Vgl. T. Zahn, Apostelgeschichte ,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, .

II. Der Einfluss von Lokalkolorit auf Apg 28,1 – 6

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an der „Leitkultur“ ab⁶⁹, dann weckt die Durchsetzung der einheimischen Bevölkerung mit römischen Veteranen, denen seit Gaius Julius Caesar die Insel Malta als Altersruhesitz zugewiesen wurde⁷⁰,weitere Zweifel. Da römische Legionäre aus allen Provinzen rekrutiert und nur selten im Heimatland eingesetzt wurden, ist auch eine entsprechende Zusammensetzung für Malta anzunehmen. Diese Form römischer „Integrationspolitik“ (vgl. Strabo, 17,833) machte es für das alltägliche Zusammenleben umso wichtiger eine gemeinsame Sprache anzunehmen, mit der man sich interkulturell verständigen konnte. Aus diesem Befund wird allerdings deutlich, dass die politische wie gesellschaftliche Situation, die die Insel Malta während der Reisen des Paulus bestimmte, eine Polemik, die von der sprachlichen wie kulturellen Abgrenzung der Einwohner vom hellenistischen Kulturraum ausgeht, nicht stützt. Stattdessen ist ein literarischer Ansatz zu vermuten, der Lukas dazu veranlasste, die Inselbewohner mit einem Begriff zu charakterisieren, der historisch nicht nachvollziehbar und nicht selten von einer negativen Konnotation begleitet ist.

2. Das Bedeutungsfeld des Lexems βάρβαρος In neuerer Literatur zumeist als Bezeichnung eines von Lukas nicht näher differenzierten punischen Dialektes verstanden⁷¹, begründet das Lexem βάρβαρος als Bezeichnung der Einwohner von Malta (vgl. Apg 28,2.4) das Ausbleiben einer angemessenen Reaktion, mit der Paulus die beiden Missverständnisse der Barbaren (vgl. Apg 28,4b.6b) ausräumt. Gewertet als Hinweis auf eine Sprachbarriere, die in Anlehnung an die Auszeichnung der Einwohner von Lystra (vgl. Apg 14,11) gleichermaßen die Untätigkeit des Paulus entschuldigt, spiegelt dieser Ausdruck ferner eine Weltsicht wider, die gelegentlich auf Lukas übertragen wird. Als gebildeter Grieche stünde der Autor des Doppelwerks, dieser These folgend, in kritischer Distanz zu Menschen, die sich nicht in die hellenistische Kultur und die damit verbundenen Sprachkonventionen einordnen⁷².  Dazu H. Balz, βάρβαρος,  – . So werten den Sachverhalt ferner E. Plümacher, Apostelgeschichte, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – .  Vgl. T. Zahn, Apostelgeschichte ,  – ; C.K. Barrett, Acts ,  – .  Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.K. Barrett, Acts , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts,  – ; G. Schneider, Apostelgeschichte ,  Anm. ; P. Seul, Rettung, .  E. Haenchen, Apostelgeschichte,  vermutet, dass Lukas hier vom „gemeinen Mann“, dem „Fabrikarbeiter“, „Packträger“ und „Handelsgärtner“ spricht. Dieser Erklärungsansatz, der die soziale Spaltung zwischen dem Autor und den angetroffenen Menschen vermutet, lässt den wirtschaftlichen Schwerpunkt und die Rolle der Kolonie Malta außer Acht, die diese schon vor der

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Mag dieses Bild bereits mit Blick auf das genannte Beispiel aus Lystra, in dem der Autor den herrschenden Dialekt ausdrücklich benennt und nicht auf diesen Allgemeinbegriff zurückgreift (vgl. Apg 14,11), nicht überzeugen, weist der zugedachte Ansatz zumindest auf das bemerkenswerte Bedeutungsspektrum dieses Ausdruckes hin. Neben einer sprachlichen Nuance, die in dieser Szene eine ergänzende Funktion ausüben mag⁷³, sind es die verschiedenen kulturellen Klangfarben, die der Begriff „βάρβαρος“ im 1. Jh. n.Chr. in sich vereint und hier das Interesse wecken. Man muss hier allerdings den Umstand berücksichtigen, dass eine offensichtliche Ausrichtung dieses Lexems auf den Aspekt des ungebildeten und rohen Menschen ausbleibt; stattdessen nimmt Lukas mit dem Zusatz φιλανθρωπία eine Akzentuierung vor, die einen positiven Beiklang besitzt und die Frage nach dem inhaltlichen Horizont aufwirft, auf den der Autor mit der Wahl jenes Ausdrucks für die Bezeichnung der Einwohner von Malta zurückgreift. Die lautmalerische Abwandlung des Lexems „βαρβαρόφωνος“⁷⁴ (fremdsprachig, stotternd) ist bereits seit dem 8. Jh. v.Chr. belegt (vgl. Homer, Il., 2,867; Apollodorus, Frgm., 177,3; Herodot, Hist., 9,43,6) und diente als Sammelbezeichnung für fremde Völker und insbesondere deren Sprache. Hatte der Begriff zunächst einen neutralen Ton, wurde dieser unter dem Eindruck der Perserkriege (5. Jh. v.Chr.) verschärft und erhielt als Ausdruck nationaler Abgrenzung⁷⁵ von feindlichen Nationen eine negative Konnotation (Aeschylus, Pers., 391; Ders., Agam., 918 – 919; Herodot, Hist., 8,142,5; Sophokles, Frgm., 126). Damit lag der Bedeutungsschwerpunkt im allgemeinen Gebrauch nicht mehr auf einer sprachlichen Unterscheidung, wie es das ursprüngliche Simplex intendierte, sondern auf der ethnologischen, zwischen Griechen, die freilich eine Sprache teilen, und fremden, genauer nicht-griechischen Völkern. Parallel zu dieser Verwendungsform etablierte sich im 5. Jh. v.Chr. eine Wortbedeutung, die diesen Begriff auf die kulturellen Aspekte von Bildung und Sprache verengt. Die sogenannte „Aufklärung“⁷⁶, die von den Sophisten getragen

Eroberung durch Karthago innehatte ( v.Chr.). Ferner J. Roloff, Apostelgeschichte, ; C.J. Hemer, Acts, ; C.K. Barrett, Acts , .  Im Unterschied zu der Episode in Lystra (vgl. Apg ,) verweist Lukas eben nicht ausdrücklich auf eine sprachliche Differenz, die zwischen Paulus und den Einwohnern der Insel bestand. Eine direkte Kommunikation findet indes auch nicht statt, so dass dieser Aspekt ggf. eine unterstützende Rolle spielen mag.  Vgl. C. Ungefehr-Kortus, Anacharsis, .  Vgl. J. Jüthner, Hellenen,  – ; Ders. Barbar, ; S. Rugullis, Barbaren, ; C.K. Barrett, Acts , ; H. Diller, Hellenen-Barbaren-Antithese, .  Dazu G. Schneider, Apostelgeschichte ,  Anm. ; H. Balz, βάρβαρος, ; J. Jüthner, Hellenen, ; C. Ungefehr-Kortus, Anacharsis,  – ; K. Trüdinger, Geschichte,  – ; R. Zahn, Barbaren,  – .

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wurde, begriff Menschen oder ganze Völker nicht mehr nach ethnologischen Kategorien, sondern abhängig von der Prägung und Form des jeweiligen Nomos⁷⁷ (vgl. Flavius Josephus, Ap., 2,172; Ders., Bell., 5,123 – 124; Ders., Ant., 4,322; 16,277; Philo von Alexandria, Op., 70,54; Ders., Prob., 51; Ders., Abr., 68). Zwar konnte sich der damit verbundene Gedanke eines an Bildung orientierten „Weltbürgertums“ nicht durchsetzen, allerdings förderte diese philosophische Bewegung eine offenere Einstellung gegenüber anderen Völkern insofern, dass diese nicht mehr pauschal mit Misstrauen betrachtet wurden, sondern mit wachsendem Interesse⁷⁸. Politisch wie wirtschaftlich gingen mit dieser philosophischen Bewegung die Ausweitung des Geltungsbereiches griechischer Kultur sowie der Schifffahrt und des damit verbundenen Handels einher⁷⁹. Das Zusammenwachsen unterschiedlicher Völker zum hellenistischen Kulturraum, der in dem Ausdruck „Ἕλληνες καί βάρβαροι“ (vgl. Plato, Theaet., 175a; Röm 1,14) eine literarische Form erhielt⁸⁰, trug zur weiteren Auflockerung des interkulturellen Verhältnisses bei und brachte schließlich eine idealisierte Vorstellung von fremden Völkern (βάρβαροι) mit sich, die außerhalb des hellenistischen Kulturkreises lebten. Letzteres fand in Verbindung mit anderen Faktoren – zu nennen sind hier besondere Tugenden oder die Annahme einer göttlichen Rechtsnorm – ihren literarischen Niederschlag innerhalb der Reiseliteratur, in der entsprechende Erzählungen über Barbaren dazu dienten, ein breiteres Publikum anzusprechen. Damit zeichnet sich allerdings ab, dass ein auf die Sprache reduzierter Gebrauch des Lexems „βάρβαρος“ dem Begriff nicht gerecht wird. Auch sind negative Konnotationen oder der Hinweis auf die schlechte Bildung der Malteser nicht alternativlos. Der Begriff beschreibt vielmehr einen Bedeutungsspielraum, der eine pauschale Festlegung auf den Aspekt unkultivierter Barbaren nicht zulässt. Vor dem Hintergrund eines breiten Spektrums möglicher Nuancen scheint es vielmehr erforderlich zu sein, auf die im Text gegebenen Elemente zu achten, mit denen Lukas diesen Begriff und damit die Charakterzeichnung der Einwohner von Malta näher bestimmt, um zu einer angemessenen Bewertung des Sachverhaltes zu gelangen.

 Vgl. H. Kleinknecht, νόμος,  – . – .; J. Jüthner, Hellenen, .  Vgl. A.A.T. Ehrhardt, Metaphysik, ; F. Ricken, Naturrecht,  – ; F. Flückiger, Geschichte,  – ; H. Koester, Nomos,  – .  Dazu A.A.T. Ehrhardt, Metaphysik,  – ; J. Jüthner, Hellenen,  – .  Vgl. C.E.B. Cranfield, Romans, .

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3. Das Bild des menschenfreundlichen Barbaren Die eindringliche Beschreibung und Akzentuierung einer Gruppe von Menschen ist in der Apostelgeschichte ein häufig wiederholtes Motiv. Den höchsten geistlichen Führern Israels stellt Lukas beispielsweise die Eifersucht (ζῆλος) als Charakterzug zur Seite (vgl. Apg 5,17). Im Falle der von einem Python besessenen Frau (Apg 16,16 – 22) schreibt er ihren Herren ein vornehmlich gewinnorientiertes Denken zu (vgl. Apg 16,19). Die Initiative der Athener Philosophen reduziert der Autor wiederum auf die Aspekte Neugier (vgl. Apg 17,21) und letztlich falsch orientierter Frömmigkeit (δεισιδαίμων) und legt damit den thematischen Schwerpunkt der Episode Apg 17,16 – 34 fest. Ähnlich dieser präzisen Beschreibung charakterlicher Eigenarten verfährt Lukas im Umgang mit Angaben, die eine Sprache im Sinne eines Erkennungsmerkmals betreffen⁸¹. Über die Einwohner von Lystra wird festgestellt, dass sie sich gegenüber Paulus und Barnabas im einheimischen Dialekt verständigten (vgl. Apg 14,11), wodurch ein Schlaglicht auf deren kulturellen Hintergrund geworfen wird. In Apg 2,8 – 11 ist wiederum eine ausführliche Liste der Sprachen angeführt, die im Durcheinander des Pfingstwunders zu hören sind und einen Ausblick auf die kommende Mission geben. Im Kontext der Verteidigungsrede des Paulus vor den Juden in Jerusalem (Apg 22,1– 21) merkt Lukas ferner an, dass er diese auf Hebräisch hielt (vgl. Apg 21,40; 22,2), wodurch er eindrücklich dessen kulturelle wie gedankliche Abstammung hervorhebt (s.a.: Apg 21,38; 26,14). Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass der Autor dort, wo charakterliche Eigenschaften oder Sprache von Bedeutung sind, diese auch kennzeichnet. In den sechs Versen der ersten Maltaepisode finden sich hingegen weder Hinweise auf den punischen Dialekt der Inselbewohner, noch auf deren geringen Bildungsstand, weshalb der bemerkenswerten Auszeichnung als menschenfreundliche Barbaren (vgl. Apg 28,2) ein anderer Gedanke zu Grunde liegen muss. Die Übersetzung des Lexems „φιλανθρωπία“ mit „Hilfsbereitschaft“, respektive „Gastfreundschaft“⁸², umschreibt nur unzureichend das Bedeutungsfeld, welches diesem Attribut innewohnt. Der Begriff bezeichnet zuallererst eine Tugend göttlicher Natur, die die gnädige Fürsorge eines Gottes gegenüber den Menschen zum Ausdruck bringt. Dieser Wortsinn bleibt in der weiteren Begriffsentwicklung gewahrt, in der die φιλανθρωπία im hellenistischen Kulturraum zu einer Leittugend forciert wird, die bis in das 2. Jh. n.Chr. hinein als Richtlinie ein  D.P. Bechard, Walls,  –  macht mit Blick auf H.J. Cadbury, Hellenists,  deutlich, dass Angaben über Sprache in der Apostelgeschichte immer Teil eines größeren literarischen Konzeptes sind.  So J.A. Fitzmyer, Acts, .

II. Der Einfluss von Lokalkolorit auf Apg 28,1 – 6

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allgemein angemessenes Denken und Handeln beschreibt⁸³ (Aristophanes, Pax., 392– 393; Plato, Symp., 189c.d; Ders., Euthyphr., 3d; Plutarch, Mor., 1075E; Xenophon, Ag., 1,22). Es handelt sich demnach um ein Attribut, das im hellenistischen Kontext besondere Fürsorge und würdiges Handeln gegenüber Mensch wie Gottheit suggeriert. Im Sinne einer Randnotiz sei der Gebrauch dieses Lexems in der Septuaginta angesprochen. In SapSal 7,23 ist die φιλανθρωπία in einer Liste von Tugenden erwähnt, die einen weisen bzw. gerechten Menschen auszeichnen (s.a.: SapSal 12,19). Der hier benannte Ausdruck „Weisheit“ ist vom heutigen, synonym gebrauchten Begriff „Wissen“ zu unterscheiden, da er, alttestamentlich verstanden, einen gottesfürchtigen Lebenswandel beschreibt⁸⁴ (vgl. SapSal 1,6). Gewichtiger erscheint im Zusammenhang mit den Ausführungen von Apg 28,1– 6 die Konnotation, die in den Makkabäerbüchern (vgl. 2Makk 4,11; 14,9; 3Makk 3,15) begegnet. Ausgerichtet an dem Gott Israels, begegnet die φιλανθρωπία als Ausdruck der Gottesfurcht als Attribut von Herrschern, die den Kult in Jerusalem achten. Bezogen auf die beiden Meinungsäußerungen der Barbaren von Malta (vgl. Apg 28,4b.6b) wäre es denkbar, dass Lukas in der Spannung zwischen hellenistischer Menschenfreundlichkeit und alttestamentlicher Gottesfurcht einen ironischen Unterton anklingen lässt.

Es mag erstaunen, dass Lukas einen so geprägten Begriff mit einer Gruppenbezeichnung in Verbindung bringt, die Menschen umschließt, die ungebildet, roh und der griechischen Sprache nicht mächtig sein sollen⁸⁵. Dieser Widerspruch löst sich allerdings in einer konträren Darstellung von Barbaren auf, die in der antiken Literatur bereits seit dem 5. Jh. v.Chr. zu beobachten ist. Entgegen nationaler Vorbehalte gegenüber fremden Völkern folgten einige Autoren den Gedanken der sogenannten Aufklärung und zeigten offen Sympathie und Interesse an Kultur und Ethos jener Menschen⁸⁶ (vgl. Herodot, Hist., 3,38; 7,136; Demosthenes, Or., 20,165; 21,48; 23,61; 25,81). Letzteres beschreibt ferner den Gegenstand einer philosophischen Diskussion, die versuchte, einen gemeinsamen Nomos festzustellen, der über kulturelle Grenzen hinweg den Menschen gemein ist⁸⁷. Dieser Gedanke, der der Form nach als „humanitärer Kosmopolitismus“ umschrieben wird, findet sich exemplarisch in verschiedenen Ausführungen

 Vgl. U. Luck, φιλανθρωπία,  – ; H. Reader, Kaiser Julian,  – .  Vgl. M.Witte, Votum,  merkt an: „Die Füllung des Begriffes der „δικαιοσύνη“ folgt ganz dem jüdischen Erbe, wenn er (hier der Autor von SapSal) mit dem Nachdenken über und der Suche nach Gott, also dem Willen zur Gemeinschaft mit Gott, parallelisiert.“  S.o. S.  ff.  Vgl. E. Schwartz, Hekataios,  – . Gelegentlich traf die Bewunderung anderer Staatsformen auf Spott und Ablehnung. Siehe z. B. Plutarch, Mor., .  Vgl. A.A.T. Ehrhardt, Metaphysik,  – .

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

Herodots wieder⁸⁸. Die Berufung des Xerxes auf die „νόμιμα τῶν ἀνθρώπων“ (Herodot, Hist., 7,136), die die Spartaner durch die Ermordung seiner Unterhändler gebrochen hätten, verdeutlicht, dass diesem Gedanken auch im Zusammenhang politischer Konflikte Bedeutung zukam. Die Auswirkungen dieser geistigen Strömung auf kulturelle wie ethische Theorien wird hingegen in einem Abschnitt der Historien (Herodot, Hist., 3,38) deutlich, der von einem Versuch des Darius zu berichten weiß, die Bestattungsriten von Griechen und Indern zu vergleichen⁸⁹. Beide Seiten können sich zwar nicht vorstellen, nach den Sitten des anderen zu verfahren, allerdings ist beiden der Wunsch gemein, durch ihr Handeln die Ahnen zu ehren. Mit diesem Beispiel versucht Herodot zu verdeutlichen, dass die kulturelle Bildung zwar divergieren kann, aber die zu Grunde liegende Intention eine gemeingültige Norm beschreibt. Von dieser Einschätzung ausgehend, wird nochmals deutlich, dass im griechischsprachigen Raum des 5. Jh. v.Chr. ein Be-

 Siehe A.A.T. Ehrhardt, Metaphysik, . Ferner F. Ricken, Naturrecht,  – ; H. Koester, Nomos,  – .  Herodot, Hist., ,: „Πανταχῇ ὦν μοι δῆλά ἐστι ὅτι ἐμάνη μεγάλως ὁ Καμβύσης· οὐ γὰρ ἂν ἱροῖσί τε καὶ νομαίοισι ἐπεχείρησε καταγελᾶν. Εἰ γάρ τις προθείη πᾶσι ἀνθρώποισι ἐκλέξασθαι κελεύων νόμους τοὺς καλλίστους ἐκ τῶν πάντων νόμων, διασκεψάμενοι ἂν ἑλοίατο ἕκαστοι τοὺς ἑωυτῶν· οὕτω νομίζουσι πολλόν τι καλλίστους τοὺς ἑωυτῶν νόμους ἕκαστοι εἶναι. Οὐκ ὦν οἰκός ἐστι ἄλλον γε ἢ μαινόμενον ἄνδρα γέλωτα τὰ τοιαῦτα τίθεσθαι. Ὡς δὲ οὕτω νενομίκασι τὰ περὶ τοὺς νόμους οἱ πάντες ἄνθρωποι, πολλοῖσί τε καὶ ἄλλοισι τεκμηρίοισι πάρεστι σταθμώσασθαι, ἐν δὲ δὴ καὶ τῷδε. Δαρεῖος ἐπὶ τῆς ἑωυτοῦ ἀρχῆς καλέσας Ἑλλήνων τοὺς παρεόντας εἴρετο ἐπὶ κόσῳ ἂν χρήματι βουλοίατο τοὺς πατέρας ἀποθνῄσκοντας κατασιτέεσθαι·οἱ δὲ ἐπ’ οὐδενὶ ἔφασαν ἔρδειν ἂν τοῦτο. Δαρεῖος δὲ μετὰ ταῦτα καλέσας Ἰνδῶν τοὺς καλεομένους Καλλατίας, οἳ τοὺς γονέας κατἸνδῶν τοὺς καλεομένους Καλλατίας, οἳ τοὺς γονέας κατεσθίουσι, εἴρετο, παρεόντων τῶν Ἑλλήνων καὶ δι’ ἑρμηνέος μανθανόντων τὰ λεγόμενα, ἐπὶ τίνι χρήματι δεξαίατ’ ἂν τελευτῶντας τοὺς πατέρας κατακαίειν πυρί·οἱ δὲ ἀμβώσαντες μέγα εὐφημέειν μιν ἐκέλευον. Οὕτω μέν νυν ταῦτα νενόμισται, καὶ ὀρθῶς μοι δοκέει Πίνδαρος ποιῆσαι, „νόμον πάντων βασιλέα“ φήσας εἶναι.“ Trans.: Allenthalben ist mir gewiss, dass Kambyses von großen Zorn gepackt war, denn sonst hätte er nämlich nicht auslachend das heilige und sittliche angegriffen. Wenn man nämlich allen Menschen erlauben würde zu wählen, die besten Sitten aus allen Sitten auszusuchen, dann würde sie nach der Untersuchung jeder für sich die eigenen nehmen: So viel halten alle die eigenen Sitten für die besten. Also kann einer der anders ist als wie ein rasender Mann diese Dinge ins Lächerliche ziehen. Das aber alle Menschen es so mit den Sitten zu halten pflegen, ist an vielen unterschiedlichen vorhandenen Beweisen zu ermessen, so wie diesem: Dareios rief während seiner Herrschaft die anwesenden Griechen zu sich und fragte wie hoch der Preis sein wolle, damit sie ihre toten Väter verspeisen. Die aber waren nicht bereit so etwas zu tun. Dareios rief aber danach Inder, die Kallatier genannt werden, zu sich, die ihre Vorfahren verspeisen, und fragte sie, während die Griechen anwesend waren und durch einen Übersetzer das gesagte erfuhren, für welchen Preis sie es akzeptieren würden ihre Väter zu verbrennen. Die schrien laut auf und baten ihn böse Worte zu vermeiden. So sind dies nun übliche Sitten, und richtig scheint mir Pindaros zu tun, wenn er sagt, der Brauch sei allen König.

II. Der Einfluss von Lokalkolorit auf Apg 28,1 – 6

245

wusstsein bestand, welches bemüht war, kulturelle Unterschiede nicht pauschal, sondern anhand einer übergeordneten Norm zu differenzieren⁹⁰ (vgl. Demosthenes, Or,. 20,165; 21,48; 23,61; 25,81). In diesem geistigen Klima war es durchaus möglich, die φιλανθρωπία auch Nicht-Griechen zuzuschreiben und deren Verhalten in ein idealisiertes Licht zu stellen. Im Kontext dieser gedanklichen Entwicklung begegnet das Bild eines edlen Barbaren, der sich als Vertreter höchster allgemeiner Tugenden auch der Menschenfreundlichkeit (φιλανθρωπία) verpflichtet weiß. Die antike Reiseliteratur nahm schließlich dieses Bild auf und bezog es vor allem auf solche Ethnien, die weit außerhalb des hellenistischen Kulturkreises vermutet wurden und für griechischsprachige Menschen unerreichbar schienen⁹¹. Mit Blick auf die Anleihen, die Lukas in Apg 28,1– 6 bei dieser Literaturform macht⁹², scheint der Gedanke an eine ähnlich gelagerte Verwendung des Barbarenbegriffes nicht abwegig. Der inhaltlichen Spannung zwischen den Begriffen „βάρβαρος“ und „φιλανθρωπία“ (vgl. Apg 28,2) würde in diesem Falle ein Deutungsansatz gegenübergestellt, der den Blick auf ein Charakterbild lenkt, welches in einer Reihe mit den Philosophen von Athen (vgl. Apg 17,16 – 34) oder den Silberschmieden und Politikern von Ephesus (vgl. Apg 19,23 – 40) steht.

4. Die Rolle der Gerechtigkeit (Δίκη) in Apg 28,1 – 6 Dieses Bild des edlen respektive menschenfreundlichen Barbaren, der sich stets angemessen gegenüber Mensch und Gott verhält, ist durch einen weiteren Aspekt zu ergänzen, der in der Episode (Apg 28,1– 6) eine bedeutsame Rolle spielt. Im Zusammenhang juristischer Auseinandersetzungen beschreibt die φιλανθρωπία einen Maßstab, der untrennbar mit dem Bild eines gerechten Richters verbunden ist (vgl. Demosthenes, Or., 20,165; 21,48; 23,61; 25,81). Neben dem Aspekt der Mäßigung, der dazu anhält, keine überzogene Härte walten zu lassen (vgl. Xenophon, Cyrop., 1,2,1.4,1; 8,2,1.4,7– 8; Plutarch, Cras., 30,2; Ders., Dem., 52,3), drückt die Tugend in diesem Zusammenhang die Fähigkeit aus, einen Sachverhalt zu erfassen und angemessen zu beurteilen⁹³. Ein Anknüpfungspunkt für diesen Gedanken findet sich in Apg 28,4b, wo die Barbaren von Malta Schiffbruch und Schlangenbiss, die den Paulus in kurzer

   

Vgl. J. Jüthner, Hellenen, ; A.A.T. Ehrhardt, Metaphysik, ; C.Ungefehr-Kortus, Anacharsis, . Vgl. S. Rugullis, Barbaren,  – ; C. Ungefehr-Kortus, Anacharsis,  Anm. ; S.o. S.  ff. Vgl. U. Luck, φιλανθρωπία, .

246

7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

Abfolge ereilen (vgl. Apg 28,1– 3), als kausale Kette von Ereignissen werten, an deren Ende die Einschätzung steht, Paulus sei ein Mörder (vgl. Apg 28,4b). Dieses Bild, das an eine Gerichtsszene erinnert, ist in der antiken Literatur nicht ohne Parallele (vgl. Antipatros von Thessalonich, Anth. Graec., 9,269; Statilius Flaccus, Anth. Graec., 7,290). Ausgehend von dem Versuch eines Verbrechers, seiner Bestrafung nach den Gesetzen und Normen der griechischen Polis zu entkommen⁹⁴, schildern solche Erzählungen ein Eingreifen der Göttin Dike (vgl. Hesiod, Op., 256), die ungebunden und über alle Grenzen hinweg ein gerechtes Urteil vollzieht⁹⁵. Ähnlich dem Vorgehen, das bereits im Zusammenhang mit den Episoden zu Lystra (vgl. Apg 14,1– 13) und Athen (vgl. Apg 17,28b) zu beobachten war, greift Lukas zur Auszeichnung des Settings auf einschlägige Literatur zurück, die die Episode in eine bestimmte Richtung lenkt. Offensichtlich steht in dieser Szene die hellenistische Vorstellung von einem göttlichen Prozess im Vordergrund⁹⁶, den eine Gruppe von Menschen, die zuvor einem hellenistischen Ideal zugerechnet wurde, aus einer Abfolge einzelner Ereignisse heraus erschließt. Als bemerkenswert erweist sich in diesem Zusammenhang eine jüdische Spielart dieses Schemas⁹⁷ (vgl. bBer 33a; bSanh 37b), die das aufgezeigte Konzept auf den Kopf stellt. Anders als die hellenistische Variante gehen solche Geschichten von dem Bild eines vor Gott gerechten Menschen aus, der trotz aller Gefahren doch nicht in Furcht leben muss, da der Gott Israels ihm beisteht. Gleiches wurde im Vorfeld mit dem Motiv der Immunität des Paulus verbunden⁹⁸ (vgl. Apg 28,4– 6a), die, als Auszeichnung gedacht, einen Gegenpol zu der Meinung der Barbaren bildet. In der Gegenüberstellung dieser Positionen wird ein weiteres Mal eine Diskussion erkennbar, in der eine Gruppe aus den Völkern einen Sachverhalt einschätzt, der im Kontext einer Ausdrucksform des Willens Gottes eine kontroverse Form annimmt, die zur weiteren Deutung auffordert.

 Vgl. G. Schrenk, δικαιοσύνη,  – ; J. Schröter, Votum, ; A. Dihle, Gerechtigkeit,  – ; W. Zwickel, Recht, ; E. Otto, Gerechtigkeit, .  Vgl. G. Schrenk, δίκη, ; A.A.T. Ehrhardt, Metaphysik, ; A. Dihle, Gerechtigkeit,  – ..  Es geht hier ausdrücklich nur um die Vorstellung der Barbaren und nicht um die Auseinandersetzung zweier Gottheiten. Dazu E. Haenchen, Apostelgeschichte, ; E. Plümacher, Apostelgeschichte, .  Vgl. H. Strack and P. Billerbeck, Evangelium, .  S.o. S.  ff.

III. Das Missverständnis der Barbaren

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III. Das Missverständnis der Barbaren 1. Die Diskussion von Apg 28,1 – 6 Die Rekonstruktion des argumentativen Ablaufs, den der Autor in der Erzählung zu Malta (Apg 28,1– 6) verfolgt, lässt sich in vergleichsweise kurzen Worten zusammenfassen. Im Unterschied zur Episode zu Ephesus (Apg 19,23 – 40) richtet Lukas Apg 28,1– 6 ausschließlich an einer Gruppe aus den Völkern aus, wodurch der ironische Ton dieser Doppelchreia umso deutlicher hervortritt⁹⁹. Diskutierten in Apg 19,23 – 40 noch ein Silberschmied und ein Stadtschreiber über Wirkung und Bedeutung des Evangeliums für den Kult der Artemis, liegt der Fokus nunmehr auf zwei Aussprüchen (Apg 28,4b.6b), mit denen eine Gruppe menschenfreundlicher Barbaren ein und denselben Sachverhalt (vgl. Apg 28,3) auf unterschiedliche Weise kommentiert. Liegt der beschriebenen Gattung der Gedanke einer Erkenntnisgewinnung zu Grunde¹⁰⁰, so folgt Lukas diesem Konzept zumindest auf formaler Ebene. Ausgehend von einer scheinbar eindeutigen Situation bewerten die Barbaren von Malta Schiffbruch (vgl. Apg 27,41– 28,1) und Schlangenbiss (vgl. Apg 28,3), die Paulus in kurzer Abfolge widerfahren, als einen eindeutigen Beleg für das Schicksal eines Mörders (vgl. Apg 28,4b). Das Ausbleiben des erwarteten Urteils der Rachegöttin Dike (vgl. Apg 28,5b–6a) zwingt sie allerdings zum Umdenken und zu einer Revision ihrer Bestimmung der Sachlage. Gemäß dem aufgezeigten argumentativen Schema, welches durch die bemerkenswerte Auszeichnung der Barbaren mit dem Attribut der „φιλανθρωπία“ unterstrichen wird, wäre an dieser Stelle ein Ausdruck der erweiterten Erkenntnis zu erwarten, der zumindest im Ansatz das Wirken des Gottes Israels, der schützend hinter Paulus steht (vgl. Lk 10,19; Apg 27,24a), festhält. Stattdessen gelangen die Inselbewohner zu einem ähnlichen Rückschluss, wie ihn Lukas im Zusammenhang mit einer Therapie in Lystra (Apg 14,11– 13) schildert, und bezeichnen Paulus nunmehr selbst als Gottheit (vgl. Apg 28,6c). Folgt dieser Ablauf weitgehend jenem Bild, das der Autor auch an anderer Stelle vom Verhalten und Denken der Völker gegenüber einer Ausdrucksform des Wirkens Gottes zeichnet (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40), nimmt Lukas auch in dieser Episode (Apg 28,1– 6) eine spezifische Verschiebung des

 S.o. S.  ff.  Mit K. Berger, Gattungen,  – ; R.C. Tannehill, Pronouncement Stories,  – ; R.F. Hock and E.N. O’Neil, Chreia,  – .

248

7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

thematischen Akzentes vor¹⁰¹. Eine umfassende Erkenntnis des Sachverhaltes, die in der Feststellung von Zeugenschaft und Dienst des Paulus hätte gipfeln müssen¹⁰², ist vor dem Hintergrund der alttestamentlichen Vorbehalte gegenüber den Völkern (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19), deren Gültigkeit Lukas wiederholt unterstreicht (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40), ausgeschlossen. So überraschen die wiedergegebenen Inhalte, der Paulus sei abwechselnd ein Mörder oder eine Gottheit (vgl. Apg 28,4b.6b), wenig. Sie bestätigen lediglich den Gedanken, dass eine vom Wort Gottes unabhängige Erkenntnis Gottes für die Völker auszuschließen ist. Bemerkenswert erscheint hier ein Gefälle der Sicherheit, das der Autor auf semantischer Ebene zwischen den beiden Aussprüchen der Barbaren etabliert¹⁰³. Während das erste Urteil, das auf Grundlage eines bekannten und literarisch oft wiederholten Schemas in fester Überzeugung ausgesprochen wird (vgl. Antipatros von Thessalonich, Anth. Graec., 9,269; Statilius Flaccus, Anth. Graec., 7,290), fehlt dieser Nachdruck in der zweiten Meinungsäußerung gänzlich („πάντως φονεύς ἐστιν ὁ ἄνθρωπος οὗτος vs. μεταβαλλόμενοι ἔλεγον θεὸν αὐτὸν εἶναι“). Ausgezeichnet als ein vager Verdacht (μεταβάλλω), der sich aus der Enttäuschung einer sicher geglaubten Erwartung und dem Mangel einer tieferen Einsicht herleitet, greifen die Barbaren auf einen Gedanken zurück, den das Alte Testament als herausragende Schwäche der Völker herausstellt (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19). Diese Ausrichtung, die auch den menschenfreundlichen Barbaren vorhält, Natur und Gott miteinander zu verwechseln (vgl. Apg 14,15 – 17; 17,24– 25), wird durch den sachlich gehaltenen Ton, in dem das Unglück des Paulus formuliert ist (vgl. Apg 28,3 – 4a), noch unterstrichen. Neben der ausdrücklichen Angabe eines Sachgrundes, der den Angriff der Schlange als natürliche Reaktion eines flüchtenden Tieres ausweist („ἔχιδνα ἀπὸ τῆς θέρμης ἐξελθοῦσα“), spiegelt der Wechsel in der Wortwahl diesen Gedanken wider. Während der Autor anfangs (vgl. Apg 28,3a) die Schlange als „ἔχιδνα“ bezeichnet, ein Ausdruck, dem im Kontext der Verehrung der Göttin Dike besondere Bedeutung zukommt¹⁰⁴, spricht der Folge Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – ; D. Marguerat, Lukas,  – . Damit erfüllt die Erzählung eine notwendige Bedingung, die der dramatische Episodenstil an die Konstruktion thematischer Reihen stellt.  So die minimale Anforderung an ein neutestamentliches Normwunder. Siehe G. Theißen, Wundergeschichten, .  Dieses Gefälle der Sicherheit in der Überzeugung, das im gedanklichen Umschwung der Barbaren sichtbar wird (vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte , ), ist mit Blick auf das literarische Vorgehen des Lukas, in seinen Episoden humoristische oder ironische Töne anklingen zu lassen, ausdrücklich zu betonen.  Zusätzlich zu der Anmerkung, die Schlange habe wegen des Feuers angegriffen, tauscht Lukas zwischen Apg ,. das verwendete Lexem „ἔχιδνα“ gegen „θηρίον“ aus. Letzteres ist als

III. Das Missverständnis der Barbaren

249

vers lediglich von einem wilden Tier (θηρίον), das Paulus ins Feuer schüttelt (vgl. Apg 28,4a). Lukas reduziert somit in diesem Begriffswechsel den Bedeutungsspielraum des ersten Ausdrucks, um darin den tatsächlichen Charakter jenes Ereignisses herauszustellen. Entgegen der Einschätzung der Barbaren, die Göttin Dike würde mit jenem Schlangenangriff ein Urteil gegen einen Mörder vollziehen (vgl. Apg 28,4b), sind es die zufälligen, aber nachvollziehbaren Umstände, die zum Unglück führen. Mit diesem Bild reiht Lukas am Ende der Apostelgeschichte nunmehr eine Gruppe menschenfreundlicher Barbaren in ein Schema ein, welches, aufbauend auf den Gedanken und Ansätzen alttestamentlicher Völkerpolemik (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19), bereits die Bergbewohner von Lystra (Apg 14,8 – 20) oder die Philosophen von Athen (Apg 17,16 – 34) umschließt. Ihnen gemeinsam ist die Tendenz, von Gott geordnete Abläufe (vgl. Apg 14,11– 13; 17,24– 25) auf das wirken einer ihrer Gottheiten zurückzuführen, die ihnen den Blick auf den Gott Israels verstellt. Im Kontext dieser inhaltlichen Gemeinsamkeit, die eindrücklich für deren Verknüpfung innerhalb einer thematischen Reihe spricht¹⁰⁵, stellt sich allerdings die Frage nach dem individuellen Schwerpunkt, mit dem der Autor Apg 28,1– 6 von den restlichen Episoden abgrenzt. Mit Blick auf die besondere Form der Erzählung, die auf eine eindringliche Rede des Paulus verzichtet (vgl. Apg 14,15 – 17; 17,22b–31), sind es die pointierten Aussprüche der Barbaren (Apg 28,4b.6b), die dem Leser, in Verbindung mit dem konstruierten Charakterbild, eine ironische Spitze vor Augen führen, die im Kontext der gedanklichen Linie einen neuen Akzent setzt.

2. Der thematische Schwerpunkt der Episode Apg 28,1 – 6 Anders als in den Episoden zu Lystra (Apg 14,8– 20) oder Athen (Apg 17,16– 34) tritt Paulus in Apg 28,1– 6 qua definitionem aus dem hellenistischen Kulturraum heraus und agiert in einem Setting, welches der Autor mit menschenfreundlichen Barbaren bevölkert¹⁰⁶ (vgl. Apg 28,2). Was vor einem historischen Hintergrund spannungsvoll erscheint¹⁰⁷, erweist sich innerhalb einer anschaulich beschriebenen „Seefahrtsgeschichte“ (vgl. Apg 27,1– 28,16), die von Stürmen, Schiffbruch und Wundern erzählt,

Generalisierung zu verstehen, die die Echidna nicht als ausführende Dienerin der Göttin Dike erkennt, sondern als triebgesteuertes, wildes Tier. Dazu W. Foerster, θηρίον,  – .  Vgl. E. Plümacher, Schriftsteller,  – ; D. Marguerat, Lukas,  – .  S.o. S.  ff.  Dazu s.o. S.  ff.

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7. Paulus und die menschenfreundlichen Barbaren von Malta (Apg 28,1 – 6)

als nachvollziehbares Motiv, welches den Erzählfaden abrundet¹⁰⁸. Definiert als dramatische Episode, die als Teil einer thematischen Reihe das Verhältnis der Völker gegenüber den Ausdrucksformen des Evangeliums skizziert und karikiert, beschließt der Autor mit der Wahl dieser besonderen Gruppe von Protagonisten eine Diskussion, die er im Verlauf der Apostelgeschichte wiederholt zur Sprache brachte (vgl. Apg 14,8– 20; 16,16– 22; 17,16– 34; 19,23– 40). Nach Philosophen, Wahrsagern, Politikern und Devotionalienhändlern, die exemplarisch für das Denken und Handeln der Menschen im hellenistischen Kulturraum einstanden, schildert Apg 28,1– 6 nunmehr ein Beispiel, das eine Gruppe von Menschen beschreibt, die zumindest formal außerhalb dieses Konzeptes steht. Versehen mit dem Attribut „φιλανθρωπία“ erweisen sich die Barbaren von Malta als Vertreter eines hellenistischen Idealbildes¹⁰⁹, welches eine Fülle bemerkenswerter Tugenden in sich vereint (Demosthenes, Or., 20,165; 21,48; 23,61; 25,81). In der Stunde der Not zeigen sie sich hilfsbereit und gastfreundlich (vgl. Apg 28,1– 2), während sie gleichermaßen eine Beobachtungsgabe besitzen, die sie dazu befähigt, das Handeln der Götter korrekt und sicher zu bestimmen („πάντως φονεύς ἐστιν ὁ ἄνθρωπος οὗτος ὃν διασωθέντα ἐκ τῆς θαλάσσης ἡ δίκη ζῆν οὐκ εἴασεν“). Gerade an diesem Punkt setzt Lukas mit seiner Kritik an diesem Menschenbild an. Noch bevor die Immunität des Paulus, die ihn im Sinne eines „Normwunders“ als Zeuge und Diener Gottes auszeichnet¹¹⁰, zu beobachten ist, fällen die Barbaren ein Urteil und bezeichnen ihn als Mörder (vgl. Apg 28,4b). Eine Kette von Ereignissen, die der Autor lose, aber pointiert sachlich aneinanderreiht (vgl. Apg 28,3), dient diesen Menschen als eindeutiges Zeichen für ein Eingreifen der Götter¹¹¹. Über den humoristischen Aspekt hinaus, dass die Barbaren in ihrem Rückschluss eindeutig jenes Klischee bedienen, das die alttestamentlichen Stimmen den Völkern stets vorhalten (vgl. SapSal 13,6 – 19; 15,15 – 19), überrascht die ausgedrückte Überzeugung, die hinter der Feststellung, Paulus sei ein Mörder (vgl. Apg 28,4b), steht. Bedurfte es in Lystra noch einer missverstandenen Therapie (vgl. Apg 14,8 – 11), um eine solche Fehleinschätzung der Situation hervorzurufen, genügt in der Episode zu Malta (Apg 28,1– 6) ein natürlich nachvollziehbares Ereignis (vgl. Apg 28,3), um ein ähnliches Ergebnis zu provozieren, das zudem als sicheres Faktum dargestellt wird.

 S.o. S.  ff.  Vgl. F. Rese, Sophistik, .  G. Theißen, Wundergeschichten,  – .  Vgl. M. Labahn, Paulus,  – ; C.K. Barrett, Acts , ; A. Weiser, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , ; J.A. Fitzmyer, Acts, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , .

III. Das Missverständnis der Barbaren

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Die Erzählung endet allerdings nicht mit dieser beispielhaften Vorführung der Erkenntnisfähigkeiten der menschenfreundlichen Barbaren. Lukas führt diesen Gedanken weiter und stellt deren Ansatz mit Hilfe der Immunität des Paulus in Frage (vgl. Apg 28,5 – 6a). Gefordert, ihr vormaliges Urteil zu revidieren, gelangen die Inselbewohner jedoch nicht zu der Einsicht, dass Paulus Diener des Gottes Israels ist, der sich schützend vor diesen stellt (vgl. Lk 10,19; Apg 27,24a), sondern zu einer vagen Vermutung, die ihr Unverständnis nochmals unterstreicht¹¹² („[…] μεταβαλλόμενοι ἔλεγον θεὸν αὐτὸν εἶναι“). Der Autor zeigt in diesem Ergebnis (Apg 28,6b), welches bewusst unkommentiert bleibt¹¹³, einen Trend auf, der resümierend den Eindruck, den der Leser in Bezug auf die vorangegangenen episodischen Beispiele gewinnen konnte (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40), auf einen Punkt bringt¹¹⁴. Selbst unter dem Eindruck ausdrucksstarker Erklärungen und Handlungen des Paulus, die stets auf den Gott Israels allein hinweisen, halten die Völker an ihren falschen Vorstellungen und Fehldeutungen des Wortes Gottes fest. Legt man das hellenistische Weltbild zu Grunde, welches zwischen Griechen und Barbaren unterscheidet (vgl. Aristoteles, Pol., 1313b10; Ders., Eth. Eud., 1229b29; Röm 1,14; Kol 3,11), so zieht Lukas am Ende der thematischen Reihe die Linie anders. Die Szene (Apg 28,1– 6) beschreibt eine Situation, in der Hellenisten wie Barbaren den Gott Israels, trotz oder gerade wegen aller Standfestigkeit im eigenen Weltbild, nicht als den einzigen Gott erkennen, respektive ihn unverständig und aus vorgeschobenen Gründen ablehnen. Am Beispiel der menschenfreundlichen Barbaren von Malta unterstreicht Lukas nochmals eine alttestamentliche Position, wonach die Völker, selbst wenn sie Gott suchen oder zu verstehen glauben, nur seiner Schöpfung und nicht ihm selbst die Ehre geben (vgl. SapSal 13,6– 19; 15,15– 19). Ein solches Vorbild vermag jedoch wenig zu überzeugen, weshalb der lukanische Appell an die Leser des Doppelwerkes, sich nach wie vor auf die Traditionen und Hoffnungen des Volkes Israels zu besinnen, auch hier Nachdruck erhält.

 Grammatikalisch spricht für die ununterbrochene Gedankenfolge der Barbaren die wechselnde Verwendung der Tempora, die durch die Abfolge von Aorist (Apg ,) zu Imperfekt (Apg ,) eine argumentative Sequenz initiiert. Vgl. U. Victor, Tempora,  – . Siehe zur Ironie, die der Autor in dieser Szene anbringt P.E. Satterthwaite, Background, .  Ein solches Vorgehen ist beispielsweise in der bereits angeführten Doppelchreia von Quintilian, Inst. Orat., ,, zu beobachten, in der die Bewertung eines tugendhaften Ausspruches von Kaiser Augustus durch einen betrunkenen Ritter unwidersprochen bleibt (Hinc eques Romanus, ad quem im spectaculis bibentem cum misisset Agustus, qui ei diceret, Ego si prandere volo, domum eo: Tu enim, inquit, non times, ne locum perdas). Lukas stellt die Situation so eindrücklich dar, dass eine weitere Kommentierung für das Verständnis des Lesers überflüssig ist.  Ähnlich J.-W. Taeger, Mensch,  – .

8. Ergebnisse 1. Lukas und die Form der Apostelgeschichte Am Anfang der vorliegenden Untersuchung stand das Vorhaben, einen Deutungsansatz zu überprüfen, der das lukanische Doppelwerk einem theologischen Konzept unterstellt, welches Inhalt und Form auf die Frage nach der Identität frühchristlicher Gemeinden im Spannungsfeld der Trennung vom Judentum ausrichtet¹. Dieser Einschätzung der literarischen Verhältnisse, die Evangelium und Apostelgeschichte zu einem themenbezogenen Gesamtwerk verknüpfen, gehen Entscheidungen bezüglich des Autors und dessen Arbeitsweise voraus, die für das wissenschaftliche Verfahren einer Auslegung dieser Texte von entscheidender Bedeutung sind. Lukas wurde, jenem Ansatz folgend, als hellenistischer Schriftsteller wahrgenommen², der literarisch einer Form des sogenannten tragisch-pathetischen Geschichtsschreibungsstils folgt³. Diese Zuordnung brachte es mit sich, dass dem Autor im Umgang mit seinen historischen Ausgangsmaterialien ein gestalterischer Spielraum zugestanden wurde, der die intendierte Botschaft den faktischen Abläufen und Zusammenhängen voranstellt⁴. Die daraus resultierende Fokussierung auf die literarische Konstruktion sowie den im einzelnen Text vermittelten Aussagewillen setzt das Bild eines Autors voraus, der pointierte Szenen und Bilder konstruiert, in denen er trotz offensichtlicher Spannungen zur historischen Sachlage das Thema in den Vordergrund stellt. Die ausgerufene Gefährdung des Artemiskultes in Ephesus durch den missionarischen Erfolg des Paulus (vgl. Apg 19,23 – 27) ist nur ein Beispiel für dieses Verfahren. Nicht nur der wissenschaftlichen Nachlese heutiger Zeit dürfte aufgefallen sein, dass das geschilderte Ausmaß der Gemeindebildung rund um das religiöse Zentrum Ephesus nicht der historischen Situation entspricht⁵. Auch die Zeitgenossen des Lukas dürften in dieser Formulierung (Apg 19,26a) eine  Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott, ; E. Plümacher, Missionsreden, ; J. Roloff, Kirche, . Ausführlich s.o. S.  f.  Diese Bezeichnung wählt E. Plümacher, Schriftsteller,  – , um die Verortung des Autors des lukanischen Doppelwerkes im formreichen Milieu antiker Literatur zu verdeutlichen.  Dazu E. Plümacher, Missionsreden,  – . Ferner s.o. S.  f.  Mit E. Plümacher, Missionsreden, .  Ähnliche Formen der Spannung begegnen in beinahe jeder der untersuchten Episoden (vgl. Apg , – ; ,; ,; ,). Der Sachverhalt an sich erhält zwar in der gängigen Literatur (hier sei auf die Ausführungen der einzelnen Kapitel verwiesen) breiten Raum, allerdings verweisen Lösungsversuche entweder auf das Unwissen des Autors oder verschiedene Formen der Ungenauigkeit. DOI 10.1515/9783110458039-008

8. Ergebnisse

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Übertreibung und Dramatisierung des Silberschmieds Demetrius erkannt haben, die den Auftakt für die eindringliche Gegenüberstellung mehrerer theologischer wie gesellschaftlicher Standpunkte bildet. Ähnliches konnte ferner in den Darstellungen der Episoden zu Lystra (Apg 14,8 – 21) und Athen (Apg 17,16 – 34) nachgewiesen werden. Die Wahl symbolträchtiger Motive und Inhalte wie die Verortung der Unterredung zwischen Paulus und den Athener Philosophen auf dem Areopag (vgl. Apg 17,19) oder die Verknüpfung einer Therapie und Rede mit dem lokal verorteten Mythos von Philemon und Baukis (vgl. Apg 14,12b–13 par. Ovid, Met., 8,611– 724) sprechen für diese Einschätzung. Mit besagter Anspielung auf eine Erzählung Ovids in Apg 14,11– 13 ist eine weitere Beobachtung festzuhalten, die das beschriebene Bild des Schriftstellers Lukas untermauert. Neben jener Erzählung von Philemon und Baukis (Ovid, Met., 8,611– 724) verweist der Autor des Doppelwerkes auf einen Ausspruch des Stoikers Aratus (Apg 17,28 par. Aratus, Phaen., 5) und spielt auf den Prozess des Sokrates (vgl. Plato, Apol., 24b; Xenophon, Mem., 1,1,1) wie auf das literarische Feld antiker Sturmfahrtgeschichten (vgl. Apg 27,13 – 28,1 vgl. Flavius Josephus, Vit., 14– 16; Ovid, Trist., 1,2,31– 34; Lukian, Ver. Hist., 1,5 – 6; Achilles Tatius, Leuc. et Clit., 2,31,6; 3,1,1) an. Literarische Bilder, wie das des „edlen Barbaren“, sind in der Apostelgeschichte (vgl. Apg 28,1– 6) ebenso anzutreffen wie einschlägiges Lokalkolorit, das die unterschiedlichen Facetten und Charakterzüge von Personengruppen wie den Einwohnern von Athen beschreibt (vgl. Apg 17,16.21). Ungeachtet der Herkunft jenes Wissens um die gesellschaftlichen wie kulturellen Verhältnisse der beschriebenen Handlungsorte⁶, erregte dessen gezielte Instrumentalisierung immer wieder Aufmerksamkeit⁷. Lukas beschränkt sich in der Gestaltung seiner Erzählungen nicht auf die nüchterne Darstellung solcher Eigenarten⁸. Stets zeigt er an solchen Bildern einen Sachverhalt auf, der den weiteren Verlauf der Episode beeinflusst. Neugier verhindert eine ernsthafte Auseinan-

 Wie an anderer Stelle vermerkt (s.o. S.  f) schließt der verfolgte literarische Ansatz des Autors eine unredigierte Verwendung von Quellen und Vorlagen aus. Die intensive Beschäftigung des Lukas mit dem vorgefundenen Material, das gemäß dem gewünschten Leitgedanken ausgewählt und ausgerichtet wird, hat als handwerkliche Voraussetzung zu gelten und muss demnach bei der Bewertung der Texte des Doppelwerkes stets mit bedacht werden. Zwar handelt es sich nach wie vor um eine Variante der Geschichtsschreibung (vgl. E. Plümacher, Missionsreden,  – ), allerdings erscheint die Rekonstruktion von sogenannten literarischen wie mündlichen Vorformen vor diesem Hintergrund schwierig.  Vgl. Kap. , Anm. . Für die Auseinandersetzung mit dem Umgang des Autors mit Lokalkolorit als gestalterisches Mittel, sei auf die entsprechenden Abschnitte in den einzelnen Kapiteln verwiesen.  Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Formen antiker Geschichtsschreibung s. o. S.  ff.

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dersetzung der Athener mit Tod und Auferstehung Jesu (vgl. Apg 17,21.32), das ängstliche Festhalten an Traditionen verleitet die Einwohner von Lystra zur Verehrung von Menschen als Gottheiten (vgl. Apg 14,11– 13), und Gewinnsucht verschleiert den Blick der Herren in Philippi für Wahrheit und Hoffnung des Evangeliums (vgl. Apg 16,19 – 22). Dieses zweckgebundene Vorgehen im Umgang mit Informationen war ebenfalls in der literarischen Form der untersuchten Episoden nachzuvollziehen. Ähnlich der Konstruktionsweise einzelner Erzählungen im Evangelium (vgl. Lk 7,1– 10; 10,25 – 37; 12,13 – 21) nutzt Lukas unterschiedliche Motive und Gattungselemente, um durch deren Zusammenspiel eine bestimmte Wirkung zu erzielen⁹. Motive neutestamentlicher Wundergeschichten, genauer von Therapien, Exorzismen und Normwundern (vgl. Apg 14,8 – 9; 16,18; 28,5), zeigen nicht nur die besondere Rolle des Paulus oder das Inkrafttreten des Willens Gottes, sondern wirken zugleich als Katalysator für die Entwicklung der weiteren Szene. Reden, auch das konnte gezeigt werden, stehen nie herauslösbar am Rande der Erzählung, sondern erweisen sich als narrative Kernelemente, die nicht nur theologische Standpunkte vermitteln, sondern diese auch stets in einen Bezug zur geschilderten Situation bringen¹⁰. Die Verwendung chrienartiger Strukturelemente und Argumentationsformen fügt der beobachteten literarischen Konstruktionsweise einen analytischen sowie humoristischen Ton bei¹¹ und lenkt den Blick auf das anfangs beschriebene Bild des Autors zurück. Ausgehend von den beschriebenen Beobachtungen sind folgende Erkenntnisse zu formulieren: Konstruktion und Form der untersuchten Episoden sprechen eindringlich dafür, dass sich Lukas bei deren Abfassung am beschriebenen Konzept der tragisch-pathetischen Geschichtsschreibung orientierte. Diese Einschätzung der literarischen Verhältnisse impliziert neben einer bestimmten Wahrnehmung von Form und der Verarbeitung von Informationen gleichermaßen die Ausrichtung auf einen thematischen Schwerpunkt, der, begleitet von einem argumentativen Grundton, als methodischer Zugang der vorliegenden Studie zu  Dieses Vorgehen, welches bei Lukas an mehreren Stellen zu beobachten war (vgl. Apg , – ; ,; , – .) ist mit K. Berger, Gattungen,  –  als gängige Variante der Komposition zu verstehen, die antike Autoren nutzten, um ihren Texten und darin den Leitgedanken Ausdruck zu verleihen. Mit Blick auf die literarische Zuordnung der Apostelgeschichte zu einem Konzept tragisch-pathetischer Geschichtsschreibung (s.o. S.  f) erweisen sich die gemachten Beobachtungen der Ausgestaltung einzelner Episoden als konsequente Umsetzung dieses Ansatzes durch den Autor.  Die spannungsvolle Diskussion um die Form der Redeteile fand in den Untersuchungen zu den einzelnen Episoden breiten Raum. Daher sei an dieser Stelle lediglich auf den Formteil der jeweiligen Kapitel verwiesen.  S.o. S.  ff.

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verstehen ist. Der Schritt, eine inhaltliche Aussage dem historischen Ablauf überzuordnen¹², schließt keineswegs den geschichtlichen Gehalt solcher Erzählungen aus, fordert allerdings zu einem bestimmten Umgang mit den vorgefundenen Informationen auf, der deutlich von den Formen abweicht, die im Kontext der Analyse eines historischen Berichtes zur Anwendung kommen. Der grundlegende Ansatz, die Apostelgeschichte an einem Kerngedanken zu orientieren, der federführend deren Ablauf und Gestaltung bestimmt, wird indes von den gewonnenen Einsichten über Struktur und Inhalt der untersuchten Episoden gestützt, weshalb der zu Grunde liegenden These ein nachhaltiger Wert zuzusprechen ist.

2. Die Apostelgeschichte als Teil einer Epochengeschichte Der als Leitgedanke eingeführten These, das lukanische Doppelwerk als Epochengeschichte zu deuten, die das Anliegen verfolgt, den frühchristlichen Gemeinden einen Orientierungspunkt in Fragen ihrer Identität zu bieten¹³, liegen zwei Beobachtungen zu Grunde, die zunächst auf das Verhältnis zum Judentum hingedacht sind. Im Zentrum des Ansatzes steht die Figur des Paulus, die Lukas im Gegenüber zu Vertretern des Judentums als Jude und insbesondere als Diener des Gottes Israels vorstellt. Diese Rolle ausführend vermerken beispielsweise alle drei Varianten der Berufungsgeschichte des Paulus (vgl. Apg 9,1– 18; 22,1– 21; 26,14– 18) dessen Abstammung, geistige Herkunft und Beauftragung. Der Aspekt, dass Paulus zur aufgebrachten Menge in Jerusalem auf Hebräisch spricht¹⁴ (vgl. Apg 22,2), dient ebenso der Auszeichnung dieses Kernmotivs, wie dessen Selbstdarstellung als frommer Jude und Pharisäer (vgl. Apg 22,3; 26,5) oder der Umstand, dass Gott in der Sprache der Väter zu ihm spricht (vgl. Apg 26,14). Untrennbar mit diesem Motiv verbunden, ist die zweite Beobachtung zu verstehen, die jene Inhalte in den Blick nimmt, die gegenüber jüdischen Hörern vertreten werden¹⁵. In diesem Zusammenhang fallen zuvorderst Wendungen wie

 S.o. Kap. , Anm. .  Mit M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott, ; E. Plümacher, Missionsreden, ; J. Roloff, Kirche, . Ausführlich s.o. S.  f.  Wie an mehreren Stellen gezeigt (vgl. Apg ,a; ,; ,), nutzt Lukas Sprachen und Dialekte zur Auszeichnung von Identität.  Es ist durchaus angebracht, die Rolle des Paulus als literarisches Motiv einzuschätzen, da im Zusammenhang mit der Abfassung einer Epochengeschichte, die in der Gestaltung zudem dem tragisch-pathetischen Geschichtsschreibungsstil folgt, der Aussagewille des Autors im Vordergrund steht. Das vermittelte Bild des Paulus, ebenso wie beispielsweise das des Petrus oder das

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die Verkündigung des „Wortes Gottes“ (λόγος τοῦ θεοῦ) ins Auge, die aufzeigen sollen, dass das Christentum respektive die christliche Glaubensform ungebrochen und umfänglich an der Richtschnur des Alten Testaments festhält¹⁶. Über den Vermerk gemeinsamer Glaubensinhalte hinaus (vgl. Apg 23,6) begegnen zahlreiche alttestamentliche Anspielungen (vgl. 14,15 – 16; 17,24; 19,37), die diese Verwurzelung unterstreichen. So verwundert es nicht, wenn Paulus am Ende der Apostelgeschichte nicht nur das Reich Gottes verkündet, sondern auch Jesus, die Gesetze des Moses und die Propheten erläutert (vgl. Apg 28,23). Nicht minder eindringlich unterstreichen die Reaktionen, die der Autor des Doppelwerks von einer Mehrheit der Juden in Jerusalem schildert, das beschriebene Bild. Abgesehen von diversen Zweifeln, Sorgen (vgl. Apg 3,10; 5,34– 42; 14,18) und gelegentlichem Spott (vgl. Apg 2,13; 17,32a), steht immer wieder das Lob des Gottes Israels als spontane Folge der Verkündigung des Evangeliums im Vordergrund des Geschehens¹⁷ (vgl. Apg 2,47; 3,8; 4,21; 21,20). Am Ende besteht keinerlei Zweifel daran, in wessen Auftrag Paulus und die Apostel agieren (vgl. Apg 5,38). Aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren wird die Haltung des Autors erkennbar, die christliche Gemeinschaft dem Volk Israel zuzurechnen respektive diese als den Teil des Gottesvolkes zu verstehen, der den Willen Gottes erfüllt¹⁸. Allerdings kann ein solcher Grundsatz nicht auf das Verhältnis zwischen Christen und Juden beschränkt bleiben, wenn es sich bei diesem Gedanken um jenen roten Faden handeln soll, der das lukanische Doppelwerk durchzieht. Ein tendenzieller Wechsel in nur einem der beiden Aspekte würde nicht nur die Glaubwürdigkeit jenes Standpunktes gegenüber den Juden schwächen, sondern die These an sich in Frage stellen¹⁹. Darauf eingehend bestand eine Aufgabe der vorliegenden Studie darin, die beschriebenen Elemente, die Rolle des Paulus wie auch den theologischen Hintergrund hinter den vorgeführten Inhalten, wahrzunehmen und wertend einzuordnen.

des Stephanus (dazu s.o. S.  ff) entspricht demzufolge der Vorstellung, die Lukas vermitteln möchte.  Mit O. Flichy, Paul, ; M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott,  – ; K. Haacker, Bekenntnis,  – .  Zum Begriff s.o. S.  ff.  Mit M. Wolter, Epochengeschichte,  – .  Wäre es beispielsweise zulässig, Paulus als eine Gottheit oder einen Gottmenschen zu deuten? Wie verhält sich dieser Gedanke im Umgang mit hellenistischem Gedankengut? Ist unter diesen Umständen eine Annäherung oder sogar Adaption denkbar? Das sind einige der Kernfragen, mit denen sich die vorliegende Studie auseinandergesetzt hat.

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2.1 Die Figur des Paulus im Umgang mit den Völkern Die Betrachtung des Rollenbildes, das Lukas für seine Paulusfigur als Träger des Evangeliums im Umgang mit den sogenannten Völkern entwirft²⁰ (vgl. Apg 9,15), hat gezeigt, dass sich der Autor in seiner Darstellung nicht auf eine einmalige Bestimmung der jüdischen Wurzeln des Paulus beschränkt. Stattdessen elementarisiert er in der mehrfachen Wiederholung (vgl. Apg 22,3; 26,5) dieses Motiv und zeichnet es auf diesem Wege als Grundelement des vom Völkermissionar vertretenen Denkens und Handelns aus²¹. Der Umstand, dass Paulus sowie das Evangelium von hellenistischer Seite einem jüdischen Milieu zugewiesen werden (vgl. Apg 16,21; 19,34), unterstreicht dieses Bild, mit dem der Autor die theologische Rückbindung der christlichen Lehre an das Alte Testament zum Ausdruck bringt. Die einfache Analogie, die Lukas den Vertretern der Völker in den Mund legt, zieht eine Parallele zwischen Abstammung, theologischem Hintergrund des Paulus als Jude und Pharisäer (vgl. Apg 22,3; 26,5) und jenem Wort Gottes (λόγος τοῦ θεοῦ), das dieser in den Synagogen und auf den Marktplätzen im römischen Reich verkündet (vgl. Apg 13,5; 17,13; 18,11). Diese Ableitung, die vornehmlich der polemischen Abgrenzung der hellenistischen Bevölkerung von den jüdischen Lehren und Gedanken des Paulus dient, bezeichnet den Aspekt der Außenwirkung (vgl. Apg 16,20b−21), die von Paulus und dessen Handeln ausgeht. Dem folgend wird jedoch ersichtlich, dass Lukas die inhaltliche Verknüpfung des λόγος τοῦ θεοῦ mit den alttestamentlichen Traditionen in einer so deutlichen Weise vorsieht, dass sie selbst im Umfeld der hellenistischen Gesellschaft wahrgenommen wird. Diese Ausdrucksform, die motivisch mit der Selbstdarstellung des Paulus korrespondiert (vgl. Apg 22,3; 26,5), stellt im Rahmen der Vermittlung des Rollenbildes von Zeuge und Gesandtem²² tatsächlich nur einen kleineren Baustein dar. Weit eindrücklicher nutzt Lukas verschiedene Wundermotive, um seiner Hauptfigur eine bestimmte Kontur zu verleihen. Dieses in der antiken Literatur verbreitete Stilmittel²³ beleuchtet zwei Elemente, die in gegenseitiger Abhängigkeit miteinander verbunden sind. Therapien, Exorzismen und Normwunder dienen nicht allein der Auszeichnung des sogenannten Wundertäters²⁴, der sich  Bereits die Wahl dieses Lexems (ἔθνος / ‫)גּוֹי‬, das schon in der Berufung des Paulus Verwendung findet (vgl. Apg ,), spiegelt das jüdische Weltbild wider, welches Lukas seiner Erzählung zu Grunde legt. So beschreibt der Ausdruck bereits in der LXX (vgl. Jes ; ,; Mi , – ; Sach , – ; , – ) all diejenigen Menschen, die keine Juden sind. Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , .  Vgl. B. Sowinski, Stilistik,  – .  Ausführlich zum Paulusbild des Lukas s.o. S.  ff.  Vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten, ; K. Berger, Gattungen,  – ; Ders., Formen, .

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durch den Vollzug einer Wunderhandlung von den beistehenden Menschen abhebt. Gleichzeitig verweist das wirksam gewordene Wunder immer auch auf diejenige Gottheit, die sich den Wundertäter als Projektionsfläche der eigenen Macht wählt²⁵ und damit den Erfolg solcher Handlungen ermöglicht. Sogenannte „Heilungswunder“ (vgl. Apg 3,1– 26; 14,8 – 18) und „Dämonenaustreibungen“ (vgl. Apg 16,16 – 22) sind im neutestamentlichen Rahmen mit dem alttestamentlichen Gedanken des Kommens des Reiches Gottes verknüpft²⁶, dessen Umsetzung in solchen Zeichen greifbar an Gestalt gewinnt. Darauf eingehend, setzt der lukanische Paulus die Heilung eines Gelähmten in Lystra erst dann in Kraft, als er dessen Glauben an das Wort Gottes erkennt (vgl. Apg 14,9). Der Exorzismus in Philippi (vgl. Apg 16,16 – 22) ist ein weiteres Zeichen für die Verwirklichung des Königreichs Gottes in dieser Welt. Geister und Dämonen haben nach Vorstellung des Alten Testaments keinen Platz im Herrschaftsbereich Gottes²⁷ und werden deshalb vertrieben. Somit zeichnet sich der lukanische Paulus auch in dieser Episode als Diener des Gottes Israels aus, der in einem plötzlichen Anfall religiösen Eifers (vgl. Apg 17,16) jene Verheißung unter den Völkern umsetzt, die Gott seinem Volk durch Väter und Propheten erteilt hat (vgl. Jes 60; 66,20; Mi 4,1– 5; Sach 8,22– 23; 14,16 – 17). Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang bei sogenannten „Normwundern“, die im Sinne einer Rechtfertigung durch die Motive „Rettung“, „Befreiung“ und „Immunität“ geprägt sind (vgl. Apg 14,19 – 20; 16,23 – 40; 28,1– 6). Dienen die Steinigung und das wundersame Überleben des Paulus in Lystra als Wiederaufnahme der Auseinandersetzung, die das Verhältnis zwischen Juden und Christen bestimmt (vgl. Apg 14,19 – 20a), zeigt die Verortung der Thematik in dieser Episode auf, dass die Frage, welchen inhaltlichen Charakter die christliche Lehre hat, auch in einem Umfeld von Bedeutung ist, das ausschließlich von einer hellenistischen Kulturform bestimmt wird. Paulus, der in Apg 14,19 – 20 die Steinigung überlebt und sich im Anschluss seinen Widersachern öffentlich präsentiert (Apg 14,20a), tritt in dieser Szene als derjenige auf, dessen Handeln der Gott Israels selbst rechtfertigt. Gleiches gilt für die Immunität des Paulus gegen Schlangengift auf der Insel Malta (Apg 28,1– 6). Während die menschenfreundlichen Barbaren eine Strafhandlung der Rachegöttin Dike sicher zu erkennen glauben (Apg 28,4), weiß der Leser der Episode um die Vollmacht, die bereits im Kontext der Aussendung der Zwölf durch Jesus als markantes Zeichen für die Stellung der Apostel dient (vgl.

 Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; K. Berger, Gattungen,  – .  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – . – ; C.A. Evans, Exorcist,  – ; S. Schreiber, Paulus,  – ; K. Pfremmer De Long, Surprised, .  Dazu s.o. S.  ff.

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Lk 10,19). Auch in diesem Fall hebt der Autor demzufolge hervor, dass Paulus Diener des Gottes Israels ist. Ein weiterer Baustein, den Lukas nutzt, um die Rolle des Paulus zu verdeutlichen, ist in der besonderen Gestik zu erkennen, mit der er gegenüber den Vertretern der Völker auftritt. So reißen sich Barnabas und er unter lautem Rufen die Kleider in Fetzen, als sie erkennen, dass die Stadtbewohner von Lystra sie als Gottheiten verehren (vgl. Apg 14,11– 13). Diese in der antiken Welt universell verstandene Abwehrhaltung (vgl. Aeschylus, Pers. 198 – 199; Mk 14,63; Mt 26,65) erlangt durch den ersten Satz der unmittelbar folgenden Rede (vgl. Apg 14,15) eine unmissverständliche inhaltliche Ausrichtung. Der Rückgriff auf eine Formel, die an zentrale Inhalte alttestamentlicher Glaubensgrundsätze anknüpft („εὐαγγελιζόμενοι ὑμᾶς ἀπὸ τούτων τῶν ματαίων ἐπιστρέφειν ἐπὶ θεὸν ζῶντα, ὃς ἐποίησεν τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν καὶ πάντα τὰ ἐν αὐτοῖς“) und im Kern der Verkündigung von Paulus und Barnabas steht, verweist eindringlich auf besagte Verwurzelung in den alttestamentlichen Traditionen. Aufregung, Zorn und Eifer des Paulus spielen in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle. Als Auslöser für den Exorzismus eines Wahrsagegeistes in Philippi (vgl. Apg 16,18) kehrt dieses Motiv in der Episode zu Athen wieder (vgl. Apg 17,16), in der Paulus aus Unmut über den Aberglauben der Stadtbewohner beginnt, das Wort Gottes auf der Agora zu verkündigen vgl. Apg 17,16 – 17). Wohl in Anlehnung an das Verhalten des levitischen Priesters Pinhas (vgl. Num 25), der im Eifer für die Heiligkeit des Gottesvolkes eintrat²⁸, lässt der Autor des Doppelwerkes auch seine Hauptfigur reagieren und wirft damit ein weiteres Schlaglicht auf die Berufung der Völker sowie das verheißene Königreich Gottes, das nun für den deren Lebenswandel Bedeutung erhält. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch jene Haltung des Paulus anzusprechen, die der Stadtschreiber von Ephesus als Form beispielhafter „Integration“ missversteht²⁹ (vgl. Apg 19,37). Paulus folgt mit seiner strikten Distanzierung von der Teilnahme am Kult der Artemis von Ephesus, zu der er auch die gewonnenen Christen auffordert (vgl. Apg 19,26.37), einem Teil des alttestamentlichen Völkergesetzes (vgl. Deut 7,25 – 26; Flavius Josephus, Ap., 1,249.310 – 320; Philo von Alexandria, Vit. Mos., 2,205 – 206), das diese Verhaltensweise als Richtline zum Erhalt der Heiligkeit Israels vorschreibt. Lukas verdeutlicht das vermittelte Bild von Paulus als Diener des Gottes Israels somit nicht nur auf der Ebene der äußeren Wahrnehmung. Wunderhandlungen, öffentliche Bekundung oder die wertende Bezeichnung durch Vertreter der Völker erweisen sich in diesem Zusammenhang als Bausteine, die der Autor

 Dazu M. Wolter, Paulus, .  Dazu s.o. S.  ff.

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des Doppelwerkes durch inhaltliche Elemente untermauert. Die Vergewisserung von Zuwendung und Glauben an den Gott Israels, das Einhalten der alttestamentlichen Gesetze und nicht zuletzt der Rückgriff auf die Traditionen und Gebote der Väter als Richtlinien der Bewertung thematisierter Sachverhalte unterstreichen jenes Charakterbild, bei dem der Autor des Doppelwerkes Paulus in all seinem Denken, Handeln und Reden als gesetzestreuen Juden herauszustellen sucht. Als Zeuge und Diener Gottes hält Paulus dieses Kernelement jüdischchristlicher Identität auch im Umgang mit den Völkern hoch, denen er den λόγος τοῦ θεοῦ als wahrhaftige Alternative zu ihren Weltbildern und Kultvorstellungen vor Augen führt.

2.2 Die inhaltliche Ausrichtung der theologischen Botschaft des Paulus unter den Völkern Auch wenn der Autor des Doppelwerkes zahlreiche literarische Elemente, Methoden und Motive einsetzt, um die inhaltliche Tragweite des λόγος τοῦ θεοῦ in seinen unterschiedlichen Facetten zu vermitteln, stehen in der äußeren Wahrnehmung die ausführlichen Reden des Paulus als Ausdruck dieser Absicht zumeist im Vordergrund (vgl. Apg 14,15 – 17; 17,22b–31). Das diesem literarischen Element anhängende Diskussionsfeld³⁰ verbindet die Fragen nach Schwerpunkt und Akzentuierung der einzelnen Reden mit der Suche nach der bestimmenden Gattung, um in der Kombination die gedankliche Herkunft sowie den spezifischen Verwendungszweck zu bestimmen. Die kritisch behandelten Begriffe „Missionsrede“ und „Predigt“, die in der Literatur gelegentlich in den Überschriften dieser Textabschnitte begegnen³¹, tragen dieser Vorgehensweise dahingehend Rechnung, dass sie trotz aller Spannungen aus der literarischen Form und dem allgemeinen Setting der Erzählung eine inhaltliche Aufgabenstellung formulieren, die die weitere Einschätzung der Episoden bestimmt³². Abgesehen von der problembehafteten Generalisierung, die diesen anachronistisch gebrauchten Ausdrücken innewohnt³³, ist es die zugeschriebene Sonderstellung dieser Textbausteine, die den Zugang zu diesen Episoden erschwert. Ausgehend von der Praxis antiker Schriftsteller, Reden innerhalb längerer Erzählabschnitte als Höhepunkte zu konzipieren, die der Autor nachträglich

 Für eine ausführliche Darstellung und Bewertung der Problematik s. o. S.  ff.  So beispielsweise A. Weiser, Apostelgeschichte , ; J. Roloff, Apostelgeschichte,  – ; U. Wilckens, Missionsreden,  – . Zur begründeten Kritik, siehe K. Berger, Gattungen,  – .  So K. Berger, Gattungen, .  Ebda.  – .

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in das literarische Gefüge einsetzt³⁴, würden die Reden des lukanischen Paulus als in sich geschlossene Kernelemente aus dem narrativen Rahmen herausgelöst, der in Folge dieses Schrittes eine Marginalisierung erfährt. Entgegen diesem Verfahren konnte jedoch gezeigt werden, dass es sich bei den ausgeführten Redeteilen des Paulus (vgl. Apg 14,15 – 17; 17,22b–31) um unselbstständige Glieder der jeweiligen Erzählung handelt, die Lukas untrennbar mit der Rahmenhandlung verwoben hat³⁵. Diese Einschätzung, die sich im Kontext des gewählten Geschichtsschreibungsstils als Form konsequenter Anwendung dieses Mittels erweist³⁶, begleitet eine Verschiebung des Blickwinkels, von dem aus die Struktur der jeweiligen Episode bewertet wird. Handlung und Redeteil stehen in einem Verhältnis aufbauender Abhängigkeit, wodurch eine übergreifende Lektüre, die dialogisch beide Textteile gegenliest, zur Bedingung für das Verständnis der thematisch geschlossenen Einheit wird. Dieser Konstruktionsrahmen eröffnet die Möglichkeit, den Streitpunkt der geschichtlichen Genauigkeit innerhalb der einzelnen Erzählungen zu relativieren³⁷. Der tragisch-pathetische Geschichtsschreibungsstil geht von einem erläuternden Ansatz aus, der ein zentrales Thema in seinen vielseitigen Facetten aufzuzeigen sucht³⁸. Dieser Absicht sind alle literarischen Elemente, die in den einzelnen Gliederzählungen begegnen, unterzuordnen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Reden nicht aus praktischen Ereignissen und Überlieferungen, sondern aus der Feder des Lukas stammen. Diese Einschätzung der literarischen Verhältnisse zieht allerdings die Konsequenz nach sich, dass die bezeichneten Textabschnitte stets im Zusammenhang ihres jeweiligen literarischen Rahmens zu bewerten und einzuordnen sind. Unter dieser Prämisse fällt zunächst ins Auge, dass der Autor der Apostelgeschichte nicht eine der ausgeführten Reden in den Kontext einer missionarischen Verkündigung des λόγος τοῦ θεοῦ stellt. Missionshandlungen begegnen zwar in kurzen Anmerkungen, die den Umstand festhalten, dass Paulus den Völkern das Wort Gottes verkündigt (vgl. Apg 14,7; 17,17; 19,8 – 9); eine berichtartige Wiedergabe jener Missionsreden³⁹ bleibt hingegen aus. Die nachstehenden Redeteile erweisen sich bei genauer Betrachtung als Erläuterungen jener Inhalte, die

 Dazu U. Wilckens, Missionsreden, .; E. Plümacher, Missionsreden, .  Für eine ausführliche Darstellung der hier zusammengefassten Argumentation s.o. S.  ff.  Sie korrespondiert ferner mit dem wiederholt verwendeten dramatischen Episodenstil. Dazu E. Plümacher, Schriftsteller, .  Dazu s.o. S.  f.  Vgl. Kap. , Anm. .  Nur in diesem Rahmen erscheint mir der Begriff angebracht, weil jene Hinweise tatsächlich die missionarische Tätigkeit des Paulus beschreiben.

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in der unmittelbaren Darstellung jedoch verborgen bleiben (vgl. Apg 14,9). Ferner beschreiben diese Textabschnitte eine Reaktion auf die unzulässige Rezeption des Wortes Gottes durch die Zuhörer (vgl. Apg 17,22– 31). Die hierin sichtbar werdende inhaltliche Abgrenzungsbewegung des Paulus gegenüber einem Missverständnis eignet sich indes hervorragend, um den theologischen Standpunkt zu bestimmen, den Lukas dieser Figur gegenüber den Griechen zuordnet. Weiter gedacht reflektieren die in solchen Kontexten aufgenommenen Themen und Positionen diejenigen Gedanken, denen der Autor des Doppelwerkes einen normativen Charakter gegenüber seiner Leserschaft zurechnet.

2.2.1 Der theologische Ausgangspunkt der Reden in Athen und Lystra Obwohl beide Reden in der thematischen Ausrichtung eigene Akzente setzen, greift Paulus argumentativ sowohl in Apg 14,15 – 17 als auch in Apg 17,22b–31 auf das alttestamentliche Bild des Schöpfergottes zurück (vgl. Gen 1,1– 2,4; Jes 42,5; SapSal 9,9). Dieser fordert in der gleichbleibenden Argumentation des Paulus alle Völker zur Abwendung von den toten Götzen und im Gegenzug zur Hinwendung zum lebendigen Gott auf (vgl. Apg 14,15b; 17,30 – 31; 19,26). Die diese Motive umspannende Rede soll hier wie da ein Missverständnis bezüglich des Inhalts und der gedanklichen Mitte des λόγος τοῦ θεοῦ aufklären (vgl. Apg 14,11– 13; 17,18), weshalb – wie bereits anklang – von einer theologischen Trennlinie zu sprechen ist, die die lukanische Paulusfigur gegenüber den Weltbildern und Deutungsansätzen des dargestellten Milieus hellenistischer Kultur zieht. Mag auf stilistischer Ebene die Verwendung motivischer Wiederholungen als Ausdruck eindringlicher Betonung bereits für diese Einschätzung sprechen⁴⁰, so unterstreichen die genannten Inhalte, die allesamt auf alttestamentliche Traditionen zurückgehen⁴¹, diese Wertung. Literarisch rundet der Umstand, dass im Kern der erläuternden Reden des Völkermissionars Gedanken stehen, die Christen und Juden miteinander verbinden (vgl. Apg 19,33 – 34), das in der Analyse gewonnene Bild der theologischen Verwurzelung des λόγος τοῦ θεοῦ im Alten Testament ab, welches ferner in der Charakterzeichnung der lukanischen Paulusfigur eine weitere Entsprechung findet.

 Dieses Stilmittel verleiht einem Motiv Nachdruck. Siehe B. Sowinski, Stilistik,  – .  Gesten und Handlungsweisen wie das Zerreißen der Kleider (Apg ,), der Zorn des Völkermissionars (Apg ,; ,) oder die bewusste Distanzierung von hellenistischen Kulten (Apg ,.) konnten gedanklich ebenso der alttestamentlichen Tradition zugeordnet werden, wie beispielsweise die Motive des Schöpfergottes (Apg , – ; ,), dessen Unabhängigkeit von menschlichem Machwerk (Apg , – ; ,) oder die Unverständigkeit der Völker (Apg ,; , – ;, – .; ,.).

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Im Einklang mit der Darstellung als frommer Jude, der sich nicht zuletzt am ersten Gebot des Dekalogs orientiert (vgl. Ex 20,2– 17; Deut 5,6 – 21), eröffnet Paulus seine Rede in Athen mit der zweideutigen Variante einer captatio benevolentiae (Apg 17,22), die die Frömmigkeit der Athener (δεισιδαίμων) als fehlgeleitet bewertet. Diesem eindrücklichen Schritt, sich von der in der antiken Welt als vorbildlich geltenden Gottesfurcht der Athener abzugrenzen (vgl. Sophokles, Oed. Col. 260; Flavius Josephus, Ap. 2,130), folgt eine Erläuterung, die den Glauben an den Gott Israels als einzig legitime Form der Gottesverehrung hervorhebt (vgl. Apg 17,23 – 31). In den weiteren Ausführungen bezeichnet der lukanische Paulus die Fixpunkte griechischer Kultformen als „handgemachte Tempel“ respektive Götterbilder (vgl. Apg 17,24b), womit er unmittelbar auf jüdische Völkerpolemik sowie das Bilderverbot des Dekalogs anspielt⁴² (vgl. Ex 20,2– 6; Deut 5,6 – 8; Apg 17,24– 25. Ferner: Apg 14,15; 19,26 – 27). Unterlegt wird diese Wertung hellenistischer Kulte mit besagtem Hinweis auf den alttestamentlichen Schöpfergott, der weder in handgemachten Tempeln noch in Götterbildern lebt (vgl. Apg 17,24). Der Zusatz, Gott lasse sich nicht von seiner eigenen Schöpfung beeinflussen (Apg 17,25), erweitert den Gedankengang um den Aspekt der Unabhängigkeit Gottes und gibt ferner einen Ausblick auf die später formulierte Forderung des Evangeliums, sich dem Gott Israels zuzuwenden (vgl. Apg 17,30 – 31). Diese Zusammenstellung von Argumenten findet sich, wenn auch komprimiert, in der Rede wieder, mit der Paulus und Barnabas auf die Verehrung als Götter durch die Einwohner von Lystra reagieren (Apg 14,15 – 17). Während die Geste, die eigenen Kleider zu zerreißen, schon die Haltung andeutet, die die beiden Missionare gegenüber den religiösen Vorstellungen der Stadtbewohner einnehmen⁴³, gibt die folgende Erklärung diesem Eindruck eine theologische Richtung. Beginnend mit der grundsätzlichen Absage an die Überzeugung der Menschen von Lystra, beschreiben sich Paulus und Barnabas als Verkünder des lebendigen Gottes (vgl. Apg 14,15), der nicht nur Schöpfer der Welt, sondern auch Garant des Lebens ist (vgl. Apg 14,17). Alle drei Aspekte, die zusammen einen Gegenentwurf zu einem Weltbild darstellen, das sich gedanklich an antiken „Flutgeschichten“ und den dazugehörigen etymologischen Ordnungssystemen orientiert⁴⁴ (vgl. Ovid, Met., 1,253 – 438; Pseud Apollodorus, Bibl., 1,2,1– 2; Lucian, Syria, 12; Strabo, 7,7,2), verweisen auf den Gott Israels als einzige ordnende Macht innerhalb des Kosmos.

 S.o. S.  ff.  S.o. S.  ff.  Ausführlich s.o. S.  f.

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8. Ergebnisse

Dabei lässt die Form, in der Paulus in beiden Fällen versucht, den Sachverhalt zu erklären, kein vermittelndes Nebeneinander der einen mit der anderen Weltsicht zu. In der Episode zu Lystra wie auch in den Ausführungen der Erzählung zu Athen gesehen, vertritt Paulus einen Standpunkt, der von einem eindeutigen entweder – oder ausgeht. Entsprechend führt Paulus den Stadtbewohnern von Lystra am Ende seiner Rede vor Augen, dass ihre Sorge,von einer Flut heimgesucht zu werden, gegenüber dem wahren christlichen Weltbild Aberglauben und damit ungerechtfertigt ist. In der Rede zu Athen begegnet dieser Aussagewille bereits in der Einleitung, in der der Vorsatz formuliert ist, den Philosophen ihren Irrtum aufzuzeigen und zu erklären (vgl. Apg 17,23b). Diesen Ansatz im Blick schließt die Aufforderung zur Hinwendung zum Gott Israels eben jenes Bild ab (vgl. Apg 17,30 – 31). Als Schlüsselelement der Verkündigung des λόγος τοῦ θεοῦ, das im Rahmen einer erläuternden Rede ebenfalls der Anmerkung bedarf, bringt der lukanische Paulus einen Kerngedanken alttestamentlicher Hoffnungen zur Sprache, der Relevanz und Dringlichkeit hinter der Evangeliumsverkündigung unter den Völkern zum Ausdruck bringt. Der im Osterereignis begründete situative Wechsel weitet jene Verhältnisse, die zuvor nur für das Judentum galten, normativ auf die Lebenswirklichkeit der Völker aus⁴⁵. Darin erweist sich das Evangelium schließlich als Schnittstelle, die auf dem Boden der alttestamentlichen Hoffnungen (vgl. Jes 60; 66,20; Mi 4,1– 5; Sach 8,22 – 23; 14,16 – 17) das Judentum respektive das erwählte Volk Israel mit den Völkern des Kosmos unter dem Wort Gottes verbindet. Kulturell öffnende oder vermittelnde Zugänge sind gegenüber dem so geprägten Ansatz des lukanischen Paulus nicht festzustellen⁴⁶.

2.2.2 Der Aspekt der Heiligung des Gottesvolkes Die meisten Elemente, mit denen Lukas den unter den Völkern verkündeten λόγος τοῦ θεοῦ als Botschaft definiert, die gedanklich alttestamentliche Traditionen reflektiert, kamen bereits in der Auswertung des vom Autor konstruierten Paulusbildes⁴⁷ sowie der ausgeführten Reden (Apg 14,15 – 17; 17,23 – 31) zur Sprache.

 Neben dem direkten Aufruf zur Hinwendung zum Gott Israels (vgl. Apg , – ; , – ) drücken Motive wie das Wirksamwerden einer Therapie (vgl. Apg , – ), die Austreibung von Dämonen unter den Völkern (vgl. Apg ,), wie auch der eifernde Zorn des Paulus (vgl. Apg , – ) diesen Sachverhalt aus. Sie dienen als Zeichen dafür, dass Gottes Heilsplan nunmehr im gesamten Kosmos und damit unter allen Völkern zur Geltung kommt.  Gegen O. Wischmeyer, Gottesglaube,  – . Darin erweist sich indes erneut die Stringenz im theologischen Ansatz des Autors, der die Zugehörigkeit zum erwählten Volk Israels betonen möchte. Vgl. M. Wolter, Epochengeschichte,  – .  S.o. S.  ff.

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Die konzeptionelle Einheit zwischen der narrativen Figur Paulus und den von ihr vermittelten Inhalten mag vor dem Hintergrund der literarischen Form, die der Autor für die Abfassung des Doppelwerkes wählt⁴⁸, nicht überraschen. Dennoch ist diese Koppelung von Person und Aussage, die ursächlich dem aufgezeigten Abfassungskonzept entstammt, als bedeutsamer Beleg für die theologische Rückbindung an die Traditionen, Hoffnungen und Werte des Alten Testaments hervorzuheben. Dies wird an bestimmten Verhaltensweisen ersichtlich, die Lukas seinem Völkermissionar zuschreibt. Der in der Szene aus Athen geschilderte Unmut, mit dem Paulus Anstoß an dem Umfang hellenistischer Bilderverehrung nimmt (vgl. Apg 17,16), lässt eine Handlungsweise erkennen, die rückblickend auf das jüdische Gesetz als Merkmal eines gottesfürchtigen Mannes zu werten ist (vgl. Num 25). Einen ähnlichen Eindruck vermittelt der Exorzismus eines Wahrsagegeistes (vgl. Apg 16,18), den Paulus ohne äußeren Zwang, aber mit erkennbarer Wut („διαπονηθεὶς δὲ Παῦλος […]“) austreibt. Beide Motive wurzeln in der Absicht, die Heiligkeit des erwählten Gottesvolkes zu wahren. Mit dem Gedanken, das Feld für die von dieser Forderung Gottes betroffenen Gruppen zu erweitern, verändert Lukas den Blickwinkel der jüdischen Weltordnung auf die hellenistische Lebensweise. Es genügt nicht mehr nur auf die eigene Heiligung und die der anderen Juden zu achten, um den Status Israels als erwähltes Volk Gottes zu erhalten. Paulus macht mit seinem Zorn, der ihn in eine Reihe mit dem Priester Pinhas stellt (vgl. Num 25), deutlich, dass die Forderung, sich existenziell an den Gott Israels zu wenden⁴⁹, an alle Völker gerichtet ist. Der mit dem Aspekt der Heiligkeit Israels einhergehende Anspruch der Selbstheiligung⁵⁰ begegnet ferner als Gegenstand der Wahrnehmung derjenigen Griechen, die Lukas zu Wort kommen lässt. Die Herren einer besessenen Magd in Philippi vermerken im Sinne einer kulturellen Trennlinie, dass es sich bei der Verkündigung des Paulus um jüdische Lehren handelt, von denen sie sich als römische Bürger distanzieren müssten⁵¹ (vgl. Apg 16,20b–21). Der Silberschmied Demetrius erkennt wiederum vorausschauend die Folgen, die aus der unbedingten Nachfolge des λόγος τοῦ θεοῦ, als Ruf der Hinwendung zum Gott Israels, für den

 Dazu s.o. S.  f.  Wie das alttestamentliche Beispiel des Priesters Pinhas (Num ) verdeutlicht, hängt von der Heiligkeit jedes einzelnen Gliedes das Wohlergehen des gesamten Volkes Israel ab. Dazu M.Wolter, Paulus, .  Zu diesem Thema s.o. S.  ff.  In dieser Aussage klingt freilich das gesamte Spektrum kultureller Varianz an, das sich unter dem Begriff „römisches Großreich“ und „hellenistische Kultur“ verbindet. Dazu s. o. S.  ff.

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Kult der Artemis, und daran anknüpfend die hellenistischen Kultpraktiken insgesamt, entstehen (vgl. Apg 19,25 – 27). Ähnliches spiegelt die entlastende Feststellung des Stadtschreibers über die verschleppten Christen im Theater wider (vgl. Apg 19,37). Weniger als Rechtfertigungsversuch seitens des Autors gedacht⁵², durch den das Christentum gegenüber dem römischen Recht in Schutz genommen werden soll, zeigt Lukas in der Formulierung dieser Beobachtung von außen vielmehr die theologische Haltung, die Paulus und weiter die von ihm begleitete Gemeinde gegenüber dem hellenistischen Lebenswandel einnehmen. Die Zurückhaltung der wachsenden Gemeinde von Ephesus gegenüber hellenistischen Kulten, die sich praktisch in einem Rückgang des Umsatzes des Devotionalienhandels bemerkbar macht (vgl. Apg 19,26b), erweist sich aus der wissenden Einsicht des christlichen Lesers als Akt konsequenter Abkehr von den handgemachten und toten Götterbildern⁵³. Damit erfährt die vom lukanischen Paulus als zentraler Inhalt der Verkündigung definierte Absicht, die unbedingte Hinwendung zum Gott Israels zu bewirken (vgl. Apg 14,15; 17,24– 26), in der gemeindlichen Praxis der Völker eine tatsächliche Umsetzung. Die Einwohner von Ephesus bis hin zu den Archonten (vgl. Apg 19,31) halten sich nicht mehr an den Kult der Artemis, sondern distanzieren sich von all den begleitenden Kultformen und tragen in dieser exklusiven Ausrichtung ihres Lebenswandels zur Heiligkeit des von Gott erwählten Volkes bei.

2.2.3 Die Funktion von Wundermotiven im Kontext der theologischen Identität des λόγος τοῦ θεοῦ Ein weiterer Aspekt lässt sich an der Funktionsweise ablesen, die hinter dem Rollenbild des Paulus als Wundertäter steht. Die enge Verknüpfung zwischen Wundertäter und Gottheit, die das Wirksamwerden der durchgeführten Wunderhandlung garantiert, war bereits Thema im Kontext des Verständnisses von Paulus als Diener Gottes⁵⁴. Blickt man auf die Berufung des Völkermissionars als Zeuge für den Willen Gottes zurück (vgl. Apg 9,15), so wird deutlich, dass die betrachtete Heilung (vgl. Apg 14,9 – 10), der Exorzismus (vgl. Apg 16,18) und die beiden Normwunder (vgl. Apg 14,19 – 20; 28,3−6) als anschauliche Möglichkeit genutzt werden, dieser Absicht Ausdruck zu verleihen. Zudem achtet Lukas in seiner

 Gegen J.A. Fitzmyer, Acts, ; W. Stegemann, Synagoge,  – ; W. Weren, Silversmiths, ; A. Weiser, Apostelgeschichte , .  Ausführlich s.o. S.  ff.  Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – .

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Darstellung der einzelnen „Wunder“ darauf, diese enge Beziehung zum Gott Israels zumindest für den Leser präsent zu halten⁵⁵. Diesen Sachverhalt betonend steht beispielsweise vor der Heilung des Gelähmten in Lystra die dezidierte Feststellung des Glaubens (vgl. Apg 14,9), der ursächlich der Verkündigung des Evangeliums entspringt. Der Exorzismus des Wahrsagegeistes, der die Macht hinter dem Paulus bestätigt („οὗτοι οἱ ἄνθρωποι δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου εἰσίν, οἵτινες καταγγέλλουσιν ὑμῖν ὁδὸν σωτηρίας“), wird ferner durch ein Machtwort unterstrichen („παραγγέλλω σοι ἐν ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐξελθεῖν ἀπ᾽αὐτῆς“), und die Normwunder in Lystra (Apg 14,19−20) und Malta (Apg 28,5) geschehen als Reaktion auf eine Überzeugung, die dem Willen Gottes zuwiderläuft (vgl. Apg 9,15). Demzufolge sind es in erster Linie Plan und Handlungswillen des Gottes Israels, die dem Auftreten des Paulus als Beweggrund voranstehen und darin verdeutlichen, wo der Fluchtpunkt christlichen Handelns in der Welt gelagert ist.

2.2.4 Polemik und Humor als Mittel der Abgrenzung und Standpunktbestimmung An diese Ausdrucksform schließt die Beobachtung eines Ablaufschemas an, das alle fünf behandelten Episoden (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40; 28,1– 6) miteinander verbindet. Diesem folgend weiten sich die betrachteten Erzählungen zu einem Konflikt aus, der, ausgehend von einer Variante der Evangeliumsverkündigung, einen hellenistisch geprägten Standpunkt oder Deutungsansatz den Worten und Taten des Paulus gegenüberstellt. Neben dem konstruierten Bild von Völkermissionar und λόγος τοῦ θεοῦ setzt Lukas gezielt Stilmittel wie Polemik, Humor, Anspielungen und Zitate ein, um eine wertende Gewichtung der gegenläufigen Positionen pointiert auszudrücken. Der von Paulus formulierte Vorsatz, den vermeindlich weisen wie frommen Philosophen in Athen zu erklären, was sie eigentlich glauben (vgl. Apg 17,23) ist nur ein Beispiel für das polemische wenngleich humoristische Argumentieren gegen einen abgelehnten Standpunkt. In ähnlicher Weise stellt der Einschub über die Neugier der Athener (vgl. Apg 17,21) deren Offenheit gegenüber neuen und unbekannten Konzepten als oberflächlichen Zeitvertreib dar. Bei dem wiederholt genutzten Motiv einer verkürzten Analogie zwischen Wundertäter und der Inkarnation einer Gottheit (vgl. Apg 14,11; 28,6) handelt es sich wiederum um eine Überspitzung, die jene Men-

 Diese Form ließ sich beispielsweise in den Episoden zu Lystra (vgl. Apg ,) und zu Malta (vgl. Apg ,. – ) beobachten.

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schen, die diesen Rückschluss leisten, als einfältig und abergläubig charakterisiert. Ironie findet sich beispielsweise im Umgang der Herren einer Magd in Philippi gegenüber dem Ausruf ihres eigenen Wahrsagegeistes (vgl. Apg 16,17b). Anstatt der Aussage eines Wesens Glauben zu schenken, das sie als Gottheit erachten, wenden sie sich aus finanziellen Gründen gegen den verkündeten Weg der Rettung (vgl. Apg 16,19) und diskreditieren sich auf diese Weise selbst. Die Anspielung auf einen Ausspruch des Dichters Aratus (Phaen. 5) birgt ebenfalls Potential für Polemik in sich, da Paulus den Griechen mit dem Hinweis auf einen Ausspruch, der einem stoischen Denker entstammt, die Hoheit entzieht, den wahren Sinn hinter diesem Satz zu bestimmen⁵⁶ (vgl. Apg 17,28 – 29). Dieses Unvermögen, das der Autor auch in den Episoden zu Ephesus (vgl. Apg 19,35 – 40) oder Malta (vgl. Apg 28,4.6) anklingen lässt, führt dem Leser unmissverständlich vor Augen, wessen Standpunkt der Vorrang zu geben ist. Einhergehend mit der literarischen Form, die Lukas entsprechend der argumentativen Absicht wählt, spielt im Zusammenhang der wertenden Ausrichtung der einzelnen Episoden Lokalkolorit eine gestalterische wie auch gestaltende Rolle. Lukas unterlegt beispielsweise die Erzählung zu Lystra (Apg 14,8−18) mit dem regionsgebundenen Mythos von Philemon und Baukis (vgl. Ovid, Met., 8,611– 724) und ordnet damit dem Setting, in das Barnabas und Paulu eintreten, ein Milieu zu, das die Verehrung der beiden als Götter, als Handlung ängstlicher Barbaren auszeichnet. Ähnlich verhält es sich mit der Ausschmückung und Gestaltung der Episoden zu Philippi (Apg 16,16−22) und Ephesus (Apg 19,23−45). In diesen Erzählungen hebt Lukas die kulturelle Ausprägung des jeweils vorherrschenden Lebenswandels hervor, um darin einen umso deutlicheren Kontrastpunkt zur vertretenen Position des Paulus zu gewinnen. Dieses Vorgehen wird besonders in Apg 28,1−6 deutlich, wo Paulus lediglich als Reflexionsfläche des λόγος τοῦ θεοῦ auftritt, während die von den menschenfreundlichen Barbaren behandelte Diskussion, welche Rolle dem Völkermissionar innerhalb der fokussierten Weltordnung zukommt, ausschließlich von dieser Gruppe aus den Völkern geführt wird. Das vom Autor sorgfältig konstruierte Bild der in den einzelnen Episoden aktiven Vertreter der Völker erweist sich somit als wichtiges Ordnungselement innerhalb der Frage nach der Identität und Theologie des Paulus, die gleichermaßen als Orientierungspunkte für den Leser fungieren.

 Für eine ausführliche Darstellung des Argumentationsverlaufes s. o. S.  ff.

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3. Stereotype Charakterbilder als Werkzeuge des literarischen Leitgedankens des lukanischen Doppelwerkes Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Bedingungen, unter denen Lukas Evangelium und Apostelgeschichte konzipierte⁵⁷, erhalten die fein abgestimmten Charakterbilder der handelnden Figuren die Aufgabe von Funktionsträgern, die dazu beitragen, Position und Haltung des Autors im Kontext einer leitenden Problemstellung zu bestimmen. Die Apostel und insbesondere die Figur des Paulus wirken in diesem Rahmen als Reflexionsfläche für die Frage nach der Identität der christlichen Gemeinde, an der sich der Leser des Doppelwerkes in seiner Suche nach einer Antwort orientieren kann. Das wiederholte Auftreten von Vertretern des hellenistischen Judentums, die sich in einer Haltung strikter Ablehnung gegenüber dem λόγος τοῦ θεοῦ positionieren (vgl. Apg 6,9 – 15; 14,1– 6.19 – 20; 17,5 – 8; 18,12– 17), dient dementsprechend nicht allein der Darstellung eines historischen Sachverhaltes, sondern darüber hinaus als Kontrastpunkt, an dem der Autor seine Einschätzung des thematisierten Gegenstandes ausformuliert und präzisiert⁵⁸. Nicht anders verhält es sich mit der eindringlichen Darstellung ausgewählter Personenkreise aus den vielschichtigen kulturellen Milieus der hellenistischen Gesellschaft (vgl. Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40; 28,1– 6). Diesen Menschen gegenüber begegnet Lukas, wie an zahlreichen Stellen gezeigt werden konnte, von einem alttestamentlichen Standpunkt aus, der die Argumente und Urteile bestimmt, die die Figur des Paulus beispielsweise in Reden und Handlungen gegenüber den Athenern (vgl. Apg 17,22b–31) oder den Einwohnern von Lystra (vgl. Apg 14,15 – 17) anbringt⁵⁹. Ausgehend von dem Gedanken, als Christ Teil des von Gott erwählten Volkes Israel zu sein, entsteht auf diesem Wege eine sich wiederholende Auseinandersetzung, in der eine genuin alttestamentliche Position einer hellenistischen respektive nicht-jüdischen gegenübersteht⁶⁰. Ent-

 Für eine ausführliche Darstellung s.o. S.  f.  Dieses Vorgehen ist indes bereits im Evangelium, beispielsweise im Umgang mit der Gruppe der Pharisäer, zu beobachten. Dazu J.A. Darr, Character Building, .  Sei es die Beurteilung der Athener Frömmigkeit als Aberglaube (vgl. Apg , – ) oder der Verweis darauf, dass die Götterbilder und Vorstellungen der Einwohner von Lystra, Athen oder auch Ephesus gegenüber dem lebendigen Gott nichtig sind (vgl. Apg ,; , – ; , – ). Lukas folgt in seinen Ausführungen strikt jenen Einschätzungen, die sich bereits im Alten Testament finden (vgl. SapSal , – ; , – ).  An dieser Stelle sei nochmals an die Funktionsweise des dramatischen Episodenstils (vgl. E. Plümacher, Schriftsteller, ; D. Marguerat, Lukas,  – ) erinnert, der in der Wiederholung einen Aspekt aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus bewertet und so zu einem reflektierten Ergebnis beiträgt.

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sprechend kritisch gestaltet der Autor den Umgang des Völkermissionars mit den kultischen wie gesellschaftlichen Praktiken der Völker (vgl. Apg 14,14.16 – 17; 16,17; 19,25 – 26), zu denen er unter Rückgriff auf jüdischen Argumente und Einschätzungen auf Distanz geht. Auch diese Begegnungen dienen somit in der Abgrenzung der inhaltlichen Präzisierung eines Christentumverständnisses, das in Folge der Trennung vom Judentum immer stärker in das kulturelle Umfeld der hellenistischen Welt eintritt. Lukas zieht sich in diesem Rahmen gerade nicht auf eine generalisierende Darstellungsweise einer in sich äußerst vielschichtigen kulturellen Gruppe zurück, sondern wählt gezielt Beispiele aus, die er ausführlich und in teils zugespitzter, teils überspitzter Form darstellt⁶¹. Dieses Vorgehen, Lokalkolorit, geprägte Gruppenbilder, Zitate, bekannte Erzählungen und Traditionen der hellenistischen Welt in die Charaktergestaltung einfließen zu lassen, mag nicht zuletzt dem kulturellen Hintergrund der Leserschaft des Autors geschuldet sein. Wie mehrfach angesprochen, schreibt Lukas für Menschen, die dem hellenistischen Kulturraum entstammen⁶² und demnach über ein Vorwissen verfügen, welches eine unreflektierte Pauschalisierung der Verhältnisse und gedanklichen Ansätze griechischer Philosophie, Gesellschaft und Religion nicht zulässt. Die beobachtete gezielte Ansprache eindeutig umrissener Gruppen, Lebensformen und Charakterzüge, von denen sich der Autor abzugrenzen sucht, bietet hingegen die Chance, das eigene Profil umso deutlicher herauszustellen und damit die inhaltliche Leitlinie, den Leser auf die alttestamentlichen Wurzeln zu verweisen, zu unterstreichen.

4. Charakterbilder der Völker als Orientierungshilfe in der Abgrenzung In Verbindung mit dieser Einschätzung des literarischen Verfahrens und der darin wurzelnden Verwendung von Charakterbildern ist ein weiteres Mal auf die Gestaltungsfreiräume des Autors zu verweisen, die mit der gewählten Literaturform einhergehen. Obwohl der historische Rahmen ein freies erfinden von Ereignissen und Sachverhalten unterbindet, erlaubt der tragisch-pathetische Geschichtsschreibungsstil die freie Ausgestaltung und Ausrichtung der behandelten Sach-

 Als Beispiele möge hier der Hinweis auf die klatschsüchtigen Athener Philosophen (vgl. Apg ,) oder die gierigen Herren einer besessenen Magd reichen, die finanziellen Gewinn der Wahrheit vorziehen (vgl. Apg , – ). Eine ausführliche Darlegung und Stellungnahme zu diesem Vorgehen findet sich in den einzelnen Kapiteln.  Dazu M.Wolter, Lukasevangelium,  – ; R. Bauckham, Gospels,  – . Ferner V.K. Robbins, Author,  – .

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verhalte, um dem Leitgedanken innerhalb der jeweiligen Episode Nachdruck zu verleihen⁶³. Der Autor des Doppelwerkes wäre beispielsweise nicht gezwungen gewesen, die Einwohner von Lystra (Apg 14,8 – 20) in den Kontext antiker Sintflutgeschichten und den damit verbundenen Welt- sowie Charakterbildern zu setzen (vgl. Ovid, Met., 8,611– 724; Pseud Apollodorus, Bibl., 1,2,1– 2; Lucian, Syria, 12; Strabo, 7,7,2; Hesiod, Op., 109 – 201; Plato, Pol., 273bc). Die zeitgenössische Literatur bietet zahlreiche Beispiele für einen aufgeklärten Umgang mit jenen Vorurteilen gegenüber den sogenannten Bergvölkern⁶⁴, die als Vorlage der Erzählung eine andere Richtung gegeben hätten. Die wertende Kommentierung von Traditionen und Sprichwörtern, die im hellenistischen Umfeld mit den vorgeführten Charakterbildern in Verbindung stehen (vgl. Apg 14,11– 13; 17,28b; 19,35b), hat sich ebenso als Ausdruck dieser Technik des Autors erwiesen wie die Verwendung von Humor und Polemik, die sich in prägnanten Aussprüchen (vgl. Apg 17,21), Verhaltensweisen (vgl. Apg 14,11– 13; 16,19 – 22; 28,6) und sogar der literarischen Form ablesen lassen⁶⁵. Gleiches Anliegen ergab sich ferner für die Verwendung von Wundermotiven (vgl. Apg 14,9 – 10; 16,18; 28,5 – 6), die unter anderem dazu beitragen, dem gewünschten Bild eine plastische Gestalt zu verleihen⁶⁶. Demnach liegt der eigentliche Fokus der betrachteten Episoden nicht in der Darstellung von Worten und Taten des Paulus allein begründet, sondern vielmehr in dem Wechselspiel, das der Autor im Sinne einer Trennlinie zwischen Völkermissionar und Völkern und der dahinterstehenden Frage nach der christlichen Identität im Gegenüber zur hellenistischen Welt behandelt.

 Dazu E. Plümacher, Missionsreden,  – . Ausführlich s. o. S.  f. Eine weitere Einschränkung lautet, dass einer Figur keine Worte in den Mund gelegt werden dürfen, die deren Standpunkt oder Haltung nicht gerecht werden.Vgl. E. Plümacher, Missionsreden, . Eine Regel, die der Autor für seine Figuren aus den Völkern dadurch löst, dass er seine Darstellung auf eingegrenzte stereotype Gruppen konzentriert, die er dann überzeichnet.  Für eine ausführliche Darstellung der hier aufeinandertreffenden Weltbilder s. o. S.  ff.  Wie in den Einzelanalysen der untersuchten Episoden gezeigt werden konnte, bevorzugt der Autor im Zusammenhang dieser thematischen Auseinandersetzung eine chrienartige Form, die neben der argumentativen Struktur stets auch Raum für Humor und Polemik lässt. Mit K. Berger, Gattungen, ; M. Dibelius, Formgeschichte, . Direkte Einwürfe des Lukas tun ein Übriges, um den beschriebenen Ton zu erhalten (vgl. Apg ,).  Die literarischen Möglichkeiten des Stilmittels „Wunder“ und „Wundererzählung“ erweisen sich in der antiken Literatur als außerordentlich vielfältig. Als zentrales Anliegen ist dabei die Auszeichnung einer Persönlichkeit zu verstehen, die zu einer Gottheit in Beziehung gesetzt wird (vgl. K. Berger, Gattungen,  – ; G. Theißen, Wundergeschichten,  – ). Freilich lässt sich dieser Fokus auch auf andere Motive als den „Wundertäter“ beziehen, so dass der Zorn der Herren in Philippi auf die Folgen eines Exorzismus (vgl. Apg , – ) oder die Unsicherheit der edlen Barbaren von Malta gegenüber der Immunität des Paulus gegen Schlangengift (vgl. Apg ,b–) durchaus etwas über den Charakter dieser Menschen verdeutlicht.

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In der Episode zu Lystra (Apg 14,8 – 20) erfolgt die thematische Zuspitzung hin auf ein landwirtschaftliches und durch den Glauben an das Wirken von Naturgottheiten geprägtes Milieu. Im Zentrum der Szene steht die Verwechslung von Paulus und Barnabas mit den Gottheiten Zeus und Hermes (vgl. Apg 14,11– 13), denen in der geschilderten Region des Taurusgebirges vornehmlich die Rolle von Wettergottheiten zukommt⁶⁷. Diese Gewichtung der Verhältnisse findet ferner in der Rede des Paulus Ausdruck, da in ihr Themen wie Schöpfung, Saat und Ernte im Vordergrund stehen (vgl. Apg 14,15b–17). Das von Lukas in diesem Rahmen konstruierte Bild der Einwohner von Lystra beschreibt eine Gruppe von Menschen, die in Abhängigkeit von der Natur leben und diese als Gottheit verehren. Begleitet von dem anklingenden Mythos von Philemon und Baukis (vgl. Ovid, Met., 8,611– 724) entsteht der Eindruck einer Glaubensform, die geradezu ängstlich an den traditionellen Kultformen festhält, die den lebenssichernden Kreislauf von Wetterwechsel und Jahreszeiten zu garantieren scheinen. Zweifel oder ein Neudenken der eigenen Lebensweise, ausgelöst durch die Wahrheit des λόγος τοῦ θεοῦ, haben in diesem Umfeld einen schweren Stand oder werden ignoriert (vgl. Apg 14,18). Allerdings zielt der Autor auf ein solches Setting ab, da in dieser Zuspitzung die thematisierte Problematik umso deutlicher hervortritt: Die hier beschriebene Variante hellenistischer Verhaltensweisen wird weniger von Verstand und Einsicht geleitet als von der Angst, den status quo durch ungebührliches Verhalten zu gefährden. Der Umstand, dass gerade diese Haltung den Blick auf den Willen des Gottes Israels und damit den Weg zum Heil versperrt (vgl. Apg 14,15a), bezeichnet die Ironie der Szene, die den Leser zu einer Wertung des Sachverhaltes auffordert. Im Rahmen des gegebenen Beispiels (Apg 14,8 – 20) gibt Lukas demnach einer Denkweise einen greifbaren Ausdruck, die das Alte Testament gleichermaßen als einfältig wie typisch für die Völker wertet (vgl. Jer 10,15; 28,18LXX; Ez 8,10; 13,16 SapSal 13,6 – 19). Als Warnung für den Rezipienten, der durch die Ausführungen der Episode auf das Evangelium als Leitlinie des Lebens zurückverwiesen werden soll, wirkt diese Variante freilich weit nachdrücklicher, als eine abstrakte Gegenüberstellung von Glaubensansätzen. Einen anderen Schwerpunkt wählt Lukas in Apg 16,16 – 22, wo vor allem finanzielle Interessen als Teil hellenistischer Kultpraktiken im Vordergrund stehen. Obwohl in dieser Erzählung ein Wesen den Wahrheitsgehalt des von Paulus verkündigten λόγος τοῦ θεοῦ bezeugt, das im hellenistischen Kulturraum Autorität besitzen müsste⁶⁸, sehen die betrachteten Herren einer besessenen Magd aus Für eine ausführliche Darlegung des kulturellen Bildes, welches Lukas in Apg , –  konstruiert s. o. S.  ff.  Vgl. H. Kleinknecht, πνεῦμα, ; W. Foerster, δαίμων, ; L. Albinus, δαίμων,  – ; S. Skovgaard Jensen, Dualism,  – .

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schließlich ihren finanziellen Verlust, der mit der Umsetzung des Willens Gottes einhergeht (vgl. Apg 16,19). Wahrheit und Rettung stehen in dieser Teilerzählung, die nachfolgend mit der umfassenden Rechtfertigung des Paulus abschließt⁶⁹ (vgl. Apg 16,23 – 40), hinter monetären Interessen zurück. Mehr noch heben die Herren das Evangelium als Widerspruch zur hellenistischen Gesellschaftsform hervor (vgl. Apg 16,21). Diese Anklage, die Paulus und das Wort Gottes ausdrücklich dem kulturellen Milieu des Judentums zuordnet („Ἰουδαῖοι ὑπάρχοντες […]“), wirft eindringlich die Frage auf, ob ein solcher Ansatz, der ein Gegeneinander der Wahrheit Gottes gegenüber einem von Profitgier gesteuerten Gesellschaftsverständnisses konstruiert, eine angemessene Lebenseinstellung für den christlichen Leser darstellt. Lukas fordert somit in dieser Szene erneut eine Stellungnahme zu diesen beiden Positionen ein, wobei unverkennbar ist, dass der alttestamentliche Standpunkt des Völkermissionars dem beschriebenen Ausdruck hellenistischer Religiosität voransteht. Die Episode zu Athen (Apg 17,16 – 34), die schematisch häufig als Langfassung von Apg 14,8 – 20 gesehen wird, greift wieder ein anderes Bild aus der Vielfalt hellenistischer Kultur heraus und stellt es in kritischer Auseinandersetzung zur Disposition. In dieser Erzählung stehen sich Paulus, den der Autor bereits in der Einleitung als tatkräftigen Diener des Gottes Israels bestimmt (vgl. Apg 17,16), und eine Gruppe von Athener Philosophen gegenüber. Diese Figuren verkörpern an dieser Stelle nicht nur die Aspekte von Weisheit und Wissensdurst. Die Wahl Athens, der Wiege der griechischen Philosophie, verleiht als Handlungsort dem Setting einen grundsätzlichen Charakter, der darüber hinaus das Bild der Philosophen um den Aspekt beispielhafter Frömmigkeit im hellenistischen Sinne erweitert⁷⁰. Diese außerordentlichen Tugenden erfahren jedoch in den Ausführungen von Autor und Völkermissionar eine grundlegende Relativierung, die verdeutlicht, dass Wissensdurst lediglich Schaulust (vgl. Apg 17,20) und Erkenntnis in Wirklichkeit Unwissen, Aberglaube und Hochmut sind (vgl. Apg 17,22– 32). Aufgeklärt über diesen Zustand verhalten sich die Philosophen von Athen in ähnlicher Weise, wie es bereits die Einwohner von Lystra taten: Anstatt den Fehler zu erkennen und das heilsbringende Wort nunmehr anzunehmen, halten sie an

 Der folgende Abschnitt (Apg , – ) ist als Rettungswundergeschichte zu bezeichnen, in der Gott für seinen Diener eintritt und ihn gegen den Widerstand der Gegner aus dem Gefängnis befreit. Die Variante des Wundermotivs dient der Rechtfertigung des Paulus, dessen Stellung gegenüber seinen Anklägern hervorgehoben wird.Vgl. G. Theißen, Wundergeschichten,  – ; R. Pesch, Apostelgeschichte , ; G. Schneider, Apostelgeschichte , .  Für eine vollständige Analyse der von Lukas in Apg , –  bemühten Charakterelemente s.o. S.  ff.

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ihrer Denkweise fest und gehen sogar so weit, das Evangelium und Paulus zu verspotten (vgl. Apg 17,32). Die angesprochene Parallele, die vor allem auf der Ebene des Aufbaus der beiden Episoden Apg 14,8 – 20 und Apg 17,16 – 34 basiert, erweist sich im besprochenen Kontext insoweit als interessant, als dass sich die Philosophen Athens am Ende ebenso uneinsichtig verhalten wie die Bergbewohner von Lystra, die im hellenistischen Umfeld als „Barbaren“ gelten⁷¹. Freilich handelt es sich dabei um eine überspitzte Aussage, die Lukas hier vorlegt. Allerdings führt sie zugleich den Standpunkt des Autors präzise wie pointiert vor Augen, wodurch ein weiteres Mal die Forderung an den Leser im Raum steht, sich zwischen den beiden vorgelegten Konzepten zu entscheiden. Apg 19,23 – 40 verweist auf zwei Aspekte, die im Zusammenhang mit dem hellenistischen Gesellschaftsverständnis und den darin verwobenen kulturellen Strukturen von besonderer Bedeutung sind. Die thematische Zuspitzung auf die Standpunkte von Silberschmied (vgl. Apg 19,25 – 27) und Stadtschreiber (vgl. Apg 19,35 – 40), die in dieser Episode in einen Dialog treten, erschließt sich sowohl aus der parallelisierten Form der gegenläufigen Aussagen⁷², wie aus dem Umstand, dass ausschließlich diese beiden Figuren zu Wort kommen. Lukas lässt die hier vorgestellten Vertreter der Völker für sich selbst sprechen, wobei er ihnen den jeweils vertretenen Ansatz in zugespitzter Form in den Mund legt. Der Silberschmied Demetrius beklagt in diesem Kontext mehr als nur den finanziellen Verlust, der mit dem Rückgang der Verkaufszahlen im Devotionalienhandel einhergeht (vgl. Apg 19,26). Als gewichtigerer Gedanke der Argumentation zeigt sich das Verständnis um die grundsätzliche Relativierung objektgebundener Kultformen (vgl. Apg 19,26 – 27), die die Annahme des durch Paulus verkündigten Evangeliums begleitet. Mit Hinweis auf die weit verbreitete Vorstellung, der Kunsthandwerker veredle mit seiner Arbeit irdisches Material zu einem Verbindungsglied mit den Göttern⁷³, verdeutlicht der Silberschmied die innere Abhängigkeit, die zwischen dem Erfolg seines Gewerbes und der Breitenwirkung einer Gottheit besteht. Der Leser erfährt aus dem Mund eines Fachmannes, dass sogar ein so bedeutender Kult wie der der Artemis von Ephesus im Kern von einem handwerklichen und damit menschlichen (χειροποίητος) Element abhängt, welches das Alte Testament wie auch die Aussagen des Paulus als nichtig und Verstoß

 S.o. S.  ff.  Zu Form und Aufbau dieser Erzählung s.o. S.  ff.  Dazu A. Berlejung, Theologie,  – ; R. Strelan, Artemis, .. Ausführlich s. o. S.  ff.

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gegen den Willen Gottes werten⁷⁴ (vgl. Lev 26,1.30; Jes 2,18; 10,11; Dan 5,4.23; Orac. Sib. 3,604– 606; Apg 17,24– 25; 19,26). Dem widerspricht zwar der Stadtschreiber (vgl. Apg 19,35 – 40), jedoch gelingt es ihm nicht ein Argument anzuführen, das dem Standpunkt des Paulus, hellenistische Kulte seien nur menschliches Machwerk (vgl. Apg 14,15; 17,24– 25; 19,26), gerecht würde. Stattdessen versucht der Beamte in der Absicht, den gesellschaftlichen Frieden und die damit verbundenen Privilegien der Stadt Ephesus zu wahren (vgl. Apg 19,40), die erhobenen Vorwürfe gegen Paulus und das Evangelium zu relativieren (vgl. Apg 19,37). Das Ergebnis dieses Unterfangens ist ein Missverständnis, das die Abkehr der christlichen Gemeinde vom Kult der Artemis als Toleranz und Anpassung deutet⁷⁵, während er zugleich das Standbild der Göttin mit Hinweis auf dessen Stiftung (vgl. Apg 19,35b) aus der Argumentation des Silberschmieds ausklammert. Der Fehler, dem der Stadtschreiber in seinen Ausführungen erliegt, beinhaltet demnach zweierlei Aspekte: Grundsätzlich missachtet er aus politischem sowie gesellschaftlichem und nicht zuletzt wirtschaftlichem Anlass heraus den Anspruch der Einzigkeit des Gottes Israels, der die Verehrung von Devotionalien sowie die Existenz aller anderen Gottheiten ausschließt. Daraus folgt ferner besagte Fehldeutung jenes Lebenswandels der Christen in Ephesus, den Demetrius folgerichtig als Gefahr für den hellenistischen Kult beschreibt. Dem christlichen Leser offenbart Lukas im Gegenüber der beiden Blickwinkel von Silberschmied und Stadtschreiber einen Ausblick auf die Konsequenzen, die sich aus der Hinwendung zum lebendigen Gott ergeben. Ein Kompromiss, wie ihn der Beamte anstrebt, scheidet aus, da dieser einem Verstoß gegen die Gebote Gottes gleichkommt. Zudem erweist sich die Deutung des Standbildes der Artemis, wohl ein Meteorit (vgl. Apg 19,35b), als Überhöhung eines Naturphänomens; eine Verhaltensweise, die die alttestamentlichen Schriften wiederholt als Fehlverhalten der Völker ansprechen (vgl. SapSal 13,1– 6.13 – 19; 15,15 – 19). Dem gegenüber ist der Zustand, den Demetrius beklagt, als gewünschte Folge der konsequenten Hinwendung zum λόγος τοῦ θεοῦ zu verstehen, die der Autor als empfohlene Verhaltensweise dem Leser ans Herz legt. Die hellenistischen Kulte erweisen sich hingegen am prominenten Beispiel der Artemis von Ephesus in Abhängigkeit von den handwerklichen Künsten einzelner Menschen, denen keinerlei Nachhaltigkeit innewohnen kann.

 Vgl. Kap. , Anm. .  Wie gezeigt werden konnte,verbirgt sich hinter der Zurückhaltung der Christen gegenüber den Kultstätten und Praktiken der hellenistischen Gesellschaft eine alttestamentliche Forderung, um die Heiligkeit Israels zu erhalten. Dazu s. o. S.  ff.

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Kurz vor der Ankunft des Paulus in Rom formuliert Lukas ein letztes Beispiel für ein hellenistisches Gedankenkonstrukt, von dem sich der Leser distanzieren soll. Eingebettet in das Setting antiker Seefahrtsgeschichten (vgl. Flavius Josephus, Vit., 14– 16; Ovid, Trist., 1,2,31– 34; Lukian, Ver. Hist., 1,5 – 6; Achilles Tatius, Leuc. et Clit., 2,31,6; 3,1,1) erzählt der Autor von einer Begegnung des Paulus mit den Einwohnern von Malta (Apg 28,1– 6), die, nunmehr als menschenfreundliche Barbaren stilisiert⁷⁶, Schiffbruch, Strandung und einen Schlangenbiss, der Paulus widerfährt, vor dem Hintergrund ihrer Lebenswirklichkeit deuten. Das aufgegriffene hellenistische Ideal von Menschen, die eine natürliche Begabung besitzen, das Handeln der Götter im Kosmos zu erkennen und sich angemessen dazu zu verhalten (Aristophanes, Pax., 392– 393; Plato, Symp., 189c.d; Ders., Euthyphr., 3d; Plutarch, Mor., 1075E; Xenophon, Ag., 1,22), erweist sich in Apg 28,1– 6 als Auslöser einer Fehldeutung, die nach praktischer Entkräftung nicht zur Erkenntnis der wahren Hintergründe, sondern nur zu einem noch unsichereren Missverständnis führt. Der Anspruch einer Erkenntnisfähigkeit aus menschlichem Vermögen heraus, wie er in Teilen der griechischen Philosophie begegnet⁷⁷, wird in dieser Episode durch zwei Falschaussagen konterkariert, die einen Unschuldigen zunächst als Mörder (vgl. Apg 28,4) und später als Gottheit (vgl. Apg 28,6) bezeichnen. Das Handeln des Gottes Israels, der seinen Diener lediglich vor dem Gift der Schlange beschützt, bleibt verborgen, womit Lukas nochmals verdeutlicht, dass die Erkenntnis Gottes, die mit dem Versprechen der Rettung verbunden ist, nur und ausschließlich mit dem Hören des λόγος τοῦ θεοῦ einhergeht. Jeder andere Deutungsversuch endet demnach in unsicherem Rätselraten⁷⁸, welches im Zweifel die Wahrheit verkennt oder in einer einfältigen Überhöhung der Schöpfung gipfelt. Mit dem in dieser Erzählung verborgenen Appell des Autors, sich auch weiter an das Wort Gottes als Quelle der Offenbarung zu halten, endet eine ganze Reihe von Einzelepisoden, die dem Leser kritische Argumente vor Augen führen, weshalb die Ansätze und Antworten der hellenistischen Kultur gegenüber dem alttestamentlichen Weltbild keinen Bestand haben. Dieser Grundgedanke, der in jedem einzelnen der aufgeführten Texte zur Sprache kam, hat durch die thematische Vielfalt, mit der der Autor die Erzählungen stets unterschiedlich ausgestaltete, an Nachdruck gegenüber dem Leser gewonnen. An konkreten Beispielen

 Zu dem in Apg , –  verwendeten Charakterbild der Malteser s.o. S.  ff.  Ausführlich s.o. S.  ff.  Während Lukas auf syntaktischer Ebene deutlich macht, dass die erste Feststellung, Paulus sei ein Mörder, in fester Überzeugung ausgesprochen wird (vgl. Apg ,), vermittelt die vorsichtigere Formulierung der zweiten Aussage in Verbindung mit dem Lexem „μεταβάλλω“ die Unsicherheit der Barbaren (vgl. Apg ,). S.o. S.  ff.

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konnte Lukas zeigen, dass Lebenswandel und Weltbilder der betrachteten Milieus und Gruppen des hellenistischen Kulturraumes gegenüber dem λόγος τοῦ θεοῦ nur solche Vorbehalte bestätigen, die bereits das Alte Testament gegenüber den Völkern anführt. Die Wahrheit des Gottes Israels wurde bei den beschriebenen Vertretern der Völker vor dem Hintergrund weltlicher oder menschlicher Interessen verworfen oder blieb schlicht verborgen. Ein positives Beispiel, welches für eine Öffnung hin zu einer hellenistischen Lebens- respektive Denkweise gesprochen hätte, ließ sich nicht feststellen. Stattdessen betont Lukas auch in einem rein hellenistischen Umfeld unablässig die alttestamentlichen Wurzeln des Evangeliums, an denen der Leser im Denken und Handeln festhalten soll.

5. Ertrag und Fazit Ein Schlusswort, das Einsichten und Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit nochmals eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, kann im Anschluss an die vorausgegangene ausführliche Darstellung der gewonnenen Ergebnisse kurz ausfallen. Die Analysen der einzelnen Episoden (Apg 14,8 – 20; 16,16 – 22; 17,16 – 34; 19,23 – 40; 28,1– 6) haben deutlich gezeigt, dass die Charakterzeichnung, die der Autor des Doppelwerkes von Paulus anfertigt, inhaltlich wie thematisch konsistent ist. Diese Feststellung ist von daher bedeutsam, als sie den literarischen Ansatz sowie die gedankliche Leitlinie, die Lukas zur Abfassung seines Geschichtswerkes wählt, eindrücklich unterstreicht. Paulus ist und bleibt Zeuge und Gesandter des Gottes Israels, dessen Wort er unter den Völkern zur Sprache bringt (vgl. Apg 9,15). Abweichungen im Sinne einer Verklärung dieser Person⁷⁹ oder einer missions-taktischen Anpassung des λόγος τοῦ θεοῦ⁸⁰ fanden bei genauer Betrachtung der literarischen Konstruktion sowie der inhaltlichen Zusammenhänge und Argumentationsabläufe keine Bestätigung. Der Autor definiert vielmehr mit der Berufung des Paulus zum Zeugen und Diener Gottes und darin zum Missionar unter den Völkern eine Konstante, die ungebrochen für den Willen und das Wort des Gottes Israels und darin für die Perspektive des Alten Testaments einsteht. Dem gegenüber beschreibt der Autor facettenreiche Bilder von Vertretern ausgewählter Gruppen der hellenistischen Gesellschaft. Lukas konstruiert in dramatischen Episoden und unter Zuhilfenahme zahlreicher Stilmittel Charak Ein solcher Fall ist beispielsweise in der Diskussion um die Aussage der Barbaren in Apg , zu beobachten. Vgl. E. Haenchen, Apostelgeschichte, . Ferner s.o. S.  ff.  In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an die Frage rund um die Gattung „Predigt“ im antiken Kontext zu erinnern. Dazu s.o. S.  ff;  ff.

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tere, die nicht nur beispielhaft, sondern für den Leser greifbar und verständlich einen bestimmten Aspekt der variierenden Denkweisen vertreten, welche im kulturellen Gefüge des römischen Großreiches ineinander verwoben sind. Mit diesen konfrontiert arbeitet der Autor Grenzen heraus und beschreibt Gründe, weshalb ein Festhalten der christlichen Gemeinden an den alttestamentlichen Wurzeln des Christentums den hellenistischen Weltanschauungen und den begleitenden Entwürfen praktischer Lebensgestaltung vorzuziehen ist. Der Blick in die einzelnen Erzählungen hat gezeigt, dass der Versuch, den λόγος τοῦ θεοῦ als Ausdruck der Heilshoffnungen des Volkes Israel zu etablieren, ein zentrales Anliegen der Ausführungen des Autors und seiner Figur Paulus darstellt. Die darin sichtbar werdende Bevorzugung der alttestamentlichen Tradition, die zudem durch rhetorische Mittel und einschlägige Aussagen und Darstellungsformen Nachdruck erhält, unterstreicht schließlich die These, Lukas siedele das Christentum ungebrochen in der Gemeinschaft des erwählten Volkes Israel an⁸¹. Damit ist der Blick abschließend auf den Ansatz zu richten, der Autor habe das Doppelwerk, dem Konzept des tragisch-pathetischen Geschichtsschreibungsstils folgend, als Epochengeschichte konzipiert, die dem Anliegen folgt, der Leserschaft eine Hilfe zur Identitätsfindung im kulturellen Übergang bereitzustellen. Freilich ist dieser Gedanke nicht neu und wurde in Bezug auf die Spannung zwischen Christentum und Judentum ausführlich behandelt⁸². Die angeführten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit bestätigen indes diese These zu Konstruktion und Abfassungszweck von Evangelium und Apostelgeschichte aus einer anderen Perspektive und stellen die konzeptionelle Stringenz heraus, die Lukas bei der Ausführung seines Vorhabens walten ließ. Einmal mehr konnte gezeigt werden, dass die Apostelgeschichte keineswegs eine lose verbundene Sammlung einzelner Überlieferungen und Traditionen zu den einzelnen Aposteln darstellt. Hinter den Episoden steht ein Leitgedanke, der die einzelnen Texte, Bilder und Argumentationen durch das Gesamtwerk hindurch einem Zweck zuordnet, der, unabhängig vom Setting oder den handelnden Personen, im Vordergrund steht. Die von dieser Einschätzung abgeleitete Herangehensweise, die Apostelgeschichte nicht primär als Zusammenstellung historischer Fakten, sondern als Quelle lukanischer Theologie zu verstehen⁸³, eröffnet ferner einen Weg, Spannungen und Unstimmigkeiten in der geschichtlichen Abfolge und Faktenlage als Elemente literarischen Vorgehens aufzulösen, die nicht als Störung, sondern als gezielte Ausführungen und Erweiterungen von Text und Leitgedanke dienen.  Mit M. Wolter, Epochengeschichte,  – ; J. Flebbe, Gott, ; E. Plümacher, Missionsreden, ; J. Roloff, Kirche, .  Hier sei nur überblicksweise verwiesen auf M. Wolter, Epochengeschichte,  – .  Mit M. Wolter, Epochengeschichte,  Anm. .

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Einzelne Themen und Motive, die in der exegetischen Literatur eine lange Geschichte der Kontroverse aufweisen, konnten auf diesem Wege aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden, der eine theologische Tendenz erkennen ließ, die wiederum das gesamte Doppelwerk bestimmt. Lukas versteht das Christentum als Teil des erwählten Volkes Israels. Die theologische Grundlage sind diejenigen Hoffnungen und Zusagen, die Gott nach dem Zeugnis des Alten Testaments den Juden versprochen hat. Diese, so zeigen es die zahlreichen Eindrücke der vorliegenden Untersuchung, haben auch im Umgang mit den ertretern der Völker normhafte Bedeutung, weshalb aus der Perspektive des Lukas von einem theologischen Konzept des Christentums zu sprechen ist, das auch im Übergang in die hellenistische Gesellschaft an den alttestamentlichen Wurzeln sowie dem darin implizierten Weltbild festhält.

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Verzeichnis der angegebenen und zitierten Literatur

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Stellenregister Alttestamentliche Stellen Gen 1 1,1 – 2,4 1,27 7,23 10,5 11,4.8 12,2 14,18 28,21

72 34, 72, 146, 149, 262 146 149 53 149 73 104 157

Ex 20,2 – 3 20,2 – 4 20,2 – 6 20,2 – 17 20,3 20,4 20,11 32,1 – 6 32,1 32,31 32,9

73, 237 132, 134, 189 263 186, 200, 217, 263 139 130 72 201 148 143, 187, 201, 208, 215, 216 192

Lev 17 – 18 20,2.27 20,27 24,14.16 26,1.30

68 77 139 77 146, 186, 274

Num 22,27 23,20 – 23 23,23 25 25,1 – 9 25,6 – 8 25,11

98 100 98 259, 265 67 54 77

Deut 1,35 3,19 4,7 4,28 5,6 – 7 5,6 – 8 5,6 – 10 5,6 – 21 5,6 5,8 7,25 – 26 9,35 9,40 11,21 12 13,11 14,15 14,23 15,19 15,36 16,18 17,3 – 5 17,19 18,9 – 12 18,10 26,18 26,19 26,20 28,27 32,6 Ri 1,25 2,3 6,26 18,18

131 71 155 143, 187, 201, 206, 208, 215, 216 73, 237 189, 263 132, 134 186, 200, 217, 263 157 130 207, 209, 259 71 71 71 68 77 71 138 71 71 71 77 138 98, 100, 101, 102, 109, 111, 113 98 71 73 71 71 157

157 139 143, 187, 201, 206, 208, 215, 216 70

Stellenregister

1Sam 2,23 5–6 5,3 – 4 28,8 2Sam 24,11

70 188 188 98, 139

34

1Kön 9,7 12,22 13,20

131 34 34

2Kön 5,5 – 9 17,17 22,2 22,11 22,12 22,13

227 98, 101 66 66 66 66

1Chr 28,9b

131

2Chr 26,23

146

Esr 1,2

146

Neh 2,19

70

Est 8,12

157

Ps 2 5,10 11,3 33,4 50,13 68,6 93 103,13 104

151 71 71 34 131 157 74 138 74

119,17 145,18 146,6

192 155 72

Prv 9,10

138

Jes 1 2,2 – 3 2,2 – 4 2,4 2,8 2,18 3,2 5,25 6,9 8,9 10 10,11 10,20 19,1 19,23 27,11 34,9 – 10 34,9 36,18 37,16 37,19

307

42,5 43,20 45,12 58,2 58,5 60 60,66 63,10 66,20

34 157, 158 150, 203 53 100 146, 186, 274 98 131 131 131 34 146, 186, 274 160 100 150 146 113 98, 109 139 146 143, 187, 201, 206, 208, 215, 216 147, 262 157 146 153 66 203, 258, 264 257 131 203, 257, 258, 264

Jer 1,2.4 – 12 1,7 2,3 2,5 3,17 4,1

34 34 73 148 53 66

308

Stellenregister

4,8 4,30 10,9 – 15 10,9 10,15 12,15 14,22 23,23 27,9 – 10 28,18LXX 31,37 34,9 45,21 63,10 65,3 – 7

66 155 216 79, 143, 187, 201, 206, 208, 215 71, 272 68 100 155 100 71, 272 157 98 68 131 131

Ez 6,3 7,12 8,10 12,24 13,6.23 13,16 – 20 13,16 21,26.28.34 22,3 22,28 23,7 28,25 37,28

34 150 71, 272 98 98 111 71, 98, 109, 113, 272 98 150 98 100 73 73

Dan 3,93LXX 5,4.23 9,3

104 146, 186, 274 66

Hos 4,6 5,4 8,5

131 160 131

Am 2,4 5,25 – 27 7,8 8,2 9,11 – 12

71 148, 152 160 160 68

Jon 3,4 – 5 3,5 3,5b Mi 3,11 4,1 – 5

158 66 66

98, 100, 101, 102 151, 157, 158, 203, 257, 258, 264

Hab 2,4

192

Sach 8,22 – 23 10,3 14,16 – 17

257, 258, 264 131 257, 258, 264

SapSal 1,6 7,23 9,9 12,19 13,5 – 6 13,5 – 19 13,5.13 – 19 13,6 – 19

243 243 147,262 243 158 162 187, 206, 217, 220, 275 74, 79, 100, 142, 144, 147, 151, 223, 248, 249, 250, 251, 269, 272 13,10 – 14,21.27 74 13,13 – 19 187 15,7 – 19 74 15,15 – 19 79, 100, 142, 144, 147, 151, 187, 206, 217, 220, 223, 248, 249, 250, 251, 269, 275 15,15 158 Bar 6,45 – 46

79

1Makk 2,24 – 27

77

2Mak 4,11 14,9

243 243

Stellenregister

3Makk 3,15

243

1Esdr 8,19

104

48 229 87 225 83 228 224 94 86 47 47 67, 259 47

Neutestamentliche Schriften Mt 8,1 8,3 8,16 9,1 9,22 9,27 9,33 – 34 11,6 14,13 20,34 26,65

224 230 225 227 47 224 88 88 224 230 67, 259

6,36 6,49 7,37 8,23 9,14 – 29 9,14 9,14 9,22 9,26 – 27 9,38 – 39 10,52 14,63 16,17

Mk 1,21 1,25 1,28 1,29 1,31 1,40 1,42 2,1 – 2 2,6 – 7 2,12 3,1 3,6 3,22 – 30 3,22 3,29 4,35 4,38 4,39 4,41 5,8 5,14 5,19 5,21 5,23 5,29 6,3

85, 224, 228 47 225 85, 227 225 46 230 45 85 225, 230 85, 228 89 227 227 131 85, 227 224 225 87 47 225 225 45 46 230 88

Lk 1,5.57 150 1,5 105 1,50 138 1,64 48, 230 2,48 70 4,12 83 4,31 81, 85 4,33 – 34 87 4,33 – 37 83, 84 4,33 – 37.38 – 44 88 4,33 83, 85, 94 4,34 – 35 105 4,34 85, 94, 98, 111 4,35b 93 4,37.42 89 4,38 – 41 94 4,39 48, 230 5,1 165 5,4 87 5,5 46 5,12 – 16.17 – 26 44 5,17 – 26 23 5,18 85 5,20 46, 138 5,25 48, 230

309

310

6,1 6,6 – 11 7,1 – 10

Stellenregister

165 23, 44 19, 23, 43, 83, 84, 90, 176, 178, 254 7,1 – 2.11 – 14.36 81 7,1.11 224 7,1 85 7,4 224 7,9 46, 138 7,11 224 7,13 85 7,16 87, 88 7,17 49, 225 7,50 47 8,1 81 8,22 165 8,25 105 8,26 – 39 50, 83, 84, 88, 105 8,27.30.33 94 8,27.35 85 8,28 94, 98 111 8,29 94 8,31 – 32 87, 93 8,35b 93 8,38 89 8,40 45, 224, 228 8,44 230 8,47 87 8,48 46, 47, 87 8,50 85 8,55 230 9,1 – 6 30, 31, 33 9,3 30 9,4 – 5 30 9,34 94 9,37 45 9,39 86 9,42 88, 94 9,43 87 9,49 – 50 30, 47, 106 9,49 47 10,1 – 12 30, 33 10,17 – 24 230 10,17 47 10,19 93, 229, 230, 247, 251, 259 10,25 – 37 19, 90, 254 10,25 105

11,14 – 23 11,14 – 26 11,15 12,4 12,13 – 21 13,10 – 17 13,10 – 21 13,11 13,12 13,13 14,1 – 6 14,3 16,16 17,11 17,12 17,13 17,14 17,19 18,35 18,42 18,43 22,35 – 37 23 – 24 23,50 23,54 24,47 – 48 24,48 28,1 – 2 28,1 – 10 28,2a 28,2b 28,3 – 6 28,3 28,4 28,6

50 23 88 185 19, 90, 254 23 43 85 85 230 23 85 94 85, 224 85 87, 224 87, 225 47 46 46, 47 85, 87, 230 30, 31 8 107 150 132 106 228 228 228 228 228 229 229 230

Joh 4,15 5,5 5,9 9,6 9,7 10,21 11,24

48 224 230 225 87, 225 139 229

Apg 1

8

Stellenregister

1,3 – 8 1,6 – 12 1,7 1,8 1,18 – 19 1,21 – 22 1,21 – 22a 1,21 – 26 1,22 1,22b 1,26 2,1 – 13 2,5 2,8 – 11 2,9 – 13 2,12 – 13 2,13 2,38 2,42.43 2,47 3 3,1 – 26 3,1 – 4,22 3,1 3,2 3,5 3,6 3,6b 3,7 3,8 – 9 3,8 3,9 – 11 3,9 3,10 3,11 3,12 – 15 3,12.16 3,12 – 26 3,12 3,16 3,18 3,19 3,19a 4,1 – 22 4,2.33 4,4

31 223 27 11, 12, 78, 79, 106, 111, 113, 132, 133, 197, 216 29 33 29 29, 35 29, 31, 32 29 29 52 53 53, 242 53 225 54, 160, 256 118 29 48, 256 35, 77, 118 258 50 85, 224 224 48 44, 46, 48, 50 48 48, 230 85 88, 256 89 47, 48, 225 256 87 88 46 7, 48 70 12, 47 31 159 118 118, 169 31, 34 35

311

4,5 165 4,8 – 18 76 4,8 – 20 90 4,11a 52 4,12b–13 253 4,19 – 20 2, 3, 4, 193, 223 4,19 33, 37, 38 4,20 79, 169, 193 4,21 76, 256 4,22 31 4,24 146 4,33 – 37 222 4,33 29 5,10 230 5,12 – 16 160 5,12.13.29.40 29 5,12 35 5,13 220 5,17 – 42 118 5,17 61, 242 5,19 225 5,29 2, 3, 4, 33, 37, 38, 79, 169, 193 5,31b 118 5,34 – 42 256 5,38 – 39 160 5,38 256 5,40 76 6,6 29 6,7 34, 138 6,8 – 15 169 6,8 – 7,53 169 6,8 – 7,60 29, 31, 77, 191, 226 6,9 – 15 191, 269 6,11.13 169 6,13 31 6,19 – 21 110 6,19 – 22 104 7 35 7,1 – 10 222 7,1 – 53 169, 192 7,16.22b–24 140 7,16.23a 151 7,19 157 7,32 – 34 177 7,39 – 43 201 7,41 130 7,42 – 43 152

312

Stellenregister

7,42 7,45 7,48 7,51 – 53 7,51 7,55 – 56 7,56 7,58 8,1 – 3 8,1.3 8,12 8,14.18 8,14 8,26 – 39 9 9,1.13 9,1 – 18 9,3 – 6 9,4 9,15 – 16 9,15

130 150 143, 148, 186, 206, 216 118 191, 192 32 32 30 7 30 31 29 34, 35 222 28 30 2, 32, 255 32 54 33 32, 33, 35, 78, 79, 113, 132, 133, 193, 197, 216, 237, 266, 257, 267, 277 165 224 105 49, 225 2, 28, 78, 79, 113 40, 105 139 29 118 67 34, 40 225, 226 230 34 7 39 40 32 257 34 48, 230 118 138 191

9,32 9,33 9,36 9,42 10 10,1 10,2 10,42 10,43 11 – 13 11,1 12,1 – 17 12,23 12,24 13,1 – 3 13,1 – 14,28 13,1 13,2.4 13,5 13,7.46 13,11 13,39 13,43 13,45.50

13,50 – 51 76 13,50 112 14,1 – 6a 191 14,1 – 7 7 14,1 – 11 178 14,1 – 13 246 14,1 – 6.19 – 20 269 14,1 77, 78 14,2 – 3 77 14,2.19 – 20 191 14,2 112 14,4 – 5 76, 191 14,4.14 29 14,4 51 14,5a 191 14,6 40 14,6b 39, 40 14,7 – 8 36, 71 14,7 – 9 69 14,7.9a 69 14,7 47, 68, 75, 260 14,8 – 9 79, 254 14,8 – 10 61, 264 14,9 – 10 17, 71, 266, 271 14,8 – 11 250, 254 14,8 – 12 83 14,8 – 13 90 14,8 – 14 42, 44 14,8 – 18 41, 63, 69, 77, 78, 115, 123, 258, 268 14,8 – 20 4, 12, 16, 17, 19, 23, 24, 27, 28, 37, 38, 39, 40, 65, 78, 80, 82, 84, 90, 95, 96, 97, 101, 110, 113, 118, 121, 122, 161, 166, 170, 171, 175, 178, 180, 198, 200, 208, 209, 214, 217, 218, 219, 221, 222, 226, 227, 236, 237, 247, 248, 249, 250, 251, 253, 267, 269, 271, 272, 273, 274, 277 14,8 4, 48, 55 14,8a 40, 41, 45 14,8b–9 45 14,8b 45, 48 14,9 – 11 53 14,9 12, 63, 69, 87, 138, 210, 258, 260, 267

Stellenregister

14,9a 14,9b–10 14,9b 14,10 – 13 14,10 14,10b 14,10c 14,11 – 12 14,11.12 14,11 – 13

47, 51 69 50 135 46, 47, 48, 49, 50, 165, 225 47, 69 48 72, 225 36 4, 25, 45, 48, 54, 59, 60, 61, 65, 69, 115, 121, 122, 123, 126, 156, 167, 219, 237, 247, 249, 252, 253, 254, 259, 262, 271, 272 14,11 – 14 50 14,11 – 13.16 73 14,11 12, 18, 54, 55, 57, 63, 89, 104, 226, 239, 240, 242, 255, 267 14,11a 50, 55, 59, 65 14,11b–12 49, 51, 67 14,11b–13 63 14,11b–14 55 14,11b 16, 17, 70, 75, 115 14,12 51, 60, 63, 65 14,12b 51 14,13 – 14 49, 52, 72 14,13 60 14,13b 65 14,14 – 15 105 14,14.15 74 14,14 – 17 45, 48, 52, 78, 225, 226, 227 14,14.16 – 17 269 14,14 – 18 12, 90, 169 14,14 35, 66, 67, 68, 70, 73, 78, 177, 262 14,14b 63, 66, 67 14,15 – 16 17, 256 14,15 – 17 7, 14, 33, 35, 42, 44, 48, 49, 60, 65, 68, 69, 78, 92, 176, 177, 223, 236, 248, 249, 260, 262, 263, 264, 269 14,15b–17 272 14,15 – 18 51, 193, 206 14,15 35, 72, 92, 146, 203, 212, 216, 259, 263, 266, 269, 275 14,15a 18, 70, 272 14,15b 49, 70, 71, 72, 262

14,15c 14,16 – 17 14,16 – 18 14,16 – 20 14,16 14,17 14,17a 14,18 – 20 14,18.19 – 20 14,18

313

71 72, 107, 111 98 16 73, 170 73, 74, 118, 150, 263 74 187 175 24, 42, 43, 44, 75, 79, 120, 121, 160, 162, 177, 182, 256, 262, 272 14,18b 177 14,19 – 20 41, 76, 78, 79, 169, 191, 258, 266, 267 14,19 – 20a 258 14,19 138 14,19a 41, 76 14,20 78 14,20a 11, 258 14,20b 40, 81 14,22 31 15 – 16 32 15 68 15,1 – 29 28, 33, 113, 132 15,6 29 15,7 33, 35 15,13 – 18 68 15,13 – 21 68 15,20.29 130 15,20 132 15,36 – 18,22 114, 115 15,36 – 21,40 164 15,40 114 16,1 10, 81, 114 16,6 32 16,9 178 16,10 – 17 85, 233 16,11 114 16,14 40, 138 16,16 – 17 89 16,16b.19a 96 16,16 – 20 170 16,16 – 22 4, 12, 16, 19, 23, 24, 27, 28, 37, 61, 80, 81, 82, 83, 84, 88, 89, 90, 91, 92, 95, 97, 98, 100, 101, 103, 108, 110, 122, 123, 166,

314

Stellenregister

175, 180, 187, 161, 178, 185, 199, 200, 208, 214, 216, 217, 218, 220, 221, 222, 227, 231, 236, 242, 247, 248, 250, 251, 258, 267, 268, 269, 272, 277 16,16 – 23 19 16,16 – 24 198, 200 16,16 – 25 174, 219 16,16 – 32 218 16,16 – 40 39, 80, 81, 82, 105, 115, 171 16,16 4, 12, 89, 101, 108, 123, 139 16,16a 110 16,16b 36, 85, 94, 95, 105, 111 16,16c 86 16,17 – 18 83, 105 16,17 – 18a 102 16,17.20b–21 113 16,17 86, 87, 105, 107, 108, 109, 110, 112, 113, 262, 269 16,17b 82, 98, 103, 106, 107, 108, 268 16,17c 107 16,18 – 19 86, 87, 200 16,18 47, 80, 82, 83, 87, 89, 95, 101, 107, 254, 259, 264, 265, 271 16,18a 83, 89, 103, 109 16,18b 19, 83, 86, 102 16,18c 87 16,19 – 21 89, 91, 92, 95, 102, 107, 108, 111, 112, 113, 162, 199, 218, 236, 237 16,19 – 22 4, 81, 83, 89, 90, 254, 262, 270, 271 16,19 14, 65, 86, 112, 167, 210, 242, 268, 273 16,19a 61, 83, 88, 91, 101, 109, 112, 178, 200 16,19b–22 109, 271 16,19b 101 16,20 – 21 88, 89, 104, 109 16,20 – 22 80 16,20 109, 169 16,20b–21 257, 265 16,20b–22 14 16,20b 91, 110 16,21 112, 252, 257, 273 16,22 – 23 81 16,22 81, 113

16,23 – 34 16,23 – 40 16,23 16,23a 16,24 16,26 – 30 16,26 16,26b 16,27 – 28 16,30 – 33 16,31 – 32 16,34 16,35 – 40 16,37 – 38 17,1.10 17,1.16 17,4.17 17,5 – 8 17,5 – 9 17,10 – 15 17,13 17,14 17,15 17,16 – 17

80 81, 90, 225, 226, 258, 273 85 81 82 82 48, 80, 81, 225, 230 82 82 89 48 138 80 80 78 10 138 269 76 191 34, 169, 191, 257 114 114 17, 115, 132, 133, 134, 136, 218, 259, 264 17,16 – 17.21 122 17,16 – 17.18 – 22a 134 17,16 – 18a 121 17,16 – 21 114 17,16.21 123, 253 17,16.21.22 64 17,16 – 22a 115 17,16.22b 4 17,16.22 – 23 154 17,16.22b–23 147 17,16 – 32 170, 219 17,16 – 33 39 17,16 – 34 4, 12, 16, 17, 24, 69, 80, 110, 115, 118, 119, 120, 121, 124, 129, 137, 161, 162, 166, 171, 175, 176, 177, 178, 186, 187, 198, 200, 208, 209, 214, 217, 218, 237, 242, 245, 247, 248, 249, 250, 251, 253, 267, 269, 273, 274, 277 17,16 – 35 16, 19, 23, 24, 27, 28, 36, 37, 114

Stellenregister

17,16

12, 25, 130, 133, 134, 141, 148, 153, 161, 180, 258, 259, 262, 265, 273 17,16a 114, 131 17,16b–17 123 17,16b.18 – 21 36, 115 17,16b 17, 128, 130, 131, 137 17,17 – 18 17 17,17 36, 114, 120, 132, 133, 146, 153, 260 17,17a 141 17,18 – 19 159 17,18 – 20 161 17,18 – 22a 134 17,18.32 104 17,18 17, 25, 31, 34, 117, 118, 120, 123, 124, 126, 133, 134, 136, 137, 140, 142, 145, 152, 159, 160, 161, 162, 262 17,18a 120, 121, 122, 124, 130, 133 17,18b.32a 121 17,18.22b–31 177 17,18b 115, 122, 134, 145, 159 17,18c–d 124 17,18c 135 17,19 – 21 105 17,19 – 22a 114 17,19 18, 134, 253 17,19a 128 17,19b 18, 162 17,20 134, 136, 273 17,21 – 22 167 17,21.22b 25 17,21.32 254 17,21.32 – 34 175 17,21 4, 23, 24, 25, 61, 123, 128, 136, 137, 162, 178, 210, 242, 267, 270, 271 17,21b 123, 180 17,22 – 23 170 17,22 – 24 269 17,22 – 31 7, 12, 169, 260 17,22 – 32 14, 273 17,22 – 23.32 262 17,22 – 34 114 17,22 61, 130, 140, 263 17,22b–23 118, 140

17,22b–24 17,22b–31

17,22b–32 17,22b 17,23 – 31 17,23 – 34 17,23 17,23a 17,23b 17,24 – 25 17,24 – 26 17,24 – 31 17,24 17,24a 17,24b 17,24c 17,25 17,25b 17,26 – 27 17,26 – 28 17,26 17,26b 17,27a 17,27b–28a 17,27b–29 17,27b 17,28 – 29 17,28 – 31 17,28 17,28a 17,28b 17,28c 17,29 17,30 – 31 17,30b 17,31a 17,32 – 34 17,32 – 37 17,32 17,32a 17,32b

315

150 17, 33, 35, 38, 115, 117, 118, 119, 120, 123, 126, 133, 141, 162, 193, 223, 226, 249, 260, 269 98, 114 123, 137, 139, 130, 180, 206 263, 264 160 140, 145, 267 142 121, 141, 143, 148, 264 35, 147, 149, 152, 212, 248, 249, 262, 263, 274, 275 266, 269 127, 126 143, 145, 206, 216, 256, 262, 263 126, 145 145, 147, 263 145 147, 263 148 149, 151, 158 154 154 149 149, 151 153 153, 155 155 268 126 126, 154, 253 155, 156 154, 246, 271 126 154, 157 107, 111, 157, 158, 162, 203, 216, 262, 263, 264 158 158 119, 121 162 4, 24, 118, 121, 127, 143, 274 3, 12, 75, 136, 162, 177, 256 160

316

Stellenregister

17,34 114, 160 17,35b 183 18,1 – 2 114 18,1 10, 40 18,4 78 18,7 138 18,11 34, 257 18,12 – 17 269 18,23 – 21,14 198 19 – 21 123 19,1 – 22 165 19,1 165 19,5 181 19,8 – 9 260 19,8 – 10 197 19,8 – 10.26 36 19,8 31, 78 19,9 170, 191, 192, 193 19,13 – 17 47 19,17 49, 225 19,23 – 24 13 19,23 – 27 252 19,23 – 27.28 – 34.35 – 40 167 19,23 – 40 4, 12, 16, 19, 23, 24, 27, 28, 37, 39, 92, 95, 96, 97, 164, 165, 166, 167, 169, 171, 172, 173, 175, 176, 177, 178, 180, 181, 182, 185, 186, 189, 191, 192, 196, 198, 199, 200, 210, 211, 217, 218, 219, 227, 236, 237, 245, 247, 248, 250, 251, 267, 269, 274, 277 19,23−45 268 19,23 3 19,24 – 27 156, 173, 200, 201 19,24.25 220 19,24.35a 36 19,24 25, 178, 184, 215 19,24b.25b 171 19,25 – 26 92, 269 19,25 – 27 176, 178, 181, 183, 198, 199, 216, 218, 220, 265, 274 19,25 220 19,25b–27 23, 211 19,25b–27.35 – 40a 14, 173, 175, 196, 236 19,25b 174, 196 19,26 – 27 112, 263, 269, 274

19,26.37 19,26

259 143, 148, 200, 202, 220, 218, 262, 274, 274, 275 19,26a 202, 203, 252 19,26b 13, 167, 174, 176, 179, 185, 186, 193, 195, 196, 198, 205, 207, 210, 211, 212, 215, 266 19,27.35 – 36 181 19,27 – 27.35 – 40a 214 19,27 139, 188, 203, 216 19,27a 176, 187, 188, 202 19,27b 173, 176, 202, 208 19,27c 202 19,28 – 34 165, 173, 198, 210, 212 19,28.34 179, 182 19,28 173 19,29b 196 19,30 – 31.33 – 34 167, 171, 173, 174, 177, 197, 198, 199 19,30 – 31 13, 165, 167, 170, 171, 193, 195, 196, 199, 218, 219, 220 19,30a 193, 197 19,31 170, 194, 195, 215, 252, 266 19,31a 195 19,32.39 197 19,32 174, 182, 197, 208, 216, 217 19,32b 182, 197, 212 19,33 – 34 167, 169, 170, 171, 174, 191, 192, 193, 197, 219, 262 19,33 170 19,33b 169 19,34 189, 215, 217, 257 19,35 – 36 169, 171, 189, 204, 206, 213, 220 19,35 – 36.38 173 19,35 – 40 206, 268, 275 19,35 – 40a 23, 171, 172, 174, 176, 181, 198, 199, 203, 207, 210, 212, 219, 220 19,35 25, 188, 202, 213 19,35a 204, 208 19,35b–36 178, 187 19,35b–40a 211 19,35b 176, 196, 207, 208, 271, 275 19,36.40a 217 19,36 183, 189 19,36a 205

Stellenregister

19,37

168, 170, 171, 174, 204, 208, 209, 210, 219, 256, 259, 266, 275 19,38 65, 174, 189, 205 19,39 – 40a 174 19,40 92, 165, 275 19,40a 167, 172, 173, 174, 196, 203, 204 20,1 – 3 165 20,4 27 20,5 – 15 85, 233 20,6 – 12.13 – 16 7 20,24 29, 31, 32, 33, 35 21,1 – 18 85 21,1 – 28 233 21,20 256 21,27 – 30 169, 191 21,28 53 21,30 156 21,37 – 38 53 21,37 255 21,38 242 21,39 169 21,40 242 22,1 – 21 7, 53, 98, 242, 255 22,2 53, 54, 242, 254, 255 22,3 54, 257 22,7 54 22,14 – 21 35 22,21 132 22,23 29 23,1 – 3 3, 67 23,6 256 24,5 156 24,11 169 24,16 67 25,19 131, 138 26,5 255, 257 26,9 – 20 54 26,14 – 18 255 26,14 54, 242, 255 26,17 29, 132 26,20 159 26,22 31 27,1 – 28,16 85, 221, 233, 249 27,3 195 27,13 – 44 7, 233

27,13 – 28,1 27,24a 27,41 – 28,1 27,44 28 28,1 – 6

317

253 229, 230, 237, 247, 251 247 221 8 4, 12, 13, 16, 19, 23, 24, 27, 28, 37, 53, 69, 83, 84, 92, 95, 97, 156, 182, 214, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 231, 232, 233, 235, 236, 238, 243, 245, 247, 249, 250, 251, 253, 258, 266, 267, 268, 269, 276, 277 28,1 – 2.3 – 6 232 28,1 – 6.7 – 10 222 28,1 85 28,1 – 2 223, 221, 233, 250 28,1 – 2.5 254 28,1 – 3 246 28,2.3.6 223 28,2.4 226, 239 28,2 24, 36, 65, 228, 234, 245, 249, 252 28,2a 234 28,3 – 4a 248 28,3.4 248 28,3 – 6 79, 234 28,3.6 14, 104, 222, 262 28,3 13, 92, 177, 182, 228, 229, 234, 247, 250 28,3a 228, 248 28,3b 234 28,4 – 5 221, 222 28,4.5 – 6 267 28,4.6 19, 115, 268 28,4 – 6a 246 28,4 229, 276 28,4 258 28,4a.5 – 6a 230 28,4a 248 28,4b.6b 226, 227, 228, 229, 231, 234, 237, 239, 243, 247, 248, 249 28,4b 237, 245, 246, 247, 250 28,5 – 6a 251 28,5 – 6 271 28,5 – 6a 237 28,5 230, 254, 267

318

Stellenregister

28,5b–6 28,5b–6a 28,6

28,6c 28,8 28,17 – 31

271 247 13, 24, 75, 92, 177, 221, 223, 226, 267, 271, 276, 277 38, 177, 182, 223, 229, 230, 237, 251 247 225 2, 3

Röm 1,14 1,16 2,22 8,2 9,10 10,3 10,4 11,36

241, 251 133, 151 209 187 187 153 153 155

1Kor 8,6 10,19 – 22

155 132

2Kor 1,8

165

28,6b

Gal 1,14

54, 157

Eph 4,30

131

Kol 1,16 3,11

155 251

1Thess 1,9

71

1Tim 1,13 1,20

187 169, 170

Phil 1,13 4,22

165 165

Hebr 2,10

155

Pagane Schriftsteller Achilles Tatius, Leuc. e. Clit. 2,31,6 233, 253, 276 3,1,1 233, 253, 276 Aelius Aristides, Orat. 23,24 184 45,23 – 25 225 Aeschylus, Agam. 918 – 919 240

Antipatros von Thessalonich, Anth. Graec. 9,269 229, 246, 248 Aphtonius 3

20

Apollodorus, Frgm. 177,3 58, 240 Aratus, Phaen. 5 126, 149, 154, 156, 253, 268

Aeschylus, Pers. 198 – 199 66, 259 391 240

Aristoteles, De Anima 414a,12 – 13 154

Alkaios, Frgm. 6 232

Aristoteles, Eth. Eud. 1229b29 251

Stellenregister

Aristoteles, Pol. 1313b10 251

17,26 19,53

Aristophanes, Pax. 392 – 393 243, 276

Diogenes Laertius 1,86 70, 102 6,40 44, 102 6,55 15, 22, 177 7,23 44 9,58 125

Arius Didymus, Epit. Phys. Fr. 39 127 Artemidorus, Onir. 2,69 94, 95, 96, 97, 98, 100, 111 Cicero, Pro Q. Ros. Com. 27 – 32 96 28 86 Cicero, Verres. 4,46 – 47 238 Cicero, De Off. 3,27,2 122 CIG 2966 2972

39 64

Dionysios, Ant. Rom. 1,8,2 8, 15 1,13,13 59 1,13,33 58 7,66,1 – 3 7 7,66 8 19,5,3 135 Euripides, Iph. Taur. 87 – 88.1384 – 1385 181 Heraklit, Frgm. 28b 229

183 183

Claudius Aelianus, Var.Hist. 13,28 21, 22, 44, 75, 119, 177 Demosthenes, Or. 18,127 135 20,165 243, 245, 250 21,48 243, 245, 250 23,61 243, 245, 250 25,81 243, 245, 250 Dio Chrysostomos, Or. 12,28 154 31,54 184 32,44 176 38,33 – 37 204 54,7.6 204 Diodorus Siculus, Bib. Hist. 5,12,3 238 5,81 64 14,113 64

Hermogenes, Progymn. 2–3 20 Herodot, Hist. 3,38 243, 244 7,136 243 8,142,5 240 9,43,6 58, 240 Hesiod, Op. 109 – 201 64, 271 256 246 Homer, Il. 2,867

58, 240

Hymn. Hom. 33,12 225 Johannes Sardianus, Comm. in Aphthon. 41,2 – 11 24

319

320

Stellenregister

IvE 24B,8 – 9 27,224 276,9 – 10 300 304 304 A 425,10 – 11 449 461 467 508 647 740 740,4 – 17 1130 1578 A,6 1910 2026,10 2040 2212.4 – 7 4336

188 182 182 183 183 183 185 183 194 183 194 183 183 194 194 181 183 182 183 185 183

Livius 21,51 34,34

Ovid, Met. 1,163 – 167.196 – 198.209 – 240 61 1,253 – 312 64 1,253 – 438 64, 263 1,317 – 323 64 8,611 – 724 61, 69, 72, 75, 166, 180, 237, 253, 268, 271, 272 8,614 – 615 62 8,621 63 8,679 62 8,690 – 691 62 8,699 – 700 62 8,707 – 710 62 8,719 – 720 62 Ovid, Trist. 1,2,31 – 34

233, 253, 276

Philostratus, Vit. Ap. 1,37 70 5,20 213, 216 Papiri greci e latini 9,1055a 86

238 39

Lucian, Alex. 7 – 8.10.19 94, 95, 111, 190 Lucian, Demonax 27 70 Lucian, Syria 12 64, 263, 271 Lukian,Ver. Hist. 1,5 – 6 233, 253, 276

Pausanias, Descr. Graec. 4,31,8 188 Philostratus, Vit. Soph. 540 21, 22 541 44 Platon, Apol. 24b 129, 253 Platon, Euthyphr. 3d 243, 276

Macrobius, Sat., II 1,14 20

Platon, Leg. 677 – 682 64 683 64

Marcus Manilius, Astr. 4,833 64

Plato, Pol. 273bc

Nemesius, De Nat. Kom. 2,46 127

Plato, Soph. 248e–249a 154

64, 271

Stellenregister

Platon, Symp. 189c.d 243, 276

Sophokles, Frgm. 126 240

Platon, Theaet. 175a 241

Sophokles, Oed. Col. 260 128, 263

Plinius der Jüngere, Epist. 6,31,3 194 10,96,10 203

Statilius Flaccus, Anth. Graec. 7,290 229, 246, 248

Plutarch, Alex. 3,3 – 5 186 Plutarch, Cras. 30,2 245 Plutarch, Dem. 52,3 245 Plutarch, Mor. 414E 94, 95, 96, 97, 98, 100, 111, 190 857 243 1075E 243, 276 Polybios 3,41,2 – 3

Strabo 7,7,2 8,7,1 9,3,11 – 12 12,3,18 12,6,2 13,1,24 – 25 14,1,4 17,832 – 834 17,833

64, 263, 271 64 96 57, 58, 59 57, 59 64 186 238 239

Tacitus, Ann. 6,41 55 12,55 56, 58, 59 Tacitus, Hist. 5,5 108

238

Pseud Apollodorus, Bibl. 1,2,1 – 2 64, 263, 271 3,8,2 64 Quintilian, Inst. Orat. 6,3,63 15, 21, 24, 91, 92, 110, 176, 178, 236, 237, 251 Seneca, De Tranqu. An. 8,7 15 Seneca Epist. 53,8,7 22 95,50 140 Seneca, Nat. Quaest. 7,19,1 154

Thukydides Ant. Rom. 2,41,1 127 7,66,3 15 Thucydides, Hist. 4,104,4 234 Xenophon, Ag. 1,22 243, 276 Xenophon, Anab. 3,1,4 234 3,1,5 – 8 97 3,1,8 234 Xenophon, Cyrop. 1,2,1.4,1 245 8,2,1.4,7 – 8 245

321

322

Stellenregister

Xenophon, Mem. 1,1,1 129, 253

4,8,11

139

Jüdische und rabbinische Schriften bBer 33a

246

bSanh 37b 65a

246 99, 111, 113

Epist. Jer 1,44 1,45

201 201

Flavius Josephus, Ant. 4,244 – 246 190 4,322 16,277 241 14,10,2 107 14,225 – 227 191 14,227 190 14,240.262 – 263 190 16,2,3 107 18,237 168 Flavius Josephus, Ap. 1,249.310 – 320 207, 208, 259 2,69 – 70 168 2,130 128, 263 2,172 241 Flavius Josephus Bell. 2,487.495 – 496 168 5,123 – 124 241 7,46 – 47 190 Flavius Josephus, Vit. 14 – 16 232, 233, 253, 276

Orac. Sib. 3,218.233 3,233 – 234 3,554 – 555 3,604 – 606 3,606.618

99, 113 100 74 274 146, 186

Philo von Alexandria, Abr. 68 241 Philo von Alexandria, Flacc. 29 168 Philo von Alexandria, Leg. Gai. 99 51 114 – 118 188 203 135 Philo von Alexandria, Op. 70,54 241 Philo von Alexandria, Prob. 51 241 Philo von Alexandria, Spec. Leg. 1,36 153 114 – 118 188 Philo von Alexandria, Vit. Mos. 2,205 – 206 207, 208, 259 Test. Juda 23,1

113

Kirchenväter Augustin, De Civ. Dei 18,9 127

Clemens von Alexandria, Protrept. 6,72,61P 124

Stellenregister

Clemens von Alexandria, Strom. 5,12,76 213, 216 5,82,4 1 Epiphanius, Adv. Haeres. 2,2,9 127 Irenaeus, Haer. 3,1,1 1 3,13,3 6

Johannes Chrysostomos, Hom. Act. 29 96 Origenes, Cels. 3,25 96 Tertullian, Bapt. 10,4 1

323